Im Dispositiv interkultureller Kommunikation: Dilemmata und Perspektiven eines interdisziplinären Forschungsfelds [1. Aufl.] 9783839425558

From the perspective of cultural studies, intercultural communication as a research subject has long since experienced a

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Im Dispositiv interkultureller Kommunikation: Dilemmata und Perspektiven eines interdisziplinären Forschungsfelds [1. Aufl.]
 9783839425558

Table of contents :
Inhalt
Kulturarbeit und Kulturforschung im Kulturdilemma
Brüche und Diskontinuitäten in der interkulturellen Forschung
Gibt es einen Beratungsbedarf, und worin besteht er?
Die Suche nach der Handlungsrelevanz von Kultur
Probleme bei der Operationalisierung eines wissenschaftlichen Begriffs?
Rettung dank Diskursanalyse?
Dispositive in akademischen und gesellschaftlichen Diskursen
Was macht die Diskursanalyse für Forscher attraktiv?
Interkulturelle Diskurse als Diskursverschränkungen
Weiterentwicklungen der Foucaultschen Diskurstheorie
Dispositive als Zusammenspiel von Macht, Diskurs und Praxis
Fragen an eine Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation
Zusammenfassung: das Dispositiv interkultureller Kommunikation
Exkurs: Das Nachhaltigkeitsdispositiv
Interkulturelle Kommunikation als Dispositiv: Vorarbeiten
Die Neu-Einordnung von Kultur als Kulturthema
Diskurse über Interkulturalität als kulturelle Konstruktion
Vorarbeiten zum Konstruktionscharakter von Kulturbegriffen
Die Vielfalt der Differenzbegriffe mit Kulturbezug
Diachrone Retrospektiven auf die interkulturelle Forschung
Interkulturelle Kommunikation als Dispositiv
Das Dispositiv interkultureller Kommunikation in den Wissenschaften
Vorüberlegungen zu einer dispositivanalytisch informierten Systematisierung
Kultur wird einer Disziplin meist nur hinzugefügt
Grundlegende Unterscheidungskriterien kultureller Beschreibung
Zur Eingrenzung eines empirischen Korpus
Primordiale Kulturbegriffe
Konstruktivistische Kulturbegriffe
Die konstruktivistische Reform des interkulturellen Dispositivs
Das Dispositiv interkultureller Kommunikation in Gesellschaftsdiskursen
Interkulturelle Kommunikation als bequemes Begründungsmotiv
Vorüberlegungen zu einer dispositivanalytisch informierten Systematisierung
Der Kreislauf zwischen Medien- und interpersonaler Kommunikation
Diskursanalysen zu den einzelnen Bereichen des Kreislaufs
Diskursanalysen von Übergangszonen im Kreislaufmodell
Kultur als Begründung in den Medien
Wie kann man trotzdem noch forschen? Überlegungen zu einer Neuorientierung
Von der Analyse zur Suche nach konstruktiven Modellen
Diskurs vs. Praxeologie – eine fruchtlose Konfrontation?
Die Verschränkung von Diskurs und Praxis bei Butler
Performativität empirisch sichtbar in Diskursen?
Qua Subversion das Dispositiv auflösen?
Zu einer Theorie performativen Handelns im Dispositiv interkultureller Kommunikation
Diskurs und Dispositiv
Der praktische Vollzug des Dispositivs
Kultur ist, was Individuen darunter verstehen
Exkurs Subjektive Theorien
Lösungsvorschläge aus theoretischer Sicht
Zu einer Empirie der Performativität in interkulturellen Kontexten
Kulturverständnisse werden performativ definiert
Eine kritische Würdigung sozialwissenschaftlicher Methoden
Die Ethnomethodologie als kulturheuristische Forschungshaltung
Membership Categorization – diskurstheoretisch informiert
Hypothese zur dispositivgeleiteten Aktivierung kultureller Kategorien
Schwächen des Ansatzes: auf explizite Kategorisierungen beschränkt?
Fazit: Dispositive und handlungsrelevante Aktivierungen von Interkulturalität
Der Verlauf der Studie im Kurzüberblick
Ausblick
Verwendete Literatur

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Dominic Busch Im Dispositiv interkultureller Kommunikation

Sozialtheorie

Dominic Busch (Univ.-Prof. Dr. phil.) lehrt Interkulturelle Kommunikation und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr München. Er forscht u.a. zu gesellschaftlichen Konstruktionen von Kulturverständnissen.

Dominic Busch

Im Dispositiv interkultureller Kommunikation Dilemmata und Perspektiven eines interdisziplinären Forschungsfelds

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Dominic Busch Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2555-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Kulturarbeit und Kulturforschung im Kulturdilemma | 7 Brüche und Diskontinuitäten in der interkulturellen Forschung | 15

Gibt es einen Beratungsbedarf, und worin besteht er? | 16 Die Suche nach der Handlungsrelevanz von Kultur | 28 Probleme bei der Operationalisierung eines wissenschaftlichen Begriffs? | 36 Rettung dank Diskursanalyse? | 42 Dispositive in akademischen und gesellschaftlichen Diskursen | 59

Was macht die Diskursanalyse für Forscher attraktiv? | 59 Interkulturelle Diskurse als Diskursverschränkungen | 65 Weiterentwicklungen der Foucaultschen Diskurstheorie | 82 Dispositive als Zusammenspiel von Macht, Diskurs und Praxis | 89 Fragen an eine Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation | 109 Zusammenfassung: das Dispositiv interkultureller Kommunikation | 123 Exkurs: Das Nachhaltigkeitsdispositiv | 130 Interkulturelle Kommunikation als Dispositiv: Vorarbeiten | 141

Die Neu-Einordnung von Kultur als Kulturthema | 143 Diskurse über Interkulturalität als kulturelle Konstruktion | 146 Vorarbeiten zum Konstruktionscharakter von Kulturbegriffen | 163 Die Vielfalt der Differenzbegriffe mit Kulturbezug | 176 Diachrone Retrospektiven auf die interkulturelle Forschung | 184 Interkulturelle Kommunikation als Dispositiv | 186 Das Dispositiv interkultureller Kommunikation in den Wissenschaften | 193

Vorüberlegungen zu einer dispositivanalytisch informierten Systematisierung | 195 Kultur wird einer Disziplin meist nur hinzugefügt | 198 Grundlegende Unterscheidungskriterien kultureller Beschreibung | 203 Zur Eingrenzung eines empirischen Korpus | 213 Primordiale Kulturbegriffe | 214

Konstruktivistische Kulturbegriffe | 236 Die konstruktivistische Reform des interkulturellen Dispositivs | 264 Das Dispositiv interkultureller Kommunikation in Gesellschaftsdiskursen | 271

Interkulturelle Kommunikation als bequemes Begründungsmotiv | 271 Vorüberlegungen zu einer dispositivanalytisch informierten Systematisierung | 272 Der Kreislauf zwischen Medien- und interpersonaler Kommunikation | 274 Diskursanalysen zu den einzelnen Bereichen des Kreislaufs | 280 Diskursanalysen von Übergangszonen im Kreislaufmodell | 285 Kultur als Begründung in den Medien | 294 Wie kann man trotzdem noch forschen? Überlegungen zu einer Neuorientierung | 301

Von der Analyse zur Suche nach konstruktiven Modellen | 303 Diskurs vs. Praxeologie – eine fruchtlose Konfrontation? | 306 Die Verschränkung von Diskurs und Praxis bei Butler | 313 Performativität empirisch sichtbar in Diskursen? | 328 Qua Subversion das Dispositiv auflösen? | 330 Zu einer Theorie performativen Handelns im Dispositiv interkultureller Kommunikation | 333

Diskurs und Dispositiv | 335 Der praktische Vollzug des Dispositivs | 338 Kultur ist, was Individuen darunter verstehen | 351 Exkurs Subjektive Theorien | 351 Lösungsvorschläge aus theoretischer Sicht | 358 Zu einer Empirie der Performativität in interkulturellen Kontexten | 359

Kulturverständnisse werden performativ definiert | 361 Eine kritische Würdigung sozialwissenschaftlicher Methoden | 368 Die Ethnomethodologie als kulturheuristische Forschungshaltung | 386 Membership Categorization – diskurstheoretisch informiert | 401 Hypothese zur dispositivgeleiteten Aktivierung kultureller Kategorien | 408 Schwächen des Ansatzes: auf explizite Kategorisierungen beschränkt? | 417 Fazit: Dispositive und handlungsrelevante Aktivierungen von Interkulturalität | 419

Der Verlauf der Studie im Kurzüberblick | 419 Ausblick | 428 Verwendete Literatur | 429

Kulturarbeit und Kulturforschung im Kulturdilemma

»Auch wir sind Produkte«, fuhr er fort, »kulturelle Produkte. Auch wir sind eines Tages überholt. Dieser Prozess spielt sich auf die gleiche Weise ab – nur mit dem Unterschied, dass es bei uns im Allgemeinen keine eindeutige technische oder funktionale Verbesserung gibt; nur die Forderung nach Neuheit bleibt, und zwar im Reinzustand.« (HOUELLEBECQ 2011: 165)

Googelt man das Begriffspaar interkulturelle Kommunikation,1 so erhält man in Sekundenschnelle eine eindrucksvolle Momentaufnahme des gesuchten Gegenstands, die bereits auf zahlreiche bemerkenswerte und für die Gegenwart charakteristische Aspekte dieses Gegenstands hinweist: An erster Stelle verweist die Suchmaschine auf den Eintrag des Begriffs in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Die sich anschließende Trefferliste verweist auf zahlreiche Bildungseinrichtungen, allen voran Universitäten und Fachhochschulen, die Forschung und Lehre zur interkulturellen Kommunikation anbieten. Nicht zu übersehen ist darüber hinaus die Trefferliste der thematisch passenden Werbeanzeigen in einer weiteren Spalte rechts neben den Suchergebnissen, so genannte google ads. In dieser Trefferliste sammelt sich eine beachtliche Zahl kommerzieller Dienstleistungsanbieter zur interkulturellen Kommunikation, namentlich interkulturelle Trainer und deren Trainingsfirmen. In der Tat hat der Begriff interkulturelle Kommunikation zwischenzeitlich seinen Weg nicht nur in Online-Lexika gefunden, sondern auch auf dem Printmarkt hat er sich als reif für die Abfassung ganzer Handbücher eines Wissens bewiesen, das offenbar als etabliert gelten darf2 . Auf ähnliche Weise strukturiert sich auch der Be-

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Gemäß einer zu diesem Zweck vom Autor durchgeführten Internetrecherche am 22.02. 2013. Nur exemplarisch sei hier auf einige ausgewählte Publikationen verwiesen, die kurze Zeit vor der Abfassung der vorliegenden Studie erschienen sind. So liegen im deutschsprachen Raum Handbücher von Wierlacher und Bogner (2003), Thomas (2005) und Straub, Weidemann und Weidemannn (2007) vor. Des weiteren geben die Sammelbände von Lüse-

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reich der Didaktisierung von Forschungsergebnissen zur interkulturellen Kommunikation: Sowohl im deutschsprachigen als auch im englischsprachigen Raum wird hier inzwischen eine kaum mehr in ihrer Gesamtheit erfassbare Anzahl an gedruckten Lehrmaterialien angeboten.3 Wenngleich interkulturelle Qualifizierungsmaßnahmen von privaten Anbietern zwischenzeitlich für jeden beliebigen institutionellen, aber auch privaten Anlass propagiert werden, stehen demgegenüber verlässliche Einschätzungen über die tatsächliche Akzeptanz dieser Angebote noch aus. So liegen bislang keine aussagekräftigen Studien über die Wirtschaftskraft, die Umsatzstärke und die Rentabilität von kommerziellen didaktischen Angeboten zur Steigerung interkultureller Kompetenz vor. Mühsame und stichprobenartige Einzelfallrecherchen lassen teilweise auf die Existenz eines florierenden Marktes schließen.4 Umgekehrt zeigt beispielsweise die Fallstudie von Wiegner und Rathje (2009), dass Angebote, die unter der Bezeichnung des interkulturellen Consultings firmieren, meist keine tatsächlichen, interkulturell informierten und fundierten Beratungskonzepte beinhalten. Wiegner und Rathje schließen daraus, dass der Bereich des interkulturellen Consulting, obwohl die Bezeichnung recht schlüssig und geläufig klingen mag, als Dienstleistung bislang noch so gut wie gar nicht existiert. Darüber hinaus müssen Einschätzungen über eine vorhandene Nachfrage nach den genannten Produkten Spekulation bleiben, wenngleich sie von Wissenschaft und kommerzieller Didaktik immer wieder als unabdingbar angepriesen werden. Um die Begriffe interkultureller Kommunikation und Kompetenz scheint sich demnach spätestens zu Beginn des 21. Jahrhunderts in westlichen Gesellschaften eine regelrechte Modewelle entwickelt haben: Interkulturelle Kompetenz gilt bei Unternehmen und an Hochschulen als Schlüsselkompetenz für den erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt (Busch 2009b). Über ihre Omnipräsenz als Schlüsselqualifikation hinaus drehen sich inzwischen im deutschsprachigen Raum sogar zahlreiche Vollstudiengänge um die Themen von interkultureller Kommunikation und Kompetenz (Weidemann/Weidemann/Straub 2007). Alle genannten beteiligten Instanzen, wie etwa private Bildungsanbieter, Arbeitgeber und Hochschulen, bestätigen die Wichtigkeit einer wie auch immer gearteten Kompetenz, wenngleich Messungen über tatsächliche Bemühungen zu ihrer Verbesserung, aber auch messbare Erfolge aufgrund der Komplexität des Gegenstands, kaum festzumachen sind.

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brink (2004b), Moosmüller (2007a) und Otten et al. (2007) und (2009) ein zeitgenössisches Bild interdisziplinärer Formierungen in der Wissenschaftslandschaft um den besagten Forschungsgegenstand. Auf internationaler Ebene sei auf die Handbücher von Spencer-Oatey und Kotthoff (2007) von Deardorff (2009) verwiesen. Exemplarisch sei hier nur eine kleine Auswahl an didaktisierten Materialien erwähnt, die im Hochschulkontext als Studienbücher kurze Zeit vor der Abfassung der vorliegenden Studie erschienen sind. Im deutschsprachigen Raum sind hier beispielsweise Bolten und Ehrhardt (2003), Heringer (2004), Lüsebrink (2005) und Bolten (2007a) zu nennen, exemplarisch für den englischsprachigen Raum Jandt (1995), Holliday et al. (Holliday/ Hyde/Kullman 2004) und Klyukanov (2005b). So erzielte beispielsweise die in Passau ansässige ICUnet.AG als Anbieter interkultureller Trainings im Jahr 2008 einen Umsatz von ca. 5 Mio. Euro (Oskar Patzelt Stiftung 2009).

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Trotz gelegentlicher kritischer Stimmen angesichts dieser gewissen Haltlosigkeit oder zumindest einer erschwerten Erfassbarkeit des Gegenstands sollte jedoch die von westlichen Gesellschaften empfundene Relevanz ernst genommen werden: Mag ein Gegenstand auch noch so haltlos sein, westliche Gesellschaften haben ihre Wissenschaften vorrangig dazu institutionalisiert, um sich mit jedweder als relevant erachteten Frage an sie zu richten. Eine Erforschung interkultureller Kommunikation erscheint demnach bereits angesichts der nicht zu verleugnenden Relevantsetzung des Gegenstands nicht nur legitim, sondern sogar geboten. Doch wie lässt sich ein bereits selbst der Haltlosigkeit verdächtigter Gegenstand wie interkulturelle Kommunikation wissenschaftlich erforschen? Wie lässt er sich mit einem wissenschaftlich überprüfbaren Begriffsystem erfassen, integrieren und operationalisieren? Zum Einstieg resümieren einige Autoren angesichts dieser Einordnungsproblematik, dass es sich bei einer Erforschung interkultureller Kommunikation zumindest bislang größtenteils um eine thematisch orientierte Wissenschaft handelt (Straub 2007a: 211ff). Doch damit sei nicht viel gewonnen: BachmannMedick (2006: 10f) und Weidemann et al. (2007: 817) argumentieren, dass insbesondere diese themengebundene Ausgangslage die Herstellung eines theoretischen Zugangs nur zusätzlich erschwere. Wissenschaftstheoretische und diskurstheoretische Einbindungen und Verflechtungen der jeweils bearbeiteten Problemstellungen seien angesichts ihrer Vielschichtigkeit kaum rekonstruierbar. Nimmt man die vorwiegend thematische Fundierung des Gegenstands interkultureller Kommunikation ernst, wird jedoch durchaus eine gewisse, adäquate Erfassung möglich, bei der die äußeren Grenzen des Gegenstands zwingend unklar bleiben müssen, jedoch auch nicht im Fokus des Interesses stehen. So hat beispielsweise bereits Alois Wierlacher, mit der Einrichtung einer interkulturellen Germanistik (Wierlacher 1985) einer der Gründerväter der Erforschung interkultureller Kommunikation im deutschsprachigen Raum, in einer thematisch orientierten Systematisierung einen sinnvollen Zugang zu dem gesellschaftlich vielbesprochenen Phänomen gesehen: 1993 publiziert er mit Corinna Albrecht den Sammelband Kulturthema Fremdheit (Albrecht et al. 1993), in dem er selbst einleitend den Forschungsgegenstand interkultureller Kommunikation ausführlich skizziert (Wierlacher 1993) und durch eine Forschungsbibliographie (Albrecht et al. 1993) zusätzlich untermauert. Später folgen darauf im Sinne einer systematischen Erfassung Publikationen zu den von Wierlacher als solche bezeichneten Kulturthemen Essen (Wierlacher/Neumann/ Teuteberg 1993), Toleranz (Wierlacher 1996) und Kommunikation (Wierlacher 2000). Der Begriff des Kulturthemas dient daraufhin auch weiteren Autoren als Einstiegspunkt in die interkulturelle Forschung (vgl. exemplarisch für das Kulturthema Lächeln Zhang 2006). Während Wierlacher die Thematizität interkultureller Kommunikation als eine Gegebenheit akzeptiert und diese Wahrnehmung nicht zu ausführlich hinterfragt, um einen Einstiegspunkt zur Ausdehnung weiterer Forschungen zu haben, lässt sich sicherlich auch die Unbegründetheit und die Haltlosigkeit dieser Annahme kritisieren. Der Diskursforscher Thomas Höhne (1998) beispielsweise argumentiert, dass bereits, bzw. erst die Annahme der Kategorie der Fremdheit die gesellschaftlich folgenschwere Differenzwissenschaft zur Erforschung (und Untermau-

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erung) interkultureller Kommunikation verursache.5 Wierlacher selbst zeigt in seinen Publikationen, dass er sich der Konstruiertheit seiner Gegenstände durchaus bewusst ist, so dass Höhnes Kritik an dieser Stelle zu kurz greifen mag. Zugleich können Höhnes Überlegungen aber auch eine konstruktive Dekonstruktion des Gegenstands interkultureller Kommunikation ermöglichen, die in späteren Kapiteln der vorliegenden Arbeit noch ausführlicher besprochen werden soll. Wierlacher geht davon aus, dass Kulturen intern einzelnen Themen eine zeitlich begrenzte, besondere Bedeutung beimessen und dass aufgrund des Konstruktionscharakters von Kulturen diesen Themen eine zentrale Rolle bei der Konstitution von Kultur selbst zugestanden werden muss.6 Geht es darum, Kulturen zu beschreiben und miteinander zu vergleichen, so sollten demnach Kulturthemen identifiziert und beschrieben werden. Diese Grundüberlegung soll in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen und konsequent weiterentwickelt werden: Eventuell kann auch Kultur selbst als ein solches kulturimmanentes Kulturthema verstanden werden. Wenngleich Wierlacher Kulturen in dem genannten Zitat als Konstruktionen bezeichnet, schreibt er Ihnen doch zugleich auch eine von Individuen losgelöste Existenz zu – die eigentlich bereits aufgrund Wierlachers eigenen Überlegungen in Frage gestellt werden kann.

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»Alois Wierlacher (1993) liefert auf 115 Seiten (und 517 Fußnoten) einen Überblick über das, was er ›Kulturthema Fremdheit‹ nennt. In keiner einzigen Zeile wird die Kategorie hinterfragt bzw. problematisiert oder auch nur definitorisch eingegrenzt. Fremd ist alles, was als fremd beschrieben werden kann. Dieser Prozess einer Ontologisierung (›die Fremden‹, die ›außereuropäische Fremde‹ usw.) stellt einen Effekt der angesprochenen paradoxen Struktur des Fremdheitsdiskurses dar, die in letzter Instanz auch eine Sache der Definitionsmacht ist. Es zeigt sich auch, dass außer ›Kultur‹ auch noch die Signifikantenkette ›Problem/Konflikt/Differenz‹ die diskursive Konjunktur des Diskurses um Fremdheit mitträgt« (Höhne 1998). »In modifizierendem Anschluss sowohl an die Systemtheorie Luhmanns als auch an Morris Opler [(Opler 1945/46); D.B.] nenne ich ein Thema, das im öffentlichen Selbst- und Weltverständnis einer oder mehrerer Kulturen zu einem bestimmten Zeitpunkt besondere Bedeutung gewinnt, ein ›Kulturthema‹. Kulturthemen können sich entwickeln, weil Kulturen differentiell begrenzte Themenhaushalte besitzen, die aufgrund ihrer geschichtlichen Entwicklung und kulturmodifikablen Wirklichkeitskonzepte zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche kulturelle und universalistische Lebensfragen und –bereiche ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rücken und weil diese Themen, wie Opler betont, ihre Gegenthemen haben und erst in dieser Spannung – im vorliegenden Fall: des Fremden und des Eigenen – wirksam werden. Kulturwissenschaftliche Fremdheitsforschung, um deren Begründung es dem vorliegenden Band geht, wäre insofern zunächst einmal als Kulturthemenforschung zu etablieren, die untersucht, wie in einer oder mehreren Kulturen in einem gegebenen Zeitabschnitt oder einer Epoche über einen xenologisch virulenten Problem- und Wirklichkeitsbereich gedacht und in ihm gehandelt (gelebt) wird. Sie ist sich im klaren darüber, dass Forschung ein Konstruktionsprozess und Wissenschaft, wie alle gesellschaftliche Wirklichkeit, eine soziale Konstruktion ist. Im folgenden wird die These vertreten, dass Entstehung und Entfaltung des Kulturthemas Fremdheit in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1970 und 1990 ein spezifisch west-deutsches Dilemma spiegeln, das seit Anfang der siebziger Jahre kontinuierlich anwuchs.« (Wierlacher 1993: 33f).

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Dass Wierlachers Überlegungen darüber hinaus durchaus Ausgangspunkt für kritische begriffliche Auseinandersetzungen sein kann, veranschaulichen beispielsweise die an die Fremdsprachendidaktik Wierlachers anschließenden Arbeiten des Gießener Graduiertenkollegs um Lothar Bredella (Bredella/Christ/Legutke 1997b), deren Thematik Bredella selbst kritisch rahmt (Bredella/Christ/Legutke 1997a). In diesem Rahmen zeigen insbesondere die Arbeiten von Hu (1997b) und Caspari (1997), wie eine interkulturelle Didaktik auf der Grundlage konstruktivistischer Prämissen gestaltet werden kann. Auch mehr als zwei Jahrzehnte nach Wierlachers ersten Überlegungen zum Phänomen des Kulturthemas bleibt der Begriff fruchtbar. So entwickelt darauf aufbauend beispielsweise Wolting (2009) das Kulturthema Familie, Kistler (2009) skizziert das Kulturhema Alter, wenngleich hier eingestanden werden muss, dass sich beide Autoren auf eine kontrastive Perspektive beschränken und das kulturproduktive Potential, das mit Hilfe des Kulturthemabegriffs im Sinne Wierlachers ausgebreitet wird, nicht vollständig nutzen. Ob Kultur nun selbst als ein solches Kulturthema verstanden werden kann, soll die vorliegende Studie mittels einer offenen Suchhaltung ergründen. Eine aus dieser Sicht geleitete Suche mag hinweisende Antworten auf die Frage danach generieren, wie mit einem Forschungsgegenstand unter Konstruktionsverdacht, wie dem Gegenstand interkultureller Kommunikation in der Forschung konstruktiv umgegangen werden kann. Der Aussage »Culture is a cultural construction« (Kahn 1995: 128) würden zwischenzeitlich sicherlich nur wenige Kulturanthropologen widersprechen. Viele der gleichen Kulturanthropologen würden sicherlich nicht der Annahme widersprechen, dass kulturelle Identitäten von sehr vielen Individuen derart verinnerlicht sind, dass sie grundlegend orientierungsstiftend wirken und kaum hinterfragt werden können. Airhihenbuwa (1994) betont in diesem Sinne sogar eine gesundheitsstiftende Funktion kultureller Identität, deren Dekonstruktion mit entsprechenden Gefahren einhergehen könne. Die Widersprüchlichkeit zwischen einer Wahrnehmung von Interkulturalität als Gegebenheit und einer theoretisch unumgänglichen Folgerung auf den Konstruktionscharakter von Kultur empfinden Autoren im Forschungsbereich interkultureller Kommunikation gelegentlich als destruktiv für die Konstitution ihres Forschungsbereichs selbst und für dessen gesellschaftliches Beratungspotential. Insbesondere diesem gesellschaftlich motivierten Beratungsbedarf könne nicht entsprochen werden, wenn sich die grundlegenden Begrifflichkeiten in der Forschung an forschungsinternen, modeartigen Paradigmen orientierten.7 Demgegenüber muss jedoch eingestanden werden, dass ein Abgleich des Kulturverständnisses mit dem benachbarter Disziplinen durchaus auch Vorteile für die Erforschung des eigenen Gegenstands interkultureller Kommunikation mit sich bringen

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»Der zweite Irrtum Dahléns [(Dahlén 1997); D.B.] besteht darin, dass er Kultur weniger als heuristisches Mittel benützt, um damit Phänomene der Wirklichkeit zu erklären – und eines der herausragendsten Phänomene der interkulturellen Zusammenarbeit besteht in der konsequenten Verdrängung oder Verniedlichung kultureller Differenzen im alltäglichen Handeln –, sondern Kultur bzw. Kulturkonzepte eher als Accessoires betrachtet, die zur jeweiligen Mode ethnologischer Diskurse – in diesem Fall zu einem postmoderndekonstruktivistischen – passen sollen« (Moosmüller 2004: 64).

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kann. Eine gezielt im Blick behaltene Anschlussfähigkeit zentraler Begriffe in den Sozialwissenschaften kann unter anderem dazu beitragen, eventuell begründbaren Kritiken an gegenwärtigen Kulturverständnissen in der interkulturellen Kommunikation aus benachbarten Disziplinen Rechnung zu tragen. Jedoch auch allgemein kann mit zusätzlichen und sogar theoretisch und empirisch fundierteren und aussagekräftigeren Forschungsergebnissen gerechnet werden. Als besonders relevant stellt sich unter der Annahme von Kultur selbst als einem konstruierten Produkt die Frage nach der Beschaffenheit dieser Kultur heraus. Was ist Bestandteil dieser Kultur, was nicht? Breidenbach und Nyiri (2009) zeichnen in ihrer jüngsten Monographie das Bild einer vollständig kulturalisierten Welt. Neben einem historisch langfristig gewachsenen Kulturverständnis in Europa und dem cultural turn in den Geisteswissenschaften machen Breidenbach und Nyiri vor allem Bestsellerautoren der jüngsten Zeit, wie beispielsweise Samuel Huntington und seinen Kampf der Kulturen (Huntington 1996), dafür verantwortlich, dass kulturelle Zuschreibungen und Differenzierungen zwischenzeitlich in so gut wie allen Lebensbereichen Einzug gehalten haben. Dabei zeichnen sie auf weit über 300 Seiten ein Spannungsfeld zwischen Kulturalisierung und kultureller Durchmischung nach: Mit journalistischer Ausdauer erzählen Breidenbach und Nyiri die unzähligen Facetten einer restlos kulturell durchmischten und unüberschaubaren Welt. Was einerseits auf den Leser nachhaltig faszinierend wirkt, mag ihm jedoch angesichts der unermesslichen Vielfalt auch Angst bereiten. Genießen, ohne Bedrohung zu empfinden, kann man freilich, wenn man über einen gewissen beobachterischen Weitblick verfügt. Hier sind die beiden Autoren bestens vorgerüstet, sie stellen sich selbst als Akteure und mitreisende Beobachter innerhalb einer sich permanent bewegenden und durchmischenden, mobilen Welt dar. Wenn der Leser da nicht mithalten kann, ist Lernbedarf angesagt. Doch während Breidenbach und Nyiri den zeitgenössischen interkulturellen Trainern schon im Jahre 2001 Angstmache als Geschäftsprinzip vorwerfen (Breidenbach/Nyírí 2001), scheinen sie doch in ihrer Monographie zehn Jahre später auf ähnliche Weise warnend Handlungsbedarf zu suggerieren. Breidenbach und Nyiri gehen lediglich von einer veränderten Ausgangsbeobachtung aus: Sie akzeptieren die kulturalisierte Welt als Handlungsszenario, mit dem konstruktiv umgegangen werden muss. Nach einer Unmenge beweisender Beispiele für dieses Szenario fassen Breidenbach und Nyiri ihre Empfehlung zum konstruktiven Handeln in wenigen Zeilen zusammen: Ähnlich einem Ethnologen sollen Akteure ihr Umfeld genau beobachten, Kulturalisierungen identifizieren und in ihren Rahmenbedingungen hinterfragen. Doch dabei bleiben auch viele präzisierende Fragen offen: Wie kann eine kulturforschende Perspektive eingenommen werden, die von Beginn an möglichst vollständig offen hält, was unter Kultur verstanden werden soll, was sie beinhaltet, worin sie sich manifestiert und wie sie sich auf das Handeln von Individuen auswirkt? Insbesondere letzterer Aspekt dürfte von zentralem und erneutem Interesse sein, wenn man die Frage nach Kultur auf diese Weise neu stellt: In welcher Form wird Kultur für das Handeln von Individuen relevant? Mit anderen Worten: Wie und unter welchen Umständen behandeln Individuen einander anders, wenn sie die Existenz kultureller Differenzen unterstellen, oder kurz: Welche Formen kulturell motivierter Andersbehandlungen oder auch Diskriminierungen können beobachtet werden?

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Annäherungen an diese Frage nach der Handlungsrelevanz von Kultur, die von der Forschung bislang oft umschifft worden ist, bietet die Studie von Sanna Schondelmayer (2008), auf die in der vorliegenden Arbeit noch mehrfach zurückgegriffen werden soll. Insbesondere die Handlungsrelevanz ethnischer Stereotypisierungen steht im Zentrum von Schondelmayers Forschungsinteresse, als exemplarischer empirischer Kontext dienen ihr Arbeitsbeziehungen zwischen Polen und Deutschen.8 Schondelmayer setzt sich intensiv mit Zusammenhängen zwischen der Genese empirischen Materials und der daraus ableitbaren Relevanz dieser Inhalte für das Handeln der untersuchten Individuen auseinander und leistet damit wertvolle Vorarbeiten für das im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit entwickelte Forschungsdesign. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit unterscheidet sich jedoch von Schondelmayers Ausgangsposition: Gefragt wird weniger nach inhaltlichen Aspekten potentieller Stereotypisierungen als vielmehr nach strukturellen Vorstellungen der untersuchten Individuen von Kultur und deren Auswirkungen auf ihr Handeln. Gearbeitet wird demnach mit dem Kulturverständnis der untersuchten Individuen, das erst rekonstruiert werden muss. Entsprechend ergebnisoffen und nach einem Kulturbegriff erst heuristisch suchend wird auch das Forschungsdesign ausgelegt werden.9 Fokussiert werden sollen dabei insbesondere Vorgehensweisen im Bereich der Forschung: Wie können auch weiterhin Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation durchgeführt werden, die einerseits einem außerwissenschaftlichen Verständnis des Gegenstands gerecht werden und die andererseits sich selbst davor bewahren kann, ihren Forschungsgegenstand lediglich durch eine bereits mitgebrachte, theoriegeleitete Perspektive vorzustrukturieren? Strukturell begründet wird die genannte Problematik durch die potentielle Personalunion aus Fragenden, Betroffenen, Forschern und Erforschten: Interkulturelle Kommunikation erforschen bedeutet mithin, etwas zu erforschen, das sich die eigene

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»Angesichts der Fülle an negativen Bildern und Empfindungen, die ich von deutscher Seite zu hören bekam, drängte sich mir immer stärker die Frage nach der Relevanz dieser negativen Fremdbilder und den damit verbundenen Selbstbildern für die tagtägliche Zusammenarbeit auf. [...] Werden das Thema Kultur, die wahrgenommenen Unterschiede und Einschätzungen des Gegenübers überhaupt angesprochen und welchen Einfluss haben die Bilder und negativen Erwartungen vom Anderen auf das Handeln der Personen?« (Schondelmayer 2008: 13). Entsprechend finden sich in den meisten der gesichteten Studien zunächst Stellungnahmen und Festlegungen auf ein bestimmtes Kulturverständnis, was sicherlich zumindest als anfängliche Arbeitsgrundlage kaum umgangen werden kann. So definiert beispielsweise auch Schondelmayer: »Der Mensch wird verstanden als ein Wesen, das in seinem Wahrnehmen, Denken und Handeln von der Kultur, in die er sozialisiert wurde, geprägt ist und zugleich als kommunikativ handelndes Wesen Kultur reproduziert und produziert. Der Einzelne wird dabei, in Anknüpfung an das Modell der kognitiven Ethnologie einerseits und das der interpretativen Ethnologie andererseits, sowohl als Produkt als auch als Produzent von Kultur gesehen. Kultur wiederum wird als personales System aufgefasst, das sein determinierendes und generierendes Wesen im Subjekt entfaltet und nicht auf nationale Kultur reduziert ist, sondern vielmehr die Prägungen verschiedenster Gruppen beinhaltet« (Schondelmayer 2008: 14).

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Gesellschaft als abgrenzbaren Gegenstand selbst ausgedacht hat. Wie kann der eigene Kontext in diesem Fall überhaupt transzendiert werden, um zu einer übergeordneten Forscherperspektive gelangen zu können? Die vorliegende Studie soll Wege zu solchen Transzendierungen suchend erkunden und erproben, wobei insbesondere diskurstheoretische Ansätze in den Blick genommen werden sollen. Diskursanalytische Herangehensweisen tragen meist zwingend dekonstruktivistische Schritte bereits in sich. Insbesondere die Forschungssubjekte befürchten mit einer Dekonstruktion des Forschungsgegenstandes meist auch eine damit zwingend einhergehende Zerstörung oder Abschaffung dieses Gegenstands. Demgegenüber argumentiert Ha, dass Diskursanalysen durchaus dazu verwendet werden können, ihre Erkenntnisse konstruktiv zu verwenden (Ha 2009: 23). Entsprechend sucht die vorliegende Studie nach diskurstheoretisch informierten Herangehensweisen an eine Erforschung interkultureller Kommunikation. Die vorliegende Arbeit baut zunächst auf einer kritischen Würdigung bisheriger Forschungsleistungen im Bereich interkultureller Kommunikation auf und entwickelt auf dieser Grundlage eine Problematisierung bisheriger Herangehensweisen an eine Beschreibung von Zusammenhängen zwischen Kultur und sozialer Interaktion. Im Sinne einer Konsequenten Fortführung bisheriger Forschungsüberlegungen wird anschließend eine neue Einordnung eines Kulturverständnisses als eines Kulturthemas innerhalb von Kulturen selbst versucht. Davon ausgehend werden in einem letzten Schritt neue Wiedereinbettungen dieses Kulturverständnisses in Forschungs- und Lehrkontexte erarbeitet.

Brüche und Diskontinuitäten in der interkulturellen Forschung

Während sich die interdisziplinäre Forschung zur interkulturellen Kommunikation insbesondere durch die Aufdeckung von Problemstellungen einen Namen gemacht hat, sind mögliche positiv orientierte Zielstellungen in ihrer Präzisierung von den beteiligten Autoren bislang vielfach vernachlässigt worden. Wie eine optimale interkulturelle Kommunikation geartet sein soll, wird von kaum einem Autor im Detail beschrieben. Interkulturelle Kompetenz erscheint demgegenüber zwar als ein für die Disziplin zentraler und positiv orientierter Begriff, über dessen Inhalte jedoch eine umso größere Uneinigkeit und Vielheit an Deutungsansprüchen besteht (Deardorff 2009). Bei der Sichtung von Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation als ihrem empirischen Material fokussiert die vorliegende Studie insbesondere Arbeiten aus den Sprach- und Kommunikationswissenschaften, aber auch aus den Geistesund Kulturwissenschaften im weiteren Sinne. Voraussetzung für eine Berücksichtigung von Forschungsarbeiten ist dabei die Formulierung eines eigenen Anspruchs der Auseinandersetzung mit Aspekten interkultureller Kommunikation in den Forschungsarbeiten selbst. In der Forschungsliteratur werden Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation darüber hinaus häufig gegenüber weiteren kulturwissenschaftlichen Herangehensweisen abgegrenzt, indem davon ausgegangen wird, dass erstere anstelle einer reinen Beschreibung von Kultur die subjektive Perspektivik auf Kultur und Kulturalität fokussieren.1 Moosmüller charakterisiert in diesem Sinne beispielsweise das Forschungsverständnis des Kulturanthropologen Edward T. Hall,2 in dem ihmzufolge

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In einem Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen International Journal of Intercultural Relations (IJIR) grenzt Dan Landis das Attribut intercultural in diesem Sinne gegenüber dem häufig Synonym verwendeten cross-cultural ab: »Cross-cultural research deals primarily with the similarities and differences between cultures. The best such research is multicultural (e.g., more than three cultures) in focus and more than likely deals with fairly basic psychological processes. Intercultural research tends to focus on the penetration by a member of one culture into another culture. It is therefore more dynamic than crosscultural research« (Landis/Wasilewski 1999: 536). »Der Kulturanthropologe Hall war nun weniger daran interessiert, Wissen über andere Kulturen zu gewinnen, womit sich Kulturanthropologen vornehmlich beschäftigen, son-

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zahlreiche spätere Autoren den »Begründer der Interkulturellen Kommunikation« (Moosmüller 2007b: 14) sehen. Andere Studien beanspruchen eine neutrale Fokussierung interkultureller Kontaktsituationen (House et al. 2004)3 und versuchen Handlungsempfehlungen möglichst separat in einem nächsten Schritt (Chhokar/Brodbeck/ House 2007) zu formulieren. In den folgenden Überlegungen soll dennoch ein erweiterter Rahmen gezogen werden, in dem beispielsweise auch kulturvergleichende Arbeiten berücksichtigt werden können.

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ES EINEN B ERATUNGSBEDARF , UND WORIN BESTEHT ER ? Der Auf- und Ausbau eines Forschungsgebiets zur interkulturellen Kommunikation mag vielfach aus Problemerfahrungen aus der Alltagswelt heraus motiviert sein (Matthes 2000: 13). Insofern kann von einem Fragebedarf seitens einer Gesellschaft an ihre Wissenschaften ausgegangen werden. Sollte diese bereits in den vorangegangenen Abschnitten entwickelte Hypothese zutreffen, so wäre sie im Anschluss zu präzisieren: Wer genau möchte was von wem wissen? Und in welcher Form soll dieses Wissen vermittelt werden? Umgekehrt ließe sich fragen: Zu welchen Formen von Antworten sind die befragten Wissenschaften eigentlich in der Lage, bzw. was läge außerhalb des Kontextes, der von ihnen berücksichtigt werden kann?

Die Rolle der Geisteswissenschaften Während im angelsächsischen Raum eine klare quantitative Dominanz sozialpsychologisch begründeter Forschungsansätze zur interkulturellen Kommunikation bemerkt werden kann (Gudykunst/Mody 1989), haben sich in Europa zusätzlich insbesondere geisteswissenschaftliche Disziplinen und Schulen mit Problemstellungen interkultureller Kommunikation auseinandergesetzt. Exemplarisch kann hier beispielsweise auf Ursprünge interkultureller Forschung im deutschsprachigen Raum im Rahmen der Fremdsprachenvermittlung (Wierlacher 1985) verwiesen werden. Aber auch kommunikationstheoretische Arbeiten zur Möglichkeit interpersonalen und interkulturellen Fremdverstehens4 können hier als geisteswissenschaftlicher Beitrag zur Proble-

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dern daran, Wissen über Individuen, die sich in anderen Kulturen bewegen, zu gewinnen, genauer gesagt darüber, wie Individuen, die für einige Monate oder Jahre in andere Länder entsandt werden, die fremde Kultur erleben und verarbeiten, in welcher Weise sich dabei die Prägung durch ihre eigene Kultur geltend macht, wie sie ihr Handeln auf die neue Situation einstellen und sich an die Gegebenheiten anpassen und ob es dabei zu Veränderungen der Fremd- und Selbstbilder sowie der Persönlichkeit kommt« (Moosmüller 2007b: 14). So reklamieren beispielsweise die Autoren der GLOBE-Studie: »The major purpose of project GLOBE is to increase available knowledge that is relevant to cross-cultural interactions« (House et al. 2004: 3). Vgl. hierzu beispielsweise die Arbeiten von Schütz und Luckmann (1979) sowie von Holenstein (1985).

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matisierung deutschsprachig durchgeführter interkultureller Forschung gesehen werden. Die Relevanz für und der Beitrag der Geisteswissenschaften zur Ausgestaltung gesellschaftlichen Lebens wird jedoch sowohl in seinen deskriptiven als auch in seinen normativen Aspekten von Zeit zu Zeit immer wieder konfrontativ erörtert. Frühwald et al. (1996 [1991]) warnen beispielsweise vor einer zu starken Verwissenschaftlichung der Geisteswissenschaften, durch die diese Gefahr liefen, sich die eigene Relevanz für das gesellschaftliche Leben – und damit aus Sicht vieler Kritiker ihre Daseinsberechtigung – zu entziehen.5 Stattdessen sollen den Geisteswissenschaften auch weiterhin operative Aufgaben in der Gesellschaft angetragen werden. Mit Bezug auf Weil (1970: 252) schreiben Frühwald et al.: »Angesichts dieses (auch von Husserl diagnostizierten) Verlusts der Lebensbedeutsamkeit empirischer Wissenschaften ermutigt die These von Eric Weil die diskreditierten Humanities, ihrer ursprünglichen Rolle eingedenk wieder das kulturelle Bewusstsein ihrer Zeit zu werden, Modelle eines sinnvollen Lebens zu entwerfen, aufzudecken, was unsere Entscheidungen bedingt, was unsere Wünsche und Ideale widersprüchlich werden und doch auch wieder den Spielraum möglichen Handelns erkennen lässt.« (Frühwald et al. 1996 [1991]: 68).

Diese Aufgabe haben die Geisteswissenschaften jedoch, so bemängeln es Frühwald et al. innerhalb der vergangenen einhundert Jahre zunehmend vernachlässigt. Die vorliegende Studie folgt an dieser Stelle dem Plädoyer von Frühwald et al.: Aufgedeckt werden sollen gesellschaftliche Handlungsspielräume unter Zuhilfenahme geisteswissenschaftlicher Methoden. Innerhalb der Geisteswissenschaften spüren Frühwald et al. Stimmen nach, die versuchen, den Geisteswissenschaften selbst eine den anderen wissenschaftlichen Disziplinen übergeordnete Führungs- oder Orientierungsrolle zu begründen. Hierzu rekurrieren Frühwald et al. (1996 [1991]: 70) auf Ong (1969: 622), der bereits 1969 die Notwendigkeit einer »Anthropologisierung des Wissens« sah, die die Geisteswissenschaften leisten könnten und die sie zu ihrem Erkenntnisziel ernennen sollten. In diesem Plädoyer sehen Frühwald et al. ein Anzeichen für ein grundsätzlich neu erwachtes Interesse an einer historischen Anthropologie auf. Von besonderem Interesse für die Etablierung einer Führungsrolle der Geisteswissenschaften wäre eine historische Anthropologie, mit deren Hilfe historiographisch und diachron orientierte Geis-

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»Antworten sind wissenschaftlich, sofern sie rationaler Kritik standhalten, Fragen sind es nicht, sofern sie die Grenze des Vorgegebenen, Gewussten oder scheinbar Selbstverständlichen überschreiten und den offenen Horizont der Erfahrung des noch Ungewussten eröffnen. Wenn Fachwissenschaften daraus entstanden, dass sie diese Erfahrung vereinnahmten und zum System ordneten, haben sie im Maße ihrer wachsenden Präzision zugleich die Beziehung zur Lebensbedeutsamkeit der Ausgangsfragen verloren und darum zum menschlichen Dasein im Ganzen nichts mehr zu sagen. Das ursprüngliche Orientierungswissen von Frage und Antwort ist in ein bloßes Verfügungswissen eingegangen, das partikularen Zwecken dienen, doch aufgeklärtes Handeln nicht mehr verbürgen, kein Einverständnis der Wissenden und der Handelnden mehr erzielen kann« (Frühwald et al. 1996 [1991]: 68).

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teswissenschaften einerseits und synchron-empirische Sozialwissenschaften andererseits zusammengeführt werden könnten. Eine konkrete Zusammenführung dieser Bereiche werde Frühwald et al. zufolge in Form einer Erforschung interkultureller Kommunikation geleistet:6 »Das Interesse solcher Forschung führt über das traditionelle und auch institutionell noch eurozentrische Wissenssystem hinaus, benötigt eine Hermeneutik interkultureller Kommunikation (›Hermeneutik der Fremdheit‹) und erfordert, regionalistische Schwerpunktforschung (wie Afrikanistik, Südamerikanistik, u.a.m.) aus ihrer Isolation zurückzuholen, um ihre Befunde für eine allgemeine Theoriebildung fruchtbar zu machen« (Frühwald et al. 1996 [1991]: 71).

Doch einer gesellschaftlichen und akademischen Führungsrolle der Geisteswissenschaften könnten Akzeptanzprobleme im Wege stehen: Straub (2007a: 227ff) veranschaulicht dieses Dilemma mit Verweis auf Lepenies (1997). Während die Geisteswissenschaften immer noch aufklärerischen Idealen folgten, haben gegenwärtige Gesellschaften demnach mit einer »gescheiterte[n] Säkularisierung« (Lepenies 1997: 17) zu kämpfen. Anstelle einer radikalen Indifferenz im Sinne der Aufklärung empfänden heutige Gesellschaften entsprechend einen Drang »zur Reflexion ihrer normativen Grundlagen und fundamentalen Wertorientierungen« (Straub 2007a: 227). Um diesem Bedürfnis gerecht werden zu können, fordert Lepenies, westliche Gesellschaften sollten sich von »Belehrungskulturen« zu »Lernkulturen« (Lepenies 1997: 41) wandeln. Obwohl sie sich einer Globalisierungsrhetorik verschrieben hätten, müssten sie dabei immer noch lernen, die Binnenperspektive, in der sie weiterhin gefangen sind, zu überwinden. Dabei sollten die Wissenschaften als neue Normgeber durchaus bemüht werden. Ob interkulturelle Kommunikation der Forschungsgegenstand ist, der sich aus einer Zusammenführung bis dahin voneinander getrennter geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen folgerichtig ergibt, mag zu diskutieren sein. Umgekehrt betrachtet ergibt sich jedoch beispielsweise für Münch (2008) interkulturelle Kommunikation als ein Lehrgebiet, das sich zumindest aus einer bereits vollzogenen sozialen Öffnung der Geisteswissenschaften entwickelt hat. Vergleicht man die Rolle der Geisteswissenschaften in Deutschland mit ihrer Rolle im europäischen Ausland, so kommt Münch darüber hinaus zu dem Schluss, dass anstelle dieser im deutschsprachigen Raum geforderten Integrationsfunktion außerhalb Deutschlands künstlerische und schöngeistige Debatten deutlich stärker im Zentrum der Geisteswissenschaften stünden. In Deutschland dagegen haben die Geisteswissenschaften Richard Münch zufolge traditionell die Ausbildungsgrundlage für den Lehrerberuf geliefert. Erst im Zuge der bundesrepublikanischen Bildungsexpansion in den 1970er Jahren erhielten weit mehr Studierende eine geisteswissenschaftliche Ausbildung als Lehr- und Forschungsstellen zur Verfügung standen, so dass eine Orientierung auf zusätzliche Praxisfelder erforderlich wurde. Diesem Eindringen in die Praxis sind Münch zufolge

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Haas (2009: 9) weist darauf hin, dass auch Autoren im Bereich der Forschung zur interkulturellen Kommunikation selbst in dem Fach einen der innovativsten und dynamischsten Wachstumsbereiche innerhalb der Geisteswissenschaften sehen, so beispielsweise Lüsebrink (2004a: 7) und Hansen (2007: 150).

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anwendungsorientierte Lehrfächer zu verdanken, deren Studierende an einer herkömmlichen geisteswissenschaftlichen Übung nur noch geringes Interesse zeigten und sich stattdessen der Einübung berufspraktischer Kompetenzen zuwandten (Münch 2008). Dieser Praxisorientierung zollen denn auch Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation (anstelle einer Explizitmachung ihrer wissenschaftsinternen Integrationsfunktion für die Geisteswissenschaften) meist klar erkennbaren Tribut, sie beanspruchen und betonen einen klaren Nutzen ihrer Ergebnisse für eine konstruktive gesellschaftliche Entwicklung. Auch Forschungsarbeiten, die sich selbst deutlich innerhalb einer beschreibenden Ethnographie verwurzeln, entziehen sich häufig nicht vollständig diesen von der Gesellschaft gegenüber ihnen erwarteten Normorientierungen. So leitet beispielsweise Sanna Schondelmayer ihre ethnologische Studie zu Interaktionen zwischen Polen und Deutschen mit einem deutlichen Normenbekenntnis ein: »Offensichtlich – glaubt man Janusz Reiters Einschätzung – hatte sich die Lage zwischen Deutschen und Polen seit der Entstehung meiner Forschungsidee 2001 noch verschlechtert und es schien höchste Zeit, sich auf die Suche nach den Ursachen für die oben beschriebene Missstimmung zu machen« (Schondelmayer 2008: 11).

Arbeiten, die sich explizit einer Erforschung interkultureller Kommunikation verschrieben haben, haben sich bislang meist klar zu einem grundlegenden Anwendungsbezug bekannt und sich durch diesen legitimiert. Eine Erforschung interkultureller Kommunikation erscheint demnach in der Tat weniger als eine Disziplin, die sich aus einer logischen wissenschaftlichen Folgerung ergeben hat, sondern die aus einem Beratungsbedarf heraus ins Leben gerufen wurde.7 Dabei scheinen jedoch die Zielstellungen interkultureller Forschung vielfach unklar oder zumindest vage zu bleiben, was möglicherweise durch die permanente Verquickung wissenschaftlicher Fragestellungen mit gesellschaftlich entwickelten, kulturpolitischen Zielstellungen begünstigt wird:

Wonach soll die interkulturelle Forschung suchen? Kulturpolitische Vorgaben generieren auf der Grundlage gesellschaftsdiskursiver Ergebnisse und kulturtheoretischer Modelle immer wieder neue Zielstellungen dazu, wie mit Interkulturalität in einer Gesellschaft bestenfalls umgegangen werden sollte.

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»Interkulturelle Kommunikation und Kompetenz sind Themen, die nicht aus disziplinären oder interdisziplinären Fachentwicklungen hervorgegangen sind, sondern wegen ihrer gesellschaftlichen, weltweiten Relevanz in so gut wie allen Handlungs- und Lebensbereichen der modernen Welt in die Universitäten und Forschungsstätten Einzug gehalten haben« (Straub 2007a: 230). »Interkulturalisten, also interkulturelle Trainer und Berater, treten allen helfend zur Seite, die an den ›Quellen des Fortschritts‹ teilhaben wollen. Aus diesem Praxisbedarf heraus hat sich das interdisziplinäre Fach Interkulturelle Kommunikation entwickelt« (Moosmüller 2004: 45).

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Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation differenzieren häufig nur mit Mühe unterschiedliche kulturpolitische Ansätze und finden darin zu einer Positionierung der eigenen Forschungsausrichtung. Kulturpolitische Zielformulierungen wandeln sich zudem gelegentlich sogar zirkulär. Terkessidis (2010: 45ff) zeichnet beispielsweise Veränderungen in der Verwendung des Begriffs der Integration in bundesdeutschen Debatten ausführlich nach und weist immer wieder darauf hin, dass Zielstellungen und Forderungen gelegentlich nach über 20 Jahren erneut propagiert werden. Terkessidis bemängelt in diesem Zusammenhang eine auffallende Ziellosigkeit und Unklarheit im Hinblick auf eine Auseinandersetzung mit Aspekten von Interkulturalität.8 Diese bereits allgemein bemängelte gesellschaftliche Ziellosigkeit führt jedoch Terkessidis zufolge zu einem noch weitaus fataleren Effekt: Da sich die Gesellschaft nicht auf einen für sie akzeptablen Weg des konstruktiven Umgangs mit Interkulturalität einigen kann, ist sie auch nicht in der Lage, selbst als ganze oder in Form einzelner Institutionen Verantwortung für eine konstruktive Bearbeitung der von ihr selbst aufgeworfenen Problemstellung zu übernehmen. In dieser Hilflosigkeit wird die Verantwortung für die Problembearbeitung häufig den einzelnen Individuen wieder selbst diskursiv auferlegt: Jeder einzelne ist für die Herstellung und Meisterung konstruktiver Umgangsformen dann wiederum selbst verantwortlich – wenngleich er sich einer davon unabhängigen gesellschaftlichen Bewertung wiederum stellen muss. In Kontexten, die von Machtungleichgewichten gekennzeichnet sind, wie beispielsweise die Situation von Migranten in Deutschland gegenüber einer autochthonen Gesellschaftsschicht, die einen Mehrheitsanspruch für sich proklamiert, werden nun plötzlich Individuen der schwächeren Gruppe wieder für das Gelingen ihrer eigenen Integration verantwortlich gemacht.9 Wohlwollender findet Wieviorka für dieses Phänomen die Bezeichnung dieser Rücküberantwortung als neoliberale Haltung. Diese begriffliche Verortung ermöglicht Wieviorka jedoch umgekehrt auch den kritischen Hinweis darauf, dass als Gegenkonzept hierzu kommunitarische Konzepte zivilgesellschaftlicher Verantwortung durchaus alternativ zur Verfügung stünden (Wieviorka 2003). Doch selbst die konstruktiven Vorschläge, mit denen die Forschung zur interkulturellen Kommunikation orientierungsstiftend in die Gesellschaft eingreifen könnte, können nicht mit einer freien Bahn rechnen. Leenen und Groß (2009) beispielsweise vermissen eine hierzu erforderliche Infrastruktur, mit deren Hilfe eine Implementierung von Forschungsergebnissen sichergestellt werden könnte. Leenen und Groß bemängeln insbesondere die unzureichende Verknüpfung interkultureller Forschung mit Maßnahmen zur Implementierung kulturpolitischer Einflussnahmen. Geleistet

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»Zwar hat sich in den letzten Jahren viel verändert, und die Länder und Kommunen versuchen durch pragmatische Integrationskonzepte und ständige Monitoring-Verfahren einen Prozess der Angleichung zu steuern, doch immer noch gibt es etwa für die öffentliche Verwaltung, wo viel die Rede ist von ›interkultureller Öffnung‹ kein für ganz Deutschland geltendes Programm mit klaren Zielvorgaben« (Terkessidis 2010: 55). »Tatsächlich führt die Gemengelage aus Angleichungswünschen und dem Fehlen eines konsequenten Programms und dem eklatanten Mangel an geeigneten Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Angleichung am Ende dazu, dass die betreffenden Personen selbst für ihre Lage verantwortlich gemacht werden« (Terkessidis 2010: 55).

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werden könnten solche erforderlichen Lückenschlüsse Leenen und Groß zufolge mit explizit anwendungsorientierten Konzepten, wie beispielsweise der Idee von diversity und diversity management. Doch selbst innerhalb der Forschung formiert sich bisweilen ein deutlicher Widerstand gegenüber Beratungsansprüchen, aus denen heraus so manche Disziplin anfangs erst legitimiert gewesen sein mochte. Insbesondere Autoren aus der Kulturanthropologie halten eine Distanznahme gegenüber eigen- und fremdkulturellen Erwartungshaltungen vielfach für eine methodische Grundvoraussetzung ihrer Forschungen. Moosmüller weist hier darauf hin, dass Missbrauchserfahrungen in der Verwendung von Forschungsergebnissen (beispielsweise zur strategischen Kriegsführung) eine Abwendung von gesellschaftlichen Beratungsanfragen durchaus plausibel erscheinen lässt (Moosmüller 2004: 47). Dennoch plädiert demgegenüber beispielsweise Fassin (2008) für eine moraltheoretische Orientierung und Verortung auch von kulturanthropologischer Forschung.

Nachhaltigkeit als Blaupause? Um die Jahrtausendwende verdichtete sich zunehmends die Verwendung der Begriffe von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung zu einem normativen Paradigma westlicher Gesellschaften. Auch die Suche nach konstruktiven Umgangsformen mit Aspekten von Interkulturalität lässt ich bereits aus einem Allgemeinverständnis heraus mühelos unter diesem Rahmen erfassen und einordnen: Wünschenswerte Formen des Umgangs mit Interkulturalität wären sicherlich solche, die auch in Zukunft ein konstruktives Zusammenleben in einer Weltgesellschaft ermöglichen könnten. Dennoch muss eingestanden werden, dass diese Zielstellung zwar eine erste, vergleichsweise konsensfähige Normorientierung beiträgt, diese jedoch inhaltlich in keiner Weise füllt. Der Begriff allein kann jedoch kaum darüber hinwegtäuschen, dass eine inhaltliche und begründete Orientierung zum konstruktiven Umgang mit Interkulturalität nicht in Sichtweite zu sein scheint. Deutlich klarer verwurzelt und ausformulierter findet sich der Nachhaltigkeitsgedanke zumindest in benachbarten Disziplinen und Themenwissenschaften wieder. So können sicherlich große Teile einer Friedens- und Konfliktforschung als Nachhaltigkeitsziel die Ermöglichung längerfristigen gewaltfreien Zusammenlebens anerkennen (Turay/English 2008).

Welche Disziplin ist beratungskompetent? Wenngleich Autoren einerseits immer wieder die genuine Interdisziplinarität des Gegenstands interkultureller Kommunikation proklamieren (Moosmüller 2004: 45; Roth 2009: 69), tendieren sie vielfach auch dazu, mehr oder weniger gleichzeitig die eigene Disziplin als Ursprung und Basis einer Erforschung interkultureller Kommunikation wahrzunehmen. Kulturanthropologen und Ethnologen (Moosmüller 2004: 46; Moosmüller 2007b: 14; Roth 2009: 69) berufen sich hierzu häufig auf die Arbeiten von Edward T. Hall (1955; 1959; 1976).

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Im deutschsprachigen Raum haben sich die Sprachwissenschaften als eine der ersten Disziplinen mit Aspekten interkultureller Kommunikation explizit befasst. Insbesondere im Bereich der Fremdsprachendidaktik wurden erste Problemstellungen interkulturellen Fremdverstehens berücksichtigt (Wierlacher 1985). Seither kommunizieren die Sprach- und Kommunikationswissenschaften regelmäßig einen besonders deutlichen Erklärungsanspruch gegenüber Problemstellungen interkultureller Kommunikation. Einfach zu begründen erscheint Sprachwissenschaftlern dieser Anspruch aufgrund der Annahme, dass interkulturelle Interaktion grundsätzlich kommunikativ vermittelt stattfinden müsse. Demnach sollten für eine Beschreibung interkultureller Kommunikation kommunikative, insbesondere sprachliche Äußerungen mit besonderer Aufmerksamkeit untersucht werden (Gumperz 1982a: 3; BlumKulka/House/Kasper 1989b: 1; Koole/ten Thije 1994: 3).10

Wer sucht Beratung, und wer braucht sie? Spricht man von einem gesellschaftlich formulierten Beratungsbedarf, so harrt auch diese Hypothese einer Präzisierung: Wer genau formuliert in der Gesellschaft einen Beratungsbedarf? Wer genau braucht eine Beratung – in jedweder Form? Sind die Ratsuchenden die gleichen wie die Ratbrauchenden? Oder gibt es – und davon wird wohl grundsätzlich ausgegangen – Individuen und Gruppen, die Beratung bräuchten, dies aber nicht wissen? Der Transfer von Wissensanfragen aus der Gesellschaft an die Wissenschaften und auch der Transfer von Wissen aus den Wissenschaften zurück in die Gesellschaft mögen als komplexe Prozesse dargestellt werden müssen. Aufgrund ihres vergleichsweise explizit formulierten Beratungsanspruchs gibt die Forschung zur interkulturellen Kommunikation ein gutes und nachvollziehbares Beispiel für einen solchen Wissenstransfer ab. Dabei sei noch einmal erwähnt, dass hier zunächst davon ausgegangen wird, dass Gesellschaften, die eine Forschung zur interkulturellen Kommunikation in ihren Geistes- und Sozialwissenschaften initiieren, auch selbst einen Bedarf an einer entsprechenden Beratung anmelden und formulieren. Diese Frageorientierung der Gesellschaft an ihre Wissenschaften lässt sich jedoch häufig zwar vermuten, aber nur schwer nachweisen. Nimmt man also an, dass die Geisteswissenschaften eine beratende und fördernde Funktion innerhalb einer

10 »Der vorliegende Beitrag geht davon aus, dass solche Ansätze der Psychologisierung interkultureller Kommunikation keine Einzelfälle darstellen, d.h. dass regelmäßig die Anwendung fremder Kommunikationsregeln als Ausdruck fremder Handlungsorientierungen aufgefasst wird. Um solche Fehlattributionen über die Ursachen kulturell bedingter Interaktionsprobleme zu vermeiden, müssen – so die Arbeitshypothese des Verfassers für den vorliegenden Beitrag – psychologische Handlungsattribuierungen immer in einem zweiten Schritt, d.h. nach einer linguistischen Interaktionsanalyse erfolgen, welche so genau wie möglich die Beziehung zwischen bestimmten Äußerungsformen und einzelnen Handlungsintentionen erarbeitet. Damit soll genauer festgestellt werden, welche Handlungen fremde Kommunikationspartner überhaupt vollzogen haben, bevor aus der ›aufgefassten Handlung‹ Schlussfolgerungen über fremde Handlungsziele und zugrunde liegende Wertorientierungen abgeleitet werden« (Müller-Jacquier 2000: 21f).

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Gesellschaft erfüllen sollen, so scheint die Identifikation des Bedarfs und entsprechender Verbesserungspotentiale eher wissenschaftsimmanent vollzogen zu werden. Entsprechend wäre eine solche Bedarfs- und Potentialidentifizierung selbst bereits eine Forschungsaufgabe. Entsprechend muss angenommen werden, dass die Bedarfsformulierungen von Gesellschaften, aber auch einzelnen Zielgruppen innerhalb von Gesellschaften eher vage, diffus und implizit ausfallen werden. Eher in ihrer Hand liegt demgegenüber ihr Entscheidungsspielraum dazu, inwieweit sie Beratungsleistungen aus den Wissenschaften annehmen und umsetzen können und wollen. Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Alltagswelt werden darüber hinaus häufig und in sehr unterschiedlichen Formen institutionalisiert. Diese Institutionalisierung wirkt sich in hohem Maße steuernd, regulierend und gestaltend auf den Wissenstransfer selbst aus: Als prominente Institution des Wissenstransfers in beiden Richtungen innerhalb des Themenfelds interkultureller Kommunikation kann beispielsweise auf die Society for Intercultural Education, Training and Research (SIETAR) hingewiesen werden, die als einer der renommiertesten internationalen Fachverbände zur interkulturellen Kommunikation gelten darf. Innerhalb des Fachs bietet sie ein Forum der Interaktion zwischen Wissenschaft und Praxis und muss in diesem Rahmen auch als Austragungsort für Konflikte und Spannungen herhalten: So sind beispielsweise weltweit im Jahre 1997 zahlreiche namhafte Forscher aus SIETAR ausgetreten und kritisierten dabei, dass der Verband zunehmend von kommerziell arbeitenden interkulturellen Trainern dominiert werde, die weniger an einem akademischen Austausch als an einer schnellen Vermarktung von Forschungsergebnissen ohne eine Gewinnbeteiligung der Forscher interessiert seien. International gründete die Fraktion der Wissenschaftler einen neuen Verband, die Association for Intercultural Research (AIR), später die International Association for Intercultural Research (IAIR), und nahm ihre Fachzeitschrift, das International Journal of Intercultural Relations (IJIR), aus SIETAR mit in den neuen Verband (Landis 1997). Eine ähnliche Trennung wurde ungefähr zeitgleich auch auf nationaler Ebene in Deutschland vollzogen: Nachdem SIETAR 1994 in Deutschland eine eigene landesweite Sektion als Verein gegründet hatte (SIETAR Deutschland e.V. 1994), zog die wissenschaftsorientierte Akademie für interkulturelle Studien (AiS) 1996 (Wierlacher/ Wolff 1996) nach. Neben diesen vergleichsweise exemplarischen und unsystematischen Beobachtungen können gegenseitige Einflussnahmen von Wissenschaft und Gesellschaft jedoch auch zum Forschungsgegenstand gemacht werden. Auf der Grundlage ethnographischer Beobachtungen konstatiert beispielsweise Knorr-Cetina in ihrer 1984 erstmals erschienenen und zwischenzeitlich zum Klassiker avancierten ethnographischen Studie Die Fabrikation von Erkenntnis (Knorr-Cetina 2002 [1984]) eine eher mangelhaft ausgeprägte Verknüpfung zwischen Forschern und Praktikern beim Wissenstransfer, bzw. bei der Formulierung von Forschungsfragen und -anliegen. KnorrCetina entwirft einen Forschungsansatz der Wissenschaftssoziologie. Darin geht sie davon aus, dass es Forschungsprozesse, die rein an wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgereiht und orientiert sind, nicht geben kann. Stattdessen nimmt Knorr-Cetina an, dass die Produktion wissenschaftlicher Erkenntnisse auch in den Naturwissenschaften wesentlich von sozialen und außerwissenschaftlichen Faktoren und Prozessen, beispielsweise innerhalb eines Forscherteams, geprägt und determiniert wird. Er-

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kenntnis wird demnach wissenschaftsimmanent in einer Laborsituation, jedoch ohne Rückkopplung mit einer außerwissenschaftlichen Bedarfssituation, konstruiert.11 Auch Knorr-Cetina weist dabei auf die erhebliche Vorstrukturierung des Wissenstransfers in die Praxis durch Institutionalisierungen hin. Letztere werden insbesondere von Seiten der Wissenschaften vorgegeben. So werden Forschungsergebnisse zur Publikation in wissenschaftliche Papers verpackt, die Knorr-Cetina zufolge weniger den tatsächlichen Forschungsprozess dokumentieren als vielmehr nach den Maßgaben einer für den Laien undurchdringlichen Machtrhetorik formuliert sind, die Zweifel an Wahrheit und Wert der vermittelten Erkenntnis kaum zulassen (Knorr-Cetina 2002 [1984]: 175ff). Doch auch bereits wissenschaftsintern scheint nicht immer von einer Aufgeschlossenheit gegenüber dem missionarischen Impetus interkultureller Forschung zu bestehen. So formuliert beispielsweise Bolten zunächst ein klares, anwendungsorientiertes Ziel interkultureller Managementforschung, das jedoch offenbar mit disziplineninternen Herangehensweisen allein nicht erreicht werden kann: »Methodisch verfügte die kulturvergleichende Managementforschung nicht über Instrumente oder Möglichkeiten, dieses Dilemma zu überwinden. Sie brachte zwar wertvolle Erkenntnisse zur Kulturspezifik wirtschaftsbezogenen Handelns in ›fremden‹ Kulturkreisen hervor, ohne jedoch aufzeigen zu können, wie konkretes Handeln zwischen Partnern aus unterschiedlichen Kulturen (A und B) verläuft, warum in diesen Interaktionen bestimmte Probleme entstehen und wie man entsprechend Abhilfe schaffen kann« (Bolten 2007b: 188).

Bedingt wird diese Problematik Bolten zufolge jedoch auch durch eine gewisse Resistenz der befassten Wirtschaftswissenschaftler gegenüber einer Rezeption wissenschaftlicher Entwicklungen im Forschungsbereich interkultureller Kommunikation: »Interessant ist festzustellen, dass vor allem fachliche Grenzgänger wie etwa Psychologen an wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, Wirtschaftswissenschaftler an kommunikationswissenschaftlichen Instituten oder auch die erste Absolventengeneration interkultureller Studiengänge interaktionsorientierte und in diesem Sinn ›interkulturelle‹ Ansätze vertreten, während ›klassische‹ Wirtschaftswissenschaftler nach wie vor eher zu kulturvergleichenden Ansätzen tendieren [...]. Sie zählen folglich auch nur in einer Minderheit zu denjenigen, die sich mit Fragestellungen der wirtschaftsbezogenen interkulturellen Trainingsforschung und -entwicklung auseinandersetzen – vermutlich gerade weil es bei interkulturellem Training, Coaching und interkultureller Mediation heute weniger um die Vermittlung von wirtschaftswissenschaftlichem

11 »Bei dieser Umschreibung ist mehreres wichtig: erstens die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, die in der neueren Wissenschaftssoziologie, zu der die Laborstudien zählen, erstmals Gegenstand wissenssoziologischer Betrachtung wurden. Dies heißt, dass soziale Faktoren als den Kern der Wissenserzeugung beeinflussend und die Erkenntnisproduktion durchdringend angesehen wurden. An zweiter Stelle ist der produktionslogische Ansatz der Laborstudien wichtig, gemäß dem in Laboratorien zwar nicht Waren produziert werden, wohl aber wissenschaftliche Objekten und Tatsachen, die Konstruktionsprozessen unterliegen« (Knorr-Cetina 2002 [1984]: XI).

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Fach- und ›Kulturwissen‹ als um die Realisierung interaktionsorientierter Ansätze geht« (Bolten 2007b: 191).

Während Bolten hier von einem reinen Beratungs-Impetus abrückt, räumt Moosmüller jedoch etwa zeitgleich ein, dass letzterer zumindest nicht grundsätzlich geleugnet werden könne: Moosmüller zufolge müsse doch eingestanden werden, dass auch die interkulturelle Forschung selbst teilweise einem zwischenzeitlich überkommenen Kulturverständnis verhaftet bleibe, von dem sich Bolten in dem genannten Zitat distanziert. Eine konstruktivistische Wende, die zur Erreichung der Positionierung Boltens für das gesamte Fach erforderlich wäre, haben große Teile der Forschung zur interkulturellen Kommunikation Moosmüller zufolge nicht mehr mitvollzogen, nachdem sie sich seit den 70er Jahren anstatt an der Kulturanthropologie an der sprachwissenschaftlichen Forschungsrichtung der speech communication zu orientieren begann (Moosmüller 2007b: 17).12 Vor dem Hintergrund eines grundsätzlich primordial gebliebenen Kulturverständnisses13 sei der Interkulturalist, wie Moosmüller die Forscher im Bereich interkultureller Kommunikation nennt, grundsätzlich von einem gesellschaftlichen Veränderungstrieb beseelt: »Der Ethnologe beschreibt das Handeln und die Vorstellungen des Ethnozentrikers, der Interkulturalist aber will ihn zum Ethnorelativisten erziehen: Der pädagogische Impetus ist das wesentliche Antriebsmoment der interkulturellen Kommunikation« (Moosmüller 2007b: 38f).

Mit dem Ziel der Genese einer solchen Beratungshandlung ist es nicht überraschend, dass große Teile der Forschung zur interkulturellen Kommunikation grundsätzlich von einer entsprechenden Problemorientierung ausgehen. Bezeichnend hierfür kann beispielsweise auf die sprachwissenschaftlichen Forschungsüberblicke zur interkulturellen Kommunikation von Rost-Roth (1994) und Müller-Jacquier (2000) verwiesen werden, die jeweils Systematiken anhand identifizierbarer Problemstellungen in der Kommunikation erstellt haben. Schlimmstenfalls kann die gesellschaftliche Normorientierung der Forschung zur interkulturellen Kommunikation sogar als ihr fatales Verhängnis ausgelegt werden: Berechtigt erscheint vor diesem Hintergrund die Frage danach, ob auf diese Weise überhaupt noch eine heuristische und kreative Forschung möglich sein kann, die sich von gesellschaftlichen Normen zunächst loslöst. Zu befürchten wäre, dass auf diese Weise meist keine eigenen neuen Normen mehr generiert oder bestehende kritisch

12 »Nicht mehr interessiert und beteiligt an den Diskursen der Kulturanthropologie, wurden manche Entwicklungen seit den 1970er Jahren, namentlich die ›writing culture‹-Debatte und die Neuformulierung des Kulturkonzepts in der Interkulturellen Kommunikation nicht mehr nachvollzogen« (Moosmüller 2007b: 19). 13 »[...] es wird davon ausgegangen, dass kulturelle Besonderheiten im Moment der interkulturellen Interaktionssituation unhintergehbar sind (insgesamt gesehen bzw. auf längere Sicht ändern sich kulturelle Besonderheiten bzw. Zuschreibungen natürlich kontinuierlich) und dass daher nur dann erfolgreich und angemessen interagiert werden kann, wenn sich die Akteure in ihrer jeweiligen kulturellen Andersheit uneingeschränkt respektieren« (Moosmüller 2007b: 39).

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reflektiert werden können (Stoczkowski 2008), so dass es zu konkreten Dilemmata für die Forschenden kommen kann (Moosmüller 2004: 47).

Beratung und Beratungsbedarf als gesellschaftliches Phänomen Autoren wie Kieser (1998), sowie Bodel und Rémolu-Neumayer (2001) bescheinigen westlichen Gesellschaften einen immanent konstruierten Beratungsbedarf. Einmal als existent wahrgenommen, muss dieser Bedarf von den betroffenen Gesellschaften zugleich auch befriedigt werden. Als bezeichnend für dieses System sehen die Autoren den Boom von Unternehmensberatungen in den Jahrzehnten um die Jahrtausendwende. Einen multiperspektivischen Einblick in die Praxis großer Unternehmensberatungen in Deutschland bietet beispielsweise der Sammelband von Rügemer (2004), durch den das Beratungsgeschäft als ein sich selbst erhaltendes System sichtbar wird. Zwischen den Vorgehensweisen privatwirtschaftlicher Unternehmensberater und den Beratungsleistungen der Wissenschaften müsse jedoch unabhängig von dem gesellschaftlichen Beratungsbedarf unterschieden werden. Verallgemeinernd resümiert Pasternack (2004) hierzu, dass Wissenschaftler Beratungsinhalte meist durch eine Erweiterung des Problemkontextes generieren, wohingegen Unternehmensberater den Kontext im Gegenteil zu reduzieren suchen.14 Die systemimmanente Selbsterhaltung des Beratungswesens führt folgerichtig auch dazu, dass die Angemessenheit von Beratungsbedarf im Grunde keine Rolle für den Systemerhalt spielt. Demnach wird es unwesentlich, ob ein Beratungsbedarf realistisch erfüllbar ist oder nicht. Unerfüllbarkeiten, also die Grenzen der Beratbarkeit, werden in diesem System nicht bemerkt, können nicht bemerkt werden und bringen das System somit auch nicht ins Wanken. Lindblom (1986) veranschaulicht dies bereits früh am Beispiel sozialwissenschaftlicher Politikberatung: Ihr Ziel bestehe zumeist darin, Wege zur Umsetzung gesellschaftlicher Veränderungen zu entwickeln, die jedoch realistisch und rückblickend betrachtet als unrealistisch und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln als unerreichbar eingestanden werden müssen.

14 »Wissenschaftler und Berater im Sinne von Consultants unterscheiden sich vornehmlich in einem Punkt. Wo Wissenschaftler die Problemhorizonte der Akteure überschreiten und erweitern sollen und müssen, da ist der Job der Consultants die Reduzierung von Problemhorizonten. Wenn Hochschulforscher von Akteuren um Rat gebeten werden, lautet deren Reaktion mehr oder weniger verklausuliert, die Problemwahrnehmung der Akteure sei noch nicht komplex genug. Daher sei es gut, dass sie, die Hochschulforscher, gefragt worden seien, denn sie könnten die Sache aufgrund ihrer Feldkenntnis angemessen komplex kontextualisieren. Wenn Consulting/Berater um Rat gebeten werden, lautet deren Reaktion, die Problemwahrnehmung der Akteure sei noch viel zu komplex. Daher sei es gut, dass sie, die Berater, gefragt worden seien, denn sie könnten die Sache aufgrund ihrer Außensicht angemessen in ihrer Komplexität reduzieren und auf ein handhabbares Schema bringen« (Pasternack 2004: 126).

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Interkulturelle Beratung: Akteure – Formen – Zielgruppen Geht man von einem Beratungsbedarf bezogen auf den Umgang mit Interkulturalität aus, so entpuppt sich dieser als ein Querschnittsthema, das grundsätzlich für fast jeden gesellschaftlichen Kontext und jede Lebenslage eine Relevanz entwickeln kann. Im folgenden seien nur einige wenige, zentrale Relevanzbereiche kurz besprochen. Wenngleich der Tätigkeitsbereich privatwirtschaftlicher Unternehmensberatungen in diesem Kontext bereits angesprochen worden ist, stuft Rathje dennoch den Beratungsbedarf zu Fragen interkultureller Kommunikation von Seiten der Privatwirtschaft als »relativ jung« (Rathje 2007: 800) ein. Der Begriff der Unternehmenskultur, mit dem erstmals überhaupt kulturellen Einflüssen auf unternehmerisches Handeln im Sinne eines beschreibbaren Einflussfaktors ein Stellenwert beigemessen worden sei, hat sich Rathje zufolge in der Managementforschung erst in den 1980er Jahren etabliert, ein Bewusstsein für die Rolle (nationen-)kultureller Unterschiede innerhalb global oder zumindest international operierender Unternehmen sogar erst in den 1990er Jahren. Ein Beratungsbedarf in Unternehmenskontexten lässt sich dabei grundsätzlich für alle denkbaren Situationen postulieren, in denen Schwierigkeiten aufgrund interkultureller Interaktionen entstehen können (Rathje 2007: 801). Als exemplarische Dienstleistungen nennt Rathje hier interkulturelles Consulting, Training und Mediation (Bolten 2005), Barmeyer und Haupt nennen Supervisionen als zusätzliche Form der Intervention (Barmeyer/Haupt 2007: 785). Rathje formuliert fünf Kernbereiche, in denen interkulturelle Beratertätigkeiten sinnvoll erscheinen: das Personalmanagement, die externe und die interne Unternehmenskommunikation, die Begleitung von Internationalisierungsprozessen sowie die Organisationsentwicklung (Rathje 2007: 802). Dabei resultiert die universale Möglichkeit einer Berücksichtigung interkultureller Aspekte aus einer meist additiven Konzeption (Busch 2005: 317) dieser als auf interkulturelle Besonderheiten ausgerichteten Interventionsmöglichkeiten: Durchgeführt wird in der Regel eine vorab standardisierte Maßnahme, in der zusätzliche Schwierigkeiten aufgrund interkultureller Einflüsse (jedoch meist ohne zusätzliche methodische Implikationen) zumindest mitgedacht werden (exemplarisch Barmeyer/ Haupt 2007). Rathje bemängelt jedoch, dass die interkulturelle Managementforschung weiterhin empirisch und methodisch gestützter Erhebungen entbehrt, die über die ledigliche Konstatierung der Gewichtigkeit kultureller Einflüsse hinausginge.15 Neben Beratungsleistungen in Unternehmenskontexten hat sich die Beratung von Migranten als ein zusätzliches zentrales Tätigkeitsfeld herauskristallisiert. Einen Überblick über Beratungsdienstleistungen für Personen in Migrationskontexten bieten beispielsweise Grothe und Fischer (2007), wobei sie zwischen der Berücksichti-

15 »Es fehlen jedoch konkrete methodische Ansätze, die über die Erkenntnis der Wichtigkeit von Kultur und interkultureller Dynamik hinausgehen. Empfehlungen zu ihrer Berücksichtigung bleiben daher oft auf einem sehr allgemeinen Niveau [...]. Dieser Mangel an implementierbaren Ansätzen drückt sich auch organisatorisch in der Tatsache aus, dass keine der großen, weltweit bekannten Unternehmensberatungen, wie z. B. McKinsey oder Boston Consulting Group einen separaten Geschäftsbereich (practice) für interkulturelles Management besitzt« (Rathje 2007: 805).

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gung interkulturell begründeter Problemstellungen in allgemein positionierten Beratungsformen (Koptelzewa 2004) gegenüber spezifischen, auf die Bearbeitung interkulturell bedingter Schwierigkeiten ausgerichteten Beratungen unterscheiden. Die konkrete Ausformung von Transfers von Beratungsleistungen aus den Wissenschaften in gesellschaftliche Praxisbereiche hinein kann auf sehr unterschiedlichen Ebenen stattfinden. Besonders sichtbar erscheinen zunächst klare Formulierungen von Hinweisen und Handlungsanweisungen. So stellt beispielsweise Sunoo einen klaren Leitfaden für Konfliktmediatoren in interkulturellen Kontexten zusammen (Sunoo 1990). In mittelbarer Form lassen sich darüber hinaus Didaktisierungskonzepte selbst erforschen und qua Forschung verbessern. So erforschen beispielsweise Leenen, Grosch und Groß (2005) Formen einer optimalen interkulturellen Bildung und Beratung für Mitarbeiter der Polizei. Auf einer noch allgemeineren Ebene lassen sich darüber hinaus der grundsätzliche Praxisbezug und die Anwendungs- und Umsetzungsorientierung der Forschung verbessern. Plädoyers wie der Text von Ruben (2005) mahnen eine erforderliche Problemorientierung der Forschung anhand ihres Praxisumfelds häufig an.

Persönliches Interesse als Alternative zum Beratungsbedarf Die gesellschaftliche Konstruktion eines interkulturellen Beratungsbedarfs darf jedoch nicht dazu führen, dass man ihn als aus der Situation heraus zwingend gegeben annimmt. Gerade ihr Konstruktionscharakter kann darauf hinweisen, dass alternative Problemlösungen oder Umgangsformen durchaus denkbar sind. Alternativ zu einem Einholen externer Hilfe im Sinne von Beratung sind beispielsweise auch Szenarien denkbar, in denen sich Individuen aus eigener Motivation heraus weiterhelfen und bilden. Phipps (Jack/Phipps 2005; Phipps 2007) weist beispielsweise darauf hin, dass auch die Forschung zur interkulturellen Kommunikation zunehmend die Rolle und die Bedeutung von Tourismus für die Interkulturalitätserfahrungen von Individuen erkennt und anerkennt.

D IE S UCHE

NACH DER

H ANDLUNGSRELEVANZ

VON

K ULTUR

Um eine zuvorderst beratungsorientierte Forschung zu definieren und einzugrenzen, erscheint zunächst eine Klärung des in diesem Fall im Zentrum stehenden Forschungsgegenstands erforderlich. Was hier zunächst banal klingen mag, stellt sich jedoch im Hinblick auf die bislang geleistete Forschung zur interkulturellen Kommunikation keinesfalls als Selbstverständlichkeit und zudem als eine komplexe Aufgabe heraus. Sollen Individuen und Gruppen zu einem konstruktiven Umgang mit Kulturalität beraten werden, so mag sich zunächst die Frage stellen, wie und auf welche Weise sich Kultur überhaupt auf das Handeln der zu Beratenden auswirkt. Gesucht werden sollte entsprechend nach einem Kulturverständnis, in dessen definitorischem Zentrum es vor allem um diesen konkreten Wirkungsaspekt geht: Welcher Kulturbegriff beschreibt am genauesten und am angemessensten ausschließlich unmittelbare Wirkaspekte, die für eine gegebene Interaktionssituation relevant sind?

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Ein Blick in die Forschung zur interkulturellen Kommunikation offenbart hier schnell, dass neben diesem Kriterium der Handlungsrelevanz von Kulturverständnissen in der Regel vor allem theoretische Verortungen und Einordnungen eines Begriffs häufig die maßgeblicheren Faktoren für die wissenschaftliche Karriere dieses Begriffs sind. Während diese Marginalisierung der Handlungsrelevanz zentraler Begriffe zugunsten einer theoretischen Operationalisierbarkeit sicherlich in vielen sozialwissenschaftlichen Themenbereichen vorgefunden werden kann, führt sie im Falle einer Diskussion des Kulturbegriffs immer wieder zu bewussten und unbewussten Kreisschlüssen. So weist beispielsweise Wolfgang Welsch (2000: 343f) darauf hin, dass dem Kulturbegriff selbst bereits ein gewisser »Wirkfaktor« (2000: 343) inhärent sei: Demnach führen dominante Kulturverständnisse einer Gesellschaft dazu, dass diese von ihren Mitgliedern auch tatsächlich gelebt und umgesetzt werden. Als Beispiel auf einer einfachen Ebene führt Welsch beispielsweise an, dass Gesellschaften, die Kulturen als etwas Unveränderliches und Trennendes konzipieren, diese so empfundene Norm auch zu bestätigen.16 Bei der Annahme dieses Kreisschlusses bezieht sich Welsch (2000: 344) auf Deleuze und Guattari (2000 [1991]: 10), die daraus zugleich auch Konsequenzen und Aufgaben für die Wissenschaften herleiten: Aus ihrer Sicht kommt der Philosophie demnach die Aufgabe zu, Begriffe zu schaffen, mit denen vor allem die Handlungsfähigkeit der Mitglieder einer Gesellschaft unterstützt und gefördert wird. Welsch wendet diese Forderung auf die Debatte um Kulturverständnisse an und fordert entsprechend eine aktive und konstruktive Gestaltung eines Kulturbegriffs. Welsch selbst setzt dieses Plädoyer in Form seines Entwurfs der Transkulturalität um.17 Eine interne Unverbundenheit von Theorien zu Forschungsthemen trägt dazu bei, dass sich die Suche nach einem Kulturverständnis mit einer nachweisbar möglichst unmittelbaren Handlungsrelevanz als schwierig erweist. Dennoch bleibt genau diese Suche das Zentrum der Forschungsrichtung: So mag sich das Ausmaß an Handlungsrelevanz eines Kulturbegriffs darin ausdrücken, inwiefern und wie präzise ein Ansatz Antworten auf die Frage geben kann, wie sich Kultur auf Kommunikation auswirkt.

16 »Wie andere Selbstverständigungsbegriffe (beispielsweise ›Identität‹, ›Person‹, ›Mensch‹) auch, haben sie [Kulturbegriffe als operative Begriffe; D.B.] Einfluss auf ihren Gegenstand, verändern diesen. Unser Kulturverständnis ist auch ein Wirkfaktor in unserem Kulturleben. Sagt man uns – wie der alte Kulturbegriff es tat –, dass Kultur eine Homogenitätsveranstaltung zu sein habe, so werden wir uns entsprechen verhalten und die gebotenen Zwänge und Ausschlüsse praktizieren. Wir suchen der gestellten Aufgabe genüge zu tun – und haben Erfolg damit. Sagt man uns – oder den Heranwachsenden – hingegen, dass Kultur gerade auch Fremdes einbeziehen und transkulturellen Komponenten gerecht werden müsse, dann werden wir oder sie diese Aufgabe in Angriff nehmen und dann werden entsprechende Integrationsleistungen künftig zur realen Struktur der Kultur gehören. In diesem Sinn ist die ›Realität‹ von Kultur immer auch eine Folge unserer Konzepte von Kultur« (Welsch 2000: 344). 17 Für eine Evaluierung des konstruktiven Potentials des Konzepts der Transkulturalität für den Bildungssektor vgl. Otten (2009).

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Moosmüller bekräftigt eine entsprechende Suchrichtung für die Forschung zur interkulturellen Kommunikation: »Sowohl Ethnologie als auch Interkulturelle Kommunikation beschäftigen sich mit der Frage, wie der Zusammenhang von Kultur und individuellem Handeln erklärt werden kann« (Moosmüller 2004: 45).

Ob dieser zentrale Forschungsfokus tatsächlich zu jeder Zeit eingehalten wurde und ob er von der gegenwärtigen Forschung eingelöst wird, harrt jedoch einer weiteren Überprüfung, zu der die folgenden Abschnitte eine Annäherung leisten sollen.

Die Unverbundenheit von Makro- und Mikro-Ebene Unverbunden erscheinen im Rahmen einer Kulturforschung zuvorderst Forschungen auf einer gesellschaftlichen Makro-Ebene gegenüber Studien mit dem Fokus auf ausgewählte Mikro-Kontexte. Schon für die kulturvergleichende quantitative Forschung, die häufig aus einem Alltagsverständnis heraus als die unveränderliche Kernaktivität interkulturell ausgerichteter Forschung angesehen wird, ergeben sich aus dieser Unverbundenheit handfeste Schwierigkeiten. Schaffer und Riordan (2003) beispielsweise stellen zunächst die Möglichkeit von Mikro- gegenüber Makro-Perspektiven dar: Eine der Grundfragen besteht darin, wie eigentlich Kultur als allgemeines gesellschaftliches Phänomen sich auf individuelles Handeln auswirkt. Diese Fragestellung wird offenbar häufig nur sehr stiefmütterlich behandelt. Für den psychologisch dominierten Bereich der quantitativen Managementforschung formulieren Schaffer und Riordan beispielsweise: »An additional issue regarding the treatment of culture is the level of analysis at which relationships are to be observed. One problem in cross-cultural research is that there are often two (or more) levels of theorizing that if not coordinated effectively into a research design, may actually compete with one another. These levels include the individual level, where psychological processes, attitudes, and values are often studied, and the societal level, where political and anthropological trends are common (Hofstede 1991)« (Schaffer/Riordan 2003: 176).

Dass für konkrete Suchen nach kulturellen Differenzen auf der Mikro-Ebene individueller Interaktion im Grunde immer auch ein Abgleich mit weiteren übergeordneten gesellschaftlichen Parametern erforderlich wäre, schildern Schaffer und Riordan unmittelbar im Anschluss: »An understanding of the different levels within a cross-cultural context is an important prerequisite for analyzing and reporting research results. For example, if a researcher were interested in value differences across multiple countries, she or he would need to first assess the degree to which values within each sample were similar. Survey data would need to be collected from individuals and then aggregated to the level of country by computing a mean score for each country sample (Hofstede 1991). Mean scores for country-level values would be meaningful only if there were similarity among respondents from country samples with respect to their

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individual value rankings. Observed similarity within samples justifies the aggregation of variables from lower to higher levels« (Schaffer/Riordan 2003: 176).

Kulturvergleichenden Studien müsste es demnach gelingen, zunächst überhaupt intrakulturell valide Muster zu identifizieren, bevor dann ein kulturübergreifender Vergleich erfolgen kann. Kulturelle Charakteristika individuellen Handelns auf einer Mikro-Ebene können demnach nicht identifiziert werden, wenn sie nicht zu gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Bezug gesetzt werden. Wenngleich Schaffer und Riordan in ihrem Beitrag drei statistische Verfahren evaluieren, die diesen Brückenschlag leisten sollen, scheint er dennoch von weiten Teilen der Forschung zur interkulturellen Kommunikation häufig vernachlässigt zu werden. Auch auf der Mikro-Ebene selbst, die in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation meist im Fokus steht, können Unverbundenheiten zwischen theoretischen und methodischen Herangehensweisen festgestellt werden, die letztendlich dazu führen, dass eine Identifizierung von handlungsrelevanten Kulturverständnissen von der Forschung höchstens vorsichtig umkreist, aber nicht systematisch und mit allen Mitteln in das Zentrum ihrer Suche gestellt wird.

Die Unverbundenheit von Stereotypenforschung und sozialem Handeln Aus Sicht der Ethnomethodologie, deren explizites Bemühen um den Nachweis von Handlungsrelevanz in der vorliegenden Studie noch eingehend diskutiert werden wird, hat bereits Moerman (1988: 87-100) die Anthropologie für eine Vernachlässigung von Handlungsrelevanz kritisiert (Firth 1995: 16). Dieser Problematik geht Schondelmayer im Vorfeld ihrer ethnologischen Studie (Schondelmayer 2008) genauer nach. Eine Unverbundenheit in der Forschung sieht Schondelmayer für ihren Bereich insbesondere zwischen Beschreibungen von Stereotypisierungen gegenüber Beschreibungen des tatsächlichen Handelns von Individuen. Auch Schondelmayer konstruiert keine modellhafte Überbrückung dieser Unverbundenheit. Stattdessen folgert sie, dass als Interpretationsgrundlage für potentielle Zusammenhänge zwischen diesen beiden Ebenen immer nur eine Koinzidenz von ausgesprochenen Stereotypisierungen und tatsächlichen Handlungen verwendet werden kann. Ein entsprechender Zusammenhang muss demgegenüber letztendlich spekulativ bleiben.18 Die Herausbildung getrennter Forschungsrichtungen innerhalb der Anthropologie macht Schondelmayer für diese Unverbundenheit der letztlich relevanten For-

18 »Die Ausdifferenzierung der Selbst- und Fremdbilder und ihre Einbettung in den Erzählkontext, in dem sie genutzt werden, soll einerseits die Frage nach dem Einsatz stereotypisierter Bilder erhellen und andererseits mit dem Handeln der Personen abgeglichen werden. Durch die Betrachtung der Handlungen einerseits, der Bilder in den Köpfen andererseits möchte ich versuchen, den Zusammenhang zwischen sich verbal manifestierenden kognitiven Alltagstheorien und der situativen Ausformung des Handelns näher zu beleuchten sowie die komplexe Verknüpfung und Widersprüchlichkeit von bewusstem Wissen, von Reflexion und unbewusstem Handeln aufzuzeigen« (Schondelmayer 2008: 17).

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schungsergebnisse verantwortlich. Getragen werde diese Spaltung von Richtungen, deren Kerne Schondelmayer als Kognitive Anthropologie gegenüber der Interpretativen Anthropologie benennt. Während Vertreter der Kognitiven Anthropologie Individuen vorrangig als Produkte ihrer kulturellen Umwelt verstanden haben, gingen Vertreter der Interpretativen Anthropologie davon aus, dass Individuen ihre kultürliche Umwelt erst produzieren (Schondelmayer 2008: 14). Schondelmayer exemplifiziert diese unterschiedlichen Herangehensweisen in ihrer Studie anhand einer Diskussion der Ansätze von Goodenough (1957), D’Andrade (1992; 1995) und Geertz (1987a). Dass eine Diskrepanz zwischen Stereotypen und tatsächlichem Handeln grundsätzlich bestehen muss, sei Schondelmayer (2008: 40) zufolge, die sich auf Cyrus (2001: 172ff) und Heinemann (1998: 8) bezieht, schon aus quantitativer Sicht nicht zu leugnen: Individuen stehen demnach kognitiv grundsätzlich deutlich mehr stereotype Bilder zur Verfügung, als sie letztendlich für die Interpretation einer gegebenen Situation heranziehen. Handlungsrelevanz komme Stereotypisierungen vor diesem Hintergrund erst und genau dann zu, wenn sie als Interpretationsgrundlage aktiviert werden und daraufhin auch noch spezifische Handlungsentscheidungen beeinflussen. Bedingungen und Besonderheiten dieses Prozesses versucht Schondelmayer im Rahmen ihrer empirischen Studie zu identifizieren: Wann werden stereotype Bilder zur Interpretation einer Situation verwendet und wann wirken sie handlungsentscheidend? In der vorliegenden Studie soll dieser Fragestellung auf einer noch allgemeineren Ebene nachgegangen werden: Wie wirken sich unterschiedliche Verständnisse von Kultur aus wissenschaftlicher Theorie, gesellschaftlichen Diskursen und individuellen Interpretationen auf soziales Handeln aus? Wie lässt sich dieser potentielle Einfluss von Kultur gegenüber anderen Einflussfaktoren isolieren und beschreiben?19 Anstelle einer Suche nach einem ihren Kriterien entsprechenden Kulturbegriff konzentriert sich Schondelmayer in ihrer Studie auf die Herausarbeitung subjektiver Kulturverständnisse und deren Beschreibung: »Es geht mir in der vorliegenden Arbeit nicht um die Suche nach einem objektiven oder wahrhaftigen Kulturbegriff, sondern darum zu fragen, was Kultur für den Einzelnen bedeutet, wie er sie benutzt sowie durch Handlung und Sprache selbst produziert. Der Schwerpunkt ist dabei auf die Bilder des jeweils Anderen und sich selbst gelegt« (Schondelmayer 2008: 44).

In der vorliegenden Studie sollen darüber hinaus allgemeine Interdependenzen zwischen gesellschaftlichen und individuellen Kulturverständnissen gegenüber konkreten Modifizierungen sozialen Handelns herausgearbeitet werden.

19 »Unbrauchbar erscheint er [der Begriff Kultur, D.B.] im Hinblick auf Begriffsumfang und –inhalt: Was ist eigentlich nicht Kultur? Durch welche Definitionsmerkmale lässt sich ›das Kulturelle‹ spezifizieren? Wie könnte man es für eine Untersuchung operationalisieren?« (Auernheimer 2002: 93).

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Die Unverbundenheit von Theorie und praktischer Handlungsanweisung Aus den zuvor skizzierten Unverbundenheiten folgt beinahe zwingend eine weitere Lücke, die die Umsetzung von Forschungsergebnissen und Theorien in didaktische Formen und Bildungsformate betrifft. So bemängelt Fiehler (1999: 30) am Beispiel gesprächsanalytisch fundierter Trainings, dass Trainingsteilnehmer mit der Implementierung und der konkreten Umsetzung des in der Trainingssituation Gelernten meist allein gelassen werden: Die Frage, ob und wie die Trainees das Erlernte in ihrem Alltagskontext umsetzen, obliegt nach dem Training deren Transferkompetenz und wird nicht mehr als Bestandteil des Trainings angesehen (Busch 2009a: 145). Dieses Transferproblem wird auch in zahlreichen weiteren didaktischen Umsetzungen bemängelt und darf demnach beinahe als systembedingt eingestuft werden. So sehen Meisiek und Barry (2007) beispielsweise ähnliche Schwächen im didaktischen Konzept des Unternehmenstheaters. Empirisch haben die Autoren nachgewiesen, dass die Ausrichtung der auf die Maßnahme folgenden Handlungsroutinen kaum vorhersehbar oder steuerbar sei. Diese Desiderata und Unverbundenheiten in der Forschung, aber auch in den genannten Bildungsformaten scheinen dabei einen Aspekt widerzuspiegeln, der für die grundlegende Problemkonstruktion interkultureller Kommunikation charakteristisch zu sein scheint: Die Aufgabe, das eigene interkulturelle Handeln kompetent, konstruktiv und auf sozial erwünschte Weise zu gestalten, ist und bleibt den betroffenen Individuen selbst überantwortet. Eine Beratungsleistung, die ihre Funktion voll erfüllt, wird nicht erbracht.

Bisherige Formen von Nachweisen einer Handlungsrelevanz von Kultur Ethnomethodologische Herangehensweisen an sozialwissenschaftliche Forschungskontexte dürfen, wie bereits erwähnt, als Beispiel für eine Betrachtungsweise angesehen werden, die die Handlungsrelevanz von Kultur in das Zentrum des Interesses rückt. Zugleich muss jedoch eingestanden werden, dass bislang auf der Grundlage dieser Methodik nur wenige Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation vorliegen, auf die an späterer Stelle noch ausführlicher eingegangen werden soll. Fragt man danach, wie Kultur das Handeln von Individuen in Kontexten beeinflusst, die als interkulturell erachtet werden, so findet man als Antworten aus der zeitgenössischen Forschung meist Hinweise auf kulturell motivierte Grenzziehungen: Anstelle einer essentialistischen Annahme kultureller Differenzen, die das Handeln im interkulturellen Kontakt beeinträchtigen mögen, wird hier davon ausgegangen, dass allein das Wissen der Interagierenden über gesellschaftliche Konstruktionen von Kultur die Interagierenden dazu veranlasst, sich in interkulturellen Kontexten anders zu verhalten als in Kontexten, die als intrakulturell eingestuft werden. Manifest und beobachtbar identifizieren kommunikations- oder sozialwissenschaftliche Studien in diesem Fall meist die Konstruktion sozialer Grenzen entlang vermuteter kultureller Trennlinien.

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Ein Beispiel für eine solche Beschreibung von Grenzziehungen in interpersonalen Interaktionen ist die ethnologische Studie von Pütz (2004). Auf der Suche danach, wie das normative und theoretische Konzept der Transkulturalität nach Welsch (1992) sich im Alltagshandeln manifestieren könnte, interviewt Pütz türkischstämmige Unternehmer in Berlin. Neben vor dem Hintergrund der normativen Theorie erwünschten Handlungsformen der Transkulturalität als Praxis (Pütz 2004) identifiziert Pütz in diesem Rahmen auch Handlungsformen, die die genannten Zielstellungen nicht erfüllen. Stattdessen manifestiert sich der Umgang mit Kulturalität aus der Sicht von Pütz in Grenzziehungen: Unternehmer türkischer Herkunft schaffen sich in Berlin ein geschäftliches Handlungsumfeld, das sich an der kulturellen Herkunft der Akteure orientiert. Mit anderen Worten: Unternehmer türkischer Herkunft kommen nur mit Akteuren türkischer Herkunft ins Geschäft. Sie und ihre Interaktionspartner ziehen eine imaginäre Grenze zwischen Individuen, die verschiedenen Kulturen zugeordnet werden. Eine Andersbehandlung auf der Grundlage angenommener kultureller Differenz manifestiert sich hier demnach in Form einer Vermeidung von Interaktion. Pütz zufolge entsteht diesen Unternehmern ein erheblicher ökonomischer Nachteil, da sie in diesem Kontext gezwungen sind, ihren Handlungsspielraum und den Markt, in dem sie wirtschaften, nach anderen als nach ökonomischen Gesichtspunkten einzuschränken. Unter Handlungsrelevanz versteht Pütz demnach den Prozess, durch den »national etikettierte Grenzziehungen wirksam werden« (Pütz 2004: 12). Diese Grenzziehungen manifestieren sich aus der Sicht des theoretischen Konzepts bereits durch ihre Benennung im Forschungsinterview. Eine strukturell begründet noch realere Manifestierung kann auch im Alltagshandeln nicht erwartet werden, da es zentral um die Benennung von Grenzziehungen überhaupt geht. Demgegenüber kann jedoch begründet vermutet werden, dass die reine Fokussierung auf Grenzziehungen eher als Resultat theoretischer Rahmungen von Kultur, denn als Resultat heuristischer Beschreibungen angesehen werden kann. Stattdessen ist davon auszugehen, dass Akteuren im Alltagshandeln noch wesentlich differenziertere Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf kulturell motivierte Andersbehandlungen zur Verfügung stehen als die rein binäre Wahl zwischen interagieren vs. vermeiden. Pütz deckt demnach in seiner Studie nicht in detaillierterer Form auf, was Kultur für die untersuchten Akteure bedeutet. Gesucht werden sollte an dieser Stelle jedoch in der Tat nach Antworten auf Fragen danach, wie Akteure den Einfluss von Kultur auf ihr Handeln einschätzen. Wie groß, bzw. wie begrenzt ist der Handlungsspielraum, den Akteure in interkulturellen Kontexten zu ihrer Verfügung sehen? Antworten auf Fragen dieser Art können selbst in den Interviewtranskripten entdeckt werden, die Pütz ausschnittweise in seiner Monographie zu Beispielzwecken veröffentlicht. So berichtet Pütz in einem Transkript beispielsweise von einem türkischen Unternehmer in Berlin, der bei der Interaktion mit Mitmenschen türkischer Herkunft in Berlin häufig davon ausgeht, dass diese über einen geringeren Bildungshintergrund als er selbst verfügen. Entsprechend behandelt der Interviewte diese Landsleute auf modifizierte Weise, indem er sich mit einer vereinfachten Sprache und vereinfachten Informationen an sie wendet (Pütz 2004: 175). Was hier als anhand kultureller Zugehörigkeitskriterien motivierte Andersbehandlung sichtbar wird, geht in seiner Detailliertheit deutlich über die Feststellung reiner Grenzziehungen hinaus und kann stattdessen präzise beschrieben werden.

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Weniger Begriffe – mehr Handlungsrelevanz? In der Studie von Pütz dient allein die subjektive Einschätzung der Akteure als Validitätskriterium für die Überprüfung einer Handlungsrelevanz von Kultur: Nur dann (und genau dann), wenn die Akteure der Ansicht sind, dass sich kulturelle Zugehörigkeiten auf ihr Handeln auswirkt, kann dies auch aus Sicht des Forschers angenommen werden. Die von Pütz vorgeschlagene Herangehensweise verzichtet auf diese Weise sehr konsequent auf eine zu komplexe Verortung des Kulturbegriffs in theoretischen Begriffskonstellationen. Grundsätzlich lässt sich daraus die Frage ableiten, ob eine Reduzierung von für eine Theorie erforderlichen Begriffsstrukturen in den meisten Fällen zu einer Erhöhung von Handlungsrelevanz des verwendeten Kulturverständnisses führt. Die bisherigen Überlegungen zur Handlungsrelevanz von Kultur sind davon ausgegangen, dass eine Nachzeichnung dieser Handlungsrelevanz auf einer deskriptiven Ebene den Kern interkultureller Forschung bilden könnte. Dieser Kern sei dabei so gewählt und positioniert, dass er eine möglichst unmittelbare Grundlage und Ausgangsbasis für Reflektionen zur Gestaltung konstruktiver Umgangsformen im Sinne einer normativ ausgerichteten Didaktik bieten kann. Dennoch sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass auch diese gedankliche Zentrierung um das Konzept der Handlungsrelevanz ein Ergebnis theoretischer Reflektion ist, so dass grundsätzlich auch alternative gedankliche Annäherungen möglich sein dürften. Neben der Rolle von Kultur für das als konstruktiv empfundene Gelingen einer Interaktion könnten alternativ auch Fragen nach kommunikativem Verstehen und Prozessen der Verständigung in den Vordergrund gerückt werden. Während die Sozialwissenschaften auf der Basis von Phänomenologie, Hermeneutik und Konstruktivismus unterschiedlichste theoretische Modelle zur Beschreibung des Zustandekommens zwischenmenschlicher Verständigung ausgestaltet haben, finden sich auch entsprechende spezifische Umsetzungen und Operationalisierungen zur Erforschung interkultureller Kommunikation. So leistet beispielsweise Knoblauch (1995) eine phänomenologisch und wissenssoziologisch begründete Beschreibung von Verstehen in interkulturellen Kontexten. Straub und Shimada (1999) sowie die Beiträge in Cappai, Shimada und Straub (2010) wenden Grundzüge hermeneutischen Verstehens auf die Interaktion zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen an. Darüber hinaus rücken zeitgenössische Autoren zunehmend den Aspekt der Reziprozität (Schütz/Luckmann 1979: 98) als zu diskutierende Bedingung für das Zustandekommen interkultureller Verständigung in den Vordergrund (Bolten 1995: 27; Graeff 2003; Eberle 2007: 254). Über die theoretische Konzeption hinaus liegen empirische Studien vor, die versuchen, einzelne Aspekte zwischenmenschlicher Verständigung wie den der Perspektivenübernahme zu operationalisieren und zu messen (Knobloch/ Solomon 2003). Neben einer Fokussierung des kommunikativen Aspekts kann bei der Suche nach Wegen des konstruktiven Umgangs mit Kulturalität auch der Aspekt des Unterstützens und Helfens ins Zentrum einer entsprechenden Grundlagenforschung gerückt werden. Handlungsmodifikationen in interkulturellen Kontexten werden in der Regel auf der Grundlage von Lernprozessen vollzogen werden. Diese Lernprozesse können unkontrolliert geschehen und auf der Grundlage zufällig sich ereignender Erfahrungen aufbauen. Alternativ stehen im Rahmen interkultureller Bildungsangebote zahl-

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reiche Möglichkeiten zur autodidaktischen Bildung bereit. Ein noch nicht vollends ausgeschöpftes Potential im Hinblick auf die Erforschung interkultureller Kommunikation kann derzeit jedoch noch in der Dimension des gegenseitigen Helfens und Unterstützens (Rettig 2010) in interkulturellen Kontaktsituationen erwartet werden. So stehen Forschungsarbeiten zu Strategien gegenseitiger Unterstützung bei der Herstellung kommunikativer Verständigung derzeit noch in den Kinderschuhen. Arbeiten liegen bislang insbesondere zu nichtmuttersprachlichen Interaktionen vor, in denen muttersprachliche Gesprächspartner eine verständigungsfördernde Unterstützung bieten (Blake/Zyzik 2003; Sonnenberg 2005), aber auch Grundlagenforschungen zu Beratungskontexten, die keine kulturell bedingten Aspekte fokussieren, können eine relevante Forschungsbasis bilden (Vehvilainen 2003). Über diese Aspekte hinaus kann angenommen werden, dass Kontaktsituationen, die als interkulturell eingestuft werden, sich vielfach in Kontexten ereignen, in denen mehr als nur zwei Personen anwesend sind, die von einer stereotypisierenden Forschung experimentell als Repräsentanten jeweils einer Kultur untersucht werden. Anstelle solcher stereotyp angenommener dyadischer Situationen kann demnach davon ausgegangen werden, dass vielfach dritte oder weitere Akteure in einer Situation anwesend sind, die zwar nicht in die direkte Interaktionssituation involviert sind, die aber grundsätzlich verständigungsfördernd intervenieren könnten. Eine gesprächsanalytisch fundierte Systematisierung solcher Konversationssituationen mit mehr als zwei Teilnehmern bietet beispielsweise Kerbrat-Orecchioni (2004). Eine Systematisierung von Formen der strategischen Verständigungsförderung durch dritte Personen in interkulturell bedingten Kontaktsituationen im Sinne einer spontanen interkulturellen Laien-Mediation liefert Busch (2005). Aspekte einer für Einflüsse von Kulturalität sensibilisierten Verständigungsförderung werden darüber hinaus zunehmend auch aus den Übersetzungswissenschaften heraus entwickelt. Apfelbaum (2005) veranschaulicht entsprechende Strategien in professionellen Dolmetschsituationen. Aber auch nicht-professionelle Übersetzungstätigkeiten rücken zunehmend ins Interesse der Forschung (Knapp/Knapp-Potthoff 1987; Cieplinska 2004).

P ROBLEME

BEI DER O PERATIONALISIERUNG EINES WISSENSCHAFTLICHEN B EGRIFFS ? Eine gut begründete Etablierung einer Erforschung interkultureller Kommunikation wird durch ihre sich permanent wandelnde Einbettung in ein komplexes gesellschaftliches Umfeld erschwert. Die vorangegangenen Abschnitte haben ansatzweise verdeutlicht, dass die Einrichtung eines sinnvollen Beratungstransfers zu konstruktiven Umgangsformen mit Interkulturalität nur vage eingegrenzt werden kann. Darüber hinaus hat es die zeitgenössische Forschung bislang weitestgehend vermieden, die Handlungsrelevanz der von ihr verwendeten Kulturverständnisse für eine Bewertung konkreter Interaktionssituationen einzuschätzen, geschweige denn zu erhöhen. Eine weitere Hürde für eine Operationalisierung interkultureller Forschung bildet die gesellschaftliche Eingebundenheit des Forschungsgegenstands und der Forscher selbst. Auf diese Weise ergeben sich Kreisschlüsse, die eine Transzendierung nichtwissenschaftlicher Kontexte durch die Forschung deutlich erschweren. Bereits ober-

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flächliche Recherchen zur Erforschung interkultureller Kommunikation können hier zeigen, dass eine konsequent aufeinander aufbauende Forschungstradition, die mögliche Fehler, offene Fragen oder Lücken früherer Arbeiten beseitigt, kaum identifiziert werden kann. So erscheinen in unterschiedlichen Disziplinen und Bereichen interkultureller Forschung auch immer wieder Publikationen, die auf früheren Forschungsständen aufbauen und nicht alle, teilweise wesentlichen jeweils zeitgenössischen Kritikpunkte berücksichtigen (Hiller 2007; Flader/Comati 2008; Konczal 2008). Die Unklarheit über zentrale Begriffe kann den gesamten Forschungsbereich zur interkulturellen Kommunikation in ernsthafte Identitätskrisen stürzen. So haben beispielsweise insbesondere Forscher, die sich im deutschsprachigen Raum mit einzelnen Aspekten interkultureller Kommunikation auseinandersetzen, seit der Jahrtausendwende eine lebhafte Debatte darum geführt, ob »interkulturelle Kommunikation« überhaupt als eine neue und eigenständige Disziplin verstanden werden könne, und ob es wünschenswert wäre, die Festigung einer solchen Disziplin aktiv voranzutreiben oder nicht.20 Eine der wesentlichsten Herausforderungen einer entsprechenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung dürfte hier in der Klärung zentraler Begriffe bestehen.

Formen wissenschaftlicher Begriffsdefinitionen Besonders häufig wird der Terminus »interkulturelle Kommunikation« zwecks einer Begriffsdefinition zunächst als Compositum aus »inter«, »Kultur« und »Kommunikation« analytisch aufgetrennt. Die jeweiligen Autoren streben damit meist eine Reduzierung der Komplexität des imaginierten Phänomens an (Knapp 1998; Heringer 2004; Knapp 2004: 411-415; Bolten 2007a). Im folgenden Abschnitt wird aus dieser Komposition lediglich der Bestandteil des Begriffs »Kultur« herausgegriffen. Besondere Schwierigkeiten, die bei Definitionsversuchen des Begriffs »Kultur« auftreten können, lassen sich bereits durch einen Blick auf unterschiedliche Möglichkeiten der wissenschaftstheoretischen Begriffsdefinition erfassen. Hier liegen unterschiedliche argumentative Herangehensweisen vor, mit deren Hilfe Begriffe definiert werden können. Einen exemplarischen Überblick und eine entsprechende Interpretation der Genese des Kulturbegriffs geben die folgenden Abschnitte: Kulturbegriffe zwischen Nominal- und Realdefinitionen Eine ausführliche wissenschaftstheoretische Definition des Begriffs »Definition« liefert beispielsweise Gabriel (1995). Innerhalb der Definitionslehre zeigt er dabei Diskussionslinien und Streitpunkte auf, die deutlich machen, dass wissenschaftstheoretische Überlegungen zu Begriffsdefinitionen grundsätzlich auch argumentationstheore-

20 Vgl. beispielsweise die Beiträge der Tagung »Interkulturelle Kommunikation – Konturen einer wissenschaftlichen Disziplin« vom 12. bis 14. November 2004 am Institut für Interkulturelle Kommunikation an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Moosmüller 2007a).

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tisch beeinflusst sind. Logische Begründungen von Begriffen lassen sich demnach grundsätzlich auch argumentativ kritisieren. Exemplarisch für diese Schwierigkeiten argumentativer Begriffsbegründungen verweist Gabriel auf die aus seiner Sicht daher zwischenzeitlich kritisch gesehene Unterscheidung zwischen Nominal- und Realdefinitionen (Gabriel 1995: 440). In Nominaldefinitionen wird ein neuer Begriff aus der Zusammenstellung alter, bereits bekannter Begriffe gebildet. Bei einer Realdefinition dagegen wird ein Begriff beschrieben, indem er in seine Einzelmerkmale zerlegt wird. Angesichts dieser Unterscheidung dürften Versuche der Definition von »Kultur« innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften größtenteils unter die Kategorie der Realdefinitionen fallen, zumal Autoren und Leser sich des Phänomens der Kultur schließlich in der Regel bereits vertraut glauben werden. So finden sich in der Forschungsliteratur zur interkulturellen Kommunikation zahlreiche additive Definitionen von Kultur, in denen Bestandteile von Kultur wiederum analytisch aufgegliedert werden. So macht Posner (2003: 49) beispielsweise die Unterscheidung zwischen Artefakten und Mentefakten als Bestandteilen von Kultur für die Kultursemiotik fruchtbar, die er zuvor aus der Ethnologie von Clifford Geertz übernommen hat (Ertelt-Vieth 2005: 31). Darüber hinaus finden sich jedoch auch Annäherungen an den Kulturbegriff, die zumindest davon ausgehen, dass »Kultur« erst aufgrund des Zusammenspiels bestimmter einzelner Elemente zustande kommt. Aus konstruktivistischer Sicht steht Kultur demnach beispielsweise für das Zustandekommen der Ausnahmesituation gegenseitiger Verständigung (Schmidt 1994). Interpretative Ansätze, wie beispielsweise die Interpretative Soziolinguistik gehen auf dieser Basis davon aus, dass Kultur durch ein komplexes Zusammenspiel von Informationen und Weltwissen zustande kommt, das Interaktionspartner als Grundlage für die Interpretation ihrer Kommunikationen verwenden (Gumperz/Roberts 1991: 52). Kulturbegriffe zwischen Gebrauchs- und Identitätsdefinitionen Eine weitere Möglichkeit der Unterscheidung definitorischer Ansätze besteht Gabriel zufolge im Hinblick auf die Reichweite der Gültigkeit von Definitionen. Während Gebrauchs- oder Kontextdefinitionen einen Begriff nur in einer Form beschreiben, in der der Begriff in einem bestimmten, abgrenzbaren Kontext gebraucht wird, ermöglichen Identitätsdefinitionen eine Beschreibung des Begriffs ohne Rückgriffe auf singuläre Kontexte. Kulturbegriffe entpuppen sich häufig als Kontextdefinitionen. Kluxen (1997) beispielsweise liefert eine Definition, die eine argumentative Begründung von Kultur als Produkt des Christentums ermöglicht. Umgekehrt versuchen auch einige Autoren, universal gangbare und anwendbare Definitionen von Kultur zu etablieren. Etische Studien zur Beschreibung von Kultur müssen in der Regel von einem Kulturverständnis ausgehen, das Kulturen selbst übergeordnet ist. So geht beispielsweise Hofstede (1980) auf der Grundlage seiner Studie, davon aus, dass die von ihm herausgestellten Kulturdimensionen eine adäquate Beschreibung aller existierenden Kulturen möglich macht. Dieser Universalitätsanspruch hat Hofstede seither zahlreiche Kritiken eingebracht. Beispielsweise schlugen die Sprachwissenschaftler Marui und Reinelt (1985) die Hinzufügung einer fernöstlichen Dimension vor. Die Dimension der konfuzianischen Dynamik (The Chinese Culture Connection 1987) wurde sogar von Hofstede selbst als fünfte Kulturdimension anerkannt.

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Kulturbegriffe zwischen totalen und partiellen Definitionen Einschränkungen der Erklärungskraft einer Definition können sich Gabriel zufolge darüber hinaus dadurch ergeben, dass sich die beschriebenen Eigenschaften nur dann erkennen lassen, wenn bestimmte Vorbedingungen erfüllt sind. So sind beispielsweise nur bei einer totalen Definition Definiendum und Definiens vollständig äquivalent. Eine partielle Definition beschränkt sich dagegen auf die Beschreibung von Eigenschaften, die dann eintreten, wenn bestimmte Vorbedingungen erfüllt sind (Gabriel 1995: 443). Während Autoren im Forschungsgebiet interkultureller Kommunikation sicherlich grundsätzlich um die Herstellung totaler Definitionen bemüht sind, scheint der Begriff der »Kultur« doch auch in dieser Hinsicht einen Haken mit sich zu bringen: So scheint eine Auseinandersetzung mit »Kultur« doch nur dann eine Rolle zu spielen, wenn Angehörige zweier oder mehrerer »Kulturen« miteinander in Kontakt geraten. Andernfalls ließe sich Kultur gar nicht beschreiben. Sowohl emischen als auch etischen Kulturerfassungsansätzen21 liegt demnach meist eine perspektivische Betrachtungsweise zugrunde. So treten beispielsweise Hofstedes Kulturdimensionen nur dann zutage, wenn man eine der von Hofstede als solche eingegrenzte »Kultur« mit einer anderen im Hinblick auf ein bestimmtes Merkmal vergleicht. Auch auf emische Weise beschreibende kulturkontrastive Herangehensweisen, wie beispielsweise das Modell der Kulturstandards (Thomas 1991) oder das der Lakunen (ErteltVieth 2005) kommen nicht ohne eine kulturell verortete Beobachterperspektive aus.

Häufige Merkmale zeitgenössischer Definitionen von Kultur Betrachtet man Definitionen des Kulturbegriffs in der zeitgenössischen Literatur zur interkulturellen Kommunikation, so fallen einige besonders häufig verwendete Merkmale ins Auge: Kultur wird vielfach unter Zuhilfenahme einer Metapher oder eines Vergleichs definiert. Als prominentestes Beispiel mag auch hier Geert Hofstede dienen, der Kultur als mentale Software (»mental programming«, Hofstede 1980: 14) veranschaulicht. Geläufig und theoretisch unterfüttert sind darüber hinaus beispielsweise die Metaphern von Kultur als Text (Bachmann-Medick 1996), Kultur als Kommunikation (Hall 1992) und Kultur als Praxis (Hörning/Reuter 2004).22 Demgegenüber finden sich in der Literatur auch funktional orientierte Definitionen, die Kultur anhand dessen beschreiben, was durch sie geleistet wird. Besonders häufig findet sich hier die Funktion von Kultur als Stifter von Orientierung, wie beispielsweise im Rahmen der sozialpsychologischen Theorie der Kulturstandards nach Thomas (2004a), aber auch im Rahmen phänomenologisch fundierter Verstehenstheorien wie dem Ansatz von Berger und Luckmann (1999 [1969]).

21 Für eine Differenzierung und Zuordnung emischer vs. etischer Forschungsperspektiven auf Aspekte interkultureller Kommunikation vgl. Gudykunst (2000: 293f) und Köppel (2002: 32). 22 Für eine entsprechende Systematisierung von Kulturmetaphern vgl. auch Bond, Zegarac und Spencer-Oatey (2000).

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Nicht zuletzt kann Kultur auch durch die Nennung eines durch sie erbrachten Resultats definiert werden. So kann beispielsweise gesagt werden, dass Kultur dann entsteht, wenn innerhalb einer Gruppe implizit Konventionen habitualisiert werden. Für die Sprachwissenschaften beschreiben beispielsweise Vertreter der interaktionalen Linguistik das Zustandekommen kommunikativer Konventionen (Gumperz 1978; Auer 1992).

Unterschiedliche Reichweiten und Zielstellungen von Kulturdefinitionen Definitionen des Kulturbegriffs innerhalb der Forschungsliteratur zur interkulturellen Kommunikation zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Reichweiten aus. Diese Reichweiten stehen in der Regel im Einklang mit den Anforderungen und Zielstellungen an die Definition, die sich aus dem jeweiligen Anwendungskontext heraus ergeben. Unterschieden werden kann zwischen den Extrempolen von Definitionen, deren Gültigkeit eine nur sehr geringe Reichweite hat, gegenüber Definitionen, deren Gültigkeit besonders weitreichend ist. Definitionen mit niedriger Reichweite kommen häufig zustande, wenn eine Beschreibung der Aspekte von Kultur versucht wird, die in einer gegebenen Situation bestmöglich sichtbar sind oder deren Funktion die Situation auf besondere Weise bestimmt. Definitionen mit niedriger Erklärungsreichweite liefern daher meist für die jeweilige Situation besonders präzise und treffende Erklärungen. Von besonderem Vorteil ist diese Eigenschaft beispielsweise bei der Entwicklung interkultureller Bildungsmaßnahmen. Definitionen von Kultur sollen hier nicht mehr als Arbeitsgrundlage für weiterführende Forschungen dienen, sondern sie sollen Nicht-Fachleute an die gedankliche Erfassung dessen, was in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation bearbeitet wird, heranführen und für die Existenz dieses Phänomens überhaupt erst sensibilisieren.23 Dafür jedoch erweisen sich Kulturdefinitionen mit einer solchen geringen Reichweite häufig als zeitlich und räumlich begrenzt, sie scheinen also nicht ohne weiteres universell und weltweit in jedem Kontext einsetzbar und erklärend zu sein. Beispiele für derartige Kulturkonzepte finden sich vielfach in zielkulturspezifischen Anleitungen für die interkulturelle Wirtschaftskommunikation (z.B. Schroll-Machl/Novy 2002), doch auch die ethnologische Empirie führt vielfach zu sehr singulären Kulturkonzepten (Geertz 1987b). Dennoch müssen auch Autoren dieser singulär fokussierten Ansätze in ihrem Erklärungsanspruch für eine Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen konkurrierender Ansätze einstehen können. Kulturdefinitionen mit einer hohen Erklärungsreichweite zeichnen sich demgegenüber durch eine weitestmögliche universelle Gültigkeit aus. Auch daraus ergibt sich insbesondere für die interkulturelle Forschung ein unschlagbarer Vorteil. So

23 Vgl. beispielsweise das in der Didaktik häufig verwendete Eisbergmodell, das auf die Publikationen von Selfridge und Sokolik (1975), French, Bell und Zawacki (1978) sowie Mytrof und Kilman (1990) zurückgeht. Auch das Zwiebelmodell zur Beschreibung der Beschaffenheit von Kulturen wird vielfach zu didaktischen Zwecken herangezogen, so beispielsweise bei Trompenaars und Hampden-Turner (1997: 6) und Hofstede (2005: 7).

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wird häufig argumentiert, dass eine Erforschung interkultureller Kommunikation nur dann halbwegs realitätenadäquat erfolgen könne, wenn Forscher auf einer internationalen, möglichst weltweiten Ebene darüber miteinander in einen Dialog treten.24 Dennoch gestaltet sich der Zugang zu einer solchen Ebene des gleichberechtigten interkulturellen Dialogs erfahrungsgemäß schwierig. Zahlreiche Forscher halten einen solchen Zugang sogar für völlig unmöglich, da wir unserer eigenkulturellen Perspektive grundsätzlich verhaftet bleiben müssen und wir diese Perspektive auf keine Weise transzendieren können. Die Möglichkeit eines gleichberechtigten Dialogs wird insbesondere von Vertretern der Cultural Studies angesichts des Hintergrunds kolonialistischer Vergangenheiten größtenteils angezweifelt (Bromley 1999: 22).

Zirkuläre Aspekte in Definitionen interkultureller Kommunikation Über die genannten Schwierigkeiten hinaus gestalten sich Definitionen interkultureller Kommunikation und Kompetenz häufig nicht zuletzt deshalb schwierig, weil sie als eigenkulturelle Konstrukte angesehen werden müssen. Einem großen Teil der Fremdheitsforschung mangelt es Höhne (1998) zufolge dennoch an dieser Einsicht. Anstatt Fremdheit als Produkt wissenschaftlicher Diskurse zu betrachten, wird sie immer wieder als bereits vorher existent angenommen. Auf diese Weise rekurrieren die Fremdheitswissenschaften im Grunde immer wieder auf sich selbst und können sich nicht transzendieren. Der Gegenstand interkultureller Kommunikation kann als gesellschaftlich bedingt und konstruiert erachtet werden. Matthes (1985) reflektiert schon sehr früh die Implikationen und Konsequenzen dieser gesellschaftlichen Bedingtheit interkultureller Kommunikation für die Durchführbarkeit qualitativer Sozialforschung. Für Matthes bedeutet dies, dass die qualitative Forschung konsequent und in einheitlichem Maße versuchen muss, das anthropologische Fremdheitspostulat des Forschers gegenüber seinen Forschungssubjekten umzusetzen. Es gilt demnach, sowohl gegenüber eigenkulturellen Forschungssubjekten eine Distanz aufzubauen, die Reflektion und Interpretation ermöglicht, also auch gegenüber fremdkulturellen Forschungssubjekten ebendiese Distanz zu wahren, wenngleich Fremdkulturalität nach westlichem Kulturverständnis eigentlich immer sogleich zu einem das Fremde einverleibenden Verstehensprozess auffordert. Der Umgang mit Kulturalität und interkultureller Kommunikation kann als kulturalisierter Aspekt einzelner Zivilgesellschaften verstanden werden (Kubik 2005). So geht beispielsweise Schiffauer (1997) davon aus, dass Migranten für die bundesdeutsche Gesellschaft vor allem deshalb ein Problem darstellen, weil das spezifische, der Gesellschaft zugrunde liegende Konzept von Zivilgesellschaft den Umgang mit Migranten bereits als problematisch konstruiert. Schiffauer vergleicht die zivilgesellschaftlichen Strukturen mehrerer europäischer Staaten miteinander und zeigt, dass der Umgang mit Migranten davon abhängig jeweils unterschiedlich ausfällt

24 Für eine Problematisierung dieses Desiderats vgl. die Beiträge in Brocker und Nau (1997), für einen Versuch der Umsetzung und Bereitstellung eines derartigen Dialogforums vgl. die Beiträge in Deardorff (2009).

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(Schiffauer 1997: 35ff). Einen ähnlichen Vergleich für die Zivilgesellschaften Kanadas, Frankreichs und Deutschland liefert Hejazi (2009). Komplementär zur Zivilgesellschaft, deren Strukturen und Selbstverständnisse sich offenbar von Land zu Land unterscheiden, verfolgen Staaten auch unterschiedlich ausgerichtete Kulturpolitiken. Einblicke in unterschiedliche nationale Kulturpolitiken, deren Umgang mit Minderheiten sowie Zusammenhänge mit den jeweiligen zivilgesellschaftlichen Grundlagen diskutieren auch die Beiträge in Grosfoguel und Mielants (2006). Wenn sich die Konzeption von interkultureller Kommunikation vor dem Hintergrund der genannten Studien in der Tat als Produkt innergesellschaftlicher Entwicklungen herausstellt, dann müssten diese Konstellationen auch in Einzelfallstudien und einer emischen Herangehensweise untersucht werden. Herkömmliche, eurozentrisch geprägte Verständnisse von Kultur dagegen wären zurückzustellen zugunsten einer Suche nach innergesellschaftlichen Konzeptionen des Umgangs mit Anderen. Entsprechend müsste hinterfragt werden, ob und welches Verständnis soziale Gruppen, die aus westlicher Sicht als fremde Kulturen bezeichnet werden, ebenfalls über Konzepte verfügen, die dem westlichen Kulturkonzept vergleichbar sind. Hier wäre zu beschreiben, inwieweit es Gemeinsamkeiten und Abweichungen gibt, bzw. inwiefern eventuell alternative Begriffe und Konzepte eine vergleichbare Funktion übernehmen. Ein solcher Kulturvergleich gestaltet sich aufgrund hegemonialer diskursiver Verflechtungen grundsätzlich schwierig (Straub/Shimada 1999). Versuche der kulturimmanenten Beschreibung kulturbildender Begriffe liegen bereits zu benachbarten Themenbereichen vor. So legen Rüsen und Laass (2009) eine Sammlung kulturell unterschiedlicher Annäherungen an den Begriff des Humanismus vor. Deardorff (2009) lässt Vertreter unterschiedlicher Kulturen bei der Konzeption von Begriffen interkultureller Kompetenz zu Wort kommen. Als Einzelleistung zeichnet Derrida (1992) Konstruktionen eines Weltverständnisses auf der Grundlage eines eurozentrischen Paradigmas nach. Zusammenfassend kann mit Höhne (1998) festgehalten werden, dass die nationalen Partikularitäten im Umgang mit Interkulturalität als Hinweise auf deren diskursive Konstruktion gelten dürfen: Wie Fremdheit und der Umgang mit Fremdheit definiert wird, ist demnach das Produkt eines (nationen-)internen Selbstklärungsprozesses. Entsprechend ist es nicht überraschend, sondern vielmehr erwartbar, dass unterschiedliche Gesellschaften über unterschiedliche Umgangsformen mit Interkulturalität verfügen.25

R ETTUNG

DANK

D ISKURSANALYSE ?

Die vorangegangenen Abschnitte haben unterschiedliche Facetten der Problematik aufgezeigt, aufgrund der interkulturelle Kommunikation als Forschungsfach davon

25 »Jede ›nationale Gesellschaft‹ hat entsprechend der historischen Entwicklung einen bestimmten Modus im Umgang mit Fremden (MigrantInnen, Flüchtlingen, nichtStaatsbürgern) entwickelt. Dies betrifft alle sozial denkbaren Bereiche wie Bildung, Erwerb der Staatsbürgerschaft, rechtliche Be(nach)teiligung und ›Sondergesetze‹ für Fremde, mediale Bilder, das Reden über Fremde in Politik, Wirtschaft, usw.« (Höhne 1998).

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abgehalten wird, unmittelbare Wissenstransferleistungen in die Praxis produzieren zu können. Insbesondere die eigenkulturelle Verankerung des Fachs und seiner Autoren erschweren eine Transzendierung des Forscherblicks auf eine den Kulturen übergeordnete Ebene. Zugleich produzieren Gesellschaften außerhalb ihrer Wissenschaften permanent Aussagen über Beschaffenheiten, die Rolle und den Einfluss von Kultur. Interkulturelle Kommunikation wird demnach als Thema von den unterschiedlichsten Bereichen einer Gesellschaft, von ihren Medien und ihrer Politik permanent behandelt und besprochen. Aus diesem Diskurszusammenhang kann sich eine Forschung zur interkulturellen Kommunikation kaum emanzipieren. Grundsätzlich muss angenommen werden, dass es sich bei der Thematik interkultureller Kommunikation um einen Gegenstand handelt, dessen Relevanz aus der Sicht westlicher Autoren auch nur für westliche Gesellschaften letztendlich geklärt und festgestellt werden kann. Diese Einschränkung wird jedoch in der Literatur des Fachs allzu oft vernachlässigt: Eine Transzendierung eigenkultureller Kontexte wird angenommen, jedoch nicht vollzogen. In der Folge transportieren Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation häufig eigenkulturelle Normorientierungen, die jedoch an anderer Stelle unter Umständen nicht mehr passen, bzw. deren Passung in der Literatur nicht mehr überprüft wird, so dass die Aussagekraft der Forschungsarbeiten zum Gegenstand interkultureller Kommunikation deutlich geschmälert wird. Diese entscheidende Vernachlässigung der Präzisierung und der Identifizierung des eigenen Forschungsgegenstands interkultureller Kommunikation kann die Gefahr bergen, dass das Fach mittelfristig keine Antworten an die Gesellschaft mehr produzieren kann, mit deren Hilfe gesellschaftsrelevante Fragen treffend bearbeitet werden können.

Forschungsüberblicke als Transzendierungsversuche Mit Hilfe von Überblickswerken haben bislang bereits zahlreiche Autoren versucht, Funktionsweisen und Strukturen innerhalb des Forschungsgegenstands interkultureller Kommunikation aufzuzeigen. Systematisierungen und Kategorisierungen können dabei dazu beitragen, wissenschafts- und fachinterne Strukturen, Mechanismen und Interdependenzen zu identifizieren und aufzuzeigen, die neben der gesellschaftlichen Realitätserfahrung wesentlich zur Formung des wissenschaftlichen Fachs beitragen, wie es aufgrund der zeitgenössischen Literaturlage wahrgenommen wird. Gibt es ein interkulturelles Paradigma? Haas (2009) analysiert in ihrer Dissertation auf historiographische Weise insbesondere die deutschsprachige Forschung zur interkulturellen Kommunikation, die sie unter dem Begriff des interkulturellen Paradigmas subsumiert. Haas selbst definiert dabei den Begriff selbst nicht genauer (Haas 2009: 12), übernimmt ihn jedoch offenbar von Hansen (2007).26 Grundsätzlich versteht Haas unter dem interkulturellen Paradigma

26 Stang (2010) legt eine überwiegend bestätigende Rezension zu Haas (2009) vor. An dieser Stelle sollen darüber hinaus der Ertrag der Arbeit von Haas zu einer Transzendierung zeit-

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offenbar eine Reihe gemeinsamer Grundannahmen, die Forschungsarbeiten unterschiedlicher Disziplinen zugrunde liegen: »Interkulturalitätsforscher unterschiedlicher fachlicher Provenienz benutzen zwar verschiedene Werkzeuge, teilen sich jedoch einen Gegenstandsbereich und eine ihn definierende Theorie. Gegenstand der Interkulturellen Kommunikation sind Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Kollektive, die aus der Sicht einer bestimmten Kulturtheorie betrachtet werden. Nach Maßgabe dieser Theorie sind ethnische Kollektive – Stämme, Völker und Nationen – abgrenzbare, homogene, kohärente und stabile Einheiten, die das Denken und Handeln ihrer Mitglieder nachhaltig prägen. Diese Prämisse liegt all den linguistischen, ethnologischen, psychologischen oder ökonomischen Studien zugrunde, die dadurch zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Das interkulturelle Paradigma wurde bislang nur deshalb nicht klar herausgearbeitet, weil die Vielfalt der Ansätze den Blick auf den gemeinsamen Kern verschleierte« (Haas 2009: 12).

Hier zieht Haas einen sehr engen Kreis, denn gemäß dieser Eingrenzung zeichnet sich Forschung zur interkulturellen Kommunikation dadurch aus, dass sie den Einfluss von Kultur auf soziales Handeln grundsätzlich im Sinne eines essentialistischen und statischen Kulturbegriffs konzipiert. In allen von Haas genannten Disziplinen sind jedoch im Grunde seit gut über 20 Jahren auch zahlreiche Studien zu finden, die von einem interaktionstheoretischen oder konstruktivistischen Kulturverständnis ausgehen.27 Aus dieser Sicht wird angenommen, dass Kultur und ihr Einfluss in einer Situation nicht a priori existent sind, sondern dass sie grundsätzlich erst in der Interaktion selbst konstruiert werden. Angesichts der Ausgangshypothese von Haas müsste demnach angenommen werden, dass sie interaktionstheoretische Ansätze aus ihrem sehr eng definierten Forschungsfeld ausschließt oder dass sie auch den Autoren interaktionstheoretischer Arbeiten die insgeheime Pflege kulturessentialistischer Ansichten unterstellt. Für letzteres spräche die Tatsache, dass Haas in ihrer Studie ausführlich Autoren wie Hansen (2000b) und Bolten (2007a) referiert und sie somit unter das von ihr eingegrenzte interkulturelle Paradigma fasst, obwohl beide Autoren unbestritten interaktionstheoretische, bzw. konstruktivistische Ansätze verfolgen. Auch die Annahme durchweg ähnlicher Forschungsergebnisse überrascht angesichts einzelner Studien, die interkulturelle Kommunikation entweder als Verursacher von Konflikten (Knapp 1998) oder aber als Quelle von Synergien (Koole/ten Thije 1994) erfassen. Die Orientierung an einem essentialistischen und deterministischen Kulturverständnis werfen Autoren unterschiedlicher Disziplinen dem Forschungsgebiet interkultureller Kommunikation immer wieder vor und unterstellen ihm damit eine Ignoranz gegenwärtiger Erkenntnisse aus der Kulturforschung. Argumentativ wird Autoren, die sich mit interkultureller Kommunikation beschäftigen, auf diese Weise die Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit abgesprochen. Autoren aus dem Bereich der inter-

genössischer Perspektiven auf interkulturelle Kommunikation sowie ihre eigenen, theoriegeleiteten Begrenzungen herausgearbeitet werden. 27 Vgl. exemplarisch für die Linguistik Hinnenkamp (1989), für die Ethnologie Baumann (1996) und für die Psychologie Thomas (2004b).

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kulturellen Forschung haben in vielen Fällen nachweisen können, dass die jeweilige Kritik in der Regel zu kurz gefasst ist und Kritiker insbesondere aktuellere Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation, die an zeitgenössische Kulturtheorien anschließen konnten, meist schlicht ignorieren.28 Ein wesentlicher Verdienst der Arbeit von Haas besteht zweifelsohne in der sorgfältig recherchierten historiographischen Nachzeichnung von Wurzeln und Ursprüngen einer anwendungsorientierten Erforschung interkultureller Kommunikation. Aus der Sicht von Haas verorteten zahlreiche Forscher die Ursprünge fälschlicherweise in den Arbeiten Halls nach dem Zweiten Weltkrieg (Hall 1955). Stattdessen arbeitet Haas ausführlich heraus, was Moosmüller (2004: 51) zunächst angerissen und später detaillierter angesprochen hat (Moosmüller 2007b: 26ff): Mit Moosmüller sieht Haas frühere Ursprünge interkultureller Forschung in der US-amerikanischen Culture and Personality School der 1930er Jahre, in deren Rahmen Autoren wie Benedict (1934) und Mead (Mead/Morris 1934) davon ausgingen, dass Kulturen Individuen hervorbringen, die sich durch gemeinsame, psychologisch beschreibbare Charakterzüge auszeichneten. Zusätzlichen Aufwind erfuhr diese forscherische Vorgehensweise zu damaliger Zeit durch Auftragsforschungen des US-amerikanischen Militärs, die im Rahmen des Zweiten Weltkriegs von Ethnologen Beschreibungen kultureller Eigenschaften befeindeter Nationen erfragten. Zu nachhaltiger Bekanntheit brachten es hier beispielsweise Arbeiten von Benedict über Japan (Benedict 1946) und Mead über Russland (Mead 1951). Den Hintergrund dieser Anstrengungen bildete dabei die Annahme, das militärische Feinde dann leichter besiegt werden könnten, wenn das US-amerikanische Militär die kulturellen Eigenheiten des Feindes kannte. Während Moosmüller (2004: 47) zufolge die ethnologische Forschung diesen Missbrauch ihrer Ergebnisse nach dem Zweiten Weltkrieg zum Anlass nahm, sich von einer zu unmittelbaren Anwendungsorientierung ihrer Forschung loszulösen und sich der Entwicklung differenzierter Kulturverständnisse zu widmen, folgert Haas, dass die Forschung zur interkulturellen Kommunikation aus dem Zusammenspiel eines theoriebasierten, einfach zu umreißenden Kulturbegriffs und einem klar benennbaren Anwenderinteresse ein bis heute tragendes Fundament bezogen habe.29 Gepaart werden damit Haas zufolge eine primäre Praxisorientierung (Haas 2009: 37ff) mit einer permanenten Komplexitätsreduktion, die dem schnellen Handlungsbedarf der Praxisorientierung geschuldet ist (Haas 2009: 41ff). Damit einher geht eine Versteifung auf die Betrachtung homogener Nationalkollektive (Haas 2009: 43ff) sowie auf ein Verständnis von Kulturen als psychologisch beschreibbare Charaktere und Werte (Haas 2009: 47ff). Die psychologischen Einflüsse auf die Culture and Personality School in den 1930er Jahren trugen Haas zufolge darüber hinaus zu einem noch lange Zeit akzeptierten Kindheitsdeterminismus (Haas 2009: 49) bei, nach dem Kulturen ihre jeweiligen Ausprägungen dadurch beibehielten, dass Kinder in ihnen auf eine bestimmte kulturell geprägte Weise erzogen wurden.

28 So erwidert beispielsweise Moosmüller (2004: 53) die Kritik von Dahlén (1997), Thomas (2002) antwortet auf die Kritik von Breidenbach und Nyírí (2001). 29 »Die aktuelle Kulturwissenschaft spricht kaum mehr von Nationalcharakteren. Implizit kommen die Konzepte der 1930er und 1940er Jahre jedoch noch immer zum Einsatz« (Haas 2009: 37).

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In einer Betrachtung der ihr zeitgenössischen Forschungslandschaft zur interkulturellen Kommunikation weist Haas nach, dass die von ihr bereits für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts konstatierten Paradigmeneigenschaften auch weiterhin deutlich erkennbar sind (Haas 2009: 98ff). Ein besonderes Verdienst der von Haas vorgeschlagenen diachronen Nachzeichnung der Entwicklung einer Forschung zur interkulturellen Kommunikation besteht jedoch auch darin, dass neben den teilweise recht pauschalisierenden Konstanten auch Tendenzen des Wandels und der Veränderung aufgedeckt werden können. Sicherlich ebenfalls zugunsten einer auf diese Weise hergestellten Übersichtlichkeit stellt Haas beispielsweise heraus, dass die Forschung zur interkulturellen Kommunikation auf der Grundlage des nach dem Zweiten Weltkriegs etablierten Paradigmas in den 1960er und 1970er insbesondere von den Sprachwissenschaften aufgegriffen und fortgeführt wurde. Während die Forschung zur interkulturellen Kommunikation im angelsächsischen Raum mittelfristig und beinahe flächendeckend unter der Disziplin der Speech Communication eingeordnet wurde (Haas 2009: 64), nahmen sich im deutschsprachigen Raum darauf aufbauend unterschiedliche linguistische Teilbereiche, wie die kontrastive Pragmatik, die interpretative Soziolinguistik, die interkulturelle Wirtschaftskommunikation sowie die Fremdsprachendidaktik einer Erforschung interkultureller Kommunikation, primär unter dem von Haas skizzierten statischen Kulturparadigma, an (Haas 2009: 67ff). Im Gegensatz zu dieser Festschreibung interkultureller Forschung auf die Linguistik im deutschsprachigen Raum weist Haas darauf hin, dass im angelsächsischen Raum in den vergangenen 20 Jahren die Psychologie, insbesondere kulturvergleichende Ansätze der Sozialpsychologie, eine quantitative Vormachtstellung etabliert und ausgebaut haben. So verweist Haas unter Berufung auf eine bibliometrische Studie von Hart (1999) darauf, dass beispielsweise das von der International Academy for Intercultural Research (IAIR) herausgegebene International Journal for Intercultural Relations (IJIR) größtenteils von Beiträgen aus der Psychologie genährt wird (Haas 2009: 82). Die kulturvergleichende Psychologie unterscheidet sich Haas zufolge gegenüber der interkulturell informierten Linguistik jedoch diametral in ihren Forschungsinteressen: Während die sprachwissenschaftlichen Ansätze primär darauf abzielten, kulturelle Unterschiede und deren Auswirkungen auf die sprachliche Interaktion herauszuarbeiten, suchten Psychologen vielmehr nach Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen, die es ihnen ermöglichen sollten, Messinstrumente aus der Psychologie kulturübergreifend anwenden zu können (Haas 2009: 82). Haas deutet auf diese Weise an, dass sich die angelsächsische Forschung zur interkulturellen Kommunikation gegenüber ihrem deutschsprachigen Pendant bereits aufgrund ihrer disziplinengeleiteten Entstehungsgeschichte grundlegend unterscheiden könnte: Zu vermuten ist demnach, dass angelsächsischen Ansätzen eine höhere Präferenz zu kulturuniversalen Haltungen unterstellt werden kann, während sich deutschsprachige Arbeiten eher in die Richtung einer kulturrelativistischen Haltung orientierten. Wesentlich an dieser Annahme ist dabei, dass diese unterschiedlichen Einschätzungen der Auswirkung von Kultur auf soziale Interaktion ausschließlich aus der Entwicklung von Theorien, nicht aber aus Einschätzungen empirischer Beobachtungen resultieren. Die Einfassung interkultureller Kommunikation seitens der Forschung in ein vergleichsweise konstantes Paradigma kann Haas zufolge dazu führen, dass die interkulturelle Forschung dem ursprünglich an sie herangetragenen Anwenderinteresse nicht

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mehr gerecht werden kann, da sie die empirische Alltagswelt nicht mehr offen genug beobachten kann. Um eine Möglichkeit zur Überwindung dieser historisch gewachsenen Schranken im Bereich der Theorie entwickeln zu können, schert Haas abschließend in den von Hansen (2000a: 299) entwickelten Ansatz der Kollektivitäten ein. Während Haas auf diese Weise sicherlich neue und innovative Einblicke in soziale Interaktionen ermöglicht, so bleiben angesichts ihres Lösungsvorschlags jedoch auch einige Fragen weiterhin offen. Mit dem Begriff der Kollektivitäten substituieren nicht erst Haas, sondern vor ihr auch bereits Hansen den von ihnen bis dato als vorherrschend festgestellten Kulturbegriff. Eine besondere Stärke des Kollektivitätsbegriffs besteht dabei darin, dass er auf eine Weise konstruiert ist, mit der er den argumentativen Vorwürfen gegenüber dem früheren Kulturbegriff (Essentialistik, Statik) bestmöglich aus dem Weg gehen kann. Problematisch erscheint angesichts dieser Substitution jedoch die Tatsache, dass sie die Relevanz früherer Auseinandersetzungen mit Kultur und dem Einfluss von Kultur auf soziales Handeln negieren oder zumindest vernachlässigen. Offen bleibt angesichts dieses Ansatzes vor allem die Frage danach, wie die hohe Relevanz erklärt werden kann, die dem Kulturbegriff sowohl von westlichen Gesellschaften als auch von der Forschung bis dato entgegengebracht worden ist – zumal dem Begriff nun eine Unangemessenheit unterstellt werden soll. Wenn das in der vorliegenden Studie bereits skizzierte Dilemma der interkulturellen Forschung überwunden werden soll, dann mögen sicherlich eine erneute Präzisierung und eventuell auch eine Neupositionierung des Kulturbegriffs erforderlich werden. Einem Anwenderinteresse kann jedoch nur dann Genüge getan werden, wenn die von der Gesellschaft betonte Relevanz von Kultur auch anerkannt wird. Im Folgenden sollen weitere Transzendierungsversuche vorgestellt werden, die auf Systematisierungen bisheriger Forschung aufbauen. Abschließend soll dabei für eine diskurstheoretisch informierte Metaperspektive plädiert werden. Versperrt das Denken in Paradigmen den Weg? Bernstein (2010) knüpft in seinen Überlegungen mittelbar an die Bearbeitung der Erforschung interkultureller Kommunikation als einem Paradigma an und problematisiert diese Herangehensweise: Ihmzufolge ist die weit verbreitete Verwendung des Begriffs der Paradigmen in den Wissenschaften und in der Alltagswelt größtenteils auf seine Einführung durch Kuhn (2001 [1969]) zurückzuführen. Bernstein zufolge konzipiert Kuhn den Begriff der wissenschaftlichen Paradigmen auf eine sehr ausschließende Weise: Vertreter unterschiedlicher Paradigmen könnten einander weder in den Wissenschaften noch in der Alltagswelt überhaupt verständigen. Aufgrund ihrer vollkommen unterschiedlichen Denkweisen würden sie selbst bei einer Betrachtung desselben Gegenstands aus derselben Perspektive völlig unterschiedliche Dinge sehen. Ihre Weltsichten seien demnach grundsätzlich unvereinbar, ließen keinerlei Anknüpfungspunkte zu und würden es den beteiligten Personen auch nicht erlauben, nach Anschlussmöglichkeiten zu suchen (Bernstein 2010: 382). Bernstein kritisiert die Ausschließlichkeit, mit der Kuhn das Verhältnis unterschiedlicher Paradigmen zueinander charakterisiert. Mit Rorty und Gadamer argumentiert Bernstein aus einer hermeneutischen Sicht, dass Anschlussmöglichkeiten zwischen Paradigmen grundsätzlich gefunden werden könnten, so dass eine Zugäng-

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lichkeit jederzeit sichergestellt sei. Abhängig sei diese gegenseitige Eröffnung jedoch von der entsprechenden Bereitschaft der beteiligten Personen. Bernstein hält demnach eine Trennung wissenschaftlicher Disziplinen im Sinne von Paradigmen für inadäquat. Insbesondere die zeitlich langfristige Prozessualität wissenschaftlicher Entwicklungen ermöglicht grundsätzliche die parallele Betrachtung und den Vergleich zweier Ansätze. Die interkulturelle Forschung kann in ihrer Entwicklung ebenfalls in diesem Sinne Bernsteins gedeutet werden: Auch hier lässt sich eine langsame und allmähliche gegenseitige Ablösung theoretischer Prämissen beobachten, die in den unterschiedlichen Anwendungsfeldern interkultureller Forschung darüber hinaus mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollzogen wird. Demnach kann zu beinahe jedem Zeitpunkt das parallele Erscheinen unterschiedlicher und auch gegensätzlicher paradigmatisch geleiteter Forschungsarbeiten beobachtet werden. Für den außenstehenden Kulturwissenschaftler mag ein besonders Charakteristikum der Forschung zur interkulturellen Kommunikation gerade darin liegen, dass die Verwendung essentialistischer und statischer Kulturkonzepte von einigen Anwendungsfeldern weiterhin als sinnvoll erachtet wird, während Kulturtheoretiker parallel und scheinbar unbeachtet die Adäquatheit dieser Ansätze zugunsten konstruktivistischer Sichtweisen kritisieren. Aus dieser Sicht schiene es angemessen, gerade diese Parallelität widerstreitender Ansätze zum zentralen Gegenstand der jeweiligen Forschungsdisziplin zu machen, aus deren Diskussion die Disziplin dann letztlich ihre akademische Qualität beziehen kann. Sind Turns die weicheren Paradigmenwechsel? Bachmann-Medick sieht in der Bezeichnung der turns, die sich in den Kulturwissenschaften zur Kartographierung von Wenden im theoretischen Denken etabliert hat, ein angemesseneres und weniger ausschließendes Modell akademischen Wandels. Bachmann-Medick geht dabei davon aus, dass auf einen linguistic turn ein cultural turn folgte, der – und daran orientierte Bachmann-Medick die Gliederung ihrer Monographie – zahlreiche untergeordnete turns in den Sozialwissenschaften mit sich bringt (Bachmann-Medick 2006: 7ff), wie beispielsweise den interpretive turn, den performative turn, den reflexive turn, den translational turn, den spatial turn sowie den iconic turn. So wird unter dem linguistic turn meist die Semiotisierung der Sprachwissenschaften durch de Saussure ([2001] 1916) verstanden, dessen Gedanken später in die Begründung einer Kulturphilosophie (Cassirer 1992 [1947]) zur Grundlage dienten. Kultur konnte seither als Prozess der permanenten Interpretation von Kommunikationen verstanden werden. Im Gegensatz zu Kuhns Paradigmen vollziehe sich der Wandel durch turns Bachmann-Medick zufolge quer durch viele oder sogar alle Disziplinen. Gerade die interdisziplinären Kulturwissenschaften seien dabei durch eine permanente Parallelität unterschiedlicher und miteinander wettstreitender Theorien gekennzeichnet (Bachmann-Medick 2006: 16f). Interkulturelle Kommunikation stellt Bachmann-Medick zufolge einen Gegenstand dar, der erst durch die Aufeinanderfolge und das parallele Erscheinen der dargestellten turns durch eine neu hergestellte Interdisziplinarität in den Kulturwissen-

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schaften angemessen bearbeitet und kritisch befragt werden kann.30 Einen Dreh- und Angelpunkt im Einsetzen der miteinander konkurrierenden turns in den Kulturwissenschaften sieht Bachmann-Medick in einer Neuorientierung und in einer erneuten Diskussion des Kulturbegriffs selbst: »Am deutlichsten zeigt sich jedoch die Wirkungskraft der turns an der Profilierung des Kulturbegriffs selbst. Immerhin kann eine Hauptachse für einen durchgreifenden Wandel des Kulturverständnisses ausgemacht werden: Sie lässt das ganzheitlich orientierte Kulturverständnis – das ausgehend von der viel zitierten Kulturdefinition Edward B Tylors durchaus (1871) noch hineinwirkt in den interpretive turn – übergehen in weitere performanz- und praxisorientierte ethnologische Kulturbegriffe und markiert schließlich ein differenzbetontes Kulturverständnis, wie es spätestens seit dem postcolonial turn die Kulturwissenschaften prägt« (BachmannMedick 2006: 45f).

Einerseits kann demnach die vorliegende Vielzahl und Diversität theoretischer Herangehensweisen an den Forschungsgegenstand interkultureller Kommunikation als fruchtbringend, produktiv und als Ergebnis der genannten Wandlungsprozesse im Bereich kulturwissenschaftlicher Theorien gesehen werden. Andererseits scheint das hier von Bachmann-Medick als zu ihrer Zeit aktuellste Stadium einer Präferenz für differenzbetonte Kulturverständnisse dabei den Stand der Forschung zur interkulturellen Kommunikation zu markieren, dessen Aussagekraft in den vorangegangenen Abschnitten bereits kritisch betrachtet worden ist (vgl. die Kritik an Pütz 2004). Eine ausführliche und explizite Systematisierung und Diskussion von Forschungsansätzen zur interkulturellen Kommunikation entlang kulturwissenschaftlicher turns steht jedoch nach Kenntnis des Autors bislang noch aus und soll an dieser Stelle zumindest ansatzweise versucht werden. Bachmann-Medick argumentiert später, nachdem sie sich bereits zuvor für die Metapher der Kultur als Text (Bachmann-Medick 1996) stark gemacht hatte, für die Adäquatheit der Metapher von Kultur als Übersetzung, die sich in der Praxis der kulturellen Übersetzung niederschlägt (Bachmann-Medick 2008: 144). Die Metaphorisierung des Kulturbegriffs und die Grenzen seiner Beschreibungsadäquatheit sind bereits in den vorangegangenen Abschnitten der vorliegenden Studie diskutiert worden: Durch sie mag sich zwar aus Sicht des Beobachters eine vergleichsweise hohe Passung des Begriffs auf das Beobachtete ergeben. Eine möglichst hohe Relevanz für das Handeln der beobachteten Akteure kann jedoch auf diese Weise nicht abgesichert werden.

30 »Auch wenn manche dieser Richtungswechsel schon in den 1970er oder 1980er Jahren aufgekommen sind, wird erst jetzt entdeckt, wie vielseitig man mit ihnen arbeiten kann und wie mit ihrer Hilfe auch die Kulturwissenschaften in den Stand gesetzt werden, Probleme der heutigen, globalisierten Welt zu bewältigen. Wichtige Grundbegriffe und Ansätze, die in der Soziologie, Politologie, Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft, Ethnologie von Hause aus verwendet werden, sind in diesem neuen Kontext kulturwissenschaftlich oder kulturanthropologisch differenziert, ja in Frage gestellt worden: Kultur, Identität, Text, Autorität, Übersetzung, Fremdheit, Andersheit, Repräsentation, Selbst- und Fremdverstehen (Kulturverstehen), Interkulturalität, dichotomische Denkweisen« (BachmannMedick 2006: 45).

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Eine beobachterzentrierte Theoretisierung scheint dem Verständnis wissenschaftlichen Wandels in Form von turns quasi inhärent zu sein: Als ein weiterer Verfechter der Einführung neuer turns samt Erkenntnisgewinn kann der britische Soziologie John Urry gelten. Mit seinem Hinweis auf die Herausbildung eines complexity turns (Urry 2005) stellt Urry heraus, dass die Sozialwissenschaften in den vergangenen Jahren zunehmend die Erfordernis erkannt haben, die Welt als Vielzahl sich permanent selbstgesteuert wandelnder und einander beeinflussender Systeme zu betrachten (Urry 2005: 3). Als Tourismusforscher erläutern Urry (2007) und Canzler et al. (2008) später ausführlich die Adäquatheit der Betrachtung sozialer Prozesse im Sinne eines mobility turn. Aus Sicht dieser Perspektive wird räumliche Mobilität zu einer Selbstverständlichkeit und zu einer Grundvoraussetzung, auf deren Grundlage eine Vielzahl weiterer sozialer Konstellationen, Beziehungen und Grenzziehungen aufbaut. Angesichts der an dieser Stelle angestrebten Klärung von und Suche nach einem Beschreibungsansatz von Kultur, der auf die Absicherung einer größtmöglichen Handlungsrelevanz des betroffenen Kulturverständnisses abzielt, müssen auch die von Urry vorgeschlagenen turns als Eingrenzung einer offenen Forscherperspektive angesehen werden, bevor der Forschungsgegenstand überhaupt angegangen wird.

Was treibt den Wandel der Theorien an? Offen bleibt angesichts der beobachtbaren Paradigmenwechsel und der sich immer wieder neu bildenden turns die Frage nach dem Zustandekommen dieses Wandels. Gemeinhin werden theoretische Neuperspektivierungen damit erklärt, dass bisherige Sichtweisen zunehmend an die Grenzen ihrer Erklärungskraft gestoßen sind und demnach durch neue Sichtweisen ersetzt werden müssten. Aber warum geschieht dies genau und ausgerechnet zu einem bestimmten Zeitpunkt und nicht früher oder später? Die in den vorangegangenen Abschnitten diskutierten Erklärungsversuche für den Wandel der Theorien haben sich stets auf einer immanenten Ebene bewegt, auf der auch die besprochenen Theorien selbst angesiedelt sind. In der Regel wird dabei versucht, die betroffenen Theorien vergleichend und explorierend in eine Beziehung zueinander zu setzen und diese Beziehung dann zu charakterisieren und zu beschreiben. Vorgefundene Beziehungen können sich dann – beispielsweise in Form von Paradigmen oder turns – voneinander unterscheiden. Auf dieser immanenten Ebene lassen offenbar notwendige, jedoch keine hinreichenden Begründungen für einen tatsächlich beobachtbaren und konkreten Theorienwandel finden. Aus diskurstheoretischer Sicht werden in diesem Fall Diskursformationen beschrieben und untersucht. In einem Allgemeinverständnis können Diskursformationen an dieser Stelle zunächst als Zusammenspiel einzelner Diskursfragmente verstanden werden. Diskursformationen sind demnach ausschließlich Inhalte von Diskursen, die als solche benannt und beschrieben werden können. Im Sinne einer von Foucault inspirierten Diskurstheorie machen jedoch Diskursformationen allein nicht das Wesen von Diskursen an sich aus. Sie allein lassen keine Erklärung für die hohe Stabilität ihrer eigenen Existenz zu. In der Diskurstheorie wird hierzu davon ausgegangen, dass gesellschaftliche Machtstrukturen erst die Stabilität dieser Diskursformationen herstellen. Für eine nachvollziehbare Beschreibung des Theorienwandels im Themenfeld interkultureller Kommunikation erscheint demnach ein Einbezug ei-

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ner Analyse relevanter gesellschaftlicher Machtstrukturen zwingend erforderlich. Die folgenden Abschnitte leisten zu diesem Ziel den Versuch, ein Forschungsdesign zu konstruieren, das die Theoriebildung der Thematik in ihrem erforderlichen, weiteren gesellschaftlichen Kontext abbilden kann. Eine solche, weiter gefasste Einschätzung und Kontextualisierung der Theoriebildung kann in einem nächsten Schritt die Grundlage für ein reflektierteres Forschungsdesign zur Beschreibung handlungsrelevanter Einflüsse von Kultur auf soziales Handeln bilden.

Diskursforschung und anwendungsorientierte Sozialwissenschaften Wenn an dieser Stelle eine Suche nach Antworten auf die in den vorangegangenen Abschnitten dargelegten Probleme im Bereich der Diskurstheorie und Diskursanalyse vorgeschlagen wird, dann geschieht auch dies – ganz im Sinne der bereits diskutierten Charakteristika wissenschaftlichen Theoriewandels – nicht ohne eine bereits zuvor von Gesellschaft und Wissenschaften vollzogene Prominentsetzung der Diskursanalyse. Einerseits mögen diskursanalytische Ansätze demnach in der Tat zusätzliche Einblicke in die Forschung zur interkulturellen Kommunikation generieren, andererseits muss eingestanden werden, dass sich ein diskursanalytischer Versuch nicht zuletzt auch aufgrund der zunehmenden Anwendung entsprechender Methoden in unterschiedlichen Bereichen der Sozialwissenschaften anbietet. In den 1990er Jahren haben sich diskursanalytische Studien eines permanent zunehmenden Zuspruchs erfreut. Für die Sozialwissenschaften schien insbesondere die theoretisch anspruchsvolle Rückbindung an die diskurstheoretischen und nur wenig operationalisierten Überlegungen Foucaults einen besonderen Reiz und Ansporn darzustellen. Dennoch kann berechtigt gefragt werden, warum gerade am Ende des 20. Jahrhunderts ein zunehmendes Interesse an diskursanalytischen Verfahren verzeichnet werden kann. Damit verknüpft erscheint die Frage, worin der zusätzliche, erhoffte Ertrag von Diskursanalysen gegenüber früheren Herangehensweisen liegen könnte. Angermüller (2005) sieht einen Grund für den Attraktivitätsgewinn von Diskursanalysen in der Krise der bis dato gebräuchlichen Vorgehensweisen. Insbesondere die bis dato dominierende Soziologie befand sich ihmzufolge in einer Legitimationskrise: Aus soziologischer Sicht bildete meist die Annahme einer gemeinsamen Lebenswelt die Grundlage für gemeinsame Interpretationen von Wirklichkeit. Diese gemeinsame Ausgangslage drohte sowohl aufgrund theoretischer Überlegungen als auch aufgrund der Globalisierungserfahrungen des Alltags zunehmend wegzufallen.31 Gegenüber dem früheren, zu positivistischen Strukturfunktionalismus hatten die Sozialwissenschaften zwei Alternativen ins Feld geführt, auf deren gemeinsamer Grundlage noch heute ein Großteil der soziologischen Forschung basiert: die interpretativ hermeneutische Tradition nach Schütz und Weber sowie nordamerikanische

31 » [...] zum anderen ist die Unterstellung der Gesellschaft, die den vorgängigen Rahmen für das Sprechen und Handeln der Subjekte abgibt, nicht mehr selbstverständlich [...]« (Angermüller 2005: 26).

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Handlungstheorien, etwa im Sinne des Symbolischen Interaktionismus‹, der Ethnomethodologie sowie Goffmans Soziologie. Angermüller folgert, dass das gemeinsame Auftreten dieser theoretischen Perspektiven über lange Zeit hin selbst eine hinreichende Legitimation der Schlüssigkeit dieser Ansätze dargestellt hat, die jedoch im Lichte von Globalisierung und Internationalisierung zunehmend begründungsbedürftig geworden sei (Angermüller 2005: 26). Angesichts dieser Tendenzen sieht Angermüller einen deutlichen Konjunkturgewinn der Diskursanalyse seit der Jahrtausendwende (Angermüller 2005: 25). Mit zunehmendem Interesse werden Bemühungen deutlich, Methoden der Diskursanalyse auch für weitere Anwendungsbereiche außerhalb des Kerngebiets der Sozialwissenschaften fruchtbar zu machen. So werben beispielsweise Phillips et al. (2008) für den zu erhoffenden Ertrag der Methode für die betriebswirtschaftliche Managementforschung. Den Autoren zufolge können Diskursanalysen auch hier dazu dienen, die einer Forschung zugrunde liegenden Zielstellungen genauer identifizieren und berücksichtigen zu können. Auf einer dadurch geschaffenen, höheren Bewusstheit über die Prämissen der eigenen Forschung könne auch im Sinne eines weiteren Anwendungsbezugs eine realitätsadäquatere Forschung betrieben werden. In einem parallelen Projekt versuchten die Sozialwissenschaften, ihre Legitimation durch eine Aufarbeitung des Bourdieuschen Praxiskonzepts zu retten.32 Im Zentrum der Debatten steht dabei in beiden Fällen die Konzeption und die Positionierung eines Subjekts (Auernheimer 2002: 96). Zugleich sei der Schwenk zu diskurstheoretischen Perspektiven keine neue oder innovative Ausweichmöglichkeit im Falle von erkenntnistheoretischen Krisen. Andersen (2003: ix) weist auf die ihmzufolge häufig zu machende Beobachtung hin, dass diskurstheoretische Perspektiven immer dann präferiert werden, wenn bestehende Begrifflichkeiten aufgrund zu schnellen Wandels nicht mehr zu adäquaten Erklärungen führten. Immer dann werde das Interesse vom ontologischen »Was« auf das epistemologische »Wie« gelenkt (Andersen 2003: ix).33

Ziele einer Diskursanalyse interkultureller Forschung Höhne (2000: 42f) weist darauf hin, dass eine diskursanalytische Erforschung des Kulturdiskurses mit besonderen Schwierigkeiten behaftet sein wird. So wird eine Beschreibung des Kulturdiskurses nur auf der Grundlage einer gleichzeitigen Kritik des Kulturdiskurses möglich. In westlichen Kulturen werden jedoch ein Sprechen über Kultur und eine offene Auseinandersetzung mit kulturellen Einflüssen per se grundsätzlich positiv konnotiert. Impliziert werde dabei meist eine besonders intensive Verstehensbemühung im Sinne einer Tiefenhermeneutik, die im Rahmen einer Diskursanalyse jedoch erst diskurskritisch hinterfragt werden müsse.34

32 Für einen Theorievergleich zwischen Bourdieu und Foucault vgl. (Kajetzke 2008). 33 Eine Verwendungsgeschichte des Diskursbegriffs findet sich bei Kohlhaas (2000) sowie in den weiteren Beiträgen in Nennen (2000). 34 »Normalerweise wird das Reden über Kultur per se als positiv beziehungsweise neutral angesehen, weil es scheinbar Momente von Identität, Authentizität und Entfaltung semantisch mittransportiert und dadurch identitäts- und subjektkonstituierende Effekte zeitigt.

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Eine entsprechende kritische Betrachtung von Diskursen über Kultur müsste demnach insbesondere folgende Leistungen erbringen: Zunächst wäre der Nachweis darüber zu erbringen, dass es sich bei Kultur überhaupt um ein Diskursobjekt handelt. Wünschenswert wäre darüber hinaus ein Nachweis darüber, dass eine diskurstheoretische Sichtweise auf Kultur zu einer adäquateren Erfassung des Phänomens führen kann als konkurrierende Sichtweisen. Zuletzt richtet sich sicherlich ein besonderes Interesse auf eine Nachzeichnung der Entstehung von Kultur als einem Diskursobjekt sowie auf seine seine diachrone Weiterentwicklung. Kritisch gefragt werden kann zusätzlich nach den Grenzen eines solchen Kulturverständnisses sowie nach Interferenzen zwischen Wissenschaft und Alltag. Wie in den einleitenden Abschnitten der vorliegenden Studie beschrieben, stehen jedoch insbesondere die Nachzeichnung und die Identifizierung der Handlungsrelevanz vorgefundener Kulturverständnisse im Zentrum der Bemühungen. Postkoloniale Perspektiven auf die interkulturelle Forschung Eine gesellschaftskritische Metaperspektive auf bisherige Forschungsbemühungen zur interkulturellen Kommunikation kann gegenwärtg bereits die Denkrichtung der postkolonialen Theorie bieten. Einige Autoren, wie beispielsweise Kumar (2000) und Rellstab (2004) arbeiten Berührungspunkte zwischen postkolonialer Theorie und der Forschung zur interkulturellen Kommunikation heraus und identifizieren auf diese Weise Ansatzpunkte, an denen postkoloniale Ideen die Blickweise der interkulturellen Forschung auf konstruktive Weise erweitern können. Darüber hinaus kann eine postkoloniale Kritik die Motive und die Legitimation einer interkulturellen Forschung jedoch auch grundlegender hinterfragen. So identifiziert beispielsweise Ha (2009) aus postkolonialer Sicht zwei Motive für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kultureller Differenz: Zunächst können auf diese Weise eine Weiterführung und ein Erhalt kolonialer Machtasymmetrien sichergestellt werden. Diese hegemonialen Ungleichgewichte, die durch kulturelle Differenzen begründet werden, bleiben selbst dann bestehen, wenn der Diskurs damit beginnt, mit Begriffen wie der Hybridisierung oder kultureller Vermischung zu hantieren, die vordergründig den Eindruck erwecken könnten, dass kulturelle Differenzen und Grenzziehungen damit an Relevanz verlieren könnten.35 Exemplarisch verweist Ha hierzu darauf, dass Überlegungen und Bemühungen

Kulturelles Verstehen impliziert in diesem Sinne ein ›tiefes‹ Verstehen, eine ›Tiefenhermeneutik‹. Dieser als positiv wahrgenommene ›hermeneutische Gestus‹ von Kulturdiskursen macht Kritik deshalb schwierig, weil erst einmal ihre normativen und objektivistischen Prämissen freigelegt werden müssen. Dies ist die Voraussetzung, um aufzuzeigen, wie umkämpft das Diskursfeld ›Kultur‹ mit all den Inklusions- und Exklusionswirkungen der in ihm auftauchenden Differenzen und seiner sozialen Distinktionsfunktion in der Praxis ist« (Höhne 2000: 42f). 35 »Einige Ansätze erwecken den Eindruck, dass die wissenschaftliche Aufgabe sich dann darin erschöpft, kulturelle Zwischenräume zu vermessen und zu erschließen. Tatsächlich reproduziert eine solche Perspektive eine Expansions- und Bereicherungslogik, die ein wesentlicher Antriebsmotor für die europäische Kolonialisierung der Welt gewesen ist, wenn die gewaltvollen Erfahrungen des Kolonialismus, die Bhabhas Hybriditätsbegriff kenn-

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zur Integration als fremdkulturell stigmatisierter Individuen in westliche Mehrheitsgesellschaften de facto zu einer weiteren und kontinuierlichen Marginalisierung der Betroffenen führen (Ha 2009: 22). Doch auch die akademischen Karrieren von Autoren in westlichen Gesellschaften erfahren durch die systematische Weiterführung einer Auseinandersetzung um kulturelle Differenzen eine wesentliche Stütze. Auf eindrucksvolle Weise seziert Ha mit diesem Standpunkt die Arbeitsweise des bis 2010 an der Universität Erlangen ansässigen Graduiertenkollegs unter dem Titel Kulturhermeneutik im Zeichen von Differenz und Transdifferenz, das von der DFG gefördert wurde (Ha 2009: 95-107). Ha beobachtet an diesem Beispiel, wie ein vergleichsweise geschlossener Autorenkreis einen neuen Begriff – den der Transdifferenz – einführt und anschließend beinahe den Eindruck erweckt, sich implizit untereinander darüber verständigt zu haben, keinen Konsens zum Verständnis dieses Begriffs aufkommen zu lassen. Ha unterstellt demnach den beteiligten Autoren ein grundlegendes Interesse daran, keinen Konsens aufkommen zu lassen, damit die entsprechenden Debatten unendlich fortgeführt werden können. Neben diesem Konsensverzicht wird die Debatte außerdem dadurch perpetuiert, dass die beteiligten Autoren für ihre Arbeiten permanent den Status eines work in progress beanspruchen. Jedwede externe Kritik an der Arbeit der unter dem Label der Transdifferenz schreibenden Autoren kann dabei als unbegründet abgewiesen werden, da das kritisierte Werk schließlich noch gar nicht vollendet und daher ohnehin nur temporärer und unfertiger Natur sei.36 Ha verwendet seine Kritik an dem Erlanger Graduiertenkolleg, um aufzuzeigen, wie die Etablierung wissenschaftlicher Begriffe im Grunde ökonomischen Kriterien anstelle einer Suche nach Erkenntnisgewinn folgt. Letztendlich haben sich wissenschaftliche Begriffe, wie beispielsweise der Terminus der Transdifferenz in einem Verdrängungswettbewerb auf einem kompetitiven Markt zu behaupten.37 Auch die Rolle von akademischen Wenden (turns) und Paradigmenwechseln innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin kann Ha zufolge in diesem Lichte des alles dominierenden Verdrängungswettbewerbs gesehen werden. Ha zeigt auf, dass ein besonderes Charakteristikum von gesellschaftlich empfundenen Problemlagen darin besteht, dass ihr Sachverhalt von einer gesellschaftlichen Mehrheit als ahistorisch konstruiert wird. Erst diese konstruierte Ahistorizität produziert demnach eine wahrgenommene außergewöhnliche Dringlichkeit und Problematik. Ähnlich diesen ge-

zeichnen, nicht in der wissenschaftlichen Praxis reflektiert werden. Angesichts dieser verlockenden Aussichten ist das Interesse an der Anziehungskraft von hybriden Kulturen und Produktformen allzu verständlich« (Ha 2009: 19). 36 »Ebenso sicher birgt die terminologische Vervielfältigung und der damit einhergehende Verzicht auf konsensuale oder interdiskursive Verständigungen auch die Gefahr, dem Phänomen der Begriffsverwirklichung Vorschub zu leisten, indem die uneinheitliche und häufig auch unklare Begriffsverwendung ein nicht zu vernachlässigendes Problem im wissenschaftlichen Diskurs darstellt« (Ha 2009: 97). 37 »So könnten angesichts der inhaltlichen Reproduktionen kritische Beobachter/-innen womöglich den Eindruck erhalten, dass das Transdifferenzprojekt vor allem als geschickt lanciertes, innovativ klingendes, aber theoretisch unausgereiftes Vermarktungslabel einzuordnen sei« (Ha 2009: 99).

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sellschaftlichen Prozessen konstruieren Ha zufolge auch Wissenschaftler gezielt solche historischen Brüche, vor deren Hintergrund sie für die von ihnen neu eingeführten Begriffe erst ein Innovationspotential postulieren können. Erneut am Beispiel des vom gleichnamigen Erlanger Graduiertenkolleg propagierten Begriffs der Transdifferenz zeichnet Ha nach, dass die beteiligten Autoren auch hier ein erhebliches Innovationspotential für sich beanspruchen. Demgegenüber arbeitet Ha heraus, dass sich die theoretischen Grundlagen des Konzepts der Transdifferenz durchaus in eine Tradition einordnen lassen, die beispielsweise innerhalb der Cultural Studies langfristig und konsequent vorbereitet worden sind. Diese aus Has Sicht nicht zu leugnenden Ähnlichkeiten werden jedoch Ha zufolge von den Vertretern des Konzepts der Transdifferenz konsequent ignoriert und nicht manifest gemacht (Ha 2009: 98). Ha unterzieht das Erlanger Graduiertenkolleg zur Transdifferenz einer besonders schonungslosen Kritik, deren Inhalte jedoch im Grunde als verallgemeinerbar angenommen werden können. Ein grundlegendes und berufserhaltendes Interesse von Seiten der Autoren, die sich an der Bearbeitung eines Themas beteiligen, kann sicherlich nur selten geleugnet werden und erscheint nicht zuletzt in einem gewissen Maße auch legitim und nachvollziehbar. Übertragen auf die gesamten Forschungsbemühungen zur interkulturellen Kommunikation kann darüber hinaus konsequent gefolgert werden, dass Akteure in diesem Feld im Grunde kein vollständiges Interesse an einer Lösung der von ihnen formulierten Probleme haben können, da sie sich andernfalls letztendlich ihre eigene Beschäftigungsgrundlage entziehen. Im Klartext müsste demnach unterstellt werden, dass Autoren im Bereich interkultureller Kommunikation kein wirkliches Interesse an einer Herstellung globalen Friedens und globaler, kulturübergreifender Verständigung haben können, wenngleich dies ein fester Bestandteil der branchenüblichen Legitimationsrhetorik ist. Schon 1992 sprach in diesem Kontext der Kulturanthropologe Hannerz angesichts der Vermarktung interkultureller Trainings von einer Kulturschockvermeidungsindustrie (Hannerz 1992: 251), deren empirisch begründeter Beschreibung sein Schüler Dahlén später eine Monographie gewidmet hat (Dahlén 1997). Wenngleich sich demnach auch die postkoloniale Forschung im Sinne einer Distanzierung von einer naiven, gegenüber Machtverhältnissen unkritischen Forschung zur interkulturellen Kommunikation verstanden hat, kann aus der hier skizzierten Sicht auch der Postkolonialismus einer Diskurskritik unterzogen werden,38 So kann auch Forschern in ihrem Bereich unterstellt werden, dass sie neben politischen Zielen der Aufdeckung von Machtsymmetrien eventuell auch Ziele der Verstetigung ihrer wissenschaftlichen Karriere verfolgen. Aus dieser Sicht wird es kaum möglich sein, sich des Verdachts der Selbstlegitimierung bei der Forschung vollends entledigen zu können.

38 Ha nennt hier das »postkoloniale Erkenntnisinteresse an der Freilegung von eurozentristischen Machtstrukturen, etwa in der Wissensproduktion am Beispiel der Kulturgeschichte des Hybriden« (Ha 2009: 31).

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Die diskursanalytische Erforschung von Themen In den vorangegangenen Abschnitten wurde das theoretische Verhältnis einer Forschung zur interkulturellen Kommunikation gegenüber kritischen Perspektiven auf den Forschungsgegenstand interkultureller Kommunikation, etwa im Sinne der postkolonialen Theorie sowie der Diskursanalyse problematisiert. Bezug genommen wurde dabei auf einen gemeinsamen empirischen Gegenstand, sozusagen die interkulturelle Kommunikation im Feld. In den folgenden Überlegungen wird es darum gehen, interkulturelle Kommunikation darüber hinaus als ein diskursiv konstruiertes Thema zu begreifen. Hier wird es demnach nicht mehr primär um die Suche nach direkten Blicken auf Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln gehen, sondern vielmehr um das Reden über diese Auswirkungen. Diskursive Konstruktionen interkultureller Kommunikation werden in diesem Sinne sowohl in wissenschaftlichen als auch nicht-wissenschaftlichen gesellschaftlichen Bereichen zu finden sein. Mit empirischem Material arbeitende Methoden der Diskursanalyse liegen innerhalb der empirischen Sozialforschung als Instrument zu diskurstheoretisch informierten Untersuchungen vor. Angesichts der vorangegangenen Überlegungen muss nun ein Forschungsgegenstand in Form eines Themas an das methodische Instrument herangetragen werden. Die zwischenzeitlich publizierte Vielfalt an unterschiedlichen Operationalisierungen innerhalb der Disziplin der Diskursanalyse erfordert in diesem Fall eine sorgfältige und detaillierte Auswahl und Entscheidung für die Anwendung einer bestmöglich geeigneten empirischen Vorgehensweise. Konfrontiert mit dieser Suchaufgabe eröffnet sich angesichts der Methodenvielfalt der Diskursanalyse beinahe eine Forschungslücke, zumindest jedoch wird der Blick auf einen Bereich gelenkt, der bislang als Randgebiet innerhalb der diskursanalytischen Forschung gelten kann. Bereits die Frage nach der Definition und einer Eingrenzung dessen, was als ein Thema verstanden werden kann, bringt die zeitgenössische Diskursforschung in Bedrängnis: Derartige als übergeordnet zu verstehenden Kategorien, wie beispielsweise die Eingrenzung von Themen oder von Argumentationen, sieht Link als zukünftig zu bearbeitende und an Relevanz gewinnende Forschungsfelder der Diskursanalyse (Link/Diaz-Bone 2006: 37). Angesichts der wenigen, thematisch ausgerichteten Diskursanalysen, die bis jetzt vorliegen, fällt auf, dass Themen in den Bereichen von Fremdheit, Alterität sowie dem gesellschaftlich kodierten Umgang mit Fremdheit bislang offenbar von besonderem Interesse und Relevanz waren. So weist beispielsweise Angermüller (2005) auf bereits vorliegende, themenbasierte diskursanalytische Arbeiten hin. Schwab-Trapp hat in diesem Rahmen den Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus diskursanalytisch untersucht (Schwab-Trapp 1996). Methodische Erläuterungen zu der Vorgehensweise liefert Schwab-Trapp in seinen Beiträgen im ersten (Schwab-Trapp 2001) sowie im zweiten (Schwab-Trapp 2003) Band des Handbuchs Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse von Keller et al. Eine explizit als thematische Diskursanalyse bezeichnete Herangehensweise liegt darüber hinaus von Höhne (2000) vor, der damit das Thema Fremdheit bearbeitet; hinzu kommt eine methodenorientierte Arbeitsanleitung in Höhne (2003). Für die Arbeiten von Jürgen Link und die ihm folgende Autorengruppe legen Parr und Thiele (2005) eine umfangreiche Bibliographie vor, die eine thematische Recherche erleichtert: Auch hier zeigt sich, dass das Phänomen interkultureller

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Kommunikation als problembehaftetes Thema in der Wissenschaft und in der Gesellschaft selbst bislang nicht explizit bearbeitet worden ist. Während die Diskriminierung von Ausländern in Deutschland insbesondere in den Mediendiskursen mehrfach im Focus der Forschungsaufmerksamkeit lag, finden sich Studien zum diskursiven Umgang mit Fremdheit insbesondere in dem Sammelband von Jung et al. (1997). Als relevant für eine Charakterisierung unterschiedlicher Formen der thematischen Diskursanalyse sieht Angermüller die Unterscheidung zwischen wissenssoziologischer Diskursanalyse gegenüber temporalisierten Strukturanalysen. Während es der wissenssoziologischen Diskursanalyse vor allem um die Beschreibung kommunizierter Inhalte ginge, kümmere sich die Strukturale Diskursanalyse eher um das »Wie« der Entstehung von Diskursen. Dabei baue die strukturale Diskursanalyse auf Annahmen de Saussures auf, der auf diese Weise die Entstehung des Sprachsystems erklärt habe. In ihrer Struktur weniger rigide erscheint demgegenüber die temporalisierte Strukturanalyse: Im Sinne von Greimas und dem von ihm entwickelten semiotischen Viereck wird hier davon ausgegangen, dass Individuen semiotische Differenzen immer neu aushandeln (Angermüller 2005: 30-31).39 Hier ordnet Angermüller auch die Arbeiten von Thomas Höhne ein: »Von der Semiotik inspiriert ist etwa Thomas Höhnes thematische Diskursanalyse. Höhne (2003) zeigt, wie in Schulbüchern Kulturen der Differenz evoziert werden, in denen der ausländische Andere stereotyp als ›Problem‹ kodiert wird. Gegenüber klassischeren Ansätzen des Strukturalismus, die eine Grammatik des sozialen Lebens zu entdecken suchen, können so kulturelle Repräsentationen als das Produkt der strickleiterartigen Verkettung binärer Oppositionen verstanden werden (Höhne 2000)« (Angermüller 2005: 33).

Grenzen der thematischen Diskursanalyse, insbesondere im Hinblick auf die mit ihr vorgesehene Erforschung des Diskurses zur interkulturellen Kommunikation in Wissenschaft und Gesellschaft, können auch hier weiterhin in der ethnozentrischen und eurozentrischen Verankerung von Theorie und Methode gesehen werden. Während die Erforschung interkultureller Kommunikation selbst ihre Legitimation aus dem gesellschaftlichen Beratungsbedarf bezieht, erwächst eine Kritik an dieser Forschung aus dem wissenschaftlichen Diskurs heraus. Dabei kann eine kritische Beschreibung des wissenschaftlichen Diskurses am Ende der vorliegenden Studie einer konstruktiven und reflektierten Weiterentwicklung der eigentlichen Erforschung interkultureller Kommunikation dienen. Die ethnozentrische Beschränktheit diskursanalytischer Forschung diskutiert Murakami (2001) und entwickelt auf dieser Grundlage Vorschläge für einen reflektierteren Umgang mit dieser Problematik (Murakami 2006), die an sich nicht überwunden werden kann. Die Denkrichtung der Whiteness Studies ist in den 1990er Jahren in der westlichen Welt primär mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, dem Ethnozentrismusproblem der Kulturforschung entgegenzutreten, indem das Problem selbst zum For-

39 Jürgen Link warnt angesichts der wissenssoziologischen Diskursanalyse nach Keller (2005) vor einer Vernachlässigung der Rückbindung von Elementardiskursen an Inter- und Spezialdiskurse. Link zufolge müssen auch individuelle Interaktionen als postdiskursiv verstanden werden (Link/Diaz-Bone 2006: 34).

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schungsthema gemacht wird. Alexander (2004) jedoch dekonstruiert dieses Anliegen der Whiteness Studies, die eigentlich das unbewusste Paradigma der Whiteness ans Licht holen und es dekonstruieren wollen. Aufgrund der lediglichen Beschäftigung mit dem Paradigma wird es jedoch stattdessen performativ weiter aufrechterhalten und sogar bestätigt. Eine systematische und letztendliche Möglichkeit zur Transzendierung der eigenen ethnozentrischen Perspektive scheint demnach kaum in Sicht. Es bleibt der im Rahmen der vorliegenden Studie vorgeschlagene Versuch, anstelle einer Transzendierung der eigenen Forschungsperspektive einen anderen Forschungsgegenstand, nämlich nicht mehr interkulturelle Kommunikation an sich, sondern stattdessen die Diskurse über sie, zu untersuchen, um auf diese Weise reflektiertere Einblicke in Aspekte interkultureller Kommunikation zu erhalten.

Dispositive in akademischen und gesellschaftlichen Diskursen

Die vorangegangen Abschnitte haben explorierend zu begründen versucht, auf welche Weise eine diskursanalytische Sichtung des wissenschaftlichen und des gesellschaftlichen Diskurses zur interkulturellen Kommunikation innovative Einblicke in das Zustandekommen, die Suchmotivationen sowie in zukünftige, fruchtbringende Arbeitsfelder generieren kann. In den folgenden Abschnitten wendet sich die vorliegende Studie einer Sichtung und einer Diskussion diskurstheoretischer und diskursanalytischer Arbeiten zu. Dabei wird die Diskussion zugleich in eine Richtung gesteuert, an deren Ende ein optimiertes Forschungsdesign für die in dieser Studie aufgeworfenen Fragestellungen stehen kann.

W AS MACHT DIE D ISKURSANALYSE FÜR F ORSCHER ATTRAKTIV ? Um sich einem eigenen Forschungsdesign systematisch annähern zu können, wird im Folgenden zunächst herausgearbeitet, welchen Ertrag bisherige Arbeiten auf der Grundlage von Diskurstheorie und Diskursanalyse erzielen konnten, und auf welche Aspekte und besonderen Ansätze sich diese Arbeiten jeweils konzentriert haben, um diese Zielstellungen zu erreichen. Gegenwärtige Autoren zur Diskursanalyse verwurzeln ihre Arbeiten entweder bei den Arbeiten von Jürgen Habermas zur Diskurstheorie (Habermas 1981) oder aber in der Tradition von Michel Foucault, dessen diskurstheoretischer Ansatz in seiner diachronen Entwicklung in einer ganzen Reihe von Publikationen nachzulesen ist. Während Habermas einen normativen Ansatz vertritt und insbesondere Vorschläge für eine konstruktive Interaktion formuliert,1 liefert Foucault vorrangig theoretische Grundlagen für die Einnahme einer diskurskritischen Perspektive zur Analyse.2 In den folgenden Abschnitten werden daher insbesondere Fruchtbarmachungen des Foucaultschen Ansatzes beleuchtet und diskutiert.

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Im Bereich der deutschsprachigen Diskursanalyse beruft sich insbesondere Wodak auf eine Tradition nach Habermas (Wodak et al. 1994). Ebenfalls zu erwähnen sind hier jedoch auch die diskursanalytischen Ansätze von Teun van Dijk im Sinne einer sozio-kognitiven Herangehensweise (van Dijk 1998) sowie die

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Angermüller (2005: 27) bescheinigt den Arbeiten, die sich in der diskurstheoretischen Tradition Foucaults wähnen, einen enormen Attraktivitätsgewinn um die Jahrtausendwende. In diesem Zuge haben sich unterschiedliche und divergierende Ansätze etabliert. Kammler und Parr (2007) geben in ihrem Sammelband einen eindrucksvollen Überblick über die Verwendung Foucaultscher Theorien in den Kulturwissenschaften und zeigen auf diese Weise auf, dass es kaum noch kulturwissenschaftliche Disziplinenbereiche gibt, von denen Foucaults Ansätze noch nicht in irgendeiner Form rezipiert und verwertet worden wären. Angermüller schlägt eine Systematisierung der unterschiedlichen Zugängen zu Foucaults Arbeiten vor, indem er zwischen wissenssoziologischen, strukturalen, enunziativen, dekonstruktivistischen und hegemonialtheoretischen Zugänge differenziert. Auf ähnliche Weise sprechen Wodak und Meyer (2009: 20) von induktiven vs. deduktiven Vorgehensweisen. Neben dem gemeinsamen Rückbezug auf Foucault seien die vorliegenden Ansätze der Diskursanalyse Angermüller zufolge dabei auf unterschiedliche Weise konstruktivistisch inspiriert. In einer ersten Unterteilung unterscheidet Angermüller die gegenwärtigen Ansätze in rekonstruktivistische und dekonstruktivistische Konzepte. Rekonstruktivistische Ansätze gehen davon aus, dass Individuen gemeinsam eine Wirklichkeit konstruieren, die der Forscher als Beobachter erkennen und nachzeichnen kann. Dieser Ansatz wird Angermüller zufolge in der empirischen Forschung bislang mehrheitlich vertreten. Dekonstruktivistische Ansätze dagegen gehen nicht mehr von einer geteilten Wirklichkeit aus, die ein Beobachter aus einer privilegierten Sicht erkennen könnte. Im Sinne Luhmanns konstruiert hier vielmehr jedes Individuum seine eigene Wirklichkeit, und es ist eher verwunderlich, dass Individuen dennoch offenbar miteinander interagieren können (Angermüller 2005: 28-29). In letzterer Position sieht Angermüller eine Mehrheit der gegenwärtigen diskursanalytischen Konzepte verortet. Der Literaturwissenschaftler Jürgen Link, um den herum sich später eine vergleichsweise große und nachhaltig arbeitende Gruppe von Diskursforschern an den Universitäten Duisburg und Bochum gebildet hat, und zu der unter anderen auch Siegfried Jäger und Rainer Diaz-Bone gezählt werden können, hatte nach eigenen rekonstruierenden Aussagen bereits vor seiner ersten Foucault-Rezeption Fragestellungen entwickelt, die sich mit Hilfe von Operationalisierungen aus Foucaults Theorie treffend bearbeiten ließen (Link/Diaz-Bone 2006). Eines der zentralen und ausschlaggebenden Anliegen Links bestand demnach in der bisherigen Unverbundenheit von Geschichtsauffassungen, die entweder ausschließlich eine interaktionistische Mikro-Ebene von Individuen mit einer Überbewertung individueller Handlungsfreiräume oder aber ausschließlich eine MakroEbene fokussierte, die sich auf die vage Beschreibung gesellschaftlicher Prozesse beschränkte.3 Ein besonderes Potential zur Beantwortung seiner Fragestellungen sieht Link in Foucaults Begriff des Interdiskurses, den Link unter zusätzlicher Rezeption

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Arbeiten von Norman Fairclough (1989; 1995), der neben den Grundlagen Foucaults zur Operationalisierung systemlinguistische Überlegungen von Halliday (1978) heranzieht. »Eine meiner wichtigsten späteren Problematiken ist der Dualismus zwischen interpersonal-interaktionistischer Geschichtsauffassung auf der einen Seite und massendynamischprozessualer auf der anderen« (Link/Diaz-Bone 2006: 9).

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des Ansatzes von Pêcheux (1982) erweitert hat. Dabei habe Pêcheux das Konzept des Interdiskurses als Zusammenspiel vertikal angeordneter sozialer Ebenen verstanden: Ihmzufolge führt eine diachrone Entwicklung von Vorstrukturierungen zu einem gegenwärtigen Interdiskurs. Link dagegen verwendet den Begriff für eine Beschreibung horizontal verzahnter Diskursbereiche (Link/Diaz-Bone 2006: 10).

Die Kritikfähigkeit der Diskursanalyse nach Siegfried Jäger Insbesondere im Kontext des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) wurden unter der Initiative von Jürgen Link und Siegfried Jäger seit den 1980er Jahren zahlreiche diskursanalytische und kritische Studien zu zeitgenössischen sozialen Problemstellungen veröffentlicht. Jäger verortet dabei seine ursprüngliche und grundlegende Motivation zur diskursanalytischen Arbeit von Beginn an in einem politischen Interesse an der Bekämpfung von Rechtsextremismus. Nach seinen eigenen Aussagen sieht Jäger erst im Rahmen seiner späteren fachlichen Auseinandersetzung mit der Problematik, dass Jürgen Links (1982) Operationalisierungen der Theorien Foucaults Aufschlüsse zu seinen eigenen Fragestellungen ermöglichen könnten. Darauf folgt eine intensive Auseinandersetzung Jägers mit Links eigenen theoretischen Überlegungen (Jäger/Diaz-Bone 2006). Attraktiv erscheint Jäger dabei die Konzeption des Diskursbegriffs, nach dem Diskurse nicht weniger materiell sind als konkrete Gegenstände selbst, wenngleich Jäger von Materialisierungen zweiten Grades spricht. In der frühen Auseinandersetzung deutschsprachiger Sprachwissenschaftler mit der Diskursanalyse erscheint Jäger zufolge insbesondere die Abgrenzung gegenüber einer deutschsprachigen Sprachwissenschaft als ein zentrales Ziel, die noch immer von Leo Weisgerber und seinem von Jäger als »sprachidealistischnationalistisch« (Jäger/Diaz-Bone 2006) eingeschätzten Ansatz dominiert wurde. Attraktiv erschien Autoren wie Jäger zu diesem frühen Zeitpunkt darüber hinaus Foucaults Einladung, sich seiner Schriften und seiner Ideen wie eines Werkzeugkastens zu bedienen, auf dessen Grundlage auf kreative Weise neue Überlegungen entwickelt werden konnten (Jäger/Diaz-Bone 2006).4 Zusätzliche Attraktivität gewinnt die Diskurstheorie Foucaults für Jäger durch ihre konzeptuell berücksichtigte Möglichkeit zur Kritik. Foucault baue diese Option in seine Theorien durch das Eingeständnis ein, dass die Behauptung, es gäbe keine Wahrheit, im Rahmen von Gesellschaftsanalysen schwer handhabbar sei. Foucault schlägt stattdessen vor, von einer »nicht-metaphysischen Wahrheit« (Jäger/DiazBone 2006) zu sprechen, durch die wiederum eine Möglichkeit der Kritik erhalten bleibe. Jäger hat hier den Ansatz der Kritischen Diskursanalyse (KDA) entwickelt, der sich in diesem Aspekt aus seiner Sicht deutlich vom angelsächsischen Ansatz der

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»Alle meine Bücher, sei es ›Wahnsinn und Gesellschaft‹ oder dieses da, sind, wenn Sie so wollen, kleine Werkzeugkisten. Wenn die Leute sie aufmachen wollen und diesen oder jenen Satz, diese oder jene Idee oder Analyse als Schraubenzieher verwenden, um Machtsysteme kurzzuschließen, zu demontieren oder zu sprengen, einschließlich vielleicht derjenigen Machtsysteme, aus denen diese meine Bücher hervorgegangen sind – nun gut, umso besser« (Foucault 1976a: 53).

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Critical Discourse Analysis (CDA) nach Wodak und Fairclough abgrenzen soll.5 Auch Vertreter der CDA gingen davon aus, dass es keine einzelne Wahrheit gebe. Stattdessen nehmen sie Jäger zufolge jedoch eine Außenperspektive auf das analysierte Material ein, mit der letztendlich offenbar doch ein gewisser Richtigkeitsanspruch repräsentiert werden solle. Weiterentwicklungen der Foucaultschen Theorie nimmt Jäger durch seine Rezeption der Tätigkeitstheorie Leontjews (1975) vor, um damit Verhältnisse zwischen Subjekten, Diskurs und Wirklichkeit präziser beschreiben zu können (Jäger/DiazBone 2006). Auf dieser Grundlage folgert Jäger auf ein erhebliches Machtpotential, das von Diskursen ausgehe, wenngleich diese weiterhin als menschliches Konstrukt angesehen werden müssen und nur durch eine permanente Reproduktion durch Menschen weitergeführt werden können. Dennoch schreibt Jäger Diskursen eine klare Wirkmächtigkeit zu, bei der er sich auf Foucault beruft: »Diskurse sollen hier – vorläufig formuliert – als eine artikulatorische Praxis begriffen werden, die soziale Verhältnisse nicht passiv repräsentiert, sondern diese als Fluss von sozialen Wissensvorräten durch die Zeit aktiv konstituiert und organisiert. [...] Dem Diskurs wird damit ein völlig anderer Stellenwert beigemessen, da er selbst als gesellschaftliche und Gesellschaft bewegende Macht (Kraft, Power) verstanden wird« (Jäger 2009b: 23).

Jäger folgert von Foucault, dass Subjekte durch Diskurse konstituiert werden (Jäger 2009b: 78). Um diesen Prozess genauer zu beschreiben, stützt er sich auf die Tätigkeitstheorie von Leontjew. Als Fundament für sein vergleichsweise umfassendes Theoriegebäude verwendet Jäger mit den wenigen Quellen Leontjews eine in der westlichen Welt vergleichsweise marginalisierte Theorie (Leontjew 1982; Leontjew 1984a; Leontjew 1984b). Wodak und Meyer (2009: 25) sehen eine wesentliche Funktion der Implementierung von Leontjews Theorie darin, dass es Jäger auf diese Weise gelingt, überhaupt erst eine Verbindung zwischen Diskursen und Wirklichkeit, nämlich durch die Zwischenschaltung des Subjekts, herzustellen. Mit Laclau nimmt Jäger dabei an, dass Realität erst durch die Subjekte konstruiert wird. Jäger will Foucaults Diskurstheorie mit Leontjews Tätigkeitstheorie verknüpfen. Dabei muss er einräumen, dass Leontjews Theorie zunächst auf psychologischen, auf einzelne Individuen beschränkten Annahmen beruht. Jäger tröstet sich dabei damit, dass Leontjews Theorie Subjekte als Produkte gesellschaftlicher Diskurse versteht und damit die gesellschaftliche Ebene von Leontjew dennoch hinreichend berücksichtigt werde. Nichtsdestotrotz muss Jäger Becker, Gerhard und Link (1997) zitie-

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Jäger selbst beschreibt die Entwicklung seines eigenen Ansatzes und des Ansatzes von Fairclough als einander nicht rezipierend: »Die Folge ist, dass selbst solche Konzepte, die sich an vergleichbaren Ausgangspositionen orientieren, eine Entwicklung durchmachen, die sie dann doch wieder weit voneinander entfernt. Die theoretischen Grundannahmen akzentuieren sich sehr unterschiedlich, ebenso und vielleicht noch stärker die operativen Verfahren. Im Resultat hat man es bei den Ansätzen von Fairclough und dem hier vorgestellten [...] mit Deutungsversuchen von Wirklichkeitssichten zu tun, die nicht mehr oder nur sehr schwer miteinander zu vermitteln sind« (Jäger 2009b: 8).

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ren, die Leontjew dennoch eine angenommene Dominanz von Subjektintentionen gegenüber Foucaults Präferenz für diskursive Ereignisse bescheinigen (Jäger 2009b: 79). Zentrales Merkmal der Tätigkeitstheorie ist die Annahme, dass eine Trennung zwischen menschlichem Denken und Handeln, einschließlich des Sprechens, künstlich und nicht haltbar sei.6 Während Leontjew noch zwischen ideeller und materieller Tätigkeit unterscheidet, sind diese beiden Begriffe Jäger zufolge für die Diskurstheorie unterschiedslos (Jäger 2009b: 116). Grundsätzlich wird angenommen, dass Diskurse die gesellschaftliche Wirklichkeit konstituieren; in dieser Annahme sieht sich Jäger von Titscher et al. (1998: 225) missverstanden, denenzufolge sein Konzept die Annahme enthalte, Diskurse repräsentierten die Wirklichkeit lediglich. Eine solche Annahme entspräche Jäger zufolge jedoch einer marxistisch-ideologiekritischen Perspektive, wohingegen Foucault ausschließlich auf diskurstheoretischen Grundlagen argumentiert habe (Jäger 2009b: 23, FN 32). Bei der Operationalisierung der empirischen Durchführung einer Diskursanalyse im Sinne einer Feinanalyse von Diskursfragmenten erweitert Jäger den Ansatz von Utz Maas (Jäger 2009b: 25).

Ansätze aus der Wissenssoziologie Zu einem Durchbruch in der deutschsprachigen Forschung hat der Diskursanalyse Reiner Keller verholfen, indem er die Diskurstheorie und die qualitativen Methoden der hermeneutischen Wissenssoziologie zusammengebracht hat (Angermüller 2005: 27). Diese Richtung wird insbesondere in den beiden Sammelbänden Handbuch sozialwissenschaftliche Diskursanalyse Band 1 (Keller et al. 2001a) und Band 2 (Keller et al. 2003) in zahlreichen Beiträgen ausführlich dargelegt. Keller bezeichnet seinen Ansatz als wissenssoziologische Diskursanalyse möchte damit den »mikrosoziologisch-situativen bias« der Soziologie zu überwinden. Link zufolge gelingt es Keller in diesem Sinne, auch Aspekte übergeordneter Kontexte mit einzubeziehen.7 Gleichzeitig bedient sich Keller jedoch der methodischen Anwendbarkeit der Sozialforschung (Angermüller 2005: 28-29). Empirische Methoden bezieht die wissenssoziologische Diskursanalyse Angermüller zufolge aus offenen Kodierstrategien, Anleihen bei der im Material begründeten Theoriebildung im Sinne der Grounded Theory sowie aus der Sequenzanalyse

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Damit schlägt Jäger eine Richtung ein, die die von Moosmüller (2004: 57) und Schondelmayer (2008: 14) bemängelte Trennung zwischen einer Erforschung von Fremdwahrnehmungen gegenüber einer Erforschung konkreten Handelns in der interkulturellen Forschung umgehen kann. Kontrastiert wurden von Schondelmayer und Moosmüller die Ansätze der kognitiven Anthropologie nach Goodenough (1957) und d’Andrade (1992; 1995) mit denen der interpretativen Anthropologie im Sinne von Geertz (1987a).

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Dennoch sieht Link auch in Kellers Arbeiten die Gefahr einer Vernachlässigung der Rückbindung interpersonaler Interaktionen an übergeordnete Spezialdiskurse, so dass Subjekttätigkeiten überbewertet werden, die aus Links Sicht jedoch grundsätzlich als postdiskursiv zu begreifen sind (Link/Diaz-Bone 2006: 34).

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und der Fallstrukturanalytik nach der Objektiven Hermeneutik (Schwab-Trapp 2003) im Sinne Oevermanns (Angermüller 2005: 30).

Die foucauldianischen Ursprünge Von besonderem Interesse für sozialwissenschaftliche Autoren seit der Jahrtausendwende erscheinen die Rolle und die Operationalisierung des Subjekts auf der Grundlage Foucaultscher Ideen. Von einer solchen Klärung des Subjekts erhoffen sich zahlreiche Autoren eine genauere Beschreibung der Verbindung zwischen Diskursen und Machtauswirkungen. Vor dieser jüngsten Fokussierung wurden mit Hilfe der Diskurstheorie nacheinander unterschiedliche problematische Aspekte bearbeitet. Interessant für die vorliegende Studie erscheint in diesem Zusammenhang beispielsweise die Tatsache, dass Foucault selbst zuerst wissenschaftsimmanente Diskurse untersucht hat, er konzentrierte sich auf eine Analyse der von ihm so bezeichneten Humanwissenschaften: »Foucault fragt nach der Möglichkeit historisch spezifischer Wissensformen mit ihren Machteffekten. – Sein spezieller Analysegegenstand waren die Humanwissenschaften als ›diskursive Formationen‹. Deren Herausbildung in der westlichen Moderne wird als Anordnung heterogener Faktoren – von wissenschaftlichen Begriffen, Bildern, Institutionen, Praktiken – rekonstruiert. Foucault spricht von ›Dispositiven‹, genauer von Dispositiven der Macht.« (Auernheimer 2002: 96).

Da Foucault selbst im Grunde wert darauf legte, keine eigene Theorie zu entwerfen (Foucault 1974 [1966]: 14), vermittelt sein Gesamtwerk gegenüber späteren Lesern, die häufig genau nach einer solchen Theorie bei Foucault suchen, einen eher unübersichtlichen Eindruck. Keller zufolge speisen sich Foucaults theoretische Überlegungen und Entwicklungen aus Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, die Foucault dann wieder zu den Wissenssystemen innerhalb der Wissenschaften zurückführen (Keller 2004: 42). Besonders augenscheinlich wird dieses Explorieren Keller zufolge an einzelnen Buchtiteln Foucaults wie beispielsweise Wahnsinn und Gesellschaft (Foucault 1969), Die Geburt der Klinik (Foucault 1972 [1963]), Überwachen und Strafen (Foucault 1976b), Der Wille zum Wissen (Foucault 1989 [1976]), Der Gebrauch der Lüste (Foucault 1989 [1984]-a) oder auch Die Sorge um sich (Foucault 1989 [1984]-b). Keller (2004: 43) unterteilt Foucaults Werk in zwei Epochen. Die erste Epoche ist dadurch gekennzeichnet, dass Foucault noch wesentlich dem Strukturalismus verhaftet bleibt. Arbeiten wie Die Ordnung der Dinge (Foucault 1974 [1966]) und Archäologie des Wissens (Foucault 1981 [1973]) fallen in diesen Zeitraum, der entsprechend auch maßgeblich von Foucaults Methode der Archäologie gekennzeichnet ist. Foucault zufolge dient die Archäologie dabei dazu, »den systematischen Gehalt von Aussagen freizulegen und das System der diskursiven Regeln zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt zu untersuchen« (Bührmann 1998: 79). Als erste wichtige international rezipierte Publikation Foucaults in diesem Kontext kann Wahnsinn und Gesellschaft (Folie et déraison) (Foucault 1969) angesehen werden. Zuvor wurde Foucault bereits in Frankreich bekannt durch Die Ordnung der

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Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften (Foucault 1974 [1966]) (Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines), (Foucault 1995 [1966]). In dieser frühen Arbeit reflektiert Foucault, wie sich Naturgeschichte, Ökonomie und Linguistik vom 17. bis ins 20. Jahrhundert zu getrennten Wissensbereichen ausdifferenzieren. Die einzelnen Bereiche enthalten für Foucault jedoch auch eine Reihe von Parallelen, die er als Episteme bezeichnet. Episteme sind demnach anonyme Ordnungsstrukturen von Wissen, die bestimmen, wie sich das Sagbare zum Sichtbaren, bzw. die Worte zu den Dingen jeweils verhalten. Die von Foucault untersuchten Disziplinen und ihre Ausdifferenzierung sind ihmzufolge wesentlich an der Erschaffung und am Wandel des zeitgenössischen Menschenbildes beteiligt. Demnach scheint in diesem Fall ein rein wissenschaftsimmanenter Diskurs das Verständnis der Menschen von Wirklichkeit neu zu formen. In diesem Rahmen entwickelt Foucault auch das Konzept einer ursprünglichen Erfahrung als immanenten Bestandteil eines Diskurses. Die Archäologie als eine Form der Diskursanalyse stellt Foucault in der Monographie Archäologie des Wissens (Foucault 1994a) (L’Archéologie du savoir) (Foucault 1984 [1969]) vor. Später wandelt sich Foucault zu einem Poststrukturalisten, für den jedoch immer noch Strukturen im Vordergrund seiner Modelle stehen, nicht jedoch Menschen oder einzelne Subjekte. Auch für den poststrukturalistischen Foucault haben Strukturen demnach eine Essenz und bestimmen das Leben der Menschen. Wesentliche Kritiken an diesem grundsätzlich noch strukturalistischen Ansatz haben Paul Ricoeur, Julia Kristeva und Jacques Derrida geliefert (Keller 2004: 16f), aber auch in der darauffolgenden Zeit und im deutschsprachigen Raum haben beispielsweise Reckwitz (2000) und Stäheli (2000) entsprechende Kritiken vorgelegt. Grundsätzlich kann jedoch eingestanden werden, dass auch für Foucault – und dies kennzeichnet seinen methodischen Übergang von der Archäologie zur Genealogie – das Subjekt einerseits sowie Machtstrukturen andererseits zunehmend in den Fokus seiner Überlegungen rücken. Bührmann sieht in Foucaults Genealogie ein Verfahren, »um nach den diskontinuierlichen Entstehensbedingungen von Diskursgegenständen und Diskursen in den unterschiedlichen historischen Machtkonstellationen zu fragen« (Bührmann 1998: 76). Verallgemeinert ließe sich die Herangehensweise der Archäologie unter anderem entsprechend als ein synchron untersuchender Ansatz verstehen, wohingegen der Genealogie eine diachrone Perspektive zugrunde liegt. Einzuordnen in diese Epoche sind entsprechend Foucaults Monographien Überwachen und Strafen (Foucault 1976b), Der Wille zum Wissen (Foucault 1989 [1976]), Der Gebrauch der Lüste (Foucault 1989 [1984]-a) sowie Die Sorge um sich (Foucault 1989 [1984]-b).

I NTERKULTURELLE D ISKURSE ALS D ISKURSVERSCHRÄNKUNGEN Auf der Grundlage dieser ersten Skizzierungen als einem Einstieg in das zwischenzeitlich breite Feld der Diskursanalyse können an dieser Stelle bereits erste Einschätzungen zu einer Positionierung des Diskursthemas interkultureller Kommunikation im Lichte einer Diskurstheorie versucht werden. Wenn es Foucault eingangs um eine

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Untersuchung rein wissenschaftsimmanenter Diskurse ging, so scheint dies bereits an dieser Stelle in einem klaren Gegensatz zu der in der vorliegenden Studie bereits in früheren Abschnitten bescheinigten Verortung interkultureller Kommunikation als einem Thema parallel in allgemeingesellschaftlichen und in wissenschaftlichen Diskursen zu stehen. Problematisiert und befragt wurde darüber hinaus die Beschaffenheit der Beziehungen, Interdependenzen und gegenseitigen Einflussnahmen der beiden Diskursbereiche zueinander. Zur Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung müsste demnach über Foucaults Arbeiten hinaus in jüngeren Publikationen nach zusätzlichen Lösungswegen gesucht werden. Eine weitere Spaltung der Diskursinhalte lässt sich angesichts der Thematik interkultureller Kommunikation ebenfalls recht früh erkennen: Auf einer oberflächlichen und gleich erkennbaren, offensichtlichen Ebene, sucht die interkulturelle Forschung nach Wegen für eine bessere internationale Verständigung. Das ist ein Ziel, das grundsätzlich gutgeheißen werden kann. Problematisch erscheint diese Position jedoch dann, wenn sie – wie in vielen Fällen – aus einer zu ethnozentrischen Sicht betrieben wird. In diesem Fall kann dem Forscher letztendlich anstelle des Ziels einer interkulturellen Verständigung doch das Ziel einer kolonialistisch angehauchten Selbstklärung unterstellt werden, die darüber hinaus auch noch Möglichkeiten der kulturüberschreitenden Intervention legitimiert. Verstärkt wird diese Haltung dadurch, dass gegenwärtige Diskurse über interkulturelle Kommunikation häufig ahistorisch konstruiert sind, sie ignorieren die koloniale Vorgeschichte gegenwärtiger Phänomene (Ha 2009: 20).8 Um eine interkulturelle Forschung entsprechend reflektiert gestalten zu können, müssten demnach Herangehensweisen entwickelt werden, die diese Verdächtigungen nicht provozieren können. Ansätze aus der Diskursanalyse können diese Mehrteiligkeit oder Mehrschichtigkeit mit dem Begriff der Diskursverschränkungen erfassen, beschreiben und in ihren Auswirkungen einschätzen (Jäger 2009b: 161). Besonders problematisch erscheinen derartige Diskursverschränkungen dann, wenn Argumente und Legitimationen aus dem einen Diskurs dazu beitragen, dass eine Verfestigung des anderen Diskurses bewirkt wird, wobei diese gegenseitige Verfestigung und Begründung von den Diskursteilnehmern in der Regel nicht mehr wahrgenommen wird (Jäger 2009a). Diskursverschränkungen liegen im Fall von Diskursen über interkulturelle Kommunikation demnach grundsätzlich und permanent vor: Es überlagern sich Diskurse aus der theoriegeleiteten Forschung mit anwendungsorientierten Diskursen unterschiedlicher Handlungsfelder. Nicht zu vergessen ist darüber hinaus die Vielzahl auf unterschiedliche Weise politisch motivierter Diskurse. Während Jäger noch vor den versteckten Gefahren solcher Diskursverschränkungen warnt, muss ihre Existenz im Falle einer Auseinandersetzung mit dem Themenfeld interkultureller Kommunikation demnach als gegeben angenommen werden. Eine wissenschaftlich geleitete Anwendungsorientierung interkultureller Kommunikation sowie eine an gesellschaftli-

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»Die Überzeugung, dass Wanderungsprozesse so alt wie die Menschheit selbst seien, hat in Zeiten der Globalisierung Konjunktur. [...] So richtig diese Behauptung auf der einen Seite ist, so undifferenziert ist sie auf der anderen. Sie übersieht, dass die heutigen Migrationen aus der südlichen Peripherie in die westlichen Metropolengesellschaften vor allem Folge der postkolonialen Konstellation sind« (Ha 2009: 43).

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chen Problemstellungen orientierte Forschung können entsprechend nur dank der vorliegenden Diskursverschränkungen zustande kommen. Dennoch hilft Jägers Konzept bei der Analyse des genannten Bereichs wesentlich bei einer Zuordnung von Motivationen im Diskurs.

Die Geschlossenheit interkultureller Diskurse Ein wesentliches Ziel von Diskursanalysen sieht Jäger in der Nachzeichnung von Diskurssträngen, die dann einer Kritik unterzogen werden können: »Das allgemeine Ziel von Diskursanalysen ist es, Diskursstränge historisch und gegenwartsbezogen zu analysieren und zu kritisieren, wobei auch vorsichtige Aussagen über die weitere Entwicklung des Diskursstrangs in der Zukunft möglich sein sollten« (Jäger 2009b: 188).

Die diskursive Geschlossenheit des untersuchten Diskursstrangs wird über diese Definition Jägers hinaus zu einem wesentlichen Kriterium, wenn es darum geht, Eigenschaften des Diskurses über die Thematik interkultureller Kommunikation zu beschreiben. So ließe die Thematik vermuten, dass Kulturvergleiche und kulturübergreifende Debatten und Abgleiche zum Kerngeschäft des Forschungsgebiets gehörten. Dies ist jedoch nicht der Fall, und stattdessen bestätigt das Diskursthema interkulturelle Kommunikation einmal mehr die Geschlossenheit von Diskursen als ein Charakteristikum gesellschaftlicher Diskurse, das sich selbst dann nicht wandelt, wenn es eigentlich darum geht, kulturelle Kreise zu transzendieren. So haben immer wieder zahlreiche Forschungsarbeiten in einem zweiten Blick auf zentrale Forschungsthemen des Fachs gezeigt, dass auch in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation häufig relativ unbekümmert von einer ethnozentrischen Forscherperspektive ausgegangen wird, die weder reflektiert noch zu überwinden versucht wird. Als bekanntestes Beispiel für diese selbstbewusste Ethnozentrik kann hier auf die erst mehrere Jahre später nachgelieferte Erweiterung des Hofstedeschen (1980) Modells um eine fünfte Kulturdimension verwiesen werden, die eine asiatische Perspektive auf kulturelle Unterschiede liefern möchte (The Chinese Culture Connection 1987).9 Auch das von Bennett (1986) und Hammer (1999) eingeführte Developmental Model of Intercultural Sensitivity (DMIS), mit dessen Hilfe die Fähigkeit von Individuen zur Relativierung ihres eigenkulturellen Standpunkts beschrieben und ge-

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Minkov und Hofstede (2012) wenden gegenüber dem damit einhergehenden Vorwurf einer Unzulänglichkeit westlich basierter Methoden aufgrund ethnozentrischer Ausgangsbedingungen ein, dass auch westliche Methoden gegenüber der nicht-westlichen Ergänzung zu ähnlichen Ergebnissen führen und die Sichtbarmachung einer an dieser Stelle besprochenen fünften Dimension in Hofstedes Modell ermöglichen, wenn eine entsprechende Suchund Fragerichtung bei der Erhebung der Daten zugrunde gelegt wird. Demgegenüber kann jedoch wiederum eingewendet werden, dass es gerade aufgrund des ethnozentrischen Forschungsdesigns nicht dazu kommen konnte, dass die besagte fünfte Dimension überhaupt abgeprüft wird. Erst durch einen fremdkulturellen Anstoß lässt sich eine solche Forschung initiieren.

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messen werden soll, wird später von Greenholtz (2005) einer ethnozentrischer Perspektive überführt. Greenholtz zufolge misst das Modell die Einstellung von Individuen zu Kultur und Interkulturalität vor dem Hintergrund eurozentrischer Prämissen, mit denen beispielsweise die Haltung von Japanern gegenüber kultureller Diversität nicht angemessen umrissen werden kann. Einzelne Aspekte dieser diskursiven Geschlossenheit sollen in der vorliegenden Studie im Besonderen nachgezeichnet werden. Gelingen kann dies in Form eines Aufzeigens von Diskursverschränkungen sowie weiteren diskursiven Verflechtungen zwischen unterschiedlichen partizipierenden gesellschaftlichen und medialen Bereichen. In einem weiteren Schritt kann dabei unterstellt werden, dass ein wesentliches und eigentliches Ziel des Systems seine eigene Schließung ist. Diese Zielstellung gilt es im Folgenden nachzuzeichnen sowie in ihrer Positionierung unter weiteren Zielstellungen herauszuarbeiten.

Foucaults Analyse der Wissenschaften Operationalisierungen der Foucaultschen Theorie zu einer Nutzbarmachung im Rahmen empirischer Analysen haben über lange Zeit hinweg kaum vorgelegen, wodurch eine Implementierung und Anwendung diskursanalytisch fundierter Studien zusätzlich verlangsamt wurde. Zwischenzeitlich liegt demgegenüber eine Reihe von Einführungswerken in die Foucaultsche Theorie vor, die insbesondere auf deren Operationalisierung und eine empirische Nutzbarmachung abzielen. Für eine Ausbildung empirischer Diskursanalytiker in Großbritannien setzen sich beispielsweise Kendall und Wickham (1999) und (2001) ein. Um Operationalisierung im deutschsprachigen Raum bemühen sich darüber hinaus zahlreiche Beiträge der onlinebasierten Zeitschrift Forum Qualitative Sozialforschung (FQS), wie beispielsweise Diaz-Bone (2005). Eine ausführliche und Überblicke ermöglichende Sammelrezension zu diskurstheoretisch fundierten empirischen Analysen liegt darüber hinaus ebenfalls von Diaz-Bone (2003) vor. Bührmann und Schneider (2008: 42) sehen eine Präzisierung des Diskursbegriffs durch Foucault selbst am weitreichendsten in seiner Archäologie des Wissens (Foucault 1981 [1973]) realisiert. Trotz der zahlreichen späteren Operationalisierungen und Vereinfachungen der Theorien Foucaults lohnt an dieser Stelle ein Blick auf seine ursprünglichen Arbeiten, zumal Foucaults systematische Integration von Wissenschaftsdiskursen in gesellschaftliche Diskurse den Zielstellungen der vorliegenden Studie bei der Beschreibung des diskursiven Umgangs mit dem Thema interkultureller Kommunikation bereits in besonderer Weise entgegen kommt. Foucault betrachtet alle geschichtlichen Prozesse aller gesellschaftlichen Bereiche als miteinander zusammenhängend und einander bedingend. In diese komplexen Interdependenzen sind auch die Wissenschaften eingeschlossen:10

10 »›Wissenschaft als kulturelle Tätigkeit ist zugleich Interaktion und Intervention. Wenn Wissenschaft als kulturelle Praxis verstanden wird, dann gibt es kein bloßes Entdecken‹, meint Mona Singer (2005: 20)« (Pospisil 2009: 14).

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»Was aber, wenn empirisches Wissen zu einer gegebenen Zeit und innerhalb einer gegebenen Kultur wirklich eine wohldefinierte Regelmäßigkeit besäße? Wenn die bloße Möglichkeit, Fakten zu sammeln sich zu erlauben, von ihnen überzeugt zu sein, sie in den Traditionen zu entstellen oder rein spekulativen Gebrauch von ihnen zu machen: was, wenn nicht einmal das der Gnade des Zufalls überlassen bliebe? Wenn Irrtümer (und Wahrheiten), die Anwendung alter Überzeugungen, einschließlich nicht nur wirklicher Enthüllungen, sondern auch der simpelsten Begriffe in einem gegebenen Augenblick den Grenzen eines bestimmten Wissenscodes gehorchten? Kurz, wenn die Geschichte des nicht-formalen Wissens selbst ein System hätte? Das war meine anfängliche Hypothese – das erste Risiko, das ich auf mich nahm« (Foucault 1974 [1966]: 9f).

Foucault versucht, mit seiner Methode der Archäologie das von ihm als solches bezeichnete positive Unbewusste der Wissenschaften herauszuarbeiten. Dabei nimmt er an, dass unterschiedliche Disziplinen unbewusst ähnlichen Regeln folgen, die jedoch nie zusammengebracht werden: »Was ich jedoch erreichen wollte, war, ein positives Unbewusstes des Wissens zu enthüllen: eine Ebene, die dem Bewusstsein des Wissenschaftlers entgleitet und dennoch Teil des wissenschaftlichen Diskurses ist – anstatt über seinen Wert zu streiten und seine wissenschaftliche Qualität zu verringern zu suchen. Was der Naturgeschichte, der Ökonomie und der Grammatik in der Klassik gemeinsam war, war dem Bewusstsein des Wissenschaftlers sicher nicht präsent; oder der Teil, der davon bewusst war, war oberflächlich, begrenzt und nahezu phantastisch [...]; aber die Naturgeschichtler, die Ökonomen und die Grammatiker benutzten – was ihnen selbst unbekannt blieb – die gleichen Regeln zur Definition der ihren Untersuchungen eigenen Objekte, zur Ausformung ihrer Begriffe, zum Bau ihrer Theorien. Diese Gesetze des Aufbaus, die für sich selbst nie formuliert worden sind, sondern nur in weit auseinanderklaffenden Theorien, Begriffen und Untersuchungsobjekten zu finden sind, habe ich zu enthüllen versucht, indem ich als den für sie spezifischen Ort eine Ebene isolierte, die ich, vielleicht zu willkürlich, die archäologische genannt habe« (Foucault 1974 [1966]: 11f).

Foucault geht demnach davon aus, dass selbst die unterschiedlichsten Wissenschaftsund Diskursbereiche von ähnlichen Regeln und Strukturen bestimmt sind, wenngleich dies den Diskursteilnehmern nicht bewusst ist und auch durch Nachforschungen normalerweise nicht sichtbar gemacht werden kann. Eine solche Sichtbarmachung versucht Foucault, indem er zunächst hypothetisch von der Existenz dieser Gemeinsamkeiten ausgeht und sie dann zu beweisen versucht. Strukturalistisch geht Foucault in diesem Ansinnen insbesondere in seinen frühen Werken vor. Dabei geht Foucault davon aus, dass die einzelnen Wissenschaftsautoren einer Epoche nicht als autonom denkende Subjekte verstanden werden dürfen, sondern dass sie stattdessen den Regeln eines Diskurses gehorchen, die weitaus dichter und zugleich weitreichender sind als die formalen und expliziten Regeln einer Wissenschaft: »Ich will nicht die Nützlichkeit der Beschreibungen des geistigen Werdeganges oder die Möglichkeit einer Geschichte der Theorien, Begriffe oder der Themen leugnen. Ich frage mich nur, ob sich solche Beschreibungen selbst genügen, ob sie der ungeheuren Dichte des wissenschaftlichen Diskurses gerecht werden, und ob es nicht außerhalb ihrer gewohnten Grenzen Systeme

70 | I M D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION von Regelmäßigkeiten gibt, die eine entscheidende Rolle in der Geschichte der Wissenschaften spielen. Ich wollte gern wissen, ob die Individuen, die verantwortlich für den wissenschaftlichen Diskurs sind, nicht in ihrer Situation, ihrer Funktion, ihren perzeptiven Fähigkeiten und in ihren praktischen Möglichkeiten von Bedingungen bestimmt werden, von denen sie beherrscht und überwältigt werden. Kurz, ich versuche den wissenschaftlichen Diskurs nicht vom Standpunkt der Regeln, die nur durch die Existenz solchen Diskurses ins Spiel kommen: welche Bedingungen hatte Linné (oder Petty oder Arnauld) zu erfüllen, um seinen Diskurs nicht nur kohärent und im Allgemeinen wahr zu machen, sondern ihm zu der Zeit, in der er geschrieben und aufgenommen wurde, Wert und praktische Anwendung als wissenschaftlichem Diskurs – oder, genauer, als naturgeschichtlichem, ökonomischem oder grammatischem Diskurs zu geben?« (Foucault 1974 [1966]: 14f).

Foucault geht demnach davon aus, dass Wissenschaftler neben der Einhaltung gängiger Regeln wissenschaftlicher Praxis weitere Regeln befolgen, die strukturell deutlich weiter gefasst sind, und deren Einhaltung eine wesentliche Bedingung für die Generierung wissenschaftlichen Wissens darstellt. Auch im Hinblick auf die Thematik interkultureller Kommunikation wurde in der vorliegenden Arbeit unterstellt, dass ihre Genese und ihre konkrete Ausformung als Fach nur vor dem Hintergrund eines Einbezugs weiterreichender gesellschaftlicher Strukturen sowohl diachron als auch synchron plausibel werden können. Interkulturelle Kommunikation: Wissenschaften ohne Tradition Autoren zur interkulturellen Kommunikation stellen ihre Fachrichtung häufig als innovativ und an aktuellen gesellschaftlichen Problemstellungen ausgerichtet dar. Zugleich wird damit auf eine Verankerung in einer längeren Wissenschaftstradition meist verzichtet, was Kritiker gegenüber der Fachrichtung gelegentlich als Argument wider die Wissenschaftlichkeit des gesamten Forschungsgebiets ins Feld führen. Diese geringe historische Verankerung in den Wissenschaften scheint von Seiten der Autoren zur interkulturellen Kommunikation selbst hausgemacht. Eine argumentative Selbstverortung in den (vergleichenden) Kulturwissenschaften wäre sicherlich ebenso realisierbar wie die gegenwärtig meist präferierte Identifikation mit aktueller gesellschaftlicher Relevanz. Selbst eine Argumentation wissenschaftlichen Wandels im Sinne eines einsetzenden turns oder eines Paradigmenwechsels gegenüber früheren Fachrichtungen konnte sich bislang kaum Gehör verschaffen. Doch selbst wenn eine plausible Wissenschaftstradition nicht vorhanden wäre, käme dies im Falle interkultureller Kommunikation nicht zum ersten Mal vor. Auch Foucault beobachtet, dass sich im neunzehnten Jahrhundert die Humanwissenschaften herausgebildet haben, ohne dass es hierzu eine Wissenschaftstradition gegeben hätte, die zu einer Entstehung dieser Humanwissenschaften logisch hingeführt hätte: »Das erste, was man feststellt, ist, dass die Humanwissenschaften kein bereits vorgezeichnetes Gebiet als Erbschaft mitbringen, das vielleicht in seiner Gesamtheit abgesteckt wäre, aber brachläge, und das sie nun mit schließlich wissenschaftlichen Begriffen und positiven Methoden erarbeiten müssten. [...] Das erkenntnistheoretische Feld, das die Humanwissenschaften durchlaufen, ist nicht im voraus vorgeschrieben gewesen: keine Philosophie, keine politische oder moralische Option, keine empirische Wissenschaft gleich welcher Art, keine Beobachtung des menschlichen Körpers, keine Analyse der Sinneswahrnehmung, der Vorstellungskraft oder

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der Leidenschaft ist jemals im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert auf etwas wie den Menschen gestoßen. Der Mensch existierte ebenso wenig wie das Leben, die Sprache und die Arbeit« (Foucault 1974 [1966]: 413).

Foucault stellt die Situation vor der Herausbildung der Humanwissenschaften so dar, dass aus seiner Sicht von Seiten der Wissenschaften überhaupt keine Motivation zu einem wissenschaftlichen Wandel oder gar Neuanfang bestanden habe. Die Hauptgründe und Motive müssten aus dieser Sicht demnach zwingend außerhalb wissenschaftlicher Diskurse gesucht werden. Sicherlich stellt eine solche Situation außerwissenschaftlich motivierter Neuanfänge in den Wissenschaften in keiner Weise einen Einzelfall dar. Initiativen aus der Gesellschaft heraus finden sich sicherlich in jeder Epoche zuhauf. Eine ähnlich Beobachtung konnte beispielsweise bereits im Hinblick auf den enormen Attraktivitätsgewinn von Ideen zur interkulturellen Mediation als einem regelgeleiteten Instrument zur konstruktiven Bearbeitung interkultureller Kontaktsituationen um die Jahrtausendwende in den Sozialwissenschaften gemacht werden (Busch 2005: 26f). Interkulturelle Mediation schien dabei ein Konzept zu sein, mit dessen Hilfe Antworten auf Fragestellungen gegeben werden sollten, die von westlichen Gesellschaften als dringlich wahrgenommen worden sind, namentlich die Frage nach einem konstruktiven Umgang mit kulturellen Einflüssen auf interkulturelle Kontaktsituationen. Dass es sich bei der Idee interkultureller Mediation mehr um den Ausdruck eines gesellschaftlichen Bedürfnisses nach griffigen Lösungen denn um eine wissenschaftlich hergeleitete Optimierung eines konstruktiven Umgangs mit Kulturalität handelte, ließ sich erst durch das Aufdecken und Aufzeigen innerer Brüche nachweisen. Bei genauerem Hinsehen konnte hier aufgezeigt werden, dass das Instrument interkultureller Mediation in der Form, wie es im Rahmen zentraler Publikationen konstruiert wurde, keine optimalen Lösungsvorschläge für die Problemstellungen anbieten konnte, die in einer Erforschung interkultureller Kommunikation bis dato im Zentrum standen. Andere, traditionell als relevant erachtete Problemstellungen konnten damit überhaupt nicht erreicht werden. Foucault versucht einen solchen, außerwissenschaftlich motivierten Wandel der Wissenschaften begrifflich zu erfassen und präziser zu beschreiben. In dem von ihm beobachteten Fall des Aufkommens der Humanwissenschaften bestand eine wesentliche Veränderung der Wissenschaftslandschaft darin, dass plötzlich der Mensch in den Fokus der Wissenschaften gerückt war. Diese Veränderung bezeichnet Foucault als Ereignis: »Aber wenn diese Ausführungen wohl erklären können, warum in einem bestimmten Umstand und als Antwort auf eine präzise Frage diese Wissenschaften sich artikuliert haben, kann ihre immanente Möglichkeit, die nackte Tatsache, dass zum ersten Mal, seit es menschliche, in Gesellschaft lebende Wesen gibt, der Mensch isoliert oder in der Gruppe zum Gegenstand der Wissenschaft geworden ist, nicht als ein Phänomen der Anschauung betrachtet oder behandelt werden: es ist ein Ereignis innerhalb der Ordnung des Wissens« (Foucault 1974 [1966]: 414).

Ausgelöst werde dieses Ereignis Foucault zufolge demnach durch Wissensordnungen, in denen das Ereignis zugleich auch seinen zwingenden und singulären Platz

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haben muss. Dass es zu einer solchen inhaltlichen Verschiebung kam, ist Foucault zufolge auf eine Veränderung der episteme zurückzuführen: »Und dieses Ereignis hat sich in einer allgemeinen Neuverteilung der episteme vollzogen: als die Lebewesen den Raum der Repräsentation verließen und sich in der spezifischen Tiefe des Lebens, die Reichtümer im fortschreitenden Druck der Produktionsformen, die Wörter im Werden der Sprache ansiedelten. Unter diesen Bedingungen war es nötig, dass die Kenntnis vom Menschen in seiner wissenschaftlichen Betrachtung als mit der Biologie, der Ökonomie und der Philologie gleichzeitig und mit gleichem Ursprung auftauchte, so dass man in ihr ganz natürlich einen der entscheidendsten, in der Geschichte der europäischen Kultur durch die empirische Rationalität vollzogenen Fortschritte gesehen hat« (Foucault 1974 [1966]: 414).

Foucault zufolge erscheint ein solcher wissenschaftlicher Wandel, wie die plötzliche Hinwendung zum Menschen als Zentrum der Forschung, für die zeitgenössischen Autoren und für die Gesellschaft als zwingend, bzw. gar nicht anders vorstellbar. Bei der Veränderung handelt es sich demnach im Grunde um eine überfällige Korrektur, deren Durchführung jedoch nicht einmal explizit eingestanden wird. Das Ergebnis des Wandels wird in der Folge als immer dagewesener Zustand wahrgenommen und nicht mehr hinterfragt. Die Herausbildung der Humanwissenschaften bringt Foucault mit einem allgemeinen Prozess einer Ausdifferenzierung der Wissenschaften im Sinne verschiedener Episteme in Zusammenhang. Während bis dato jedes Wissen in einer universalen Logik und Taxonomie eingeordnet wurde,11 differenzieren sich die Episteme seither in drei verschiedene Richtungen aus. Jede der Richtungen folgt unterschiedlichen Epistemen, unterschiedliche Denklogiken machen das Unterscheidungskriterium zwischen den einzelnen Wissenschaftsbereichen aus: In einer ersten Dimension entfalten sich die mathematischen gegenüber den nichtmathematischen Naturwissenschaften. Beide Richtungen bauen immer auf einer deduktiven Verkettung verifizierbarer Aussagen auf. In einer zweiten Dimension stehen Sprache, Leben und die Produktion und Distribution von Reichtümern im Vordergrund. Dominiert wird dieser Bereich von einer Logik, in der diskontinuierliche, aber analoge Elemente zueinander in Beziehung gesetzt werden, so dass kausale Relationen entstehen können. In einer dritten Dimension wird das Denken als Gleichung verstanden: Praktiziert wird dies insbesondere in den Bereichen von Linguistik, Biologie und Ökonomie (Foucault 1974 [1966]: 416). Foucault stellt fest, dass die neu herausgebildeten Humanwissenschaften keiner dieser Logiken folgen. Sie stehen somit einerseits außerhalb, andererseits jedoch auch innerhalb der weiteren genannten Disziplinen, indem die Humanwissenschaften allen weiteren Disziplinen als Ausgangspunkt ihrer Forschung dienen (Foucault 1974 [1966]: 417).

11 »In der klassischen Epoche war vom Vorhaben einer Analyse der Repräsentation bis hin zum Thema der mathesis universalis das Feld des Wissens vollkommen homogen: jede beliebige Erkenntnis ging beim Ordnen mit Hilfe der Errichtung der Unterschiede vor und definierte die Unterschiede durch die Errichtung einer Ordnung« (Foucault 1974 [1966]: 415).

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In der vorliegenden Studie geht es um die Beschreibung der Herausbildung einer Erforschung interkultureller Kommunikation sowie um eine Nachzeichnung der Bedingungen für deren spezifische gegenwärtige, konkrete Ausprägung. Wenn Foucault in Epistemen den Auslöser für verändernde Diskursereignisse sieht, so ließe sich in diesem Zusammenhang fragen, ob und auf welche Weise das Konstrukt Kultur als ein solches Epistem verstanden werden kann, das eine neue Denkrichtung bestimmt. Die Existenz von Kultur, ihre Formen der Einflussnahme auf soziales Handeln und auf interkulturellen Kontakt, sind etwas, das außerwissenschaftlich von einer Gesellschaft als gegebenes Problem konstruiert wird. Damit wächst sich das Wissen um Kultur zu einer Wissensform aus, deren Existenz und Wirkmächtigkeit durch gesellschaftliche Strukturen zementiert und verstärkt wird. Auf ihren Impetus muss auch die wissenschaftliche Forschung eingehen und einen entsprechenden Forschungsbereich einrichten, dessen Struktur durch die gegebenen Episteme ebenfalls bereits vorbestimmt ist. Die Forschung würde in diesem Fall genau das zu erforschen versuchen, was ihren eigenen Wandel verursacht hat. Foucault selbst dürfte die gegenwärtige gesellschaftliche und wissenschaftliche Fokussierung von Kultur als Bestandteil oder als Folge der von ihm beobachteten Hinwendung zu den Humanwissenschaften verstehen. Das Verhältnis von Wissenschaftsdiskursen und Alltagsdiskursen Die Entwicklung und die Herausbildung der Humanwissenschaften hat Foucault als einen Naturalisierungsprozess beschrieben. Dieser besteht darin, dass diskursive Annahmen in ihrem räumlichen und zeitlichen Ursprung von ihrer gegenwärtigen Substanz und Ausprägung abgeschnitten werden. Thomas Höhne (1998) zeigt mit Verweis auf Bourdieu (1974: 10), dass diese Naturalisierungsprozesse auch auf die Genese wissenschaftlicher Diskurse zutreffen. So habe sich beispielsweise die Tradition des Strukturalismus grundlegend – und dank eines Naturalisierungsprozesses beinahe unbemerkt – gewandelt: Wo zunächst ein »Denken in Substanzen« (Höhne 1998) vorgeherrscht hatte, dominierte demnach später ein »Primat der Relationen« (Höhne 1998). Höhne zufolge zeigte sich darin, dass die Wissenschaften in ihrem Anspruch und ihrem Ansatz zur Weltbegründung durchaus wandlungsfähig sind und im Grunde keine dauerhafte substanzielle Grundlegung bereitstellen können. Wissenschaftliche Erkenntnis könne demnach auch lediglich als Bestandteil gesellschaftlicher Diskurse verstanden werden, woraufhin eine Aufgabe diskursanalytischer Kritik wiederum in der Nachzeichnung dieser Naturalisierungsprozesse läge (Höhne 1998). In den folgenden Abschnitten sollen einige Begrifflichkeiten und Unterscheidungen besprochen werden, mit denen sich das Verhältnis zwischen Wissenschaftsdiskursen und Alltagsdiskursen, oder zumindest einzelne Aspekte dieses Verhältnisses genauer beschreiben lassen. Lese- und schreiborientierte Texte Stereotyp wird angesichts einer Unterscheidung zwischen Wissenschafts- gegenüber Alltagsdiskursen sicherlich gelegentlich davon ausgegangen, dass Gesellschaftsdiskurse Fragen generieren, auf die Wissenschaftsdiskurse versuchen, eine möglichst passgenaue Antwort zu generieren. Geht man weiterhin stereotyp davon aus, dass zumindest Wissenschaftsdiskurse sich primär traditionell in der schriftlichen Form von Publikationen niederschlagen, dann wird innerhalb dieser schriftlichen Diskurse

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die Unterscheidung zwischen lese- und schreiborientierten Texten interessant, auf die Parker (2008: 552) bei Roland Barthes (1977) hinweist. Leseorientierte Texte können demnach nur gelesen und reproduziert werden. Hierzu zählen beispielsweise Lehrbücher und Handbücher. Insbesondere die Forschung zur interkulturellen Kommunikation hat in den Jahren 2000 bis 2010 eine anwachsende Zahl an Lehr- und Handbüchern hervorgebracht und scheint demnach eine neue diskursive Qualität zu akquirieren. Schreiborientierte Texte dagegen laden zum Weiterdenken und zur Weiterentwicklung ein. Im wissenschaftlichen Bereich können hierzu eventuell Textgattungen wie beispielsweise Zeitschriftenartikel gerechnet werden, die sich als Kritiken an früheren Beiträgen konstituieren und zur zukünftigen Kritik ihrer selbst einladen. Eine Etablierung von leseorientierten Texten erfordert im Sinne wissenschaftlicher Praxis sicherlich vorab eine gewisse Auseinandersetzung mit der Thematik in schreiborientierten Texten, mit deren Hilfe der Forschungsgegenstand erst entwickelt wird. Während sich ein zeitlich eingrenzbares Aufkommen von leseorientierten Texten zur interkulturellen Kommunikation von Seiten der Wissenschaften demnach deutlich bemerkbar macht, erscheint eine Bewertung der Produktion schreiborientierter Texte deutlich schwieriger: Ob sie weithin rezipiert werden und in welcher Größenordnung sie in der Folge zu einer Veränderung oder Weiterentwicklung der Fachrichtung beitragen, kann meist erst retrospektiv eingeschätzt und ermessen werden. Mit anderen Worten: eine signifikant ansteigende Produktion schreiborientierter Texte ist (wenngleich der Autor hofft, dass zumindest der vorliegende Text zu dieser Gattung gezählt werden mag) im Bereich interkultureller Kommunikation derzeit nicht unmittelbar in Sicht. Ein entsprechender Einblick mag jedoch auch durch die genannten strukturellen Hürden verhindert werden. Nicht zuletzt kann eine Unterscheidung zwischen lese- und schreiborientierten Texten zur interkulturellen Kommunikation jedoch einen Einblick in die Beschaffenheit des Wissenstransfers zwischen Wissenschafts- und Gesellschaftsdiskursen vermitteln. Interdiskurse Interdiskurse sind Verbindungen und Verzahnungen zwischen einzelnen gesellschaftlichen Diskursebenen und -bereichen. Für Jürgen Link stellt der Begriff der Interdiskurse einen der relevantesten Einstiegspunkte in die Foucaultsche Diskursanalyse dar. Dabei stützt sich Link zusätzlich zu Foucault auf Weiterentwicklungen des Begriffs bei Pêcheux (1982: 10). Während Pêcheux den Begriff des Interdiskurses jedoch primär dafür verwendete, um Interrelationen zwischen sozial vertikal angeordneten Ebenen zu beschreiben, versteht Link Interdiskurse im Sinne Foucaults vor allem als Verzahnung sozial horizontal verbundener Ebenen.12 Ähnlich wie die Unterscheidung zwischen lese- und schreiborientierten Texten kann das Konzept der In-

12 »Pêcheux ging von Althussers Klassenvorstellung (›Struktur mit Dominante‹) aus und sah im ›interdiscours‹ das ›vertikale‹ Spiel von partiellen Überschneidungen, Integrationen usw. zwischen hegemonialem und dominiertem Wissen. Ich setzte dagegen, ausgehend von Foucaults ›configuration interdiscursive‹ (synonym mit ›inter-positivité‹), bei der WissensSpezialisierung (Wissens-Spaltung) an, von deren Nicht-Identität mit der Klassenspaltung ich überzeugt bin (wenn sich beide Spaltungen natürlich auch koppeln, allerdings ohne jede ›Ableitbarkeit‹)« (Link/Diaz-Bone 2006: 10).

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terdiskurse eventuell einen Beitrag dazu leisten, im Falle der Diskursthematik interkultureller Kommunikation Verflechtungen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen genauer identifizieren zu können. Der von Link aufgegriffene Terminus des Interdiskurses wird später von Siegfried Jäger weiterentwickelt und verwendet. Link veranschaulicht horizontale Verflechtungen zwischen Diskursen unterschiedlicher gesellschaftlicher Bereiche an folgendem Beispiel und definiert damit zugleich die Begriffe Diskurs und Interdiskurs: »Interdiskurs: Wenn heutige Jugendliche sich metaphorisch derart äußern, dass sie irgendetwas ›auf ihrer Festplatte schon gelöscht haben‹, dann erwähnen sie dabei auf extrem komplexitätsreduzierte Weise ein gewisses Wissen aus der Computerpraxis, hinter dem wiederum ein Wissen aus der Informatik steckt. Wenn sie sich ›voll behindert‹ schimpfen, besteht eine analoge Fährte zu einem möglicherweise psychologischen oder psychiatrischen Wissen. Wie gesagt, so etwas läuft sehr komplexitätsreduziert. Das jeweilige ›professionelle‹ Wissen gehört zu Sagbarkeits- und Wissbarkeitsräumen, die FOUCAULT ›Diskurse‹ genannt hat (z.B. die Humanwissenschaften). Ich spreche hier von ›Spezialdiskursen‹, weil es auch einen grundsätzlich anderen Diskurstyp gibt, der auf nicht-spezialistische, ›allgemeine‹ Publika zielt. Unsere Massenmedien bilden dafür heute das einfachste Beispiel. Dort ist der Sagbarkeits- und Wissbarkeitsraum durch das Medienleute-Prinzip ›Zuschauer da abholen, wo sie stehen‹ beschränkt. Zwar können im medialen Diskurs Wissenselemente aus Biologie, Medizin, Verkehrstechnik oder Psychologie und Geschichte in bunten Mixen auftauchen, aber jeweils extrem komplexitätsreduziert und zur subjektiven Identifikation aufbereitet. Diese kombinatorischgeneralistischen Diskurse, die man sich demnach wie von einem ›metaphorischen‹ Prozess en gros generiert vorstellen kann, nenne ich ›Interdiskurse‹« (Link/Diaz-Bone 2006).

Link bezieht den Begriff der Interdiskurse demnach zunächst auf das Phänomen der Übernahme von Wissen aus (wissenschaftlichen) Spezialdiskursen in den allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs. Während die Grundinhalte aus den Spezialdiskursen meist erhalten bleiben, durchlaufen sie doch meist eine erhebliche Komplexitätsreduktion und dienen in den Alltagsdiskursen meist als Optionen metaphorischer Beschreibung für andere Kontexte in den Alltagsdiskursen. Links eigenes Anwenderinteresse gilt dabei größtenteils der fiktionalen Literatur, in der er die Funktion von Interdiskursen exemplarisch analysiert und darstellt (Link/Diaz-Bone 2006: 22). Jäger (2009b: 131) übernimmt das Modell der Interdiskurse von Link in Form einer graphischen Darstellung zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen Wissenschafts- und Alltagsdiskursen nach Link (1986: 6). Drei unterschiedliche Wissenschaftsbereiche aus naturwissenschaftlichen, humanwissenschaftlichen und interdiskursiv dominierten Spezialdiskursen stehen hier dem Alltagswissen gegenüber und üben auf unterschiedlich starke Weise eine gestaltende Macht über das Alltagswissen aus. Die Rückwirkung des Alltagswissens auf die wissenschaftlichen Spezialdiskurse wird dabei als relativ gering eingestuft.13 Zugleich irritiert die bipolare Gegenüber-

13 Hierzu räumt Link ein, dass die wissenssoziologische Diskursanalyse nach Keller (2005) umgekehrt eine bottom-up-Herangehensweise liefere, die eine sinnvolle Ergänzung zum top-down-Ansatz Links darstellt. Ähnlich seiner Kritik an linguistischen Diskursanalysen sieht Link angesichts der wissenssoziologischen Diskursanalyse jedoch auch die Gefahr

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stellung von Wissenschafts- und Alltagsdiskursen angesichts ihrer klaren Abgrenzbarkeit, die auch von Jäger kritisiert wird (2009b: 132): Tragbarer erscheint demgegenüber ein Verständnis von Wissenschaftsdiskursen als Bestandteil des gesamtgesellschaftlichen (Alltags-)Wissens. Link (2005: 86) unterteilt Diskursformationen mit Hilfe einer horizontalen und einer vertikalen Dimension: In einer horizontalen Dimension geht es um eine Spezialisierung im Sinne von Spezialdiskursen. Eine vertikale Dimension berücksichtigt eine Differenzierung aufgrund von Machtverhältnissen (auch Bührmann/Schneider 2008: 65): »In einem nächsten Schritt schlage ich nun vor, Foucaults ›diskursive Formationen‹ bzw. ›Diskurse‹ als ›Spezialdiskurse‹ zu spezifizieren. Es dürfte einleuchten, dass die (›horizontale‹) Achse der Wissensteilung (als wissenssoziologischer Aspekt von Arbeitsteilung) eine Achse der Spezialisierung von Wissen ist und dass Foucaults ›Diskurse‹ als eng begrenzte Sagbarkeits- und Wissbarkeitsräume Objekte und Subjekte eines jeweils sehr speziellen Wissens generieren. Das gleiche gilt für auf dieser Basis institutionalisierte spezielle Wissenschaften. [...] Nun lässt sich jedoch, in seiner kulturellen Gesamtheit betrachtet, der Prozess der diskursiven Produktion und Reproduktion keineswegs allein von der Tendenz zur Spezialisierung her begreifen. Neben der stets zunehmenden Tendenz zur Spezialisierung und Differenzierung existiert eine gegenläufige, entdifferenzierende, partiell reintegrierende Tendenz der Wissensproduktion, die ich in Systematisierung Foucaultscher Hinweise die interdiskursive nenne« (Link 2005: 86).

Link wendet sich mit seiner Definition demnach zugleich auch gegen die alltagsweltliche Vorstellung einer permanenten Spezialisierung und Ausdifferenzierung von Wissen ohne das Aufrechterhalten von Verbindungen zwischen den spezialisierten Bereichen. Interdiskurse bleiben Link zufolge grundsätzlich weiterhin bestehen. Sie ermöglichen einen Austausch zwischen den Spezialgebieten, wenngleich dies meist mit einer deutlichen Komplexitätsreduzierung des vermittelten Wissens einhergeht. Kollektivsymbolik Auf einer empirischen Ebene ist Links Diskursforschung wesentlich auf eine Identifizierung und eine Interpretation des Einsatzes von Symbolen in sprachlichen Texten hin ausgerichtet. Eine theoretische Grundlage bildet hier der Strukturalismus, der auf diese Weise bereits den Sprachwissenschaften im Allgemeinen, vorangetrieben durch Autoren wie de Saussure ([2001] 1916) und Jakobson (1990), zu einem Schub hin zu einer interpretativ informierten Wissenschaft verholfen hatte: Aus strukturalistischer Sicht erscheinen isolierte Zeichen zunächst bedeutungslos. Kulturen zeichnen sich demgegenüber jedoch dadurch aus, dass sie über kollektiv verankerte Symbole verfügen, die untereinander eine Struktur bilden (Link/Diaz-Bone 2006). So genannte Kollektivsymbole im Sinne Links sind entsprechend Metaphern, die durch das Einfließen mehrerer Spezialdiskurse in einen Interdiskurs entstehen und die diesen In-

einer Vernachlässigung der Ebene der Spezialdiskurse. Grundsätzlich müsse der postdiskursive Charakter individuellen Handelns gewahrt bleiben. (Link/Diaz-Bone 2006: 34).

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terdiskurs zentral versinnbildlichen.14 Die Kollektivsymbole einer Kultur bilden laut Link eine komplexe Struktur, die jedoch offen und in permanentem Wandel begriffen ist. In einer seiner zentralen Arbeiten behandelt Link beispielsweise das Kollektivsymbol des Ballons in der Literatur des 19. Jahrhunderts.15 Auf welcher Ebene die Thematik interkultureller Kommunikation mit Hilfe des Instruments der Kollektivsymbolik erfasst werden kann, müsste zunächst eruiert werden. Sicherlich erscheint der Kulturbegriff an sich zu abstrakt, um auch in Alltagsdiskursen die Funktion eines Kollektivsymbols übernehmen zu können. Auf einer darunterliegenden Ebene kursieren jedoch sowohl in Alltags- als auch in Wissenschaftsdiskursen zahlreiche Metaphern dazu, wie Kultur beschaffen sei und wie sie wirke. Zunächst mögen diese Metaphern untereinander noch konkurrieren, so dass keine für sich die alleinige Deutungsmacht beanspruchen kann. Dennoch kommt ihnen sicherlich ein gewisser Einfluss zu. Besonders prominent mag an dieser Stelle beispielsweise die Metapher von Kultur als einer Zwiebel, bzw. einem Eisberg sein, die bereits an früherer Stelle in dieser Studie bibliographisch genannt worden sind. Eine Kritik an der Metaphorik dieser Modelle liefern Fan, Cao und Wang (2010) aus chinesischer Sicht und unterstreichen auf diese Weise noch einmal zusätzlich die Kulturspezifik dieser Metaphern. Zwiebel- und Eisbergmodell mögen durchaus eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Genese eines alltagsdiskursiven Selbstverständnisses von der eigenen, westlichen Kultur spielen. Ihre Nicht-Verwendbarkeit in außereuropäischen Kontexten deutet dabei einmal mehr auf die Geschlossenheit des Diskurses um interkulturelle Kommunikation hin. Normalismus Die bisherigen Begriffskonzepte haben dazu gedient, interne Relationen und Interdependenzen innerhalb eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses herauszuarbeiten. Der Begriff des Normalismus, dessen Bedeutung Link für die Diskursanalyse herausstreicht, dient darüber hinaus einer Präzisierung der Außengrenzen eines Diskurses. Während der Begriff des Normalismus sicherlich ebenfalls zunächst auf den Kern des Sagbaren und des Wissbaren eines Diskurses abzielt, steckt er doch zugleich auch die Grenzen dieses Sagbaren ab. Während Link zufolge der Begriff der Normalität gegenwärtig tendenziell inflationär verwendet wird, wurde er doch erst durch die so genannte Verdatung der Welt ab 1800 erst möglich und denkbar. Ab diesem Zeitpunkt sieht Link eine zunehmende Tendenz dazu, Normalität auf der Grundlage von Daten zu messen. Im weiteren Zeitverlauf differenziert Link zunächst ein Regime des so genannten Protonormalismus bis ca. 1945, in dem vergleichsweise enge und klar abgrenzbare Normalitätsvorstellungen dominierten. Später wurde Link zufolge der

14 Dabei räumt Link selbst ein, dass es sich bei Kollektivsymbolen zunächst um Metaphern handelt. Die genaue Einordnung in ein metapherntheoretisches Modell ist ihm dabei unwichtig. Von Bedeutung ist stattdessen die diskursive Funktion der Kollektivsymbole: »Schon als Schüler habe ich mich über die Vielzahl von Begriffen für ›Sprachbilder‹ geärgert: Symbol, Allegorie, Sinnbild, Emblem, Gleichnis, Vergleich, Analogie, Modell, Metapher. Ich glaubte überall eine identische semiotische Grundstruktur zu sehen und hielt die Differenzen auf dieser Basis für definierbar« (Link/Diaz-Bone 2006: 24). 15 Link (2006: 24) verweist hier auf seine eigenen Arbeiten in Link (1982; 1984).

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Spielraum dessen, was als normal angesehen werden konnte, schrittweise ausgedehnt. Link bezeichnet diesen Prozess der Ausweitung sowie diese Epoche als flexiblen Normalismus (Link/Diaz-Bone 2006: 26f). Für eine Hinwendung zu einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Interkulturalität dürfte diese Erweiterung zum flexiblen Normalismus einen wesentlichen und fördernden Beitrag geleistet haben, wenn dadurch nicht sogar eine Grundbedingung für eine akzeptierendere Auseinandersetzung mit dem Eigenen gegenüber dem Fremden erst geschaffen wurde. Erst innerhalb dieses erweiterten Normalitätsrahmens erscheint eine Akzeptanz kultureller Differenz überhaupt denkbar und legitim, wenngleich das Differenzbewusstsein selbst aufgrund des weiterhin bestehenden Normalitätsbewusstseins bestehen bleibt. Geschaffen wird auf diese Weise eine Zone der Sagbarkeit und des Wissens, die jedoch grundsätzlich den sie auszeichnenden, problematischen Charakter behält. Interkulturelle Kommunikation als auf Dauer problembehaftetes Thema wird auf diese Weise etabliert und als eine Form der Bezeichnung von Randzonen der Normalität institutionalisiert. Diskursive Praxis Mit den Begriffen der diskursiven Praxis und der Diskursformationen versucht Foucault analytische Einheiten innerhalb von Diskursen einzuschieben, die jedoch weiter gefasst sind als einzelne Äußerungen oder als die Fähigkeit zur Tätigung einzelner Äußerungen. Unter einer diskursiven Praxis versteht Foucault stattdessen die »Gesamtheit von anonymen, historischen, stets im Raum und in der Zeit determinierten Regeln, die in einer gegebenen Epoche und für eine gegebene soziale, ökonomische, geographische oder sprachliche Umgebung die Wirkungsbedingungen der Aussagefunktion definiert haben« (Foucault 1981 [1973]: 170) zit. nach Bührmann und Schneider (2008: 42).

Bührmann und Schneider stellen dabei heraus, dass bei einer Analyse diskursiver Praxis in der Tat nicht die Inhalte von Aussagen, sondern die Bedingungen von Interesse sind, die darüber entscheiden, was aus einem ansonsten unbegrenzten Potential sprachlicher Äußerungsmöglichkeiten unter bestimmten Bedingungen tatsächlich gesagt wird (Bührmann/Schneider 2008: 43). Mit dem Aspekt der diskursiven Praxis deutet Foucault demnach gerade auf die Mechanismen, durch die die Inhalte von Diskursen gebildet und gesteuert werden. Im Hinblick auf eine Analyse des Diskurses um interkulturelle Kommunikation zielt die bislang formulierte Fragestellung insbesondere auf diese Praxen ab, die neben oder jenseits offizieller Regeln zur Praxis wissenschaftlichen Arbeitens wirken. Diskursformationen Neben Formen der Binnendifferenzierung des diskursiven Materials um den Forschungsgegenstand interkultureller Kommunikation sind auch Möglichkeiten der Differenzierung nach außen und Formen der Trennung zwischen relevantem und nicht relevantem Material sinnvoll und von Interesse. Bührmann und Schneider (2008: 42) zufolge bettet Foucault (1981 [1973]: 170) mögliche Inhalte und Strukturen von Diskursen zunächst ein in eine grundsätzliche, positive Existenz beliebiger Aussagen. Zu einem Diskurs wird eine Menge von Aussagen für Foucault dann, wenn diese Aussagen zur selben diskursiven Formation gehören:

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»In ihrem jeweiligen Aussagengehalt unterschiedliche, aber ähnlich streuende Aussagen verketten sich für Foucault dann zu einer diskursiven Formation, oder kurz: zu einem Diskurs [...], wenn diese begrenzte Anzahl von Aussagen sich durch je angebbare Regeln ihrer praktischen Hervorbringung ausweisen lässt« (Bührmann/Schneider 2008: 42).

Diskursformationen können dank ihres eingrenzenden und begrenzenden Charakters bereits die theoretische Grundlage für die Analyse eines thematisch begründeten Diskurses liefern. Ein Beispiel für eine solche Analyse einer Diskursformation liefert Ha (2009: 25f), der auf diese Weise den diachronen Wandel und die Funktion des Begriffs der Hybridität beschreibt. Das Phänomen der Diskursformation hilft Ha dabei, Vorstellungen von Hybridität als Ausdruck weitreichenderer, gesamtgesellschaftlicher Vorstellungen und Projektionen zu interpretieren und zu verstehen: »Vor allem lassen sich Diskurse als Repräsentationen einer Ideengeschichte lesen, die über die Gedankenwelten und vorherrschenden Vorstellungen einer Gesellschaft zu einer bestimmten Epoche Auskunft gibt. Der Hybriditätsdiskurs ist im gesamten Untersuchungszeitraum maßgeblich durch unterschiedlich konnotierte phantasmagorische Dimensionen aufgeladen und als kulturelles Phänomen in gesamtgesellschaftliche Kontexte eingebunden. Als Diskursformation sind solche Aussagen daher nicht nur im Sinne individueller Psychogramme ihrer Urheber/innen zu betrachten, sondern können aufgrund ihres interpersonellen Charakters auch als Zeitdiagnosen studiert werden, die gesellschaftlich relevante Ängste, Hoffnungen und Begierden offen legen« (Ha 2009: 25).

Die Berufung auf eine Analyse von Diskursformationen sowie auf die Implikationen von Diskursformationen für einen weiteren gesellschaftlichen Kontext helfen Ha an dieser Stelle gleichsam dabei, eine theoretisch und methodisch fundierte und abgesicherte Form historiographischer Forschung durchzuführen. Gleichzeitig dient der Begriff der Diskursformationen Ha einer Eingrenzung der Diskurse um einen Begriff und eine Thematik, die andernfalls kaum abgesteckt werden könnte: »In Anlehnung an Michel Foucaults Verständnis von Diskurs und Macht/Wissen [Hervorhebung im Original, D.B.], das er in seinen historisch orientierten Wissensarchäologien, u.a. in ›Wahnsinn und Gesellschaft‹ (1969) und ›Die Ordnung der Dinge‹ (1974 [1966]), dargelegt hat, lese ich in diesem Buch die eurozentrierte Kulturgeschichte der Hybridität als eine mehrschichtige, dynamisch geprägte Diskursformation. [...] Darunter ist eine ideelle Verdichtung im Prozess der Bedeutungskonstitution zu verstehen, wodurch eine Thematik wie Hybridität als Objekt der Wissensproduktion paradigmatisch kommuniziert werden kann: [...] Die Art und Weise wie Diskurse sich organisieren, welche Bedeutungen sie generieren, welche Perspektiven und Subjektpositionen sie zulassen oder ausschließen, erfolgt nicht zufällig, sondern unterliegt den Bedingungen für die Konstitution von Machtverhältnissen in und zwischen Gesellschaften« (Ha 2009: 26).

Ha spricht auf diese Weise Charakteristika seines Forschungsgegenstands an, die auch für eine Untersuchung der diskursiven Thematik interkultureller Kommunikation zutreffen: Wesentlich sind dabei die angenommene eurozentrische Perspektiveneinschränkung, das Fehlen eines konkret identifizierbaren und benennbaren definitorischen Kerns sowie die Annahme eines Wandels der genannten Thematik unter ei-

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ner Beeinflussung durch gesellschaftliche Regeln und Hegemonialverhältnisse. Zugleich wird angenommen, dass eine Analyse des genannten Gegenstands Einblicke in und Rückschlüsse auf größere Kontexte gesellschaftlichen zeitgenössischen Empfindens zulässt. Die Zirkularität von Spezial- und Interdiskursen Spezial- und Interdiskurse führen aufgrund der bereits erläuterten diskursiven Geschlossenheit als einem Charakteristikum von Diskursen in der Regel nicht zu neuen Ergebnissen oder Veränderungen in der Einschätzung von Phänomenen. Demzufolge muss damit gerechnet werden, dass die an dieser Stelle diskutierten Verknüpfungen aus Spezial- und Interdiskursen mit großer Wahrscheinlichkeit zu Kreisschlüssen und zu einer gewissen Zirkularität führen, was eventuell dem Selbstverständnis einzelner Diskursteilnehmer, wie beispielsweise dem Beitrag der Wissenschaften zur Thematik interkultureller Kommunikation, widersprechen mag. Bereits Foucault sah ein wesentliches Anliegen seiner Argumentation darin, aufzuzeigen, dass es den gemeinhin angenommenen linearen Fortschritt in den Wissenschaften nicht gibt und nicht geben kann. Stattdessen spricht Foucault lediglich von diskursiven Entwicklungen: »Foucault wollte mit der Forderung des Hinterfragens und Ausweisens des jeweiligen ›historischen Apriori‹ den durch die Aufklärung tradierten Vorstellungen von Fortschritt, historischer Kontinuität, vom Wesen, von der Natur des Menschen sowie von (letztgültiger) Wahrheit und Freiheit gleichsam den Boden entziehen [...] um sein Projekt der Aufklärung über die diskursiv vermittelten Macht-/Wissens-Formationen sowie den damit einhergehenden Subjektkonstitutionen profilieren zu können« (Bührmann/Schneider 2008: 38).

Wendet man diese diskurstheoretischen Einsichten auf den wissenschaftlichen und den gesellschaftlichen Diskurs zur interkulturellen Kommunikation an, so muss mehr oder weniger zwingend gefolgert werden, dass in diesen Diskursen zwar einerseits permanent ein Problembewusstsein sowie ein dazugehöriger Lösungsdruck kommuniziert werden. Andererseits muss jedoch auch klar erkannt werden, dass vor dem Hintergrund diskurstheoretischer Annahmen nicht damit zu rechnen ist, dass es innerhalb des Diskurses möglich ist, tatsächlich umsetzbare Lösungskonzepte zu erarbeiten. Darüber hinaus muss sogar unterstellt werden, dass innerhalb dieser Diskurse gar kein Interesse an einer Suche nach Lösungswegen festgestellt werden kann, die ambitioniert und radikal genug wären, um den Diskurs transzendieren und erfolgreiche Lösungswege anbieten zu können. Neben dieser weitreichenden und globalen Kritik am Diskurs um interkulturelle Kommunikation liegen jedoch bereits auch partiellere Kritiken zur Zirkularität des genannten Diskurses vor. So stellt beispielsweise Terkessidis (2010) die geringe Innovationsfreude des Integrationsdiskurses in Deutschland ins Zentrum seiner Kritik. Er zeichnet minutiös nach, wie der Diskurs um mögliche Formen der Integration von Migrantinnen und Migranten in Deutschland zirkuläre Phasen und Positionen durchläuft, die sich innerhalb eines Zeitraums von wenigen Jahrzehnten sogar wiederholen. Entgegen aller früheren Konzepte multikultureller Gesellschaften bescheinigt Terkessidis den Autoren seiner eigenen Epoche aus Wissenschaft und Politik eine Hinwendung zu bereits dagewesenen, eher traditionellen Konzepten einer Integrati-

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on, die im Sinne einer Assimilation von Migranten in die Mehrheitsgesellschaft verstanden werden will (Terkessidis 2010). Der Diskursforscher und die Selbstkritik Neben den in den vorangegangenen Abschnitten skizzierten Möglichkeiten zur Beschreibung und Eingrenzung diskursiver Verflechtungen zwischen Wissenschaftsund Alltagsdiskursen zur Thematik interkultureller Kommunikation darf die Position des Diskursforschers nicht als ein blinder Fleck zurückgelassen werden und muss stattdessen ebenfalls diskursimmanent definiert und verortet werden. Die eigene Kritikfähigkeit des Diskursanalytikers diskutieren Bührmann und Schneider (2008: 39ff). Demnach muss von Diskursforschern konsequenterweise eingefordert werden, dass sie ihre eigene diskurstheoretische Weltsicht auch auf die eigene wissenschaftliche Arbeit als Diskurs, bzw. als Beitrag zu einem Diskurs anwenden. Bührmann und Schneider sehen hier trotz aller Selbstreflexivität eine gewisse Aversion von Seiten einiger Diskursforscher. Um nicht selbst hoffnungslos einer diskursanalytischen Dekonstruktion und damit einer Entwertung zum Opfer zu fallen, wenden die Diskursforscher Bührmann und Schneider gelegentlich einen argumentativen Trick an. Dabei wird versucht, wissenschaftlichen Diskursen gegenüber gesellschaftlichen Diskursen ein gewisser Vorsprung an Validität und Autonomie einzuräumen. Zentral ist dabei die Annahme, wissenschaftliche Diskurse inspirierten zur Kritik und forderten diese quasi ein, wohingegen ideologische Diskurse unreflektierte Wahrheitsbehauptungen beinhalteten.16 Einerseits leuchtet eine solche Unterscheidung durchaus ein, andererseits mag sie sich der Kritik aussetzen müssen, normativen Idealen verfallen zu sein und dabei die tatsächliche Praxis auszublenden. Bereits die ledigliche Annahme einer vollkommen diskursoffenen und ideologiefreien Wissenschaft wurde von Diskurstheoretikern selbst als nicht möglich und unzutreffend entlarvt (Gramsci 1983). Auch Bührmann und Schneider halten die Grenze zwischen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen grundsätzlich für durchlässig, insbesondere räumen sie Wissenschaftlern die Möglichkeit zur politischen Argumentation ein und weisen auf deren überaus häufigen Gebrauch dieses Instruments hin. Jürgen Link weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbst eine von Themen und Anwendungskontexten zunächst losgelöste Diskurstheorie und ein Wis-

16 Insbesondere Autoren aus dem Bereich der Diskursanalyse scheinen jedoch grundsätzlich Gefahr zu laufen, wissenschaftliche Analysen explizit für politische Argumentationen zu verwenden. Entsprechend laufen auch wissenschaftliche Diskurse Gefahr, sich mit ideologischen Diskursen zu vermischen. Wenngleich sich beispielsweise auch Jürgen Link gegen diese Tendenz wehrt: »Insbesondere gab es einen spürbaren Grad der Entdifferenzierung zwischen Wissenschaft und Politik, ohne dass aber die Wissenschaft in einer bloß kurzfristig-aktualistischen Politisierung zeitweise baden ging wie an einigen damaligen hot-spot-Unis. [...] Im Rückblick war das Entscheidende das Offenhalten des Rhizoms für freie Proliferationen des Wissens sowie Fluchtlinien vor dem tödlichen hegemonialen Konkurrenzsystem, die zeitweilig bis zu einem gewissen Grade funktionierten und an denen unsereins seinen Anteil hatte« (Link/Diaz-Bone 2006: 17).

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sen um Formen der Diskursanalyse machtpolitische Funktionen übernehmen. Indem wissenschaftliche Autoren sich als Experten für Diskurstheorie und Diskursanalyse an ein nicht-wissenschaftliches Publikum wenden und diese über diskursanalytische Einsichten aufklären, übernehmen sie bereits eine gesellschaftliche Steuerungsfunktion: Diskursanalytiker beanspruchen als Experten für den Spezialdiskurs der Diskursanalyse für sich selbst die Möglichkeit, strategisch in Inter-, Alltags- und Elementardiskurse einzutreten und diese gesteuert zu beeinflussen. 17

W EITERENTWICKLUNGEN DER F OUCAULTSCHEN D ISKURSTHEORIE Neben Autoren, die ihre diskursanalytischen Arbeiten größtenteils in der Tradition Foucaults sehen und die versuchen, Foucaults Theorien so zu operationalisieren, dass empirisch fundierte Forschungen möglich werden, haben andere Autoren Foucaults Theorien einer Kritik unterzogen und auf diese Weise alternative Weiterentwicklungen einer Diskurstheorie vorgelegt. Einige zentrale und besonders weitreichend rezipierte Ansätze dieser Art sollen im Folgenden vorgestellt und in ihrer Nutzbarkeit im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Studie untersucht werden. Die Genese des Subjekts durch Differentsetzungen (Laclau/Mouffe) Der Positionierung des Subjekts widmen Laclau und Mouffe (2000 [1985]) in ihrer Weiterführung der Ideen Foucaults besondere Aufmerksamkeit. In einer poststrukturalistischen und postmarxistischen Ausrichtung verarbeiten Laclau und Mouffe neben den Grundlagen Foucaults auch Einflüsse von Gramsci und Lacan (Keller 2004: 52). Um die Subjektposition mit Hilfe einer Diskurstheorie klar identifizieren zu können, räumen Laclau und Mouffe Diskursen eine größtmögliche Reichweite ein: Sie setzen das Diskursive mit dem Sozialen gleich, so dass keine außerdiskursive Praxis überhaupt mehr denkbar bleibt (Bührmann/Schneider 2008: 44). Wenn demnach alles diskursiv ist, können sowohl Geschichte als auch gegenwärtige Gesellschaft als ein »unabgeschlossener Text« (Laclau 1981: 176)18 verstanden werden, der mit Hilfe von Diskursanalysen vollständig erschlossen werden kann. Diskurse sind Laclau und Mouffe zufolge demnach temporäre Sinnbildungen, die hauptsächlich auf der Grundlage von Abgrenzungen nach außen operieren und die auf diese Weise dem gesellschaftlichen Wissensgefüge an Stabilität verleihen. Diskurse haben dabei grundsätzlich immanente Differenzen, und aufgrund von diesem Differenzen und deren hegemonialen Austragungen bleiben sie selbst überhaupt erst

17 »Was wir bei Foucault, Gramsci und Althusser gelernt und was wir selber Neues entwickelt hatten, das sollte in Werkzeugkisten für ›Lehrerinnen, Medien- und Gewerkschaftsleute‹ übersetzt werden. In den frühen Heften [der von Link herausgegebenen Zeitschrift kultuRRevolution, Anm. d. Verf.] herrschte also immer ein Mix aus mehr theoretischen Modellen und z. B. schulpraktischen Beiträgen« (Link/Diaz-Bone 2006: 19). 18 Nach Bührmann und Schneider (2008: 45).

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existent. Wenn eine Gesellschaft von außen bedroht wird, können diese Differenzen gleichzeitig jedoch auch aufgelöst oder nichtig gemacht werden. Laclau und Mouffe sprechen in dem Fall von leeren Signifikanten, die dann zustande kommen, wenn die Gesamtidentität eines Diskurses zur Geltung kommt. Darüber hinaus können hegemoniale Diskurse identifiziert werden, von denen gleichsam eine Sogwirkung ausgeht, die alles in ihr Bedeutungsgefüge einverleibt. Subjekte existieren Laclau und Mouffe zufolge in diesem Kontext nur und gerade aufgrund der Unentscheidbarkeit der konkurrierenden Differenzen innerhalb eines Diskurses. Lassen sich Subjekte einmal einer einzelnen Identität vollständig und ausschließlich zuordnen, dann sind sie nicht mehr existent (Keller 2004: 54). Wendet man diese Annahmen auf eine Analyse des Diskurses um die Thematik interkultureller Kommunikation an, so kann daraus gefolgert werden, dass dieser Diskurs die Funktion des Subjekterhalts geradezu mustergültig und prototypisch erfüllen kann. Eine Auseinandersetzung mit Kultur als einer Projektionsfläche einer großen Zahl von Differenzen, die zudem nahezu beliebig vervielfältigt werden können, kann einen Erhalt der Subjektposition ohne Zweifel garantieren. Während eine Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation demnach gegenwärtig sicherlich zentrale gesellschaftliche Funktionen übernehmen kann und übernimmt, eröffnet sich angesichts des vergleichsweise zeitgenössischen Charakters des Themas interkultureller Kommunikation die Frage nach dem plötzlichen Zustandekommen dieses Bedürfnisses: Auf welche Weise wurden Subjektpositionen zuvor abgesichert, bzw. welche Veränderungen haben überhaupt dazu geführt, dass Subjektpositionen nun erst seit Kurzem bedroht zu sein scheinen? Eventuell lässt sich diese Fragestellung auch durch die Frage danach ersetzen, seit wann und aus welchen Gründen Subjektpositionen überhaupt erst wichtig geworden sind. Letztere Frage ließe sich unter Umständen mit der von Foucault beobachteten allmählichen Hinwendung der Wissenschaften zum Subjekt und der damit verbundenen Herausbildung der Humanwissenschaften beantworten. Vor diesem Hintergrund kann eine Auseinandersetzung mit Kultur und Kulturalität als Folge des wachsenden Primats von Subjekten in den Wissenschaften und in der Gesellschaft gedeutet werden. Interkulturelle Kommunikation wird sowohl von den Wissenschaften als auch von der Gesellschaft häufig als eine Thematik betrachtet, die es sich um Ziel setzt, Differenzen zu überwinden, diese nichtig zu machen, bzw. zu relativieren. Vor dem Hintergrund der Annahmen von Laclau und Mouffe dagegen erscheint der Erhalt dieser Differenzen durch wissenschaftliche Anstrengungen, aber auch durch gesellschaftliche Diskurse als gesellschaftlich funktional. Anwendungsorientierte Konzepte zur Überwindung von Differenz dagegen erscheinen aus diesem Licht dysfunktional. Auch dekonstruktivistische Ansätze, die dem Abbau kulturessentialistischer Haltungen auch in den Wissenschaften dienen sollen, verfehlen aus dieser Sicht gesellschaftliche Zielstellungen. Kultureller Essentialismus dagegen würde einem tiefen gesellschaftlichen und menschlichen Bedürfnis entgegenkommen. Selbst die zunehmende Verbreitung von Angeboten interkultureller Trainings kann demnach dem vordergründig proklamierten Ziel eines erleichterten Umgangs mit der Transzendierung kultureller Grenzen in Wirklichkeit nicht nachkommen. Eine Auseinandersetzung mit kulturellen Differenzen dient demnach lediglich einer weiteren Festigung der Subjektposition: Teilnehmer vergewissern sich erneut qua Bewusstmachung der schützenden und notwendigen Existenz kultureller Differenzen, deren vollständige

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Überwindung alles andere als erwünscht sein dürfte. Sollte die Einnahme einer kritischen Perspektive gegenüber kulturellen Grenzziehungen tatsächlich als sozial erwünscht herausgestellt werden, so müssten methodische Wege erarbeitet werden, die zumindest eine unbewusste Verstetigung der eigenen Position verhindern können. Diskurstheoretische und diskurskritische Herangehensweisen könnten hierzu ein erforderliches Reflektionsniveau in der Gesellschaft herstellen.

Postkolonialismus Während Laclau und Mouffe auf Grundlagen Foucaults eine postmarxistische Kritik entwerfen, kann unter der Denktradition des Postkolonialismus ein Anwenderinteresse verstanden und zusammengefasst werden, in dessen Rahmen ebenfalls zahlreiche Weiterentwicklungen von Foucaults Theorien geleistet worden sind. Ging es Laclau und Mouffe noch vergleichsweise abstrakt um eine Beschreibung der Interdependenzen zwischen Differenzen und Subjekt, so findet der Postkolonialismus ein klares Anwendungsfeld, bei dessen Bearbeitung diskurstheoretische Sichtweisen als Instrumente der Kritik fungieren. Untersuchten postkoloniale Forscher zunächst mit einem rein objektiv-beschreibenden Anspruch die Transformationsprozesse ehemals kolonialisierter Staaten sowie ihr Verhältnis zu ehemaligen Kolonisatoren, so provozierte diese Beschränkung auf Deskription doch bald erhebliche Kritik: Das koloniale, aber auch das postkoloniale Verhältnis waren und sind in erheblichem Maße von Machtasymmetrien geprägt und geformt, ohne deren Berücksichtigung kaum ein adäquates Bild der postkolonialen Lage gezeichnet werden kann. Diskurstheoretiker können hier dazu beitragen, die Mechanismen aufzudecken, die sowohl in der Postkolonie als auch im Postkolonisator für einen unbewussten Aufrechterhalt der Asymmetrien und der Differenzen sorgen und die damit das Kolonialverhältnis auf subtile und unüberwindbare Weise perpetuieren. Insbesondere Edward Said und Gayatri Spivak haben dabei diskurstheoretische Sichtweisen in die postkolonial informierte Forschung eingebracht. Während Said noch vergleichsweise weitgehend auf Foucault aufbaut, arbeitet sich Spivak vielmehr an dessen Theorien ab, unterzieht sie einer Kritik und entwirft alternative Sichtweisen unter Rückgriff auf Derrida (do Mar Castro Varela/Dhawan 2005: 62). Saids Konzeption postkolonialer Theorien fassen Amelang und Schupp (2002) zusammen, Chuaqui (2005) untersucht Saids Haltungen gegenüber den französischen Diskurstheoretikern im Allgemeinen. Said (1978) bedient sich dabei Foucaults Machtbegriff, den er als positiv wirkende Kraft anstelle eines reinen Unterdrückungskonzepts versteht. Demnach reproduzieren Postkolonie und Postkolonisatoren beide zugleich das eigentlich überwunden geglaubte Machtungleichgewicht. Spivak (1987) dagegen kritisiert Foucaults Ansatz dafür, dass es ihm nicht gelingt, die konkreten und präzisen Strategien des Machterhalts nachzuzeichnen. Spivak rekurriert stattdessen auf Derridas Konzept des dezentrierten Subjekts, mit dessen Hilfe die andernfalls nicht überwindbare Bipolarität zwischen Kolonisatoren und Kolonien nicht überwunden werden könne (do Mar Castro Varela/Dhawan 2005: 62). Matthes (2000) betont, dass die koloniale Vorstrukturierung gesellschaftlicher Sichtweisen, die mit Hilfe postkolonialer Theorien bewusst gemacht werden soll, selbstverständlich auch die Wissenschaften betrifft: Wenngleich es sehr plausibel er-

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scheint, dass Theorien westlicher Wissenschaften wesentlich kulturell und ethnozentrisch geprägt sind, so gerät diese Einsicht doch auch bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation nur allzu häufig aus dem Blick. Kumar (2000) untersucht dementsprechend Zusammenhänge zwischen dem gesellschaftlichen Umgang mit postkolonialen Theorien und mit interkultureller Kommunikation aus einer diskurstheoretischen Perspektive.

Die Diskurstheorie in den Gender Studies Die Gender Studies mögen als erste kulturwissenschaftliche Disziplin diskurstheoretische Ansätze Foucaults auf eine Weise rezipiert haben, die bald tonangebend für das Gegenstandsverständnis des Forschungsbereichs werden sollte. Insbesondere durch die Arbeiten von Judith Butler, hier zu nennen die Monographien Gender Trouble (Butler 1990) und Bodies that Matter (Butler 1993), sind die Gender Studies zu einer diskurstheoretisch reflektierten Disziplin par excellence avanciert. Dabei orientiert sich Butler primär an den Vorarbeiten von Foucault, der selbst bereits seine Modelle zur diskursiven Konstruktion gesellschaftlicher Phänomene am Beispiel der Genese des sozialen Geschlechts ausgestaltet hatte (Foucault 1983). Butler setzt sich aktiv mit Foucaults Ansätzen auseinander, entwickelt sie mit Blick auf den eigenen Anwendungsbereich der Geschlechterforschung weiter und legt auf diese Weise ein weiteres Theoriengerüst vor, das in der Folge von zahlreichen weiteren kulturwissenschaftlichen Disziplinen rezipiert wurde. Gleich zu Beginn ihrer Monographie Bodies that Matter verankert Butler ihr Verständnis des Begriffs sex in der Terminologie Foucaults: »The category of sex is, from the start, normative; it is what Foucault has called a ›regulatory ideal.‹ In this sense, then, ›sex‹ not only functions as a norm, but is part of a regulatory practice that produces the bodies it governs, that is, whose regulatory force is made clear as a kind of productive power, the power to produce – demarcate, circulate, differentiate – the bodies it controls« (Butler 1993: 1).

Methodisch rekurriert Butler dabei auf Foucaults Konzept der Genealogie: Der Konstruktionscharakter von Geschlecht sollte demnach einer genealogischen Kritik unterzogen werden, die die »Effekte des Natürlichen, des Ursprünglichen und Unvermeidlichen« (Butler 1991: 9) analysieren sollte (Höhne 1998). Im Sinne von Foucault ging es Butler dabei anstelle der Annahme einer reinen Repression der Geschlechter darum, die produktiven Seiten von Macht zu beschreiben. Produziert werden dabei Vorstellungen von Normen und Normalität (Foucault 1969), zit. nach (Höhne 1998).19 In der Archäologie des Wissens spricht Foucault nur an einer Stelle von so genannter »regulierter Praxis« (Foucault 1981 [1973]: 116):

19 »Vielmehr erforscht die Genealogie die politischen Einsätze, die auf dem Spiel stehen, wenn die Identitätskategorien als Ursprung und Ursache bezeichnet werden, obgleich sie in Wirklichkeit Effekte von Institutionen, Verfahrensweisen und Diskursen mit vielfältigen und diffusen Ursprungsorten sind« (Butler 1991: 9), zit. nach (Höhne 1998).

86 | I M D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION »Schließlich glaube ich, dass ich statt allmählich die so verschwimmende Bedeutung des Wortes ›Diskurs‹ verengt zu haben, seine Bedeutung vervielfacht habe: einmal allgemeines Gebiet aller Aussagen, dann individualisierbare Gruppe von Aussagen, schließlich regulierte Praxis, die von einer bestimmten Zahl von Aussagen berichtet; und habe ich nicht das gleiche Wort Diskurs, das als Grenze und als Hülle für den Terminus Aussage hätte dienen sollen, variieren lassen, je nachdem ich meine Analyse oder ihren Anwendungspunkt verlagerte und die Aussage selbst aus dem Blick verlor?« (Foucault 1981 [1973]: 116).

Butler rekurriert auf den Machtbegriff von Foucault: Anstatt Macht als etwas eigenständiges zu betrachten, das die handelnden Subjekte aus dem Zentrum der Betrachtung rückt, versteht Foucault Macht als etwas, was Subjekte permanent produzieren und dem sie sich schon qua ihrer Subjektwerdung unterwerfen (Butler 1993: 9). Anstelle des Konstruktionsverständnisses von Foucault plädiert Butler jedoch für eine Verwendung des Begriffs der Materie (»matter«, Butler 1993: 9), durch den für sie die Frage nach den regulatorischen Bedingungen ihres Zustandekommens in den Fokus rückt. Für das Grundverständnis der Gender Studies zentral werden auf diese Weise Butlers Begriffe der Materialisierungen normativen Wissens, das im Nachgang von Akteuren als unhinterfragt gegeben angenommen wird, sowie der Zitation und Iteration, mit deren Hilfe die Akteure in der Gegenwart performativ interagieren und durch die sie zugleich zur Bildung und Festigung von Materialisierungen beitragen. Kritik an ihren Ansätzen hat sich Butler insbesondere von Vertretern der Geschichtswissenschaften eingehandelt. So weist beispielsweise Bührmann (1998: 73f) darauf hin, dass Butler vermehrt vorgeworden wurde, sie vernachlässige die historischen Verwurzelungen der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen und trete stattdessen für eine zu weitreichende Entkörperlichung des Geschlechterbegriffs ein. So reduziere Butler die Kategorien von Macht und Diskurs um die Konstruktion von Geschlecht zu einem ahistorischen Phänomen, wodurch die prozessuale Entstehung der beschriebenen Machtverhältnisse aus dem Blick gerät. Bührmann setzt an dieser Stelle an, um einen eigenen Gegenentwurf zu Butler zu entwickeln. Beide an Butler kritisierten Mängel will Bührmann umgehen, indem sie »das biologische Geschlecht sowie das gesellschaftliche System der Zweigeschlechtlichkeit als Konkretionen des okzidentalen Geschlechterdispositivs« (Bührmann 1998: 74f) betrachtet. Eine ähnliche Kritik am Hang zur Ahistorizität wird auch immer wieder gegenüber der Forschung zur interkulturellen Kommunikation laut. So vermisst beispielsweise Lüsebrink eine interkulturell informierte Erforschung geschichtlicher Entstehungsprozesse für gegenwärtige Situationen: »Mehrere der vorliegenden Beiträge betonen – aus der Perspektive unterschiedlicher Fachdisziplinen – drittens die Notwendigkeit, interkulturelle Forschung systematisch auf historische Fragestellungen auszudehnen, auch – aber keineswegs ausschließlich – mit der Zielsetzung, interkulturelle Prozesse der Gegenwart besser zu verstehen und methodisch adäquater zu analysieren. Historische Erklärungsmodelle spielen zwar, auch bei den ›Klassikern‹ der interkulturellen Forschung, eine gewisse Rolle; ihre argumentative Darstellung und funktionale Einbindung erweist sich jedoch, bei genauerem Hinsehen, häufig als äußerst verkürzt und problematisch und beruht im Allgemeinen nicht auf einer interdisziplinären Zusammenarbeit« (Lüsebrink 2004a: 12).

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Entsprechend ist in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation zwar vermehrt festzustellen, dass gegenwärtige Zustände durch vergangene Ereignisse begründet werden. So dient der Verweis auf Kriege und Konflikte in der Vergangenheit vielfach als Begründung und Legitimierung für weiterhin belastete interkulturelle Verhältnisse sowohl zwischen Großgruppen als auch zwischen Individuen in Einzelkontaktsituationen. Häufig wird jedoch auf diese Weise ein angeblich nicht beeinflussbares Kausalverhältnis konstruiert, das die gegenwärtigen Interaktionspartner aus ihrer Verantwortung nimmt und Anstrengungen bei der Suche nach zukünftigen konstruktiven Umgangsformen gleich erspart. Demgegenüber ist Lüsebrink darin zuzustimmen, dass Blicke auf diachrone Entwicklungen und Entstehungen interkultureller Beziehungen und Verhältnisse durchaus ein vertieftes Verständnis für gegenwärtige Bedingungen generieren können.

Die Reflektion des eigenen Forschungsgegenstands Die Auseinandersetzung mit der Problematik der Subjektpositionen sowie ihre kritische Reflektion im Rahmen postkolonialer Theorien und im Rahmen der Gender Studies haben eine gleichfalls kritische Betrachtung und Hinterfragung des eigenen Forschungsgegenstands möglich gemacht und nahe gelegt. So bestand Butlers Zugang zu einer Reformierung der Geschlechterforschung im Grunde in einer diskurskritischen Herangehensweise, die vor allem auch die bisherige Forschung in diesem Bereich mit einbezogen hat. Butler machte so die Forschung selbst zu ihrem eigenen Forschungsgegenstand und fordert diese Haltung auch im Zuge zeitgenössischer Forschung permanent ein. Eine ähnliche Problemstellung und Herausforderung eröffnen die Überlegungen der vorliegenden Studie zum Forschungsbereich interkultureller Kommunikation: Nur durch eine Reflektion über bisherige und gegenwärtige Umgangsformen mit der Thematik sowohl in der Wissenschaft als auch in der gesellschaftlichen Praxis können Strukturen aufgedeckt werden, deren Berücksichtigung in der Folge eine konstruktive Weiterführung des Fachs erleichtern können. Nicht zuletzt ist diese Einsicht bereits von zahlreichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen zur Kenntnis genommen worden. Lediglich in der Reichweite der für die Disziplin daraus gezogenen Konsequenzen (gegenüber einer ebenfalls möglichen weitgehenden Ignoranz) können im interdisziplinären Vergleich durchaus Unterschiede festgestellt werden. Nicht der Gegenstand interkultureller Kommunikation, sondern dessen Erforschung stellt demnach aus Butlers Sicht ein allen anderen Fragen vorgelagertes Kernproblem dar. Erkenntnisgegenstand und Erkenntnismittel geraten auf diese Weise in ein gegenseitiges Dilemma, wie Keller (2001b) mit Verweis auf Hark (2001) im gleichen Band bemerkt: »Die Betonung der gegenstandskonstitutiven Wirkung von Diskursen etwa in den Arbeiten von Judith Butler und Teresa de Lauretis hat die Ambivalenzen der Verwendung des Geschlechterbegriffs und der sex/gender-Unterscheidung in der Frauen- und Geschlechterforschung verdeutlicht, die aus der doppelten Setzung der Geschlechterdifferenz als Erkenntnismittel und Erkenntnisgegenstand bzw. Ergebnis soziokultureller Praxis resultieren« (Keller et al. 2001b: 23f).

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Ein ähnliches Dilemma kann für den Diskursgegenstand interkultureller Kommunikation identifiziert werden. Diese Problematik kann dabei schnell ganzen Disziplinen zum Verhängnis werden. Allein durch ihre eigene Existenz stehen sie selbst einer Lösung des Problems im Wege, für dessen Bearbeitung sie eigentlich ins Leben gerufen worden waren. Dies gilt selbst für die ambitioniertesten und reflektiertesten Vorhaben. So kritisiert beispielweise Alexander (2004) die Whiteness Studies, eine der jüngsten postkolonial informierten Denkrichtungen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den blinden Fleck des in der Regel weißhäutigen Forschers für sich selbst aufzudecken und vor diesem Hintergrund vorliegende Forschungen in Frage zu stellen (Collier 2002). Doch während Autoren der Whiteness Studies ihren Gegenstand eigentlich dekonstruieren wollen, können sie ihn durch ihre Auseinandersetzung mit der Thematik Alexander zufolge nur zusätzlich performativ bestärken. Laclau und Mouffes (2000 [1985]) Annahme einer Deckungsgleichheit zwischen Realität und Diskursen tritt in diesem Falle prototypisch in Erscheinung: Ähnlich wie Butler den Gender Studies bescheinigt hat, dass sie keine Außensicht auf ihren Gegenstand einnehmen, sondern immer Bestandteil ihres Gegenstands sein werden, so kann dies auch für den Forschungsbereich interkultureller Kommunikation bestätigt werden. Auch die Suche nach alternativen Begriffen kann keinen Ausweg aus diesem Dilemma gewähren. Und auch Versuche der vermeintlichen objektiven Meßbarmachung oder Positivierung durch die Verwendung von Kriterien einer ebenfalls vermeintlichen Rassezugehörigkeit von Individuen oder ihrer Staatsangehörigkeit tragen nicht zur Transzendierung des Diskurses um interkulturelle Kommunikation bei. Hark (2001) problematisiert das Verhältnis zwischen natürlich gegebener Differenz und sozial konstruierter Differenz. Auch wenn den Menschen nur die konstruierte Differenz zugänglich ist, die natürliche Differenz demgegenüber immer unter Diskursen verdeckt bleiben muss, so ist doch die gesamte Konstruktion der Differenz immer nur auf der Grundlage einer zumindest angenommenen natürlichen Differenz möglich: »Was bedeutet die Erkenntnis, dass ›die Frau nicht existiert‹, d.h. sie eine Erfindung ist, für das feministische Projekt, eine Theorie sexueller Differenz zu schreiben? Mit anderen Worten, kann die sexuelle Differenz überhaupt gedacht werden, ohne die Natur der Dinge, das, was Pierre Bourdieu Doxa nennt, also die ›in die Objektivität der sozialen Strukturen und in die Subjektivität der mentalen Strukturen‹ (Bourdieu 1997: 153) eingeschriebenen und stillgeschwiegenen Vorannahmen zu wiederholen? Mehr noch: Wie entgeht feministische Theorie dem Dilemma, in der eigenen Theoriebildung den Dualismus von Natur/Kultur zu wiederholen, ergo selbst naturalisierend zu wirken und eine Natur des Geschlechts vorgängig zu setzen? Denn noch die konstruktivistisch informierte These der Unterscheidung in sex und gender, in biologisches und soziales Geschlecht, setzt bereits eine kulturell vorgängige Realität der anatomisch organisierten Geschlechterdifferenz – sex – voraus, die später in den Repräsentationssystemen der Kultur lediglich neu besetzt und in das soziale Geschlecht – gender – verwandelt wird. Selbst in dieser theoretisch avancierten Fassung sexueller Differenz bleibt also die soziokulturelle Differenz der Geschlechter an ihren natural gedachten Grund kausal rückgekoppelt. Die Dekonstruktionen der kulturellen Formen, so das kritische Fazit, führen so lange immer wieder nur auf so genannte Natur als Letztbegründung zurück, wie der Dualismus von Natur/Kultur selbst nicht in Frage gestellt wird.« (Hark 2001: 356).

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Um die Fragestellung der vorliegenden Studie nach der diskursiven Konstruktion des Themenfeldes interkultureller Kommunikation vor dem Hintergrund dieser Problemstellungen angemessen bearbeiten zu können, muss demnach ein theoretischer Rahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, die Forschung zur interkulturellen Kommunikation als Bestandteil des empirischen Materials mitdenken zu können. Zugleich muss die Rolle und Funktion der vorliegenden Studie selbst reflektiert werden: Auch ihr Anliegen besteht im Sinne der Ausgangsbeobachtung in einer Rettung der Forschung zur interkulturellen Kommunikation, die in eine Krise geraten ist. Wie auch von vielen Autoren im bisherigen Forschungsfeld zur interkulturellen Kommunikation wird auch in diesem Fall auf ein Ergebnis gehofft, mit dem ein sozial empfundenes Problem kompetenter bearbeitet werden kann. Im Zentrum einer Beschreibung der diskursiven Konstruktion der Thematik interkultureller Kommunikation stehen nach den vorangegangen Überlegungen nicht nur eine Nachzeichnung von Diskursformationen und diskursiven Sinnkonstruktionen, sondern insbesondere die Identifizierung von Machtbeziehungen, die die sozial sehr breit gefächerte diskursive Konstruktion erst stabil halten. Einen geeigneten Grundstock aus dem Werkzeugkasten Foucaults für ein solches Unterfangen kann eine Dispositivanalyse bieten. In den folgenden Abschnitten wird das diesbezügliche Potential von Dispositivanalysen anhand bereits vorliegender Studien mit dieser Methodik sowie der in ihnen enthaltenen Rhetorik für die Zuträglichkeit des Verfahrens untersucht und diskutiert.

D ISPOSITIVE ALS Z USAMMENSPIEL D ISKURS UND P RAXIS

VON

M ACHT ,

Der Begriff des Dispositivs20 scheint jüngst von zahlreichen Autoren als fruchtbringendster Ausgangspunkt für eine empirische Operationalisierung der Foucaultschen Diskurstheorie angesehen zu werden (Pospisil 2009).21 Bührmann und Schneider merken jedoch zusätzlich an, dass die Hinwendung der Diskursforscher zum Dispositivbegriff auch als Flucht aus dem mittlerweile inflationär und zunehmend sinnent-

20 »Im (vielschichtigen) Begriff des ›Dispositivs‹ fasst Foucault diskursive und nichtdiskursive Praxen und deren Resultate (Institutionen, Apparaturen, architektonische Vorund Einrichtungen, Gesetze, Anordnungen, Vorkehrungen etc.) zusammen, die zusammenwirken. Dieser Zusammenhang, dieses Zusammenwirken ist folgendermaßen zu verstehen: In den Diskursen liegen sog. Applikationsvorgaben für die Formierung/Konstituierung der Subjekte und von deren Bewusstsein und damit auch für ihre Tätigkeit und ihr Handeln vor. Es sind somit die Menschen, die die Wirklichkeit gestalten, sozusagen als in die Diskurse verstrickte Agenten der gesellschaftlich-historisch vorgegebenen Diskurse. Die Menschen produzieren Gegenstände und Institutionen, die die gesellschaftliche Wirklichkeit bevölkern, und halten sie durch ihre geistig-praktische Tätigkeit am Leben. Diesen Zusammenhang, diese Vernetzung von Diskursen und ständig von den Menschen reproduzierten Institutionen und Gegenstände etc. nennt Foucault Dispositive« (Jäger 2009b: 22). 21 Für eine weitere zeitgenössische Einführung vgl. Keller (2004: 50).

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leert verwendeten Diskursbegriff verstanden werden kann. Somit birgt der Dispositivbegriff schlicht auch die Gelegenheit zur erneuten begrifflichen Präzisierung eines Forschungsstils (Bührmann/Schneider 2008: 14). Um dieser Sinnentleerung entgegenzuwirken (oder aber diese Sinnentleerung schlicht ignorierend) positionieren Bührmann und Schneider (2008: 10) den Begriff des Dispositivs zwischen den Phänomenen von Diskurs, Macht und gesellschaftlichem Sein. Dabei gehen sie davon aus, dass alle drei Phänomene durch Wissen vermittelt sind und einander bedingen. Das Dispositivkonzept kann demnach auch als ein »Erkenntnisraster« (Bührmann 1998: 75) verwendet werden, um unterschiedliche Aspekte eines Phänomens systematisch zu berücksichtigen. Diskursformationen, Machtformationen und Wissensordnungen führen aus Sicht des Dispositivkonzepts zu dem, was als gesellschaftliches Sein und Praxis beobachtet werden kann. Der Begriff der Diskursformationen wäre demgegenüber nach Bührmann und Schneider ein Begriff, der Machtstrukturen nicht – oder nur in zu geringem Maße – mit berücksichtigt: »Mit dieser [...] Analyseprogrammatik adressiert das Dispositivkonzept als Forschungsperspektive die (begrifflich-theoretisch wie jeweils empirisch forschungspraktisch vorzunehmende) Bestimmung des je über Wissen vermittelten Verhältnisses von Diskurs, Macht und dem gesellschaftlichen Sein« (Bührmann/Schneider 2008: 32).

Laclau und Mouffes (2000 [1985]) Annahme einer Totalität des Diskursiven lehnen Bührmann und Schneider für eine Verwendung des Dispositivkonzepts jedoch ab. Sie vermuten, dass eine solche Sichtweise die Folgen diskursiver Prozesse vernachlässige: »Allerdings ist zu fragen, inwieweit diese Sichtweise Gefahr schwebt, die Folgen diskursiver Prozesse, deren materiale und symbolische Objektivationen, die sich in gesellschaftlichen Institutionen sowie in den daran orientierten Mustern sozialer Austauschprozesse manifestieren, in ihrer je eigenen Evidenz wie Faktizität für die betreffenden Subjekte auszublenden« (Bührmann/Schneider 2008: 46).

Relevant für den Dispositivbegriff ist damit auch das Konzept der diskursiven Praxis. Bührmann und Schneider diskutieren mögliche Unterscheidungen zwischen diskursiver und außerdiskursiver Praxis. Während selbst Foucault die Existenz außerdiskursiver Praxis bejaht, räumt er einer entsprechenden Unterscheidung jedoch nur eine geringe Relevanz ein, und auch Bührmann und Schneider gelingt keine trennscharfe Differenzierung (Bührmann/Schneider 2008: 49ff). Das Dispositivkonzept fokussiert jedoch grundsätzlich über das Diskursive hinaus vor allem das Verhältnis von Akteuren und Praxis: »Dieses, in der Gesamtheit über Diskurse im engeren Sinn hinausreichende, wenngleich mit ihm verbundene und recht unbestimmt erscheinende Praxis-Akteursverhältnis wird – Foucault zufolge – durch den Dispositivbegriff adressiert« (Bührmann/Schneider 2008: 51).

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Der analytische Beitrag des Dispositivbegriffs besteht dabei darin, Vernetzungen aufzudecken, durch die die machtstrategischen Funktionen innerhalb eines Diskurses erkennbar werden: »Wenn Foucault ein ›heterogenes Ensemble‹ von solchen unterschiedlichen Elementen wie Diskursen, Institutionen, architekturalen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen usw. bezeichnet, bildet nicht die Summe dieser Elemente das Dispositiv, sondern das analytische Konzept Dispositiv soll das Augenmerk auf ›das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann‹, richten (vgl. Foucault 1978: 119ff)« (Bührmann/Schneider 2008: 52f).

Die Vernetzungen sind Kräfteverhältnisse, die Machtstrukturen schaffen. Auf der Grundlage dieser Vernetzungen werden bestimmte Wissensformen strategisch gestützt und gefördert, andere vernachlässigt oder sogar undenkbar gemacht.22

Dispositive als soziale Problemlöser Mit Hilfe von Dispositiven lösen Gesellschaften Probleme, die sie zuvor selbst konstruiert haben: »Die zentrale strategische Funktion von Dispositiven liegt nach Foucault darin, dass sie ›zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt [...] auf einen Notstand (Urgence)‹ antworten, in gewisser Weise also als Operatoren zur Bearbeitung, Lösung gesellschaftlicher Problemlagen und Transformationsphasen verstanden werden können. Insofern ist das Dispositiv – wenn man so will – als Problemlösungsoperator ›immer in eine Spiel der Macht eingeschrieben, immer aber auch eine Begrenzung oder besser gesagt: an Grenzen des Wissens gebunden, die daraus hervorgehen, es gleichwohl aber auch bedingen‹ (Foucault 1978: 119ff)« (Bührmann/Schneider 2008: 53).

Ausgangspunkt einer Dispositivanalyse ist demnach ein gesellschaftlicher Notstand.23 Analysiert werden diskursive und nicht-diskursive Wissens(an)ordnungen,

22 »What I try to pick out with this term is, firstly, a thoroughly heterogeneous ensemble consisting of discourses, institutions, architectural forms, regulatory decisions, laws, administrative measures, scientific statements, philosophical, moral and philanthropic propositions – in short, the said as much as the unsaid. Such are the elements of the apparatus. The apparatus itself is the system of relations that can be established between these elements. Secondly, what I am trying to identify in this apparatus is precisely the nature of the connection that can exist between these heterogeneous elements. […] between these elements, whether discursive or non-discursive, there is a sort of interplay of shifts of position and modifications of function which can also vary very widely. Thirdly, I understand by the term ›apparatus‹ a sort of – shall we say – formation which has as its major function at a given historical moment that of responding to an urgent need. The apparatus thus has a dominant strategic function« (Foucault 1980: 194f).

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die zu symbolischen Objektivierungen führen, sowie diskursive und nicht-diskursive (überindividuelle) Handlungs- und Interaktions(an)ordnungen, die zu materialen Vergegenständlichungen führen. Aufschluss gibt die Analyse über Subjektivationen und Subjektivierungen (Bührmann/Schneider 2008: 56). Dabei muss eingestanden werden, dass auch die vorliegenden Dispositivanalysen selbst aus der Wahrnehmung des jeweiligen Notstands heraus motiviert sind. Entsprechend können Dispositivanalysen als eine Form einer reflektierten Aufarbeitung gesellschaftlich empfundener Problemstellungen verstanden werden. Diese Aufarbeitung verbleibt jedoch nicht innerhalb der wissenschaftlichen Spezialdiskurse, sondern zielt meist darauf ab, die von ihr analysierten Interdiskurse gezielt zu verändern. Aus dem Bereich der Diskursanalyse im Allgemeinen berichtet Link von frühen Arbeiten zu »Einwanderungs- und Flüchtlingsproblematik und bei der Friedensbewegung« (Link/Diaz-Bone 2006: 19), deren Ergebnisse die Bochumer Forschergruppe um Link bereits in den 1970er Jahren in Medien des Interdiskurses, wie beispielsweise der taz oder dem wdr verbreiten konnten (Link/Diaz-Bone 2006: 20). Vergleichbar mit der Positionierung von Dispositiven berichtet Link an dieser Stelle als weitere Themenstellungen von »Reizwortanalysen zu ›Asylanten‹, ›Chaoten‹, ›Fundamentalisten‹ usw.« (Link/Diaz-Bone 2006: 20). Wenngleich die Strategie der Transzendierung und Abgrenzung des Forschers gegenüber dem zu analysierenden Diskurs durch die künstliche Behauptung einer Trennung zwischen Interdiskursen und Spezialdiskursen Butlers und Bührmanns Überlegungen zur Eingeschlossenheit des Forschers auch nicht unbedingt plausibel aushebeln können, so kann doch für eine diskursanalytische Erforschung interkultureller Kommunikation ein vergleichbares Szenario bescheinigt werden: Die Konstruktion und die Wahrnehmung von interkultureller Kommunikation und interkulturellen Konflikten durch die Gesellschaft stellen den von Foucault eingeforderten Notstand dar, der durch ein Dispositiv der interkulturellen Kommunikation sowie dessen diskursanalytische Bearbeitung auf einer zweiten Ebene bearbeitet werden.

Die Dispositivanalyse als Aufdeckung von Brüchen Dispositive sind nie durchgehend konsistent. Vor allem durch das Zusammenspiel und die Vermischung mehrerer Dispositive entstehen Bruchlinien, Brüche und Inkonsistenzen: »Für diese deformierenden Prozesse und Praktiken hat sich im Anschluss an Foucaults Überlegungen insbesondere Gilles Deleuze [...] interessiert und sie als ›Riss-, Spalt-, aber auch Bruch-

23 »[Medical science] set itself up as the supreme authority in matters of hygienic necessity, taking up the old fears of veneral affliction and combining them with the new themes of asepsis, and the great evolutionist myths with the recent institutions of public health; it claimed to ensure the physical vigor and the moral cleanliness of the social body; it promised to eliminate defective individuals, degenerate and bastardized populations. In the name of a biological and historical urgency, it justified the racisms of the state, which at the time were on the horizon. It grounded them in ›truth‹« (Foucault 1979: 54).

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linien‹ (Deleuze 1991: 157) beschrieben (auf die sich dann Laclau und Mouffe beziehen). Denn Dispositive lassen sich nicht restlos und widerspruchsfrei totalisieren; so existieren in der sozialen Praxis immer ›Risse‹ und damit unterschiedliche Aneignungs- wie Umdeutungsmöglichkeiten« (Bührmann/Schneider 2008: 53).

Das Ziel einer Dispositivanalyse besteht demnach nicht mehr in der reinen Identifizierung von Diskursen, wie es im Rahmen einer Diskursanalyse der Fall wäre. Stattdessen wird eine Aufdeckung von Machtstrategien angestrebt. Strategien werden dabei nicht von einzelnen Individuen verfolgt, sondern sie gelten im Sinne Foucaults als historische Produkte. Diskurse, Praktiken und Institutionen sollen in der Dispositivanalyse als Bestandteile von Machtstrategien gedeutet werden (Bührmann/Schneider 2008: 54).

Dispositivanalysen in der Anwendung Die Verwendung von Diskurs- und Dispositivanalysen scheint bislang insbesondere in den Geschichtswissenschaften vorangetrieben worden zu sein. Sarasin (2001: 55) verweist zwar darauf, dass diskurstheoretische Perspektiven auch gegenwärtig noch weit davon entfernt seien, zu einem Paradigmenwechsel in den Geschichtswissenschaften beizutragen, die Problematik der Diskursivität von Geschichtsschreibung sei jedoch vom Fach durchaus zur Kenntnis genommen worden. Insbesondere in einzelnen Nischenbereichen der Geschichtswissenschaften, wie beispielsweise historiographischen Arbeiten im Bereich der Gender Studies, werde die Diskursivität des Materials bereits auch in der empirischen Arbeit konsequent berücksichtigt. Theoretische Überlegungen und Plädoyers zur Implementierung diskurstheoretischer Sichtweisen in den Geschichtswissenschaften liefern darüber hinaus Sarasin (2003), Landwehr (2008) sowie die Beiträge in Landwehr (2010). Anwendungsfelder für Dispositivanalysen finden sich Höhne (1998) zufolge mehr oder weniger überall: Aufgrund der Formierung von Wissens- und Wissenschaftssystemen in Europa seit der Frühen Neuzeit kann im Anschluss im Grunde jedwede Kategorisierung zu einer Konstruktion von Differenzen mit Hilfe eines Zusammenspiels aus Wissen und Macht hinzugezogen werden, so dass Dispositivanalysen das adäquate Instrument zur Aufdeckung des Zusammenspiels von Macht, Diskurs und Praxis bieten.24 Um Anwendungs- und Arbeitsformen einschätzen zu können, die durch Dispositivanalysen möglich werden, werden in den folgenden Abschnitten einige ausgewählte Studien vorgestellt, in denen thematisch verwandte Differentsetzungen bearbeitet werden. Neben Studien zum Dispositiv der Nachhaltigkeit und des Geschlechts wird dabei besondere Aufmerksamkeit einer Dispositivanalyse von Thomas Höhne zum Dispositiv der Fremdheit gewidmet.

24 »Mit der Entwicklung der neuzeitlichen Wissenschaften, vor allem der Humanwissenschaften ist ein Wissen-Macht-Komplex historisch wirksam und dominant geworden, innerhalb dessen jedes Subjekt (kollektiv wie individuell) potentiell zum ›Fremden‹ (gemacht) werden kann« (Höhne 1998).

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Das Nachhaltigkeitsdispositiv Das Dispositiv der Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Entwicklung zeichnet Timpf (2003) nach. Die von Foucault formulierte Grundbedingung der Konstruktion eines Notstands für das Zustandekommen eines Dispositivs findet Timpf bereits in der naturwissenschaftlichen Literatur der 1960er Jahre, in denen eine zunehmende Ressourcenknappheit bei wachsender Erdbevölkerung als ein Bedrohungsszenario dargestellt wird (Timpf 2003: 431f). Während zunächst aus Sicht des Umweltschutzes eine Lösung dieses Problems zunächst in einer Bereitschaft zur Selbstbegrenzung gesehen werden musste, fand Timpf zufolge im weiteren Zeitverlauf eine Umdeutung der Zielvorgaben statt. An die Stelle eines Umweltschutzes im Sinne einer Bewahrung eines Ursprungszustands der Natur tritt zunehmend das Verständnis eines Umweltmanagements. Diese Umdeutung ermöglicht es der Gesellschaft, sich von der Absolutheit der Norm der Ursprünglichkeit der Natur zu emanzipieren und einen optimalen Umgang mit der Natur so auszurichten, dass er einer nachhaltigen Versorgung der Menschheit eine bestmögliche Grundlage bietet. Timpf sieht diese Technisierung des Problems als Anzeichen für die von Foucault beschriebene zunehmende Durchdringung von Problemgegenständen durch Strukturen der Macht und der Bemächtigung: »Mit der Umdeutung von Natur in Umwelt erscheint Nachhaltigkeit als vorläufig letzte Station eines rationalen Diskurses, in dem die Heilkunst gegenüber dem Kranken zunächst zu einer Heilkunst im sozialen Raum führt und dann in neuen Konstruktionen des Sozialen mündet, die es erlaubt, die Gesundheit der Natur zu erhalten. Der Preis solcher Umschreibung ist hoch. ›Natur bezeichnet nicht länger ein Gebilde mit eigenen Kräften, eine Quelle des Lebens und des Diskurses. Für diejenigen, die sich die Welt als Rohstoff erschließen, wird ›Umwelt‹ zu einer unverzichtbaren Konstruktion.‹ (Escobar 1995, 197, Übersetzung Timpf)« (Timpf 2003: 434).

An die Stelle einer Suche nach Formen des bestmöglichen Umweltschutzes tritt demnach eine Suche nach einem bestmöglichen Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen – nicht mehr mit dem Ziel des Naturerhalts, sondern mit dem Ziel, ein weiteres Wachsen der Weltbevölkerung zu ermöglichen. Eine bestmögliche Zielerreichung lässt sich vor diesem neuen Hintergrund ermessen und errechnen und anschließend politisch-normierend festschreiben, so dass nun Machtstrukturen neben dem reinen Wissen in Kraft treten: »Die Theorie der Ökosysteme ist mit einer normierenden Macht ausgestattet, die es bei immer größerer Detailgenauigkeit der Modelle ermöglicht, die gesellschaftlichen Naturverhältnisse als Aufgabe des Staates zu definieren« (Timpf 2003: 434).

An die Stelle einer grundsätzlichen Schonung der Natur tritt als Ziel nun eine bestmögliche Ausbeutung der Natur, ohne sie dabei zu schädigen. Timpf verknüpft ein analytisches Verständnis von Nachhaltigkeit im Sinne eines Dispositivs mit dem beschreibenden Begriff der Gouvernementalität. Letzterer ermöglicht eine Erfassung des Verhältnisses zwischen kollektiv wirkender Machtausübung und individuellem Handeln. Sichtbar wird auf diese Weise insbesondere ein Wirken des Dispositivs auf das Alltagshandeln der Individuen einer Gesellschaft.

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Während beispielsweise das Dispositiv der Nachhaltigkeit größtenteils im wissenschaftlichen und politischen Raum entwickelt worden ist, ist es Timpf zufolge innerhalb der Gesellschaft deutlich weniger bekannt als der Begriff des Umweltschutzes. Am Beispiel der in Deutschland eingeführten Regelung zur Mülltrennung veranschaulicht Timpf die Wirkweise der Gouvernementalität: Individuen führen die Mülltrennung im Sinne des Umweltschutzes durch, leisten aber im Grunde einen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag zu einer nachhaltigen Ressourcennutzung und Ressourcenausbeutung. Dieser Beitrag wird durch das Ausüben von politischer Macht auf die Mitglieder einer Gesellschaft von diesen individuell und privat geleistet, ohne dass sich die Regierung selbst noch in direkter Weise darum kümmern bräuchte (Timpf 2003: 438). Im Anschluss zeigt Timpf auf, dass das von ihm identifizierte Nachhaltigkeitsdispositiv unterschiedliche Möglichkeiten der Subjektivierung bietet: Während alle berichteten Subjekte grundsätzlich eine befürwortende Haltung gegenüber dem Konzept der Nachhaltigkeit einnehmen, lässt das Dispositiv in diesem Rahmen doch eine Vielzahl unterschiedlicher, teilweise gegeneinander arbeitender Diskurspositionen zu. Kritisch lässt sich Timpfs Auswahl des zugrunde gelegten empirischen Materials betrachten: Hier trifft Timpf vorab keinerlei Entscheidung darüber, aus welchem Korpus sein Untersuchungsgegenstand isoliert werden soll. Auch die Selektionskriterien bleiben unklar. Stattdessen referiert der Autor Beispiele und Indizien nach Belieben, sofern sie einer Erhärtung seiner Hypothese dienen. Der Stellenwert, den die von Timpf ausgewählten Indikatoren in einem Diskurs einnehmen, kann auf diese Weise nicht eingeschätzt werden: Sind es wirklich die wichtigsten und zentralsten Aspekte? Welche weiteren Aspekte spielen eventuell eine Rolle? Was lässt der Autor aus? Der Leser muss sich hier mit einer Positiv-Auswahl begnügen, bei der er sich dem Eindruck narrativer Einfärbung kaum erwehren kann. Mildernd kann dabei eingestanden werden, dass Timpf in seiner Vorgehensweise keinen Einzelfall konstituiert, auch bei weiteren Recherchen finden sich kaum Dispositivanalysen, die sich zusätzlich zu ihrem methodischen Vorgehen kritisch mit der Vorauswahl ihres empirischen Materials auseinandersetzen. Das Geschlechterdispositiv In einem historiographischen Ansatz rekonstruiert Bührmann die Formierung sozialen Geschlechts in Form von Dispositiven. Ergebnisse ihrer Studie liegen in einem Aufsatz (Bührmann 1998) sowie in einer Monographie (Bührmann 2004) vor, ihr methodisches Vorgehen stellt Bührmann später in einer weiteren Monographie noch einmal detailliert dar (Bührmann/Schneider 2008: 60ff). Über die von Butler ohnehin bereits vollzogene Dekonstruktion von Geschlecht als einem sozialen Konstrukt hinaus zieht Bührmann (1998) aus der Kategorie des Geschlechts als Geschlechterdispositiv mehrere erkenntnistheoretische Gewinne: Zunächst kann der Verdienst der bisherigen, jüngeren Geschlechterforschung um eine Aufdeckung der diskursiven Konstruiertheit von Geschlechtlichkeit beibehalten werden. Zum anderen kann jedoch auch aufgezeigt werden, wie diese Konstruktionen historisch gewachsen sind und schlussendlich zu Materialisierungen führen. Die-

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se Materialisierungen, so wird weiterhin unterstellt, können als strategisches Ziel25 bei der Etablierung eines Dispositivs unterstellt werden. Vereinfacht formuliert ergibt sich in Bührmanns historischem Untersuchungszeitraum ein Notstand zunächst aus einer zunehmend drohenden Ermächtigung des weiblichen Geschlechts. Mithilfe einer schrittweisen Transformation des Geschlechterdispositivs gelingt es der männlichen und noch übermächtigen Mehrheit, die untergeordnete Rolle der Frauen zu materialisieren und fortzuführen. Bührmann stellt auf diese Weise besonders den strategischen Einsatz von Dispositiven heraus. Analytische Herleitung von Fragestellung an das Material Während der Dispositivbegriff als übergeordnete Perspektive dient, mit der das Zusammenwirken von Macht, Diskurs und Praxis in seiner Komplexität im Blick bleiben soll, entwickelt Bührmann auf der Grundlage der Unterscheidung zwischen Foucaultscher Archäologie und Genealogie ein analytisch ausdifferenziertes Frageraster. So fragt sie aus archäologischer Perspektive: »-Wann und in welchen Diskursen wurde der Gegenstand Geschlecht hervorgebracht? - Welche Nosographien und Ätiologien wurden im Bezug auf Abweichungen von bestimmten geschlechtlich markierten Vorstellungen von welchen Wissenschaftlichen Disziplinen formuliert? - Wer ist wann berechtigt, über den Gegenstand Geschlecht und das System der Geschlechtlichkeit zu reden? - Mit welchen Konnotationen wurde die Figur des Mannes bzw. der Frau sowie der Gegenstand der Geschlechtlichkeit assoziiert?« (Bührmann 1998: 79).

Aus genealogischer Sicht fragt Bührmann: »In welchem inneren Zusammenhang steht die Diskursivierung eines männlichen und eines weiblichen Geschlechts? Welche diskursiven Begründungen der Geschlechterdifferenz werden entwickelt? Welche Differenzen entdecken die Wissenschaften? Inwiefern orientieren sich die Individuen an den Erkenntnissen der Humanwissenschaften und inwiefern wirken die Körper(-erfahrungen) der Individuen auf das Wissen der Humanwissenschaften zurück? - Welchen gesellschaftlichen Notwendigkeiten gehorchte und gehorcht die Hervorbringung des Geschlechtes? Welche gesellschaftlichen Möglichkeiten ergeben sich aus der Existenz eines gesellschaftlich konstruierten Systems der Zweigeschlechtlichkeit? - Welche Rolle spielt die Frauen- bzw. Geschlechterforschung im Zusammenhang mit den gesamtgesellschaftlichen Machtverhältnissen? Ist sie an Transformationen im Hinblick auf die Ordnung der Geschlechter beteiligt? Ist ihre wissenschaftspolitische Relevanz eine andere als die der Sexualwissenschaften und/oder der Pädagogik und Psychoanalyse?« (Bührmann 1998: 80).

25 »Das strategische Ziel des okzidentalen Geschlechterdispositivs besteht meiner Ansicht nach in der Klassifizierung, der Hierarchisierung und der Normalisierung der Körper, des Denkens und des Fühlens von Menschen und dient so letztendlich auch zur Kontrolle der Bevölkerung« (Bührmann 1998: 81).

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Diese Fragestellungen deuten sicherlich bereits auf ein erhebliches, vorab eingebrachtes Vorwissen der Verfasserin über den Untersuchungsgegenstand hin. Sie können demnach nicht grundsätzlich für die Analyse beliebiger Dispositive zugrunde gelegt werden. Jedoch kann diese Auffächerung der Fragerichtungen als Anregung für Befragungen weiterer Dispositive dienen. In einer weiteren Unterscheidung will die Verfasserin zum einen auf die diskursiven Hervorbringungen und zum anderen auf Prozesse ihrer Materialisierung achten (Bührmann 1998: 81). Unterstellt man qua Dispositivanalyse eine strategische Verfolgung von Machtinteressen, so erscheint Bührmann zufolge auch eine Analyse der tatsächlichen strategischen Effekte angemessen (Bührmann 1998: 81). Vorarbeiten bei Foucault Mit Hinblick auf die an dieser Stelle angestrebte Übertragung der Dispositivanalyse auf den Bereich der Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation muss eingeräumt werden, dass selbst Foucault bereits Vorarbeiten zur Diskurs- und Dispositivanalyse von Geschlechtlichkeit geleistet hat. Entsprechend muss damit gerechnet werden, dass der Ansatz sich eventuell in besonderem Maße und eventuell sogar ausschließlich für eine Analyse dieses Gegenstands eignet. Foucault selbst spricht bereits von einem Sexualitätsdispositiv (Bührmann 1998: 83). Bührmann zufolge begreift Foucault die Hervorbringung von zwei Geschlechtern als Normalisierungsprozess, der mit der zunehmenden Hervorbringung immer neuen Wissens vorangetrieben wird. Grundlagen für die Genese des Sexualitätsdispositivs bilden Foucault zufolge dabei die Entstehung einer Disziplinarmacht26 im 17. Jahrhundert und einer Bio-Politik27 im 19. Jahrhundert. Methodisches Vorgehen und Ergebnisse Im Sinne einer methodisch abgesicherten qualitativen Analyse empirischen Materials nach Maßgaben der Herstellung intersubjektiver Nachprüfbarkeit überrascht auch Bührmanns Analyse nach der vergleichsweise systematischen Formulierung von Fragestellungen mit einer eher narrativ als kritisch differenzierenden Auswertung: Bührmann referiert nun größtenteils Sekundärliteratur, deren Autoren mit ihren Aussagen die Argumentation Bührmanns stützen. Zentral betrachtet Bührmann die Entwicklung innerhalb des Geschlechterdispositivs vom Ein-Geschlecht-Modell zum Zwei-Geschlecht-Modell, auf dessen Grundlage erst eine stark differenzierende Auffassung von Männlichkeit gegenüber Weiblichkeit möglich wird. Während Männer auf diese Weise zum normalen Individuum stilisiert werden, verbleiben Frauen als

26 »Über Mechanismen der objektivierenden Vergegenständlichung zielte die Disziplinarmacht darauf ab, den Körper zu dressieren, seine Fähigkeiten zu steigern und seine Gelehrigkeit zu instrumentalisieren, um ihn in effiziente und ökonomische Kontrollsysteme zu integrieren« (Bührmann 1998: 83). 27 »Ihre Ziele bestanden darin, über Mechanismen der subjektivierenden Unterwerfung die Fortpflanzungs- und Mortalitätsrate abzuschätzen, die gesundheitliche Verfassung der Bevölkerung zu kontrollieren und das Verhältnis zwischen Ressourcen und Bevölkerung zu regulieren« (Bührmann 1998: 83).

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reine Gattungswesen mit einem inhärenten Hang zur Geisteskrankheit und Schwäche. Auch wenn man Bührmanns Argumentation als Behauptungen abtun kann, für die sie wenige Belege und insbesondere keine kritische Abgrenzung gegenüber möglichen Gegenargumenten aufbringt, erscheinen doch einige Ergebnisse erhellend im Hinblick auf mögliche Formen von Ergebnissen einer Dispositivanalyse: Demnach zeigt Bührmann, wie der Definitions- und Erklärungsanspruch im Hinblick auf menschliche Geschlechtlichkeit zwischen einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen hin- und her wandert und auf diese Weise zunehmend mit Deutungen, Funktionen und Interpretationen aufgeladen wird. Insbesondere kommt es zu einer zunehmenden Verquickung von medizinisch-physiologischen mit humanistisch-psychologischen Annahmen. Diese Verzahnung trägt zusätzlich zu einer Materialisierung der Geschlechterdifferenzierung bei. Darüber hinaus verweist Bührmann auf die Umsetzung wissenschaftlicher Konstruktionen im Sinne des Geschlechterdispositivs in Interdiskursen. Entsprechend müsste beispielsweise erwartet werden, dass insbesondere fortschrittsorientierte Kreise, wie beispielsweise die Neuen Sozialen Bewegungen, aktuelle Erkenntnisse der Geschlechterforschung aufgreifen und diese umsetzen (Bührmann 1998: 92). Das Fremdheitsdispositiv Thomas Höhne berichtet aus den Ergebnissen eines von der Volkswagen-Stiftung an der Universität Frankfurt am Main unter der Leitung von Frank-Olaf Radtke durchgeführten Forschungsprojekt unter dem Titel »Bilder von Fremden. Formen der Migrantendarstellung als der ›anderen Kultur‹ in deutschen Schulbüchern. Im Rahmen dieses Projekts ist die Dissertation von Thomas Höhne entstanden. Das Projekt selbst ist dokumentiert in Form eines Zwischenberichts (Höhne/Kunz/Radtke 1999) sowie einer abschließenden Monographie (Höhne/Kunz/Radtke 2005). Das, was Höhne als Dispositiv formuliert, bezeichnet er selbst als Fremdheitsdispositiv, an anderen Stellen auch allgemein als Kulturdispositiv. Der Begriff des Kulturdispositivs soll an dieser Stelle übernommen werden. Dabei wird eine kritische Betrachtung der Arbeiten Höhnes weitere Fragestellungen aufwerfen, mit deren Hilfe ein Kulturdispositiv nachgezeichnet werden kann, das sich nicht mehr nur auf die Konkretisierungen in der Schulpädagogik beschränkt. Ein Ziel der vorliegenden Studie liegt vielmehr auch in der Entwicklung weiterführender Forschungsperspektiven, weshalb auch die Analyse des Kulturdispositivs sich auf wissenschaftliche Diskurse sowie deren bislang ungenutztes Potential konzentrieren wird. Höhne verweist gleich zu Beginn auf eine Verschränkung des Multikulturalitätsdiskurses mit einem Diskurs des Freund-Feind-Paradigmas. Hierzu bezieht er sich auf Zygmunt Bauman (1992: 23-50), der sich wiederum an Georg Simmels Bestimmung des Fremdheitsbegriffs orientiert. Demnach bilde das Fremde eine zusätzliche, dritte Kategorie zwischen den beiden bereits bestehenden Kategorien von Freund und Feind. Das aus diesen letzteren Kategorien solide gefestigte Weltbild werde durch die Kategorie des Fremden zerrüttet, weshalb das Fremde häufig per se als bedrohlich wahrgenommen werde. Zugleich komme interkulturellen Erstkontaktsituationen aus dieser Sicht die Funktion einer Überprüfung des Fremden auf Freund oder Feind zu. Innerhalb des Fremdheitsdispositivs kommt dieser Positionierung eine strategische Rolle zu: Trotz oder gerade aufgrund dieser Nichterfassbarkeit wird es den eu-

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ropäischen Wissenschaften überhaupt erst möglich, ihre Beschäftigung mit dem Gegenstand zu perpetuieren und seit dem 19. Jahrhundert große Mengen an Wissen über den oder das Fremde zu sammeln.28 Fragestellungen und das Problem ihrer Zugänglichkeit Diskurse über Kultur sind Höhne zufolge in einer besonderen Weise gegenüber einer diskurskritischen Hinterfragung geschützt, da sie zunächst häufig hinter einer normativ aufgeladenen positiven Absicherung verborgen sind. Mit dem Nachdenken über Kultur werde demnach meist etwas per se Gutes konnotiert, das außerdem eine Selbstreflektion quasi bereits beinhalte, so dass eine weitere kritische Hinterfragung nicht mehr erforderlich erscheint. Vor dem Hintergrund diskurstheoretischen Wissens wird Höhne zufolge jedoch deutlich, dass eine diesen Standpunkt transzendierende Betrachtung durchaus möglich und gewinnbringend ist.29 Höhne fragt nach den Orten und Bereichen sowie nach den inhaltlichen Komponenten einer diskursiven Erwähnung des Aspekts des Fremden, darin ähnelt die Art und Weise der Formulierung von Fragestellungen der Herangehensweise, die auch in der Dispositivanalyse der Geschlechterdiskurse von Bührmann (1998) vorgefunden werden konnte: »Zu untersuchen wäre also die Art und Weise, wie über ›Fremde‹ gesprochen wird, in welchen Zusammenhängen sie erwähnt werden und ob so etwas wie ein Konsensus vorliegt, der in unterschiedlichen Bereichen (wissenschaftlich-sozial) übergreifend herrscht« (Höhne 1998: 2).

Das Kulturdispositiv im Besonderen soll Höhne zufolge durch Fragestellungen herausgearbeitet werden, die – ebenfalls ähnlich wie in der Studie von Bührmann – bereits ein Kontextwissen des Autors mit einfließen lassen: »In den Kontext der hier gestellten Thematik übersetzt hieße dies nach den Ursachen für die Entdeckung des kulturellen Anderen als Fremden in den letzten 20 Jahren in Wissenschaft,

28 »Dennoch wird auch und gerade über Fremde im 19. und 20. Jahrhundert ein exorbitantes Wissen über den/die Fremden, die nicht zum Eigenen, vor allem zur eigenen Nation gehören, akkumuliert (Ethnologie für die außereuropäischen und Migrations-Demographieforschung für die innerstaatlichen Fremden [...]). Beide, das ›Eigene‹ und das ›Fremde‹ sind Teil ein und derselben diskursiven Formation und daher abhängig von dem historischen Wissen und den sozialen Kräfteverhältnissen in einer Gesellschaft« (Höhne 1998). 29 »Normalerweise wird das Reden über Kultur per se als positiv beziehungsweise neutral angesehen, weil es scheinbar Momente von Identität, Authentizität und Entfaltung semantisch mittransportiert und dadurch identitäts- und subjektkonstituierende Effekte zeitigt. Kulturelles Verstehen impliziert in diesem Sinne ein ›tiefes‹ Verstehen, eine ›Tiefenhermeneutik‹. Dieser als positiv wahrgenommene ›hermeneutische Gestus‹ von Kulturdiskursen macht Kritik deshalb schwierig, weil erst einmal ihre normativen und objektivistischen Prämissen freigelegt werden müssen. Dies ist die Voraussetzung, um aufzuzeigen, wie umkämpft das Diskursfeld ›Kultur‹ mit all den Inklusions- und Exklusionswirkungen der in ihm auftauchenden Differenzen und seiner sozialen Distinktionsfunktion in der Praxis ist« (Höhne 2000: 42f).

100 | I M D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION Medien und Institutionen zu fragen, nachdem in der postfaschistischen Ära der BRD unter mühevollem semantischem Austausch des ›Gastarbeiters‹ gegen den ›Fremdarbeiter‹ [...] diese Gruppe von Wissenschaft und Medien in ihrer ›Andersartigkeit‹ zunächst in keiner Weise wahrgenommen wurde (übrigens auch quantitativ, was sich an der Anzahl von Berichten, Thematisierungen in den Medien zeigen lässt [...], um dann schließlich zum Objekt kulturwissenschaftlicher interdisziplinärer Begierden zu werden [...]. Auf der anderen Seite lässt sich zu Neckels Bemerkung feststellen, dass es immer Unterscheidungen diskursiver Art gegeben hat, die aber anders differenziert haben (z. B: klassengesellschaftliche, soziale)« (Höhne 1998).

Mit den Fragestellungen vermischen sich hier bereits zahlreiche Hypothesen und Vorannahmen Höhnes bis hin zu einer Selektion des von ihm als relevant erachteten Materials. Indem Höhne auf einzelne Materialienfelder verweist, skizziert er auch bereits den von ihm angenommenen Wandlungsverlauf des anschließend eigentlich erst richtig zu untersuchenden Dispositivs. Ein komplexer Notstand führt zu diskursiver Explosion Während die Autoren der zuvor in dieser Studie referierten Dispositivanalysen den laut Foucault für das Zustandekommen eines Dispositivs erforderlichen Notstand vergleichsweise eindeutig identifizieren konnten, macht Höhne ein ganzes Zusammenspiel unterschiedlicher Entwicklungen für die Entstehung einer Notstandssituation zum Thema Fremdheit verantwortlich. Grundsätzlich wird das Entstehen von Dispositiven im Allgemeinen wie auch im besonderen Fall des Kulturdispositivs eng im Zusammenhang mit Entwicklungsprozessen innerhalb der Wissenschaften gesehen. Dennoch betont Höhne (1998) die hohe Komplexität des Entstehungsumfelds von Dispositiven, zu dem auch gesellschaftliche sowie politische Einflüsse zählen. Höhne (2000: 37) zufolge ist der Diskurs um Kultur erst in den 1980er und 1990er Jahren quantitativ stark angewachsen, so dass seitdem von einem Kulturdispositiv gesprochen werden kann.30 Mit Rückgriff auf Foucault (1983: 21) spricht Höhne (2000: 38) auch von einer »Diskursivierung von Kultur« und einer diskursiven Explosion. Politik und Charakteristika demokratischer Systeme tragen Höhne (1998) zufolge zusätzlich dazu bei, dass Grundbedingungen zur Entstehung eines Kulturdispositivs erfüllt werden. Demnach sei Politik in Demokratien größtenteils davon geprägt, dass Entscheidungen getroffen werden müssten. Entscheidungen wohne dabei grundsätzlich die Tendenz zur Beförderung von Homogenisierungstendenzen und zur Verringerung, bzw. Abschaffung von Heterogenität inne. Kulturalistische Differenzierungen werden demnach in demokratischen Systemen sogar begünstigt.31

30 »Man kann mit Blick auf Diskurse um Kultur in den 80er/90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von ›Kulturdispositiv‹ analog zum ›Sexualitätsdispositiv‹ (Foucault) insofern sprechen, als mit ihm Wissen und eine Vielzahl von verschiedenen Praxisformen, institutionellen Verknüpfungen, Machtbeziehungen, dominanten Diskursen [...] bezeichnet wird« (Höhne 2000: 37). 31 »Politik ist ›Schicksal‹ [...] und bedeutet Dezision! Das dezisionistische Moment in Schmitts Politikbegriff ist für die Definition des Heterogenen bzw. des Fremden in einem homogenen Gebilde entscheidend, denn es kann nach ihm zu Situationen und Konstellationen

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Gesellschaftliche Entwicklungen begünstigen zusätzlich die Entstehung eines Kulturdispositivs: Höhne merkt an, dass das Fremdheitsdispositiv nicht allein aufgrund der Entstehung binärer Denkmuster erklärt werden kann. Stattdessen haben zahlreiche verschiedene Faktoren zu der Herausbildung des Dispositivs geführt: »Mit Foucault kann davon ausgegangen werden, dass außer der Entwicklung des ›Vorsorgestaates‹ (Ewald) im nationalstaatlichen Raum das zweite wesentliche Element für die neuzeitliche ›Theorie des Fremden‹, nämlich den Rassismus im 19. Jahrhundert, das entsprechende wissenschaftliche Wissen war. So lässt sich festhalten, dass es auch vor dem Rassismus Theorien über Fremde gab (Hexen, Ungläubige, Moslems, Juden), aber dass eine säkulare-wissenschaftliche Theorie der Fremden innerhalb eines nationalstaatlichen Zusammenhangs erst im 19. Jahrhundert möglich war« (Höhne 1998).

In den Wissenschaften formiert sich Höhne (1998) zufolge ein interdisziplinäres Zusammenspiel, an dessen Ende die Herausbildung der Humanwissenschaften in Europa in der Frühen Neuzeit die Grundlage für ein Gefüge aus Wissen und Macht bildet. Innerhalb dieses Gefüges kann Höhne zufolge jede beliebige Kategorisierung zur Herstellung sozialer Differenz verwendet werden. Mit Verweis auf Foucault (1976b: 237) spricht Höhne (2000: 41) von einer Normalisierungsmacht als einer neuen Machtform, die mit dem Erstarken der Nationalstaaten erstmals in Erscheinung tritt. Im Rassismus findet diese Normalisierungsmacht ihren Höhepunkt. Der Rassismus des 19. Jahrhunderts konnte demnach nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Theoriekonstruktion zustande kommen. Er wird durch ein Eindringen des Biologischen ins Politische (Foucault 1983: 170) erst ermöglicht (Höhne 2000: 41). Auch in der Gegenwart wird das Fremdheitsdispositiv aus entsprechenden wissenschaftlichen Diskursen genährt: Mit Rückgriff auf Pêcheux (1982) weist Höhne (2000: 38) darauf hin, dass gegenwärtige Diskurse um Kultur und interkulturelle Kommunikation in den Wissenschaften durch eine zunehmende Auseinandersetzung mit Kultur in den Wissenschaften des 20. Jahrhunderts vorkonstruiert worden sind. Fremdheitswissenschaften bilden nach Höhne demnach eine notwendige Grundlage für die spätere Entstehung des Forschungsgegenstands interkultureller Kommunikation. Indem sie auf diese Weise ein mehr oder weniger binäres Interpretationsschema aus Eigenem und Anderem vorlegen, auf dessen Grundlage alle gesellschaftlichen Beobachtungen gedeutet werden, kommt es zu einer normalisierenden Reduktion auf das Kulturdispositiv: Soziale Machtungleichgewichte unterschiedlicher Art werden hier beispielsweise ignoriert zugunsten einer angenommenen, völlig symmetrischen Kulturdifferenz. Normierend vorgegeben werden dabei Strategien der Anerkennung

kommen, in denen das Fremde eindeutig definiert, ausgeschlossen oder ›vernichtet‹ werden muss: ›Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen‹ [...] ›Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, dass sie das Fremde und Ungleiche, die Homogenität Bedrohende, zu beseitigen oder fernzuhalten weiß‹ [...] Der ›Substanz der Gleichheit‹ stehe das ›Risiko der Ungleichheit‹ [...] gegenüber« (Höhne 1998).

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und der Toleranz.32 Darüber hinaus betont Höhne, dass die Kategorisierungen zur Identifizierung kultureller Fremdheit Produkte »vielschichtiger Konstruktionsleistungen« (Höhne 1998) sind. Diese Konstruktionsleistungen werden sowohl in dem zu untersuchenden Feld, als auch von den Wissenschaftlern innerhalb ihrer Diskurse erbracht. Gegenüber dem Notstand fungiert das Dispositiv selbst bereits als eine Strategie zur Erreichung einer erwünschten Behebung des Notstands. Das Ziel dieser Strategien liegt Höhne zufolge bereits angesichts seiner bis hierher skizzierten Überlegungen auf der Hand: Es geht um die Aufrechterhaltung hegemonialer Verhältnisse zwischen einzelnen Gesellschaften (Höhne 2000: 37). Beweise und Gegenbeweise für die Existenz des Kulturdispositivs Während sich bei Timpf (2003) und Bührmann (1998) keine Auseinandersetzung mit der Stichhaltigkeit der ihrer Studie zugrunde liegenden Materialauswahl findet, setzt sich Höhne ausführlich mit der an dieser Stelle bereits formulierten Kritik auseinander und sucht nach rekonstruierbaren Begründungswegen. Dennoch belässt auch Höhne (1998) die Existenz des Kulturdispositivs zunächst in ihrer lediglichen Behauptung. Er räumt zwar ein, dass auch alternative Interpretationen der Geschichte im Allgemeinen, bzw. der Konstitution des Kulturverständnisses im Besonderen möglich sind. Ausschlaggebend sei demgegenüber jedoch die Frage, inwieweit einem beschriebenen Dispositiv eine längerfristige Dominanz in gesellschaftlichen Diskursen bescheinigt werden könne. Eine solche Dominanz sieht Höhne für das Kulturdispositiv gegeben. Wie bereits angedeutet, spricht er im Sinne Foucaults sogar von einer »diskursiven Explosion« (Höhne 1998) um den Kulturbegriff um 1980.33 Die hohe Relevanz, die dem von ihm beschriebenen Kulturdispositiv in der Vergangenheit bis heute zuteil geworden ist, sieht Höhne unter anderem in der Verzahnung mit dem Nationenbegriff insbesondere in Deutschland begründet.34

32 »Die interkulturelle Pädagogik wie alles, was unter dem Signum ›interkulturell‹ läuft (Kommunikation, Verstehen, usw.) ›löst‹ dieses grundlegende Dilemma, indem sie soziale und ökonomische Asymmetrien und Machtgefälle, unter denen die MigrantInnen ihre Existenz gestalten müssen, in symmetrische Kulturkonflikte transformiert, so dass es am Ende nur noch um Anerkennung bzw. Toleranzgebote geht – die Normativität dieser Ansätze liegt auf der Hand. Die These von der Kulturdifferenz, von der dabei als Faktum ausgegangen wird, wäre daher umzudrehen: Damit Differenz anerkannt werden kann, muss sie erst einmal hergestellt und quasi wissenschaftlich ›auf den Begriff‹ gebracht werden. Keine Anerkennung der Differenz ohne deren vorherige Etablierung!« (Höhne 2000: 37). 33 »Mit der ›diskursiven Explosion‹ (Foucault) um die eigene und nationale Kultur Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre (Motto: ›Kultur für alle‹) wurde die ›fremde Kultur‹, bzw. die ›kulturellen Fremden‹ gleichermaßen im Sinne von ›national‹ zunehmend sichtbarer und schließlich so ›auffällig‹ gemacht, dass diese Grunddifferenz des kulturellen Eigenen und Fremden dominant gegenüber anderen Unterscheidungen wurde (sozialen, ökonomischen) und diese überlagerte. Auf die historische Bedeutung des ›kulturellen Pluralismus‹ hat schon frühzeitig P. Ricœur aufmerksam gemacht (Owens 1981: 172)« (Höhne 1998). 34 »Sicherlich ist es möglich, mit ganz anderen Unterscheidungen an Diskurse über Kultur heranzugehen (z.B. geschlechts- oder klassenspezifisch), und dann wäre zu prüfen, in wel-

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Die Existenz oder die Relevanz eines bestimmten identifizierten Dispositivs scheint sich demnach nicht letztendlich beweisen oder aber auch dementieren zu lassen. Methodisch bleibt dem Forscher nur die Möglichkeit der Sammlung von Hinweisen und Indizien. Ein Ausschlussverfahren dagegen scheint sich nicht anwenden zu lassen, durch das ein identifiziertes Dispositiv eindeutig gegenüber anderen möglichen hervorgehoben werden kann. Methodisches Vorgehen und Ergebnisse Exemplarisch zeigt Höhne an einem historischen Abriss die Wandelbarkeit des Kulturbegriffs innerhalb der Entstehung des Dispositivs (Höhne 1998). Nachdem er behauptend sichergestellt hat, dass das Kulturdispositiv eine dominante Stellung innerhalb des von ihm fokussierten, gegenwärtigen Untersuchungszeitraums einnimmt, verlässt auch er sich ähnlich wie Bührmann auf eine ledigliche Auflistung von Erwähnungsbeispielen. Anhand dieser Beispiele wird die Entstehung des Kulturdispositivs anschaulich nachvollziehbar, aber auch hier bleibt eine letztendliche Beweisführung zu Gründen und Ursachen für die gegenwärtige Existenz und Form eines Kulturdispositivs aus. An anderer Stelle bezeichnet Höhne seine Vorgehensweise als Dekonstruktion. Diese werde in drei Schritten vollzogen, »der Identifizierung der Differenzen und Dichotomien, der Auflösung der damit zumeist einhergehenden inhärenten Hierarchien und die ›Markierung des durch das alte metaphysische Paar verdeckten Erkenntnisraums‹ [...]« (Höhne 2000: 47).35 Zu Beginn seiner konkreten Analyse referiert Höhne (1998) zunächst einige Beispiele, meist aus den Einleitungen von Publikationen unterschiedlicher Genres, die sich mit Aspekten interkultureller Kommunikation und Migration befassen. Höhne

cher Art und Weise sich die jeweiligen Differenzen historisch zu einem signifikanten Diskurs verdichten. Das zentrale Argument der vorgetragenen These [sic!] zum einen in dem unterstellten gegenseitigen Konstitutionsverhältnis von Kultur und Fremdheit zu bestehen wie auch zum anderen in dem Umstand, dass Kultur historisch mit der Entstehung der europäischen Nationalstaaten sich zu einem dominanten ›Dispositiv‹ (Foucault) entwickelt hat – und im deutschen Kontext war es der Diskurs über die nationale Kultur und Geschichte, die den nationalen Staat antizipierte (vgl. Fichtes Reden an die deutsche Nation, 1808)« (Höhne 1998). 35 »Zunächst wird die Diskursstruktur rekonstruiert, indem die auftauchenden Differenzen, die konstitutiv für den Diskurs sind, aufgezeigt werden (etwa: die eigen/fremdUnterscheidung oder nationale Differenzen im Bezug auf ›Kultur‹). Anschließend werden in einem zweiten Schritt die Asymmetrien und Hierarchien der Differenzsetzungen aufgezeigt sowie die Arten, in denen sie miteinander verknüpft sind (national, geschlechtsspezifisch usw.). Von da aus kann die Verteilung der Subjektpositionen untersucht werden (Helfer/Opfer), die im Falle des Schulbuchs in bestimmte performative Formen (Arbeitsanweisungen) übersetzt werden, die eine bestimmte Praxis potentiell strukturieren, Mit der Reflexion der so vermuteten Effekte für die Praxis kann schließlich die Kritik formuliert werden, die sich nun aber auf eine untersuchte Diskursstruktur stützt und daher weniger der Gefahr normativer Zuschreibungen als im Fall der klassischen Ideologiekritik ausgesetzt ist« (Höhne 2000: 49).

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zeigt hier, auf welche Weise die Autoren durchweg und auf sehr selbstverständliche Weise kulturelle Differenz festschreiben, ihren Erhalt als Grundbedürfnis der Menschheit bezeichnen und zwischen unterschiedlichen Graden von Fremdheit unterscheiden. Unter anderem das einführende Lehrbuch zur interkulturellen Kommunikation von Maletzke (1996) baut demnach auf einer konstruierten Selbstverständlichkeit unumgänglicher kultureller Differenz auf. Das Analysebeispiel der Konzeption von Schulbüchern Darüber hinaus analysiert Höhne (1998) in ausführlicherer Form ein Schulbuch (Helbig 1997). Hier betrachtet er zunächst die analytische Strukturierung der thematischen Abschnitte des Buches und die quantitative Repräsentanz sowie die Proportionalität der einzelnen Themen. Gemäß dieser Gliederung lernen die Schüler, dass ihre Schule als Exempel für das soziale Zusammenleben von Menschen an sich angenommen werden kann, dass das Zusammenleben grundsätzlich auch Probleme produziert und dass einer dieser Problembereiche als der des Umgangs mit kultureller Differenz identifiziert werden kann. Probleme seien darüber hinaus zum Lösen da, und dies sollten die Schüler als Lernziel des Buches verstehen. Für zentral hält Höhne auch die Kopplung von Kultur und Konflikt. Kulturelle Differenz wird zudem bildlich inszeniert und auf diese Weise festgeschrieben. Höhne veranschaulicht dies an dem in dem Schulbuch verwendeten Bild eines Mädchens mit Migrationshintergrund, das zwischen zwei (kulturellen) Stühlen sitzt und für das ihre kulturelle Positionierung ein grundsätzliches Problem darstellen muss. Indem ein Mädchen dargestellt wird, referieren die Autoren zusätzlich auf eine im Besonderen sozial konstruierte Opfergruppe. Auch die Arbeitsanweisungen innerhalb des Schulbuchs schreiben die konstruierte Differenz weiter fort. Dabei kommt den Migranten (selbst wenn sie als Schülergruppe in der Klasse präsent sind) eine passive Rolle zu: Es bleibt die Lernaufgabe der deutschen Schülerinnen und Schüler, mit Migranten konstruktiv (konfliktbearbeitend) umzugehen. Migrantischen Schülern wird bestenfalls die Rolle zugeschrieben, aus ihrer Kultur erzählen zu dürfen (wodurch ihre Differenz weiter manifest und präsent gehalten wird). Auch Übungen, bei denen Schüler ihre Herkunft auf einer Landkarte einzeichnen dürfen, tragen zu einer Zementierung und Materialisierung kultureller Differenz bei. Charakteristisch für die Differenzkonstruktionen erscheinen Höhne die grundsätzliche Binarität zwischen fremder und eigener Kultur sowie zwischen fremder und eigener Religion. Auch Geschlechterdifferenzen werden hier als fremd und eigen mitkonstruiert. Aus den Differenzen entstehe (allerdings ausschließlich für die Migranten) ein »Kulturkonflikt als Identitätsproblem« (Höhne 1998). Das Analysebeispiel Migrationsforschung Am Beispiel der empirischen Studie unter migrantischen Jugendlichen in Deutschland von Heitmeyer et al. (1997) weist Höhne eine für derartige Studien charakteristische, »systematisch erzeugte Unterkomplexität« (Höhne 1998) nach, in der alle sozialen Probleme schon qua Forschungsdesign auf die Kopplung aus Kultur und Konflikt zurückgeführt werden. Als besonders bezeichnend für diese rhetorisch paradoxe Vorgehensweise verweist Höhne auf das folgende Zitat:

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»Der Blick auf die Daten macht deutlich, dass [...] der Großteil aller türkischen Jugendlichen solche Handlungen (Gewaltausübungen, T.H.) im letzten Jahr nicht vollzogen hat. Gleichzeitig ist ersichtlich, dass jeweils ein nicht unerheblicher Anteil der Jugendlichen von Gewalthandlungen in den letzten zwölf Monaten berichtet« (Heitmeyer 1997: 112) zit. nach Höhne (1998).

Obwohl hier die Studie offenbar das landläufige Stereotyp von kriminellen jugendlichen Migranten zu widerlegen oder zumindest nicht in besonderer Ausprägung zu belegen scheint, gelingt es den Autoren hier, das Stereotyp dennoch aufrecht zu erhalten. Im Grunde dementieren sie damit ihre eigenen Forschungsergebnisse. Als Begründung für die demnach dennoch angenommene hohe Kriminalitätsrate unter migrantischen Jugendlichen führen die Autoren einzelne Aspekte aus deren kulturell geprägter Sozialisation an. Als weiteres Kollektivsymbol – wenngleich Höhne den Begriff nicht verwendet – identifiziert Höhne den Begriff der Ehre, der sich in der »Gewalt der Ehre« (Höhne 1998) verdichtet. Auch wenn Höhne nicht explizit darauf Bezug nimmt, scheint seine methodische Vorgehensweise der der Identifizierung von Kollektivsymbolen nach Link zu ähneln: Die Metapher des Zwischen den Stühlen Stehens vereint in sich in hohem Maße zahlreiche Merkmale und Bestandteile des in Deutschland konstruierten Kulturalitätsund Migrationsdiskurses. Die Metapher erlangt darüber hinaus ihre Stärke aus ihrer allgemeinen, sprichwörtlichen Verwendung. Anstatt von Kollektivsymbolen spricht Höhne von Begriffen, die die Funktion eines »Blinkers« (Höhne 1998) einnehmen. Sie sind Bestandteile des Interdiskurses. Eigenschaften des Kulturdispositivs Innerhalb seiner Analyse identifiziert Höhne am Beispiel des Kulturdispositivs eine Reihe von Eigenschaften, die als charakteristische Bestandteile von Dispositiven angesehen werden können und die an dieser Stelle referiert werden sollen, um später auch am Beispiel interkultureller Kommunikation eine Identifizierung versuchen zu können. Das Fremdheitsdispositiv ist permanent wandelbar und verändert sich. Hier verweist der Begriff der Intelligibilität auf einen dem Fremdheitsdispositiv wesentlichen Aspekt: Die Konstruktion des Anderen ist diskursimmanent innerhalb der eigenen Gesellschaft permanent wandelbar (Höhne 1998): »Intelligibilität stellt sich im Verhältnis zum Anderen her; sie bewegt sich (oder ›schreitet‹) fort, indem sie das verändert, was sie aus ihrem ›Anderen‹ – dem Wilden, der Vergangenheit, dem Volk, dem Wahnsinnigen, dem Kind, der Dritten Welt – macht.« de Certeau (1991: 13), zit. nach Höhne (1998).

Höhne bezeichnet diesen Effekt der Intelligibilität hier als Normalisierungsdispositiv: Das, was als fremd, was als eigen bezeichnet wird, kann diskursimmanent permanent verändert werden. Darüber hinaus sind beliebig viele verschiedene Konstruktionen von Eigenem und Fremden zeitgleich und parallel denkbar.36

36 »Die Voraussetzung der vielfachen und vielförmigen Abtrennung des Anderen vom Eigenen ist eine humanwissenschaftliche Rationalität, die als Normalisierungsdispositiv

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Außerdem wirkt das Kulturdispositiv universell vereinnahmend: Als Ergebnis der Entwicklung des Diskurses sieht Höhne um die Jahrtausendwende ein Kulturdispositiv, in dem Diskurse um und über Kultur wesentlich durch die Pole des Eigenen und des Fremden geprägt sind. Umgekehrt bedeute dies auch, dass Eigenes und Fremdes nur noch innerhalb des Dispositivs des Kulturellen gedacht werden können. Sie funktionieren nur noch darin und haben nur noch darin überhaupt eine Relevanz (Höhne 2000: 37).37 Innerhalb des Kulturdispositivs sind dabei weitere Differenzierungen möglich: »Das gegenseitige Bedingungsverhältnis zwischen Diskursfeld und der es mitkonstituierenden Grunddifferenz ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterscheidung eigen/fremd wesentlich im Feld der Kultur ›funktioniert‹, die sich durch die Verknüpfung mit anderen Differenzen unterschiedlich artikulieren kann (geschlechtsspezifisch, klassenspezifisch) und im Diskursfeld Kultur weitere Unterscheidungen (Exklusion/Inklusion) ermöglicht« (Höhne 2000: 42).

Höhne verweist dabei darauf, dass die Verknüpfung kultureller Differenz mit Klassen- oder Geschlechterdifferenz vielfach zu finden ist (Höhne 2000: 41). Gelegentlich erweckt die Häufigkeit der Verknüpfung den Eindruck, dass die erste Differenzierung zum Einbezug weiterer quasi nahezu einlädt. Trotz aller Wandelbarkeit bescheinigt Höhne dem Kulturdispositiv jedoch auch notwendige Mechanismen der eigenen Konservierung. Demnach werden die Permanenz und der Erfolg des Kulturdispositivs durch einen rhetorischen Trick in den Wissenschaften abgesichert. Trotz des immer wieder konstatierten Phänomens der Fremdheit schafft es die Forschung zur interkulturellen Kommunikation einerseits, eine Vielzahl unterschiedlich konzipierter Wege zur Überbrückung dieser Fremd-

schließlich fungiert, indem sie nicht nur im spezialwissenschaftlichen Bereich die Kategorien und Begründungen für das entsprechende Ein- und Aussortieren des Anormalen, Fremden, Unbegreifbaren, des Abweichenden usw. liefert, sondern deren Erkenntnisse, massenmedial vermittelt, zu einem popularisierten allgemeinwissenschaftlichen Wissen werden, in dem das Eigene und das Andere jeweils spezifisch, aber strukturell eingeht« (Höhne 1998). 37 »Ohne der Frage nachzugehen, ob diese Kennzeichnung des Politischen zutrifft oder nicht, möchte ich in Anlehnung an die Freund-Feind-Unterscheidung die These anschließen, dass in gegenwärtigen Diskursen um Kultur, sei es in wissenschaftlichen Spezialdisziplinen oder im Medienbereich, ein Begriff des ›Kulturellen [...]‹ herrscht, in dem die Unterscheidung des (nationalen) ›Eigenen‹ und des ›Fremden‹ ein konstitutives Element bzw. eine bestimmende Differenz dieses Kulturdiskurses bilden. Umgekehrt impliziert dies auch, dass Diskurse über ›das Fremde‹ sich angesichts der gegenwärtigen diskursiven Formation nur unter kulturellen Vorzeichen realisieren lassen, d.h. außerhalb des Kulturdiskurses die ›Differenz der Völker‹ nicht greift [...], wenn man nicht in einen sozial tabuisierten biologischen Rassismus abrutschen möchte [...]. ›Das Fremde‹ kann sozusagen nur im ›Medium‹ bzw. innerhalb eines Diskurses über Kultur [...] zur Darstellung kommen – den ökonomisch Fremden beispielsweise gibt es nicht, in diesem Bereich wäre von Differenzen wie Käufer-Verkäufer, Partner-Konkurrenten oder ähnlichem auszugehen« (Höhne 1998).

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heitslücke anzubieten.38 Andererseits – und gleichzeitig – werden weiterhin die prinzipielle Unerreichbarkeit und die Unüberbrückbarkeit des Fremden immer wieder postuliert. Der Forschung zur interkulturellen Kommunikation gelingt es auf diese Weise, einerseits permanent Lösungen anzubieten und andererseits das Grundproblem immer weiter existent zu halten. Im Grunde gelingt hier eine paradoxe Argumentation, die die Legitimation der Disziplin erfolgreich perpetuiert.39 Für den Fortbestand des Dispositivs erscheint es aus Höhnes Sicht zentral, dass das Fremde grundsätzlich als signifikant markiert und erkennbar bleibt (Höhne 1998: 41l). Dabei kann das der interkulturellen Forschung inne wohnende Differenzkonstrukt durchaus unterschiedlich konzipiert werden. Wichtig bleibt allein die Weiterführung des paradoxen Verhältnisses zwischen Eigenem und Fremdem.40 Eine ähnliche und konkrete Kritik an dieser paradoxen Rhetorik findet sich auch bei Ha (2009) gegenüber dem Beispiel des Erlanger Graduiertenkollegs zur Transdifferenz, die begrifflich auf einer ähnlichen, paradoxal-selbsterhaltenden Argumentation aufbaue. Zu einer kritischen Würdigung von Höhnes Ansatz Höhne führt empirische Analysen zur Untermauerung seiner theoretischen Überlegungen meist an Beispielen durch, in denen ein essentialistisches Kulturverständnis identifiziert und aufgedeckt werden kann. Wenngleich er gedanklich bereits eine Integration von Ansätzen interkultureller Hermeneutik vollzieht, werden diese nicht mehr an Beispielen ausgeführt.

38 »Das Moment der (Un-)Bestimmbarkeit ist, wie Baumann ausführt, konstitutiv für die Unterscheidung des Feindes und des Fremden. Nichtsdestotrotz bleibt innerhalb des Regimes von Wissen(schaft) keine Leerstelle, denn der Fremde verharrt nicht in der Position des ›Großen Unbekannten‹, sondern wird im Diskurs permanent markiert, von Eigenem Unterschieden und (sic!) entwickelt sich ein ganzes Feld theoretischer Überlegungen und ›positiven‹ Wissens, wie die ›Brücke‹ zum Fremden zu schlagen wäre (interkulturelle(s) Kommunikation/Lernen/Bildung/Germanistik/Psychologie usw.)« (Höhne 1998). 39 »Ähnlich wie am Ende des 19. Jahrhunderts die ›Bindestrichwissenschaften‹ [...] eine Diversifizierung des Kulturdiskurses, d.h. ein Anwachsen oder ›Wuchern‹ (Foucault) des diskursiven Netzes um Kultur zu einem ›Dispositiv [...]‹ (Foucault) anzeigen, würde die ›diskursive Explosion‹ um ›das Interkulturelle‹ (impliziert den ›Begriff des Kulturellen‹ mit der eigen/fremd-Grunddifferenz) das gegenwärtige dominierende Element dieses Dispositivs darstellen« (Höhne 1998). 40 »Die Grundrelation des Eigenen und des Fremden kann differenzlogisch konträr (Opposition) oder kontradiktorisch (Negation) sein: Insofern das Fremde nicht genauer bestimmbar und festlegbar ist, kann es schlicht durch die Position des ›Nicht-Eigenen‹ festgelegt werden. Beide Formen lassen sich mühelos im Diskurs nachweisen und stellen zwei Möglichkeiten der differentiellen Abgrenzung dar, die sich in den unterschiedlichen Ansätzen in den Sozial- und Geisteswissenschaften zu einer ›interkulturellen Hermeneutik‹, also dem Verstehen des ›Fremden‹ verdichten. Die schon erwähnte paradoxe Struktur eines ›Verstehens des nicht-zu-Verstehenden‹, nämlich des Fremden, wird in Bildern des ›Changierens‹, des ›Schwebens‹, des ›Oszillierens‹ zwischen dem Eigenen und dem Fremden eingefangen« (Höhne 1998) mit Verweis auf Wierlacher (Albrecht/Wierlacher 1993).

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Ausdehnung der Dispositivanalyse auf konstruktivistische Ansätze Der interdisziplinär verstandene sozial- und geisteswissenschaftliche Diskurs um Kultur in der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass der Konstruktionscharakter von Kultur sowie interpretative Momente sowohl im Verstehen und Fremdverstehen als auch in wissenschaftlichen Zugangsformen an kulturelle Phänomene herausgestellt und problematisiert wird. Damit muss jedoch keine Aufgabe des Kulturdispositivs verbunden sein. Gerade die Auseinandersetzung mit hermeneutischen Fragestellungen integriert die Annahme einer Unüberwindbarkeit kultureller Grenzen noch tiefer in das theoretische Verständnis des Forschungsgegenstands Kultur, der weiterhin nicht transzendiert wird. Beispielhaft sei auf die nicht explizit diskurstheoretisch formulierte Dekonstruktion der Rhetorik um den Begriff der Transdifferenz verwiesen, die Ha (2009) angesichts des gleichnamigen Erlanger Graduiertenkollegs ausführt und auf die in der vorliegenden Studie bereits Bezug genommen wurde. Doch auch wenn Ha einzelne Rhetoriken innerhalb des Kulturdispositivs entlarvt, muss aus der Logik des Dispositivs heraus im Blick behalten werden, dass auch Ha nicht in der Lage sein kann, das Dispositiv zu transzendieren. Stattdessen muss auch Has Dekonstruktion als Bestandteil des Dispositivs verstanden werden. Zur Handlungsrelevanz des Kulturdispositivs Eine der Kernfragen der vorliegenden Studie fokussiert die Handlungsrelevanz von Kultur und Kulturbegriffen. Dabei wurde eingangs kritisch angemerkt, dass diese eigentlich zentrale Fragestellung nur von wenigen bisherigen Studien berücksichtigt worden ist. Auch für Höhne steht die Frage nach Auswirkungen des Dispositivs auf soziales Handeln nicht im Zentrum. Dennoch verweist er zumindest darauf und nimmt zur Kenntnis, dass diskursive Konstruktionen von Fremdheit sich konkret auf die Umgangsformen einer Gesellschaft mit Fremdheit auswirken können (Höhne 1998). So können beispielsweise rassistische Denkmuster als Produkte gesellschaftlichen Differenzdenkens die Grundlage für faschistische Handlungsformen bilden.41 Die Diskursformationen um Kultur und Rasse befruchten sich Höhne zufolge über einen langen Zeitraum bis in die Gegenwart gegenseitig und stärken damit rassistische Wurzeln im Kulturdispositiv (Höhne 2000: 41). Konkret erkennbar wird das Fremde in der Praxis durch die Verwendung symbolischer Diakritika im Sinne von Barth (1969a). Auf diese Weise wird das Fremde sowohl isoliert als auch gleichzeitig herabgesetzt (Höhne 1998). Eine ähnliche Beschreibung dieser Praxis findet Höhne (1998) im Begriff der Stigmatisierung nach Erving Goffman, auf den Bauman in die-

41 »Detlev Peukert hat unter anderem darauf aufmerksam gemacht, dass mit der Genese des europäischen Rassismus eine soziale Utopie beschworen wurde, deren Verwirklichung und Umsetzung der Faschismus versuchte: ›Wir dürfen nicht vergessen dass der faschistische Rassismus ein Modell für die Neuordnung der Gesellschaft, ihre innere Ausrichtung anbot. Es beruhte auf der rassistisch begründeten Aussonderung aller aus der Norm herausgefallenen Elemente, von aufsässigen Jugendlichen, von Arbeitsbummlern, von Asozialen, von Prostituierten, von Homosexuellen, von beruflich Erfolglosen und Leistungsuntüchtigen, von Behinderten.‹« Höhne (1998), zit. nach Baumann (1992: 46).

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sem Zusammenhang hinweist (Bauman 1992: 91). Da ein solches Stigma unauslöschlich ist, können moderne Gesellschaften nur mit ihm umgehen, indem sie es ignorieren oder annullieren (Höhne 2000: 41). Zum Beratungsertrag der Dispositivanalyse Höhne (1998) referiert weiterhin Bauman (1992), nach dem eine Antwort sozialpädagogischer Didaktik zum konstruktiven Umgang unter diesen Voraussetzungen nur darin bestehen könne, das Fremde permanent zu integrieren. Dieser Homogenisierungsaspekt widerspreche jedoch andererseits derart grundlegend dem liberalstaatlichen Prinzip westlicher Gesellschaften, dass eine solche Sozialpädagogik im Grunde immer nur aufs Neue kompensierend, nie aber grundlegend verändernd wirken könne. Beide Tendenzen, das Markieren sowie das Annullieren von Fremden, können dabei nur innerhalb eines bereits bestehenden Kulturdiskurses praktiziert werden (Höhne 1998). Gegenüber derartigen, vergleichsweise pessimistischen Einschätzungen des didaktischen Potentials eröffnet Höhne jedoch auch Perspektiven: »Die Paradoxien und Zirkularitäten dieser Art wissenschaftlicher Wissensproduktion entstehen genau an den Schnittstellen unterschiedlicher Annahmen über ›das Objekt‹ und ›seine Realität‹, Konstruktion, Fiktion usw. Bezogen auf ›die Fremden‹ könnte das bedeuten, nach der ›Realität‹ des ›kulturell Anderen‹ zu fragen und dies im Zusammenhang mit der sozialen Relevanz bestimmter Merkmale, die diesem zugeschrieben werden. Welche Effekte zeitigt es, wenn innerhalb von Wissenschaft stets und ständig nach der ›anderen Kultur‹, der ›anderen Religion‹, den ›anderen Sitten‹ usw. von MigrantInnen gefragt wird, die seit drei Generationen in Deutschland leben?« (Höhne 1998).

Höhne ermutigt demnach zu einer häufigeren Reflektion über die Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation innerhalb der Wissenschaften, aber auch in der gesellschaftlichen Alltagswelt. Demnach müsse ein stärkeres Bewusstsein für die im Grunde relativ einfache Einsicht geschaffen werden, dass ein Gesprächsgegenstand durch eine zunehmende Auseinandersetzung mit ihm an Bedeutung und Relevanz nur gewinnen kann.

F RAGEN

AN EINE D ISPOSITIVANALYSE INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION Die vorangegangenen Referate zu exemplarisch ausgewählten Dispositivanalysen ermöglichen eine Einschätzung dessen, was diese Methode in der Anwendung leisten kann. Gleichzeitig werden insbesondere im Rahmen von Höhnes Analyse des Kulturdispositiv bereits zahlreiche Aspekte aufgedeckt, die auch für eine Sichtweise auf interkulturelle Kommunikation als einem Dispositiv relevant sind. Des Weiteren können auf dieser Grundlage bereits erste Fragestellungen abgeleitet und neu entwickelt werden, die für eine Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation relevant sein können.

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Grundsätzlich erhärtet sich vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen zusätzlich die bereits formulierte Hypothese von der Theorie-Zentrierung der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Statt handlungsrelevante Kulturbegriffe zu entwickeln und diese dann für eine empirische Forschung zu operationalisieren, scheint ein oberstes Ziel darin zu bestehen, Kultur zu theoretisieren und sie innerhalb von Theoriegebäuden einzuhegen und fassbar zu machen. Verständnisse von Kultur mögen zunächst gegenüber bisherigen Theorien als neu emergierender Unsicherheits- und Verunsicherungsfaktor aufgetreten sein, wodurch bisherige Wissenschaften fast zwingend in einen Notstand im Sinne der Dispositivanalyse manövriert worden sind. Wenn ein primäres Interesse dann zunächst exakt in einer Beseitigung dieses Notstandes besteht, dann erscheint die Strategie einer theoretischen Eingliederung des Kulturbegriffs funktional. Demnach ginge es nicht um eine Untersuchung kultureller Einflüsse auf Interaktionen in der Gesellschaft, sondern ausschließlich um eine Konservierung bisherigen wissenschaftlichen Denkens. Kritik an dieser primären Theorie-Orientierung wird traditionell insbesondere von Seiten der Ethnomethodologie formuliert. Gegenüber dem in der Literatur vielfach verfolgten Ziel einer Theoretisierung von Kultur tritt demnach der Blick auf tatsächliche Auswirkungen von Kultur auf das Handeln betroffener Individuen in den Hintergrund: »In mainstream sociological studies of national identity there is a pervasive tendency to treat such social identity as a theoretical object, especially in either structural or social constructionist terms. With respect to the former, national identity is conceived either as a kind of variable with explanatory power or as something shaped by various social conditions that are external to it. In terms of the latter, identity is something constructed through institutions, individuals and ›discourse‹ within an ›imagined community‹« (Hester/Housley 2002a: 2).

Michael Billigs (1995) Konzept des banal nationalism erscheint für die Ethnomethodologen Hester und Housley (2002a: 3) dagegen ein Beispiel für einen methodischen Weg zu sein, mit dem nationalistische Haltungen von Individuen nicht nur indirekt qua Interpretation unterstellt werden können, sondern mit dem diese Haltungen auf der Grundlage von Indizien explizit nachgewiesen werden können.

Die Erfassung interkultureller Kommunikation als Diskursgegenstand Die Überlegungen in den vorangegangenen Abschnitten haben auf einige Schwierigkeiten bei der Definition von Kultur aufmerksam gemacht: Wenngleich zahlreiche Herangehensweisen an eine Definition vorgefunden und unterschieden werden können, scheint eine Definition, die allen Ansprüchen und Zielstellungen zugleich entspricht, kaum beizubringen zu sein. Eines der größten Hindernisse bei diesem Unterfangen scheint in der Einsicht zu liegen, dass wir mit Kultur ein Phänomen zu definieren versuchen, von dem wir – je nach theoretischer Sichtweise – auf irgendeine Weise permanent betroffen, daran beteiligt, umgeben, etc. sind, so dass wir uns nicht von ihm transzendieren, uns in eine Beobachterperspektive hineinbegeben können und uns dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand selbst entziehen können. Kultur

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scheinen wir demnach immer nur aus unserer eigenen kulturellen Perspektive heraus beschreiben zu können – und tun damit unseren eigenen Ansprüchen an eine Definition nicht genüge. Dennoch schiene es zu bequem, Kultur als etwas abzutun, was einfach nicht beschreibbar ist. Schließlich kann zumindest konstatiert werden, dass Kultur für zahlreiche westliche Gesellschaften ein Thema ist, über das es sich zu diskutieren lohnt. So scheint Kultur ein wesentliches und gut verankertes Thema und ein Gegenstand gesellschaftlicher Diskurse zu sein. In zahlreichen gesellschaftlichen Kontexten, wie beispielsweise Medien, Wirtschaft und Politik dient Kultur immer wieder als Begründung für bestimmte beobachtete Phänomene – und ist damit wesentlich an Prozessen sozialer Sinnstiftung beteiligt. Auf diese Weise verbleibt Kultur darüber hinaus nicht einfach im Bereich rein abstrakter Diskurse, sondern Kultur – oder besser: das, was sich Individuen einer Gesellschaft unter Kultur vorstellen – wird für diese Individuen damit unmittelbar handlungsrelevant. Neben den genannten Schwierigkeiten, Kultur in ihrem Wesenskern definitorisch zu erfassen, scheint demnach die Rolle von Kultur als einem Diskursgegenstand westlicher Gesellschaften mit Handlungsrelevanz für die Individuen dieser Gesellschaften deutlich beobachtbar zu sein. Auch der vorliegende Textbeitrag sowie die Präsentation seiner Inhalte auf einem Symposium zur Problematik des Kulturbegriffs können nur (dank) der thematischen Relevanz von Kultur in westlichen Gesellschaften überhaupt zustande kommen. Mit Hilfe von Methoden aus den Bereichen der Diskurstheorie und der Diskursanalyse lässt sich Kultur als ein in dieser Form skizzierter Diskursgegenstand genauer beschreiben. Theorien der Performanz und der Performativität erlauben darüber hinaus Überlegungen und Rückschlüsse auf den Einfluss dieser Diskurse auf individuelles Handeln, bzw. begreifen dieses Handeln als Teil und Reproduktion der Diskurse. Diese bisherigen Arbeiten haben jeweils den Konstruktionscharakter einzelner Aspekte interkultureller Kommunikation beschrieben: Die Grenzziehungen zwischen dem, was als Kulturen voneinander unterschieden werden soll, die Identifizierung von Eigenschaften, die als kulturspezifisch oder charakteristisch für eine Kultur gelten sollen, sowie die Gestaltung interkulturellen Kontakts können jeweils als Resultate diskursiver Konstruktionen beschrieben werden. Der vorliegende Beitrag soll diese Ansätze um einen weiteren Schritt ergänzen und fragen, ob und auf welche Weise sich auch Vorstellungen davon, was Kultur an sich sein soll, als diskursive Konstruktionen erfassen und beschreiben lassen. Um einen Kulturbegriff vor dem Hintergrund dieser Überlegungen definieren zu können, müsste zunächst danach gefragt werden, auf welche Weise Diskurse über Kultur und den Einfluss von Kultur zustande kommen und welche Aussagen welcher Qualität sie enthalten. Auf dieser Grundlage kann darüber hinaus gefragt werden, unter welchen Bedingungen und in welcher Form diese Diskurse für Individuen oder Gruppen handlungsrelevant werden. In der Geschlechterforschung und den Gender Studies ist die diskursive Konstruiertheit des eigenen Forschungsgegenstands bereits in den innerfachlichen Debatten der neunziger Jahre zu einer zentralen Frage- und Problemstellung aufgerückt. Da sowohl die Forschung zur interkulturellen Kommunikation als auch die Gender Studies sich mit inhaltlichen oder identitätsrelevanten Differenzen zwischen Kollektiven

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auseinandersetzen und strukturelle Ähnlichkeiten der beiden Problemgegenstände vermutet werden können, könnten eventuell auch die Beschreibungsansätze zur diskursiven Konstruktion des Forschungsgegenstands aus den Gender Studies für den Bereich interkultureller Kommunikation fruchtbar gemacht werden. Hinweise auf diese Parallelen finden sich bereits in der aktuellen Forschungsliteratur: »Differenzerfahrung und Differenzdenken müssen also möglich sein, ohne dass das Fremde auf das Eigene zurückgeführt wird und ohne dass das Fremde ausgegrenzt wird. Besonders fortgeschritten ist diese Denkweise schon in den Gender Studies. Dort ist nämlich klar, dass die Kategorie (Gender), über die in den Gender Studies alle Differentsetzungen laufen, selbst kulturell konstruiert ist. Dementsprechend können sich unterschiedliche Kulturen bereits unter der Kategorie Gender etwas ganz unterschiedliches vorstellen. Es geht also bei einem kompetenten Umgang mit diesem Problem darum, sich bewusst zu machen, dass die Differenzkriterien kulturell konstruiert sind, dass sie anderswo anders konstruiert werden können, und dass man sich nicht von ihnen eingrenzen und von ihrer Macht gefangen nehmen lassen soll« (Mae 2003: 195).

Im Falle einer Übertragung der in den Gender Studies entwickelten Ansätze und Theorien auf Forschungsfelder interkultureller Kommunikation stünde dennoch eine Überprüfung struktureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Bereichen aus. Exemplarisch für entsprechende Ansätze aus der Gender-Forschung wird im Folgenden die Argumentation der Philosophin Judith Butler vorgestellt. Butler skizziert ihre Überlegungen in ihren beiden grundlegenden Monographien Gender Trouble (Butler 1990)42 und Bodies that Matter (Butler 1993).43 Dabei verfolgt sie einen diskurstheoretischen Ansatz, den sie vorrangig in der Auseinandersetzung mit Arbeiten von Michel Foucault entwickelt.

Aspekte diskursiver Konstruktion in der interkulturellen Forschung Geht man bei der Betrachtung der Forschung zur interkulturellen Kommunikation davon aus, dass an dieser Stelle etwas untersucht wird, das als diskursive Konstruktion dargestellt werden kann, so empfiehlt sich eine differenzierte Betrachtung einzelner Aspekte dieser Konstruktion: Zunächst kann der bereits besprochenen Hypothese gefolgt werden, dass die Disziplin selbst dazu beiträgt, ihren eigenen Forschungsgegenstand zu konstruieren. In der Folge müssen jedoch auch die Zielstellungen dieser Forschungsrichtung als Konstruktionen verstanden werden. Für den Forschungsbereich interkultureller Kommunikation ist dies von besonderer Bedeutung, da er insbesondere durch zahlreiche Anwenderinteressen am Leben gehalten wird. Darüber hinaus werden durch die Fortführung einer Forschungsrichtung Machtkonstellationen im Allgemeinen konstruiert und produziert, die den sozialen Kontext wesentlich be-

42 Vgl. dt. Das Unbehagen der Geschlechter, Butler (1991). 43 Vgl. dt. Körper von Gewicht, Butler (1997).

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stimmen und demnach bei einer Analyse des Gesamtgegenstands berücksichtigt werden müssen. Die diskursive Konstruktion des eigenen Forschungsgegenstands Die diskursive Verbundenheit des Forschenden mit seinem Forschungsgegenstand kann grundsätzlich zu zwei unterschiedlichen Problemlagen führen: Einerseits kann der Forscher durch die bewusste und angenommene Nähe zu seinem Forschungsgegenstand ein vorschnelles Deutungsprivileg herleiten. Andererseits kann eine nicht bewusste Nähe dazu führen, dass nicht berücksichtigt wird, dass der Forschungsgegenstand nicht zuletzt durch den Forschenden selbst konstruiert wird. Die erste Problematik bespricht Sarasin am Beispiel der Geschichtswissenschaften: Historiker vertreten demnach häufig die Annahme einer von Sarasin als solchen bezeichneten »basalen Hermeneutik« (Sarasin 2003: 57), nach der ihre Zugehörigkeit zu der Kultur, deren Vergangenheit sie erforschen wollen, sie dazu befähigt, das Vergangene auch zu verstehen und richtig zu deuten. Eine diskurstheoretische Perspektive müsste stattdessen die diskursive Einbettung historischer Ereignisse berücksichtigen und dürfte Interpretationen nur unter Berücksichtigung zahlreicher Kontexte sowie mit besonderer Zurückhaltung und Vorsicht erlauben. Gegenüber dieser überschätzten kulturellen Nähe verweist insbesondere Judith Butler in ihren beiden Monographien Gender Trouble (Butler 1990) und Bodies that Matter (Butler 1993) auf die diskursive Konstruktion von Forschungsgegenständen durch den Forscher selbst, und damit auf eine nicht erkannte diskursive Nähe des Forschers zu seinem Forschungsgegenstand. Wie Ansätze aus der Geschlechterforschung die Konstruiertheit des eigenen Forschungsgegenstandes, insbesondere die Differentsetzung einer Geschlechterdichotomie, theoretisch leisten, schildert einführend Sabine Hark in ihrem Beitrag innerhalb des Handbuchs Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse (Hark 2001). Hark zeichnet dabei die Verwurzelungen feministischer Theorien in diskurstheoretischen Ansätzen, wie beispielsweise der Diskursanalyse nach Michel Foucault und der Philosophie der Dekonstruktion nach Jacques Derrida nach. Diskurse, Sprache und Wissen sind aus dieser Sicht maßgeblich an der Konstitution von Gegenständen beteiligt, so dass angenommen werden muss, dass alle sozialen Phänomene und Unterscheidungen nicht gegeben, sondern hergestellt sind. (Hark 2001: 353). Vor diesem Hintergrund musste eingestanden werden, dass die Genderforschung den Gegenstand, den sie selbst erforscht, selbst erst konstituiert und permanent aufrechterhält. Einer wirklichen Dekonstruktion wird der Forschungsgegenstand damit systematisch entzogen (Hark 2001: 353). Auch vor dieser dekonstruktivistischen Wende in der Genderforschung differenzierte diese zwischen dem biologischen Geschlecht eines Menschen, das im englischen Sprachgebrauch mit der Bezeichnung sex belegt wurde, gegenüber dem sozialen Geschlecht, das durch die Bezeichnung gender von sex unterschieden wurde. Während Menschen bereits mit den körperlichen Merkmalen des biologischen Geschlechts geboren werden, erhalten sie darüber hinaus eine Sozialisation, deren Rollenverständnisse, -zuschreibungen und -erwartungen, deren Werteorientierungen und Identitätszuschreibungen auf der Zugehörigkeit zu einem von zwei Geschlechtern untermauern und auf diesen aufbauen. Während das biologische Geschlecht also bereits gegeben ist, werden die Lebensweisen, die mit dieser Geschlechtlichkeit einher-

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gehen, von der Gesellschaft hinzukonstruiert, sie sind nicht im biologischen Geschlecht enthalten. Judith Butler kehrt diese Folgekette um: Ihrzufolge können wir immer nur das soziale Geschlecht eines Menschen erkennen. Das biologische Geschlecht dagegen könne der menschlichen Wahrnehmung dagegen gar nicht zugänglich sein, da es immer schon von Projektionen des sozialen Geschlechts überdeckt sei. Konsequenterweise könne aus diesen Grund nur das soziale Geschlecht als Ausgangspunkt der Überlegungen dienen, das biologische Geschlecht dagegen müsste dann als eine Konstruktion und als ein Teil des sozialen Geschlechts gedacht werden (Butler 1997: 26ff). Eventuell noch etwas strukturalistischer verhaftet hatte bereits Foucault (1995 [1966]) einen solchen Gedanken entwickelt. Aus seiner Sicht ist demnach eine ursprüngliche Erfahrung der Wirklichkeit nicht möglich. Die Erfahrung ist immer durch strukturelle Diskursvorgaben vorgeprägt. Die Idee, es könne eine ursprüngliche Erfahrung geben, ist jedoch als Bestandteil innerhalb dieser Diskurse enthalten (Rothe/Nowak o.J.). Indem Butler die Zugänglichkeit des natürlichen Geschlechts verneint, leugnet auch sie nicht die Existenz und die biologische Nachweisbarkeit unterschiedlicher Gene und Chromosomen. Butler weist jedoch darauf hin, dass bereits die Verwendung dieser nachweisbaren Unterschiede als Formulierung von Geschlechtsunterschieden den von ihr angesprochenen gesellschaftlichen Diskurs und damit die Konstruktion des sozialen Geschlechts stützt. Ausschlaggebend ist für Butler hier die Änderung der Referentialität: Bereits und nur durch das Bezeichnen eines Gegenstandes (hier: des biologischen Geschlechts) wird dieser Gegenstand konstruiert. Der Prozess des Bezeichnens beinhaltet aus dieser Sicht keine Bezugnahme auf eine existierende außersprachliche Wirklichkeit, sondern diese wird durch den Akt des Bezeichnens erst geschaffen. Butler spricht demnach von einem performativen Akt (Butler 1997: 33). Hier wäre zu überlegen, inwieweit diese Umkehr der Perspektiven auch auf Kultur, Kulturalität und interkulturelle Differenz anwendbar ist. Als Ausgangspunkt kann dabei die Annahme dienen, dass bereits durch den Diskurs über und die Auseinandersetzung mit Kultur diese erst geschaffen wird. Auch im Falle von Kultur lassen sich qua Diskurs keine Bezüge zu einer außersprachlichen Wirklichkeit, einer nicht-diskursiven und dennoch wahrnehmbaren Kultur, herstellen. Stattdessen wird die Idee von einer solchen Kultur erst diskursiv geschaffen. Zahlreiche – insbesondere etisch angelegte – Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation basieren bereits auf der unterhinterfragten Annahme, dass Kulturen zumindest existierten. Auf dieser Grundlage kann dann weiterhin bestätigt werden, dass gesellschaftliche Diskurse (und wissenschaftliche Forschungen) Kultur als Thema weitertragen und wahrscheinlich auch weiterentwickeln. Wendet man auch diese Folgekette um, wie es Butler am Beispiel der Geschlechterforschung gezeigt hat, so müsste angenommen werden, dass Kultur der menschlichen Wahrnehmung grundsätzlich immer nur als diskursives Konstrukt zugänglich ist. Die Idee von der »Gegebenheit« von Kulturen vor dem Diskurs über Kulturen kann dagegen nur als Bestandteil innerhalb dieses Konstruktes verstanden werden. Im Rahmen einer differenzierteren Diskursanalyse um den Gegenstand interkultureller Kommunikation kann dabei herausgestellt werden, in welchen Kontexten und

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unter welchen Bedingungen jeweils welche Dichotomisierungen vollzogen werden. Während Butler noch von der überschaubaren Dichotomisierung im Geschlechterdiskurs zwischen Männern und Frauen ausgehen kann, eröffnen die potentiell möglichen Grenzziehungen bei einem Transfer des Modells auf Kultur als Differenzkonstrukt ein eventuell deutlich höheres Komplexitätspotential. Am Anfang einer entsprechenden Beschreibung stünden Fragen wie: Was wird jeweils unter Kultur verstanden und anhand welcher Kriterien wird zwischen jeweils unterschiedlichen Kulturen unterschieden? Wie werden eigene Definitionen von Kultur durch Mitglieder einer Kultur gegenüber akademischen Definitionen von Kultur unterschieden, d.h. welche Trennungen werden in den Diskursen über Kultur zwischen emischen gegenüber etischen (Gudykunst 2000) Herangehensweisen unterschieden? Darüber hinaus stellt sich die Frage nach in den Diskursen vollzogenen Grenzziehungen zwischen Kultur gegenüber eventuell Nicht-Kultürlichem. Hansen verweist darauf, dass auch die Dichotomisierung zwischen Kultur und Natur grundsätzlich als kulturelle Leistung verstanden werden müsse (Hansen 2000b: 19ff). Zur Illustration dieses Konstruktionscharakters schildert Janich die Unterschiedlichkeit der konstruierten Distinktion zwischen Kultur und Natur aus der Sichtweise unterschiedlicher Kulturen (Janich 2005). In der Geschlechterforschung konzentriert sich Butler auf das Aufbrechen von Differentsetzungen, die zumindest grundsätzlich als binär gedacht werden können und deren Komplexität damit zumindest in gewisser Weise begrenzt erscheinen mag. Politisch plädiert Butler hier für ein Aufbrechen dieser Dichotomisierungen durch Störungen der Diskurse. Jedoch auch in der Kulturforschung wird zunächst meist von einer Dyadizität der Kulturkonstruktionen ausgegangen. So plädieren beispielsweise auch Ang und St Louis (2005) für ein Aufbrechen der angenommen Dyadizität von Kulturen im Diskurs. Die Materialisierungsprozesse auf der Ebene unterschiedlicher Kulturen mögen aus dieser Sicht jedoch noch deutlich komplexere Züge annehmen als die von Butler skizzierte Geschlechterdichotomie. Nicht zuletzt die Kulturforschung selbst trägt hier mit ihrer Vielfalt theoretischer Beschreibungsmodelle zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexität bei. Erklärende Theorien finden von hier ihren Weg in gesamtgesellschaftliche Diskurse, bzw. werden zusätzlich gleich dort generiert, so dass die Vielfalt der Deutungsmuster zumindest theoretisch permanent steigt. Aus Konstruktionen der Differenz zwischen Natur und Kultur werden später diskursiv Rückschlüsse auf Auswirkungen von Interkulturalität auf gegebene Interaktionssituationen getätigt. Für das Alltagshandeln von Individuen lassen sich auf diese Weise Legitimationen und Begründungen für Konflikte, Missverständnisse, aber auch Andersbehandlungen fremdkultureller Individuen herleiten. Erst dekonstruktivistische Sichtweisen können hier Möglichkeiten zum Aufbrechen dieser Materialisierungen auch in der Alltagswelt aufzeigen. Ang und St Louis sprechen hier von Erwägungen zur Möglichkeit von Identitäten, die sich selbst nicht mehr auf der Annahme von Dichotomien begründen (Ang/St Louis 2005). Selbst Denkrichtungen, die für sich selbst eine Transzendierung althergebrachter Dichotomien beanspruchen, können sich ihrer eigenen diskursiven Konstruiertheit nicht entziehen. So zeigt beispielsweise Kumar (2000), dass die beiden Begriffe der post-colonial theory sowie des cross-culturalism selbst Gegenstände von Diskursen sind und damit einem permanenten Wandel unterliegen. Gleichzeitig bedingen diese

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theoretischen, qua Materialisierung wiederum als gegeben angenommen Grundlagen die Art und Weise, auf die Individuen subjektive Entwürfe zum Umgang mit Interkulturalität konstruieren und nach diesen in ihrem Handlungsumfeld agieren. Die diskursive Konstruktion von Zielstellungen Auch die Zielstellungen interkultureller Forschung müssen demnach als Produkte diskursiver Konstruktion verstanden werden. Definitionen von und Anforderungen an interkulturelle Kompetenz sind demnach weniger vor dem Hintergrund tatsächlich erkennbarer oder existenter Probleme entwickelt worden, denn als Antwort auf Problemstellungen, die zuvor diskursiv konstruiert worden sind. Um diese Zielstellungen herausfiltern zu können, reicht gelegentlich ein Blick in explizite Selbstverortungen einzelner Autoren. Wie das folgende Beispiel von Holmes, Vine und Marra (2009) zeigt, wird dabei bereits vorab die materialisierte Existenz einer bestimmten Form der Manifestation kultureller Differenz vorweggenommen: »Hopefully, the analysis and discussion in this paper will contribute to a better understanding and appreciation of the diversity of ways in which Maori leadership is currently performed in New Zealand organizations.« (Holmes/Vine/Marra 2009: 363).

Über die unterschiedlichen Zielstellungen interkultureller Forschung in einzelnen Anwendungsgebieten schreiben auch Hannerz (1998) und Moosmüller (2007b: 63). Moosmüller weist dabei darauf hin, dass die Zielstellungen interkultureller Forschung in den Bereichen internationaler Organisationen gegenüber dem Forschungskontext von Migranten innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft quasi einander entgegengesetzt sind. Nicht immer sind diese Zielstellungen so wörtlich manifest erkennbar wie in oben genanntem Zitat, aber in fast allen Fällen sind sie zumindest implizit vorhanden, so dass eine entsprechende, sorgfältige Analyse erforderlich wird. Die diskursive Konstruktion von Machtverhältnissen Zahlreiche Ansätze in der Diskurstheorie interpretieren die diskursive Konstruktion von Gegenständen auch als Prozess der Machtausübung: Deutungen und Bewertungen von Handlungen und Kontexten werden aus diskurstheoretischer Sicht diskursiv konstruiert. Aufgrund des diskursiven Prozesses erlangen dabei meist diejenigen Deutungen und Bewertungen Gültigkeit für die gesamte Gesellschaft, die von einer Mehrheit (durch Beteiligung am Diskurs) getragen werden. Abweichende Deutungen und Bewertungen etwaiger Minderheiten innerhalb einer Gesellschaft können vor diesem Hintergrund tendenziell nicht akzeptiert werden, bzw. werden vom Mehrheitsdiskurs meist abgelehnt. Judith Butler bezeichnet diesen diskursiven Prozess der Festigung von Konstruktionen, denen sich später auch abweichende Minderheiten fügen müssen, als Materialisierung. Mit dem Begriff der Materie ersetzt Butler in ihrem Ansatz den Begriff der Konstruktion aus der Diskurstheorie. Materie anstelle von Konstruktion ist ebenfalls nicht gegeben, sondern das Ergebnis eines permanenten Prozesses des Materialisierens, durch den eine zunehmende Stabilität entsteht (Butler 1997: 32). In ihrem Kontext der Geschlechterforschung fragt Butler entsprechend danach, durch welche diskursiv konstruierten Normen die Vorstellung von einem biologischen Geschlecht materialisiert wird. Diskursive Konstruktionen kommen dabei Butler zufolge durch eine permanente Wiederholung von Normen zustan-

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de. Butler begreift dieses Wiederholen von Normen als ein Handeln, das jedoch nicht statisch und immer gleich verläuft, sondern vielmehr auf der Grundlage einer gerinnenden Erinnerung: Das, was wiederholt werden soll, wird mit zunehmendem zeitlichem Abstand immer ungenauer erinnert, so dass innerhalb der Materialisierung auch Prozesse des Wandels stattfinden. Butler nimmt hier Bezug auf Jacques Derridas Konzept der iterability, der Wiederholbarkeit, das dieser aus der Sprechakttheorie von Austin und Searle entwickelt hatte (Butler 1997: EN 9). Die Materialisierung von Geschlechterdifferenzen kommt demnach zustande, indem sich permanente Wiederholungsprozesse immer weiter sedimentieren. Durch diesen Prozess der Sedimentierung wird der Ursprung von Normen zunehmend unzugänglicher. Wenngleich er damit immer weniger überprüft werden kann, weist Butler jedoch darauf hin, dass diese Prozesse der Sedimentierung immer auch Risse beinhalten, durch die eine Dekonstruktion der Normen möglich bleibt (Butler 1997: 32f).

Performativität als erzwungenes zitatförmiges Handeln Butler folgert aus diesem Prozess der Materialisierung, dass Individuen keine Möglichkeit haben, ihr eigenes Geschlecht auf der Grundlage einer reflektierten Wahl zu bestimmen, sondern dass sie zur Annahme eines Geschlechts gezwungen werden. Auch die Beugung unter diesen Zwang ist kein Ergebnis einer reflektierten Handlung, vielmehr wird Individuen nicht einmal mehr die Möglichkeit einer reflektierten Entscheidung bewusst. Dieses wiederholende Handeln im Zwang bezeichnet Butler als Performativität, durch deren zitatförmiges Wiederholen von Normen diese zugleich weiter gestärkt werden. Hier verweist Butler darüber hinaus auf die von Derrida aufgestellte Glückensbedingung performativen Handelns gegenüber den Annahmen aus der Sprechakttheorie: Während eine Handlung im Sinne der Sprechakttheorie dann geglückt ist, wenn die einer Äußerung zugrunde liegende Intention korrekt ausgeführt wird, glückt eine Handlung im Sinne der Performanztheorie dann, wenn die Bezugnahme auf etwas früheres zustande kommt, d.h. die Zitatförmigkeit eingehalten wird (Butler 1997: 36f). Angewendet auf die Geschlechterdichotomie schließt Butler daraus, dass die Zuordnung zu einem Geschlecht einem Gesetz gleichkommt, dem Individuen Folge leisten müssen. Dabei bezieht dieses Gesetz seine Legitimation allein aus der Vorstellung des Gegenteils. Im Fall der Geschlechtszuordnung bedeutet dies etwa, dass Individuen, die sich nicht eindeutig zuordnen oder zuordnen lassen, als defizitär, also beispielsweise als psychisch krank, stigmatisiert werden müssen (Butler 1997: 38f). Auch Autoren zu Forschungsfeldern interkultureller Kommunikation verweisen immer wieder auf die gesellschaftlich häufig erzwungene eindeutige Zuordnung von Individuen zu einzelnen Identitäten und Gruppen. So fordern die meisten Nationalstaaten auch gegenwärtig noch die Annahme einer eindeutigen Nationalität, wodurch die Identitäten ethnischer Minderheiten nicht berücksichtigt werden und auch eine Mehrfachzugehörigkeit meist ausgeschlossen ist. In zahlreichen Kontexten werden auch interethnische Eheschließungen gesellschaftlich sanktioniert. Die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim berichtet von den Integrationsschwierigkeiten binationaler Kinder in Deutschland (Beck-Gernsheim 2004).

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Offene Fragen zu Aspekten von Performativität Während Butler den Prozess der Materialisierung von Normen durch die permanente Performativität sozialen Handelns als Ergebnis eines kaum zu überwindenden Zwanges skizziert, werden die Rahmenbedingungen von Performativität in den Sozialwissenschaften jedoch in zahlreichen Aspekten kontrovers diskutiert. Im Hinblick auf eine mögliche Übertragung des Butlerschen Ansatzes auf den Diskursgegenstand interkultureller Kommunikation könnten diese offenen Debatten demnach auch Ansatzpunkte für treffendere Beschreibungen von Materialisierungen in Bereichen interkultureller Kommunikation aufzeigen. Überlegungen zur Performativität von Kultur skizziert beispielsweise John Tulloch (1999). Tulloch wertet die Beiträge eines Sammelbandes von Felicia Hughes Freeland (1998) unter der Titelstellung Ritual, Performance, Media aus und umreißt den Diskussions- und Verhandlungsraum, in dem sich die jeweiligen Verortungen der Performativität sozialen Handelns bewegen. Kontrovers debattiert wird beispielsweise die Frage, inwieweit performatives Handeln lediglich als unbewusste Ausführung von vorgegebenen Handlungsmustern und Zwängen gelten müsse, gegenüber der Möglichkeit zu Absichtlichkeit und intentionalem, reflektiertem Handeln (agency vs. intentionality, vgl. Tulloch 1999: 7). Damit einher geht die Frage, inwieweit performatives Handeln kreative Variation erlaubt, bzw. inwieweit aktuelles Handeln eventuell vielmehr Beschränkungen und Zwängen unterliegt (creativity vs. constraint, vgl. Tulloch 1999: 7-8). In Frage gestellt wird diese Handlungsfreiheit beispielsweise von Mayes (2010), die am Beispiel von Lehrexperimenten zeigt, dass Machtkonstellationen aufgrund ideologischer Verankerungen selbst bei expliziten Versuchen der Bewusstwerdung und der Überwindung kaum transzendiert werden können. Innerhalb der Anthropologie sind Ansätze zur Performativität ursprünglich aus Ritualtheorien weiterentwickelt worden, die sich in postmodernen Gesellschaften auch zur Beschreibung massenmedialer Produktion und Rezeption eignen. In diesem Kontext sowie auch im Bereich der Theaterwissenschaften impliziert die Idee performativen Handelns häufig auch Kontexte medialer und inszenierter Aufführungen gegenüber Zuschauern. Debatten über die Performativität allen sozialen Handelns fragen hier danach, inwieweit sich die Trennung zwischen Individuen, die Zuschauerrollen einnehmen, und aktiven Teilnehmern an einer Interaktion aufrechterhalten lässt, bzw. inwieweit diese nicht eher aufgehoben werden sollte. Versteht man Handeln als performatives Handeln, so können dessen Glückensbedingungen im Grunde kaum ohne die aktive Teilnahme, d.h. die Interpretation durch »Zuschauer« zustande kommen (spectatorship vs. participation, vgl. Tulloch 1997: 8). Mit Blick auf diese Frage nach der Omnipräsenz von Inszenierungen wird auch die Differenzierung zwischen Wirklichkeit und Illusion in Frage gestellt: Wenn davon ausgegangen wird, dass die Deutung performativer Akte ohnehin grundsätzlich auf imaginativen Konstruktionen basiert, so ist auch die Referenz auf die Annahme einer zugrunde liegenden, vermeintlich gültigeren Wirklichkeit, vor deren Hintergrund performative Akte vollzogen und quasi inszeniert werden, nicht mehr erforderlich (framing of reality and illusion, vgl. Tulloch 1999: 9).

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Parallelen zwischen Geschlechter- und Kulturdispositiv? Die vorangegangenen Ausführungen haben zunehmend zu Überlegungen dazu angeregt, das in der Literatur bereits detaillierter nachgezeichnete Geschlechterdispositiv in parallelen Strukturen auch in Form eines Kulturdispositivs zu vermuten und zu unterstellen. Diese Parallelität kann zu einer entsprechenden Suche inspirieren, eine vollständige Übertragbarkeit erscheint jedoch unwahrscheinlich und erfordert eine kritische Überprüfung. Judith Butler zu Rasse und Geschlecht Auch bei Judith Butler selbst finden sich Überlegungen zur Übertragbarkeit ihrer Konzeption der Materialisierung von Geschlechtern auf Bereiche interkultureller Kommunikation, indem Butler sich mit der Konstruktion von ethnischen Rassen beschäftigt. Dabei versteht Butler die Materialisierung von Geschlechtern und Rassen jedoch nicht als parallele, sondern als aufeinander aufbauende Konzepte: Nachdem die Individuen einer Gesellschaft zunächst zwingend die bestehenden Materialisierungen von Geschlechterdifferenzen internalisiert haben, unterliegen sie ihrzufolge in einem zweiten Schritt dem Zwang, Differenzierungen ethnischer Rassen nach dem Muster von sozialen Geschlechterrollen zu konzipieren. So sieht Butler insbesondere Formen des Kolonialismus als Fortführung von Machtstrukturen zwischen Geschlechtern. Annäherungen an diese Thematik findet Butler in Arbeiten, die sich mit der Rolle von Geschlechtern und daraus resultierenden Machtverhältnissen in multikulturellen Kontexten auseinandersetzen. Exemplarisch verweist Butler (1997: 167ff) hier auf die Autorin Gloria Anzaldúa (1987). Da Butler Geschlechterdifferenzen zu einem großen Teil als diskursiv vorgegeben und von Sanktionen gefestigt versteht, können diese gesellschaftlichen Normen auch nur unter erheblichem Aufwand überwunden werden. Überträgt man die Annahme eines vergleichbaren Ausmaßes an Sanktionierungen auf die Vorstellung, dass auch kulturelle Grenzziehungen und Differenzierungen diskursiv konstruiert sind, so wären auch diese kaum, bzw. nur unter der Bekämpfung erheblicher gesellschaftlicher Sanktionen überwindbar. An dieser Stelle soll stattdessen die Hypothese formuliert werden, dass diskursive Konstruktionen von Kulturalität und kultureller Differenz zwar einerseits omnipräsent und kaum hintergehbar sind, dass ihre Inhalte und der Grad ihrer Verbindlichkeit jedoch grundsätzlich situativ variieren. Butlers Vorstellungen zur Performativität von Zugehörigkeitsbegriffen werden in einer Themenausgabe der Zeitschrift Theory, Culture & Society (Bell 1999) diskutiert und weiterentwickelt. Kultur als Produkt des Diskurses über Kultur Ungeachtet zahlreicher Differenzen in der Debatte über eine Übertragbarkeit des Butlerschen Geschlechterdispositivs auf die Kulturforschung lassen sich einige Rückschlüsse durchaus festhalten. Entsprechend kann angenommen werden, dass eine Existenz tatsächlicher kultureller Differenzen einem dazugehörigen Diskurs über Kultur und kulturelle Differenzen niemals vorgelagert sein kann. Stattdessen wird die Annahme von der Existenz dem Diskurs vorgelagerter kultureller Differenzen erst in dem Diskurs über Kultur selbst konstruiert. Die Vorstellung von Kultur als einem zu

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besprechenden Forschungsgegenstand ist demnach grundsätzlich selbst Bestandteil dieses Diskurses und kann außerhalb von ihm nicht gedacht werden. Höhne (1998) bemängelt, dass diese Einsicht im Gegensatz zu einem Großteil der Arbeiten in den Gender Studies vielen Ansätzen aus der Fremdheitsforschung und der Forschung zur interkulturellen Kommunikation bis heute fremd ist.44 Anstatt die diskursive Konstruiertheit des eigenen Forschungsgegenstands ernst zu nehmen und zu berücksichtigen, wird in der Kulturforschung Höhne zufolge der Forschungsgegenstand permanent reproduziert und gefestigt: »Bei dem Versuch, den (vorausgesetzten) Fremden zu beschreiben, wird er stets aufs Neue reproduziert und ›festgeschrieben‹, obwohl die Intention und die normativen Zielsetzungen gerade in dessen partieller Auflösung aufgrund des Vertrautwerdens mit dem Fremden durch interkulturelles Verstehen, interkulturelle Hermeneutik, interkulturelle Kommunikation bestehen [...]. Dieses Strukturproblem aller interkulturellen Ansätze kann nur durch einen positiven Begriff von Integration bzw. ›Oszillation‹ normativ überdeckt werden, wobei die mehr oder minder stark vorgetragene Grundforderung lautet: Nur durch schrittweise Integration/Anpassung/Assimilation in bezug auf das Eigene bzw. die ›kulturelle Eigenbestandssicherung‹ ›des Fremden‹ (Erhalten von Identität durch Differenz [...]) kann die (problematische) Fremdheit überwunden, bzw. erträglich und pragmatisch-handhabbar gemacht werden. Ein Indiz dafür ist die Tatsache, dass Defizit- und damit verbunden Kompensationstheorien beispielsweise in interkulturellen Lernprozessen noch eine entscheidende Rolle spielen, die sowohl auf der Seite ›der Fremden‹ (Migrantenkinder) als auch auf der Seite der ›Einheimischen‹ ein Defizit an Wissen und ›kultureller Kompetenz‹ voraussetzen« (Höhne 1998).

Mit dieser Argumentation, die Höhne nachzeichnet, ist im Grunde der immerwährende Fortbestand einer Forschung zur interkulturellen Kommunikation gesichert. Ein zukünftiger konstruktiver Umgang ist demnach nämlich nur in der Form einer vollständigen Wahrung und Beibehaltung des gegenwärtigen status quo, einschließlich des Problembewusstseins und der Auseinandersetzung mit der Problematik zu einem gewissen Grad, möglich. Gegenwärtige Umgangsformen mit der Thematik interkultureller Kommunikation in Wissenschaft und Gesellschaft werden auf diese Weise legitimiert und als alternativlos dargestellt.

44 »Hervorzuheben ist dabei eine Zirkularität der Konstruktion des Fremden, bei welcher der zu entdeckende/verstehende/integrierende Fremde stets schon kategorial vorausgesetzt wird und somit den Charakter eines Substanzbegriffs erhält. Fremdheit wird nicht als Effekt wissenschaftlicher Diskurse, sondern als diesen vorgängige, zu erforschende, an sich seiende Entität und Essenz begriffen. In zahlreichen Untersuchungen wird der Fokus auf die ›nationalen Fremden‹ (›Ausländer‹) gerichtet, deren ›Lebensweisen, Sitten, religiöse Praktiken‹ usw. werden als spezifische untersucht, ohne auf die sozialen und diskursiven Mechanismen der Fremdkonstruktion innerhalb des Gebildes Nationalstaat dabei unter die Lupe zu nehmen, obwohl die zum Standard gewordene Vergleichsgröße die der ›Kulturen‹, d.h. der ›nationalen Kulturen‹ ist (türkisch, deutsch, italienisch, usw.). In keiner Weise werden die eigenen, nationalstaatlichen Voraussetzungen von Wissenschaft reflektiert, sondern diese werden permanent in den Stand wissenschaftlicher Kategorien gehoben (Ausländerforschung, Migrationsforschung)« (Höhne 1998).

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Im Sinne des Dispositivbegriffs sieht Höhne in diesen beobachteten Umgangsformen mit der Problematik interkultureller Kommunikation eine Strategie, die den Diskursteilnehmern zwar in der Regel nicht offensichtlich und bewusst ist, die jedoch konstitutiv und wesentlich für das theoretische Konzept des Dispositivs ist: »Dies hat natürlich auch mit Mechanismen der Selbstlegitimierung von Sozial- und Erziehungswissenschaften zu tun, die in dem Aufweis der sozialen Relevanz des von ihnen produzierten Wissens liegt (z. B. Probleme zu lösen)« (Höhne 1998).

Höhne wirft damit den wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Aspekten interkultureller Kommunikation beschäftigen, indirekt vor, dass sie diese Auseinandersetzung nur deshalb und in genau dieser gegenwärtig beobachtbaren Form praktizierten, weil sie sich daraus eine fortgeführte Legitimation ihrer eigenen Existenz erhofften. Auch Kritiken an und Aufdeckungen von dieser Strategie müssen jedoch im Sinne der Dispositivtheorie als Bestandteile des besprochenen Dispositivs gelten. Solche Kritiken waren auch bereits vor Höhnes Ausführungen durchaus existent, letztlich haben sie sogar zu einer Selbstvergewisserung und Stärkung des Kulturdispositivs geführt, indem die Kritiken schlussendlich mehrheitlich verworfen worden sind. Insbesondere die Ethnologie und die Kulturanthropologie haben sich dieser Problematik der Selbstschaffung und des Selbsterhalts des Forschungsgegenstands bereits in den 1980 Jahren zugewandt und die eigene Disziplin damit kurzerhand in eine Identitätskrise gestürzt (Stolcke 1995).45 Aus dieser Krise heraus sind jedoch bis heute kaum konstruktive und für den Fortbestand der Disziplin zukunftsweisende neue Konzepte entstanden, die bestenfalls auch eine angemessene empirische Forschung wieder zuließen. Stattdessen kann eine vergleichsweise resignierte Rückbesinnung auf alte Kulturbegriffe festgestellt werden (Brumann 1999), durch die der Konstruktionscharakter des eigenen Forschungsgegenstands jedoch wieder wie gehabt kaum mehr berücksichtigt wird. Auf ähnliche Weise ordnet Jens Loenhoff (2003) das Sprechen über und die Auseinandersetzung mit Kultur ein: Er verweist darauf, dass das Sprechen über Kultur nur als Bestandteil von Kultur selbst gedacht werden könne. Dabei seien jedoch das Sprechen über Kultur und kulturelles Handeln zwei verschiedene Dinge, die keine inhaltlichen Parallelen aufweisen müssen. Erwartbar sei vielmehr, dass sie sich deutlich voneinander unterscheiden.46

45 »Gerade in der ›Fremdwissenschaft‹ überhaupt, nämlich der Ethnologie, hat die Einsicht in die Prozesse einer ›konstruierenden Hermeneutik‹ zu einer Krise der ethnographischen Repräsentation« [...] geführt. Gerade die Macht- und Zuschreibungsverhältnisse werden dabei spezifisch hervorgehoben. Dazu auch mit Blick auf postkoloniale Diskurse [...]« (Höhne 1998). 46 »Aus dieser Perspektive erscheint die Thematisierung von Kultur als ein sekundäres Produkt, eine Vorstellung bzw. Objektivation, die sich Menschen von ihrer eigenen Kultur machen. Und sie ist deshalb auch nicht identisch mit dem das Handeln und Erleben orientierenden kulturellen Wissen und Können im aktuellen Vollzug dieses Handelns und Erlebens. Weil kultureller Sinn und soziale Praxis miteinander verschränkt sind, wird ›Kultur‹ erst in einer extrakommunikativen, objektivierenden Perspektive zu diesem oder jenem

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Wenn jedoch kulturelles Handeln demnach nur mittels eines ebenfalls kultürlichen Sprechens über Kultur möglich ist, so scheint ein direkter Zugriff auf kulturelles Handeln ohne die Perspektivierung durch ein Sprechen über Kultur gar nicht möglich. Eine empirische Erforschung kultureller Praxis entzöge sich damit selbst jede Grundlage. Erforscht werden könnte demnach immer nur das, was vorher diskursiv als kulturell gekennzeichnet worden ist. Erfassbar bleiben dagegen nur Diskurse über Kultur. Insbesondere kulturelles Handeln, was – um in Loenhoffs Unterscheidung zu sprechen – vom Sprechen über Kultur abweicht, ließe sich vor diesem Hintergrund kaum noch präzise identifizieren. Auch Schondelmayer spricht von der paradoxen Parallelität aus Aussagen über Kultur und dem eigenen Umgang mit Kultur gegenüber davon abweichendem, tatsächlichem Verhalten.47 Hier zeigt sich, dass auch dieses abweichende Verhalten nur durch die Perspektive vorheriger Diskurse über Kultur eingegrenzt werden kann: Zu kulturellem Handeln wird es nur noch dadurch, dass vorher diskursiv ein Rahmen abgesteckt worden ist, innerhalb dessen Handeln interpretiert und – ebenfalls wieder diskursiv – mit dem Sprechen über dieses Handeln verglichen werden kann. Im Rahmen einer Kulturforschung sollte die primäre Aufmerksamkeit folglich der diskursiven Thematisierung von Kultur gelten. Loenhoff jedoch stellt vor dem Hintergrund seiner argumentativen Herleitung heraus, dass die Kulturforschung sowie eine Forschung zur interkulturellen Kommunikation bislang dazu tendiert haben, wahrgenommene kulturelle Produkte als das anzunehmen, was eine Kultur tatsächlich im Wesentlichen ausmache. Folglich wurden diese Produkte fälschlicherweise nicht als Anzeichen einer Kultur, sondern als die Kultur selbst angenommen und untersucht. Loenhoff dagegen plädiert dafür, Kultur als etwas anzusehen, was erst in genau diesem Kommunikationsprozess über die genannten kulturellen Repräsentanten entsteht. Loenhoff verbindet auf diese Weise interaktionstheoretische Annahmen zur Verortung eines Forschungsgegenstands interkultureller Kommunikation mit einem diskurstheoretischen Verständnis einer Konstruktion von Diskursgegenstän-

verdinglicht. Kulturelles Wissen und Können hat also einen doppelten Wirklichkeitscharakter, nämlich (a) als handlungssteuernde, handlungsleitende und praktisch-orientierende Dimension und (b) als Ergebnis einer Vergegenständlichungs- und Vergewisserungspraxis durch die Angehörigen der Sprach- und Kulturgemeinschaften« (Loenhoff 2003: 107). 47 Schondelmayer bricht hier mit einer lange gehegten Grundannahme interkultureller Forschung, die meist davon ausging, dass sich Selbst- und Fremdbilder im praktischen Handeln der Akteure unmittelbar widerspiegelten. Zugleich wurde davon ausgegangen, dass die Kultürlichkeit dieses Denkens und Handelns den Akteuren in der Regel verborgen bleibt. So schreibt beispielsweise Knapp: »›Culture will be understood here in the sense of cognitive cultural anthropology as a body of knowledge shared by members of a society as to standards of perceiving, believing, evaluating and acting (Goodenough 1971), a knowledge which is itself manifested in the public performance of symbolic behavior (Geertz 1973b), and which is taken for granted when dealing with one another (ABS Arbeitskreis Bielefelder Soziologen 1973)« (Knapp 1998). Für eine gegenteilige Darstellung und für einen Nachweis für die Kongruenz zwischen Stereotypen und Handeln vgl. Florack et al. (2003).

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den.48 Wenngleich Loenhoffs Plädoyer sicherlich zugestimmt werden kann, zeigt jedoch seine weitere Begründung, dass er sich in seiner Abgrenzung lediglich auf frühe Forschungsarbeiten bezieht (Hall 1959; Hofstede 1980), die für eine Erforschung interkultureller Kommunikation zwar einst grundlegend, aber längst ausdifferenziert und in ihrer Aussagekraft eingegrenzt sowie präzisiert worden sind.49 Zuzustimmen ist ihm dennoch in der Einsicht, dass seine diskurskritischen Überlegungen den frühen kulturvergleichenden Studien jede Erkenntnisgrundlage entziehen.

Z USAMMENFASSUNG : DAS D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION In diesem Abschnitt wurde eine schrittweise Annäherung an eine Sichtweise auf die Thematik interkultureller Kommunikation als einem Dispositiv westlicher Gesellschaften versucht. Besonderheiten dieses Dispositivs werden im Folgenden abschließend noch einmal zusammengefasst. Charakteristisch für das Vorliegen eines Dispositivs ist demnach auch im Fall des Dispositivs interkultureller Kommunikation seine besondere Geschlossenheit innerhalb von gesellschaftlichen Diskursen. Gesellschaftsübergreifend lassen sich kaum Absprachen oder Abgleiche über die Beschaffenheit der Thematik vorfinden. Wie wenig das Dispositiv interkultureller Kommunikation außerhalb westlicher Gesellschaften anschlussfähig ist, zeigen immer wieder entsprechende Kommunikationsversuche, wie beispielsweise die von Henze und Kulich vorliegende Dokumentation einer Tagung an der Humboldt-Universität Berlin, die zu einem Austausch zwischen deutschen und chinesischen Forschern zur interkulturellen Kommunikation durchgeführt worden war (Henze/Kulich 2010). Ergänzend und zugleich entschuldigend muss jedoch an dieser Stelle zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass auch die in der vorliegenden Studie herangezogene Vorgehensweise der Diskurs- und Dispositivanalyse keine globale, sondern höchstens eine regional und auf eine Forscherschicht begrenzte Aufmerksamkeit beanspruchen kann. Auch eine globale Überprüfung und Diskussion der Anwendbarkeit und Adäquatheit der Diskurs- und Dispositivtheorie muss demnach an ihrer eigenen, ver-

48 »Darüber hinaus hängt das Problem der Nichtidentität bzw. der Nichtübertragbarkeit von Ergebnissen des Kulturvergleichs auf Phänomene interkultureller Kommunikation im Wesentlichen damit zusammen, dass die Einheiten des Kulturvergleichs eher Gebilde in den Blick nehmen als Prozesse und Funktionen, eher Sprache als Sprechen, eher Objektivationen des Mentalen als kognitive Stile im konkreten Handlungsvollzug, eher ästhetische Produkte als Formen der Wahrnehmung. Welche Dimensionen der als ›Kultur‹ vergegenständlichten Sinngehalte in der interkulturellen Kommunikation wirksam und zu einem realen Faktor im Mitteilungsgeschehen werden, zeigt sich erst in diesem Prozess selbst« (Loenhoff 2003: 111). 49 »Welchen prognostischen Wert haben schon jene auf ganze Sprach- und Kulturgemeinschaften bezogene, sich irgendwelchen Vergleichsoperationen verdankende Spezifika wie ›individualistisch‹, ›kollektivistisch‹, ›kontextnah‹ oder ›kontextfern‹ etc. für den Erfolg konkreter Kommunikationsprozesse zwischen deren Angehörigen?« (Loenhoff 2003: 111).

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gleichsweise geringen Verbreitung scheitern. Zumindest aus Sicht eigener Recherchen scheinen diskursanalytische Herangehensweisen primär in der deutschsprachigen, aber auch in der angelsächsischen Forschungslandschaft auf Interesse zu stoßen. Das mag daran liegen, dass die meisten Ansätze sich mehr oder weniger auf zwei Gründerväter in der Theorie zurückführen lassen, nämlich Foucault und Habermas. Eine Darstellung der Rezeption und Verarbeitung der Diskurstheorie im französischsprachigen Raum liefert Angermüller (2007). Die langfristige Anlage und Entwicklung des Dispositivs interkultureller Kommunikation macht ein weiteres Charakteristikum aus: Das Dispositiv hat sich über eine lange historische Zeitspanne hinweg entwickelt und etabliert. Dabei erstreckt es sich über eine Vielzahl gesellschaftlicher Bereiche. Demgegenüber sind vergleichsweise wenige punktuelle relevante Einzelereignisse festzustellen, die beispielsweise in Form von so genannten critical discourse moments (Macgilchrist 2011) identifiziert werden könnten. Allumfassend und grenzenlos ist das relevante Material angesichts dieser Überlegungen einerseits. Da eine Vielzahl gesellschaftlicher Bereiche von dem Dispositiv mit gestaltet werden, lassen sie sich kaum in ihrer Gesamtheit erfassen. Auch eine Definition von Grenzen gegenüber anderen Diskursbereichen lässt sich kaum in begründeter Form ziehen und würde eine willkürliche Entscheidung erforderlich machen. Andererseits liegt angesichts des Materials eine Fokussierung der Analyse auf eine Auseinandersetzung im Rahmen wissenschaftlicher Texte nahe: Gegenüber den Wissenschaften scheinen westliche Gesellschaften, wie es die vorangegangenen Abschnitte dieser Studie zeigen, eine Erwartung von Lösungsvorschlägen für die empfundene Problematik interkultureller Kommunikation entwickelt zu haben. Eine Auseinandersetzung mit dem Gegenstand konzentriert sich demnach in wissenschaftlichen Publikationen. Zugleich kann die Verflechtung wissenschaftlicher Diskurse mit innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Blick behalten werden.

Bibliometrische Eingrenzung des wissenschaftlichen Materials Analysen wissenschaftlicher Diskursfelder sowie allgemeine Überblicksarbeiten begründen die Auswahl des von ihnen gesichteten oder einbezogenen Publikationsmaterials bestenfalls auf eine Weise, die erst im Nachhinein rekonstruiert werden kann: Hierzu können sich Autoren auf Zitationsindizes oder die vollständigen Inhaltsverzeichnisse ganzer internationaler Zeitschriften stützen. Analysiert man das Diskursfeld des deutschsprachigen Publikationsfelds zur interkulturellen Kommunikation, so scheinen diese Möglichkeiten aus mehrerlei Hinsicht verwehrt zu bleiben. Zum Einen spielen Zeitschriften in den deutschsprachigen Sozialwissenschaften im Allgemeinen, aber auch in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation bislang nur eine untergeordnete Rolle.50 Maßgebliche Publikationen erscheinen tradi-

50 Eine der wenigen Ausnahmen gegenüber diesem Zustand stellt beispielsweise das virtuell angebotene Interculture Journal dar, das sich bislang vorwiegend dem deutschsprachigen Raum zuwendet, vgl. http://www.interculture-journal.com [Zugriff: 19.05.2013].

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tionsgemäß auch weiterhin in Form von Monographien oder Sammelbänden, deren Zitationshäufigkeit bislang kaum gemessen und erfasst wird. Zum Anderen soll es in der vorliegenden Studie darum gehen, aufzuzeigen, wie möglichst unterschiedliche wissenschaftliche Fachrichtungen und theoretische Perspektivierungen versuchen, mit dem Dispositiv interkultureller Kommunikation und interkultureller Kompetenz umzugehen. Daher geht es nicht darum, Publikationen und Forschungsansätze primär gemäß des quantitativen Ausmaßes ihrer Rezeption zu berücksichtigen. Stattdessen soll versucht werden, ein Schema zu entwickeln, das vielmehr eine Berücksichtigung möglichst vieler potentieller, bereits ausgearbeiteter Perspektiven sicherstellt. Wodak und Meyer (2009: 27) gehen davon aus, dass Materialkorpora für Diskursanalysen in der Regel nicht bereits zu Beginn einer Studie vollständig vorliegen, bzw. erfasst werden können. Stattdessen nehmen die meisten methodischen Vorgehensweisen innerhalb der Diskursanalyse eine schrittweise Annäherung vor, in deren Verlauf permanent neues Material hinzugewonnen wird, sofern es als relevant erachtet wird. Wodak und Meyer zufolge orientierten sich zahlreiche Diskursanalysen hier an der Vorgehensweise der Grounded Theory.

Wie kann man Wissenschaftsdiskurse untersuchen? Während sicherlich zahlreiche Publikationen kritische Sichtweisen auf wissenschaftliche Produktion und Erkenntnisgewinn werfen (Knorr-Cetina 2002 [1984]), liegen jedoch nur überraschend wenige diskursanalytisch fundierte Arbeiten vor, die darauf abzielten, Wissenschaftsdiskurse zu beschreiben oder nachzuzeichnen. Explizit mit einer Beschreibung von Wissenschaftsdiskursen setzt sich Angermüller (2000) auseinander. Er beobachtet einen diskursiven Wandel in den akademischen Texten der deutschsprachigen Geisteswissenschaften. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ähnelten diese Texte in vielerlei Hinsicht mündlichen Vorträgen oder gesprochenen Reflektionen über einen Forschungsgegenstand vor einem tatsächlich räumlich präsenten, akademischen Zuhörerpublikum. Akademische Texte in geisteswissenschaftlichen Publikationen ähnelten demnach niedergeschriebenen universitären Vorlesungen. Bemerkbar wurde dies Angermüller zufolge an einer im Grunde örtlich und zeitlich um den Sprecher oder Autor zentrierten Deixis, der die Zuhörer und Leser nur folgen konnten, wenn sie tatsächlich in der Redesituation anwesend waren oder aber als Leser mit dem behandelten Forschungsgebiet bereits vertraut waren. Erst in den US-amerikanischen Humanities in den 1970er Jahren sieht Angermüller ein erstes Verabschieden von dieser Sprecherzentrierung. Derrida hatte im Rahmen seines dekonstruktivistischen Projekts auf die hegemoniale Stellung präsenter Subjekte in (Wissenschafts-)Diskursen hingewiesen, die jedoch aus diskurstheoretischer Sicht in Abgleich mit den von den Wissenschaften selbst postulierten Zielen eines regelgeleiteten, intersubjektiv nachvollziehbaren Erkenntnisgewinns nicht legi-

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timierbar erscheinen.51 Die Humanities setzten Angermüller zufolge auf der Grundlage dieser Entwicklungen als erste eine Emanzipation ihrer akademischen Texte von einem imaginär präsenten und dadurch privilegierten Sprechersubjekt und dessen Perspektive durch. In der Folge sieht Angermüller zwischenzeitlich auch in den Texten der deutschsprachigen Geisteswissenschaften Diskursbeiträge, die sich in einem vom Sprecher losgelösten diskursiven Raum bewegen, der nicht von hegemonialen Ungleichgewichten der Sprecher beeinträchtigt ist (Angermüller 2000: 78). Trotz dieses in gewisser Weise feststellbaren wissenschaftlichen Fortschritts in der Philosophie bleibt jedoch zu befürchten, dass die von Angermüller beobachteten Veränderungen zumindest teilweise nur rhetorischer Natur sind. Im Grunde müsste eigentlich gerade Angermüllers diskurskritisch informierte Perspektive ihn vor der Annahme der Möglichkeit bewahren, einen Diskursraum finden zu können, der nicht durch interpersonale Hegemonien strukturiert ist. Zu vermuten ist stattdessen, dass nach der von Angermüller beobachteten dekonstruktivistischen Reform geisteswissenschaftlichen Schreibens lediglich die rhetorischen Instrumente ausgewechselt worden sind, mit denen diese Machtstrukturen markiert werden.

Forschungsziele in der interkulturellen Kommunikation Auch die vorliegende Studie kann im Sinne der Dispositivtheorie nicht für sich den Anspruch stellen, das Dispositiv interkultureller Kommunikation transzendieren zu können. Auch wenn an dieser Stelle der Dispositivcharakter des Forschungsgegenstands reflektiert, identifiziert und beschrieben werden soll, muss sich auch die vorliegende Studie als Beitrag zum Fortbestand des Dispositivs verstehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus legitim, auch die Fragen und die Zielstellungen, die gegenwärtig von westlichen Gesellschaften an ihre Wissenschaften herangetragen werden, ernst zu nehmen und deren Bearbeitung mit Hilfe dieser Studie zu unterstützen. Zugleich muss grundsätzlich auch innerhalb westlicher Gesellschaften und innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation von einer Heterogenität der Zielstellungen ausgegangen werden. Hannerz (1998) listet beispielsweise unterschiedliche Anwendungsfelder interkultureller Kommunikation auf, die die Forschung auch jeweils getrennt voneinander bearbeitet hat. Allen Anwendungsbereichen liegen auch jeweils völlig unterschiedliche Zielstellungen zugrunde. Auf ähnliche Weise erläutert Moosmüller (2004) die sogar konträren Zielstellungen in den Anwendungsbereichen Migration und Wirtschaftskommunikation. Darüber hinaus liegen in der Literatur zahlreicher einzelner Anwendungsfelder interkultureller Forschung Spezifizierungen von Forschungszielen vor, die durchaus auch vergleichsweise allgemein formuliert sein können. So sehen beispielsweise Schaffer und Ri-

51 Angermüller (2000: 77) zitiert hierzu Derrida (1967b: 70): »Und diese Debatte [...] zwischen der Philosophie, die immer Philosophie der Präsenz ist, und dem Denken der Nichtpräsenz, das nicht unbedingt ihr Gegenteil [...] ist, dreht sich letzten Endes um das Privileg des aktuell Gegenwärtigen, des jetzt.« Unklar bleibt bei diesem Zitat die Autorschaft der Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche.

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ordan das primäre Ziel interkulturell ausgerichteter Studien in der Organisationsforschung in der Herausarbeitung von Kulturunterschieden: »The goal of such research is to gain an understanding of differences between cultures« (Schaffer/Riordan 2003: 171). Trotz dieser genannten internen Unterschiede und Widersprüchlichkeiten kann dennoch aus Sicht der Dispositivtheorie von einem einheitlichen Dispositiv ausgegangen werden. Gemeinsam ist dabei allen Herangehensweisen in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation, dass sie einem Notstand, nämlich einer möglichen Infragestellung des eigenen wissenschaftlichen Tätigkeitsfelds, mit Strategien entgegentreten, die einen Fortbestand der Disziplinen argumentativ absichern.

Konsequenzen für eine methodische Operationalisierung Während die Diskursforschung auf äußerst fundierte theoretische Begründungen zurückgreifen kann, ist empirisch arbeitenden Forschern bis in die Gegenwart hinein eine schlüssige, nachvollziehbare und in möglichst vielen Aspekten vollständige Operationalisierung der Diskurstheorie meist vergleichsweise schwergefallen. Grundsätzlich liegt eine Vielzahl von Herangehensweisen vor, die jedoch häufig in deutlicher Weise eine eigene, bestimmte disziplinäre Herkunft erkennen lassen. Darauf aufbauend werden dann vielfach Arbeiten angefertigt, die ihre eigene Disziplin zumindest diskurstheoretisch informieren. Historiographisch begründete Ansätze haben in der Diskurs- und Dispositivanalyse vielfach Verbreitung gefunden, zumal es sich bei den Forschungsgegenständen häufig um Diskurse handelt, die nur aus einer diachronen Perspektive angemessen erfasst werden können. Neben textwissenschaftlich fundierten Arbeiten, die demgegenüber eher zu einem synchronen Blick neigen, liegen demnach aus den Geschichtswissenschaften zahlreiche Studien vor. Im deutschsprachigen Raum hat dabei insbesondere Sarasin einen entsprechenden Ansatz ausdifferenziert (Sarasin 2003). Auch die in der vorliegenden Studie vielfach herangezogenen Arbeiten von Bührmann (2004) argumentieren aus einer historiographischen Perspektive. Kulturgeschichtlich geht auch Kien Nghi Ha vor, der den Diskurs um Hybridität nachzeichnet (Ha 2009: 30). Auf diese Weise wird Ha der langfristigen Diachronizität des untersuchten Phänomens gerecht. Zugleich zeigt Has Studie exemplarisch, wie eine diachrone Sichtweise auch in zahlreichen weiteren Studien häufig auf Kosten einer präzisen diskursanalytischen Operationalisierung der beobachteten Aspekte vollzogen wird. Analysiert werden können meist jeweils nur einzelne ausgewählte Aspekte, für die der jeweilige Autor Zentralität und Repräsentativität innerhalb des besprochenen Diskurses oder Dispositivs beansprucht. Schwierigkeiten der Operationalisierung Empirische Methoden der Diskursanalyse stellen meist den Anspruch, empirisches Material auf eine Weise zu selektieren und aufzuarbeiten, die eine Interpretation des Materials aus dem Lichte zuvor geklärter diskurstheoretischer Grundannahmen optimal ermöglichen soll. Unter den zahlreichen zur Verfügung stehenden Methoden der qualitativen Sozialforschung (für eine Synopse möglicher Ansätze vgl. nur exemplarisch Flick/Kardorff/Steinke 2000) stellt die Diskursanalyse ihre Vertreter

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meist vor besonders große Hürden, wenn es darum geht, die zugrunde liegende Theorie und deren methodische Operationalisierung plausibel und nachvollziehbar miteinander zu verknüpfen. Einer Vielzahl theoriegeleiteter Überlegungen zu den Grundlagen der Diskursanalyse steht nur eine sehr überschaubare Anzahl voneinander unterscheidbarer Operationalisierungen methodischer Vorgehensweisen gegenüber (van Dijk 1985; Wodak 1989; Fairclough 1992; Jäger 2009b), und selbst diese tun sich mit einer nachvollziehbaren Operationalisierung sichtlich schwer. So schreibt beispielsweise Jäger: »Insofern ist die Diskursanalyse kein Zweig der Sprachwissenschaft herkömmlicher Prägung [...], sondern ein Analyse-Verfahren, das auf einer bestimmten Theorie aufruht, der Diskurstheorie Foucaults, bzw. sich an dieser orientiert« (Jäger 2009b: 158).

Dieses Aufruhen jedoch scheint dem empirischen Forscher in der Ausgestaltung seines methodischen Vorgehens vergleichsweise freie Hand zu lassen. In der Praxis scheint dies dazu zu führen, dass empirische Diskursanalytiker häufig so weit wie möglich an den bereits vorliegenden, meist textanalytischen Methoden und Herangehensweisen ihrer eigenen Disziplin festhalten. Diese bereits vorhandenen Methoden können dann vielfach lediglich noch den Anspruch einer diskurstheoretischen Informiertheit erheben. Jäger antizipiert diesen Vorwurf, streitet ihn zunächst jedoch lediglich ab: »Die vorangegangenen theoretischen Überlegungen prägen auch die hier vorgeschlagene Analysemethode, jedoch weniger das Instrumentarium der Formanalyse, das wir, behutsam und gezielt auswählend, guten Stilistiken bzw. Grammatiken etc. entnehmen können. Im folgenden werden sie jedoch mit tätigkeits- und diskurstheoretischen Prinzipien verbunden« (Jäger 2009b: 158).

Wie diese Verbindung aussieht, das überlässt Jäger jedoch im weiteren Verlauf seiner methodischen Anleitung größtenteils dem Bereich der Interpretation des Materials. Parker hält die intersubjektiv nachvollziehbare Operationalisierung einer diskursanalytischen Interpretation gleich für obsolet und lediglich der sozialforscherischen Etüde dienlich: »Walkerdine befolgte in ihrer Untersuchung keine durch Regeln festgesetzte Reihenfolge von ›Schritten‹. Die meisten Beispiele aus der Diskursanalyse, die mit solchen Untersuchungsschritten operieren, tun dies aus didaktischen Gründen [...]« (Parker 2008: 554).

Geht die Analyse über die Sichtung einzelner diskursiver Ereignisse hinaus und nimmt sie eine Erfassung übergeordneter Phänomene, wie beispielsweise ganzer Diskursstränge, in Angriff, so kann Jäger den geringen Grad der Operationalisierung in seiner methodischen Vorgehensweise mit der Fülle des empirischen Materials begründen, das in Form einer etwaigen Mikroanalyse ohnehin nicht mehr bewältigt

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werden könnte.52 Jäger spricht sich stattdessen für eine exemplarische Feinanalyse ausgewählter und als für einen Diskursstrang als charakteristisch und zentral erscheinender Einzeldokumente aus.53 Bei einer treffenden Auswahl zentraler Dokumente, so bemerkt Jäger, sei ohnehin überraschend schnell eine Grenze erreicht, hinter der eine Analyse selbst bei der Hinzuziehung zusätzlicher Dokumente kaum noch neue Aspekte hervorbringen könne.54 Zu einer empirischen Diskursanalyse interkultureller Forschung Nachdem im zweiten Kapitel der vorliegenden Studie die Problematik einer Beantwortung der Frage nach dem Umgang mit Aspekten interkultureller Kommunikation in den Bereich der Diskurstheorie verwiesen worden war, wurde im dritten Kapitel eine Annäherung an eine diskurstheoretische Erfassung des Forschungsgegenstands versucht. Um eruieren zu können, auf welche Weise die Forschung und der alltagsweltliche Diskurs zu interkultureller Kommunikation als Diskurse fassbar gemacht werden können, wurde zunächst die vorliegende diskursanalytische Forschung ausgewertet: Im Fall der vorliegenden Studie bildet ein ausgewähltes empirisches Material den Ausgangspunkt, und für dieses Material musste nach einer bestmöglichen begrifflichen Erfassung gesucht werden. Hierzu wurde zunächst erörtert, auf welche Weise ähnliche, vergleichbare oder benachbarte Forschungsgegenstände diskursanalytisch angegangen worden sind. Umgekehrt wurde außerdem dargelegt, in welcher Form und in welchen inhaltlichen Bereichen sich diskurstheoretische Überlegungen auf eine Weise entwickelt haben, die sie für eine Erforschung interkultureller Kommunikation geeignet erscheinen lassen. Foucaults Überlegungen zur Genese von

52 »Das allgemeine Ziel von Diskursanalyse ist es, ganze Diskursstränge (und/oder Verschränkungen mehrerer Diskursstränge) historisch und gegenwartsbezogen zu analysieren und zu kritisieren. Dies kann schon allein aus forschungspragmatischen Gründen nicht so vonstatten gehen, dass alle Diskursfragmente, die zu jeweiligen Diskurssträngen gehören, einer Feinanalyse unterzogen werden. Wenn man bedenkt, dass bereits ein synchroner Schnitt [Hervorhebung im Original] durch einen thematisch relevanten Diskursstrang hunderte bis tausende von Diskursfragmenten enthält und sich die Anzahl von Diskursfragmenten bei diachroner Untersuchung [Hervorhebung im Original] von Diskurssträngen noch einmal vervielfacht, dann ist zu ermessen, wie riesig der Arbeitsaufwand wäre, strebte man ein solches Ziel an« (Jäger 2009b: 171). 53 »Materialaufbereitung und Analyse einzelner Diskursfragmente stellen das Herzstück von Diskursanalyse dar. Dies ist deshalb der Fall, weil dabei filigran herausgearbeitet werden kann, wie ein Diskurs inhaltlich und formal gestaltet ist, welche Wirkungsmittel er enthält, welche Argumentationsstrategien verwendet werden, welche Widersprüche und Fluchtlinien er enthält usw. Aus diesem Grund sollten die zur Feinanalyse ausgewählten Artikel auch für den betreffenden Diskursstrang möglichst typisch [Hervorhebung im Original] sein, womit sich ein weiteres Problem auftut, auf das ich noch ausführlich eingehen werde« (Jäger 2009b: 171f). 54 »Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass die Quantität der Fälle dabei erstaunlich gering ist. Bereits nach relativ wenigen Beispielen stellte sich heraus, dass keine neuen Phänomene mehr auftauchen, mit anderen Worten: Dass die Analysen sehr schnell zu ›vervollständigen‹ sind« (Jäger 2009b: 211).

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Machtstrukturen aufgrund wissenschaftlicher Argumentation sowie die Auseinandersetzung mit Paradigmen der Differenz in der Geschlechterforschung haben in diesem Sinne eine Theorieentwicklung vorangetrieben, vor deren Hintergrund eine Erforschung interkultureller Kommunikation als Diskursgegenstand bearbeitbar wird. Dispositive wurden darüber hinaus innerhalb der diskurstheoretischen Forschung als geeignetes zentrales Begriffskonzept identifiziert, mit dessen Hilfe sich die wesentlichen relevanten Aspekte des Phänomens interkultureller Kommunikation identifizieren lassen. Insbesondere das Zusammenspiel aus Wissen und Machtstrukturen steht dabei im Vordergrund. Eine Analyse des Dispositivs Kultur von Thomas Höhne wurde in diesem Kapitel ausführlich dargestellt. Kritisch hervorgehoben wurde dabei, dass Höhne sich auf eine Identifizierung von Ausgrenzungsmechanismen aufgrund des Kulturdispositivs beschränkt hat. Offen bleiben hier konkrete und inhaltliche Beschreibungen unterschiedlicher Qualitäten von Andersbehandlungen. Darüber hinaus erscheint eine verstärkte Fokussierung wissenschaftlicher Diskurse im Hinblick auf die Konstruktion eines Dispositivs interkultureller Kommunikation sowie deren Zusammenspiel mit alltagsweltlichen Diskursen sinnvoll. In den folgenden Kapiteln soll auf der Grundlage dieser Vorüberlegungen eine Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation versucht werden. Vorab eingeschoben wird darüber hinaus ein Exkurs zum Dispositiv der Nachhaltigkeit. Dabei wird unterstellt, dass Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation häufig implizit als Zielstellung die Herstellung von Bedingungen für ein nachhaltiges globales soziales Zusammenleben fokussieren. Grundsätzlich kann jedoch auch die Zielstellung der Nachhaltigkeit als Dispositiv verstanden werden. Der folgende Exkurs vermittelt hierzu einen kursorischen Einblick in die wissenschaftlichen Diskurse zur Nachhaltigkeit und zu nachhaltiger Entwicklung.

E XKURS : D AS N ACHHALTIGKEITSDISPOSITIV Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung haben sich in der westlichen Welt in den vergangenen Jahrzehnten zu normativ aufgeladenen Begriffen herauskristallisiert, die bislang eine ähnlich schillernde und facettenreiche Ansammlung an Bedeutungen konnotieren wie die Begriffe von Kultur, interkultureller Kommunikation und interkultureller Kompetenz. Zu vermuten ist demnach, dass es sich auch hier um Begriffe handelt, deren Funktionsweise mit einer dispositivanalytischen Betrachtungsweise angemessen erfasst werden kann. Der Beitrag eigenständiger sozialwissenschaftlicher Forschung zum Nachhaltigkeitsparadigma fällt bislang noch vergleichsweise gering aus. Singer (2011) weist beispielsweise darauf hin, dass beschreibende Beiträge aus der Kulturanthropologie beinahe gänzlich fehlen. Zugleich mahnt er an, dass im Grunde nur eine transkulturell monitorierende Perspektive überhaupt eine effektive globale Implementierung von Nachhaltigkeitsbemühungen ermöglichen könne. Systemtheoretische Herangehensweisen erscheinen vor diesem Hintergrund beinahe konsensuell als ein Muss (Lewis 2003), das im Grunde bereits durch noch allumfassendere Perspektiven transzendiert werden muss (Ketola 2009). Aus einer normativen Sicht weisen Klessig und Hagengruber (1999) darauf hin, dass Effekte der Nachhaltigkeit umgekehrt auch nur

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dann erzielt werden können, wenn möglichst alle gesellschaftlichen Bereiche in die Herstellung eines Gleichgewichts mit einbezogen werden. Während man auch (kulturelle) Dispositive in ihrer Wirkweise durchaus als nachhaltig bezeichnen kann (Alexander 2004), soll es an dieser Stelle darum gehen, dem Dispositivcharakter der Begriffe von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung nachzuspüren. Bührmann und Schneider (2008) verweisen in ihrer Einführung in die Dispositivanalyse auf eine Studie von Timpf (2003), der das Nachhaltigkeitsdispositiv untersucht, das in der vorliegenden Studie bereits an früherer Stelle referiert worden ist und hier nur der Vollständigkeit halber noch einmal gewürdigt werden soll. Timpf rekonstruiert die Konstruktion eines Notstands im Diskurs um das Nachhaltigkeitsdispositiv. Ihmzufolge hat in den westlichen Ländern seit Beginn der 1960er Jahre ein Bewusstsein für die Gefahr eines Versiegens der Rohstoffe in der Nahrungsmittelkette und ein Bewusstsein für deren Endlichkeit zu einem neuen Problemempfinden geführt. Mit diesem Bewusstsein für eine Begrenztheit natürlicher Ressourcen stellten sich auch Zweifel an dem ansonsten ungebremsten und weithin zelebrierten Wachstumsparadigma ein. Timpf rekurriert auf Foucault, nachdem Gesellschaften Techniken und Strategien konstruieren, mit deren Hilfe sie den empfundenen Notstand in den Griff bekommen wollen. Diese Techniken sind jedoch keine rein pragmatischen Lösungswege, sondern stattdessen eingebunden in bestehende Macht- und Herrschaftsstrukturen. Im Nachhaltigkeitsdispositiv sieht Timpf eine wesentliche Strategie hierzu in der Umdeutung von Natur in eine Umwelt. Anstelle der Natur, die außerhalb des Sozialen angesiedelt ist, ist der Begriff der Umwelt Bestandteil des Sozialen und kann damit einerseits als unverzichtbar, andererseits aber auch als kontrollierbar und steuerbar konstruiert werden. Timpf folgert hieraus, dass dem Notstand der begrenzten Ressourcen im Grunde damit begegnet wird, dass die Natur in etwas umgedeutet wird, das mit Hilfe eines kompetenten Managements in den Griff bekommen werden kann (Timpf 2003: 434). Anhand einer Analyse von Kommunikationsstrategien möglichst unterschiedlicher Akteure im Hinblick auf das Themenfeld des Umweltschutzes, wie beispielsweise des Mineralölkonzerns Shell sowie der Umweltorganisation Greenpeace zeigt Timpf anschließend, dass das Nachhaltigkeitsdispositiv zum Einen für die Thematik allumfassend und alle Akteure einschließend ist, und dass es zum Anderen die auf den ersten Blick verschiedensten Akteurspositionen zulassen kann, die jedoch grundsätzlich alle das Dispositiv bestätigen. Doch die Vielschichtigkeit und die gegenwärtige Beliebtheit des Begriffs der Nachhaltigkeit rufen auch jenseits diskurstheoretisch informierter Studien Kritiker auf den Plan, die die Diskursivität und die damit verbundene Wandlungsfähigkeit des Begriffs anmahnen. So rekonstruiert beispielsweise Robinson (2004) Inhalte und Funktion des Nachhaltigkeitsbegriffs in seiner Verwendung in gesellschaftlichen Debatten. Retrospektiv sehen zahlreiche Quellen den Ursprung gegenwärtiger Nachhaltigkeitsdefinitionen in einem Bericht der von den Vereinten Nationen ins Leben gerufenen World Commission on Environment and Development (WCED). Dieser als Brundtland-Bericht bekannt gewordene und nach dem damaligen Vorsitzenden benannte Bericht (Stubbs/Cocklin 2008: 105) bildet demnach die Basis für einen Großteil der späteren politischen Debatte und der wissenschaftlichen Forschung um Nachhaltigkeit und

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nachhaltige Entwicklung (Cotgrove 1982; O’Riordan 1991; Gladwin/Kennelly/ Krause 1995). Eine besondere, jedoch nur unzureichend gemeisterte Herausforderung dieses Berichts bestand Robinson zufolge darin, zwei grundlegend unterschiedliche Herangehensweisen an ein Verständnis von Nachhaltigkeit zusammenzuführen: Hinter dem Begriff einer nachhaltigen Entwicklung subsumiert Robinson Bemühungen, mit Hilfe eher technischer Korrekturen einen gegenwärtigen Zustand eines Umweltsystems zu erhalten. Lösungswege wären hier insbesondere auf einer technischen Ebene zu suchen. Demgegenüber versteht Robinson unter dem Begriff der Nachhaltigkeit eher eine Haltbarmachung eines gegenwärtigen Zustands mit Hilfe eines vergleichsweise romantisch begründeten Motivs eines gesellschaftlichen Wertewandels, der tiefgreifender angelegt werden müsste als ledigliche technische Korrekturen (Robinson 2004: 372). Robinson verweist auf die vielfach bemängelte Ungenauigkeit und Diffusität des Begriffsverständnisses von Nachhaltigkeit. Er dagegen spricht von einer konstruktiven Ambiguität (»constructive ambiguity«, Robinson 2004: 374), auf deren Grundlage sich eine kreative und offene Debatte um Inhalte des Begriffs immer wieder vollziehen müsse. Ein solches Verständnis, so folgert Robinson, verhindere jedoch grundsätzlich eine Überprüfbarkeit und eine Messbarkeit der Effizienz einzelner Maßnahmen und Vorgehensweisen zur Nachhaltigkeit. Damit entspricht Robinson grundsätzlich einem diskurstheoretischen Begriffsverständnis, ohne darauf selbst explizit Bezug zu nehmen: An die Stelle einer klar bestimmbaren Definition tritt der permanente Deutungskampf unterschiedlicher Akteure um ein angemessenes Verständnis von Nachhaltigkeit. Aus diskurstheoretischer Sicht unterschlägt Robinson jedoch hier die zentrale Problematik gesellschaftlicher Machtungleichgewichte, die in der Regel anstelle einer sachorientierten Konzeptoptimierung die Grundlage für hegemoniale Begriffsverständnisse von Nachhaltigkeit bilden dürfte.55 Die grundsätzliche normative Ausrichtung des Nachhaltigkeitsparadigmas hinterfragt Robinson jedoch nicht, sondern akzeptiert sie als gegeben. Er folgert, dass selbst die fruchtloseste Debatte eine notwendige und nicht ersetzbare Grundlage für jegliche Schritte in Richtung einer Implementierung von Maßnahmen zur Sicherung von Nachhaltigkeit sein müsse. Zumindest die gesellschaftliche Relevanz der Thematik – und auch in diesem Punkt ähnelt die Nachhaltigkeitsdebatte der Debatte um den Umgang mit Interkulturalität – erscheint demnach aus Robinsons Sicht als konsensuell (Robinson 2004: 376). Positiv gewendet berge der Begriff der Nachhaltigkeit aufgrund seiner nicht zu bändigenden Vielschichtigkeit und seiner interdisziplinären Anlage quasi die Aufforderung zu einer fortwährenden integrierenden Auseinandersetzung mit seiner Problemstellung. Schließlich resümiert Robinson, dass der normativ ausgelegte Begriff der Nachhaltigkeit nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen,

55 Diese Gefahr sieht Robinson zumindest für seinen eigenen Ansatz als gebannt an. Gleichwohl erkennt er entsprechende Bedenken von Seiten des von ihm als solchem bezeichneten sozial-romantischen Lagers der Befürworter einer Nachhaltigkeit im Sinne eines Wertewandels: »On the social side, similar concerns exist. The concern here is that sustainable development is seen as innately reformist, mostly avoiding questions of power, exploitation, even redistribution« (Robinson 2004: 376).

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sondern auf einem gesellschaftlich empfundenen Problembewusstsein begründet sei, zu dessen Bearbeitung wissenschaftliche Erkenntnisse höchstens einen hilfestellenden Beitrag leisten könnten. Der Begriff der Nachhaltigkeit erfasse demnach eine fortwährende gesellschaftliche Debatte, deren Charakter im Grunde dazu auffordert, diese auch gesellschaftsübergreifend zu führen: »An equally important dimension of sustainability is the procedural one. Here we can argue for the view that sustainability can usefully be thought of as the emergent property of a conversation about desired futures that is informed by some understanding of the ecological, social and economic consequences of different courses of action […]. This view acknowledges the inherently normative and political nature of sustainability, the need for integration of different perspectives, and the recognition that sustainability is a process, not an end-state. It must be constructed through an essentially social process whereby scientific and other ›expert‹ information is combined with the values, preferences and beliefs of affected communities, to give rise to an emergent, ›co-produced‹ understanding of possibilities and preferred outcomes« (Robinson 2004: 381).

Die Offenheit und Wandelbarkeit des Diskurses kann jedoch aus Sicht einiger Autoren auch zu einem Verschwinden des Nachhaltigkeitsparadigmas führen. So ist beispielsweise Pospisil (2009) der Ansicht, dass es in der Entwicklungspolitik der USA und Deutschlands schon lange nicht mehr paradigmatisch um Nachhaltigkeit, sondern vielmehr um Sicherheit gehe. Bereits vor dem 11. September 2001 erkennt Pospisil eine schrittweise Ablösung des bis dahin zentralen Motivs des sustainable development in der US-amerikanischen Entwicklungspolitik zugunsten einer schließlich im Jahre 2003 herausgegebenen Losung von security, prosperity, democracy (Pospisil 2009: 22f)56 Aus Sicht der Dispositivtheorie würde jedoch die Existenz verdeckter und alternativer Ziele hinter dem Nachhaltigkeitsparadigma gar nicht überraschen. Stattdessen würde davon ausgegangen, dass das Dispositiv lediglich dazu dient, Instrumente für die Behebung eines anderweitigen Notstands bereitzuhalten.

Modelle zur Implementierung von Nachhaltigkeit in Unternehmenskontexten Ähnlich dem Begriff der interkulturellen Kompetenz im Verhältnis zu dem grundlegenden Gegenstand interkultureller Kommunikation laden die Begriffe der Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Entwicklung zu einer Operationalisierung normativ

56 »Was wir anhand dieser kurzen Schlaglichter auf Vorgänge bei verschiedenen bi- und multilateralen Gebern sehen können, ist ein trotz unterschiedlicher Gegebenheiten durchgängiger und zeitlich relativ parallel verlaufender Veränderungsprozess, der auf eine tendenzielle Änderung von Annahmen, Zielsetzungen und Prioritäten der internationalen Entwicklungspolitik hinausläuft. In Schlagworte gefasst könnten wir sagen, dass nach ›Modernisierung‹, dem entscheidenden entwicklungspolitischen Begriff bis Mitte der 1980er, und ›Nachhaltigkeit‹, der das Feld spätestens seit dem Brundtland-Report 1987 dominiert, nun ›Sicherheit‹ zum führenden Motto aufzusteigen scheint« (Pospisil 2009: 24).

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nachzuvollziehender Schritte ein. Insbesondere Unternehmenskontexte werden dabei meist als Umfelder wahrgenommen, deren Grundprinzipien gegenläufig zu den Zielstellungen von Nachhaltigkeit sind. So scheint der Begriff der Nachhaltigkeit im Unternehmenssektor einerseits bislang nur unzureichend operationalisiert zu sein (Stubbs/Cocklin 2008: 103), andererseits ergeben sich aus der normativen Sicht des zugrunde liegenden Dispositivs gerade in einem Bereich, der bislang meist explizit dem Primat ökonomischer Gewinnmaximierung gehorcht hat, die größten Herausforderungen. Dabei changieren Interpretationen des Begriffs der Nachhaltigkeit zwischen den Polen einer allgemeinen längerfristigen Konsolidierung der eigenen Institution unabhängig von deren Inhalten einerseits (Baumgartner 2009) gegenüber einer Implementierung von Maßnahmen zum Umweltschutz unterschiedlichster Art andererseits (Pataki 2009). Lewis (2003) veranschaulicht am Beispiel der Entwicklungszusammenarbeit in den Händen von NGOs die Wichtigkeit einer institutionellen Nachhaltigkeitsorientierung. Auch die politische Demokratieförderung kann als eine Arbeit verstanden werden, die eine nachhaltige Etablierung anstrebt, wie Lyons et al. (Lyons/Smuts/Stephens 2001) am Beispiel von Südafrika zeigen. Verstärkend wirken hier Institutionalisierungen des Dispositivs selbst: So soll beispielsweise das European Corporate Sustainability Framework (ECSF) (Hardjono/Klein 2004) Unternehmen einen Überblick über diverse Ansätze und Orientierungen geben (Stubbs/ Cocklin 2008: 104). Zugleich ist der Nachhaltigkeitsbegriff selbst so offen, dass eine Operationalisierung für jeden beliebigen betrieblichen Tätigkeitsbereich möglich ist. Umsetzungspotential scheint sich von der betrieblichen Beschaffung (Walker et al. 2009) bis hin zur Entsorgung (Pongrácz 2009) zu ergeben. Doch die Verfolgung von Zielstellungen der Nachhaltigkeit kann sich in einem kommerziellen Kontext nur schwer auf innerbetriebliche Prozesse beschränken. Zu groß erscheint der Druck, auch Aspekte der Nachhaltigkeit ökonomisch gewinnbringend umzusetzen. Dies könnte theoretisch dann am einfachsten gelingen, wenn sich auch Kunden und Abnehmer von Produkten mit den Idealen der Nachhaltigkeit identifizieren. Einen erforschenden Einblick in diese Problematik bietet beispielsweise Soron (2010). Im Grunde könnten gesamtgesellschaftliche Zielstellungen von Nachhaltigkeit dann am gezieltesten erreicht werden, wenn Individuen Ideale der Nachhaltigkeit in ihrer persönlichen Identität verankern würden (Hay 2010). Strannegard und Dobers (2010) weisen darauf hin, dass individuelles Konsumverhalten, das in seiner Ausrichtung Idealen von Nachhaltigkeit in der Regel entgegengesetzt ist, deutlich leichter in individuellen Identitäten verankert werden kann. Identitäten erfordern eine permanente Erneuerung und Bestätigung, die in einer kommerzialisierten Konsumwelt auch tatsächlich bedient werden kann. Hurth (2010) ergänzt, dass diese Problematik mit zunehmendem Wohlstand sogar ansteigt: Obwohl wohlhabende Konsumenten- und Käuferschichten ein deutlich ausgeprägteres Bewusstsein für Belange einer ökologischen Nachhaltigkeit haben, zählen sie dennoch weiterhin zu den größten Energieverbrauchern. Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre wird darüber hinaus zunehmend eine Implementierung des Nachhaltigkeitskonzepts auch in die Managementausbildung angemahnt (Bradfield 2009; Peoples 2009; Porter/Córdoba 2009; Walck 2009), überboten werden diese Plädoyers nur noch von Berichten über bereits erfolgreich implementierte Ausbildungskonzepte (Steketee 2009). Auch die Implementierung von Nachhaltigkeitskonzepten in die Managementausbildung kann wiederum als ein Pro-

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jekt verstanden werden, dass ohne die Berücksichtigung eines nachhaltig angelegten Change-Managements nicht gelingen kann (Benn/Dunphy 2009). Dabei sind die Bereiche der Implementierung in die Lehre genauso vielfältig wie die eigentlichen Handlungsfelder in der Praxis: Rands (2009) legt eine ganze Matrix von Themenfeldern zur Unterrichtung über Bemühungen zu nachhaltiger Entwicklung vor. Verstärkend etabliert sich eine anwendungsorientierte und normativ ausgerichtete Wissenschaft zur Nachhaltigkeit. Dunphy, Griffiths und Benn (2003) stellen beispielsweise ein Phasenmodell zur Beschreibung des Übergangs von rein gewinnorientierten Unternehmen in eine Haltung der sozialen Nachhaltigkeit vor. Demnach sei zu unterscheiden zwischen einem Stadium, in dem die Unternehmung Zielen der Nachhaltigkeit nur aus einer selbst auferlegten Verpflichtung heraus erfüllt, gegenüber einem anzustrebenden Stadium, in dem die Unternehmung Aspekte der Nachhaltigkeit als inhärent und zentral ansieht (Stubbs/Cocklin 2008: 104). Konträr stehen diesen zumindest publizierten Bemühungen jedoch auch weiterhin Äußerungen gegenüber, die feststellen, dass über Nachhaltigkeit zwar häufig gesprochen wird, dass die Anzahl konkreter Umsetzungen jedoch in den vergangenen Jahrzehnten kaum angestiegen sei (Ketola/Mark-Herbert/Pataki 2009). Ein solcher Bruch mag aus dispositivtheoretischer Sicht nicht einmal überraschen, vielmehr bestätigt er den Dispositivcharakter des Phänomens der Nachhaltigkeit: Grundsätzlich ist anzunehmen, dass das Nachhaltigkeitsdispositiv zur Verfolgung anderer gesellschaftlicher Zielstellungen eingesetzt wird als der oberflächlich verbal proklamierten. Auch wenn diese Konsequenz des Dispositivcharakters in der Reichweite ihrer Kritik in der vorliegenden Literatur kaum durchdrungen wird, so spüren doch zahlreiche Autoren, dass eine tatsächliche Verfolgung von Zielen nachhaltiger Entwicklung eine viel grundlegendere ideologische Umorientierung gegenüber vorherrschenden neoliberalen Wirtschaftsparadigmen erfordern würde. Kurzfristige Versuche der Implementierung von Nachhaltigkeitsgedanken in die gegenwärtigen Wirtschaftssysteme, die diesen Gedanken im Grunde in vielerlei Hinsicht entgegenlaufen, könnten demgegenüber nur scheitern (Söderbaum 2009).

Verflechtungen mit dem Dispositiv interkultureller Kommunikation Das Dispositiv interkultureller Kommunikation ermöglicht auch eine eigene Sichtweise auf das Dispositiv der Nachhaltigkeit. So überprüft beispielsweise Vachon (2010) kulturelle Unterschiede in der Einschätzung der Wichtigkeit einer Berücksichtigung von Zielen der Nachhaltigkeit. Hierzu hat Vachon die Bemühungen um Nachhaltigkeit in eine Beziehung zu den Kulturdimensionen Hofstedes (1980) gesetzt. Aus dieser Sicht stellt er heraus, dass die Einschätzung der Relevanz von Nachhaltigkeit durchaus kulturspezifisch ist: Insbesondere Länder mit einer stark individualistischen Prägung messen demnach einer Berücksichtigung von Nachhaltigkeit ein besonders Gewicht bei. Die Kulturdimension der Unsicherheitsvermeidung dagegen steht in einem negativen Verhältnis zum Nachhaltigkeitsparadigma: Je höher das Bedürfnis einer Gesellschaft nach Unsicherheitsvermeidung ist, desto weniger werde sie sich für eine nachhaltige (Neu-)Ausrichtung ihres (unternehmerischen) Handelns einsetzen. Vachon leitet daraus konkrete Empfehlungen für die Praxis internationalen Managements ab: Unternehmen, die Wert darauf legen, dass auch Leis-

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tungen, die an Unternehmen im Ausland outgesourct werden, unter der Berücksichtigung von Zielstellungen der Nachhaltigkeit erbracht werden, können sich demnach an den Einordnungen der jeweiligen Nationalkulturen in Hofstedes Kulturdimensionen orientieren. Unternehmen, die sich zwischen einer Zusammenarbeit mit einem argentinischen und einem chilenischen Unternehmen entscheiden müssten und Wert auf nachhaltiges Wirtschaften legen, sollten sich demnach für eine Kooperation mit Argentiniern entscheiden, da Argentinien einen höheren Individualismusindex aufweise (Vachon 2010: 358).

Nachhaltiger Umgang mit Interkulturalität? Über diese erste Zusammenführung von Interkulturalitätsparadigma und Nachhaltigkeitsparadigma hinaus liegt die Frage nach einer Operationalisierung eines nachhaltigen Umgangs mit Interkulturalität nahe. Mehr noch kann sogar unterstellt werden, dass im Grunde jedwede Auseinandersetzung mit Aspekten interkultureller Kommunikation die Herstellung eines nachhaltigen sozialen Umgangs sicherstellen soll. Diese Verknüpfung ist jedoch in den meisten Fällen eher implizit erkennbar, nur selten wird sie explizit und in Begriffen des Nachhaltigkeitsparadigmas besprochen. Aus dispositivanalytischer Sicht muss jedoch das Ziel der Nachhaltigkeit zunächst als ein Instrument zur Durchsetzung von Machtverhältnissen verstanden werden. Wie ein solches Dispositiv strukturiert sein kann, leuchtet recht augenscheinlich und wahrscheinlich unfreiwillig aus den Überlegungen von Heintel und Krainer (2010) zur geschichtlich-kulturellen Nachhaltigkeit hervor. Heintel und Krainer beginnen ihre Überlegungen mit der Beobachtung, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit meist impliziert, dass eine bestimmte gegenwärtige Verhaltensweise oder ein Zustand nicht nachhaltig sind, so dass eine Veränderung im Sinne von Nachhaltigkeit angestrebt werden müsse. Gleichzeitig werde grundsätzlich von Bestehendem ausgegangen werden müssen, wodurch radikal neuartige Richtungsentscheidungen ebenfalls nicht erwartbar sind.57 Im Sinne eines Kulturpessimismus gehen Heintel und Krainer davon aus, dass eine kapitalistische Kulturvorstellung, wie sie in der westlichen Welt konstruiert wurde, grundsätzlich selbstzerstörerisch wirken muss, da sie immer gegen sich selbst aufbegehren muss. Einer westlichen Kultur wäre demnach eigentlich die Idee immanent, dass sie sich immer weiter konstruktiv entwickelt. Da Zielvorgaben aus der Nachhaltigkeitsdebatte aber eher versuchen, überhaupt den gegenwärtigen Stand zu halten und ihn nicht zu verschlechtern, folgern Heintel und Krainer, dass die Nachhaltigkeitsdebatte diesen Niedergang wiederum selbstreflexiv mitberücksichtigt.58

57 »[...] vor dem Hintergrund einer Überzeugung, dass wir uns erst wohin entwickeln müssen, unser derzeitiger Zustand keineswegs nachhaltig ist. Entwickeln heißt aber gewöhnlich vom Bestehenden auszugehen, eben dieses weiterzubringen.« (Heintel/Krainer 2010). 58 »Wir entnehmen der aktuellen Debatte um Nachhaltigkeit Hinweise auf das Zu-EndeGehen unserer Fortschrittskultur. Exemplarisch sei hier der Brundlandt-Bericht angeführt: Sustainable Development definiert eine Entwicklung, ›die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnis-

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Zugleich weisen die Autoren darauf hin, dass der Nachhaltigkeitsgedanke offenbar grundsätzlich auch Bestandteil unserer Vorstellung von Kultur ist: Qua Reflektion sollen Bestand und Wandel sichergestellt werden. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist demnach grundsätzlich kulturimmanent.59 Um diese Beobachtungen konstruktiv zu wenden, schlagen die Autoren die Anleitung eines groß angelegten Interessenfindungsverfahrens vor. Mit Hilfe einer Art Coaching sollten Mitglieder einer Kultur dabei dazu angeregt werden, zu reflektieren, auf welche Weise sie in Zukunft zusammenleben wollen und wie sie den Kontakt mit kulturellen Nachbarn gestalten wollen. Mit Hilfe dieser Reflektion wollen Heintel und Krainer die von ihnen identifizierten selbstzerstörerischen Aspekte einer Kultur ausbremsen und konstruktiv wenden. Den Kern und den Ausgangspunkt für die Entstehung eines Dispositivs bildet meist ein gesellschaftlich empfundener Notstand. Dieser kann in dem Entwurf von Heintel und Krainer auf zwei Ebenen gesehen werden: Einerseits kann es sich dabei tatsächlich um die bislang nicht zufriedenstellend beantwortete Frage nach einem zukünftigen und nachhaltigen kulturellen Umgang handeln. Andererseits kann unterstellt werden, dass hier Anbieter von Großgruppencoachings und Großgruppenmediationen den Bedarf erkennen lassen, nach neuen und einträglichen Tätigkeitsfeldern suchen zu müssen. Auf dieser Grundlage wird ein weiterer Notstand, der der kulturellen Nachhaltigkeit, konstruiert, der einer permanenten Bearbeitung und Begleitung durch Coaching bedarf, so dass der eigentliche Notstand dauerhaft behoben wird, der vorgeschobene Notstand aber bestehen bleibt. Eine alternative Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs im Sinne einer interkulturellen Nachhaltigkeit schlägt Nick (2005) vor. Losgelöst von inhaltlichen Vorgaben dazu, welche Form des Umgangs mit Interkulturalität in die Nachhaltigkeit geführt werden soll, verwendet Nick den Begriff allgemein für eine Überprüfung langfristiger Effektivität interkulturellen Lernens. Dabei geht es Nick nicht um eine Problematisierung der Ausgestaltung eines solchen interkulturellen Lernens und der Inhalte von interkultureller Kompetenz, sondern lediglich um eine Evaluierung vorliegender Konzepte im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ihrer Effektivität. Implizit jedoch grenzt Nick sein Verständnis interkultureller Kompetenz auf das Aushalten und Ak-

se nicht befriedigen können‹ (Hauff 1987). Wenn heute die Rede davon ist, dass wir im Sinne der Generationengerechtigkeit dafür sorgen sollen, dass es den nachfolgenden Generationen nicht schlechter geht als uns selbst, ist dies etwa angedeutet. Eine Fortschrittskultur kann nur dem Gedanken folgen, dass es den jeweils nächsten Generationen besser als den vorhergehenden gehen soll. Hier geht ein Geschichtstelos, ein Geschichtssinn zu Ende« (Heintel/Krainer 2010). 59 »Eine andere Art seiner Konkretisierung [des Begriffs geschichtlich-kultureller Nachhaltigkeit, D.B.] kann nur versucht werden, wenn man die Themen Geschichte und Kultur für sie relevant macht; den Begriff Nachhaltigkeit selbst als spezifisches Resultat einer historischen Situation und einer ›Verlegenheit‹ in unserer Kultur nachweist. Wie immer man Kultur begreifen will, man kann die Frage nach einer kulturellen Nachhaltigkeit nicht gleichsam exterritorial stellen; sie ist sowohl mit ihrem derzeitigen Zustand engstens verknüpft, er ist ihre Voraussetzung, sie ist aber auch ein Hinweis auf ihren Charakter« (Heintel/ Krainer 2010: 435).

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zeptieren von Differenzen sowie das Beibehalten einer eigenen Einstellungsflexibilität ein. Entsprechend erscheint die Debatte um die Ausformung interkultureller Kompetenz einerseits offen zu bleiben. Andererseits erscheint das Ziel einer Nachhaltigkeit der Etablierung dieser diskutierten Inhalte ein gemeinsames Ziel und ein kleinster gemeinsamer Nenner zu sein, unter dem sich Beschreibungsmodelle interkultureller Kompetenz einen lassen. In der Konsequenz sticht jedoch insbesondere die Debatte um interkulturelle Kompetenz hervor, die durch diese Zielkonstruktion an Nachhaltigkeit gewinnt: Da das zu erreichende Ziel im Sinne einer globalen Gemeinschaft, die zum Zusammenleben fähig ist, in seiner inhaltlichen präzisen Ausgestaltung noch nicht einmal regional eingeschränkt konsensuell geklärt ist, wie Heintel und Krainer schreiben, können auch keine Methoden zur Zielerreichung nachhaltig entwickelt, geschweige denn in ihrer Effektivität im Sinne einer Zielerreichung optimiert werden. Diese allgemeinen Überlegungen bestätigen zusätzlich die bereits nach der Diskussion des Ansatzes von Heintel und Krainer an dieser Stelle formulierte Hypothese vom Dispositiv interkultureller Kommunikation und interkultureller Kompetenz, das vor allem dazu dient, den Notstand des Aussterbens einer akademischen und pädagogisch-didaktischen Branche in der Praxis sowie den Notstand des Verlusts eines Legitimationsbausteins für die Absicherung des globalen Handelns moderner Gesellschaften in der Theorie zu bekämpfen. Die Fokussierung auf die Diskussion von Kompetenzen als Strategie zum Umgang mit dem Notstand des Dispositivs deutet einmal mehr auf den strategischen Charakter dieses Unternehmens hin. Unabhängig von den Inhalten interkultureller Kompetenz scheint doch zumindest innerhalb westlicher Gesellschaften ein relativ hoher Konsens darüber zu bestehen, dass diese Kompetenzen von Individuen innegehabt und ausgeführt werden müssen. Gleichzeitig liegt auch die Verantwortung für einen angemessenen Erwerb und für ein angemessenes Einbringen interkultureller Kompetenzen in ein soziales Umfeld bei den Individuen. Ein anschauliches Beispiel für eine solche Debatte liefern die von Otten, Scheitza und Cnyrim im Nachgang zu einer SIETAR-Tagung herausgegebenen Bände 1 (2007) und 2 (2009) unter dem Titel Interkulturelle Kompetenz im Wandel. Im Vordergrund dieser Debatten, die zwar einen Wandel für sich beanspruchen und die diesen Wandel auch innerhalb der Grenzen des Dispositivs vollziehen, stehen weiterhin Fragen nach der Ausgestaltung einer individuellen Bildung. Erforscht wird dabei, wie man sie erwerben kann, und wie man sie messen kann. Bestätigt wird diese implizite Verständigung auf individuelle Kompetenzen in westlichen Gesellschaften auch durch die Beiträge im SAGE Handbook of Intercultural Competence von Deardorff (2009). Ausgehend von der Einleitung, die selbst bereits einen umfassenden Überblick über die Vielfalt westlicher Modelle, die sich jedoch allesamt auf individuelle Kompetenzen konzentrieren (Spitzberg/Changnon 2009), unternimmt dieser Sammelband jedoch den Versuch einer Transzendierung rein westlicher Paradigmen. So stellen einzelne Beiträge jeweils Konzepte interkultureller Kompetenz nicht-westlicher Regionen vor, die zugegebenermaßen kaum differenzierender angelegt sind als Huntingtons (1993) acht zivilisatorische Kernräume. Dennoch versuchen sie, nicht-westliche Antworten auf ein westliches Konzept zu liefern. Dies geschieht zudem meist mit einer gewissen Vorsicht: So sind zahlreiche Beiträge in Ko-Autorschaft von einem Vertreter der beschreibenden Kultur und einem Vertreter einer westlichen Kultur verfasst. Aus Sicht der von

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Straub und Shimada (1999) skizzierten Problematik einer relationalen Hermeneutik kann hier mit Recht angezweifelt werden, ob es überhaupt möglich ist, nichtwestliche Antworten auf Fragestellungen westlicher Konzepte einzuholen, und ob es überhaupt möglich ist, Ansprechpartner zu finden, die solche Antworten geben können, ohne nicht selbst schon in einen Dialog mit dem Westen eingetreten zu sein. Ungeachtet dieser konzeptionellen Kritik am Zustandekommen der bei Deardorff referierten Konzepte kommen in einigen Beiträgen doch Vorschläge zustande, die Alternativen zu den westlichen Kompetenzkonzepten skizzieren. So zeigen beispielsweise Ashwill und Oanh (2009) am Beispiel kulturspezifischer Konstruktionen nationaler Identität in Vietnam und den USA, dass das Verhältnis zwischen eigener kollektiver Identität und der darin enthaltenen Konstruktion internationalen Kontakts und Umgangs völlig verschieden gestaltet werden kann. Die Vergleichsgrundlage für die bei Deardorff (2009) vorgestellten Konzepte bleibt jedoch nach wie vor ein in westlichen Kontexten erfundenes Bild vom dyadischen Aufeinandertreffen zweier Parteien, für die dieses Treffen eine über das Übliche hinausreichende Herausforderung darstellt. Doch diese Engführung ist nicht zwingend, und selbst bereits aus einem westlichen Standpunkt heraus wären alternative Konzepte durchaus denkbar, für die eine Suche nach fremdkulturellen Äquivalenten oder Gegenkonzepten gleichermaßen gerechtfertigt wäre. Nicht beachtet werden bei Deardorff beispielsweise Konzepte des Helfens, der Unterstützung und der Intervention (Bonacker et al. 2010). Hierzu würde beispielsweise auch das Konzept der interkulturellen Mediation gehören, dem bislang weiterhin Marginalität im wissenschaftlichen Diskurs um interkulturelle Kommunikation bescheinigt werden muss (Busch 2005). Vergleichsweise breitere, wenn auch sporadische Beachtung finden im Kontext interkultureller Forschung darüber hinaus unterschiedliche Konzepte des Dialogs (Thomas 2008). Alternativ finden ich auch immer wieder Ansätze, die Fragen nach dem Umgang mit Fremdem und Fremden in philosophischen Kontexten zu Moral und Ethik verorten (Kiesel/Volz 2002).

Interkulturelle Kommunikation als Dispositiv: Vorarbeiten

Die vorangegangenen Abschnitte haben zunächst wesentliche und sich permanent erhaltende Unklarheiten und Uneindeutigkeiten in Konzepten interkultureller Kommunikation aufgezeigt. Als Antwort darauf wurde an dieser Stelle die Dispositivanalyse als ein Untersuchungsinstrument entwickelt, das auf der Grundlage eines diskurstheoretischen Modells eine dennoch schlüssige Einordnung von Konzepten ermöglicht, die ähnliche Eigenschaften aufweisen wie der Begriff interkultureller Kommunikation. Bereits eingangs wurde die Studie von Höhne zur Beschreibung des Dispositivs kultureller Fremdheit in seiner Wirkung in deutschsprachigen Schulbüchern referiert. Vergleichbar mit dem Begriff der interkulturellen Kommunikation, in dessen Umfeld fast immer auch die normativen Konzepte interkultureller Kompetenz und interkultureller Verständigung mitschwingen, erscheinen daneben die Begriffe der Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Entwicklung. Auch sie transportieren an ihrer Oberfläche Normen, die von westlichen Gesellschaften klar unterstützt werden. Zugleich unterliegen diese Normen einer permanenten Diskussion, und an einer zufriedenstellenden Umsetzung von Zielen der Nachhaltigkeit scheint es auch Jahrzehnte nach dem Aufkommen des Begriffs noch zu mangeln. Eine Betrachtung des Konzepts der Nachhaltigkeit als Dispositiv in westlichen Gesellschaften kann eine klarere und weniger uneindeutige Einordnung des Begriffs in die konstituierenden diskursiven Mechanismen einer Gesellschaft ermöglichen. Auf dieser Grundlage soll in diesem Abschnitt der Versuch unternommen werden, den Begriff interkultureller Kommunikation als Dispositiv zu betrachten und ihn als solches zu analysieren. Wenngleich zunächst hypothetisch und mit begründeter Vermutung davon ausgegangen werden kann, dass eine solche Herangehensweise treffende Antworten produzieren kann, bleibt die Frage nach der Adäquatheit des Dispositivkonzepts zunächst offen: Lassen sich alle Phänomene, die im Zusammenhang mit dem Konzept interkultureller Kommunikation wahrgenommen werden, mit einer Dispositivanalyse auch wirklich erfassen? Oder finden sich in diesem Konzept Bereiche und Themen, die einer Einordnung als Dispositiv sogar entgegenstünden? Der vorliegende Abschnitt soll versuchen, gewissermaßen in einem Testlauf die Forschung zur interkulturellen Kommunikation als ein Dispositiv zu lesen. Dabei wird aus Gründen der exemplarischen Eingrenzung ein Schwerpunkt auf die sprachwissenschaftliche Forschung zur interkulturellen Kommunikation gelegt.

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Eine wachsende Vorsicht gegenüber dem Konstruktionscharakter interkultureller Kommunikation ist dabei auch gegenwärtig bereits deutlich in den meisten sozialwissenschaftlichen Disziplinen zu beobachten. Diese zurückweichende Tendenz gegenüber dem Gegenstand interkultureller Kommunikation kann auch in den Sprachwissenschaften festgestellt werden. Auf diese Orientierungen muss vor einer kritischen Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation explizit hingewiesen werden: Die Problematik des Konstruktionscharakters eigener Forschungsgegenstände ist für die Geistes- und Sozialwissenschaften selbstverständlich alles andere als ein Novum: »The theoretical point is not new. It suffices to read classic historiographic works such as Carlo Ginzburg’s The cheese and the worms (1992 [1980]) or the works of E. P. Thompson (e.g. 1993) to see that the uniformizing connotations of singular terms such as ›culture‹ or ›society‹ (and one could easily add ›language‹) have long ago been recognized in the social sciences.« (Blommaert 1998)

Häufig werden im Zuge einer dann dennoch stattfindenden positivistischen empirischen Forschung jedoch keine Konsequenzen aus dieser Einsicht gezogen, die die eigentliche Forschungsrichtung wesentlich verändern würden. Zahlreiche Studien widmen sich gewiss längst dem Konstruktionscharakter der beforschten Paradigmen, so setzt sich beispielsweise Macbeth (2011) mit der Konstruktion der Begriffe von Verstehen und Verständigung auseinander. Immer häufiger in der Literatur vorzufinden ist darüber hinaus auch eine zunehmende Distanzierung gegenüber zu präzisen Operationalisierungen von Kultur in Beschreibungskonzepte. So versuchte man noch in den 1980er und 1990er Jahren, den Einfluss von Kultur auf kommunikatives Handelns so präzise wie möglich im Kommunikationsprozess zu verorten. Insbesondere mit kulturkonstrastiven Herangehensweisen ließen sich solche Operationalisierungen de facto für jede denkbare Ebene sprachlicher Analyse finden, die man aus kulturalistischer Sicht nur zu relativieren brauchte. Ein anschauliches Beispiel für die Vielzahl dieser Möglichkeiten liefert das Modell der Linguistic Awareness of Cultures (LAC) nach von Helmolt (1993) und Müller-Jacquier (2000), aber auch mit interaktionstheoretischen Ansätzen konnte eine präzise Operationalisierung und Relativierung gelingen (Auer 1992). Neueren Datums finden sich demgegenüber zunehmend Ansätze, die eine möglichst vage oder absichtlich offen bleibende Operationalisierung von Kultur favorisieren. So schlagen beispielsweise Ehlich und ten Thije (2010) ein Verständnis kultureller Einflüsse in Form von Routinen vor, die Konversationen sinngebend strukturieren. Andere Autoren beschränken sich zunehmend auf die Erfassung interkultureller Kommunikation als einem Problemgegenstand, der nur auf lernersprachliche Aspekte im Fremdsprachengebrauch zurückzuführen ist (Knapp 2011) und denen man mit einem angemessen gestalteten Wörterbuch beikommen kann.

Neue Fragen an den Dispositivcharakter von Kultur Mit einer neuen Sichtweise auf einen Forschungsgegenstand eröffnen sich zugleich auch neue Perspektiven: Aspekte werden sichtbar, die zuvor nicht zugänglich waren.

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Um den Ertrag einer dispositivanalytischen Betrachtung von Kultur voll ausschöpfen zu können, erscheint demnach eine Identifizierung geeigneter Fragestellungen erforderlich, mit denen diese innovativen Informationen systematisch und in vollem Umfang abgeschöpft werden können. Um die Formulierung solcher Fragestellungen im Blick behalten zu können, erscheint eine Konzentration auf die allgemeingültigen Charakteristika von Dispositiven sinnvoll. Angewendet auf das Kulturdispositiv sieht Höhne eine Bedingung für das Zustandekommen und die Existenz eines derart wirkmächtigen Dispositivs, wie dem von Kultur, in der besonders einfachen und problemlosen Anschlussfähigkeit an und der Verknüpfbarkeit mit benachbarten Diskursen. Darüber hinaus existieren innerhalb des Dispositivs mehrere verschiedene Konzeptionen des Begriffs und des Gegenstands parallel, die einander widersprechen können. Meist liegen diese Konzepte Höhne zufolge jedoch inhaltlich sehr nahe beieinander und erscheinen innerhalb des Diskurses meist auch austauschbar. Zentral bleibt jedoch immer die binäre Dichotomie aus Eigenem und Fremdem.1 Diese Charakteristika des Kulturdispositivs sollen auch in der vorliegenden Analyse von interkultureller Kommunikation als Dispositiv im Zentrum der Recherche stehen. Ihre Ergebnisse sollten dabei mit den Ergebnissen einer positivistischen Forschung zur interkulturellen Kommunikation verglichen werden. Ein solcher Vergleich kann unter Umständen das Zustandekommen alternativer Kategorien aufdecken, die über bisherige wissenschaftliche Kategorisierungsmodelle in diesem Bereich hinausgehen.

D IE N EU -E INORDNUNG

VON

K ULTUR

ALS

K ULTURTHEMA

Kultur als Forschungsgegenstand wird im Zuge ihrer Erfassung als Dispositiv in gewisser Weise entthront: Eine dispositivanalytisch informierte Forschung zur interkulturellen Kommunikation kann nicht mehr Kultur und Interkulturalität unmittelbar und selbst untersuchen, sondern lediglich den diskursiven Umgang mit ihnen. Demgegenüber gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die einzige Motivation zu einer Begründung einer Erforschung interkultureller Kommunikation aus gesellschaftlicher Sicht darin bestand, diese zu verbessern. Interkulturelle Forschung kann sich in diesem Sinne durchaus als anwendungsorientierte Wissenschaft begreifen, deren Aufgabe darin besteht, ihrer auftraggebenden Gesellschaft Lösungsvorschläge für die von ihr formulierten Probleme zu unterbreiten. Die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse seitens der Wissenschaften in Form einer konstruktiven Beantwortung von Fragen sowie einer Entwicklung von

1

»Ausgehend von der Funktion und Effekten ähnlicher Diskurse (Rasse) ist nicht nur eine hohe Affinität zwischen den Diskursen festzustellen, sondern auch ein Changieren zwischen ihnen, wenn es um die Konstruktion kausallogischer Zusammenhänge auf der Aussageebene geht. Naturalisierungseffekte kann man in beiden Diskursen feststellen, was ein Indiz für ihre hohe funktionale Kompatibilität darstellt. Der ›rassische Fremde‹ und der ›kulturelle Fremde‹ sind von der ›Logik‹ der diskursiven Ausschließung her kaum wesentlich unterschieden« (Höhne 2000: 40).

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Lösungen erscheint durchaus legitim und unterstützenswert. Eine möglichst unmittelbare Unterstützung der Gesellschaft im Umgang mit dem von ihr formulierten Problem der Interkulturalität erscheint jedoch gefährdet, wenn eine Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation lediglich auf eine Dekonstruktion und eine Anschuldigung gegen die Verwendung des Begriffs hinausläuft. Auch die gegenwärtige, dekonstruktivistische Kritik an einer Erforschung interkultureller Kommunikation konnte letztlich nur auf der Grundlage einer von der Gesellschaft initiierten Problemformulierung an die positivistische interkulturelle Forschung erfolgen. Auch eine Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation und interkultureller Forschung könnte es demnach ohne die nun naiv erscheinende Problemkonstitution interkultureller Forschung nicht geben. Eine weitergeführte Suche nach einer konstruktiven gesellschaftlichen Haltung auch in einer dispositivanalytischen Herangehensweise an interkulturelle Kommunikation erscheint aus dieser Sicht nicht nur sinnvoll und wünschenswert, sondern geradezu unumgänglich, wenn sich nicht die dekonstruktivistischste Forschungsarbeit ihrer eigenen Grundlage berauben will.

Zentrale Problemerfahrung: Die Vielfalt der Kulturbegriffe Um diese konstruktive Orientierung im Blick behalten zu können, seien an dieser Stelle auch hierzu noch einmal die wesentlichen Beobachtungen zusammengefasst: Autoren innerhalb der Forschung zur interkulturellen Kommunikation sehen sich grundsätzlich mit einer Vielfalt von Kulturbegriffen konfrontiert, die ihnen eine eigene Positionsbestimmung abfordern. Eine solche Selbsteinschränkung wird jedoch von zahlreichen Autoren wiederum als hinderlich empfunden, da auf diese Weise zahlreiche alternative Ansätze von ihnen nicht mehr abgedeckt werden können. Bei aller Zuträglichkeit von Vielfalt und Vielstimmigkeit in einer diskursorientierten Wissenschaft erscheint die Vielschichtigkeit des Kulturbegriffs als zentralem Gegenstand der interkulturellen Forschung die konstruktive Entwicklung der Disziplin jedoch häufig zu bremsen. Diese Vielfalt kann auch an dieser Stelle nicht mit einer Entscheidung auf gleicher Ebene gelöst oder gelindert werden. Ein diskursanalytisches Verständnis von der Genese der Erforschung interkultureller Kommunikation ermöglicht es jedoch, einen Schritt hinter die Begriffsvielfalt zurückzutreten. Gefragt werden kann nach den zugrunde liegenden Motiven und Gründen, die zu einer Forschungsanstrengung geführt haben. Auf der Grundlage einer neu zu entwickelnden dispositivanalytischen Sichtweise auf den Gegenstand interkultureller Kommunikation können diese Motivationen auch weiterhin im Blick behalten werden und als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Lösungsvorschläge bereit gehalten werden. Zu diesem Ziel wird es erforderlich sein, möglichst viele zentrale theoretische Fassungen interkultureller Forschung zu identifizieren und aus ihnen die ursprüngliche Problemerfahrung und Forschungsmotivation herauszulösen.

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Zentrale Problemerfahrung: Die Zirkularität des Forschungsgegenstands Über die Vielfalt der Kulturbegriffe hinaus kann zwischenzeitlich festgestellt werden, dass das Diskursfeld interkultureller Kommunikation in Wissenschaft und Gesellschaft selbst aus einer Laienperspektive den Eindruck eines zirkulär operierenden und hermetisch geschlossenen Systems erweckt: Theoretische Zugänge, methodengeleitete Beobachtungen, Interpretationen sowie Alltagsbeobachtungen durch die Gesellschaft2 bedingen einander gegenseitig und folgen unmittelbar aufeinander. Fragen nach der eigentlichen Ursache des Problems müssen längst unbeantwortet bleiben: Ob Dilemmata durch theoretische Gedankenmodelle vorgegeben werden oder aber beispielsweise aus einer methodengeleiteten Beobachtung hervorgehen, kann nicht mehr beantwortet werden. Selbst individuelle Herangehensweisen, die völlig losgelöst von früheren Theorien und Annahmen operieren, sind nicht mehr denkbar und nicht mehr realisierbar. Angesichts dieser Problematik ist es im Grunde auch nicht mehr möglich, im Rahmen eines positivistisch-bestätigenden Paradigmas einen schlüssigen und plausiblen Einstiegspunkt in das Forschungsfeld zu identifizieren, aus dessen Position eine Fragestellung zur Erfassung der übrigen Bereiche entwickelt werden kann. Aus diskurstheoretischer Sicht ist diese Geschlossenheit des Gegenstands real: Im Sinne einer diskursiven Konstruktion müssen die einzelnen Aspekte des Gegenstands aufeinander Bezug nehmen. Sie können nur durch diese Bezugnahme existieren. Eine Bezugnahme zur außersemiotischen Realität, die es angeblich zu erforschen gilt, ist demgegenüber weder möglich noch zielführend. Eine konstruktive Erforschung interkultureller Kommunikation erscheint aus dieser Sicht nur dann realisierbar, wenn dieser Untersuchungsgegenstand konsequent als diskursives Produkt verstanden und als solches erforscht und beschrieben wird.

2

Auch bei Geert Hofstede findet sich die Alltagsbeobachtung kultureller Einflüsse als Forschungsmotivation: »These general considerations should serve to introduce a research project into the national cultures of complex societies in which I have been involved since 1967. As happens often within important turns in one’s work, it occurred by accident – by serendipity. In the 1960’s I worked as a psychologist on the European headquarters staff of a large U.S. based multinational business corporation. Three factors coincided to motivate my interest into national cultural differences: 1. the daily observation at work, of how people from different national origins behaved differently in the same situation, twisted the company rules and interpreted the structures differently; all within a highly structured multinational [sic!] that at the same time inspired its people anywhere in the world with a strong esprit de corps. 2. the highly personal experience of living as a family in different countries, with children in local schools, and of strikingly different behaviors on the part of classmates, teachers, parents and authorities with whom we interacted. 3. the outcome of paper-and-pencil surveys of employees in subsidiaries around the world« (Hofstede 1983: 293).

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D ISKURSE

ÜBER I NTERKULTURALITÄT

ALS KULTURELLE

K ONSTRUKTION

Das Verständnis von interkultureller Kommunikation und ihrer Problemkonstitution als eigenkulturelles Produkt ist nicht neu. Zwischenzeitlich liegen zahlreiche Einzelstudien vor, denen diese Perspektive zugrunde liegt. Häufig erscheint jedoch diese diskursive Dekonstruktion das Ende der jeweiligen Disziplin einzuläuten, ein weiterer, konstruktiv orientierter Forschungsbedarf wird nicht gesehen. Ein prominentes Beispiel bietet hier die renommierte Publikationsserie International and Intercultural Communication Annual, in der unter der Reihenherausgeberschaft von Young Yun Kim und William Gudykunst 26 Bände von 1988 bis 2003 herausgegeben worden sind. Während frühe Publikationen in dieser Reihe zu Klassikern und Referenzwerken einer US-amerikanisch dominierten und positivistischen interkulturellen Forschung aufgestiegen sind, wie beispielsweise die Sammelbände von Kim und Gudykunst (1988) oder von Wiseman (1995), erfahren die letzten Veröffentlichungen eine konstruktivistische Wendung: Gleich drei Bände gibt Mary Jane Collier heraus: Der Band Constituting Cultural Difference Through Discourse (Collier 2001a) erarbeitet grundlegend die genannte Perspektive. In dem darauffolgenden Band Transforming Communication About Culture. Critical New Directions (Collier 2001b) versammelt Collier Beiträge, in denen aus einer postkolonialen Perspektive versucht wird, konstruktive Umgangsformen mit diesen diskursiven Konstruktionen zu entwickeln. Unter einem ähnlichen Stern steht der dritte Band mit dem Titel Intercultural Alliances. Critical Transformation (Collier 2002), dessen Beiträge insbesondere im Rahmen der Whiteness Studies einen noch expliziter diskurskritischen Ton anschlagen. Überraschenderweise endet jedoch die renommierte Publikationsreihe nach einem weiteren Band im Jahre 2003 und wurde danach nicht mehr weitergeführt. Im vorangegangenen Abschnitt wurden für die vorliegende Studie Überlegungen entwickelt, aus denen hervorgeht, dass eine Beendigung von Forschungsbemühungen zur interkulturellen Kommunikation in einem frühen Stadium nach einer gelungenen Dekonstruktion des Forschungsgegenstands nicht sinnvoll erscheint, sofern man eine konstruktive gesellschaftliche Bereicherung durch Forschungsanstrengungen noch nicht gänzlich aufgegeben hat. Shi-xu (2007) legt einen Sammelband vor, in dem aus jeweils ausgewählten Perspektiven nicht-westlicher Kulturen die Konstruktion von Gegenständen wie interkultureller Kommunikation und Diversität beschrieben wird. Daraus resultieren ebenfalls unterschiedliche Konzeptionen von kulturpolitischen Handlungsorientierungen. Ausgehend von der Annahme, dass Vorstellungen von Kultur ebenfalls diskursiv und lokal unterschiedlich konstruiert werden, entstehen in diesem Band jedoch wiederum statische und essentialistische Konzepte. Aus einer umgekehrten Sicht nähern sich Schwarz und West-Pavlov ebenfalls in einem Sammelband kulturell bedingten Konstruktionen: Sie versammeln Beiträge, in denen kulturspezifische Verarbeitungsformen mit Aspekten von Multikulturalität diskursiv geschaffen werden. Im Mittelpunkt steht hier demnach die Frage danach, wie unterschiedliche Kulturen mit dem Phänomen kultureller Durchmischung umgehen und wie sie es konzipieren und wahrnehmen. Ähnlich wie bei Shi-xu entsteht dadurch eine kulturvergleichende und somit Kulturen auch zementierende Perspekti-

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ve. Exemplarisch fokussiert wird in den Beiträgen bei Schwarz und West-Pavlov eine Kontrastierung zwischen Diskursen um Polykulturalismus in Deutschland und Australien. In ihrer Referenz auf einzelne diskurstheoretische Ansätze verhalten sich die zehn hier versammelten Beiträge vergleichsweise heterogen, im Vordergrund steht das anwendungsorientierte Ziel, Diskurse vergleichend aufzudecken. Von theoretischer Relevanz für die vorliegende Studie ist der Beitrag von Hobuß (2007), die die Konstruktion ethnischer Identitäten mit Hilfe von literarischen Genres untersucht. Illustriert wird der Ansatz am Beispiel der in Deutschland literarisch eingeführten Sprachvarietät der Kanak Sprak und der in Australien kursierenden Konstruktion des Aboriginal English. Als zentralen theoretischen Begriff arbeitet Hobuß das Phänomen der Resignifikation (2007: 33) heraus, den sie bei Foucault bereits angelegt und von Butler in seinen Rahmenbedingungen weiterentwickelt sieht. Verwandt erscheint der Terminus in der Tat mit dem von Butler beschriebenen Phänomen der Materialisierungen durch Iteration. Dabei wird davon ausgegangen, dass Identitäten sich durch die wiederholte und zitationsförmige Verwendung ethnischer Zuschreibungen verfestigen. Die Konstruktion der eigenen Kultur erscheint demnach im Allgemeinen insbesondere auch in essentialistisch angelegten Kulturstudien seit langem mitgedacht worden zu sein. Essentialistische Studien vollziehen somit einen argumentativen Kreisschluss, der ihre Plausibilität festigt, ohne Konstruktionen und Prozessualitäten berücksichtigen zu müssen. Beispielhaft erscheint hier das von Wierlacher und Bogner (2003) herausgegebene Handbuch interkulturelle Germanistik, in dem gleich drei Beiträge die genannte Problematik einhegen: Clyne und Kreutz (2003) beginnen mit einer Relativierung der Möglichkeit kulturvergleichender Aussagen durch die Existenz unterschiedlicher Sprachen und somit auch Wissenschaftssprachen, die selbst wiederum kulturspezifisch aufgeladen und auf diese Weise von einer Perspektivik befrachtet sind. Müller (2003) bearbeitet die konstruktivistische Gesellschaftstheorie von Schütz sowie Berger und Luckmann, auf deren Grundlage auch die Entstehung kultureller Spezifika möglich wird. Das daraus konstruierte Produkt wird in der Gesamtschau in Form einer geschaffenen und existierenden Kultur in den Kulturvergleich weitergereicht. Michel und Michel (2003) machen darüber hinaus darauf aufmerksam, dass Kulturverständnisse in ihrer Vielfalt grundsätzlich so verwendet werden, dass sie situativ eine bestmögliche Passung erreichen. Eine angemessene Anwendung einzelner Kulturverständnisse über diese Rahmungen hinaus ist demnach nicht gewährleistet. Zumindest implizit wird hier eingestanden, dass ein kulturübergreifender Kulturvergleich mit gewissen begrifflichen Schwierigkeiten behaftet sein kann. Die konstruktionsbedingte Verhinderung des Kulturvergleichs thematisieren Straub und Shimada bereits mehrere Jahre früher in deutlich drastischeren Worten: »Auch die westlichen Sozial- und Kulturwissenschaften sind keineswegs Hochburgen interkultureller Kompetenz. Wir können heute ohne moralisierende Untertöne, die ja bestenfalls eine kontingente, durch historische Erfahrung bedingte Horizonterweiterung anzeigen, folgendes feststellen: Diese Disziplinen haben nicht unerheblich zur Errichtung von Barrieren interkultureller Verständigung beigetragen, und nolens volens wurde just diese Praxis auch noch als wissenschaftlich ausgewiesen und ›legitimiert‹. (Vgl. Shimada 1994: 38-41). Sie tun dies im übrigen auch heute noch, insofern sie ihre in einem spezifischen kulturellen Kontext entwickelten

148 | I M D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION theoretischen Begriffe ziemlich umstandslos universalisieren, auf fremdkulturelle Kontexte anwenden und die in diesen angesiedelten Erfahrungen, Selbst- und Weltauffassungen schließlich nur noch als Varianten des eigenen betrachten können« (Straub/Shimada 1999: 451).

Hier erscheint die selbstkonstituierende und sich selbst abriegelnde Funktion westlicher Kulturen bereit mitgedacht: Westliche Kulturkreise haben sich als solche diskursiv geschaffen und beanspruchen für ihre selbst geschaffene Kategorie im Anschluss auch noch eine universale Anwendbarkeit in kolonialistischer Manier, die mit dem Bedürfnis nach einem Kulturvergleich begründet wird. Diese zahlreichen Beispiele belegen, dass die Problematik der Eigenkonstruktion in den Kulturwissenschaften alles andere als neu ist. Eine Berücksichtigung in letzter Konsequenz hat sie in jeweils späteren Arbeiten dennoch nie erfahren, vielmehr kann von Bemühungen einer Einhegung der Problematik gesprochen werden, ohne dass an einer konsequenten Auflösung von Widersprüchlichkeiten gearbeitet worden wäre. Zusammengefasst liegt in den Diskursen zur interkulturellen Kommunikation eine unaufgelöste Zirkularität um die Entstehung von Kultur und kultureller Diversität vor. Lösungsmöglichkeiten mögen auf den ersten Blick in der Versuchung bestehen, als Beobachter kultureller Prozesse auf eine höhere Beobachterebene zu wechseln. Wenn dies systembedingt schwierig ist, bzw. eine wiederkehrende Problematik vermuten lässt, dann kann der Versuch einer präziseren Nachzeichnung der Verknüpfung von Diskursen auf einer gesellschaftlichen Mikro- und einer Makro-Ebene Einblicke in die Konstruktionsprozesse des sich selbst reproduzierenden Gegenstands von Kultur und Kulturalität erhoffen lassen. Der Begriff der interkulturellen Performanz kann das beschreiben, was als sich selbst reproduzierendes Wechselspiel zwischen einer gesellschaftlichen Makro-Ebene und einer interindividuellen MikroEbene vollzogen wird: Menschen handeln in interkulturellen Kontaktsituationen so, wie sie es im Makro-Kontext vorgelebt bekommen. Die Überlegungen in diesem Abschnitt machen auf einige Schwierigkeiten bei der Definition von Kultur aufmerksam: Wenngleich zahlreiche Herangehensweisen an eine Definition vorgefunden und unterschieden werden können, scheint eine Definition, die allen Ansprüchen und Zielstellungen zugleich entspricht, kaum beizubringen zu sein. Eines der größten Hindernisse bei diesem Unterfangen scheint in der Einsicht zu liegen, dass wir mit »Kultur« ein Phänomen zu definieren versuchen, von dem wir – je nach theoretischer Sichtweise – auf irgendeine Weise permanent betroffen, daran beteiligt, umgeben, etc. sind, so dass wir uns nicht von ihm distanzieren, uns in eine Beobachterperspektive hineinbegeben können und uns nicht dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand selbst entziehen können. Kultur scheinen wir demnach immer nur aus unserer eigenen kulturellen Perspektive heraus beschreiben zu können – und tun damit unseren eigenen Ansprüchen an eine Definition nicht genüge. Um diese Problematik überwinden zu können, wird immer häufiger versucht, aus nicht-westlicher Sicht interkulturelle Forschung zu beschreiben und auch zu betreiben. Ein prominentes Beispiel bietet hierzu das an dieser Stelle bereits erwähnte, von Darla Deardorff herausgegebene SAGE Handbook of Intercultural Competence (Deardorff 2009), das im Rahmen einer Sektion versucht, nicht-westliche Forschungsansätze und Arbeitsfelder interkultureller Forschung zu sichten und zu beschreiben. Ein ähnliches Ansinnen verfolgt eine thematische Ausgabe der Zeitschrift

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Philosophy and Social Criticism, indem in einzelnen Beiträgen versucht wird herauszustellen, ob und in welcher Form in den unterschiedlichen Weltreligionen gangbare Ansätze zur Herstellung einer globalen interkulturellen Verständigung vorhanden sind. Dies überprüft Aby-Zayd (2010) für den Qumran, Hashemi (2010), Charfi (2010) und Jahanbegloo (2010) in jeweils einzelnen Beiträgen für den Islam, sowie Thiebaut (2010) und Ferrara (2010) für den Katholizismus. Auch eine solche pragmatische Herangehensweise muss sich jedoch wiederum theoriegeleitete Kritik gefallen lassen. Nicht nur angesichts postkolonialer globaler Strukturen, sondern aufgrund eines über Jahrtausende andauernden, permanenten kulturübergreifenden Austauschs und Dialogs kann in der Gegenwart kaum noch von reinen Kulturen gesprochen werden. Letzteres kann lediglich noch als ein Wunschkonstrukt stehengelassen werden. Einen klar eingegrenzten und konkreten Blick über den Tellerrand bieten Hu und Fan (Hu/Fan 2011), die Forschungsmethoden und –ziele nationaler chinesischer Forschung zur interkulturellen Kommunikation mit denen aus dem International Journal of Intercultural Relations (IJIR) vergleichen – und diesen Vergleich dann im IJIR publizieren. Sie stellen als Kontrast klar heraus, dass die internationale Forschung insbesondere an Prozessen der kulturellen Adaptation interessiert sei, wohingegen die chinesische Forschung sich mit Problemstellungen der sprachwissenschaftlichen Pragmatik im interkulturellen Kontakt beschäftige und zudem weniger empirisch forsche. So interessant und klar die Ergebnisse dieses Vergleichs sein mögen, so sehr muss dennoch auch ihre letztendliche Verhaftung in westlich-kulturellen Wissenschaftsdiskursen vermutet werden: Bereits die Thematik interkultureller Kommunikation scheint weiterhin meist aus westlichen Kulturkreisen heraus motiviert zu sein, auch die sprachwissenschaftliche Pragmatik dürfte ihre Wurzeln in Wissenschaften westlichen Zuschnitts haben, und nicht zuletzt die Verfasser des besprochenen Artikels scheinen über eine entsprechende akademische Ausbildung und ein wissenschaftspraktisches Wissen zu verfügen, das es ihnen ermöglicht, ihre Forschungsergebnisse in einer internationalen wissenschaftlichen Zeitschrift westlicher Provenienz zu veröffentlichen. Straub und Shimada (1999) bezweifeln aus diesem Grund auch die Möglichkeit eines auf diese Weise gedachten interkulturellen Dialogs. Selbst in einer konstruierten Kontaktszene zwischen Vertretern unterschiedlicher Kulturen wird es grundsätzlich nicht möglich sein, einen Sprecher für eine reine Ursprungskultur als Ansprechpartner zu finden, da es diese schlicht nicht geben kann. Angesichts dieser Kritik muss auch im Hinblick auf die oben genannten Projekte von Deardorff sowie dem berichteten Religionenvergleich darüber nachgedacht werden, inwiefern es möglich ist, einen kulturgenuinen Standpunkt zu identifizieren, über den dann berichtet werden kann.

Die diskursive Rekonstruktion der Genese des Kulturbegriffs Auch wenn die Geisteswissenschaften der Gegenwart zwischenzeitlich angesichts ihres eigenen, über lange Zeit entwickelten Theorieverständnisses zu dem Schluss kommen, dass es sich bei dem Kulturbegriff selbst um eine eigenkulturelle Konstruktion handeln muss, so hat doch auch dieser Kulturbegriff als Konstruktion eine historische Entstehungsgeschichte. Aufgrund dieses mehrschichtigen Bewusstwerdens

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über Konstruktionsprozesse müsste auch diese diachrone Perspektive neu nachgezeichnet und formuliert werden. Gegenüber früheren Rekonstruktionen der Entstehung des Kulturbegriffs rücken neue Fragestellungen ins Zentrum des Interesses: Geht man – wie in den früheren Kapiteln dieser Studie dargelegt – davon aus, dass Kultur von Beginn an Funktionen und Aufgaben eines gesellschaftlichen Dispositivs erfüllen musste, so stellt sich die Frage, wie eine hierzu erforderliche Konstanz über lange Zeiträume erzielt werden konnte, während Inhalte des Kulturbegriffs temporär und regional immer wieder Veränderungen durchlaufen haben. Flexibler Normalismus ermöglicht das Kulturdispositiv Der Sprachwissenschaftler und Diskurstheoretiker Jürgen Link bietet in Weiterführung Foucaultscher Ideen eine Erklärung für die über Jahrhunderte hinweg gewachsene Toleranz für eine zunehmende Breite dessen an, was der Kulturbegriff in seiner deutschsprachigen Verwendung beinhalten soll. Bereits an früherer Stelle ist in der vorliegenden Studie das Phänomen des Normalisierungsmacht innerhalb von Diskursen (vgl. S. 77) erläutert worden. Link unterscheidet hierzu mehrere epochale Phasen, in deren Verlauf das gesellschaftliche Verständnis dessen, was als normal und gesellschaftlich akzeptiert gelten konnte, zunehmend ausgedehnt wurde. Dazu spricht Link von den Phasen des Normalismus über den Protonormalismus hin zu einem späteren, flexiblen Normalismus seit ca. 1945 (Link/Diaz-Bone 2006: 26). In diesem Rahmen kann auch die Öffnung und Erweiterung des Kulturverständnisses in Europa von einem elitären zu einem populären und alltagsweltlichen Verständnis eingeordnet werden. Bei dieser Öffnung zeigen jedoch permanent weitergeführte Debatten um Gefährdungen einer vermeintlichen elitären Kultur, dass die Normalitätsbegriffe dabei keinesfalls aufgehoben werden.3 Selbst kulturkritische Ansätze, wie die Denkrichtung der British Cultural Studies, die sich selbst als vorantreibende Kraft bei der Emanzipation des Kulturbegriffs verstehen, müssen sich dabei die noch kritischere Frage gefallen lassen, ob es ihnen strukturell überhaupt möglich sein kann, das »alte« Kulturdispositiv zu überwinden – selbst wenn ihre Autoren immer wieder eine hohe Selbstreflexivität für sich einfordern und beanspruchen. Ungeachtet dieser ambitionierten Versuche auf theoretischem Gebiet werden diese Wandlungsprozesse und das gleichzeitige Bestehenbleiben des Normalitätsver-

3

»Ähnlich wie sich die Massenkultur via Unterhaltungsmarkt gegen ihre Wahrnehmung in etablierten Kulturmedien durchsetzt, so konstituiert sich auch die SF [Science Fiction, Anm. d. Verf.] unabhängig von ihrer Sichtweise durch Intellektuelle und Kulturwächter als eine Branche des Unterhaltungsmarktes. Sie findet ihre Leser und Zuschauer. Nur der Diskurs über sie – auch der von Konsumenten, Fans und Autoren selbst geführte – ist offensichtlich nicht unabhängig von der Anerkennungsproblematik in der etablierten Öffentlichkeit, die die Produktion von Diskursen kontrollierenden Regeln unterwirft. Nur deshalb wird die Produktion von SF-Literatur von der ewigen Debatte um ihren Tod begleitet. SFLeser sollten sich darum nicht weiter kümmern. An der Debatte lässt sich allerdings ablesen, wie wenig sich die Kulturwissenschaften und das öffentliche Kulturdispositiv faktisch von dem hegemonialen wertenden Kulturdiskurs des 19. Jahrhunderts getrennt haben« (Spreen 2007: 97).

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ständnisses von Kultur von einem Großteil der Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation gar nicht erst reflektiert. Was stattdessen nachgezeichnet wird, sind lediglich positivistisch betrachtete Wandlungen des Kulturbegriffs. Der Konsens über die Ursprünge interkultureller Forschung Während zur Unterstützung des Wandlungsprozesses in situ noch die Weitung der Normalitätsverständnisse einer zunehmend auf einer Normalisierungsmacht aufbauenden Gesellschaft erforderlich war, beinhaltet die gegenwärtige Ausformung des Dispositivs interkultureller Kommunikation aus diskurstheoretischer Sicht auch eine durchaus geglättete und stark konventionalisierte Wissensbasis über die Ursprünge und den Werdegang der eigenen Disziplin. Die einmütige Konstruktion einer Rekonstruktion der gemeinsamen Vergangenheit wird damit zum elementaren und stützenden Bestandteil des Dispositivs selbst. So beginnen seit über einem Jahrzehnt bereits eine Vielzahl studentischer Hausarbeiten im Fachbereich interkultureller Kommunikation mit der einleitenden Begründungsnarration darüber, dass sich der deutschsprachige Begriff der Kultur vom lateinischen Verb colere ableite. Diese etymologisch orientierte Form der Herleitung und Annäherung an den Kulturbegriff aus einer rekonstruktiven Perspektive findet sich jedoch auch in zahlreichen etablierten Publikationen des Fachs. Aus dem Blick gerät dabei schnell die Tatsache, dass diese etymologische Rekonstruktion immer nur aus dem spezifischen gegenwärtigen Standpunkt heraus getätigt werden kann. Sie sagt demnach mehr über gegenwärtige Verständnisse von Kultur aus. Entsprechend müssen rekonstruktive Verortungen grundsätzlich als Bestandteile des gegenwärtigen Kulturdiskurses verstanden werden. Demgegenüber beansprucht die Dispositivanalyse die Möglichkeit einer transzendierten Rekonstruktion der Entstehung des Dispositivs. Diese beiden Herangehensweisen sollen im Folgenden unterschieden werden. Dass die europäischen Wissenschaften im Grunde permanent mit dieser zwiegespaltenen Problematik zu kämpfen hatten, verdeutlichen die Herausgeber des interdisziplinär angelegten Bandes Was sind Kulturwissenschaften? 13 Antworten (Aleksandrowicz et al. 2004). Ebenfalls an dieser Schnittstelle arbeitet der Wissenssoziologe Hubert Knoblauch, der eine Integration des Kulturbegriffes in die kommunikationstheoretischen Begründungen einer Vergesellschaftung nach Alfred Schütz versucht (2007: 22ff). Obwohl es ihm darum geht, Kultur als eine Ebene der Normalitätskonstruktion im Vergesellschaftungsprozess zu begreifen, schwenkt er zunächst in die begriffsetymologische und standardisierte Herleitung des Kulturbegriffs ein. Auch er versteht den Kulturbegriff als basierend auf dem lateinischen Verb colere, das er mit den Verben bewohnen, kultivieren, schützen und ehren übersetzt. Eine weitere Grundlage sieht Knoblauch in dem lateinischen Substantiv cultura, das er mit einer Pflege des Ackers, einer Bebauung, Bearbeitung und Bestellung respektive dem Landbau übersetzt. Aus der Kombination dieser Begriffe erklärt sich Knoblauch die Entstehung einer zweiten Bedeutung des deutschsprachigen Kulturbegriffs, der auch auf intellektuelle Fähigkeiten, aber auch auf eine kultische Verehrung abziele. Ab dem ersten Jahrhundert n. Chr. sieht Knoblauch eine Ausweitung des Begriffs auf das Geistige, zu dem auch der Geschmack gehöre. Der Kulturbegriff bilde somit einen Gegenpol zu den rational orientierten Begriffen der Vernunft und der Instrumentalität.

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Für eine Rekonstruktion der Genese des Kulturbegriffs während der Neuzeit entscheidet sich Knoblauch ebenfalls für einen recht traditionellen und gut etablierten Weg, indem er schriftliche Fixierungen von Kulturdefinitionen in der Philosophie heranzieht: So sprechen ihmzufolge die Moralphilosophen Bacon und Hobbes von einer culture of minds, einer Kultur des Geistes. In die deutsche Sprache habe der Kulturbegriff dagegen zunächst im frühen 18. Jahrhundert als Lehnwort aus dem Französischen Einzug gehalten. Während auch hier zunächst noch Bezugnahmen zu der Verwendung des Begriffs in der Landwirtschaft erkennbar waren, so sei dies jedoch grundsätzlich in einer metaphorischen Verwendung geschehen, um auf die Ausbildung und die geistige Vervollkommnung von Individuen anzuspielen. In der Epoche der Aufklärung und Deutschland habe daraufhin Pufendorf die Verwendung des Begriffs erweitert, indem er postulierte, dass Kultur nicht mehr nur die Eigenschaft von Individuen sei, sondern dass darunter die Gesamtheit sozialer Bindungen, Fertigkeiten und Tugenden verstanden werden müsse. Kant dagegen habe den Kulturbegriff als Gegensatz zu Zivilisationen konzipiert, die selbst noch nicht mit einer Moral ausgestattet seien. Kultur konnte demnach als Gegenkraft zur rohen Naturgewalt des Menschen verstanden werden. Rekonstruktionen des Kulturbegriffs für seine deutschsprachige Verwendung finden sich in zahlreichen Publikationen, und an dieser Stelle kann nur exemplarisch und stellvertretend auf eine Variante Bezug genommen werden. Aus der Sicht einer diachron interessierten Diskursanalyse überraschen dabei die offenbar völlig unproblematische, aber häufige und wesentliche Bedeutungsverschiebung des Begriffs sowie seine Verwendung in unterschiedlichen europäischen Sprachen. Auch Wolfgang Welsch (2000: 329), dem es ebenfalls um eine Aufdeckung des Konstruktionscharakters von Kultur geht, referiert zunächst dessen Genese und Verwendung in der deutschsprachigen Philosophie der Neuzeit. Auch wenn es ihm um eine Begründung für die gegenwärtige Beobachtung selbst geht, dass der Kulturbegriff im gesellschaftlichen Alltagsverständnis sehr stark gefestigt ist, sucht doch auch Welsch diese Gründe in der schriftlichen Hochkultur einzelner Autoren. Hierzu verweist er beispielsweise auf Herder, der Kultur als historisch gewordene Lebensweise von Völkern verstand. Durch diese Definition Herders, so Welsch, sei im Grunde erst das heute meist ambitioniert betriebene Vergleichen von unterschiedlichen Kulturen denkbar geworden – auch Welsch klopft demnach eine philosophische Ereignisgeschichte nach Informationen ab, die sich für eine Begründung gegenwärtiger Zustände heranziehen lassen. Auch die heute relevante Bedeutungsverschiebung des Kulturbegriffs von einer Hochkultur zu einer Volkskultur sieht Welsch bei Herder angelegt. Bei Schleiermacher findet Welsch darüber hinaus erste Schritte zur Inklusion von Religion in das Verständnis von Kultur. Die modernen Kulturwissenschaften haben diesen Kulturbegriff Welsch zufolge in dieser Form übernommen und zunächst im Rahmen der amerikanischen Kulturanthropologie weiterentwickelt, die unter Kultur den Inbegriff jeglichen Wissens verstand, das sich ein Individuum aus der Gesellschaft angeeignet habe. In der USamerikanischen Forschung dominierte daraufhin bald das Paradigma des Funktionalismus, in das der Kulturbegriff eingepasst wurde – und aus diskurstheoretischer Sicht exemplarisch wissenschaftliche Wenden überstand. Welsch verweist hierzu auf Bronislaw Malinowski, der davon ausging, dass jeder Aspekt von Kultur eine Funktion bei der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse habe. Institutionen, nun ein we-

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sentlicher Beobachtungsfokus der Sozialwissenschaften im Hinblick auf Gesellschaften und Kulturen, dienten insbesondere als kollektive Lösungen für diese Bedürfnisse. Im Rahmen der darauf aufbauenden, amerikanischen Culture and Personality School kommt darüber hinaus erstmals die Gesamtheit von Kultur in den Blick: Kulturen haben jeweils einen besonderen Stil, cultural patterns, der auch die Persönlichkeit präge. Die neueren Kulturwissenschaften proben zunächst eine Loslösung von Kultur gegenüber Individuen und wenden sich damit strikt gegen die früheren Gleichsetzungen von Kultur mit Charaktereigenschaften. Im Rahmen der Tendenz des Strukturalismus (Lévi-Strauss 1987 [1952]) ging man nun von Kultur als einem System symbolischer Regeln aus (Frank 2004), die zwar aufeinander Bezug nahmen, jedoch auch ohne die sie artikulierenden Subjekte denkbar waren. Aus dispositivanalytischer Sicht kann dieser Schritt der Emanzipation von Persönlichkeitskonzepten entsprechend sogar als Beitrag zu einer Verfestigung und Konsolidierung der Vorstellung von Kultur als einem Gegenstand mit einem gewissen Eigenleben verstanden werden. Die Prominentsetzung von Kultur durch die Kulturwissenschaften, die retrospektiv in ihrer Entwicklung über mehrere Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts auch als Cultural Turn (Chaney 1994) bezeichnet wird, bekräftigt auf andere Weise ebenfalls den Dispositivcharakter von Kultur und interkultureller Kommunikation: Spätestens mit Clifford Geertz (1973b) verstand man Kultur als Gesamtheit der sinnhaften und bedeutungstragenden Aspekte menschlicher Gesellschaften. Kultur konnte demnach als omnipräsent angenommen werden und konnte gleichzeitig nur durch Lese- und Interpretationsprozesse wahrgenommen und dokumentiert werden. Die Ausprägungen von Kultur verhielten sich demnach grundsätzlich relativ zum Beobachterstandort. Diese Vorstellung impliziert auch und legt gleichsam sogar die Folgerung nahe, dass grundsätzlich von der Existenz einer Vielfalt von Kulturen ausgegangen werden müsse, die durch Identitäten und Differenzen bestimmt seien. Das Lese- und Interpretationskonzept dieses Ansatzes ermöglicht bereits selbst seine permanente Perpetuierung und seine hermetische Verschließung: Die Produktion kultureller Bedeutungen und ihr Lesen und Interpretieren bilden einen ununterbrochenen und nicht hintergehbaren Prozess, in den alle Menschen immer involviert sind. Diese argumentative Strategie vervollkommnet quasi den dispositiven Charakter von Kultur und interkultureller Kommunikation, der auf diese Weise zusätzlich mit einer wissenschaftlich akzeptierten Begründung verbrämt wird. Auch die etwas später einsetzenden, kulturkritischen Theorien des Postkolonialismus (Bhabha 1994) tragen zu einer weiteren theoretischen Zentralisierung von Kultur bei: Bhabha zufolge stellt Kultur einen permanenten Aushandlungsprozess dar. Aus dispositivtheoretischer Sicht wird auf diese Weise noch einmal zusätzlich die aktive Involviertheit der Individuen in den permanenten Selbsterhaltungsmechanismus des Dispositivs bestärkt. Eine ähnliche Argumentation unterstützen Vertreter der (British) Cultural Studies, wie beispielsweise Stuart Hall (2001) oder Raymond Williams (1999). Ihnenzufolge ist Kultur ebenfalls als eine umfassende Lebensweise zu verstehen, die sich gleichzeitig in einem permanenten Aushandlungskampf hegemonialer Bedeutungen manifestiert.

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Interkulturelle Kommunikation als wissenschaftliche Disziplin Zu Beginn des 21. Jahrhunderts verstehen sich Vertreter einer Forschung zur interkulturellen Kommunikation vielerorts noch auf einer Schwelle zu einer möglichen Institutionalisierung und Anerkennung ihres Gegenstands als einem wissenschaftlichen Fach oder einer akademischen Disziplin (Moosmüller 2007a). Auch die Ansinnen nach einer zunehmenden Institutionalisierung erfordern dabei vielfach argumentative Retrospektiven und Rekonstruktionen einer geschichtlichen Entwicklung, die in schlüssiger und nachvollziehbarer Form zu einem gegenwärtigen Zustand führt, der die Anerkennung des Gegenstandsbereichs als wissenschaftliche Disziplin rechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsbedarf in der Gegenwart wird durch die Aktivierung von Narrationen bedient, die eine zusätzliche Verankerung der gegenwärtigen Institution bewirken soll: Für die US-amerikanische Forschung zeichnet Landis zwei das Fach begründende Stränge nach dem zweiten Weltkrieg nach (Landis/Wasilewski 1999: 536). Mit einer politischen Motivation setzten sich Wissenschaftler für eine gesellschaftliche Gleichbehandlung von Juden und African Americans in den USA ein. Landis nennt hier Stouffers (1949) Studie The American Soldier sowie Allports (1954) Monographie The Nature of Prejudice. Ein zweiter Forschungsstrang habe sich Landis zufolge auf der Grundlage von Edward T. Halls Publikation The Silent Language (Hall 1959) herausgebildet. Auch Hofstede verweist auf das Interesse der US-Regierung an einer Identifizierung nationenspezifischer Eigenschaften feindlicher Nationen im zweiten Weltkrieg.4 Moosmüller (2004: 46) verortet die Ursprünge seiner gegenwärtigen Auffassung des Fachs Interkulturelle Kommunikation retrospektiv bei dem Ethnologen Edward T. Hall in den 1950er Jahren. Dabei nennt er Aspekte, Details und Namen zur Entstehung der Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation im Rahmen des Zweiten Weltkriegs für den US-amerikanischen Geheimdienst. In den darauffolgenden Dekaden geriet das Fach Interkulturelle Kommunikation immer wieder angesichts seiner Instrumentalisierbarkeit zu beliebig verwendbaren Beratungsdienstleistungen in die Kritik, nachdem Kulturanthropologen für die Erreichung militärischer Ziele missbraucht worden waren: »In der Folge von McCarthyismus und Koreakrieg waren entgegen den Absprachen ethnologische Forschungsergebnisse missbraucht worden. Für das sogenannte ›Projekt Camelot‹ waren

4

»Nevertheless, as the title of this paper, ›National Cultures Revisited‹, implicitely refers to an earlier visit, by this earlier visit I do mean the ›National Character‹ focus in anthropology of 30-40 years ago, also labelled ›modal personality‹ ›and part of the ›culture and personality‹ current. It was influenced by the publication of Ruth Benedict’s ›Patterns of Culture‹ in 1934, and by the fact that during and after World War II the U.S. Government called upon anthropologists like Benedict, Geoffrey Gorer and Margaret Mead to help understand the psyche of its enemy nations, like Germany, Japan and Russia (Gorer 1943; Benedict 1946; Mead 1951; Lowie 1954) for an overview see Duijker and Frijda (1960)« (Hofstede 1983: 288f).

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ahnungslose Kulturanthropologen sogar für internationale Geheimdiensttätigkeiten angeworben worden [...]« (Moosmüller 2004: 47).

Insbesondere in Europa stellt Moosmüller in der darauffolgenden Zeit eine zunehmende Distanzierung der ethnologischen und kulturanthropologischen Forschung gegenüber einer Ausrichtung unter dem Begriff der interkulturellen Kommunikation fest. Mit ihr wird eine Auftragsforschung assoziiert, die zu anfällig ist für Missbräuchlichkeiten nicht nur im Falle militärischer Verwendungen. Zuletzt mögen jedoch auch wiederum Tendenzen festgestellt werden können, nach denen die Skepsis gegenüber dem Einsatz von Ethnologen bei militärischen Auslandseinsätzen zunehmend zu bröckeln scheint. So berichtet beispielsweise Delius (2011) durchaus unkritisch in einem Tageszeitungsbeitrag über die Arbeit von Ethnologen in AfghanistanEinsätzen des Militärs. Die Reflexion von Zusammenhängen zwischen Sprache und Kultur In der vorliegenden Studie soll es um eine Aufdeckung der diskursiven Konstruiertheit des Problem- und Forschungsgegenstands interkultureller Kommunikation gehen. Die Grundlagen für eine solche Reflexionsfähigkeit erscheinen wiederum in der Entwicklung der kulturwissenschaftlichen Forschung angelegt zu sein, so dass auch der an dieser Stelle praktizierte Versuch einer vermeintlichen Emanzipation gegenüber dem angenommenen Kulturdispositiv bereits in diesem selbst angelegt und vorstrukturiert ist. Als Ausgangspunkt für diese zunehmende Unterscheidung zwischen den Begriffen von Sprache und Kultur mag die Vorstellung Wilhelm von Humboldts dienen, die Sprache sei »das bildende Organ des Gedanken« (Humboldt 1903: 16), woraus sich begründet Unterschiede in der menschlichen Entwicklung zwischen Sprechern verschiedener Sprachen herleiten ließen. Die Menschheit ließ sich auf diese Weise in voneinander klar abgrenzbare Völker unterscheiden, die jeweils eine Nation bilden und deren Gesinnung in ihrer Sprache zum Ausdruck kommt (Gumperz 2001: 35). Erst Franz Boas merkte an, dass Humboldts evolutionistische Sicht auf die Rollen von Sprache und Sprachgebrauch im Grunde keinerlei empirische Basis hatte. Die darauf folgende Phase des Strukturalismus beförderte eine insbesondere relativistische Sicht auf die Entwicklung von Sprachen und Kulturen. Da aber der Humboldtschen Sicht kein alternatives Konzept entgegengesetzt werden, sondern höchstens zur relativistischen Vorsicht gemahnt werden konnte, blieb seine Vorstellung von unterschiedlichen, voneinander abgrenzbaren kulturellen Gruppen jedoch weiterhin erhalten (Gumperz 2001: 36). Zumindest jedoch rückt seitdem die Frage nach der Möglichkeit einer Transzendierung kultureller Wurzeln durch Sprache, wenngleich diese ein kulturelles Produkt sein mag, immer wieder in den Fokus wissenschaftlicher Fragestellungen – und erlangt somit zumindest bereits eine gedankliche Existenz.

Vorarbeiten zu einem diskurstheoretischen Kulturverständnis Das Kultur- und Fremdheitsdispositiv nach Höhne Die bereits an anderer Stelle referierten Arbeiten von Thomas Höhne (1998) zum Kulturdispositiv und zum Fremdheitsdispositiv stellen vor dem Hintergrund der für

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die vorliegende Studie angestrengten Sichtung der Forschungslage den weitreichendsten Ansatz einer diskurstheoretischen Erfassung des Kulturbegriffs dar. Hierzu wählt Höhne eine diachrone Perspektive, die jedoch den Anspruch stellt, die reine Gegenwartsverhaftung herkömmlicher Retrospektiven und Rekonstruktionen zu transzendieren. An die Stelle einer reinen Nachzeichnung von Spuren und Entwicklungstendenzen des Kulturbegriffs soll dabei eine Fokussierung auf die tatsächliche, jeweils zeitgenössische Deutungs- und Bedeutungsmacht des Kulturbegriffes gelegt werden. Zentral ist also neben den inhaltlichen Festlegungen und Differenzierungen des Kulturbegriffs eine Einschätzung der tatsächlichen gesellschaftlichen Relevanz dieser Differenzierungen, auch gegenüber alternativen Kategorisierungen. Höhne (1998) greift hierzu durchweg auf eine Vorarbeit von Bollenbeck (1994) zurück, der seine Studie jedoch nicht diskursanalytisch verortet, sondern auf dem soziologischen Konzept der Deutungsmuster aufbaut. Dennoch hebt sich auch Bollenbecks Vorgehensweise gegenüber herkömmlichen Rekonstruktionen ab, indem sie die wechselnde Relevanz des Kulturbegriffs fokussiert: »Bollenbeck interessiert sich weniger dafür, was – sagen wir – Hegel von Kants Kulturbegriff übernommen und mit welchen Gedanken er ihn intelligent überboten hat, sondern er will in erster Linie ermitteln, wie, warum, in welcher Form und von wem die Systeme der intellektuellen ›Stichwortgeber‹ des Kulturkonzepts aufgenommen werden, wie sie die Öffentlichkeit und Institutionen prägen. Ihn interessiert weniger die Frage nach dem ›richtigen‹ Kulturkonzept als die nach dem historisch wirksamen« (Götze 1994).

Dabei kommt es konsequenterweise auch zu tatsächlichen Verschiebungen dessen, was durch diese Fokussierung in den Blick gerät: »Man weiß, welche elaborierten Konzepte von Kultur und Bildung in diesen Zusammenhang gehören: Kant, Goethe, Schiller, Fichte, Schelling, Hegel. Bollenbeck skizziert sie sachkundig – am wenigsten ausführlich übrigens die Konzepte Goethes und Hegels, wohl weil die eben auch am weitesten entfernt sind vom neuhumanistischen Mainstream« (Götze 1994).

Bollenbeck referierend verweist Höhne in diesem Zusammenhang darauf, dass in der Unterscheidung zwischen Gebildeten und dem Volk letzterem noch bis 1800 keine negative oder abwertende Konnotation inne wohnte. Im späteren Verlauf jedoch wurde eine entsprechende Differenzierung sukzessive vorangetrieben, wobei nur noch den Gebildeten Kultur überhaupt zugesprochen wurde. Es entwickelte sich ein Fortschrittsmodell, in dem der Besitz von Kultur das Ergebnis bildungsbasierter Entwicklung sei, die nicht jeder gesellschaftlichen Gruppe oder jeder Nation in gleichem Maße zuteil wurde. Seit 1878 macht Bollenbeck eine »Kulturkrise« (Bollenbeck 1994: 225) aus. Bollenbeck zufolge handelte es sich hier im Grunde um eine Modernisierungskrise, die jedoch als Bildungs- und Kulturkrise umgedeutet wurde und zur Entstehung von Rassismus und später Faschismus führte (Höhne 2000: 39). Einen Teil der Modernisierungskrise bildete auch eine Krise der damals traditionellen Wissenschaften, die sich nun gegenüber neuen Disziplinen behaupten und legitimieren mussten:

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»Dem massiven Rückgang der sozialen Relevanz des sogenannten humanistischen Bildungsideals und der Geisteswissenschaften im allgemeinen, die im Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts eine zeitlang eine adäquate soziale, klassenmäßige Verankerung hatten, versuchten Teile der Wissenschaften nun ›kulturalistisch‹ zu begegnen. Es entstanden die ›neuen Bindestrichwissenschaften wie ›Kulturphilosophie‹, ›Kulturwissenschaften‹, ›Kultursoziologie‹, ›Kulturpsychologie‹ (Bollenbeck 1994: 231), die quasi den deutschen Weg darstellten, der Zersplitterung des akademisch-wissenschaftlichen Wissens durch ein irgendwie geartetes einheitliches ›Kulturelles‹ entgegenzuwirken, bzw. eine gewisse Homogenität eines gänzlich disparaten Wissens zu bewahren« (Höhne 1998).

Entscheidend für die später dominante Stellung des Kulturdispositivs erscheint für Höhne die besonders hohe Anschlussfähigkeit des Kulturbegriffs, der sich im Rahmen dieses Cultural Turns seit der Jahrhundertwende entwickelt hat: »Entscheidend ist, dass es im Kontext dieses ›cultural turn‹ zu neuen Diskursverknüpfungen kommt, wobei die multiplen Kulturdiskurse eine Multifunktionalität aufweisen, die sie fast unbegrenzt anschlussfähig an andere Diskurse macht und zudem eine Unmenge an Positionierungen ermöglicht, die auch antagonistisch, widersprüchlich usw. sein können« (Höhne 1998).

Entsprechend zeichnet Höhne eine Begriffsgeschichte des Kulturbegriffs auf, die eine Entwicklung nachvollziehbar macht, an deren Ende die gegenwärtige Wirkmächtigkeit des Begriffs sowie seine universelle Anwendbarkeit in deutschsprachigen gesellschaftlichen und akademischen Diskursen steht. Kultur ist dennoch handlungsrelevant Dennoch schiene es zu bequem, Kultur als etwas abzutun, was angesichts seiner vielfältigen Verwendbarkeit und seines Konstruktionscharakters nicht beschreibbar ist. Schließlich kann zumindest konstatiert werden, dass Kultur für zahlreiche westliche Gesellschaften ein Thema ist, über das es sich zu diskutieren lohnt. So scheint Kultur ein wesentliches und gut verankertes Thema und ein Gegenstand gesellschaftlicher Diskurse zu sein. In zahlreichen gesellschaftlichen Kontexten, wie beispielsweise Medien, Wirtschaft und Politik dient Kultur immer wieder als Begründung für bestimmte beobachtete Phänomene – und ist damit wesentlich an Prozessen sozialer Sinnstiftung beteiligt. Auf diese Weise verbleibt Kultur darüber hinaus nicht einfach im Bereich rein abstrakter Diskurse, sondern Kultur – oder besser: das, was sich Individuen einer Gesellschaft unter Kultur vorstellen – wird für diese Individuen damit unmittelbar handlungsrelevant. Auch in der gesellschaftstheoretischen Forschung dient der Kulturbegriff auch weiterhin als eine begrenzende Kategorie. Deleuze (1997) beispielsweise verwendet ihn, um die Unmöglichkeit der Transzendenz der eigenen Lebenswelt zu verdeutlichen. Deutscher (2003) veranschaulicht die Immanenz von Begriffen kultureller Differenz in der europäischen Politik. Goodchild (1997) zeichnet die kulturelle Verwurzelung der Diskurstheorien französischer Philosophen wie Deleuze in europäischen Kontexten nach. Hutnyk (2006) reflektiert ebenfalls die kulturpolitischen Implikationen eines gegenwärtigen kulturwissenschaftlich elaborierten Kulturverständnisses, und auch Pieterse (1997) bespricht angewandte Probleme kulturpolitischer Selbst- und Fremddarstellung angesichts reflektierter Kulturverständnisse.

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Neben den genannten Schwierigkeiten, Kultur in ihrem Wesenskern definitorisch zu erfassen, scheint demnach die Rolle von Kultur als einem Diskursgegenstand westlicher Gesellschaften mit Handlungsrelevanz für die Individuen dieser Gesellschaften deutlich beobachtbar zu sein. Auch der vorliegende Text kann nur aufgrund der thematischen Relevanz von Kultur in westlichen Gesellschaften überhaupt zustande kommen. Mit Hilfe von Methoden aus den Bereichen der Diskurstheorie und der Diskursanalyse lässt sich Kultur als ein in dieser Form skizzierter Diskursgegenstand genauer beschreiben. Theorien der Performanz und der Performativität erlauben darüber hinaus Überlegungen und Rückschlüsse auf den Einfluss dieser Diskurse auf individuelles Handeln, bzw. begreifen dieses Handeln als Teil und Reproduktion der Diskurse. Beobachtungen von Alltagsverständnissen von Kultur mögen dabei meist zu dem Ergebnis kommen, dass individuelle, subjektive Konstrukte von Kultur meist essentialistischen Kulturkonzepten Hegelscher Provenienz auf Seiten der Theorie ähneln. Wichtig erscheint an dieser Stelle jedoch die Differenzierung essentialistischer Kulturverständnisse mit erhöhter Handlungsrelevanz als subjektive Konstruktionen gegenüber theoretischen Kulturverständnissen, die diese Konstruiertheit nicht berücksichtigen und den essentialistischen Charakter von Kultur übernehmen. Kevin Avruch verweist hierzu auf die Unterscheidung zwischen erfahrungsfernen und erfahrungsnahen Begriffsverständnissen (»experience-near and experience-distant«, Avruch 2003: 355ff) von Clifford Geertz (1983: 57), nach dem wissenschaftliche Begriffe vergleichsweise nahe an einem Alltagsverständnis angesiedelt sein können oder aber deutlich abweichende theoretische Konstrukte sind. Im Hinblick auf einen Umgang mit Fragen interkultureller Kommunikation weist Avruch dabei darauf hin, dass essentialistische Kulturverständnisse aufgrund ihrer hohen Präsenz im Alltagswissen von Individuen in gleichem Maße berücksichtigt werden müssen wie theoretische Herleitungen von Kultur als sozialer Konstruktion. Handlungsrelevanz als Begründung für einen akademischen Terminus? Dennoch hatten Prozesse der Dekonstruktion in den Wissenschaften zu Beginn der 1990er Jahre bereits zu einer erheblichen Infragestellung der wissenschaftlichen Haltbarkeit des Kulturbegriffs geführt. Insbesondere der auch durch die Wissenschaften kaum zu brechende, vorrangig essentialistische Gebrauch des Begriffs in der gesellschaftlichen Alltagswelt hatte zahlreiche Anthropologen wie beispielsweise AbuLughod (1991) oder auch (Stolcke 1995) zu dem Vorschlag veranlasst, den Kulturbegriff als wissenschaftlichen Terminus zu verwerfen. Seitdem finden sich in zeitlichen Abständen immer wieder Plädoyers zur Abschaffung des Kulturbegriffs, wie beispielsweise in deutlichem zeitlichem Abstand zu dieser ersten Krise in dem Text von Hann (2007). Versöhnliche und differenzierende Töne, die den Kulturbegriff rehabilitieren sollten, wurden international einige Jahre später in Form einer Debatte unter dem Thema »Culture – A Second Chance?« (Fox 1999) in der Zeitschrift Current Anthropology rezipiert. Einleitend schlug hier insbesondere Christoph Brumann (1999) vor, den Kulturbegriff nicht grundsätzlich zu verwerfen, da mit ihm dennoch empirisch messbare Gemeinsamkeiten im sozialen Handeln von Individuen identifiziert werden

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könnten. Hierzu müsse der Kulturbegriff jedoch als empirische Kategorie etabliert und losgelöst von Begriffen wie denen von Ethnizität oder Identität gedacht werden. Brumanns Opponenten dagegen bestehen weiterhin auf der Gefahr der Untrennbarkeit des politischen Potentials eines im Alltagsverständnis essentialistischen Kulturbegriffs gegenüber Kultur als einer empirisch diskret erhobenen Größe (Abu-Lughod 1999). Auf der Suche nach einer verträglicheren Verwendungsform für eine zukünftige wissenschaftliche Arbeit mit dem Kulturbegriff verweist Moosmüller auf das Prinzip des Ethnographen als Augenzeugen. Hiermit wird in der Ethnographie versucht, Kulturen fassbarer zu machen, als sie es andernfalls wären. Dieses Prinzip wird zur Maxime methodischen Vorgehens erhoben: Während es sich strukturell im Grunde gar nicht von einer herkömmlichen, durch die Partizipation in Gesellschaftsdiskursen vorbestimmten Sichtweise auf Kultur unterscheidet, werden hier eine Kontrastierung und eine Transzendierung des andernfalls vorhandenen diskursiven Horizonts beansprucht. Für diese Argumentation stützt sich Moosmüller (2007b: 15) auf Geertz (1990) und schreibt: »Warum nehmen wir das, was ein Anthropologe sagt, ernst? Nicht wegen der dargebotenen Fakten oder der begrifflichen Eleganz, sondern weil er uns zeigt, dass er ›eine andere Lebensform wirklich durchdrungen‹ hat (oder von ihr durchdrungen ist), d. h. er überzeugt uns mit seinem ›dort gewesen‹ sein‹ (Geertz 1990: 14). ›Wir sollen glauben, dass wenn wir selbst dort gewesen wären, dann hätten wir dasselbe gesehen, gedacht, gefolgert‹ (24). ›Mit Malinowski steigert sich das zu ›ich war nicht nur dort, ich war einer von ihnen‹‹ (29)« (Moosmüller 2007b: 15).

Hier erweist sich die Offensichtlichkeit der Möglichkeit von Differenzerfahrungen als schlagkräftiges Argument für die sinnvolle Verwendbarkeit eines Kulturbegriffs in den Wissenschaften. Aus akademischer Sicht problematisch bleibt dennoch die Frage nach der Möglichkeit einer Distanznahme gegenüber dem vermeintlich Beobachteten: Schließlich lassen sich auch kulturspezifisch verschiedene Konzeptionen des Kulturbegriffs selbst finden (Kuper 1999). Und hier muss zuletzt wiederum eingestanden werden, dass man sich auf eine Suche nach dem begeben hat, was man zuvor kritisch als essentialistische Konzeption eines Kulturverständnisses abgetan hatte. Wolfgang Welsch (2000: 331) verweist in diesem Zusammenhang auf den Kulturbegriff Herders, der mit seiner Kugelmetapher prägend wurde und die Basis für Kulturverständnisse lieferte, die auch in zahlreichen gegenwärtigen Gesellschaftskontexten weiterhin dominieren. Um sich von diesen Vorstellungen und deren weitreichenden, fast zwingend ethnozentrisch geprägten Konsequenzen befreien zu können, plädieren Autoren immer wieder für eine Dekolonialisierung und damit für eine Neuausrichtung der Kulturanthropologie (van den Bouwhuijsen/Claes/Derde 1995). Die Nähe zum Rassismus An zahlreichen Stellen wird angesichts des Konstruktionscharakters von Kultur und der parallelen beharrlichen Weiterverwendung des Begriffs durch zahlreiche Gesellschaften auch auf die Nähe des Kulturbegriffs zu Konzeptionen von Rassismus verwiesen. So sprechen Etienne Balibar (1990) und Stuart Hall (1994) vor dem Hintergrund jeweils unterschiedlicher Konzeptionen von einem Rassismus ohne Rassen.

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Durch die gesellschaftliche und auch durch die akademische Verwendung des Kulturbegriffs würde demnach eine Perpetuierung systematischer Diskriminierungshandlungen ermöglicht. Nachdem der Begriff der Rassen seiner offensichtlich diskriminierenden Funktion angesichts fataler gesellschaftlicher Folgen überführt worden war, ermöglichte demnach der Kulturbegriff eine vergleichsweise unbescholtene und ungestörte Weiterführung sozialer Differenz. Ursula Rao (2005: 355) und Adam Kuper (1999: 14) sehen in der Referenz auf Kultur demnach auch eine verschleierte und vermeintlich aufgeklärte Form von Rassismus. Das von Thomas Höhne (1998) skizzierte, gegenwärtige Kulturdispositiv macht in seiner dispositiven Funktion die Verwendungsweise und die Wirkweise des Kulturbegriffs im Sinne rassistischer Diskriminierung zusätzlich deutlich. Dabei kann das Kulturdispositiv Höhne zufolge nicht ohne eine wissenschaftliche Stütze und Untermauerung bestehen, die rassistischen Begründungsmustern sehr nahe kommen. Eine Verknüpfung mit biologistischen Ansätzen brachte Höhne zufolge im 19. Jahrhundert rassistische Theorien hervor, die erst sehr spät sozial tabuisiert worden sind. Höhne sieht jedoch insbesondere in der gegenwärtigen Entwicklung der Gentechnologie wieder Tendenzen zu einer Wiederbelegung des Rassebegriffs.5 Höhne zufolge bemängeln einige Autoren, dass ein Kulturdispositiv, in dem davon ausgegangen wird, dass kulturelle Differenz nicht aufgehoben werden könne, den Rassismusbegriff im Grunde seit den 1970er Jahren ablöst und zugleich dessen vollständige Funktion übernimmt (Höhne 2000: 39). Höhne relativiert diese Kritik jedoch, indem er anmerkt, dass das Kulturdispositiv in den Wissenschaften immer auch eine kritische Sichtweise gegenüber essentialistischen und auch rassistischen Perspektiven beinhaltet habe. Das Kulturdispositiv lebe demnach unter anderem gerade durch diese permanent changierende Auseinandersetzung.6

5

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»Auch Theorien über Anlage und ›Rasse‹ haben u.a. durch die in den 90er Jahren in den USA vorgetragenen Thesen von C. Murray und R. Herrnstein wissenschaftlichen Auftrieb erhalten. Für die deutsche, von C. Türcke entfachte Diskussion zum Rassebegriff vgl. Konkret 8/93« (Höhne 1998). »Dieser These liegt eine andere, wichtige These über die historische Neuartikulation des Rassismus als Neorassismus, bzw. Kulturalismus zugrunde, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Sie besagt, dass der neue Rassismus in der postkolonialen Phase aufgrund neuer Identitätsdiskurse über das Selbstbestimmungsrecht der Völker, was ihre kulturelle Identität betrifft, und aufgrund der wissenschaftlichen Ablehnung des Rassebegriffs u.a. durch die UNESCO seit den 50er Jahren sich als ein ›Rassismus ohne Rassen‹ entwickelt hat, der von der ›Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen‹ und einem ›Recht auf kulturelle Identität‹ (Balibar/Wallerstein 1990: 28) der Völker ausgeht. Ein Blick auf die Geschichte des Rassebegriffs macht jedoch auch deutlich, dass es seit Herder eine kontinuierliche Kritik an Rassetheorien unter dem Verweis auf ›kulturelle Differenzen‹ gegeben hat, so dass man eher von einer, um den Foucaultschen Ausdruck zu verwenden, ›taktischen Polyvalenz‹ (1983: 123) des Diskurses ausgehen muss, aufgrund der analoge strategische Funktionalitäten verschiedener Diskurse vorliegen können« (Höhne 1998).

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Die Auswahl von Kulturbegriffen nach situativer Brauchbarkeit Die meist dominierende Anwendungsorientierung zahlreicher Studien zur interkulturellen Kommunikation führt dazu, dass die zugrunde liegenden Kulturbegriffe meist als operative Begriffe verwendet werden (Schondelmayer 2008: 27ff). Dabei besteht das Ziel nicht darin, einen Kulturbegriff so zu wählen und zu definieren, dass er die tatsächlichen Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln so präzise und vollständig wie möglich identifizieren und beschreiben kann. Vielmehr handelt es sich bei operativen Kulturbegriffen um arbiträre Entscheidungen und Festlegungen darüber, was unter Kultur in einem umgrenzten (Forschungs- oder Übungs-) Kontext zu verstehen sei und unter diesem Begriff behandelt werden soll. Eine entsprechende Festlegung hilft hier dabei, Einzelphänomene sozialen Handelns zu identifizieren und (als kulturell) zu kategorisieren und somit leichter fassbar zu machen. Eine Schärfung des Kulturbegriffs durch eine Hervorhebung der Handlungsrelevanz von Kultur und eine damit einhergehende Immunisierung des Begriffs gegen dekonstruktivistische Kritik wird jedoch auf diese Weise versäumt. Dieses Phänomen ist jedoch nicht neu und nicht allein der vergleichsweise jungen interkulturellen Forschung zuzuschreiben. Für die Cultural Studies zeigen Kendall und Wickham, dass wissenschaftliche Kulturverständnisse schon immer dazu gedient haben, politische Positionen zu untermauern.7 Neben der Schwierigkeit, dass die Festlegung von Kulturbegriffen nach ihrer situativen Brauchbarkeit wenig Aufschluss über eventuelle tatsächliche Zusammenhänge zwischen Kultur und sozialem Handeln erhoffen lässt, birgt diese Verwendungsweise des Begriffs Kultur weitere Probleme: In der Forschung sollten Begriffe und Theorien sicherlich stets so gewählt werden, dass sie über die größtmögliche Erklärungskraft verfügen. Im Fall von Kultur (Straub 2007b) scheint diese Präferenz einer Fokussierung isolierter Einzelaspekte jedoch auf Kosten einer eventuell realisierbaren ganzheitlichen Perspektive auf Kultur zu gehen: »Recently, in revising a text on social psychology across cultures, Smith and Bond (1998) decided that its content should include material on differences in communication across cultures along with the traditional topics of social cognition, leadership, intergroup behaviour, and so forth. What they confronted in the literature on such cultural differences, however, was a patchwork quilt of unrelated studies, focusing on a myriad of speech forms and their associated non-verbal behaviours. When these studies invoked culture to explain results, they made opportunistic and speculative forays into the available literature and the concepts unearthed were

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»What we can glean from this nineteenth-century anthropology and the disciplines such as criminology and psychology which were eventually linked to it, is that culture was always theorised in practical intellectual fields – never as an abstract problem. Culture was seen as a governmental problem, part of the field of social order. For example, anthropologists of the late nineteenth century, like Tylor, were fully involved in colonial policy, constantly lobbying for an Imperial Bureau of Ethnology which would collect knowledge and advise colonial administrators. While our earliest cultural scientists understood the heterogeneity of culture, they were also very clear about which forms of culture should be valorised« (Kendall/Wickham 2001: 9).

162 | I M D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION only loosely linked to individual behaviour. These characteristics of the research and the conceptualization of its results made it difficult to organize the yield« (Bond/Zegarac/SpencerOatey 2000: 47).

Aus wissenschaftlicher Sicht erschien diese Beliebigkeit vielfach dubios und sogar gefährlich, weil sie zur missbräuchlichen Verwendung geradezu einzuladen schien. So weist beispielsweise Moosmüller (2004: 48) darauf hin, dass die Zeitschrift Current Anthropology 1995 den »Breakdown of Culture« diskutiert hatte. Letztendlich erschien angesichts dieser vielfältigen Verwendungsformen selbst eine Stellungnahme in der Auseinandersetzung um die Nähe des Kulturbegriffs zum Rassismus schwierig (Moosmüller 2004: 48). An anderer Stelle befürwortet Moosmüller diesen status quo einer Verwendung vielfältiger Kulturverständnisse, da sie auch weiterhin den größtmöglichen situativen Erkenntnisgewinn versprächen: »In diesem Artikel wird dagegen versucht darzulegen, dass es hier weniger um ein TheoriePraxis-Problem als vielmehr um das falsche Verständnis des Praxisfeldes Interkulturelle Kommunikation geht. Daher wird behauptet, dass es in der interkulturellen Kommunikation keinen einheitlichen Kulturbegriff geben kann, sondern dass er je nach dem Kontext, in dem interkulturell kommuniziert wird, modifiziert werden muss.« (Moosmüller 2004: 46)

Im Bereich der interkulturellen Didaktik dagegen führt eine solche operative Verwendung von Kulturverständnissen zu einer verstärkten Entkoppelung der didaktisierten Begriffe von den Forschungsergebnissen, die ihre empirische und theoretische Grundlage bildeten. Eine entsprechende Kritik an der Praxis kommerziell angebotener interkultureller Trainings in den USA aus anthropologischer Sicht hat beispielsweise Dahlén (1997) vorgelegt. Dabei bleibt die Begründung für die Relevanz der Thematik jedoch meist unhinterfragt. So konstatieren zahlreiche Autoren einen Wandel sozialer Problemstellungen, wie beispielsweise Einflüsse einer Globalisierung8 oder eine vermehrte Reisetätigkeit9 (Lüsebrink 2004a: 7; Landis 2008). Ähnliches bescheinigen Straub und Shimada auch für wissenschaftsinterne Debatten, wie beispielsweise die Diskurse der Geisteswissenschaften:

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9

Der Bedarf nach interkultureller Forschung wird vielfach als Selbstverständlichkeit verhandelt. So referieren beispielsweise die Autoren der GLOBE-Studie umfangreiches Zahlen- und Faktenmaterial, aus dem offenbar von selbst und für jeden augenscheinlich eine Problemstellung resultiert, deren erfolgreiche Bearbeitung einer vorherigen Erforschung bedarf: »At the present time there is a greater need for effective international and crosscultural communication, collaboration, and cooperation, not only for the effective practice of management but also for the betterment of human condition. Ample evidence, reviewed below, shows that cultures of the world are getting more and more interconnected and that the business world is becoming increasingly global« (House 2004b: 1). Vgl. exemplarisch die Studien und Ausführungen von Lüsebrink (2004a: 7), House et al. (2004a: 4) und Landis (2008).

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»Allgemein anerkannt ist heute die empirische Feststellung radikaler kultureller Differenz-, Alteritäts- und Fremdheitserfahrungen in modernen Gesellschaften. Das von allen Gesellschaftsmitgliedern gleichsam erlebbare Ausmaß dieser Erfahrungen gilt gemeinhin, jedenfalls im Hinblick auf die europäischen Länder, als etwas vergleichsweise Neues« (Straub/Shimada 1999: 451).

Wenngleich eine zu wenig reflektierte Übernahme operativer Kulturbegriffe in die an dieser Stelle geführte wissenschaftstheoretische Debatte die genannten Kritikpunkte aufwirft, erscheint die diskursive Existenz dieser Begriffsvielfalt doch unbestritten. Aus diskurstheoretischer Sicht erscheint es aufschlussreicher, diese Vielfalt und die daraus resultierende Debatte als solche zu akzeptieren, sie ernst zu nehmen und zu analysieren. Vor vergleichbaren Schwierigkeiten stehen jedoch auch andere Disziplinen. Auch in den Sprachwissenschaften wird beispielsweise das Problem diskutiert, dass zentrale Begriffe der Disziplin für einzelne Anwendungsfelder und Problemstellungen so weit spezialisiert und anwendungsorientiert angepasst werden, dass ein Transfer von Erkenntnissen und Herangehensweisen zwischen diesen einzelnen Arbeitsfeldern vielfach kaum noch sinnvoll möglich ist. So werden in den Sprachwissenschaften beispielsweise Begriffe über das Verständnis von Sprache geschaffen, die selbst wissenschaftsintern nicht mehr kompatibel sind. Diese Problematik spricht Duszak (2006) an und schlägt zu einer konstruktiven Bearbeitung das Konzept des metalanguaging vor, für dessen Umsetzung sie Beiträge in einem Sammelband (Duszak/Okulska 2006) vorlegt, unter denen insbesondere die Gedanken von Fairclough (2006) und Piotrowski (2006) fruchtbringend erscheinen.

V ORARBEITEN ZUM K ONSTRUKTIONSCHARAKTER VON K ULTURBEGRIFFEN Wenn in der vorliegenden Studie betont und hervorgehoben wird, dass auch Kulturdefinitionen, -begriffe und -verständnisse das Ergebnis diskursiver Konstruktion sind, so wird auch diese Erkenntnis nicht ohne Vorerfahrungen getätigt. Bereits auf einer übergeordneten Ebene muss so eingestanden werden, dass Wissenschaften und Wissenschaftsdiskurse, aber auch die Art und Weise, wie über Wissenschaften und deren Inhalte kommuniziert wird, hochgradig kulturspezifisch sind. In einer sich als globalisiert begreifenden Weltgesellschaft, die in einer internationalen Vernetzung und einem weltweiten Austausch eine Grundbedingung für das Gelingen nachhaltigen und optimierten Handelns – und so auch Forschens – sieht, kann diese Erkenntnis über die Kulturspezifik der eigenen Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation eine nicht zu vernachlässigende Hürde darstellen. Auch daraus ergibt sich in der Folge ein Tätigkeitsbereich für die Erforschung interkultureller Kommunikation: Schönert (2003) gibt einen Überblick über Probleme kulturspezifischer Wissenschaftskommunikation, deren konstruktive Handhabung und Bearbeitung eine Grundvoraussetzung auch für eine kulturübergreifende Erforschung von Problemstellungen interkultureller Kommunikation ist.

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Nachdem im vorangegangenen Abschnitt einzelne Aspekte eines diskurstheoretischen Verständnisses von Kultur herausgearbeitet worden sind, werden die folgenden Abschnitte einen noch gezielteren Überblick über bereits vorliegende Vorarbeiten zusammenstellen, die sich mit dem Konstruktionscharakter von Kulturbegriffen selbst auseinandersetzen.

Die Abkehr von essentialistischen Kulturbegriffen Insbesondere innerhalb der Kulturanthropologie wurden inhaltsbezogene Kulturbeschreibungen in den 1980er Jahren als essentialistisch entlarvt. Problematisch erschien die Erkenntnis, dass derartige Fremdbeschreibungen eigentlich nie frei von einer Selbstbeschreibung sein konnten. Schreibt man fremden Kulturen bestimmte Eigenschaften zu, so können diese Eigenschaften nur vor dem Hintergrund eines Abgleichs mit Eigenschaften gewählt werden, die man sich selbst zugeschrieben hat (Rottenburg 2006: 9). Rottenburg folgert daraus, dass dem Anderen stattdessen der Status der radikalen Fremdheit zugestanden bleiben müsse. Damit ginge das Eingeständnis einher, dass das Andere auch zu keiner Zeit verstehbar werden könne. Rottenburg stellt sich gegen diese radikale Haltung, da sie der Kulturanthropologie jegliche Arbeitsgrundlage entziehen würde. Die Kritik an Kulturbeschreibungen sei zudem politisch motiviert, sie entspricht kulturpolitischen Normen. Rottenburg dagegen ist der Ansicht, dass eine Enthaltung gegenüber Beschreibungen und Zuschreibungen auf Dauer auch nicht sinnvoll sein könne, d.h. dass auch auf diese Weise kulturpolitische (und selbst kultur-partikulare) Fernziele nicht erreicht werden können (Rottenburg 2006: 10). Dieser Annahme einer radikalen Alterität stehen gegenwärtig zahlreiche Modelle gegenüber, die kulturelle Differenzen vor dem Hintergrund von Konzepten der Überbrückbarkeit und der Hybridität denken. Radikale Fremdheit wird dabei ausgeschlossen, und Kultur als Problem entproblematisiert. Doch auch diese Denkweise entpuppt sich notwendigerweise als kulturpolitisch gefärbte Norm und Konstruktion (Rottenburg 2006: 10). Auch um sich weiterhin vor streng universalistischen Modellen und deren Konsequenzen schützen zu können, erscheinen Rottenburg die Annahme und der Aufrechterhalt von Differenzen strategisch erforderlich. Vor diesem Hintergrund überlegt Rottenburg, ob und wie radikale Alterität auch ohne Rekurs auf universalistische Ansätze gedacht werden könnte.

Die Einsicht über die Perspektivik kultureller Beschreibung Auch dass kulturelle Beschreibungen grundsätzlich immer nur aus einer selektierten Perspektive heraus vollzogen werden können und dass diese Beschreibungen durch die Perspektivik entscheidend geprägt werden, mag banal erscheinen, sie musste jedoch von einer anwendungsorientierten Erforschung interkultureller Kommunikation ähnlich wie die Abkehr von essentialistischen Kulturbegriffen erst vollzogen werden. Für die sprachwissenschaftliche Forschung zur interkulturellen Kommunikation zeichnet beispielsweise Altmayer über die vergangenen Jahrzehnte eine zunehmende Orientierung an subjektivistischen Ansätzen nach (Altmayer 1997). Auf der Grund-

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lage der Annahme konstruktivistischer Kulturverständnisse haben Altmayer und Hu (Hu 2001) beispielsweise der Fremdsprachendidaktik als einem Anwendungsfeld für Erkenntnisse aus der interkulturellen Forschung eine vollständig neue Richtung verliehen. Der jüngeren Forschung zur interkulturellen Kommunikation erscheint die Perspektivität des methodischen Vorgehens in der eigenen Disziplin bereits inhärent. Zumindest wird sie für das Fach zunehmend beansprucht, so verortet beispielsweise Moosmüller den Ursprung der Disziplin interkultureller Kommunikation in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg und verleiht der gesamten gegenwärtigen Forschung des Fachs eine perspektivische Ausgangsbasis: Die USA starteten damals, u.a. in Form des Marshall-Plans, eine umfassende weltweite Wiederaufbauaktion, mit der sie die Welt nach ihrem eigenen Schema und zur Abwehr des Kommunismus aufbauen wollten. Hierzu mussten zahlreiche Personen aus den USA ins Ausland entsandt werden, und Edward T. Hall erhielt den Auftrag, diese Personen darauf vorzubereiten. Schließlich ging es um Wissen über fremde Kulturen, und das sollte die Kulturanthropologie generiert haben. Hall merkte jedoch bald, dass viele seiner Trainees eine sehr ethnozentrische und unreflektierte Haltung vertraten, so dass sie gar nicht in der Lage waren, das in Bildungsformaten vermittelte Kulturwissen überhaupt zu erkennen und aufzunehmen. Hall entwickelte daher mit Psychologen und Linguisten didaktische Programme, mit deren Hilfe dies geleistet werden sollte. Hall hat damit Moosmüller zufolge den Grundstein für die Disziplin interkultureller Kommunikation gelegt und hat damit auch eine reine Kulturbeschreibung durch die Vermittlung einer Perspektivik ersetzt: Das Ziel der Disziplin bestand nun nicht mehr darin, zu erfassen, wie andere Kulturen sind, sondern zu erfassen, wie Individuen fremde Kulturen wahrnehmen. Erst vor dem Hintergrund dieses perspektivischen Wissens konnte analysiert werden, was Auslandsentsandte wahrnehmen, um auf dieser Grundlage didaktische Materialien zu entwickeln, die ihrem Erfahrungshintergrund angemessen sind. Moosmüller zufolge ging es demnach bereits Hall um das subjektive Erleben von Kultur (Moosmüller 2007b: 13-14). Rogers, Hart und Miike (2002) zeichnen alternativ eine Entwicklung der Forschung interkultureller Kommunikation in einem US-amerikanischen Vergleich und Kontrast nach, auch hier wird jedoch Bezug genommen auf eine gemeinsame Rezeption Halls als Begründer der Disziplin innerhalb eines westlich-kulturellen Rahmens.

Die interaktionistische Wende als Dispositiv Abgelöst wurden essentialistische Kulturverständnisse in der empirisch fundierten Kulturforschung beinahe flächendeckend durch interaktionstheoretische Ansätze. Mit Orientierung an Begründern interaktionistischer Ideen, wie beispielsweise George Herbert Mead (Mead/Morris 1934) und Erving Goffman (Goffman 1967) wurde nun auf ähnliche Weise fast einhellig angenommen, dass kulturelle Spezifika immer erst in konkreten Interaktionssituationen ausgehandelt und aktiviert würden. Die erhebliche Dominanz dieser Denkrichtung, die eine frühere in ihrer Dominanz abgelöst hat, bewegt den Diskursforscher Jürgen Link sogar dazu, in der interaktionistischen Orientierung der Sprachwissenschaften ein Dispositiv zu sehen. Einen Anlass hierzu sieht Link insbesondere in der Beobachtung, dass die sprachwis-

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senschaftliche und sozialwissenschaftliche empirische Forschung, die sich selbst als diskursanalytisch versteht, für ihre eigene Fundierung und Orientierung dennoch nicht auf diskurstheoretische Annahmen im Sinne Foucaults zurückgreift. Dabei gehen insbesondere Gesprächsforscher für Links Verständnis vergleichsweise positivistisch vor: Als empirisches Material dienen hier meist Alltagsgespräche, aus denen qua Analyse von Transkripten unter anderem auch Machtungleichgewichte identifiziert werden. Link versteht diese Alltagsgespräche in seiner eigenen Terminologie als Bestandteile von Elementardiskursen. In der geleisteten Rekonstruktion seien diese zwar gegebenenfalls noch mit Interdiskursen verbindbar, jedoch ignorierten die Gesprächsforscher angesichts ihres methodischen Vorgehens in der Regel eine Verknüpfung mit der Ebene der Spezialdiskurse (Link/Diaz-Bone 2006: 29). Link folgert daraus, dass die Annahme in den Sprachwissenschaften von der interaktionistischen, situativen Aushandlung von Sinn in Gesprächen durch die Gesprächspartner in der Forschung zuletzt deutlich überbewertet worden sei.10 Link (2006: 32) verweist auf eine eigene Studie, in der er die Metapher des Aushandelns in den Sozialwissenschaften seit den 1980er Jahren diskursanalytisch untersucht (Link 2005). Mit Foucault und Pêcheux betont Link, dass die Subjektkonstitution im Gespräch keinesfalls prädiskursiv, sondern grundsätzlich postdiskursiv zu verstehen sei. Diskurse könnten demnach nicht lediglich als Produkt individueller Interaktionen verstanden werden. Stattdessen können sich Subjekte in diesen Interaktionen nur konstituieren, indem sie sich diskursiv verankern.11 Das ethnomethodologische Paradigma Alternativ zu einer diskurstheoretisch fundierten Reflektion des Konstruktionscharakters kulturellen Handelns hat sich auf phänomenologischen Annahmen der Wissenssoziologie das Forschungsparadigma der Ethnomethodologie herausgebildet, das ebenfalls – jedoch auf anderer Grundlage – eine Beschreibung situativer Konstruktionsprozesse von Kultur unterstützt. Als daraus entwickelte Anwendungsform in den Sprachwissenschaften greift die Konversationsanalyse die Annahmen zur Reflexivität symbolischen Handelns nach Victor Turner auf. Knoblauch spricht hier auch von einer Doppelstruktur kommunikativen Handelns, das sich in Form einer grundsätzlich vorzufindenden Wechselseitigkeit oder Reziprozität unter Kommunikationsteil-

10 »Aus der Sicht von Foucault und Pêcheux wäre vor allem ein naiver interpersonaler Interaktionismus zu kritisieren, der aber meisten eher implizit bleibt. Dieser Aktionismus geht explizit oder implizit davon aus, dass die Sprecher und Sprecherinnen der Transkripte ›Subjekte‹ und ›Autoren‹ ihrer Äußerungen seien und dass Diskurse insgesamt also das Resultat ihres inter-subjektiven Aushandelns seien« (Link/Diaz-Bone 2006: 32). 11 »Was die Transkript-Analysen des Mainstreams der linguistischen Pragmatik betrifft, so haben Foucault und insbesondere auch Pêcheux (in seiner wichtigsten Publikation ›Les verités de la palice, Pêcheux 1975) gezeigt, dass die Subjekte nicht aus einer spontanen, prädiskursiven ›Tiefe‹ (im hermeneutischen Sinne) heraus reden, sondern dass auch ihre Subjektivität insofern postdiskursiv ist, als sie allererst in einem Produktionsprozess der ›Subjekt-Anrufung‹ (Interpellation nach Althusser) konstituiert wird« (Link/Diaz-Bone 2006: 32).

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nehmern zeigt (Knoblauch 2005: 179). Als Grundlage einer kommunikativen Verständigung dient dabei in jedem Fall ein die Interaktion umgebender Kontext, dessen Inhalte gemeinsam ausgehandelt und gedeutet werden müssen. McHoul et al. (2008) problematisieren dabei eine zentrale Herausforderung der Ethnomethodologie, deren empirische Analysemethodik sich einerseits vollständig auf die Interpretation von in Interaktionen tatsächlich vorfindbaren Zeichen beschränken will12, die jedoch andererseits aufgrund ihrer theoretischen Vorannahmen auch nicht umhin kommen kann, Anzeichen für hinzugezogene Kontexte in diesen Interaktionen zu suchen und auf diese Weise auch den Kontext zu interpretieren. Diese kritischen Bemerkungen zu möglichen internen Inkonsistenzen ethnomethodologischer Theoriebildung haben letztlich dazu beigetragen, die Forschungsrichtung schrittweise auch für eine Erforschung von Kultur zu öffnen und nutzbar zu machen. Besonders fruchtbar wird die Anwendung ethnomethodologischer Vorgehensweisen in der Kulturforschung angesichts der Annahme, Kultur werde situativ ausgehandelt, was aus ethnomethodologischer Sicht für den gesamten Bedeutungszusammenhang einer Interaktion gilt. Auch wenn Interaktionspartner sich gegenseitig als Angehörige unterschiedlicher Kulturen identifizieren und dieser Kategorisierung für ihre Interaktion eine Relevanz und Bedeutung zuschreiben, dann erreichen sie das in der Regel durch einen diskursiven Prozess, der zu einem Großteil von zur Verfügung stehenden Kontextfaktoren bestimmt wird. Eine exemplarische empirische Studie hierzu liegt von Day (1994: 316) vor, der sich auf Moerman (1974) für ein erstes Verständnis von Ethnizität als ethnomethodologisch identifizierbares Phänomen sowie auf Wieder und Pratt (1990) für eine spätere Elaborierung dieses Ansatzes bezieht. Ähnliche Arbeiten liegen darüber hinaus von Duncan (2003), Day (2006) und Das et al. (Das/Dharwadkar/Brandes 2008) vor. Wenngleich diese jüngeren Autoren auf Vorarbeiten aus der Ethnomethodologie zurückgreifen, die deren frühere Grundannahmen ausweiten und kontextualisieren, darf dennoch nicht aus dem Blick verloren werden, dass die jüngeren Arbeiten eine wesentliche theoretische Weiterentwicklung darstellen. Weder Moerman (1974) noch Wieder und Pratt (1990) können methodisch abgesicherte und fundierte Nachweise für ihre Beobachtungen vorlegen: Beiden Studien liegen vielmehr ethnographische Beobachtungen zugrunde, über die anschließend in den Publikationen berichtet wird. So hat Moerman Studien in Südostasien durchgeführt, Wieder und Pratt haben unter Angehörigen der First Nations in Nordamerika geforscht. In beiden Beiträgen wird demgegenüber kaum kritisch reflektiert, durch welches Verhalten genau sich Angehörige der jeweiligen Gruppen selbst definieren und auszeichnen. Darüber hinaus fokussieren die Autoren nicht kulturelle Zuschreibungen in als interkulturell wahrgenommenen Kontaktsituationen, die gegebenenfalls zu Andersbehandlungen führen können. Zugleich werden hier im Grunde subjektive Aussagen und Interpretationen als objektive Aussagen über die beschriebene Kultur verwendet, so dass beide Beiträge letztendlich einem überraschend essentialistischen Kulturverständnis anheim fallen.

12 Knoblauch (2001: 11) verweist hier auf die Forderungen der Begründer Drew und Heritage (1992: 18f).

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Annäherungen an kulturelle Kategorisierungen Die demgegenüber bei Day deutlich auf gesprächsanalytische Anforderungen angepasste und präzisierte methodische Vorgehensweise wird in ihrer Weiterentwicklung auch differenzierten Kultur- und Identitätstheorien angepasst. So gehen Malhi et al. (2009) davon aus, dass Individuen grundsätzlich in der Lage sind, situativ und kontextabhängig verschiedene Identitäten anzunehmen und zu vertreten. Dabei versuchen sie offenbar sogar präferentiell, sich nach Möglichkeit in Interaktionen mit einer multiplen kulturellen Identität zu positionieren. Neben diesen theorie-immanenten Überlegungen zur Fruchtbarmachung der Ethnomethodologie für die Kulturforschung haben zahlreiche Autoren immer wieder versucht, ethnomethodologische Konzepte durch eine Kombination mit benachbarten Denkrichtungen interdisziplinärer einsetzbar zu machen. So sprechen Forrester und Ramsden (2000) von einer discursive ethnomethodology, mit deren Hilfe sie Machtverhältnisse gesprächsanalytisch sichtbar machen wollen. Helga Kotthoff (1994) hatte bereits zuvor im deutschsprachigen Raum für die Vorteile einer Zusammenführung diskursanalytischer und konversationsanalytischer Grundannahmen für anwendungsorientierte Forschungsfragen geworben. Carbaugh et al. (2011) weisen darüber hinaus wiederholt darauf hin, dass auch der ethnographisch inspirierte Forschungsprozess grundsätzlich nur diskursiv erschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund erschiene ein Bekenntnis zu einem konsequenten Einbezug von Kontexten in die Analyse plausibel. Day verortet seine gesprächsanalytisch fundierte Sichtbarmachung von kulturalistischen Zuschreibungen in Gesprächen darüber hinaus in mehrerlei Hinsicht in einem aktualisierten kulturtheoretischen Kontext. So versteht er mit Barth (1969b) die Aushandlung von Identität als Prozess (Day 1994: 316). Zugleich geschehe diese Aushandlung grundsätzlich intersubjektiv: Generiert wird ein gemeinsam geteiltes Verständnis von (ethnischen) Gruppenzugehörigkeiten im Sinne der imagined communities nach Anderson (1991 [1983]), wobei aus dieser Etablierung einer gemeinsamen Sicht auch Legitimationen für eine gegenseitige Andersbehandlung gezogen werden (Day 1994: 316). Vom Labelling zur kulturellen Kategorisierung Kulturelle Zuschreibungen in Gesprächen beschreibt Day (1994: 316) noch mit Hilfe der Labelling-Theorie nach Pollner (1974). Pollner wiederum hatte den Ansatz von Howard Becker (1963) entliehen, der eine Untersuchung zum Phänomen abweichenden Verhaltens durchgeführt hatte. Seinerzeit kam Becker dadurch zu einer Neudefinition abweichenden Verhaltens, dessen Kriterien und Zuschreibung er als sozial konstruiert aufdeckte. Die Kategorie abweichenden Verhaltens kann demnach situativ sehr unterschiedlich gehandhabt und ausgelegt werden, ihre Grenzen sind arbiträr. Dabei muss sicherlich eingeräumt werden, dass sich auch frühere Autoren bereits mit der Arbitrarität der Grenzen sozial konventionalisierter Normalität auseinandergesetzt hatten, so beispielsweise Foucault, der über die Konstruktion von Geisteserkrankungen nachdachte (Foucault 1969) oder Schütz, dessen Alltagswelt mit ihren Grenzen ebenfalls auf Konventionen beruht (Schutz 1964). Becker selbst motivierte in seinen Forschungen dabei die Beobachtung und die Einsicht, dass selbst die wissenschaftliche Forschung zu abweichendem Verhalten die Herkunft, Genese oder gar Konstruktion ihres eigenen Gegenstands, des abweichenden Verhaltens, nicht reflek-

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tierte, sondern grundsätzlich aus seiner gesellschaftlichen Verwendung heraus übernommen hatte (Pollner 1974: 28) – eine Einsicht, die auch in der vorliegenden Studie für den Gegenstand der Kultur von zentraler Bedeutung ist. Von zusätzlicher Brisanz ist der Konstruktionscharakter abweichenden Verhaltens für Becker insofern, als dass die Kategorie nicht von den betroffenen Personen selbst, sondern von Individuen in ihrem Umfeld geschaffen wird, indem diese das Verhalten als solches bezeichnen. Auch das Beispiel dieser Überlegungen zum Gegenstand abweichenden Verhaltens zeigt, wie schwierig und langwierig sich der gesellschaftliche und der wissenschaftliche Prozess der konsequenten Einsicht in den Konstruktionscharakter angenommener Gegenstände gestalten. So hält Pollner die Einsicht Beckers auch seinerzeit noch für ungebrochen innovativ. Ähnlich wie bei der Dekonstruktion des Kulturbegriffs weisen auch im Fall des Konstrukts abweichenden Verhaltens vor allem uneinheitliche Verwendungsweisen des Begriffs auf seine Konstruiertheit hin (Pollner 1974: 30). Dennoch findet Pollner in Beckers Überlegungen auch inkonsequente Handhabungen des Konstruktionscharakters, der nicht bis zum Ende ausgeführt wird. Problematisch erscheint Pollner beispielsweise, dass Becker auch weiterhin zwischen zwei angenommenen Formen abweichenden Verhaltens unterscheidet, nämlich zwischen einem objektiv vorhandenen abweichenden Verhalten und einem zugeschriebenen abweichenden Verhalten. Becker zufolge treten beide Formen grundsätzlich vermischt auf. Pollner weist auf die Inkonsequenz dieser Unterscheidung hin, wohingegen davon ausgegangen werden müsse, dass ein objektives Konstrukt abweichenden Verhaltens grundsätzlich gar nicht existieren könne. Wie problematisch eine solche Unterscheidung wäre, zeigt das Beispiel eines Richters, der anhand eines Gesetzes über das Vorliegen abweichenden Verhaltens entscheiden muss. Aufgrund der daraus resultierenden Schwierigkeit könne überhaupt erst die Möglichkeit von Fehlurteilen zustandekommen (Pollner 1974: 35). Die beiden unterschiedlichen Verständnisse von abweichendem Verhalten und ihre gleichzeitige Akzeptanz in der Gesellschaft erklärt Pollner mit der Beobachtung, dass Gesellschaften Institutionen geschaffen haben, die es ihnen ermöglichen, das eigene kreative Schaffen vor sich selbst zu verbergen. Gesellschaften konstruieren einerseits Institutionen wie abweichendes Verhalten, und an anderer Stelle nehmen sie es dann einfach als objektiv gegeben an. Auch Pollner reiht sich schließlich selbst mit seiner Einsicht in frühere Autoren zu diesem Phänomen, wie beispielsweise Berger und Luckmann, Garfinkel sowie Merleau-Ponty ein (Pollner 1974: 39). Die Membership Categorization Analysis (MCA) Mit einer besonderen Fortführung in den Sprachwissenschaften und der hier weiterentwickelten Konversationsanalyse können jedoch neben den bisher genannten Ansätzen insbesondere Überlegungen aus dem Bereich der ethnomethodologischen Konversationsanalyse diskutiert und für die Zielstellungen der vorliegenden Studie weiterentwickelt werden. Die offene und unverdeckte Zuschreibung ethnisch-kultureller Zugehörigkeiten ist in den interkulturell informierten Sprachwissenschaften an zahlreichen Stellen und von verschiedenen Schulen aufgegriffen worden. So zeigt beispielsweise Hinnenkamp auf den Sprachstil des foreigner talk, einer vermeintlich vereinfachten Sprechweise, mit der Muttersprachler sich an Sprecher mit lernersprachlichen Defizi-

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ten wenden. Anstelle einer leichteren sprachlichen Verständigung dient die Markierung Hinnenkamp zufolge jedoch insbesondere der Markierung sozialer und kultureller Differenz sowie damit einhergehenden Machtungleichgewichten (Hinnenkamp 1987). Dennoch ist auch diese sprachliche Strategie kontextbedingt frei einsetzbar und instrumentalisierbar. So zeigt beispielsweise Grancea (2010), wie auf diese Weise auch interethnische Solidarität konstruiert werden kann. Im Zuge einer Auseinandersetzung mit dem Konzept der Membership Categorization Device (MCD) wird einmal mehr die Problematik des Umgangs mit Kontexten und Kontextualisierungen thematisiert, zu der die Ethnomethodologie gewissermaßen ein entschieden zwiegespaltenes Verhältnis pflegt. Harvey Sacks als einer der Begründer der ethnomethodologischen Konversationsanalyse (Sacks 1974) fordert im Zuge der Einführung der Membership Categorization Analysis eine proper description (Day 1994: 319), womit eine dem Kontext angemessene – mit Rückbezug auf den Kontext vorgenommene – Analyse und Interpretation gemeint ist. Im Sinne ethnomethodologischer Grundannahmen und Forderungen versteht sich auch die Membership Categorization Analysis als ein Forschungskonzept, das primär auf die Rekonstruktion von Sinn auf einer Mikro-Ebene konversationeller Ausschnitte ausgelegt ist. Hier bearbeitet sie ähnliches Forschungsmaterial wie die bereits zuvor im Rahmen der Ethnomethodologie vorgestellte Sequenzanalyse, die insbesondere im Sprecherwechsel, dem turn-taking innerhalb von Gesprächen einen Schlüsselrolle bei der Konstruktion von Sinn und dem Management von Konversationen gesehen hatte (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974). Eine Öffnung der Ethnomethodologie hin zur Kulturanalyse wird demgegenüber erst durch die Analyse von Kategorisierungen im Sinne der MCA denkbar. Sacks entwickelt die membership categorization device anhand des inzwischen berühmt geworden Satzpaares »The baby cried. The mommy picked it up.« (Sacks 1974: 216). Sacks sucht nach einer Erklärung dafür, dass Lesern der Zusammenhang zwischen den beiden Sätzen problemlos verständlich ist. Die mommy ist die Mutter des Babys, und sie hebt das Kind auf, um es zu trösten, nachdem es zu weinen begonnen hat. All diese Informationen sind jedoch in dem Satzpaar nicht explizit enthalten. Ein mögliches Erklärungsmodell scheint für Sacks hier die membership categorization device zu sein: Das Baby ist Mitglied der Kategorie der Babys, die mommy ist Mitglied der Kategorie der Mütter. Beide Kategorien gehören zur übergeordneten device »Familie«. Aufgrund der Zugehörigkeit zur gleichen device erscheint Hörern und Lesern der Zusammenhang der beiden Beispielsätze verstehbar (Sacks 1974: 218f). Indem eine Person einer Kategorie einer device zugeschrieben wird, kann von einer adequate reference gesprochen werden. Eine Kategorie reicht dabei aus, weitere sind möglich, aber nicht nötig. Dies ist die economy rule (Sacks 1974: 219). Des weiteren besagt die von Sacks so bezeichnete consistency rule, dass in der Regel weitere Kategorien nach der Verwendung einer ersten konsequenterweise zur gleichen device gehören sollten (Sacks 1974: 219). Mit dem membership categories gehen darüber hinaus category-bound activities einher. Sacks versteht darunter Tätigkeiten, die Mitgliedern einer Kategorie allgemein zugeschrieben werden oder deren Ausübung teilweise sogar die Zugehörigkeit zu einer Kategorie erst legitimiert oder ausmacht. So werde beispielsweise von Babys mehr oder weniger erwartet, dass sie das Weinen als category-bound activity ausüben. Sacks liefert darüber hinaus das etwas subtilere Transkriptbeispiel eines

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Gesprächs zwischen einem männlichen Friseur und einem ihn behandelnden Psychiater. In diesem Gespräch bringen die Interaktanten Homosexualität als categorybound activity mit der Berufsgruppe männlicher Friseure in Verbindung (Sacks 1974: 221-223). Insbesondere dieses Konzept der category-bound activities scheint sich für eine Analyse von Kultur und ihren Auswirkungen auf die Interaktion, mit anderen Worten für eine Analyse der Handlungsrelevanz von Kultur in ausgewählten Kontexten zu eignen. Mit Hilfe des Konzeptes der category-bound activities ließen sich insbesondere Andersbehandlungen auf der Grundlage kulturell motivierter Differenzierungen empirisch fassbar machen. Dabei weist Stetson (1999: 80) darauf hin, dass das Wissen von Aktanten und Forschern über category-bound activities im Extremfall Stereotypisierungen gleich kommen kann. Wie fruchtbar die MCA für die Identifizierung von Andersbehandlungen sein kann, zeigt eine Studie von Garafanga (2005), nach der selbst die Sprachwahl in bilingualen Kontexten bereits als eine Andersbehandlung auf der Grundlage einer Zuschreibung zu einer Kultur sowie daraus gefolgerter Handlungsrelevanz angesehen werden kann. Alternative Identifizierungen kultureller Kategorisierung Auch frühere und alternative Ansätze neben der Ethnomethodologie haben bereits Möglichkeiten zur Identifizierung kulturell motivierter Kategorisierungen entwickelt und bereitgehalten. Innerhalb der interaktionalen Soziolinguistik hatte beispielsweise Gumperz (1982a) das Konzept der Kontextualisierung grundlegend angelegt, das darauf hinweist, dass situative Bedeutungen grundsätzlich auch für die Interaktanten nur angesichts eines erheblichen Kontextwissens erschlossen werden könnten. Das Konzept der Kontextualisierungshinweise wurde später insbesondere von Auer (Auer/di Luzio 1992) für die Gesprächsanalyse interkultureller Kontexte weiter operationalisiert. Auch die späteren gesprächsanalytisch fundierten Arbeiten von Koole und ten Thije (1994) bauen letztlich vorrangig auf diesen Grundannahmen auf. Auch vor dem Hintergrund diskursanalytisch fundierter empirischer Herangehensweisen können jedoch kulturelle Kategorisierungen sichtbar gemacht werden. So geht beispielsweise Yamaguchi (2005) davon aus, dass Kulturalität grundsätzlich diskursiv konstruiert wird. In seiner diskursanalytischen Studie wendet er zwar ein Verfahren an, das Jürgen Link (Link/Diaz-Bone 2006) als theoretisch uninformierten linguistischen Ansatz bezeichnen würde. Dennoch verwendet Yamaguchi Kategorien, die denen von Link stark ähneln. So entwirft er beispielsweise ein paralleles Konzept zu Links Kollektivsymbolik (Yamaguchi 2005). Für den Begriff der Ethnizität zeichnet Day (1994) die diskursive Konstruktion der gegenseitigen Zuschreibungen nach. Day zeigt am Beispiel schwedischer Schichtarbeiter, die sich mit Kurdish cleaner und Swedish foremen bezeichnen, dass sich hier ein Institutionalisierungsprozess in Gang gesetzt hat, vor dessen Hintergrund die ethnische Bezeichnung konventionalisiert worden ist.13 Aus theoretischer

13 Day zeigt an einem Transkriptbeispiel eines Gesprächs von Firmenmitarbeitern in Schweden, wie diese erörtern, welches Essen im Rahmen einer anstehenden Mitarbeiterfeier serviert werden soll. Einer der Interaktanten meint, die Belegschaft sei multiethnisch, und daher sollte auch das Essen multiethnisch sein: Entweder etwas, was alle essen, oder von jeder ethnischen Küche et-

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Sicht spricht Day dabei von einem Kreisschluss aus Ursache und Wirkung: Die Interaktanten verfügen über bestimmte ressources, vor deren Hintergrund sie social activities vollziehen. In den ressources wird die ethnische Zugehörigkeit/Identität erkannt, und in den social activities wird sie reproduziert, so das eines das andere bedingt und produziert (Day 1994: 319-320). Trotz seiner sehr fundierten ethnomethodologischen Verortung leistet sich Day insbesondere im Rahmen seiner Interpretationen jedoch einige inkonsequente Schritte, bei denen er seine eigenen theoretischen Voraussetzungen hinter sich lässt. So ist es im Forschungsdesign von Day grundsätzlich immer noch der Forscher, der die Reaktion der Interaktanten deutet. Day interpretiert in seinem Fall eine als zurückgenommene oder verhaltene Reaktion von Interaktanten dahingehend, dass die Zurückhaltung der Interaktanten darauf hinweise, dass hier erst unterschiedliche Entwürfe von Ethnizität tastend ausgehandelt werden müssten. Aus einer kritischen Sicht kann Day nur schwer das Gegenteil oder eine alternative Deutung nachgewiesen werden, aber die eigene Interpretation Days erscheint durchaus vage. Murakami (2001) geht in seiner Studie auf US-amerikanische Kriegsveteranen ein, die von ihrer Gefangenschaft im Zweiten Weltkrieg in Japan berichten. In den Gesprächen in Gruppendiskussionen konstruieren sie Reis als Hauptnahrungsmittel als membership category. Japaner können den Reis schmackhafter und verträglicher zubereiten als die Amerikaner selbst. Außerdem stehen unterschiedliche Qualitäten von Reis zur Verfügung. Die Zuteilung von Reis und damit die Ethnifizierung der Personen bezeichnet Murakami als Konstruktionsprozess von Kultur. Er merkt an, dass Nahrungsmittel hierzu sehr häufig verwendet werden – was ja auch in der Studie von Day (1994) der Fall ist.

Kultur als Gegenstand diskursiver Konstruktion Während im Zuge der interaktionistischen Wende bereits davon ausgegangen worden war, dass potentielle kulturspezifische Inhalte nur qua Interaktion und Konstruktion zustande kommen, gehen spätere Arbeiten noch einen Schritt weiter: Sukzessive wird daran gearbeitet, auch Kultur und den Kulturbegriff selbst als Gegenstand diskursiver Konstruktion zu erfassen. Auch dieser Dekonstruktion wurde sich schrittweise angenähert: Beispielsweise kann das Verständnis kultureller Grenzziehungen als Konstruktion als einer der ersten Bestandteile einer vollständigen Dekonstruktion des Kulturbegriffs verstanden werden.

was. Day folgert daraus, dass für den Sprecher Ethnizität sich offenbar durch die nationale Herkunft der Personen definieren lässt. Dies ist sein subjektives Verständnis von Ethnizität. Die beiden weiteren Personen, die in der Interaktion anwesend sind, reagieren nach Days Interpretation zögernd. Day ist der Ansicht, dass sie nicht einverstanden sind mit a) der Gleichsetzung von Ethnizität mit nationaler Herkunft, b) der Tatsache, dass Ethnizität sich auf die Wahl des Essens auswirken sollte und c) dass vor diesem Hintergrund der adäquate Umgang mit dem Problem darin besteht, etwas zu finden, was alle gern essen (im Gegensatz zu der alternativ erarbeiteten Lösung, von allem etwas zu bieten) (Day 1994: 320-322).

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Die Arbitrarität kultureller Grenzziehungen Bereits vergleichsweise früh hatten die Sozialwissenschaften das Phänomen kultureller Grenzziehungen als Resultat sozialer Konstruktion entlarvt. Als grundlegend dürfen hier die ethnologischen Überlegungen von Frederik Barth (1969b) gesehen werden. An zahlreichen Beispielen lässt sich verdeutlichen, dass die in hegemonialen Diskursen gezogenen Grenzen zwischen Kulturen auf einer willkürlichen Auswahl von Unterscheidungskriterien beruhen, die in der Realität mit zahlreichen weiteren möglichen Unterscheidungskriterien konkurrieren. Grundlegende Überlegungen hierzu hatte Benedict Anderson (1991 [1983]) in Vorbereitung auf sein Konzept der imagined communities entwickelt. In der sozialwissenschaftlichen Erforschung sozialer und territorialer Grenzen hat sich das Konstruktionsverständnis des eigenen Gegenstands längst etabliert (Johnson/Michaelsen 1997). Differenz jenseits von Dichotomisierungen Spätestens seit der Jahrtausendwende sind auf dieser Grundlage Überlegungen vorzufinden, die sich mit der kulturellen Konstruktion von Kultur selbst auseinandersetzen (Hongladarom 2001). Ein weiterer Schritt zu einem reinen Konstruktionsverständnis von Kultur bestünde nun in dem Versuch, sich von der Einschränkung auf dichotomisierende Differenzverständnisse bei der Konzeption kultureller Differenz zu lösen. Die Tendenz zur Dichotomisierung wohnt einer Vielzahl von Kulturverständnissen inne und verweist zurück auf deren menschlichen Konstruktionscharakter. So gehen Dreher und Stegmaier (2007b) aufbauend auf dem Bereich der Wissenssoziologie davon aus, dass Menschen bereits aufgrund kognitiver Einschränkungen grundsätzlich nicht in der Lage sind, ein dichotomisierendes Denken zu überwinden. Selbst theoretischen Konzepten, die sich gerade die Transzendierung dieser Begrenztheit von Kulturbegriffen zum Ziel setzen, kann dies demnach nicht gelingen. So rekurriert beispielsweise das Konzept der Transdifferenz (Leyton/Erchinger 2010) ebenfalls weiterhin auf ein binäres Differenzkonzept. Auch der Versuch, sich von dieser Binarität zu emanzipieren, gesteht bereits dessen Existenz ein und bestärkt diese. Die gedankliche Konzeption eines subjektbasierten Kulturverständnisses kann an dieser Stelle eine Alternative und einen Ausweg aus der Binarität eröffnen. Individuen als Ausgangspunkt nehmend entsteht so ein Konzept, das davon ausgeht, dass Individuen je ihr genuin eigenes Kulturkonzept selbst konstruieren. Die Kulturverständnisse einzelner Individuen mögen einander dabei teilweise mehr, teilweise weniger ähneln, was auf die Teilnahme an gemeinsam geteilten Diskursen zurückzuführen ist. Grundsätzlich wird jedoch von genuin individuellen und einzigartigen Konstruktionen ausgegangen. Theoretische Ausgangsüberlegungen zu einem solchen Konzept lassen sich in einem Spannungsfeld aus Schulen wie denen der Cultural Studies, des Dekonstruktivismus sowie diskurstheoretischen Positionen zur Performativität intersubjektiven Handelns entwickeln. Erste Verwendungen des Begriffs der Performativität interkulturellen Handelns finden sich in Überlegungen von Mae (2003) zur Begriffsfindung im Falle interkultureller Kompetenz. Da Mae den Begriff der Kompetenz angesichts einer Betrachtung interkultureller Kommunikation für wenig zielführend hält, schlägt er das Performanzkonzept als Gegenpol zu einem Kompetenzverständnis vor. Demnach bezeichnet die Performanz das tatsächlich er-

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brachte Handeln in interkulturellen Kontexten, wohingegen der Kompetenzbegriff normative Orientierungen konnotiert. Neben Hybriditätskonzepten in der Folge auf Bhabha (1994), die in ihrer Weise versuchen, das Dichotomieprinzip zwar nicht zu leugnen, aber doch zu entwerten, favorisieren jüngere Arbeiten aus dem Bereich der Wissenssoziologie wiederum die Arbeit mit angenommenen Differenzen. Als entsprechende Plädoyers dürfen die ausführliche Auseinandersetzung mit Bedingungen des Kulturvergleichs von Srubar et al. (2005) sowie die Stellungnahme von Hagenbüchle (2006) dienen. Ein Beispiel für eine ebenfalls nicht grundlegend binär gedachte Konstruktion von Kulturverständnissen findet sich im Rahmen einer Studie von Riad (2005), die sich aus einer diskursanalytischen Sicht mit dem Konstrukt der Organisationskulturen beschäftigt. Riad verweist zunächst darauf, dass im Fall von Firmenfusionen und –kooperationen insbesondere ihr gelegentliches Scheitern auf das Vorliegen zu unterschiedlicher Organisationskulturen zurückgeführt wird. Die Annahme, dass solche Organisationskulturen existierten und dass diese eine hohe Partikularität aufweisen, habe sich Riad zufolge bereits in Form eines Wahrheitsregimes etabliert, das durch unterschiedliche Diskursformationen gestützt werde. Hier werden die zugrunde liegenden Kulturverständnisse sehr relativistisch und partikular gedacht, so dass zumindest die Möglichkeit einer Dichotomie nicht im Vordergrund des Konzepts steht.

Andersbehandlung und Diskriminierung Verabschiedet man sich von dichotomisierenden Verständnissen kultureller Differenz, so muss stattdessen mit offenem Ergebnis danach gefragt werden, wie und auf welche Weise Individuen ihre Handlungsentscheidungen gegenüber Interaktionspartnern, die sie aufgrund ihrer eigenen subjektiven Konstruktionen eines Kulturverständnisses als fremdkulturell einstufen, modifizieren. Gefragt wird demnach nach Formen der Andersbehandlung auf der Grundlage subjektiv konstruierter kultureller Differenz. Inwieweit Individuen vor diesem Hintergrund über ihr Handeln frei entscheiden können, bzw. inwieweit sie stattdessen mehr oder weniger starren Regeln folgen, kann darüber hinaus offen diskutiert werden. So unterstellt beispielsweise Fredrik Barth im Rahmen seiner eigentlich grundlegend konstruktivistisch ausgelegten Theorie zur Beschreibung kultureller Grenzen und Identitäten, dass Individuen auch in interkulturellen Kontaktsituationen grundsätzlich klar vorgegebenen Regeln folgen. Interkulturelle Kontaktsituationen sind demnach nicht dadurch zu charakterisieren, dass betroffene Individuen für diese Situationen nicht bereits über Verhaltensroutinen verfügten, an denen sie sich orientieren könnten. Sie werden demnach nicht mit einem regelfreien Raum konfrontiert, der seinerseits Verunsicherung auslösen könnte. Barth begründet diese Überlegungen mit einem Rekurs auf Goffman: »Thus the persistence of ethnic groups in contact implies not only criteria and signals for identification, but also a structuring of interaction which allows the persistence of cultural differences. The organizational feature which, I would argue, must be general for all inter-ethnic relations is a systematic set of rules governing inter-ethnic social encounters. In all organized so-

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cial life, what can be made relevant to interaction in any particular social situation is prescribed (Goffman 1959)« (Barth 1969b: 16).

Über die Art und Beschaffenheit von Andersbehandlungen im interkulturellen Kontakt liegen bislang insbesondere aus den Sprachwissenschaften detailliertere Operationalisierungen vor. Im Bezug auf interkulturelle Kontaktsituationen wird in der Forschung vielfach auch der ebenfalls zutreffende Begriff der Diskriminierung für dasselbe Phänomen verwendet. Der Begriff der Andersbehandlung betont dabei jedoch noch einmal mehr die prinzipielle Offenheit der Form der Modifikation interpersonalen Handelns. Beschreibungen dieser Andersbehandlungen, die sich dabei auf eine Kontrastierung gegenüber einer vermeintlichen Normalbehandlung stützen, sollen hier bewusst vermieden werden. Für die Sprachwissenschaften hat beispielsweise Reisigl (2007) einen Überblick in Form eines Handbuchartikels vorgelegt, in dem er unterschiedliche Formen der Verbalisierung von sozialer, bzw. ethnischer Diskriminierung voneinander unterscheidet und auf diese Weise einen umfassenden und soliden Rahmen für den Begriff liefert. Insbesondere für die textlinguistisch basierte Kritische Diskursanalyse in ihren unterschiedlichen Traditionen nach van Dijk (1987), Fairclough (1992) oder auch Wodak (1995) gehört darüber hinaus die Untersuchung verdeckter und offener sprachlicher Diskriminierungsformen zum traditionellen Forschungsinteresse. Mit dieser Fokussierung qualifizieren sich die kulturwissenschaftlich interessierten Sprach- und Textwissenschaften in der Tat gegenüber soziologisch orientierten Herangehensweisen aus den Sozialwissenschaften. So streicht Tileaga (2006) heraus, dass in den Sozialwissenschaften jenseits einer sprach- oder kommunikationswissenschaftlichen Ausrichtung soziale Ungleichheiten meist als bereits gegeben angesehen werden, wenn sie untersucht werden. Von Interesse ist dabei weniger die Gestalt des permanenten kommunikativen Vollzugs von Diskriminierung auf einer Mikro-Ebene als vielmehr der Umgang mit sozialer Ungleichheit auf einer Makro-Ebene. Während sich die diskursanalytisch orientierte Sprachwissenschaft traditionell eher mit der Analyse schriftlicher Textsorten befasst hat, bleibt demgegenüber die Frage nach einer adäquaten Herangehensweise an gesprochene Sprache und synchrone, unmittelbare oder auch medienvermittelte Interaktion weiterhin offen: Angesichts der Annahme, dass Individuen grundsätzlich über mehr oder weniger bewusste, individuelle und subjektiv konstruierte Kulturverständnisse verfügen, könnte ein erster, unmittelbare Impetus darin bestehen, Probanden im Rahmen von Interviews einfach nach diesen Kulturverständnissen explizit zu befragen. So haben beispielsweise Weisinger und Salipante (2000) Firmenmitarbeiter in Kontexten internationaler Firmenzusammenschlüsse mit Hilfe narrativer Interviews nach ihrer Einschätzung der Rolle von Kulturen und kulturellen Unterschieden in der internationalen Zusammenarbeit befragt. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Kulturwissen sehr individuell und vor allem immer situationsspezifisch ist. Es bezieht sich nicht auf Kultur im Allgemeinen, sondern immer auf bestimmte Kulturrelationen. Darüber hinaus ist es einzugrenzen auf die individuellen Erfahrungskontexte. Kritisch zu betrachten ist hier jedoch die vergleichsweise geschlossene Fragestellung, mit der den Befragten bereits nahe gelegt wird, dass kulturelle Differenzen existieren und dass diese Differenzen eine Auswirkung auf ihr eigenes Handeln oder ihr Umfeld haben könnten. Selbst wenn die Probanden diese Einschätzung vorher nicht geteilt haben

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sollten, würden sie spätestens im Interview dazu aufgefordert, über mögliche Zusammenhänge nachzudenken und eine schlüssige Einordung vor dem Hintergrund der interviewerischen Vorgaben zu liefern. Um tatsächlich vorliegende subjektive Konstruktionen von Kulturverständnissen erfassen zu können, wäre stattdessen eine offene Fragerichtung empfehlenswert, in der die Eventualität von Kultur gar nicht erwähnt wird, sondern die Interpretation ihres Umfelds möglichst weitgehend dem Probanden selbst überlassen wird. Studien, in denen nach bereits vorgegebenen möglichen Einstellungen gegenüber Kultur sowie dem Umgang mit Interkulturalität gefragt wird, sind insbesondere in der quantitativ und psychologisch dominierten Entsendungsforschung bereits Legion. Hierzu zu rechnen ist beispielsweise das Beschreibungsinstrument des Developmental Model of Intercultural Sensitivity (DMIS) nach Bennett (1986) sowie dessen Operationalisierung für Trainingszwecke durch Hammer (1999). Darin geben die Autoren sechs aufeinander aufbauende Stufen kultureller Sensibilität sowie jeweils dazugehörige Einstellungsmuster und Verhaltensweisen vor, alle Stufen werden bereits im Hinblick auf die damit einhergehende kulturelle Sensibilität bewertet. Ein Raum für das Eingeständnis der Möglichkeit völlig individueller Konstruktionen kultureller Differenz sowie die Möglichkeit, diese präzise zu erforschen und zu beschreiben, werden hier nicht vorgesehen. Auch in jüngerer Zeit erscheinen immer wieder Abfragen zur Einstellung von Probandengruppen gegenüber ausgewählten Aspekten von Kultur und Interkulturalität – auch in kulturvergleichender Perspektive. Genannt werden kann hier beispielsweise die Studie von Pichler (2012), der die kulturelle Aufgeschlossenheit (vgl. open-mindedness) von Probanden in unterschiedlichen Kontexten miteinander vergleicht. Auch Dandy und Pe-Pua (2010) fragen beispielsweise Einstellungen gegenüber dem Konzept des Multikulturalismus in mehreren Regionen Australiens ab. Die Möglichkeit einer Sichtbarmachung oder auch nur eines Eingeständnisses der Möglichkeit völlig individueller Konstruktionen des Gegenstands von Kultur und Interkulturalität werden hier jedoch durch eine groß angelegte Forschungstradition systematisch unterbunden.

D IE V IELFALT

DER

D IFFERENZBEGRIFFE

MIT

K ULTURBEZUG

Eine zusätzliche Variable in die Konstruierbarkeit kultureller Differenz bringt die Begriffsvielfalt ein, mit der sich soziale Grenzziehungsmechanismen beschreiben lassen. Schon aufgrund dieser Begriffsvielfalt, die sich durch die globale Vielsprachigkeit noch erheblich potenziert, muss im Fall einer Befragung oder Erhebung subjektiver Kulturverständnisse letztlich unklar bleiben, unter welchen Begrifflichkeiten sich individuell relevante Differenzierungen und Grenzziehungen eigentlich verbergen. Um eine globale Frage nach dem Umgang mit Kultur und Interkulturalität anstoßen zu können, müsste demnach immer erst ein Klärungsprozess darüber stattfinden, unter welchen Begriffen und im Rahmen welcher gesellschaftlicher Kontexte relevante Differenzierungen überhaupt angesiedelt sind. Diese Problematik erscheint bislang nicht einmal ansatzweise vollständig erforscht zu sein. Einen kleinen Einblick in die sofort auftretende Salienz der Thematik bietet die Studie von Haines (2007), der in die USA eingereiste Migranten nach ihrer

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ethnischen Zugehörigkeit befragt hat. Beantwortet wurde diese Frage Haines zufolge vielfach gar nicht mit ethnischen Einordnungen. Stattdessen wurden häufig Zuordnungen zu einer Religion oder Rasse, bzw. einer die ethnische Zugehörigkeit überlagernden Nationalität vorgenommen. Dringend erforderlich wäre demnach bei einer Ergründung subjektiver Kulturverständnisse vorab der Eintritt in einen akademischen interkulturellen Dialog (Thomas 2008) über die in Frage kommenden Begriffe und deren Bedeutungsräume. Dass die Frage nach der Relevanz von Kultur und kultureller Differenz jedoch auch in akademischen Diskursen, die auf dieser Ebene bewusst einen Kulturvergleich anstreben, unterschiedlich, bzw. nicht aufeinander Bezug nehmend beantwortet wird, zeigt eine Sammlung von Beiträgen in dem von Deardorff (2009) herausgegebenen Handbook of Intercultural Competence: Deardorff möchte der Kulturspezifik der Konzepte interkultureller Kompetenz Rechnung tragen und versammelt daher Beiträge, die die jeweilige Sicht auf die Thematik jeweils aus der Perspektive einer von mehreren ausgewählten kontinentalen Großregionen spezifizieren und zusammenfassen sollen. Die Antworten fallen dabei jedoch so divers und teilweise auch eurozentrisch aus, dass eine Verständigung auf gemeinsame Begrifflichkeiten nicht in Aussicht steht. Als Herausgeberin versucht Deardorff selbst, aus der Diversität ein vereinendes Resümee zu ziehen und kommt zu dem Schluss, dass interpersonale Beziehungen sowie die Berücksichtigung von Kontexten, in denen Interaktionen stattfinden, offenbar global als relevant und zentral für die Beschreibung interkulturell kompetenter Umgangsformen eingeschätzt werden. Dass diese Rahmenbedingungen im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners eventuell für die Schaffung einer Grundlage für einen globalen interkulturellen Dialog zu gering sein könnten, scheint Deardorff jedoch nicht zu befürchten. In den folgenden Abschnitten sollen einige potentiell benachbarte Begriffe aus dem deutsch- und englischsprachigen Sprachgebrauch ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit exemplarisch angesprochen werden, in deren Rahmen möglicherweise ebenfalls Konstruktionen von und Andersbehandlungen aufgrund von kultureller Differenz begrifflich erfasst werden können.

Diversität und diversity Der Begriff der Diversität und sein englischsprachiges Pendant der diversity sind ein geradezu prototypisches Beispiel für die Verlagerung und Verschiebung von Begriffen innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation: Von beiden Begriffen ist erst seit ungefähr 20 Jahren im Bereich der Forschung zur interkulturellen Kommunikation die Rede. Mit den Begriffen wird eine zusätzliche Reflexionsebene konnotiert, gemäß der anerkannt werden soll, dass grundsätzlich eine Vielzahl möglicher Dimensionen sozialer Grenzziehungen existiert. Hierzu zählen neben ethnischkulturellen Zugehörigkeiten hauptsächlich auch die Kategorien Alter und Geschlecht. Ein selektiver Bestandteil der Thematiken, die bis dato unter dem Begriff der interkulturellen Kommunikation bearbeitet worden waren, wurden demnach schrittweise in das Feld von Diversität und diversity ausgelagert. Eriksen untersucht mögliche innovative Besonderheiten des Begriffs diversity und stellt ihn zu diesem Zweck dem englischsprachigen Terminus difference gegen-

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über. Eriksen beleuchtet vor allem die normative Aufladung der Begriffe diversity und difference (Eriksen 2006). In den meisten Fällen werden demnach mit diversity inhaltlich beschreibbare Unterschiedlichkeiten zwischen ethnischen Gruppen beschrieben, die meist oberflächliche Lebensgewohnheiten und Stile betreffen. Politisch erwünscht ist hier ein Erhalt dieser Unterschiedlichkeit, sie gilt es zu bewahren und zu pflegen. Mit dem Begriff difference dagegen werden bedrohliche und unerwünschte inhaltliche Aspekte von Unterschiedlichkeit benannt. Dabei erscheint es für Eriksen interessant, darauf hinzuweisen, dass die beiden Begriffe in diesen beiden Bedeutungen im öffentlichen Diskurs auch konsequent getrennt für die beiden Bedeutungen verwendet werden (Eriksen 2006: 14). Auch ein lediglicher Perspektivenwechsel, der mit der Einführung eines neuen Begriffs eingeleitet wird, kann jedoch fruchtbare neue Einblicke generieren. Nicht nur die Gegenüberstellung mit dem Begriff der difference ist hier zu nennen, wobei es zwischen den beiden Begriffen um eine angenommene gegenseitige Ablösung geht. Auch Begriffe, die zunächst in einer weniger deutlichen Relation zum Begriff der Diversität stehen, können hier in ein Verhältnis gesetzt werden: Jandok (2009) schlägt beispielsweise vor, den Begriff der Diversität als Gegenstück zum Begriff der Institution zu verstehen und auf diese Weise eine völlig neue Herangehensform auf der Ebene wissenschaftlicher Paradigmen zu wagen. Jandok exemplifiziert diese Sichtweise mit Hilfe eines konversationsanalytischen Instrumentariums.

Ethnizität Insbesondere in der angelsächsischen akademischen Publikationslandschaft wird zunehmend der Begriff der Ethnizität (ethnicity) verwendet, um auf Merkmale zu rekurrieren, die vormals unter dem Begriff der kulturellen Zugehörigkeit subsumiert worden waren. Einen Überblick über die Verwendung des Begriffs in der psychologischen Forschung hat jüngst Zagefka (2009) vorgelegt. In der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung zur interkulturellen Kommunikation scheint der Begriff der Ethnizität im Allgemeinen primär dann bevorzugt zu werden, wenn es darum geht, den Konstruktionscharakter sozial, kulturell, bzw. ethnisch motivierter Differenzierungen zu betonen. So rekurriert beispielsweise in den Sprachwissenschaften bereits Moerman (1974) aus ethnomethodologischer Sicht auf Ethnizität als Kategorie, und auch Day (1994) schreibt die Rekonstruktion ethnisch motivierter Kategorisierungen in der Gesprächsforschung fort. Daneben kommt der Begriff der Ethnizität besonders häufig in der USamerikanisch basierten Forschung zu territorialen Grenzen zum Einsatz, was wiederum auf die größtenteils im Bereich der literaturwissenschaftlich informierten Sozialwissenschaften vorzufindenden Wurzeln dieses Themengebiets zurückzuführen ist. Wesentliche und exemplarische Autoren, die sich insbesondere auf eine Auseinandersetzung mit der Situation an der US-mexikanischen Grenze konzentrieren und den Begriff der Ethnizität als zentrale Kategorie installieren, sind Michaelsen und Johnson (1997). Für die Region Europa ist darüber hinaus Thaler (2001) zu nennen, für allgemeine Überlegungen Rampton (1995) und Stuart Hall (1986).

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Grenzziehung und Separierung Konstruktivistische Ansätze, die sich mit Aspekten kulturell motivierter Differenzierung auseinandersetzen, tendieren vielfach dazu, den Aspekt der Kulturalität gleich vollständig auszublenden, da er häufig aus ihrer Sicht für das daraus resultierende soziale Handeln keine Relevanz hat. Sichtbare Auswirkungen auf das Handeln von Individuen zeigen sich stattdessen aus der Sicht zahlreicher Studien in Form von Grenzziehungen und Separierungen. Insbesondere Ansätze aus der Wissenssoziologie, wie beispielsweise die Beiträge von Leyton und Erchinger (2010) oder auch die Texte aus dem Band von Dreher und Stegmaier (2007b) zementieren dabei zunächst die Annahme, dass (vor allem binäre) Grenzziehungen und Differenzierungen von Menschen nicht überwunden werden können. Auch das wissenssoziologische Konzept der Transdifferenz scheint insbesondere zur Bewältigung des theoretischen Dilemmas zwischen nicht auflösbarer Differenzorientierung gegenüber Ideen der Hybridisierung und der Transzendierung von Grenzen erdacht worden zu sein (Ha 2009). Über die reine Feststellung von Dichotomisierungen hinaus liegen aber auch Arbeiten vor, die versuchen, Grenzziehungen in ihrer Qualität zu beschreiben. So wertet beispielsweise Buttny (1999) Reflexionsgespräche amerikanischer Studenten im Nachgang zu einem Dokumentationsvideo über Rassentrennung an amerikanischen Universitäten aus. Herausgestellt werden dabei die Qualität und die qualitative Begründung der besprochenen Grenzziehungen. Dennoch bleiben die Probanden in ihren Aussagen unreflektiert innerhalb des Kulturdispositivs gefangen. Ihnenzufolge werden ethnische Grenzziehungen aufgrund der Existenz unterschiedlicher Mentalitäten und auf freiwilliger Basis vollzogen.

Interkulturelle Kompetenz Vielfach synonym mit dem Begriff interkultureller Kommunikation wird der Begriff der interkulturellen Kompetenz verwendet. Insbesondere aufgrund seiner Konnotationen einer besonderen Anwendungsorientierung erfreut sich der Begriff interkultureller Kompetenz in Anwenderkreisen außerhalb der Forschung besonderer Beliebtheit. Er erhält daher umso mehr Aufmerksamkeit, die nicht zuletzt auch aus akademischen Kreisen bedient wird. Im deutschsprachigen Raum hat Alexander Thomas zuletzt eine reflektierte und weit ausholende Debatte um den Begriff angestoßen (Thomas 2003). Für den englischsprachigen Raum liegt jüngst das SAGE Handbook of Intercultural Competence (Deardorff 2009) vor, dessen Einleitung tatsächlich eine beachtliche Übersicht und Systematisierung von Modellen zur interkulturellen Kompetenz anbieten kann (Spitzberg/Changnon 2009). Während im deutschsprachigen Raum bereits in den Vorjahren mehrere umfangreiche Handbücher zum Themenfeld interkultureller Kommunikation erschienen waren, wie beispielsweise die Sammelwerke von Wierlacher (Wierlacher/Bogner 2003), Straub (2007) oder Thomas (2005), finden sich für den angelsächsischen Raum zwar ohne Frage unzählige Werke zur interkulturellen Kommunikation. Deardorff (2009) behandelt die Thematik jedoch erstmals in derartigem Umfang und mit einem derartigen Anspruch auf Vollständigkeit. Frühere Ansätze aus der angelsächsischen Forschung liegen dabei bei-

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spielsweise von Wiseman (2002) vor. Dabei wird anstelle interkultureller Kommunikation von Beginn an der Aspekt der Kompetenz in den Vordergrund gerückt. Was zunächst nur als eine begriffliche Verschiebung mit dem Ausmaß geringfügiger Perspektivwechsel erscheinen mag, kann jedoch auch zu einer Vernachlässigung einer ergebnisoffenen Erforschung interkultureller Kommunikation führen. So beschäftigt sich die Forschung zur interkulturellen Kommunikation zunächst mit einer wertfreien Beschreibung von Interaktionen und Handlungsabläufen, die in Kontexten stattfinden, denen von einem relevanten Akteur (und sei es dem Forscher selbst) eine kulturell bedingte Beeinflussung zugeschrieben wird. Fink (2003) weist hier darauf hin, dass sich die Untersuchung interkultureller Kommunikation im Grunde zunächst mit einer Performanz im Sinne einer tatsächlich stattfindenden Interaktion in interkulturellen Kontexten beschäftigt. Der Themenbereich der interkulturellen Kompetenz braucht sich demgegenüber eigentlich gar nicht für die tatsächliche Performanz zu interessieren, in ihm wird eine normativ aufgeladene Zielorientierung darüber formuliert, wie interkulturellen Kontaktsituationen in einer gesellschaftlich erwünschten Form begegnet werden sollte. Dabei muss jedoch eingeräumt werden, dass sich auch diese normativen Konstruktionen erst auf der Grundlage von und als Antwort auf Realitäten und Praxen formulieren lassen, von denen man zuvor festgestellt hat, dass sie gesellschaftlichen Normvorstellungen nicht entsprechen.

Organisationskultur Vielfach wird davon ausgegangen, dass Organisationen, wie beispielsweise Wirtschaftsunternehmen, intern eigene Kulturen ausprägen. Die interkulturelle Managementforschung deutet diesen Umstand meist so, dass aufgrund von ethnischkultureller und zugleich organisatorisch-kultureller Diversität und Differenz eine erhöhte Komplexität gegenüber einfachen Grundannahmen der Forschung zur interkulturellen Kommunikation entsteht. An anderen Stellen nehmen Autoren an, dass Organisationskulturen und ethnische Kulturen miteinander konkurrieren. So wird vielfach beispielsweise Geert Hofstede (1980) unterstellt, seine Forschungsergebnisse könnten lediglich als Einblicke in diverse Organisationskulturen des global operierenden Unternehmens IBM verstanden werden, da Hofstede seine Befragung nur innerhalb dieser Organisation durchgeführt habe. Rückschlüsse auf ethnische oder nationale Kulturen seien demgegenüber nicht haltbar. Aus diskurstheoretischer Sicht scheint jedoch dem Phänomen der Organisationskulturen ein mindestens ebenso gefestigter Dispositivcharakter unterstellt werden zu können wie dem Dispositiv interkultureller Kommunikation. Riad (2005) hat für die Managementforschung beispielsweise herausgefunden, dass bei internationalen Unternehmenszusammenschlüssen und -übernahmen inzwischen fest von der Existenz unterschiedlicher Organisationskulturen ausgegangen werde. Riad spricht hier von einer Diskursformation, die den Diskurs um Firmenzusammenschlüsse derart vorgibt und determiniert, dass in der Praxis auftretende oder wahrgenommene Probleme vielfach ohne weiteres Hinterfragen auf kulturelle Unterschiede zurückgeführt werden. Mehr noch: Vielfach wird sogar erwartet und damit gerechnet, dass es bei Firmenzusammenschlüssen zu Schwierigkeiten sogar kommen müsse, da grundsätzlich unterschiedliche Organisationskulturen aufeinandertreffen.

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Friedman und Berthoin Antal (2005: 70-72) sehen den Ursprung und den Ausgangspunkt der Erforschung interkultureller Kommunikation in der Erforschung von Organisationskulturen. Erst in diesem Rahmen sei die Aufmerksamkeit einer modernen anwendungsorientierten Forschung überhaupt erst auf den Bereich interkultureller Kommunikation gerichtet worden. Friedman und Berthoin Antal begründen damit auch das permanent fortgeführte wissenschaftliche Interesse an Organisationskulturen und die häufig zusammenfallende Betrachtung mit ethnisch-kulturellen Differenzen. Aktuelle Retrospektiven sehen Ursprünge interkultureller Forschung darüber hinaus fast ausschließlich innerhalb organisationaler Kontexte angesiedelt. Mehrere Quellen, wie beispielsweise Dahlén (1997: 33) sowie Harrison und Hopkins (1967: 431-432) sehen die Anfänge moderner Forschung zur interkulturellen Kommunikation namentlich in den Kontexten militärischer Organisationen: So erforschten und berieten Interkulturalisten ihnenzufolge erstmals systematisch das American Peace Corps im Jahre 1961. Erst von diesen Grundlagen ausgehend wurden zunehmend auch privatwirtschaftliche Organisationen erforscht und beraten. Insbesondere in den Beratungskontexten entwickelten Autoren wie beispielsweise Schein (1992) das Konzept der corporate culture im Sinne von Unternehmenskulturen. Die interkulturelle Managementforschung, die durch die parallele Erforschung von Organisationskulturen schließlich auch gestützt und gefestigt wurde, zeigte sich ab den 1980er Jahren im Übrigen auch als einziges Anwendungsgebiet interkultureller Forschung überaus resistent gegenüber den wachsenden Zweifeln in der Kulturanthropologie gegenüber der Verwendung kulturessentialistischer Modelle, wie sie insbesondere von Autoren wie Fox (1999) und Stolcke (1995) in ihrer kritischsten Form zum Ausdruck gebracht worden waren. Friedman und Berthoin Antal (2005: 70) sowie in ähnlicher Form Moosmüller (2007b: 19) weisen darauf hin, dass die Dekonstruktion des Kulturbegriffs seitens der Kulturanthropologie sowie zahlreicher Sozialwissenschaften in der Managementforschung auch weiterhin zu großen Teilen negiert worden ist. Managementberater und Handbücher, aber auch Studien mit akademischem Anspruch hielten im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich demgegenüber häufig an essentialistischen Kulturmodellen wie beispielsweise dem Eisbergmodell fest.14 Aus dieser Sicht kann geschlossen werden, dass die Beschäftigung mit dem Phänomen der Organisationskultur das Verständnis ethnisch-kultureller Differenz sogar gefestigt hat.

Mitleid, Unterstützung und Hilfe Die Begriffe von Mitleid, Unterstützung und Hilfe weisen keinen unmittelbaren Differenzbezug auf, aber sie öffnen exemplarisch den Blick für eine Möglichkeit der begrifflichen Einordnung konstruktiven Handelns in interkulturellen Kontexten jenseits

14 Die Begründung, bzw. erstmalige Einführung und Vorstellung des Eisbergmodells können aus gegenwärtiger Sicht mehrere Quellen für sich beanspruchen. Ohne Referenz aufeinander führen Selfridge und Sokolik (1975), French, Bell und Zawacki (1978) sowie Mytrof und Kilman (1990) das Eisbergmodell ein.

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der Binarität kultureller Differenz. Bereits die Reflexion des Begriffs interkultureller Mediation (Busch 2005) hatte sichtbar herausgestellt, wie sehr sich die Forschung zur interkulturellen Kommunikation auf eine Betrachtung binärer Relationen beschränkt hatte. Mit dieser Fokussierung geht auch eine klare Verteilung der Verantwortung einher: Aus Sicht zahlreicher westlicher Konzepte sind demnach die jeweiligen Individuen selbst und allein verantwortlich für das Gelingen konstruktiver Interaktion im interkulturellen Kontakt. Gelingt ihnen dies nicht, stehen sie in der Verantwortung, entsprechende Bildungsangebote zu nutzen. Durch das Angebot interkultureller Didaktisierungen wird demnach die Selbst- und Alleinverantwortlichkeit der Individuen noch bestärkt. Die kommunikativen Problemstellungen, die von der Forschung interkulturellen Kontaktsituationen zugeschrieben werden, können jedoch durchaus auch von dritten und weiteren Personen neben denen, die sich in einer problematischen Dyade befinden, mit bearbeitet werden. Aus dieser Sicht erwächst auch für Drittpersonen eine Verantwortung zur Unterstützung und Hilfe gegenüber Individuen im interkulturellen Kontakt. Während hierzu bislang nur wenige konkrete Forschungen vorliegen,15 bietet der Blick auf Formen von Hilfe und Unterstützung im interkulturellen Kontakt noch ein erhebliches theoretisches Potential zur Ausweitung interkulturell kompetenter Handlungsmöglichkeiten. Eine wesentliche Problematik verbirgt sich hier in möglichen Motivationen oder Zweifeln gegenüber triadischen Interventionsmöglichkeiten: Erfordert eine Hilfeleistung durch Dritte grundsätzlich eine erbetene oder eine selbstinitiierte Intervention, so geht der Helfer grundsätzlich ein gewisses Risiko ein, abgewiesen zu werden, was mit einem sozialen Gesichtsverlust einhergehen kann. Welchen erheblichen sozialen Aufwand die Rechtfertigung und Ermöglichung altruistischer Handlungen in westlichen Gesellschaften kostet, denen eine hohe individualistische Orientierung zugeschrieben wird, zeigt exemplarisch eine ethnographische Studie von Blackstone (2009) über Aktivisten gegen Brustkrebs und gegen Vergewaltigungen in den USA. Blackstone zeichnet nach, dass wohltätiges Handeln in diesem Fall zunächst durch die öffentliche Generierung von Mitleid gegenüber den Opfergruppen vorbereitet werden muss, damit es letztlich auch sozial legitimiert werden kann. Auch umgekehrt besteht Legitimierungsbedarf: Hilfesuchende müssen sich durch soziale Legitimierung gegenüber einer gesichtsbedrohenden Ablehnung absichern. Auch die Bereitschaft, Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, scheint kulturell unterschiedlich ausgeprägt zu sein. So kommen beispielsweise Cohen, Guttmann und Lazar (1998) in einer Vergleichsstudie zwischen ungarischen, israelischen und US-amerikanischen Jugendlichen zu dem Ergebnis, dass in den drei Gruppen eine deutlich unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft zur Suche und Inanspruchnahme besteht. Wesentliche Einflussfaktoren auf diese Bereitschaft sind demnach einerseits große bestehende Statusunterschiede im Sinne von Machtdistanzen in einer Gesellschaft: Je größer soziale Differenzen oder auch Diskriminierungen, beispielsweise auch gegenüber Frauen, existieren, desto geringer fällt die Bereitschaft der status-

15 Als Vorarbeiten zu Busch (2005) finden sich einige sprachwissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Möglichkeit und Besonderheiten triadischer Kommunikation und Interaktion befassen (Kerbrat-Orecchioni 2004).

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niedrigeren Gruppen aus, Hilfe bei statushöheren zu suchen. Auch ein hoher Individualismusindex kann die Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Hilfe reduzieren. Das Beispiel Ungarns zeigt außerdem, dass ein sozialisiertes Misstrauen gegenüber Institutionen ebenfalls dazu führen kann, dass Mitglieder einer Gesellschaft zurückhaltend mit der Inanspruchnahme institutioneller Hilfen umgehen. Ähnliche Ergebnisse berichten wesentlich später Sherer und Karnieli-Miller (2007) am Beispiel einer Studie unter jüdischen und arabischen Jugendlichen in Israel, die danach befragt werden, unter welchen Umständen und in welchen Situationen sie sich auf welche Weise und vom wem Hilfe erbitten. Dabei haben die Autoren kulturelle Differenzen in der Präferenz für Hilfegesuche feststellen können. Doch selbst in Gesellschaften, die im Kulturvergleich als kollektivistisch eingestuft sind, scheuen Individuen tendenziell vor Bitten um Hilfe zurück: Cheung und Liu (2005) haben für den Fall chinesischer Studierender an der Universität Hong Kong eine generelle und große Abneigung gegenüber der Inanspruchnahme sozialer Hilfeleistungen im Hochschulkontext festgestellt, was aus ihrer Sicht zu einer Unterversorgung der Studierenden sowie zu einer zu geringen Auslastung der Hilfsdienste führt. Einen wesentlichen Grund für diese Zurückhaltung sehen die Autoren auch in diesem Fall in der sozialen Ächtung einer Inanspruchnahme externer Hilfe. Im Kontext der Organisationskulturen stellt Abell (1996) das Phänomen gegenseitiger Hilfeleistungen darüber hinaus in einen Kontrast zu der Möglichkeit, untereinander in Rivalität zu treten. Auf diese Weise erhält das Paradigma der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung in seiner Anwendung auf eine Modifizierbarkeit interkultureller Kontaktsituationen sogar eine zusätzliche Dimension, mit deren Hilfe unterschiedliche Handlungsstrategien unterschieden werden können. Ähnlich wie angesichts des Verständnisses von Kulturbegriffen muss jedoch auch angesichts unterschiedlicher Konstruktionen von Inanspruchnahmen von Hilfe vor Verallgemeinerungen gewarnt werden. So kritisiert Murray (2005), dass die meisten Vergleichsstudien zum Umgang mit Hilfeleistungen zwar gesellschaftliche Makrokontexte, wie beispielsweise auch kulturelle Unterschiede, in Betracht zögen. Mit eigenen Untersuchungsdaten weist Murray jedoch darauf hin, dass die Bereitschaft eines Menschen – Murray untersucht Jugendliche im Alter von 13 und 14 Jahren – zur Bitte um und zur Inanspruchnahme von Hilfe deutlich stärker von der individuellen Erfahrung abhängt als von makrosozialen Faktoren. So erhöhen beispielsweise positive und häufige Erfahrungen mit Inanspruchnahmen von Hilfe auch die zukünftige Bereitschaft hierzu. Vergleichbar mit den Überlegungen zur hohen Subjektivität von Kulturkonzepten unter Individuen, die in der vorliegenden Studie angestellt werden, scheint demnach auch die Debatte um den Umgang mit Hilfeleistungen zwischen Kollektivierungsversuchen seitens der Forschung und subjektiven Individualitätserfahrungen positioniert zu sein.

Religion, Alter und Geschlecht Die Hinwendung zum Diversitätsparadigma hat in gewisser Hinsicht zur einer Relativierung der Beschäftigung mit kultureller Differenz beigetragen. So beinhaltet der normative Diversitätsbegriff neben der Berücksichtigung kultureller Differenz eine gleichwertige Berücksichtigung jedweder weiterer Differenzdimensionen, wie bei-

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spielsweise der Kategorien von Religionszugehörigkeit, Alter und Geschlecht. Shore et al. haben hierzu anhand einer Literaturstudie versucht herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten diese Differenzdimensionen aufweisen. Als Antwort auf die Frage, ob und in welcher Hinsicht eine Zusammenfassung dieser Dimensionen unter einem Dachbegriff überhaupt zu rechtfertigen sei, berufen sich die Autoren auf die grundlegende Problemorientierung aller beteiligten Dimensionen und ihrer entsprechenden Disziplinen: Bereits vorab werde in allen Bereichen davon ausgegangen, dass das jeweilige Differenzkriterium grundsätzlich zu einer negativen Diskriminierung entsprechender Minderheiten innerhalb einer Gesellschaft führen werde. Auch aus wissenschaftlicher Sicht ließe sich diese grundsätzliche Dynamik den Autoren zufolge mit Hilfe der sozialpsychologischen Theorie der Intergruppenbeziehungen nach Tajfel (1981) begründen. Shore et al. folgern daraus, dass angesichts der Annahmen aus dieser Theorie auch davon ausgegangen werden müsse, dass Gesellschaften Grenzziehungen und Diskriminierungsmechanismen zwingend zum Selbsterhalt sowie zum Erhalt einer eigenen positiven Identität benötigten. Demzufolge muss auch davon ausgegangen werden, dass Gesellschaften grundsätzlich kein Interesse daran haben dürften, an der Auflösung ihrer eigenen Grenzziehungsmechanismen zu arbeiten, selbst wenn sie entsprechende politische Projekte, wie das des DiversityManagements propagierten. Auch hier zeigen sich demnach Parallelen zu dem Dispositiv-Verständnis interkultureller Kommunikation: Während politische Konzepte verbal propagiert werden, um sozialen Selbstverständnissen sowie einer Selbstlegitimierung gerecht werden zu können, kann es Gesellschaften nicht wirklich ernsthaft daran gelegen sein, diese Konzepte vollständig umzusetzen. Weisner (2009) sowie van Oudenhoven-van der Zee et al. (2009) haben darüber hinaus zeigen können, dass die Einstellung und die Offenheit von Individuen und Gruppen gegenüber DiversityKonzepten durchaus stark variieren können, so dass sich neben den sozial und politisch erwünschten Formen, ähnlich wie im Hinblick auf die Diversitätskategorie kultureller Differenz, sehr unterschiedliche subjektiv ausgerichtete Umgangsformen finden lassen.

D IACHRONE R ETROSPEKTIVEN AUF DIE INTERKULTURELLE F ORSCHUNG Konstruktivistische Theorien zur Beschreibung interkultureller Kommunikation können zu einer schrittweisen Annäherung an die Einsicht beitragen, dass auch der Gegenstand interkulturelle Kommunikation selbst ein gesellschaftliches und individuelles Konstrukt ist, das dennoch soziale Funktionen im Sinne eines Dispositivs erfüllt. Eine weitere Möglichkeit, den Konstruktionscharakter des Faches und des Gegenstands aufzudecken ruht in den Versuchen, die Entstehungsgeschichte einer intellektuellen Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation aus der Retrospektive zu beschreiben. Diese rückblickende Sichtweise nimmt bereits die Erwartung einer sich verändernden Debatte vorweg, ein diachroner Wandel und eine Entwicklung angesichts gesellschaftlichen Wandels wird quasi erwartet und erscheint nicht etwa irritierend. Retrospektiven legen gleichzeitig nahe, dass dem geschichtsschreibenden Autor immer auch die Möglichkeit einer selektiven und strategisch gewählten Verortung

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und Positionierung seines Gegenstands zuteil wird. So kann ein Blick in diachrone Beschreibungen des Gegenstands interkultureller Kommunikation Aufschluss darüber geben, in welchen Bereichen oder Kontexten sich gegenwärtige Autoren vorzugsweise verortet sehen möchten und welche alternativen Kontextualisierungen stattdessen ausgeblendet bleiben. Zahlreiche Retrospektiven liegen für den englischsprachigen Raum vor, wie beispielsweise von Rogers und Hart (2002). Insbesondere im deutschsprachigen Bereich finden sich zuletzt mehrere Retrospektiven. Moosmüller (2004) hat hier jüngst eine Verortung der interkulturellen Forschung in den USA vorgenommen. Rückblickend auf erste Auftragsforschungen von US-amerikanischen Kulturanthropologen vor dem Zweiten Weltkrieg verankert Moosmüller den Beginn einer anwendungsorientierten Forschung zur interkulturellen Kommunikation in den Arbeiten von Edward T. Hall, einem bis heute anerkannten, zentralen Autor des Fachs. Auch aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind Moosmüller zufolge einige militärische Auftragsarbeiten aus den USA bekannt. Nachdem Kulturanthropologen diese Arbeitsformen in Frage gestellt hatten, weil sie sich nicht hinreichend über die militärischen Verwendungszwecke ihrer Ergebnisse informiert gefühlt hatten, wurde insbesondere in der Kulturanthropologie eine entsprechende kritische Debatte geführt. Langfristig sieht Moosmüller in dieser Debatte eine Abwendung der Kulturanthropologie von Beratungskontexten jedweder Form, was bis heute zu einer gewissen Isolation von Forschern, die sich explizit mit Gegenständen interkultureller Kommunikation beschäftigen, gegenüber anderen Sozialforschern, insbesondere Kulturanthropologen, geführt hat. Eine noch ausführlichere historiographische Rekonstruktion, die jedoch die Eckdaten von Moosmüller übernimmt, liegt in der Dissertation von Haas (2009) vor. Wieviorka (2003) ordnet den Umgang mit Migrationsbewegungen sowie Verständnisse von Integration und interkulturellem Zusammenleben in nordeuropäischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg in unterschiedliche aufeinanderfolgende Epochen ein, die jeweils unterschiedliche ökonomische Kontexte sowie Erfahrungsräume im Umgang mit Zuwanderung bezeichnen. Eine noch jüngere Epoche und einen noch kurzfristigeren Wandel im Hinblick auf weltpolitische Lagen sieht Eriksen (2006) am Beispiel einer Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 in New York: »Two changes are particularly noticeable. First, there has been a shift from a sociological focus on discrimination and racism, towards a focus on repression and rights violations inside the minority communities. Second, the anthropological emphasis on cultural rights (associated with language, religious practices etc.) has been replaced almost completely by public debates regarding individual rights and choice as unquestioned values, even in extreme quantities. Freedom values replace security values, and the burden of evidence is pushed from greater society across to the immigrants themselves« (Eriksen 2006: 22).

Zusammengefasst scheint Eriksen in den westlichen Gesellschaften eine zunehmende Verteidigungs- und Abwehrhaltung zu erkennen, die anstelle von Versuchen interkultureller Verständigung und Dialogs vermehrt auf Abschirmung und Selbstschutz ausgelegt ist, so dass sich daraus auch eine Verschiebung des Forschungsfokus für den Bereich interkultureller Kommunikation ergibt. Gegenüber diesen Beobachtungen Eriksens empfiehlt sich jedoch sicherlich auch eine distanzierte und diskurskriti-

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sche Perspektive: Auch die Zwangslage, aus der heraus westliche Gesellschaften nach 2001 glauben operieren zu müssen, kann demnach als eigenkulturelle Konstruktion aufgefasst werden. Eriksens Beobachtung mag demnach als Anzeichen dafür gelten, dass Gesellschaften ihr Verständnis der Rolle von Kultur und vom Umgang mit interkultureller Kommunikation wesentlich von eigenen situativen und kontextgebundenen Bedürfnissen abhängig machen.

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ALS

D ISPOSITIV

Nach einer Sichtung von Vorarbeiten, die aus unterschiedlicher Herangehensweise eine theoretische Annäherung an den Konstruktionscharakter des Begriffs interkultureller Kommunikation schrittweise ermöglichen, und nachdem in vorherigen Abschnitten das Konzept des Dispositivs sowie dessen Anwendung auf den Gegenstand von Kultur und Fremdheit veranschaulicht worden ist, kann in einem weiteren Schritt eine Erfassung des Begriffs interkultureller Kommunikation als Dispositiv versucht werden.

Notstand und Technisierung Charakteristisch für Dispositive erscheint zunächst die Generierung eines sozialen Notstands, der in einem weiteren Schritt diskursiv so transformiert wird, dass er technisch bearbeitbar und behebbar wird (Timpf 2003: 434). Dabei wird der Notstand selbst nicht begrifflich manifest gemacht. Auch das Dispositiv interkultureller Kommunikation weist diese Strukturen auf. Auch hier treten die Beschreibung oder die explizite Benennung eines Notstands in den Hintergrund. Was genau ist angesichts interkultureller Kommunikation zu befürchten? Was würde eintreten, wenn man sich mit interkultureller Kommunikation nicht akademisch und gesellschaftlich beschäftigen würde? Anstatt sich mit diesen Fragen explizit auseinanderzusetzen, überspringt die Forschung in der Regel diesen Schritt und gestaltet selbst Beschreibungsmodelle so, dass sie im Grunde bereits Lösungsmodelle sind. Beschrieben wird in der Regel nicht, was und wie Kultur ist, sondern worin aus Kultur resultierende Probleme liegen und wie sie bearbeitet werden können. Ein Ergebnis von dieser Herangehensweise besteht (vordergründig) paradoxerweise darin, dass der Begriff der Kultur und die Frage nach deren Beschaffenheit in zahlreichen Modellen gar nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit und der präzisen Beschreibung liegen. Anstatt Kultur als Kern in den Vordergrund zu stellen und diesen so genau wie möglich zu erfassen, werden Modelle entwickelt, die gleich die technische Handhabbarkeit von Kultur in den Vordergrund stellen. Hofstedes (1980) Kulturdimensionen, aber auch zahlreiche weitere Modelle, sind ein solcher Fall, denn sie bilden eine handhabbare Grundlage zum Handeln. Durch sie ist das Problem der Kultur auf ein Schwierigkeitsniveau reduziert, dessen Bewältigung man einem normalen Menschen durchaus abverlangen kann. Eine ähnliche Funktion erfüllen didaktisierende Modelle, wie beispielsweise das Eisbergmodell oder das Zwiebelmodell von Kultur.

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Tritt der Begriff der interkulturellen Kompetenz in den Vordergrund der Publikationen zur interkulturellen Kommunikation, so ist die Ignorierung der eigentlichen Gegenstände von Kultur und interkultureller Kommunikation nicht einmal mehr inexplizit, sondern sogar im Begriff verankert. Selbst der Trend der Forschung zu konstruktivistischen Verständnissen von Kultur, die an dieser Stelle einerseits als Vorarbeiten und als Ermöglichung einer Betrachtung von Kultur als Dispositiv angeführt werden, fördert im Grunde eine Technisierung des ursprünglichen Notstands eines Dispositivs: Vom ursprünglichen Gegenstand der Kultur wird der Forschungsfokus auf die menschliche Konstruktion verschoben. Implizit wird damit auch gleich der zu verändernde und zu bearbeitende Bereich festgesteckt, der auch als veränderbar konstruiert wird: Der konstruktive Umgang mit Kultur und Interkulturalität bleibt in der Verantwortung jedes einzelnen Individuums. Selbst dann, wenn Autoren darauf abzielen, das Bewusstsein für die gesellschaftliche Instrumentalisierung des Kulturbegriffs zu erhöhen (Breidenbach/ Nyíri 2009), generieren sie damit eine Machtstruktur, die Individuen auch weiterhin zum eigenverantwortlichen Handeln in den gegebenen Strukturen verpflichtet.

Gouvernementalität verpflichtet zu interkultureller Kompetenz Der Umgang mit Kultur und kultureller Differenz ist nicht zuletzt aufgrund außenpolitischer Fragen und innenpolitischer Problemstellungen, wie beispielsweise der Frage nach dem Umgang mit Migrationsbewegungen, in vielen Fällen auch politisch beeinflusst. Nationale und internationale Politiken formulieren Handlungsanweisungen und Verpflichtungen dazu, wie mit kultureller Differenz auf unterschiedlichen Ebenen umzugehen ist. Am Beispiel des Nachhaltigkeitsdispositivs erläutert Timpf (2003: 434ff) hierzu das von Foucault ins Leben gerufene Konzept der Gouvernementalität (Foucault 2005: 171f). Mit Gouvernementalität bezeichnet Foucault eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte, denen jedoch allen gemeinsam die indirekte Ausübung eines Zwangs von Regierungen auf Individuen ist. Foucault bezeichnet damit Machtstrategien und Regierungsstrategien, die Individuen zwar nicht qua Gesetz, bzw. explizit bestimmte Handlungsanweisungen vorschreiben. Stattdessen zielen diese Strategien argumentativ darauf ab, die Selbstverpflichtung der Individuen zu einer bestimmten Handlungsform zu stärken, die dann im Sinne der Regierung ist. Für den Fall des Nachhaltigkeitsdispositivs veranschaulicht Timpf Effekte der Gouvernementalität am Beispiel des gesellschaftspolitischen Themas der Mülltrennung für Privathaushalte in Deutschland. Die gegenwärtig propagierte und größtenteils praktizierte Form der Mülltrennung ist zunächst lediglich ein Beitrag zu einer verbesserten Nutzung von Ressourcen. Die Umformulierung dieser Praxis in einen Beitrag zum Umweltschutz trägt zur Etablierung eines Dispositivs bei, in dem eine bestimmte Handlungspraxis den einzelnen Mitgliedern einer Gesellschaft normativ überantwortet wird. Betrachtet man den Gegenstand interkultureller Kommunikation in Form einer Wirkung als Dispositiv, so lassen sich vergleichbare Wirkmechanismen identifizieren: Auch der Umgang mit Kultur und Interkulturalität unterliegt wissenschaftlichen und politischen Vorgaben. Vielfach zielt eine Erfüllung dieser Vorgaben auf recht konkrete und pragmatische Zielstellungen ab: Bemühungen zur Integration von Mig-

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ranten in die bundesdeutsche Gesellschaft dienen dem Erhalt einer regierbaren Gesamtgesellschaft, die nicht durch interne Konflikte so sehr von sich selbst eingenommen wird, dass sie ihre Steuerbarkeit verlöre. Anders gelagert sind die Zielstellungen beispielsweise in privatwirtschaftlichen Unternehmenskontexten: Fordert man hier von Akteuren interkulturelle Kompetenzen ab, so werden diese indirekt dazu verpflichtet, den finanziell messbaren unternehmerischen Erfolg zu fördern. In beiden Fällen werden die jeweiligen Zielstellungen im Diskurs jedoch selten explizit oder gar an erster Stelle benannt. Stattdessen wird mit dem Begriff der interkulturellen Kompetenz quasi ein Selbstzweck generiert, der auf normativen Grundlagen basiert: Interkulturell kompetentes Verhalten – dessen jeweilige konkrete Ausprägung wie von selbst der Erfüllung der oben exemplarisch genannten Ziele dient – wird zu einer Eigenschaft, deren Erwerb und Erhalt den Individuen mit entsprechendem Nachdruck überantwortet wird.

Subjektivierungen im Dispositiv interkultureller Kommunikation Als besonders relevant für eine konkrete und empirische Analyse von Dispositiven erachtet Timpf (2003) darüber hinaus den Aspekt der Subjektivierungsprozesse in Dispositiven. Durch das Dispositiv entsteht die Möglichkeit der Einnahme unterschiedlicher Subjektpositionen, die einerseits sich alle auf das Dispositiv beziehen, andererseits aber unterschiedliche Strategien favorisieren, mit denen den Anforderungen, die aus dem Dispositiv erwachsen, genüge getan werden kann. Auf diese Weise wird ein Prozess in Gang gesetzt, durch den Individuen mit Haltungen, die oberflächlich betrachtet eine vermeintliche Gegenposition zu dem Kern des Dispositivs einnehmen, in dieses mit einbezogen werden. Für das Beispiel des Nachhaltigkeitsdispositivs, das Timpf bearbeitet, schreibt er entsprechend: »Das Verhältnis der Akteure innerhalb des Dispositivs ist nicht durch direkte Handlungsbezüge konstituiert, sondern durch den gemeinsamen Bezug auf Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist nicht einfach eine ›Rahmung‹ inhaltlicher Prozesse, sondern ist Zentrum aktueller Subjektivierungsprozesse, die entscheidend für das sind, was künftig in ökonomisch-politischen Prozessen umstritten sein kann. Dieser Bezug zeigt bei allen Unterschieden doch eine Gemeinsamkeit, nämlich das Bekenntnis zum Ziel der Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Ausblendung, bzw. Nichtproblematisierung bestimmter Aspekte« (Timpf 2003: 439).

Timpf veranschaulicht unterschiedliche Subjektivierungen innerhalb des Nachhaltigkeitsdispositivs am Beispiel der Akteure des Bundesverbands der Industrie, der Bundeskoordination Internationalismus, der Shell AG und Greenpeace. Dabei zeichnet er nach, wie die einzelnen Akteure sehr unterschiedliche Konzepte von Nachhaltigkeit konstruieren, die wiederum auf ihre Positionierung zwischen den Konzepten konkurrierender, bzw. widersprechender Akteure angewiesen sind. Auch das Dispositiv interkultureller Kommunikation ermöglicht die Konstruktion unterschiedlicher Subjektpositionen. Sie lassen sich in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen ausdrücken. Verglichen mit dem Nachhaltigkeitsdispositiv, das Timpf untersucht hat, dürfte jedoch das Dispositiv interkultureller Kommunikation in westlichen Gesellschaften eine deutlich zentralere Stellung einnehmen und von

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einem deutlich größeren Bevölkerungsanteil rezipiert zu werden. Geht man davon aus, dass interkulturelle Kommunikation als thematischer Gegenstand gesellschaftlicher Diskurse überhaupt erst durch seine Rezeption und Produktion innerhalb von Diskursen existent wird, dann ist in diesem Fall der gesellschaftliche Anteil derer, die qua Subjektivierung eine Position innerhalb des Dispositivs einnehmen, so enorm groß und vielfältig, dass eine systematische Auflistung an dieser Stelle schier unmöglich wird. Subjektivierungen im wissenschaftlichen Diskurs um interkulturelle Kommunikation lassen sich unter Umständen noch in ihren groben Zügen skizzieren, und wesentlich für das Phänomen der Subjektivierungen erscheint vor allem die Tatsache, dass vermeintlich gegensätzliche Positionen dennoch im Dispositiv vereint werden. Auch im wissenschaftlichen Diskurs finden sich bekanntlich zahlreiche unterschiedliche Positionen. Um nur einige zu nennen, sei jedoch beispielsweise darauf verwiesen, dass die seit langem geführte Debatte um universalistische gegenüber relativistischen Haltungen in der Kulturforschung zwischenzeitlich an einem Punkt angelangt ist, an dem es als Konsens gelten darf, dass zumindest beide Positionen feste Bestandteile des eigentlichen Diskurses sind. Auch werden sowohl essentialistische als auch konstruktivistische Kulturverständnisse gemeinhin als Bestandteile des Kulturdiskurses an sich akzeptiert. Selbst vermeintliche Extrempositionen, wie beispielsweise die Kulturalismuskritik, sind qua Definition als bestärkende und bestätigende Bestandteile des Dispositivs zu sehen. Im außerwissenschaftlichen gesellschaftlichen Bereich kann die Palette unterschiedlicher Haltungen gegenüber dem Gegenstand interkultureller Kommunikation noch wesentlich breiter angesetzt werden. Unterschieden werden kann sicherlich zunächst zwischen unterschiedlichen Graden der Aktivität, Involviertheit und Partizipation an gestaltenden Diskursen zur interkulturellen Kommunikation. So haben Individuen, die dem Gegenstand vermeintlich gleichgültig und passiv gegenüberstehen, bereits aufgrund ihrer Rezeption des Diskurses eine formulierbare Haltung gegenüber dem Gegenstand. Gleiches gilt selbstverständlich auch für alle Individuen, die eine aktive Position beziehen oder sogar gestaltend handeln. Grundsätzlich kann dabei jedwede Haltung gegenüber interkultureller Kommunikation eingenommen werden: Das Dispositiv an sich gibt dabei noch keine klaren Richtungen vor. Gemeinsam ist jedoch allen Haltungen, dass sie in dem Gegenstand interkultureller Kommunikation eine Problemlage oder Herausforderung sehen, gegenüber der eine Stellungnahme und eine Entscheidung zu einer Handlungsorientierung erforderlich sind. Die Ausgestaltung dieser Handlungsorientierung bleibt dabei zunächst offen: Wie mit Interkulturalität und kultureller Differenz umgegangen werden soll, bleibt weiterhin den Individuen überlassen und überantwortet. Neben einer Orientierung hin zu einer kulturellen Öffnung, Toleranz bis hin zu einer Überhöhung und Zelebrierung des Fremden und von kultureller Vielfalt können auch Haltungen Bestandteil des Dispositivs sein, die diesem scheinbar entgegenstehen. Die Verstärkung kultureller Grenzziehungen, Abschottungen, rassistische Haltungen und Handlungsformen jeglicher Art sind damit Bestandteile des Dispositivs interkultureller Kommunikation.

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Das Dispositiv wandelt durch die Disziplinen Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem ausgewählten Dispositiv bleibt grundsätzlich nicht stehen, sondern migriert charakteristischerweise fortwährend durch wechselnde akademische Disziplinen. Das Dispositiv an sich verändert sich dadurch nicht, sondern wird zusätzlich gestärkt. So zeichnet beispielsweise Bührmann (1998) anhand der Entstehung des Geschlechterdispositivs nach, wie die Konstruktion sozialen Geschlechts nacheinander von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen beeinflusst und geformt wird. Letztendlich führt insbesondere das Zusammenspiel mehrerer Disziplinen zu einer Verfestigung des Dispositivs, da die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Begründungsmöglichkeiten für die Existenz des Dispositivs ansteigt. Bührmann zufolge trug beispielsweise im Fall des Geschlechterdispositivs eine Verlagerung der Begründungsmacht für Geschlechterunterschiede in die naturwissenschaftlich geprägte Medizin dazu bei, dass das Machtungleichgewicht zwischen den Geschlechtern strategisch erhalten und gefestigt werden konnte. Auch Fragen interkultureller Kommunikation werden nacheinander von unterschiedlichen Wissenschaften behandelt, die jeweils einen Erklärungsanspruch formulieren. Aus einer mittelfristigen zeithistorischen Perspektive werden dabei zunächst Kämpfe um die Vormachtstellung über die Definition und die methodische Erfassbarkeit von Kultur sichtbar. So wird der Gegenstand interkultureller Kommunikation in den europäischen Sozialwissenschaften gegenwärtig meist aus dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden linguistic turn und dem sich auf dieser Grundlage in zahlreichen Disziplinen etablierenden, interpretativen Paradigma heraus begründet. Helene Haas (2009) hat diesen Wandel für den Gegenstand interkultureller Kommunikation im 20. Jahrhundert nachgezeichnet und auch deutlich gemacht, dass dieser Wandel nicht nur fachlichen Argumenten, sondern insbesondere auch disziplinären Hegemonieansprüchen gefolgt ist. Darüber hinaus hat Haas regional unterschiedliche Entwicklungen nachgezeichnet: Während die Deutungsmacht über den Gegenstand interkultureller Kommunikation im nordamerikanischen Raum seit dem Ende der 1970er Jahre weitestgehend von Sozialpsychologen für sich beansprucht worden ist, haben sich in Europa auch weiterhin zu großen Teilen auch Ethnologen und Sprachund Kommunikationswissenschaftler mit der Thematik beschäftigt. Auch existentiell kritische Haltungen gegenüber dem Gegenstand interkultureller Kommunikation, die in den Wissenschaften unter anderem im Rahmen solcher Disziplinenwechsel auftreten können, bestärken dabei weiterhin das eigentliche Dispositiv und bringen es nicht in Gefahr. Zu nennen ist hier beispielsweise die kulturkritische Debatte um die Abschaffung des Kulturbegriffs in der US-amerikanischen Kulturanthropologie in den 1990er Jahren.

»Benachbarte« Dispositive? In diesem Abschnitt wurden zahlreiche frühere Dispositivanalysen anderer Gegenstände hinzugezogen, um auf dieser Grundlage zu veranschaulichen, welche Konsequenzen sich jeweils daraus ergeben, wenn man einen ausgewählten Gegenstand in seiner Funktion als Dispositiv betrachtet. Erst bei einer genauen Nachverfolgung der

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Ausgestaltung einer Dispositivanalyse an einem konkreten ausgewählten Gegenstand lassen sich die damit verbundenen Auswirkungen auf eine Interpretation gesellschaftlicher Analysen angemessen einschätzen. Zu diesem Zweck wurde in den vorangegangenen Abschnitten insbesondere über das Nachhaltigkeitsdispositiv, das Geschlechterdispositiv und über das Kultur- und Fremdheitsdispositiv berichtet. Dabei wurde jeweils versucht, die Erkenntnisse der referierten Studien im Hinblick auf einzelne Aspekte des Dispositivs auf das Dispositiv interkultureller Kommunikation zu übertragen und anzuwenden. Die hier ausgewählten Dispositivanalysen weisen auf einer oberflächlichen Ebene inhaltliche Verwandtschaften oder auch Nachbarschaften gegenüber dem Dispositiv interkultureller Kommunikation auf: Vielfach geht es um Dimensionen sozialer Differenz, aber auch um allgemeine politische Positionierungen und soziale Orientierungen. Eine weitere Gemeinsamkeit scheint darin zu bestehen, dass aus theoretischer Sicht im Grunde allen Dispositiven ein gleicher oder zumindest sehr ähnlicher verdeckter Zweck unterstellt wird: In den meisten Fällen geht es um die Schaffung eines Instruments, das von einer gesellschaftlichen Mehrheit getragen wird und der Schaffung von Machtstrukturen dient. Bei diesen Machtstrukturen handelt es sich in der Regel um eine Verfestigung des status quo. Die Machtpositionen der gegenwärtig bereits Mächtigen werden gestärkt und gegen das Aufstreben oder die Bedrohung durch andere gesellschaftliche Akteure, die um Machtpositionen konkurrieren könnten, wirkungsvoll geschützt. Dies gelingt dadurch, dass das Dispositiv aufgrund seiner Implizitheit auch von Akteuren mitgetragen und gestützt wird, deren soziale Position sich dadurch verschlechtert oder zumindest nicht verbessert – möglicherweise sogar entgegen deren eigenen Wünschen und Bestrebungen. Wenn Dispositive ohnehin ungeachtet ihrer inhaltlichen oder thematischen Ausrichtung alle ähnlichen Zielen dienen und auf sehr ähnliche Weise funktionieren, so mag sich die berechtigte Frage stellen, ob und inwieweit es überhaupt sinnvoll ist, zwischen einzelnen thematisch ausgerichteten Dispositiven zu unterscheiden. Stattdessen könnte auch allgemeiner – und damit sogar umfassender – von diskursivrhetorischen Strategien des Machterhalts gesprochen werden. Eine inhaltlich eingegrenzte Betrachtung solcher Strategien kann demgegenüber lediglich den Vorteil bieten, dass auf diese Weise ein Gebiet erschlossen wird, dessen Begrenzung erst eine abgeschlossene empirische Analyse möglich macht. Umgekehrt kann eine festgestellte thematische oder inhaltliche Nähe zweier Dispositive aus dieser Sicht als erwartbar und unproblematisch angenommen werden: Es ist nicht möglich, zwei Dispositive ohne Überschneidungen gegeneinander abzugrenzen. Dies ist jedoch aus dem theoretischen Selbstverständnis des Dispositivbegriffs weder erforderlich noch strukturell vorgesehen. So kann weitgehend erwartet werden, dass eine Analyse von Dispositiven wie denen von Geschlecht, Kultur und Fremdheit, aber auch interkultureller Kommunikation zu einigen Teilen Inhalte und Diskurse reflektieren wird, die für die Betrachtung mehrerer Dispositive relevant sind. Eine Fokussierung auf einen bestimmten, herausgegriffenen Begriff und dessen Dispositivcharakter dient demgegenüber eher der Ermöglichung einer umfassenden Analyse eines ausgewählten Themengebiets sowie einer Einschätzung der Relevanz und des Stellenwerts eines ausgewählten Themas für die Gestaltung gesellschaftlicher Machtstrukturen.

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Aus analytischer Sicht kann die thematische Perspektive einer Dispositivanalyse demnach schnell und unproblematisch gewechselt werden. Für das Fremdheitsdispositiv zeigt beispielsweise Höhne (1998) dessen Positionierung zwischen dem bipolaren Paradigma aus Freund und Feind. Wenn Fremde aufeinandertreffen, so argumentiert Höhne, interpretieren und konstruieren sie diesen Erstkontakt häufig als Aufgabe der Überprüfung und Entscheidung über eine gegenseitige Eingruppierung als Freunde oder Feinde. Aus dieser Sicht ergeben sich in der Tat Überschneidungen und Deckungen der beiden akademischen Disziplinen interkultureller Kommunikation und Konfliktforschung. Doch auch das Changieren des Gegenstands einer Kulturforschung zwischen den Disziplinen interkultureller Kommunikation und Konfliktforschung kann wiederum als strategischer Bestandteil des eigentlich zu untersuchenden Dispositivs gesehen werden: Durch einen Transfer des Problemgegenstands, der zunächst im thematischen Rahmen interkultureller Kommunikation beleuchtet wird, in den Bereich der Konfliktforschung, wird eine angenommene Technisierung vollzogen: Kulturalität und kulturelle Differenz werden als Probleme formuliert, denen mit der Formulierung einer systematischen Lösungsmöglichkeit abgeholfen werden kann. Auch auf diese Weise wird demnach der Dispositivcharakter des Gegenstands gestärkt.

Das Dispositiv interkultureller Kommunikation in den Wissenschaften

Interkulturelle Kommunikation ist ein Phänomen, das primär in der gesellschaftlichen Alltagswelt vollzogen wird und sich dort permanent vollzieht. Einer solchen Verortung dürfte eine Mehrheit der Autorinnen und Autoren, die sich mit diesem Gegenstand befassen, zustimmen. Trotz dieser klaren Verortung des Gegenstands außerhalb der Wissenschaft scheint die Begriffsbestimmung und -erfassung selbst ihren genuinen Platz innerhalb des akademischen Diskurses zu haben: Hier scheint der Gegenstand erst generiert zu werden, bevor er dann im gesellschaftlichen Diskurs der Benennung und Bearbeitung von Problemen dient, die durch die theoretische Erfassung bereits zu einem großen Teil vorgeformt sind. Eine permanent fortgeführte Auseinandersetzung mit dem Begriff interkultureller Kommunikation erscheint demnach für einen Aufrechterhalt des gleichnamigen Dispositivs auf gesamtgesellschaftlicher Ebene unabdingbar. Ein solcher Erhalt in den Wissenschaften erfordert dabei gleichzeitig Aspekte der Kontinuität, aber auch des disziplinären und paradigmatischen Wandels, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten bereits angesprochen worden sind. In den folgenden Abschnitten soll nun versucht werden, diese Operationalisierungen interkultureller Kommunikation in den Wissenschaften systematisch zu erfassen. Während Operationalisierungen dieser Art sicherlich bereits in größerer Zahl vorliegen, soll an dieser Stelle in Abgrenzung davon eine dispositivanalytisch informierte Systematisierung erprobt werden. Dabei geht es darum, Kategorien zu bilden und zu füllen, die sich daran orientieren, auf welche Weise die Funktion, die Rolle und das Erscheinen von Kultur im Leben von Individuen erfasst und festgelegt werden. Von besonderem Interesse sind dabei jedoch nicht diese kategoriale Festlegung selbst, sondern die jeweiligen Handlungsoptionen, die den Individuen und gesellschaftlichen Gruppen qua Theorie zugeschrieben und zugestanden werden. Erst mit Blick auf die Ausgestaltung dieses Handlungsspielraums wird demnach ein Beitrag zur dispositiven Funktion des Gegenstands produziert. Diesen Beitrag systematisch herauszuarbeiten ist das primäre Ziel der an dieser Stelle beabsichtigten Kategorisierung, und die Ausgestaltung des hier erprobten Modells orientiert sich primär an diesen Zielvorgaben. Explizite Krisen des Gegenstands interkultureller Kommunikation in den Wissenschaften sowie daraus resultierende Paradigmenwechsel stehen in diesem Fall nicht im Vordergrund der Betrachtung. Die versuchte Kategorisierung orientiert sich vorrangig an Operationalisierungen, die zumindest zunächst vollständig vollzogen,

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ausgeführt und damit geglückt sind. Nicht orientiert wird sich demgegenüber an Krisen dieser Operationalisierungen, auf die keine oder keine deutlich erkennbare, konstruktiv beschreibende Substitution in zumindest vergleichbarer Detailliertheit und Erklärungstiefe erfolgt ist. Dennoch sollen auch paradigmatische Kritiken bei dieser Herangehensweise nicht außer Acht gelassen werden. Vielmehr erscheint eine Sichtbarmachung der konkreten Anhaltspunkte sinnvoll, an denen sich diese Kritiken entzündet haben. Demgegenüber zu unterscheiden sind Kritiken, die sich nicht an den theoretischen Ansätzen an sich entzünden, sondern auf problematische Aspekte hinweisen, die erst im Rahmen eines Transfers wissenschaftlicher Ergebnisse in andere gesellschaftliche Bereiche hinein sichtbar werden. Diese Problemstellungen im Transferprozess können aus unterschiedlichen Gründen auftreten. Häufig sind Transferprozesse zu langsam und träge, sie nehmen lange Zeiträume in Anspruch, können nur langsam verändert und gesteuert werden und können demnach bei ihrer Ankunft in der Gesellschaft Ergebnisse produzieren, die dort bereits nicht mehr zeitgemäß sind, da sich gesellschaftliche Prämissen zwischenzeitlich gewandelt haben. Eine weitere Ursache für Problemstellungen, die während dieser Transferprozesse auftreten können, sind Vereinfachungen und Simplifikationen, die letztendlich keine adäquaten Ergebnisse mehr ermöglichen, oder schlicht veränderte oder verfälschte Transformationen der zu transferierenden Gegenstände. Mehrere oder alle dieser genannten Gründe mögen dazu beigetragen haben, dass der akademische Gegenstand interkultureller Kommunikation in den vergangenen Jahren vielfach einer allgemeinen Kritik unterzogen worden ist. Diese Kritik wurde sowohl aus wissenschaftlichen, als auch aus gesellschaftlichen Quellen heraus formuliert. Beispiele für Kritiken an der simplifizierenden Umsetzung von Forschungsergebnissen interkultureller Kommunikation in die Praxis, insbesondere in Form kommerzieller interkultureller Trainings, liegen beispielsweise mit den Dissertationen von Dahlén (1997) und Hüsken (2003) vor. Mit ähnlichem Anliegen sprechen Breidenbach und Nyiri (2001) ein breiteres gesellschaftlichen Publikum im Anwendungsbereich interkultureller Didaktiken für Organisationen an. Breidenbach und Zukrigl (1998) hatten bereits zuvor die immensen steuernden und auch verfälschenden Auswirkungen des Transfers, der seinerseits wiederum Machtstrukturen unterworfen ist und beispielsweise von einer immensen Kommerzialisierung geformt ist, in die Gesellschaft hinein angeprangert. Diese Argumentation setzen Breidenbach und Nyiri (2009) fort, fokussieren hier zuletzt jedoch vor allem die Verwendung von Kulturalisierungen in der Gesellschaft. Durchgeführt wird hier quasi eine dispositivanalytische Kritik an der Verwendung des Gegenstands interkultureller Kommunikation in westlichen Gesellschaften als inflationär gebrauchte Legitimierung für unterschiedlichste Zwecke, wenngleich diese Analyse eher mit journalistischen Instrumenten denn mit einer methodengeleiteten Vorgehensweise operiert. Die zeitlich bedingte, nicht mehr gegebene Passung wissenschaftlicher Ansätze auf von der rezipierenden Gesellschaft empfundene Probleme kritisieren demgegenüber US-amerikanische Kulturanthropologen insbesondere in den 1990er Jahren. Insbesondere die Zeitschrift Current Anthropology bot hier Autorinnen und Autoren ein Forum, die in der Folge auf Spivaks Forderung des writing against culture (AbuLughod 1991) eine entsprechende Debatte entspannen. Zentral zu nennen sind hier beispielsweise die Argumente Stolckes (1995), die im Grunde die Kritik Abu Lug-

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hods erneuernd bestätigen, aber auch Brumanns (1999) Gegenplädoyer für einen konstruktiven Umgang mit dem Kulturbegriff. Der stark determinierende Charakter von Kulturbegriffen für darauf aufbauende Interpretationen gesellschaftlicher Wirklichkeiten wird über die explizite interkulturelle Didaktik zwischenzeitlich auch im europäischen Raum kritisch gesehen, woraus sich wiederum essentielle Fragen an das Fach und die Praxis der Europäischen Ethnologie ergeben, die damit konfrontiert wird, ein erneuertes Selbstverständnis entwickeln zu müssen (Eggmann 2009). Konstruktive Alternativlösungen und –vorschläge werden in diesen zunächst primär kritischen Debatten vielfach nicht entwickelt. Breidenbach spricht sich in ihren Veröffentlichungen meist für eine verstärkte Einbindung von und Hinwendung zu ethnographischen Herangehensweisen für die Beschreibung dessen aus, was unter dem Begriff interkultureller Kommunikation gefasst wird. Breidenbach verspricht sich davon die Möglichkeit einer erleichterten Fokussierung individueller Situationsgestaltungen gegenüber der Befürchtung einer Beförderung von Pauschalisierungen durch die bisherige interkulturelle Forschung (Breidenbach/Nyíri 2009). Weitreichendere und konsequentere Überlegungen entwickeln sich jüngst in USamerikanischen Diskursen, in denen sich ehemalige Kulturanthropologen einem allgemeineren anthropologischen Paradigma anzunähern scheinen. Gleichwohl gestehen die Autoren ein, dass ihr Projekt zunächst primär einen theoretischen Ausgangspunkt hat. Rapport (2010) erprobt in diesem Zusammenhang beispielsweise eine (theoretische) Annäherung an die Untersuchung der sozialen Einbindung von Individuen, die konsequent versuchen soll, keinem übergeordneten Differenzparadigma jedweder Art anheim zu fallen. Ins Zentrum der beschreibenden Forschung sollen stattdessen Individuen rücken, denen die grundsätzliche Fähigkeit zur Teilnahme an jedweder sozialen oder kulturellen Gemeinschaft zugesprochen und zugestanden wird. Auch in anderen Disziplinen neben den hier zunächst referierten Entwicklungen in der Kulturanthropologie und Ethnologie finden sich immer wieder, in jüngster Zeit jedoch auch zunehmend, Reflektionen über den jeweils verwendeten Kulturbegriff. Diese Reflektionen gehen vielfach auch mit Systematisierungen einher. Zagefka (2009) beispielsweise arbeitet den Kulturbegriff in seiner Verwendung innerhalb der sozialpsychologischen Forschung auf. Angesichts der Erkenntnis, dass theoretische Kulturverständnisse signifikant das determinieren, was unter interkultureller Kompetenz verstanden wird und was Individuen als Handlungsoptionen überhaupt zugeschrieben wird, zeigen insbesondere auch die Erziehungswissenschaften ein zunehmendes Interesse an einer verstärkten theoretischen Reflektion des Begriffs. Henze und Nguyen (2007: 104f) verweisen hierzu insbesondere auf die Überlegungen von Auernheimer (1999) und Mecheril (2002; 2004).

V ORÜBERLEGUNGEN ZU EINER DISPOSITIVANALYTISCH INFORMIERTEN S YSTEMATISIERUNG Bevor eine angemessene Systematisierung von Ansätzen vorgeschlagen werden soll, mit deren Hilfe der Einfluss von Kultur auf soziales Handeln beschrieben werden

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kann, sollen an dieser Stelle einige mögliche und zur Debatte stehenden Unterscheidungskriterien erwogen und diskutiert werden. Zuvor wurde bereits eine Orientierung hin zu tatsächlich operationalisierenden gegenüber ausschließlich Kritik formulierenden Ansätzen eingeschlagen. Demnach können die hier selektierten Ansätze auch als handlungsorientierte oder zumindest handlungbezogene Ansätze bezeichnet werden. Im Vordergrund steht grundsätzlich das Kriterium, dass ein Ansatz für eine Erforschung interkultureller Kommunikation fruchtbar gemacht und operationalisiert worden ist. Entsprechend sollten zumindest andeutungsweise Ausführungen über die Handlungswirksamkeit eines Kulturbegriffes genannt sein. Die Unterscheidungen zwischen Gegebenheit gegenüber einer Konstruktion von Kultur sowie die Konzeptualisierung von Kultur als präferierten Werten gegenüber einem spezifischen Wissen kristallisieren sich vor diesem Hintergrund als Unterscheidungskriterien heraus, die zu unterschiedlichen Handlungswirksamkeiten von Kultur führen. Eine Kombination beider Kriterien lässt eine Unterteilung von Kulturverständnissen in vier Kategorien entstehen, die im Folgenden intensiver bearbeitet werden. Diese genannten Kategorien sind als solche bereits in der Systematisierung von Kulturbegriffen bei Kroeber und Kluckhohn vorzufinden: Während gegebene, primordiale Kulturkonzepte offenbar den Normalfall darstellen, versammeln die Autoren konstruktivistische Kulturverständnisse unter der Kategorie »Group F: Genetic« (Kroeber/Kluckhohn 1952: 64), wissensorientierte Ansätze stehen in »Group D: Psychological, D-I. Emphasis on adjustment, on culture as a problem-solving device« (Kroeber/Kluckhohn 1952: 55) normativ orientierten Ansätzen in »Group C: Normative« (Kroeber/Kluckhohn 1952: 50) gegenüber. Dabei beanspruchen die Autoren keine weiter elaborierte Methodik zur Systematisierung der Begriffe, sondern räumen ein, dass die Kategorisierungen nach augenfälligem thematischem Schwerpunkt getroffen worden seien.1 Darüber hinaus finden sich selbstverständlich auch zahlreiche theoretische Ansätze zur Beschreibung von Kultur, die bislang nicht empirisch umgesetzt worden sind. Zu nennen sind hier beispielsweise so unterschiedliche Arbeiten wie die des Kulturkritikers Terry Eagleton (2001), des Systemtheoretikers Dirk Baecker (2000), aber beispielsweise auch von zahlreichen Vertretern der in der Theorie verorteten interkulturellen Philosophie (vgl. Mall 1995).

Zu einer Eingrenzung des eigenen empirischen Materials Akademische Diskurse und wissenschaftliche Publikationen bilden das empirische Material der vorliegenden Studie. Wenn an dieser Stelle wissenschaftliche Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation besprochen werden, dann geschieht dies nicht

1

»As the physiologist L. J. Henderson used to say to his students, ›In science, any classification is better than no classification – provided you don’t take it too seriously.‹ We recognize that an element of arbitrariness has entered into many of our assignments [...]. We have tried to categorize on the basis of principal emphasis rather than by, as it were, averaging the total content of the definition« (Kroeber/Kluckhohn 1952: 40).

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mit dem Ziel eines referierenden Forschungsüberblicks, sondern vielmehr im Sinne einer Erfassung und Sichtung sowie einer anschließenden Analyse und Interpretation empirischen Materials. Dabei teilt die vorliegende Studie die Annahme der British Cultural Studies, nach der alle Wissenschaft grundsätzlich diskursiv ist. Eine Rekonstruktion dieses Diskurses unter dispositivtheoretischen Gesichtspunkten wird hier versucht. Auch die akademischen Diskurse um den Gegenstand interkultureller Kommunikation können angesichts ihrer enormen Vielfalt und Verbreitung im Rahmen einer qualitativ angelegten und interpretierenden Untersuchung nicht nur annähernd erschöpfend berücksichtigt werden. Die an dieser Stelle vorgestellten Studien entspringen demnach zwingend einem selektiven Prozess seitens des Verfassers. Der diskurstheoretischen Sichtweise konsequent folgend muss auch die vorliegende Studie selbst als Bestandteil des Diskurses um interkulturelle Kommunikation sowie des gleichnamigen Dispositivs verstanden werden. Im Kontext dieser diskursiven Teilhabe entspricht die exemplarische Selektion der an dieser Stelle referierten Studien der subjektiven Rezeption dieses Diskurses durch den Verfasser. Die in diesem Ansatz vertretene radikale Subjektivierung der Sichtweisen auf den Gegenstand Kultur wird demnach auch bei der Durchführung der vorliegenden Studie selbst weiter eingehalten. Die vorliegende Selektion beinhaltet demnach auch in ihrer Konsequenz die Folgerung, dass Studien, die an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden, auch aus Sicht des Verfassers von geringerer Relevanz für den von ihm wahrgenommenen Diskurs sind. Eine solche Argumentation mag auf den ersten Blick schlicht bequem anmuten, demgegenüber erscheint jedoch eine andere Vorgehensweise, durch die eine vermeintliche höhere Validität erreicht werden könnte, schlicht nicht möglich, da es aus einer diskursorientierten Sicht kein Vergleichs- oder Messkriterium für die Relevanz von Diskursbestandteilen gibt. Grundsätzlich berücksichtigt werden demnach an dieser Stelle Arbeiten aus den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, wobei die Thematik eingrenzend ein zusätzlicher Fokus auf Ansätze aus den Sprach- und Kommunikationswissenschaften gelegt wird. Debattiert werden jedoch in erster Linie nicht einzelne Disziplinen, sondern unterschiedliche Kulturverständnisse, die erfahrungsgemäß durchaus auch disziplinenübergreifend zum Einsatz kommen können. Internationale Arbeiten werden größtenteils aus der angelsächsischen Publikationswelt rezipiert, daneben kommt deutschsprachigen Arbeiten im internationalen Vergleich eine hervorgehobene Berücksichtigung zu. Eine fokussierte Identifizierung von Brüchen und Bruchlinien dient darüber hinaus als Angriffspunkt für eine Aufdeckung des Diskurscharakters des analysierten Materials. Nicht zuletzt soll mit der vorliegenden Studie jedoch keine weitere destruktivdekonstruierende Studie zu den bereits vielen existierenden dieser Art hinzugefügt werden. Stattdessen soll versucht werden, einen konstruktiven Vorschlag für eine Weiterführung der Forschung zur interkulturellen Kommunikation herauszuarbeiten. Da nach dem diskurstheoretischen Selbstverständnis dieser Arbeit eine Transzendierung des hier behandelten Diskurses nicht möglich sein kann, wird hierzu die Herangehensweise gewählt, eine Denkweise konsequent weiterzuverfolgen, die in den bisherigen Diskursen bereits angelegt ist und ein größtmögliches Reflektionsvermögen gegenüber der hier versuchten Transparentmachung erhoffen lässt.

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Die wissenschaftliche Berücksichtigung von Kultur als Konflikt In den unterschiedlichen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen haben sich Kulturbegriffe zu unterschiedlichen Zeitpunkten und im Rahmen unterschiedlich verlaufender Prozesse etabliert. Diese unterschiedlichen Verortungen des Kulturbegriffs sollen an dieser Stelle einführend erwähnt werden. Diese Fragen nach der Einordnung und Operationalisierung von Kultur in den unterschiedlichen Disziplinen sind sicherlich grundsätzlich und auf das engste mit allgemeinen Fragen nach der Konzeption eines Fachs oder einer Disziplin verknüpft. So gehört beispielsweise die Frage nach Schwierigkeiten, Möglichkeiten und Plausibilitäten empirischer Datenerhebung und -interpretation in den Sozialwissenschaften zu den zentralsten und zugleich kritischsten Debatten (für einen kursorischen und lediglich einführenden Einblick vgl. Larsen/Zimmermann 2003). Diese Grundfragen sollen an dieser Stelle berücksichtigt, jedoch nicht ausführlicher debattiert werden. Einzelne Problemstellungen werden im Folgenden bei Relevanz besprochen. Die Etablierung von Kultur als einer disziplinen-internen Variable muss darüber hinaus grundsätzlich als konfliktär ausgetragener und debattierter Prozess gesehen werden. Stellvertretend für die Sprachwissenschaften sei an dieser Stelle nur an die Debatten um Benjamin Lee Whorfs Postulat einer sprachlichen (und kulturabhängigen) Relativität erinnert, deren Kritikpunkte Relevanz für disziplinenübergreifende wissenschaftstheoretische Debatten erlangten (Subbiondo 2005).

K ULTUR

WIRD EINER

D ISZIPLIN

MEIST NUR HINZUGEFÜGT

Nimmt man die Betrachtung des Einflusses von Kultur auf soziale Interaktion ernst, so müsste sicherlich eingestanden werden, dass durch eine Berücksichtigung dieser Variable zahlreiche, zunächst kulturuniversal konzipierte sozialwissenschaftliche Theorien unterminiert oder zumindest sehr kritisch in Frage gestellt würden. Gegenüber einer solchen Bereitschaft und Offenheit gegenüber möglichen paradigmatischen Veränderungen entpuppen sich in der Praxis jedoch zahlreiche Ansätze zur Beschreibung interkultureller Kommunikation als Modelle, mit deren Hilfe die jeweiligen Autoren zu versuchen scheinen, den Faktor Kultur so in ihre bestehenden Theorien einzubinden, dass diese davon nicht mehr unterminiert, sondern vielmehr sogar bestätigt und gefestigt werden können. Für eine Erforschung interkultureller Kommunikation bedeutet dies, dass die eigentliche Hervorhebung und vollständige Erfassung interkultureller Einflüsse auf soziales Handeln vielfach zweitrangig hinter einer Aktualisierung bestehender Theorien zurücksteht. Angesichts dieser konservativen Forschungsmotivation kann die Möglichkeit einer vollständigen und angemessenen Erforschung interkultureller Kommunikation berechtigt angezweifelt werden. So bescheinigen beispielsweise Koole und ten Thije der sprachwissenschaftlich pragmatischen Forschung zur interkulturellen Kommunikation eine durchweg additive Vorgehensweise, bei der bereits bestehenden Ansätzen lediglich der Faktor Kultur hinzugefügt wird, so dass neue Modelle,

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mit der sich der Einfluss von Kultur möglichst vollständig und erkennbar erfassen lässt, kaum erwartet werden können.2 Für den Bereich der Sprechkommunikation beobachtet Min-Sun Kim (2007) beispielsweise eine schrittweise und allmähliche Verschiebung von Forschungsinteressen und der Berücksichtigung kulturell bedingter Einflüsse, für die er mehrere, aufeinanderfolgende Phasen benennt. Eine erste Phase, in der kulturelle Einflüsse ignoriert und mit akademischem Desinteresse bedacht werden ( »›preencounter‹ research culture: ›I’m not interested‹«, Kim 2007: 280), könnte Kim zufolge gegenwärtig als universalistische Perspektive entschuldigt und eingeordnet werden: Angenommen wird hier, dass wissenschaftliche Forschung grundsätzlich kulturunabhängig durchgeführt werden könne, und dass sie kulturübergreifend die gleichen Ergebnisse produzieren werde. Erstmals auf mögliche kulturelle Einflüsse aufmerksam geworden bezeichnet Kim eine anschließende Phase als »›initial encounter‹ research culture«, in der zahlreiche Autoren einsahen, dass Kultur gezwungenermaßen zumindest als Störgröße (»culture is a nuisance«, Kim 2007: 281) berücksichtigt werden müsse. Die gegenwärtig in der Sprechkommunikation vorherrschende Haltung gegenüber Kultur bezeichnet Kim als »›Captain Cook‹ research culture«, in der zumindest ein Interesse am Erschließen und am Vergleichen von Kulturen untereinander (»Let’s explore and compare«, Kim 2007: 282) zu verzeichnen sei. Für eine Generierung wirklicher interkultureller Einblicke und Erkenntnisse sei Kim jedoch ein zusätzlicher Paradigmenwechsel in den Wissenschaften erforderlich, mit dem ethnozentrische Perspektiven endgültig und vollständig überwunden werden müssten (»›paradigm shift‹ research culture: ›beyond ethnocentric paradigms‹«, Kim 2007: 282). Dass beispielsweise die linguistische Pragmatik in ihren Traditionen gefangen ist und sich quasi oft selbst daran hindert, interkulturelle Kommunikation zu erfassen und zu beschreiben, schildert Rajagopalan (2005).

2

»In conclusion, efforts in pragmatics and studies of multilingualism reflect the Saussurian division of linguistic labour even when they criticize the structural language concept and add other aspects to the analysis. Konrad Ehlich (1991a; 1991b) has called this treatment ›the additive procedure’: the analysis of certain aspects of linguistics by adding them to the language descriptions already available, descriptions which have been determined by the formal structural language concept. However, the lack of an interface is not the result of the additive procedure alone. The fundamental problem of the deficient relationship between the linguistic disciplines that result from the additive procedure is that they try to create the interface within the linguistic domain which they have expanded or criticized. This domain is determined by the structural formal language concept which excludes the research questions that are posed by the additive linguistic disciplines. This paradoxical situation explains why the gap between pragmatics and the studies on multilingualism is so deep and why so few researchers experience this as problematic« (Koole/ten Thije 1994: 72).

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Der Kulturbegriff in der Soziologie Die Soziologie mag an dieser Stelle als ein besonders interessanter Sonderfall hinsichtlich der Integration von Kulturbegriffen angesehen und diskutiert werden. Grundsätzlich kann sicherlich der immense Attraktivitätsgewinn der Soziologie seit den 1960er Jahren im Zuge der Hinwendung der Sozialwissenschaften zu empiriebasierten Herangehensweisen als ein Siegeszug gegenüber den mit ähnlichem Potential ausgestatteten Kulturwissenschaften angesehen werden. Anstelle einer Fokussierung kultureller Aspekte und Differenzen hat demnach eine quantitative Forschermehrheit darauf abgezielt, stattdessen andere Differenzen in den Fokus des Interesses zu setzen, im Falle der Soziologie demnach insbesondere die Bildung und Formierung sozialer (statt kultureller) Gruppen. Demgegenüber hätte auch eine Kulturwissenschaft dank vorhandener interpretativer Grundlagen das Potential zu einem Ausbau zu einer umfassenden gesellschaftsanalytischen Disziplin, jedoch unter dem Primat einer Sichtung kultureller Prägung und Differenz aufbieten können. Spricht man vor diesem Hintergrund von Möglichkeiten der Integration von Kulturbegriffen in Modelle der Soziologie, so stellt dies vor dem Hintergrund einer streng soziologischen Sichtweise eine Zuwiderhandlung gegenüber zentralen soziologischen Selbstverständnissen dar. Kultur tritt hier quasi als ein schwer integrierbarer Fremdkörper auf, für den die Soziologie selbst eigene Ersatzbegriffe bereithält – wenngleich nicht außer Acht gelassen werden darf, dass sich in einem Schnittbereich mit der Kultursoziologie ebenfalls eine ganze Disziplin niedergelassen hat. Chronologisch betrachtet findet Luger (1994: 31) eine erste und frühe Auseinandersetzung mit Aspekten von Kultur in der Soziologie bereits im Kontext der Chicagoer Schule wieder. Motiviert wurden entsprechende Überlegungen Luger zufolge durch die damals als prägend wahrgenommene Situation der USA als einem Einwanderungsland. Als Gründer der Chicagoer Schule gilt heute Robert E. Park. Heute steht diese soziologische Richtung insbesondere für eine Begründung des Symbolischen Interaktionismus, der gemeinhin mit George Herbert Mead (1993 [1934]) in Verbindung gebracht wird. Dennoch konkurriert der Kulturbegriff in der Soziologie seither vielfach mit dem Begriff des Sozialen. Häufig erscheint nur eine arbiträre und konventionalisierte Differenzierung der beiden Begriffe eine sinnvolle Verwendung beider zu ermöglichen. Michel Wieviorka (2003) zeichnet diesen Paradigmenkonflikt zwischen Sozialem und Kulturellem nach, indem die Soziologie demnach dem Sozialen anheimgefallen ist. Ihre Etablierung als wissenschaftliche Disziplin sieht Wieviorka demnach als einen temporären – von ihm als vorschnell bewerteten – Sieg des Sozialen über das Kulturelle. Dennoch werde in der Soziologie die Debatte um die Rolle und den Einfluss von Kultur weiterhin mit überraschendem Eifer und in Form gelegentlich polemischer Stellungnahmen geführt (de la Fuente 2007). Zugleich habe sich jedoch innerhalb der Soziologie mit der Wissenssoziologie eine Ausrichtung etabliert, die beinahe keine Bezüge zu Kultur und Kultürlichem herstelle (de la Fuente 2007: 116). Auch angesichts der häufig sehr engen begrifflichen Nähe von Sozialem und Kultur plädiert de la Fuente dafür, die beiden Begriffe eher als Repräsentanten unterschiedlicher wissenschaftlicher Stile voneinander zu differenzieren. So haben sich Soziologen de la Fuente zufolge beispielsweise gegenüber Literatur- und Kunstwis-

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senschaftlern abgegrenzt, indem sie postulierten, auf deren ästhetische Aspekte eines Stils zu verzichten und stattdessen rein sachlich und sachorientiert zu arbeiten. De la Fuente dagegen argumentiert, dass auch diese postulierte Sachlichkeit sicherlich als Wahl eines Stils verstanden werden kann (de la Fuente 2007: 117-118). De la Fuente schlägt hier vor, den Einbezug von Kultur in eine Wissenschaft als Bestandteil eines bestimmten Stils zu bezeichnen. Hier biete es sich an, diesen Stil als Romantik zu bezeichnen, die sich gegenüber dem Stil eines Klassizismus abgrenze. Mit der Verwendung des Kulturbegriffs in den Sozialwissenschaften assoziiert de la Fuente dabei die Annahme einer gewissen Unbestimmtheit von Aspekten des Forschungsgegenstands, einer Interpretierbarkeit und damit auch der Möglichkeit einer Projektion von Sinnhaftigkeit. De la Fuente beruft sich dabei auf Alvin Gouldner (1970), der diesen blinden Fleck einer Unterscheidung auf der Ebene von Stilen und Erkenntnisinteressen bereits in den 70er Jahren angemahnt hatte. Die Unterscheidung von Stilen reproduziere sich darüber hinaus auch in der Auswahl der Forschungsthemen von Kulturforschern: Ein besonderes Interesse gelte hier dem Exotischen, dem Mysteriösen oder dem Unterprivilegierten. Innerhalb der Soziologie werden demnach narrative Diskurse darüber geführt, welche Rolle Kultur in der Soziologie zu spielen habe. Entsprechend können auch diese Narrationen in der Soziologie selbst als soziale Konstrukte verstanden und operationalisiert werden (de la Fuente 2007: 128).

Der Kulturbegriff in der Psychologie Innerhalb der Psychologie und der Sozialpsychologie konnte sich im vergangenen Jahrhundert ein wesentliches Interesse an kulturbezogenen Fragestellungen in Form der beiden Bereiche der interkulturellen Psychologie und der Kulturpsychologie etablieren (Berry 1969; Berry et al. 1992). Darüber hinaus bemerkenswert ist die Richtung der indigenous psychology, in der versucht wird, eine Kultur aus sich heraus zu untersuchen. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass westliche Ansätze in der Psychologie kulturgebunden sind und nicht ohne weiteres auf andere Kulturen übertragen werden können (Kim/Yang/Hwang 2006). Ein systematisierender Überblick über die Verwendung von Kulturbegriffen in der Psychologie liegt von Zagefka (2009) vor. Auch in der Psychologie dient der Kulturbegriff vielfach als terminologische Verknüpfung und Bindeglied zwischen analytischen Mikro- und Makro-Ebenen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch hier insbesondere der Handlungsaspekt von Kultur von besonderer Relevanz als Erklärungsinstrument sozialen Handelns in der Psychologie. Ein aktuelles Beispiel für die Vehemenz, mit der diese Debatte auch in der Psychologie ausgetragen wird, liegt in Form einer Argumentation von Toomela (2008) vor, der die Operationalisierung von Handlungsentscheidungen auf der Grundlage der Tätigkeitstheorie vehement kritisiert und verwirft.

Der Kulturbegriff in den British Cultural Studies Die Schule der Cultural Studies, verstanden als Denktradition, die im Rahmen des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) der Universität Birmingham in den 1960er und 1970er Jahren entwickelt wurde, zentriert sich per definitionem um

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Aspekte und Einflüsse von Kultur auf soziales Leben (Johnson 1986-87). Dennoch kann auch diese Disziplin als ein Produkt verstanden werden, das aus einer additiven Hinzufügung des Kulturbegriffs zu einer bereits vorhandenen Tradition der Literaturwissenschaften und deren Öffnung hin zu einer Medienanalyse entstanden ist. Vertreter der Cultural Studies teilen meist ein sehr allumfassendes Kulturverständnis: Alles Handeln ist demnach symbolisches Handeln und damit zugleich auch Kultur. Von besonderem Interesse ist aus Sicht der Cultural Studies hierbei jedoch der Aushandlungscharakter kultureller Bedeutungen, der hier machtkritisch als eine Austragung hegemonialer Kämpfe verstanden wird. Kultur wird in diesem Rahmen bald zum Synonym für soziale Kämpfe: Schiffauer (1999) plädiert im Sinne der Cultural Studies für ein Verständnis von Kultur als einem Diskursfeld, in dem das, was eine Kultur ausmachen soll, permanent ausgehandelt wird. Dieser Aushandlungsprozess verläuft dabei in der Regel konfliktär und unter dem Einfluss erheblicher Machtungleichgewichte einzelner gesellschaftlicher Gruppen ab. Dieses Konfliktverständnis wird in der Diskurstheorie insbesondere von Laclau und Mouffe (2000 [1985]) vertreten, die den Gesamtgegenstand als ein Feld der Diskursivität bezeichnen. Der Diskursbegriff der Cultural Studies ist dabei in den meisten Fällen den Überlegungen Foucaults, bzw. auf Foucault aufbauender Theoretiker entnommen und weiterentwickelt. Besonders für die Behandlung des Diskursbegriffs durch die Cultural Studies ist dabei insbesondere die zunächst verstärkte Subjektfokussierung der Theoriebildung, wohingegen Foucault der Gefangenheit der Diskurse in sozialen Strukturen mehr Bedeutung zugemessen hatte. Fokussieren Vertreter der Cultural Studies die Handlungsspielräume von Subjekten im Diskurs, so wird diesen gleichzeitig meist auch ein größerer Gestaltungsraum zugestanden als bei Foucault. Stuart Hall (1994) zufolge können sich Individuen beispielsweise in Diskursen in einem Spiel um Differenzen positionieren. Dabei sind dennoch auch diese Diskurse von Machtstrukturen durchzogen. Hall selbst hat teilweise Kulturen und Diskurse gleichgesetzt: »Eine Nationalkultur ist ein Diskurs.« (Hall 1994: 201). Der Cultural Turn in den Geisteswissenschaften, dessen Grundlagen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt worden waren, kann trotz dieser diskurstheoretischen und machtkritischen Fokussierung der Cultural Studies als eine zwingend erforderliche Voraussetzung für ihre Entstehung verstanden werden (Ang 1999). Diese Grundlage teilen die Cultural Studies demnach mit dem Fachgebiet der interkulturellen Kommunikation, das vielfach ebenfalls auf ein vormaliges Erstarken des Interesses an Kultur in den Geisteswissenschaften zurückgeführt wird. Dennoch haben sich Vertreter aus interkultureller Forschung und aus den Cultural Studies einander kaum angenähert, bzw. kaum in Beiträgen aufeinander Bezug genommen, geschweige denn durch gegenseitige Rezeption Erkenntnisgewinne eingefahren. Da es aus Sicht der Cultural Studies nichts außerhalb von Kultur gibt und alle Kommunikation ein permanentes Aushandeln kultureller Hegemonien ist, wäre somit auch alle Kommunikation immer auch schon interkulturelle Kommunikation. Letztere wäre demnach kein Sonderfall mehr, und letztlich würden sich auch Vertreter der Cultural Studies aus dieser Sicht mit Interkulturalität beschäftigen. Trotz dieser Argumentationen kann jedoch auch eingestanden werden, dass sich die Cultural Studies kaum mit unterschiedlichen Ethnizitäten, ethnischen Grenzzie-

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hungen und Einflüssen ethnisch motivierter, kultureller Differenz auseinandergesetzt haben. Hierfür haben die Cultural Studies kein Instrumentarium entwickelt, wenngleich zumindest eine Reihe von Versuchen der gegenseitigen Integration von Cultural Studies und interkultureller Forschung vorliegt, die mit möglichen Synergieeffekten argumentieren: Halualani (2000) stellt die strukturalistische Grundlegung und Fundierung der Cultural Studies als ein theoretisches Gerüst heraus, in das auch das Kriterium der Ethnizität integriert werden müsste. Diese Integration kann Halualani zufolge nicht pauschal erfolgen, sondern beschreibbar wird sie für jeden Einzelfall als ein so genanntes strukturalistisch-kulturelles Projekt. Betrachtet und beschreibt man jeweils einzelne interkulturelle Relationen und Begegnungen zwischen ausgewählten kulturellen Gruppen, dann kann dies auch auf der Grundlage strukturalistischer Theorien bewerkstelligt werden. Mit einer ähnlichen Argumentation beschreibt Kramvig (2005) den konkreten Fall der Minderheit der Sami in Norwegen als situative ethnisch begründete Grenzziehung, die durch ein erhebliches Machtungleichgewicht geprägt ist. Umgekehrt entwirft Rellstab (2004) eine Argumentation, gemäß der insbesondere die machtkritischen Perspektiven in postkolonialen Theorien und den Cultural Studies eine Bereicherung für die Forschung zur interkulturellen Kommunikation darstellen können, die genuin aus den eigenen Theorien heraus nur kulturalistische Differenzen konzipieren können. Prozesse des kulturellen Austauschs und der Globalisierung können Denning (2001) zufolge im Rahmen der Cultural Studies zumindest als Narrationen identifiziert und nachgezeichnet werden.

G RUNDLEGENDE U NTERSCHEIDUNGSKRITERIEN KULTURELLER B ESCHREIBUNG Die Integration von Kulturverständnissen in bereits bestehende Disziplinen kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen, die auch bereits in kontrastiven Studien einander gegenübergestellt worden sind. Einige zentrale Unterscheidungsmerkmale sollen in den folgenden Abschnitten dargestellt werden. Auch die vorliegende Studie wird dabei zur Systematisierung der gesichteten Arbeiten auf einzelne Dimensionen einer solchen Differenzierung zurückgreifen. Aus den hier vorgestellten Unterscheidungskriterien werden für die vorliegende Studie am Ende jedoch nur diejenigen herausgegriffen, mit denen eine kritische Sichtbarmachung der Handlungsrelevanz von Kulturbegriffen unterstützt wird.

Struktur vs. Handlung Struktur- und Handlungsparadigma haben im zwanzigsten Jahrhundert über Jahrzehnte hinweg als miteinander konkurrierende Konzepte die wissenschaftliche Produktion genährt. Nachdem der linguistic turn sich zu einem erkenntnistheoretischen Paradigma entwickelt hatte, wurden Kommunikation und Interaktion zunächst den-

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noch weiterhin anhand des bis dato nahe liegenderen Strukturparadigmas erklärt: Kommunikation und Interaktion gelingen demnach deshalb, weil sie innerhalb einer bestehenden Struktur aus Bedeutungen und Sinnzusammenhängen vollzogen werden. Im Zuge des immer weiter fortentwickelten interpretativen Paradigmas rückte in späteren Ansätzen zunehmend die Akteursperspektive auf das Handeln in den Vordergrund: Beschrieben wurden Interaktion und Kommunikation nun als Handlungen unter Individuen, für deren Verständnis eine existierende Struktur nicht mehr erforderlich erschien. Das zunehmende wissenschaftliche Interesse am Kulturbegriff kann auch als Suche nach einer Mittlerinstanz zwischen den Polen aus Struktur und Handlung verstanden werden, deren konkurrierende Ansätze meist unversöhnlich erschienen, die im Grunde Erklärungen für die gleichen Phänomene lieferten, und deren Diskussion kaum noch zusätzliche Erkenntnisgewinne erhoffen ließ. Gleichzeitig erfüllten sowohl Struktur- als auch Handlungsparadigma eine essentielle Funktion in der Sozialforschung, indem sie ein Konzept bereitstellten, mit dem sich Verbindungen und Interdependenzen zwischen einer gesellschaftlichen Makro-Ebene und einer MikroEbene interpersonalen Handelns identifizieren und beschreiben ließen. Diese Funktion kann auch mit Hilfe des Kulturbegriffs beschrieben werden, so dass eine Auseinandersetzung mit dem Faktor Kultur stets auch eine Erleichterung und einen Ausweg aus dem Dilemma von Struktur und Handlung erhoffen ließ. Gleichzeitig können Struktur- und Handlungsparadigma bis heute als Klassifizierungskategorien für die Beschreibung unterschiedlicher Kulturbegriffe dienen: Letztere werden in den meisten Fällen auch weiterhin entweder aus einer strukturalistischen oder einer handlungstheoretisch orientierten Denkrichtung hergeleitet.

Kultur in Illokution und Perlokution Die Divergenz zwischen Struktur und Handlung als Erklärungsvariablen für Interaktion bestand auch in den Sprachwissenschaften, von denen der Paradigmenwechsel ursprünglich ausging. Doch auch hier lässt sich eine Tendenz und Bewegung vom Struktur- zum Handlungsparadigma beobachten: Sprachwissenschaftler haben sich demnach in den frühen Jahren und bislang größtenteils mit den Auswirkungen von Kultur auf die Illokution sprachlicher Äußerungen beschäftigt. Akteursorientierte Perspektiven auf Auswirkungen von Kultur auf die Perlokution und die Performativität sprachlicher Äußerungen dagegen wurden eher vernachlässigt.

Kultur aus kontrastiver oder interaktionistischer Sicht Ein wissenschaftliches Interesse an Kultur hat sich zunächst am Kulturkontrast entzündet. Der Vergleich von Kulturen hat entsprechend auch die Forschung zur interkulturellen Kommunikation über lange Zeit hinweg dominiert, in zahlreichen anwendungsorientierten Bereichen hält diese Dominanz bis in die Gegenwart an. Neben einer Identifikation von Aspekten, in denen Kulturen sich voneinander unterscheiden und was eine einzelne Kultur folglich im Besonderen ausmacht, darf auch auf die Identifikation kulturunabhängiger Universalien gehofft werden (Jaszczolt 1995: 562).

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Interaktionstheoretische Herangehensweisen unterstellen demgegenüber, dass Individuen im interkulturellen Kontakt nicht vollständig gemäß ihrer eigenkulturellen Prägung interagieren werden, sondern dass sie situativ Umgangsformen untereinander aushandeln werden. Beide Herangehensweisen können jedoch vor dem Hintergrund der unterschiedlichsten Kulturtheorien durchgeführt werden, so dass sie sich nicht anbieten, um ein theoretisch verortetes Einwirken von Kultur auf soziales Handeln zu systematisieren. Die Kategorie der interaktionstheoretisch ausgerichteten Ansätze mag zunächst den Anschein einer Deckungsgleichheit mit den später in dieser Arbeit diskutierten konstruktivistischen Ansätzen erwecken. Diese Kongruenz kann jedoch nicht immer aufrechterhalten werden. So können beispielsweise Arbeiten auf der Grundlage primordialer Kulturverständnisse durchaus den Interaktanten vor dem Hintergrund einer angenommenen Kulturalisierung Aushandlungsspielräume einräumen, die dann jedoch nicht kreativ gestaltet, sondern nur vor dem Hintergrund eines bereits vorhandenen Repertoires vollzogen werden können.

Kulturbeschreibung aus emischer oder etischer Sicht Die Unterscheidung zwischen emischen und etischen Herangehensweisen hat sich insbesondere in der Kulturforschung zu einer differenzierenden Schlüsselkategorie entwickelt. Headland (1990) zufolge wird mit den beiden Begriffen im Allgemeinen meist schlicht zwischen einer Innenperspektive und einer Außenperspektive auf eine Kultur unterschieden: Demnach versuchen emische Studien, eine ausgewählte Kultur aus einer Innensicht und mit Begriffen zu beschreiben, die dieser einen Kultur inhärent und eigen sind. Etisch ausgerichtete Studien dagegen versuchen eine oder mehrere Kulturen mit Begriffen zu beschreiben, die nicht zwingend in den einzelnen Kulturen selbst eine Rolle spielen, die jedoch als übergeordnete Kategorien Vergleiche zwischen mehreren Kulturen entlang ausgewählter Kriterien ermöglichen. Dieser Unterscheidung in ihrer Anwendung auf eine Erforschung interkultureller Kommunikation folgen beispielsweise Gudykunst und Ting-Toomey: »There are two basic approaches to the study of cultures: emic and etic. The emic approach focuses on studying cultures from the inside, understanding cultures as the members of the cultures understand them. The etic approach, in contrast, focuses on understanding cultures from the outside by comparing cultures using predetermined characteristics« (Gudykunst/TingToomey 1996: 6; 2003: 119f).

Gudykunst und Ting-Toomey referieren daraufhin unterschiedliche disziplinäre Annäherungen an Gegenstände interkultureller Kommunikation, die bereits qua ihres theoretischen Ansatzes grundsätzlich eine emische, bzw. eine etische Sichtweise generieren. Emische Untersuchungen aus einer Innensicht der jeweiligen Kulturen werden demnach meist in der Anthropologie sowie in den sprachwissenschaftlichen Disziplinen der Soziolinguistik und der Ethnographie des Sprechens produziert. Etische Ansätze, die aus einer kulturübergreifenden und externen Sicht versuchen, mehrere Kulturen durch kulturallgemeine Kriterien miteinander zu vergleichen, sind demgegenüber meist das Ergebnis quantitativer Herangehensweisen. Gudykunst und Ting-

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Toomey verweisen hier exemplarisch und charakteristisch auf die quantitative Erhebung Hofstedes (1980), aus der der Autor vier Kulturdimensionen abgeleitet hat, deren Endpunkte und Unterscheidungskriterien in keiner der betroffenen Kulturen in Reinform und unter den verwendeten Begrifflichkeiten vertreten ist (1996; 2003). Während sich sicherlich der größte Teil der Publikationen und Studien zur interkulturellen Kommunikation einer der beiden Kategorien emischer vs. etischer Herangehensweisen zuordnen lässt, wird diese Unterscheidung von den jeweiligen Autoren selbst jedoch nur selten explizit erwähnt und vorgenommen. Insbesondere in wissenschaftstheoretischen Diskussionen innerhalb des Fachs wird jedoch regelmäßig auf die Unterscheidung Bezug genommen. Geläufig erscheint darüber hinaus die Argumentation, Fragestellungen interkultureller Kommunikation sollten grundsätzlich sowohl aus emischer als auch aus etischer Perspektive bearbeitet werden, um möglichst umfangreiche und vollständige Informationen und Sichtweisen erhalten zu können (Spitzberg/Changnon 2009: 116). Dabei offenbaren sich auch alternative Verwendungen des Begriffspaars aus Emik und Etik: In der Einleitung zu ihrem Handbook of Intercultural Training (Landis/Bennett/Bennett 2004) gehen Bennett, Bennett und Landis (2004: 2) davon aus, dass kulturallgemeine interkulturelle Trainings mit kulturallgemeinen Begriffen aus der kulturvergleichenden Psychologie arbeiteten, die hier als etisch bezeichnet werden. Kulturspezifische Trainings dagegen basierten den Autoren zufolge meist auf Ergebnissen aus der Anthropologie, die sie als kulturspezifisch und emisch bezeichneten. Die Gleichsetzung von Etik mit kulturallgemeinen Sichtweisen und Emik mit kulturspezifischen Sichtweisen übernimmt Bennett auch in einer späteren Publikation zur Kategorisierung von Definitionen interkultureller Kompetenz (Bennett 2009: 126). Otten (2007: 68) verwendet die Unterscheidung aus Emik und Etik, um den Geltungsanspruch von wissenschaftlichen Kategorien in der interkulturellen Forschung kritisch zu hinterfragen. Er geht dabei davon aus, dass zahlreiche theoretische Konzepte einen etischen Gültigkeitsanspruch verfolgen, und damit meint Otten einen kulturübergreifenden Anspruch sowie einen Anspruch auf kulturallgemeine Gültigkeit. Tatsächlich seien viele dieser Konzepte jedoch ausschließlich innerhalb eines einzigen kulturellen Kontextes ausgearbeitet und auch erprobt worden, wobei es sich selbstverständlich meist um den Kontext westlicher Kulturen handelt. Otten stuft wissenschaftliche Konzepte dieser Art daher als kulturspezifisch und – in Anlehnung an die Verwendung der Begriffe bei Bennett – als emisch ein. Eindeutig und leicht nachzuvollziehen erscheint die Unterscheidung emischer und etischer Perspektiven jedoch nur auf den ersten Blick. Wo Otten bereits die hegemoniale Frage nach den unterschiedlich weitreichenden Gültigkeitsansprüchen thematisiert, die mit den beiden Perspektiven verknüpft werden, fügt Mahadevan (Mahadevan 2012: 135) für eine Diskussion in der interkulturellen Forschung die Legitimitätsproblematik hinzu, die für emische vs. etische Herangehensweisen daraus erwächst, dass die Ergebnisse beider Ansätze grundsätzlich nicht miteinander übereinstimmen werden, bzw. dass beide Ansätze immer unterschiedliche Ergebnisse produzieren werden, zwischen denen sich qua definitionem auch keine Beziehung herstellen lässt. Mahadevan wirft damit ein wissenschaftstheoretisches Grundsatzproblem auf, das der Unterscheidung zwischen Emik und Etik inhärent zu sein scheint und das in der empirischen Sozialforschung bereits vielfach diskutiert wurde.

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Hierzu mag eine Retrospektive auf die Genese des Begriffspaars in der Wissenschaftstheorie hilfreich sein. Phonetik und Phonemik als Teildisziplinen der Linguistik werden von mehreren Autoren, die sich mit der Verwendung der Begriffe Etik und Emik in den Sozialwissenschaften kritisch auseinandersetzen, als ursprüngliche Quelle und primärer Verwendungsort genannt, aus dem die Unterscheidung später für andere Verwendungsformen abgeleitet wurde. Demnach beschäftigt sich die Phonetik mit einer Untersuchung und Beschreibung der physiognomisch-mechanischen Produktion von Lauten durch Lebewesen. Untersuchungsgegenstand sind entsprechend alle Laute, die auch nur in irgendeiner Sprache und Kultur vorkommen. Die Phonologie demgegenüber beschäftigt sich auf dieser Grundlage einschränkend und ausschließlich mit Lauten, die innerhalb einer ausgewählten Sprache eine kleineste bedeutungstragende Einheit bilden. Für die Untersuchung dieser Phoneme einer Sprache muss daher nicht das gesamte Spektrum der in der Phonetik erhobenen Laute berücksichtigt werden, sondern nur die Auswahl an Lauten, die in der betroffenen Sprache Verwendung findet (Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 405-435). In die Kulturforschung ist das Begriffspaar (Headland 1990) zufolge von zwei US-amerikanischen Anthropologen eingeführt worden: Eine erste Erwähnung der Begriffe findet Headland bei Kenneth Pike (1967),3 eine weitere intensive und frühe Auseinandersetzung findet er bei Marvin Harris (1964), einem Vertreter des Kulturmaterialismus, der sich bei der Übernahme der Begriffe auf Pike bezieht, jedoch eine abgewandelte Verwendungsform entwickelt. Headland (1990) leitet einen Sammelband ein, in dem die Verwendungsformen der Begriffe aus Etik und Emik nach Pike und Harris einander gegenübergestellt und diskutiert werden. In seiner Einleitung verweist Headland bereits darauf, dass das Begriffspaar zwischenzeitlich eine omnipräsente Verwendung findet, die sich so weit verselbständigt hat, dass die Nutzer der Begriffe in der Regel nicht mehr auf die Begründer dieser Begriffe, Pike oder Harris Bezug nehmen. Über das Alltagsverständnis der Begriffe hinaus findet Harris im Rahmen seines Forschungsüberblicks darüber hinaus erhebliche Verschiebungen in den Bedeutungen, mit denen die Begriffe in unterschiedlichen Disziplinen und von verschiedenen Autoren verwendet werden, teilweise deckt Headland sogar widersprüchliche oder inverse Verwendungen der Begriffe Etik und Emik auf. Auch Pike entnimmt das Begriffspaar jedoch zunächst aus der Linguistik und seiner dortigen Verwendung in den Konzepten von Phonetik und Phonemik. Müller (2001: 59ff) berichtet von Pikes ersten Versuchen einer Übertragung der Begriffe in die anthropologische Forschung. Demnach beschreibt Pike (1967) beispielsweise den linear gegliederten Ablauf eines Gottesdienstes: In etischer Herangehensweise erfasst Pike als Forscher alle als getrennt voneinander wahrnehmbaren Schritte. Als emisch bezeichnet Pike demgegenüber eine Unterteilung des Ablaufs in Abschnitte, die für die beteiligten Gläubigen selbst trennbare Sinnabschnitte bilden. Wie uneindeutig das Zusammenspiel der Begriffe aus Etik und Emik jedoch ist, erläutert Müller an mehreren Beispielen: Will man beispielsweise Verwandtschaftsbeziehungen in fremden Kulturen untersuchen, so ist ein Herangehen an eine Beschreibung des Gegenstands ohne die vorherige Annahme einer etisch angelegten

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Eine Erstauflage der Publikation von Pike datiert auf das Jahr 1954.

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Begriffssystematik zur Bezeichnung von Verwandtschaftsbeziehungen gar nicht möglich oder denkbar. Eine weitere begriffliche Dilemmasituation findet Müller (2001) bei Dundes (1962), der die Begriffe von Etik und Emik auf die Folkloreforschung anwendet. Dundes geht hier einen innovativen Weg und appliziert die Erzähltheorie von Vladimir Propp (1928 [1975]). Propp argumentiert in seiner Erzähltheorie, dass alle Erzählungen kulturübergreifend grundsätzlich einer begrenzten Anzahl unterschiedlicher Erzählverläufe folgten. Figuren, Rollen, Handlungen und Ereignisverläufe aller Erzählungen ließen sich demnach auf wenige grundlegende Schemata zurückführen, von denen nicht abgewichen wird. Das grundlegende Modell, das Propp hierzu allen Erzählungen zugrunde legt, ist dabei ein etisches Konstrukt. Dundes bringt den Ansatz Propps mit der Unterscheidung etischer vs. emischer Sichtweisen nach Pike in Verbindung. Aus Pikes Ansatz schließt Dundes, dass bei der Analyse von Erzählungen neben einem zugrunde liegenden etischen Modell doch immer auch zusätzlich emische Interpretationen, Auslegungen und Bedeutungszuschreibungen identifizierbar sein müssen. Demzufolge existierten nicht nur grundsätzlich sowohl etische als auch emische potentielle Sichtweisen auf einen Gegenstand, sondern zusätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass diese Sichtweisen interdependent und zugleich divergent sein müssen. Gegenüber diesen logischen Folgerungen kritisiert Müller (2001), dass viele Anthropologen dieses zwingende, komplexe und häufig uneindeutige Zusammenspiel etischer und emischer Beschreibbarkeiten nicht vollständig reflektierten. Diesen Vorwurf erhebt Müller sogar gegen Pike als Begründer des Begriffspaars in der Anthropologie selbst: So führt beispielsweise Pike in seinen Untersuchungen grundsätzlich keine kulturübergreifenden Vergleiche der von ihm betrachteten Kontexte durch, so dass eine eindeutige Zuweisung etischer vs. emischer Auslegungen gar nicht möglich erscheint. Darüber hinaus wirft Müller Pike vor, fälschlicherweise anzunehmen, eine etische Begriffsmatrix könne aus einer einzigen Sprache, noch dazu der Sprache des Beobachters, heraus formuliert werden. Mit Blick auf diese relativistischen Überlegungen kann daran gezweifelt werden, ob eine etische Sichtweise angesichts einer grundsätzlichen Ethnozentriertheit von Beobachtern überhaupt eingenommen werden kann. Diese kritischen Überlegungen finden sich auch in zahlreichen methodischen Debatten um eine Erforschung interkultureller Kommunikation, bei der die Zugänglichkeit kultureller Räume grundsätzlich in Frage gestellt wird. Zugleich kann sich eine konsequent ernst genommene etische Herangehensweise an die Erforschung von Kulturen als sehr unhandliches Unterfangen herausstellen. Müller (2001) weist hier darauf hin, dass für die Erstellung eines etischen Kriterienrasters grundsätzlich die Formen eines Beobachtungsgegenstands weltweit in allen kulturspezifischen Ausprägungen berücksichtigt werden müssten, um auf diese Weise zu einer Systematik zu gelangen, die potentiell alle Varianten erfassen kann. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass viele Aspekte einer etischen Systematik bei der Beobachtung einer einzelnen Kultur gar nicht berücksichtigt werden brauchen, da sie schlicht nicht vorkommen. Konkret müsste demnach mit einem erheblich aufgeblähten begrifflichen Instrumentarium bei der Erforschung einer einzelnen Kultur hantiert werden.

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Insbesondere angesichts der Komplexität und der Umstrittenheit der Forschungskategorie aus Etik und Emik wird diese Differenzierung als Systematisierungsmerkmal in die folgende Schematik übernommen, um auf dieser Grundlage Brüche in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation – und somit ihren Konstruktionscharakter – sichtbar machen zu können.

Kulturalität als zugeschriebene vs. erworbene Kategorie Auch bei der Unterscheidung eines Verständnisses von Kultur und kultureller Zugehörigkeit als einer zugeschriebenen oder erworbenen Kategorie handelt es sich um ein wissenschaftstheoretisches Konstrukt, das einer Systematisierung und einer Differenzierung von Herangehensweisen dient. Zugleich werden Vertreter beider Ansätze grundsätzlich zustimmen, dass Kulturalität grundsätzlich teilweise erworben und teilweise zugeschrieben wird. Dennoch entscheidet sich an dieser Kategorie, wie groß der Handlungsspielraum und die Handlungsverantwortung bemessen werden, die handelnden Individuen über kulturelle Begrenztheiten hinaus zustehen. So weist beispielsweise der Ethnologe Robert Pütz (2004: 12) darauf hin, dass im gesellschaftlichen Alltagsverständnis von Laien Kulturalität und kulturelle Zugehörigkeit meist für eine erworbene Kategorie halten. Zugleich kann jedoch aus dieser getätigten Annahme gefolgert werden, dass die Kategorie damit offenbar vor allem zugeschrieben worden ist. Umgekehrt favorisieren alternative Ansätze den Primat des Erwerbs: Altmayer versteht Kollektivitäten als Identifikationsangebote, aus denen Individuen permanent wählen können (Altmayer 2002: 8). Begrifflich kommt das Modell von Altmayer mit weniger Hilfsvariablen als das von Pütz aus, der die Diskrepanz aus tatsächlicher Zuschreibung und imaginiertem Erwerb in der Praxis mit dem Konstrukt der strategischen Transkulturalität erklären muss. Auch bei der Unterscheidung von Kultur aus einer zugeschriebenen gegenüber einer erworbenen Kategorie handelt es sich jedoch im Hinblick auf die interkulturelle Forschung um eine offen diskutierte Frage der Perspektive, aber auch der diskursiven Konstruktion und Ausgestaltung des Forschungsgegenstands interkultureller Kommunikation selbst.

Kulturelle Manifestationen in Form von Werten vs. Wissen Ob sich Kulturalität in Form von Werten oder in Form von Wissen im Handeln von Individuen manifestiert, ist eine weitere offen debattierte Glaubensfrage in der interkulturellen Forschung, die ebenfalls – wie die zuvor genannten Unterscheidungen – bereits auf diskursiv-theoretischer Ebene den Forschungsgegenstand interkultureller Kommunikation in unterschiedliche Richtungen determinieren kann. In der Forschungspraxis werden die Relevanz und der Einfluss des Faktors aus Werten vs. Wissen zudem häufig unterschätzt, bzw. nicht beachtet. So beklagen beispielsweise Acciaioli und Harney (2010: 17) eine Aushöhlung und Trivialisierung von Begriffen in der anthropologischen Forschung zugunsten einer Verwendung von Modebegriffen. Dabei bemängeln sie auch eine Verflachung zentraler Begriffe wie denen von Wissen und Werten:

210 | I M D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION »Knowledge becomes reduced to a commodity form or, from a technological perspective, merely becomes a device that permits action. Value has become a complementary arena of understanding and debate, from the measurement of value orientations through arguments invoking such dichotomies as moral economy and rational economy to recent work drawing from Marxist, Simmelian, structuralist and exchange theory to bridge the dichotomy of meaning and desire« (Acciaioli/Harney 2010: 17).

Accialioli und Harney folgern daraus, dass diese Begriffe sowohl in ihrer alltäglichen als auch in ihrer wissenschaftlichen Verwendung neu durchdacht, konzipiert und geschärft werden müssten. Bei einer Beschreibung der Manifestation von Kulturen als Werten, bzw. als Wissen handelt es sich um einen metaphorischen Beschreibungsversuch, so dass bereits hier die Legitimität und Vollständigkeit der Beschreibungsadäquatheit angezweifelt werden kann. Dennoch machen metaphorische Definitionen von Kultur sicherlich einen großen Anteil unter den Kulturbeschreibungsmodellen aus, und hierzu liegt zugleich eine große Vielzahl bemühter Metaphern vor, in die beispielsweise Bond, Zegarac und Spencer-Oatey (2000) einen Einblick geben. Zu einer grundlegenden Orientierung zwischen Wissen und Werten kann angenommen werden, dass funktionale Ansätze dazu tendieren, vorhandenes Wissen zusätzlich einzuschränken auf eine Betrachtung von Wissen, mit dessen Hilfe universale Probleme gelöst werden können. Dabei wird angenommen, dass der Unterschied zwischen Wissen und Werten darin besteht, dass Wissen grundsätzlich begrenzt zu sein scheint. Werte dagegen sagen nur etwas über Präferenzen aus, nicht über das tatsächliche Spektrum eines Könnens oder Wissens, so konstatieren bereits früh die Sammler von Kulturdefinitionen, Kluckhohn und Strodtbeck.4 Eine Gleichsetzung von Kultur als einer spezifischen Form von Wissen ergibt sich insbesondere aus den theoretischen Grundlagen einer phänomenologisch ausgerichteten Wissenssoziologie.5 Ein Verständnis von Kulturen als Manifestationen spezifischer Werte dagegen lässt sich aus diskurstheoretischen Überlegungen herleiten. Auernheimer (2002) vergleicht diese beiden konkurrierenden Beschreibungsmodelle von Kultur im Hinblick auf ihre Adäquatheit und Erklärungskraft. Dabei stellt er heraus, dass das Konzept der Lebenswelt – zuletzt weiterentwickelt von Berger und

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»First, it is assumed that there is a limited number of common human problems for which all peoples at all times must find some solution. This is the universal aspect of value orientations because the common human problems to be treated arise inevitably out of the human situation. The second assumption is that while there is variability in solutions of all the problems, it is neither limitless nor random but it is definitely variable within a range of possible solutions. The third assumption, the one which provides the main key to the later analysis of variation in value orientations, is that all alternatives of all solutions are present in all societies at all times but are differently preferred. Every society has, in addition to its dominant profile of value orientations, numerous variant or substitute profiles. Moreover, it is postulated that in both the dominant and the variant profiles there is almost always a rank ordering of the preferences of the value-orientation alternatives« (Kluckhohn/Strodtbeck 1961: 10). Für Forschungsansätze zur interkulturellen Kommunikation auf wissenssoziologischer Basis vgl. z.B. die Beiträge in Dreher und Stegmaier (2007b).

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Luckmann (1999 [1969]) insbesondere die Symbolhaftigkeit und die Wandelbarkeit von Kultur nicht erfassen könne.6 An anderer Stelle verweist Auernheimer zudem auf Habermas, der das phänomenologische Lebensweltkonzept als im Grunde essentialistisch deklassiert (Auernheimer 1999: 32). Auernheimer hält wissenssoziologische Deutungsmuster, die auf dem Lebensweltkonzept aufbauen, für wenig erklärungskräftig im Hinblick auf Fragen interkultureller Kommunikation.7 Stattdessen setzt er sich für ein diskursives Verständnis von Kultur ein. Die miteinander konkurrierenden Deutungsangebote aus Wissenssoziologie und Diskurstheorie in der Kulturforschung werden in der vorliegenden Studie noch an späterer Stelle ausführlich diskutiert. Grundsätzlich ermöglicht die Foucaultsche Diskurstheorie, insbesondere in ihrer Weiterentwicklung im Sinne einer Subjektzentrierung in den Cultural Studies, den Postkolonialen Theorien sowie in Judith Butlers Gender Studies, gegenüber wissenssoziologischen Ansätzen die Erfassung von Kultur als einem Diskurs. Von Vorteil für eine anwendungsorientierte Kulturforschung sind diskurstheoretisch informierte Ansätze dann, wenn es darum geht, nicht nur kulturelles Wissen, sondern auch damit verknüpfte Normorientierungen und Bewertun-

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»Die Struktur und Wirkungsweise symbolischer Ordnungen wird in der Lebensweltanalyse nur unzureichend zum Gegenstand gemacht. Sicher wird die Sprache als notwendiges Mittel der Objektivierung thematisiert. Als Fundus ›typisierender Erfahrungsschemata‹ bestimmt die jeweils verfügbare Sprache unsere Alltagswahrnehmung. Sie dient der Vorstellungsbildung und ermöglicht Intersubjektivität. Sprache als Idealisierung von subjektiver Erfahrung (Schütz/Luckmann 1979: 282f) hat aber eine konservative, weniger eine produktive, erfahrungsgenerierende Funktion. Was die Sprache ›mit uns macht‹, kommt nicht in den Blick (selbst nicht bei solchen Fragen wie ›Themenentwicklung‹ und ›-wechsel‹ im Alltag). Daher wird zweitens auch symbolische Macht nicht zum Thema. Berger und Luckmann (1999 [1969]), die den Lebensweltansatz stärker in wissenssoziologischer Richtung weiterführen und konstruktivistisch wenden, widmen zwar der Frage, wer bestimmt, was soziale Wirklichkeit ist, große Aufmerksamkeit. Aber hier wird das Problem manipulationstheoretisch verkürzt, weil Sprache auf ein memotechnisches Mittel reduziert ist (ebd.: 75) und als ›Depot‹ ›gemeinsamer Sedimente‹ von Sinn verstanden wird (ebd.: 73). ›Welt-Spezialisten‹, ›Expertencliquen‹ oder – in anderer Formulierung – ›Sinnstifter im Bündnis mit der Macht‹ werden als ›Bestimmer von Wirklichkeit‹ ausgemacht (ebd.: 125f). Das beschreibt die Rolle der Intellektuellen innerhalb der kulturellen Praxis unzureichend« (Auernheimer 2002: 98). Auch Auernheimer kritisiert die geringe Erklärungskraft des Lebensweltbegriffs im Hinblick auf eine Erforschung der Probleme einer Kulturforschung: »Vor diesem Hintergrund muss es eigentlich verwundern, dass innerhalb der interkulturellen Pädagogik ›Lebenswelt‹ überhaupt als begriffliche Alternative ins Auge gefasst worden ist. Lebenswelt hat alle Merkmale eines kritisierten Kulturverständnisses: unhistorisch, statisch, nicht dynamisch, hermetisch geschlossen, den Beteiligten nicht reflexiv verfügbar und nicht verhandelbar. Was das Lebensweltkonzept für die interkulturelle Pädagogik attraktiv machen könnte, ist die Hervorhebung des vorbewussten Status unserer Handlungsorientierungen. Zugleich ist aber gerade diese Beschränkung des Konstrukts auf den Zustand der Unreflektiertheit von Normen, Deutungsschemata usw. der pädagogischen Intention entgegengesetzt« (Auernheimer 2002: 96).

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gen zu erfassen, auf deren Grundlage sich in unmittelbarerer Weise Handlungsanweisungen für die Praxis ableiten lassen. Als prominentes Beispiel für diese Herangehensweise sei hier auf die Studie von Hofstede (1980) verwiesen, der sich mit arbeitsbezogenen Werten („work-related values«) auseinandersetzt. Moosmüller (2007b: 30f) verweist auf Parallelen zwischen Hofstedes Kulturdimensionen und dem Konzept des Habitus nach Bourdieu. Hofstede selbst weist auf diese Parallelen hin. Bourdieu versteht den Habitus als Denkmuster einer Gruppe, die letztendlich kulturelles Handeln produzieren. Der Habitus wird durch Imitation weitergetragen, ist aber nach einer anfänglichen Sozialisierung auch mehr oder weniger vorgegeben. Er schränkt die Handlungsoptionen von Individuen ein und macht ihr Handeln vorhersagbar. Als Inhalte des Habitus‹ gelten vorrangig Normen und Werte. Zugleich lassen sich Koinzidenzen zwischen den unterschiedlichen, hier erläuterten Systematisierungskategorien feststellen: Es fällt auf, dass eine Metaphorik von Kulturen als Werte und Normen insbesondere in Arbeiten vorherrscht, die auf einem primordialen Kulturverständnis aufbauen. Konstruktivistische Arbeiten dagegen basieren demgegenüber häufiger auf der Annahme von kulturellem Wissen und Konventionen. Versucht man, aus dieser Beobachtung ein Modell mit einer größtmöglichen Erklärungskraft im Hinblick auf die Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln zu generieren, dann erschiene die folgende Kombination aus Ansätzen besonders attraktiv: Konstruktivistische Modelle haben sich in den vergangenen Jahren als erklärungsadäquater erwiesen als primordiale Ansätze. Wie bereits besprochen lassen Kulturmodelle, die Normen und Werte anstelle von Wissen fokussieren, weitreichendere Rückschlüsse auf kulturbasierte Handlungsoptionen zu. Demnach erschienen Arbeiten, die von einem konstruktivistischen Kulturverständnis ausgehen und Kulturen gleichzeitig als Normen und Werte auffassen, als besonders vielversprechend. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an Publikationen aus dem Forschungsbereich interkultureller Kommunikation einen solchen Ansatz verfolgt (Busch 2012). Vordergründig scheinen sich konstruktivistische Herangehensweisen gepaart mit einem Verständnis von Kulturen als Normen und Werten in der Tat zu widersprechen, da Werte konnotativ meist als etwas verstanden werden, was über lange Zeit hinweg gewachsen sein muss – und daher primordial vorhanden sein müsste. Doch auch diese Genese von Normen und Werten kann als langfristiger Konstruktionsprozess verstanden werden, der durch permanente aktuelle Teilhabe und Vollzug aufrecht erhalten wird. Die Dichotomie aus Metaphern von Kulturen als Normen vs. Kulturen als Wissen darf jedoch nicht polarisiert verstanden werden, in der Literatur finden sich zahlreiche Mischformen sowie auch Suchen nach Alternativen, um aus dem als einengend und unproduktiv empfundenen Konkurrenzdilemma aus Werten vs. Wissen ausbrechen zu können. So bemängelt beispielsweise Ann Swidler (1986; 2001), dass kulturell bedingtes Handeln allein auf der Annahme zugrunde liegender Werte nicht eindeutig und grundsätzlich erklärbar werde. Sie schlägt stattdessen vor, Kultur als ein Repertoire zu verstehen, aus dem Individuen situativ schöpfen können, aber nicht grundsätzlich müssen. Aus diesem Repertoire leiten Individuen Handlungsstrategien ab, die sich folglich tatsächlich – kulturell beeinflusst – auf ihr Handeln auswirken.

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Empirische Nachweise für die Manifestation von Normen und Werten in sozialem Handeln hat auf überzeugende Weise insbesondere die Schule der Ethnomethodologie entwickelt: Housley und Fitzgerald (2009) haben sich hier auf eine Identifizierung von Normen sowie von deren kommunikativer Übermittlung konzentriert. Insbesondere mit der Methode der Membership Categorization Analysis lässt sich die Kommunikation von Normen sichtbar machen. Zentral stützen sich Housley und Fitzgerald dabei auf Vorarbeiten von Jayyusi (1984): »These features might be ›moral‹ features in the first place (such as the kinds of ›rights‹ and ›obligations‹ that are bound up with one’s being a ›mother‹, or a ›doctor‹ or ›policeman‹), or they might be otherwise – such as the ›knowledge‹ that is, for example, taken to be bound up with a category such as ›doctor‹, or the kind of ›work‹ that is taken to be constitutive of, or tied to, a category such as a policeman. But even in the latter case, it turns out that as evidenced in our actual practices, for example, ›knowledge‹ has its responsibilities [Hervorheb. des Autors; D.B.] – even these features provide grounds for the attribution of all kinds of moral properties, for finding that certain kinds of events or actions may or may not have taken place, for determining culpability, even for defeating the applicability of the category or description in the first place.« (Housley/Fitzgerald 2009: 347).

Entsprechend argumentieren Housley und Fitzgerald, dass eine reine Kommunikation und Verständigung auf der Grundlage gemeinsam geteilten Wissens im Grunde nicht möglich ist. Orientierungen im Gespräch sowie Gesprächsorganisationen können stattdessen nur mit Hilfe von Wertzuschreibungen und Bewertungen gegenüber Wissenselementen erfolgreich aufrechterhalten werden. Demnach erscheint die Annahme einer Existenz von Wissen, das nicht durch Normen belegt ist, als eine Illusion.

Z UR E INGRENZUNG

EINES EMPIRISCHEN

K ORPUS

In der vorliegenden Studie wird es in den folgenden Abschnitten darum gehen, wissenschaftliche Publikationen zur interkulturellen Kommunikation zu sichten, zu ordnen und im Hinblick auf ihre Rolle im und ihren Beitrag zum Dispositivcharakter des Gegenstands interkultureller Kommunikation zu untersuchen. Hierzu soll auf eine Systematik zurückgegriffen werden, die bereits in ihrer Gliederung die Zielstellungen der Untersuchung so weit wie möglich sichtbar werden lässt. Eine solche Systematisierung ist nicht eindeutig zu finden, und letztlich zeichnen sich Dispositive auch durch eine gewisse Ungeordnetheit und durch eine vielschichtige innere Verflechtung aus. Treffend erscheint in diesem Zusammenhang beispielsweise die von Otten und Geppert (2009) vorgeschlagene Metapher der qualitativen Forschung zur interkulturellen Kommunikation als einer Galaxie, die sich zunehmend ausdehnt und dabei immer neue Richtungen einschlägt. Diese Galaxie ist durchzogen von Milchstraßen aus zentralen Publikationen, auf die sich spätere Forschungsarbeiten immer wieder und besonders häufig beziehen. Otten und Geppert präsentieren ein entsprechendes Dimensionenmodell. Das Korpus an hinzugezogenen Studien wurde jedoch im Rahmen einer unveröffentlichten Abschlussarbeit von Geppert generiert, so dass das

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Zustandekommen des Korpus nur schwer nachvollzogen werden kann. In ihrer eigenen Systematisierung verweisen Otten und Geppert darüber hinaus auf eine Vielzahl weiterer möglicher Ordnungsmodelle. Trotz der zutreffenden Vielschichtigkeit wird im Folgenden eine deliberativ gewählte, dafür aber klarer strukturierte Kategorisierung gewählt, die sich aus den bereits in den vorangegangenen Abschnitten diskutierten Unterscheidungskriterien speist, und die die Divergenzen in der jeweils gefolgerten Handlungsrelevanz von Kultur in besonderer Weise ins Licht rückt.

P RIMORDIALE K ULTURBEGRIFFE Kulturelle Einflüsse auf soziales Handeln können an ganz unterschiedlichen Stellen verortet werden. So gehen einige Ansätze zwar zunächst davon aus, dass soziales Handeln kulturspezifische Prägungen aufweist, was jedoch noch nichts über Formen interkulturellen Kontakts aussagt. Hier wird davon ausgegangen, dass Kommunikation kulturspezifischen Prägungen unterliegt, die den Individuen meist nicht bewusst sind. Auch im interkulturellen Kontakt werden diese Unterschiede nicht als solche erkannt. Wahrgenommen werden stattdessen eher diffuse Irritationen, die schlimmstenfalls zu gegenseitigen negativen Persönlichkeitszuschreibungen und Konflikteskalationen führen können. Auswirkungen kultureller Einflüsse auf soziales Handeln manifestieren sich nach diesen Modellen demnach meist in Form von Reaktionen auf diese Einflüsse. Der besondere Problemgehalt interkulturellen Kontakts liegt aus der Sicht dieser Ansätze in der unterstellten Häufigkeit interkulturell bedingter Missverständnisse. Ansätze, die auf dieser Annahme basieren, gehören gleichzeitig eher zu den frühen und ersten Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation. Folgenreich erscheint hier die Annahme, Kultur steuere dem sozialen Handeln unterschiedliche Normen, Werte, bzw. unterschiedliches Wissen als Entscheidungsgrundlagen bei, eine Setzung durch Autoren wie Hall, Hofstede und Trompenaars, von der sich die interkulturelle Forschung bis heute kaum wieder lösen konnte.

Nicht-sprachwissenschaftliche Ansätze Kulturelle Ursachen für diese Missverständnisse ergeben sich dabei aus der jeweils angenommenen kulturellen Theorie: Frühere analytische Studien aus der Sozialpsychologie und der Kulturanthropologie sahen kulturelle Unterschiede in Wertorientierungen, die sich auf das Handeln von Individuen auswirken sollten (vgl. »value orientations«, Kluckhohn/Strodtbeck 1961; vgl. »work-related values«, Hofstede 1980). Interpretative Ansätze mit primordialem Kulturverständnis unterstellen dagegen häufig die Existenz kulturell verschiedener Bedeutungssysteme, die mittels eines Zeichensystems kommuniziert werden (Triandis 2002: 16). Insbesondere die Sozialpsychologie hatte erhebliche Schwierigkeiten, eine Gruppenkategorie wie Kultur überhaupt zu erfassen, da psychologische Ansätze in der

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Regel konsequent individuenorientiert sind.8 Eventuell aus diesem Grund wurden in zahlreichen sozialpsychologischen Ansätzen Aspekte von Kultur zwar beschrieben, aber andererseits zumindest als gegeben angenommen. Da Kultur existierte und demnach auch nicht willentlich verändert werden konnte, bestand aus dieser Sicht die plausibelste Lösung darin, Aspekte einer interkulturellen Kompetenz zu erforschen und zu entwickeln, die sich Individuen aneignen konnten, um mit den gegebenen kulturellen Interferenzen bestmöglich umgehen zu können.9 Diese Sicht wurde später erheblich eingeschränkt: Individuen reagierten demnach insbesondere emotional auf das Auftreten kommunikativer Missverständnisse und tendierten dabei aus Angst, Verunsicherung oder Verärgerung zu minderoptimalen Reaktionen, selbst wenn ihnen die kulturelle Bedingtheit des Verhaltens ihres Gegenübers bewusst ist.10 Die demnach zentrale Kompetenz im interkulturellen Kontakt besteht aus dieser Sicht darin, die eigenen Gefühle kontrollieren zu können (»Emotion Regulation (ER)«, Matsumoto/Yoo/LeRoux 2007: 82). Als Instrument zur Messung dieser Fähigkeit haben Matsumoto et al. die so genannte Intercultural Adjustment Potential Scale (ICAPS) entwickelt. Dieser wiederum ist kulturspezifisch und lässt sich für einzelne Nationenkulturen angeben (Matsumoto et al. 2001).

Kultur und Sprache: Kulturen als Wissen Über die bislang reflektierten nicht-sprachwissenschaftlichen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Kultur und sozialem Handeln hinaus soll in den folgenden Abschnitten vertiefend auf sprach- und kommunikationswissenschaftliche Operationalisierungen eingegangen werden, da von diesen Ansätzen präzisere Erfassungen kommunikativen Handelns im Besonderen erwartet werden können. Fasst man Kulturen in einem primordialen Verständnis als Manifestationen spezifischen Wissens auf, so können in den Publikationen zu diesem Ansatz noch einmal zwei weitere Auslegungen unterschieden werden: Ein Großteil der vorgefundenen Studien geht zunächst davon aus, dass sowohl das zugrunde liegende Wissen als auch die kom-

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»Even social psychology, which took as its core territory the study of group and larger processes, still starts with the individual as its unit of analysis and move thence to explore the impact of other people and larger social variables on individuals« (Brabant/Watson/Gallois 2007: 56). 9 »The first of these traditions, the larger in terms of numbers of scholars and studies, is generally known as ›intercultural communication competence‹ (ICC). Key assumptions underpinning this research are, first, that intercultural communication is essentially interpersonal communication where interactants may not be using the same set of social and communication rules, and secondly, that if interactants acquire the relevant skills and knowledge, competent and effective communication will follow« (Brabant/Watson/Gallois 2007: 55). 10 »As mentioned above, we assume that intercultural misunderstandings occur because of cultural differences. We further assume that these misunderstandings are laden with emotion such as anger, frustration, anxiety, or sadness. Thus how well people deal with their negative emotions and resolve conflicts is a major determinant of intercultural adjustment success or failure« (Matsumoto/Yoo/LeRoux 2007: 80f).

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munikative Form der Umsetzung und Äußerung kulturspezifisch ausgeprägt sind. Neben diesen Ansätzen gibt es jedoch auch Überlegungen, die darauf abzielen, dass die Wege zur kommunikativen Umsetzung weitgehend von kulturellen Universalien bestimmt werden. Auch Ansätze, die sowohl das zugrunde liegende Wissen als auch die Form des Transfers dieses Wissens in kommunikative Äußerungen als kulturspezifisch und relativ verstehen, lassen sich in weitere Umsetzungsformen unterteilen. Sprache und Kultur sind deckungsgleich Zahlreiche sprachwissenschaftliche Ansätze tendieren dazu, sprachliches mit kulturellem Wissen gleichzusetzen oder zumindest zu postulieren, dass beide eng verbunden miteinander einher gehen.11 Aus ihrer Sicht zeichnen sich interkulturelle Kontaktsituationen grundlegend durch eine mehrsprachige Kompetenz mindestens einer an der Situation beteiligten Person aus. Aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit, die einerseits häufig zur Bedingung für das Kennenlernen einer fremden Kultur deklariert wird, wird betroffenen Personen häufig auch eine Kompetenz in mehreren Kulturen zugeschrieben. Kulturelles Wissen wird hier meist als Kontextwissen verstanden, in dem eine Sprache verwendet wird. Interkulturelle Kommunikation – also auch die Auswirkung von Kultur auf soziales Handeln – lässt sich vor diesem Hintergrund daran erkennen, dass Sprecher im Rahmen ihres mehrsprachigen Repertoires (»multilingual repertoire«, Lüdi 2006: 12), aus mehreren Sprachen schöpfen. Anzeichen für diese Vermischung verschiedensprachiger Elemente bezeichnet Lüdi beispielsweise als »translinguistic markers« (Lüdi 2006: 13), die nicht zufällig, sondern von Seiten der Interaktanten funktional und regelgeleitet verwendet werden. Die Möglichkeit kulturellen Wandels und kultureller Variation wird hier einerseits an linguistische Kompetenzen geknüpft. Da unterschiedlichen sprachlichen Varietäten jedoch andererseits auch sozial unterschiedliche Werte und Prestiges zugeschrieben werden, können Individuen ihre soziale und ihre kulturelle Identität nicht vollständig selbst und bewusst steuern (Lüdi 2006: 25). Kultur als kultureller Filter Zahlreiche sprachwissenschaftliche Ansätze definieren Sammelbegriffe für jedwede – meist kontextuell begründete – Einflussnahme von Kultur auf Kommunikation. Grundlegend angenommen wird meist, dass sich sprachliche Konventionen, insbesondere auf sprachpragmatischer Ebene – kulturell voneinander unterscheiden. So konstruieren beispielsweise Scollon und Scollon (1981; 1997) die Kategorie des Diskurswissens, um mit ihr ein Bindeglied zwischen Kultur und deren Realisierungsund Einflussformen auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen zu schaffen. Unter Diskurswissen verstehen Scollon und Scollon dabei ein Wissen darüber, welche Diskurse wie und in welcher Form innerhalb einer Kultur geführt werden können. Kommunikationsformen innerhalb einer Kultur werden für Scollon und Scollon darüber hinaus wesentlich vom Umgang einer Kultur mit den Polen Mündlichkeit und

11 »Thus, multilingualism entails breaking up the prison of a single culture, putting the concepts and values of each distinct cultural system in relative terms, bridging cultures and integrating them into a proper metasystem« (Lüdi 2006: 13).

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Schriftlichkeit sowie dem Umgang mit gesichtsbedrohenden Aspekten im Sinne eines facework bestimmt. Der kulturelle Filter (»cultural filter«, House 1997) ist ein vergleichbar funktionierendes Konstrukt und modellhaftes Bindeglied, das die Sprachwissenschaftlerin Juliane House vorschlägt. Am Beispiel von Übersetzungen argumentiert House, dass Texte im Übersetzungsprozess meist einen kulturellen Filter durchlaufen, den die Übersetzer kaum oder nur mit Mühe ausgleichen können. Kultur als Sprachhandlungsmuster Jochen Rehbein verwendet als Brückenbegriff zwischen Kultur und sprachlichem Handeln den von ihm insbesondere für die deutschsprachige Sprachwissenschaft geprägten Begriff der Sprachhandlungsmuster, die eine unterschiedliche kulturelle Prägung erfahren können. Gegenüber einer Konversationsanalyse, bei der nur die sequentielle Abfolge von Äußerungen untersucht wird und bei der auf diese Weise Missverständnisse nur in Form von Reparaturen in den Blick kommen, bietet die Sprachhandlungsmusteranalyse aus der funktionalen Pragmatik für die interkulturelle Forschung den Vorteil, dass Wissen über den sozialen Kontext in die Analyse überhaupt erst mit einbezogen werden kann (Rost-Roth 2006: 193). Erstmals von Rehbein (1977) eingeführt, stellt das Konzept der Sprachhandlungsmuster einen weiteren Versuch dar, Einflüsse von Kultur auf eine Mikroebene sozialer Interaktion in unterschiedlichster Form zu sammeln und zu bündeln (Ehlich/ Rehbein 1986; Ehlich 1987; Ehlich 1996). Die Einführung des Konzepts entzündet sich zunächst an einer Debatte um die Unzulänglichkeit einer Beschränkung von Analysen auf einzelne Sätze im Sinne der Sprechakttheorie, in der der Perlokution bereits deshalb eine stiefmütterliche Rolle zukommt, weil ein entsprechendes Instrumentarium fehlt, um sie zu erfassen (Ehlich 1996: 187). Sprachhandlungsmuster sind demgegenüber Kategorien, in denen Strategien gesammelt werden, die jeweils einem bestimmten gemeinsamen Zweck dienen (Ehlich 1996: 187f). Sie fokussieren demnach gegenüber der Sprechakttheorie insbesondere den Handlungs- und Vollzugsaspekt von Sprache. Der Begriff des Musters im Konzept der Sprachhandlungsmusteranalyse ist dabei ein tiefenstrukturelles Phänomen, das an der Oberfläche durch ein Zusammenspiel von sprachlichen Äußerungen ausgeführt wird. Das Muster an sich, mit dem durch die Sprachhandlung ein bestimmter Zweck erfüllt wird, ist selbst außersprachlich und bildet gesellschaftliche Verhältnisse – und damit Kultur – ab.12 Für eine Beschrei-

12 »›Muster‹ sind Organisationsformen sprachlichen Handelns. Als solche sind sie gesellschaftliche Strukturen, die der Bearbeitung von gesellschaftlich rekurrenten Konstellationen dienen. Insofern sind Muster Abbildungen gesellschaftlicher Verhältnisse in sprachlichen Formen. Das einzelne menschliche Handeln realisiert allgemeine Handlungsstrukturen. Die sprachlichen Handlungsformen sind ein wesentlicher Teilbereich dieser allgemeinen Handlungsstrukturen. Viele Muster des sprachlichen Handelns übergreifen einzelne gesellschaftliche Formationen. Daraus ergibt sich der Schein ihrer Universalität. Muster sind Tiefenkategorien. Die konkreten sprachlichen Oberflächen werden erzeugt, indem Musterstrukturen realisiert werden. Zwischen Tiefe und Oberfläche bestehen komplexe

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bung der Abläufe auf der Ebene der Tiefenstruktur verwendet Ehlich eine Abwandlung des Konzepts der Feldcharakteristiken nach Bühler (Bühler 1982 [1934]; Ehlich 1996: 196ff). Demnach müssen Individuen bereits über internalisiertes Wissen über die spezifische Beschaffenheit kultureller Strukturen verfügen, um erst auf dieser Grundlage überhaupt in irgendeiner Weise kommunikativ interagieren zu können. Entsprechend kann nach Ehlich und Rehbein grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass kommunikatives Handeln ohne kulturspezifisches Wissens seitens der Interaktanten nicht möglich ist. Sprachhandlungsmuster basieren demnach auf einem primordialen Kulturverständnis, und sie verstehen unter Kulturen spezifische Formen von Wissen. Ehlich (1996: 189) bestreitet diese Primordialität zwar, begründet seine Argumentation jedoch auf einer anderen Ebene, die die Unterscheidung zwischen primordialen und konstruktivistischen Kulturverständnissen im Grunde nicht berührt, so dass er dem von ihm als solchen empfundenen Vorwurf nur wenig entgegensetzen kann.13 Die empirische Sprachhandlungsmusteranalyse muss zwingend auf ein im Konzept bereits mit einkalkuliertes Kulturwissen des Forschers zurückgreifen, eine heuristisch offene Erhebung und Identifizierung des angenommenen kulturspezifischen Wissens erscheint demnach schwierig. Um Sprachhandlungsmuster identifizieren zu können, reicht eine reine Textanalyse in Sinne einer Suche nach regelmäßig wiederkehrenden Kombinationen sprachlicher Muster nicht aus. Der Forscher benötigt darüber hinaus ein gesellschaftliches (kulturelles) Wissen, das er vorab bereits erworben hat und in die Analyse einbringt. Ehlich und Rehbein gehen dabei im Sinne von Hegel und Marx davon aus, dass menschliche Tätigkeiten durch Produktionen und Produktionsverhältnisse vorgegeben werden.14

Vermittlungsverhältnisse, was die linguistische Analyse überhaupt erst erforderlich macht« (Ehlich 1996: 188). 13 »Eine Analyse, die sich die Rekonstruktion sprachlicher Handlungsmuster zur Aufgabe setzt, sieht sich häufiger dem – versteckt oder offen gemachten – Vorwurf gegenüber, die Anerkennung von Mustern für die Realität sprachlichen Handelns bedeute, dass dieses Handeln einem Zwang unterstellt werde, wo doch die Freiheit des ›Konstituierens‹ oder des ›Aushandelns‹ walte. Dieser Vorwurf ist in einer doppelten Weise eigenartig: einerseits vertauscht er die Sache und ihre Analyse (und dies interessanterweise so, dass er eben die Willkürlichkeit für die Analyse als dezisionistische Option unterstellt, die er in der Sache postuliert); andererseits missversteht er entscheidend den Charakter dessen, was in langer gattungsgeschichtlicher Arbeit herausgearbeitet und damit der jeweils lebenden Generation zur Verfügung gestellt ist. Gesellschaftliche Handlungsmuster sind gerade anthropologische Ermöglichungen menschlichen Handelns und damit von Freiheit« (Ehlich 1996: 189). 14 »Die von der Funktionalen Pragmatik angenommenen gesellschaftlichen Determinationen menschlicher Praxis implizieren die Notwendigkeit einer Analyse der Gesellschaft. Darunter verstehen Ehlich/Rehbein (1972) die Analyse der ›Fundierungsverhältnisse der verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Phänomene in der Tätigkeit der Produktion und ihrer Organisation in bestimmten Produktionsverhältnissen‹ (Ehlich/Rehbein 1972: 216). Diese gesellschaftliche Analyse geht bei Ehlich/Rehbein auf Hegel und Marx zurück« (Titscher et al. 1998: 207).

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Die sprachliche Manifestation eines Sprachhandlungsmusters kann demnach höchst unterschiedlich ausfallen und ist entsprechend ebenfalls kulturrelativ. Wesentlich ist lediglich, dass die sprachlichen Äußerungen in ihrer Gesamtheit dem Zweck der Sprachhandlung dienen, indem sie ein Muster bedienen. Demnach ist auch eine eindeutige und immer wiederkehrende Identifikation eines Sprachhandlungsmusters in seiner sprachlichen Realisierung nicht möglich. Stattdessen können lediglich Einzelbeispiele zur Veranschaulichung hinzugezogen werden. Auch die Identifikation von Sprachhandlungsmustern im Analyseprozess erfolgt im Grunde heuristisch (Ehlich 1996: 200). Ihre generische Funktion ließe sich dabei am besten in Form von Ablaufdiagrammen veranschaulichen (Ehlich 1996: 190). Rehbein (1985) hat einen Sammelband vorgelegt, in dem eine Vielzahl von Studien auf der Grundlage von Sprachhandlungsmusteranalysen versammelt ist, mit deren Hilfe Quellen für Missverständnisse in interkulturellen Kontaktsituationen identifiziert werden. Kultur als kultureller Apparat Mit dem Begriff des kulturellen Apparats führen deutschsprachige Sprachwissenschaftler eine weitere Variante eines konzeptuellen Bindeglieds zwischen kulturellem Wissen und sprachlichem Handeln ein: Um ihre Kulturspezifik im interkulturellen Kontakt überwinden zu können, sind Interaktanten nach dem Auftreten eines interkulturell bedingten kommunikativen Missverständnisses gezwungen, den so genannten kulturellen Apparat zu aktivieren (»cultural apparatus«, Rehbein 2006), dessen Begrifflichkeit erstmals von Redder und Rehbein in die Literatur eingeführt worden war.15 Redder und Rehbein entwickeln den Begriff als einen Sammelbegriff, der der Vielfalt unterschiedlicher kultureller Einflüsse auf Interaktion gerecht werden soll. Dabei resultiert der Begriff bei ihnen vor allem aus einer vorangestellten Debatte der Unzulänglichkeit einer reinen Betrachtung kulturellen Wissens im Sinne von Kontextualisierungshinweisen. Stattdessen müsse Kultur in einem diskurskritischen Sinne auch als eine hegemoniale Konfliktaustragung um Deutungsmacht verstanden werden (Redder/Rehbein 1987: 8-17). Redder und Rehbein schlagen damit bereits eine Brücke von rein wissensbasierten Kulturverständnissen hin zu norminkludierenden Konzepten. Demnach müssten Interaktanten die Kulturspezifik der Sprachhandlungsmuster erkennen und eine Bereitschaft zeigen (hierzu ist ein Norm-

15 »Gesellschaftliche Erfahrungen, Denkstrukturen, Vorstellungsformen und Handlungspraktiken bilden ein ensemble, wurde gesagt. Dieses ensemble ist nach unserer Auffassung als ein Apparat zu verstehen. ›Apparat‹ ist ein funktionales Aggregat an sich verschiedener Handlungen zu bestimmten Zwecken. In dieser Organisiertheit ist ein Apparat reproduktiv (das bedeutet jedoch nicht, dass er nur zu Zwecken der Reproduktion taugt). Apparate sind in Charakter, Komplexionsgrad und Reichweite verschieden und überindividuell. [...] Organisiert im kulturellen Apparat, werden die ensembles gesellschaftlicher Erfahrungen, Denkstrukturen, Vorstellungsformen und Handlungspraktiken muster- und diskursübergreifend appliziert. Daher ist kulturelles Handeln nicht auf ein einzelnes Handlungsmuster fixiert. Ein kultureller Apparat besteht z.B. in ›Pünktlichkeit‹; während der Intensivierung von Transport und Verkehr wurde die Notwendigkeit zeitlicher Koordination allgemein erfahren und zur Handlungspraktik entwickelt« (Redder/Rehbein 1987: 15f).

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bewusstsein erforderlich), kulturspezifische mentale Muster zu überdenken und in der Situation zu neuen Kommunikationsformen zu kommen. Der Einfluss von Kultur wird in diesen Ansätzen über diese metaphorische Brückenfunktion hinaus nicht genauer spezifiziert. Der Einfluss von Kultur wird vielmehr als eine Art Black Box behandelt, die lediglich berücksichtigt werden muss, um zumindest die Plausibilität des zuvor monokulturell entwickelten sprachwissenschaftlichen Ansatzes aufrecht zu erhalten. Ten Thije elaboriert diesen Ansatz, indem er als interkulturell kompetente Lösung diskursanalytisch identifizierte Gesprächssequenzen präsentiert, in denen es Interaktanten gelingt, kulturspezifisches Wissen zu generalisieren, zu perspektivieren und anschließend (beispielweise im Sinne zweier Kulturen) einander gegenüberzustellen (Thije 2006: 117). Interessant an diesem Ansatz ist, dass bei der Erhebungsmethode die Interaktanten selbst bestimmen, was kultürlich ist. Dies steht in einem klaren Gegensatz zu bisherigen Modellen, in denen grundsätzlich das Kulturwissen des an einer untersuchten Situation eigentlich unbeteiligten Forschers erforderlich war, um die Situation selbst zu entschlüsseln. In diesem Ansatz wird erstmals darauf verzichtet und auf diese Weise ein unmittelbarerer Zugang zu einem Einblick in die Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln ermöglicht. Ten Thije betont diesen Aspekt jedoch nicht, er liegt nicht in seinem zentralen Forschungsinteresse. Ten Thije geht letztlich davon aus, dass kulturelle Unterschiede existieren und dass die Interaktanten diese entdecken und identifizieren müssen. Kultur als funktionales Lösungswissen Funktionalistischer ausgelegte Ansätze in der sprachwissenschaftlichen Pragmatik reduzieren den Einfluss von Kultur auf soziales Handeln auf Wissen um kulturspezifisch konventionalisierte Lösungswege für kulturuniversal auffindbare Probleme.16 Funktionalistische Ansätze sind dabei nicht auf ein Verständnis von Kulturen als Wissen beschränkt. Hofstedes (1980) Studie ist ein prominentes Beispiel für eine wertebasierte funktionalistische Beschreibung kultureller Spezifika. Eine linguistisch-pragmatische Umsetzung eines wissensbasierten funktionalistischen Ansatzes findet sich beispielsweise in der Schule der interaktionalen Soziolinguistik, die kulturelle Differenzen in unterschiedlichen kommunikativen Konventionen verortet. John Gumperz führte hier den Begriff kulturell variierender Kontextualisierungshinweise, so genannter »contextualization cues« (Gumperz 1978: 27) ein, um die Rolle des Kontextes beim Sprachverstehen zu operationalisieren.

16 »These three steps of verbalising propositional content are based on a pragmatic conceptualization of culture (Redder/Rehbein 1987; Koole/ten Thije 1994; Sarangi 1995). According to ten Thije (2002) [...], culture is considered to be potential standard solutions to recurrent collective standard problems. Human groups construct structures of action that enable them to deal with problems that the collective or group often experiences and can, therefore, be called cultural structures of action. Members of cultural groups share common knowledge of these standard solutions and transfer these solutions within the group and on to the next generation. In intercultural discourse, two systems of standard problems and solutions are in contact« (Thije 2006: 117).

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Kultur als relatives Wissen in sprachlich universaler Umsetzung Bereits die in den 1950er Jahren bekannt gewordene Sapir-Whorf-Hypothese (1997) beinhaltet die Annahme, dass sprachliche Kategorisierungen kulturelle Codes widerspiegeln. Damit wurde eine unmittelbare Umsetzung und Äußerung von kulturspezifischem Wissen in sprachliche Formen angenommen: So unterschiedlich das kulturspezifische Wissen auch sein mag, es wird immer auf die gleiche Weise in sprachliche Äußerungen transformiert, so dass umgekehrt von den sprachlichen Äußerungen auf das zugrunde liegende Wissen auch unmittelbar rückgeschlossen werden kann. Spätere Arbeiten aus dem Forschungsbereich interkultureller Kommunikation, die diese Annahme vertreten, konnten für die vorliegende Untersuchung nicht gefunden werden, wenngleich dieser Bereich unter Berücksichtigung kulturspezifischer Werte in späteren Jahren durchaus ausgebaut worden ist, wie in einem späteren Abschnitt gezeigt werden wird. Zugleich wurde die grundsätzliche Annahme einer unmittelbaren Relation zwischen Kulturwissen und sprachlicher Äußerung später mehrfach in Frage gestellt.17

Kultur und Sprache: Kulturen als Werte Wenngleich ein paradigmatischer Dualismus zwischen den Konzeptionen von Kulturen als Wissen vs. Kulturen als Werten festgestellt werden kann, hat letzterer Ansatz, in dem Kulturen als Normen und Werte verstanden werden, in der internationalen Forschung, die sich explizit mit Themenstellungen interkultureller Kommunikation befasst, deutlich mehr Beachtung erfahren. Nicht zuletzt mag an dieser Stelle geschlossen werden, dass normbeladene Ansätze sicherlich wesentlich produktiver für den Erhalt des Dispositivs interkultureller Kommunikation wirken können. Eine solche Beobachtung spräche dafür, dass innerhalb des Dispositivs insbesondere solche Techniken prioritär befördert werden, die den Dispositivcharakter stärken. Die Hofstedesche Studie Die Studie zu den vier Kulturdimensionen18 nach Geert Hofstede (1980) dürfte zumindest in der westlichen Welt zu den wissenschaftlichen Studien im Bereich interkultureller Kommunikation gehören, die die weitreichendste Beachtung auch innerhalb eines wissenschaftlichen Laienpublikums erfahren haben. Hofstedes Studie prägt demnach wesentlich das gesellschaftliche Bild einer Forschung zur interkulturellen Kommunikation. Angesichts dieser großen diskursiven Breitenwirkung sollen Hofstedes Ansatz, seine theoretische Genese und seine Rolle im wissenschaftlichen Diskurs an dieser Stelle besonders diskutiert werden.

17 »In their recent re-examination of the Sapir-Whorf hypothesis of linguistic and cultural relativity, Gumperz and Levinson (1996) argue that to the extent that linguistic categorization reflects cultural codes, these codes must be treated as historically created conventional ways of referring which do not necessarily determine what people do or think at any given time« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 14). 18 Eine fünfte Dimension wurde den Hofstede’schen vier Dimensionen durch ein 24-köpfiges Forscherteam um Michael H. Bond hinzugefügt (The Chinese Culture Connection 1987).

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Hofstede selbst systematisiert seine Arbeiten in einer eigenen Publikation und zeichnet auf diese Weise die Genese und die Weiterverarbeitung seiner Hauptstudie nach (Hofstede 2001b). Vollständige Dokumentationen der Hauptstudie, die auch zu einer wissenschaftlichen Weiterverarbeitung herangezogen werden können, liegen demnach ausschließlich in Form der zweimal aufgelegten Monographie Culture’s Consequences (Hofstede 1980; Hofstede 2002a) vor. In seinen Publikationen nimmt Hofstede auch eine wissenschaftstheoretische Verankerung seiner Studie vor und zeichnet nachträglich auf, in welcher Weise seine Studie als folgerichtiger Bestandteil eines sich bis zum damaligen Zeitpunkt entwickelnden Wissenschaftsdiskurses in der Kulturanthropologie gesehen werden sollte. Auch Hofstede zeigt damit auf, dass empirische Studien selten vollständig heuristisch zu Werke gehen, sondern dass sie grundsätzlich auf erheblichen theoretischen und methodischen Vorannahmen aufbauen, die die Forscherperspektive steuern und auch einschränken. Hofstede bezieht sich darauf, dass in der Anthropologie in einer bestimmten Phase ein allgemeines Interesse daran bestand, allgemeine Charakteristika zu identifizieren, die einer ganzen Nation eigen sind (Hofstede 1983: 286). Er verweist dabei auf die Ansätze von Boas, Malinowski, Benedict (Benedict 1934) und Kluckhohn (Kluckhohn 1962 [1952]). Ein Interesse an einer Identifikation von Eigenschaften ganzer Gesellschaften identifiziert Hofstede in der gesamten Menschheitsgeschichte von Aristoteles bis Wilhelm Wundt, was seine Fragestellung rechtfertigen soll. Zentraler Ansatz war die so genannte Culture and Personality School, die aus psychologischen und anthropologischen Ansätzen heraus entwickelt wurde. Grundlegend angenommen wurde hier, dass von häufig auftretenden Persönlichkeitsmerkmalen unter Individuen in einer Gruppe auf einen Nationalcharakter geschlossen werden könne. Den sogenannten »national cultures approach« (Hofstede 1983: 287) hat Hofstede vor allem aus der praktischen Motivation heraus gewählt, dass eine empirische Beschreibung moderner Gesellschaften aufgrund ihrer Komplexität – die die Wissenschaften aus Hofstedes Sicht seinerzeit jedoch eher lediglich vor Probleme der Datenverarbeitung stellte (Hofstede 1983: 290) – ohne eine deutliche inhaltliche Einschränkung kaum realisierbar sei.19 Aus anthropologischer Sicht gerann die Forschung zu einer reinen Stereotypenauflistung. Psychologische Ansätze jedoch behielten ein Interesse an einer solchen Forschung,20 die Hofstede zufolge noch heute als »cross-cultural psychology« (Hofstede 1983: 290) betrieben wird. In diesem Interesse begründet und bis heute als Grundlage für kulturvergleichende Forschungsarbeiten verweist Hofstede beispiels-

19 »The third way for anthropology to handle the complexity of modern societies is to limit itself to certain key issues [...]. Let me label this the ›national cultures‹ approach. The national cultures approach is integrative and holistic: it uses information classified under any academic discipline and collected at the level of institutions or of individuals by any data collection method, but it tries to express the essence of cultural diversity among different complex societies in a limited number of generally valid concepts« (Hofstede 1983: 287). 20 »However, where anthropologists lost interest in the issue of national character, psychologists took it up« (Hofstede 1983: 289f).

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weise auf die Organisation der 1949 begonnenen Human Relations Area Files (Murdock 1949). Um aussagekräftige Forschungsergebnisse zu generieren, plädiert Hofstede dagegen für eine Einschränkung einer Forschung auf einzelne gesellschaftsrelevante Kriterien, wie beispielsweise ihre wirtschaftliche Entwicklung oder den Grad ihrer Modernisierung (Hofstede 1983: 291). Als Vorarbeiten zu seiner eigenen Studie, in der einzelne Kriterien als kulturelle Eigenschaften destilliert werden, nennt Hofstede Talcott Parsons (1951), der beispielsweise mit den Kategorien von Universalismus und Partikularismus sowie Erwerb gegenüber Zuschreibung operierte. Kluckhohn und Strodtbeck (1962 [1952]) unterschieden fünf kulturelle Dimensionen, die sie als »value orientations« (Hofstede 1983: 291) bezeichneten, Mary Douglas (1970) stellte ein zweidimensionales Modell mit vier daraus resultierenden Kategorien vor. Was eine Gesellschaft im Hinblick auf Bestandteile einer möglichen Nationalkultur ausmacht, definiert und identifiziert Hofstede letztendlich selbst und fokussiert damit den Blick auf Lebensbereiche, aus denen er schließlich seine bekannten Kulturdimensionen entwickelt. Anders formuliert definiert Hofstede hier, was eine Nationalkultur ausmacht, wie sie in Erscheinung tritt, und in welcher Form sie sich im Leben der Individuen bemerkbar macht.21 Hofstede grenzt seine Beobachtungen weiter ein, indem er Werte fokussiert, die in arbeitsbezogenen Kontexten als »workrelated values« (Hofstede 1980) erkennbar und von Relevanz seien. Bourdieu als theoretische Grundlage für Hofstede Moosmüller zufolge bildet Bourdieus Kulturverständnis die Basis für Hofstedes Arbeiten.22 Auch für sprachwissenschaftliche Ansätze bietet Bourdieu darüber hinaus

21 »A feasible approach to the study of the national cultures of complex societies, I believe, should use and relate three types of quantitative data: 1. data pertaining to nations as a whole, such as their level of economic development, income distribution patterns, degree of freedom of the press, religious history. 2. data pertaining to the behavior of individuals aggregated at the national level, such as the use of violence in politics, suicide and alcoholism rates, patterns of time use. 3. data deriving from surveys of individuals illustrating these individuals‹ ways of looking at the world, that is, their cosmologies: these include their values and perceptions of their social environment [...]« (Hofstede 1983: 292). 22 »Das Habitus-Konzept lässt sich durch das von Norbert Elias erweitern, der zu begründen versucht, dass Habitusformen aufgrund bestimmter historischer Konstellationen auch nationale Verbreitung finden können. Angehörige moderner Nationalstaaten, so Elias, können ›Träger gleicher Habitusformen‹ sein. Er versucht daher herauszufinden, ›wie sich das Schicksal eines Volkes im Lauf der Jahrhunderte im Habitus seiner einzelnen Angehörigen niederschlägt‹ (Elias 1989: 27) und wie sich der ›nationale Habitus der Deutschen‹ (Elias 1989: 8) herausbilden konnte. Die Sicht, Habitus-Strukturen auf der Ebene von Nationen zu untersuchen, ist dem Bemühen von Hofstede ähnlich, der die ›mentalen Programmierungen‹ der Menschen als Angehörige bestimmter Nationen erforscht hat. Beide gehen von der Existenz unbewusster Verhaltensmodelle aus, die über die gesamte Nation verbreitet sind« (Moosmüller 2004: 60).

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eine breite Grundlage. Hier wird der Ansatz von Gumperz als Anschluss an das Bourdieusche Konzept verstanden.23 In einer frühen Studie geht Hofstede davon aus, dass das, was er später als Kulturen definiert, etwas unbewusstes ist, was die Angehörigen einer Kultur als normal empfinden, bzw. was sie präferieren. So befragt Hofstede beispielsweise Probanden nach ihrer Zufriedenheit mit unterschiedlichen, zuvor analytisch differenzierten Führungsstilen in Unternehmen. Der Stil, mit dem ein Proband am zufriedensten war, stellte für Hofstede den in einer Kultur präferierten Stil dar. Das Konzept der Abfrage einer individuellen Zufriedenheit geht davon aus, dass kulturelle Präferenzen unbewusst getroffen werden und vom Probanden nicht in direkter Form identifiziert und expliziert werden können (Hofstede/Sadler 1976: 90).24 Hofstede entlarvt seine eigenen Kategorien wie Werte, Ansichten, aber auch Kultur als theoretische Konstrukte, die allerdings wiederum Voraussagen über tatsächliches Handeln zulassen sollen. Da sie Konstrukte seien, seien sie mehr oder weniger selbstverständlich den Probanden auch nicht bewusst präsent. Stattdessen könne nur indirekt auf sie geschlossen werden (Hofstede 1998; Hofstede 2002b).25 Kritisch angemerkt werden muss jedoch an dieser Stelle, dass aus der Identifizierung von Werten und Ansichten nicht unmittelbar auf deren Handlungsrelevanz geschlossen werden kann, wenngleich Hofstede dies unterstellt und behauptet.26 GLOBE-Studie Wenngleich Hofstedes Studie auch aufgrund ihrer Prominenz über die Jahrzehnte hinweg vielfache und wesentliche methodische Kritiken erfahren hat, wurde die Herangehensweise auch dreißig Jahre nach dem Beginn von Hofstedes Forschungen wieder für eine dieses Mal noch größer angelegte, umfangreichere und detailliertere

23 »It is true that the processes shaping linguistic identities take place in a social environment only partially controlled by the affected persons. An existing system of linguistic values determines which ›linguistic capital‹ the knowledge and use of one or the other variety convey”(Gumperz 1982a; Bourdieu 1993 [1982]). Conflicts between different systems of linguistic values arise frequently, for example between linguistic minorities and majorities. But despite these facts we are not just determined in the way we use our repertoires« (Lüdi 2006: 25). 24 »High job satisfaction is associated with perceiving being led in the way one prefers to be led. In interpreting this finding, the possibility that high job satisfaction promotes satisfaction with leadership cannot be discounted« (Hofstede/Sadler 1976: 90). 25 »All of them [values, climate, culture, and personality; D.B.] are constructs. A construct is ›not directly accessible to observation but inferable from verbal statements and other behaviors and useful in predicting still other observable and measurable verbal and nonverbal behavior. Constructs do not ›exist‹ in an absolute sense; we have defined them into existence« (Hofstede 1998: 477f). 26 »Although nobody has found – or is likely to find – a simple one-to-one relationship of any aspect of organizational culture with organizational performance, there is little doubt that organizational culture affects performance; in the long run, it may be the one decisive influence for the survival or fall of the organization – although this is difficult to prove, if only because the necessary longitudinal analyses are hardly feasible« (Hofstede 1998: 491).

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Studie verwendet. Zu Beginn der 1990er Jahre initiierte der US-amerikanische Managementforscher Robert J. House ein global angelegtes Forschungsprojekt zur Erhebung kultureller Merkmale unter dem Titel Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program (GLOBE) (House et al. 2004; Chhokar/ Brodbeck/House 2007), das explizit an die Forschungsmotivation und das Methodendesign von Hofstede (1980) anknüpfen, dieses ausbauen und auf eine kulturvergleichende Forschung von Führungsstilen27 applizieren sollte (House 2004c: xxi). In den Jahren 1993 bis 2003 wurden in diesem Projekt Daten von über 17.000 Führungskräften aus 951 Organisationen und aus 62 Gesellschaften, bzw. Nationen, erhoben, aus denen neun kulturell variierende Eigenschaften betrieblichen Handelns herausgearbeitet wurden, die sich als neun kulturelle Dimensionen für Kulturvergleiche operationalisieren lassen.28 Eine methodologisch fundierte Absicherung einer möglichst unvoreingenommenen und heuristischen Identifizierung kultureller Dimensionen schien den Autoren jedoch zugunsten einer Identifizierung von Einflussgrößen auf das Management ohnehin nicht von prioritärer Bedeutung zu sein. So werden zur Identifizierung der kulturellen Dimensionen zwar einerseits zahlreiche Vorstudien per Fragebogen unterschiedlichen Rangs durchgeführt, andererseits entspringen die hierbei eingesetzten Fragestellungen unterschiedlichen Quellen, wie beispielsweise früheren Studien und eigenen Überlegungen der Forscher.29 Ähnlich wie bei Hofstede scheinen demnach auch bei der GLOBE-Studie die als charakteristisch für Kulturen geltenden Kriterien von den Verfassern selbst deliberativ ausgewählt und selektiert worden zu sein. Während Hofstede primär nach Selbsteinschätzungen der Probanden, deren Präferenzen und Zufriedenheit gefragt hatte, erheben die Verfasser der GLOBE-Studie Fremdeinschätzungen der Probanden im Hinblick auf ihr Umfeld. So bewerten die Probanden der GLOBE-Studie zunächst von ihnen wahrgenommene Ist-Zustände von Führungsstilen innerhalb ihrer Organisation und benennen dann von ihnen präferierte Soll-Zustände.30

27 So formulieren die Verfasser als eine von sechs zentralen Fragestellungen explizit eine Suche nach bestimmbaren Auswirkungen von Kultur auf Führungshandeln: »How do attributes of societal and organizational cultures affect selected organizational practices?« (House/Javidan 2004: 10). 28 »The nine attributes are Future Orientation, Gender Egalitarianism, Assertiveness, Humane Orientation, In-Group Collectivism, Institutional Collectivism, Performance Orientation, Power Concentration versus Decentralization (frequently referred to as Power Distance in the cross-cultural literature), and Uncertainty Avoidance« (House 2004a: 3). 29 »The first significant question addressed by Project GLOBE concerns the differentiating attributes of societal and organizational cultures. To address this issue we developed 735 questionnaire items on the basis of prior literature and our own theorizing« (House/Javidan 2004: 11). 30 »There were two forms of questions for each dimension. The first of these two forms measured managerial reports of actual practices in their organization and managerial reports of what should be (values) in their organization. The second form measured managerial reports of practices and values in their societies« (House/Javidan 2004: 11).

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Ähnlich wie Hofstede verstehen auch die Verfasser der GLOBE-Studie unter Kultur eine Ansammlung von Werten und Präferenzen, die den betroffenen Individuen nicht explizit bewusst ist, so dass diese auch nur mit psychologischen Methoden indirekt nach ihnen befragt werden können.31 Auch sie gehen davon aus, dass sich die in ihrer Studie erhobenen Werte auf das Handeln von Individuen auswirken32 und dass auf ihrer Grundlage sogar Prognosen über das Handeln von Individuen möglich werden.33 Vor dem Hintergrund einer derartigen Argumentation erscheint den Autoren die Notwendigkeit einer direkteren Überprüfung des tatsächlichen Handelns ihrer Probanden offenbar obsolet. Eine Methodendiskussion qua Vergleich mit Hofstede findet sich darüber hinaus unter anderem in dem Beitrag von Smith (2006). Demnach hat Hofstede Selbstwahrnehmungen untersucht, in der GLOBE-Studie wurden dagegen Fremdwahrnehmungen von Individuen innerhalb einer Gesellschaft erhoben. Hofstede selbst argumentiert, dass die GLOBE-Studie seine eigenen Ergebnisse weder erweitere noch korrigiere, da alle Dimensionen der GLOBE-Studie auf die fünf Kerndimensionen des Hofstedeschen Ansatzes zurückgeführt werden könnten. Da Hofstede in seinem Kulturverständnis davon ausgeht, dass Kulturen die Funktion erfüllten, auf unterschiedliche Weise eine konstruktive Bearbeitung universaler menschlicher Probleme zu erleichtern, sei es auch nicht verwunderlich, dass die Autoren der GLOBE-Studie diese Lösungsansätze auf ähnliche Weise identifizierten und beschrieben wie Hofstede selbst (Hofstede 2006: 895). Bedenkt man jedoch, dass dieses funktionalistische Kulturverständnis lediglich eine theoretisch fundierte Annahme darstellt (der sowohl Hofstede als auch die GLOBE-Autoren zustimmen) und dass sowohl die Benennung dieser angenommenen universalen Probleme als auch die Art und Weise, entsprechende Lösungsstrategien im Denken und Handeln von Probanden zu identifizieren, in beiden Studien auf ähnlichen europäischen Denktraditionen beruht, erscheint auch die Ähnlichkeit der beiden Ergebnisse weder überraschend noch ihre Validität bestätigend. Anknüpfungen aus den Sprachwissenschaften Die Integration von kulturellen Normen und Werten in den Sprachwissenschaften wurde auf einer Vielzahl sprachwissenschaftlicher Ebenen vorangetrieben, entsprechend vielfältig präsentiert sich zwischenzeitlich die Forschungslandschaft. Dabei

31 So definieren die Verfasser der GLOBE-Studie Kultur wie folgt: »For Project GLOBE, culture is defined as shared motives, values, beliefs, identities, and interpretations of meanings of significant events that result from common experiences of members of collectives that are transmitted across generations« (House/Javidan 2004: 15). 32 »According to value-belief theory (Triandis 1995b; Hofstede 2001a), the values and beliefs held by members of cultures influence the degree to which the behaviors of individuals, groups, and institutions within cultures are enacted, and the degree to which they are viewed as legitimate, acceptable, and effective« (House/Javidan 2004: 17). 33 »The central proposition of the integrated theory is that the attributes and entities that differentiate a specified culture are predictive of organizational practices and leader attributes and behaviors that are most frequently enacted and most effective in that culture« (House/Javidan 2004: 17).

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sind die Anknüpfungen an kulturanthropologische Arbeiten vielfach fließend: Es wird zu den gleichen Themenstellungen gearbeitet, häufig kommen lediglich sprachwissenschaftliche Methoden bei der Generierung und Aufarbeitung empirischen Materials hinzu. Ein Beispiel für diese nahtlose Übernahme und Weiterführung mag die Studie von Gunnarsson (2000) darstellen, der eine Inhaltsanalyse von Schriftstücken aus Unternehmen sowie von Interviews mit Unternehmensmitarbeitern durchführt und daraus kulturelle Spezifika extrahiert. Gunnarsson unterscheidet allerdings – wie auch diese Arbeit in den folgenden Absätzen – zwischen Normvorstellungen und kulturellem Wissen. Auch die Primordialität von Kulturverständnissen führt in den Sprachwissenschaften nach über vierzig Jahren der Forschung noch kein Schattendasein gegenüber konstruktivistischen Ansätzen. Vielmehr kann in den Sprachwissenschaften sogar eine Rückbesinnung auf primordiale Kulturverständnisse festgestellt werden (Berry 2009). Bei einer Betrachtung der wissenschaftlichen Verknüpfung von kulturellen Werten und sprachlichen Äußerungen fällt in besonderer Weise eine Unbekümmertheit gegenüber der Problematik ins Auge: So haben Sprachwissenschaftler über lange Zeit hinweg argumentiert, im Grunde schon immer eine Erforschung interkultureller Kommunikation betrieben zu haben. Dieses Argument, das in Zeiten interkultureller Forschung zur Verteidigung eines disziplinären Hegemonieanspruchs der Sprachwissenschaften gegenüber konkurrierenden Ansätzen ins Feld geführt wurde, begründet sich jedoch lediglich auf der eher nüchternen Tatsache, dass in den Sprachwissenschaften die Kategorien von Sprache und Kultur einander gleichgesetzt wurden: Sprache sei demnach ein wesentlicher, und häufig der einzig identifizierbare und unterscheidbare Aspekt von Kultur. Sprachwissenschaftler verwurzeln die beanspruchte, lange Tradition einer interkulturellen Forschung daher auch meist in der Schule der kontrastiven Linguistik, die seit jeher die Realisierung unterschiedlicher sprachlicher Aspekte und Phänomene in unterschiedlichen Sprachen untersucht und miteinander verglichen hat (Fisiak 1980; Fisiak 1984; Oleksy 1989; Jaszczolt 1995). Strukturalismus fördert primordiale Verankerung und Universalismus Konnte die Hinwendung zu einer linguistischen Pragmatik in den 1950er und 1960er Jahren zunächst als eine gewinnbringende Emanzipation aus der strukturalen Linguistik verstanden werden (vgl. langue vs. parole), so scheint dieser Ansatz aus heutiger Sicht doch weitreichende Grundlagen ohne eine Berücksichtigung kulturell bedingter Variation geschaffen zu haben (Grice 1975; Leech 1983a; Brown/Levinson 1987). Selbst späteren, zunächst kulturkontrastive Studien (Blum-Kulka/House/Kasper 1989a; Clyne 1994) auf dem Feld der Pragmatik kann es vor diesem universalistischen Primat kaum gelingen, eine konsequent durchdachte kulturrelativistische Perspektive einzunehmen (Goddard 2006a: 1). Zahlreiche der im Folgenden referierten Studien können in diesem Sinne als ein Abarbeiten an diesen universalistischen Grundlagen gesehen werden. Auch wenn sich die Pragmatik unter der Flagge eines Handlungsparadigmas gegenüber früheren strukturalistischen Ansätzen abgrenzen will und den Handlungscharakter von Sprache in den Vordergrund stellen will, so sind Autoren doch auch in diesem Bereich immer noch auf der Suche nach identifizierbaren Regeln, mit denen sich sprachliches Handeln beschreiben lässt. Diese Regeln, so ergibt es sich aus der

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grundlegenden Annahme, sind immer schon da und in jedem Fall vor dem Beginn einer konkreten Interaktion existent. Auch Einflüsse von Kultur müssen entsprechend fast zwingend primordial gedacht werden. Die kulturrelativistische Öffnung der Sprachwissenschaften Kulturrelativistische Ansätze, mit denen die Universalitätsansprüche linguistischer Kategorien wirklich in Frage gestellt werden konnten, haben einen sehr langsamen Einzug in die Sprachwissenschaften gehalten. In einer groben Unterteilung lassen sich drei Formen der Integration relativierender Konzepte unterscheiden, abhängig davon, ob den zugrunde liegenden Werten, bzw. der sprachlichen Umsetzung jeweils kulturrelative Ausprägungen zugestanden werden. So liegen Studien vor, die von der Existenz universaler Werte ausgehen, die aber kulturspezifisch in Worte gefasst werden. Andere Studien unterstellen kulturspezifische Werte, die jedoch auf eine kulturuniversale Weise in Worte gefasst werden. Darüber hinaus finden sich Studien, die sowohl von kulturrelativen Werten als auch von einer kulturrelativen Umsetzung ausgehen. Zu jeder der drei Varianten sollen im Folgenden exemplarische Studien diskutiert werden. Universale Werte und sprachspezifische Umsetzung Frühe Relativierungen in den Sprachwissenschaften beginnen mit einer Annahme kulturuniversaler Werte, die dem Sprechen zugrunde liegen. Dabei wird relativierend eingeschränkt, dass die Umsetzung dieser Werte in sprachliche Äußerungen kulturspezifisch ausfällt. Diese Relativierung kommt Annahmen der kontrastiven Linguistik noch recht nahe, die ohnehin bereits davon ausgegangen war, dass es in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Realisierungsformen gibt. Ein für die linguistische Pragmatik prominentes Beispiel stellt hier die Ende der 1980er Jahre von den Autorinnen Blum-Kulka, House und Kasper (1989a) groß angelegte Studie des Cross-Cultural Speech Act Realization Project dar. Die Autorinnen konzentrieren sich auf die Untersuchung von Höflichkeitsformen. Hier gehen sie davon aus, dass Höflichkeit ein kulturuniversaler Wert ist, der in allen Kulturen gefunden werden kann. Weiterhin unterstellen die Autorinnen, dass eine ebenfalls kulturuniversale Strategie zur Kommunikation höflichen Verhaltens sprachliche Indirektheit ist. Gegenüber diesen kulturuniversalen Werten haben die Autorinnen jedoch herausgearbeitet, dass sich die sprachliche Umsetzung von Indirektheit in den Realisierungen von Sprechakten in verschiedenen Sprachen und Kulturen deutlich voneinander unterscheiden. So weisen unterschiedliche Sprachen auch unterschiedliche Möglichkeiten der Markierung von Indirektheit auf, die außerdem auf kulturspezifische Weise intensiviert oder abgeschwächt verwendet werden können. Kulturrelative Werte und sprach-universale Umsetzung Während Studien mit der Annahme kulturuniversaler Werte und sprachspezifischer Umsetzung letztlich einer sprachwissenschaftlichen Tradition, insbesondere der kontrastiven Pragmatik zuzuordnen sind, steuert die Kulturforschung, namentlich die Kulturanthropologie, entgegengesetzte Modelle bei: Hier wird zuvorderst davon ausgegangen, dass sich Kulturen in ihren Werten und Normen voneinander unterscheiden. Die sprachliche Realisierung dieser Werte und Normen steht dabei zunächst im Hintergrund und wird als universal angenommen. Ein frühes Beispiel hierzu liefern

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Condon und Yousef (1975), die von Kultur als einem Wertesystem ausgehen und dieses zunächst in Ansätze aus der funktionalen Pragmatik integrieren. Sociopragmatic Failure nach Jenny Thomas Als sociopragmatic failure bezeichnet die britische Sprachwissenschaftlerin Jenny Thomas (1983) kommunikative Missverständnisse, die durch Unterschiede in den kulturellen Werten verursacht werden, die einer Verständigungssituation zugrunde gelegt werden. Zunächst geht Thomas sogar davon aus, dass sich sowohl Werte als auch deren sprachliche Realisierung kulturell voneinander unterscheiden werden. Thomas geht dabei grundsätzlich von lernersprachlichen Situationen aus, d.h. mindestens ein Sprecher in einer Verständigungssituation spricht eine erlernte Fremdsprache, in der es ihm oder ihr zumindest teilweise nicht gelingt, sich in der Zielkultur adäquat auszudrücken. Kulturspezifische sprachliche Realisierungsformen bezeichnet Thomas mit dem Begriff des pragmalinguistic failure. Hier geht Thomas davon aus, dass Sprecher diese Problematik durch fortgeschrittenes Fremdsprachenlernen in den Griff bekommen können. Von größerem Interesse ist für Thomas demgegenüber die bereits oben erwähnte Situation des sociopragmatic failure, bei dem außersprachliche divergierende Werte das Handeln bestimmen. Für Nichtmuttersprachler ist diese Problematik Thomas zufolge nur schwer zu identifizieren, bzw. durch Lernen zu bewältigen. Betrachtet man Thomas‹ Konzeption des Einflusses von Kultur auf soziales Handeln, so mag Thomas hier eine vergleichsweise deterministische Wirkweise unterstellen: Sprecher in interkulturellen Kontaktsituationen haben demnach aufgrund der schwierigen Erkennbarkeit kultureller Aspekte kaum eine Chance, und damit aber auch nur eine geringe Verantwortung für das Gelingen einer Kontaktsituation. Zudem kann angemerkt werden, dass auch Thomas die von ihr unterstellten kulturspezifischen Differenzen noch sehr nahe an einem sprachlichen Konzept positioniert, d.h. auch Thomas tendiert dazu, Sprache und Kultur gleichzusetzen. Es lässt sich deutlich schwieriger identifizieren, geschweige denn erlernen. Dahinter stecken eine recht kulturdeterministische Sichtweise sowie die Annahme, dass Kultur und Sprache sehr eng verbunden sind. Thomas‹ frühe Studie (Thomas 1983) ist dennoch nicht unbeachtet geblieben und bildet auch wesentlich später noch die Grundlage für Forschungsarbeiten, die auf dem Konzept des sociopragmatic failure aufbauen (Zamborlin 2007). Sociopragmatic Interaction Principles nach Spencer-Oatey Die Kommunikationsmaximen nach Grice (1975) und insbesondere darauf aufbauend Leech (1983b) haben mit ihrem westlich begründeten und nie bewiesenen Universalitätsanspruch die Kulturrelativisten unter den Sprachwissenschaftlern schon früh provoziert. In der Folge sind zahlreiche Arbeiten entstanden, die Kulturen in Form von Normen und Werten so operationalisieren, dass sie als Einflussgröße in diese Kommunikationsmaximen integriert werden können und diese relativieren können. Auch hier bietet die Frage nach Realisierungsformen sprachlicher Höflichkeit das wesentliche Einfallstor für Kulturrelativisten: Leech (1983b) hatte mit der Formulierung seiner Taktmaximen postuliert, dass Verbalisierungen von Höflichkeit sich grundsätzlich an denselben zugrundeliegenden Werten orientierten. SpencerOatey und Jiang (2003) relativieren diesen kulturuniversalen Ansatz, indem sie unterstellen, dass Kulturen sich darin voneinander unterscheiden, inwieweit und wie

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dringlich diesen zugrunde liegenden Höflichkeitswerten in unterschiedlichen Situationen Folge geleistet werden müsse. Die unterschiedlich stark realisierten Auswirkungen der zugrunde liegenden Werte auf das sprachliche Handeln bezeichnen Spencer-Oatey und Jiang als sociopragmatic interaction principles.34 Um dies empirisch nachzuweisen, bedienen sich Spencer-Oatey und Jiang eines Forschungsdesigns nach Kim (1994), in dem Probanden aus verschiedenen Kulturen schriftliche Beschreibungen unterschiedlicher Alltagssituationen vorgelegt werden. Vor dem Hintergrund vorgeschlagener Wertorientierungen zur höflichen Bewältigung der jeweiligen Situationen sollen die Probanden jeweils differenzieren und einstufen, für wie wichtig sie eine kommunikative Erfüllung der vorgeschlagenen Werte halten. Auf diese Weise gelingt es den Verfasserinnen zwar, einige kulturuniversale Annahmen aus der Pragmatik ansatzweise zu relativieren. Grundlegend stellen sie die Annahme eines universalen Grundstocks von Werten jedoch nicht in Frage, sondern erlauben Interaktanten lediglich eine kulturrelative Ausdifferenzierung entlang einer vorgegebenen, eindimensionalen Werteskala. Welche Werte dabei kulturuniversal eine Rolle spielen, entnehmen Spencer-Oatey und Jiang dabei weiterhin der vorliegenden sprachpragmatischen Theorie, eventuelle alternative, kulturspezifische Werte können mit ihrer Methode nicht gesichtet werden. Darüber hinaus schließen auch Spencer-Oatey und Jiang aus der Selbsteinschätzung der Probanden auf ihr damit kongruentes, tatsächliches Handeln. Sociocultural Interaction Parameters nach Clyne Auch Michael Clyne führt sprachpragmatische Unterschiede auf unterschiedliche zugrunde liegende Werte zurück und verbleibt dabei in einer kulturkontrastiven Perspektive, wenngleich sein empirisches Material explizit interkulturelle Interaktionssituationen fokussiert. Die Grundlage für diese Vergleichsperspektive bildet bei Clyne das Konzept der »Kommunikationsbünde« (Clyne 1994: 29), unter denen Clyne Gruppen benachbarter Sprachen versteht, die eine gemeinsame kulturelle Wertebasis teilen. Diese unterschiedlichen Wertestrukturen lehnt Clyne an die Kulturdimensionen nach Hofstede (1980) an. Demnach folgten Sprecher von Sprachen aus unterschiedlichen Kommunikationsbünden unterschiedlichen Kombinationen von Werthaltungen aus Hofstedes Dimensionenschema (Clyne 1994: 92ff). Diese Wirkfunktion der zugrunde liegenden Werte auf demgegenüber als kulturuniversal angenommene sprachliche Realisierungen bezeichnet Clyne als »sociocultural interaction parameters« (Clyne 1994: 178).

34 »Moreover, principle is associated with values and/or beliefs. So we define and explain SIPs [sociopragmatic interactional principles; D.B.] as: socioculturally based principles, scalar in nature, that guide or influence people’s productive and interpretive use of language. The principles are typically value-linked, so that in a given culture and/or situational context, there are norms or preferences regarding the implementation of the principles, and any failure to implement the principles as expected may result in mild to strong evaluative judgements. Preferences for different points on the scale will develop through the socialization process and through exposure to (and involvement in) natural interactions, and these preferences will frequently vary from context to context and from culture to culture« (Spencer-Oatey/Jiang 2003: 1635).

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Interessant für die Untersuchung des Dispositivcharakters interkultureller Kommunikation ist auch im Hinblick auf die Studie von Clyne die überraschend kulturdeterministische Haltung: Obwohl Clyne mit gesprächsanalytischen Methoden Dialoge zwischen Sprechern unterschiedlicher Sprachen und Kommunikationsbünde am Arbeitsplatz untersucht, geht er auch weiterhin aus einer streng kulturkontrastiven Sicht davon aus, dass die Sprecher an ihre kulturspezifischen Sprechweisen gebunden sind und auch in Kontaktsituationen nicht davon abweichen können, bzw. aufeinander zu gehen können. Kulturkontakte führen aus Sicht dieser theoretischen Konzeption demnach fast zwangsweise zu Irritationen und Missverständnissen, selten aber sind sie Anlass für eine gegenseitige Annäherung. Ethnopragmatics und Cultural Scripts nach Goddard und Wierzbicka Spencer-Oatey war davon ausgegangen, dass die dem Sprechen zugrunde liegenden Werte in ihrer Qualität im Grunde universal sind, dass ihnen in unterschiedlichen Kulturen jedoch ein unterschiedlicher Stellenwert beigemessen wird. Hier handelte es sich demnach um eine lineare Variation derselben Werte. Michael Clyne ist demgegenüber einen Schritt weiter gegangen und hat die zur Verfügung stehenden Dimensionen kultureller Variation unter Zuhilfenahme des Hofstedeschen Modells vervielfacht. Anna Wierzbicka (1994; 1998; 2006) geht in ihrem Modell noch einen Schritt weiter, indem sie die zugrunde liegenden Werte als radikal kulturspezifisch deklariert. Entsprechen können diese kulturspezifischen Werte auch nur mit emischen Sichtweisen und Methoden identifiziert und erhoben werden. Auch Wierzbicka geht neben dieser extremen Relativierung jedoch weiterhin davon aus, dass sich diese kulturspezifischen Werte unmittelbar im kommunikativen Handeln wiederspiegeln und erkennen lassen. Während Clyne (1994) auf Hofstede (1980) aufbaut, wählt Wierzbicka (1994: 3) folgerichtig das Kulturverständnis Edward T. Halls (1976) als Grundlage für ihre emische Sichtweise. Demnach bleiben kulturelle Einflüsse für die Interaktanten grundsätzlich unbewusst und beeinflussen dennoch unmittelbar deren kommunikatives Handeln. Diesen Wirkmechanismus bezeichnet Wierzbicka (1994: 2) als cultural scripts. Während für Hall die kulturspezifischen Werte unsichtbar bleiben, hat sich die Sprachwissenschaflerin Wierzbicka die Sprache als einen unmittelbaren Zugang zu diesen Werten konstruiert. Cultural scripts stellen dabei Normen, Ansichten und Wertvorstellungen darf, die von Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft geteilt werden,35 und denen bei der Beschreibung einer Kultur (zumindest aus Forschersicht) eine zentrale Stellung eingeräumt wird. Cultural scripts sind demnach zwar einerseits außersprachliche Werte, die aber andererseits unhintergehbar sprachlich gefasst sind. Geteilt werden cultural scripts dabei von Sprachgemeinschaften, d.h. sie sind nicht singulär mit einer Sprache verbunden, sondern können zwischen Sprechergruppen einer gleichen Sprache variieren. Vertreter der Ethnopragmatik geben dabei keinen einheitlichen Analyserahmen an, mit dessen Hilfe Cultural Scripts identifiziert wer-

35 »Essentially, this [cultural script; D.B.] refers to a statement – framed largely or entirely within the non-ethnocentric metalanguage of semantic primes – of some particular attitude, evaluation, or assumption which is hypothesized to be widely known and shared among people of a given speech community« (Goddard 2006a: 5).

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den könnten. Vielmehr stünden hierzu unterschiedlichste sprachliche Ebenen zur Verfügung. Eine prototypische Form zur Identifizierung von cultural scripts scheint beispielsweise die Identifizierung von Schlüsselwörtern zu sein, die von einer Sprachgemeinschaft verwendet werden. Um diesen emischen Zugang metakommunikativ so in Worte zu fassen, dass eine etische Vergleichbarkeit möglich wird, konstruiert Wierzbicka das Konzept der natural semantic metalanguage (NSM) (Wierzbicka 1994: 20). Darunter versteht Wierzbicka eine Reihe von ca. 60 grundlegenden semantischen Begriffen, die in jeder Sprache existierten und auch in jeder Sprache die gleiche Bedeutung haben. Vergleichbar ist diese Reihe von Vokabeln einer Ansammlung der quantitativ am häufigsten verwendeten Worte einer Sprache. Grundsätzlich räumt jedoch auch Wierzbicka ein, dass ihre Metasprache immer nur als ein Hilfsinstrument zur Herstellung einer universalen Verständigungsmöglichkeit dienen kann. Letztlich entspringt auch die Metasprache den Ideen und den Deutungsvorstellungen der Forscherin selbst, so dass es sich hier um ein Konstrukt von Verständigungsmöglichkeiten handelt, denen auch hier klare Grenzen gesetzt sind (Wierzbicka 1994: 20). Eine weiterreichende Methodenkritik findet bei Wierzbicka nicht statt. In den Schilderungen des Ansatzes wird die methodische Vorgehensweise bei der Identifizierung von cultural scripts und etwa deren zugrunde liegenden Schlüsselwörtern einer Sprache nicht explizit gemacht. Grundsätzlich muss hier unterstellt werden, dass kulturelle Spezifika, zu denen cultural scripts gerechnet werden müssen, immer nur perspektivisch wahrgenommen werden können, und dass sich ihre Identifizierungen aufgrund unterschiedlicher Perspektiven voneinander unterscheiden werden. Eine de-ethnozentrierte Herangehensweise, wie sie der Ansatz propagiert, wäre angesichts dieser methodischen Schwierigkeiten kaum erreichbar, bzw. könnte nicht abgesichert werden. Grundsätzlich scheint der Forscher selbst über die Selektion von Schlüsselkonzepten zu entscheiden und diesen Vorgang nicht weiter zu reflektieren. Cultural scripts nach Wierzbicka bilden als Bindeglied zwischen Kultur und sprachlicher Kommunikation auch für Cliff Goddard die Grundlage des von ihm vertretenen Konzepts der Ethnopragmatics (Goddard 2006b). Ansätze der Ethnopragmatik nach Goddard gehen mit Wierzbicka davon aus, dass es einige wenige semantische Universalien in allen Sprachen gibt, die sprachübergreifend deckungsgleiche Bedeutung haben. Goddard schätzt die Anzahl dieser semantic primes auf ca. 60 ein (Goddard 2006a: 3). Sie lassen sich mit der von Wierzbicka entwickelten natural semantic metalanguage (NSM) (Goddard 2006a: 3), die nur aus semantic primes besteht, kulturuniversal und non-ethnozentrisch formulieren. Goddard stellt heraus, dass es sich bei der Ethnopragmatik gegenüber den universalpragmatischen Arbeiten um eine emische Herangehensweise handelt: Kulturimmanente, singuläre Konzepte bilden die Grundlage der Beschreibung. Darüber hinaus weist Goddard darauf hin, dass sich der Ansatz dank der Rekursion auf die wenigen semantischen Universalien einer ethnozentrischen Perspektive entheben kann. Über den Ansatz von Wierzbicka hinausgehend sieht Goddard Parallelen zur Kulturpsychologie (Goddard 2006a: 3). In der Tat scheint beispielsweise das Konzept der Kulturstandards nach Alexander Thomas (1991) auf ähnlichen Prämissen aufzubauen. Das methodische Vorgehen und die Problematik der Perspektivik hat Thomas jedoch in späteren Arbeiten explizit gemacht. Ähnlichkeiten bieten sich auch zum Konzept der Hot Words von Michael Agar (1994), das Heringer (2004) in der interkulturellen Forschung prominenter

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vorstellt. Im Gegensatz zu der Perspektivenneutralität in den Arbeiten von Wierzbicka steht hier jedoch die relativierende Perspektivik aller Beobachtungen klar im Zentrum des Konzepts.

Zur Handlungsrelevanz primordialer Kulturkonzepte Arbeiten auf der Grundlage primordialer Kulturkonzepte fallen durch teilweise überaus deterministisch ausgelegte Wirkmechanismen von Kultur auf soziales Handeln auf. Diese Haltung verleitet einige Autoren sogar dazu, mehr oder weniger unausweichliche Prognosen für den Verlauf interkultureller Kontaktsituationen zu formulieren. Der Kulturpsychologe Harry Triandis beispielsweise hat in mehreren Publikationen versucht, Vorhersagen über den Ablauf von Kontaktsituationen zwischen ausgewählten Kulturen zu treffen, denen eine gewisse Vorverurteilung nicht abgesprochen werden kann. So folgert Triandis bei einer Prognose zu Formen internationaler Konfliktbearbeitung beispielsweise, dass Kulturen, die sich intern durch ein hohes Maß einer Anwendung von Gewalt auszeichnen, auch in der Interaktion nach außen zur Gewaltanwendung tendieren werden (Triandis 2000: 146). Bestimmte Kombinationen kultureller Eigenschaften führten darüber hinaus im Besonderen zu einer erhöhten externen Bedrohung: »Thus, when a particular combination of cultural syndromes is found, namely active, universalistic, diffuse, instrumental, vertical collectivism, inhuman treatment of out-groups is likely to occur« (Triandis 2000: 151).

Möglicherweise konstruiert Triandis hier jedoch auch aus ethnozentrischer Perspektive die negative Kultur eines Klassenfeindes der USA, denn nicht weit entfernt im gleichen Text statuiert Triandis, dass demgegenüber auch erfahrungsgemäß demokratische Staaten grundsätzlich keine gewaltsamen Konfliktaustragungsformen untereinander anwendeten (Triandis 2000: 146). Bewertungen von Handlungsergebnissen in Kulturkontaktsituationen bestimmter Konstellationen bestätigen auch weitere Autoren, wobei die Kulturdimension aus Individualismus gegenüber Kollektivismus hier grundsätzlich von besonderem Interesse zu sein scheint, was weiterhin auf eine diskursiv konstruierte Kontrastschärfung westlicher gegenüber nicht-westlicher Sichtweisen hindeuten könnte. So bestätigen Cai, Wilson und Drake (2000) auf der Grundlage empirischer Beobachtungen, dass Angehörige kollektivistischer Kulturen in Verkaufsverhandlungen als Verkäufer gegenüber individualistisch eingestellten Kunden schneller erfolgreiche Verhandlungsergebnisse erzielten als individualistische Verkäufer. Gabrielidis et al. (1997) haben untersucht, inwieweit sich Angehörige unterschiedlicher Kulturen in Konfliktsituationen nicht nur um die Wahrung des eigenen Gesichts, sondern auch um das des Gegenübers kümmerten. Letzteres wurde von Angehörigen kollektivistischer Kulturen weitaus mehr geleistet. Triandis stellt darüber hinaus Zusammenhänge zwischen kulturellen Eigenschaften und Tendenzen zur Korruption her (Li/Triandis/Yu 2006), und Lu (2009) bringt die chinesische Kultur mit dem Umgang mit Urheberschutz bei Software in China in Verbindung.

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Entsprechend zeigt sich, dass die kulturdeterministische Sichtweise, die vielen Arbeiten mit primordialem Kulturverständnis inne wohnt, bzw. ihnen zumindest inhärent ist, zu kulturalistischen und ethnozentrischen Vorverurteilungen gegenüber Angehörigen anderer Kulturen verleitet. Mehr noch kann hier sogar von einem systematischen Prinzip des Dispositivs interkultureller Kommunikation gesprochen werden: Qua Theorie wird hier eine Problematik kultureller Differenzen festgelegt, in der der eigenen Kultur eine moralische Vormachtstellung zugeschrieben werden kann. Entsprechend wird die Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation zu einem niemals endenden Unterfangen umgebaut, mit dessen Hilfe die Vormachtstellung der eigenen Kultur zementiert wird und gleichzeitig nach außen der ebenfalls moralisch zwingend erforderliche und legitimierende Anspruch auf eine Bereitschaft zu gegenseitiger Verständigung aufrechterhalten wird.

Kompetente Umfangsformen mit Kultur bei primordialer Konzeption Innerhalb dieses Dispositivs hat die interkulturelle Forschung durchaus auch plausible Konzepte zur Herstellung von Verständigung formuliert, die vor dem Hintergrund des Dispositivs als interkulturell kompetentes Handeln und als erwünscht markiert werden. Zugleich wird sichergestellt, dass dieses kompetente Handeln nie so erfolgreich werden wird, dass die Problematik längerfristig gelöst bleibt. Beschreibungsansätze zu kulturellen Einflüssen auf individuelles Handeln, die auf einem primordialen Kulturverständnis beruhen, unterstellen demnach zusammengefasst, dass Individuen unterschiedlicher kultureller Herkunft auch kulturell unterschiedlich kommunizieren. Um die drohenden Missverständnisse umschiffen oder zumindest kompetent bearbeiten zu können, lassen sich vor diesem Hintergrund klare Handlungsanweisungen formulieren: Zu leisten ist ein interkulturelles Fremdverstehen (Bredella et al. 2000), dessen Prozesse sich beispielsweise mit hermeneutischen (Straub/Shimada 1999) oder auch phänomenologischen Theorien (Schröer 2002) erfassen lassen. Primordiale Kulturverständnisse dienen häufig auch als Interpretationsmatrix in der massenmedialen Berichterstattung. Im Sinne des Dispositivs interkultureller Kommunikation wird ihnen damit ein permanent unhinterfragter Erklärungsanspruch zugewiesen. Beispielsweise erklärte die Wochenzeitung Die Zeit Kulturunterschiede in der deutsch-chinesischen Wissenschaftskooperation mit Hilfe unterschiedlicher kommunikativer Konventionen und Handlungsskripts: »Selbst wenn ein Kooperationsvertrag unterzeichnet ist, bedeutet er für beide Seiten nicht unbedingt dasselbe. ›Gelegentlich erweist sich die Unterzeichnung des Vertrages erst als der eigentliche Beginn der Verhandlungen, denn das schriftliche Wort wird nicht immer als bindend betrachtet‹, heißt es in einer DAAD-Broschüre zur chinesisch-deutschen Wissenschaftszusammenarbeit. Der chinesische Volksmund umschreibt die Missverständnisse blumiger: ›Gleiches Bett, verschiedene Träume‹« (Spiewak 2007).

Auch die Diagnose interkultureller Missverständnisse wird medial permanent vollzogen. So interpretiert beispielsweise Die Zeit die Erwartungen von Immigranten und deutschen Inländern an den zweiten Integrationsgipfel im Juli 2007 konsequent:

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»Ein paar Dinge hat der Integrationsgipfel doch eindrucksvoll demonstriert: Wie groß die Missverständnisse noch sind und wie gewaltig die Aufgabe ist, vor der Inländer und Immigranten stehen« (Seils 2007).

Interkulturelle Trainings (Landis/Bennett/Bennett 2004) fungieren innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation zumindest als theoretische Möglichkeit für jedes Individuum, sich interkulturelle Kompetenz anzueignen und sich somit konform gegenüber den Anforderung des Dispositivs zu verhalten. Zugleich werden damit auch die Verantwortung und die Verpflichtung des Individuums zur Konformität mit dem Dispositiv erhöht. Daneben bleiben kaum noch korrekte, bzw. gesellschaftlich akzeptable Haltungen, mit denen sich Individuen der Aneignung von als interkulturell kompetent deklarierten Konzepten entziehen könnten. Kritische Stimmen merken an dieser Stelle an, dass Individuen die Eigenschaften und Fähigkeiten, die gelegentlich als interkulturelle Kompetenz bezeichnet werden, im Kulturkontakt mit der Zeit auch ohne die Zuhilfenahme einer interkulturellen Bildungsmaßnahme erwerben können. Dieses Phänomen ist insbesondere in der interkulturell interessierten Sozialpsychologie untersucht worden, die sich für Anpassungs- und Adaptationsstrategien weitaus mehr interessiert hat als für essentialistische Konzepte kultureller Differenz. Einen Überblick über die Forschung zu kultureller Adaptation in der Sozialpsychologie legen Brabant, Watson und Gallois (2007: 60ff) vor. Eine zentrale Stellung nehmen hier Gudykunsts (1985) Ansatz zum Umgang mit Ängsten und Unsicherheit (anxiety/uncertainty management), Kims (1995) Theorie kultureller Anpassung (cultural adaptation theory) sowie Ting-Toomeys (1993) Ansatz zur Aushandlung von positiven Identitäten (identity negotiation) ein. Aus der Sicht primordial konzipierter Kulturbeschreibungsansätze reagieren Interaktanten auf interkulturell bedingte Einflüsse auf eine Weise, die der Forscher zumindest in gewissem Maße vorhersehen und theoretisch begründen kann, wenngleich sich kulturelle Einflüsse dabei an sehr verschiedenen Objekten und Kategorien manifestieren können (Chick 2001). Den Interaktanten selbst wird demgegenüber die Möglichkeit zu dieser Einsicht meist abgesprochen: Stattdessen wird angenommen, dass kulturelle Einflüsse von den Interaktanten selbst nur selten angemessen identifiziert und benannt werden können. Empirisch beobachtbar seien demnach meist nur Ausdrücke persönlicher und situativer Irritation (Spencer-Oatey 2002), aus denen interpretativ auf den Vorfall kommunikativer Missverständnisse (Goodenough 1957; Gumperz 1982a; Gudykunst 1985; House 2000) geschlossen werden kann. Daraus ergibt sich eine Höherstellung des Forschers zur interkulturellen Kommunikation. Es wird eine Expertenhiercharchie aufgebaut, durch die es innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation zur einer Ungleichverteilung von Macht kommt: Experten sorgen durch ihre Stellung für den Erhalt des Dispositivs, Laien müssen sich ihnen unterordnen. Von ihnen wird einerseits erwartet, dass sie durch die Teilnahme an Maßnahmen zur interkulturellen Bildung die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz erkennen und somit das Dispositiv anerkennen. Andererseits bleibt ihnen die Möglichkeit zu einer endgültigen Meisterung der genannten Schwierigkeiten grundsätzlich verwehrt.

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K ONSTRUKTIVISTISCHE K ULTURBEGRIFFE Konstruktivistische Kulturbegriffe zählen aus der Sicht kritischer Autoren bereits nicht mehr zum Kerngeschäft dessen, was innerhalb westlicher Gesellschaften aus einer Laienperspektive unter interkultureller Forschung verstanden wird. Und auch die anwendungsorientierte Forschung zur interkulturellen Kommunikation öffnete sich nur sehr zögerlich den veränderten Einflussgrößen, die die Grundlagenforschung ihr bereitstellte. So ist beispielsweise Moosmüller der Ansicht, dass die Forschung zur interkulturellen Kommunikation die sozialwissenschaftliche Hinwendung zu konstruktivistischen Kulturverständnissen in großen Teilen nicht mehr mitvollzogen hat. Dieser Prozess habe bereits in den 1970er Jahren eingesetzt und bereits zum damaligen Zeitpunkt zu einem Bruch der anwendungsorientierten Forschung zur interkulturellen Kommunikation gegenüber einer sich begrifflich wandelnden kulturtheoretischen Forschung in der Kulturanthropologie geführt: »Nicht mehr interessiert und beteiligt an den Diskursen in der Kulturanthropologie, wurden mache Entwicklungen seit den 1970er Jahren, namentlich die ›writing culture‹-Debatte und die Neuformulierung des Kulturkonzepts in der Interkulturellen Kommunikation nicht mehr nachvollzogen« (Moosmüller 2007b: 19).

Dass konstruktivistische Kulturverständnisse insbesondere in der anwendungsorientierten Forschung zur interkulturellen Kommunikation auch im angelsächsischen Sprachraum nur mit Widerständen und erheblicher zeitlicher Verspätung aufgenommen wurden, zeigt ein entsprechender Eintrag von Applegate und Sypher (1996) in Kim und Gudykunsts (1988) Handbuch Theories in Intercultural Communication. Die Autoren machen hier insbesondere Werbung für eine wenigstens grundlegende Akzeptanz des konstruktivistischen Ansatzes, sie vermitteln wesentliche Grundannahmen des Konzepts und bleiben innerhalb des Handbuchs doch weiterhin isoliert als einer von vielen Beiträgen und entgegen den Grundannahmen vieler Beiträge. Aus dispositivtheoretischer Sicht erscheint eine solche Resistenz des Diskursfelds interkultureller Kommunikation durchaus sinnvoll, zumal hier das vordringlichste Ziel in einem Erhalt sozialer Machtstrukturen liegt. Dieses kann durchaus auch mit Hilfe konstruktivistischer Kulturverständnisse aufrecht erhalten werden, es erfordert jedoch einige komplexe Begriffstransformationen, die erst abgesichert werden müssen, bevor auch konstruktivistische Kulturverständnisse die Strategien des Dispositivs interkultureller Kommunikation umsetzen können. Nicht nur die Anhänger einer interkulturellen Forschung haben sich jedoch von der kulturtheoretischen Debatte verabschiedet. Interkulturelle Kommunikation, ein universitäres Modefach der 70er und 80er Jahre in Nordamerika und Westeuropa, ist seit den neunziger Jahren angesichts seines Kulturverständnisses insbesondere von Vertretern der Anthropologie zunehmend unter Kritik geraten: »Der Hauptgrund für die skeptische Haltung der Ethnologen dürfte aber darin liegen, dass sich die Auffassungen von Kultur bzw. vom Verhältnis zwischen Individuum und Kultur, in neuerer Zeit grundlegend gewandelt haben. Im Unterschied zu den klassischen, auf Durkheim zurück-

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gehenden Ideen, wonach das Individuum als eine Art Automat präformierte soziale Regeln umsetzt, wird es heute als Gestalter seiner sozialen Umwelt gesehen [...]« (Moosmüller 2004: 47).

Semiotik vs. Praxeologie Diese Hinwendung der Kulturtheorien zu einer allgemeinen Akteursorientierung wird vielfach mit einer Verabschiedung der Kulturwissenschaften von semiotisch fundierten Ansätzen, mit denen die Disziplin ihren Anfang genommen hatte, zugunsten von Beschreibungsformen aus der »Praxeologie« (Reckwitz 2005: 24) in Verbindung gebracht. Praxeologen sehen in der Semiotik als Grundlage für eine Kulturforschung lediglich einen verkomplizierenden Umweg: Ausgegangen werde in der Semiotik insgeheim immer noch von einem Herderschen Kulturbegriff, der unter essentialistischen Neigungen leide. Vor allem die Sprachwissenschaften sind damit ins Zentrum der Kritik geraten. Alternative oder zumindest aktualisierte Operationalisierungen für die sprachwissenschaftliche Forschung zur interkulturellen Kommunikation im Sinne einer praxeologischen Perspektive scheinen demgegenüber bislang noch auszustehen. Reckwitz (2002) entwirft ein Schema, in dem sozialwissenschaftliche Theorien nach dem Kriterium der Verortung des Sozialen geordnet werden können. Dabei plädiert er selbst für die Plausibilität einer Praxistheorie, die wesentliche Kernpunkte des practice turn in den Sozialwissenschaften formuliert (Schatzki/KnorrCetina/Savigny 2001). Demnach habe sich einerseits aus dem schottischen Utilitarismus die gegenwärtige Rational-choice-Theorie entwickelt, nach der menschliches Handeln grundsätzlich einer Optimierung von Zielerreichungen dienen soll. Klassische Soziologen wie Durkheim und Parsons dagegen sahen soziales Handeln als Befolgen strukturell vorgegebener Normen (Reckwitz 2002: 245). Kulturtheorien dagegen gingen davon aus, dass soziales Handeln vor allem durch seine symbolhafte Verfasstheit charakterisiert ist, durch die Akteure zur Interpretation gezwungen sind.36 Kulturtheorien im Sinne des von Reckwitz als charakteristisch identifizierten interpretativen Paradigmas unterteilt der Verfasser wiederum in mehrere Ansätze in Abhängigkeit davon, an welcher Stelle die jeweiligen Theorien das Soziale in sozialem Handeln verorten.37 Mentalistische Kulturtheorien fußten demnach meist auf strukturalistischen Grundlagen im Sinne von Claude Lévi-Strauss und verorteten Soziales und Kultur im Geist eines jeden Individuums, das jedoch über Aspekte des Kulturellen oder des Sozialen kein Bewusstsein habe. Während Reckwitz diese strukturalisti-

36 »In contrast, the newness of the cultural theories consists in explaining and understanding actions by reconstructing the symbolic structures of knowledge which enable and constrain the agents to interpret the world according to certain forms, and to behave in corresponding ways« (Reckwitz 2002: 245f). 37 »There are a number of differences between a theory of social practices and other forms of cultural theory, but the most important and very elementary one – which then leads us to all the other differences – is that practice theory situates the social in a different realm from those of other cultural theories. The ›place‹ of the social here is different« (Reckwitz 2002: 246).

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schen Ansätze als mentalistischen Objektivismus bezeichnet, sieht er in der Schütz’schen Phänomenologie Ansätze zu einem mentalistischen Subjektivismus (Reckwitz 2002: 247). Textualistische Theorien zur Beschreibung von Kultur verorteten letztere dagegen nicht innerhalb von Individuen, sondern weisen ihnen einen externen Ort zu, an dem sie Kultur in Form von Texten imaginieren. Zentrale Vertreter dieses Ansatzes sieht Reckwitz beispielsweise in Geertz und Foucault (Reckwitz 2002: 248). Intersubjektivistische Ansätze verorteten Kultur und Soziales demgegenüber im kommunikativen Handeln zwischen den einzelnen Akteuren und gehen dabei von einer insbesondere sprachlichen Verfasstheit von Kultur aus. Als zentralen Vertreter eines solchen Ansatzes verweist Reckwitz auf Habermas (Reckwitz 2002: 249). Praxistheorien sehen Kultur explizit in einem Zusammenspiel aus Denkmustern, Handlungsformen und Hintergrundwissen.38 Kritisch gegenüber einem Festhalten an und einem Fortführen von semiotisch basierten Ansätzen mag die in der interdisziplinären Wahrnehmung häufig noch vorhandene Konnotation der Semiotik mit einer strukturalistischen Verhaftung sein, die einer zwischenzeitlich meist favorisierten Akteurszentrierung im Wege steht. Der Kulturgeograph Pütz resümiert die Auswirkungen strukturalistischen Denkens auf die interkulturelle Forschung folgendermaßen: »Strukturen werden in den meisten Ansätzen als vorbewusste Denkregeln aufgefasst, die im Bewusstsein des einzelnen Unternehmers verankert sind, aber kollektiv wie ›kulturelle Codes‹ geteilt werden. Und ohne dass sich die Akteure dessen zwingend bewusst sind, reproduzieren sie mit ihrem unternehmerischen Handeln permanent die virtuelle Realität eines solchen kontextübergreifenden Regelsystems« (Pütz 2004: 18).

Als Folge dieses strukturalistischen Denkens wird das Handeln von Individuen in interkulturellen Kontexten häufig als lediglicher Reflex auf vorgegebene Strukturen gedeutet, die außerhalb ihres Handlungsbereichs liegen. Pütz ist jedoch der Ansicht, dass die Handlungswirklichkeit viel differenzierter ist. Ein tieferes Verständnis könne dagegen erreicht werden, indem die Individuen als Akteure in den Vordergrund gestellt werden und ein Handlungsverstehen (Pütz verweist hier auf Escher 1999)) angestrebt wird (Pütz 2004: 19). Grundsätzlich scheint jedoch auch die Debatte zwischen semiotischen gegenüber praxeologischen Ansätzen zur Beschreibung des Einflusses von Kultur auf soziales Handeln keinen Ausweg aus der Dichotomie der beiden Brückenkonstrukte aus Struktur oder Handlung zwischen der Makro- und der Mikroebene sozialen Handelns

38 »A ›practice‹ (Praktik) is a routinized type of behavior which consists of several elements, interconnected to one other: forms of bodily activities, forms of mental activities, ›things‹ and their use, a background knowledge in the form of understanding, know how, states of emotion and motivational knowledge. A practice – a way of cooking, of consuming, of working, of investigating, of taking care of oneself or of others, etc. – forms so to speak a ›block‹ whose existence necessarily depends on the existence and specific interconnectedness of these elements, and which cannot be reduced to any one of these single elements. Likewise, a practice represents a pattern which can be filled out by a multitude of single and often unique actions reproducing the practice« (Reckwitz 2002: 249f).

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zu produzieren. Wesentlich für den Erhalt des Dispositivs interkultureller Kommunikation erscheint letztlich der Erhalt eines solchen Brückenkonzepts im Allgemeinen, unabhängig von seiner Ausprägung. Auf diese Weise wird Kultur als einem Einflussfaktor auf soziales Handeln eine Gelenkstelle im System reserviert, die nicht umgangen werden kann. Die Existenz und die Funktionsweise des Dispositivs interkultureller Kommunikation bleiben somit zwingend. Pütz merkt an, dass gerade diese zwingend erforderliche Gelenkstelle in Form einer Black Box bei zunehmender Betrachtung jedoch immer mehr als ein Passus im Zusammenspiel von Kultur und Kommunikation, bzw. Handeln in den Blick gerät, der kaum transparent ist und kaum Einblicke in seine Wirkweisen zulässt. Insbesondere essentialistischen und primordialen Kulturverständnissen wird diese Problematik nachgesagt: »Insbesondere das Verständnis dessen, was mit dem Attribut ›kulturell‹ bei zahlreichen Ressourcenansätzen gemeint ist, legen die meisten Studien nicht offen. Aus dem jeweiligen Forschungsdesign und den dominierenden Erklärungsmustern kann für die Mehrzahl der Arbeiten aber ein holistischer Kulturbegriff in Herderscher Tradition konstatiert werden, der Kultur als ›historisch-spezifische gesamte Lebensform eines Kollektivs in Differenz zu anderen Kollektiven‹ (Reckwitz 1997: 319) versteht, klar abgegrenzt durch ein spezifisches Bündel an ›kulturellen Merkmalen‹. Ein solches essentialistisches Kulturverständnis wird in jüngerer Zeit jedoch zu Recht in Frage gestellt (vgl. u.a. die Beiträge in Beck 1998).« (Pütz 2004: 20).

Pütz bezeichnet diese Ansätze als »Ressourcenansätze« (Pütz 2004: 20): Die Individuen handeln vor dem Hintergrund ihrer (kulturellen) Ressourcen, d.h. eingeschränkten Handlungsoptionen. Problematisch dabei erscheint Pütz jedoch die grundlegende Tendenz dieser Ansätze zur Ethnisierung. Auf der Grundlage der Annahme von Abstammungsgemeinschaften, die mit kulturellen Unterschieden einhergehen, werden kollektive Fremdzuschreibungen produziert. Dabei basiert das essentialistische Kulturverständnis auf der Grundlage mehrerer Annahmen: Ausgegangen wird von einer sozialen Homogenisierung, nach der Kultur das kollektive Leben im Ganzen wie im Einzelnen prägt. Essentialistische Kulturverständnisse basieren darüber hinaus grundsätzlich auf einer ethnischen Fundierung, nach der die Lebensformen von Individuen und Gruppen grundsätzlich durch Abstammungsgemeinschaften vorbestimmt sind. Eine interkulturelle Abgrenzung ergibt sich daraus als zwingende Folge, da sich die Kultur eines Volkes immer von den Kulturen anderer Völker unterscheiden wird und muss (Pütz 2004: 20): Pütz weist dabei kritisch auf einen problematischen Zirkelschluss hin: Die Kategorie der Ethnizität erscheint in diesen Ansätzen als Ergebnis von Studien, obwohl sie doch bereits deren Prämisse war: »Letztlich erscheint die Kategorie ›Ethnizität‹ als ein Ergebnis von Untersuchungen, obwohl sie deren unreflektierte Prämisse ist.« (Pütz 2004: 21).

Diese internen Debatten strukturieren das Dispositiv interkultureller Kommunikation. Die zeitlich verspätete Einführung konstruktivistischer Kulturbegriffe könnte theoretisch das Dispositiv in Frage stellen. Die Einführung wird jedoch in einer Transformation des Dispositivs auf eine Weise gestaltet, die dessen Fortbestehen sichert.

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Während primordial basierte Arbeiten bei der empirischen Analyse nur nach Anzeichen für individuelle Irritation suchen können, unterstellen konstruktivistisch angelegte Studien zumindest unterschiedlich weitreichende Bewusstseinsformen für Prozesse der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Grundlegend wird hier angenommen, dass Individuen einander zumindest als (kulturell) different wahrnehmen. Dabei beschreiben konstruktivistisch motivierte Arbeiten, wie Individuen Kultur in ihren Interaktionen erst schaffen. Anstatt ihnen höchstens die Wahrnehmung von Irritationen zuzugestehen, unterstellen diese Ansätze den Interaktanten unterschiedliche Bewusstseinsformen für Prozesse der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Empirisch nachweisen – so wird in diesen Ansätzen häufig gefolgert – lässt sich diese Wahrnehmung von Differenz in Andersbehandlungen von Personen, die als fremdkulturell eingestuft werden. Als Grundlage dieser Andersbehandlungen, wurde beispielsweise bereits früh das Konzept der Stereotype identifiziert (Lippmann 1922), das später für die interkulturelle Forschung in vielerlei Hinsicht fruchtbar gemacht worden ist (exemplarisch Thomas 2004b). Für die Anthropologie postulierte später Fredrick Barth (1969a) die grundsätzliche Konstruiertheit kultureller Differenzen, Clifford Geertz (1973a) setzte Kultur später mit Texten gleich, die in einem Leseprozess entziffert werden könnten. Zentral für konstruktivistische Ansätze bleibt jedoch die Annahme, dass kulturelle Differenzen grundsätzlich nicht in ihrer Wesenhaftigkeit untersucht, sondern immer nur als Ergebnis sozialer Konstruktionen nachgezeichnet werden könnten.

Weiterführung kultur-primordialer Problemstellungen Eine Hinwendung zu konstruktivistischen Forschungsperspektiven sowie zu einer Neukonzeption des zentralen Forschungsgegenstands ließe vermuten, dass eine neue Sichtweise auch neue Problemstellungen ans Licht bringt und alte als nicht existent oder irrelevant erscheinen lässt. In der Forschung zur interkulturellen Kommunikation ist demgegenüber jedoch zu beobachten, dass alte Problem- und Fragestellungen aus dem primordialen Paradigma im konstruktivistischen Paradigma weiterbearbeitet werden. Während auf diese Weise eine Kontinuität in der Forschung hergestellt wird, können angesichts dieses Vorgehens bereits begründete Zweifel gegenüber einer konsequenten Umsetzung konstruktivistischer Annahmen aufkommen. Aus dispositivtheoretischer Sicht ist diese Konstante jedoch wenig überraschend, zumal es dem Gegenstand interkultureller Kommunikation als einem Dispositiv darum gehen wird, auch weiterhin die gleichen Problemstellungen bearbeiten zu können. Interkulturelle Konflikte mögen eine exemplarische Thematik sein, die in einem kulturessentialistischen Paradigma generiert worden ist und später in konstruktivistische Studien transferiert wurde: Der Problemgegenstand dient auch weiterhin als Ausgangspunkt und Aufhänger für wissenschaftliche Fragestellungen, wenngleich er sich aus dem konstruktivistischen Paradigma heraus gar nicht mehr zwingend ergibt. In einem kulturessentialistischen Kontext erschien es vollkommen plausibel, aus kulturellen Eigenschaften auch auf unterschiedliche Konfliktaustragungsformen in den unterschiedlichen Kulturen zu schließen, bzw. darüber hinaus auch auf Konfliktverläufe zu schließen, die zustande kommen, wenn Menschen aus Kulturen mit bestimmten unterschiedlichen Merkmalen aufeinandertreffen. Unter den deutschspra-

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chigen Publikationen hat beispielsweise Kappe (1996) eine Studie vorgelegt, in der kulturspezifisches Konfliktverhalten mit den Kulturdimensionen Hofstedes abgeglichen wird. Triandis (2000) geht im englischsprachigen Bereich auf ähnliche Weise vor, zieht neben Hofstedes Modell auch die von Hall (1976) identifizierten Dimensionen hinzu und formuliert über interindividuelle Konfliktverläufe hinaus auch Prognosen für den Verlauf von Großgruppenkonflikten und internationalen Kriegen. Unter konstruktivistischen Prämissen wird die Thematik interkultureller Konflikte unbeirrt weiterbearbeitet. Hierzu werden sogar Modelle und Theorien aus benachbarten Disziplinen herangezogen: So liefert die Sozialpsychologie mit ihrer Intergruppenforschung ein Modell, mit dessen Hilfe die soziale Konstruktion von Grenzziehungen zwischen Gruppen nachgezeichnet und sogar prognostiziert werden kann. Dieser Ansatz wird sehr bald für die Beschreibung interkultureller Konflikte adaptiert, wenngleich aus Sicht dieses Ansatzes Kultur und Kulturalität im Grunde keine wesentliche Rolle mehr spielen sollten: Aus Sicht der konstruktivistisch orientierten Sozialpsychologie können Individuen und Gruppen jederzeit beliebige Unterscheidungskriterien erschaffen und erfinden. Im deutschsprachigen Raum vertritt beispielsweise Alexander Thomas (2004b) diesen Ansatz, um die Genese kultureller Stereotype zu erklären. Für den angelsächsischen Raum liegen zahlreiche Transferarbeiten zur Intergruppenforschung in die interkulturelle Kommunikation vor, ein Beispiel mag die Studie von Hewstone und Greenland (2000) bieten, die sich zusätzlich auch mit theoretisch konsequent hergeleiteten Möglichkeiten der Intervention auseinandersetzen. Die sozialwissenschaftliche Narrationsforschung, die methodisch zunächst völlig themenoffen vorgeht, wird in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation ebenfalls bevorzugt für die Untersuchung von Themenstellungen herangezogen, die vormals unter einem essentialistisch-primordialen Paradigma bearbeitet worden waren. So liegen aus diesem Bereich auch zahlreiche Arbeiten zur Beschreibung einer narrativen Konstruktion von Konflikten, die als interkulturell bedingt dargestellt werden, vor. Ravid und Cahana-Amitay (2005) veranschaulichen das am Beispiel kindlicher Versprachlichungen von Konfliktsituationen, Mayer (2005) zeichnet kollektive, ethnisch motivierte Grenzziehungen und deren narrative Reproduktion am Beispiel südafrikanischer Gesellschaften nach.

Überleitungen und Neubearbeitungen primordialer Ansätze Neben einer reinen Übernahme von Frage- und Problemstellungen aus dem primordialen ins konstruktivistische Paradigma haben sich im Rahmen der Einführung von letzterem doch auch innovative Perspektiven ergeben. Einige Arbeiten können hier gewissermaßen in einer Übergangsphase zwischen primordialen und konstruktivistischen Ansätzen in der interkulturellen Forschung eingeordnet werden. Einige Ansätze beginnen beispielsweise mit einer Relativierung primordial motivierter Problemstellungen, ohne diese jedoch vollständig zu verwerfen. So konstatieren beispielsweise Erickson und Shultz (1982) in ihrer empirischen Studie zwar kulturspezifische Unterschiede im Sprechverhalten von Interaktionspartnern. Diese kommunikativen Unterschiede, hier in der Organisation von Sprecherwechseln, sind den Autoren zufolge den Interaktionspartnern jedoch nicht unmittelbar zugänglich.

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Erst zusammen mit einer übergeordnet von den Interaktionspartnern getätigten Kategorisierung können diese Unterschiede für Irritationen sorgen, die von den Interaktionspartnern in der Studie diffus als unangenehme Situationen identifiziert werden. Erickson und Shultz betonen jedoch, dass diese Form identifizierbarer primordialer Einflüsse von Kultur auf Interaktionen nicht pauschal zu vorhersagbaren Auswirkungen führt, sondern dass sie lediglich eine Grundlage bietet, auf der die Interaktanten eine Situation bearbeiten. Im Ergebnis betonen die Autoren, dass die gegenseitigen kategorialen Zuordnung der Interaktanten untereinander sehr viel weitreichendere Auswirkungen auf die Interaktion hat. Im Beispiel von Erickson und Shultz wurde dabei die Hilfeleistung und die Eröffnung von Karriereperspektiven von Studienberatern gegenüber (fremdkulturellen) Studierenden untersucht. Neben kulturellen Kategorisierungen kamen Erickson und Shultz insbesondere zu dem Ergebnis, dass ein so genanntes co-membership, eine im Gespräch konstatierte Zugehörigkeit zu einer gleichen gesellschaftlichen Gruppe die Form der Hilfeleistung deutlich stärker beeinflusst hat als die Feststellung kultureller Zugehörigkeit. Auch dieses nur allmähliche und schrittweise Lösen von früheren Problem- und Fragestellungen mag auf den Dispositivcharakter interkultureller Kommunikation hinweisen: Erst wenn innerhalb des Dispositivs neue Strategien zum Erhalt des Dispositivs zuverlässig etabliert und verankert sind, kann ein vollständiger Paradigmenwechsel erfolgen, dem auch nur deshalb stattgegeben wird, weil er das Dispositiv nicht gefährdet oder beeinträchtigt.

Neue kulturtheoretische Paradigmen Im Zuge einer Hinwendung zu konstruktivistischen Perspektiven entwickeln sich dennoch auch neue Konzepte und Sichtweisen, die innerhalb des primordialen Paradigmas nicht erforderlich gewesen wären, nicht in den Blick geraten wären oder gar nicht denkbar gewesen wären. In den Blick gerieten auf diese Weise erst kulturtheoretische Ansätze, mit deren Hilfe die Prozesshaftigkeit interkulturellen Kontakts sowie ihre räumliche Verknüpfung (Lash/Urry 1994) sichtbar gemacht werden konnten. Mörtenböck und Mooshammer (2010) konstruieren den Kulturbegriff als eine Netzwerkstruktur, die geographische Räume ausfüllt und gliedert. Geographische Räume werden demnach überhaupt erst sinnhaft erfahrbar aufgrund dieser Strukturierung. Aus ihr ergeben sich Grenzen, Wege und Orte der temporären Zusammenkunft. John Urry (2007) hat mit dem Begriff des mobility turn den Blick auf das Phänomen der Mobilitäten als einem zunehmend gesellschaftsprägenden Faktor und Merkmal gerichtet, zusätzliche exemplarische Studien unter diesem Paradigma liegen darüber hinaus in dem Sammelband von Canzler, Kaufmann und Kesselring (2008) vor. Ränder und Grenzziehungen dieser Räumlichkeiten werden durch das kulturanthropologische Konzept der Diaspora in den Blick genommen und im Zuge einer in dieser Theoriedebatte permanent befeuerten Fluidisierung wieder relativiert und aufgelöst. So schreibt beispielsweise Rahier (2010) bereits wieder über die interne Diversität von Diasporagemeinschaften, Clarke (2010) weist darauf hin, dass Blicke auf Diasporagemeinschaften immer nur Momentaufnahmen sein können, da sich

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auch diese Gemeinschaften aufgrund einer permanent vorhandenen Mobilität ständig transformieren. Eine gewisse Strukturierung innerhalb dieser mobilisierten Welt bieten Pries (1996) und Faist (2000) mit dem Konzept der transnationalen sozialen Räume an. Die Autoren stellen hier heraus, dass sich Individuen als Angehörige kultureller Gemeinschaften nicht völlig frei und ziellos in einem globalen Raum bewegen, sondern dass sich ohne Rücksicht auf nationale Grenzen subjektiv imaginierte und von einzelnen kulturellen Gemeinschaften gebildet haben, die teilweise über erhebliche Distanzen hinweg zusammengehören und die einen übergreifenden, aber zugleich abgegrenzten Raum bilden, innerhalb dessen sich die Angehörigen der Gruppe bewegen. Mark Terkessidis (2010) führt die Begriffe von Interkultur und Parapolis ein, die insbesondere auf die erhöhte Mobilität zwischen urbanen und metropolitanen Räumen verweisen. Demnach fungieren große Städte weltweit zunehmend als zugleich permanente und jeweils nur temporär bewohnte Aufenthaltsorte für eine sich international bewegende Gruppe von Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten. Diese interurbane Mobilität ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem immer mehr proletarisierten Jetset. Die Motive für ein Leben zwischen mehreren internationalen Städten können unterschiedlichster Form sein und haben meist auch einen funktionalen Charakter. Auch hier rückt ein Verständnis von interkultureller Kommunikation als einem Dispositiv diese vergleichsweise jungen Ansätze in ein interessantes Licht: Viele der genannten Ansätze propagieren eine Auflösung und Verflüssigung ehemals starrer Grenzen sowie eine neue, selbstbestimmte Bewegungsfreiheit. Gleichzeitig fällt jedoch auch auf, dass keiner der Ansätze dadurch eine vollkommene Freiheit suggeriert. Stattdessen erscheinen die Autoren darum bemüht, trotz angenommener Mobilisierungen und Temporalisierungen aufzuzeigen, wie die Definition und Festsetzung kultureller Zugehörigkeiten von diesen früheren Definitionsmerkmalen losgelöst und weiterhin betrieben werden können. Es geht demnach keineswegs um eine Ablösung oder eine Auflösung von Kultur und dem damit einhergehenden Dispositiv, sondern vielmehr um dessen argumentative Verstetigung.

Nicht-sprachwissenschaftliche Ansätze Auch in diesem Abschnitt sollen zunächst zentrale Ansätze aus der allgemeinen Forschung zur interkulturellen Kommunikation vorgestellt und diskutiert werden, bevor anschließend ein genaueres Augenmerk auf präzise Operationalisierungen und modellartige Ausdifferenzierungen im Bereich der sprachwissenschaftlichen Forschung gelegt wird. Neben den genannten Intergruppentheorien aus der Sozialpsychologie hat letztere auch Prozessmodelle geliefert, mit deren Hilfe kulturelle Anpassungsprozesse nachgezeichnet werden konnten. In diesen Ansätzen geht es nicht um die Beschreibung oder die Vermessung angenommener oder vermeintlicher kultureller Differenz, sondern ausschließlich um die gefühlte zu erbringende Anpassungsleistung in als fremdkulturell empfundenen Kontexten und um entsprechende Verhaltensweisen von Individuen gegenüber Anpassungsforderungen.

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Matsumoto et al. (2007: 77ff) unterscheiden zwischen Anpassung (adaptation) und Angleichung (adjustment). Ansätze, die ein adjustment untersuchen, erforschen subjektive Einschätzungen und Wahrnehmungen von Individuen gegenüber ihrer Umwelt. Ansätze, die eine adaptation analysieren, erforschen das tatsächliche Verhalten von Individuen gegenüber ihrer neuen Umwelt bei einer Entsendung – wobei auch hier in der Regel wahrscheinlich auf Selbstaussagen zurückgegriffen werden muss. Dabei spielen für die betroffenen Individuen adjustment und adaptation zusammen.39 Veränderungen des eigenen Verhaltens gegenüber Angehörigen der Fremdkultur im Sinne einer adaptation werden in der Regel mit dem Ziel getroffen, negative Wahrnehmungen der Fremdkultur im Sinne eines adjustment zu reduzieren.40 Empirisch nachweisen – so wird in diesen Ansätzen häufig gefolgert – lässt sich die Wahrnehmung von Differenz in Andersbehandlungen von Personen, die als fremdkulturell eingestuft werden. Als Grundlage dieser Andersbehandlungen, wurde beispielsweise bereits früh das Konzept der Stereotype identifiziert (Lippmann 1922), das später für die interkulturelle Forschung in vielerlei Hinsicht fruchtbar gemacht worden ist (exemplarisch Thomas 2004b). Für die Anthropologie postulierte später Fredrick Barth (1969a) die grundsätzliche Konstruiertheit kultureller Differenzen, und Clifford Geertz (1973a) setzte Kultur später mit Texten gleich, die in einem Leseprozess entziffert werden könnten. In die interkulturelle Forschung führte Harry Triandis den Begriff der subjektiven Kultur (“subjective culture«, Triandis 1972: 4) ein und verwies damit auf den perspektivischen – und damit konstruierten – Charakter kultureller Zugehörigkeiten untereinander. Ursprünglich für den Bereich der Austauschforschung haben Mitchell Hammer (1999: 423) und Milton Bennett (1986) auf sozialpsychologischen Annahmen ein prozessuales Modell (»Developmental Model of Intercultural Sensitivity (DMIS)«, Hammer 1999: 423) entwickelt, das beschreibt, wie Individuen ihren Umgang mit und ihre Wahrnehmung der Einflüsse von Kultur verändern (“cultural worldviews«, Hammer 1999). Aber auch der Ansatz des DMIS kann einer ethnozentrischen Perspektive überführt werden. Greenholtz (2005) zeigt, dass sich das DMIS auf andere Kulturen nicht anwenden lässt. Die Sozialpsychologie hat sich einer Erforschung interkultureller Kommunikation neben den individuen- und kompetenzbasierten Ansätzen auch auf der Ebene einer Beobachtung einer längerfristigen wechselseitigen Beziehung von Gruppen zueinander angenähert. Ansätze in diesem Bereich gehen meist von einer konstruierten Gruppendifferenz aus, die allerdings meist als historisch gewachsen begründet wird – und damit auch wiederum mehr oder weniger feststeht (Brabant/Watson/Gallois

39 »Intercultural experience is comprised of continuous adaptation and adjustment to the differences with which we engage every day« (Matsumoto/Yoo/LeRoux 2007: 78). 40 »One of the goals, therefore, of intercultural adaptation is to adopt an adaptation pattern that minimizes these stresses and negative adjustment outcomes, and maximize positive ones. Negative adjustment outcomes often serve as important motivators for continued and refined adaptations to the new environment, a concept that is rooted in the notion that emotions are motivational [...] and that affect fuels the development of cognitive schemas [...]« (Matsumoto/Yoo/LeRoux 2007: 79).

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2007: 55). Diese gewachsenen Differenzen führen meist zu Konkurrenz- und Konfliktverhältnissen, in denen Individuen und Gruppen gar nicht bereit sind, an einer Verständigung zu arbeiten. Angesichts dieses konsequenten Konstruktionscharakters kultureller Phänomene steht gelegentlich der Kulturbegriff selbst als sinnvolle und erklärungskräftige Kategorie in Frage, so dass für die Sozialpsychologie beispielsweise Henri Tajfel eher eine Erforschung von Kollektivitäten, bzw. kollektiven Identitäten anstelle von Kulturen empfiehlt (Tajfel 1981). Im Gegensatz zu sprachwissenschaftlichen Ansätzen muss hier eingestanden werden, dass die Einstellung der beteiligten Personen im interkulturellen Kontakt im Vordergrund gestanden hat – und damit der Blick auf das tatsächliche Handeln von Individuen.41 Wie sich kulturelle Aspekte konkret im Handeln manifestieren, scheint die Sozialpsychologie jedoch nicht aufdecken zu können, hierzu fehlt ihr das Instrumentarium.42 Dennoch können zumindest Selbstaussagen von Probanden über das eigene Handeln erhoben werden. Hierzu liegen Interpretationen und Kategorisierungen möglicher Umgangsformen mit Kultur vor: Berry (Berry/Kim/Boski 1988) hat dazu ein zweidimensionales Modell mit vier Kategorien vorgelegt, die eine soziokulturelle Anpassungsleistung (adaptation) beschreiben können: »integrators, marginalizers, separators, and assimilators« (Matsumoto/Yoo/LeRoux 2007: 77). Auch die Anleitung zu einem kompetenten Umgang mit kulturellen Aspekten in der Interaktion erscheint zwar plausibel, aber wenig elaboriert: Da kulturelle Einflüsse den Interaktanten in der Regel unbewusst blieben, helfen bereits ein Bewusstsein für das potentielle Auftreten kultureller Interferenzen sowie eine entsprechende Vorsicht und Achtsamkeit (»mindfulness«, Gudykunst 1993: 40).

Kultur und Sprache: Kulturen als Wissen Wie bereits bei der Analyse primordialer Kulturverständnisse in sprachwissenschaftlichen Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation werden auch im vorliegenden Abschnitt zu konstruktivistischen Kulturverständnissen in der sprachwissenschaftlichen Forschung Arbeiten voneinander unterschieden, die Kulturen metaphorisch mit spezifischem Wissen vs. spezifischen Werten gleichsetzen. Geht es darum, auch in diesem Abschnitt Vorgehensweisen zu identifizieren, die möglichst weitreichende und aussagekräftige Hinweise auf Formen des Zusammenhangs zwischen Kultur und Sozialem ermöglichen, so kristallisiert sich hier eine relevante Schwelle in der Reichweite der Arbeiten heraus. Häufig begnügen sich Ansätze, die auf der Grundlage von Kultur als Wissen basieren, mit einer lediglichen

41 »Whereas scholars in other fields may study in great detail the specific features of language and nonverbal communication, with little regard for the subtleties of their impact, social psychologists have tended to do the opposite« (Brabant/Watson/Gallois 2007: 57). 42 »Questionnaires are excellent devices for studying overt attitudes, norms and social rules, but they may be poor predictors of communication in context« (Brabant/Watson/Gallois 2007: 58).

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Feststellung von Grenzziehungen, die als kulturell motiviert begründet werden. Über diese einmal gezogenen Grenzen wissen die beteiligten Personen Bescheid, und darin liegt das kulturspezifische Wissen. So fordern beispielsweise Dreher und Stegmaier: »Der Anspruch für empirische Forschungen, die sich mit ›Kultur‹ auseinandersetzen, besteht deshalb sinnvollerweise darin, konkret zu rekonstruieren, mit welchen Kulturzuordnungen die Individuen sich in bestimmten sozialen Milieus identifizieren und wie die entsprechenden Fremdzuschreibungen aussehen. ›Beide, die ›klassischen‹ Entwicklungslinien und die quer zu ihnen verlaufenden, sie durchsetzenden neuen Strukturen müssen zum Beobachtungs- und Analysegegenstand werden. Nur auf diese Weise wird es gelingen, die neu entstandenen konkreten Kulturen, ihre Grenzen, Abgrenzungsmechanismen und schließlich die ihnen zugrunde liegenden gesellschaftlichen Bedingungen zu erfassen.‹« [...] (Dreher/Stegmaier 2007a: 12).

Die ethnographische Studie von Pütz (2004: 26) zu türkischen Unternehmern in Berlin mag ein Beispiel für eine solche Vorgehensweise sein: Pütz setzt sich zum Ziel, Umsetzungsformen des theoretischen Konzepts der Transkulturalität nach Welsch (1992; 1999) zu identifizieren. Einen Kernpunkt dieses Modells bildet die Beobachtung – im normativen Unterton der Argumentation kann diese Beobachtung auch als kulturpolitische Forderung verstanden werden – dass Individuen grundsätzlich mehrfache und einander überlappende kulturelle Identitäten annehmen können und dass sie nicht auf eine ausschließliche und ausschließende kulturelle Identität festgelegt sind. Für einen empirischen Nachweis transkulturellen Handelns leitet Pütz daraus ab, dass danach gesucht werden muss, wie Individuen Grenzen zwischen kulturellen Identitäten umgehen, wie sie sie identifizieren und ggf. auch überschreiten – letzteres wäre entsprechend ein Nachweis für eine transkulturell inspirierte kulturelle Identität. Weiterführend wird in der Studie jedoch lediglich zwischen den Möglichkeiten einer Wahrung gegenüber einer Überschreitung dieser Grenzen durch Individuen unterschieden. Qualitative Unterschiede in Umgangsformen mit angenommenen kulturell motivierten Grenzen werden nicht identifiziert. In den folgenden Abschnitten soll versucht werden, innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation Forschungsansätze herauszuarbeiten, die möglichst qualitativ präzise Angaben über kulturell motivierte Andersbehandlungen machen. Vorhandenes kulturelles Wissen wird arbiträr aktiviert Innerhalb der bislang eingegrenzten Kategorie von Kulturerfassungsansätzen als konstruktivistische Ansätze in den Sprachwissenschaften, die Kulturen als Wissen deklarieren, kann an dieser Stelle eine weitere, in der Literatur klar erkennbare Unterscheidung gemacht werden: Eine Forschungstradition geht hier davon aus, dass kulturspezifisches Wissen grundsätzlich bereits besteht und Individuen es qua Sozialisation erworben haben. Konstruktivistisch an diesem bis dahin primordial konzipierten Ansatz ist jedoch die Annahme, dass Individuen in konkreten Kontaktsituationen selbst entscheiden und aushandeln können, ob und welche Anteile dieses Wissens sie in der Situation aktivieren und für diese Situation relevant machen. In diese Kategorie fallen beispielsweise zahlreiche Arbeiten, die auf theoretischen Grundlagen der Wissenssoziologie aufbauen. Demgegenüber sind Arbeiten zu unterscheiden, die davon ausgehen, dass auch kulturspezifisches Wissen erst in einer gegebenen Situation überhaupt geschaffen wird.

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Beispielhaft für gesprächsanalytische Studien unter Verwendung dieses Ansatzes mag der Bericht von Auer und Kern (2001) über den Verlauf von Bewerbungsgesprächen um Arbeitsstellen zwischen ost- und westdeutschen Sprechern in den Jahren nach der politischen Wende 1989 sein. Die Autoren identifizieren vorhandenes kulturspezifisches Wissen hier auf drei Arten: Interaktionspartner können sich über die Existenz unterschiedlichen kulturspezifischen Wissens bewusst sein, bzw. deren Existenz unterstellen, und dann auf dieser Grundlage im Gespräch aktiv Kategorisierungen und Zuschreibungen treffen. In einer zweiten Deutungsvariante decken die Autoren auf, dass unterschiedliche kulturspezifische Wissenskorpora in der Situation vorliegen, die jedoch von den Interaktanten nicht bemerkt werden (dies wäre eine vollständig primordial zu begründende Annahme). In einer dritten Interpretationsvariante weisen die Autoren auf Situationen hin, die sie als interkulturellen Diskurs ohne interkulturelle Kommunikation (Auer/Kern 2001: 108) bezeichnen: Hier interpretieren die Autoren eine vorgefundene Gesprächssituation so, dass sie unterstellen, die Probanden wüssten, bzw. konstruierten die Existenz unterschiedlichen kulturellen Wissens. In diesem Fall machen die Probanden diese Annahme jedoch nicht im Gespräch explizit, sondern vollziehen in ihren Äußerungen unmittelbar bereits Übersetzungsleistungen, die so gestaltet sind, dass sich für die angenommene Differenz ein angemessener Transfer ergibt. Die Kategorie der Deutungsmuster in der Wissenssoziologie Wissenssoziologisch fundierte Analysen in diesem Bereich operieren vielfach mit der Kategorie der Deutungsmuster, mit deren Hilfe der Brückenschlag zwischen Kultur und sozialem Handeln reifiziert wird. Der Begriff der Deutungsmuster wurde von Schütz (1974 [1932]) eingeführt, die Deutungsmusteranalyse wurde 1973 von Oevermann (2001) entwickelt. Exemplarisch verwendet beispielsweise auch Pütz (2004: 10-11) in seiner hier bereits referierten Studie das Konzept der Deutungsmuster. Kulturen werden vor diesem Hintergrund als Wissensbestände erfasst, die mittels symbolischer Ordnungen kommuniziert werden und die der sinnhaften Erschließung von Welt dienen. Dennoch sind Kulturen aus dieser Sicht keine geschlossenen Systeme eines geschlossenen Kollektivs. Vielmehr wird angenommen, dass es neben individuellen Deutungsmustern auch kollektive Deutungsmuster gibt, die ein Wissen über Kulturen enthalten. Für Pütz (2004: 27) zählen zu diesen Wissensbeständen beispielsweise essentialistische Kulturverständnisse, die im Alltag kursieren. Eine erste Definition von Kultur im Sinne von Deutungsmustern leiten Dreher und Stegmaier her: »Wenn wir von ›Kultur‹ sprechen, so verstehen wir darunter den unser Wahrnehmen, Deuten und Handeln umgebenden, gemeinsam geteilten Sinnhorizont, der nicht nur in unseren Lebensäußerungen allgegenwärtig ist. Er ist darüber hinaus der von uns allen ›berücksichtigte, aufrechterhaltene und immer wieder hergestellte Ordnungszusammenhang, der das Geordnete und Sinnhafte vom bloß Zufälligen und Sinnlosen abgrenzt‹ (Soeffner 2000: 168). Nach Max Weber ist ›Kultur‹ [...] ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens‹ (Weber 1988 [1904]: 180). Aus diesem Blickwinkel sind wir alle bei unseren Wahrnehmungen, Orientierungen, Handlungen in ›selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt‹ (Geertz 1999 [1973]: 9), die als ›Kultur‹ gefasst werden können« (Dreher/Stegmaier 2007a: 11).

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Ein Modell von Kulturen als Deutungsmustern entwickelt Claus Altmayer (2002: 8) als Weiterentwicklung auf der Grundlage des Kulturbegriffs von Clifford Geertz (1995 [1983]: 9). Altmayer will auf diese Weise insbesondere den Prozess eines fremdkulturellen Textverstehens im Fremdsprachenunterricht beschreiben. Dabei stellt Altmayer heraus, dass Fremdsprachenlernern ein Wissen um kulturelle Deutungsmuster einer Zielkultur vermittelt werden sollte. Diese kulturellen Deutungsmuster sollten allgemeiner und kollektiver Natur sein, so dass Individuen beim Interpretieren und Verstehen von Texten von diesen allgemeinen Deutungsmustern auf individuelle und situativ angemessene Deutungen zurückgreifen könnten. Aus traditioneller, wissenssoziologischer Sicht mögen Vorschläge wie der von Altmayer, nach dem als gemeinsam angenommene Grundlagen vermittelt werden, durchaus problematisch erscheinen. Alfred Schütz (Schutz 1967: 3ff), den Wissenssoziologen gegenwärtig meist als einen der zentralen Begründer ihrer Disziplin zitieren, beruft sich seinerseits zur Beschreibung von Wahrnehmungsprozessen auf den methodologischen Individualismus Max Webers, nach dem die Perspektive des Subjekts als einzige Grundlage für Wahrnehmungen und Beobachtungen angenommen werden muss (Dreher/Stegmaier 2007a: 7). Alfred Schütz geht von einem subjektiven Bewusstsein aus, mit dessen Hilfe Differenzierungen und Relationierungen konstituiert werden. Auf diese Weise kann kulturelle Differenz konstruiert werden (Dreher/Stegmaier 2007a: 8). Angesichts dieser radikal subjektiven Herangehensweise, die auch auf die Forschung als einzige Zugangsmöglichkeit übertragen werden muss, hat sich in der Wissenssoziologie in den vergangenen 20 Jahren das Problem der grundsätzlichen Unmöglichkeit eines methodisch validen Kulturvergleichs entsponnen (Matthes 1992). Kultur im Sinne der Wissenssoziologie Wissenssoziologische Ansätze sehen ursprünglich keine Integration kultureller Aspekte in ihren Modellen vor. Auf ihrer Grundlage kann auch begründet werden, dass eine zusätzliche Integration von Kultur in diese Konzepte nicht erforderlich ist und im Grunde eine Doppelung gegenüber dem Konzept der Lebenswelt darstellen würde, das für zahlreiche wissenssoziologische Ansätze zentral ist. Bereits Alfred Schütz (1974 [1932]) liefert angesichts dieses Dilemmas erste Überlegungen zur Integration von Kultur in die Wissenssoziologie. Ihmzufolge kann Kultur als Bestandteil der Lebenswelt eines jeden Individuums verstanden werden. Eine Abgrenzung der Begriffe von Kultur und Lebenswelt gegeneinander erscheint zunächst im Konzept der Lebenswelt zwar nicht inhärent vorgesehen.43 Innerhalb des Schützschen Begriffsverständnisses führe jedoch insbesondere der kulturelle Aspekt der Lebenswelt dazu, dass Individuen Inhalte ihrer Lebenswelt als unreflektierte Selbstverständlichkeiten annehmen.44

43 Für eine entsprechende Problematisierung vgl. auch Auernheimer (2002). 44 »As early as the 1930s Alfred Schütz had begun to analyse the world of everyday life. In his view the life-world in which we live and act is always a social and a cultural one. It is culture which gives it its taken-for-granted character« (Knoblauch 2001: 24). »Dabei ist von Bedeutung, dass faktisch und empirisch der subjektive Wissensvorrat der meisten Individuen zum größten Teil aus sozial abgeleitetem Wissen besteht, das heißt er-

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Der Berliner Wissenssoziologe Hubert Knoblauch (2001) bemüht sich nach der Jahrtausendwende um eine differenziertere Operationalisierung von Kultur mit Hilfe wissenssoziologischer Modellstrukturen. Er verweist darauf, dass bereits Schütz (1964) innerhalb der Lebenswelt zwischen mehreren voneinander abgrenzbaren und strukturell bedingten Transzendenzen unterschieden habe. Demnach müsse zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kommunikation sowie zwischen unterschiedlichen Strategien der Objektivierung von Wissen unterschieden werden. Auf diese Weise ließe sich eine unmittelbare und enge Sphäre um ein Individuum als unmittelbarer Kontext identifizieren. Eine zweite Sphäre bilde einen zwar mittelbaren, aber noch erreichbaren Kontext. Eine dritte Sphäre dagegen trete lediglich symbolisch vermittelt in Erscheinung und sei dem Individuum nicht mehr selbst zugänglich (Knoblauch 2001: 50). Dabei muss eingeräumt werden, dass Schütz die Distanz gegenüber der dritten Sphäre als eine diachron-historische verstanden hat, er spricht von einer »sphere of predecessors« (Schutz 1967: 163-214), also von einem Lebensraum unserer Vorgänger, so dass diese Sphäre für uns selbst per se nicht mehr erreichbar ist. An anderer Stelle präzisiert Schütz, dass zu der dritten Sphäre seines Lebensweltmodells auch die Sphäre menschlicher Träume als einer nicht erreichbaren imaginierten Welt zählt. Schütz und Luckmann (1979) unterscheiden in diesen drei unterschiedlichen Sphären verschiedene Kommunikationsformen und -bedingungen.45 Da die Kontexte erst aufgrund der in ihnen vollzogenen Kommunikation entstehen, könne Kultur mit Kommunikation in diesen Kontexten gleichgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund, so argumentiert Knoblauch für die Wissenssoziologie, brauche gar nicht mehr darüber nachgedacht zu werden, auf welche Weise Kultur auf Kommunikation Einfluss nimmt, da Kultur der Kommunikation inhärent sei.46 Letztendlich erfordert eine Kommunikation in den genannten Kontexten jedoch wiederum Kenntnisse über die Kommunikationsbedingungen von Seiten der teilnehmenden Akteure. Der wissenssoziologische Ansatz fiele damit zurück in einen Ansatz zur Beschreibung von interkultureller Kommunikation, der auf einem primordialen Verständnis von Kultur beruht. Kultürlich gegeben wären in diesem

worben ist und in der Erfahrung anderer gründet (Knoblauch 1995: 77). Das sozial abgeleitete Wissen ist somit – als Kultur – Teil der Lebenswelt des Subjekts: ›Auch die Kultur – und sie vor allem – ist ein Bestandteil der uns selbstverständlich erscheinenden Lebenswelt (Schütz, zit. n. Knoblauch 1995: 77)« (Dreher/Stegmaier 2007a: 12). 45 »On this basis we distinguished different contexts of what Schütz and Luckmann (1979: 25) call ›common communicative environments‹: immediate, mediated and societal contexts, each characterised by a specific form of communicative action (face-to-face communication, mediated communication and symbolic communication)« (Knoblauch 2001: 25). 46 »It is commonly assumed that culture is something which is bounded and self-contained; this assumption is even presupposed in the notion of intercultural communication, which is regarded as communication between bounded cultures. If however, we conceive of culture as contexts, we can try to identify different aspects of intercultural communication and focus on different aspects of context which do not (as is currently termed) ›enter into‹ but constitute interaction« (Knoblauch 2001: 26).

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Fall Kommunikationskonventionen, über deren Existenz sich Interaktanten nur noch gegenseitig mehr oder weniger vergewissern können. Kulturelle Andersbehandlungen im Sinne der Wissenssoziologie Entgegen der im Hinblick auf die bislang referierten Ansätze bemängelten geringen Ausdifferenzierung möglicher Andersbehandlungen in kulturübergreifenden Kontexten entwickelt Knoblauch im Rahmen der Wissenssoziologie jedoch einen Ansatz, durch den präzisere Beschreibungen von Andersbehandlungen möglich werden. So sieht Knoblauch im Phänomen der Kultur aus wissenssoziologischer Perspektive ein Instrument, das trotz der relativen Geschlossenheit des Lebensweltbegriffs noch vergleichsweise gut geeignet ist, um diese Lebenswelten zu transzendieren (Knoblauch 2007: 29ff). Diese Möglichkeit zur Transzendierung war aus wissenssoziologischer Sicht nur religiösem Leben und religiösen Zugehörigkeiten vorbehalten. Für eine Beschreibung von Umgangsformen mit kultureller Differenz greift Knoblauch auf eine Unterscheidung zwischen Alterität und Alienität zurück. Alterität lässt sich auf der Grundlage der Phänomenologie operationalisieren. Individuen gehen dabei auch in interkulturellen Kontexten von ihrem Gegenüber als einem alter ego aus, das zumindest eine Ähnlichkeit zu ihnen selbst aufweisen wird. Leichte Abweichungen sind dabei möglich und werden toleriert. Alienität lässt sich dagegen mit dem Prinzip der doppelten Kontingenz beschreiben, das aus dem Sozialkonstruktivismus stammt. Dabei gehen beide Interaktanten vom Gegenüber als einem Fremden aus. Die Auseinandersetzung mit dieser Operationalisierung kultureller Differenzen führt Knoblauch zufolge zu einer Beschreibung und Differenzierung möglicher Umgangsformen eines Selbst mit Fremdem. Dabei steht laut Knoblauch das Konzept der Alterität universalistischen Ansätzen, das der Alienität relativistischen Ansätzen nahe. Alterität gehe mit Webers Gemeinschaft einher, Alienität mit Gesellschaft. Qualitative Ausformungen möglicher Andersbehandlungen auf der Grundlage kultureller Differenz werden in Knoblauchs Ansatz zwar noch nicht diskutiert, das Konzept der Alienität – im Zusammenspiel mit dem der Alterität – eröffnet aber zumindest einen gestaltbaren Raum, in dem mehr als lediglich eine Binarität differenzierenden Verhaltens denkbar war. Grenzen wissenssoziologischer Kulturforschung Moosmüller (2007b: 27) wertet das Instrumentarium der Wissenssoziologie für die Beschreibung interkultureller Kommunikation aus und deutet auf einige darin enthaltene Grenzen hin. Insbesondere sieht er ein ungeklärtes Problem in der Frage danach, wie der Zugriff eines Individuums auf das geteilte Wissen einer Gruppe konkret vonstatten geht und wie er beschrieben werden soll: »Der individuelle Akteur muss wohl, um schnell und sicher auf passende Kategorien, Regeln, Alltagstheorien und konkrete Verhaltensmodelle zugreifen zu können, den gemeinsamen Wissensvorrat jeweils kontext- und situationsspezifisch aktualisieren, d.h., mit anderen Akteuren aushandeln. Indem der gemeinsame Wissensbestand beständig aktualisiert bzw. ausgehandelt wird, werden stets auch Grenzen gegenüber anderen Wissensbeständen geschaffen [...]. Die Aushandlung gemeinsamer Wissensbestände bedeutet zugleich auch die Aneignung des Wissens durch den Einzelnen, wodurch das gemeinsame Wissen und die damit bestehende Grenzziehung gegenüber anderen Wissensbeständen in persönliches Wissen bzw. in ›persönliche

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Kultur‹ [...] transformiert wird: ›Jede Kultur wurzelt letztlich in der individuellen Weltoffenheit ihrer Träger‹« (Moosmüller 2007: 27).

Moosmüller folgert aus diesen Überlegungen, dass es nicht ausreicht, über Möglichkeiten des interkulturellen Dialogs aus wissenssoziologischer Perspektive zu diskutieren, die sich letztlich auf Fragen nach der Möglichkeit eines gegenseitigen inhaltlichen Verstehens und Sinnverstehens beschränkt. Stattdessen merkt Moosmüller mit seinem Verweis auf die Frage nach der unterschiedlich ausfallenden Weltoffenheit von Individuen darauf hin, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zur Beteiligung an einer gemeinsamen Aushandlungs- und Verständigungsarbeit gegeben sein muss, die aber keinesfalls selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Implizit schlägt Moosmüller damit bereits eine Brücke zu diskurstheoretischen Ansätzen, die aufgrund ihrer Berücksichtigung normativ-diskursiver Aspekte auch Orientierungen und Zielstellungen von Individuen bei der eigenen Positionierung in gesellschaftlichen Gruppen und bei der Ziehung sozialer Grenzen in die Analyse mit einfließen lassen kann. Die Vernachlässigung von Grenzziehungen, Identitätkonstruktionen und gruppendynamischen Konfliktprozessen im interkulturellen Kontakt seitens der Wissenssoziologie sieht auch der Ethnologe John Gumperz jüngst problematisch. Gumperz, der sich in seinem Lebenswerk für eine wissenssoziologisch informierte Forschung im Sinne einer Interaktionalen Soziolinguistik eingesetzt hat, räumt jüngst ein, dass fehlendes Wissen über fremdkulturelle Kontextualisierungen keinen hinreichenden Grund für das Ausmaß an Verständigungsschwierigkeiten liefern kann, das gelegentlich real beobachtet werden kann. Ein weitaus größeres Problem bestünde vielmehr darin, dass an die Stelle fehlenden Kontextwissens häufig negative Stereotypisierungen treten, die durch diskursiv vermittelte Ideologien reproduziert werden.47 Gum-

47 »If linguistic variability is a matter of relativity among distinct structurally equivalent systems and not of mental development, why should the fact that people use language differently as such lead to communicative or learning difficulties. A common answer to such a question is that intercultural contact is fraught with problems because of the pervasiveness of pejorative attitudes and values, that have their root in the inequalities of power and economic resources characteristic of today’s societies« (Gumperz 2001: 36). »We need to begin by reexamining the basic assumption that for the last decades have led us to essentialize languages and cultures as separate unitary, homogeneous entities, by focusing on the discursive practices that actors employ in the pursuit of communicative ends and in negotiating shared understandings in the course of their everyday lives. [...] This in turn is in part a matter of a priori extra-textual knowledge, stereotypes and attributes but it is also to a large extent constructed through talk. A second significant factor is what has recently come to be called linguistic ideology, the consciously held beliefs and values in terms of which participants in an interaction and others who share their background evaluate talk. [...] More recently, I have also begun to be concerned with the role of linguistic ideology and I would now argue that only by considering ideology in relation to subconsciously internalized background knowledge and linguistic signalling processes can we account for the

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perz veranschaulicht dies an einer eigenen angewandten Forschungsarbeit im kriminologischen Kontext in den USA. Einem Täter, der einer ethnischen Minderheit angehörte, schrieben in diesem Fall Zeugen aus der ethnischen Mehrheit Aussagen zu, die sie wahrscheinlich akustisch nur ungenau wahrgenommen haben können, und deren Wahrscheinlichkeit sich vor dem Hintergrund genauerer Nachforschungen unter der Berücksichtigung möglicher stereotyper Inferenzen als gering herausgestellt hat. Ethnische Stereotypisierungen verleiten Gumperz zufolge Individuen demnach dazu, fehlendes Kontextwissen durch negative Attribuierungen zu ersetzen und diese als Handlungsgrundlage anzunehmen (Gumperz 2001). Angesichts dieser gegenseitigen Kritiken zwischen Wissenssoziologie und Diskursforschung entbrennt gelegentlich eine mehr oder weniger polarisierend geführte Debatte, auf die auch in späteren Abschnitten im Rahmen der vorliegenden Studie noch einmal eingegangen werden wird. So werfen Wissenssoziologen der Diskursforschung ihre permanente und offenbar kaum überwindbare Verflechtung mit und Verstrickung in politischen Orientierungen des Beobachters vor, der vor dem Hintergrund dieser Orientierungen Interpretationen und Bewertungen zu seinem Forschungsgegenstand produziert und auf diese Weise eine Intervention durchführt, die sich kaum rechtfertigen lässt (Dreher/Stegmaier 2007a: 9). Um diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen, plädieren zahlreiche Wissenssoziologen für eine Praxisforschung, die einen direkteren Zugriff auf die soziale Interaktion von Individuen verspricht, weil sie die als verhängnisvoll angesehene diskursive Ebene quasi überspringt. Für ein solches Argument, das zunächst plausibel klingt, halten die Wissenssoziologen jedoch letztlich keine schlüssige Begründung bereit, aus der hervorgehen könnte, dass auf ihrer Grundlage tatsächlich eine alternative und innovative Herangehensweise möglich wird. So schreiben Dreher und Stegmaier: »Kulturdifferenz als Praxis zu betrachten macht Sinn, weil man im Zuge eines empirischen Zugangs gar nicht umhin kommt, die Praxis in Betracht zu ziehen: als etwas zu nehmen, das von Akteuren in der alltäglichen Praxis behandelt, benutzt und reproduziert wird« (Dreher/Stegmaier 2007a: 9).

Wie Interaktion, die doch grundsätzlich kommunikativ basiert sein und umgesetzt werden muss, in diesem Fall ohne ein Instrumentarium, das mit semiotischen Modellen beschreibbar wird, alternativ aussehen soll, wird auch von der Wissenssoziologie selbst nicht verraten, sondern im Form einer Lücke ohne letztlich zufriedenstellende Erklärungen offen gelassen. Neben den genannten und hier diskutierten wissenssoziologischen Ansätzen muss aus Gründen der Vollständigkeit darauf hingewiesen werden, dass die Wissenssoziologie nicht der einzige Ansatz zur Beschreibung von Kultur ist, der auf konstruktivistischen Annahmen sowie einer Konzeption von Kultur als einem Wissen, das situativ aktiviert wird, aufbaut. Alternativ erklären auch kognitionstheoretische Ansätze in den Sprachwissenschaften den Einfluss von Kultur mit Hilfe konstruierten Wissens. So führt beispielsweise Kronenfeld (2008) den Begriff der cultural models ein, der

basic issues of hegemony or symbolic domination, that are so important in intercultural communication« (Gumperz 2001: 37).

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darauf hinweist, dass Individuen qua Gruppenzugehörigkeit geteiltes kulturelles Wissen generieren und auf diese Weise Kultur konstruieren, die jedoch kein außersprachliches Gegenbild hat. Gesprächsanalytische Sichtbarmachung wissenssoziologischer Annahmen Bislang wurden in diesem Abschnitt theoretische Grundannahmen der Wissenssoziologie diskutiert, die selbst nicht zu einem sprachwissenschaftlichen Instrumentarium zählen, für das jedoch die Kapitelüberschrift eigentlich wirbt. Von zentraler Bedeutung erscheint jedoch, dass diese wissenssoziologischen Grundannahmen die Basis für zahlreiche sprachwissenschaftliche, insbesondere gesprächsanalytische Arbeiten bilden, die den Einfluss von Kultur auf diese Weise operationalisieren. So untersucht beispielsweise Martina Drescher (2004) in ihrem Aufsatz interkulturelle Aspekte in der Wissensvermittlung bei der AIDS-Prävention in Burkina Faso. Sie zeigt am Beispiel des Wortes fidélité, dass der Begriff in unterschiedlichen Kulturen mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen ist, obwohl er in beiden Kontexten in der gleichen Sprache verwendet wird. Indem ein Sprecher beginnt, die Bedeutung eines Wortes aus einem anderen (kulturellen – auch wenn das nicht explizit gesagt wird) Kontext zu erklären, so gehen Drescher – und vor ihr auch Auer und Kern (2001) – davon aus, dass dies ein Indiz für Interkulturalität in der Situation ist. Einem interaktionstheoretischen Ansatz folgend schließt Drescher, dass die Sprecher in diesem Fall Interkulturalität interaktiv in der Situation aushandeln und relevant machen. Kulturelles Wissen wird erst in situ geschaffen In der US-amerikanischen Anthropologie hat sich seit den 1950er Jahren eine argumentative Haltung entwickelt, nach der interpersonale sprachliche Verständigung immer nur auf der Grundlage von Kontexten und Kontextwissen möglich sei, das die Interaktionspartner in einer gegebenen Situation berücksichtigen und vor dessen Hintergrund sie Gesagtes interpretieren. Im Wesentlichen entwickelt wurde diese Denkrichtung von Autoren wie Dell Hymes (1964) der den Disziplinenbegriff der Ethnographie der Kommunikation (ethnography of communication) prägte. Dieses Projekt weiterführend propagierte insbesondere John Gumperz (1967; 1999) die Bezeichnung der interaktionalen Soziolinguistik. Eine weiterer nennenswerter Schritt wird von Allessandro Duranti unter der Bezeichnung der linguistic anthropology (Duranti 1997) unternommen.48 Diese drei Ausprägungen einer gemeinsamen Schule werden

48 In den seltensten Fällen erscheint die Zuordnung zu diesen einzelnen Schulen und Traditionen in der Literatur jedoch eindeutig. Vielfach werden die Begriffe synonym gebraucht, und allen genannten Autoren wird zugesprochen, zu allen begrifflichen Bereichen grundlegende Arbeiten beigetragen zu haben. Gelegentlich wird das Reigen der Disziplinenbezeichnungen auch noch um die übergreifenderen Begriffe von Soziolinguistik und Angewandter Linguistik erweitert. Vieles spricht in der Tat für synonyme oder zumindest einander überschneidende Begriffsverständnisse. Dennoch soll in der vorliegenden Arbeit auf diese präzise begriffliche Trennung entlang der Arbeiten einzelner Autoren zurückgegriffen werden, um den wissenschaftsdiskursiven Entwicklungsprozess sichtbar zu machen.

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im Folgenden näher beleuchtet. Gemeinsam ist ihnen, dass das Phänomen des Kontexts im Zentrum ihrer Überlegungen steht, nicht aber der Begriff der Kultur selbst. Diskutiert wird demgegenüber die Reichweite der Relevanz von Kontexten sowie Möglichkeiten zur Erschließung von Kontexten in Interaktionen. Hymes merkt jedoch an, dass der Kulturbegriff doch mehr oder weniger das Markenzeichen der Anthropologie sei, und dass es hier entsprechend um eine Manifestation von Kultur gehe, die bei der Auseinandersetzung mit Kontexten untersucht werde (Hymes 1979: 31). Der Ethnographie der Kommunikation und den sich aus ihr heraus entwickelnden Schulen geht es demnach gerade nicht um bereits vorab feststehende Wissensbestände, in denen sich Kulturen manifestieren und die in Kontaktsituationen abgerufen werden können. Auch in der Ethnographie der Kommunikation wird von den Interaktanten sicherlich ein gewisses bestehendes Kultur- und Kontextwissen erwartet. Wie dieses Wissen allerdings in der Situation interpretiert wird, was davon für eine Deutung von Gesagtem herangezogen wird und mit welchen Strategien eine von allen beteiligten Interaktanten geteilte Interpretation des Kontextes erreicht werden kann, das entscheidet sich aus Sicht der Ethnographie der Kommunikation erst in der Kontaktsituation selbst. Aus konstruktivistischer Sicht sind Kontaktsituationen demnach hochgradig flexibel und aushandelbar, andererseits etabliert auch die Ethnographie der Kommunikation zunächst eine sehr kulturrelativistische Perspektive: Da Techniken der Interpretation von Kontexten nicht explizit kommuniziert werden, ist es in interkulturellen Kontaktsituationen auch schwierig, diese zu erlernen, eine systematische Annäherung an eine interkulturelle Verständigung erscheint demnach kaum möglich. Auch in diesem Ansatz manifestiert und festigt sich mithin das Dispositiv interkultureller Kommunikation, das einerseits unumgänglich erscheint und eine Auseinandersetzung zwingend einfordert, andererseits aber eine vollständige und nachhaltige Lösung der Problematik nicht in Aussicht stellt. Ethnographie der Kommunikation Hymes und auch Gumperz reagierten mit ihrer anthropologischen Auseinandersetzung zu Grundlagen interpersonaler Verständigung auf eine Debatte ihrer Zeit in den 1960er Jahren, in der die Gültigkeit der Sapir-Whorf-Hypothese (Whorf 1997) aus der Sicht unterschiedlicher Disziplinen zunehmend angezweifelt wurde. Sapir und Whorf waren davon ausgegangen, dass die Struktur einer Sprache das Denken ihrer Sprecher unmittelbar determiniere. Da Sprachen jeweils über unterschiedliche Strukturen verfügten, musste angenommen werden, das eine sprachenübergreifende Verständigung im Grunde nicht möglich ist. Die Kognitionswissenschaften, die zunehmend Raum in der Psychologie, aber auch in der Anthropologie beanspruchten, gingen mehr und mehr davon aus, dass menschliches Verhalten, Kommunikation und auch Sprechen recht weitgehend von kulturellen Universalien vorgegeben sei (Gumperz/Levinson 1991: 614). Kognitionswissenschaftler verorteten dabei die Mechanismen eines Zustandekommens von Verständigung in den Erkenntnisleistungen jedes einzelnen Individuums. Hymes plädierte dagegen für die Annahme, dass Kontextwissen ein wesentliches Bindeglied zwischen Äußerungen aus gesprochener Sprache und der adäquaten Interpretation des Gesagten im Sinne einer interpersonalen Verständigung darstelle. Somit wurde der Ebene der Kultur eine Schlüsselfunktion in Verständigungsprozessen zugesprochen. Die Fähigkeit, eine situations- und kulturadäquate Inferenzleis-

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tung zu erbringen, bzw. eine entsprechend adäquate Äußerung zu produzieren, bezeichnete Hymes als kommunikative Kompetenz (communicative competence) (Duranti 1989: 213). Hymes baut bei der Erstellung seines Konzepts wesentlich auf Annahmen und Modellen von Malinowski auf. Malinowski und auch Hymes gehen zwar einerseits davon aus, dass Bedeutungen von Äußerungen im Kontext der jeweiligen Situation zustande kommen. Beide Autoren sind aber dennoch weiterhin einem strukturalistischen Paradigma verhaftet und gehen davon aus, dass diese Bedeutungszuschreibungen auf der Grundlage eines strukturalen Regelsystems funktionieren. Die Aufgabe einer kulturbeschreibenden Forschung bestünde dann darin, diese Regelstruktur zu identifizieren und zu beschreiben. In ihrer Kenntnis bestünde demnach auch die von Hymes herausgestellte kommunikative Kompetenz, die sich im interkulturellen Kontakt als Kulturkompetenz erweisen würde. Begrifflich legt Hymes in der angenommenen Struktur bereits einige Anker zur Orientierung aus. So geht er davon aus, dass jede kulturelle Gruppe über eine Sprechökonomie verfüge (Hymes 1979). Diese Sprechökonomie ist eine kulturspezifische Ansammlung von Sprechereignissen (Hymes 1979: 47), mit denen kulturspezifische sprachliche Handlungen vollzogen werden. Das Konzept der Sprechereignisse leiht Hymes von Roman Jakobson,49 der damit eine Zwischenebene zwischen Sprache und Handeln einziehen will. Sprechereignisse können dabei als ein paralleles Konstrukt zu Sprechakten (Searle 1969) verstanden werden mit dem Unterschied, dass Sprechereignisse ihre Bedeutung und Funktion grundlegend erst vor dem Hintergrund einer Deutung mittels kulturspezifischen Wissens in einer Situation erhalten können. Für eine Analyse schlägt Hymes vor, neben den Sprechereignissen selbst auch die »konstituierenden Faktoren der Sprechereignisse; und die Funktionen des Sprechens« (Hymes 1979: 47) zu untersuchen. Ein Konstruktionsprozess mit kulturellen Variablen, die mehr Dimensionen als eine reine Binarität (Hymes will sie emisch erheben!) aufweisen, findet aus Sicht der Ethnographie der Kommunikation demnach in jeder Kommunikationssituation statt, allerdings erscheinen die Inhalte des kulturspezifischen Kontextwissens, das auch tatsächlich zu einer adäquaten Verständigung führt, hier noch weitgehend durch das strukturalistische Verständnis des Konzepts vorgegeben. Eine Möglichkeit zur gegenseitigen Aushandlung, geschweige denn zur Genese neuer kommunikativer Regeln in der Situation wird den Sprechern in diesem Ansatz nicht eingeräumt: Das Dispositiv interkultureller Kommunikation erhält bei diesem Konzept auch weiter die Form der Unterstützung, die es auch bereits in Arbeiten mit primordialem Kulturverständnis erhalten hat. Demnach ist kulturelle Verständigung hochgradig spezifisch und aufgrund ihrer annähernden Geschlossenheit auch nur sehr schwer durch Beobachten und Lernen erwerbbar. Entgegen dieser Kritik an der strukturalistischen Gefangenheit bewerten Hymes‹ akademische Weggefährten seine paradigmatische Arbeit auch jüngst im Rahmen eines Sonderhefts der Zeitschrift Text and Talk (Blommaert 2009b) als fortschrittlich – sowohl angesichts der Zeichen seiner damaligen Zeit als auch angesichts seiner Bemühungen zu einer Emanzipation von Sprechern gegenüber vermeintlichen kulturel-

49 Für einen Überblick über die Entstehung des Begriffs vgl. Bauman und Sherzer (1993 [1974]) (Knoblauch 2001: 29).

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len Strukturen. In diesem Heft zeigt zwar der Beitrag von Ervin-Tripp (2009) mit seinen Überlegungen zur sprachlich-kulturellen Sozialisation von Kindern, dass es für Hymes immer noch um ein erlernbares strukturelles System ging. Blommaert (2009a) weist jedoch darauf hin, dass durch Hymes überhaupt erst Sprecher und vor allem auch Hörer in den Blick sprachlich-kultureller interessierter Forschung rücken: Problematisch wird nun erstmals das Sprachverstehen des Forschers als einem Hörer in einer als interkulturell zu bezeichnenden Forschungssituation. Auf diese Weise erhält Hymes‹ Ansatz auch ein politisches Anliegen, in dem es darum geht, erforschten Individuen und Gruppen erstmals überhaupt auch eine ernstzunehmende Stimme einzuräumen und deren Äußerungen anzuhören, ohne diese zugleich vor eigenkulturell geprägten Schablonen interpretieren zu wollen. Darauf weist Blommaert (2009a) hin, und Scollon und Wong Scollon veranschaulichen diese Einsicht am Beispiel eigener empirischer Studien mit Methoden der Ethnographie der Kommunikation unter der einheimischen Bevölkerung Alaskas (Scollon/Wong Scollon 2009). Mit Blick auf das Dispositiv interkultureller Kommunikation erscheint hier relevant, dass retrospektiv die Rolle des Subjekts in den Vordergrund gestellt und dessen Verantwortung für das Gelingen interkulturellen Kontakts sogar retrospektiv angehoben wird. Interaktionale Soziolinguistik In gleicher Denktradition hat John Gumperz die von ihm als solche bezeichnete interaktionale Soziolinguistik begründet. Mit dem sprachwissenschaftlich operationalisierbaren Konzept der Kontextualisierungshinweise hat Gumperz dabei einen theoretischen Gegenstand begründet, mit dem sich die von Hymes bereits festgestellte wesentliche Rolle von Kontextwissen in sprachlichen Äußerungen präziser nachzeichnen lässt (Gumperz 1982a). Kontextualisierungshinweise sind Signale innerhalb von sprachlichen Äußerungen, an denen Sprecher und Hörer festmachen, auf welche Weise das explizit Gesagte verstanden und interpretiert werden soll.50 Kontextualisierungshinweise können sich in der Praxis auf jedweder beliebigen linguistisch beschreibbaren Ebene der Kommunikation manifestieren. Neben Redewendungen, Satzbau, Abtönungspartikeln und Techniken der Deixis können auch Prosodie, nonverbale und paraverbale Kommunikation eine Rolle spielen.51 Was hier sprachwissenschaftlich präziser beschreibbar wird als bei Hymes, konfrontiert Sprecher in der Praxis jedoch mit einem theoretischen Rahmen, aus dessen Sicht eine Interpretation von Äußerungen ein ganz erhebliches Kontextwissen erfordert, dessen sich Sprecher in der Regel nicht bewusst sind, und das aufgrund seiner Komplexität von lerner-

50 »We use the term ›contextualization‹ cue to refer to any linguistic sign which, when processed in co-occurrence with symbolic grammatical and lexical signs, serves as an indexical sign to construct the contextual presuppositions that underlie situated interpretation and thereby affects how constituent messages are understood« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 24). 51 »Contextualization can take many linguistic forms. Among the most important are the choice among permissible linguistic options at the level of pronunciation, morphology, syntax or lexicon – as in code or style switching, the use of intonation or tone of voice, speech rhythm or pausing, and the use of formulaic phrases or idiomatic expressions that have particular interactional import« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 23).

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sprachlichen Sprechern auch kaum in den Griff zu bekommen ist.52 Schon sehr früh wendet Gumperz das Konzept der Kontextualisierungshinweise auf eine Erforschung interkultureller Kontaktsituationen an (Gumperz 1978) und zeigt dabei, dass sogar innerhalb unterschiedlicher migrantischer Gruppen in Großbritannien, deren Sprecher Englisch in zweiter Generation jedoch bereits als Muttersprache sprechen, unterschiedliche Kontextualisierungshinweise in ihren Äußerungen verwenden, so dass kommunikativ bedingte Missverständnisse in interkulturellen Kontaktsituationen unvermeidbar sind.53 Hervorzuheben ist angesichts der Überlegungen zur interaktionalen Soziolinguistik der Anspruch der ethnographisch orientierten Forscher zu einer möglichst rein emischen Herangehensweise. Gumperz und Cook-Gumperz explizieren die einzelnen Schritte bei der Analyse (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 23f). Demnach ist der erste Schritt ethnographischer Natur: Mittels Beobachtung werden signifikante und regelmäßig wiederkehrende Ereignisse identifiziert, die damit für eine Feinanalyse ausgewählt werden. Erst dann werden diese Ausschnitte transkribiert. Kontextualisierungshinweise werden letzten Endes identifiziert, indem versucht wird, Beziehungen zwischen einzelnen sprachlichen Formen und spezifischen Kontextbedingungen zu identifizieren, die regelmäßig in ihrer Verbindung wiederkehren. Hierzu müssen mehrere Situationen miteinander verglichen werden.54 Für diskursanalytische Überlegungen zur wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung einer Erforschung interkultureller Kommunikation erscheint darüber hinaus interessant, dass die Analysemethode anhand von Kontextualisierungshinweisen auch von Sprachwissenschaftlern im deutschsprachigen Raum aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Angewendet wurde die Methode beispielweise von Peter Auer (Auer/di Luzio 1992). Nachdem bereits Gumperz ein Spezifikum von Kontextualisierungshinweisen darin gesehen hatte, dass sie von unterschiedlichen kulturellen Sprechergruppen derselben Sprache auf unterschiedliche Weise verwendet werden können, führen Auer und Kern (2001) einen entsprechenden Nachweis anhand von Transkriptionen aus Gesprächen zwischen ost- und westdeutschen Sprechern des Deutschen nach der Wiedervereinigung 1989.

52 »It has become clear in the course of this work that interpretations also rely on perceptions of extralinguistic context, knowledge of the world, as well as on cultural presuppositions that are brought to the interaction« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 17). 53 »As in example 1, the participants rely on culturally acquired knowledge about institutional goals and procedures to arrive at their interpretations that are then constantly adjusted during the interaction« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 17). »Finally, and perhaps most importantly, indirect (not overtly lexicalized) signaling mechanisms are for the most part culturally specific. That is, they reflect conventions that speakers and listeners have learned over time by cooperating and living with others, and in that sense they are cultural conventions« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 24). 54 »This procedure enables us not only to gain insights into situated understandings, but also to isolate recurrent form-context relationships and show how they contribute to interpretation. Relationships can then be studied comparatively across events to yield more general hypotheses about members‹ contextualization practices« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 23).

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Dieses Beispiel zeigt aus dispositivtheoretischer Sicht par excellence die prägende Kraft der Theorie in der empirischen Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Mit Hilfe eines vorgeformten Analyseinstruments, das in anderen Forschungskontexten entwickelt worden war, wird nun systematisch die Existenz zweier voneinander zu trennender Kulturen bekräftigt. Das Beispiel deutsch-deutscher Interaktionen mag dabei besonders eindrucksvoll veranschaulichen, welche erhebliche politische Dimension und Kraft eine solche Interpretation und Kategorisierung entfalten kann. Das Dispositiv interkultureller Kommunikation wird auf diese Weise sogar in zusätzlichen weiteren Kontexten etabliert, so dass letztlich eine kulturelle Kleinstsegregierung gesellschaftlicher Welten der konsequente Normalzustand wird. Methodisch bleibt der Ansatz der Kontextualisierungshinweise auf ähnliche Weise deterministisch trotz seines situativ-interaktiven Anspruchs. Auch laut Gumperz handelt es sich bei dem Wissen um Kontextualisierungshinweise und ihre adäquate Verwendung um ein komplexes Regelwissen, das meist nur qua Primärsozialisation vollständig erlernt werden kann. Eine vollständige Lösung des Problems interkultureller Kommunikation wird demnach durch den Kontext ebenfalls systematisch nicht in Aussicht gestellt. Caspar-Hehne fasst demgegenüber jedoch auch Kritiken an der Engführung des theoretischen Konzepts der Kontextualisierungshinweise und deren von Gumperz propagierten Alleinerklärungsanspruchs für das Zustandekommen interkultureller Missverständnisse zusammen (Caspar-Hehne 2006: 49). Demzufolge beansprucht beispielsweise Jochen Rehbein im Sinne der funktionalen Pragmatik und dem von Rehbein propagierten Konzept des kulturellen Apparats (Rehbein 2006) zwischen sozial-kulturellem Kontext und sprachlicher Realisierung noch eine weitere Ebene identifizierbaren kulturellen Wissens, das jedoch implizit bleibt und sich nicht in Form von Kontextualisierungshinweisen sprachlich-kommunikativ manifestiert. Caspar-Hehne verweist darüber hinaus auf Hinnenkamp (1989), demzufolge auch zahlreiche weitere Faktoren neben der Frage nach dem Gelingen einer rein inhaltlichen Verständigung zu einer Fehlkommunikation führen können. Hinnenkamp verweist dabei insbesondere auf die Frage nach der prinzipiellen Bereitschaft der beteiligten Interaktanten zu einer gemeinsamen Arbeit an einer Verständigung Die Verknüpfung zwischen der Annahme einer Rolle von kulturspezifischem Kontext und dessen Manifestation in sprachlichen Äußerungen bleibt demnach auch für die interaktionale Soziolinguistik problematisch, wenngleich es dabei um ihren ureigensten Untersuchungsgegenstand geht. So sehen Gumperz und Cook-Gumperz auch die Herausforderung, sich selbst als Vertreter der interaktionalen Soziolinguistik gegenüber einer Konversationsanalyse im Allgemeinen abzugrenzen: »The method resembles the conversation analyst’s procedures of reconstructing the strategies members employ in formulating specific actions, but it differs from conversational analysis in that the concern is with the situated interpretation of communicative intent, not with strategies as such, and in that analysis is not confined to overtly lexicalized information. Instead of taking interpretive processes for granted, it suggests a) what the most likely interpretations are and b) what the assumptions are and the inferential processes by which they are achieved« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 23).

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Letztlich gestehen auch Gumperz und Cook-Gumperz hier ein, dass die Rolle kulturspezifischen Kontextwissens auch angesichts der Einführung einer operationalisierenden Zwischenkategorie wie der der Kontextualisierungshinweise vom Forscher immer nur vermutet werden kann. So werden die Ergebnisse der interaktionalen Soziolinguistik zu mehr oder weniger reinen Interpretationsleistungen des Forschers und können nur Vermutungen darüber zum Ausdruck erbringen, wie sich Kultur auf soziales Handeln auswirke. Linguistic Anthropology Der selten ins Deutsche übersetzte Begriff der Linguistic Anthropology kann einerseits als ein allgemeiner Überbegriff verstanden werden für die Überlegungen und Bemühungen im Schnittbereich zwischen Sprachwissenschaften und Anthropologie zum Zusammenspiel von Sprache und sozialer Praxis. In anderen Fällen wird der Begriff jedoch auch spezifisch für einen Ansatz verwendet, der zentral von dem USamerikanischen Anthropologen Alessandro Duranti vertreten wird. Duranti setzt sich insbesondere mit Hymes‹ Kategorie des Sprechereignisses (speech event) auseinander und versucht die darin stattfindenden Verständigungsprozesse genauer zu operationalisieren. Frühere Ansätze waren davon ausgegangen, dass Sprechereignisse qua gemeinsamem Einbezug von Kontextwissen vor allem deshalb erfolgreich ablaufen, weil seitens der Akteure davon ausgegangen werden kann, dass das Kontextwissen mehr oder weniger statisch existiert und früheres Wissen in aktuellen Situationen angewendet werden kann (Duranti 1985: 205). Über die Annahme einer statischen Existenz von Kontextwissen hinaus geht Duranti davon aus, dass die Relevanz, Bedeutung und Anwendbarkeit abhängig ist von der zeitlichen und räumlichen Positionierung der betreffenden Interaktionssituation. Um diese Annahme theoretisch zu untermauern, zieht Duranti das Konzept der Grenzmarkierungen (boundary markers) aus der Theorie der Rahmenanalyse von Erving Goffman hinzu (1980). Die grundsätzliche Existenz zeitlicher und räumlicher Grenzmarkierungen als strukturierendes Element für soziale Kontexte halten sowohl Goffman als auch Duranti für kulturuniversal, wobei die jeweiligen Konkretisierungen hochgradig kulturspezifisch sind (Duranti 1985: 206). Ebenfalls in Anlehnung an Goffman differenziert und relativiert Duranti die statische Annahme von Sprechereignissen, indem er die Rolle der beteiligten Personen, unterschieden in Sprecher, Adressierender, Hörer und Adressaten, zusätzlich berücksichtigt. Aus der Konversationsanalyse übernimmt Duranti die Annahme, dass auch die rein oberflächliche und sequentielle Organisation von Gesprächen in Form von Sprecherwechseln und den damit verbundenen sozialen Hierarchisierungen der Beteiligten ein Sprechereignis und den Kontext einer Interaktion mit bestimmen (Duranti 1985: 212). Duranti führt darüber hinaus eine Reihe weiterer situationsspezifischer, größtenteils aber auch linguistischer Variablen an, durch die soziale Kontexte modifiziert werden, darunter sieht er die Gumperzschen Kontextualisierungshinweise nur als eine von mehreren Kategorien. Zusammengefasst misst Duranti den situationalen sozialen Variablen demnach ein größeres Gewicht bei der Gestaltung eines zu interpretierenden Kontextes bei als den bisherigen, mehr auf linguistische Kategorien beschränkten Ansätzen. Strukturell verbleibt Duranti jedoch innerhalb des bereits von Hymes etablierten ethnographischen Ansatzes: Gegebene Kontextsituationen sind zu interpretieren. Dabei steht den

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Interaktanten auch weiterhin nur ihr bisheriges Kontextwissen zur Verfügung. Die Kontextsituation ist jedoch aufgrund situativer Faktoren noch deutlich komplexer als von den bisherigen Ansätzen angenommen. Im Hinblick auf das Dispositiv interkultureller Kommunikation kann demnach hier von einer Konsolidierung und auch einer zusätzlichen Dramatisierung der zentralen Problemstellung ausgegangen werden. Dabei sei bemerkt, dass es sich zunehmend auch um Problemstellungen einer allgemeinen interpersonalen Verständigung handelt, die durchaus auch in einem allgemeinen sozialwissenschaftlichen Kontext bearbeitet werden könnten. Ein Forschungsinteresse ergibt sich jedoch offenbar vorzugsweise angesichts der Konfrontation mit interkulturellen Kontaktsituationen. In späteren Publikationen spricht denn auch Duranti von der Zentralität soziokultureller Kontexte für das besprochene Phänomen (Duranti 1989: 211). Relativierend mag auch die spätere Hinzufügung von normativen Variablen verstanden werden: Demnach bestimmen auch grundsätzlich in Interaktionen vorhandene Machtungleichgewichte zwischen den Beteiligten wesentlich den Verlauf eines Gesprächs. Exemplarisch verweist Duranti jedoch auf Überlegungen zur Realisierung sprachlicher Höflichkeit, die letztlich wiederum von der Grundlage kulturspezifischen und existenten Wissens ausgehen (Duranti 2001: 8904). Hinwendung zu Prozessualität und Subjektzentrierung Zuletzt haben Ethnographie der Kommunikation und Linguistic Anthropology schließlich auch die allgemeinen Paradigmenwechsel der Sozialwissenschaften zumindest mitbesprochen, wenngleich die Grundannahmen des Ansatzes bestehen bleiben. So liegt beispielsweise in der Zeitschrift Journal of Linguistic Anthropology im Jahr 2011 ein Themenheft unter dem Titel Racializing Discourse (ParsonsDick/Wirtz 2011) vor. Mehrere empirische und kleinteilige Fallstudien zeichnen hier nach, wie die soziale Konstruktion von Kontexten – unter Berücksichtigung der hohen Komplexität seitens der Linguistic Anthropology – dazu beiträgt, interethnische Grenzziehungen zu produzieren, aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Dank Durantis Ausdifferenzierung möglicher Kontextvariablen wird hier zumindest die Hinwendung zu einer Berücksichtigung von Prozessualität ins Auge gefasst. So wird nun angenommen, dass Kontextwissen zwar einerseits statisch ist und in gewissem Maße bereits vor einer gegebenen Situation vorhanden sein muss, dass aber zugleich ein allmählicher Wandel und Bedeutungsverschiebungen möglich sind. Entsprechend lässt sich auch sozialer Wandel beschreiben, was hier am Beispiel von Ethnisierungsprozessen veranschaulicht wird. Eine weitere Beteiligung sowie ein Mitvollzug zeitgenössischer Paradigmenwechsel werden seitens der Linguistic Anthropology in Form einer zunehmenden Subjektzentrierung geleistet, wohingegen handelnde Subjekte in der Version von Hymes zunächst zugunsten angenommener Strukturen im Hintergrund standen. Aufbauend auf dem begrifflichen Konzept der communicative practice nach Hymes 55

55 »Analytical procedures including those developed and described in previous work at Berkeley in Interactional Sociolinguistics (Gumperz 1982a; Gumperz 1982b), have drawn on the concepts of speech event, activity type and conversational analysis of sequential organization, as well as on notions of conversational inference and contextualization to pro-

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entwickeln spätere Autoren den Begriff der communities of practice (Sarangi/van Leeuwen 2003; Corder/Meyerhoff 2007). Unter beinahe vollständiger Übernahme der theoretischen Grundlagen sowohl aus der Ethnographie der Kommunikation als auch der Linguistic Atnhropology wird nun der Zusammensetzung und der Genese von Sprechergemeinschaften eine zentrale Funktion zugewiesen. Während auch weiterhin kulturspezifisches Kontextwissen für die Interpretation von gegebenen Situationen maßgeblich ist, wird nun davon ausgegangen, dass der Genese und der Produktion eines solchen Kontextwissens die Genese und die Konstitution von Sprechergemeinschaften vorausgegangen sein muss, in deren Rahmen dieses Kontextwissen produziert wird. Entsprechend rückt der Fokus der Forschung hin zu Prozessen der Gruppenbildung für solche Sprechergemeinschaften, so dass zuletzt auch hier der Anspruch auf ein konstruktivistisches Verständnis des Forschungsgegenstands sukzessive eingelöst werden kann.

Kultur und Sprache: Kulturen als Werte Auch unter den sprachwissenschaftlichen Studien, die Kulturen als Werte konzipieren, können Unterschiede in dem Ausmaß festgestellt werden, in dem Individuen ein Handlungs- und Gestaltungsspielraum in interkulturellen Kontaktsituationen zugestanden wird. Entsprechend gliedert sich auch der vorliegende Abschnitt noch einmal in die Diskussion von Studien, die davon ausgehen, dass kulturelle Werte bereits primordial existieren und in der Situation arbiträr aktiviert werden, gegenüber Studien, die die Möglichkeit eröffnen, dass Individuen in Kontaktsituationen aktiv Werte produzieren und aktivieren. Kulturelle Werte existieren und werden situativ arbiträr aktiviert Ein Großteil der bereits in einem früheren Kapitel bearbeiteten Stereotypenforschung geht davon aus, dass Individuen Situationen beurteilen, indem sie sich auf für sie bereits existente Normen und Werte rückbeziehen, die sie mit Kultur gleichsetzen. Neben diesem eher in der Psychologie ausgearbeiteten Ansatz fällt in die genannte Kategorie jedoch auch ein Großteil diskursanalytischer Arbeiten, die davon ausgehen, dass jede Form der Kommunikation auf zugrunde liegenden Ideologien aufbaut, vor deren Hintergrund Individuen die Welt deuten und interpretieren. Auf der Grundlage diskurstheoretischer Überlegungen wurde in den Sprach- und Literaturwissenschaften die Methode der Diskursanalyse entwickelt, mit deren Hilfe der Einfluss dieser Ideologien auf das sprachliche Handeln und Bewerten von Individuen empirisch sichtbar gemacht werden soll. Viele Autoren aus dem Bereich der Diskursanalyse deklarieren diese auch zu einem politischen Projekt, da ohnehin eingestanden werden müsse, dass wissenschaftliche Forschung immer schon zielorientiert geplant und

vide a range of analytical tools for understanding communicative practice. Conversational inference is defined as the situated, context-bound process of interpretation by means of which participants in an exchange assess other participants‹ communicative intentions and on which they base their own responses (Gumperz 1982a)« (Gumperz/Cook-Gumperz 2007: 18).

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ausgerichtet sein wird und dass stattdessen eine völlig neutrale Warte, aus der gesellschaftliche Prozesse interessenfrei betrachtet werden können, ohnehin nicht existiert. Politische Zielstellungen im Bereich der Diskursanalyse betreffen vielfach das Aufdecken von sozialen Ungleichheiten und von Formen der Diskriminierung. Trotz dieser oft ähnlichen Ziele in der empirischen Ausführung verstehen sich unterschiedliche Autoren jedoch in mehreren verschiedenen theoretischen Grundlagen und Kontexten verortet: So beruft sich beispielsweise Ruth Wodak (1989) für ihre Kritischen Diskursanalysen, bei denen es um die Kritik einer Nichtexistenz herrschaftsfreier Räume geht, auf die Diskursethik nach Habermas (1983). Siegfried Jäger (Jäger/Link 1993) und Norman Fairclough (1995) dagegen berufen sich auf die Diskurstheorie nach Foucault (1984 [1969]). Teun van Dijk (1977; 1998) orientiert sich darüber hinaus an kognitionstheoretischen Ansätzen. Referiert man diese diskursanalytischen Ansätze, die größtenteils aus der Rassismusforschung stammen, als Beispiele für Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation, so muss jedoch auch hier eingestanden werden, dass lediglich ein kleiner Anteil von Problemstellungen aus diesem Bereich überhaupt bearbeitet wird: So wird der Einfluss von Kultur auf soziales Handeln in der Regel auf seine grenzziehende Funktion reduziert. Es geht lediglich um die Tatsache, dass Differenzierungen konstruiert und aufrecht erhalten werden. Wie qualitativ im Alltagsleben mit diesen Grenzziehungen umgegangen wird, was Individuen tun, um die Grenzen abzubilden, wird in der Regel nicht erhoben, so dass eine genauere Beschreibung der Handlungsrelevanz von Kultur meist nicht vollzogen wird. Eine Ausnahme gegenüber dieser Tendenz bilden die Beiträge in dem Sammelband von Knapp, Enninger und Knapp-Potthoff (1987). Mit dieser Sammlung liegen breiter gestaltete Einblicke in Problemstellungen interkultureller Forschung aus einer diskursanalytischen Herangehensweise vor. Kulturelle Werte werden situativ konstruiert Die im vorangegangenen Abschnitt referierten Studien gehen davon aus, dass Individuen sich in konkreten Kontaktsituationen arbiträr und aktiv auf kulturspezifische Normen beziehen, die sie bereits kennen. Einige Autoren gehen hier noch weiter in eine konstruktivistische Richtung: Neben dieser Annahme existierender Normen gestehen einzelne Autoren den Individuen in einer Interaktionssituation einen breiter ausgelegten Handlungsspielraum gegenüber kulturellen Einflüssen zu. Hier wird angenommen, dass Interaktanten situativ neue Normen konstruieren und untereinander als gültig etablieren. So schlägt beispielsweise Casmir vor, interkulturelle Kontaktsituationen jeweils als einen dritten Raum (third realm) (Casmir 1978: 249) zu bezeichnen, da in ihnen grundsätzlich neue Normen für die Interaktion gebildet würden, die in den bisherigen Einzelkulturen nicht enthalten waren. Später bezeichnet Casmir diese Zusammentreffen sogar als Drittkulturen (third culture) (Casmir 1993: 408). Kritisch, auch im Hinblick auf die Funktion derartiger Theorien im Rahmen des Dispositivs interkultureller Kommunikation, sollte hier jedoch im Blick behalten werden, dass Casmirs Ansatz den Interaktanten in einer gegebenen Situation zwar große Gestaltungsspielräume zugesteht. Zugleich sind Ansätze wie dieser jedoch nur vor dem Hintergrund der Annahme eines primordialen Kulturverständnisses überhaupt denkbar: Schon vor dem Zusammentreffen existieren zwei voneinander dis-

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tinkte Kulturen, aus denen die Interaktanten schöpfen, um dann wiederum ein neues essentialistisches Kulturgebilde neu zu schaffen. Aus dieser Sicht wird demnach die Wirkmächtigkeit von Kultur als einer sozialen Einflussgröße trotz einer konstruktivistischen Herangehensweise nicht unterminiert. Im deutschsprachigen Raum erweitert Klaus Dirscherl (2004) die Idee dritter Räume in der interkulturellen Kommunikation durch einen Einbezug des Konzepts der Heterotopien nach Foucault (1994b). Auf diese Weise lassen sich auch die Funktionen der Grenzen dritter Räume als Schwellen und Übergangsbereiche zwischen weiteren Räumen und zeitlichen Abschnitten beschreiben. Tom Koole und Jan ten Thije (1994) versuchen darüber hinaus, den Gedanken an primordial existierende Kulturen so weit wie möglich zu verwerfen. In einer empirischen Studie beschreiben sie mit diskurs- und konversationsanalytischen Mitteln, wie Interaktanten in konkreten Situationen neue Regeln für den gemeinsamen Umgang konstruieren und vereinbaren. Diese Regeln schließen auch Umgangsformen mit angenommenen primordialen Kulturen ein, deren unmittelbare und unkontrollierte Effektivität auf die Situation jedoch negiert wird. Koole und ten Thije bezeichnen dieses Produkt interkultureller Kontaktsituationen als diskursive Interkultur. Aus Sicht einer Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation vereint der Begriff der diskursiven Interkultur jedoch auf fast paradoxe Weise zwei eigentlich unvereinbare Konzepte: Einerseits wird angenommen, dass Regeln des Zusammenlebens grundsätzlich situativ konstruiert werden. Andererseits kommen aber auch Koole und ten Thije nicht umhin, diese Regeln als eine neue Kultur zu bezeichnen. Die Statik dieser neuen Kultur als einer diskursiven Interkultur wird zwar durch die Attributionen abgeschwächt oder negiert, dennoch wird letztendlich die Existenz einer neuen Kultur angenommen. Hier wäre es eigentlich schlüssig, den Kulturbegriff vollständig zu verwerfen, da er auch hier noch für essentialistische und statische Eigenschaften steht. Dennoch halten die Autoren an ihm fest und verstetigen somit die Annahme einer permanenten Wirkmächtigkeit von Kultur, auf deren Grundlage das Dispositiv interkultureller Kommunikation aufbaut.

Lösungsansätze zum Umgang mit Kultur aus konstruktivistischer Sicht Während die besondere Aufgabe in interkulturellen Kontaktsituationen aus der Sicht primordialer Kulturverständnisse in einer erhöhten Fremdverstehensleistung liegt, läge die Lösung interkultureller Probleme aus der Sicht konstruktivistischer Kulturbegriffe für Interaktanten eher darin, eine gemeinsame Sichtweise auf die Rolle von Kultur zu finden. In den Sprachwissenschaften stehen für diesen Prozess die bereits diskutierten Begriffe der Drittkultur (»third culture building«, Casmir 1993), eines dritten Raumes (Dirscherl 2004), bzw. einer diskursiven Interkultur (Thije 1997). Loenhoff weist darüber hinaus darauf hin, dass die Perspektivik der eigenen Wahrnehmung von Fremdheit etwas sei, was Individuen durchaus verstehen und in ihrem Handeln berücksichtigen könnten. Loenhoff plädiert daher für einen zumindest reflektierten Umgang mit diesem Interaktionsprozess. Dabei sollen sich Interaktanten

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jedoch nach Loenhoffs Ausführungen wiederum eher ihrer Verortung innerhalb einer Konstellation essentialistisch verstandener Kulturen bewusst werden,56 wenngleich sicherlich auch ein Bewusstwerden über den Konstruktionscharakter von Kultur durchaus einforderbar sein dürfte und darüber hinaus sogar konstruktivere Handlungsformen hervorbringen könnte, woran Loenhoff wiederum zweifelt.57 Auch in medienvermittelter Kommunikation werden konstruktivistisch ausgerichtete Kulturverständnisse vielfach als Erklärungsmuster für soziale Problemstellungen hinzugezogen. Verglichen mit der Verwendung primordialer Kulturverständnisse erweckt der Einsatz konstruktivistischer Ansätze jedoch den Eindruck einer deutlich geringeren begrifflichen Klarheit und Präzision. So titelt beispielsweise die Berliner Morgenpost »Berlin muss eine europäische Identität entwickeln« und zitiert damit den Hamburger Bürgermeister Ole von Beust aus einem Interview (Haider 2006). Um kulturpolitischen Forderungen eines gemeinsamen Europas gerecht werden zu können, scheint demnach auch eine Teilnahme an einer europäischen Kultur erforderlich zu sein, die sich aus Sicht dieses Beitrags in einer europäischen Identität manifestiert. In einem völlig anderen Kontext berichtet demgegenüber beispielsweise der Berliner Tagesspiegel von Integrationsprojekten aus dem Problemviertel Neukölln, in denen die zentrale Aufgabe bei der Wiederherstellung konstruktiver Interaktionsformen im Abbau von Vorurteilen gesehen wird (Kalarickal 2007).

D IE

KONSTRUKTIVISTISCHE R EFORM DES INTERKULTURELLEN D ISPOSITIVS Die vorangegangenen Überlegungen haben eine Situation nachgezeichnet, die sich oberflächlich als ein Dilemma darstellt: Die Forschung zur interkulturellen Kommunikation dient dazu, das Dispositiv interkultureller Kommunikation zu stützen. Hierzu hat sie sich über lange Zeit hinweg wissenschaftlicher Verständnisse von Kultur bedient, die argumentativ stabilisierend und festigend auf die Strategien innerhalb des Dispositivs wirken konnten. Als die Geistes- und Sozialwissenschaften sich zu einer interpretativen Wende entschließen, kommt diese argumentative Stütze für die interkulturelle Forschung vordergründig ins Rutschen. Letztlich produziert das Dispositiv interkultureller Kommunikation jedoch vorrangig nur solche konstruktivistischen Modelle, die die Existenz von Kultur nicht endgültig in Zweifel ziehen. Im Ergebnis erscheinen in der Wissenschaftslandschaft Modelle, die eine paradoxe Form

56 »Dass das Verstehen des jeweils Anderen stets nur mit den Deutungsmustern der eigenen Kultur erfolgt, ist wohl unhintergehbar. Dieser in der Theorie als ›Nostrifizierung‹ beschriebene Umstand lässt sich allerdings in eine ›reflexive Nostrifizierung‹ verwandeln, die sich der Aneignungs- und Anverwandlungspraxis auf der Grundlage eigenkultureller Deutungsmittel bewusst ist und diese als Quelle von Fehlinterpretationen im Blick hat« (Loenhoff 2003: 112). 57 »Wie anschlussfähig die Dekonstruktion des epistemologischen Mythos eines gleichsam standortentbundenen Kulturvergleichs und das aus diesem destillierten handlungsleitenden Wissen für interkulturelle Verständigung an die Partikularität konkreter Kulturbegegnungen ist, wird sich freilich erst noch erweisen müssen« (Loenhoff 2003: 113f).

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des Erhalts des Kulturbegriffs trotz eigener interner gegenläufiger Annahmen ermöglichen. Neben den bisher berichteten, interpretativen und letztlich semiotisch basierten Kulturmodellen, die eine konstruktivistische Auslegung ermöglichen, seien an dieser Stelle zusätzlich auch die Ansätze aus dem Bereich der (British) Cultural Studies erwähnt, die von einem grundsätzlichen Kampf um Hegemonien und Machtungleichgewichte in Gesellschaften ausgehen, für die die Auslegung kultureller Bedeutungen primär ein Instrument ist. So ist laut Richard Johnson (1986-87; 1999: 142) »Kultur kein autonomes, aber auch kein von außen determiniertes Feld, sondern ein Bereich gesellschaftlicher Kämpfe und Differenzen«. Auch wenn die Funktion von Kultur hier anders ausgelegt wird, sticht doch die parallele Funktion dieses Kulturverständnisses im Rahmen des Dispositivs interkultureller Kommunikation ins Auge: Auch hier handelt es sich um ein nie auflösbares Dilemma. In den folgenden Abschnitten soll über die bisher referierten Umstände hinaus eine Auswahl weiterer Problemstellungen diskutiert werden, die eine weiterreichende Etablierung konstruktivistischer Annahmen in der Kulturforschung verhindern oder erschweren. Besondere Beachtung findet dabei die Problematik der Situierung von Subjektpositionen in Verstehens- und Interaktionsprozessen, die in einem eigenen Abschnitt diskutiert wird.

Hürden gegenüber konstruktivistischem Denken Über den konstruktivistischen Aspekt hinaus scheint vor allem die Vorstellung einer radikalen Globalisierung nur mit Mühe mit dem Dispositiv interkultureller Kommunikation in Einklang zu bringen sein. Geht es doch dem Dispositiv vorrangig um die Festigung innergesellschaftlicher Machtungleichgewichte oder zumindest der Zementierung eines mehr oder weniger unmittelbaren Umfeldes, so weist doch das Konzept der Globalisierung eine ungleich höhere Komplexität auf, auf deren Grundlage kulturelle Festlegungen und Dispositionen an ihrer Eindeutigkeit verlieren. Der Kulturphilosoph Claudio Baraldi (2006) ist beispielsweise der Ansicht, dass die Art und Weise, auf die der Gegenstand interkultureller Kommunikation in Gesellschaften der westlichen Welt konzipiert wird, durch eine begrenzte Anzahl möglicher Formen vorstrukturiert wird. Diachron sieht Baraldi eine grundlegende und die Forschung strukturierende Entwicklung darin, dass frühe Ansätze zur interkulturellen Kommunikation meist durch ethnozentrische Sichtweisen geprägt gewesen seien, an denen sich darauffolgende Debatten dann abgearbeitet hätten und zugleich zu einer alternativen, aber ebenfalls prägenden und favorisierten Form, nämlich dem Dialog, gelangt seien. Alternative Verständigungsmodelle lassen sich nur schwer überhaupt gedanklich fassen, wie beispielsweise Burbules (2006) am Beispiel der Netzwerkmetapher aufzeigt: Wenngleich die Vorstellung von Netzen und Vernetztheit in den vergangenen 20 Jahren zunehmend zum erklärenden Bild für komplexe gesellschaftliche Prozesse geworden ist, lassen sich interkulturelle Verständigungsprozesse vor dem Hintergrund dieses Bildes kaum denken. Vorstellbar werden lediglich weitere Grenzziehungen, deren Beschaffenheit ebenfalls komplexer zu denken sei. Claus Altmayer (2004b) versucht diese Metapher durch eine alternative Metapher einzugrenzen, die

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leichter kognitiv erfassbar erscheint. So bezeichnet er sie in Weiterführung der Textmetapher Bachmann-Medicks (1996) als Hypertext.

Das Verhältnis zwischen Individuum, Gruppe und Kultur Bereits eingangs wurde vorgeschlagen, eine wesentliche Funktion von Kulturbegriffen in der sozialwissenschaftlichen und humanistischen Forschung darin zu sehen, ein begriffliches Bindeglied zwischen der Mikro-Ebene individuellen Subjekthandelns und einer Makro-Ebene gesellschaftlicher Kontexte einzufügen. Erklärungen des Zusammenspiels beider Ebenen dürften der Sozialforschung grundsätzlich vergleichsweise schwergefallen sein, so dass mit der Einfügung eines Begriffs, der in Zweifelsfällen auch als Black Box fungieren kann, das Problem zumindest vordergründig eingehegt werden konnte. Genau diese Brückenfunktion konnte der Kulturbegriff insbesondere unter essentialistischen Kulturverständnissen kombiniert mit einem strukturalistischen Grundverständnis sozialen Zusammenlebens gut erfüllen. Mit der Hinwendung zu interpretativen Paradigmen sowie zu konstruktivistischen Sichtweisen auf interpersonale Kommunikation wurde den betroffenen Subjekten jedoch gegenüber der früheren Annahme einer Vormachtstellung von Strukturen ein zusätzlicher Handlungsspielraum eingeräumt. Diesen Handlungsspielraum zu definieren und zu beschreiben ist seitdem eine der wesentlichen Herausforderungen einer interpretativ informierten Kulturforschung. Wird diese Debatte nachgezeichnet, so muss auch hier der Dispositivcharakter interkultureller Kommunikation im Blick behalten werden, der insbesondere im Falle vordergründiger Paradoxien und Brüche sichtbar wird und diese zugleich erklärbar macht. Fragt man nach der Positionierung von Kultur im Rahmen einer Hinwendung zu interpretativen Forschungshaltungen, so sieht der Kulturgeograph Robert Pütz (2004: 26) eine wesentliche kulturtheoretische Entwicklung der vergangenen 20 Jahre in der Verlagerung der theoretischen Verortung kultureller Grenzen von einer interpersonalen auf eine intrapersonale Ebene. Das bestätigen für die Wissenssoziologie auch Dreher und Stegmaier: »Im Anschluss an Schütz und Berger/Luckmann vertreten wir also die Position, dass jegliches Kulturverständnis sowie die Konstruktion ›kultureller Differenz‹ beim Individuum ansetzen muss. ›Kultur‹, bzw. ›Kulturen‹, ›kulturelle Zugehörigkeit‹ und ›Differenz‹ werden als soziale Kategorien im dialektischen ›Zusammenspiel‹ von Individuum und Gesellschaft/Kollektiv herausgebildet. Das Konzept der ›persönlichen Identität‹ [...] stellt ein theoretisch fruchtbares Bindeglied für das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft dar« (Dreher/Stegmaier 2007a: 12f).

Claus Altmayer zufolge gehe jedoch gerade die anwendungsorientierte Forschung zur interkulturellen Kommunikation häufig zu sorglos mit der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Individuen und Kollektiven um. So werde vielfach angenommen, dass Individuen von außen einzelnen Kategorien zugeordnet werden, dass also ein Großteil der Verortungen qua Zuschreibung entsteht. Altmayer weist demgegenüber darauf hin, dass Individuen durchaus auch selbst ihrem Leben einen Sinn

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zuweisen können, was jedoch von der Forschung häufig nicht berücksichtigt werde. Zugehörigkeiten zu Kollektiven werden Altmayer zufolge jedoch sehr emotional und von den Individuen selbst vollzogen: »Die Zugehörigkeit zu Gruppen und Kollektiven welcher Art auch immer ist nämlich in hohem, ja entscheidendem Maß eine Frage des Zugehörigkeitsgefühls der beteiligten Subjekte selbst« (Altmayer 2002: 8).

Altmayer veranschaulicht diese Überlegungen jedoch selbst anhand eines Beispiels, bei dem erst im Hinblick auf die Gestaltung von individuellen Identitäten doch wieder auf die Existenz äußerer Kategorien zurückgegriffen wird. Altmayer zufolge hänge das Ausmaß dessen, wie deutsch sich jemand als Deutscher fühle, nicht von seinem Eintrag im Personalausweis ab, sondern davon, wie viel Sinn der Betroffene in seinem Leben dem Deutschsein entnehmen kann (Altmayer 2002: 8). Würde man Altmayers Forderung nach der Gestaltungsfreiheit von Individuen jedoch konsequent umsetzen und durchdenken, dann müsste eigentlich auch davon ausgegangen werden, dass Individuen auch in der Lage sind, Kategorien selbst zu bilden und zu etablieren. Noch problematischer wird die Frage nach der Kategorienbildung, wenn zusätzlich berücksichtigt wird, dass bereits die Vorstellung von Kultur als einem gestaltbaren Kategoriensystem eine Vorgabe akademischer Modelle ist. Ein Ausweg aus diesem argumentativen, aber unreflektierten Kreisschluss lässt sich lediglich durch eine Diskursanalyse der Debatte auf einer Makro-Ebene finden: Versteht man bereits Kultur als einen übergeordneten Diskursgegenstand, dann können auch untergeordnete, bzw. spezifizierende Kategorien, wie beispielsweise das Dimensionenmodell nach Hofstede, als Konstruktionen verstanden werden. Hier gerinnen wissenschaftlich behauptete Kategorisierungen zu Wirklichkeiten, die später – ähnlich der Annahme von Kultur selbst – immer seltener hinterfragt werden. Stellt man vor diesem Hintergrund noch einmal die Frage von Altmayer nach dem Zusammenspiel von Individuen und Kollektiven, dann enthält diese Frage eine neue Form. Gefragt wird nun danach, welche kollektiven Kulturkonzepte Individuen übernehmen, inwieweit sie diese Kulturkonzepte relevant für ihr eigenes Handeln machen und inwieweit sie diese Konzepte auch modifizieren und neu gestalten. Was hier vordergründig nach einer emanzipierenden Perspektive für Individuen gegenüber hegemonialen Konzepten von Kultur aussieht, ist jedoch angesichts des Dispositivs interkultureller Kommunikation, das auch die vorliegende Studie nicht überwinden können wird, lediglich ein Schritt hin zu einer präziseren Beschreibung von Prozessen innerhalb des Dispositivs. In möglichen Beschreibungsformen zum Zusammenspiel von Subjekten und Kollektiven durch Kultur konkurrieren die bereits in früheren Abschnitten diskutierten Denktraditionen der Wissenssoziologie und der Diskurstheorie. Aber auch in anderen Disziplinen, wie beispielsweise der Kulturpsychologie (Salgado 2006), rückt das Verhältnis zwischen Subjekt und Kultur in den Fokus kritischen Interesses.

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Transferprobleme zwischen Wissenschaft und Gesellschaft Während in der vorliegenden Studie meist von einem permanent stattfindenden Transfer von Wissen über interkulturelle Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ausgegangen wird, trennt beispielsweise Pütz (2004: 11) wesentlich zwischen der Untersuchung beider Bereiche. Pütz geht davon aus, dass in der Gesellschaft von Individuen in der Regel ein essentialistisches Kulturverständnis vertreten wird. Wissenschaftler dagegen wissen, dass diese Konzepte nur konstruiert sind. Problematisch erscheint jedoch auch angesichts dieser Unterscheidung die vorgenommene Pauschalisierung. Nicht nur im akademischen Bereich, sondern auch im Gesellschaftsleben vertreten Individuen unterschiedliche Kulturverständnisse und bieten unterschiedlich gewichtete Reflektionsbemühungen auf. Pütz selbst zeigt dies am Beispiel des transkulturellen Selbstverständnisses einer Probandin in seiner empirischen Studie (Pütz 2004: 233ff). Den Wirkungen eines Dispositivs interkultureller Kommunikation zum Trotz – aber nicht zur Gefahr – kann stattdessen angenommen werden, dass Individuen einer Gesellschaft selbst über verschiedene Kulturverständnisse verfügen, die – auch strategisch – eingesetzt und aktiviert werden. Verständlich wird aus dieser Sicht beispielsweise auch die nicht nur unter Forschern zur interkulturellen Kommunikation weitverbreitete Annahme, dass alle Individuen im eigenen Umfeld einen essentialistischen Kulturbegriff verfolgten, während man selbst als einziger den dynamisch-konstruktivistischen Charakter von Kultur durchschaue.

Schwierigkeiten konstruktivistischer Ansätze Zusammenfassend mag festgestellt werden, dass bereits Arbeiten auf der Grundlage primordialer Kulturverständnisse mit dem Problem zu kämpfen haben, dass ihre Verfasser mehr oder weniger legitim und begründet festlegen, welche Aspekte innerhalb einer Interaktion kulturell bedingt sind und welche nicht. In Studien mit einem konstruktivistischen Kulturverständnis wird vielfach ebenfalls von Seiten des Forschers bereits eine solche Festlegung getroffen, die jedoch angesichts der konstruktivistischen Theorieansprüche noch wesentlich problematischer ausfällt. Einen argumentativen Ausweg sehen einige Autoren darin, von Beginn an einzugestehen, dass eine Unterscheidung zwischen sozialen und kulturellen Aspekten kaum präzise getroffen werden könne.58 Auf diese Weise werde die Existenz von Kultur quasi aus der Not heraus negiert und das soziale Umfeld wieder interpretierbar. Andernfalls muss eine arbiträre Entscheidung von Seiten des jeweiligen Autors getroffen werden, womit dieser letztlich gezwungen ist, sein eigenes Verständnis von Kultur jeder Interpretation voranzustellen.

58 »This passage suggests the following view: culture is a stable system of relations between (visible) things in the environment of people (›forms and structures‹) and their (invisible) significances, shared by a social group. (Note that the terms cultural and social are nearly synonymous. Following the common practice in social psychology and anthropology, I will call cultural those social things which are relatively stable and widespread.)« (Zegarac 2007: 32).

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Alternativ positionieren sich zahlreiche Ansätze von Beginn an in einer Zwischenposition zwischen primordialen und konstruktivistischen Kulturverständnissen. Indem sie sich auf beide beziehen, werden sie argumentativ weniger angreifbar, weisen jedoch durch die Betonung des Dilemmas aus Existenz und Konstruktion einmal mehr auf die dispositiven Strukturen interkultureller Kommunikation hin. So wählen zahlreiche Ansätze eine Perspektive, nach der einerseits Kulturen interaktiv konstruiert werden. Andererseits werde jedoch kulturintern grundsätzlich immer auch ein längerfristig gültiges Hintergrundwissen generiert und aufrechterhalten, auf das Individuen in der Interaktion immer auch zurückgreifen. A-prioriExistenz und situative Konstruktion von Kulturverständnissen und kulturellen Aspekten erscheinen demnach nicht als einander ausschließende Paradigmen, sondern als unterschiedliche Perspektiven auf denselben Prozess. Innerhalb der Kognitionstheorie und auf der Grundlage des Ansatzes der Relevanztheorie (Sperber/Wilson 1986) hat Sperber (Sperber 1996) einen so genannten epidemiologischen Ansatz (»epidemiological approach to culture«, Zegarac 2007: 37ff) entworfen. Demnach ergänzen individuelle Interpretationen von Wirklichkeit und gesellschaftliche Konstitutionen und Reproduktionen dieser Wirklichkeit einander in einem permanenten Wechselprozess.59 Auch die interpretativen Sozialwissenschaften fangen dieses Dilemma mit oberflächlich paradox anmutenden Begründungen auf, durch die das Dispositiv interkultureller Kommunikation weiter gestützt wird. Das von Spivak eingeführte Konzept des Strategischen Essentialismus ist eine Beschreibungsgrundlage, mit deren Hilfe das scheinbare Paradox leichter akzeptiert werden kann (Spivak 1993; Buden 2008; Escárcega 2010). Breidenbach und Nyiri (2009) liefern eine Vielzahl von empirisch beobachteten Beispielen aus der Alltagswelt.

59 »On his [Sperber’s; D.B.] view, a defining feature of social-cultural things is the relation between forms and structures, which are by and large in the environment of people, and mental representations, which are in individual people’s minds/brains. Therefore, cultural categories should be seen as resulting from interactions between intra-individual, cognitive-psychological, mechanisms responsible for our ability to interpret the world, and interindividual, social-cultural, mechanisms, such as communication, which enable us to disseminate these representations within and across human populations [...]. On this view, cultures are not natural kinds. Rather, they consist of relatively stable patterns of a particular type of metarepresentation, which I will call cultural representation« (Zegarac 2007: 39).

Das Dispositiv interkultureller Kommunikation in Gesellschaftsdiskursen

I NTERKULTURELLE K OMMUNIKATION ALS BEQUEMES B EGRÜNDUNGSMOTIV In den vorangegangenen Abschnitten wurden Aspekte der Generierung eines Dispositivs interkultureller Kommunikation identifiziert und nachgezeichnet. Dabei wird deutlich, dass der gesamte diskursive Themenbereich interkultureller Kommunikation in Wissenschaft und Gesellschaft so gestaltet ist, dass mit allen seinen Aspekten Strategien zur Stützung und Fortführung des zugrunde liegenden Dispositivs verfolgt werden. Demnach baut das Dispositiv interkultureller Kommunikation eine Problematik kultureller Differenz auf, die so gestaltet ist, dass sie eine permanente Auseinandersetzung mit dem Gegenstand einfordert, die jedoch langfristig weder grundlegend veränderbar noch lösbar ist. Auf diese Weise werden soziale Ungleichverteilungen und Machtgefälle dauerhaft zementiert; ein gesellschaftlicher status quo wird selbst von den Gruppen innerhalb einer Gesellschaft mit unterstützt, die dadurch benachteiligt werden. Dabei kann gefolgert werden, dass der thematische Gegenstand interkultureller Kommunikation nicht etwa durch das ihm zugrunde liegende Dispositiv funktionsentsprechend unterwandert und umgebaut worden ist, sondern dass das Diskursthema interkultureller Kommunikation erst aus der Motivation des Dispositivs heraus überhaupt entstanden ist. Entsprechend haben die vorangegangenen Abschnitte insbesondere die interne Strukturierung dieses Dispositivs nachgezeichnet. Aus einer umgekehrten Blickrichtung kann jedoch auch untersucht werden, auf welche Weise das Dispositiv interkultureller Kommunikation unterschiedliche gesellschaftliche Diskursfelder besetzt und für seine eigene Festigung in Beschlag nimmt. Sicherlich sind dem Dispositivbegriff in seinem Selbstverständnis ohnehin keine klaren Grenzziehungen und Abgrenzungen innerhalb von gesellschaftlichen Diskursen inhärent: Grundsätzlich sind Dispositive in gesellschaftlichen Diskursen immer auf eine Weise positioniert, bei der alle diskursiven Bereiche auf eine Festigung des genannten Dispositivs hin arbeiten. Neben dieser allgemeinen Erkenntnis kann jedoch auch untersucht werden, welche diskursiven Effekte dazu führen, dass das Dispositiv interkultureller Kommunikation in möglichst vielen gesellschaftlichen Bereichen aktiviert wird und auf diese Weise seine Wirkungskraft verstärkt. Von besonderem Interesse sind hierzu Schwellen, Schnittbereiche und Übergangszonen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Diskursforen. In der vorliegenden

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Studie wurde hierzu bereits grundlegend zwischen akademischen und gesellschaftlichen Diskursen um interkulturelle Kommunikation unterschieden. Differenzierungen gesellschaftlicher Diskursfelder erscheinen darüber hinaus auf beliebig vielfache Weise möglich. Besonders naheliegend erscheint jedoch eine Differenzierung zwischen massenmedial vermittelter und interpersonaler Kommunikation. Doch auch die distinkten Felder von politischer und Wirtschaftskommunikation mögen vergleichsweise eigenständige diskursive Arenen formieren, für deren Zugang das Dispositiv interkultureller Kommunikation entsprechende Strategien entwickeln muss. Aus dieser Sicht erscheinen daher vor allem die Schwellen und Übergangsbereiche zwischen den einzelnen Diskursfeldern für eine nähere Untersuchung von Interesse, da hier Strategien sichtbar gemacht werden können, mit denen das Dispositiv sich ausbreitet.

V ORÜBERLEGUNGEN ZU EINER DISPOSITIVANALYTISCH INFORMIERTEN S YSTEMATISIERUNG Aufgrund seines Dispositivcharakters mit seiner durchgehenden Problembearbeitungsstruktur kann interkulturelle Kommunikation eine sinnstiftende Begründungsmatrix bereitstellen, die sich auf jeden beliebigen sozialen Kontext und jede beliebige situative Problemstellung anwenden lässt, sofern diese nicht aus sich selbst heraus Erklärungsangebote produziert. Hinnenkamp (1994: 46) weist darauf hin, dass die Problemkonstellation interkultureller Kommunikation in vielen gesellschaftlichen Kontexten häufig als eine Begründung inklusive Lösungsvorschlägen auf geradezu beliebige Weise verwendet wird: »Interkulturelle Kommunikation ist heute kein exklusiv von der Wissenschaft belegter Begriff. Interkulturelle Kommunikation spricht Diskurse der unterschiedlichsten Art an. Sind sie im wissenschaftlichen Bereich eher nüchtern, muten sie in der pädagogischen Praxis und dem internationalen Handel mitunter euphorisch an. Manchmal wird interkulturelle Kommunikation gar als Heilmittel betrachtet, wenigstens aber als Notwendigkeit, mit dem kulturell anderen Partner trotz aller Differenz eine Verständigung zu erreichen, und in welchen Geschäften auch immer – Erfolg zu haben« (Hinnenkamp 1994: 46).

Beispiele für diese omnipräsente Verwendung kulturalistischer Begründungen in beinahe allen gesellschaftlichen Bereichen der westlichen Welt liefern Breidenbach und Nyiri (2009) in einer umfassenden Sammlung schillernder eigener Beobachtungen. Breidenbach und Nyiri sprechen zwar nicht systematisierend von einem Dispositiv, aber sie erkennen, dass eine weitere Auseinandersetzung mit der Thematik interkultureller Kommunikation nur deren Omnipräsenz bekräftigt und darüber hinaus keine neuen Erkenntnisse produziert. Um diese Sackgasse zu überwinden setzen sich die beiden Autoren mit großem Nachdruck für eine Orientierung an ethnographischen und kulturanthropologischen Methoden bei der Beobachtung von Kulturen ein. Damit verweisen die Autoren auf akademische Felder, die in sich wiederum sehr heterogen sind. Auf welche Paradigmen und Schulen sich der Beobachter hier beziehen soll, wird bei Breidenbach und Nyiri nicht spezifiziert. Das Anliegen der Autoren besteht jedoch ganz offenkundig darin, den Gegenstand interkultureller Kommunikati-

D AS D ISPOSITIV INTERKULTURELLER K OMMUNIKATION IN G ESELLSCHAFTSDISKURSEN

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on und seine verallgemeinernde und pauschalisierende Wirkung zugunsten individuenbezogener und situativer Beobachtungen zu umschiffen. Versteht man interkulturelle Kommunikation als Dispositiv, so bestünde der Vorschlag von Breidenbach und Nyiri demnach darin, dieses Dispositiv konsequent zu ignorieren. Legt man jedoch die Strukturen eines Dispositivs zugrunde, so muss davon ausgegangen werden, dass auch das Dispositiv interkultureller Kommunikation intern über Strategien verfügt, die seine Existenz und seinen Fortbestand dauerhaft sichern und die seine soziale Marginalisierung verhindern. In dispositivtheoretischem Rahmen wäre es lediglich denkbar, dass die Strategien zur Behebung eines Notstands anstelle des Dispositivs interkultureller Kommunikation von einem alternativen Dispositiv übernommen werden. Wenn Breidenbach und Nyiri ein Ignorieren des Dispositivs interkultureller Kommunikation anstoßen wollten, so würde dies im Erfolgsfalle damit einher gehen, dass zugleich ein substitutives Dispositiv begründet wird. Doch aufgrund der argumentativ-hermetischen Geschlossenheit von Dispositiven erscheint selbst dieser Wechsel unwahrscheinlich.

Interkulturelle Kommunikation als politisches Instrument Während Breidenbach und Nyiri insbesondere den hohen Komfort der Begründungsvariable interkultureller Kommunikation für deren rasante und omnipräsente Verbreitung verantwortlich machen, sieht Appadurai (1996: 13) einen wesentlichen Faktor für die häufige Verwendung der Thematik vor allem darin, dass sich die Argumentationsmatrix interkultureller Kommunikation insbesondere als politisches Instrument eignet. Sowohl Breidenbach und Nyiri als auch Appadurai bieten damit Erklärungen für die unvermutete Omnipräsenz des Themas an, ohne dabei jedoch die diskursiven Strukturen eines Dispositivs hinter dem oberflächlichen Gegenstand zu vermuten. Folglich entwickeln die Autoren jeweils auch nur Lösungsvorschläge, die sich auch weiterhin innerhalb des Dispositivs selbst bewegen und dieses nicht transzendieren können, weil sie es nicht erkennen. Alois Moosmüller (2007b: 21) verweist darauf, dass sowohl Appadurai, aber auch der schwedische Kulturanthropologe Ulf Hannerz (1987) den diskursiven Konstruktionscharakter von Kultur für die Ethnologie bereits wesentlich herausgearbeitet hatten. Ohne von Dispositiven zu sprechen, haben Moosmüller zufolge beide Autoren erkannt, dass der Diskurs um interkulturelle Kommunikation eine solche Omnipräsenz angenommen hat, dass auch eine wissenschaftliche Annäherung an die Thematik und eine Auseinandersetzung mit ihr aus einer externen Perspektive kaum oder bereits gar nicht mehr möglich sind.1

1

»Arjun Appadurai und Ulf Hannerz haben entscheidend zum Diskurs in der Ethnologie über Globalisierung beigetragen und dabei das Konzept Kultur neu gewichtet. ›Kultur‹, schreibt Appadurai (1996: 13), ›ist eine allgegenwärtige Dimension des menschlichen Diskurses, die Differenzen ausbeutet, um differente Konzepte von Gruppenidentität zu generieren [...] Kulturalismus ist die bewusste Mobilisierung kultureller Differenzen im Dienste nationaler oder transnationaler politischer Interessen‹. Es gebe keinen gesonderten Raum mehr für wissenschaftliche Debatten; der Zweck von Wissenschaft könne nicht mehr auf

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Hinnenkamp weist darüber hinaus darauf hin, dass interkulturelle Kommunikation in der öffentlichen Wahrnehmung als Begründung für zahlreiche Konfliktlagen dient. Er selbst scheint den Konstruktionscharakter an dieser Stelle jedoch eventuell nicht mehr zu reflektieren. Stattdessen zeichnet er ein Bild einer Verwendung ethnisch-kulturell begründeter Konfliktlagen, das bereits für den europäischen Medienrezipienten in den 1990er Jahren eine Bedrohlichkeit und Omnipräsenz einnimmt, die gleichzeitig bereits suggeriert, dass sie nicht mehr in den Griff zu bekommen ist: »Die Wirklichkeit im Oktober 1992 mutet auf jeden Fall alles andere als multi-inter-crosstranskulturell an. Das multikulturelle Projekt Jugoslawien liegt zerstört am Boden. Sarajewo, Europas einziges wahrhaft multikulturelles, multiethnisches, multinationales und multireligiöses Zentrum, erliegt dem Bombardement und der inneren Zerrissenheit. Das multinationale Großprojekt Europa hat überall seine Widersacher. Im Deutschland der multikulturellen Debatten gibt es über alle Rhetorik hinaus einen stillen Konsens der herrschenden politischen Kräfte, der Einwanderungsgesellschaft den Garaus zu machen. Während Skins und Neonazis Ausländer prügeln, zündeln und morden, wird der Asylparagraph im Grundgesetz zum Symbol des multikulturell motivierten Niedergangs stilisiert, gar zu einem Fall von Staatsnotstand.« (Hinnenkamp 1994: 47).

Besonders interessant erscheint bei dieser Bemerkung die Wahrnehmung des Verfassers, nach der das Begründungsmotiv interkultureller Kommunikation aufgrund seiner Penetranz leicht zu einer Haltung der Ohnmacht und der Kapitulation gegenüber ihm verleiten kann. Hier scheint ein Prozess hervor, in dem selbst das mühsam erworbene Wissen über den Konstruktionscharakter von Kultur in Krisensituationen schnell vergessen ist und das Dispositiv interkultureller Kommunikation wieder vollständig die Steuerung sozialen Handelns übernimmt.

D ER K REISLAUF

ZWISCHEN M EDIEN - UND INTERPERSONALER K OMMUNIKATION Einleitend zu diesem Kapitel wurde bereits angesprochen, dass sich das Dispositiv interkultureller Kommunikation bei seiner Verbreitung und Ausdehnung in alle gesellschaftlichen Bereiche vielfach auch der Mechanismen westlicher Mediengesellschaften bedient. Insbesondere die British Cultural Studies haben sich aus einer kritischen Perspektive mit der Rolle von Massenmedien bei der Strukturierung gesellschaftlicher Ungleichheiten und Identitäten auseinandergesetzt. Grundlegend für eine Beschreibung der Rolle von Medienkommunikation erscheinen in den Cultural Studies Kreislaufmodelle, die den Informationsfluss zwischen interpersonaler Kommu-

die Hervorbringung immer adäquaterer Modelle der Wirklichkeitsbeschreibung reduziert werden, sondern Wissenschaft konstruiere Wirklichkeit, weshalb Begriffe wie Kultur oder kulturelle Differenz, wenn überhaupt, mit äußerster Vorsicht und Zurückhaltung zu verwenden seien, insbesondere dürfe Kultur nicht als eine (uranfänglich) gegebene Entität dargestellt werden« – Appadurai (1996: 13) nach Moosmüller (2007b: 21).

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nikation und massenmedial vermittelter Kommunikation (hier differenzierend zwischen Produktion und Rezeption) als einen Kreisfluss und Kreisschluss darstellen. Zugleich reflektiert Richard Johnson (1999) als einem Begründer der Cultural Studies jedoch, dass auch die Unterscheidung zwischen einzelnen Mediengenres und interpersonaler Kommunikation eigentlich ein künstliches, wissenschaftsdiskursives Konstrukt ist. Ihre Trennung erscheint im Lichte einer empirischen Beobachtung kaum begründbar, da letztlich alle Formen der Kommunikation zur Konstruktion von Kultur dienen und im Hinblick auf diesen Beitrag keine strukturellen Unterscheidungen zwischen interpersonaler und medienvermittelter Kommunikation festzustellen sind. Unterscheidet man in der Forschung dennoch zwischen interpersonaler und Medienkommunikation, dann aus Johnsons Sicht eigentlich nur, weil sich aus der Tradition heraus für diese unterschiedlichen Formen unterschiedliche empirische Methoden entwickelt haben, so dass eine getrennte Untersuchung nahe liegt. Die Plausibilität einer Unterscheidung zwischen medienvermittelter und interpersonaler Kommunikation hält Johnson jedoch für trügerisch: »Sobald wir dieses Projekt in Angriff nehmen, bemerken wir, daß die von uns bislang benutzten einfachen Abstraktionen nicht sehr weit tragen. Wo sind die Vermittlungskategorien, mittels derer wir die subjektiven gesellschaftlichen Formen und ihre unterschiedlichen Existenzweisen bestimmen? Bei unserer Definition von ›Kultur‹ können wir das Feld nicht auf spezielle Praktiken, besondere Genres oder populäre Freizeitvergnügungen beschränken. Alle gesellschaftlichen Praxen können in bezug auf die in ihnen geleistete Arbeit subjektiv, aus einer kulturellen Perspektive, betrachtet werden. Das gilt für Fabrikarbeit, gewerkschaftliche Organisation oder das Leben im und um den Supermarkt genauso wie für offensichtliche Zielobjekte wie ›die Medien‹ (ein irreführender Einheitsbegriff!) und ihre (in erster Linie privaten) Konsumweisen« (Johnson 1999: 146).

Demnach findet Kulturproduktion aus Johnsons Sicht in einer Gesellschaft ubiquitär statt, und gerade durch dieses Merkmal zeichnet sie sich gleichzeitig auch aus. Dennoch spielen medienvermittelte und interpersonale Kommunikation als Kategorien eine Rolle, ihre Systematisierung kann zumindest helfen, kulturelle Produktionsprozesse systematisch zu erforschen und nachzuzeichnen. Richard Johnson (1986-87; 1999: 148) stellt ein Kreislaufmodell zur Beschreibung des Zusammenspiels aus medialer und interpersonaler Kommunikation vor: Demnach werden zunächst Texte produziert. Diese Texte dienen dann als Kommunikationsangebote gegenüber potentiellen Rezipienten, die diese Texte wiederum interpretieren. Die Interpretation der Texte dient den Rezipienten als Grundlage für die sinnhafte Ausgestaltung ihrer eigenen Lebenswelt. Sie verwenden diese rezipierte Kultur als eigene Lebensweise und reproduzieren auf diese Weise gesellschaftliche Verhältnisse. Dieses gesellschaftliche Leben dient Medienschaffenden wiederum als zu interpretierende Grundlage für eine Produktion von Texten, die wiederum von Rezipienten interpretiert werden, und so fort. Neben einem permanenten Wechsel zwischen medialer und individuell gelebter Form wechseln kulturelle Einheiten und Inhalte zugleich auch zwischen ihrer öffentlichen und allgemeinen Darstellung in der Gesellschaft und einer konkret-partikularen Ausgestaltung in der privaten Lebenswelt. Produktion und Rezeption von Medientexten sind dabei die wesentlichen

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Schwellen und Bedingungen, die von einer Gesellschaft erbracht werden müssen, um einen gesellschaftlichen Diskurs aufrecht zu erhalten. Das Besondere an der Zirkularität des Modells besteht Johnson zufolge darin, dass Individuen meist nicht in der Lage sind, an einer Stelle des Kreislaufs die anderen Stationen des Kreislaufes mitzudenken. Johnson folgert, dass anstelle der eigentlichen Prozessualität nur deren Resultate wahrgenommen werden (Johnson 1999: 149): »Wenn wir uns also in einem bestimmten Element dieses Kreislaufs befinden, können wir nicht unbedingt erkennen, was bei den anderen Elementen geschieht. Die Formen, die für uns im Hinblick auf ein Element die größte Bedeutung haben, können sich von denen eines anderen sehr stark unterscheiden. Prozesse verschwinden in Resultaten« (Johnson 1999: 149).

Eine getrennte Analyse einzelner Stationen in diesem Prozess scheint darüber hinaus deshalb nicht sinnvoll, weil jede Station im Grunde von der Rezeption und Interpretation ihrer Inhalte durch die nächste Station im Kreislauf bestimmt wird. Es ist demnach nicht hilfreich, eine Station wissenschaftlich zu untersuchen, wenn man dabei nicht weiß, wie sie eigentlich von den nächsten Rezipienten selbst interpretiert wird – und diese Interpretation wiederum hätte schließlich die stärkste Relevanz für den weiteren Prozess (Johnson 1999: 149). Dieser permanente Produktions- und Rezeptionsprozess ist aus Sicht der Cultural Studies für alle Schwellen und Übergänge in gesellschaftlichen Diskursbereichen prägend. Betrachtet man beispielsweise die in der vorliegenden Studie ebenfalls als zentral erachtete Schwelle zwischen akademischen und gesellschaftlichen Diskursen, so muss gefolgert werden, dass der Erfolg und die Art und Weise eines vielbeschworenen Wissenstransfers aus der Wissenschaft in die Gesellschaft kaum antizipierbar ist: Zwecks Bildungszuwachs sollten wissenschaftliche Ergebnisse und Publikationen bestenfalls von einem Laienpublikum rezipiert werden. Wie dieses die wissenschaftliche Literatur aufnimmt, können akademische Autoren und selbst Wissenschaftsjournalisten jedoch kaum voraussehen. Mit etwas größerer Wahrscheinlichkeit ließe sich bestenfalls die weitere Verarbeitung eines Textes im weiteren wissenschaftlichen Bereich nachvollziehen (Johnson 1999: 149). Wichtig erscheint für die Cultural Studies demnach weniger die Untersuchung der Inhalte auf einer einzelnen Ebene, als vielmehr die Untersuchung von Produktions- und Rezeptionsbedingungen und -prozessen. Die Übernahme einer solchen Perspektive unterstützt auch die in der vorliegenden Studie erprobte Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation: Zu einem genaueren Verständnis erscheint hier insbesondere die Frage von Interesse, wie Individuen vor dem Hintergrund ihrer Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs, inklusive Medienrezeption, interkulturell handeln. Für die Cultural Studies sind bei diesem Untersuchungsprozess vor allem Machtungleichgewichte, aber auch bestehende kulturelle Eigenheiten von Bedeutung (im Sinne von Kultur als einer Lebensweise). Johnson geht dabei dennoch davon aus, dass es inhaltlich beschreibbare kulturelle Eigenheiten zumindest gibt, sie sind in dem Kreislauf bereits existent (Johnson 1999: 149). Exemplarisch führt Johnson eine Analyse des Kommunikationskreislaufs anhand eines herausgegriffenen Diskursobjekts durch: Johnson untersucht die diskursive Rolle des in den 1980er Jahren in Großbritannien populären Personenkraftwagens

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Mini Metro. Dabei wird das Fahrzeug als produzierter Medientext verstanden, der von den Konsumenten interpretiert wird. In das Kreislaufmodell einsteigend unterstellt Johnson, dass der Produktion des Fahrzeugmodells ganz bestimmte gesellschaftliche Bedingungen vorausgegangen sein werden, auf deren Grundlage erste Ideen für das Modell zunächst privat und nur im Kopfe und auf dem Papier eines Designers entstanden sind. Während das Fahrzeug schrittweise bis zur Produktionsreife weiterentwickelt wird und schließlich als Ware auf den Markt gebracht wird, entstehen neben dem Fahrzeug weitere unterschiedliche mediale Texte. In Werbemedien wird das Auto mit zusätzlichen Inhalten und Assoziationen aufgeladen. Johnson wechselt dann von den produzierten Texten innerhalb des Kreislaufs auf die Seite der Rezipienten und deren Interpretation der Medientexte. Wie andere einzelne Personen, wie beispielsweise Kunden, Passanten, Medienrezipienten, Werksmitarbeiter das umworbene Fahrzeug sehen und interpretieren, lässt sich aus den Intentionen der Autoren oder aus den Texten selbst nicht schließen, die Interpretationen können aus einer völlig anderen Perspektive getätigt sein. Außerdem werden diese Rezipienten beim Betrachten des Produkts kaum noch in der Lage sein, den Entstehungsprozess des Autos, beginnend bei der Idee des Designers, mitzudenken (Johnson 1999: 150152). Indem Johnson ein industriell gefertigtes Automobil diskursiv analysiert, folgt er einer Tradition und Mission der Cultural Studies, die sich von Beginn an als eine kritische Bewegung gegenüber materialistischen und kapitalistischen Entwicklungen in der Gesellschaft verstanden haben. Letztlich lässt sich Johnsons Herangehensweise jedoch auf beliebige Gegenstände, auch abstrakte Themen, übertragen. Auch das Diskursthema interkultureller Kommunikation kann als ein solcher medialer Text verstanden werden, der immer wieder produziert, rezipiert, interpretiert und gelebt wird. Dabei ist den Akteuren selbst in jedem Bereich des Kreislaufes die Entstehungsgeschichte des Diskursgegenstands und des Dispositivs nicht mehr bewusst. Bei aller freien und individuenbasierten Interpretation schließt Johnson jedoch, dass sich in diesem Prozess letztendlich dennoch eine allgemeingültige Bedeutung für das genannte Auto herauskristallisiert. So steht der Mini Metro in den 1980er Jahren vielfach als ein Symbol Großbritanniens im Allgemeinen. Diese anerkannte Bedeutung ist Johnson zufolge das Ergebnis von diskursiv ausgetragenen Hegemoniekämpfen, in denen es um die Etablierung einer Deutungsmacht geht. Gleichzeitig können jedoch auch Einzelstudien zeigen, dass die Bedeutungszuweisungen immer auch zumindest geringfügig voneinander abweichen, worin die Möglichkeit sozialen Wandels mitgedacht wird. Auch hier lassen sich Parallelen zum Diskursgegenstand interkultureller Kommunikation aufdecken, der aufgrund seines Dispositivcharakters ebenfalls eine weitgehend hegemonial gültige Deutungsperspektive auf den Gegenstand etabliert. Auch hier kann der Gegenstand jedoch individuell geringfügig unterschiedlich interpretiert werden. Wenn dadurch sozialer Wandel möglich wird, muss damit jedoch nicht zwingend der Untergang des Dispositivs einhergehen, das stattdessen auch selbst bedingt wandlungsfähig ist. Johnson (1999: 156ff) führt darüber hinaus weitere Beispiele für die wechselseitige Beeinflussung privater und öffentlich-medialer Formen von kultureller Produktion und Rezeption an. Darüber hinaus gibt er zu bedenken, dass selbstverständlich auch die Diskurse im Rahmen der Cultural Studies selbst sowie im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten im Allgemeinen als Bestandteile des gesellschaftlichen diskur-

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siven Kreislaufs verstanden werden müssen. Für die Cultural Studies leitet Johnson daraus eine wesentliche gesellschaftliche Verantwortung ab, der sie sich nicht entziehen kann: »Ob die Cultural Studies sich nun eher mit den abstrakteren öffentlichen Wissens- und Erkenntnisformen und den ihnen zugrunde liegenden logischen und definitorischen Bestimmungen befassen, oder die privaten Bereiche der Kultur zu ihrem Untersuchungsobjekt küren, sind sie doch immer notwendigerweise tief in Machtverhältnisse verstrickt. Die Cultural Studies sind Bestandteil des Kreislaufs, den sie beschreiben wollen. Sie können die Beziehungen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen kontrollieren oder kritisieren. Sie können in die Überwachung untergeordneter Gruppen einbezogen oder in Kämpfe um eine angemessenere Darstellung dieser Gruppen verwickelt werden. Sie können Teil des Problems oder Teil seiner Lösung werden. Darum müssen wir, wenn wir uns den verschiedenen Formen der Kulturforschung zuwenden, nicht nur nach Objekten, Theorien und Methoden, sondern auch nach den politischen Grenzen und Potentialen unterschiedlicher Standpunkte in dem Kreislauf fragen« (Johnson 1999: 158-159).

Diese Annahme entspricht den in der vorliegenden Studie bereits getätigten Überlegungen zur Beschaffenheit des Dispositivs interkultureller Kommunikation sowie den zur Verfügung stehenden Vorgehensweisen, um dies zu untersuchen: Eine Transzendierung über das Dispositiv hinaus kann per definitionem nicht gedacht werden, so dass stattdessen automatisch eine Verantwortung für die Forschung im Umgang mit Diskursbeiträgen zur interkulturellen Kommunikation erwächst. Weite Bereiche einer interpretativ inspirierten Kommunikationswissenschaft jenseits der dort vorherrschenden positivistischen Paradigmen haben die kritischen Grundannahmen der Cultural Studies aufgenommen und weiterentwickelt. So beschreiben auch Kommunikationswissenschaftler wie Kurt Luger (1994: 34) die gesellschaftliche Einbettung medialer Kommunikation mit Hilfe von Kreislaufmodellen. Luger übernimmt das Modell von dem US-amerikanischen Sozialpsychologen William Gudykunst (1989), der das Modell bereits auf den Kontext interkultureller Kommunikation angewendet hat. Luger leitet auf der Grundlage von Gudykunst aus dem Kommunikationskreislauf unterschiedliche Forschungsperspektiven auf den Gegenstand interkultureller Kommunikation ab, die ihmzufolge mit der Adäquatheit jeweils unterschiedlicher Forschungsmethoden und unterschiedlicher Problemfokussierungen, abhängig von der Positionierung auf dem Kreislauf einher gehen: Den Bereich der »intercultural communication« (Luger/Renger 1994: 34) positioniert Luger als Forschungsfeld, das sich mit interpersonaler und interaktiv gestalteter Kommunikation in interkulturellen Kontexten beschäftigt. Dabei können sowohl komparative als auch interaktionstheoretische Perspektiven eingenommen werden. Den Bereich der »international communication« (Luger/Renger 1994: 34) versteht Luger demgegenüber als Forschungsfeld, das sich mit medienvermittelter Kommunikation in interkulturellen Kontexten auseinandersetzt. Im Vordergrund stehen hier auch öffentliche und gesellschaftsübergreifende Kommunikationsformen und –bereiche, wie die der internationalen Beziehungen, der internationalen politischen Kommunikation sowie der Diplomatie. Auch Fragen nach Formen einer kommunikativen Weltordnung und deren Wandel können hier diskutiert werden.

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Die vergleichende Medienwissenschaft, von Luger Bezug nehmend auf Gudykunst bezeichnet als »comparative mass communication« (Luger/Renger 1994: 34), versteht sich als Kommunikations- und Medienforschung, in der mediale Prozesse unterschiedlicher Gesellschaften, Kulturen und Staaten miteinander verglichen werden. Den Begriff der »cross-cultural communication« (Luger/Renger 1994: 34) verwenden Luger und Gudykunst schließlich, um Forschungsansätze zu benennen, in denen interpersonale Kommunikation aus einer vergleichenden und kontrastiven Perspektive untersucht werden, bei der der konkrete interkulturelle Kontakt nicht berücksichtigt wird. Relativierend betont Luger jedoch gegenüber der prozessorientierten Perspektive der Cultural Studies, dass Gudykunst mit seinem Modell weniger die Existenz eines geschlossenen Kreislaufs behaupten will. Vielmehr geht es den beiden Autoren hier in der Tat um die Differenzierung und Abgrenzung möglicher Forschungsperspektiven auf den heterogenen Forschungsgegenstand interkultureller Kommunikation. Doch auch das Kreislaufmodell der Cultural Studies kann eine Grundlage für eine Systematisierung anwendungs- und problemorientierter Forschungsanliegen bieten. So verwendet Busch (Busch/Schröder 2002: 232; Busch 2003b: 88; Busch/Schröder 2003: 129) ein Kreislaufmodell in Anlehnung an die Überlegungen von Ien Ang (Ang 1999) zur Beschreibung internationaler und interkultureller Kommunikationsströme auf der Grundlage theoretischer Überlegungen aus den Cultural Studies. Busch verwendet das Kreislaufmodell dabei als Basis für eine Systematisierung der insbesondere um die Jahrtausendwende in den bundesrepublikanischen Gesellschafts- und Mediendiskursen aufgeworfene Frage nach der Rolle und möglicherweise auch nach der Verantwortung von Massenmedien für die Eskalation, aber auch für die friedliche Beilegung von Konflikten (Friedrich-Ebert-Stiftung 2000). Insbesondere die Kriegshandlungen in den beiden Golfkriegen (Carruthers 2000; Kempf 2000) und im Rahmen des Zerfalls Jugoslawiens in den 1990er Jahren (Kempf 1999; Meier 2002; Stoykova 2005) haben in westeuropäischen Gesellschaften mehr oder weniger erstmals ein vertieftes Bewusstsein für diese Verantwortung von Massenmedien im Rahmen von zwischenstaatlichen Konfliktaustragungen geschaffen, woraus auch entsprechende vermehrte Forschungsanstrenungen resultierten. Zahlreiche Studien in diesem Bereich haben jedoch mit der wesentlichen politischen Verantwortung und der eigenen damit verbundenen Mission der Autoren zu kämpfen, so dass eine von Interessen losgelöste Analyse erschwert wurde. Busch schlägt in diesem Rahmen das von ihm später entwickelte Konzept der spontanen interkulturellen Laien-Mediation (Busch 2004) vor, um mögliche konstruktive Interventionspraktiken von Massenmedien zu identifizieren und zu spezifizieren. Geht es im politischen Diskurs um die Verantwortung von Massenmedien für eine konstruktive Konfliktbearbeitung darum, genauer darzulegen, was Medienproduzenten wann und wie genau tun sollen, kann das Kreislaufmodell aus den Cultural Studies eine hilfreiche Orientierung bieten. So kann jeweils in den Bereichen der Produktion und der Rezeption, bzw. Interpretation von Medientexten als Schnittstellen zwischen interpersonaler und medienvermittelter Kommunikation darüber nachgedacht werden, wie die jeweils ablaufenden Prozesse konstruktiv reflektiert und gestaltet werden können.

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D ISKURSANALYSEN DES K REISLAUFS

ZU DEN EINZELNEN

B EREICHEN

Auch im Rahmen einer Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation kann die Grundlage eines Kreislaufmodells zur Einbettung von medialer und interpersonaler Kommunikation als Grundlage dienen, wenn es darum geht, Strategien der ubiquitären Verbreitung des Dispositivs in gesellschaftlichen Diskursen aufzuspüren. In den folgenden Abschnitten sollen zunächst ausgewählte diskursanalytische Arbeiten referiert und ausgewertet werden, die Einblicke in einzelne Abschnitte eines solchen Kreislaufs bieten. Anschließend werden in einem weiteren Schritt Studien gesichtet, die sich explizit mit Schnittbereichen und Übergangszonen zwischen einzelnen Abschnitten des Kreislaufs beschäftigen. Insbesondere in diesen Übergangszonen dürfte demnach sichtbar werden, wie Strategien des Dispositivs in neue Kommunikationsbereiche eingeführt und übernommen werden.

Interpersonale Diskurse und soziales Handeln Dass gesellschaftliche Diskurse das Verhalten von Individuen im interkulturellen Kontext wesentlich beeinflussen und steuern, gilt inzwischen als Allgemeinplatz in einer Forschung zur interkulturellen Kommunikation, die einem interpretativen Paradigma folgt. Wie sehr Individuen in ihrem Handeln an gesellschaftliche Normen gebunden sind, bzw. inwieweit sie sanktionsfrei davon abweichen können, ist jedoch ein grundlegender Kern der Debatte in diesem Bereich (Tulloch 1999). Neben zahlreichen Nachweisen für normorientiertes Handeln von Individuen, auf dessen Grundlage interpersonale Verständigung überhaupt erst möglich wird, sei an dieser Stelle jedoch insbesondere auf kritische Ansätze gegenüber dieser vorherrschenden Haltung verwiesen. In der vorliegenden Studie wurde bereits mehrfach auf die Arbeit des Kulturgeographen Robert Pütz (2004) zurückgegriffen, der am Beispiel von Unternehmern mit Migrationshintergrund in Berlin zeigt, wie weit Individuen diskursiv rezipierte Verständnisse von Kulturalität zur Grundlage ihres Handelns machen. Demgegenüber weist jedoch beispielsweise Schondelmayer (2008) mit dem von ihr eingeführten Konzept der paradoxen Parallelität darauf hin, dass sich das stereotype Denken von Individuen häufig von deren Handlungsentscheidungen diametral unterscheidet: Diskursteilnahme und Stereotypisierungen stehen demnach in keinem uneingeschränkten Zusammenhang zueinander, bzw. lassen keine grundsätzlichen Rückschlüsse aufeinander zu. Diese Einsicht aus dem Bereich von Stereotypisierungen in interkulturellen Kontexten wird auch von Sozialforschern aus anderen Anwendungsfeldern geteilt. So zeichnen Rimal und Real (Rimal/Real 2005) am Beispiel von Anti-Alkohol-Kampagnen gegenüber Jugendlichen in den USA nach, wie die von den Maßnahmen angesprochene Zielgruppe die beworbenen Normen im interpersonalen Diskurs durchaus weitgehend teilt und sich in ihrem eigenen Handeln dennoch nicht davon leiten lässt.

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Mediendiskurse In der medialen Deutung gesellschaftlicher Phänomene, wie beispielsweise der Interpretation und Legitimierung von Kriegen, sieht beispielsweise Höhne, an dessen Ansatz zur Beschreibung eines Kulturdispositivs sich die vorliegende Studie orientiert, grundsätzlich Auswirkungen dieses Kulturdispositivs (Höhne 2000: 40). Darüber hinaus vollziehen sich große Teile nationaler Identitätsbildungsprozesse in westlichen Gesellschaften bereits seit Jahrhunderten in medienvermittelter Form. Auch Umgangsformen mit interkultureller Kommunikation und Interkulturalität selbst werden dabei medial gestaltet und festgelegt. Wie mit Interkulturalität normativ verfahren werden soll, was demnach Strategien des Dispositivs interkultureller Kommunikation sind, wird demnach qua Medienkommunikation an die individuellen Diskursteilnehmer einer Gesellschaft übermittelt. So versammelt beispielsweise der Band von Schwarz und West-Pavlov (2007) zahlreiche Beiträge, in denen der unterschiedliche diskursive Umgang einzelner nationaler Gesellschaften mit Phänomenen einer Multikulturalität beschrieben wird. Eine zentrale Rolle spielen dabei mediale Reproduktionen, wie sie beispielsweise die Herausgeberin selbst in ihrem Beitrag über die strategische Verwendung des Multikulturalismusbegriffs in Deutschland und Australien nachzeichnet (Schwarz 2007). Flowerdew und Leong (2007) legen eine Diskursanalyse von Tageszeitungen in Hong Kong aus den Jahren 2003 und 2004 vor, in der sie nachzeichnen, wie insbesondere durch den sprachlichen Einsatz von Metaphern ein Patriotismus für Hong Kong konstruiert und gefestigt wird. Diese konstruierende und Wirklichkeiten schaffende Funktion medialer Diskurse wird grundsätzlich auch für kulturpolitische Aktivitäten genutzt. Besonders offensichtlich erscheint beispielsweise Weber (2003) die interne Kulturpolitik Chinas, bei der medial ein internes Bild von China mit homogenen Normen und Werten konstruiert wird. Gerade in der massenmedialen Kommunikation, die global marktwirtschaftlichen Prinzipien folgt, stellen solche ausschließenden und grenzziehenden Strategien tatsächliche Hürden dar, die aus marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten jedoch genommen werden sollten, so dass externe Medien nach Strategien der Anpassung an den chinesischen Markt suchen. Doch auch die deutschsprachigen Medien produzieren quasi täglich Bilder und Konzepte von der Beschaffenheit kultureller Grenzen innerhalb Deutschlands. Hierzu liegen bereits zahlreiche sozialwissenschaftliche Studien vor (Quandt/Gast 1998). Die Thematik wird in den Medien jedoch auch heute noch so omnipräsent und selbstverständlich sowie mit überraschend wenig Scheu vor Vorwürfen der Unkorrektheit gepflegt. So ergeben bereits kurze Internetrecherchen täglich neue Treffer aus Medienbeiträgen. Hier sei nur ein Beitrag aus unzähligen besprochen: Am 4. Juli 2010 titelt Marion Hartig im Berliner Tagesspiegel: »Sie ist Migrantin – und sie hat Erfolg« (Hartig 2010). Schon in der Überschrift bestätigt die Autorin damit die Norm des (beruflich) erfolglosen Migranten in Deutschland. Auch das in dem Beitrag offenkundig präsentierte Gegenbeispiel wird so eingeführt, dass es nur eine Ausnahme von einer ansonsten gültigen Regel ist. Aufgrund dieser Formulierung kann dabei das pauschalisierende und pejorative Vorurteil gegenüber Migranten explizit völlig unerwähnt bleiben, dank des Dispositivs interkultureller Kommunikation ist sichergestellt, dass der Leser auf angepasste Weise zum Diskurs beiträgt – selbst wenn er sich wie die vorliegenden Überlegungen eigentlich gegen die Pauschalisierung wehrt.

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Selbst wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der bislang skizzierten Thematik argumentieren vielfach auf der Grundlage einer klaren Normorientierung und tragen somit ebenfalls zur Reproduktion des Dispositivs innerhalb medienvermittelter Kommunikation bei. So beschäftigt sich beispielsweise insbesondere die Medienethik zentral mit der Formulierung von Normen zu dem, was die Medien für die Gesellschaft leisten sollen und wie sie auf sie einwirken sollen. So stellt beispielsweise Plaisance (2005) ein normatives moralphilosophisches Modell zur Einwirkung von Medien auf gesellschaftliche Diskurse auf. Er debattiert zunächst liberalistische und kommunitaristische Ansätze einer Medienethik und präzisiert dann letztere. Zahlreiche philosophische Autoren werden gegeneinander abgewogen. Letzten Endes werden unterschiedliche Normen formuliert, nach denen sich Medien an der Konstitution zivilgesellschaftlicher Strukturen und zivilgesellschaftlichen Bewusstseins beteiligen sollen. Dabei sollen die Journalisten einerseits mit gutem Beispiel voran gehen, kritisches Denken exemplifizieren und dazu ermutigen. Gleichzeitig sollen aus dem kritischen Mediendiskurs heraus ein Gemeinschaftsgedanke und ein Verantwortungsgedanke entstehen.

Wissenschaftsdiskurse Die Dispositivanalyse in der vorliegenden Arbeit sieht sich insbesondere mit der Herausforderung konfrontiert, Zusammenhänge und Relationen zwischen gesellschaftlichen Diskursen und akademischen Diskursen zur interkulturellen Kommunikation nachzuzeichnen, um so das Dispositiv in seiner Gesamtheit sichtbar zu machen. Eine diachrone Genese des Kulturbegriffs in den Wissenschaften soll an dieser Stelle nicht erneut geleistet werden. Es erscheint jedoch sinnvoll, den Wandel der Verwendung von Kulturbegriffen in den deutschsprachigen Wissenschaften gegenüber Theoriekonzepten in anderen Sprachen sowie gegenüber alternativen, konkurrierenden und substituierenden Begriffen im Blick zu bewahren. Bis in die Gegenwart häufig zitiert wird die Sammlung und Systematik unterschiedlicher Kulturbegriffe und -definitionen von Kroeber und Kluckhohn (1952). Während diese Referenz in den Einleitungen gegenwärtiger Fachtexte gern verwendet wird, um auf humoristische Weise vor der Herausforderung, für die eigene Arbeit zu einem sinnvollen Kulturverständnis zu kommen, zu kapitulieren (nämlich indem sich darüber lustig gemacht wird, dass Kroeber und Kluckhohn über 200 verschiedene Kulturdefinitionen gesammelt haben), muss bei genauerer Betrachtung eingestanden werden, dass Kroeber und Kluckhohn vor allem eine weit durchdachte und interdisziplinäre Systematisierung der unterschiedlichen Verständnisse vorgeschlagen haben, die sich als sehr zukunftsweisend herausstellen sollten. Bei aller Komplexität sehen jedoch auch Kroeber und Kluckhohn aus internationaler Perspektive die Ursprünge zeitgenössischer geläufiger Kulturverständnisse in der deutschsprachigen Philosophie begründet. Wenngleich die Auseinandersetzung mit Kultur in späteren Jahrzehnten auch in der angelsächsischen Welt auf großes Interesse gestoßen ist, kann vor dem Hintergrund dieser Verwurzelung doch die Frage aufgeworfen werden, ob es sich hier um einen Hinweis darauf handelt, dass der Kulturdiskurs primär ein deutschsprachiges Anliegen war und ist. Diese Vermutung würde zumindest die wesentliche Annahme bestätigen, dass ein Interesse an einer Auseinandersetzung mit

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Kultur immer nur auf der Grundlage bereits partikularer Vorstellungen davon erfolgen kann, was Kultur eigentlich ist. Alternativ halten zahlreiche Autoren (Rogers/Hart 2002; Rogers/Hart/Miike 2002) den US-amerikanischen Kulturanthropologen Edward T. Hall für den eigentlichen Begründer einer Erforschung interkultureller Kommunikation unter einer anwendungsorientierten Zielstellung und unter der Annahme eines erweiterten Kulturbegriffs, wie sie für die Forschung vielfach bis heute Gültigkeit behalten haben. Entgegen den europäischen Verortungsversuchen von Kroeber und Kluckhohn stellt Hall (1955) in seinen Schriften jedoch keinen Bezug zur deutschsprachigen Philosophie her. Gute wissenschaftliche Praxis befördert und unterstützt zudem strukturelle diskursive Mechanismen, die auch in Gesellschaftsdiskursen vorgefunden werden können: Zentrales Merkmal ist die Einordnung eigener Gedanken und Schlüsse in ein bereits bestehendes und übermächtiges Wissenschaftsdiskursgebäude. Mit eigenen Gedanken können einzelne Autoren sich diesem hegemonialen Diskurs kaum widersetzen, wenn sie selbst rezipiert werden wollen. Lediglich sehr geringe Innovationen und Abweichungen erscheinen angesichts dieses Diskursprinzips überhaupt möglich. Diese strukturelle Ähnlichkeit von Wissenschaftsdiskursen zu Gesellschaftsdiskursen, in denen Verständigung und interpersonale Interaktion sowie Akzeptanz ebenfalls primär durch die gemeinsame Bezugnahme auf bestehende Konventionen gewährleistet werden, lähmen die Wissenschaften, wenn es darum geht, die Gesellschaft im Rahmen einer kritischen Sozialforschung zu untersuchen. Diese Problematik wird insbesondere bei der Erforschung interkultureller Kommunikation sichtbar, da der Forschungsgegenstand auch innerhalb der Gesellschaft als wesentliches Diskursobjekt existiert, so dass zu einer wissenschaftlichen Erforschung zunächst eine Distanzschaffung und eine Emanzipation von diesem Begriffsverständnis erforderlich wäre. Allein die eigenen wissenschaftlichen Arbeitsregeln erschweren dies bereits erheblich. Das Dilemma einer allgemeinen Trägheit des Wissenschaftsdiskurses wird auch in wissenschaftlichen Publikationen gelegentlich thematisiert. So beklagt beispielsweise der Diskursforscher und Psychologe Michael Billig (1989) für sein Fach, dass die kognitive Psychologie aus seiner Sicht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Billigs minderoptimale Ergebnisse zeitige. Stattdessen hielte es Billig für vielversprechender, sich mit der antiken Rhetorik auseinanderzusetzen, um eine fruchtbare Grundlage für eine psychologische Forschung zu schaffen. Da das Wissenschaftssystem jedoch auf der Annahme einer permanenten diskursiven Weiterentwicklung beruhe, sieht Billig jedoch nur geringe Chancen für die Etablierung eines solchen, von ihm ersehnten Rückgriffs auf ältere Ansätze. Eine allgemeine Kritik an der Erstarrung wissenschaftlicher Diskurse durch starke interne Strukturierungen des Wissenschaftsbetriebs formulieren auch RosettiFerreira et al. (Rosetti-Ferreira/Amorim/Soares da Silva 1999). Für den Gegenstand interkultureller Kommunikation und seine Verortung sowohl in gesellschaftlichen als auch in akademischen Diskursen führt das zu einem permanenten Kreisschluss, der kaum durchbrochen werden kann, der jedoch strategisch im Sinne des Dispositivs interkultureller Kommunikation wirkt: Wie Koole und ten Thije (1994) bereits kritisch angemerkt hatten, herrscht in Gesellschaftsdiskursen ein problemorientiertes Verständnis von interkultureller Kommunikation vor. Aufgrund dieser Problematik be-

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stehe ein erheblicher Druck zu einer Suche nach Lösungen, die jedoch in akademischen Bereich meist unhinterfragt übernommen würden. Anstatt zu reflektieren, inwieweit überhaupt von Problemen gesprochen werden kann, bzw. ob es auch unproblematische oder zuträgliche Aspekte angesichts der Thematik geben könnte, wird die reine Problemorientierung von der Forschung meist unhinterfragt übernommen. Wie sehr wissenschaftliche Forschungsanstrengungen lückenlos an gesellschaftliche Bedarfe anknüpfen sollen, zeigt sich vielfach bereits an den Benennungen und Bezeichnungen entsprechender Arbeitsstellen, deren Titel bereits die gesellschaftlich empfundenen Problemorientierungen übernehmen und inkorporieren. So unterhält beispielsweise das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) eine eigene Arbeitsstelle für interkulturelle Konflikte und gesellschaftliche Integration (Hewstone 2004). Die Bezeichnung dieser Arbeitsstelle vereint beispielhaft auf kleinstem Raum Problemwahrnehmung und normative Zielvorgabe – und läuft Gefahr, beides unreflektiert zu vermischen. Hewstone, der diese normative Orientierung kritisch sieht, formuliert seinerseits bereits Verbesserungsvorschläge. Dabei geht er aufgrund der Widerlegung der Kontakthypothese durch zahlreiche sozialpsychologische Studien, in denen gezeigt wird, welche ausschließlich negativen Reaktionsformen in westeuropäischen Mehrheitsbevölkerungen gegenüber Migrantengruppen zu beobachten sind, davon aus, dass aus der Gesellschaft heraus an die Wissenschaften mit nichts anderem als problemorientierten und abwehrenden Haltungen zu rechnen sei. Hewstone sieht gerade deshalb bereits eine Verantwortung und eine Herausforderung für die Wissenschaften darin, gegenüber den gesellschaftlichen Kategorien alternative Kategorisierungen zu erschließen, die bestenfalls kulturübergreifend und vergemeinschaftend wirken sollten. Solche alternativen Kategorien könnten sich des Weiteren in Form von quer zu den bisherigen Strukturen liegenden Identitäten etablieren. Auch andere Autoren haben bereits die Stärkung alternativer und querliegender Identitätskategorien gefordert, die vielmals in Gesellschaften sogar bereits angelegt seien und betont werden müssten (Hansen 2000b). Aus dispositivtheoretischer Sicht müsste jedoch erkannt werden, dass solche Ideen sich wohl meist mit dem Status eines Plädoyers abfinden müssen und dass eine Ignorierung oder Überwindung der Strategien und des Dispositivs interkultureller Kommunikation strukturell nicht möglich ist. Auch Versuche der Negierung und Substituierung mündeten demnach gerade angesichts ihrer Anstrengungen in einer eigentlichen Bestärkung dessen, was sie negieren wollen. Alternativ aussichtsreich erscheinen angesichts des Dispositivs demgegenüber vielmehr verstärkte Anregungen zur Reflexion und zur Bewusstmachung von Wirkweisen von Dispositiven in der Gesellschaft. Neben dieser allgemeinen Problemorientierung entpuppen sich zahlreiche Forschungsansätze und Untersuchungsgegenstände als kulturspezifische Konstruktionen. Häufig zeigt sich, dass Forschungsgegenstände in den akademischen Bemühungen unterschiedlicher Staaten und in unterschiedlichen Sprachen auch auf verschiedene Weise erfasst werden: Teilweise werden Aspekte aus einer anderen Perspektive gesehen, anders gewichtet und interpretiert, teilweise sind sogar ganze Themenbereiche in jeweils anderen Wissenschaftskulturen gar nicht existent, bzw. werden von einer anderen Disziplin oder unter einer anderen Bezeichnung bearbeitet. Auch für den Forschungsbereich interkultureller Kommunikation lassen sich solche Divergenzen vielfach feststellen, wenngleich sie bislang noch kaum systematisch

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untersucht worden sind. Haas (2009) zeigt auf, dass die Bearbeitung interkultureller Fragestellungen in Europa und in den USA beispielsweise primär je von zwei unterschiedlichen Disziplinen bestritten wird. Diachron lässt sich dabei eine Migration des Themengegenstands durch unterschiedliche Bereiche nachzeichnen, an deren Ende sich in den USA gegenwärtig vorrangig Sozialpsychologen mit interkultureller Kommunikation auseinandersetzen, wohingegen in Europa vielfach qualitative Sozialforscher und Sprachwissenschaftler an der Thematik arbeiten. Neben der unterschiedlichen disziplinären Verortung antworten die jeweiligen Wissenschaftsbereiche immer auch auf kontextspezifische Problemerfahrungen, die sich in den USA und Europa für den Arbeitsbereich interkultureller Kommunikation ebenfalls unterscheiden. So ist die US-amerikanische Interkulturalitätserfahrung unter anderem wesentlich durch die innergesellschaftlichen Rassenkonflikte geprägt (Marsella 2005). Im bundesdeutschen Diskurs um interkulturelle Kommunikation stehen demgegenüber vielfach die örtlichen Migrationserfahrungen im Vordergrund (Eder/Rauer/ Schmidtke 2004). Darüber hinaus wird interkulturelle Kompetenz vielfach als ein allgemein einzuforderndes Bildungsziel verstanden, an dessen pädagogischer Orientierung gearbeitet werden könne (Knapp-Potthoff 1997). Nicht zuletzt scheint insbesondere die sprachlich-kommunikative Hürde im Kulturkontakt eine wesentliche Faszination auf die sprachwissenschaftliche Forschung auszuüben (Knapp 2004). Dennoch scheint ein Wissen über die unterschiedlichen Forschungstraditionen auch in einem Themenfeld wie dem der interkulturellen Kommunikation, dessen eigenes Arbeitsfeld gerade kulturelle Differenzen dieser Art sind, nicht dazu zu führen, dass fortan ein konstruktiver kulturübergreifender Austausch über die unterschiedlichen Sichtweisen geführt wird. Liamputtong (2010) liefert hierzu ein international vertriebenes Lehrbuch, das auf Besonderheiten und Interferenzen in Forschungsarbeiten in interkulturellen Kontexten hinweisen will. Trotz dieser expliziten Bemühung zum kulturübergreifenden Austausch bleibt die Verfasserin jedoch im Referieren westlich-kultureller Vorstellungen von dem Problemgehalt interkultureller Kommunikation gefangen.

D ISKURSANALYSEN VON Ü BERGANGSZONEN IM K REISLAUFMODELL Wenngleich das in dieser Studie vorgestellte Kreislaufmodell aus medienvermittelter und interpersonaler Kommunikation aus den Cultural Studies dazu dienen sollte, Orte und Stellen aufzuzeigen, in denen das Dispositiv interkultureller Kommunikation weitere und zusätzliche gesellschaftliche Bereiche penetrieren kann, haben die bisherigen Ausführungen zu den einzelnen Bereichen und Feldern des Kreislaufs gezeigt, dass Austauschprozesse inhaltlicher Art zwischen den Bereichen im Grunde sehr gering ausfallen. Ansichten, Haltungen und Meinungen, die mit dem Dispositiv interkultureller Kommunikation in thematischer Verbindung stehen, verändern sich durch eine Partizipation im medial-interpersonalen Kommunikationskreislauf kaum, sondern werden tendenziell lediglich bestärkt. Entsprechend kann offenbar eher von einer verfestigenden Wirkung des Dispositivs auch zwischen diesen Kommunikationszonen ausgegangen werden. Um diese Annahme weiter und genauer überprüfen zu

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können, sollen im Folgenden zusätzlich Studien gesichtet werden, die sich explizit mit den Übergangszonen zwischen unterschiedlichen Feldern im Kommunikationskreislaufmodell beschäftigen.

Interpersonale Kommunikation rezipiert Medienkommunikation In der gesamten Medienwirkungsforschung finden sich zahllose Studien zu der Frage, ob und wie sich der Konsum massenmedialer Kommunikation auf interpersonale Kommunikation auswirkt. Dabei fallen jedoch die Stichhaltigkeit des Nachweises und die qualitative Präzision dieses Nachweises oftmals sehr unterschiedlich aus. Diese qualitativen Mängel resultieren vielfach schlicht aus der Tatsache, das ein überwiegender Teil der Medienwirkungsforschung auf quantitativen Studien beruht. Hierzu seien im Folgenden nur wenige Beispiele diskutiert. Jaeho Cho (2005) zeigt mit Hilfe einer quantitativen Erhebung im Vorfeld der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000, dass Wähler, die viel fernsehen, sich bei ihrer Wahlentscheidung eher von den medial vermittelten persönlichen Images der Präsidentschaftskandidaten anstelle von deren politischen Programmen leiten ließen als Wähler, die ein geringeres Medienkonsumverhalten aufwiesen. Hiermit wird die personalisierende Funktion massenmedialer und audiovisueller Kommunikation gegenüber textbasierten Medien herausgestellt. Wenngleich Cho damit keine inhaltlichen Aussagen über die Interdependenz medialer und interpersonaler Kommunikation macht, so lassen sich aus seinen basalen und nicht überraschenden Ergebnissen jedoch Rückschlüsse auf die Funktion des Dispositivs interkultureller Kommunikation ziehen. Demnach werden dispositive Strukturen in erheblichem Maße von Machtungleichgewichten geprägt, die von hegemonialen Gruppen und Subjekten initiiert und aufrechterhalten werden. Quantitativ nachzeichnen lässt sich auch die verstärkende Wirkung medialer Kommunikation auf bereits bestehende alltagsweltliche Strukturen. So trägt Medienkommunikation beispielsweise zu einer Verstärkung bestehender Grenzziehungen zwischen sozialen Gruppen im gesellschaftlichen Leben bei, so dass auf diese Weise die Gefahr von Konflikteskalationen erhöht wird. Anastasio, Rose und Chapman sprechen hier vom »divisive coverage effect« (Anastasio/Rose/Chapman 2005). In einer quantitativen Studie unter Studierenden in Griechenland konnten sie zeigen, dass Medieninhalte, die in nonfiktionaler Berichterstattung eine klare und eindeutige Gruppenspaltung kommunizierten (divisive coverage), ihre Rezipienten dazu veranlassten, sich in ihrem realen Umfeld ebenfalls für die besagte Gruppentrennung auszusprechen. Studierende, die eine uneindeutige und ambivalente Berichterstattung über die gleiche Grenzziehung rezipiert hatten, sprachen sich auch im realen Leben seltener für eine Trennung aus. Im Hinblick auf das Dispositiv interkultureller Kommunikation kann aus diesen Beobachtungen geschlossen werden, dass Medienkommunikation eher eine verstärkende Wirkung auf bestehende gesellschaftliche Strukturen und weniger eine verändernde Kraft beiträgt. Entsprechend kann erwartet werden, dass das Dispositiv durch mediale Kommunikation nicht verändert, aber verstärkt wird. Diese Erkenntnisse werden auch Studien in der Rassismusforschung zugrunde gelegt. Am Beispiel des niederländischen Arbeitsmarkts zeichnet Siebers (2010) Pa-

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rallelen zwischen einem rassistisch-ethnisch separierenden Mediendiskurs und den Einstellungschancen für Migranten nach. Siebers zufolge habe sich in den Niederlanden seit der Jahrtausendwende ein ausländerfeindlicher Mediendiskurs entwickelt, der sich auch in einer erhöhten Schwierigkeit für Migranten niederschlage, eine angemessene Arbeitsstelle zu finden. Letztlich bleibt Siebers jedoch den Nachweis für eine tatsächliche Verbindung zwischen Mediendiskurs und Arbeitsmarktstruktur schuldig. Lediglich eine Parallele zwischen den beiden Entwicklungen kann festgemacht werden. Demnach ist die Studie von Siebers ein aussagekräftiges Beispiel für das Einwirken dispositiver Strukturen in den Wissenschaftsdiskurs hinein. Hier wird es möglich, von einem Zusammenhang zwischen medialem und interpersonalem rassistischem Verhalten auszugehen, ohne dies noch gesondert nachweisen zu müssen. Der US-amerikanische Kulturanthropologe stellt sich jedoch gegen die simplifizierenden Annahmen der Medienwirkungsforschung und sieht stattdessen auch qualitative Interdependenzen zwischen medialer und interpersonaler Kommunikation. Vielmehr geht Appadurai davon aus, dass das gesamte westliche Bild einer globalisierten Welt größtenteils qua elektronischer Medienkommunikation überhaupt erst geschaffen wurde. Appadurai (1996: 3) basiert die Überlegungen in seiner Monographie Modernity at Large zur gesellschaftlichen Konstruktion von Kultur und interkulturellen Beziehungen auf der Annahme, dass insbesondere die beiden Faktoren einer veränderten Medienlandschaft sowie einer Veränderung und einer pervasiven Zunahme von Migrationsbewegungen die gegenwärtige Situation gestalten. Im Hinblick auf die Veränderung der Medienkommunikation zielt Appadurai, der seine Studie schließlich bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahre verfasst hat, primär auf die Unterscheidung zwischen herkömmlichen und elektronischen Medien ab. Er kontrastiert demnach Printmedien mit audiovisuellen Medien wie Radio und Fernsehen sowie mit deren bis dato permanent angestiegenem Konsum. Appadurai betont jedoch, dass es sich dabei nicht nur um eine quantitative Zunahme der Medienkommunikation und ihrem Einfluss auf die Gestaltung kulturübergreifender Beziehungen handelt, sondern dass es auch um eine qualitative und strukturelle Veränderung geht. Appadurai zufolge haben die elektronischen Medien selbst völlig neue gesellschaftliche Bereiche und Distinktionen erst geschaffen. So gehe Medienkonsum, wie beispielsweise das exklusive Umfeld der Kinofilmproduktion mit der Schaffung neuer, abgegrenzter Welten einher, die neue soziale Ungleichheiten generiere. Gleichzeitig eröffneten audiovisuelle Medien die Möglichkeit einer Konstruktion subjektiver Räume seitens der Medienrezipienten, die deutlich weitreichender und einflussreicher seien als die Imaginationsräume, die sich allein auf der Grundlage des Konsums nicht-elektronischer Medien eröffneten. Insgesamt zielt Appadurai darauf ab, dass die Imagination und die Konstruktion globalisierter Welten sowie die damit einhergehende determinierende und normierende Gestaltung erst durch ihre Genese innerhalb pervasiv eingesetzter elektronischer Medienkommunikation möglich werde, wie sie in der westlichen Welt und zunehmend auch global vorgefunden werden könne. Diese Annahmen Appadurais werden in den kritisch-literaturwissenschaftlich und qualitativ orientierten Cultural Studies bereits sehr viel früher und ausschließlich vertreten, wenngleich sich die Cultural Studies einem Verständnis interkultureller Kommunikation und einer damit einher gehenden Problematik erst sehr spät in Form einer kritischen Rassismusforschung zugewandt haben. So leitet beispielsweise King (2009) eine Themenausgabe der Zeitschrift Cultural Studies - Critical Methodologies

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ein, in der Interrelationen zwischen Medienproduktion, Medienkonsum und der Genese rassistischer Haltungen und Einstellungen unter Kindern untersucht werden. Aus dieser Sicht kann davon ausgegangen werden, dass wesentliche Bestandteile subjektiver Konstruktionen von Kultur und die damit verbundene und erzwungene Teilhabe am Dispositiv interkultureller Kommunikation massenmedial vermittelt vollzogen werden und nur so vollzogen werden können.

Medienkommunikation rezipiert Gesellschaftskommunikation Während der im vorangegangenen Abschnitt skizzierte Informationsfluss von massenmedialer zu interpersonaler Kommunikation nicht zuletzt in Form der gut etablierten Medienwirkungsforschung die Flussrichtung repräsentiert, die bislang die weitaus größte Aufmerksamkeit erhalten hat, geht das Kreislaufmodell zu interpersonaler und medialer Kommunikation aus den Cultural Studies doch auch davon aus, dass die Produktion medienvermittelter Kommunikation nur auf der Grundlage einer Teilhabe an interpersonaler gesellschaftlicher Kommunikation geleistet werden kann. Besonders offenkundig werden solche Übernahmen gesellschaftlicher Diskurse in die Medienkommunikation sicherlich in nonfiktionalen Genres wie den unterschiedlichen Formen einer Nachrichtenberichterstattung, in der es darum geht, journalistische Beobachtungen der Gesellschaft medial zu verfassen und wiederzugeben. Am Beispiel von Sportberichterstattungen zeigt hierzu Younghan Cho (2009), wie Alltagsnationalismen und -rassismen aufgegriffen und ungefiltert reproduziert werden. Angstszenarien im Kontext von Migrationsbewegungen nach Deutschland sind in der Medienberichterstattung nach der Jahrtausendwende trotz stetiger Reflexion und Bemühungen der interkulturellen Öffnung in den Medien sogar noch salonfähiger geworden als bereits bis dato. Unter dem rhetorischen Deckmantel aus politischer Korrektheit und Empörung gegenüber vermeintlich konservativen Haltungen schaffen es unter anderem Nachrichtenmagazine wie der Spiegel immer häufiger, Reportagen aus Migrationsmilieus in Deutschland zu boulevardisieren und zu skandalisieren. Berichtet wird dabei vorzugweise über Großstadtviertel, die für ihren hohen Anteil an Bewohnern mit Migrationshintergrund bekannt sind, wie beispielsweise Berlin-Neukölln (Gamerschlag/Klußmann/Piper 1997; Ataman 2007; Ataman 2008; Keilani 2012; Wagner 2012). Beliebt sind in diesem Kontext Berichterstattungen über jegliche Aspekte, mit denen der Leserschaft suggeriert werden kann, dass sich in Deutschland im entsprechenden Diskurs als solche bezeichnete Parallelgesellschaften entwickeln, die die bundesdeutsche Mehrheit nicht mehr unter Kontrolle hat. Mit Berichten dieser Art mag ein Gruselszenario generiert werden, angesichts dessen sich die Leser erfreuen können, weil sie selbst nicht in einem solchen Großstadtbezirk leben. Doch auch die bundesdeutsche Provinz bleibt von der inszenierten Bedrohung nicht verschont. Artikel, die auch im 21. Jahrhundert noch die Ansiedelung von Menschen mit Migrationshintergrund in ländlichen Gegenden Deutschlands skandalisieren (Kistner 2012), machen damit implizit deutlich, wie sehr die Medienberichterstattung die Vorstellung einer weiterhin größtenteils kulturell homogenen deutschen Gesellschaft pflegt und untermauert. Anstelle einer Reflexion diskursiver Prozesse, mit deren Hilfe das Dispositiv interkultureller Kommunikation reproduziert

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wird, wird angesichts dieser Berichterstattung deutlich, dass Medienkommunikation trotz gelegentlicher gesellschaftlicher Aufrufe zu einer solchen Reflexion auch weiterhin ungehindert das Dispositiv stärken kann. Zusätzliche Beiträge zum Dispositiv interkultureller Kommunikation entstehen Polson und Kahle (2010) zufolge dadurch, dass die Medienberichterstattung häufig dazu tendiert, aufgegriffene Phänomene als kulturrelevant oder nationalspezifisch zu rahmen, die bei näherer Betrachtung im Grunde transnational eingeordnet werden müssten. Auf diese Weise werden dem Dispositiv interkultureller Kommunikation neue und weitere inhaltliche Diskursfelder zugetragen, so dass es insgesamt zu einer Stärkung und Ausweitung des Dispositivs kommt. Eine argumentative Grundlage hierzu bietet auch in Zeiten einer diskursiven Globalisierung die Konstruktion nationaler Grenzziehungen, deren Vorstellung auf diese Weise zementiert und bestärkt wird. Ha (2009) merkt dabei an, dass insbesondere in der Medienberichterstattung eine beliebige Verwendung und Vermischung der Bedeutungsfelder der Vorsilben von cross, trans und hybrid gepflegt wird (Schmidt 2011), was zu einer zusätzlichen Homogenisierung des Themenfelds interkultureller Kommunikation als einem diffusen Problemfeld beiträgt, für das keine ernsthaften Lösungen erwartet werden können, so dass Versuche einer Systematisierung ohnehin wirkungslos blieben.

Gesellschaftliche Kommunikation rezipiert Wissenschaftsdiskurse Wenn Gesellschaften Wissenschaften ausgründen und sie mit der Beantwortung von als dringlich wahrgenommenen Fragestellungen beauftragen, ist ein Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Gesellschaft systemimmanent angelegt, erwünscht und letztendlich die einzige Legitimationsgrundlage wissenschaftlicher Unternehmungen überhaupt. Dennoch stellt der Transfer von Wissen aus Wissenschaftsdiskursen in Gesellschaftsdiskurse hinein eine Grenzüberschreitung zwischen zwei distinkten diskursiven Bereichen dar, in denen unterschiedliche kommunikative Regeln und Konventionen gelten. Zugleich kann angesichts der Annahme eines Dispositivs interkultureller Kommunikation damit gerechnet werden, dass die damit einhergehenden dispositiven Strategien aufrechterhalten bleiben, bzw. durch den Transfer sogar eine Verstärkung erfahren. Die Erforschung von Prozessen des Wissenstransfers aus den Wissenschaften in die Gesellschaft und in relevante Anwendungsfelder ist Gegenstand einer eigenen akademischen Disziplin, die damit einhergehende Fragestellungen vielfach problematisiert und diskutiert hat. Wagner (2007) fasst hier zusammen, dass Laien häufig ein vereinfachtes Verständnis wissenschaftlicher Zusammenhänge haben, das meist auf Metaphern aufbaut und wissenschaftlich sogar häufig falsch ist. Wagner hält dieses Verständnis für ausreichend und auch sinnvoll, solange auf diese Weise Individuen adäquate Handlungsentscheidungsmuster bereitgestellt werden. Aus dispositivtheoretischer Sicht darf hier präzisierend hinzugefügt werden, dass die von Wagner angesprochenen Handlungsentscheidungsmuster genau dann von den Beteiligen als adäquat eingeschätzt werden, wenn mit ihnen Strategien des Dispositivs vollzogen und bestärkt werden können.

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Noch bestätigender wirkt in diesem Zusammenhang die Studie von Knudsen (2005), die die Verwendung von Metaphern in Wissenschaftskommunikation und in populärwissenschaftlicher Kommunikation untersucht. Am Beispiel der Metapher des genetischen Codes zeigt Knudsen, wie die Metapher bereits im wissenschaftlichen Diskurs entsteht, wie sie dort den eigentlichen Gegenstand formt und wie die Metapher später in wissenschaftsjournalistischen Texten und im Rahmen eines Wissenstransfers in die Gesellschaft verwendet wird. Knudsen fokussiert dabei jedoch ausschließlich die Metapher selbst, von der die Autorin feststellt, dass sie einem permanenten Wandel unterworfen und in ihrer Bedeutung keineswegs fixiert ist. Gegenseitige Auswirkungen und unreflektierte Beeinflussungen zwischen Wissenschafts- und Gesellschaftskommunikation kommen bei Knudsen gar nicht in den Blick. Kyvik (2005) stellt heraus, dass insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein erheblicher Anteil des Wissenstransfers in die Gesellschaft von den ausführenden Wissenschaftlern selbst geleistet wird, indem sie überdurchschnittlich viele populärwissenschaftliche Artikel über ihre eigene Arbeit schreiben. Zusätzlich merkt Kyvik an, dass dieser Wissenstransfer jedoch zu einem wesentlichen Großteil von sehr wenigen Einzelpersonen geleistet wird, die in der Regel an ihrem eigenen Standort überdurchschnittliche wissenschaftliche Erfolge einfahren. Kyvik sieht in dieser Publikationstätigkeit und in den Formen des Umgangs mit ihr eine wesentliche Verantwortung der Wissenschaften gegenüber der Gesellschaft. Das Ausmaß stattfindenden Wissenstransfers aus der Wissenschaft in die Gesellschaft wird in den Debatten um die Thematik meist als zu gering bemängelt: Wissenstransfere finden vielfach gar nicht statt, bzw. werden nicht so gelenkt, dass sie potentielle Profiteure auch wirklich zügig und ohne Hürden erreichen. Entsprechend strengen unterschiedliche Institutionen immer wieder unterstützende Maßnahmen an, um einen gezielten Wissenstransfer zu fördern. Leydesdorff und Ward (2005) berichten beispielsweise vom Format so genannter science shops, die in den Niederlanden entwickelt und später von der Europäischen Kommission europaweit gefördert wurden. In diesen Formaten können Individuen, Gruppen und Institutionen aus der Gesellschaft direkt Fragen an die Wissenschaften richten und konkrete Antworten erwarten. Im Lichte des Dispositivs interkultureller Kommunikation muss hier befürchtet werden, dass derartige Versuche, die Schwelle zwischen Wissenschafts- und Gesellschaftskommunikation abzubauen, eher zu einer barrierefreien Ausbreitung des Dispositivs in den Diskursen beider Bereiche als zu einer Reflektionsleistung der Wissenschaften gegenüber der Gesellschaft beitragen werden. Gründe für die Seltenheit des Wissenstransfers sieht Davies (2008) insbesondere in entsprechenden Vorbehalten seitens der Wissenschaftler. Davies zufolge kann von Seiten der Wissenschaftler eine diskursive Konstruktion eines Verständnisses von Wissenstransfer ausgemacht werden, nach der letzterer aus unterschiedlichen Gründen für gefährlich gehalten wird: Zu groß sei die Gefahr, missverstanden zu werden. Darüber hinaus sehen viele Wissenschaftler Formen des Wissenstransfers vorrangig als unidirektionale Kommunikation, bei der sie etwas an die Gesellschaft abgeben, aber selbst nichts zurückbekommen, bei der sie also auch nicht in einen Diskurs treten. Aus dispositivtheoretischer Sicht erscheint diese Wahrnehmung aus Sicht der Wissenschaftler bezeichnend: Wenngleich eigentlich immer klar sein sollte, dass wissenschaftliche Bemühungen immer nur auf der Grundlage gesellschaftliche Be-

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darfe und Fragestellungen überhaupt ins Leben gerufen werden können, gerät diese Kommunikationsrichtung seitens der Wissenschaftler aus dem Blick. Vorgeworfen werden soll ihnen an dieser Stelle nicht ihre Ignoranz gegenüber gesellschaftlichen Interessen, sondern vielmehr aus dispositivtheoretischer Sicht, das Vergessen darüber, dass sie sich grundsätzlich innerhalb eines geschlossenen Kommunikationskreislaufs anstelle einer kommunikativen Einbahnstraße befinden. Erst durch diese Geschlossenheit, deren Überwindung auch den Wissenschaftlern – laut Davies wider ihres Wissens – nicht gelingt, sowie durch das Nichtwissen der Beteiligten darüber entsteht und erhält sich das Dispositiv. Wissen kann jedoch durchaus die Bereitschaft von Individuen zur Reflektion fördern und damit auch die Chance erhöhen, Dispositive zu erkennen und verantwortungsbewusste Umgangsformen mit ihnen zu entwickeln. So haben beispielsweise Allum et al. (2008) in einer breit angelegten und international durchgeführten Studie aufzeigen können, dass ein positiver Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Bildung und Wissen von Individuen und deren persönlicher und wertender Einstellung gegenüber Wissenschaft und Forschung besteht. Je mehr wissenschaftliches Wissen sich Laien aneignen, desto mehr steigt demnach auch ihre Akzeptanz von und Sympathie mit wissenschaftlicher Forschung. Allum et. al. bestätigen damit die geläufige Annahme, dass ein eigener Wissenszuwachs die Akzeptanz gegenüber Bildung und gegenüber einem weiteren Wissenserwerb steigert. Falk et al. (2007) bestätigen diese Annahme und fügen ihr den wesentlichen Hinweis hinzu, dass wissenschaftliches Wissen von Laien in der Regel in Eigeninitiative und auf der Grundlage persönlicher Motivation erworben wird. Eine grundlegende schulische Ausbildung dagegen habe auf den lebenslangen Wissenserwerb nur wenig Einfluss. Falk et al. unterstützen damit das Plädoyer für die Fruchtbarkeit einer permanenten Bemühung um eine Schaffung von Anreizen zum Wissenserwerb. Dennoch können auch Unterschiede in den Wissensbeständen akademischer Diskurse gegenüber interpersonalen Diskursen durchaus verallgemeinernd festgestellt werden. Erwartbar weist Blommaert (1991; 1998) darauf hin, dass ein wesentlicher Teil des gesellschaftlichen Alltagswissens über Aspekte interkultureller Kommunikation auch weiterhin auf einem essentialistischen und statischen Kulturverständnis aufbaue. Demgegenüber seien interaktionstheoretisch oder konstruktivistisch ausgerichtete Kulturverständnisse sowie darauf aufbauende Annahmen zu Prozessen interkultureller Kommunikation zwar zwischenzeitlich in den Wissenschaften etabliert, in das gesellschaftliche Allgemeinwissen von Laien hielte ein solcher Paradigmenwechsel jedoch kaum oder nur sehr verzögert Einzug. Auch diese Annahmen lassen sich in das Modell eines Dispositivs interkultureller Kommunikation durchaus einordnen: Wenngleich das Dispositiv intern recht wandlungsfähig ist und in der Lage ist, Paradigmenwechsel so zu verinnerlichen, dass die argumentative Struktur des Dispositivs erhalten bleiben kann, so verfügt das Dispositiv doch auch über interne Strategien, mit denen ein solcher Wandel aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden kann. Ein Beispiel hierfür mag die stark kulturalisierte Wissensbasis zum Gegenstand interkultureller Kommunikation in der Gesellschaft sein, die sich auch von Wissenschaftsdiskursen nur schwer modifizieren lässt.

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Internationale Politik rezipiert Wissenschaftsdiskurse Während die Wissenschaften sicherlich einen Informations-, Beratungs- und Bildungsauftrag gegenüber der sie tragenden Gesellschaft haben, können die Zielgruppen dieses Auftrags eventuell noch präziser differenziert werden. Im vorangegangenen Abschnitt wurde im Sinne des Kommunikationskreislaufmodells aus den Cultural Studies besprochen, auf welche Weise Wissenschaftsdiskurse auf Alltagsdiskurse in der Gesellschaft, insbesondere aber auf das Wissen von Individuen über interkulturelle Kommunikation einwirken. Neben dieser alltagsweltlichen Zielgruppe identifiziert die Forschung zum Wissenstransfer Bereiche der Politik sowie der Wirtschaft als wesentliche Empfängergruppen wissenschaftlicher Beratung, deren Beratungsprofil zudem spezifische Anwendungsanforderungen aufweist. Doch auch der Wissenstransfer aus den Wissenschaften in diese beiden Bereiche erfolgt keineswegs ungebremst und ohne Modifikationen, wie die in diesem Abschnitt referierten Studien exemplarisch für das Anwendungsfeld der internationalen Politik zeigen mögen. So stellen Luján und Todt (2007) auf der Grundlage einer quantitativen Umfrage in den USA heraus, dass große Teile der Bevölkerung die Ansicht teilen, dass sich Akteure im Feld der internationalen Politik zu unvorsichtig verhalten und dass sie sich stattdessen ausführlicher wissenschaftlich beraten lassen sollten. Kommt es dennoch zu einer Beratungsrelation oder zumindest zu einer Rezeption von Beratung, so stellt L’Hôte (2010) auf der Grundlage einer quantitativen und qualitativen Studie am Beispiel der britischen New Labour-Partei fest, dass der Gegenstand interkultureller Kommunikation seltener in dem Sinne in politisches Handeln und in Programme inkludiert wird, wie aus akademischer Sicht geraten sein mag. Stattdessen werde der Begriff für eigene Zwecke instrumentalisiert, wie L’Hôte am Beispiel des Phänomens der Globalisierung zeigt. Aspekte der Globalisierung werden ihrzufolge von der Politik dazu genutzt, die Verantwortung für das eigene Handeln zu verringern. Globalisierung werde somit nicht als eine Chance und als ein Handlungsfeld, sondern vielmehr als ein Faktor dargestellt, der zukünftige Prozesse unkontrollierbar und auf immer wieder unerwartbare Weisen beeinflusse und steuere. Aspekten der Globalisierung seien demnach sowohl die Gesellschaft als auch die politischen Akteure zu einem gewissen Grade schlicht ausgeliefert, woraus eine argumentative Handlungsentlastung für die politisch Verantwortlichen generiert wird. Wissenschaftliche Analysen politischen Handelns sind sicherlich ungezählt, entsprechend sei an dieser Stelle nur eine weitere Studie diskutiert, in der der Umgang mit Kulturverständnissen in politischen Kontexten aus akademischer Sicht beleuchtet wird. Am Beispiel des Nordirlandkonflikts zeichnet Andrew Finlay (2008) nach, dass sich in internationalen Friedensabkommen, wie beispielsweise dem Good Friday Agreement 1998, vielfach ein aus anthropologischer Sicht veralteter, essentialistischer Kulturbegriff wiederfindet. Dieser entspräche dem Alltagsverständnis zahlreicher an Konflikten betroffener sozialer Gruppen und treffe daher in Friedensabkommen auf vergleichsweise hohe Zustimmung. Finlay weist jedoch darauf hin, dass zahlreiche Optionen konstruktiven Zusammenlebens auf der Grundlage dieses festschreibenden Kulturverständnisses verschenkt werden. Würden stattdessen hybride Identitäten festgelegt, so würde beispielsweise für die Zukunft eine deutlich höhere Disposition zur grenzüberschreitenden Interaktion vorbereitet. Wie tief verwurzelt dieser konsoziative (Lijphart 1984) Kulturbegriff in der internationalen Politik ist, zeigt Finlay

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qua Verweis auf die Formulierung der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen 1948 (Finlay 2008: 282). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Bekerman (2002) bei seiner Analyse des Nahostkonflikts, in dessen Rahmen er ebenfalls der pervasiven Verwendung essentialistisch-statischer sowie ausschließender Kulturbegriffe in der Politik eine verheerende Wirkung zuschreibt. Um solche selbst geschaffenen Dilemmata zukünftig eher vermeiden zu können, plädiert der Philosoph Wolfgang Welsch (1992) mit seinem Konzept der Transkulturalität für die kulturpolitische Implementierung von Kulturverständnissen, die nicht-ausschließlich sind. Welsch zufolge könnten entsprechend viele Intergruppenkonflikte präventiv vermieden werden, wenn Gesellschaften ein Kulturverständnis verinnerlichen könnten, nach dem Mehrfachidentitäten und hybride Identitäten nicht nur möglich, sondern der Regelfall sind. Problembeschreibung und Lösungsvorschläge zeichnen jedoch auch in diesem Fall ein Szenario nach, das dem Dispositiv interkultureller Kommunikation durchaus entspricht: So werden Problemstellungen identifiziert, die von Beginn an als permanent eingeschätzt werden, und es werden Lösungsvorschläge unterbreitet, die auch zukünftig eine permanente Auseinandersetzung mit der Thematik sicherstellen, aber im Grunde von Beginn an keine Aussicht auf einen vollständigen Erfolg eröffnen wollen. Umgekehrt kann jedoch auch eine Motivation zur aktiven Gestaltung des Umgangs mit interkultureller Kommunikation seitens der internationalen Politik identifiziert werden. So referieren Dingwerth und Pattberg (2009) über internationale politische Organisationen und Instanzen, die aktiv gestaltend in internationale Beziehungen eingreifen und quasi im Sinne eines Eigenlebens internationale Regeln aufstellen. Im Gegensatz zu der zuvor referierten Studie von L’Hôte (2010) stellen Dingwerth und Pattberg aus wissenschaftlicher Sicht handelnde Akteure auf Seiten der politischen Praxis fest, aber auch sie unterstellen, ähnlich wie L’Hôte, den Akteuren ein unkontrollierbares Handeln. Entsprechend münden auch die Überlegungen von Dingwerth und Pattberg, dieses Mal aus wissenschaftlicher Sicht, in dem Fazit, dass Handlungen auf internationaler Ebene unvorhersehbar und unkontrollierbar sind. Auch dieses Fazit nährt das Dispositiv interkultureller Kommunikation. Dennoch werden von wissenschaftlicher Seite zumindest Forderungen an die internationale Politik formuliert. Rasmussen (2010) plädiert beispielsweise für eine rechtliche Kodifizierung der Pflicht zur Anerkennung und Toleranz gegenüber kultureller Diversität. Rasmussen versucht damit, eine Verzahnung von Wissenschaft und Politik im Hinblick auf Handlungsentscheidungen in interkulturellen Kontexten zu etablieren und zu zementieren. Würde dies gelingen, so wäre die Schwelle zwischen den beiden Diskursfeldern aus Wissenschaft und Politik abgesenkt, so dass das Dispositiv interkultureller Kommunikation wiederum barrierefrei gefestigt werden könnte. Gesellschaft stellt Forderungen an die Wissenschaft Nicht zuletzt sei in diesen Abschnitten jedoch auch noch einmal auf die bereits vielfach angesprochene Annahme verwiesen, dass wissenschaftliches Agieren in der Regel erst durch gesellschaftliche Problemerfahrungen evoziert wird. Wenngleich solche Interdependenzen jenseits dem offenkundigen Metier der Auftragsforschung nur selten transparent gemacht werden, sind sie doch bei genauerer Überlegung ubiquitär

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zu finden. Exemplarisch sei hierzu beispielsweise auf das theoretische Modell zur Beschreibung von Verständigungsprozessen in interkulturellen Kontaktsituationen hingewiesen, das die britische Verfasserin Alison Phipps (2007) selbst als Languaging bezeichnet. Phipps gestaltet hier ein Konzept, das von Prämissen und Problemkontexten ausgeht, die der Alltagswahrnehmung interkultureller Kommunikation abgeschaut sind und die demnach versuchen, unmittelbar auf gesellschaftliche Belange zu antworten. Phipps sucht nach Möglichkeiten insbesondere der selbständigen Verständigung in interkulturellen Kontaktsituationen, die sie an Kontexten aus dem Bereich des Tourismus vorführt. Touristische Kontexte als Zonen interkulturellen Kontakts werden dabei sowohl von gesellschaftlicher als auch von wissenschaftlicher Seite zunehmend als relevante Kontaktzonen interkulturellen Austauschs angesehen. Die Unmittelbarkeit gesellschaftlicher Einflüsse bis in die Gestaltung ganzer Disziplinen hinein wird von wissenschaftlicher Seite häufig aber auch als Gefahr wahrgenommen. Eine derartige, besondere Problematisierung gesellschaftlicher Einflüsse auf wissenschaftliche Forschung hat die US-amerikanische Kulturanthropologie in den beginnenden 90er Jahren erfahren. Richard Fox thematisiert in einer Tagungsdokumentation die Erfahrung, dass Norm- und Zielvorstellungen, aber auch zentrale Grundbegriffe der Anthropologie längst nicht mehr aus den Erkenntnissen der Forschung innerhalb des Fachs selbst generiert werden, sondern aus gesellschaftlichen und politischen Diskursen, bzw. benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen vorgegeben werden (Fox 1991b). Zentral versteht Fox auch die Problematisierung des Kulturverständnisses als einer Dichotomie zwischen westlicher und nichtwestlicher Kultur als gesellschaftspolitische Normvorgabe, der sich die Anthropologie beugen musste, die aber eigentlich nicht der anthropologischen Wahrnehmung entsprach. Letztere habe vormals vielmehr Interrelationen zwischen Individuen und Gruppen, bzw. Institutionen problematisiert (Fox 1991a). Zu dieser Aufsatzsammlung trägt unter anderen auch Abu-Lughod mit ihrem bekannten Plädoyer Writing against culture bei (Abu-Lughod 1991). Ihrzufolge müsse sich die Anthropologie insbesondere vom Kulturbegriff distanzieren, dessen soziale Normierung zwischenzeitlich so dominant geworden sei, dass es der Anthropologie nicht mehr gelingen könnte, den Kulturbegriff beizubehalten und ihn adäquat umzuformen. Darauf aufbauend schließt Borofsky (Borofsky et al. 2001) eine Debatte um eine angemessene Verwendung des Kulturbegriffs in der Anthropologie an. Diese unaufgelösten Unstimmigkeiten weisen einmal mehr auf die Präsenz des Dispositivs interkultureller Kommunikation hin, das zu einer verstetigten Auseinandersetzung zwingt.

K ULTUR

ALS

B EGRÜNDUNG

IN DEN

M EDIEN

Die Kategorie der Kultur dient insbesondere westlichen Gesellschaften vielfach als globales Begründungsmotiv für Problemstellungen jeder beliebigen Art. Diese universelle Einsetzbarkeit ist gleichzeitig charakteristischer Bestandteil des Dispositivs und trägt zu seiner Verfestigung bei. In der vorliegenden Studie wurde bereits herausgearbeitet, dass die Kategorie der Kultur häufig die Funktion übernommen hat, in der sozialwissenschaftlichen Forschung Interdependenzen zwischen einer Makround einer Mikro-Ebene in Form einer Black Box zu erklären. Doch darüber hinaus ist

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die Funktion von Kultur in gesellschaftlichen Kontexten sehr viel weitreichender formbar. Eine prozessuale Veränderung zeichnet sich hier jedoch im Bereich der Medienkommunikation ab. Während noch bis um die Jahrtausendwende Kultur als Begründungsmetapher eine pervasive Verwendung in der Medienberichterstattung erfahren hat, erwecken Recherchen den Eindruck, dass dieser Rückgriff auf Kultur in den Medien in ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende rückläufig zu sein scheint. Diese Entwicklung könnte auf eine Schwächung des Dispositivs interkultureller Kommunikation, aber auch auf dessen Wandel hindeuten: So wurden kulturalistische Begründungen in populärwissenschaftlichen Kommunikation und in den Medien noch in den 1990er Jahren auf sehr offensive und offensichtliche Weise in den Vordergrund geschoben. Nicht zuletzt hatte Huntington (1993) den Kampf der Kulturen angezettelt, und noch um die Jahrtausendwende legt er mit einer zusätzlichen Betonung der Rolle von Kultur im internationalen Weltgefüge nach (Harrison/Huntington 2000). Mit seinen allgemeinverständlichen Publikationen hatte Huntington über mehr als ein Jahrzehnt lang wesentlichen Einfluss auf die Diskurse um Kultur und interkulturelle Kommunikation ausgeübt. Gleichzeitig hat die Debatte um den Kampf der Kulturen insbesondere im europäischen Raum auch zahlreiche kritische Stimmen hervorgerufen, die sich gegen eine ubiquitäre Begründung weltpolitischer Bewegungen mit Hilfe kultureller Differenzen eingesetzt haben. Sicherlich lässt sich aus diesen Überlegungen nicht kausal begründen, warum Kultur zwischenzeitlich seltener in den Medien als offensichtliche Begründungsvariable eingesetzt wird. Verändert haben sich die diskursiven Formen des Umgangs mit der Thematik, was jedoch nicht bedeutet, dass das Kulturdispositiv selbst dadurch geschwächt worden wäre. Hervorgerufen haben Autoren wie Huntington vielmehr eine erhöhte Sensibilisierung im Sinne eines kritischeren Umgangs mit pauschalen kulturalistischen Begründungen. Sensibilisierungen erfordern aber grundsätzlich immer auch eine noch intensivere Auseinandersetzung mit und eine Aufmerksamkeit gegenüber dem Gegentand. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass dieser sensibilisierende Diskurs sicherlich vorrangig von einer bildungsnahen gesellschaftlichen Gruppe getragen wird, wohingegen Diskurse über Kultur in anderen gesellschaftlichen Bereichen davon unberührt bleiben. Eine weitere Vermutung bestünde darin, dass gesellschaftliche Diskurse um Kultur und interkulturelle Kommunikation in einer zeitlich zyklisch changierenden Weise zwischen häufiger und expliziter Thematisierung gegenüber einer impliziteren und verdeckteren Verwendung auftreten. Nach dieser Hypothese gingen entsprechende Diskurse im deutschsprachigen Raum nach einer Phase der expliziten Thematisierung in den 1990er Jahren und um die Jahrtausendwende im darauffolgenden Jahrzehnt in eine Phase des impliziten Thematisierens über. Folgt man dieser Annahme, so müsste jedoch auch davon ausgegangen werden, dass auf diese Phase wieder eine Zeit der expliziteren Thematisierung folgt, nicht aber dass das Dispositiv interkultureller Kommunikation selbst davon beeinträchtigt wäre. Diese Hypothese bestätigend zeichnet beispielsweise Michel Wieviorka (2003) die Entwicklung westlicher Gesellschaften seit dem Zweiten Weltkrieg sowie die zeitgleiche Entwicklung der Soziologie nach. Er zeigt dabei, dass Kultur in unterschiedlichen Epochen jeweils ein relevantes Thema war, und dass es auch andere Epochen gibt, in denen Kultur keine so zentrale Rolle eingeräumt wird. Dabei ist au-

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ßerdem zu berücksichtigen, dass unter Kultur während jeder einzelnen Konjunkturphase etwas unterschiedliches verstanden wird.

Beispiele für kulturalistische Begründungen in den Medien Trotz eines vermeintlichen Rückgangs der Verwendung explizit kulturalistischer Begründungen in der deutschsprachen massenmedialen Kommunikation erscheinen doch in guter Regelmäßigkeit immer wieder Themen auf der Agenda, deren Alleinstellungsmerkmal und Nachrichtenwert offenbar insbesondere oder zumindest prioritär in der kulturalistischen Begründung für das Ereignis liegt. So erscheinen vielfach beispielsweise die Debatten um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei gerade deshalb so medienwirksam zu sein, weil neben ökonomischen und politischen Aufnahmekriterien insbesondere darüber diskutiert werden darf, ob die Türkei nun eine europäische Kultur beherberge oder ob sie westeuropäischen Kulturen gegenüber deutlich fremder sei als so manche Nachbarkultur, so dass Ängste vor einem Scheitern von Kooperation und Verständigung geschürt werden können (Aissaoui 2007). Während sich die deutschsprachigen Räume selbst bislang dafür rühmen, dass in ihnen keine ethnokulturell motivierten No-go-Areas entstanden sind, fasziniert auch hier der medienvermittelte Blick aus der sicheren eigenen Warte in die entsprechend geschundenen Nachbarländer. Bestätigt wird dabei bei den deutschsprachigen Medienkonsumenten das Bewusstsein für eine eigene homogene und essentialistischstatische Kultur. In besonderer Weise sichtbar wurde dieses Phänomen beispielsweise bei der Berichterstattung über die immer wieder auftretenden sozialen Unruhen in den Pariser Vorstädten im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende. Als Begründungen für die Unruhen wurden vielfach soziale Ungleichgewichte und rassistische Tendenzen in der Gesellschaft genannt. Diese beiden Begründungen sind dabei noch so gewählt, dass für den Medienrezipienten gleichzeitig auch gangbare Lösungsvorschläge auf der Hand liegen. Weitaus gefährlicher klingt dagegen eine Begründung auf kulturellen Grundlagen, mit denen zugleich assoziiert würde, dass keine leichten Lösungen erhofft werden dürften. Befürchtungen dieser Art fußen auf einem Aspekt des Dispositivs interkultureller Kommunikation, zu dessen Festigung Huntington mit seinem vielbeachteten Modell sicherlich einen Beitrag geleistet hat. Bei vergleichbaren ethnokulturell motivierten Straftaten im deutschsprachigen Raum wird diese Begründung in der Medienberichterstattung demgegenüber als ungerechtfertigt und nicht tolerabel dargestellt. An die Stelle kulturalistischer Begründungen tritt in diesem Fall eine Kriminalisierung der Taten. Dies berichtet Luger (1994: 26) mit exemplarischen Verweisen auf Orte, an denen in den 1990er Jahren ausländerfeindlich motivierte Gewalt ausgeübt worden war, wie beispielsweise Hoyerswerda, Rostock, Mölln oder Solingen. Ähnlich fällt auch die Berichterstattung über die Verbrechen der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU im Jahr 2012 in Deutschland aus: Reflexionen über gesamtgesellschaftliche kulturalistische Tendenzen, die solche Taten begünstigen, finden zwar durchaus in den Medien selbst statt. Gleichzeitig wird in diesem Fall jedoch meist ein Tenor angeschlagen, der fremdenfeindliche Haltungen in breiteren Teilen der deutschen Gesellschaft höchstens im hypothetischen Rahmen vermutend auslotet. Dabei werden Autoren jedoch selten konkret. Stattdessen werden die Täter allgemein kriminalisiert und ihr Handeln ablehnend

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bewertet. Auch hier vollziehen die berichterstattenden Medien eine Kapitulation vor dem Dispositiv interkultureller Kommunikation, über das sie sich nicht einmal mehr in der Lage sehen, verantwortungsvoll zu berichten. Expliziter wird der separatistische Mediendiskurs dann, wenn auch zumindest ein Diskursfeld offen bleibt, zu dem sich Rezipienten Meinungen bilden können – und somit umso aktiver und partizipativer Beiträge zum Dispositiv interkultureller Kommunikation leisten können. Erkennbar wird dies beispielsweise im Fall von Berichterstattungen aus problematischen Migrationskontexten, angesichts denen es auch weiterhin als salonfähig gilt, Befürchtungen gegenüber der Herausbildung unkontrollierbarer Parallelgesellschaften sowie gegenüber Tendenzen der Überfremdung und einer Gefährdung der Imagination einer homogenen deutschen Mehrheitskultur zu äußern. Dies gilt für urbane Kontexte – hier wurde beispielsweise die Frage danach diskutiert, ob die RütliSchule in Berlin-Neukölln von zu vielen Schülern mit Migrationshintergrund besucht werde, diskutiert. Aber auch in ländlichen Bereichen lässt sich die Furcht vor einem zu hohen Anteil an Migranten in der Bevölkerung mit einem Verweis auf die vermeintliche Gefährdung der deutschen Kultur schüren (Kistner 2012). Hier wird Kultur häufig als das genannt, was geschützt werden muss. Dabei wird primär an die eigene, europäische Kultur gedacht. In der Berichterstattung über illegale Einwanderer nach Europa stehen entsprechend nicht überraschend Fragen der effektiven Grenzsicherung gegen Einwanderer insbesondere in Südeuropa zentral auf der Agenda (Carstens 2007). Diese ablehnenden Haltung – und die damit ebenfalls verbundene Teilhabe am Dispositiv interkultureller Kommunikation – lassen sich auch quantitativ belegen. So kann mit Meinungsumfragen von Marktforschungsinstituten erhoben werden, was die Konsumenten von Kultur halten. Luger referiert hierzu Beispiele aus Österreich, in denen die Befragten vor allem Ängste vor Fremdheit äußerten (Luger 1994: 28ff).

Konkrete Nachzeichnungen des Huntingtonschen Einflusses Angesichts der Huntingtonschen Studie konnte nicht nur der Autor eine kulturbezogene Furcht schüren und so das Dispositiv stärken. Auch seine Kritiker taten genau dies, indem sie vermeintlich umgekehrt argumentierten. Auch ihnenzufolge müsse nach der Publikation von Huntingtons Themen mit einer Furcht gelebt werden. Diese Furcht bestünde darin, dass mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung der Huntingtonschen Befürchtungen gerechnet werden müsse – das Dispositiv interkultureller Kommunikation lässt keinen Ausweg neben der intensiven Auseinandersetzung mit ihm. Um einen Nachweis über die Effekte Huntingtons zu führen, haben Bantimaroudis und Kampanellou (2007) die Verwendung von Kultur als Begründungsmotiv für den Kosovo-Krieg in den Tageszeitungen New York Times und Ta Nea, einer griechischen Zeitung, erforscht. Explizit beziehen sich die Autoren auf Huntingtons Studie The Clash of Civilizations (Huntington 1996). Dabei gehen sie grundsätzlich davon aus, dass derartige Publikationen dazu beitragen, dass auch die Medien derartige Theorien zur Begründung von Phänomenen einsetzen. Dennoch bleiben die Autoren einen klaren Nachweis für diesen unterstellten Kausalzusammenhang schuldig. Angesichts der mehr oder weniger omnipräsenten Debatte um Kultur und deren Aus-

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wirkungen erscheint ein Rückbezug auf eine einzelne Publikation, auch wenn sie viel beachtet worden ist, eher willkürlich. Zugleich versuchen sich die Autoren auch an einer methodischen Kritik gegenüber Huntington, die jedoch nicht tiefgreifend und auf die Huntingtonschen Punkte präzise genug eingehend gestaltet ist. Bantimaroudis und Kampanellou kritisieren und widerlegen zunächst Huntingtons Verständnis von Kultur, indem sie sich auf theoretische Annahmen und Kritiken von Edward Said (2001) sowie von Lisa Wedeen (2004) berufen. Beide Artikel diskutieren die Anschläge des 11. Septembers 2001 vor dem Hintergrund von Huntingtons Theorie. Eine theoretische Grundlage für die Beschreibung der medialen Umsetzung bietet hier die Media Framing Theory, gemäß der dazu tendiert wird, komplexe Phänomene in einen einfach verständlichen Rahmen zu packen – vgl. Bantimaroudis und Kampanellou (2007: 81-82) mit Bezug auf Entman (1993). Der zentrale Kritikpunkt der Autoren besteht in Huntingtons essentialistischem Kulturbegriff. Seine mediale Verbreitung halten die Autoren offenbar implizit für nicht förderlich, wenngleich sie diese normative Ausrichtung jedoch in ihrem Artikel an keiner Stelle explizit machen. Allein durch die Kritik der Autoren an der Theorie kann geschlossen werden, dass sie die mediale Verbreitung von Huntingtons Thesen verurteilen. Entsprechend gerinnt die normative Ausrichtung im Sinne einer Sozialkritik an Huntington zur alleinigen Motivation für die gesamte Studie. Es wird eingangs nicht offen gefragt, welcher Kulturbegriff medial transportiert wird. Die Autoren kodieren in ihrer Studie Interpretationen des Konflikts nach erwähnten kulturellen Konflikten sowie kulturellen Allianzen. Beide Kriterien leiten sie aus Huntingtons Theorie ab (Bantimaroudis/Kampanellou 2007: 84). Im Ergebnis stellen die Autoren mit Hilfe mehrerer Kreisdiagramme relativ lapidar dar, dass der Anteil kultureller Begründungen durchschnittlich immer ungefähr ein Drittel, im geringsten Fall jedoch zumindest ein Viertel aller Begründungen ausmacht (Bantimaroudis/Kampanellou 2007: 85-87). Dabei ist nicht in Erfahrung zu bringen, was diese kulturellen Begründungen (zumindest beispielsweise) beinhalten. Unklar bleibt auch, welche weiteren Formen der Begründung angeführt werden. Lediglich an einem Beispiel wird gezeigt, wie eine kulturelle Begründung aussehen könnte – und diese überzeugt als Beispiel kaum. Der Kosovo müsse mit Serbien verbunden bleiben, weil beide Regionen eine unteilbare Geschichte vereine: »Within the cultural conflict frame, the coders identified Milosevic’s nationalist plans for a greater Serbia, from which, according to the Serbian government, Kosovo constitutes an inseparable province because of its historical significance« (Bantimaroudis/Kampanellou 2007: 88).

Entsprechend zeigt sich, dass auch diese Begründungen, in denen kulturalistische Bezüge für die Austragung machtbasierter Konflikte instrumentalisiert werden, von den Autoren nicht reflektiert, bzw. dekonstruiert werden, so dass auch eine Kritik an kulturalistischen Rahmungen in jedem Fall dispositivverstärkend wirkt.

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Die Konstruktion von Permanenz im Dispositiv Neben den Inhalten des Dispositivs interkultureller Kommunikation erscheinen insbesondere Strategien von Interesse, die einen Kontext schaffen, in dem die Diskurse endlos perpetuiert werden können und dennoch nicht an Attraktivität gegenüber den Diskursteilnehmern einbüßen. Wie dies gelingt, kann Judith Butler zufolge, die das Phänomen erstmals für die Gender Studies sichtbar gemacht hat, nur aus einer wissenschaftlich reflektierenden Perspektive sichtbar gemacht werden: Versteht man Kultur als ein diskursives Konstrukt, so verhält es sich mit ihr wie mit der Konstruktion von Geschlecht nach Butler: Frühere Theorien gingen davon aus, dass das Geschlecht (von Natur) gegeben war, und dass darauf Diskurse aufbauten. Butler geht demgegenüber von einer umgekehrten Konstellation aus, nach der Geschlecht diskursiv konstruiert wird. Dennoch entstehe qua Materialisierung in diesen Konstrukten die Idee, Geschlecht sei von Natur gegeben. Ähnliche Prozesse lassen sich auch im Hinblick auf Kultur beobachten: Frühere Theorien gingen davon aus, dass Kultur gegeben sei. Spätere Theorien haben Kultur als Konstrukt entlarvt. Dabei wird angenommen, dass innerhalb dieser Konstruktion von Kultur die Idee der Gegebenheit von Kultur entsteht und enthalten ist. Prominente Beispiele für aktuelle Verfechter dieser Idee einer Gegebenheit von Kultur sieht Moosmüller beispielsweise die Theorie von Huntington. Moosmüller (2007b: 25) verweist außerdem auf Herzfeld (2001: 28), nach dem die Gegebenheit von Kultur außerhalb der Ethnologie gesellschaftsweit angenommen wird. Sie dominiert gesellschaftliche Diskurse und wird sogar in wissenschaftlichen Ansätzen propagiert, wie beispielsweise in den Wirtschaftswissenschaften. Einen noch weitreichenderen Schritt vollziehen laut Herzfeld (2001) nach Moosmüller (2007b: 25) Harrison und Huntington (2000) in ihrem von Moosmüller so bezeichneten »Culture Matters«-Ansatz. Kultur wird hier als Ursache für die Unterentwicklung oder die fehlgeschlagene Entwicklung von Gesellschaften angesehen. Daraus wird gefolgert, dass solche Gesellschaften von außen korrigiert werden müssten. Insbesondere dem Forschungsbereich interkultureller Kommunikation werfen beispielsweise Ethnologen gelegentlich vor, dass sie diesen Konstruktionscharakter ihres eigenen Forschungsgegenstands nicht weit genug berücksichtigen.2 Dennoch muss auch hier im Blick behalten werden, dass auch ethnologisch fundierte Kritik das Dispositiv nicht sprengt, sondern stützt.

2

»Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es vier Aspekte der Konzeptualisierung von Kultur gibt, in denen Ethnologen und Interkulturalisten unterschiedliche Positionen beziehen: (1) Ethnologen verstehen Kultur als Prozess, sie fragen nach dem Werden; für Interkulturalisten ist Kultur dagegen Gegebenes, sie fragen nach dem Wirken. (2) Reichweite und Abgrenzung der Kategorie Kultur: Ethnologen beschäftigen sich mit lokalen Kulturen, deren Reichweite eher gering ist und die sich nur unscharf von anderen Kulturen abgrenzen lassen; Interkulturalisten beschäftigen sich mit nationalen Kulturen, denen eine große Reichweite und eine scharfe Abgrenzung zu anderen (nationalen) Kulturen (mittels Staatsgrenzen) zugeschrieben wird. (3) Für Ethnologen ist ›Kultur‹ vor allem ein heuristisches Mittel, für Interkulturalisten dagegen vor allem eine reale, isolierbare Einheit, die sich wie bei Hofstede sogar messen lässt« (Moosmüller 2007b: 40).

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Alternative Begründungsmodelle neben der Diskurstheorie Wenngleich in der vorliegenden Studie diskurstheoretische Ansätze propagiert werden und dabei argumentiert wird, dass mit ihrer Hilfe eine höhere Reflektionsstufe über Forschungsideen im Bereich interkultureller Kommunikation geleistet werden kann, ist nicht bewiesen, dass es nicht auch andere Ansätze gibt, mit deren Hilfe dieses Ziel besser erreicht werden kann. Aus der Disziplin der Epidemiologie heraus fasst beispielsweise Aunger (1999) eine ganze Reihe von Schwächen einer bisherigen Kulturforschung zusammen, die grundsätzlich davon ausgeht, dass Kultur ein in einer Gemeinschaft geteiltes (faktisches oder normatives) Wissen darstellt. Ein bestimmtes Wissen ist dabei umso zentraler charakteristisch für eine Kultur, von je mehr Angehörigen einer relevanten Gruppe es geteilt wird. Aunger spricht daher auch von einem Kulturkonsens. Wenn dem so ist, so ist Kultur in diesem Sinne jedoch nicht empirisch valide erhebbar. Dafür gibt es mehrere Gründe: Eine Idealperson, die alle Charakteristika in sich vereint, wird nicht gefunden werden können. Abgesehen davon wird es kaum möglich sein, die Fülle eines Wissens, das zu einer Kultur gehört, in einer Person zu vereinen. Außerdem müssen am Ende Idealtypen im Weberschen Sinn von einer Kultur induziert werden, die jedoch letztendlich keinem einzelnen konkreten Individuum mehr entsprechen. Diese Problematik besteht unabhängig von der angewandten Methode (ob quantitativ und statistisch oder qualitativ und interpretierend). Letztendlich werden Kulturbegriffe geschaffen, die grundlegend von Prämissen der Forscher vorgeformt sind. Aunger schlägt daher vor, das Kriterium für das, was als kulturell gelten soll, zu verschieben. Anstelle der Annahme (möglichst breit) geteilten Wissens sei Kultur immer ein Wissen, was nicht von einem Individuum selbst generiert oder erfahren worden ist, sondern was von anderen Individuen übernommen, also erlernt worden ist. Wie diese Wissensverteilung vor sich geht, lässt sich dann statistisch beschreiben. Als Theorieverständnis legt ihr Aunger das epidemiologische Modell von Sperber zugrunde. Aungers Kritik an bisherigen Kulturverständnissen erscheint schlüssig, zutreffend und umfassend, und auch der im Text unterbreitete Lösungsvorschlag klingt plausibel, bzw. sogar realistisch. Anstelle des epidemiologischen Ansatzes könnte jedoch auch hier eine Annahme eines diskursiven Prozesses sinnvoller erscheinen. Auch Aunger deutet an einigen Stellen an, dass er im Grunde von Sedimentierungen und performativen Akten ausgeht,3 benennt dies aber am Ende nicht so.

3

»Second, the predominant justification for defining culture as shared belief is that it facilitates communication and hence serves as the backbone for social behavior. The underlying assumption is that people must share some degree of understanding if they are to communicate effectively with one another, if they are to participate in the same tasks [...]. However, what social interaction requires is not commonality of beliefs but general roleplaying abilities that lead, iteratively and mutually, to the creation and coordination of complementary expectations in particular social contexts« (Aunger 1999: S94).

Wie kann man trotzdem noch forschen? Überlegungen zu einer Neuorientierung

Interkulturelle Kommunikation wurde in den vorangegangenen Abschnitten als ein diskursiv konstruiertes Thema westlicher Gesellschaften dargestellt. Eingangsbeobachtungen und Überblicke über kritische Literatur gegenüber der Thematik interkultureller Kommunikation haben dabei deutlich gemacht, dass die Diskurse um den Gegenstand von zahlreichen Brüchen gekennzeichnet sind. Demnach ist letztendlich alles andere als klar, was unter interkultureller Kommunikation verstanden werden sollte, wie ethische Idealvorstellungen zum Verlauf interkultureller Kommunikation aussehen sollten, welche Mängel an gegenwärtigen Formen interkultureller Kommunikation festgestellt werden sollten, und mit welchen Mitteln und Wegen diesen Mängeln entgegengetreten werden sollte. Übrig bleibt ein von der Gesellschaft als relevant und wichtig eingestuftes Thema, das einer permanenten Berücksichtigung und Auseinandersetzung bedarf. Gleichzeitig scheint es beinahe schon offensichtlich, dass für diese selbst konstruierte Problematik kaum effektive und langfristige Lösungen in Sicht, bzw. zu erwarten sind. Vielmehr scheint die Permanenz der Thematik eines ihrer zentralen Charakteristika zu sein. Theoretisch fassbar gemacht wurden diese zahlreichen Einzelbeobachtungen mit Hilfe des Modells der Dispositive, das von Foucault eingeführt und später von zahlreichen Autoren angewendet und weiterentwickelt worden ist. Insbesondere am Beispiel des Rückgriffs auf die bereits vorliegenden Studien von Höhne (2000) zu den Dispositiven aus Fremdheit und Kultur wurden in den vorangegangenen Abschnitten Grundzüge eines anzunehmenden Dispositivs interkultureller Kommunikation nachgezeichnet. Demnach können die oberflächlich erkennbaren Brüche als Anzeichen dafür verstanden werden, dass die Auseinandersetzung mit der Thematik interkultureller Kommunikation eigentlich eine verdeckte Strategie ist, mit deren Hilfe ein hegemonialer Part einer Gesellschaft versucht, einen empfundenen sozialen Notstand zu bearbeiten. Dispositivanalysen sind entsprechend zunächst mit der Aufgabe konfrontiert, diesen eigentlichen Notstand rekonstruktiv zu identifizieren, was sich – auch mit Blick auf frühere Dispositivanalysen – als methodisch schwierig erweist. Letztere sehen sich meist damit konfrontiert, auf reine Mutmaßungen zurückzugreifen, und orientierten sich dabei an Foucaults ursprünglicher Deutung. Ihmzufolge sehen meist hegemoniale gesellschaftliche Mehrheiten die Machtstrukturen, die ihre Hegemoniestellung sichern, in Gefahr. Gleichzeitig sehen sie vor dem Hintergrund jeweils zeitgenössischer gesellschaftlicher Diskurse keine Möglichkeit, eine Macht-

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sicherung mit expliziten Argumentationen auf einer diskursiven Ebene zu betreiben. Im Sinne von Dispositiven werden stattdessen diskursive Strategien konstruiert, mit deren Hilfe der empfundene Notstand auf eine verdeckte und gesellschaftlich akzeptierte Weise behoben werden kann. Dabei sorgen die dispositiven Strukturen dafür, dass sich selbst gesellschaftliche Gruppen, die durch das Dispositiv und die von ihm wiederhergestellten Machtstrukturen benachteiligt sind, an der Verfestigung und Fortführung des Dispositivs beteiligen. Auch das Dispositiv interkultureller Kommunikation wurde in den vorangegangenen Abschnitten als Instrument zur Behebung eines gesellschaftlich empfundenen Notstands interpretiert, der in der Gefährdung hegemonialer Machtstrukturen gesehen wird. Welche Faktoren tatsächlich für diese empfundene Gefährdung verantwortlich sind, obliegt auch hier wiederum der Interpretation und Spekulation, doch selbst die Thematik interkultureller Kommunikation kann Hinweise auf Gefährdungspotentiale beinhalten. Geht man tatsächlich von Prozessen der Globalisierung und Internationalisierung aus, wie sie von westlichen Gesellschaften wahrgenommen und als faktisch existent vorausgesetzt werden, so können daraus Gefährdungen innergesellschaftlicher Machtstrukturen abgeleitet werden. Bedrohungspotentiale angesichts von Globalisierungsprozessen können jedoch in einem politischen Diskurs – nicht zuletzt gegenüber internationalen Nachbarn und Partnern – nicht explizit geltend gemacht werden. Strategien der expliziten Abgrenzung und Abschottung erscheinen unvereinbar mit gesellschaftlichen Idealen der Offenheit und der Dialogbereitschaft, aber auch mit vorherrschenden Orientierungen an Versuchen der Gewährleistung von demokratischen Strukturen und Chancengleichheit. Über lange Zeit erschienen rassistische Diskurse in westlichen Gesellschaften das probate und von einer Mehrheit akzeptierte Mittel, die erforderliche Abschottung gesellschaftlich durchzusetzen und umzusetzen, so dass die bedroht gesehenen Machtstrukturen gewahrt werden konnten. Schon frühere Autoren wie Balibar (1990), Stuart Hall (1994), Kuper (1999: 14) und Rao (2005: 355) hatten darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige Auseinandersetzung mit kultureller Differenz in Wissenschaft und Gesellschaft als Fortführung rassistischer Diskriminierungen unter neuem Vokabular verstanden werden könnten. Der Hinweis Foucaults auf die Existenz und die Funktionsweise von Dispositiven bestätigt die Annahme dieser Autoren und bietet eine Systematisierung zur Beschreibung und Einordnung der gesellschaftlichen Funktion solcher vermeintlich verschleierter Diskurse an. Ein besonderer Mehrwert der Dispositivanalyse in der vorliegenden Studie besteht dabei darin, dass der hier relevante Themenbereich interkultureller Kommunikation möglichst umfassend in all seinen Facetten und Schauplätzen sowie deren Verknüpfungen und Verbindungen untereinander in die Analyse mit einbezogen worden ist. Auf diese Weise lässt sich zeigen, dass nicht etwa innerhalb des Themenfeldes einzelne Aspekte gefunden werden können, die die Hypothese vom Dispositiv unterstützen. Vielmehr ist das Dispositiv qua Definition allumfassend, seine Existenz lässt sich in jedem einzelnen Aspekt des Themenfelds nachzeichnen. Umgekehrt kann geschlossen werden, dass es kein Diskurselement innerhalb des Gegenstands interkultureller Kommunikation in Wissenschafts-, Medien- und Alltagsdiskursen gibt, das auf strategische Weise zur Festigung des Dispositivs beiträgt, bzw. das einen anderen Zweck als die Unterstützung des Dispositivs erfüllt.

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Dispositivanalysen dieser Art gehen dekonstruktiv vor und zeitigen im Effekt auch eine ebensolche Wirkung. Im Ergebnis kann in wenigen Worten resümiert werden, dass interkulturelle Kommunikation als ein von westlichen Gesellschaften konstruiertes Diskursfeld verstanden werden kann. Dieses beinhaltet eine Problemkonstruktion, die innerhalb des Diskurses zwar immer existent und als dringlich empfunden wird, für die der Diskurs innerhalb des Dispositivs aber per se keine effektiven Lösungen entwickeln können wird. Ohnehin dient der Diskurs um interkulturelle Kommunikation aus dispositivtheoretischer Sicht gar nicht der Arbeit an Lösungen für die vorgefundenen Probleme, sondern der Linderung des dem Dispositiv zugrunde liegenden Notstands, bestehend aus einer Gefährdung innergesellschaftlicher Machtstrukturen. Konstruktive Lösungsvorschläge bleiben Dispositivanalysen meist schuldig. Sie sehen ihre Hauptaufgabe in der Durchführung der Analyse, eine Entwicklung von Lösungsvorschlägen bestünde bestenfalls in einem zweiten Schritt, der jedoch getrennt von der Analyse zu behandeln wäre, um diese keinesfalls zu verwässern oder durch weitere gesellschaftliche Normorientierungen zu verzerren. Für eine anwendungsorientierte Wissenschaft wie die Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation erscheinen solche rein analytischen Forschungsergebnisse als wenig zufriedenstellend, strebt die Disziplin doch nach Lösungsvorschlägen, die an die Gesellschaft zurückgegeben werden können. Diese Motivation entspringt nicht zuletzt dem Wissen um die eigentliche Gründungsmotivation und Legitimation der Disziplin selbst. Hier schließt sich ein argumentativer Kreis, dessen Existenz jedoch auch in der vorliegenden Studie an keiner Stelle bestritten oder angegriffen worden ist. Auch eine Studie wie die vorliegende Dispositivanalyse kann im Sinne der Definition von Dispositiven nicht dessen Transzendierung erbringen. Auch die vorliegende Studie einschließlich ihrer Dispositivanalyse muss demnach als unterstützender Beitrag zum Dispositiv selbst gesehen werden.

V ON

DER

A NALYSE

S UCHE M ODELLEN

ZUR

NACH KONSTRUKTIVEN

Wenn Wissenschaft ohnehin keine Dispositive transzendieren, sondern nur in ihnen agieren kann, dann stellt sich offenbar erneut die völlig grundlegende Frage nach Aufgaben und Funktionen wissenschaftlichen Arbeitens im Rahmen einer Gesellschaft. Zunächst spricht auch weiterhin nichts dagegen, bestmögliche Antworten auf Fragestellungen aus der Gesellschaft zu entwickeln und diese Antworten an die Gesellschaft zurückzugeben, auch wenn in dem dazu angestrengten Forschungsprozess deutlich wird, dass sowohl die Fragestellungen als auch die eigentliche Arbeit an der Entwicklung von Antworten von Dispositiven vorgegeben werden und nur deren strategische Oberfläche sind. Durch diese neue Erkenntnis im Forschungsprozess kann sich die Wissenschaft eine alternative oder zusätzliche Aufgabe auferlegen: Sie kann versuchen, das Dispositiv abzubauen, um sich anschließend davon unbeeinträchtigt der Beantwortung der gesellschaftlichen Fragestellungen zu widmen. Doch diese alternative Aufgabe kann qua Definition des Dispositivs nicht gelingen, es lässt sich nicht umgehen oder abschaffen.

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Denkbar wäre es jedoch, die Beantwortung der gesellschaftlichen Fragestellung konsequent in Form einer Dispositivanalyse durchzuführen, so dass zumindest die Einflüsse und die Strukturen des Dispositivs permanent im Blick bleiben. Geht man davon aus, dass der Problemgegenstand ohnehin außerhalb des Dispositivs gar nicht existent ist, dann würde man sich im Rahmen einer Dispositivanalyse lediglich mit den adäquaten Methoden mit dem Problemgegenstand auseinandersetzen. Im Detail stellen sich die Schritte einer solchen Überlegung folgendermaßen dar: Versucht man wirkliche Lösungen für das oberflächlich wahrgenommene Problem interkultureller Kommunikation zu finden, dann sollten sich diese Lösungen des Problems annehmen, ohne sich vom Dispositiv beeinflussen zu lassen, damit sie nicht selbst Gefahr laufen, aufgrund des Dispositivs im Lösungsprozess permanent stecken zu bleiben. Zuvor wurde jedoch im Rahmen dieser Studie bereits festgestellt, dass das Dispositiv nicht umgangen werden kann, es muss quasi zwangsweise immer mitgedacht werden. Entsprechend ist auch eine Annäherung an das Problem interkultureller Kommunikation unter Ignorierung des Dispositivs nicht möglich. Um dabei wenigstens verhindern zu können, dass die Arbeit an Lösungen aufgrund des Dispositivs interkultureller Kommunikation permanent ins Stocken gerät und so endlos verstetigt wird, erscheint es entsprechend zumindest sinnvoll, die Existenz des Dispositivs permanent mitzudenken. Vordergründig stellt diese Einsicht die Forschung vor ein Dilemma: Gesucht wird nach Wegen einer unmittelbaren Identifizierung und Beschreibung des Problemgegenstands, doch diesem Ansinnen stehen die Strukturen des Dispositivs gegenüber, durch das es auch der Forscherperspektive nicht gelingen kann, überhaupt selbst eine den Gegenstand transzendierende Sichtweise einzunehmen. Ein erster Versuch, diesem Dilemma wenigstens abschwächend zu begegnen, bestünde darin, nach Analyseformen zu suchen, die zumindest einen Einblick in den tatsächlichen Einfluss von Kultur auf soziales Handeln ermöglichen, ohne zuvor von normativen Einflüssen allzu sehr getrübt zu werden. Doch auch die Frage nach einem solchen Weg lässt sich nicht ungehindert beantworten, denn die Überlegungen dazu, was bei den Beobachtungen unter Kultur verstanden werden soll und was nicht, sind letztlich wiederum eine deliberative Entscheidung seitens der Forscher im Forschungsprozess. Auch diese Entscheidungen für ein Verständnis und eine Distinktion von Kultur müssen jedoch wieder als vom Dispositiv beeinflusst gesehen werden – unabhängig davon, ob dadurch dem Faktor Kultur jeweils ein größerer oder ein geringerer Einfluss eingeräumt wird. Trotz diesen theoretischen Hindernissen bleibt jedoch ein attraktiver und konstruktiver Weg offen: Möglich erscheint ein Herausgreifen unterschiedlicher Punkte im Prozess von interkulturellen Kontaktsituationen oder von Diskursen über interkulturelle Kommunikation, für die zumindest jeweils einzelne Punktanalysen angefertigt werden können, um herauszufinden, welchen Einfluss die jeweiligen Interaktanten und Kommunikationsteilnehmer – in interpersonaler oder medienvermittelter Kommunikation – dem Faktor Kultur in diesem einen Kontext zuschreiben. Auch angesichts dieser Punktanalysen ist klar, dass die von ihnen beobachteten Akteure immer nur das Dispositiv reproduzieren werden. Der zu beobachtende Einfluss von Kultur auf soziales Handeln zeigt sich demnach immer nur in dispositiver Form. Der Vorteil einzelner Punktanalysen gegenüber der bisherigen lediglichen Feststellung eines Dispositivs besteht jedoch darin, dass sich der Leser nicht damit abfinden muss, dass

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im Grunde der gesamte Diskursprozess vom Dispositiv beeinflusst ist. Stattdessen lassen sich punktuelle Wirkweisen fokussieren und differenziert darstellen. Der jeweils festgestellte Einfluss von Kultur auf den beobachteten Kontext bemisst sich hierbei ausschließlich daran, wie das Dispositiv gerade reproduziert wird. Punktanalysen dieser Art können quasi an jedem beliebigen Punkt im Diskurs über interkulturelle Kommunikation angesetzt und durchgeführt werden. Reguläre Studien zur interkulturellen Kommunikation stellen sich dabei meist als eine lange Kette von aneinandergereihten Punkten dar, an denen der Einfluss des Dispositivs einzeln beobachtet und interpretiert werden kann. Diese Kette lässt sich darüber hinaus als ein Kreislauf darstellen, der dem in der vorliegenden Studie bereits diskutierten Kommunikationskreislaufmodell aus den Cultural Studies ähnelt: Der Kreislauf enthält zunächst den Bereich des allgemeinen, gesellschaftlichen Diskurses, der medienvermittelt, interpersonal und auch auf wissenschaftlicher Ebene stattfindet. In diesem Diskurs werden normative Inhalte des Dispositivs interkultureller Kommunikation formuliert, transportiert und verbreitet. Exemplarische Einblicke in die Wirkweisen des Dispositivs auf diesen unterschiedlichen Ebenen wurden in den vorangegangenen Abschnitten bereits erbracht. Hier wurden diskurskritische Studien zum Umgang mit Kultur und interkultureller Kommunikation in den einzelnen Bereichen sowie in den dazwischen liegenden Übergangsbereichen ausgewertet und dispositivtheoretisch interpretiert. Eine solche dispositivtheoretische Sichtweise stellt sich dabei als die einzig gangbare dar, eine angemessene Analyse des Umgangs mit Kultur und interkultureller Kommunikation in den einzelnen Bereichen kann entsprechend ausschließlich durch Dispositivanalysen erbracht werden, deren Modus zu keinem Zeitpunkt verlassen werden sollte. Letztlich muss und kann jede getätigte Beobachtung immer nur als Reproduktion und Inszenierung des Dispositivs verstanden und als solche in der Analyse dargestellt werden. Das auf diese Weise generierte empirische Material unterscheidet sich strukturell nicht von dem Material, das auch frühere Studien generiert und es Auswertungen auf der Grundlage anderer theoretischer Vorannahmen zugeführt haben. Entscheidend erscheint demgegenüber jedoch das Bewusstsein über das Vorliegen von Dispositiven, von dessen Wirkweisen und von den Implikationen, die angesichts des Dispositivs für den Interpretationsprozess erforderlich werden. Früheren Studien, die einen unmittelbareren Zugang zu beobachtbaren Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln für sich beansprucht haben, muss demnach grundsätzlich widersprochen werden. Dieser Gedankengang kann darüber hinaus folgendermaßen konsequent weitergeführt werden: Da eine Definition von Kultur und interkultureller Kommunikation jenseits des Dispositivs gar nicht existiert, sondern immer erst innerhalb von ihm begründet wird, kann jenseits des Dispositivs auch keine interkulturelle Kommunikation untersucht werden. Erst das Dispositiv schafft und rahmt den Forschungsgegenstand. Insbesondere aus sprach- und kommunikationswissenschaftlicher Sicht, deren disziplinäre Herangehensweise in der vorliegenden Studie exemplarisch für die Veranschaulichung tiefgreifenderer Überlegungen ausgewählt worden ist, gilt die Ebene der interpersonalen Face-to-Face-Kommunikation zwischen zwei oder wenigen weiteren Individuen als präferierter Fokus der Forschung. Analysiert man diese Interaktionsebene, so ist diese zum einen als ein Vollzug des Dispositivs zu verstehen und

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zum anderen als eine Rezeption, Interpretation, Reproduktion und in gewissem Maße auch eine Gestaltung des Dispositivs. Daran anknüpfend stellt ein sozialwissenschaftlicher Forschungsprozess in der Regel einen Beobachtungsprozess dar. Dieser wiederum interpretiert das Beobachtete vor eigenen Vorstellungen von Kultur und interkultureller Kommunikation. Mit anderen Worten: Hier wird der Beobachtungsprozess ein weiteres Mal vom Dispositiv interkultureller Kommunikation, bzw. von den Interpretationen und Reproduktionen dieses Dispositivs durch den Forscher modifiziert. Wie die Einflüsse des Dispositivs auf den Forschungsprozess aussehen können, das wurde im vorangegangenen Kapitel mit einem exemplarischen Schwerpunkt auf die sprach- und kommunikationswissenschaftliche Forschung bereits gezeigt. Offen und unbearbeitet bleibt bis zu diesem Punkt nur noch ein weiterer Abschnitt in den punktuellen Dispositivanalysen zur interkulturellen Kommunikation: Demnach muss nach Wegen gesucht werden, mit denen die interpersonale Ebene und die sich darauf abspielenden Dispositive untersucht werden können, ohne dass dieser Forschungsprozess allzu sehr vom Dispositiv im Forschungsprozess verzerrt wird. Entsprechend ist eine methodische Herangehensweise erforderlich, die nicht vorab vorgibt, was Kultur und interkulturelle Kommunikation sind, bzw. woran man sie erkennen kann, sondern die höchstens offen überprüft, ob Kultur für die Interaktanten eine Rolle spielt, bzw. welche Rolle sie gegebenenfalls dort spielt. Das vorliegende Kapitel erarbeitet hierzu zunächst eine theoretische Basis, in der es darum gehen wird, die bisher größtenteils diskursorientierten Überlegungen mit handlungstheoretischen Ansätzen zu verknüpfen, um konkrete Einflüsse des Kulturdispositivs auf soziales Handeln präzise beschreiben zu können. Auf dieser Grundlage werden anschließend empiriebasierte Forschungsmethoden erprobt, mit deren Hilfe eine Annäherung an eine Sichtbarmachung dieses Einflusses initiiert werden kann. Zu diesem Ziel erscheint angesichts der vorangegangenen Überlegungen zu Dispositivcharakter der Forschung zur interkulturellen Kommunikation sowie dessen weitestgehende Nichtbeachtung in der Forschung eine Neuorientierung zukünftiger Forschungsanstrengungen sinnvoll. Grundlegende Skizzen zu einer solchen Neuorientierungen werden in den folgenden Abschnitten und Kapiteln entwickelt. Gleichzeitig erfordert eine Neuorientierung auch eine Sondierung von Forschungsansätzen, theorien und -methoden, die bislang gegebenenfalls noch nicht für die Erforschung interkultureller Kommunikation verwendet worden sind.

D ISKURS VS . P RAXEOLOGIE – EINE FRUCHTLOSE K ONFRONTATION ? In den Sozialwissenschaften haben sich über lange Zeit hinweg solide Traditionen in den Bereichen der textwissenschaftlich fundierten Diskursforschung und der handlungsorientierten Praxeologie in der Tradition Bourdieus entwickelt, die für sich einen unmittelbaren beobachtenden Zugang zum menschlichen Handeln beanspruchen. Für die Zielstellungen der vorliegenden Studie erscheint es sinnvoll, einen theoretischen Weg formulieren zu können, mit dem Verbindungen, Verknüpfungen und Interdependenzen zwischen Diskursen und menschlichem Handeln operationalisiert

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und nachgezeichnet werden können. Die sozialwissenschaftliche Debatte um die beiden genannten Traditionen hilft hier nur bedingt weiter, vielmehr akklamiert sie die Unverbindbarkeit beider Ansätze. Aus Sicht des Verfassers handelt es sich hier jedoch größtenteils um einen einseitigen Kampf: Vertreter einer handlungsorientierten Praxistheorie oder Praxeologie sprechen den Diskurstheoretikern die Adäquatheit und damit die Relevanz ihres Forschungszugangs ab. Während dieser Streit von Seiten der Praxeologie immer wieder befeuert wird, und hier sei exemplarisch insbesondere auf den Kultursoziologen Andreas Reckwitz (2002; 2005) verwiesen, finden sich solche Angriffe von Seiten der Diskurstheoretiker eher selten. Die vorliegende Studie bringt an diesem Punkt das Anliegen mit sich, einen elaborierten Ansatz zur Beschreibung und Erklärung der Genese des thematischen Gegenstands interkultureller Kommunikation als Dispositiv mit Modellen auszustatten, die eine akute Handlungsrelevanz dieses Dispositivs für Individuen in ausgewählten Kontexten im Handeln sichtbar machen können. Da Reckwitz eine Unvereinbarkeit und eine Gegensätzlichkeit der beiden Ansätze proklamiert, an deren Ende er die Diskurstheorie zugunsten der Praxeologie verwirft, soll seine Argumentation an dieser Stelle genau überprüft werden. Gegebenenfalls kann die an dieser Stelle dennoch zu konzipierende Verbindung beider Ansätze dadurch Fallstricken entgehen, auf die Reckwitz hinweist. Im Allgemeinen erweist sich das von Reckwitz gezeichnete Modell der Praxeologie an vielen Punkten als parallel, bzw. ähnlich strukturiert wie diskurstheoretische Gesellschaftsmodelle. Lediglich die Bezeichnungen und Zuordnungen einzelner Aspekte variieren. Für umso überlebenswichtiger scheint Reckwitz eine klare Abgrenzung gegenüber der Diskurstheorie für seinen Ansatz zu halten. Reckwitz zielt grundsätzlich darauf ab, eine Kulturtheorie zu entwerfen. Es geht ihm darum, Kultur adäquat zu operationalisieren, und darum, eine zutreffende Beschreibungsform für die Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund muss auch Reckwitz’ Modell zunächst als Bestandteil des und als Beitrag zum Dispositiv interkultureller Kommunikation verstanden werden. Seine schwierige Argumentation, die zur Illustration im folgenden kurz nachgezeichnet werden soll, zeigt dabei das Dilemma des Dispositivs, in dessen Rahmen kaum Neuerungen möglich sind, die nicht letztlich doch wieder auf den Kern des Dispositivs zurückfallen und somit alte Paradigmen bestenfalls unter der Verwendung neuer Begriffe bestärken.

Drei Diskurse um Kultur Um den Kontrast zwischen diskursorientierten und praxeologischen Kulturbeschreibungsmodellen einzurichten, macht Reckwitz auf entsprechende Differenzierungskategorien aufmerksam: Zunächst unterscheidet er seit den 1970er Jahren drei verschiedene Diskurskontexte um Kultur. Reckwitz identifiziert zunächst einen sozialtheoretischen Diskurs um Kulturtheorien (Reckwitz 2005: 93), in dem Autoren wie Bourdieu und auch Foucault Grundprinzipien zwischenmenschlicher Interaktion zu formulieren versuchen. Daneben sieht Reckwitz einen methodologischen und wissenschaftstheoretischen Diskurs, der sich um Fragen nach der Möglichkeit gegenseitigen Fremdverstehens zentriert. Sowohl Ansätze der Hermeneutik als auch der post-

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kolonialen Theorie sieht Reckwitz in diesem Anliegen vereint (Reckwitz 2005: 93). Einen dritten Diskurs sieht Reckwitz im Kontext der Frage nach der Rolle von kulturellen Differenzen in Globalisierungsdiskursen. Hier geht es auch um die Frage nach der strukturierenden Funktion von kultureller Differenz innerhalb von Gesellschaften (Reckwitz 2005: 93f). Reckwitz schließt aus dieser Differenzierung, dass er sich vor allem für den ersten und den dritten dieser drei Diskurse interessiert, was im Grunde nur bedeuten kann, dass er die Frage nach der Möglichkeit interkulturellen Fremdverstehens nicht bearbeiten möchte, bzw. sie für falsch gestellt oder nicht relevant hält. Letzteres bestätigt sich in Reckwitz’ anschließendem Plädoyer für ein Kulturverständnis, das kulturelle Differenzen nicht als fixierte, statische und unüberwindbare Brüche, sondern als Möglichkeit zur zunächst beliebigen Kombination unterschiedlichster kultureller Merkmale und Bestandteile in einer hybriden Form versteht. Kulturelle Differenzen konzipiert Reckwitz konsequent auch nicht als gemeinsame Merkmale innerhalb von Gruppen, sondern als »wissensabhängige soziale Praktiken« (Reckwitz 2005: 94). Bereits hier geraten Reckwitz’ Differenzierung und seine eigene Abgrenzung gegenüber früheren Kulturtheorien ins Wanken. Kulturverständnisse, die eine Forschung und Suche nach hybriden Kombinationen kultureller Merkmale in den Vordergrund stellen können, standen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Reckwitz’ Text auch in den sprach- und textorientierten Ansätzen zur interkulturellen Kommunikation seit langem zur Verfügung. Darüber hinaus eröffnet Reckwitz ein weiteres Paradox: Einerseits postuliert er, dass kulturelle Differenzen keine kollektiven Merkmale seien und stattdessen von Individuen in konkreten Situationen durch deren Handeln realisiert würden. Andererseits gesteht er ein, dass diese Praktiken wissensabhängig seien. Hier stellt sich die Frage, woher dieses Wissen der handelnden Individuen stammen soll, wenn nicht aus eigenen früheren Praxiserfahrungen sowie einer diese Erfahrungen einschließenden Teilhabe an entsprechenden gesellschaftlichen Diskursen sowie deren performativer Realisierung in situativen Kontexten. Antworten auf diese Frage bleiben auch im weiteren Verlauf von Reckwitz’ Konstruktion eines eigenen Modells ungeklärt.

Lässt sich der essentialistische Kulturbegriff überhaupt überwinden? Diese Frage bleibt übrig, wenn man Reckwitz’ entsprechende Reflexionen zu der traditionell in der interkulturellen Forschung geführten Debatte und Grenzziehung resümiert und mit den Problematisierungen der vorliegenden Studie abgleicht. Zunächst spricht Reckwitz von einem früheren, veralteten und vorkonstruktivistischen Kulturbegriff, in dessen Rahmen mehr oder weniger selbstverständlich ein holistisches Verständnis von Kulturen gepflegt worden sei. Zumindest unterschwellig jedoch, so argumentiert Reckwitz, besteht dieses essentialistische Kulturverständnis auch in späteren, interpretativ informierten Ansätzen, wie beispielsweise der Hermeneutik, fort (Reckwitz 2005: 95). Doch auch die textsemiotischen Kulturverständnisse, die eigentlich ein interaktiv-konstruktivistisches Kulturverständnis für sich beanspruchen, können das essentialistische Paradigma Reckwitz zufolge nicht überwinden. Einem Großteil der sozialwissenschaftlichen Kulturtheorien des 20. Jahrhun-

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derts sei demnach gemeinsam, dass sie versuchen, menschliches Handeln vor dem Hintergrund jeweiliger Rückgriffe auf symbolisch vermitteltes und permanent zu interpretierendes Wissen zu erklären. Zentral für eine Vielzahl dieser kommunikativsymbolorientierten Ansätze ist Reckwitz zufolge häufig die Legitimierung dieser Deutung durch ihre sinnstiftende Funktion. Qua Interpretation von Zeichen laden Akteure demnach ihr Handeln und das Handeln anderer mit Sinn auf, so dass auf dieser Grundlage wiederum Anschlusskommunikationen und eigene Handlungsentscheidungen entwickelt werden können. Letztlich werden Reckwitz zufolge der Einfluss und die Rolle von Kultur auch in diesen Ansätzen bereits vor einer stattfindenden empirischen Beobachtung vorkonfiguriert und essentialisiert. Ähnliche Beobachtungen haben sich auch in der vorliegenden Studie im Rahmen der dispositivanalytischen Betrachtung von essentialistischen gegenüber konstruktivistischen Beschreibungsansätzen herauskristallisiert: Auch konstruktivistisch positionierte Ansätze geben demnach in der Regel bereits ein Kulturverständnis vor, das sich in den darauf aufbauend getätigten Beobachtungen nur reifizieren kann. Dieser Effekt steht dabei im Einklang mit der dispositiven Struktur des Gegenstands interkultureller Kommunikation, dessen Perpetuierung wesentlich auch durch die Strategie der Essentialisierung erbracht wird. Es überrascht dabei nicht, dass auch Reckwitz eine Transzendierung dieses Paradigmas auch in seinen darauf folgenden Überlegungen kaum gelingen mag.

Praxeologie – oder eher: Zentrierung des Subjekts? Auch die von ihm selbst propagierte Praxeologie ordnet Reckwitz in die interpretativ arbeitenden Kulturmodelle ein und grenzt sie darin gegenüber alternativen Ansätzen ab. Angesichts dieser Gegenüberstellung drängen sich die Vermutung und die Frage danach auf, ob es Reckwitz selbst eventuell weniger um die handlungstheoretische Fundierung als um die Zentralisierung der Subjektrolle geht. Unter den vermeintlich konstruktivistischen Kulturmodellen unterscheidet Reckwitz neben dem praxeologischen noch das mentalistische und das textualistische Kulturverständnis (Reckwitz 2005: 96). Mentalistische Kulturmodelle gehen demnach davon aus, dass das, was Kultur ist, im Geiste der Individuen und Handelnden konstruiert wird. Kulturen sind demnach Geisteshaltungen. Diese sind einerseits natürlich im Geiste der Individuen konstruiert, andererseits folgen sie jedoch auch essentialistischen Grundannahmen. Strukturalistische und phänomenologische Gesellschaftstheorien folgten diesem Modell. Kultur sei demnach grundsätzlich etwas, das sich dem Forscher nie direkt und unmittelbar zeige, Einflüsse von Kultur müssten stattdessen immer erst aufgedeckt und qua Interpretation identifiziert werden. Zu bemerken ist hier die Tendenz dazu, dass Reckwitz nach Kategorien zu suchen scheint, die – so heterogen sie intern auch sein mögen – zumindest dazu dienen, zeichenbasierte Modelle (oder zumindest: Modelle, die den Zeichencharakter kultureller Kommunikation in ihr Zentrum stellen) zusammenzufassen und zu stigmatisieren. So arbeiten sowohl der überindividuell angelegte Strukturalismus als auch die subjektiv-konstruktivistische Hermeneutik mit Hilfe von Zeichen als Transportern von Kultur.

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Die zeitlich später von den Sozialwissenschaften favorisierten textualistischen Kulturmodelle treiben Reckwitz zufolge die Zeichenzentrierung noch weiter: Während mentalistische Ansätze noch davon ausgingen, dass Kultur im Kopf konstruiert werde, während Zeichen nur die bedeutungstragenden Vehikel und damit Hilfsmittel sind, verlagern textualistische Ansätze den Konstruktionsprozess von Kultur vollständig auf die Ebene der Zeichen: Foucaults Poststrukturalisms, Barthes’ Semiotik, Geertz‹ Metapher von der Kultur als Text und Luhmanns Kommunikationsmodell operieren Reckwitz zufolge nach dem textualistischen Kulturverständnis (Reckwitz 2005: 97f), und auch angesichts dieser Differenzierung springt die interne Heterogenität der Kategorien dem kritischen Leser sofort ins Auge. Auch praxeologische Modelle begreifen Kulturen als Ordnungen von Wissen, als Wissensordnungen. Diese seien jedoch Reckwitz zufolge nicht in Zeichen verortet, sondern stattdessen in den Handlungen und Praktiken von Individuen selbst: »Dem textualistischen Kulturverständnis gegenüber stehen praxeologische Ansätze, die die Wissensordnungen der Kultur auf der Ebene körperlich verankerter, Artefakte verwendender und öffentlich wahrnehmbarer ›sozialer Praktiken‹ verorten. Die Wissensordnungen der Kultur stellen sich hier als praktisches Wissen dar« (Reckwitz 2005: 98).

Während sich Reckwitz gegenüber einem semiotischen Paradigma vehement abgrenzt, sieht er jedoch zahlreiche Ansätze unterschiedlicher theoretischer Provenienz im praxeologischen Paradigma verortet. Fraglich bleibt hier jedoch, ob die jeweiligen Autoren selbst eine derart explizite Abwendung von der Berücksichtigung semiotischer Prozesse unterschrieben hätten. So versammelt Reckwitz hier: »Verschiedene Versionen dieser praxeologischen Theorien finden sich vor allem seit den 1980er Jahren am elaboriertesten in Pierre Bourdieus Theorie der Praxis [...], die auf den Konzepten des praktischen Sinns, der Inkorporierung und des Habitus aufbaut, aber auch in Laurent Thévenots Konzept der ›régimes d’engagement‹, in Giddens’ Strukturierungstheorie, in Victor Turners und Judith Butlers Theorien des Performativen, in der Subjekttheorie des späten Foucault, in einer eigenwilligen Form in der Artefakt-Theorie von Bruno Latour und zuvor bereits in der Ethnomethodologie Garfinkels, auch bei Erving Goffman oder bei Michel de Certeau« (Reckwitz 2005: 98).

Auf Butlers Theorie der Performativität und auf Ansätze aus der Ethnomethodologie soll auch in den folgenden Abschnitten der vorliegenden Studie näher eingegangen werden. Relevant sind diese Ansätze für das hier betriebene Forschungsanliegen jedoch nicht aufgrund ihrer Fokussierung des Praxisaspekts, sondern weil sie eine Beobachtung kultureller Einflüsse auf soziales Handeln ermöglichen, ohne bereits vorab vorzugeben, was unter Kultur verstanden werden soll. Theorien des Performativen und der Ethnologie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Einblick auf eine Mikro-Ebene sozialen Handelns ermöglichen, der andernfalls kaum erreichbar erscheint, wie auch Reckwitz betont: »Als ›kleinste Einheit‹ kulturwissenschaftlicher Analyse stellen sich aus dieser Perspektive weder mentale Kategorien noch Diskurse, sondern ›soziale Praktiken‹ dar. Unter einer ›sozia-

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len Praktik‹ wird ›a temporally unfolding and spatially dispersed nexus of doings and sayings‹ (Schatzki 1996: 89) verstanden« (Reckwitz 2005: 98).

Dennoch scheint es wenig sinnvoll, hier davon auszugehen, dass sich dieses Handeln trotz vieler Unerwartbarkeiten ohne jede Orientierung und in völliger Loslösung von Erfahrungen des Individuums qua Diskursteilhabe vollzieht. Diese Überlegungen würde schließlich auch Butler, die Reckwitz in diesem Rahmen bemüht, befürworten. Aus dieser Sicht erscheinen die Betonung und die Fokussierung des situativen Handlungsaspekts in der Praxeologie auf Kosten der Berücksichtigung einer diskursiven Einbindung sozialen Handelns wenig nachvollziehbar. Plausibel erscheint demgegenüber die zunehmende Subjektzentrierung der favorisierten Ansätze, nach denen das eigenverantwortliche und entscheidungsorientierte Handeln von Individuen vor dem Hintergrund einer Diskursteilhabe von Individuen zumindest nicht vergessen wird. Dass es auch Reckwitz möglicherweise vornehmlich um die Subjektperspektive geht, lässt auch seine Einordnung des Phänomens von Texten in das praxeologische Paradigma hinein vermuten: »Auch ›Texte‹ stellen sich aus praxeologischer Perspektive nicht als eigendynamische Zeichensequenzen, sondern als Bestandteile von bestimmten Rezeptions- und Produktionspraktiken dar« (Reckwitz 2005: 99).

Eine Eigendynamik unterstellen auch die semiotisch orientierten Sprach- und Kommunikationswissenschaften dem von ihnen untersuchten Zeichengebrauch in der Regel ohnehin nicht. Abgesehen davon scheint es Reckwitz jedoch auch hier darum zu gehen, dass es zuvorderst die Subjekte und Akteure sind, die als Zeichenbenutzer soziales Handeln vollziehen. Nicht nachzuvollziehen sind demgegenüber jedoch weiterhin Reckwitz‹ Bemühungen um eine Entintellektualisierung.1 Reckwitz betont zwar, dass durch die materialistische Perspektive auch konkrete Gegebenheiten und Artefakte in ihrer handlungsleitenden und -bestimmenden Funktion zurück in den Blick geraten. Dies ist jedoch auch von Seiten semiotisch orientierter Verfahren problemlos möglich, die mit Vorliebe alle Gegenstände und Artefakte als Bestandteile von Texten und Diskursen begreifen.

Kulturelle Differenzen praxeologisch anders sehen und verstehen? Auch kulturelle Differenzen, in denen Reckwitz offenbar den zentralen Forschungsgegenstand einer Kulturforschung sieht, werden ihmzufolge in der Praxeologie alternativ erfasst. Während die textbasierten Kulturverständnisse von kulturellen Differenzen als unüberbrückbaren Hindernissen und einander ausschließenden Paradig-

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»Die praxeologischen Kulturtheorien betreiben gegenüber der Verortung der Kultur auf der Ebene geistiger Identitäten oder von Diskursen eine heuristisch folgenreiche Entintellektualisierung des Kulturverständnisses« (Reckwitz 2005: 99).

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men ausgingen, fördere die Praxeologie die Möglichkeit, eine beliebige Kombination kultureller Eigenschaften durch ein Individuum zu denken. Die Ko-Existenz kultureller Differenzen sei demnach nichts besonderes, sondern alltäglich. Die Praxeologie setze sich auch nicht für die Annahme einer Vermischung dieser Differenzen ein, sondern gehe von einem Nebeneinander aus, das durch die situative Praxis gestaltet wird (Reckwitz 2005: 100). Zwei Aspekte überraschen angesichts dieser Argumentation: Zunächst erscheinen längst nicht alle semiotisch informierten Kulturmodelle eine Betonung und ausschließliche Erkennung von Differenzen und Grenzziehungen anzustreben. Hier scheint Reckwitz entsprechende theoretische Modelle zu Drittkulturen, Hybriditäten und vergleichbaren Konzepten schlicht zu übersehen. Noch mehr überrascht jedoch, dass offenbar Reckwitz selbst dieses Differenzparadigma nicht überwindet. Stattdessen betont er im Besonderen, das Nebeneinander unterschiedlicher kultureller Identitäten sei in der Praxis klar erkennbar. Kurz gefasst ließe sich hier resümieren, dass sich Reckwitz von etwas distanziert, das er dann letztlich doch selbst weiterführt. Ein solcher Bruch ähnelt den irritierenden Ausgangsbeobachtungen zu vergleichbaren Argumentationslogiken um den Gegenstand interkultureller Kommunikation in den Anfangskapiteln der vorliegenden Studie. Hier waren es gerade solche Brüche und Diskontinuitäten, die die Vermutung nach der Existenz einer dispositiven Struktur hinter den Strategien einer Auseinandersetzung mit dem Thema interkultureller Kommunikation aufkommen gelassen hatten. Auch Reckwitz scheint hier ungewollt beispielhaft zu demonstrieren, wie Kulturforscher einerseits versuchen, sich über bisherige Paradigmen hinwegzusetzen und wie sie dabei jedoch nur das bisherige Dispositiv noch zusätzlich bestärken.

Wie hängen soziale Praxis und Diskurs miteinander zusammen? Resümierend bleibt angesichts der Lektüre von Reckwitz’ Plädoyer primär der Eindruck, hier solle hauptsächlich ein neues Paradigma etabliert werden, das die eigene Abgrenzung gegenüber früheren Ansätzen und damit die eigene Positionierung und Legitimierung ermögliche. Eine Antwort auf die präzise Verbindung aus Diskursen und kultureller Praxis bleibt jedoch weiterhin offen, in Reckwitz‹ radikalpraxeologischem Ansatz scheint sie nicht zu finden zu sein. Beinahe drängt sich jedoch der Eindruck auf, Reckwitz bestätige im Grunde Diskurstheorien, vermeide aber mit großer Anstrengung eine Verwendung entsprechender Begrifflichkeiten, wenngleich sich diese teilweise geradezu aufdrängen. So ist es Reckwitz zufolge beispielsweise »ein fragiler Zusammenhang von sozialen Praktiken, von raum-zeittranszendierenden Typen routinisierter Aktivität der Körper (und auch der Artefakte), die durch bestimmte Formen des impliziten Verstehens und des praktischen know hows – in denen allgemeine kulturelle Codes zum Ausdruck kommen - organisiert werden« (Reckwitz 2005: 101). Was meint Reckwitz angesichts dieses fragilen Zusammenhangs anderes als das, was Diskurstheoretiker als Diskurs und als Diskursteilhabe bezeichnen würden? Abgesehen von dieser übergeordneten Rahmung als Diskurse können Diskurstheoretiker darüber hinaus auf ein elaboriertes Instrumentarium an Begrifflichkeiten zurückgreifen, um Einzelphänomene innerhalb von Diskursen präzise erfassen zu können, so dass eine Kapitulation angesichts der Fragilität

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oder der Diffusität der Zusammenhänge gar nicht erforderlich wird. Hier bleibt Reckwitz hinter den Möglichkeiten, sein eigenes Anliegen einer Gegenstandsbeschreibung adäquat umzusetzen, deutlich hinter dem vorliegenden akademischen Potential zurück – vordergründig zugunsten der Etablierung eines eigenen, wenig anschlussfähigen Paradigmas? Nachdem Reckwitz sein Modell in theoretischen Abgrenzungen skizziert hat, führt er ein eigenes Anwendungsbeispiel für sein Modell an, in dessen Kontext das eigentliche Forschungsanliegen des Autors möglicherweise offensichtlicher und gegenüber einer rein theoretisch geführten Debatte auch plausibler erscheinen lässt. So vertritt Reckwitz ein postkoloniales Anliegen, bei dem es ihm darum geht, das in der Weltgeschichte langfristig etablierte Kategoriendenken zwischen einer traditionalen und zurückgebliebenen Drittweltkultur und einer modernistisch entwickelten und überlegenen westlichen Welt aufzubrechen. Reckwitz zufolge trägt auch das Paradigma der Globalisierungstheorien, die vordergründig eine Aufhebung von früheren Grenzen propagieren, nur zu einer Festigung dieser Grenzen bei (Reckwitz 2005: 103). Eine Lösung dieses Dilemmas sieht Reckwitz nur in einer »Enthermeneutisierung dieser Globalisierung« (Reckwitz 2005: 104). Letztlich wird damit implizit eingestanden, dass das Problem der Globalisierung, das Reckwitz skizziert, diskursiver Natur ist. Eine Lösung sieht Reckwitz demnach darin, sich in den Wissenschaften und in der Gesellschaft vollständig von der Idee einer textbasierten Weltdeutung zu verabschieden und stattdessen einer Beobachtung sozialer Praktiken den Vorrang zu geben. Doch hier schließt sich der argumentative Zirkel – und dies nicht nur aus dispositivtheoretischer Sicht: Selbst Reckwitz räumt mehrfach ein, dass sich soziales Handeln an einem wie auch immer generierten Vorwissen orientiert. Dieses kann nur diskursiver Natur sein, und Diskursivitäten, die gesellschaftliches Zusammenleben erst grundlegend ermöglichen, lassen sich nicht abschaffen, indem man sie schlicht in der Theorie ignoriert oder gar leugnet. Wertvolle Überlegungen liefert Reckwitz dennoch zur Verortung kleinstmöglicher Interaktionseinheiten in der sozialen Praxis. Seine eigenen Rückbezüge zur Ethnomethodologie und zu Butlers Performativitätstheorien liefern Grundlagen, auf denen in den folgenden Abschnitten ein für die vorliegende Studie hilfreiches Modell zur Beschreibung des Zusammenspiels aus diskursiver Teilhabe und sozialer Praxis sowie der damit einhergehenden Stützung des Dispositivs interkultureller Kommunikation entwickelt werden kann.

D IE V ERSCHRÄNKUNG BEI B UTLER

VON

D ISKURS

UND

P RAXIS

Auch Reckwitz weist darauf hin, dass unter anderen Autoren Judith Butler – hier am Beispiel der Gegenstandsbestimmung der Gender Studies – ein Beschreibungsmodell für die Nachzeichnung von Interdependenzen zwischen Diskurs und Praxis vorlegt. Für die Fragestellung und die Anliegen einer Dispositivanalyse des Gegenstands interkultureller Kommunikation erscheint insbesondere eine Fokussierung dieser Verknüpfung von zentraler Bedeutung, um Funktionsweisen des Dispositivs auf einer Mikroebene darstellen zu können. Auch können auf dieser Grundlage richtungswei-

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sende Neuorientierungen für eine zukünftige, dispositivtheoretisch informierte und konstruktive Forschung zur interkulturellen Kommunikation entwickelt werden. Dennoch soll Butlers Ansatz der vorliegenden Arbeit nicht einfach als unreflektierte Grundlage dienen. Vielmehr wird im Folgenden der akademische Diskurs nachgezeichnet, vor dessen Hintergrund Butler ihr Modell entwickelt, so dass auf dieser Grundlage Rückschlüsse auf die Funktionsweise des hier untersuchten Dispositivs gezogen werden können. Philipp Sarasin bezeichnet Judith Butlers diskursiv-konstruktivistischen Ansatz als Folge auf den allgemeinen Linguistic Turn (Sarasin 2001: 55). Dabei baut Butler ihre Theorien auf den Diskurskonzepten von Foucault auf. Betrachtet man sie in seiner Tradition, so leistet sie einen Schritt zu einer höheren Autonomie der Subjekte: Subjekte sind nicht vollkommen gefangen in den Strukturen des Diskurses, sondern sie können zumindest geringfügige Variationen produzieren.2

Dekonstruktion als Basis für Kritik – und Konstruktion Diskurstheoretische Arbeiten fühlen sich in den meisten Fällen der Schaffung eines analytischen Bildes ihres Forschungsgegenstands verpflichtet. Dekonstruktivistische Arbeiten liefern demnach vielfach eine fundierte Kritik gegenüber den untersuchten Phänomenen, aber selten konstruktive, in der Praxis gangbare und zukunftsfähige Handlungsanweisungen ab. Vielmehr würden Vorschläge für neue Handlungsanweisungen die zuvor getätigte Dekonstruktion rückgängig machen, bzw. ad absurdum führen. Die Suche nach konstruktiven Konsequenzen im Anschluss an eine Dekonstruktion sind in der Forschung demnach oft ein kaum bestelltes Feld, das aus analytischer Sicht nicht einmal existieren dürfte. Butler dagegen formuliert dennoch Handlungsanweisungen, die es auf der Grundlage einer politischen Motivation ermöglichen sollen, existierende Diskurse aufzubrechen. Diese Orientierung soll mit den folgenden Reflexionen überprüft und ausgebaut werden. Eine Grundlage für die analytische Ausgestaltung der Diskurstheorie nach Foucault und die Philosophie der Dekonstruktion von Derrida bildet eine Herangehensweise, nach der Sprache, Wissen und Diskurse maßgeblich an der Konstitution von Gegenständen beteiligt sind. Alle sozialen Phänomene und Unterscheidungen sind hergestellt und nicht gegeben (Hark 2001: 353). Die durch die Dekonstruktion ermöglichte Kritik zeichnet sich dabei durch eine besondere Reichweite aus. Die De-

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»Hier ist zugleich auch die Stelle, an der das performative Handeln des Subjekts ins Spiel kommt: Die Unabgeschlossenheit und Diskontinuität diskursiver Prozesse setzt das Subjekt als handelndes, das von den Diskursen durchdrungen wird, wieder ein. Judith Butler verweist auf ›die konstitutiven Instabilitäten‹ diskursiver Konstruktionen, auf ›dasjenige, was der Norm entgeht oder über sie hinausschießt, was von der wiederholenden Bearbeitung durch die Norm nicht vollständig definiert und festgelegt werden kann. Diese Instabilität ist die dekonstituierende Möglichkeit des Wiederholungsprozesses selbst, die Macht, die genau jene Wirkungen aufhebt, von denen (...) [der konstituierende Gegenstand] stabilisiert wird, sie ist die Möglichkeit, die Konsolidierung der Normen (...) in eine potentiell produktive Krise zu versetzen (Butler 1995: 32).« (Bublitz 2001: 255).

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konstruktion eröffnet dabei Wege für eine Kritik von außen, ohne auf die Binnenregeln eines Konzepts beschränkt bleiben zu müssen. Gleichzeitig kann jedoch mit den im Diskurs vorgefundenen Begrifflichkeiten weitergearbeitet werden. Während eine herkömmliche Kritik im Grunde nur auf systemimmanente Schwierigkeiten hinweisen kann und dabei weiterhin von einem grundsätzlich vorhandenen und zugänglichen Wahrheitsgehalt ausgehen muss, ermöglicht die Perspektive einer diskurstheoretisch fundierten Dekonstruktion eine übergeordnete Sichtweise (Höhne 2000: 44).3 Im Rahmen der diskurstheoretischen Entwicklungen ermöglichten vor allem strukturalistische und poststrukturalistische Sichtweisen ein Transzendieren dieses bis dato postulierten Wahrheitsraums. Die Relationen zwischen Zeichen und bezeichneten sowie zwischen Sprache und Subjekt wurden neu konzipiert, wobei vor allem die Auffassung einer diskursiven Geschlossenheit die Vorstellung von ausschließlich diskursiv konstruierten Wirklichkeitsentwürfen und damit einher gehenden Wahrheitsansprüchen ermöglicht hat. Zentral für diese Loslösung ist dabei die semiotisch fundierte Entkoppelung der Zeichen von dem Bezeichneten bis hin zur völligen Verabschiedung von der Annahme eines relevanten Signifikats. Bedeutungen werden damit nur noch diskursimmanent konstruiert und erhalten auch nur hier ihre Gültigkeit.4 Dekonstruktivistische Kritik befasst sich demnach ausschließlich mit den Signifikanten und ihrer Einbettung in Texte (Höhne 2000: 46). Höhne weist dabei darauf hin, dass dekonstruktivistische Kritik sich nicht auf die Analyse von Texten im engeren Sinne beschränken muss. Im Sinne Foucaults historischer Diskursanalyse können demnach sowohl diskursive als auch nicht-diskursive Praktiken zusammen als Diskursformationen untersucht werden, so dass eine (auch politische)

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»Die herkömmliche oder klassische Kritik war als Sprachkritik eine ›Dekonstruktion auf halbem Wege‹, indem sie die vorhandenen Begriffe, d.h. ihr semantisches Potential, die damit verbundenen Assoziationen und Verschiebungen freilegte, kritisierte sowie diskreditierte und an die Stelle dieser ›ideologischen Begriffe‹ schließlich die eigenen setzte. Die Prämissen in Gestalt vorausgesetzter Wahrheit, Realität und Bewusstsein an sich aber blieben unangetastet. Metaphysischer oder traditioneller Diskurs (der Gegenstand der Kritik) und Kritik selbst spielten daher weitestgehend ›dasselbe Spiel nach denselben Regeln.‹ Die reflektierte Form der Ideologiekritik trat in Gestalt von Sprach- und Begriffskritik auf« (Höhne 2000: 44f). »Erst strukturalistische und poststrukturalistische Ansätze ermöglichten aufgrund einer radikal anderen Sprach- bzw. Zeichenkonzeption das Verhältnis von Zeichen und Realität, von Subjekt und Sprache sowie von Wahrheit und Bedeutung grundlegend neu zu reflektieren und somit auch die Prämissen traditioneller Kritik zu beleuchten. Wurde im Rahmen der strukturalistischen Zeichenkonzeption der Bezug zum Referenten als bedeutungsgenerierendes Moment aufgegeben, so wurde unter poststrukturalistischen Vorzeichen auch das Signifikat quasi verabschiedet und Bedeutung als Substitionsprozess innerhalb der Signifikantenkette bzw. als unendlicher Verweisungszusammenhang (Spurenkonzept) konzeptualisiert. Entscheidend an diesem ›doppelten Abkopplungsprozess‹ ist der Umstand, dass die Voraussetzungen traditioneller Kritik (Realität, Wahrheit, Subjekt) auf radikale Weise unterlaufen wurden, was zu einer grundlegenden Transformation in der Konzeption des Sozialen und des Politischen führte« (Höhne 2000: 45).

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Gesellschaftskritik möglich wird.5 Eine Betrachtung gegenstandsbezogener und praktischer Interaktionen mit einer außertextuellen Sphäre ist hier schon qua Theorie ausgeschlossen. Genau um diese Verbindung soll es hier jedoch gehen, wenngleich den Kreis schließend am Ende mit Recht argumentiert werden kann, dass auch hier die Sphäre des Diskurses nicht überschritten wurde.

Die Relativierung des Forschungsgegenstands in den Gender Studies Die radikale Diskursivierung der Alltagswelt, aber auch des Forschungsprozesses, hat Butler dazu bewegt, auch den eigentlichen Forschungsgegenstand der Gender Studies zu reflektieren und neu zu rahmen. Schließlich führt diese Sicht dazu, dass eingestanden werden muss, dass die Genderforschung den Forschungsgegenstand, den sie erforscht, selbst erst konstituiert und damit aufrechterhält und ihn damit einer wirklichen Dekonstruktion vorenthält: »Diskursanalytische Ansätze Foucaultscher Provenienz, aber auch an Jacques Derridas Philosophie der Dekonstruktion orientierte Herangehensweisen gewannen im vergangenen Jahrzehnt in der sozialwissenschaftlichen feministischen Theorie zunehmend an Bedeutung. Denn insofern sich diskurstheoretische und dekonstruktivistische Herangehensweisen vor allem auf Sprache, Wissen, Diskurse und deren Bedeutung für die Gegenstandskonstitution konzentrieren, mithin davon ausgehen, dass alle sozialen Phänomene und Unterscheidungen hergestellt und nicht gegeben sind, sind sie besonders dazu geeignet, bestimmte Aporien zu durchdenken, die die feministische Theorie seit ihren Anfängen begleiten. Es handelt sich hierbei um Aporien, die in doppelter Hinsicht aus dem spezifischen Verhältnis feministischer Theorie zu ihrem Gegenstand – Geschlecht bzw. dem Geschlechterverhältnis – resultieren. Erstens, Geschlecht, Geschlechterverhältnis, Geschlechterdifferenz wird in der Frauen- und Geschlechterforschung zwar als Erkenntnisgegenstand vorausgesetzt, muss aber zugleich als etwas kontinuierlich hergestelltes, in sozialen und kulturellen Praxen gemachtes und nicht per se Gegebenes begriffen werden. Daraus resultiert zweitens, dass Geschlecht auch im und durch feministisches Wissen in einer spezifischen Weise konstruiert wird, mithin Teil hat an der Produktion der Unterscheidung nach Geschlecht« (Hark 2001: 353).

Auf ähnliche Weise stellt Medina (2003) heraus, dass diese Problematik des blinden Flecks angesichts der Konstruiertheit des eigenen Standpunktes charakteristisch für differenzorientierte Forschungsparadigmen wie die der Ethnizität oder des Ge-

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»Hier würde ein Begriff von (diskursiver) Praxis, die für jede Art und Form textförmiger ›Realität‹ gälte, den Blick öffnen, ohne den subversiven Gehalt von Dekonstruktion aufzugeben. Foucaults historische Diskursanalyse ist der Versuch, einen Begriff der ›diskursiven Praxis‹ [...] zu entwickeln, in dem neben den nicht-diskursiven Praktiken [...] die diskursiven Praktiken der sozialen Bedeutungskonstitution als Formationen untersucht werden. Es geht dabei um die Regelhaftigkeit der Aussagen, wie sie an der ›Oberfläche‹ des Diskurses erscheinen und diese ins Verhältnis zu den institutionellen, materialen und machtdurchdrungenen Praktiken zu setzen bzw. sie als deren Resultate zu begreifen« (Höhne 2000).

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schlechts ist. Ähnlich wie Butler leitet auch Medina daraus eine Handlungsanweisung ab, die er metaphorisch erfasst und umschreibt. Während Butler dazu ermutigen möchte, dass Diskurse an Bruchlinien aufgebrochen werden, spricht Medina von einem Vorhang oder einer Verschleierung, die gelüftet oder durchlöchert werden sollte, um den Blick freizugeben auf die interne Konstruiertheit.

Der Performanzbegriff Letztlich kann das Paradigma der Performativität dazu beitragen, die Verbindung zwischen Diskurs und Handeln herzustellen. Auch innerhalb dieses Paradigmas finden sich jedoch wiederum zahlreiche Ausgestaltungen des prozessualen Modells. An dieser Stelle soll eine Annäherung an ein Beschreibungsmodell versucht werden, mit dessen Hilfe ein Lückenschluss innerhalb der Dispositivanalyse zur interkulturellen Kommunikation möglich wird. Innerhalb der Anthropologie hat sich der Performanzbegriff aus dem Ritualbegriff heraus entwickelt. Beide Begriffe zielen auf den Vollzug von Handlungen ab, aus sprachwissenschaftlicher Sicht also auf die parole nach de Saussure (Saussure et al. 1931). Beide schaffen außerdem Liminalität, und beide Begriffe emanzipieren sich vom zuvor vorherrschenden Textparadigma. Aus Sicht der Anthropologie gab es zunächst das Begriffspaar von Ritual und Theaterperformance. Beide hatten einen ähnlich hohen Formalisierungsgrad und beide stellten institutionalisierte Schwellen dar, die einen Übergang ermöglichten. Zumindest in der Theorie wurde der Performanzbegriff erst schrittweise von dieser Formalisierung emanzipiert. In den Blick rückte stattdessen zunehmend auch der Umgang mit spontanen Alltagssituationen. Liminalität und Schwellensituationen stellen damit aus der Forschungstradition heraus einen eingeübten Einstiegspunkt in die Forschung dar, der sich auch in Arbeiten zu interkulturell bedingten Kontexten sowie in den entsprechenden Diskursfeldern der sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung wiederspiegelt. So hat beispielsweise Helga Kotthoff in den 1990er Jahren mit gesprächsanalytischen Mitteln Trauerrituale in Georgien untersucht und dabei den Ritual- und den gleichzeitigen Schwellencharakter der Praktiken sichtbar gemacht (Kotthoff 2002). Vittorio Iervese entwirft ein theoretisches Beschreibungsmodell zur Sichtbarmachung von Besonderheiten interkultureller Kontaktsituation, indem er diese als Kontexte rahmt, in denen es um die Konstruktion von und dem Umgang mit Schwellen geht (Fröhlich-Archangelo/Iervese 2007: 309ff). Bereits Iervese nutzt diese Dekonstruktion dabei als Grundlage für eine konstruktive Wendung und zeigt Wege eines kooperativeren Umgangs dank der Bewusstheit über den Schwellencharakter der Situation auf. Reflektiert man die Rolle von Schwellen in interkulturellen Kontaktsituationen sowie im Kontext ihrer Analyse und Ausdeutung, so offenbart sich sicherlich die theoretische Selbstbeschränkung des Ansatzes: Zwar ermöglicht die Rahmung als identifizierbare Schwellen die Formulierung klarer Handlungsanweisungen auf eine vorgeformte Situation, so dass Definitionen interkulturell kompetenten Handelns möglich werden. Andererseits erscheint jedoch der Problemcharakter der Situation bereits festgeschrieben, so dass eine freie Ausgestaltung der Situation nicht mehr vorgesehen, sondern durch theoretische Modelle vorweg genommen wird.

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Eine offene und heuristische forschende Herangehensweise wäre demgegenüber gut beraten, sich von der Fokussierung auf Schwellen vollständig zu lösen. Bestenfalls sollte nach Kontexten und Möglichkeiten gesucht werden, in denen Individuen insbesondere nicht mehr selbst nur mit dem Blick auf eine vorhandene Liminalität einer Situation handeln, sondern sich davon emanzipieren. Sollten Individuen die Bereitschaft und den Willen entwickeln, diese Grenzziehungen tatsächlich zu transzendieren, dann werden sie versuchen, eine liminoide Haltung zu erreichen. Dies würde bedeuten, dass sie zwar innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation mit seinen Grenzziehungen verbleiben, sich jedoch darin üben, an dessen Grenzen zu gehen und sich von diesem zu distanzieren. Zentral für einen solchen Ansatz wäre entsprechend die Voraussetzung, dass Individuen selbst aktiv werden, handeln und in gegebenen Situationen möglichst weitreichend reflektiert entscheiden. Die konstruktive Orientierung der vorliegenden Studie soll demnach darin bestehen, Wege zur empirischen Identifizierung und Beschreibung solcher Handlungen zu entwickeln. Für die Verwendung des Performanzbegriffs und seine Fruchtbarmachung für eine entsprechende Sozialforschung bedeutet dies, dass das Konzept zunehmend losgelöst wird von Ritualkontexten und auf Situationen mit immer spontanerem Charakter Anwendung findet. In der bislang vorliegenden Literatur wird diese Anwendung in vielen Fällen nur auf theoretischem Gebiet erprobt. Empirische Nachweise sind demgegenüber selten, und die vorliegenden Beispiele sind vielfach wenig zutreffend, bzw. beziehen sich letztendlich häufig doch wieder auf weitgehend ritualisierte Kontexte. Ein theorieorientiertes Plädoyer für eine praxisorientierte Forschung zur interkulturellen Kommunikation findet sich in exemplarischer Form in den Schriften von Moosmüller (2006), der für ein Verständnis von Kultur als Praxis wirbt. Vorrangig geht es auch Moosmüller dabei um eine Eliminierung von einer zu hohen Anzahl an Kontextvariablen, die den Blick auf menschliches Handeln letztlich nur zusätzlich verschleiern können. Reed und Alexander (2009) wenden das Paradigma der Performativität auf den Prozess sozialwissenschaftlicher Forschung und Wahrheitsfindung an. Dabei verstehen sie den akademischen Diskurs als ihr empirisches Material und führen zumindest aus dieser Sicht eine empiriegestützte Analyse performativen Handelns durch. Herausgestellt werden soll dabei die sinn- und wahrheitsstiftende Funktion aktiven Handelns im sozialwissenschaftlichen und philosophischen Forschen für die Gesellschaft.

Das Performativitätsparadigma aus der Sicht der Disziplinen Zwischenzeitlich liegt eine Vielzahl an leicht verständlichen und interdisziplinär gehaltenen Einführungen (Carlson 1996) sowie interdisziplinär angelegten Theoriedebatten (Parker/Sedgwick 1995) zu den Begriffen von Performanz und Performativität sowie ihrer Rolle in den Geistes- und Sozialwissenschaften vor. Theoretische Hinführungen und operationalisierende Grundlegungen leisten zu dem eine fundierte Kontextualisierung der Begriffe (Wirth 2002). Darüber hinaus wurden die Begriffe von einzelnen sozialwissenschaftlichen Disziplinen jeweils auch auf unterschiedliche Weise rezipiert und in bisherige Konzepte integriert. Über diesen übergreifenden Paradigmenwandel geben die folgenden Abschnitte einige ausgewählte disziplinäre

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Einblicke, bevor im Anschluss zentrale Ansätze einzelner Autoren herausgegriffen werden sollen, die disziplinenübergreifende Resonanz erfahren haben. Performanz und Performativität in der Kulturanthropologie Tulloch (1999) liefert eine umfassende Einführung und Diskussion der Auseinandersetzung mit dem Performanzbegriff in der Kulturanthropologie. Ihmzufolge werden in der Kulturanthropologie aus Sicht des Performanzparadigmas immer seltener kleine eingeschobene Rituale und Rollenspielsituationen des Alltagslebens untersucht. Stattdessen rücken situative Prozesse der Liminalität in den Fokus (Tulloch 1999: 2). Tulloch zufolge wurde das Konzept des performing culture in der Kulturanthropologie zunächst als ein vollständiges Konzept zur Beschreibung einer Lebensführung aufgefasst. In diesem Verständnis stellten einzelne rituelle Ereignisse im Alltagsleben, wie beispielsweise Hochzeiten, Anlässe dar, an denen eine zu beobachtende Kultur mehr oder weniger neben sich selbst gestellt wurde, damit man, bzw. auch die Mitglieder der Gesellschaft, sie betrachten können (Tulloch 1999: 2). Als innovativ sieht Tulloch demgegenüber das Konzept der Liminalität nach Victor Turner (1982) an, nach dem einzelne Lebensphasen durch so genannte Schwellen voneinander getrennt sind, die meist mit Hilfe des Vollzugs von Ritualen überwunden werden müssen. Diese Phasen der Liminalität stellen einerseits Grenzbereiche einer Kultur dar, sie sind jedoch nicht aus ihr herausgerückt, sondern auch weiterhin deren fester Bestandteil. Während der Begriff der Liminalität diese Grenzbereiche des Übergangs durch den performativen Vollzug kultureller Rituale kennzeichnet, steht das Adjektiv des Liminoiden für den (ebenfalls internen) Versuch der Unterwanderung einer Kultur, für ihre Subversion. Tulloch zufolge können beispielsweise Bachtins Konzepte der Karnevaleske einen solchen Charakter für sich beanspruchen (Tulloch 1999: 2). Empirische Studien auf der Grundlage des Performanzparadigmas liegen beispielsweise in Hörning und Reuter (2004) vor, eine erste Anleitung zu ihrer Durchführung liefert Bendix (2003). Vorarbeiten in der Soziologie Tulloch zufolge führt Erving Goffmans Konzept des framing die Grundgedanken der Performanz in die soziologische Erforschung der Alltagswelt ein (Tulloch 1999: 2). Weitere Vorarbeiten sieht Tulloch in den Ansätzen zum sozialen Konstruktivismus von Berger und Luckmann sowie Schütz und Garfinkel, die von der virtuellen Annahme eines objektiven Sinns ausgehen, der dann subjektiv immer neu im Sinne einer bricolage aufgearbeitet wird (Tulloch 1999: 2). Bei de Certeau (1984) findet Tulloch (1999: 3) eine darauf aufbauende Weiterentwicklung. De Certeau unterscheidet demnach zwischen kulturellen Strategien und kulturellen Taktiken: Kulturelle Strategien sind ihmzufolge Institutionen, deren Existenz vergleichsweise statisch und dauerhaft ist. Kulturelle Taktiken sind demgegenüber situative Handlungen, deren Vollzug Wandel impliziert und ermöglicht. Vorarbeiten in der Linguistik, insbesondere der Sprechakttheorie In den Sprachwissenschaften sind erste Hinwendungen zu einer Fokussierung auf performative Aspekte menschlichen Handelns bereits in den Arbeiten von de Saussure (1931) erkennbar. Nach seinem folgenschweren Modell, das zwischen langue und parole in den Sprachwissenschaften differenzierte, kam zwar dem Aspekt der

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parole zunächst nur eine marginale Bedeutung zu. In den darauf aufbauenden Sprachwissenschaften entwickelte sich aus dieser Unterscheidung die Differenzierung in ein Verständnis von Sprache als einem System gegenüber einer Sprache im Gebrauch. In den folgenden Jahrzehnten beschränkte und konzentrierte sich die Linguistik intensiv auf die Systematisierung und Beschreibung der langue, der Sprache als System. Aus der Sicht heutiger Kritiker resultierte daraus als Produkt sprachwissenschaftlicher Forschung eine Vorstellung von Sprache als einem vergleichsweise statischen und leblosen Gebilde, dessen performativer Gebrauch völlig aus dem Blick gerückt war. Günthner (2004) spricht unter Rückgriff auf Ortner und Sitta (2001: 29) sogar davon, dass die Sprache »so lange idealisiert, d.h. abstrahiert [wurde], bis nur mehr das ›todte Gerippe‹ (langue nennen wir den Kadaver) übrigt war.« Nur wenige Autoren erkannten bereits früh diese Einschränkung durch de Saussures Vorlage und versuchten sie zu überwinden. Einer von ihnen mag Valentin Volosinov (1929/1975) sein, der Günthner (2004) zufolge die lebendige Praxis der Kommunikation in den Vordergrund gerückt hatte. Günthner (2004) schlägt entsprechend vor, Aspekte von Sprache aus einer anthropologischen Sicht in den Blick zu nehmen, so dass Phänomene der Performativität und der Dialogizität sichtbar werden. Der Begriff der Performanz spielte jedoch auch in der Linguistik permanent eine fortgeführte Rolle, so dass die allmähliche Herauslösung aus seinem Schattendasein vorbereitet worden ist. So unterscheidet beispielsweise Austin zwischen dem illokutiven und dem performativen Akt einer sprachlichen Handlung: Erst durch den performativen Akt wird das vollzogen, was durch die Illokution kommuniziert wird (Austin 1962), was unter Umständen aus heutiger Sicht als eine nicht zwingend erforderliche analytische Verkomplizierung auf theoretischer Ebene darstellen mag. Diese Ideen und Begriffe von Austin wurden später für die dekonstruktivistische Theorie von Jacques Derrida (2000 [1967]) aufgegriffen und durch die Konzepte der Zitation und der Iterabilität erweitert. Während die Grundlagen zu diesen Überlegungen bereits auch von Austin impliziert worden waren, betont Derrida damit einen wesentlichen Teil der Glückensbedingungen für interpersonale Verständigung schriftlicher und mündlicher Art: Im Sinne der Begriffe von Zitation und Iterabilität werden Akteure nur dann erfolgreich kommunizieren, wenn sie im Grunde permanent bereits in früheren Kontexten Gesagtes und Geäußertes zitieren und wiederholen. Nur dadurch, dass Akteure etwas wiedergeben, was in zumindest sehr ähnlicher Form bereits vorher vielfach geäußert worden ist, kann aktuelle Kommunikation gedeutet und verstanden werden. Aktuelle Äußerungen lassen sich angesichts dieses Charakteristikums auch als Zitat und Inszenierung früherer Akte verstehen, weshalb vom performativen Charakter einer Äußerung gesprochen werden kann (Tulloch 1999: 3). Zitation und Iterabilität tragen als Glückensbedingungen grundsätzlich auch zunächst zu einer Verstetigung bestehender kultureller Aspekte bei: Wenn Kommunikation nur durch die Wiederholung bereits getätigter Aussagen möglich ist, beschränkt sich die Möglichkeit zur Innovation auf den Handlungsspielraum von Akteuren, in dem sie von dem Gesagten abweichen können und dennoch noch verstanden werden können. Dementsprechend steht die Frage danach, inwieweit der performative Charakter von Interaktion gesellschaftlichen und kulturellen Wandel befürwortet oder bremst, häufig im Zentrum der kommunikationstheoretischen Debatten. Einerseits ließe sich behaupten, dass eine gewisse Subversivität durch das permanen-

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te Wiederholen und das damit implizierte immer wiederkehrende gleichzeitige Abwandeln und sich Reiben an bereits Gesagtem immer schon gegeben ist. Andererseits kann auf die Performativität interpersonalen Handelns als einem Hemmschuh für kulturellen und sozialen Wandel abgestellt werden (Tulloch 1999: 3). Beide Aspekte der Performativität bestätigen die dispositivtheoretischen Annahmen zur Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation, die in diesem Kontext dann als ein Bestandteil sozialer Interaktion verstanden werden kann. Die konservative Funktion performativen Handelns gegenüber sozialem Wandel unterstützt den Bestand gesellschaftlicher Dispositive. Die zugleich unterstützte permanente interne Reibung an den eigenen Diskursgegenständen festigt gleichzeitig den internen Bestand des Dispositivs. Verwendung des Performanzbegriffs zur Medienanalyse Für die Medienwissenschaften und die Medienanalyse gewinnt der Performanzbegriff seine Relevanz insbesondere erst durch seine graduelle Abwendung und ausweitende Loslösung weg von der primären Betrachtung von Ritualen. Einen repräsentativen Einblick in diesen Prozess und die sich damit wandelnden Interessenschwerpunkte geben die Beiträge in dem Sammelband von Hughes-Freeland (1998). Zahlreiche Beiträge untersuchen hier zunächst noch die mediale Wiedergabe und alternativ auch den medialen Vollzug von Ritualen. Schrittweise lösen sich die Beiträge jedoch von diesem Paradigma und verstehen Medienkommunikation im Allgemeinen zunehmend selbst als performativen Vollzug sozialer Praxis. Vor- und Nachteile dieses Paradigmenwechsels diskutiert abschließend Schieffelin (1998), der herausstellt, dass eine Performanzanalyse medialer Kommunikation letztlich mit dem Abschied von einer zeichenorientierten Sichtweise auf Kommunikation einhergeht. Wurden mediale Texte von den textanalytisch informierten Medienwissenschaften noch als Repräsentationen von etwas anderem angesehen, die sich durch einen Interpretationscharakter auszeichneten, stehen hier die medialen Äußerungen als Praxen für sich selbst. Auch hier wird schließlich die textsemiotische Sichtweise auf Kommunikation als vermeidbarer Umweg dargestellt, der einen unmittelbaren forschenden Zugriff auf die Objekte von Interesse verschleiere. Aus dispositivtheoretischer Sicht erscheinen beide Ansätze – sowohl die textsemiotische als auch die performanzorientierte, oder auch, um mit Reckwitz‹ Worten zu sprechen, die praxeologische Perspektive – weder gegensätzlich noch unvereinbar. In beiden Fällen geht es um die Beschreibung sozialer Interaktion und Ausgestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen. Auch praxeologische und performanzorientierte Ansätze müssen dabei der Tatsache Rechnung tragen, dass Akteure sich in ihren Handlungsentscheidungen an früheren Handlungen, Erfahrungen sowie letztlich einer Diskursteilhabe – auch wenn diese mit anderen Begriffen bezeichnet werden mag – orientieren. Verwendung des Performanzbegriffs in der interkulturellen Forschung Forschungsarbeiten, die sich explizit mit der Erforschung interkultureller Kommunikation auseinandersetzen haben das Performanzparadigma bislang nur in einem vergleichsweise geringen Maße rezipiert. Früh findet sich eine Erwähnung und Verwendung des Begriffs interkultureller Performanz bei Fink (2003) und bei Mae (2003),

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die sich jedoch nicht mit dem Performativitätsparadigma beschäftigen, sondern den Begriff der Performanz zunächst nur dazu verwenden, um einen Gegenpol zum Begriff der Kompetenz, insbesondere dem der interkulturellen Kompetenz, überhaupt erst sichtbar zu machen. Die Autoren machen damit darauf aufmerksam, dass sich die Forschung zur interkulturellen Kommunikation vielfach gleich von Beginn an mit normativen Vorstellungen einer interkulturellen Kompetenz beschäftigt, deren vollständiger Vollzug und Abbildung im sozialen Handeln jedoch selten oder nie sichtbar werden kann. Viel näher liegt den Autoren zufolge stattdessen das tatsächliche Handeln von Individuen in Kontexten, die aus interkulturell eingeschätzt werden. Die Autoren empfehlen entsprechend einen stärkeren Fokus auf die tatsächliche Performanz von Individuen im interkulturellen Handeln. Letztlich wird jedoch auch diese begriffliche Instanz wieder an das Normkonzept interkultureller Kompetenz rückgebunden, wenn es darum geht aufzuzeigen, zu welchen Handlungsleistungen Individuen im interkulturellen Kontakt überhaupt erwiesenermaßen fähig sind und zu welchen nicht. Auch wenn die Autoren dabei nicht an praxeologische Überlegungen und Differenzierungen anschließen, verfolgen sie jedoch ein vergleichbares Ziel mit der Einführung des Performanzbegriffs. Auch hier geht es um die Herstellung eines unmittelbareren Zugangs zu einer Beschreibbarkeit menschlichen Handelns in ausgewählten Situationen. Der US-amerikanische Kommunikationstheoretiker Igor Klyukanov definiert erstmals interkulturelle Kommunikation per se als performativen Akt. Zugleich legt er diesen Ansatz in Form eines Lehrbuchs vor (Klyukanov 2005a). Klyukanov geht dabei von den theoretischen Überlegungen Judith Butlers aus, denenzufolge Kommunikation und die Stiftung von Bedeutungen in einer gegebenen Situation nur dadurch vollzogen werden können, dass Akteure bereits getätigte und qua Erfahrung bekannte Kommunikationen wiederholen und zitieren. Auch interkulturelle Kontaktsituationen zeichnen sich demnach dadurch aus, dass Bedeutungen in diesen Situationen und die gesamte Ausgestaltung der Situation an sich dadurch geschaffen werden, dass die Akteure die Situationen mit Handlungen füllen, die sie aus früher erfahrenen und rezipierten Situationen wiederholen und ggf. in beschränktem Maße modifizieren und anpassen (Klyukanov 2005a). Die Situationsbestimmung und -schaffung in interkulturellen Kontaktsituationen kann demnach auf sehr unterschiedliche Weise vollzogen werden: Möglicherweise werden Situationen von den Akteuren überhaupt nicht als interkulturell gerahmt, möglicherweise entsteht eine Wettbewerbssituation, in der entschieden wird, nach welcher kulturellen Orientierung der Beteiligten eine Situation ausgerichtet wird, oder die Situation wird explizit als interkulturell gerahmt, und auch hier entscheiden die beteiligten Akteure auf der Grundlage von Vorerfahrungen, wie und auf welche Weise mit Interkulturalität umzugehen ist. Aus Klyukanovs Sicht kann der performative Charakter von Kommunikation, bezogen auf die Betrachtung interkultureller Kommunikation im Besonderen, die folgenden unterschiedlichen Ausprägungen annehmen (Klyukanov 2005a: 62): Bestenfalls entwickelt sich eine interkulturelle Kontaktsituation auf dieser Grundlage ähnlich wie ein Aufeinandertreffen von Forschern und Erforschten in einem ethnographischen Beobachtungsprozess, in dem jedoch alle Beteiligten als gleichberechtigt angesehen werden. In diesem Fall wird die Situation explizit als interkultu-

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rell verstanden und damit die Anforderung verknüpft, einander mit erhöhter Sorgfalt, Vorsicht und Aufmerksamkeit zu beobachten, gemeinsame Kommunikations- und Verständigungsregeln zu erarbeiten und so zu einem gegenseitigen Austausch zu gelangen. Neben diesem Idealfall sieht Klyukanov jedoch auch zwei relevante Sonderfälle, die aufgrund ihres sozialen Problemgehalts erst eine Forschungsrelevanz produzieren: Zum Einen können die Akteure mit den Deutungs- und Sinnstiftungsanforderungen überfordert sein, woraus das resultiert, was die klassische Forschung zur interkulturellen Kommunikation bereits zuvor als Kulturschock bezeichnet hat. Zum Anderen können die Akteure an der Installation von Deutungsversuchen scheitern, indem sie dem hermeneutischen Zirkel erliegen und es ihnen nicht gelingt, eine für ihre Zwecke hinreichend distanzierte Perspektive auf ihre Interaktion einzunehmen.

Performativität als dritter Weg zwischen Struktur und Handlung? Das Performativitätsparadigma, das letztlich in der Tat bereits in seinen Grundgedanken bei de Saussure (1931) und später Austin (1962) angelegt ist, fördert in seinen Kernaussagen kaum wirklich neue Erkenntnisse zutage. Für zahlreiche geistesund sozialwissenschaftliche Disziplinen wird der Ansatz eher durch einen Nebeneffekt attraktiv. Schieffelin (1998) stellt Performativität als expressiven Ausdruck einer strategischen Artikulation von Praxis heraus. Besonders an dieser Perspektive ist dabei, dass Dichotomien obsolet werden, die vormals wichtig waren. Unerheblich sei so beispielsweise die Überlegung, ob Performativität ein herausragendes Ritual mit ästhetischem Anspruch beschreibt, oder aber ob performative Aspekte in jedweder Alltagshandlung zu finden sind. Diese Erkenntnis Schieffelins kann jedoch noch weiter geführt werden: Auch wenn Tulloch (1999) auch innerhalb der Debatte um den Charakter von Performativität interne Debatten zwischen bipolar angeordneten, gegensätzlichen Haltungen aufdeckt, kann doch auch gefolgert werden, dass althergebrachte und als unumgänglich geltende Dilemmata, wie die aus der Dichotomie von Struktur und Handlung zwar nicht getilgt, aber doch als weniger relevant eingestuft werden, wenn eine radikal praxis- und ausdrucksorientierte Perspektive eingenommen wird. Vor diesem Hintergrund wird das innovative Potential des Paradigmas für die Geisteswissenschaften deutlich. Differenzorientierte Themenwissenschaften zwischen Struktur- und Handlungstheorien Interkulturelle Kommunikation scheint in diesem Kontext jedoch nicht das einzige Thema zu sein, das sich aus den struktur- und handlungstheoretischen Paradigmen quasi ergibt – andernfalls würde die hier vertretene These jeden Halt verlieren. Stattdessen lässt sich neben dem Thema interkultureller Kommunikation eine Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Themen wissenschaftlichen Interesses benennen, die sich im Spannungsfeld zwischen struktur- und handlungstheoretischen Paradigmen entwickeln konnten. Gemeinsam scheint diesen Themen eine permanente und durchweg inhärente Differenzorientierung bei der Erfassung ihrer Gegenstände zu sein, die wiederum auf strukturalistische Grundannahmen zurückzuführen sein mögen. Ausgehend von diesen paradigmatischen Perspektiven scheint eine wissenschaftliche

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Auseinandersetzung mit Themen nahe zu liegen, in denen Strukturen, bzw. Akteure in ein bipolares Differenzverhältnis zueinander treten. Die auf diese Weise entstehenden Szenarien lassen sich schließlich durch kontrastive Analysen und Vergleiche sowie durch interaktionsorientierte Beobachtungsmethoden wissenschaftlich erfassen und beschreiben. Genannt seien an dieser Stelle nur exemplarisch für eine Vielzahl wissenschaftlicher Themen die Beschäftigung mit Fragen in den Bereichen von Geschlechter- und Gender-Forschung6 (Nagl-Docekal 1990), von Migrationsforschung (Schiffauer 2002), aber auch der Untersuchung von Organisationen (Dederichs 2000) und Institutionen (Berger/Luckmann 2000 [1969]).7 Dabei sollen diesen genannten Themen – einschließlich interkultureller Kommunikation – an dieser Stelle keinesfalls eine mono-paradigmatische oder einseitige theoretische Ausrichtung, geschweige denn ein schlimmstenfalls statisch-veraltetes Gegenstands- und Theorie-Verständnis unterstellt werden. In allen Bereichen thematischen wissenschaftlichen Interesses wurden selbstverständlich in interdisziplinärer Perspektive neue Theorien und Sichtweisen rezipiert, übernommen, adaptiert und diskutiert. Allein der ursprüngliche Ausgangspunkt eines wissenschaftlichen Interesses an den genannten Themen mag mit dem Primat und der Dualität struktur- und handlungstheoretischer Konzepte in den westlichen Geistes- und Kulturwissenschaften des 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Ausgehend von diesen Überlegungen kann problemlos eingestanden werden, dass keines der exemplarisch genannten Themen wissenschaftlichen Interesses – und darunter auch die Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation – sich einer einzelnen wissenschaftlichen Disziplin zuordnen lässt, bzw. dass diese thematischen Wissenschaftsbereiche zunächst kaum über genuin eigene wissenschaftliche Methoden verfügen (Lüsebrink 2004a). Demnach scheint interkulturelle Kommunikation als Gegenstand wissenschaftlichen Interesses gerade erst aufgrund der Integration verschiedener vorhandener wissenschaftlicher Methoden im Rahmen strukturund handlungstheoretischer Paradigmen in Erscheinung zu treten. Wenn man die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation als eine aus einer Vielzahl thematischer Orientierungen begründet, die sich aus vorherrschenden Paradigmen heraus ergeben, dann drängt sich die Frage nach dem Fortbestand der Relevanz dieser thematischen Ausrichtungen auf, sobald die vorherrschenden Paradigmen abgelöst werden, bzw. sobald sich ihr Stellenwert verändert. Wirft das Thema interkultureller Kommunikation, wie es derzeit von den Sprach- und Kommunikationswissenschaften vielfach konzipiert wird, überhaupt noch relevante Fragen, bzw. andere Fragen auf, wenn sich die zugrunde liegenden Paradigmen ändern (womit im Hinblick auf Thomas S. Kuhns Ausführungen zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen zu rechnen wäre (Kuhn 2001 [1969])?

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Aufgrund ihrer gemeinsamen Differenzorientierung scheinen sich Auseinandersetzungen mit den Thematiken interkultureller Kommunikation sowie Genderforschung darüber hinaus auch zum Kombinieren der Thematik anzubieten (Schlehe 2001). Bei diesem Textabsatz handelt es sich um einen Wiederabdruck des Verfassers selbst (Busch 2007: 71).

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Perspektiven interkultureller Kommunikation im Wandel wissenschaftlicher Paradigmen Als mögliches Szenario sei an dieser Stelle exemplarisch auf das Paradigma der Performanz verwiesen, das aus den US-amerikanischen Literaturwissenschaften heraus zunehmend auch von kulturwissenschaftlichen Disziplinen in Europa rezipiert und angenommen wird (Wirth 2002). Die Karriere des Performanzbegriffs in den Kulturwissenschaften dürfte dabei zentral auf den Dekonstruktivismus Derridas zurückzuführen sein: Derrida kritisierte die Kategorien von Illokution und Perlokution in den sprechakttheoretischen Modellen von Austin und Searle. Letztere postulierten noch den Handlungsaspekt – begrifflich gefasst im Terminus der illokutionären Kraft – als zentrales Charakteristikum menschlicher Kommunikation. Kritisch schien dieses Postulat jedoch auch bereits für Austin und Searle im Hinblick auf Sprechakte, die in fiktionalen Kontexten, wie beispielsweise Theateraufführungen oder fiktionalen Filmgenres, geäußert werden (Wirth 2002: 18f). Austin zufolge verlieren Sprechakte in fiktionalen Kontexten dieser Art ihre illokutionäre Kraft, weshalb er diese Verwendungsweisen auch als parasitären Gebrauch von Sprechakten bezeichnete (Wirth 2002: 19). Derrida nahm diese und weitere Einschränkungen der Sprechakttheorie zum Anlass, sie durch das Kriterium der infiniten Iterierbarkeit von Äußerungen als zentrales Charakteristikum menschlicher Kommunikation zu ersetzen.8. Demnach zeichneten sich Äußerungen dadurch aus, dass sie beliebig oft iteriert, also wiederholt, bzw. zitiert werden können. Auf der Grundlage der Annahme dieser Iterierbarkeit können kommunikative Äußerungen und Interaktionen als Zitate bereits dagewesener Äußerungen verstanden werden9. Ausgerechnet die von Austin nach dem eigenen Abwenden von seiner ursprünglich postulierten Klasse der Performativa entstandene Randgruppe der expliziten Performativa (d. h. ritualisierten Sprechakten, wie beispielsweise die des Taufens oder des richterlichen Urteils), lässt sich aus einer performanzorientierten Perspektive sogar stichhaltiger erklären als mit Begründungen der Illokution (Wirth 2002: 35). So zitiert Uwe Wirth (2002: 35) Sibylle Krämer: »Iteration und Zitation sind in ein Dispositiv der Macht eingebettet, weil sich nämlich die Kraft des Performativen nicht aus den Intentionen des sprechenden Individuums speist, sondern aus dem ›Vermächtnis‹ früherer überpersönlicher sprachlicher und außersprachlicher Praktiken« (Krämer 2001: 144). »Das ›Machtgefälle‹, das beim Gebrauch der ursprünglichen, expliziten Performativa offensichtlich wird, verdeutlicht, dass es hier um die Stiftung einer Gemeinschaftlichkeit geht, die ›nicht durch Verständigung, sondern durch das Einhalten einer Form‹ erfolgt« (Krämer 2001: 145).

Aus dieser Sicht können jedes Zeichen, jede sprachliche Äußerung und jeder Text als Inszenierung, als »In-Szene-Setzen« oder als Performance verstanden werden, als welche sie im Derridaschen Sinne einer dekonstruierenden Interpretation unterzogen werden können (Gehring 2004: 389). Mit seinem Plädoyer für dekonstruktivistische

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Vgl. Wirth (2002: 19) mit Bezug auf Derrida (2001 [1971]: 38f). Vgl. Wirth (2002: 20) mit Bezug auf Derrida (2001 [1971]: 40).

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Verfahren setzt sich Derrida selbst explizit für eine Ablösung struktur- und handlungstheoretischer Paradigmen ein, deren Suchrichtungen er einerseits für kaum untereinander vermittelbar hält, deren Erklärungskraft im Hinblick auf sozialer Phänomene er jedoch zugleich ohnehin in Frage stellt.10 Verstünde man die Perspektive der Performanz auf menschliche Kommunikation als paradigmatische Ergänzung struktur- und handlungstheoretischer Herangehensweisen, so müsste zugleich auch von einer Eröffnung von unter Umständen völlig neuen Phänomenen wissenschaftlichen Interesses ausgegangen werden, die die früheren thematischen Orientierungen gegebenenfalls auch ablösen könnten. Zumindest jedoch stünde eine Reflexion eines möglicherweise fälligen Wandels der Fragestellungen an das Thema interkultureller Kommunikation aus. Für das Beispiel performanzorientierter wissenschaftlicher Sichtweisen entstünde beispielsweise die Frage, ob interkulturelle Kommunikation weiterhin zentral und ausschließlich als strukturell qua Differenz definiertes Handlungs- und Interaktionsfeld betrachtet werden kann. Stattdessen könnten Konstitutionen interkultureller Kontaktsituationen etwa als Produkte von Inszenierungen begriffen werden. Die auf diese Weise inszenierten Situationen beinhalteten dann zugleich wiederum Gestaltungsraum für Inszenierungen teilhabender Individuen und Gruppen. Inszenierungen in diesem Sinne würden beispielsweise nach Derrida dann grundsätzlich als Iteration, Zitat und Modifikation früherer Inszenierungen verstanden. Denkbar wären dabei wissenschaftliche Fragestellungen wie die nach Inszenierungen von Interkulturalität und interkulturellem Kontakt.11 Darüber hinaus kann jedoch auch das Thema interkultureller Kommunikation selbst in Frage gestellt werden: Auf dieser Grundlage kann der Frage nachgegangen werden, ob ein Paradigmen-, bzw. Perspektivenwechsel auf übergeordneter theoretischer Ebene eventuell auch einen Wechsel der Themen beinhaltete, die für wissenschaftlich relevant erachtet werden, bzw. ob Themen als Kategorie wissenschaftlichen Interesses eventuell von anderen Kategorien abgelöst würden. Alternativ könnten hier beispielsweise Termini wie die von Konflikt, Ausschluss oder Kooperation in Betracht kommen, mit denen Stile von Inszenierungen interkultureller Kommunikation beschreibbar werden. Zusammengefasst kann die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation im Sinne der in den vorangegangenen Abschnitten nachgezeichneten Überlegungen als Resultat von Konjunkturen unterschiedlicher Paradig-

10 Vgl. Gehring (2004: 381) Bezug nehmend auf Derrida (2000 [1967]). 11 Zugrundelegungen performativer Sichtweisen in sprachwissenschaftlichen empirischen Untersuchungen interkultureller Kommunikation finden sich beispielsweise in den Arbeiten von Helga Kotthoff: Die Autorin beschreibt zwar lediglich kulturimmanente (also die rein kontrastive, erste Phase des Modells des Kulturkontakts betreffend) und deutlich als Ritualisierungen gekennzeichnete kommunikative Praktiken in georgischen Trink-, bzw. Trauersituationen (Kotthoff, 2002c, 107). Darüber hinaus stünden jedoch Überlegungen dazu aus, ob dieser Ansatz zur performativen Konstitution von Kultur nicht auch weitere Einblicke in weitere Phasen des Modells interkulturellen Kontakts (Erstkontakt, Interaktion, Konflikt, etc.) ermöglichen könnte. Beispiele für Anwendungsformen dieser Perspektive in unterschiedlichen kulturwissenschaftlichen Feldern finden sich darüber hinaus in dem Band von Hörning und Reuter (2004).

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men in den Sozial- und Geisteswissenschaften des zwanzigsten Jahrhunderts verstanden werden, deren gesellschaftlich und wissenschaftlich empfundene Relevanz dementsprechend einer zeitlichen Begrenzung unterliegen kann. Dass Anpassungsprozesse dieser Art an sich verändernde Paradigmen auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation permanent beobachtet werden können, zeigt beispielsweise Jürgen Bolten, indem er Forschungs- und Praxismethoden interkultureller Personalentwicklung mit dem von Ulrich Beck beschriebenen Kontrast zwischen Erster und Zweiter Moderne in Beziehung setzt.12 Während Tendenzen der Ersten Moderne ein statisches, von Nationengrenzen dominiertes Weltbild mit klaren und separaten kulturellen Entitäten nahe legten, stünden Sichtweisen, die der Zweiten Moderne nahe stehen, für ein dynamisches, prozessbewusstes und interaktionsorientiertes Kulturverständnis. Interkulturelle Trainer und Personalentwickler, aber auch die Trainees interkultureller Fortbildungen, empfänden Trainingsmethoden gegenwärtig vielfach deshalb als unzutreffend (und veraltet), weil die Methoden auf Weltbilder nach Becks Erster Moderne aufbauten, während Trainer und Trainees ihr Handlungsumfeld als sehr viel dynamischer im Sinne der Zweiten Moderne auffassten. Umgekehrt wendet Bolten jedoch ein, dass innovative Trainingsmethoden, die sich an Konzepten der Zweiten Moderne orientierten, von Trainingsteilnehmern häufig als verwirrend und unklar empfunden und daher eher abgelehnt würden. Bolten führt dies darauf zurück, dass sich zahlreiche westliche Gesellschaften gegenwärtig in einem Übergangs- und Transformationsprozess zwischen Weltbildern befänden, die teilweise noch dem Beckschen Konzept der Ersten Moderne, teilweise jedoch auch bereits dem der Zweiten Moderne nahe stünden. Demnach scheint keines der beiden Konzepte zu einer adäquaten gesamtgesellschaftlichen Beschreibung hinzugezogen werden können. Stattdessen kann lediglich davon ausgegangen werden, dass gegeneinander heterogene gesellschaftliche Bereiche sich in einem unterschiedlich gearteten Transformationsprozess zwischen den beiden – wahrscheinlich nie vollständig erreichbaren – Extrempolen Erster und Zweiter Moderne befinden (Bolten 2004: 42-43). Die empfundene Unangemessenheit der Konzepte deutet in Boltens Beispiel auf einen sich abzeichnenden Wandel von Paradigmen oder zumindest von Perspektiven hin. Wird in Debatten um die Beschaffenheit des Forschungsfeldes interkultureller Kommunikation die Einordnung als ein »bloßes Thema« (Straub 2007a: 220) – wie eingangs zitiert – als defizitär empfunden, so kann auch dies auf einen sich abzeichnenden Paradigmenwechsel hindeuten. Darüber hinaus darf sicherlich nicht außer Acht gelassen werden, dass der Forschungsgegenstand als gesellschaftsrelevantes und nach Lösungswegen drängendes Problemfeld und Thema aus westlichen Gesellschaften an ihre Wissenschaften herangetragen wird, woraus sich eine nicht im Geringsten anzuzweifelnde Legitimation zur Forschung zwingend ergibt. Dennoch begründen zahlreiche Publikationen den Bedarf nach Schulungen zur interkulturellen Kompetenz ausschließlich mit der quantitativen Zunahme interkultureller Kontakte im Rahmen einer fortschreitenden Globalisierung, die häufig auch der Legitimation wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit der Thematik interkultureller Kommunikation dient (Maletzke 1996: 9;

12 Vgl. Bolten (2004: 40-42) mit Bezug auf Beck (2001).

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Luchtenberg 1999: 9). Eine derartige Argumentation scheint jedoch höchstens eine notwendige, jedoch keine hinreichende Begründung für eine Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation zu beinhalten (Busch 2005: 28).

Performativität als Ausweg zwischen Struktur- und Handlung Das Paradigma der Performativität mag einen theoretischen Ausweg aus dem diskursiven Dilemma der Alternativlosigkeit von Struktur- und Handlungsparadigma erhoffen lassen. Letztlich handelt es sich jedoch auch hier vielmehr um eine Fortschreibung dieses Dilemmas, die auf der Handlungsebene sogar noch konsequenter als zuvor fortgeschrieben wird. Damit verbunden ist die Frage, wie viel Handlungsautonomie Aktanten in Situationen zugestanden wird, und ob das Phänomen der Performativität zu einer Festigung bestehender Strukturen oder stattdessen zu kulturellem Wandel beiträgt. In dem Buch Performance and Performativity von Parker und Sedgwick (1995) beschreibt Joseph Roach Performanz als transformative Praxis. Judith Butler dagegen bezieht sich auf Austin und Derrida: demnach kann Performativität nur bedeuten, dass immer nur Dinge wiederholt und zitiert werden. Demnach wäre der Aspekt der Kontinuität deutlich stärker hervorgehoben als der des Wandels (Tulloch 1999: 3). Darüber hinaus finden sich auch Versuche, innerhalb des Performativitätsparadigmas zwischen Aspekten von Kontinuität und Wandel zu unterscheiden. So schlägt beispielsweise Cindy Patton vor, zwischen Performanz und Performativität zu trennen. Performativität weise dabei auf kreative Wandlungsfähigkeit mit minimaler Orientierung an Gegebenem hin, wohingegen Performanz auf Kontexte verweise, die sich gerade durch die Zitation und Iteration auszeichneten. Tulloch sieht in dieser Unterscheidung Parallelen zu dem Begriffspaar von Strategie und Taktik bei de Certeau (1984).13

P ERFORMATIVITÄT

EMPIRISCH SICHTBAR IN

D ISKURSEN ?

Judith Butler liefert in ihren Überlegungen über das Performativitätsparadigma hinaus eine wesentliche und hilfreiche Verknüpfung dieses Ansatzes mit bisherigen Diskurstheorien. Tulloch (1999: 16) fasst zusammen, dass Butler (1993: 240-241) zufolge der Vollzug performativer Akte immer auch einen Beitrag zu einem Diskurs darstellt. Diskurse sind demnach immer auch selbst performative Akte, so dass es entsprechend sinnvoll erscheint, das performative Potential von Diskursen zu untersuchen. Die Ausdrucks- und Ergebnisorientierung des Performativitätsgedankens erleichtert dabei zusätzlich eine Herausstellung des Dispositivcharakters von Diskursen. Als wesentliche Publikationen für die Entwicklung des Performativitätsgedankens bei Butler können die Monographien Gender Trouble (Butler 1990), in der die soziale und diskursive Konstruktion von Geschlecht herausgearbeitet wird, sowie Bodies That Matter (Butler 1993) gesehen werden, in der dieser Gedanke ausgeführt

13 Vgl. Tulloch (1999: 3) mit Bezug auf Patton (1995).

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und präzisiert wird: Demnach sind Individuen auch bei kritisch angeleiteter Reflektion in ihrem Handeln nicht völlig frei, sondern immer in Diskurse eingebettet und an sie gebunden. Insbesondere in diesem Aspekt orientiert sich Butler an Foucaults diskurstheoretischen Vorarbeiten. Wenn sich Performativität in Diskursen äußert und manifestiert, wie sich aus Butlers Brückenschlag schließen lässt, dann eröffnen sich daraus vielversprechende Fragen nach der Möglichkeit einer empirischen Sichtbarmachung und Identifizierung performativer Aspekte im Hinblick auf ausgewählte Vollzugspraktiken, wie im Fall der vorliegenden Studie beispielsweise der Produktion und Reproduktion des Dispositivs interkultureller Kommunikation. Diese Möglichkeiten sollen in den folgenden Abschnitten kritisch eruiert werden. Bringt man empirische Forschungen ins Spiel, stellt sich letztlich auch bei dieser theoretischen Grundlage die Frage nach dem Ausmaß und der Adäquatheit interpretatorischer Intervention seitens des Forschenden. Dass Interpretation im Forschungsprozess gefordert ist, ist zunächst nicht zuletzt auf die Beschaffenheit der zugrunde liegenden Theorie zurückzuführen: Erfahrungsgemäß liefern Diskurstheoretiker kaum empirisches oder methodisches Handwerkszeug, auf dessen Grundlage Auswertungen durchgeführt werden können. Der empirische Forscher ist entsprechend gefordert, entweder wesentliche Schritte zwischen Empirie und Theorie durch eigene Interpretation und Auslegung zu überbrücken. Alternativ kann er sich benachbarter empirischer Forschungsmethoden bedienen, diese adaptieren und deren Adaptation und Passung nach Möglichkeit überzeugend begründen. Sieht sich der empiriebegeisterte Sozialforscher entsprechend aufbereiteten Aufzeichnungen sozialen Handelns, beispielsweise in Form von Transkriptionen gesprochener Sprache, gegenüber, so kann er angesichts der Theorien von Diskursivität und Performativität zunächst nur Mutmaßungen anstellen. So kann nur vermutet werden, auf welche früheren Handlungen sich Aktanten im Sinne von Zitation und Iterabiliät beziehen. Erst wenn eine Entscheidung über diesen Rückbezug getroffen ist, wenn das Original einer Zitation (deliberativ) identifiziert worden ist, dann könnten Handlungen beteiligter Akteure an diesem Original bemessen werden. Erst auf diese Weise ließe sich beurteilen, inwiefern Akteure einer einmal gewählten Zitation treu bleiben, bzw. inwiefern sie davon abweichen oder sich an deren Grenzen herantasten und diese gegebenenfalls sogar ganz überschreiten, um etwas Neues zu schaffen. Alternativ können Vorgehensweisen entwickelt und hinzugezogen werden, mit deren Hilfe Interpretationsspielräume im Forschungsprozess systematisch eingegrenzt werden und ein Fokus auf das tatsächlich vorliegende empirische Material gestärkt wird. Bezogen auf die Suche nach performativen Aspekten in interpersonaler Kommunikation könnte dies auf einer vereinfachten Ebene bedeuten, dass nach expliziten Bezugnahmen auf den Handlungsaspekt einer Äußerung oder auf die Anknüpfung an bestehende Diskurse gesucht wird. Als Glückenskriterium für ein solches explizites performatives Handeln kann auch hier mit Bezug auf Derrida das erfolgreiche Anschließen an bereits Zitiertes gelten. In konkreten Interaktionssituationen muss demnach die Dialogizität in der Folge auf performative Akte in den Blick genommen werden. Dabei gilt es zu überprüfen, ob alle an einer Interaktion beteiligten Individuen in Form ihrer Reaktion den Zitationscharakter einer Handlung erkennen und selbst daran anschließen.

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Q UA S UBVERSION

DAS

D ISPOSITIV

AUFLÖSEN ?

Die geplante Zusammenführung von Diskurs und Performativität scheint bereits auf den ersten Blick eine Lösung und einen Ausweg aus dem andernfalls hermetischen und perpetuierten Dispositiv interkultureller Kommunikation in Aussicht zu stellen. Schlägt man bereits von theoretischer Seite vor, den Blick verstärkt auf das tatsächliche Handeln und den Handlungsvollzug von Individuen zu richten, so impliziert dies doch die Annahme einer grundlegenden oder zumindest rudimentär vorhandenen Handlungsfreiheit gegenüber einer diskursiven und dispositiven Gefangenheit, die es wert ist, präzise ausgelotet zu werden. Und in der Tat sehen beispielsweise Autoren wie Butler durchaus Angriffsmöglichkeiten gegenüber hegemonialen Diskursen. So macht es sich Butler beispielsweise selbst zum politischen Projekt, zu einer diskurstheoretisch informierten Offensive aufzurufen. So geht Butler davon aus, dass hegemoniale Diskurse zwar einerseits qua Materialisierung sehr stark gefestigt und perpetuiert sind. Andererseits müsse die Erkenntnis über die diskursive Genese dieser Materialisierungen aber immer auch das Wissen darüber mit einschließen, dass Diskurse von Bruchlinien und sogar Brüchen durchzogen sind. Diese potentiellen Bruchstellen sollten Butler zufolge auch noch in Materialisierungen erkennbar sein, so dass Individuen hier auch weiterhin Ansatzpunkte zum Aufbrechen der Materialisierung und zum Umsturz von diskursiven Machtstrukturen finden sollten. Im Zuge eines Plädoyers für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit, die unabhängig von Diversitätskategorien bestehen bleiben soll, ruft Butler zu einem solchen gezielten Aufbrechen von Diskursen auf. Betrachtet man jüngere Generationen von Autoren – hier exemplarisch im deutschsprachigen Raum – die sich mit kultureller Differenz im gesellschaftlichen Leben innerhalb Deutschlands auseinandersetzen, so entsteht der Eindruck, dass sich zunehmend Stimmen formieren, die es sich zum Ziel setzen, tradierte und konventionelle Diskurse einer deutschstämmigen Mehrheit über Migration und Integration aufzubrechen. Dies gelingt insbesondere durch das Sprechen aus einer migrantischen Minderheitenperspektive heraus. So entwirft beispielsweise Terkessidis (2010) ein aktualisiertes Bild der bundesdeutschen, von Immigration geprägten Gesellschaft: Ihmzufolge ist die Vorstellung einer homogenen Gesellschaft, in die migrantische Minderheiten zu integrieren sind, schon immer unangemessen, bzw. unrealistisch gewesen, spätestens jedoch in den letzten Jahrzehnten muss es als vollkommen überholt angesehen werden. Terkessidis zufolge versteht sich bereits eine Mehrheit der deutschen Gesellschaft als interkulturell und vollzieht dieses Selbstverständnis auch lebenspraktisch. Nur eine konservative Minderheit halte demgegenüber an der überkommenen Homogenitätsvorstellung fest. Indem Terkessidis Interkulturalität zu einem selbstverständlichen und allgemein vorhandenen Aspekt umformuliert, nimmt er ihm auch die Außergewöhnlichkeit und den Ausnahmecharakter. Was für eine Mehrheit einer Gesellschaft ohnehin selbstverständlich ist, ist auch keine diskursive Erwähnung mehr wert. Terkessidis nimmt dem Gegenstand interkultureller Kommunikation somit seine Relevanz und auch den dichotomisierenden Charakter, der mit dem der Thematik inhärenten Differenzparadigma einher geht. In ähnlicher Form arbeiten die Sammelbände von Stemmler (2011) und Sezgin (2011) an einer solchen Umverteilung der Diskursmacht um Themen von Integration und kultureller Vielfalt

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mit. Betrachtet man diese Versuche des Aufbrechens diskursiver Strukturen, die als nicht mehr zeitgemäß erlebt werden, aus Sicht des Dispositivs interkultureller Kommunikation, so müssen auch diese Ausbruchsversuche in ihrer Effektivität kritisch eingeschätzt werden. Bereits die Tatsache, dass der Wandel von Interkulturalität in einen Aspekt der alltäglichen Selbstverständlichkeit dennoch auch weiterhin in pamphlethafter Manier statuiert und eingefordert werden muss, deutet darauf hin, dass die Szenarien, die die Autoren schildern, noch nicht erreicht und umgesetzt worden sind – und dies möglicherweise auch niemals werden. So formulieren auch die genannten Autoren letztlich eine kulturpolitische Vision, für deren näherungsweise Umsetzung sie kämpfen. Genau dieses Engagement jedoch stützt letztlich wieder das Dispositiv interkultureller Kommunikation.

Zu einer Theorie performativen Handelns im Dispositiv interkultureller Kommunikation

Die vorangegangenen Kapitel haben ein grundlegendes Problem gegenwärtiger Forschung zur interkulturellen Kommunikation im Hinblick auf ihre Erfassung und Erforschung des eigenen Forschungsgegenstands herausgearbeitet. Ausgangspunkt für die präzise Erfassung dieser Problemstellung war die Beobachtung, dass selbst innerhalb der Forschung zur interkulturellen Kommunikation in den vergangenen Jahren zunehmend kritische Stimmen laut wurden, die auf Unstimmigkeiten im Forschungsdiskurs hingewiesen hatten. Vermutet und vorgeworfen wurden der stattfindenden Forschung vermehrt eine zu geringe Reflektion des eigenen Forschungsgegenstands sowie eine zu geringe und zu unpräzise Zielorientierung der Forschungsleistungen. Gelegentlich wurde sogar eine mehr oder weniger absichtliche Verschleierung von Forschungszielen, bzw. möglichen konkreten Wegen zur Zielerreichung unterstellt. Diese Vorwürfe erscheinen plausibel begründet und nachvollziehbar, sie liefern jedoch in der Regel weder systematische Begründungen für das Zustandekommen solcher Brüche im Forschungsdiskurs, noch schlagen sie konstruktive Umgangsformen für die Behebung solcher Unstimmigkeiten und für die Weiterführung eines konstruktiven Forschungsdiskurses vor. Für eine Beschreibung des Zustandekommens dieser oberflächlichen Bruchlinien und Unstimmigkeiten wurde im Rahmen der vorliegenden Studie vorgeschlagen, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation als Dispositiv im Sinne der Foucaultschen Diskurstheorie zu verstehen und zu betrachten. Entsprechend muss davon ausgegangen werden, dass es in dem Diskurs um das Themenfeld interkultureller Kommunikation nicht, wie an der Diskursoberfläche beansprucht, um die Bearbeitung und nachhaltige Lösung von Problemstellungen in der interkulturellen Verständigung geht. Stattdessen nimmt die Dispositivtheorie an, dass Diskurse sich als Strategien darstellen, mit deren Hilfe Gesellschaften in verdeckter Form an der Behebung von einer gesellschaftlichen Mehrheit, bzw. von einer Machtelite empfundenen Notständen arbeiten. Diese Notstände betreffen auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene vielfach eine wahrgenommene Gefährdung oder Delegitimierung gesellschaftlicher Machtstrukturen, die in der Regel beträchtliche Asymmetrien beinhalten. Sich auf Vorarbeiten stützend ist in der vorliegenden Studie davon ausgegangen worden, dass auch die Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation letztlich einer Wiederherstellung von innergesellschaftlichen Machtstrukturen

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dient, die im Rahmen einer seit vielen Jahrzehnten voranschreitenden Globalisierung in Gefahr gewähnt werden. Der Diskurs um interkulturelle Kommunikation ist dabei als eine Strategie der Festigung bestehender Strukturen zu verstehen. Erreicht wird dies durch eine Problematisierung und Diskursivierung des Gegenstands interkultureller Kommunikation, der eine permanente Beschäftigung und Auseinandersetzung sowie eine Stellungnahme von großen Teilen der Gesellschaft erfordert. Das Dispositiv interkultureller Kommunikation erzwingt auf diese Weise eine Teilhabe an einem Diskurs, der vorgibt, sich mit der Erarbeitung von Wegen der Verständigung zu befassen, der letztlich jedoch bewirkt, dass der Gegenstand zu einem Problem konstruiert wird, der eine permanente Berücksichtigung erfordert, ohne jemals zu einer endgültigen Lösung zu gelangen. Im Ergebnis werden auf diese Weise auch Machtstrukturen erhalten, die auf monokulturellen und mononationalen Annahmen beruhen. Eine tatsächliche Beschäftigung mit Aspekten interkultureller Kommunikation bleibt ungeachtet des Einflusses des Dispositivs ein legitimes Anliegen. Aufgrund des Dispositivcharakters erscheint es jedoch erforderlich, die Herangehensweisen an die Thematik vollständig neu zu überdenken. Berücksichtigt werden muss dabei insbesondere die permanente Präsenz und Einflussnahme des Dispositivs, bis hin zu dem Eingeständnis, dass auch Studien, die das Dispositiv bewusst reflektieren, dieses qua theoretischer Definition nie transzendieren können werden. Dispositivtheoretisch informierte Herangehensweisen an empirische Forschungsfelder liegen bereits für eine Vielzahl gesellschaftlicher Kommunikationsbereiche vor, wie anhand der Systematisierung mit Hilfe des medial-interpersonalen Kommunikationskreislaufmodells aus den Cultural Studies nachgezeichnet worden ist. Eine Forschungslücke besteht jedoch weiterhin, wenn es um eine dispositivtheoretisch informierte Beschreibung eines der Kernbereiche des Interesses interkultureller Kommunikation geht, nämlich interpersonalen Interaktionen auf einer Face-to-Face-Basis. Um für diesen Bereich ein Beschreibungsmodell entwickeln zu können, wurde in den vorangegangenen Abschnitten dieser Studie ein Ansatz herausgearbeitet, der dispositivtheoretische Annahmen mit einer Interaktionstheorie zusammenführt, die Kommunikation als Form sozialer Praxis fokussiert. Im vorliegenden Kapitel soll nun versucht werden, die wesentlichen Aspekte und Dimensionen dieses Ansatzes zu einer Theorie zusammenzufassen und zu verdichten, die eine Erfassung und Beschreibung performativen Handelns im Dispositiv interkultureller Kommunikation ermöglicht. Erst im darauffolgenden Kapitel sollen zusätzlich empirische Forschungsmethoden auf ihre Verwendbarkeit für eine Beschreibung entsprechender Handlungsformen untersucht und für den Einsatz in der interkulturellen Forschung vorgeschlagen werden. Hierzu zählen zunächst wiederum ein Resümee der relevanten Aspekte aus Diskurs- und Dispositivtheorie sowie deren Anwendung auf den Diskursgegenstand interkultureller Kommunikation unter Rekursion auf den bereits früher erforschten Bereich der Gender Studies. In einem weiteren Schritt werden Aspekte der Praxeologie zusammengefasst, die zuletzt zu einem integrativen Modell performativen Handelns im Rahmen des Dispositivs interkultureller Kommunikation zusammengeführt werden. Abschließend werden einige Überlegungen zu einem konsequenten konstruktiven Umgang mit dem Dispositiv interkultureller Kommunikation in Wissenschaft und Gesellschaft angestellt.

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D ISKURS

UND

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D ISPOSITIV

Wissenschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit Aspekten interkultureller Kommunikation haben sich in westlichen Gesellschaften in den vergangenen zehn Jahren zunehmend verstetigt. Zwar lässt sich durchaus erkennen, dass die jeweils behandelten Problem- und Fragestellungen gesellschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen folgen, so dass eine sich stetig anpassende Kontextgebundenheit der Auseinandersetzung durchaus sichtbar wird. Andererseits jedoch sind insbesondere in den zurückliegenden zehn Jahren zunehmend kritische Stimmen innerhalb der Debatte laut geworden, die eine immer deutlicher werdende Zirkularität in der Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation bemängeln: Zunehmend werden durchaus bereits veraltete Konzepte wieder neu aufgegriffen, verworfene Ideen als Innovation aufgestellt. Trotz einer permanent vorhandenen Problemwahrnehmung, die zu einer entsprechenden Auseinandersetzung überhaupt erst motiviert, sind auch über Jahrzehnte hinweg keine nachhaltigen Lösungsvorschläge entworfen worden, auf deren Grundlage die Thematik als überwunden zurückgelassen werden könnte. Eine solche Forderung mag angesichts der Komplexität geisteswissenschaftlicher Problemlagen und entsprechend anders gelagerter Zielstellungen naiv und haltlos erscheinen, vor dem Hintergrund eines allgemeinen Wissenschafts- und Forschungsverständnisses, nach dem eine Unterstützung von Individuen und Gesellschaften bei der Erreichung ihrer Ziele als Legitimation für eine Auseinandersetzung mit einem Thema gelten, haben sie jedoch durchaus ihre Berechtigung. Eine der gegenwärtig drängendsten Fragen innerhalb einer forschenden Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation sollte dementsprechend auf die Sichtbarmachung von Gründen für diese Zirkularität sowie auf mögliche Auswege aus diesem Dilemma gerichtet sein. Die Aufdeckung von Brüchen und oberflächlichen Widersprüchlichkeiten bildet die Ausgangsmotivation für die unterschiedlichen Formen einer diskurstheoretisch informierten Forschung. Hierzu werden die Forschung zu und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation zunächst als ein diskursives Thema angesehen, als ein Thema, über das in Wissenschaft und Gesellschaft gesprochen wird. Ungeachtet einer vermeintlich identifizierbaren tatsächlichen Problemstellung im Bereich dessen, was unter interkultureller Kommunikation verstanden werden soll, kann zunächst in unmittelbarer Zugänglichkeit nur festgestellt werden, dass die Thematik ein Gegenstand ist, der in Diskursen formuliert wird und über den gesprochen und kommuniziert wird. Vor diesem Hintergrund wird interkulturelle Kommunikation zu einem reinen Diskursgegenstand, dessen soziale Kontextualisierung neu und von Grund auf offen erforscht werden kann. Festgehalten werden kann vor dem Hintergrund dieser Perspektive zumindest und zugleich lediglich die Beobachtung, dass interkulturelle Kommunikation von den betroffenen Gesellschaften offenbar zu einem Gegenstand konstruiert worden ist, dem eine gewisse – teilweise sogar erhebliche – Relevanz zugeschrieben wird. Die Motivation für diese zugeschriebene Relevanz kann aus einer diskurstheoretischen Sicht untersucht und beschrieben wird, die sich darüber hinwegsetzen kann, diskursimmanente Begründungen als die tatsächlichen Auslöser anzusehen. Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass eine kommunikative Verständigung mit Angehöri-

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gen fremder Kulturen unter erschwerten Bedingungen stattfindet, aus denen Missverständnisse und sogar Konflikte entstehen können, muss nicht zugleich auch der Grund dafür sein, dass interkulturelle Kommunikation diskursiv als ein dringliches Problem angesehen wird. Insbesondere die an der diskursiven Oberfläche vorgefundenen Brüche und Widersprüchlichkeiten sind aus diskurstheoretischer Sicht als Hinweise darauf zu werten, dass neben den explizit kommunizierten Begründungen noch weitere Motive und Bedarfe bestehen, denen eine Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation implizit, aber effektiv Rechnung trägt. Die Dispositivtheorie Foucaultscher Provenienz scheint sich in besonderem Maße dafür zu eignen, zugrunde liegende Motivationen für die Gestaltung gesellschaftlicher Diskurse aufzudecken. Eine wesentliche Grundannahme der Dispositivtheorie besteht dabei darin, dass Gesellschaften grundlegend von Machtstrukturen gekennzeichnet und durchzogen sind. Diese Machtstrukturen bestimmen mehr noch als vermeintliche diskursive Inhalte das Zustandekommen und die Strukturierung von Diskursen. Machtstrukturen sind verantwortlich für die Genese von Wissen und Wahrheiten innerhalb von Gesellschaften. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass Macht innerhalb von Gesellschaften grundsätzlich ungleich verteilt ist, so dass Machtasymmetrien und -gefälle entstehen. Dispositive kennzeichnen in diesem Kontext das permanente und unauflösliche Zusammenspiel aus Macht, Wissen, Diskursen und Institutionen in einer Gesellschaft. Dispositive dienen dabei in der Regel der Festigung bestehender Machtstrukturen und erfüllen somit in gewisser Weise auch eine gesellschaftskonstituierende Funktion. Foucault ging dabei davon aus, dass Dispositiven immer ein gesellschaftlich empfundener Notstand zugrunde liegt. Dieser Notstand besteht aus einer Problemlage, die insbesondere von einer gesellschaftlichen Mehrheit oder einer Machtelite empfunden wird. Das eigentliche Dispositiv besteht im Anschluss daran darin, dass durch das Zusammenspiel der einzelnen Bestandteile des Dispositivs ein Umfeld geschaffen wird, in dem mit Hilfe so genannter Strategien der anfängliche Notstand dauerhaft, bzw. für den Zeitraum des Bestehens des Dispositivs, behoben wird. Auch dieser Notstand betrifft in vielen Fällen eine aus unterschiedlichen Motiven und Ursachen wahrgenommene Bedrohung oder Infragestellung bestehender Machtstrukturen, deren Erhalt mit expliziten oder offen arbeitenden Mitteln nicht möglich ist. Das Dispositiv trägt hier zur Schaffung eines gesellschaftlichen Kontextes bei, in dem auch die durch das Dispositiv weiterhin benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen unbewusst zum Erhalt des Dispositivs beitragen. Frühere, meist historiographisch arbeitende Studien haben in Form von Dispositivanalysen beispielsweise gezeigt, wie Geschlechterdispositive in den vergangenen 200 Jahren zu einer Festigung einer patriarchalen Vorherrschaft in westlichen Gesellschaften beigetragen haben. Auch hier gehen die Autoren davon aus, dass zuvor ein Notstand wahrgenommen worden war, der darin bestand, dass die bisherige Vorherrschaft als bedroht empfunden worden war. Frühere Autoren, wie beispielsweise Höhne (1998) hatten bereits ein Dispositiv von Kultur und Fremdheit herausgearbeitet, mit dessen Hilfe Machtasymmetrien aufrecht erhalten werden sollten, die auf monokulturellen und nationalstaatlichen Grundlagen beruhten. Für das Dispositiv interkultureller Kommunikation wurde eine ähnliche Lagerung identifiziert. Gleichzeitig unterscheidet es sich inhaltlich wesentlich von den Dispositiven zu Kultur und Fremdheit, die Höhne beschrieben hatte: In den Diskursen um in-

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terkulturelle Kommunikation ist nicht nur grundsätzlich ein Problembewusstsein enthalten, sondern zugleich bereits immer auch in einem nächsten Schritt die unhinterfragte Selbstverständlichkeit einer Suche nach konstruktiven Lösungen. Was dabei als konstruktiv erachtet wird, bleibt dabei zunächst offen, es liegt im konstruierenden Ermessen der Diskursteilnehmer. Zusammengefasst mag gesagt werden, dass das Dispositiv interkultureller Kommunikation gegenüber den Dispositiven von Kultur und Fremdheit ein handlungsorientiertes Anwenderinteresse in sein diskursives Zentrum rückt. Das Dispositiv interkultureller Kommunikation konstruiert den genannten Gegenstand als problematische Thematik, die permanent und dringlich nach einer Suche nach Lösungsvorschlägen und -wegen verlangt. Eine Auseinandersetzung mit der Thematik gerinnt zur gesellschaftlichen Pflicht, der sich Individuen nicht ohne erheblichen Begründungsaufwand entziehen können – und selbst dies geht mit einer Bezugnahme zum Dispositiv und seiner Thematik einher. Interkulturelle Kommunikation wird auf diese Weise zu einer verpflichtenden Thematik, neben der es de facto kein Außen geben kann. Zugleich werden die Problemformulierungen interkultureller Kommunikation diskursiv permanent aktuell gehalten und reproduziert. Dabei werden die Problemgegenstände so konstruiert, dass sie per se einerseits letztendlich unlösbar bleiben und dass sie doch gleichzeitig eine permanente Berücksichtigung und Beschäftigung einfordern und erforderlich machen. Durch diese Argumentation sichert das Dispositiv interkultureller Kommunikation seine permanente und infinite Verstetigung ab. An der unmittelbar wahrnehmbaren Oberfläche der Diskurse ist es diese verstetigte Unauflösbarkeit, die viele Kritiker zu dem Urteil bewegt, die Forschung zur interkulturellen Kommunikation drehe sich vielfach um sich selbst, ohne klare Lösungen anzubieten. Der zugrunde liegende Notstand erscheint aufgrund der theoretischen Konstruktion des Dispositivmodells grundsätzlich nur bedingt erfassbar. Charakteristisch und zentral für die Dispositivtheorie ist die Annahme, dass dieser Notstand durch Strategien des Dispositivs behoben wird. Entsprechend ist er in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation nicht mehr sichtbar. Zum Anderen sind die Strategien zur Behebung des Notstands innerhalb des Dispositivs verdeckt angelegt, d.h. es gibt keine auf den ersten Blick erkennbare Verbindung zwischen den Strategien und einem Notstand, der durch sie behoben werden soll. Die Strategien innerhalb des Dispositivs werden formell und explizit in die oberflächliche Thematik des Dispositivs eingebunden und nicht mehr mit dem eigentlichen Notstand in Verbindung gebracht. Gegenwärtige Individuen und soziale Gruppen, die vom Dispositiv umschlossen werden, haben entsprechend keine Möglichkeit, das Dispositiv zu transzendieren und den Notstand oder die Strategie aufzudecken. Eine Identifizierung des ursprünglichen Notstands kann im Rahmen einer vollständigen Dispositivanalyse demnach grundsätzlich nur rekonstruktiv erfolgen. Eine kritische Würdigung früherer Dispositivanalysen im Rahmen der vorliegenden Studie hat dabei gezeigt, dass sich die entsprechenden Autoren mangels alternativer Instrumente meist zu Interpretationen und Vermutungen hinsichtlich der Lagerung des Notstands als Auslöser eines Dispositivs gezwungen sehen. Die Identifizierung eines Notstands als einem einer Art eindeutigem Trigger Event für ein Dispositiv erscheint entsprechend nicht möglich. Ein Notstand, der dem Dispositiv interkultureller Kommunikation vorgelagert ist, kann dem bereits von Foucault im Allgemeinen und von Höhne im Besonderen für

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die von ihm untersuchten Dispositive von Kultur und Fremdheit ähneln. Grundsätzlich geht es um eine wahrgenommene Gefährdung bestehender Machtstrukturen und Machtungleichgewichte. Vielfach lassen sich bestehende Machtverteilungen aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und Wandlungsprozesse nicht mehr legitimieren, bzw. Legitimationen, die bisher als selbstverständlich galten, lassen sich plötzlich aufgrund sozialer Veränderungen hinterfragen und geraten somit ins Wanken. Insbesondere westliche Gesellschaften nehmen in den vergangenen Jahrzehnten einen zunehmend um sich greifenden Globalisierungsprozess wahr, der alte nationalstaatliche Grenzen und entsprechende Verteilungen obsolet macht und dessen strukturierende Effekte zunehmend bestimmend werden für die sinnhafte Ausdeutung dessen, was in westlichen Gesellschaften passiert und wahrgenommen wird. Wahrgenommen wird eine Bedrohung von Hegemoniestellungen unterschiedlichster Art, die sich nur vor dem Hintergrund der Konstruktion einer monokulturellen Mehrheit begründen lassen. Begründungen dieser Art werden jedoch vor dem Hintergrund von Globalisierungserfahrungen zunehmend hinterfragt, und auch die Annahme einer Monokultur gilt für immer größere gesellschaftliche Gruppen als eine entlarvte Konstruktion. Gesellschaftlich akzeptabel erscheinen vor diesem Hintergrund nur eine Öffnung, eine Hinwendung zu und eine Unterstützung von Globalisierungsprozessen. Zugleich ist davon auszugehen, dass soziale Gruppen, die zuvor eine Hegemoniestellung innehatten, kein ehrliches Interesse daran haben können, dieses aufzugeben. Das Dispositiv interkultureller Kommunikation reicht hier Strategien zum Umgang mit dem Globalisierungsprozess an die Hand, mit denen einerseits eine offene Haltung kommuniziert werden kann, ohne jedoch andererseits die eigene Hegemoniestellung dauerhaft zu gefährden. Charakteristisch für das Dispositiv ist dabei eine argumentative Konstruktion, vor deren Hintergrund die eigentliche, stabilisierende Wirkung von keiner der beteiligten Gruppen bemerkt wird, so dass auch Individuen und Gruppen, für die eine Behinderung von Öffnungsprozessen von Nachteil ist, an dieser Behinderung implizit mitarbeiten.

D ER

PRAKTISCHE

V OLLZUG

DES

D ISPOSITIVS

Judith Butler hatte bereits für die Gender Studies nachgezeichnet, wie die in diesem Kontext sozial konstruierte Geschlechterdichotomie von den Angehörigen einer Gesellschaft permanent durch eigenes Handeln reproduziert wird. Eine theoretische Fundierung findet Butler in Theorien der Performativität, die sie auf Foucault und Derrida aufbaut. Rekurrierend auf Grundfragen interpersonaler und kommunikativer Verständigung geht Derrida davon aus, dass konstruktive Interaktionen und gegenseitiges Verstehen nur dann möglich sind, wenn Individuen Äußerungen tätigen, die Zitationen und Wiederholungen von bereits zuvor von sich selbst oder anderen getätigten Äußerungen sind. Eine Äußerung kann demnach nur dann angemessen interpretiert und gedeutet werden, wenn sie sich als vergleichbar oder parallel zu bereits zuvor erfahrenen und angemessen gedeuteten Äußerungen und entsprechenden Kontextualisierungen erweist. Dieser Zitationscharakter, der eine permanente Iteration bereits getätigter Handlungen erforderlich macht, generiert gesellschaftliche Stabilität und Permanenz, er schränkt gesellschaftlichen Wandel ein bzw. verlangsamt die-

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sen. Zitation und Iteration lassen sich in diesem Kontext auch als performative Akte bezeichnen: Die jeweilige Äußerung selbst vollzieht gleichsam die Iteration und die Festigung sozialer Sinndeutungen. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass mit sozialen Kontexten auch dispositive Konstellationen erst durch den permanenten iterativen und kommunikativen Vollzug entstehen und auch permanent aufrecht erhalten werden. Eine detailliertere Dispositivanalyse interkultureller Kommunikation erfordert entsprechend einen fokussierenderen Blick auf den Vollzug performativer Einzelhandlungen, mit denen das Dispositiv gestützt wird. Gesucht wird demnach nach Einflussfaktoren, die konkrete und individuelle Handlungen und Interaktionen in Kontexten der Thematik interkultureller Kommunikation steuern und modifizieren. Auch wenn in der Praxeologie von einer relativen Handlungsautonomie und Entscheidungsfreiheit von Individuen vor dem Hintergrund konkreter Kontexte ausgegangen wird, so macht doch die Existenz des Dispositivs interkultureller Kommunikation auch ein Nachdenken über die Existenz möglicher Verbindungen und Interdependenzen zwischen einer diskursiven Makroebene und einer Mikroebene individuellen und praktischen Handelns erforderlich. So wird an dieser Stelle grundsätzlich angenommen, dass Individuen als Mitglieder einer Gesellschaft an Diskursen teilhaben, diese rezipieren und die Rezeption in Deutungen ihres eigenen Umfelds einfließen lassen. Eine (unvermeidliche) Diskursteilhabe und eine entsprechende Stellungnahme scheinen damit einen – wie auch immer gearteten – Einfluss von Diskursen auf das individuelle Handeln unvermeidlich zu machen. Darüber hinaus geht die Dispositivtheorie ohnehin von einer gewissen Gleichförmigkeit individuellen Handelns aus, durch das erst die Verstetigung des Dispositivs möglich wird. Die folgenden einzelnen Aspekte erscheinen im Hinblick auf die Ausgestaltung dieser Verbindung von diskursiver Teilhabe und individuellem Handeln beachtenswert.

Normenwissen und praktisches Handeln Die Verbindung und die Interrelationen zwischen normativen Orientierungen und dem tatsächlichen Handeln von Individuen und Gruppen sind komplex. Nur weil zumindest zu vermuten ist, dass es einen Zusammenhang zwischen Diskursteilhabe und individuellem Handeln gibt, kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass Individuen das diskursiv rezipierte Normenwissen mehr oder weniger unmodifiziert in Handeln umsetzen. Individuen bleibt in diesem Kontext ein erheblicher Entscheidungs- und Handlungsspielraum offen, durch den das Dispositiv interkultureller Kommunikation jedoch keineswegs geschwächt, sondern weiterhin gestärkt wird. Auf die Komplexität des Zusammenhangs zwischen Normenwissen und Handeln haben bereits zahlreiche Einzelstudien und Überlegungen hingewiesen. So weist beispielsweise die Soziologin Ann Swidler (1986; 2001) darauf hin, dass Individuen über Normenwissen verfügen können und es dennoch aufgrund kontextueller Bedingungen nicht anwenden. Swidler warnt davor, soziales Handeln vor dem Hintergrund kultureller Werte unter der Annahme eindeutig erklären zu wollen, dass Kultur sich in Form zugrunde liegender Werte auf das Handeln auswirke. Schondelmayer (2008: 43), die in ihrer Studie zu ähnlichen Ergebnissen kommt, beruft sich auf Swidler (1986: 275), die am Beispiel der Konstruktion eines sozialwissenschaftlichen Diskur-

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ses über eine Kultur der Armut zeigt, dass als arm eingestufte Bevölkerungsschichten häufig die gleichen oder ähnliche Werte vertreten wie Angehörige wohlhabenderer Schichten. Dennoch spiegelten sich diese erwünschten Werte nicht im Handeln der ärmeren Schichten wider. Entsprechend könne davon ausgegangen werden, dass Menschen in Armut bereits wüssten, wie sie sich verhalten wollten, wenn sie wohlhabender wären. Im Fall des Eintritts von Wohlstand würde sie dieser Wandel nicht unvermutet oder unvorbereitet treffen, sondern es bestünden dann bereits Vorstellungen über das Handeln in der neuen Situation. Ob dieses Handeln dann auch wirklich eingelöst wird, wurde jedoch offenkundig nicht erforscht und kann auch nicht unhinterfragt vorausgesetzt werden. Übertragen auf die Frage nach Handlungsgestaltungen für Interaktionssituationen, die von den Handelnden als interkulturell eingestuft werden, kann davon ausgegangen werden, dass Individuen ebenfalls bereits über Handlungsentscheidungen verfügen, bevor oder ohne dass eine entsprechende Situation eingetreten ist. Auch hier kann entsprechend angenommen werden, dass so genannte interkulturelle Erstkontaktsituationen die betroffenen Handelnden nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen, sondern dass sie immer schon auf zuvor getätigte Handlungsentscheidungen zurückgreifen können. Vielfach zählen Normen zu Umgangsformen mit Fremdkulturellem auch zum eigenkulturellen Repertoire. So kann angenommen werden, dass Kulturen grundsätzlich auch über normativ gerahmtes Regelwissen darüber verfügen, wie mit Menschen aus anderen Kulturen umzugehen ist. Dennoch ist auch in diesem Fall damit nicht verbunden und sichergestellt, dass betroffene Individuen dieses Handlungswissen in konkreten Situationen auch umsetzen.1

Die performative Produktion von Differenzen Die Konstruktion von Differenzen und Grenzziehungen zwischen sozialen und kulturellen Gruppen ist performativem Handeln an sich inhärent und braucht nicht als eigenständige oder thematisch eingegrenzte Handlungsdomäne begriffen werden. Richard Rottenburg (2006: 10) zeichnet nach, dass der iterative Charakter performativen Handelns immer auch eine Redefinition und Neudefinition bestehender Grenzziehungen beinhalten muss, andernfalls würden letztere einfach wegfallen. Rottenburg greift für diese Überlegung auf das Begriffsinstrumentarium Derridas (1967a) zurück. Differenzen müssen per Definition Grenzziehungen zwischen zwei unterscheidbaren Dingen oder Objekten sein. Geht es um kulturelle Grenzziehungen, so handelt es sich entsprechend meist um imaginäre Grenzen zwischen sich selbst und etwas anderem, gegenüber dem eine Differenz statuiert werden kann. Dabei wird Rottenburg zufolge das Selbst grundsätzlich als gleich wahrgenommen, das Fremde als anders. Dieses Andere könne nur im Abgleich mit dem gleichen Selbst überhaupt

1

»Dabei bleibt das Bewusstsein hilfreich, dass alle Kulturen – im Gegensatz zu den ihnen zugewiesenen Territorien – Sinnangebote parat halten, die den Raum ihrer Gesellschaft stets überschreiten, sind doch kulturelle Systeme im Gegensatz zu territorial fixierten Gebilden immer auf das Ganze der Welt und ihrer Deutung ausgerichtet« (Loenhoff 2003: 113).

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identifiziert werden. Das Eigene, Gleiche wird vom Selbst als etwas wahrgenommen, was Bestand hat. Dieser Bestand kann mit Rückgriff auf Derrida nur zustande gebracht werden, indem es permanent wiederholt wird. Durch diese Wiederholung entsteht genau genommen zwar nicht das Gleiche, aber immerhin das Selbe. Da aber auch diese Wiederholungen nicht denkbar sind ohne permanenten, zumindest geringfügigen Wandel, ändert sich auch die Relation zum Anderen permanent. Aus diesem Grund muss auch der Charakter von Differenzen einem permanenten Wandel unterliegen, der von der Performanz der Akteure abhängt. Die Produktion kultureller Differenzen kann demnach in gewisser Weise als eine Art Nebenprodukt performativen Handelns gesehen werden.

Diskursive Konstruktionen vs. kulturelle Praxis Der vermeintliche Gegensatz zwischen diskursiven Konstruktionen und normativen Vorstellungen gegenüber kultureller Praxis und tatsächlichem Handeln, der in den vorangegangenen Abschnitten heraufbeschworen worden ist, verschwindet jedoch wieder, wenn man ein erweitertes Verständnis von sozialer und kultureller Praxis zugrunde legt. Der Sozialgeograph Ulrich Best (1999; 2006) sieht eine Verbindung und unlösbare Verknüpfung zwischen beiden Tätigkeiten in der Praxis der Narration: Indem Individuen und Gruppen ihr Umfeld erzählend ausdeuten, handeln sie bereits performativ und gestalten aktiv ihre Kontexte. Best veranschaulicht an Interviews mit Jugendlichen in Berlin, wie soziale Räume und kulturelle Grenzziehungen qua Narration statuiert, aber auch aufgehoben oder umdefiniert und gestaltet werden können. Performatives Handeln, das eine Gestaltung interkultureller Kontaktsituationen betrifft, kann aus dieser Sicht grundsätzlich als kommunikatives Handeln verstanden werden. Eine Zitation und Iteration, sowie Abweichungen und Modifizierungen von zu iterierenden Inhalten können in konkreten Kontexten entsprechend als performativer Vollzug von Diskurswissen über interkulturelle Kommunikation verstanden werden. Rückbezogen auf das Dispositiv interkultureller Kommunikation kann angenommen werden, dass sich eine Verstetigung und Weiterführung des Diskurses um interkulturelle Kommunikation und somit auch eine Fortführung des Dispositivs im sozialen Handeln von Akteuren permanent vollzieht. Auch hier kann durchaus kultureller Wandel beobachtet werden, der das Dispositiv interkultureller Kommunikation jedoch ebenfalls grundsätzlich nicht transzendiert, sondern qua Bezugnahme auf die Thematik interkultureller Kommunikation fortführt. So zeichnet beispielsweise Mavrommatis (2006) mit Hilfe narrativer Interviews den sozialen und kulturellen Wandel eines Londoner Stadtteils nach. Die Probanden im Interview vollziehen qua Narration performativ den kulturellen Wandel ihres Bezirks. Die Existenz des Dispositivs erlaubt hier zwar einen erheblichen Gestaltungsspielraum für Individuen in spontanen Situationen. Gleichzeitig sind sie dennoch immer zu einer Bezugnahme auf das Dispositiv interkultureller Kommunikation gezwungen, so dass das Grundgerüst der Thematik nie in Frage gestellt wird.

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Der performative Vollzug von Kultur Auch wenn kulturelle Differenzen und eine Bestätigung des Dispositivs interkultureller Kommunikation vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen performativ geschaffen werden, erscheint doch auch eine Fokussierung auf besonders explizite Bezugnahmen und Vollzüge erhellend. Auch hierzu liegen inzwischen zahlreiche Studien vor, und vor diesem Hintergrund scheint auch die in den vorangegangenen Abschnitten postulierte Forschungslücke eigentlich bereits geschlossen. Problematisch an den bisherigen Studien erscheint jedoch ihre methodische Herangehensweise, die meist erhebliche interpretative Prägungen aufweist. Entsprechend stammen Studien, die den performativen Vollzug von Kultur und kultureller Differenz nachzeichnen, meist ethnologischen oder auch literaturwissenschaftlichen Schulen. Diese Studien zeichnen sich dadurch aus, dass auch empirisch schwer zugängliche Felder zumindest erkannt, beobachtet und beschrieben werden können. Kritisch betrachtet lassen sich auf diese Weise jedoch grundsätzlich Beispiele für Phänomene finden, deren Existenz ohnehin aufgrund der Theorie bereits vermutet worden waren. Noch überspitzter formuliert, ließe sich unterstellen, dass sich auf dieser recht allgemeinen Ebene wahrscheinlich für viele Theorien und Modelle Beispiele im konkreten sozialen Leben finden lassen, deren tatsächlicher Bezug zu der Theorie sich jedoch mangels empirischer Erforschbarkeit kaum auch nur annähernd nachweisen lässt. Erwägende Studien dieser Art sollen dennoch in dem vorliegenden, theoretisch orientierten Abschnitt diskutiert werden, um einen Eindruck davon zu vermitteln und eine erste Eingrenzung dessen vorzunehmen, wofür im nächsten Kapitel nach präzisen empirischen Vorgehensweisen gesucht werden soll. Eine empirisch präzise Annäherung erscheint in diesem Fall deshalb von herausragender Wichtigkeit und Erforderlichkeit, weil es darum gehen soll, dispositivgesteuertes soziales Handeln zu beobachten und zu beschreiben, ohne dabei selbst in der eigenen Herangehensweise zu häufig dem Einfluss des Dispositivs unreflektiert zu unterliegen. Als besonders hilfreich für eine erste Eingrenzung von Forschungsarbeiten, die einen expliziten performativen Vollzug von Kultur und kultureller Differenz sichtbar machen, erweist sich ein Unterscheidungskriterium, das Stefanie Rathje (2006) in die Debatte um Definitionen interkultureller Kompetenz eingebracht hat. Rathje hatte für ihren Beitrag die Kommentare zu dem Erwägensbeitrag von Alexander Thomas (2003) zum Gegenstand interkultureller Kompetenz zusammengefasst. Aus der vorliegenden Literatur hat Rathje als grundlegendes Unterscheidungskriterium so genannte kohärenzorientierte von kohäsionsorientierten Ansätzen getrennt. Unter kohärenzbasierten Verständnissen interkultureller Kompetenz versteht Rathje meist eher herkömmliche und frühe Definitionen des Konzepts, die davon ausgehen, dass Kultur etwas ist, das Menschen einer Gruppe einheitlich vereint und zusammenführt. Kompetentes Verhalten bestünde in diesem Kontext darin, diese kulturelle Einheitlichkeit herzustellen. Unter kohäsionsbasierten Ansätzen fasst Rathje demgegenüber spätere Ansätze zusammen, die Kultur nicht mehr als etwas homogenes oder homogenisierendes begreifen, sondern die stattdessen davon ausgehen, dass auch Kulturen intern immer sehr heterogen sind. Eine Kultur, bzw. das Kultürliche angesichts einer solchen Heterogenität besteht in dem Fall nicht mehr in einem Bestreben des Gleichmachens, sondern vielmehr in einem möglichst präzisen Wissen um die Beschaffenheit der internen Heterogenität. Interkulturelle Kompetenz bestünde aus dieser Sicht aus

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der Fähigkeit, Differenzen in einem ersten Schritt zu identifizieren und zu erkennen, sowie in einem zweiten Schritt in einer fortgeführten Kenntnis kultureller, intrakultureller und interkultureller Differenzen. Das von Rathje umrissene kohäsionsbasierte Verständnis von Kultur bezeichnet sehr präzise genau das, was im Rahmen einer empiriebasierten Suche nach performativen Vollzugshandlungen von Kultur und kultureller Differenz gefunden und identifiziert werden kann. Der performative Vollzug von Kultur, der für eine Fortführung des Dispositivs interkultureller Kommunikation relevant ist, betrifft nicht etwa Handlungsweisen, die in ihrer Form einem bestimmten, homogenitätsorientierten kulturspezifischen Muster entsprechen. Stattdessen geht es um die performative Ausgestaltung dessen, was unter kultureller Differenz im sozialen Leben zu verstehen ist. Das Dispositiv interkultureller Kommunikation nährt sich nicht aus der tatsächlichen Existenz vermeintlicher kulturell unterschiedlicher Verhaltensweisen, sondern daraus, dass Individuen durch ihr Handeln permanent die Annahme über die Existenz kultureller Differenzen reproduzieren. Arjun Appadurai (1996), der Globalisierungsprozesse als initiiert und angetrieben von diskursiven Konstruktionen versteht und der zwischenzeitlich vielfach als grundlegender Initiator einer konstruktivistischen Sicht auf soziale Prozesse in der ethnographischen Forschung angesehen wird, liefert auch selbst bereits Beispiele für die Konstruktion kultureller Grenzziehungen. Hierzu analysiert Appadurai in seiner Monographie ausführlich und exemplarisch die Rolle der Sportart Cricket in Indien. Appadurai zufolge ist die Übernahme dieser Sportart als Breitensport aus Großbritannien der langen indischen Kolonialzeit unter britischer Herrschaft zuzuschreiben. Über das Ende der Kolonialzeit hinaus hat sich der Cricketsport in Indien jedoch zu einem eigenständigen Breitensport entwickelt. Diachron zeichnet Appadurai diesen kulturellen Übernahme- und Wandlungsprozess nach und richtet dabei ein besonderes Augenmerk auf die soziale Rolle und Verwendung, bzw. symbolische Instrumentalisierung des Sports. Wesentlich für diesen ethnographischen Bericht Appadurais ist jedoch die konstruktivistisch-performativ inspirierte Perspektive: Appadurai geht es hier nicht mehr darum, kulturelle Eigenheiten der indischen Kultur an einem besonders ausführlich beschriebenen Beispiel möglichst detailliert zu zeigen. Vielmehr wählt er den thematischen Gegenstand des Cricket als ein performatives Betätigungsfeld und Produkt für soziales und differenzierendes, grenzziehendes Handeln. Demnach wird nicht nur in der Ausübung des Sports selbst, sondern auch in jedweder diskursiven Bezugnahmen auf den Sport in der Gesellschaft eine kulturelle Positionierung und Grenzziehung vollzogen. Dabei haben sich die Ausdrucksformen und ziele Appadurai zufolge im Laufe der Zeit durchaus verändert. Von einer Selbstassoziation mit der britischen Kolonialmacht über eine Selbstpositionierung in einer indischen Oberschicht hin zu einer Partizipation an einem Breitensport, der ausdrücklich für die kulturelle Positionierung und Fundierung indischer Identität steht, ist eine Auseinandersetzung mit dem Cricketsport in Indien immer mit einer performativen Iteration von kulturellen Grenzziehungen und Identitätskonstruktionen verbunden. Appadurai wählt in diesem Fall ein äußerst weiträumiges und gesellschaftsübergreifendes Thema, angesichts dessen er statuieren kann, dass im Grunde jedwede Bezugnahme zu der Thematik eine performative Untermauerung von Kulturalität beinhaltet. Diese Annahme ist sicherlich zutreffend und ihr kann nicht widersprochen werden. In der vorliegenden Studie, in der es darum geht, einen präzisen Lückenschluss

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bei der Beschreibung performativen Handelns in einzelnen, interpersonalen Interaktionssituationen herbeizuführen, erscheint demgegenüber jedoch eine Suche nach noch mikroanalytischeren Perspektiven erforderlich. Neben einer detaillierteren Analyseebene soll darüber hinaus nach Möglichkeiten gesucht werden, auch die Frage nach der expliziten Bewusstheit der betroffenen Individuen über den Kulturalitätsbezug ihres performativen Handelns zumindest in Annäherung beantworten zu können. Nur angesichts einer Einschätzung über die Bewusstheit von Individuen über die von ihnen getätigten kulturellen Grenzziehungen ließe sich in einem weiteren Schritt eventuell eine Aussage über die Bewusstheit von und das Wissen über das eigene Handeln von Individuen in einem Dispositiv interkultureller Kommunikation treffen. Der Tagungsband Doing Culture von Hörning und Reuter (2004) legt einen wesentlichen Schwerpunkt auf eine grundlegende Theoriebildung im Hinblick auf die Ausgestaltung sozialer Praxis als Kulturproduktion, in deren Zentrum eine Diskussion zwischen den Polen aus Diskurstheorie nach Butler und Praxeologie nach Bourdieu steht. Doch auch in diesem Band veranschaulichen zahlreiche Autoren ihre Überlegungen anhand von Beispielen, bei denen zu ethnographischen Beobachtungen hier auch literatur- und medienwissenschaftliche Studien kommen. Zwar ebenfalls in einer ethnographischen Herangehensweise, dafür jedoch fokussierter auf explizite Stellungnahmen zu Kulturalität geht Pnina Werbner (2005) in ihrer Studie zur Ansiedelung von pakistanischen Migranten in einer ländlichen walisischen Region Großbritanniens vor. Werbner zeichnet dabei historiographisch nach, wie kulturelle Zugehörigkeit und Ansiedelung über lange zeitliche Perioden hinweg immer wieder explizit debattiert, ausgehandelt und damit performativ statuiert werden. Dies zeigt sich auf besonders sichtbare Weise insbesondere in politischen und in den Medien wiedergegebenen Diskursen. Besonders relevant und treffend für die Überlegungen der vorliegenden Studie sind darüber hinaus die Argumentationen von Ursula Rao (2005), die sich gegen Kupers (1999) Forderung nach einer Abwendung vom Kulturbegriff und einer Hinwendung zu Teilkulturen und Sozialstrukturen wendet. Rao zufolge ist durch Kupers Vorschlag die theoretische Problematik des Kulturbegriffs nicht gelöst, sondern höchstens verlagert, untersucht würden jedenfalls weiterhin tendenziell abgeschlossene Entitäten, deren Metaphorik jedoch als unangemessen wahrgenommen wird. Rao zufolge erscheint stattdessen ein angepasstes Kulturverständnis erforderlich. Demnach müsse davon ausgegangen werden, dass der Kulturbegriff selbst (und nicht nur Kultur) in der kulturellen Praxis permanent neu generiert und definiert werde. An dieser Definition und Aushandlung sind sowohl Wissenschaft als auch Gesellschaft beteiligt. Wenngleich es keine klaren Machtungleichgewichte gebe, handele es sich bei diesen Aushandlungen aber dennoch um einen Kampf um Deutungsmacht (Rao 2005: 354): »Im Folgenden werde ich stattdessen für eine Analyse plädieren, die den Blick auf die Praxis und die im sozialen Prozess erzeugte ständige Rekonstruktion kultureller Kontexte lenkt. Dazu gehören auch die in der Praxis generierten Vorstellungen von Kultur und ihre Verwendung im politischen Diskurs. (...) Bereits im Verlauf dieser theoretischen Einleitung wird deutlich, dass Wissenschaftler keinen privilegierten Raum außerhalb des Verhandlungsraums Kultur besetzen. Vielmehr konkurrieren in den Auseinandersetzungen über ›Kultur‹ eine Vielzahl von Positionen um Anerkennung und Vormacht« (Rao 2005: 354).

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Ein wesentliches Problem in der Theoriedebatte um Kultur sieht Rao darin, dass der Kulturbegriff nicht nur in seinem gesellschaftlichen Alltagsverständnis, sondern auch in seiner wissenschaftlichen Verwendung vielfach von Beginn an mit einer Essentialisierung gleichgesetzt wird. Darüber hinaus ersetze der Kulturbegriff insbesondere in der politischen Diskussion vielfach den – ebenfalls essentialistisch konzipierten – Rassebegriff.2 Rao zufolge zeichnen sich so genannte Kulturalisierungsprozesse dadurch aus, dass inhaltliche Merkmale zunehmend diskursiv bewusst gemacht und zu vereinenden Merkmalen stilisiert werden. Eine Voraussetzung für das Gelingen einer solchen Kulturalisierung bestehe Rao zufolge dann darin, dass die Angehörigen einer Gruppe sowohl daran glauben, dass sie zusammengehören und dass es die kulturelle Einheit und Gemeinsamkeit ist, die sie zusammenhält. Um solche kulturalisierenden Merkmale in den Diskurs einfließen zu lassen, ist es zunächst erforderlich, dass einzelne Aspekte sozialer Praxis zunächst einen Prozess der Dekontextualisierung durchlaufen. Einzelne Elemente sozialer Praxis werden aus ihrem Kontext herausgegriffen, in dem sie bis dahin unbewusst und ohne Anziehung von Aufmerksamkeit vollzogen worden sind, und werden dann zu typischen Merkmalen einer Gruppe stilisiert, wie Rao (2005: 355) mit Bezug auf Appadurai (1996: 13) nachzeichnet. Auch Rao sieht die Geschlossenheit des Dispositivs interkultureller Kommunikation, das sie jedoch nicht systematisch als solches benennt: Multikulturalismus verfolge demnach als politische Bewegung zwar emanzipatorische und antirassistische Ziele. Auch seien interkultureller Austausch und Grenzüberschreitungen sehr erwünscht, das zugrunde liegende Kulturkonzept gehe jedoch weiterhin von Kulturen als geschlossenen Einheiten aus (Rao 2005: 356). Rao zeichnet diese Geschlossenheit des Dispositivs weiter: Auch ihrzufolge beanspruchen spätere theoretische Konzepte eine Transzendierung früherer paradigmatischer Grenzziehungen, die ihnen jedoch nicht gelingen kann, weil sie permanent auf die gleichen geschlossenen Begrifflichkeiten zurückgreifen müssen. Hier beruft sich Rao auf Jonathan Friedman (1997), demzufolge eine »kosmopolitanische Elite (Rao 2005: 356) das Konzept der Hybridisierung als Ausweg aus dem sich abzeichnenden Dilemma der fortschreitenden Ethnisierung der Welt und den damit einhergehenden Konflikten favorisiert. Diese Elite selbst schreibt sich dieser Hybridisierung zu. Dennoch weist Rao darauf hin, dass auch dieses Konzept sich selbst als eine neue Kultur versteht, die jedoch gemäß der gleichen Konzeption, nämlich der Vorstellung von geschlossenen Entitäten, funktioniere.

2

»Im politischen Diskurs hat er [der Begriff der Kultur, D.B.] dem Begriff der Rasse den Rang abgelaufen, scheint dabei aber in ähnlicher Weise soziale Subjekte in bestimmten essentialistisch entworfenen Identitätsgruppen zu lokalisieren und ihnen durch die Zuordnung zu einer ›Kultur‹ einen festen Platz in der Gesellschaft anzuweisen (AbuLughod/Lutz 1990: 9). Modood diagnostiziert für die sechziger bis achtziger Jahre in Großbritannien die Entstehung eines ›neuen Rassismus‹, der nicht mehr auf Vorstellungen von Rassezugehörigkeit beruht, sondern von der Inkompatibilität verschiedener Kulturen ausgeht und zugleich eine ›natürliche‹ Affinität der Menschen zu ihrer ›eigenen Kultur‹ postuliert (Modood/Werbner 1997)« (Rao 2005: 355).

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Der performative Vollzug nicht-essentialistischer Kulturverständnisse Zwar greift Rao nicht auf eine diskurstheoretische Einbettung performativen Handelns zurück, und so gelingt ihr auch keine systematische und erhellende Begründung für das Zustandekommen der diskursiven Geschlossenheit der Diskurse um interkulturelle Kommunikation. In einem wesentlichen Punkt trägt Rao jedoch zu einer Weiterentwicklung einer Sicht auf den performativen Vollzug von Interkulturalität und kultureller Differenz bei: Rao zeigt an empirischen Beispielen, dass ein performativer Vollzug kultureller Differenz längst nicht nur automatisch essentialistische Kulturverständnisse reproduzieren und weitertragen kann. Stattdessen liefert Rao zusätzlich die handlungsorientierte Erklärung für ein Phänomen, das bereits Spivak (1993) als strategischen Essentialismus betitelt hatte: Auch außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses ist einem Großteil der Individuen durchaus klar, dass kulturelle Differenzen ein soziales Produkt sind und dass sie vor allem durchaus veränderbar sind. Auch diese Kulturverständnisse, die als konstruktivistische bezeichnet werden können, werden im Alltagsleben von Individuen performativ vollzogen und auf diese Weise erst als Begriffe und Phänomene ins Leben gerufen. Zur Veranschaulichung dieses Phänomens beruft sich Rao auf eine ethnographische Studie von Gerd Baumann (1996) über Interaktionen in einem ethnisch durchmischten Stadtteil des südlichen Londons. Baumann berichtet aus diesem Kontext von zwei unterschiedlichen und parallel beobachtbaren Konzepten von Kultur. Eines dieser Konzepte bezeichnet Baumann als den politischen Diskurs über Kultur, in dem er auch den offiziellen Diskurs sieht. In ihm kommt es zu einer Übereinstimmung und Deckungsgleichheit von sozialen Gruppen und kulturellen Zugehörigkeiten. In der Folge sind soziale Gruppen immer homogen und lassen auch eine inhaltliche Beschreibung zu. Den zweiten, parallelen Diskurs bezeichnet Baumann als den demotischen Diskurs, den Baumann als den Diskurs des Volkes versteht (Baumann 1996: 10). In diesem Diskurs werden kulturelle und soziale Zugehörigkeiten situativ immer neu zueinander in Beziehungen gebracht, wobei auch Überschneidungen oder scheinbare Widersprüche entstehen (Rao 2005: 356). Rao fügt diesen beiden Diskursverständnissen über Kultur einen dritten Diskurs hinzu, den sie als den ethnologischen Diskurs bezeichnet. Rao akzeptiert damit Baumanns Differenzierung, möchte jedoch die ethnologische Herangehensweise demgegenüber als modifiziert verstanden wissen. Ihrzufolge müsse davon ausgegangen werden, dass sowohl performativ ins Leben gerufene essentialistische als auch konstruktivistische Kulturverständnisse von den Individuen im Alltagsleben zumindest nicht immer und nicht grundsätzlich bewusst gemacht und reflektiert würden, wohingegen sich ethnologische Untersuchungen gerade durch diese Reflexion auszeichnen sollten. Dennoch seien auch die Kulturverständnisse der Ethnologie natürlich immer heterogen (Rao 2005: 357). Rao statuiert darüber hinaus, dass jüngere Entwicklungen in der Ethnologie letztlich auf eine Fokussierung von Kultur als Praxis hinausliefen. Demnach könne davon ausgegangen werden, dass Subjekte Kultur selbst schaffen, indem sie sie praktizier-

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ten. Rao weist dabei darauf hin, dass selbst Vertreter früherer, textsemiotisch fundierter Metaphern zunehmend in diese Einsicht einstimmten.3

Die performative Produktion verschachtelter Kulturverständnisse Anhand des empirischen Beispiels des im Jahre 2005 erschienenen Kinofilms »Water« der indischen Regisseurin Deepa Mehta veranschaulicht Rao zudem, wie unterschiedliche Kulturverständnisse performativ produziert und zugleich konzeptionell ineinander verschachtelt verstanden werden können. Rao bettet für diese Beobachtung den Film in seinen Entstehungs- und Produktionsprozess sein. Inhalt des Films sei dabei im Jahre 1930 »das Schicksal einer jungen Hindu-Witwe in Benares, die am eigenen Körper die Verachtung erfährt, die Witwen von der Hindugesellschaft entgegengebracht wird. Sie nimmt den Kampf gegen die soziale Erniedrigung auf und überwindet durch ihren Mut und die Liebe zu einem jungen Mann die Ausgrenzung« (Rao 2005: 359). Bereits während der Produktion kam es am Set zu permanenten und erheblichen Protest- und Sabotageaktionen seitens der lokalen Bevölkerung und der Behörden, die in den Inhalten des Films eine Entweihung ihres Glaubens sahen. Dass Kulturverständnisse explizit performativ generiert werden, hält Rao angesichts dieses Beispiels zunächst nicht für eine exzeptionelle Besonderheit, sondern für ein permanent und für die Debatte zentral existentes Phänomen: Ihrzufolge kann es als charakteristisch für nationalstaatliche Kontexte angesehen werden, dass Kulturverständnisse selbst zum Verhandlungsgegenstand gemacht werden und dass gesellschaftliche Kämpfe um die Deutungsmacht darüber ausgetragen werden, was Kultur sei und was nicht. Dabei werde auf performative Weise permanent auf bereits bestehende Bilder und Vorstellungen von Kultur zurückgegriffen (Rao 2005: 367). Auch hierzu teilt Rao Individuen einer Gesellschaft zunächst wieder in unterschiedliche Gruppen ein: Individuen, die auch weiterhin Kulturen mit Nationen gleichsetzen, sei das Zustandekommen eines interkulturellen Konflikts im Grunde vorprogrammiert. Um dies zu verhindern, setzten sich Vertreter dieses Kulturverständnisses nur folgerichtig für eine Reinhaltung ihrer Kultur ein, so dass es in der Folge zu Grenzziehungen und Abschottungen komme. In dem Film von Deepa Metha wird diese Position von lokalen Gruppen, Parteien und Verbänden eingenommen, die die Pläne Methas für eine kulturelle Schändung halten. Ein zweites Kulturverständnis in der gesellschaftlichen Praxis identifiziert Rao in dem, was Appadurai (1996) als ethnoscapes bezeichnet. Appadurai versteht kulturelle Identitäten als Phänomene, die als in einem permanenten Fluss verstanden werden sollten. Entsprechend werden kulturelle Welten nicht mehr durch Abgrenzungsprozesse, sondern durch globale Flüsse kultureller Identitäten geschaffen (Rao 2005: 367). Angewendet auf das empirische Beispiel des Films Water und des Konflikts im Rahmen seiner Produktion folgert Rao, dass die Regisseurin Deepa Mehta dieses

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»Auch Geertz, der als Vordenker und Vertreter der Text-Metapher – auch über die Fachgrenzen hinaus – bekannt geworden ist, wendet sich 1983 in seinem Buch Local Knowledge von den früheren Überlegungen ab und stellt fest, dass zur Beschreibung von Kulturen die Metapher der ›Performanz‹ der des ›Textes‹ überlegen ist« (Rao 2005: 357).

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Kulturverständnis für sich selbst beansprucht. Sie selbst ist demnach zwar Kanadierin und habe die meiste Zeit ihres Lebens im Kanada verbracht, aber sie verstehe sich dennoch selbst als Inderin. Sie kennt sich auch in den religiösen Strukturen Indiens aus und erhebt aus dieser Affinität das Recht für sich, ihren Film drehen zu dürfen. Rao folgert, dass Indien zwar Methas Referenzrahmen sei, dass sie jedoch nicht im indischen Territorium verankert sei (Rao 2005: 368). Rao folgert aus ihrem Beispiel, dass es in dem geschilderten Kontext nur deshalb zu einem Konflikt kommt, weil die beteiligten Akteure unterschwellig von unterschiedlichen Kulturverständnissen ausgehen. Gerade im Hinblick auf die Produktion des fiktionalen Films kommt es jedoch zu einer Verschachtelung unterschiedlicher Kulturverständnisse, die es den beteiligten Akteuren nicht mehr möglich macht, diese Perspektivendivergenzen analytisch zu trennen und zu durchschauen.

Performative Verbalisierungen von Kulturverständnissen Ursula Rao liefert mit ihrer ethnologischen Interpretation der Filmproduktion von Deepa Mehtas Water ein besonders anschauliches Beispiel für die performative Produktion unterschiedlicher Kulturverständnisse, die in Form des nachgezeichneten Konflikts zudem eine nicht mehr zu leugnende Handlungsrelevanz besitzen. Wenngleich Raos Studie wegweisend für die Überlegungen der vorliegenden Studie sind, weist sie dennoch auch weiterhin zwei Mängel auf: Das von Rao angeführte Beispiel eines Kulturkonflikts aufgrund performativ vollzogener Kulturverständnisse bezieht seine Klarheit und seine Unmissverständlichkeit für Rezipienten westlicher Kulturen daraus, dass die beiden kontrastierenden Kulturverständnisse in geradezu stereotyper Weise zwei kulturellen Großgruppen zugeschrieben werden: So vertreten Angehörige westlicher und globalisierter Gesellschaften ein dynamisches und fluides Kulturverständnis, das nicht mehr mit Grenzziehungen, sondern mit identitären Flüssen hantiert und somit eine globale Vermischung zelebriert. Demgegenüber rutscht die lokale indische Gesellschaft in eine traditionale Ecke, aus der grenzüberschreitende Perspektiven gar nicht erst zugänglich sind und in der das für traditionell gehaltene Verständnis statischer, essentialistischer und homogener Kulturen eine seit Jahrhunderten unhinterfragte Selbstverständlichkeit sind. Diese Bestätigung vorherrschender Stereotypisierungen mag angesichts der daraus entstehenden Klarheit des Beispiels zu vernachlässigen sein. Umgekehrt muss jedoch davon ausgegangen werden, dass in der realen Gesellschaftswelt solche unterschiedlichen Kulturverständnisse in einer sehr viel heterogeneren Durchmischung vorzufinden sind und dass die Zuordnung zu einzelnen Akteuren längst nicht so trennscharf und eindeutig getätigt werden kann, wie Raos Beispiel es suggeriert. Mehr noch: im Hinblick auf die Suche nach einer nachvollziehbaren und wiederverwendbaren Methodik besteht zu befürchten, dass das von Rao gewählte Beispiel eventuell nur aufgrund seiner großen Deckungsgleichheit mit ohnehin kursierenden Stereotypisierungen überhaupt entdeckt und identifiziert werden konnte. Dementsprechend muss gefolgert werden, dass im Grunde keine methodische Herangehensweise vorliegt, mit der eine Identifizierung unterschiedlicher Kulturverständnisse, die in einem konkreten Kontext performativ produziert werden, sichergestellt werden

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kann, ohne dass der Forscher dabei auf eigenes stereotypes Vorwissen zurückgreifen muss. Der zweite wesentliche Kritikpunkt gegenüber Raos Beispielstudie wurde an dieser Stelle bereits mehrfach thematisiert: Rao wählt eine ethnographisch-interpretative Herangehensweise, mit deren Hilfe sie einen globalen Themenkomplex und ein Diskursfeld auf einer Metaebene wahrnimmt und ausdeutet. Um den an dieser Stelle gesuchten, möglichst unmittelbaren Zugriff auf performative Produktionen von Kulturverständnissen im Rahmen des Dispositivs interkultureller Kommunikation methodisch zu planen, bei dem dispositive Verankerungen des Forschers und des Forschungsprozesses selbst umgangen werden, wird jedoch eine mikroanalytisch präzisere Feinsteuerung der Herangehensweise erforderlich. Gesucht werden sollte demnach nach Verfahren, die interpersonale Interaktionen mikroanalytisch festhalten und analysieren können, ohne bereits vorab einem zu unreflektierten Suchparadigma zu unterliegen. Neben der Studie von Rao liegen auch hier bereits einzelne Studien vor, die zwar ebenfalls ethnographisch arbeiten, aber dennoch zumindest einen deutlicheren Fokus auf einzelne verbale Äußerungen explizit vollzogener Kulturverständnisse legen. Auch diese Studien seien an dieser Stelle kurz vorgestellt.

Die Performanz von Norm und Handlungsentscheidung Gerd Baumann (1996), der eine ethnographische Studie in dem multiethnischen Stadtteil Southhall in London durchgeführt hat, berichtet in seiner Monographie von Beobachtungen dazu, wie sich Interaktanten explizit zu Aspekten von Kultur und Kulturalität positionieren. In dem im Folgenden zitierten Transkriptausschnitt unterhalten sich zwei Bewohner des Stadtteils in einer örtlichen Gaststätte. Baumann selbst nimmt an diesem Gespräch teil, bzw. hört ihm zu und fertigt das Transkript nach eigenen Angaben nachträglich als Wiedergabe aus dem Gedächtnis an: Exzerpt 1: Baumann (1996: 65) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15

Dick:

Tell you something: I’m looking for a space about 1,500 square feet, for doing upholstery and furniture and that. With office space as well, - with [grins] a nice office for yours sincerely… Dave: Yes, I could maybe do something. There’s a lot of space coming up. Dick: Yeah, that’d be great! About 1,500 feet we’d need. G.B.: 1,500? That’s huge! Dick: It’s not when you think about it. This pub’s easily – what – 1,000 already! Dave: Has it got anything to do with unemployment? Dick: Yeah, it’s all for training actually, training people for jobs and that. – I can also say that – it’s – at least half of them’s Asian youngsters. Dave: Well, that’s not so important for me…

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Dick: Dave: Dick: Dave:

[interrupts] No, no, I know. No, but if it’s unemployment, that’s just my concern. [repeating] Yeah, I know it isn’t… No, if it’s unemployed people, we could maybe do something there. Though you know, it can take a bit of time. Maybe two or three months. Have I got your phone number? Dick: Yeah, there’d also be about half Asian kids on it. Do you have a pen? I’ll give you my office number. – Ta! [writes a phone number on a paper napkin] – Who was it they say used to sign cheques on napkins – Churchill, wasn’t it? Dave: [takes the napkin and folds it] Yes, I’ll see what I can do for the space. 1,500 you say. Dick: Yep, that’d be good! Thanks a lot, Dave! [hands back the pen]

In dem Beispiel verhandeln die beiden Interaktionspartner darüber, ob die von ihnen als feststellbar angenommene kulturelle Zugehörigkeit der Jugendlichen, die die zu vermietenden Räumlichkeiten nutzen sollen, Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten der beiden Interaktanten hat oder nicht. Dave, der Dick nach der Möglichkeit fragt, Räume für ein Schulungsprojekt anzumieten, beschreibt die Gruppe der Personen, die die Räume nutzen sollen, indem er ihre ethnische Zugehörigkeit, half of them’s Asian youngsters, nennt. Dick lehnt es daraufhin ab, dieses Kriterium anzunehmen – ob er dies aufgrund persönlicher Überzeugung oder im Sinne einer öffentlich einzuhaltenden political correctness tut, muss dabei offen bleiben. Dave entkräftet daraufhin die Relevanz seines Einwandes. Eventuell deutet Dave Dicks Einwand that’s not so important for me zugleich als ablehnende Wertung gegenüber der Akzeptanz von Kulturalität als einem Entscheidungskriterium. Auch Dave nimmt demnach zumindest öffentlich davon Abstand – eventuell nicht zuletzt, um Dick nicht einer von ihm offenbar als solche verstandenen Beleidigung auszusetzen. Wenngleich also beide Interaktanten den Einfluss kultureller Zugehörigkeiten auf ihr Entscheidungsverhalten abstreiten, wird das Kriterium der Ethnizität dennoch ins Gespräch eingeführt und aktiviert. Mehr noch, erst durch die verbale Aktivierung von Ethnizitätskriterien werden die Existenz und die Relevanz dieser Grenzziehung überhaupt erst performativ produziert und positioniert. Auch eine Selbstpositionierung der Akteure gegenüber dem Begriff ist hier gegeben, wenngleich diese im Fall dieses Beispiels einer Interpretation des Forschers gegenüber offen ist und ihrer bedarf. Unter Umständen ist diese interpretative Lücke der ethnographischen Methode geschuldet, die in diesem Fall noch weiterhin daran krankt, dass es sich bei den Transkripten nicht um Verschriftlichungen im Wortlaut, sondern um Rekonstruktionen aus dem Gedächtnis handelt. Insbesondere angesichts des hier unterstellten Dispositivs interkultureller Kommunikation ist das Ausmaß der Beeinträchtigung des Forschers selbst in diesem Fall kaum einzuschätzen. Dennoch zeigt Baumann mit seinem Beispiel eindrucksvoll, wie Individuen Kulturverständnisse nicht nur performativ herstellen, sondern auch normativ positionieren: In diesem Fall differenzieren die Akteure zwischen einer globalen oder zumindest gesellschaftsweiten Norm, deren

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Existenz sie ebenfalls hier erst statuieren, und einer eigenen Handlungsentscheidung, die sie in eine bewusste Relation zu diesen rekonstruierten Normen setzen. Auch in diesem Fall liegt also eine Diskrepanz zwischen Normenwissen und individuellem Handeln vor. Im Gegensatz zu den bisher an dieser Stelle referierten Studien führt Baumann hier jedoch ein Beispiel an, das eine explizite performative Produktion von Kulturverständnissen enthält.

K ULTUR

IST , WAS I NDIVIDUEN DARUNTER VERSTEHEN

Die praxeologisch orientierte Sichtweise auf soziales Handeln in ihrer Integration in diskurstheoretische Überlegungen zur Existenz eines Dispositivs interkultureller Kommunikation ermöglicht eine Identifizierung individuellen Handelns und des damit verbundenen produktiven Erschaffens von Bestandteilen des Dispositivs. Letztlich kann vor diesem theoretischen Hintergrund das entsprechend fokussierte Kulturverständnis sehr einfach definiert werden, so dass für den Forscher als Kultur grundsätzlich und kontextuell immer das gelten sollte, was die jeweils untersuchten Individuen selbst darunter verstehen. In der empirischen Forschung wird es entsprechend darum gehen, genau dies herauszufinden: Was verstehen einzelne Akteure unter Kultur? Wo sehen, bzw. etablieren sie kulturelle Grenzziehungen? Was bedeuten diese Grenzziehungen für sie? Welche Konsequenzen leiten sie daraus für ihre Handlungsentscheidungen ab? Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass Akteure in jedem Fall Bestandteile und Mitschaffende eines Dispositivs sind, das ihr Handeln rahmt und dessen sie sich sehr wahrscheinlich nicht bewusst sind. Letztlich bedeutet das im Kern, dass – trotz aller Gleichförmigkeit – jedes Individuum ein subjektives und individuelles Verständnis von Kultur hat.

E XKURS S UBJEKTIVE T HEORIEN In den vorangegangenen Abschnitten wurde ein sehr subjektivistischer Kulturbegriff entwickelt. Mit ihm soll es möglich werden, individuelles performatives Handeln in Bezug auf Kultur und Kulturalität unter dem Vorzeichen eines Dispositivs interkultureller Kommunikation nachzuzeichnen. Mit dem Fokus auf die Ebene von einzelnen Individuen soll es möglich werden, kulturelles Handeln von Individuen oder Handeln im Dispositiv interkultureller Kommunikation zu beschreiben, ohne dem Dispositiv selbst zu viele Einflussmöglichkeiten auf den Forschungs- und Interpretationsprozess zu geben. Die Position des Subjekts wurde in den Geisteswissenschaften in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend problematisiert und in den Fokus des Interesses gerückt. Zugleich bestehen insbesondere im Bereich der Psychologie klarere Vorstellungen von einem Begriff subjektiver Theorien, die an dieser Stelle nachgezeichnet werden müssen. Die Vorstellung davon, dass einzelne Individuen, bzw. Individuen grundsätzlich über eigene, wenn auch laienhafte, Theorien zur Erklärung und sinnhaften Ausdeutung ihrer Umwelt verfügen, ist keinesfalls eine Erfindung der vorliegenden Studie, sondern sie wurde bereits ausführlich thematisiert und eruiert. Auf diese Vor-

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strukturierung soll an dieser Stelle zurückgegriffen werden, um eine fundierte Einordnung des Phänomens leisten zu können.

Subjektivität in den Cultural Studies Richard Johnson (1999) diskutiert in seinen Überlegungen zum Gegenstand der Cultural Studies auch das Verständnis von Subjektivität als zu klärende Grundvoraussetzung für eine Verortung und Beschreibung menschlicher Wahrnehmung und Interpretation. Johnson hadert dabei insbesondere mit der Trennung zwischen, bzw. dem drohenden Ausschluss von unbewussten und nicht-rationalen Prozessen gegenüber kognitivistischen Annahmen aus dem Konzept der Subjektivität. Ihmzufolge ist diese Engführung im marxistischen Diskurs erst nach den Schriften von Marx selbst vollzogen worden. Dennoch räumt Johnson ein, dass auch Marx’ vorrangiges Interesse dem rational gesteuerten Handeln von Subjekten galt: »Im marxistischen Diskurs (nicht aber, wie ich glaube, bei Marx selbst) hat, Bewußtsein. überwiegend kognitive Bedeutung, zielt auf die (richtige?) Erkenntnis von Natur und Gesellschaft. Ich meine, Marx’ Auffassung vom Bewußtsein war weiter gespannt als die seiner Nachfolger, denn sie umfaßte den Begriff des Selbstbewußtseins und der aktiven geistigen und moralischen Selbsterzeugung. Dennoch läßt sich nicht bezweifeln, daß er vor allem an begrifflich strukturierten Erkenntnisformen interessiert war, wie gerade seine Diskussion ideologischer Formen (Politische Ökonomie, Hegelsche Philosophie u. a.) zeigt. In seinem interessantesten Text über das Wesen des Denkens (der 1857 geschriebenen ›Einleitung zu den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie‹) kommen andere Bewußtseinsformen, z. B. ästhetischer oder religiöser Provenienz nicht zur Sprache« (Johnson 1999: 144).

Wesentlich für den Begriff der Subjektivität sei jedoch die Möglichkeit, auch unbewusste Phänomene und Prozesse mitzudenken, die beispielsweise im Konzept des Bewusstseins nicht enthalten seien. Erst durch dieses Verständnis von Subjektivität wird es denkbar, dass Individuen Handlungsentscheidungen treffen und auch nach diesen Entscheidungen handeln, ohne sich eine vollständige und unhintergehbare Rechenschaft ablegen zu müssen: »›Subjektivität‹ ist hier besonders wichtig, weil dieser Begriff beleuchtet, was der Kategorie ›Bewußtsein‹ fehlt. Zum Beispiel schließt Subjektivität die Möglichkeit ein, daß einige Elemente oder Impulse subjektiv wirken – uns bewegen –, ohne bewußt zu werden. Subjektivität verweist auf Elemente, die (mit einer irreführenden konventionellen Unterscheidung) den Bereichen des Ästhetischen oder Emotionalen und damit konventionell als ›weiblich‹ geltenden Kodes zugeschrieben werden« (Johnson 1999: 144).

Zusätzlich beinhaltet das Konzept der Subjektivität die Möglichkeit, eine Einbindung von Individuen in größere Gruppen sowie eine Diskursrezeption und -teilhabe mitzudenken, wodurch das Subjekt als grundsätzlich eingebunden in einen sozialen Kontext und dennoch mündig zum individuellen Handeln dargestellt werden kann. Zugleich wird der Subjektbegriff von der Forscherperspektive losgelöst:

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»Subjektivität konzentriert sich auf das ›Ich-Gefühl‹ und, wichtiger noch, auf das ›Wir-Gefühl‹ der Kultur, auf individuelle und kollektive Identitäten. Subjektivität verbindet sich mit der wichtigsten aller strukturalistischen Einsichten, die besagt, daß Subjektivitäten produzierte, nicht einfach gegebene Wesenheiten und insofern Forschungsobjekte, nicht aber Ausgangspunkte oder Prämissen der Forschung darstellen« (Johnson 1999: 144-145).

Weiterhin offen und Gegenstand der Forschung bleiben nach dieser Positionierung des Subjekts Johnson zufolge das Ausmaß, der Grad und die Qualität der Einbindung des Subjekts in soziale Kontexte und Diskurse. Welche Rolle und welchen Einfluss eine Diskursteilhabe für das Handeln und die Handlungsfreiheit von Individuen hat, bleibt demnach auch weiterhin eine klärungsbedürftige Variable: »Der Begriff ›historisch‹ hat in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Bedeutungen. Zum einen geht es darum, daß wir die Formen der Subjektivität daraufhin untersuchen müssen, welchen Druck sie ausüben, welche Tendenz sie besitzen und welche Widersprüche ihnen innewohnen. Zweitens wollen wir erkennen, auf welche Weise subjektive Tendenzen durch andere gesellschaftliche Determinanten (wie etwa materielle Bedürfnisse und damit verbundene Faktoren) modifiziert werden« (Johnson 1999: 146).

Johnson ist es dennoch wichtig zu betonen, dass auch die Cultural Studies intern über eine heterogene Mehrzahl von Kulturverständnissen verfügt und diskutiert. So gehen zahlreiche Studien ungeachtet der im Vorangegangenen getätigten Überlegungen auch in den Cultural Studies weiterhin davon aus, dass Kultur etwas Erfassbares und Beschreibbares ist. Diese Ansätze in den Cultural Studies speisten sich Johnson zufolge methodisch meist aus der Anthropologie und der Soziologie. Demgegenüber statuierten in den Cultural Studies jedoch auch zahlreiche Autoren, dass Kultur ein rein subjektives Konstrukt ist, das immer wieder neu geschaffen wird. Für diesen Ansatz beziehen die Cultural Studies theoretische und methodische Grundlagen Johnson zufolge aus der Literaturtheorie (Johnson 1999: 153-154).

Konzepte der subjective cultures Auf eine ähnliche, jedoch zugleich grundlegend unterschiedliche Weise verarbeitet der Kulturpsychologe Harry Triandis (1972; 1973) den Begriff der von ihm als solcher bezeichneten subjective culture. Triandis verwendet den Begriff für die Bezeichnung von subjektiven und kollektiv geteilten Einstellungen von Individuen gegenüber anderen Gruppen. Triandis geht von einem Stimulus-Response-Modell aus, nach dem Individuen eine bestimmte Reaktion zeigen, wenn sie eine fremdkulturelle Gruppe wahrnehmen. Eine Forschung, die auf dieser Grundlage betrieben werden muss, stellt sich als Stereotypenforschung heraus (Triandis 1972: 3). Triandis’ Überlegungen erscheinen einerseits erhellend, weil sie die Rolle von Subjekten und Individuen bei der Imagination kultureller Differenzen in den Vordergrund rücken. Das Stimulus-Response-Modell scheint demgegenüber jedoch eine kaum begründbare Vereinfachung dessen zu versuchen, was an dieser Stelle mit Hilfe diskurstheoretischer Überlegungen zu rahmen versucht wurde: Die komplexe Diskursteilhabe von Individuen, einschließlich ihrer unbewussten Reproduktion von

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Wissens- und Machtungleichgewichten bildet demnach die Grundlage für individuelle Einstellungen und Handlungsentscheidungen, die dann durchaus auch als subjective culture bezeichnet werden könnten. Darüber hinaus ermöglicht eine diskurstheoretische Fundierung der Einstellungen und Handlungsentscheidungen von Individuen die theoretische Gewährung eines deutlich größeren Aktionsradius für die Handelnden gegenüber dem Stimulus-Response-Modell, das eine Reaktion quasi vorprogrammiert. Wichtig für eine Beschreibung der Wirkweise des Dispositivs interkultureller Kommunikation auf das Agieren von Individuen erscheint gerade die grundsätzliche Handlungsautonomie der Subjekte. Eine alternative und gänzlich anders gelagerte Konzeption des Begriffs einer subjective culture entwickelt der Kulturpsychologie Ernst Boesch (2008). Grundlegend differenziert Boesch zwischen einer objektiven und einer subjektiven Kultur, wobei zunächst beiden Verständnissen kulturessentialistische Annahmen zugrunde liegen. Unter einer objektiven Kultur versteht Boesch Aspekte, Gegenstände, Objekte und Phänomene einer faktisch gegebenen Kultur. Diese vergegenständlichte Kultur ist in ihrem Erscheinungsbild für alle Menschen gleich, über sie kann man sich kommunikativ austauschen und verständigen. Aufgrund der Tatsache, dass die menschliche Wahrnehmung jedoch grundsätzlich auf der Interpretation von Symbolen aufbaut, folgert Boesch, dass Individuen jeweils sehr unterschiedliche Dinge und Gedanken mit einzelnen objektiven Kulturbestandteilen assoziieren werden. Boesch leitet aus dieser Erkenntnis seinen Begriff der subjective culture ab: Die Konnotationen, die Individuen mit einzelnen Objekten und Phänomenen verbinden, sind demnach um ein Vielfaches reichhaltiger und facettenreicher als die eigentliche faktische Bedeutung eines Objekts, bzw. seine Rolle und Bedeutung im Rahmen einer objektiven Kultur. Boesch positioniert dieses Verständnis einer subjective culture damit als ein Bindeglied, mit dessen Hilfe das Zusammenspiel aus individuellem Denken und Handeln sowie einer gemeinsam geteilten Faktizität und damit auch einer gemeinsam produzierten Kultur näher beschrieben werden kann. Allerdings wird der Begriff in diesem Rahmen nur verwendet, um das Zustandekommen von darüber hinaus grundsätzlich essentialistischen Kulturaspekten detaillierter beschreiben zu können. Die performative Produktion nicht nur von Kultur und Kulturalität, sondern auch explizit von Kulturverständnissen selbst, lässt sich mit Boeschs Konzept nicht näher beschreiben.

Subjektive Theorien in der Psychologie Besonders prominent erscheint die von Adrian Furnham in der Psychologie vorgelegte Monographie zum Gegenstand der Lay Theories (Furnham 1988). Furnham geht damit der Alltagsbeobachtung nach, dass Individuen und Gesellschaft auch ohne und jenseits von wissenschaftlicher Forschung oder gar einem Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Gesellschaft Theorien entwickeln, mit deren Hilfe sie sich Phänomene in unterschiedlichen Lebensbereichen erklären. Furnham analysiert auf diese Weise systematisch so genannte Laientheorien für Phänomene, die eigentlich das Fachgebiet wissenschaftlicher Disziplinen sein sollen, wie beispielsweise aus der Psychologie, der Medizin, der Wirtschaft, der Statistik, den Rechts- sowie den Bil-

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dungswissenschaften. Furnham arbeitet dabei einzelne Unterschiede zwischen wissenschaftlichen und Laientheorien heraus, insbesondere im Hinblick auf deren Entstehung und Genese, ihre Validität und Veränderbarkeit. Überraschenderweise schreibt Furnham dabei eine ganze Monographie, die die klare Trennung zwischen wissenschaftlichen und Laientheorien zu keinem Zeitpunkt in Frage stellt. Furnham resümiert zwar in seinem Schlusskapitel, dass die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Konzepten häufig größer seien als eventuell vermutet, sein Gesamtkonzept wird dadurch jedoch nicht erschüttert (Furnham 1988: 207). Erst im Abspann zu seiner Monographie holt Furnham noch einmal zu einem interdisziplinären Abgleich seines Ansatzes mit den Perspektiven alternativer Forschungsauffassungen aus. Dabei kommt er auch auf anderthalb Seiten (Furnham 1988: 212) auf konstruktivistische und ethnomethodologische Sichtweisen zu sprechen, die er – überraschend herausgriffen aus eventuell ähnlich gelagerten Ansätzen – seinem eigenen Modell gegenüberstellt. Konstruktivismus und Ethnomethodologie stehen bei Furnham für ein Kommunikationsverständnis, das jede menschliche Interaktion als Suche und Konstruktion von Sinn begreift. Erst durch die gemeinsame Zuschreibung von Sinn an eine als gemeinsam wahrgenommene Umwelt wird aus dieser Sicht eine interpersonale Verständigung möglich. Aus dieser Sicht funktionieren Gesellschaft und Wissenschaft sowie die Kommunikation, die Verständigung und der Austausch in beiden Bereichen strukturell nach den gleichen Prinzipien. In beiden Fällen geht es um eine kommunikative Erschließung der Welt, gegenüber der vermeintliche methodische Regulierungen in der wissenschaftlichen Praxis sich als unerheblich erweisen. Dieser Gleichbehandlung von Wissenschafts- und Gesellschaftsdiskursen folgt auch die vorliegende Studie. Die hier getätigte Annahme, dass Individuen immer schon über eigene und subjektive Konstruktionen und Deutungen darüber verfügen, was unter Kultur zu verstehen sei und wie sich diese auf ihr Handeln auswirkt, beruht auf den von Furnham angesprochenen konstruktivistischen und ethnomethodologischen Grundlagen. Aus der an dieser Stelle eingeschlagenen diskurstheoretischen Perspektive erscheinen auch die Verflechtung und die ähnliche Strukturierung von Wissenschafts- und Alltagsdiskursen nicht überraschend, sondern erwartbar. Überraschend erscheint demgegenüber lediglich Furnhams Umgang mit seiner eigenen Einsicht in diese Parallelität zwischen Laientheorien und wissenschaftlichen Theorien. Sowohl seine eigenen Erkenntnisse als auch konstruktivistische und ethnomethodologische Theorien deuten darauf hin, dass wenig dafür spricht, zwischen Laientheorien und wissenschaftlichen Theorien strukturell zu unterscheiden. Diese Erkenntnisse erschüttern Furnhams dokumentierende Ambitionen jedoch nicht, stattdessen referiert er unberührt auf positivistische Weise Beobachtungen zu einem im Grunde selbstgeschaffenen Begriff der Laientheorien. Bereits dieser Einblick in Ansätze aus der Sozialpsychologie zu Subjektperspektiven sowie zu subjektiven Theorien und Weltdeutungen zeigt, dass die Subjektposition und ihr Potential zwar einerseits von Gesellschaftstheorien meist zugunsten einer Herausstellung gesellschaftsbildender Prozesse in den Hintergrund gerückt worden sind. Gleichzeitig regt sich offenbar aber auch gerade in den Disziplinen, die diese Gesellschaftsentwürfe hervorbringen, ein gewisses Interesse an einer Auslotung von subjektiven Perspektiven, Wahrnehmungen und Erfahrungen. Diese werden angesichts dieses aus einer Kontrastierung gegenüber Gesellschaftstheorien motivierten Interesses dann meist mehr oder weniger jenseits möglicher gesellschaftlicher Ein-

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bindungen konzipiert. Es geht dann nicht mehr darum, beispielsweise herauszufinden, wie ein Individuum seine gesellschaftliche Einbindung subjektiv wahrnimmt. Stattdessen wird gleich darüber hinausgehend eine Perspektive fokussiert, nach der sich das Subjekt quasi als jenseits gesellschaftlicher Strukturen wahrnimmt und eine gänzlich neue Sichtweise einnehmen und konstruieren kann. Diese Sichtweise wird dann nicht als eine verstanden, die dazu beiträgt, soziale und kollektive Sichtweisen mit zu prägen. Stattdessen wird – wie beispielsweise bei Boesch – von einer zusätzlichen, parallel existierenden Sichtweise ausgegangen. Was diesen subjektorientierten Ansätzen aus der Psychologie demnach fehlt, scheint eine Fokussierung der Verbindungen und Interrelationen zu sein, die zwischen Gesellschaft, sozialer Interaktion und subjektiver Wahrnehmung bestehen. Gerade ein Wissen über die Beschaffenheit dieser Verknüpfungen scheint jedoch zentral erforderlich zu sein, wenn es wie in der vorliegenden Studie darum gehen soll, individuelle Handlungsformen im Kontext von Dispositiven nachzuzeichnen. Die an dieser Stelle zusammengeführte theoretische Fundierung eines Dispositivs interkultureller Kommunikation und die damit verbundenen Handlungspraxen ermöglichen es, in einer zu Furnhams Ansatz umgekehrten Herangehensweise aufzuzeigen, wie erst der Glaube an Strukturen, wie beispielsweise die einer Trennung zwischen Wissenschafts- und Laientheorien zustandekommen kann.

Die Rolle des Subjekts in Theorien zum Fremdsprachenlernen Die Fremdsprachendidaktik mag sich gegenüber den im vorangegangenen Abschnitt referierten Theorien mit ihrem eher globalen Erklärungsanspruch als ein Nischenthema gebärden. Theoretiker in diesem Bereich haben jedoch ein besonders klar beschreibbares und eingrenzbares Anwendungsinteresse im Hinblick auf die Rolle und die Beschaffenheit subjektiver Wirklichkeitskonstruktionen. Interessant und relevant ist die Thematik für die Fremdsprachendidaktik gleich aus dreierlei Hinsicht: Wie in vielen anderen Bildungsbereichen auch wird in der Fremdsprachendidaktik davon ausgegangen, dass Individuen einen Lernprozess vollziehen müssen, um sich eine Fremdsprache anzueignen. Die Fremdsprachendidaktik sucht nach Wegen, mit deren Hilfe diese Lernprozesse aus professioneller Sicht bestmöglich so angeleitet werden können, dass sie schnellstmöglich zu einem größtmöglichen Lernerfolg führen. Insbesondere für die Lerntheorien haben konstruktivistische Kommunikationsverständnisse erhebliche Implikationen, die eine vollständige Verabschiedung von einer vermittlungsorientierten und zielgenauen Übertragung von Wissen erfordern. Werden lernende Individuen stattdessen als autonome Subjekte und Diskursteilnehmer verstanden, dann muss davon ausgegangen werden, dass sie sich immer ihr eigenes Bild von einem vermittelten Gegenstand machen werden, so dass eine vollständige Steuerbarkeit des Lerngegenstands durch den Lehrer nicht gegeben ist. Lehrern kommt aus dieser Sicht stattdessen die Aufgabe zu, eine Lernumgebung zu schaffen, die zumindest die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich der Lerner selbständig einen Lerngegenstand in einer Form aneignet, die der zu vermittelnden Form möglichst nahe kommt. Die Position und Rolle von Individuen als Subjekte innerhalb von Diskursen, Dispositiven und Handlungsräumen bilden aus dieser Sicht den

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grundlegenden Kontext, in dem die Fremdsprachendidaktik über Möglichkeiten der Intervention überhaupt erst nachdenken kann. Während diese Problematik des Lernens im Grunde die meisten Lerngegenstände betrifft und damit zu einem allgemeinen Problem der Didaktik wird, erfährt sich die Fremdsprachendidaktik jedoch als mit einer zusätzlichen, konstruktivistisch bedingten Schwierigkeit konfrontiert: Auch streng universalistisch denkende Sprachforscher können sich nach mehreren Jahrzehnten symbolisch-interpretativ ausgerichteter Kultur- und Kommunikationstheorien nicht mehr gegenüber der Einsicht verschließen, dass eine Vermittlung von Sprache und Sprachkompetenz immer auch kontextgebunden ist und losgelöst von einer sozialen Einbettung gar nicht erst erfolgen kann. Damit muss nicht zwingend gleich statuiert werden, dass Sprache und Kultur eine unlösbare Verbindung untereinander eingehen, bzw. dass einer der beiden Aspekte schon immer ein Bestandteil des anderen gewesen sei. Annahmen dieser Art halten sich zwar hartnäckig in anwendungsorientierten Feldern der Sprachvermittlung, sie gehen jedoch unweigerlich mit der Annahme eines nicht weiter reflektierten oder kontextualisierten essentialistischen Kulturverständnisses einher: Wenn Kultur und Sprache miteinander verknüpft sind, dann steht damit auch bereits fest, dass es eine bestimmte, beschreibbare Kultur – im Äquivalent zur ihr zugeschriebenen Sprache – auch wirklich gibt. Doch auch wenn man sich von dieser einfachen Verknüpfung verabschiedet und beispielsweise das in der vorliegenden Studie entwickelte subjektive Verständnis von Kulturen und Kulturbegriffen zugrunde liegt, muss davon ausgegangen werden, dass zumindest die Fremdsprachenlerner jeweils über subjektive Kulturverständnisse verfügen, deren Bestandteil mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine wie auch immer geartete Integration der Rolle von Sprache und Fremdsprachen ist. Anders ausgedrückt muss davon ausgegangen werden, dass Fremdsprachenlerner grundsätzlich eigene und individuelle Vorstellungen davon haben, auf welche Weise Sprache und Kultur miteinander verknüpft sind. Wenn sich die Fremdsprachendidaktik als ein Handwerk versteht, das es mit wissenschaftlicher Unterstützung ermöglichen soll, das Wissen von Lernern möglichst zielgenau zu modifizieren, dann folgt daraus, dass auch die Gestaltung eines Wissens über Zusammenhänge zwischen Sprache und Kultur zum Aufgabenbereich der Fremdsprachendidaktik gehören. Nicht zuletzt besteht eine dritte Herausforderung in der ebenfalls konstruktivistisch begründeten Einsicht in die Unwahrscheinlichkeit interpersonalen Fremdversteens überhaupt. Geht es in der Fremdsprachendidaktik um die Vermittlung einer Verständigungsfähigkeit, dann rückt dieses Kommunikationsverständnis zu einer der zentralen Problemstellungen der Disziplin auf: Wie können Individuen im interkulturellen Kontakt und beim Einsatz von Fremdsprachenkenntnissen überhaupt Verständigung herstellen? Im Forschungsfeld Deutsch als Fremdsprache wurden diese drei Problemstellungen in den vergangenen 20 Jahren ausführlich thematisiert, zahlreiche Beiträge zu dieser Debatte wurden dabei zentral in der internetbasierten Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht veröffentlicht. Eine frühe und knappe Zusammenfassung findet sich hierzu bei Kallenbach (1997). Auf theoretischem Feld hat insbesondere Claus Altmayer an einer Öffnung der Forschung zum Fremdsprachenunterricht für kulturwissenschaftliche Theorieansätze (Altmayer 2004b), hier insbesondere aus dem Bereich der Cultural Studies (Altmayer 2004a) gearbeitet. Mit Blick auf ei-

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ne Anwendungsorientierung macht Altmayer das Konzept der kulturellen Deutungsmuster fruchtbar für eine Operationalisierung der Rolle von Kultur aus Lernersicht (Altmayer 2002; 2006). Zunächst soll dabei die Fähigkeit geschult werden, kulturelle Deutungsmuster bei der Lektüre von Texten identifizieren und interpretieren zu können, aus späterer Sicht Altmayers soll diese Kompetenz Fremdsprachenlernern auch in der Interaktion weiterhelfen können. Auf die Annahme der Existenz eines subjektiven Kulturverständnisses von Seiten der Individuen und hier insbesondere der Fremdsprachenlerner geht darüber hinaus die Fremdsprachendidaktikerin Adelheid Hu ein. Hu zeigt empirische Forschungsmethoden auf, mit denen in Interviewform subjektive Kulturverständnisse identifiziert und beschrieben werden können (Hu 1997a; 2001). Dabei problematisiert Hu auch die Nähe der Idee subjektiver Kulturverständnisse zu einem bereits bestätigten Konzept von Vorurteilen und Stereotypisierungen im interkulturellen Kontakt (Hu 1995a; 1995b).

L ÖSUNGSVORSCHLÄGE

AUS THEORETISCHER

S ICHT

Bereits vor dem Hintergrund einer hier skizzierten Theorie performativen Handelns im Dispositiv interkultureller Kommunikation kann versucht werden, erste Lösungsvorschläge und konstruktive Handlungsanweisungen für die Praxis abzuleiten. Diese Handlungsempfehlungen decken sich maßgeblich mit der Theorie, deren Ziel letztlich in einer Unterstützung bei der Bewusstmachung über die Existenz eines Dispositivs interkultureller Kommunikation liegt. Ziel zahlreicher Autoren aus der (kritischen) Diskursforschung ist es, implizite und verdeckte Machtungleichgewichte in Gesellschaften aufzudecken. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Machtungleichgewichte vor dem Hintergrund sozialer Zielstellungen, wie beispielsweise einer Herstellung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit, unbegründet, bzw. nicht haltbar sind, sobald sie in ihrer Existenz manifest gemacht werden würden. Aufgrund des Mechanismus von sich selbst im Diskurs konstituierenden Dispositiven muss zusätzlich davon ausgegangen werden, dass selbst Individuen und Gruppen, die von den Machtasymmetrien benachteiligt werden, die Existenz und den Weiterbestand des Dispositivs ohne ihr Wissen stützen. Bewusstsein und Information über die Existenz eines Dispositivs interkultureller Kommunikation scheinen vor diesem Hintergrund die ersten und probatesten, zugleich aber auch die einzigen Mittel zur Förderung eines Abbaus von Machtungleichgewichten zu sein. Zugleich muss eingestanden werden, dass dieses Wissen und dieses Bewusstsein so abstrakt und auf einer so allgemeinen Ebene angesiedelt werden, dass es für handelnde Individuen kaum möglich sein wird, konkrete Zusammenhänge zwischen eigenem sowie unmittelbar erfahrenem Handeln und dessen Einbettung in ein Dispositiv jederzeit zu identifizieren und auf dieser Grundlage auf reflektiertere Weise zu handeln. Versuche einer empirischen Sichtbarmachung von Handlungsformen im Dispositiv, wie sie im folgenden Kapitel skizziert werden sollen, können eine Handreichung zu einer genaueren Analyse darstellen.

Zu einer Empirie der Performativität in interkulturellen Kontexten

Wie kann man die Einbettung individueller Handlungen in ein Dispositiv interkultureller Kommunikation erkennen? In dieser auf einen empirischen Wirklichkeitszugriff anspielende Frage kulminieren die in den vorangegangenen Kapiteln entwickelten Überlegungen zu einer theoretischen Fassbarmachung des sozialen Umgangs mit der Thematik interkultureller Kommunikation. Eine solche empirische Herangehensweise wurde als Desiderat herausgestellt, da auch die empirische Forschung grundsätzlich Gefahr läuft, selbst dem Dispositiv interkultureller Kommunikation zu unterliegen. Anstatt Auswirkungen des Dispositivs auf soziales Handeln identifizieren zu können, bieten solche methodischen Herangehensweisen dem Dispositiv lediglich eine doppelte und unbemerkte Zugriffsmöglichkeit: Sowohl der Forschungsprozess als auch das untersuchte Handeln werden vom Dispositiv beeinflusst. Auf der Grundlage der vorangegangenen theoretischen Überlegungen sollen in diesem Abschnitt empirische Methoden auf ihre Tauglichkeit für einen Zugriff auf soziales Handeln überprüft werden, wobei eine der größten Anforderungen an diese Methoden darin bestehen wird, nicht selbst dem Dispositiv Einflussmöglichkeiten einzuräumen. Eine Suche nach einer solchen geeigneten Methode muss zwingend die Form eines heuristischen Ausprobierens annehmen. Letztlich können zwar Methoden vorgeschlagen werden, für deren hohe Passung an die Anforderungen an dieser Stelle argumentiert werden kann. Umgekehrt stellen solche Plädoyers jedoch keine Gewährleistung dafür dar, dass es sich bei der umworbenen Methode tatsächlich um ein Optimum handelt. Ein Nachweis für eine hohe Passung an die Anforderungen kann stattdessen nur in Form einer Gegenüberstellung, eines Vergleichs und einer Überprüfung der Chancen und der Grenzen bei der Anwendung jeweils unterschiedlicher Methoden zu dem an dieser Stelle formulierten Anliegen erbracht werden. So mögen die im Folgenden getätigten Erwägungen den Anschein eines trial and errorVorgehens erwecken, und in gewisser Weise mag dieser Eindruck auch zutreffen. Eine solche Annäherung an eine geeignete Methode muss angesichts der Charakteristik von Dispositiven grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Dispositiv niemals vollständig ausgeschaltet und überwunden werden kann – auch nicht im Rahmen wissenschaftlicher Methodik und Reflektion. Angesichts dieser Eingeständnisse wird es nicht möglich sein, eine Herangehensweise zu entwickeln, die die Vorgaben eines Ausschlusses dispositiver Einflussmöglichkeiten vollständig erfüllen kann. Stattdessen kann nur eine größtmögliche Annäherung an diese Zielstellung erfolgen. Hierzu

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muss die Reichweite unterschiedlicher Methoden einander gegenübergestellt und verglichen werden. Eine solche Aufgaben- und Zielstellung legt nahe, noch einmal die gesamte, bereits publizierte Forschungsmethodik zu sichten und gemäß den Zielstellungen zu überprüfen, zu bewerten und einzuordnen. In der Tat erfüllen so gut wie alle vorliegenden Studien die gestellten Anforderungen eines unmittelbaren Zugriffs zumindest jeweils ein Stück weit. Viele Studien sind dabei sogar vergleichsweise erfolgreich, wenngleich sie in den meisten Fällen die zugrunde liegende Problemstellung nicht in Form eines Dispositivs reflektieren. Vielmehr zählt es zu den Grundproblemen einer interpretativen Forschung, den Interpretationsspielraum eines Forschers entweder einzugrenzen oder zumindest durch den Einsatz von Methoden zu vereinheitlichen. Beispiele für Versuche dieser Art müssen ungezählt bleiben. So finden sich auch in der bestehenden Literatur bereits viele Erhebungen zu individuellen Kulturverständnissen. Ladegaard (2007) testet empirisch, dass selbst in globalisierten Umgebungen die Mitarbeiter von Firmen der Ansicht sind, es gäbe nationale kulturelle Unterschiede. Solange die Akteure der Ansicht sind, dass es diese Unterschiede gibt, sollte man diese auch als gegeben annehmen, so der Autor. Mahmood (1992) kommt aus kognitionspsychologischer Sicht zu dem Schluss, dass die Kategorien und die Identifizierungsmerkmale, anhand denen bei empirischen Studien versucht wird, kulturelle Einflüsse auf Denken und Handeln von Individuen zu erkennen, überarbeitet werden müssen, damit eine adäquate Beschreibung möglich wird. Ihrzufolge spielen kulturelle Identitäten und Zuschreibungen zwar wesentliche Rollen, aber sie bleiben bei bisherigen Erhebungsmethoden häufig unerkannt. Aus methodologischer Sicht kommt auch Smith (2008) zu dem Schluss, dass die in einer Studie verwendete Methode einen maßgeblichen Einfluss darauf ausübt, ob und inwiefern Kultur in der jeweiligen Studie in Erscheinung tritt oder sichtbar gemacht wird. Fruchtbare Ansätze aus gesprächsanalytischer Perspektive liefern einige Beitrage aus dem Sammelband von Apfelbaum und Müller (1998), die allesamt Dolmetschsituationen in den Blick nehmen. Eine zentrale und grundlegende Herausforderung verspüren dabei die meisten Autoren zunächst darin, mit recht großen Anstrengungen Ansätze zu entwickeln, mit deren Hilfe die ursprünglichen Konzepte der ethnomethodologischen Konversationsanalyse so erweitert werden können, dass durch ihre Anwendung auch Einflüsse von Kultur überhaupt erst sichtbar und beschreibbar gemacht werden können. Einen überblickenden Einstieg in die Komplexität der Problematik einer solchen Kulturforschung liefert hier der Beitrag von Wolf (1998), die bereits zu Beginn ihrer Überlegungen vor der Gefahr warnt, dass kulturelle Kategorisierungen, die die Analyse beeinflussen, vielfach bereits vom Forscher selbst beigesteuert werden. Stattdessen versucht Wolf ein Verfahren zu entwickeln, mit dem aufgedeckt werden kann, wie die untersuchten Interaktionspartner selbst kulturelle Kategorisierungen in die Konversation einbringen. Letztlich beschränkt sich die Vorgehensweise jedoch aus Gründen methodischer Präzision darauf, auf einer oberflächlichen sprachlichen Ebene die Verwendung nationalitätsbezeichnender Adjektive, wie in diesem Fall polnisch oder deutsch, zu registrieren und darin einen Indikator für eine Aktivierung kultureller Kategorien zu sehen.

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Neben Wolf gehen auch Dausendschön-Gay und Krafft (1998) auf kulturelle Kategorisierungen ein und wenden sich noch expliziter dem hier verwendbaren Potential der Membership Categorization Analysis zu. Die Autoren entwickeln auf dieser Grundlage ein breiteres Instrumentarium zur Identifikation der Aktivierung von kulturalisierenden Kategorien in Gesprächen. Diese Kategorisierungen werden unter dem konversationsanalytischen Begriff des account gesammelt, unter dem explizierungsbedürftige Markierungen von Kategorien im Gespräch zusammengeführt und gegen die eigentliche Konversation abgegrenzt werden können. Offener und weitreichender gestaltet sich in diesem Kontext der Modellvorschlag von Friedman (2002), die drei Ansätze aus den Literaturwissenschaften zusammenführt. Friedman stützt sich dabei insbesondere auf Beobachtungen zu Emanzipationshandlungen mexikanischstämmiger Autorinnen im US-amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet, wie beispielsweise Gloria Anzaldua (1987), die Friedman als border talk bezeichnet. Zusammen mit Überlegungen zur Hybridität nach Bhabha (1994) und zur Performativität nach Austin (1962) entwirft Friedman drei unterschiedliche Sprechweisen, die in der kommunikativen Praxis beobachtbar sind und die alle jeweils zu einer Konstitution von Kultur und gleichzeitig einem jeweiligen Verständnis von Kultur beitragen.

K ULTURVERSTÄNDNISSE

WERDEN PERFORMATIV DEFINIERT

Der an dieser Stelle zu entwickelnde und vorzuschlagende Ansatz basiert grundlegend auf der Annahme, dass Individuen die Kulturverständnisse, die Relevanz für ihre eigenen Handlungsentscheidungen haben, selbst performativ produzieren und statuieren. Neben jedweder anzunehmenden diskursiven Teilhabe muss demnach davon ausgegangen werden, dass Interaktanten jeweils für sich selbst entscheiden, was Kultur eigentlich ist. In früheren Abschnitten dieser Studie wurde bereits nachgezeichnet, auf welche Weise Aspekte interkultureller Kommunikation zu thematischen und thematisierten Bestandteilen von Diskursen werden. Zusätzlich wurde nachgezeichnet, wie mit empirischen Methoden protokolliert werden kann, wie performative Handlungen in interkulturell bedingten Kontexten vollzogen werden. In Abgrenzung demgegenüber und in einem weiteren, konsequenten Schritt soll im Folgenden erprobt werden, wie Interaktanten Definitionen und Formgebungen zum Kulturverständnis selbst performativ produzieren und umsetzen.

Wissenschaftliche Hinführungen Auch bei diesen Annäherungsversuchen an eine Beschreibbarkeit performativer Vollzüge von Kulturverständnissen sei zunächst wiederum zwischen einer Betrachtung von Wissenschaftsdiskursen gegenüber Gesellschaftsdiskursen unterschieden, da eine Auseinandersetzung in ersteren schlicht systematischer, zielgerichteter und unter konventionell festgelegten und eingegrenzten Begrifflichkeiten erfolgt.

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Für eine Hinwendung zu kulturalistischen Weltdeutungen warten die Geisteswissenschaften entsprechend ebenfalls mit bereits vorliegenden Bezeichnungen auf. Bachmann-Medick (2006) schließt sich beispielsweise dem Lösungsmodell an, wechselnde terminologische Tendenzen und Präferierungen in den Geisteswissenschaften mit dem Begriff des turns, einer Wende, zu markieren: »In jedem Fall sind die ›Wenden‹ mit ihrer Einführung neuer Leitvorstellungen und Kategorien, mit ihrem Richtungswechsel und Theoriewandel signifikant, sowohl in ihren eigenen Kontextbezügen als auch im Hinblick auf eine Umstrukturierung des ›wissenschaftlichen Feldes‹ in den Kultur- und Sozialwissenschaften« (Bachmann-Medick 2006: 13).

Entsprechend macht Bachmann-Medick im Verlauf des 20. Jahrhunderts das Aufkommen eines Cultural Turn aus, in dessen Lichte zunehmend Phänomene als kulturell bedingt, bzw. kulturspezifisch interpretiert werden, die vormals durch »szientistische, oft positivistische und ökonomistische« (Bachmann-Medick 2006: 13) Ansätze erklärt worden waren. Bachmann-Medick sieht in dem Cultural Turn eine Weiterführung und Weiterentwicklung eines vorangegangenen Linguistic Turn. Darunter wiederum versteht sie eine letztlich durch de Saussure in den Sprachwissenschaften eingeleitete Wende, die den interpretativen Aspekt kommunikativer Verständigung sichtbar und greifbar gemacht und somit erst den Boden für eine interpretativ arbeitende Sozialwissenschaft im Allgemeinen geebnet hat. Auch der Cultural Turn wiederum hat im Nachgang eine ganze Bündelung neuer Richtungen hervorgebracht, die Bachmann-Medick zufolge ebenfalls als entsprechende Turns bezeichnet werden können. Dass dieser kommunikativ-interpretative Ansatz unter dem Markenzeichen des Begriffs Kultur sich irgendwann selbst verschlingen muss, scheint dabei in seiner eigenen Konzeption bereits grundlegend selbst angelegt, so dass dieser Prozess letztlich nur eine Frage der Zeit sein konnte. Dass Kultur und Kulturverständnisse letztlich immer nur Konstrukte sein können, die situationsgerecht adaptierbar sind, belegt dabei schon die immense Vielfalt an Kulturverständnissen, die sich in der einschlägigen Literatur bekanntermaßen finden und mit Zählversuchen explorieren lässt. Die Problematik der permanenten eigenen interpretierenden Intervention des Forschers in der Kulturforschung wurde mit zunehmender Sichtbarkeit durch zahlreiche systemimmanente Eingeständnisse zu beheben oder zumindest zu lindern versucht. Zu diesen Bestrebungen kann beispielsweise Rathjes (2006) Plädoyer für eine Abwendung von kohärenzbasierten Kulturverständnissen zugunsten eines kohäsionsorientierten Konzepts gezählt werden. Ein wesentliches Konstrukt von Seiten der Forschung sieht Rathje demnach darin, dass Kultur bislang vielmals als das Einende innerhalb von Gruppen verstanden wird, denen entsprechend eine gewisse Homogenität nachgesagt wird. Exemplarisch stützt Rathje ihre Beschreibung dieser Modelle hier auf den Ansatz der Kulturstandards nach Alexander Thomas (1991). Die Heterogenität von Kollektiven, die als Kulturen bezeichnet werden, ist demgegenüber in den meisten Fällen leicht nachweisbar und der Konstruktionscharakter entsprechender Kulturverständnisse liegt aus dieser Sicht schnell auf der Hand. Rathjes Reparaturvorschlag kann in diesem Zusammenhang als klassischer Binnendiskurs gesehen werden, wenn es ihr explizit darum geht, Kultur als Variable akademischen Reflektierens auf keinen Fall zu verwerfen, sondern bestenfalls neu aufzu-

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stellen. Dabei sind ihr selbst radikale Neukonzeptionen recht, wenn mit ihnen sichergestellt werden kann, dass ein neuer Kulturbegriff in gegenwärtigen Begriffszusammenhängen in den Geisteswissenschaften nicht allzu früh auf unüberbrückbare Widersprüche stößt. So schlägt Rathje in ihren Texten explizit eine »Generalüberholung« (Rathje 2009) des Kulturbegriffs vor. Diese Neuaufstellung realisiert sie durch ein von ihr vorgeschlagenes Verständnis von Kultur als etwas Verbindendem, als einem Kitt, einer metaphorischen Klebemasse, die untereinander diverse und verschiedene Teile miteinander verbindet und zusammenhält. Übernommen wird dieser als kohäsionsbasiert deklarierte Ansatz bereits aus Vorüberlegungen von Hansen (2000b). Interkulturelle Kompetenz zeigt sich diesem kohäsionsbasierten Verständnis von Kultur entsprechend dann, wenn Individuen in der Lage sind, ihnen vorher unbekannte Differenzen zu identifizieren, zu erkennen und anschließend zu erlernen (Rathje 2006). Ähnliche Bestrebungen verfolgt unberührt von diesen Überlegungen Werbner (2005), die angesichts ihrer eigenen Beobachtungen die Herausstellung der Historizität kultureller Grenzziehungen sowie deren Wandlungsfähigkeit herausstellt. Diese Historizität stellt sich in der Praxis Werbner zufolge als eine permanente interne Konfliktaustragung dar, in der kulturelle Deutungen konfrontativ behauptet und ausgespielt werden. Juch, Rathje und Köppel (2007) entwickeln auf der Grundlage dieser kohäsionsorientierten Kulturverständnisse eine anwendungsorientierte Toolbox, mit deren Hilfe die internationale Zusammenführung von Unternehmen sowie deren weitere Zusammenarbeit unterstützt werden sollen. Die Zirkularität der akademischen Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff wird durch diese und vergleichbare Bemühungen jedoch nicht überwunden. So verweist Bachmann-Medick (2006: 10, EN 8) in ihrem Überblick über paradigmatische Entwicklungen in den Kulturwissenschaften auf Helduser und Schwietring (2002: 8ff), denenzufolge auch die Kulturwissenschaft(en) sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kultur selbst als ein Bestandteil von Kultur gesehen werden müssen. Wenngleich Bachmann-Medick mit einem Beharren auf diesem Kreisschluss doch wieder einem essentialistischen Kulturverständnis verfällt, bleibt ihre Argumentation doch überzeugend: Auch ein Diskurs über Kultur kann diese nicht transzendieren. Für zusätzliche Intransparenz, innerhalb derer die Kulturwissenschaften eine vermeintliche Emanzipation von der Kultur als ihrem Beobachtungsgegenstand selbst für sich beanspruchen, sorgt die pervasive Verwendung von Metaphern und metaphorischen Bezeichnungen für Kultur in diesem Bereich. Bachmann-Medick (2006: 10) verweist hierzu beispielsweise auf Lawrence Grossberg (1999: 31), der folgende Modelle nennt: »Kultur als Text, Kultur als Kommunikation, Kultur als Differenz, Kultur in Bezug auf den sozio-politischen Raum, Kultur in Bezug auf Institutionen, Kultur als Diskurs und Alltag« (Bachmann-Medick 2006: 10).

Aus einer performativitätstheoretischen Perspektive heraus kann hier ergänzt werden, dass eine Verwendung von Metaphern offenbar als ein vielfach verwendetes Mittel zu einer stabilisierenden und dauerhaft materialisierenden Konstitution von Kultur als einem diskursiven Produkt taugt. Eine diskursanalytische Interpretation dieser

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Praktiken erfordert in diesem Fall ein Erkennen der Metaphorisierungen als Element und Funktion innerhalb des Dispositivs interkultureller Kommunikation.

Was kommt nach dem Paradigma der Kultur? Die Theorie des Dispositivs interkultureller Kommunikation signalisiert klar, dass Dispositive elementar damit befasst sind, ihren Selbsterhalt zu sichern, der letztlich einer (themenfremden) Notstandsbehebung dient, und dass eine (funktional durchaus mögliche) Ablösung eines bestehenden Dispositivs durch ein anderes, bzw. neues angesichts der diskursiven Trägheit vergleichsweise unwahrscheinlich ist. Dennoch werden innerhalb dieses Dispositivs dessen strenge Grenzen sowie die Funktionsweise dieser Grenzen nicht hinreichend reflektiert, und vor diesem Hintergrund wird immer wieder der – aus Forscherneugierde berechtigten – Frage nachgegangen, welches Paradigma mittel- oder langfristig das Kulturparadigma ersetzen, bzw. dieses ablösen könnte. Dass ein solcher Wechsel möglich und sogar sehr wahrscheinlich ist, legen sowohl Theorien zu akademischen Turns (Bachmann-Medick 2006) als auch zu wissenschaftlichen Paradigmen (Kuhn 2001 [1969]) nahe. Mit einem abnehmenden Interesse an Kultur seitens der Wissenschaften wäre damit durchaus zu rechnen: »Gegenwärtig mehren sich die Zeichen, dass der Rekurs auf ›Kultur‹ und die Kulturwissenschaften eine zwar wichtige, jedoch zeitlich begrenzte Stufe in der Begründung der Geisteswissenschaften darstellt.« (Bachmann-Medick 2006: 12, EN 15) mit Bezug auf Wissenschaftsrat (2006).

Eine Beschäftigung mit Kultur erscheint für Bachmann-Medick damit als nicht mehr als eine zeitlich begrenzte Stufe in der Begründung der Geisteswissenschaften. In Form eines kurzen Exkurses sollen im Folgenden mit dem Civilizational Approach sowie mit der Fokussierung auf eine Erforschung von Individuen zwei Tendenzen in der zeitgenössischen kulturanthropologischen Literatur diskutiert werden, die auf besonders systematische und besonders weit fortgeschrittene Weise an einer Ablösung des Paradigmas der Kultur arbeiten.

Bindet Kultur an ein nationalstaatlich begrenztes Denken? Der Civilizational Approach soll im Folgenden exemplarisch als Versuch diskutiert werden, das kulturelle Paradigma langfristig auszuhebeln und zu ersetzen. Bei dem genannten Ansatz handelt es sich jedoch keinesfalls um ein einheitliches Modell. Vielmehr kann von Strömungen gesprochen werden, in deren Rahmen unterschiedliche Ideen und Argumente zur Ersetzung des Kulturparadigmas entwickelt werden. Aus einer Theoriediskussion zu Kernansätzen ethnographischen Forschens entwickelt sich die Frage danach, ob Kultur noch als Rahmen und Erklärungsparadigma für singuläre Problemstellungen, die sich dennoch über große Räume einer globalisierten Welt erstrecken, taugt. Entsprechende Ideen skizziert Tobias Rees (2010) im Rahmen einer Rezension der Monographie Navigators of the Contemporary: Why

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Ethnography Matters des US-amerikanischen Rechtswissenschaftlers David A. Westbrook (2008). Westbrook beginnt seine Überlegungen bei der Frage danach, was Ethnologen eigentlich als Kulturforscher erforschen sollen, nachdem die Kulturwissenschaften bereits vorab den Kulturbegriff sowie den Gedanken an Kultur als einem Phänomen vollständig dekonstruiert haben. Rees entwickelt jedoch aus seiner Rezension der Monographie Westbrooks erst sein Plädoyer für eine ethnographische Abwendung von Paradigmen, wie denen aus Kultur oder Sozialisation. Westbrook kritisiert zunächst die unzeitgemäße Herangehensweise der Anthropologen. Ihmzufolge erschienen ethnographische Arbeiten in Zeiten der Nationalstaaten sinnvoll, in denen fremde Länder und Kulturen bereist und als statisch angenommen und beschrieben werden konnten. Zugleich haben Westbrook zufolge Anthropologen in nationalstaatlichen sowie in durch und durch rational orientierten Gesellschaftsgefügen einen wesentlichen realitätsdeutenden Platz und damit eine entsprechende Relevanz erfahren. In gegenwärtigen Zeiten der Globalisierung haben sich Westbrook zufolge jedoch diese beiden Grundvoraussetzungen geändert: Die Untersuchungsgegenstände und Kulturen, die die Anthropologen untersuchen und erforschen sollen, werden als dynamisch, sich permanent wandelnd und hochkomplex wahrgenommen, so dass die Aufgabe der Ethnologen ungleich schwieriger geworden ist. Weil außerdem die Nationalstaaten und nationalstaatliche Politik zugunsten von globalen und unsichtbaren Akteuren und Strömungen an Bedeutung verloren haben, ist auch das gesellschaftliche Interesse an ethnographisch fundierten und rational begründeten Erklärungen geschwunden. Rees nimmt dies als Angriffspunkt, um sich gegen die pauschalisierende und laienhafte Perspektive des Rechtswissenschaftlers Westbrook auf die Anthropologie abzusetzen. Die Anthropologie habe die eigenen Forschungsgegenstände und die eigenen Methoden immer schon, spätestens aber seit Malinowski, kritisch gesehen und Kulturen als etwas dynamisches begriffen. Nicht zuletzt das stete Bemühen um eine emische Sichtweise nimmt Rees als Beweis für die Reflektiertheit der Anthropologen. Letztlich geht Rees in seiner Argumentation jedoch sogar noch einen Schritt weiter als Westbrook: Letzterer verfalle demnach auch weiterhin und von Beginn an der Aufgabe, Kulturen und Sozialisationen zu beschreiben. Gerade diese großen und übergeordneten Paradigmen sind es Rees zufolge jedoch, die bei einer Betrachtung einer globalisierten und komplexen Welt den Blick verengen. Viele Phänomene seien von wesentlicher weltweiter Bedeutung, ließen sich aber keineswegs mehr unter dem Paradigma einer Kulturforschung angemessen erfassen. Rees erläutert dies am Beispiel einer ethnographischen Erforschung des Phänomens der Vogelgrippe, die sich als Gegenstand unter kein einzelnes Paradigma mehr fassen ließe. Rees ebnet mit dieser Argumentation ein Stück weit den Weg von einer Kulturforschung hin zu einer gegenstandsbezogenen Sichtweise. Ob jedoch zugleich das Dispositiv interkultureller Kommunikation auf diese Weise ausgehebelt werden kann, bleibt fraglich. Rees appelliert an ein rationales wissenschaftsmethodisches Verständnis, dem er zu einer Abwendung vom Kulturbegriff rät. Sicherlich wird das Kulturparadigma auf diese Weise ein Stück weit entthront, zugleich bleibt es jedoch als gesellschaftlich relevanter Diskursgegenstand erhalten. Einmal mehr zeigt sich an diesem Beispiel, wie das Dispositiv interkultureller Kommunikation durch massive Emanzipationsbestrebungen gegenüber diesem Dispositiv sogar noch bestärkt werden kann.

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Kultur darwinistisch denken Während Rees schlicht ein Abwenden von großen Paradigmen vorschlägt, geht Goody (2010) einen anderen Weg, indem sie alternative Paradigmen vorschlägt, die bislang meist als Bestandteil und als eine Art Untergruppe kultureller Manifestationen gesehen worden sind. Goody macht sich für den Begriff der Emergenz stark und rückt eine Erklärung für das Zustandekommen von Kultur in eine darwinistische Ecke, nach der kulturelle Spezifika qua Sprache und Kommunikation tradiert würden. Im Sinne eines solchen Kulturtransmissionsmodells (hierzu auch Mchitarjan/ Reisenzein 2010) müssten demnach hier Aspekte und Prozesse untersucht werden, die eine Emergenz einzelner Kulturen oder kultureller Kontinuitäten bewirkten. Goody veranschaulicht dies am Beispiel dyadischer konversationeller Dialoge, nach denen Gesprächsroutinen, wie beispielsweise Begrüßungsrituale, durch eine permanente Wiederholung tradiert würden, wodurch Kontinuität geschaffen werde. Auch dieser Ansatz transzendiert nicht das Dispositiv interkultureller Kommunikation. Stattdessen rückt er eine Deutung dieses Dispositivs in ein anderes Licht: Der darwinistische Aspekt nimmt Individuen zunächst aus der Verantwortung, fordert jedoch in einem zweiten Schritt ein umso verantwortungsbewussteres Umgehen mit den einmal aufgedeckten Mechanismen.

Der Civilizational Approach Vertreter des so genannten Civilizational Approach betrachten die Entstehung und den Wandel von Kultur ebenfalls aus einer evolutionistischen Perspektive. Einen vergleichsweise aktuellen Einblick in die darin enthaltenen Arbeitsfelder gibt eine Themenausgabe des European Journal of Social Theory im Jahre 2010, das einleitend von Johann P. Arnason vorgestellt wird (Arnason 2010b). Er skizziert das Arbeitsfeld der Civilizational Analysis als einen Schnittbereich zwischen mehreren Disziplinen, wie beispielsweise den Geschichtswissenschaften und der Soziologie. Grundlegend inhärent ist dem Ansatz demnach eine diachrone Perspektive, für die zum Einen die Betrachtung von Epochen interessant ist, in denen mutmaßlich entscheidende kulturelle Wandlungsprozesse stattgefunden haben. Exemplarisch verweist Arnason hier beispielsweise auf die Achsenzeit. Zum Anderen erscheinen Epochen von Interesse, die von den traditionellen Geschichtswissenschaften bislang nur vergleichsweise wenig beleuchtet oder aber als wenig interessant für einen Kulturbildungsprozess angesehen werden. Hier verweist Arnason exemplarisch auf das frühe Mittelalter in Europa. Grundlegend für den Ansatz ist die Annahme, dass Kulturen sich immer weiterentwickeln und dass es sich um eine Entwicklung einzelner, permanent weitergeführter Stränge oder Pfade handelt.1 Ereignisse und Veränderungsprozesse unterschiedlicher Epochen eines kulturellen Stranges stehen aus dieser Sicht

1

Kritisch diskutiert wird die Pfadabhängigkeit an gleicher Stelle in dem Beitrag von Knöbl (2010). Smith (2010) diskutiert die – ähnlich wie im kulturellen Paradigma auch – zu lösende Herausforderung einer Integration von anzunehmenden, permanenten Austauschprozessen zwischen Zivilisationen.

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unweigerlich miteinander in Verbindung, und aus Sicht des Ansatzes wird erst durch diese zeitliche Verwandtschaft Kultur gebildet. Wie Richard Swedberg (2010) im weiteren Verlauf schreibt, wird der Begriff der Zivilisationen anstelle eines Kulturverständnisses insbesondere auch in der ökonomie-interessierten Soziologie verwendet, wie Max Weber und Marcel Mauss sie betrieben haben. In diesem Fall ist der Zivilisationenbegriff mit einem spezifischen Rationalitätsverständnis verknüpft, auf dessen Grundlage ökonomisches Handeln erfolgt – und eventuell auch eine europäische Sonderstellung aus letztlich ethnozentrischer Sicht begründet wird. Letztlich befindet sich jedoch auch der Civilizational Approach zumindest teilweise in einer Phase der schrittweisen kulturellen Relativierung. So führt beispielsweise Hamilton (2010) in der gleichen Publikation einen Vergleich des für Webers Theorien zentralen Begriffs der Institutionen in Europa gegenüber China durch. Auch Arnason (2010a) nimmt Stellung zu dem in den Sozialwissenschaften weiterhin prädominanten kulturellen Paradigma, das sich nicht zuletzt im Cultural Turn niederschlägt. Arnason akzeptiert dieses Paradigma, relativiert es jedoch gleichzeitig, indem er dem Civilizational Approach eine übergeordnete Stellung zuweist. Neben dem kulturellen Paradigma, dem sicherlich Einflüsse in jedwedem Gesellschaftsbereich zugestanden werden müssten, sei dennoch auch zu berücksichtigen, dass globale und komplexe Phänomene, die als Forschungsgegenstände von Interesse sind, immer multikausale Verortungen aufweisen und in keinem Fall vor dem Hintergrund eines einzelnen Paradigmas vollständig erklärt werden könnten. Bezogen auf das in der vorliegenden Studie untersuchte Dispositiv interkultureller Kommunikation käme dieser Argumentation von Arnason sogar noch eine stabilisierende und verstärkende Wirkung für das Dispositiv zu: Betont wird hier noch einmal die Omnipräsenz des Diskursgegenstands in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wie solche überkulturellen Phänomene aus Sicht der Civilizational Analysis aussehen können, veranschaulicht Salvatore (2010) in seinem Beitrag am Beispiel einer kulturübergreifenden islamischen Ökumene, deren Zustandekommen er neben kulturellen Verortungen insbesondere Machtstrukturen als zusätzlichem Faktor zuschreibt. Wenngleich es sich bei dem Civilizational Approach gegenwärtig für die europäischen Kulturwissenschaften um einen eher randständigen Ansatz handelt, sollte an dieser Stelle dennoch seine Positionierung gegenüber einem Dispositiv interkultureller Kommunikation eingeschätzt werden. Dies gelte sowohl für die gegenwärtige Verbreitung des Ansatzes als auch für ein Szenario, in dem der Ansatz fiktiv eine zentrale Rolle für die Gegenstandskonstitution interkultureller Kommunikation in den Wissenschaftsdiskursen einnimmt. Generell kann dabei angenommen werden, dass der Ansatz das Dispositiv interkultureller Kommunikation eher verstärkt als abschwächt. Verglichen mit interpretativen und semiotisch fundierten Kulturverständnissen wird hier von einem expliziten deterministischen Effekt ausgegangen. Während im interpretativen Paradigma eine vermeintliche Deterministik des Kulturbegriffs nur verdeckt suggeriert wird, trägt sie der Civilizational Approach offen zur Schau. Entsprechend geringer fällt die Möglichkeit aus, den Ansatz in seiner Gültigkeit zu hinterfragen, als Dispositiv können auch weiterhin strategisch anderweitige Ziele verfolgt und Notstände behoben werden.

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Der Fokus auf Individuen und die Gattung Mensch Ein weiteres Plädoyer für eine Emanzipation gegenüber pauschalisierenden Paradigmen wie dem Kulturbegriff findet sich in Bereichen einer universalistisch verstandenen Anthropologie, die auch von Bereichen der deutschsprachigen Wissenssoziologie rezipiert wird. In Leyton und Erchingers Sammelband zur Debatte um Operationalisierungen von Differenz in den Kulturwissenschaften (Leyton/Erchinger 2010) eruiert Erchinger (2010) in einem eigenen Beitrag das Potential einer rein individuenzentrierten Forscherperspektive. Wie frühere Kritiker in ähnlicher Weise auch hält Erchinger die Anwendung von Kulturverständnissen für zu kategorisierend, um auf dieser Grundlage zu Einblicken in die Wirklichkeit zu gelangen. Als konsequente und radikale Folgerung sieht Erchinger nur die Möglichkeit, sich ausschließlich auf die Betrachtung von Individuen zu konzentrieren, die sich untereinander durch eine hohe Diversität und Vielfalt auszeichnen. Erchinger plädiert daher für eine verstärkte Betrachtung der Kategorien Mensch, Leben und Lebendigkeit, die die Grundlagen für die Schaffung von Vielfalt bildeten und damit einer späteren Kulturalitätsdebatte – wenn überhaupt – quasi vorgelagert sein müsste (Erchinger 2010: 12). Elliott (2007) weist darauf hin, dass diese individuenzentrierte Sichtweise sich in der Praxis auch in der Debatte um die weltweite Gültigkeit der Menschenrechte durchsetzt, da sie sich letztlich als einzige Möglichkeit einer universalistischen Legitimierung der Gültigkeit dieser Rechte darstellt. Verankerungen in kulturellen und kulturalistischen Begründungen könnten demgegenüber nur Ethnozentrismusvorwürfe nach sich ziehen. Aus einer dispositivtheoretischen Sicht auf den Gegenstand interkultureller Kommunikation reichen Selbstverpflichtungen dieser Art jedoch nicht aus, um das Dispositiv vermeintlich zu transzendieren.

E INE

KRITISCHE W ÜRDIGUNG SOZIALWISSENSCHAFTLICHER

M ETHODEN

Nach diesem Exkurs über die performative Konstruktion von Kulturverständnissen und insbesondere einer Einbettung dieser Kulturverständnisse in alternative, bzw. emanzipatorische Konzepte gegenüber Kultur soll im Folgenden an einer methodischen Fassbarmachung empirischer Manifestationen solcher performativ erzeugter Kulturverständnisse gearbeitet werden. Die Verknüpfung individueller Konstruktionen von Kultur mit dem tatsächlichen Handeln kann mit Methoden der empirischen Sozialforschung sicherlich immer nur näherungsweise geleistet werden.2 Auswertun-

2

»Was in den Köpfen der Akteure vorgeht, können letztendlich nur diese selbst wissen und auch dies nur bis zu einem gewissen Grad. Die Fragestellung, ob zuerst die Bilder und als Folge davon das Kommunizieren über diese vorhanden waren oder es sich genau anders herum verhielt, ist eine von Aristoteles bis Luhmann vieldiskutierte Frage, die ich in der vorliegenden Arbeit nicht weiter erörtern möchte. Ich halte mich in meiner Interpretation einerseits an die sich sprachlich manifestierenden Bilder, die in den Interviews zum Ausdruck gebracht werden, und andererseits an die ausgeformten Handlungspraktiken die auf

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gen von Verfahren zur Generierung und zur Analyse empirischer Daten liegen in der Literatur bereits mehrfach vor,3 an dieser Stelle sollen vorliegende Verfahren jedoch systematisch auf ihren Ertrag im Hinblick auf die hier formulierten Forschungsziele diskutiert werden. Auch hierzu liegen bereits erste Annäherungen in der Literatur vor. So schließt beispielsweise Altmayer (2002: 8) jede Form einer etischen Betrachtungsweise aus, wenngleich diese aus seiner Sicht in der empirischen Sozialforschung auch weiterhin vorherrschend ist. Stattdessen empfiehlt Altmayer interpretative Verfahren aus den Kulturwissenschaften. Altmayer betont dabei, dass eine vermeintlich objektive Ausgangsperspektive seitens eines Beobachters schlicht ein Trugschluss und damit eine fehlende Basis für eine erfassende Forschung sein muss. Nur interpretativ könne stattdessen zumindest eine Annäherung an den Gegenstand erprobt werden (Altmayer 2002: 8).4 In interpretativ informierten Kreisen dürfte diese Einsicht eine Selbstverständlichkeit sein, doch genau diese interpretative und zugleich interpretierende Perspektive führt zu einem Bild des Forschungsgegenstands, das im Hinblick auf Manifestationen von Kultur bestenfalls als eine Beobachtung zweiter Ordnung angesehen werden kann. Unterstellt man der Thematik und dem Gegenstand interkultureller Kommunikation einen Dispositivcharakter, dann bestünde die Aufgabe einer Dispositivanalyse darin, diesen Dispositivcharakter zu hintergehen. Letzteres ist jedoch bereits bei einem Forschungsgegenstand, der aus einer durch das Dispositiv beeinflussten Perspektive zweiter Ordnung gesehen werden muss, schlicht nicht mehr möglich. Mit anderen Worten: Was Altmayer zwar möglichweise als einen Umweg, demgegenüber jedoch gleichzeitig als den einzig verfügbaren Zugang überhaupt darstellt, ist im Sinne einer Dispositivanalyse gar kein Zugang mehr. Ziel einer Suche nach methodischen Vorgehensweisen für eine Dispositivanalyse muss daher eine weitestmögliche Umgehung interpretativer Forschungsschritte sein. Problematisch bei einer interpretativ angeleiteten Analyse von Kulturverständnissen anderer Individuen ist insbesondere die Tatsache, dass der Interpretierende in die

3 4

die ihnen zugrunde liegenden Bilder und Ideale schließen lassen« (Schondelmayer 2008: 14). Vgl. exemplarisch Kasper (2000) für eine Evaluierung von Verfahren, die in der sprachwissenschaftlichen Pragmatik gebräuchlich sind. »Als ›kollektive Standardisierung‹ bzw. als Identifikationsangebot, das mir aus meiner Zugehörigkeit zu verschiedenen Kollektiven zur Verfügung steht, ist sie prinzipiell nicht aus einer distanzierten und vermeintlich ›objektiven‹ Perspektive eines empirischen Beobachters, sondern allein aus der Perspektive eines verstehenden Nachvollzugs der von den beteiligten Subjekten selbst vorgenommenen Sinnzuschreibungen und Identitätskonstruktionen aus zugänglich. Damit aber sind nicht die empirischen Sozialwissenschaften, sondern die verschiedenen Ansätze eines interpretativen Paradigmas, von der Verstehenden Soziologie eines Max Weber oder Alfred Schütz über die hermeneutische Ethnologie eines Clifford Geertz bis zur Hermeneutik Gadamers und der Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas die wissenschaftlichen Traditionen, auf die die kulturtheoretische Debatte auch im Fach Deutsch als Fremdsprache Bezug nehmen kann und muss« (Altmayer 2002: 8).

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Rolle dessen schlüpft, der Kultur implizit bereits vor der Analyse definiert und nur Manifestationen dieses Verständnisses wahrnehmen kann. Altmayer erkennt in seiner Argumentation demnach zwar die Problematik, er bietet jedoch keine wirkliche Umgehung dieser Problematik an. Letztlich muss bei einer dispositivtheoretischen Analyse vollständig hinter a priori vorliegende Annahmen eines Kulturbegriffs zurückgetreten werden. Unter Rückgriff auf Ansätze von Hansen (2000b) schlägt Altmayer eine Umgehung der Problematik des vorgegebenen Kulturbegriffs in Form eines Ausweichens auf die Kategorie der Kollektivitäten als einem alternativen und eventuell zutreffenderen Paradigma vor, das als kleinster gemeinsamer Nenner weniger vorwegnimmt. Angesichts dieses Ausweichmanövers bleibt letztlich die Frage offen, wonach dann überhaupt noch gesucht werden soll. Anstelle eines Ausweichens sei an dieser Stelle Altmayer gegenüber ein Grundverständnis von Kultur als einem Diskursgegenstand vorgeschlagen, wie er bereits in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt worden ist. Dieses Verständnis verortet Kultur zunächst nur auf einer MakroEbene, die Verwendung und Umsetzung von Kulturverständnissen auf der MikroEbene bleibt demgegenüber Gegenstand der Analyse. Im Folgenden sollen einige analytische und interpretative Verfahren, die in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation Anwendung finden, darauf hin untersucht werden, wie unmittelbar der Zugang ist, den sie dem Forscher zu einer Sicht auf die Verwendung von Kulturverständnissen eröffnen. Gleichzeitig soll auf diese Weise eine Systematik, die sich am Kriterium der Verortung und der Zugänglichkeit von Kultur orientiert, geschaffen werden. Zu diesem Ziel erscheint insbesondere angesichts der häufig anwendungsorientierten Forschung zur interkulturellen Kommunikation wiederholt der Vollzug einer Trennung zwischen normativen Bewertungen von Fragestellungen und Forschungsergebnissen gegenüber der reinen Datenerhebung und -isolierung erforderlich, der auf diese Weise in der vorliegenden Literatur vielfach nicht explizit genug zum Ausdruck kommt. Geschuldet ist diese auch in der Forschung dem Dispositiv zuarbeitende Normorientierung dem weit verbreiteten Problemverständnis interkultureller Kommunikation. So wird die Disziplin als Forschungsfeld häufig erst durch die Annahme legitimiert, dass als interkulturell gedeutete Kontaktsituationen aufgrund dieser Interkulturalität als außergewöhnlich problematisch wahrgenommen werden: Befürchtet werden meist Vorfälle von Fehl- oder Missverstehen auf die mit Irritationen, negativen Persönlichkeitszuschreibungen und Konflikteskalationen reagiert wird (Knapp 1998). In Diskursen zur interkulturellen Kommunikation ist dabei deutlich die Tendenz erkennbar, mit interkulturellem Kontakt Aspekte oder Besonderheiten zu assoziieren, die größtenteils negativ und nur sehr selten positiv bewertet werden. Im Idealfall trennen Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation zumindest jedoch zwischen Beschreibung und anschließender Bewertung: Auf empirische Beobachtungen und Beschreibungen unterschiedlichster theoretischer und methodischer Ausrichtung folgt häufig ein Abgleich dieses Ist-Zustands mit einem imaginären Soll-Zustand, der meist aus Formulierungen interkultureller Kompetenz als Fähigkeit zur optimalen interkulturellen Kommunikation hergeleitet wird. In den vorangegangenen Abschnitten wurden Überlegungen zu einer theoretischen Verortung interkultureller Kommunikation als thematischem Gegenstand sozialer Diskurse vorgenommen. Auf dieser Grundlage wird unterstellt, dass Individuen und Gruppen eigene und situativ veränderbare Vorstellungen davon haben, was unter

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Kultur zu verstehen ist und welchen Einfluss Kultur auf zwischenmenschliche Interaktionen nimmt, bzw. ihr zugestanden wird. Diese Vorstellungen werden im Rahmen sozialer Diskurse konstruiert und zugleich von den Individuen verinnerlicht. Der performative Charakter dieser Diskurse, d.h. die permanente Reproduktion des konstruierten Gegenstands interkultureller Kommunikation wird durch das Handeln von Individuen geleistet. Eine Beschreibung dieses Kulturbegriffs der Individuen, diskursiv konstruiert und situativ angepasst, scheint insofern von Relevanz für die Erforschung interkultureller Kommunikation zu sein, als dass er für Individuen in interkulturellen Kontaktsituationen von unmittelbarer Handlungsrelevanz ist. Individuen gestalten interkulturelle Kontaktsituationen demnach maßgeblich vor dem Hintergrund ihrer eigenen Auffassung von der Beschaffenheit und der Rolle von Kultur. Abbildung 1: Systematik empirischer Forschungsfelder in der interkulturellen Kommunikation (eigene Darstellung des Verfassers).

für den Forscher zugängliches Feld

Forscher

Proband Handeln des Probanden

Die hier besprochene Theorie des performativen Charakters interkultureller Praxis ist jedoch aus diskurstheoretischen Überlegungen hergeleitet worden und ist demnach nicht an eine empirische Methode – etwa aus der qualitativen Sozialforschung oder der Diskursanalyse – geknüpft, mit deren Hilfe die genannten Aspekte im Handeln von Individuen klar sichtbar und nachweisbar gemacht werden könnten. Soll dies im Rahmen von Forschungen zur interkulturellen Kommunikation dennoch geleistet werden, dann muss zunächst nach einer methodischen Vorgehensweise gesucht werden, die plausible Hinweise auf Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Diskursen, individuellen Kulturbegriffen und Handeln in interkulturellen Kontaktsituationen ermöglicht. Dies soll in den folgenden Abschnitten exploratorisch versucht

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werden: Zunächst wird eine einfache Systematik empirischer Beobachtungsmethoden erstellt. Anschließend wird versucht, anhand exemplarischer Studien aus allen Kategorien der Systematik Vor- und Nachteile der jeweiligen Ansätze im Hinblick auf die Forschungsfrage aufzuzeigen, um auf diese Weise zumindest eine Annäherung an optimierte methodische Vorgehensweisen zu leisten. Die folgende Skizze soll Aspekte häufig verwendeter Forschungskontexte in der interkulturellen Kommunikation veranschaulichen: Ausgegangen wird hier von einer Forschungskonstellation, in der typischerweise einer oder mehrere Forscher einen oder mehrere Probanden beobachten und untersuchen möchten. Hierzu ist es erforderlich, dass zumindest angenommen und auf irgendeine Weise begründet wird, dass und in welcher Form sich Forscher und Proband innerhalb eines Feldes befinden und bewegen, das dem Forscher zumindest zugänglich ist. Nicht sicherstellen kann der Forscher demgegenüber eine vollständige Zugänglichkeit zu dem Handeln des Probanden, denn dieser handelt auch in Kontexten, Situationen und Zeitabschnitten, die er nicht mit dem Forscher teilt. Diese Bereiche des Handelns sind demnach nur in Form kommunizierter Berichte seitens des Probanden oder dritter Personen zugänglich. Der interkulturelle Forscher/die interkulturelle Forscherin können die von ihnen ausgewählten Probanden in der Regel entweder selbst bei der Interaktion beobachten oder sie persönlich befragen. Unmittelbar zugänglich sind ihm demnach die Selbstaussagen der Probanden sowie deren soziales Handeln unter der Beobachtung des Forschers. Doch auch außerhalb des Forschungskontextes interagieren die Probanden, und diese Interaktionen – seien sie auch noch so forschungsrelevant – entziehen sich der Erfassung durch den Forscher/die Forscherin. Um dennoch Einblicke in den Zusammenhang zwischen individuellem Kulturbegriff und performativem Handeln in interkulturellen Kontaktsituationen ermöglichen zu können, seien im Folgenden einige empirische Varianten vorgestellt und diskutiert.

Der Forscher beobachtet den Probanden beim Handeln und interpretiert, welche Rolle Kultur darin spielt Diese Konstellation mag als Ausgangslage für die an dieser Stelle angedachten Explorationen dienen, auf ihr basiert ein Großteil der bisherigen verstehensinteressierten interpretativen Forschung. Selbst konstruktivistisch informierte Ansätze, die die interpretativ-hermeneutische Verstehensproblematik thematisieren und nach diskurstheoretisch begründeten Auswegen suchen, basieren auf diesem Schema zur Suche nach Kultur (Straub/Shimada 1999; Srubar/Renn/Wenzel 2005; Cappai/Shimada/ Straub 2010). Auch in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation scheint diese Vorgehensweise von allen an dieser Stelle genannten Methoden am häufigsten verwendet zu werden. Insbesondere interaktionstheoretisch orientierte Ansätze, wie beispielsweise Arbeiten aus der Ethnographie der Kommunikation (Gumperz 1978; Hymes 1979) und der interaktionalen Soziolinguistik (Hinnenkamp 1989), haben eigene Modelle entwickelt, die Manifestationen von Kultur in zwischenmenschlichen Interaktionen konkret benennen und diese auch theoretisch einordnen, so dass sich schlüssige Modelle zur Beschreibung interkultureller Kommunikation ergeben.

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Als Beispiel für eine solche Vorgehensweise kann an dieser Stelle ein Ausschnitt aus einer eigenen Studie des Verfassers dienen, die dieser zur Face-to-faceInteraktion unter deutschen und polnischen Studierenden im Hochschulkontext durchgeführt hat (Busch 2003a). In Form eines Versuchsaufbaus im universitären Kontext wurden jeweils zwei deutsche und zwei polnische Studierende eingeladen, an einem 90-minütigen Essen teilzunehmen, während dem ihre Interaktion am Tisch von einer sichtbar aufgestellten Videokamera aufgezeichnet wurde. Vorab erhielten die Studierenden die Information, dass das aufgezeichnete Material einer Studie zur interkulturellen Kommunikation dienen sollte. Diese Versuchsanordnung wurde mehrmals mit jeweils wechselnden Probanden durchgeführt. Dabei wurden die Probanden nach dem Schneeballprinzip ausgewählt: Jeweils ein Proband wurde gebeten, eine Gruppe aus zwei polnischen und zwei deutschen Studierenden aus seinem/ihrem Bekanntenkreis zusammenzustellen. Das aus dieser Studie gewonnene Material wurde im Anschluss ausschnittsweise transkribiert und ausgewertet. Aus diesem Kontext ist die folgende Interaktion entnommen, in der die beiden polnischen Teilnehmer einer deutsch-polnischen Vierergruppe, Gosia und Jarek einen kurzen Dialog untereinander führen: Exzerpt 2: Transkribiertes sprachliches Missverständnis (Busch 2003a: A 23) 0:43:35 Gosia: Jarek:

hm, (zu Jarek) und woher kommst du? Polen. Polen, Polen. Meinst du jetzt Polen oder hier.

0:43:40 Gosia: Jarek:

Koszalin.

ah, so

ja, klar. tsss, haha Kennst du das?

In dieser Gesprächssequenz verhandeln die beiden polnischen Studierenden Gosia und Jarek ihre Herkunft untereinander. Auf Gosias Frage und woher kommst du? stellt Jarek die Rückfrage, ob Gosia sich nach dem Ort, an dem Jarek aufgewachsen ist, oder nach seinem Wohnort während des Studiums an der örtlichen Universität erkundigt. Gosias Antwort in Form einer dreimaligen Wiederholung Polen, Polen, Polen kann als Indiz dafür gewertet werden, dass diese Rückfrage aus Gosias Sicht eigentlich überflüssig ist: Als Herkunftsort kommt für sie nur der Ort des Aufwachsens in Polen in Betracht. Als Jarek ihr anschließend seinen Heimatort Koszalin nennt und rückfragt, ob Gosia diesen Ort kennt, scheint diese wiederholt überrascht darüber zu sein, dass ihre und Jareks Perspektiven und Einstellungen im Hinblick auf den Gesprächsgegenstand nicht übereinzustimmen scheinen. Ihre Antwort ja, klar, tsss, haha deutet darauf hin, dass es aus ihrer Sicht selbstverständlich ist (als Polin?) den Ort Koszalin zu kennen, und dass Jarek auch erwarten können sollte, dass sie den Ort kennt. Kulturelle Zugehörigkeit, so kann hier gedeutet werden, wird in diesem Beispiel anhand von partikularem Wissen verhandelt: Gosia scheint Jarek eingangs ihrer eigenen kulturellen Gruppe zuzurechnen – und erwartet offenbar, dass Jarek dies auch tut. Erst (und bereits) indem Gosia Jarek nach seiner Herkunft fragt, aktiviert sie den Herkunftsort und das Wissen über die Lage und die Existenz dieser Orte zum Krite-

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rium für kulturelle Zugehörigkeit. Jarek stellt mit seinen Rückfragen die Gültigkeit dieses Kriteriums in Frage, das Gosia in ihrer Reaktion durch den Ausdruck ihres Erstaunens verteidigt. Bewertet man diese Methodik vor dem Hintergrund der Fragestellungen des vorliegenden Beitrags, so lässt sich positiv bemerken, dass die erhobenen Daten, beispielsweise im Vergleich etwa zu Interviews oder Befragungen, einen relativ weitreichenden Einblick in tatsächliche Handlungen der Probanden ermöglichen – wenngleich selbstverständlich auch hier nicht sichergestellt werden kann, ob der Proband außerhalb der Beobachtung nicht doch anders handelt. Dennoch kann gegenüber direkten Befragungen von einem für empirische Forschungen vergleichsweise hohen Grad an Authentizität ausgegangen werden. Bei der hier skizzierten Vorgehensweise wird jedoch der Kulturbegriff, der der Interpretation zugrunde gelegt werden soll, vom Forscher selbst geliefert, da er bereits in der hinzugezogenen Theorie festgelegt ist. Aufschlüsse über subjektive Entwürfe von Kultur, nach denen an dieser Stelle gesucht werden soll, scheinen dagegen bei der Anwendung dieser Methoden kaum erwartbar zu sein. Dass also beispielsweise für die Probandin Gosia Kulturalität sich maßgeblich in Form einer geographischen Herkunft und der eigenen Identifikation mit dieser Herkunft manifestiert, für Jarek dagegen eventuell eher weniger, kann im Anschluss an ein solches Forschungsdesign höchstens hypothetisch vermutet werden.

Der Forscher lässt einen Probanden von seinem Handeln berichten und interpretiert, welche Rolle Kultur darin spielt Alternativ zu der oben genannten Vorgehensweise werden in jüngerer Zeit zunehmend auch narrative Verfahren der Datenerhebung zur Erforschung von Aspekten interkultureller Kommunikation hinzugezogen (Collins 2009). Fragestellungen aus Bereichen der interkulturellen Kommunikation und der Migrationsforschung werden beispielsweise in zahlreichen Facetten in dem jüngst erschienen Sammelband Mobilität und Mobilisierung (Götz et al. 2010) unter Verwendung narrativer Erhebungsformen behandelt. Im deutschsprachigen Raum verwenden Forscher zur Auslotung dieser Themenbereiche häufig das aus der Biographieforschung entlehnte narrative Interview, dessen methodische Grundlagen beispielsweise Fritz Schütze mehrfach dargelegt hat (Schütze 1978; Schütze 1983; Schütze 1987). Schondelmayer zufolge unterscheidet Schütze in empirischem Interviewmaterial zwischen mehreren Textgattungen, die unterschiedliche interpretative Schlussfolgerungen erlauben: Erzählungen eignen sich dabei im Besonderen für die Identifizierung impliziten Wissens des Probanden. Aus ihnen können die weitreichendsten Rückschlüsse auf die tatsächlichen Handlungspraktiken der Probanden gezogen werden (Schondelmayer 2008: 78). Beschreibungen geben demgegenüber eher Aufschlüsse über die interpersonale Beziehung zwischen dem Berichtenden und dem Zuhörer. Argumentationen und Theorien dagegen bieten Einblicke in das Selbstbild, das der Proband von sich erzeugen möchte. Dass der Proband jedoch auch tatsächlich

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entsprechend handelt, kann in diesen Fällen nicht abgesichert werden und muss unter Umständen sogar stark angezweifelt werden (Schondelmayer 2008: 79).5 So stellt Schondelmayer beispielsweise fest, dass Stereotypen nur unter bestimmten Umständen als handlungsleitende Grundlage herangezogen werden: Hat man einmal ein Fremdbild identifiziert, das ein Proband nachweisbar als Handlungsgrundlage verwendet hat, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass dieses Stereotyp grundsätzlich handlungsleitend ist. Schondelmayer zufolge greifen Probanden eher insbesondere nur dann auf Stereotypisierungen zurück, wenn sie eine Situation oder einen Interaktionspartner als negativ oder bedrohlich wahrnehmen.6 Umgekehrt findet Schondelmayer in ihrem empirischen Material auch Fälle, in denen Probanden den Einfluss von Stereotypisierungen und kulturellen Kollektivierungen auf ihr Handeln explizit bestreiten, an anderer Stelle jedoch ihr tatsächliches Handeln explizierend beschreiben und dabei dennoch kulturalistisch motivierte Diskriminierungen aufdecken.7

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»Das ›tatsächliche‹ Handeln bleibt hinter der sprachlichen Explikation desselben meist verborgen. Wie in Kapitel 3, insbesondere im Unterkapitel 3.2.3 verdeutlicht, eignet sich die Analyse einer Interviewpassage, in welcher der Sprecher sein Handeln in Form von Alltagstheorien über das eigene Handeln darbietet, wenig zur Interpretation des Agierens. Der von Strauss im obigen Zitat beschriebene Wunsch nach Kohärenz und überzeugender Interpretation ist ein wichtiges Motiv menschlichen Argumentierens. Dahinter verbirgt sich letztlich der Wunsch nach der Anerkennung des Zuhörers. Jeder Erzählende kennt das manchmal gezielt geplante, häufig jedoch situativ spontane Auswählen der ›passenden‹ Ereignisse, die man dem Zuhörer anbietet« (Schondelmayer 2008: 167). »Ein Indiz für einen toleranten Menschen wäre demnach nicht die Explikation dieser Eigenschaft, sondern zum Beispiel eine Erzählung eines Erlebnisses, in dem sich der Sprecher tolerant verhalten hat« (Schondelmayer 2008: 200). »Das Stereotyp des überheblichen Deutschen wird also besonders dann als unhinterfragtes Erklärungsmodell relevant, wenn das reale Verhalten eines Kollegen als persönliche Bedrohung wahrgenommen wird« (Schondelmayer 2008: 185). »Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Auftauchen eines bekannten Stereotyps im Interview mit Kubicki mehrere Erklärungen nachvollziehbar werden lässt. Es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem Rückgriff auf Stereotype und der Beziehung, in der die stereotyp beschriebene Person zu einem steht. Je negativer und stereotyper die Beschreibung des Gegenübers ausfällt, desto höher scheint die Bedrohung oder Irritation für die eigene Person zu sein. Andererseits kann die Beschreibung des Anderen auch als Verdeutlichung eigener Wünsche, Sehnsüchte oder Defizite betrachtet werden« (Schondelmayer 2008: 186). »Krauses Argumentation blendet an dieser Stelle die Relevanz kultureller Differenzen oder, konkreter gesagt, das Aufeinandertreffen von Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen Geschichten, Sprachen, unterschiedlicher politischer Vergangenheit und ökonomischer Ungleichheit als für die Arbeit irrelevanten Faktor aus. [...] Diese Reduktion auf die ›rein wirtschaftlichen Aspekte, die es zu beachten gilt,‹ steht jedoch im Widerspruch zu Krauses Erklärungsmodell für Probleme in der Produktion und ›unangenehme Vorfälle‹ in der Firma. Wie in Kapitel 4.1.1 dargestellt, erklärt Krause die Diebstähle in der Firma kulturalistisch, setzt sie in Zusammenhang mit ›polnischen Untugenden‹,

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Auch auf der Ebene des Handelns können Individuen entsprechend sowohl stereotypengeleitet als auch situativ reflektiert agieren: »Eine weitere Schlussfolgerung aus dieser Analyse ist, dass eine Person in sich häufig stereotype Zuschreibungen als auch kulturelle Offenheit und vorurteilskritisches Denken verbindet. [...] Es kann also von einem additiven und weniger einem exklusiven Denken ausgegangen werden« (Schondelmayer 2008: 258).

Unter Umständen kann diese Diskrepanz zwischen eigener Explikation und tatsächlichem Handeln auch eine systematische Handlungsstrategie des Erzählers aufdecken.8 Problematisch erscheint dabei jedoch, dass bei dieser Herangehensweise die Forscherin selbst das tatsächliche Handeln mit den vom Probanden an anderer Stelle formulierten Normen abgleichen muss. An ihr liegt es zu beurteilen, ob das berichtete Handeln sich mit den Normen in Einklang bringen lässt, bzw. bestenfalls deckt, oder nicht: »Diese Aussagen zeigen, dass ein kognitives Bewusstsein über etwas, eine Theorie über das eigene Handeln (ich sehe den Menschen als Partner) nicht per se mit dem Handeln verbunden sein muss. In Interviewpassagen zur Theorie über das eigene Selbst wurde sehr deutlich, dass Schneider sich als Partner sieht, bzw. sehen will, andererseits in seinem Handeln selten in eine empathische Kommunikation tritt und kaum bereit ist auch vom Gegenüber zu lernen, aufmerksam zuzuhören und von seinen normativen Vorstellungen von richtig und falsch Abstand zu nehmen. Er nimmt eine überlegene Position ein, die eines Lehrers, des kultivierten Weltbürgers, des großen Bruders. Polen soll sich seinen Vorstellungen entsprechend entwickeln und wird nach seinen Maßstäben beurteilt« (Schondelmayer 2008: 206).

Den Aussagen des Probanden werden – gemäß der gewählten methodischen Vorgehensweise – Interpretationen des Verhaltens des Probanden gegenübergestellt, die die Forscherin aufgrund ihres eigenen Weltwissens produziert und beisteuert. Angesichts der festgestellten Divergenz zwischen Selbsteinschätzung des eigenen Handelns und tatsächlichem Handeln spricht Schondelmayer von einer »paradoxen Parallelität« (Schondelmayer 2008: 243).9 Diese führt die Autorin auf einen ethno-

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die Schuld an den ›widrigen Bedingungen‹ seien, mit denen die Firma zu kämpfen habe« (Schondelmayer 2008: 190). »Einerseits wird Kultur also als relevanter Faktor in der Wirtschaft negiert, andererseits wird mit ihm argumentiert« (Schondelmayer 2008: 191). »Dieses Paradoxon, das sich hier herauskristallisiert, der Anspruch und das Selbstverständnis, ehrlich zu sein, ›niemanden zu verschaukeln,‹ einerseits und andererseits die Annahme, er wisse besser als andere, wie man ›richtig kommuniziert‹ und seine daraus resultierende Verhandlungsstrategie, die Lösung eines Problems dem Gegenüber ›sozusagen in den Mund‹ zu legen, ist einer der zentralen Punkte, die Kubicki an Schneider als Beweis der Unehrlichkeit, der künstlichen Freundlichkeit und in der Konsequenz als die Erschwerung einer ›echten Kommunikation‹ beschreibt« (Schondelmayer 2008: 203). »Betrachtet man die deutsch-polnischen Beziehungen, so ergibt sich eine paradoxe Parallelität von reflektiertem stereotypenfreiem Sprechen und unreflektierten, inkorporierten

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zentrischen Blick zurück, zu dem die Mitglieder einer Gesellschaft mehr oder minder sozialisiert werden und der nicht ohne weiteres transzendiert werden könne. Die Forscherin selbst sieht sich demgegenüber offenbar dennoch in der Lage: »Schneider ist in seiner Haltung weder eine Ausnahme noch das Beispiel für interkulturelle Inkompetenz par excellence. Er ist vielmehr ein sehr anschauliches Beispiel für den ethnozentrischen Blick, der bis zu einem gewissen Grad jedem Menschen eigen ist und dessen Bewusstwerdung immer wieder aufs Neue ein schwieriger und selbstkritischer Prozess ist. Bei aller nötigen Skepsis und kritischer Betrachtung darf hinsichtlich der Diskussion um Ethnozentrismus eben nicht der Punkt aus dem Blick geraten, dass es sich bei einer ethnozentrischen Perspektive auf die Anderen nicht ausschließlich um eine gezielt verfolgte Strategie der Machtsicherung handelt, sondern der Mensch im Freud’schen Sinne auch gefangen ist im eigenen Körper und im eigenen Geist [...]. Schneider bewegt sich wie Bourdieus Franzose im Zusammentreffen mit dem Algerier in einem Raum, in dem die deutsche (wirtschaftliche) Übermacht als völlig normal gilt und de facto in Zahlen ausgedrückt auch realen Bestand hat. So betrachtet bildet Schneider mit seiner Perspektive ein Herrschaftsverhältnis ab, das symptomatisch für die deutsch-polnische Interaktion ist« (Schondelmayer 2008: 206f).

Auch die Interaktionspartner, mit denen die befragten Probanden in Kontakt stehen, nehmen das Verhalten der Probanden anders wahr als sie selbst. Diese Perspektivendivergenz führe Schondelmayer zufolge häufig zu Konflikten in den jeweiligen Handlungskontexten (Schondelmayer 2008: 243). Daraus folgernd identifiziert Schondelmayer Handlungsformen, die als interkulturell kompetent bezeichnet werden könnten, indem sie diese ethnozentrische Perspektivierung überwinden. Schondelmayer versteht darunter Momente, in denen die Probanden eine Perspektivenübernahme vollziehen (Schondelmayer 2008: 213). Sinnvoll wird ein solches Herangehen an die Erforschung des Einflusses von Kultur dann, wenn etische Ansätze eines Definierens und Beschreibens von Kultur aus einer Außenperspektive nicht mehr haltbar erscheinen, da auch die Beobachterperspektive als grundsätzlich kulturell verankert und perspektivisch gedacht werden muss. Diese Perspektivität kultureller Zuschreibung lässt nur noch Forschungsarbeiten zu, die Kulturalität als Produkt von Selbst- und Fremdrepräsentationen verstehen. Vor diesem Hintergrund gelten Narrationen als zentraler Ort von Konstruktionen solcher Selbst- und Fremdrepräsentationen. Von unschätzbarem Vorteil für den For-

Herrschaftsasymmetrien, die einige stereotypen Bilder wieder als scheinbar objektive Tatsachenbeschreibung zurückbringen. Bei allen Interviewpartnern konnte gezeigt werden, dass sie sich mancher Stereotype deutlich bewusst sind, sich von diesen distanzieren (möchten) und dennoch in anderen Textsequenzen unter Rückgriff auf ähnlich klingende Attribute oder gar identische Pauschalurteile – eben noch als diese verurteilt – über ihr Gegenüber sprechen. Da es also offensichtlich erstens kaum möglich ist, stereotypenfrei zu sprechen, und zweitens der Rückgriff auf diese pauschalisierten Bilder nicht per se ein ebensolches Handeln nach sich ziehen muss, wäre in der Interaktion nicht ein stereotypenfreies Sprechen entscheidend, sondern die Reflektion der Beziehung, in der man zueinander steht, die in höchstem Maße eine Reflektion der eigenen Vorstellungen, Werte und Perspektiven beinhaltet« (Schondelmayer 2008: 256).

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scher ist sicherlich zusätzlich die zumindest vorhandene empirische Erfassbarkeit der entsprechenden Daten mit Hilfe narrativer Interviews. Exemplarisch für diese Vorgehensweise sei an dieser Stelle ein Ausschnitt aus einem narrativen Interview angeführt, das der Ethnologe Ulrich Best im Kontext einer Studie zum Umgang mit Interkulturalität in zivilgesellschaftlichen Austauschprojekten zwischen Deutschland und Polen im Rahmen einer Städtepartnerschaft zwischen Szczecin und Berlin-Kreuzberg durchgeführt hat (Best 2006). Eine polnische Probandin berichtet hier von ihrer Einstellung zum organisierten interkulturellen Austausch innerhalb dieser Projekte: EK: »Es ist so, als ob Sie fragen ›Was haben Sie davon, dass die Sonne am Himmel steht?‹ Das ist dasselbe. Entschuldigung für diesen Vergleich, so ist es einfach. Ich meine, ich kann die Frage nicht beantworten, was habe ich als Bürgerin Stettins von Kontakten mit BerlinKreuzberg, aber es könnte alles sein, es könnte ein freundliches Wort mit jemandem sein, der dort lebt. Jemand, den ich noch nie getroffen habe und mit dem ich nie die Chance hatte, mich zu unterhalten. Es ist, wissen Sie, und wenn es nur ein fünfminütiges Gespräch ist, ein kurzer Austausch oder so, es ist ein Lernprozess in beide Richtungen, und man kann das nicht messen. Es ist wichtig, weil man jemanden kennen lernt, man erfährt, wie diese Person denkt, und dann versucht man seine eigene Meinung über die Person zu ändern, über das Land, das Bankensystem, das politische System, was auch immer. Es kommt darauf an, worüber man spricht oder was man dort macht. Ich meine, es ist nicht so, dass ich dorthin gehe zum Einkaufen und dann froh bin über das, was ich gekauft habe. Nein nein, ich meine, in der Vergangenheit, in der Wirtschaftskrise, da haben die Leute vielleicht anders gedacht. Aber heute ist die Perspektive eine völlig andere. Und wenn ich nach Berlin fahre, dann bewundere ich vielleicht die Fassaden oder die Gebäude, und ich sehe mir die Leute an, ich frage mich, was sie machen, wie sie denken, und das zählt für mich. Ich meine, ob sie freundlich sind oder mich anschreien oder schlecht behandeln oder so, ob ich etwas Interessantes in den Zeitungen finden kann, ob ich etwas Neues lernen kann, ob ich etwas Positives zum Beispiel über Polen oder Stettin erfahren, das zählt. Für mich persönlich ist es egal, ob da eine Ausstellung ist oder Austauschprojekte. Das ist mir egal. Ich meine, so lange es mich nicht irgendwie beeinträchtigt, ist das in Ordnung. Und ich glaube, die meisten Leute sehen das ähnlich. [...] Also, mir ist es egal, ob es Austauschprojekte gibt, wirklich. Ich meine, es ist interessant, es ist nett, wenn Musiker aus Stettin nach Berlin-Kreuzberg fahren und dort auftreten, aber es passiert irgendwie neben mir, und ich bin da nicht sehr interessiert dran. Ich meine, selbst wenn wir diese Vereinbarung nicht mit ihnen unterzeichnet hätten, würde das nichts machen, denn wenn es Dinge gäbe, die wir zusammen tun könnten, dann würden wir das wahrscheinlich tun« (Best 2006: 191-192).

Ulrich Best nimmt in seinem Beitrag an, dass der Umgang mit Interkulturalität in westlichen Gesellschaften häufig klaren, diskursiv konstruierten Regeln unterliegt, an die sich die Mitglieder einer Gesellschaft in interkulturellen Kontaktsituationen halten müssen. So verweist Best beispielsweise darauf, dass Grenzüberschreitungen – und damit kultureller Austausch – an der deutsch-polnischen Grenze während einiger Perioden des Kalten Krieges unerwünscht, bzw. unterbunden war. Das Ende des Kalten Krieges und die damit verbundene Öffnung der deutsch-polnischen Grenze seien jedoch nicht als eine Aufhebung dieser Regelgeleitetheit des Umgangs mit Interkulturalität zu verstehen. Stattdessen seien lediglich die Regeln umformuliert worden, denn seit der Öffnung der Grenze seien Grenzüberschreitungen und interkultureller

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Austausch zwischen Deutschen und Polen explizit erwünscht, von einer Mehrheit der bundesdeutschen Gesellschaft werden sie als diskursiv konstruierte Forderung an die Bevölkerung der Grenzregion erwartet. Die Äußerung der Probandin in dem angeführten Beispiel deutet Best als eine erfolgreiche Emanzipation von diesen diskursiven Regeln, die er implizit als beengenden Zwang bewertet: Die Probandin verinnerlicht nicht etwa unkritisch die diskursiv vorgegebenen Regeln zum Sinn und Zweck zivilgesellschaftlich organisierten internationalen Austauschs, sondern verwirft diese explizit. Stattdessen skizziert sie eigene und individuelle Formen des Umgangs mit Interkulturalität. Ähnlich dem im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Ansatz zur empirischen Erfassung von interkultureller Kommunikation kann auch bei der Auswertung von Narrationen von einer vergleichsweise hohen Handlungsrelevanz dessen ausgegangen werden, was die Probanden in den Interviews entwerfen: Wiedergegeben werden häufig Erzählungen, die konstruierte Wirklichkeitsdeutungen der Probanden transportieren. Aufgrund der angenommenen Zentralität dieser Deutungen für das Individuum kann davon ausgegangen werden, dass diese ihr Handeln vor diesem Hintergrund entwerfen. Neben dieser Handlungsrelevanz kann jedoch auch der Grad der Glaubwürdigkeit der getätigten Aussagen angezweifelt werden: Inwiefern offenbaren die Probanden Deutungen ihrer Lebenswelt, die sie tatsächlich verinnerlicht haben, gegenüber Entwürfen, die sie lediglich in der Interviewsituation zwecks Selbstrepräsentation im Sinne einer sozialen Erwünschtheit konstruieren? Doch nicht zuletzt ermöglicht auch diese Herangehensweise kaum Aussagen über die individuellen Konzepte der Individuen davon, was unter Kultur und deren Rolle und Funktion zu verstehe sei. Auch bei der Auswertung von Narrationen im Hinblick auf den Umgang mit Interkulturalität werden meist von Forscherseite bereits vorhandene Kulturkonzepte zugrunde gelegt. So fasst Best Kultur beispielsweise als diskursiv konstruiertes Regelwerk zum Umgang unter Mitgliedern unterschiedlicher Gruppenzuschreibungen auf. Was die Probandin dagegen unter Kultur versteht, lässt sich anhand ihrer Äußerungen nur schwerlich erschließen.

Der Forscher fragt Probanden danach, was sie unter Kultur verstehen Narrative Erhebungsverfahren können darüber hinaus jedoch auch gezielt dazu genutzt werden, Probanden nach ihrem Verständnis von Kultur zu befragen. Wenngleich eine solche Fragestellung aus der Perspektive der vorliegenden Studie wahrscheinlich alles andere als trivial anmuten mag, so kann die prompte Antwortbereitschaft, die bei Probanden häufig angetroffen werden kann, durchaus überraschen. An dieser Stelle sollen nur einige Beispiele referiert werden. Sanna Schondelmayer erhielt in einem ethnographischen Interview mit einer deutschen Führungskraft in einem deutsch-polnischen Unternehmen in Polen beispielsweise die folgende Antwort: »›Also das Strickmuster des polnischen Hirns, das ist ein diametral anderes is äh als eines Deutschen, Franzosen, Engländer oder wer auch immer‹ (Peter Schneider, S13)« (Schondelmayer 2006: 107).

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Sollte die befragte Person tatsächlich auf entsprechende Art und Weise mit ihren polnischen Mitarbeitern umgehen, so dürften diese nur eine geringe Hoffnung darauf hegen können, dass der deutsche Proband Wandel und Lernbereitschaft bei ihnen entdeckt. In einer ähnlich gelagerten Studie im Rahmen des um die Jahrtausendwende von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) unterhaltenen Südosteuropäischen Medienzentrums (SOEMZ) erhielt Swetlana Burghardt-Petrova die folgende Aussage von einer deutschen Führungskraft in Deutschland, die enge und längerfristige internationale Kontakte mit bulgarischen Unternehmen aufgebaut hat: »›Na ja, erst mal ist die bulgarische Kultur ganz anders als die deutsche. Wir unterschieden uns halt nicht nur in der Sprache sondern auch in Fragen der Mentalität. Ja das beginnt bei Fragen der Gastfreundschaft. Da ist, die Probleme des Miteinanders und aufeinander zuzugehen, ja, da gibt es schon Unterschiede. Wenn man sie kennt und beachtet - von beider Seiten her ist es etwas einfacher miteinander zu arbeiten.‹« (Burghardt-Petrova 2004: 29).

Auch nach diesem Beispiel kommt den Angehörigen einer Kultur nur ein sehr eng gefasster Handlungsspielraum zu. Kultur wird als eine übermächtige Struktur konzipiert, mit deren Unterschiedlichkeit man lediglich leben lernen kann, die jedoch nicht verändert werden kann. Die Elaboriertheit der in diesen Studien offenbarten subjektiven Kulturkonzepte lässt vermuten, dass die Probanden diese in der Tat für sich entwickelt haben, und dass sie diese reflektieren und kognitiv vertreten. Da der tatsächliche Handlungskontext der Probanden auch mit diesem Verfahren nicht zugänglich gemacht wird, muss auch in diesem Fall der Grad der Glaubwürdigkeit derartiger Aussagen angezweifelt werden. Wenn die Probanden die von ihnen nachgezeichneten Konzepte eventuell auch für subjektiv wünschenswert halten, muss daraus dennoch nicht zwingend geschlossen werden, dass sie auch danach handeln. Schondelmayer (2008: 79) verweist hier auf D’Andrades Unterscheidung zwischen Kulturtheorien von Individuen und (wissenschaftlichen) Kulturmodellen.10 Entsprechend muss auch die Handlungsrelevanz dieser Konzepte in Zweifel gezogen werden.

10 »Roy D’Andrade, der sich vor allem für den Zusammenhang zwischen implizitem und explizitem Wissen interessiert, weist auf den damit verbundenen Unterschied zwischen Kulturtheorie und Kulturmodell hin: ›First, the propositions of a cultural theory are statements which are made by the natives, unlike the propositions of many cultural models, which are typically assertions by the analyst of the way people represent something based on the way their reason or their understanding about it, or which is implicit in what they say about it. While the knowledge which makes up a cultural model often is procedural in character, a cultural theory is made up primarily of declarative knowledge, which means that one can ask directly about the phenomena in question and receive direct answers‹ (D’Andrade 1995: 172f)« (Schondelmayer 2008: 79).

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Der Forscher lässt Probanden von der Handlungsrelevanz von Kultur in ihrem Handeln berichten Diese Vorgehensweise kommt zentral und zugleich exemplarisch in der Critical Incidents-Methode nach Flanagan (1954) zum Einsatz, die insbesondere in der interkulturellen Trainingsforschung vielfach aufgegriffen worden ist. Indem Probanden aufgefordert werden, Krisensituationen zu memorieren, zu berichten und zu deuten, werden mittels der Critical Incidents-Methode forschungsrelevante Kontexte in der interpersonalen Interaktion identifiziert. Die Herangehensweise baut dabei auf die subjektive Irritation von Individuen, die an einer solchen Interaktion beteiligt sind. Aspekte, die möglicherweise forschungsrelevant sind, jedoch von den Probanden nicht bemerkt werden, können auf diese Weise nicht aufgespürt werden, bzw. müssen auf der Grundlage eines entsprechenden Theorieverständnisses für irrelevant, bzw. nicht existent beiseite getan werden. Das Potential der Critical Incidents-Methode als Grundlage für Forschungsarbeiten diskutiert zentral Arthur (2001), eine exemplarische Forschungsarbeit für den deutsch-polnischen Kontext liegt von Hiller (2007) vor. Im deutschsprachigen Raum verwendet Alexander Thomas die Herangehensweise, um auf der Grundlage von so gesammelten Indikatoren Kulturstandards abzuleiten, mit deren Hilfe eine Kultur beschrieben werden kann (Utler/Thomas 2010). Bennett (1995) und Wight (1995) befürworten die Technik für die Herstellung einer Ausgangslage für Reflektionen in interkulturellen Trainings auf der Grundlage der eigenen Erfahrungswelt der Trainees selbst. Triandis (1995a) verwendet Critical Incidents, um auf ihrer Grundlage Übungen für die Trainingsmethode des Kulturassimilators zu entwickeln. Eine aktuelle und theoriekritische Würdigung des Verfahrens liefert Layes (2007). Neben dieser krisenorientierten Vorgehensweise können aber auch zahlreiche narrative Studien aus der qualitativen Sozialforschung in dieser Kategorie genannt werden, in deren Rahmen nach der Relevanz von Kultur gefragt und geforscht wird (Zinn-Thomas 2010). Doch auch diese Vorgehensweise ist nicht unumstritten. Matsumoto (2006) zufolge sagen Narrationen über Kultur so gut wie nichts über das tatsächliche Handeln der Probanden aus. Cornejo (2006; 2010) dagegen plädiert für eine Verwendung der Verfahrensweise mit Bedacht. Zwar müsse einerseits die Kulturgebundenheit des Forschers selbst, und damit auch die Kulturspezifik seiner Kulturverständnisse einschränkend berücksichtigt werden. Andererseits sei jedoch gar keine – vermeintlich kulturneutrale – Kulturforschung möglich. Dennoch können Studien auf dieser Grundlage detaillierte und aussagekräftige Ergebnisse produzieren, wenn sie aus einer rein emischen Sicht und Herangehensweise heraus verstanden werden. Am Beispiel irischer Migranten in Kanada zeichnet beispielsweise ClaryLemon (2010) die diskursive Konstruktion einer als ethnozentrisch und einmalig erlebten irischen Identität in einem Migrationskontext nach. Um die Handlungsrelevanz der Aussagen von Probanden in narrativen Interviews zu erhöhen, können auch Erzählungen, die nicht auf explizite Fragen nach dem Kulturverständnis abgegeben wurden, auf Hinweise untersucht werden, die eventuell Rückschlüsse auf subjektive Kulturverständnisse ermöglichen. So erfährt Swetlana Burghardt-Petrova (2004) in ihrer Studie beispielsweise von einer deutschen Füh-

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rungskraft folgende Handlungsanweisungen für die Zusammenarbeit mit bulgarischen Partnern: »Man muss bei stark emotionalen Personen z.B. bei stark emotionalen Personen muss man von vornherein erst mal diese Spielregeln klar machen. Das heißt es ist alles zugelassen und ich würde nichts kritisieren, wir sammeln erst mal die Ideen, wie wir das Projekt lösen können und nicht voreilig sagen, nein es ist alles Scheiße, machen wir nicht. Man muss erst mal alles zulassen und dann gehen wir gemeinsam in die Kritik und gucken unter der einen oder der anderen Idee. Nicht, dann kommt man auch weiter, auch mit emotionalen Typen, wenn man das vorher auslässt dann zwischendurch etwas, was falsch geht, dann sind man mit einem Schlag demotiviert, weil man wird zu stark Druck aufgebaut hat. Zu diesem kulturellen Unterschied gehört es auch neue Ideen zu sammeln. Im Gegensatz zu dem strukturierten Deutsche steht der improvisierende Südländer. Er sagt dann ›Das kann man so machen, das machen wir irgendwie, kriegen wir schon hin‹ und das sind so die Dinge unterschiedliche Kulturen das kann man bei der ersten und bei der zweiten Runde gar nicht so sagen« (Burghardt-Petrova 2004: 10).

Die präzisen Handlungsanweisungen zum Umgang mit den berichteten Mitarbeitern und die Verwendung einzelner Passagen wörtlicher Rede können darauf hindeuten, dass sich der Proband lebhaft an bereits erlebte Interaktionen erinnert und diese rekapituliert. Zumindest aber bugsiert sich der Proband selbst in diese elaboriert geschilderte Rolle hinein. Während dieses erste Beispiel auf eine vergleichsweise hohe Handlungsrelevanz und Glaubwürdigkeit der Aussage schließen lässt, berichtet Sanna Schondelmayer (2006) von einer Interviewpassage aus ihrem Material, die an der Authentizität der Aussagen eher zweifeln lässt. Ihr erklärt eine deutsche Führungskraft in einem Unternehmen in Polen: »Also äh solang mir jemand nichts antut, hab ich immer nen positives Denken über die Leute. Teilweise zu positiv gehabt. (3) Viel dazu gelernt im Lauf der Jahre. Kritischer geworden, distanzierter geworden. Aber nichts desto trotz, zunächst mal den Mensch’ sehe ich im Ganzen und er is’ für mich n’ Partner. Und deswegen wird’ ich auch in der Regel gut akzeptiert von den Leuten, weil ich sie eben nich’ von oben herab behandele, weil da gibt’s kein’ Grund. Warum? ABSOLUT NULL! Ich mein’ wer definiert, dass ich höher stehe als der, der eigentlich arm is’?! Und dann kommt eben hinzu, dass mich ähm (3) zunehmend mehr, viele Dinge in Polen stören. Hm, dass hm Mangel an Kultur is’, generell gesacht. Jetzt mal nicht auf einzelnen Personen, sondern wenn man das mal so auf äh auf’n mehr so breiteres Volk bezieht, ist der Mangel an Kultur. Das stört mich immer mehr« (Schondelmayer 2006: 117).

Während der Proband in diesem Interviewausschnitt zunächst verallgemeinernd vorgibt, grundsätzlich positiv zu denken, äußert er wenige Augenblicke später Bedenken in wesentlich explizterer Form. Derartige Widersprüchlichkeiten lassen vermuten, dass der Proband zunächst ein von ihm gewünschtes Selbstbild skizziert, bevor er schließlich andeutet, welche Interpretationen womöglich Einfluss auf sein Handeln nehmen. Auch dieser Forschungsansatz weist den Vorteil auf, dass dem Proband selbst die Definition eines Kulturkonzepts überlassen bleibt. Während die Handlungsrelevanz der in diesem Rahmen getätigten Aussagen unterschiedlich ausfallen dürfte, muss die

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Glaubwürdigkeit der Aussagen häufig in Zweifel gezogen werden und stattdessen von Strategien der Imagepflege ausgegangen werden. Die dokumentarische Methode als exemplarische Umsetzung einer Interpretation narrativer Interviews Der in diesem Abschnitt besprochene Forschungsansatz zeichnet sich gegenüber den in den vorangegangenen Abschnitten skizzierten Verfahren durch eine vergleichsweise klar zugängliche und identifizierbare Handlungsrelevanz subjektiv konstruierter Kulturkonzepte aus. Der vorliegende sowie der im nächsten Abschnitt besprochene Ansatz sollen daher an dieser Stelle methodisch eingehender diskutiert werden. Methodisch arbeiten insbesondere im deutschsprachigen Raum zahlreiche Autoren im genannten Bereich entlang der von Ralf Bohnsack (1997) entwickelten Dokumentarischen Methode, die im Bereich der (interkulturellen) Bildungsforschung insbesondere von Arnd-Michael Nohl (2005) weiter verbreitet worden ist. Nohl exemplifiziert, wie narrative Interviews mit der dokumentarischen Methode ausgewertet werden können. Vertreter der Methode schätzen an ihr im Besonderen die Tatsache, dass sich durch ihre Anwendung eine vergleichsweise hohe Handlungsrelevanz der erhobenen Daten sicherstellen lässt. Eine Anwendung der dokumentarischen Methode zur Interpretation von zuvor erhobenen narrativen Interviews muss Nohl zufolge aus Sicht der qualitativen Sozialforschung entsprechend als Methodentriangulation bezeichnet werden. Die dokumentarische Methode selbst erfordert demnach grundsätzlich bereits ein ebenfalls methodengeleitetes Vorgehen in ihrem Vorfeld. Absicherung von Handlungsrelevanz Nohl (2005) kritisiert zunächst die Fokussierung der Methode narrativer Interviews, wie sie ursprünglich von Fritz Schütze (1978) entwickelt worden sei, als zu sehr an Einzelfallstudien orientiert. Eine Vergleichsmöglichkeit werde im Forschungsprozess erst sehr spät angeboten. Dabei stehe selbst bei der Grounded Theorie nach Glaser und Strauss (1967) die Theoriebildung vor der Beschreibung von Einzelfällen im Vordergrund. Der dokumentarischen Methode geht es demgegenüber darum, einen impliziten Sinngehalt herauszustellen, der den Aussagen von Probanden inhärent ist. Die dokumentarische Methode unterscheidet dabei zwischen drei Sinnebenen: dem intentionalen Ausdruckssinn, dem Objektsinn und dem Dokumentsinn. Der intentionale Ausdruckssinn bezeichnet das, was die handelnde Person selbst bewusst tut und als ihr Tun beschreibt. Der Objektsinn kann darüber hinaus vom Forscher erschlossen werden, indem das Handeln im Sinne von Karl Mannheim in einen objektiven Sinnzusammenhang eingeordnet wird. Der Dokumentsinn berücksichtigt darüber hinaus Modi, nach denen das beobachtete Handeln zustande kommt. Der Forscher setzt das beobachtete Handeln dazu in Zusammenhang mit anderen, ähnlichen Handlungsformen der Person im empirischen Material. Dadurch soll Nohl (2005) zufolge der »gesamtgeistige Habitus« des Probanden (Mannheim 1964: 108f) in den Blick geraten. Nohl veranschaulicht dies anhand des von Karl Mannheim vorgeschlagenen Beispiels des Bindens einen Schuhknotens: Der intentionale Ausdruckssinn ist hierbei dem Handelnden vorbehalten, er ist nur schwer zu erschließen. Der Objektsinn be-

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steht darin, dass wir alle wissen, dass es ein Schuhknoten ist. Der Dokumentsinn dagegen würde eine verbale Beschreibung dessen beinhalten, wie der Knoten gebunden wird. Letzteres können Probanden in der Regel nicht schildern. Sie verfügen über Wissen in der Handlungspraxis, das sie jedoch nicht beschreiben können. Bohnsack schlägt dafür in Anlehnung an Bourdieu den Begriff des habituellen Handelns vor (Nohl 2005: 8). An anderer Stelle spricht Mannheim von atheoretischem Wissen, bzw. einer konjunktiven Erfahrung. Entsprechend sei davon auszugehen, dass in diesem Kontext Handlungspraxen existieren, die innerhalb bestimmter sozialer Gruppen geteilt werden, und die diese letztlich ausmachen. Mannheim veranschaulicht das am Beispiel eines Ablaufes eines Gottesdienstes, der von den Teilnehmern verinnerlicht ist und nur gegenüber Nichtkirchenangehörigen im Zweifelsfall erklärt werden müsste. Dieses konjunktive Wissen ist das, was Nohl zufolge durch eine Verwendung der dokumentarischen Methode herausgefunden werden soll. Methodisches Vorgehen in der dokumentarischen Methode Nohl (2005) bezeichnet die methodische Vorgehensweise der dokumentarischen Methode als Form der Sequenzanalyse, die jedoch im Gegensatz zu den Ausführungen von Oevermann (2001) und Schütze (1978) konsequent vergleichend verwendet wird. Bohnsack (1997) beziehe sich hierzu auf George Herbert Mead (1973). Mead zufolge erhält eine kommunikative Äußerung ihre Bedeutung durch ihre Einbettung in eine situative Interaktion. Das bedeutet, dass auf eine beobachtbare Äußerung mit einer ebenfalls beobachtbaren Äußerung reagiert wird. Die Aufgabe des Forschers besteht nun darin, Regelmäßigkeiten in diesen Aktion-Reaktionsmustern herauszufinden. Regeln hierfür gehören zu dem impliziten Wissen, das die Probanden nicht explizieren können. Um dabei valide vorgehen zu können, muss man mögliche Anschlussmöglichkeiten von unmöglichen Anschlussmöglichkeiten abgrenzen können. Das wird durch den Vergleich mit ähnlichen Situationen geleistet. Von methodischer Bedeutung ist demnach auch immer der Vergleich mehrerer Interviewtexte. Bei der Analyse narrativer Interviews unterscheidet Nohl (2005) zunächst zwischen Phasen der Beschreibung, der Erklärung und der Argumentation. Phasen der Erzählung in Interviewtranskripten erscheinen dabei als Hinweis darauf, dass ein Proband seine eigenen Erinnerungen rekapituliert und dabei deutend tätig werden kann. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Proband nicht in der Lage ist, das zugrunde liegende handlungspraktische Wissen selbst zu explizieren. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass die Erzählung selbst mit der Handlungspraxis besonders eng verwoben ist, so dass Rückschlüsse aus der Erzählung auf eine tatsächliche Handlungspraxis als vergleichsweise sicher angenommen werden können. Phasen der Argumentation dagegen transportieren kommunikatives Wissen. Darunter versteht Nohl das, was ein Erzähler durchaus in der Lage ist, explizit zu schildern – bezogen auf das oben bereits angesprochene exemplarische Setting beispielsweise der lineare Ablauf eines Gottesdienstes. In diesem Fall verwendeten Probanden meist Um-zu-Motive im Sinne von Schütz, es wird objektiver Sinn konstruiert. Daraus ließe sich entsprechend folgern, dass Phasen der Argumentation in Interviews darauf hinweisen, dass aus den darin enthaltenen Explikationen in deutlich geringerem Maße auf eine zugrunde liegende tatsächliche Handlungspraxis geschlossen werden kann.

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Der Forscher beobachtet das Handeln des Probanden und sucht nach Stellen, an denen Kultur explizit definiert wird Die bislang genannten Variationen einer Generierung qualitativer empirischer Daten können noch durch eine weitere Kombination vervollständigt werden: Kulturforscher können anstelle der Durchführung von Interviews das Alltagshandeln von Probanden direkt beobachten und das auf diese Weise gewonnene Datenmaterial nach Passagen durchsuchen, in denen die Probanden selbst – und nicht vom Interviewer oder Beobachter initiiert – ihr Verständnis von Kultur darlegen. Straub und Shimada (1999) üben an dieser Herangehensweise eine grundsätzliche Kritik dahingehend, dass sie der Ansicht sind, dass Individuen nie in der Lage sein werden, kulturelle Einflüsse vollständig zu reflektieren und zu verbalisieren. Stattdessen werde es immer einen Anteil kultureller Einflüsse geben, die für den Probanden, und eventuell sogar für den Forscher, unsichtbar bleiben: »Als Wirklichkeiten, die für konkrete Menschen sinn- und bedeutungsstrukturierende Realitäten darstellen, sind und bleiben sie abhängig von Deutungs- und Interpretationsleistungen, die ihre ›Gegenstände‹ erst als bestimmte Wirklichkeiten qualifizieren. Damit soll nicht behauptet werden, kulturelle Praktiken könnten vollständig diskursiviert (Giddens 1988 [1984]: 36), also als artikulierbares Wissen repräsentiert und reflektiert werden. Kulturelle Praktiken leben auch von einem tacit knowledge, das prinzipiell nicht restlos artikulierbar ist. Zu ihnen gehört das, was Giddens praktisches Bewusstsein nennt, ebenso wie das diskursive Bewusstsein der Akteure« (Straub/Shimada 1999: 450).

Dennoch finden sich in der Forschungsliteratur, insbesondere in der Gesprächsforschung bereits entsprechende Ansätze, die sich aufgrund der expliziten Thematisierung kultureller Grenzziehungen durch eine vergleichsweise hohe Absicherung von Handlungsrelevanz auszeichnen. So bespricht beispielsweise die Gesprächsforscherin Susanne Günthner (2004: 11) ein Transkriptbeispiel, in dem Interaktanten mit konversationellen Mitteln gemeinsame Deutungen ihres eigenen Umfeldes erarbeiten. Günthner diskutiert dabei einen Gesprächsausschnitt, in dem mehrere Sprecher den politisch korrekten Umgang mit Ethnizitäten diskutieren und ironisch dessen Grenzen ausloten. Der Gesprächsausschnitt kann gedeutet werden als gegenseitige Verständigung auf und als gemeinsame Konstruktion einer Beschreibung des Umgangs einer gesellschaftlichen Mehrheit mit Aspekten von Kulturalität. In diesem Beispiel konstruieren die Interaktanten ein gemeinsames Verständnis von Inhalten einer in der Gesellschaft mehrheitlich vertretenen political correctness beim Umgang mit der Ethnizität und der kulturellen Zugehörigkeit von Minderheitengruppen. Durch die ironisierende Wiedergabe beziehen die Interaktanten gleichzeitig selbst eine bewertende Stellung zu dieser angenommenen Mehrheitshaltung. Kultur wird hier die Rolle eines Einflussfaktors auf kollektive Zugehörigkeiten zugeschrieben. Diese Zugehörigkeiten – sowie darüber hinaus mehrfache Zugehörigkeiten – werden mit normativen Verhaltenserwartungen verknüpft. Als weiteres Beispiel sei eine Studie von Dennis Day besprochen, der Interviews mit Angestellten unterschiedlicher Hierarchieebenen in einem schwedischen Unternehmen mit einer multinational zusammengesetzten Belegschaft in Schweden durch-

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geführt hat. Dabei stellt er fest, dass die Probanden unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie Arbeitsteams vor dem Hintergrund von Ethnizität zusammengesetzt werden sollen. Ethnizität wird dabei mit Muttersprachlichkeit gleichgesetzt. Einige Probanden befürworten sprachlich homogene Teams, die selbst untereinander die geringsten Verständigungsprobleme haben sollten. Andere Probanden befürworteten sprachlich heterogene Teams, in denen die schwedischen Muttersprachler den Nichtmuttersprachlern zu einem besseren Schwedisch verhelfen sollten. Eine dritte Gruppe von Probanden sprach sich dafür aus, die sprachliche Zugehörigkeit gar nicht zu berücksichtigen. Day interpretiert, dass alle drei Politiken zu einer Konsolidierung der Hegemonie der schwedischen Sprache in diesem Kontext beitragen (Day 1994: 322-323). In diesem Beispiel leiten die Probanden eine Definition von Kultur, bzw. Ethnizität von den Unternehmenszielen (wahrscheinlich Gewinnmaximierung) ab: Auswirkungen auf die Produktivität hat aus ihrer Sicht primär die Sprachkompetenz. Alle Probanden haben darüber hinaus subjektive Entwürfe davon, wie aus ihrer Sicht kurz-, mittel- und langfristig Teams am produktivsten arbeiten. Für eine intensivere Auseinandersetzung mit dieser Verquickung von Sprache und Ethnizität in europäischen Ideologien verweist Day auf Blommaert und Verschueren (1992). Verglichen mit den in den vorangegangenen Abschnitten erörterten empirischen Herangehensweisen bietet diese letzte Variante einige Vorteile im Hinblick auf die Beantwortung der in diesem Beitrag aufgeworfenen Fragestellung: Potentielle Definitionen von Kultur können von den Probanden selbst skizziert und dargelegt – und sogar im Forschungsprozess identifiziert werden. Da im Rahmen dieser Methode Alltagshandeln der Probanden – wenngleich auch in einer Beobachtungssituation – ausgewertet wird, kann von einer vergleichsweise hohen Handlungsrelevanz der vorgefundenen subjektiven Konzeptionen von Kultur ausgegangen werden. Damit einhergehend kann die Glaubwürdigkeit der Äußerungen als vergleichsweise hoch eingestuft werden – im Hinblick auf die an dieser Stelle angeführten Beispiele erscheint jedoch sicherlich zumindest eine kritische sozialwissenschaftliche Interpretation erforderlich.

D IE E THNOMETHODOLOGIE ALS KULTURHEURISTISCHE

F ORSCHUNGSHALTUNG

In den vorangegangenen Abschnitten wurden unterschiedliche sozialwissenschaftlich-interpretative Herangehensweisen an empirisches Material auf ihre Produktivität im Hinblick auf das in der vorliegenden Studie skizzierte Forschungsziel überprüft. Demnach sollten Verfahren einen möglichst geringen Interpretationsspielraum seitens des Forschers offen lassen, bzw. den Forscher zu möglichst wenigen Interpretationsleistungen zwingen, die dieser immer nur im Rahmen seiner Teilhabe am Dispositiv interkultureller Kommunikation erbringen könnte. Zugleich sollten sie einen möglichst offenen Blick auf empirisches Material ermöglichen, in dessen Kontext identifiziert werden soll, wie Interaktanten in gegebenen Situationen selbst im Rahmen des Dispositivs interkultureller Kommunikation handeln. In den vorangegangenen Abschnitten wurden die nach diesen Kriterien überprüften Verfahren bereits da-

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hingehend geordnet, dass die letztgenannte Variante den größtmöglichen Ertrag lieferte. Die theoretischen Grundlagen der Ethnomethodologie nach Harold Garfinkel (Garfinkel 1967) sowie die darauf aufbauende Methode der ethnomethodologischen Konversationsanalyse (Sacks 1974; Sacks/Schegloff/Jefferson 1974) scheinen eine Herangehensweise zu liefern, die am ehesten einen mikroanalytischen Zugang zu einem Feld bieten kann, wie es im letzten, vorangegangenen Abschnitt skizziert worden ist. Ein zentrales Anliegen der Ethnomethodologie besteht dabei von Grund auf bereits darin, Interaktionskontexte möglichst ohne oder mit möglichst wenigen theoretischen Vorannahmen und Interpretationen und stattdessen aus sich heraus zu beschreiben und zu untersuchen.11 Herausgefunden werden sollen sinnbildende Strukturen und Prozesse ausschließlich aus dem Material selbst heraus. Aufgrund des mikroanalytischen Zugangs hat die Ethnomethodologie in der Forschungspraxis insbesondere die Gesprächsforschung inspiriert, die mit detaillierten Feintranskripten zwischenmenschlicher Interaktionen arbeitet. Stokoe (2012: 279) moniert, dass kaum systematische und anwendungsorientierte Anleitungen zur Durchführung einer Membership Categorization Analysis vorliegen. Hinweise zu exemplarischen Vorgehensweisen können in der Regel lediglich aus publizierten Einzelstudien und Forschungsarbeiten extrahiert werden. Stokoe selbst schlägt jedoch einzelne Schritte zur Durchführung einer Membership Categorization Analysis vor (Stokoe 2012: 281f). An gleicher Stelle fasst sie die Grundregeln der Theorie stichwortartig und kompakt zusammen. Die Begründer der Ethnomethodologie waren dabei sogar von der Unhintergehbarkeit konversationeller Daten überzeugt. So berichtet Stokoe (2006: 470) über Schegloff (1996b: 470): »language, or talk in interaction, is ›the primordial scene of social life [...]‹«. Diese recht positivistische Ansicht kann an dieser Stelle einerseits geteilt werden, andererseits soll es in der vorliegenden Studie insbesondere um eine Verknüpfung von Dispositivtheorie und Ethnomethodologie gehen. Die Dispositivtheorie unterstellt dabei, dass es durchaus theoretische Modelle für eine Beschreibung dessen gibt, was quasi hinter den konversationellen Daten steht. Dabei wird angenommen, dass Interaktionen insbesondere durch die Teilhabe der Aktanten an Dispositiven vorbestimmt werden. Während die Ethnomethodologie im angelsächsischen Forschungsraum zu einer wesentlichen Grundlage für die Conversation Analysis geworden ist (Schegloff et al. 2002), erfährt sie in der deutschsprachigen Gesprächsforschung eher nur gelegentliche Beachtung neben der hier deutlich häufiger verwendeten Sprachhandlungsmusteranalyse nach Konrad Ehlich und Jochen Rehbein (Ehlich/Rehbein 1972; Rehbein 1977; 1979).12 Europäische Bedenken gegenüber der Ethnomethodologie findet

11 »Sack’s aim, like Garfinkel’s, was to develop an alternative to mainstream sociology: an observational science of society and social action [...]« (Stokoe 2006: 470). 12 Gründe und Ursachen für diese unterschiedliche lokale Verbreitung der beiden Ansätze lassen sich nur vermuten. Durchaus plausibel erscheint jedoch die Vermutung, dass wissenschaftliche Theorien häufig dann gegenüber alternativen Ansätzen favorisiert werden, wenn sie gesellschaftliche oder politische vorherrschende Ideologien bestätigen und mit diesen konform gehen. Entsprechende Überlegungen hat der Verfasser an anderer Stelle

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Kotthoff (1994: 75) beispielsweise bei Flader und von Trotha (1991), die der ethnomethodologischen Konversationsanalyse Positivismus vorwerfen. Bezug genommen wird hier offenbar auf den Anspruch der Ethnomethodologie, Theorien ausschließlich aus dem vorliegenden Material heraus zu entwickeln und jedwede kontextuellen Einflüsse auf die Interpretation – sei es aus dem Kontext des Materials oder auch aus dem Erfahrungswissen des Interpretierenden – auszuschließen. So kann die Ethnomethodologie auch als eine Absage an die interpretative Kultur verstanden werden, die in den europäischen Sozialwissenschaften ihre Emanzipation mit jahrzehntelangen Mühen erkämpft hatte. Zwischenzeitlich finden sich auch gemäßigtere und anwendungsorientiertere Ansätze, die sich der Ethnomethodologie bedienen und sich dabei die Materialfokussierung der Methode zunutze machen, ohne interpretative Herangehensweisen von Grund auf zu negieren.

Erste Kulturverständnisse in der Ethnomethodologie Während sich die Begründer der Ethnomethodologie noch gegen die Möglichkeit einer Identifizierung kultureller Phänomene mit Hilfe ihrer Methode sperrten, weil diese nur qua Kontextwissen erkannt werden können (für eine Diskussion der Problematik vgl. Kotthoff 1994: 75), haben zwischenzeitlich zahlreiche Forscher an einer Öffnung des Instrumentariums und seiner Weiterentwicklung hin zu einer Kulturforschung gearbeitet. Fruchtbar erscheint hierzu insbesondere die von Harvey Sacks neben der Sequenzanalyse entwickelte Membership Categorization Analysis (MCA) (Sacks 1974), für deren Nutzen im Rahmen einer interkulturellen Forschung auch der Verfasser der vorliegenden Studie bereits mehrfach plädiert hat (Busch 2008; 2010; 2011b; 2011a). Während die Ethnomethodologie trotz ihrer Begründung in den USA innerhalb der sozialwissenschaftlichen Forschung eher ein Schattendasein gefristet hat und in ihrem Rahmen die Membership Categorization Analysis noch einmal mehr gegenüber der Sequenzanalyse stiefmütterlich behandelt worden ist, stoßen sowohl Ethnomethodologie (Heritage/Clayman 2010; Llewellyn/Hindmarsh 2010)13 als auch MCA (Karl 2012; Liu 2012; Rautajoki 2012) erst jüngst wieder auf zunehmendes Interesse und Aufmerksamkeit. Weder die deutschsprachig begründete Gesprächsanalyse noch die angelsächsische Conversation Analysis verfügen über einen inhärenten oder auch nur halbwegs zentral verankerten Zugang zu Kultur als einer relevanten Kategorie. Insbesondere

bereits im Hinblick auf die in westlichen Kulturen größtenteils akzeptierte Handlungstheorie gegenüber der im seinerzeit kommunistisch orientierten Russland entwickelten Tätigkeitstheorie angestellt (Busch 2005: 293-296). Ähnliche Überlegungen ließen sich unter Umständen auch für die US-amerikanisch verankerte Ethnomethodologie mit ihrer positivistischen Kontextfreiheit gegenüber der im deutschsprachigen Raum vorgezogenen Sprachhandlungsmusteranalyse und ihrem Primat des Kontextes anstellen. 13 Beide Sammelbände fokussieren allerdings Fragen nach der Organisation, dem internen Funktionieren und dem Selbsterhalt von Organisationen und Institutionen. Analysen finden meist in Kontexten des Gesundheitswesens, innerbetrieblicher Teams sowie der Interviewführung statt.

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die Conversation Analysis zielt primär auf die Produktion von Erklärungen für das Zustandekommen und die interne Organisation von Gesprächen ab. Dennoch liegen zwischenzeitlich zahlreiche Arbeiten vor, die versuchen, auch die Ethnomethodologie für eine Kulturforschung fruchtbar zu machen. Während erste Verfechter der Ethnomethodologie eine Erforschung von Kultur abgelehnt hatten, weil zu ihrer Beschreibung zwingend Kontextwissen erforderlich sei, weisen beispielsweise Housley und Fitzgerald darauf hin, dass das Problem des Kontextes für die Membership Categorization Analysis bereits relevant wurde, sobald damit begonnen wurde, abstrakte Gegenstände anstelle von Personen als Kategorien zu erfassen und in die Analyse mit einzubeziehen (Housley/Fitzgerald 2002: 65). Auch wenn ethnomethodologische Arbeiten bislang Kultur als Variable untersucht haben oder diese sogar zum zentralen Gegenstand ihrer Forschung gemacht haben, hantieren doch auch diese Ansätze in der Regel mit herkömmlichen Kulturverständnissen: Anstatt das heuristische Potential der Methode für die Kulturforschung konsequent auszuschöpfen – was offenbar gar nicht das Ziel eines Großteils der vorliegenden Studien gewesen ist – betreten auch hier die meisten Forscher das Terrain mit einem vorfabrizierten Kulturbegriff: In der Regel überlegen die Forscher vorab, was Kultur für sie bedeutet und anhand welcher Indizien sie welche Einflüsse von Kultur im empirischen Material erkennen wollen. Diese Herangehensweise kann jedoch nur Kulturverständnisse produzieren, die sich aus der Teilhabe des Forschers am Dispositiv interkultureller Kommunikation ergeben, so dass auch die auf dieser Grundlage generierten Forschungsergebnisse nur das Dispositiv bestätigen können. Ziel der vorliegenden Studie ist es, diese Zirkularität zumindest so weit wie möglich zu umgehen und möglichst unmittelbar auf empirische Daten zugreifen zu können. Ein entsprechendes Potential einer ethnomethodologischen Vorgehensweise kann demnach gerade darin liegen, die Methode für eine Nachzeichnung von Prozessen zu verwenden, mit denen Kulturverständnisse und Handlungsrelevanzen von Kultur in der Interaktion selbst formuliert und definiert werden. Die Öffnung der Membership Categorization Analysis hin zu einer möglichen Erforschung von Kultur soll im Folgenden anhand ausgewählter Publikationen kurz nachgezeichnet werden. Einer der ersten Schritte, auf die Publikationen auch heute noch Bezug nehmen, mag in der Monographie Categorization and the Moral Order von Lena Jayyusi (1984) vorliegen. Jayyusi untersucht mit Hilfe der Membership Categorization Analysis, wie moralische Ordnungen und Urteile in Gesellschaften konstruiert und konstituiert werden. Ausgangspunkt für die Motivation, dies mit einer ergebnisoffenen und heuristischen Methode, wie der MCA, zu untersuchen, ist die Annahme, dass moralische Ordnungen und Urteile zwar häufig mit Hilfe von als rational statuierten Argumenten begründet werden, dass sie sich letztlich jedoch immer als kulturrelativ und kulturspezifisch herausstellen. Welche moralische Ordnung sich entwickelt und was in einer Gesellschaft als moralisch gut, bzw. schlecht angesehen und als solches dann auch rational begründet wird, ergibt sich aus einer prozessualen und diskursiven Konstruktion heraus, die immer auch anders ausfallen könnte. Wie dieser Konstruktionsprozess vonstatten geht, was dabei als moralisch gut und was als schlecht definiert wird, und wie es begründet wird, das versucht Jayyusi mit Hilfe der MCA offen zu ergründen.

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Umgekehrt muss Jayyusi gegenüber den theoretischen Grundlagen der MCA die Möglichkeit begründen, moralische Urteile mit diesem Instrumentarium erheben zu können, das sich ansonsten gegenüber jedweder kontextbasierten Interpretation sperrt. Jayyusi ist demgegenüber überzeugt, dass sich auch moralische Urteile aus dem vorliegenden empirischen Material heraus identifizieren lassen. Sie ist dabei der Ansicht, dass die menschliche Konstruktion sozialer Ordnungen grundsätzlich mit Bewertungen einhergehe. Zuschreibungen und Kategorisierungen, wie sie die MCA untersucht, seien dabei niemals wertfrei denkbar, sondern immer mit einer Bewertung verbunden. Diese Bewertungen identifiziert Jayyusi aus dem empirischen Material mit Hilfe der MCA. Insbesondere das Konstrukt der kategoriengebundenen Eigenschaften kann dabei dazu verwendet werden, auch Bewertungen aus dem Material heraus zu identifizieren. Kategoriengebundene Eigenschaften sind dabei Attributionen, Tätigkeiten, Merkmale, Verpflichtungen, Berechtigungen und weitere Konstrukte, die in Konversationen angesichts der jeweils konstruierten Welt Individuen, Gruppen oder Phänomenen, die einer bestimmten Kategorie zugehörig sind, selbstverständlich zugeschrieben werden. Erst aufgrund dieser festen und konventionalisierten Zuschreibung wird die gemeinsame Konstitution von Sinn in Gesprächen möglich. Der US-amerikanische Anthropologe Michael Moerman hatte sich bereits in den 1960er und 1970er Jahren mit der Problematik auseinandergesetzt, nach der Anthropologen und Ethnologen ihre Forschungsobjekte als ethnische Gruppen anhand von kategorisierbaren Eigenschaften quasi konstruierten und erst schufen. Wenngleich sich Moerman hier noch nicht auf die Ethnomethodologie beruft, so geht es ihm doch bereits um die Verwendung von Kategorisierungen zur kulturellen Einordnung (Moerman 1974). In den 1980er Jahren arbeitet Moerman bereits eng mit Vertretern der ethnomethodologischen Konversationsanalyse, wie Harvey Sacks, zusammen. In einer Monographie versucht Moerman, die Konversationsanalyse, insbesondere die von Sacks begründete Sequenzanalyse, für einen Kulturvergleich zwischen thailändischen und US-amerikanischen Gesprächsorganisationen zu verwenden (Moerman 1988). Das in den 1970er Jahren neu aufkommende Interesse an ethnomethodologischer Konversationsanalyse, die sich letztlich aus phänomenologischen Überlegungen nach Schütz, aber auch aus Vorüberlegungen von Goffman und Gumperz herausgebildet hat, begründet Moerman schlicht mit der erstmaligen Verfügbarkeit tragbarer Tonaufzeichnungsgeräte, die eine entsprechende empirische Forschung überhaupt erst möglich gemacht haben (Moerman 1988: ix). Ausgangspunkt für diese Suche nach kulturspezifischen Vorgehensweisen bei der ethnomethodologischen Konversationsanalyse ist für Moerman auch hier wieder die Problematik des kategorisierenden und deutenden, aber außenstehenden westlichen Forschers, wenn er versucht, eine Konversationsanalyse eines fremdkulturellen Settings durchzuführen (Moerman 1988: 4f). Am Beispiel von Redeüberlappungen, deren unterschiedlicher Verwendung, Bedeutung und Handhabung in Thai und US-amerikanischem Englisch, sowie anhand der Problematik kulturell unterschiedlich sozialisierter Forscher bricht Moerman erstmals in großem Stil die zunächst unterstellte Kulturuniversalität und Kulturunabhängigkeit der Grundprinzipien der Ethnomethodologie auf. Später verweist Moerman darauf, dass sich die Conversation Analysis schließlich als interaktionsorientierte Gesprächsforschung verstehe. Gehe man davon aus, dass Interaktionen immer wieder den individuellen Kontext für Konversationen bereitstellen, dann sei da-

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von auszugehen, dass nicht nur der (stereotyp identifizierte) kulturspezifische Umgang mit Redeüberlappungen, sondern schlicht alle Kategorien, die die Sequenzanalyse in der Ethnomethodologie identifiziert hat, kulturspezifischen Ausprägungen und Regeln unterliegen (Moerman 1990/1991). Während Moerman entsprechend ethnographische Forschung mit konversationsanalytischen Methoden verbinden will, sehen andere die Integration von Kontextvariablen auch weiterhin kritisch (Sanders 1999).

Ethnomethodologie und Kultur Sowohl im Bereich der Ethnomethodologie als auch im Bereich ihrer theoretischen Grundlage in der Wissenssoziologie wurde eine direkte Untersuchung des Umgangs mit Kulturalität und Ethnizität bislang meist umschifft. Müller und Zifonun (2010: 10) zufolge scheuten Wissenssoziologen eine Erforschung des Umgangs mit Ethnisierungen meist aufgrund der damit fast zwingend einhergehenden Verpflichtung zur moralischen Bewertung, die eine Analyse im Sinne der Wissenssoziologie wiederum verunmöglicht: »Die Angst der wissenschaftlichen Analyse vor moralischer Vorwerfbarkeit und möglichen Rückschlüssen auf politische Absichten spiegelt sich z.B. in der deutschsprachigen soziologischen Literatur in der zögerlichen Verwendung des – schuldhaft in Anführungszeichen gesetzten Rassebegriffs wieder« (Müller/Zifonun 2010: 10).

Die Ethnomethodologie wiederum kann eine Ebene der Kultur methodisch nicht identifizieren oder betreten. Um das Problem der Beobachtung zweiter Ordnung zumindest zu lindern, auf das der Sozialforscher in der Regel zurückgeworfen wird, verschreibt sich die Ethnomethodologie einer ausschließlichen Verwendung und Analyse lokaler und positiv identifizierbarer Daten, d.h. in der Regel einzelnen Äußerungen in einem gegebenen Gespräch oder Text. Kultur als eine abstrakte und nicht direkt beobachtbare Kategorie kann demnach mit Hilfe ethnomethodologischer Verfahren nur mittelbar angegangen werden, nämlich in Form einer Analyse von Äußerungen oder Umgangsformen mit Konstrukten von Kultur (Bergmann 2010: 256). Dennoch steht Bergmann zufolge eine explizite Auseinandersetzung mit dem sozialen Umgang mit Kultur auf ethnomethodologischer Ebene weiterhin aus (Bergmann 2010: 155). Bergmann (2010) verweist darauf, dass mit Hilfe des von Sacks (1974) entwickelten Konzepts der Membership Categorization Device (MCD) grundsätzlich ethnische Kategorisierungen erhoben werden können. Eine Besonderheit der ethnomethodologischen Herangehensweise besteht dabei darin, dass grundsätzlich nicht vorab von der Existenz bestimmter Kategorien ausgegangen wird, sondern dass diese erst in Interaktionen aktiviert, relevant gemacht und ausgestaltet werden. Strittig sind für Ethnomethodologen demgegenüber der Stellenwert und die Rolle, die dem Faktor Kultur in diesem Begriffsmodell zugeschrieben werden soll. Während Vertreter einer Ethnomethodologie, die eine enge Regelorientierung des Ansatzes befürworten, wie beispielsweise Emanuel Schegloff, dafür plädieren, dass ein Einbezug von Kultur in die Methodik einerseits nicht passt, andererseits aber auch

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nicht erforderlich ist, versuchen andere Autoren unterschiedliche Formen der Integration des Kulturbegriffs. Zu den Vertretern letzterer Richtung zählt beispielsweise Helga Kotthoff (1994), die darauf hinweist, dass für eine entsprechende Kulturanalyse auch die Berücksichtigung von Aspekten außerhalb eines Textes erforderlich sei. Interaktion ist Kotthoff zufolge nicht nur von der Bewältigung und Organisation des Interaktionsablaufs, sondern wesentlich auch von der Aufgabe in der Regel rituell ablaufender Beziehungsarbeit gekennzeichnet (Kotthoff 1994: 84). Mit Goffman (1955) schlägt sie vor, bei der Analyse von Gesprächen zwischen »system requirements« und »ritual requirements« (Kotthoff 1994: 85) zu unterscheiden. Kotthoff (1994: 85) zufolge wirft Schegloff (1988) Goffman vor, mit Kategorien zu arbeiten, die eigentlich schon psychologisch seien und sich aus empirischem Gesprächsmaterial nicht mehr belegen ließen. Kotthoff dagegen argumentiert, dass es sich dabei nicht um psychologische Aspekte auf einer untergeordneten, sondern um kulturelle Aspekte auf einer übergeordneten Ebene handele. Auch andere Konversationsanalytiker, wie beispielsweise Pomerantz (1984) binden Kotthoff zufolge Konzepte des facework in ihre Analysen ein. Insbesondere Höflichkeitsrituale, deren wesentliche Funktion in der Beziehungsarbeit besteht, sind kulturell geprägt und verschieden. Hausendorf (2002) identifiziert in seinen Gesprächsausschnitten mit Methoden der Konversationsanalyse und der Membership Categorization Analysis zwar, wie Interaktanten ein Verständnis für die Wirkweise von Kultur auf ihr Handeln konstruieren.14 Hausendorf identifiziert jedoch keine damit einhergehenden Andersbehandlungen (er leitet sie lediglich in seinen Interpretationen des Materials selbst her), sondern verbleibt im Aufzeigen von Grenzziehungen und Gruppenkonstitutionen. Andersbehandlungen als Folgen von Kategorisierungen werden von Erickson und Shultz (1982) herausgearbeitet, indem die Autoren zeigen, wie die Kategorisierung von Interaktionspartnern zu unterschiedlichen gegenseitigen Behandlungen führt. Die Autoren haben Beratungsgespräche von Studienberatern mit (fremdkulturellen) Studierenden untersucht. Abhängig von der Kategorisierung, die die Berater gegenüber den Studierenden getätigt haben, haben sie die Studenten unterschiedlich behandelt. Zentral erschien den Autoren dabei die Gatekeeper-Funktion der Berater: Sie können den Studierenden Karrieren eröffnen oder sie ihnen verwehren. Studierende, die der gleichen Kultur angehörten wie der Berater, erhielten dabei eine intensivere Unterstützung als fremdkulturelle Studierende. Einen noch größeren Einfluss auf die Unterstützung hatte jedoch festgestelltes, so genanntes co-membership: Aktivierte der

14 »›Kultur‹ erscheint in dieser Perspektive als ein kommunikatives Konstrukt, das es in eben dieser Konstruiertheit auf- und nachzuweisen gilt. Es steht dabei in einer Reihe mit anderen Konstrukten wie etwa ›Nation‹ oder ›Ethnie‹, ›Geschlecht‹ oder ›Alter‹, mit Hilfe derer ein je spezifischer, ›extrem variabler, ohne Muß- und Idealgrößen territorialer oder zahlenmäßiger Art auskommender Vorgang‹ der ›Wir-Gruppen-Konstruktion‹ in Gang gebracht, aufrechterhalten und von Fall zu Fall auch wieder entwertet werden kann. Besonders augenfällig und historisch offenbar auch besonders wirksam wird diese Wir-GruppenKonstruktion, wenn und so weit es gelingt, die damit verbundenen Konstrukte an das Erleben und Behandeln von ›Eigenem‹ und ›Fremdem‹ zu binden [...]« (Hausendorf 2002: 25).

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Studienberater eine Zugehörigkeit beider Gesprächspartner zur gleichen sozialen Gruppe, so führte dies zu einer größtmöglichen Unterstützungsleistung. Auch mit Hilfe der Sequenzanalyse haben zahlreiche Autoren versucht, Kulturstudien durchzuführen. Die Beiträge in Boden und Zimmermann (1993) zeugen von diesem Unterfangen, in dem jedoch das heuristische Potential der Ethnomethodologie nicht ausgeschöpft werden kann: Auch wenn der Ansatz als talk in interaction bezeichnet wurde, so zielte er doch darauf ab, bereits vorab bekannte Muster und deren Konstitution in Gesprächen zu identifizieren. Soziale Strukturen sollten sich meist in Form konsolidierter Machtungleichgewichte manifestieren.

Schegloffs Ethnomethodologie gegen Kultur Emanuel A. Schegloff hat als einer der Begründer der ethnomethodologischen Konversationsanalyse die Einbindung von Kultur als einer Begriffsvariablen in die Ethnomethodologie immer wieder vehement abgelehnt. Während Schegloff selbst insbesondere die Sequenzanalyse vorangetrieben hat und das Konzept der Membership Categorization Device meist auf Sacks (1974) zurückgeführt wird, äußert sich Schegloff bis in die Gegenwart hinein auch zu letzterem Ansatz (Schegloff 2007). Die Auseinandersetzungen Schegloffs mit dem Kulturbegriff und dessen Verfechtern seien an dieser Stelle zumindest auszugsweise wiedergegeben, um sie im Hinblick auf die Zielstellung der vorliegenden Studie erwägend diskutieren zu können. Weisen andere Forscher auf Indizien für Einflüsse von Kultur auf Interaktionen hin, dann windet sich Schegloff immer wieder argumentativ aus den jeweiligen Begründungen heraus und entzieht den von ihm vertretenen Ansatz im letzten Moment einer Kulturalisierung. Nur stichhaltige Beweise können ihn von erkennbaren kulturellen Einflüssen überzeugen, und diese mag er in den meisten Fällen nicht erkennen können, er stellt ihre Aussagekraft meist schlicht in Frage. Besonders anschaulich werden diese Diskussion und Schegloffs Verteidigungshaltung am Beispiel der Erforschung von Eröffnungssequenzen von Telefongesprächen. Schegloff selbst hat mit der entsprechenden Forschung begonnen und verteidigt sich später gegenüber Einwänden anderer Autoren, die für die Kulturspezifik dieser Eröffnungssequenzen plädieren (Schegloff 2002). Interessant erscheint diese Debatte insofern, als dass die Kulturspezifik von Eröffnungssequenzen von Telefongesprächen selbst aus einem Alltagsverständnis heraus auf der Hand zu liegen scheint: Beinahe jeder Sprecher einer Fremdsprache in der westlichen Welt wird bereits irgendwann einmal die Erfahrung gemacht haben, dass sich die Konventionen dazu, wie Telefongespräche begonnen und eröffnet werden, von Sprache zu Sprache unterscheiden. Gleichzeitig erscheinen diese Eröffnungssequenzen als Situationen, in denen eine starke Ritualisierung und Konventionalisierung für die Sicherstellung eines störungsfreien Gesprächsablaufs besonders notwendig sind. Schegloff wehrt sich gegen diese aus seiner Sicht vorschnelle Annahme über die Kulturspezifik von Telefoneröffnungssequenzen. Ihmzufolge müsste vor einer solchen Folgerung zuerst abgesichert werden, dass es keine anderen Kontext- oder Situationsvariablen gibt, die ausschlaggebend für eine bestimmte Ausgestaltung der genannten Sequenzen sind. Allein die Tatsache, dass einzelne Sequenzen in unterschiedlichen Sprachen getätigt sind und sich zugleich (aus Schegloffs Sicht: zufällig)

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strukturell voneinander unterscheiden, genügt Schegloff demgegenüber nicht als Beleg dafür, dass die Beteiligung unterschiedlicher Kulturen für diese strukturellen Unterschiede verantwortlich sei. Schegloff räumt zwar ein, dass die ethnomethodologische Konversationsanalyse in gewisser Weise immer auch eine Kulturforschung sei, weil in der Regel muttersprachliche Forscher Konversationen aus ihrer eigenen Sprache und Kultur untersuchten (Schegloff 2002: 272). Die Durchführung eines Kulturvergleichs hält Schegloff auf dieser Grundlage jedoch nicht für begründbar. Sieht man die häufig kulturalistisch geprägte Kulturforschung der vergangenen Jahrzehnte kritisch, dann kann Schegloffs energisches und kritisches Abwägen gegenüber zu vorschnellen Kulturattributionen heilsam erscheinen. Betrachtet man seine kritische Argumentationsweise vor dem Hintergrund eines in der vorliegenden Studie angenommenen Dispositivs interkultureller Kommunikation, dann mag sein Agieren als eine Strategie erscheinen, mit deren Hilfe Schegloff versuchen könnte, zumindest seinen eigenen Arbeitsbereich, nämlich den der Konversationsanalyse, von Instrumentalisierungen und Vereinnahmungen durch kulturalistische Interpretationen frei zu halten. Wie ist dieser Versuch vor dem Hintergrund des Dispositivs interkultureller Kommunikation zu werten? Auf den ersten Blick erscheint Schegloffs Strategie erfolgreich, indem er kulturalistischen Deutungen den Zugang zu einem Diskursfeld verwehrt. Dennoch erscheint Schegloffs Lage im Blick auf das Dispositiv schwierig. Letztlich ist er nicht der einzige, der Kommunikationen zu der Thematik produziert, wenngleich er sicherlich als Mitbegründer der Disziplin eine sehr tonangebende Rolle einnimmt. Einerseits muss Schegloff Stellung nehmen zu den genannten Argumenten für die Kulturspezifik untersuchter Sequenzen. Auch wenn Schegloff diese Kulturspezifik leugnet, ist er doch gezwungen, Stellung zu nehmen zum Phänomen kultureller Unterschiede, und letztlich leugnet er ja nicht einmal, dass es diese grundsätzlich gibt. Auch aus einer weiteren Perspektive werden Schegloff und der von ihm propagierte Ansatz vom Dispositiv interkultureller Kommunikation umschlossen und vereinnahmt: Wenn Kritiker ihm vorwerfen, er verstärke implizit bestehende Machtasymmetrien, indem er deren Existenz leugnet und sich nicht für deren Bekämpfung einsetzt, wird Schegloff im Grunde auch bereits wieder eine aktive Rolle innerhalb des Dispositivs zugeschrieben. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint auch für die ethnomethodologische Konversationsanalyse eine grundsätzliche Transzendierung des Dispositivs interkultureller Kommunikation nicht möglich. Erst durch die Integration dieses Ansatzes als ledigliche Methode und Erhebungsinstrument in ein weiter gefasstes Modell zur Beschreibung dispositiver Einflüsse auf konkrete Interaktionen, wie es in der vorliegenden Studie entwickelt wird, kann die Ethnomethodologie einen Beitrag dazu leisten, einen zumindest distanzierteren Blick auf das besprochene Phänomen zu ermöglichen. Schegloff räumt notwendige Kulturkenntnisse des Forschers ein Selbst Schegloff (1996a: 210) räumt ein, dass einige Analysen und Interpretationen gesprächsanalytischen Materials ohne kulturelles Hintergrundwissen des Forschers praktisch kaum leistbar seien. Zu diesem Eingeständnis kommt Schegloff bei der Beschäftigung mit dem Phänomen der Bestätigung konversationeller Anspielungen. Schegloff hat herausgefunden und zeichnet nach, dass ein vergleichsweise gängiges

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konversationelles Ritual darin besteht, dass Sprecher Anspielungen auf bestimmte Phänomene tätigen und dann in einem späteren Redebeitrag noch einmal bestätigen, dass sie eine Anspielung gemacht haben. Doch auch diese Bestätigung wird meist nicht explizit formuliert, und Schegloff zufolge lässt sich das gesamte Phänomen auch aus gesprächsanalytischer Sicht ohne kulturelles Hintergrundwissen des Forschers kaum im Material überhaupt erst entdecken: »This is not the sort of action that is part of the articulable vernacular culture (what Giddens (1988 [1984]) terms ›discursive culture‹); there is no speech act term for it; it is not readily accessible to intuition, although without a native’s cultural knowledge it might not be detectable in an examination of interactional materials« (Schegloff 1996a: 210).

Hier scheint Schegloff entsprechend einzugestehen, dass der Forscher nicht nur grundsätzlich über kulturelles Hintergrundwissen verfügt, sondern dass er es auch immer in die Analyse einbringen muss. Gegen diese Erfordernis wehrt sich Schegloff an anderer Stelle (Schegloff 1999b; 1999a) vehement, als Diskursanalytiker ihm vorwerfen, dass eine interpretationsfreie Analyse schlicht nicht möglich sei und dass das interpretative Wirken daher zumindest offen eingestanden werden müsse (Billig 1999b; 1999a). Nichtmuttersprachlichkeit aktiviert kulturelle Differenz Schegloff zufolge kann die Konversationsanalyse kulturelle Identitäten von Sprechern aufdecken, die sich durch das Zusammentreffen von Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern im Gespräch ergeben: »At least to some extent, conversation analytic studies of talk involving ›nonnative speakers‹ can reveal that identities related to nativeness and nonnativeness, such as expert and novice language speakers, are locally constituted within the ongoing communication« (Schegloff et al. 2002: 13).

Entsprechend räumt Schegloff ein, dass es offenbar so etwas wie objektive Kategorien gibt, deren Existenz schlicht nicht geleugnet werden kann, und deren Existenz nicht gleich als Produkt wilden forscherischen Interpretierens abgetan werden kann. Dazu gehört für Schegloff das Zusammentreffen von Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern in Gesprächen, die dadurch markiert und charakteristisch geprägt werden. Diese Markierung ist auch den Sprechern sehr wahrscheinlich meist bewusst und präsent, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Nichtmuttersprachlichkeit das Gespräch im Sinne von Interkulturalität modifiziert – auch Schegloff räumt diese Möglichkeit ein. Conversation Analysis und interkulturelle Kommunikation Schegloff zufolge kann die Konversationsanalyse sogar einen klaren Beitrag zur Erforschung interkultureller Kommunikation leisten. Beispielsweise kann sie der Disziplin der von ihm als solche bezeichneten interlanguage pragmatics (Schegloff et al. 2002: 16) die methodische Vorgehensweise liefern, mit deren Hilfe zwischensprachliche Unterschiede in der Verwendung von Äußerungen und Redewendungen beschrieben und untersucht werden können. Schegloff wendet hier allerdings ein, dass

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dieser Ansatz nicht vollständig den Prinzipien der Ethnomethodologie entspricht: Aus der Angewandten Linguistik werden hier Vergleichskategorien und Untersuchungsszenarien eingegrenzt und vorab benannt, die dann unter ausgewählten Sprachen verglichen werden. Eine ethnomethodologische Herangehensweise würde demgegenüber die Gelegenheit zum Sprachvergleich allgemein negieren und im Besonderen Vorbehalte gegenüber der Aufstellung von vorgefertigten Vergleichskategorien artikulieren. Conversation Analysis und die Interpretation sozialer Strukturen Schegloff zufolge ist ein großer Teil sozialer Probleme und sozialer Ungleichheiten durch Membership-Kategorisierungen definiert (Schegloff 2005a: 449). Schegloff spielt dabei darauf an, dass viele Ungleichheiten bereits in ihrer Begrifflichkeit durch Kategorisierungen fassbar sind, wie beispielsweise Rassismus und Sexismus. Auch Schegloff bestätigt, dass diese Kategorisierungen in der Regel nicht offen und explizit genannt werden (Schegloff 2005a: 450). Um sich nicht allzu sehr auf eine Integration der Variable Kultur einlassen zu müssen, führt Schegloff noch eine zusätzliche Zwischenebene in seine Theorie ein, die er als »stance« (Schegloff 2005a: 450) bezeichnet, was sich als Haltung übersetzen ließe: Individuen nehmen demnach in Interaktionen eine bestimmte Haltung ein. Gemeint sind Werthaltungen, die durchaus auch auf kulturellen Werten beruhen und die Bewertungen – meist Abwertungen – bestimmter sozialer Gruppen beinhalten. Diese Haltungen beeinflussen Schegloff zufolge unmittelbar die Entwicklung eines Gesprächs. Auch Schegloff bestätigt, dass die Membership Categorization Analysis über lange Zeit hinweg außerhalb des zentralen Interesses der Gesprächsforschung gelegen habe. Sie habe aber zu den ersten Grundideen der ethnomethodologischen Konversationsanalyse gehört und erfahre derzeit wieder steigende Aufmerksamkeit. Dieses neue Interesse führt Schegloff darauf zurück, dass die MCA zusätzlich durch interdisziplinäre Ergänzungen bereichert worden sei. Interessanterweise sieht Schegloff gerade im Bereich der Erforschung ethnischer Konflikte eine besonders große Motivation für die Reaktivierung einer Erforschung von Kategorisierungen (Schegloff 2005a: 450).15 Schegloff deutet hier bereits an, dass in Konversationen Verknüpfungen zwischen Kategorisierungen unterschiedlicher Art etabliert werden können, die zunächst eigentlich nicht zueinander passen. Entsprechend sei es aber beispielsweise

15 Schegloff untermauert dies mit Verweisen auf ausgewählte Texte, die die Konstruktion von Ethnizitäten thematisieren und dabei Bezug nehmen auf das Kategorienverständnis von Harvey Sacks. So verweist Schegloff (2005a: 450) beispielsweise auf Brubaker (2002), der in seinem Artikel Ethnicity without groups auf den wesentlichen Unterschied zwischen Gruppen und Kategorien hinweist: Wo Kategorisierungen getroffen werden, besteht noch längst nicht wirklich eine Gruppe (Brubaker 2002: 169). Dass eine Etablierung ethnisch motivierter Kategorisierungen in Konversationen sehr subtil und implizit erfolgen kann, deutet Schegloff (2005a: 450) mit seinem Verweis auf Bailey (1997) an. Bailey stützt sich bei seiner Analyse von Servicegesprächen in interkulturellen Kontexten auf unterschiedliche ethnomethodologische Konzepte, auch aus der Sequenzanalyse. Kategorisierungen tragen demnach jedoch ebenfalls wesentlich zur Etablierung interkulturell markierter Kontexte bei (Bailey 1997: 333).

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möglich, ethnische Kategorisierungen mit pejorativen Bewertungen unterschiedlichster Art zu verknüpfen, so dass letztlich eine legitime Abwertung und Verurteilung von Angehörigen ausgewählter ethnischer Gruppen möglich wird (Schegloff 2005a: 545). Gegen eine direkte und unmittelbare Verbindung und theoretische Verknüpfung zwischen den Begriffen von Sprache, Interaktion und Kultur wehrt sich Schegloff immer wieder vehement. Problematisch erscheint ihm dabei, dass die Annahme einer solchen Verknüpfung für viele sprachwissenschaftlichen Disziplinen, wie beispielsweise die Angewandte Linguistik oder die Linguistic Anthropology in den meisten Fällen eine Selbstverständlichkeit sei, gegen die sich lediglich Vertreter der ethnomethodologischen Konversationsanalyse strikt verwahrten (Schegloff 2005b). Eine interessante Argumentation zu diesem Standpunkt entwickelt Schegloff in dieser Diskussion, indem er die Existenz von Kultur nicht direkt leugnet, während er lediglich die Definitions- und Begründungsversuche von Kultur auch weiterhin als problematisch ansieht. Letztlich erscheint ihm die Beschreibungsebene von Kultur jedoch sowohl an sich als auch als Gegenargument gegenüber einer methodisch streng verstandenen Ethnomethodologie gar nicht erforderlich. Schegloff leugnet nicht, dass es auf der Ebene von Kultur, die aus Sicht der Ethnomethodologie eine Makro-Ebene darstellt, relevante Aspekte für die Interaktion gibt. Doch auch diese Phänomene könnten mit ethnomethodologischen Vorgehensweisen untersucht werden, der Einbezug eines Kulturbegriffs wäre dagegen nicht erforderlich. Für Schegloff würde dies lediglich bedeuten, dass die Spanne des zu untersuchenden Materials entsprechend, gegebenenfalls auch immens, ausgeweitet werden müsse. »In short, you can’t do anything unless you know everything!« schreibt Schegloff (2005b: 472) und meint damit, dass mit ethnomethodologischen Methoden letztlich auch Makro-Phänomene abgedeckt werden können – und auch für eine adäquate Interaktionsanalyse abgedeckt werden müssen, was jedoch noch längst keine Kulturanalyse erforderlich machen würde (Schegloff 2005b: 470ff).

Ethnomethodologie und gesellschaftspolitisches Engagement In der vorliegenden Studie sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Auseinandersetzung mit dem Themenfeld interkultureller Kommunikation bereits genau herausgearbeitet worden und in Form einer Dispositivanalyse methodisch fassbar gemacht worden. Aus diskurstheoretischer Sicht wird dabei von einer vollständigen diskursiven Konstruktion des thematischen Gegenstands ausgegangen, dessen Konstruktionscharakter für die Diskursteilnehmer in einer Gesellschaft jedoch nicht mehr permanent bewusst ist. Der dispositive Charakter des Phänomens führt stattdessen dazu, dass durch den Erhalt des diskursiven Konstruktes anderweitige soziale Machtungleichgewichte unhinterfragbar aufrechterhalten werden, weil sie sowohl von mächtigen als auch von unterdrückten Gruppen unterstützt werden. Auf der Grundlage dieser Einsicht wird an dieser Stelle nach einer empiriebasierten Forschungsmethode gesucht, die es ermöglicht aufzuzeigen, wie Individuen in der Interaktion zu einer Weiterführung dieses Dispositivs beitragen. Eine besondere

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Herausforderung besteht dabei darin, eine Zugangsmöglichkeit zu eröffnen, die selbst möglichst frei ist von einer Befangenheit des Forschers selbst im Dispositiv. Wenn an dieser Stelle eine ausführliche Diskussion von Ansätzen aus der Ethnomethodologie und der Membership Categorization Analysis vorgenommen wird, weil sich aus ihnen heraus vielversprechende Ansätze eines kulturheuristischen Zugangs zu Interaktionssituationen im Dispositiv erhoffen lassen, dann bedeutet das nicht, dass die genannte Methode bislang jederzeit frei von einer Vereinnahmung durch das Dispositiv war. Im Rahmen einer Rezension referiert Stokoe (2005) eine Auseinandersetzung mit den konversationsanalytischen Vorgaben Schegloffs, der zwar eine Analyse der Konstruktion von Geschlechterdifferenzen nicht verwirft, jedoch grundsätzlich auf den Primat der Forschungsmethode und damit auf eine Beschränkung und Konzentration der Analyse auf das explizit vorliegende empirische Material pocht. Schegloff beruft sich dabei auf die grundsätzliche Notwendigkeit der Gewährleistung einer Forschungsmethode, die auch in den Sozialwissenschaften ohne interpretative Momente des Forschers auskommt, der immer auf sein Kontextwissen zurückgreifen muss. Verfechter der Gender Studies, die sich auch einem gesellschaftspolitischen Engagement verpflichtet sehen und nach Möglichkeiten suchen, mit denen geschlechterbasierte soziale Diskriminierungen sichtbar gemacht werden können, werfen Schegloff in genau dieser Argumentation jedoch selbst ein geschlechterdiskriminierendes Handeln vor: Indem Schegloff sich gegen interpretatorische Vorgehensweisen verwehrt und ausschließliche Explikationen aus dem empirischen Material selbst heraus gelten lässt, unterdrückt er auch die Möglichkeit, häufig vorkommende implizite Diskriminierungsstrategien überhaupt erst sichtbar und anerkennbar zu machen. Mit anderen Worten kann Schegloff damit vorgeworfen werden, dass er zu einer Festigung des status quo einer geschlechterdiskriminierenden und patriarchalen Gesellschaft beiträgt, an der er eine Kritik qua Methode verunmöglicht. Diese Kritik ist durchaus gerechtfertigt, an dieser Stelle soll sie jedoch nicht weiter verfolgt werden, da sie auch den Forschenden selbst wieder zurück in die Grenzen des Dispositivs zieht. Dabei sei nicht geleugnet, dass einer rein ethnomethodologischen Vorgehensweise sicherlich zahlreiche implizite Diskriminierungshandlungen und Ungleichbehandlungen von Individuen entgehen. Diese können jedoch in der Tat nur qua Interpretation und zugleich auch qua Diskurs- und Dispositivteilhabe durch den Forscher aufgedeckt werden. Dass eine solche Vorgehensweise möglich ist und dass sie einer antidiskriminierungsorientierten Forschung zahlreiche Belege für die Nützlichkeit ihres Unterfangens liefert, haben bereits zahlreiche Studien bewiesen. Dies soll an dieser Stelle weder bestritten noch weitergeführt werden. Vielmehr geht es um die Bereitstellung eines Zugangs zu sozialen Interaktionen, der selbst nicht von interpretierenden Einflüssen aus dem Dispositiv heraus verzerrt ist. Die Membership Categorization Analysis der Ethnomethodologie kann einen solchen Zugang bieten, wenn ihre Prinzipien auch in ihrer Anwendung auf eine Kulturforschung möglichst konsequent eingehalten werden. Dass die genannten Methoden höchstens einen möglichst störungsfreien Zugang zu empirischem Material bieten können, aber nicht müssen und schon gar nicht gewährleisten, mag ein Verweis von Stokoe und Edwards (2007: 343) auf eine Stellungnahme von Schegloff (2005a: 449) selbst zur gesellschaftlichen Relevanz seiner Forschungen veranschaulichen. Demnach ging es bereits Schegloff – und nun auch

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Stokoe und Edwards – darum, Bedingungen und Konstellationen zu identifizieren und herauszuarbeiten, die Individuen in besonders hohem Maße zur elizitiven Verwendung von ethnischen und kulturellen Kategorisierungen – und hier insbesondere: Beleidigungen – motivieren. Gefragt wird also nach den Bedingungen, die Individuen zur Verwendung ethnischer Kategorisierungen verleiten. Schegloff scheint dabei der Ansicht zu sein, dass es ein erstrebenswertes Ziel zur Verbesserung sozialer Bedingungen sei, Strategien zu erarbeiten, mit deren Hilfe die Häufigkeit der Verwendung ethnischer Kategorisierungen in Interaktionen reduziert werden kann. Auch Schegloff bettet seine rein deskriptive und methodenorientierte Forschung demnach in soziale Verwendungskontexte ein und greift zu normativen Bewertungen sozialen Handelns. Entsprechend stellt selbst Schegloff seinen Ansatz, für den er einen hohen Primat der Methodenausführung beansprucht, in den Dienst und in den Kontext einer weiteren Ausgestaltung des Dispositivs interkultureller Kommunikation, das auf diese Weise auch hier nicht transzendiert wird. Ein vorläufiges und grundlegendes Ergebnis als teilweise Antwort auf diese von Schegloff aufgestellte Frage liefern zumindest Stokoe und Edwards (2007) in ihrem Beitrag. Demnach werden ethnisch oder kulturell kategorisierende interpersonale Beleidigungen meist in indirekter Rede verwendet und vorgetragen. Diese Strategie im Umgang mit Rassismus bestätigt ten Thije (1997), demzufolge Äußerungen, die als rassistisch eingeschätzt werden könnten, selten von Sprechern direkt selbst geäußert, sondern stattdessen immer so in eine indirekte Rede verpackt werden, dass sie einem anderen, häufig sogar anonym gehaltenen Sprecher in den Mund gelegt werden können – thematisiert werden rassistische Wertungen auf diese Weise in der Interaktion aber dennoch.

Emergenz von Kulturverständnissen aus dem Forschungsmaterial Die bislang referierten Ansätze versuchen zwar eine Integration des Einflusses von Kultur in den theoretischen Rahmen der Ethnomethodologie, in diesem Unterfangen unterscheiden sie sich aber im Ertrag kaum gegenüber anderen Studien aus der Kulturforschung. Sobald Untersuchungen in diesem Bereich Kultur vor dem Hintergrund eines vorab definierten Kulturverständnisses untersuchen, können Forschungsergebnisse nur noch gefiltert von und produziert durch das Dispositiv interkultureller Kommunikation geliefert werden. In diesem Abschnitt wird demgegenüber in einem weiteren Schritt nach Möglichkeiten innerhalb der Ethnomethodologie gesucht, Kulturverständnisse offen zu erkunden, die selbst erst innerhalb des Forschungsmaterials generiert werden. Auch hierzu kann bereits auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden. Ähnlich wie im Fall des Einzugs der Kritischen Diskursanalyse und damit verbunden der Dispositivanalyse in die angewandte Sozialforschung wurde auch die Ethnomethodologie bereits auf die Beschreibung von Geschlechterkonstruktionen angewendet, bevor sie auf die Kulturforschung übertragen wurde. Tileaga (2006: 477) verweist hierzu auf Studien von West und Fenstermaker (1993; 1995). Beide Autorinnen haben später auch weitere Diversitätskategorien, wie beispielsweise Ethnizität in ihren Analysen berücksichtigt (West/Fenstermaker 2002). Tileaga zufolge ist diesen Ansätzen das Konzept der accountability zentral, das sich bestenfalls als Zuständigkeit übersetzen ließe und das Tileaga zufolge von John Heritage in die

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konversationsanalytische Forschung eingeführt worden ist. Diese Zuständigkeit wird von interagierenden Individuen permanent erneut statuiert und durch Benennungen und soziale Einordnungen von Gegenständen und Personen vollzogen. Stokoe (2006: 469) bezieht sich ebenfalls auf die Studien von West und Fenstermaker, die ihrzufolge herausgefunden haben, dass insbesondere ein Verhalten, das nicht den sozialen Kategorien von Geschlechtlichkeit entspricht, eine verbale Infragestellung dieser Kategorien hervorruft. Insbesondere in diesen Fällen werde die Kategorie Geschlecht in Gesprächen überhaupt erst aktiviert und stünde dann zugleich auch bereits für die Betroffenen zur Disposition. Tileaga (2006) selbst führt eine Studie durch, in der er sich auf die diskursive Psychologie (Potter 2001) beruft. Dabei wird gezeigt, wie Probanden in Interviews die Andersartigkeit von Angehörigen der Roma in Rumänien gegenüber der rumänischen Mehrheitsbevölkerung statuieren. Aus der Andersartigkeit, die von den Probanden sogleich als gegeben konstituiert wird, leiten diese zugleich eine soziale Ungleichheit ab. Auch wenn in den Interviews nicht gleichzeitig bereits auch Ungleichbehandlungen vollzogen werden, so wird deren Vollzug durch die gesellschaftliche Mehrheit jedoch legitimiert und akzeptiert. Ethnische Kategorisierungen wurden mit Methoden der Membership Categorization Analysis anfangs zunächst am Beispiel von Medientexten untersucht. Hester und Eglin (1997a) haben hierzu in einem Sammelband erste Studien vorgelegt. Neben medialer Kommunikation sind für sie als Untersuchungssettings auch Kontexte im Bildungs- und Justizbereich von Interesse. Auch der Sammelband von Antaki und Widdicombe (1998) enthält Studien auf der Grundlage der Membership Categorization Analysis, mit deren Hilfe die Konstruktion von Identitäten in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen untersucht wird. Erwähnenswert ist darin insbesondere der Beitrag von Day (1998), der ethnische Zuschreibungen identifiziert.16 McIlvenny (2002b: 14f) zufolge finden Versuche einer Konversationsanalyse unter der Berücksichtigung kultureller Aspekte um die Jahrtausendwende ein erneutes und zunehmendes Interesse. Insbesondere die Membership Categorization Analysis steht hier im Vordergrund. McIlvenny verweist exemplarisch auf Studien und Publikationen von Silverman (1998) und Lepper (2000), Aber auch der spätere Sammelband von Atkinson, Delamont und Housley (2008) lässt sich in diese Reihe einordnen. Neben ethnischen Kategorisierungen bleiben auch gender-orientierte Kategorisierungen für die Forschung weiter von Interesse. So führen beispielsweise CaldasCoulthard und Moon (2010) eine Medienanalyse am Beispiel von Tageszeitungen durch, in denen sie Genderkategorisierungen identifizieren und beleuchten. Mit dem zunehmenden Interesse an der Membership Categorization Analysis gegenüber der zuvor stärker rezipierten Sequenzanalyse wird auch der Stellenwert beider Komponenten aus Sicht ihrer Begründer neu diskutiert und interpretiert. So setzen sich beispielsweise Housley und Fitzgerald für eine Widerlegung der Hypothese

16 Während sich diese Autoren in die Tradition der von Sacks begründeten Theorie stellen, spricht Schegloff (Schegloff 2007: 476f) ihnen das Recht hierzu ab. Schegloff zufolge handelt es sich um ein Verwischen und ein Verschwimmenlassen des Konzepts von Sacks, was die Bezeichnung einer konstruktiven Weiterentwicklung nicht mehr verdient.

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ein, Sacks habe sich innerhalb seines Lebenswerks schrittweise von der Membership Categorization Analysis distanziert. Housley und Fitzgerald betonen stattdessen, dass es Sacks grundsätzlich um die Identifizierung lokaler Strategien zur Gesprächsorganisation ging, die mit dem Modell der Membership Categorization zentral sichtbar gemacht werden kann (Housley/Fitzgerald 2002: 61).

M EMBERSHIP C ATEGORIZATION – DISKURSTHEORETISCH INFORMIERT Ein wesentlicher Schritt, der zur Erreichung des Ziels der vorliegenden Studie erforderlich ist, besteht in der Zusammenführung und Integration der beiden theoretischen Ansätze aus Membership Categorization Analysis und diskurstheoretischen Grundlagen, so dass eine Beschreibung des Handelns von Akteuren innerhalb von Dispositiven möglich wird. Gemäß der gegenwärtigen Sichtung des Forschungsstands liegt eine solche Zusammenführung der beiden Ansätze bislang nicht vor und wird an dieser Stelle innovativ geleistet. Dennoch kann auch hier bereits auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden, die im Folgenden diskutiert werden sollen. So weist der Diskurstheoretiker Reiner Keller darauf hin, dass bereits zwischen Foucaults Grundlagen und den Ansätzen der Ethnomethodologie durchaus Nähen und Parallelen bestanden haben. So ist beispielsweise der Versuch einer Emanzipation gegenüber dem eigenen Forscherkontext bei historiographischen Arbeiten eines der größten wissenschaftstheoretischen Anliegen Foucaults überhaupt, wenn er versucht, neue Sichtweisen auf historische Epochen zu entwickeln. »Seine Vorgehensweise in dieser Phase bezeichnet Foucault als ›Archäologie‹: Er gräbt die Wissensordnungen vergangener Zeitalter aus, ohne Stellung zu deren Wahrheits- und Sinngehalten zu nehmen. Abgelehnt werden dagegen geschichtswissenschaftliche Vorgehensweisen, die auf Klasseninteressen oder Willensabsichten einzelner Subjekte (bspw. ›genialer Wissenschaftler‹) ausgerichtet sind oder in hermeneutischer Perspektive den Intentionen von Autoren vergangener Werke nachspüren« (Keller 2004: 44).

Keller betont, dass Foucault in der hermeneutischen Interpretation historischen Materials eine unberechtigte Engführung und Auslegung früherer Epochen vor dem Hintergrund gegenwärtiger ideologisch geprägter Sichtweisen sieht. Ganz im ethnomethodologischen Sinne versucht auch Foucault demgegenüber, das Untersuchungsmaterial nach Möglichkeit ausschließlich aus sich heraus zu erschließen: »Die oft zitierte Kritik einer ›Hermeneutik des Verdachts‹ bezieht sich auf die Ablehnung der pauschalen Unterstellung bestimmter determinierender Faktoren, die hinter den Äußerungen stehen (etwa im Sinne der marxistischen Basis-Überbau-Annahme). Natürlich beruht auch die Beschreibung von Regelmäßigkeiten auf Deutungs- und Verstehensprozessen, die nur als hermeneutische Auslegungsarbeit begreifbar sind. Kendall/Wickham (1999) betonen die Affinität Foucaults zur Ethnomethodologie. Das Programm der ›Archäologie‹ lässt sich vor dem Hintergrund der ›seriellen Geschichte‹ begreifen, d.h. einer Geschichtsschreibung, die große Daten-

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Auch in gegenwärtigen Ansätzen werden Parallelen und Verbindungen zwischen Ethnomethodologie und Diskurstheorie geknüpft. So plädiert beispielsweise McIlvenny (McIlvenny 2002b) in der Einleitung zu seinem Sammelband für eine Neuinterpretation der Membership Categorization Analysis unter Berücksichtigung von Judith Butlers Performanztheorie. Den wesentlichen Ertrag einer solchen Verbindung sieht McIlvenny darin, dass dann mit Hilfe der Membership Categorization Analysis nicht mehr nur die reine Organisation von Gesprächen, sondern auch das Zustandekommen von Genderdifferenzen innerhalb von Gesprächen erklärt werden kann. Differenzen und Grenzziehungen müssen demnach permanent sowohl performativ vollzogen als auch kategorisierend benannt und bezeichnet werden. Letzteres lässt sich dabei bestmöglich vor dem Hintergrund des Modells der Membership Categorization erklären: »An alternative interpretation of membership categorisation, in line with the feminist poststructuralist thought of Butler (1990), is that the ›I‹ and subjecthood is produced through performatively categorising others and being accountable to categorical distinctions that comprise a discourse. Thus, agency and subjection emerge through the contingency of the reiterative mutual constitution of membership categorisation and the sequential organisation of social/linguistic action« (McIlvenny 2002b: 19).

Entsprechend werden sowohl die Akteure als auch das von ihnen gestaltete Umfeld permanent in der Situation generiert. Für Ethnomethodologen bleibt hier auch weiterhin fraglich, inwiefern eine solche Verquickung beider Ansätze unter der Bedingung ethnomethodologischer Grundbedingungen überhaupt möglich ist. Insbesondere die Frage nach einer nicht begründbaren Berücksichtigung von Kontextwissen, das nicht dem eigentlichen empirischen Material entnommen werden kann, steht dabei zur Diskussion. Diese Debatte kumulierte Ende der 1990er Jahre in einem Schlagabtausch zwischen dem Diskurstheoretiker Michael Billig (1999b; 1999a) und Emanuel Schegloff (1999b; 1999a). Dabei ging es um die Kernfrage, ob letztlich eine Analyse empirischer Daten unter vollständigem Ausschluss interpretierender Hinzufügungen seitens des Forschers im Sinne der Ethnomethodologie überhaupt möglich ist oder ob sich die Ethnomethodologie mit diesem Anspruch nicht sofort selbst ad absurdum führt. Abgesehen von diesen durchaus problematischen und strittigen Fragestellungen, die sich ergeben, wenn man beide Methoden an ihre Grenzen führt, sind dennoch auch zahlreiche Zusammenführungen der Ansätze zur Untersuchung anwendungsorientierter Kontexte vorgelegt worden.

Genderstudien als Vorarbeiten zur Kulturforschung Wie bereits in früheren Szenarien im Rahmen der vorliegenden Studie nachgezeichnet, lassen sich methodische Herangehensweisen an eine aufgeklärte Kulturforschung vielfach in ersten Erprobungsformen auf dem Feld der Gender Studies finden.

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Diese stellen dabei eine ebenfalls gesellschaftlich als relevant eingeschätzte Differenzierungskategorie ins Zentrum ihres Forschungsinteresses. Häufig kann in der später folgenden Literatur dann eine schrittweise und allmähliche Übertragung der dort entwickelten Ansätze auf die Kulturforschung festgestellt werden. Auch die Identifizierung von geschlechterrelevanten und -konstituierenden Kategorisierungen mit Hilfe der Membership Categorization Analysis ist einer ähnlich gelagerten Kulturforschung vorausgegangen. Stokoe verweist darauf, dass die Konstruktion und der Umgang mit Geschlechterkategorien bereits von Beginn der ethnomethodologischen Forschung an als fruchtbringendes Anwendungsfeld erkannt worden war. Stokoe (2006: 467) zufolge hatte bereits Harold Garfinkel (1967) in seiner grundlegenden Monographie Studies in Ethnomethodology am Beispiel eines Transsexuellen gezeigt, wie Geschlechtlichkeit in der Interaktion konstituiert wird. Stokoe evaluiert in ihrem Artikel On Ethnomethodology (Stokoe 2006) die bisherige ethnomethodologische Forschung und entwickelt auf dieser Grundlage eine Herangehensweise, mit deren Hilfe die Konstitution von Geschlechterkategorien in der Interaktion möglichst ohne Vorannahmen des Forschers zur Beschaffenheit und zur Verwendung dieser Kategorien nachgezeichnet werden können soll. Stokoe zufolge war entsprechend auch die bisherige ethnomethodologische Forschung selten wirklich frei von Prämissen, die beispielsweise die Beschaffenheit von Geschlechtlichkeit bereits vorab determiniert haben. Hierzu verweist Stokoe beispielsweise erneut auf frühere Studien von West und Fenstermaker aus den 1970er Jahren, in denen die Autorinnen vergleichsweise einfache, jedoch letztlich nicht haltbare Vorannahmen über die Rolle von Geschlechtlichkeit in Interaktionen getätigt hatten. So sei beispielsweise vermutet worden, dass Männer, denen in westlichen Gesellschaften grundsätzlich die dominante Rolle in Geschlechterverhältnissen zukomme, auch in Konversationen längere Redebeiträge und häufigere Unterbrechungen und Interventionen platzierten als Frauen in gemischtgeschlechtlichen Interaktionen. Hier hatten West und Fenstermaker ein klares A-priori-Bild dessen, wie sich Geschlechtlichkeit in Interaktionen manifestieren sollte. In der empirischen Forschung brauchten nur noch entsprechende Belege erbracht werden, eine heuristisch-offene Forschung war nicht mehr erforderlich. Stokoe resümiert kritisch, dass Studien dieser Art lediglich die Kategorisierungen des Forschers selbst reproduzierten, jedoch keinen Einblick in die konversationellen Konstruktionen der Probanden lieferten (Stokoe 2006: 471).17 Alternativ plädiert Stokoe dafür, die Analyse von Kategorisierungen gemäß der Membership Categorization Analysis stärker mit der ebenfalls im Rahmen der Ethnomethodologie entwickelten Sequenzanalyse zu verknüpfen. Beide Ansätze hätten einander in den zurückliegenden Jahrzehnten insbesondere deshalb vergleichsweise unverbunden gegenüber gestanden, weil die Grundannahmen über die Legitimität des Einbezugs von Kontextwissen in die Analyse unvereinbar erschienen waren: Während Vertreter der Sequenzanalyse sich ausschließlich auf die Berücksichtigung kon-

17 Stokoe beansprucht für sich selbst, diese Problematik zu umgehen, wenn sie schreibt: »Crucially, target categories did not start out as (my) analysts’ categories: I did not use ›gender‹ to explain the presence of particular actions, nor make tenuous assertions about the relevant activities and predicates that are bound to it« (Stokoe 2012: 299).

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versationeller Daten konzentriert hatten, war für eine Analyse von MembershipKategorien der Einbezug von Kontextwissen schon immer konstitutiv.18 Stokoe versucht hier einen Mittelweg: Herausgefunden werden soll, ob und wie sequentielle Gesprächsabfolgen die Aktivierung und Konstitution von Kategorien (hier: Geschlechterkategorien) beeinflussen (Stokoe 2006: 471). Dabei kommt Stokoe angesichts ihrer eigenen empirischen Analysen zu dem Schluss, dass eine klare Konsequenz einer Aktivierung einer Kategorie vor dem Hintergrund eines bestimmten sequentiellen Hintergrunds nicht möglich ist: »However, as we also discussed earlier, ›categories‹ are a different order of phenomenon from things like ›turn design‹ and ›sequence organization‹. Put simply, they are not necessarily tied to particular sequences. Unlike, say, the action of ›agreement‹ that normatively follows the action of ›assessment‹, the lexical content of such adjacency pairs is not so possible to predict. Because of the kind of phenomenon they are, then, it is unlikely that we can predict when categories will crop up in interaction, and, as Pomerantz and Mandelbaum (2005) point out, it is also unlikely that when a category is used, it will be an instance of the same interactional phenomenon, or doing the same kind of action. Pomerantz and Mandelbaum therefore claim that ›because we cannot know in advance when a person will explicitly invoke a […] category, there is no way to plan data collection of them‹ […].« (Stokoe 2006: 483)

Dennoch postuliert Stokoe eine Art erhöhter Wahrscheinlichkeit einer Möglichkeit des Aktiviertwerdens von bestimmten Kategorien in gegebenen Situationen. So könnten beispielsweise Geschlechterkategorien dazu genutzt werden, gegebene Situationen in einer strategischen Weise zu interpretieren, was Stokoe am Beispiel polizeilicher Verhöre und Befragungen nach Delikten erläutert (Stokoe 2006). Um den Umgang mit Kategorien und Kategorisierungen in der Forschung zu reflektieren, greift Stokoe (2006: 468) den Hinweis von Stanley und Wise (1993) auf, dass sich forschendes Kategorisieren in der Ethnomethodologie in keiner Weise von Kategorisierungen in alltäglicher gesellschaftlicher Interaktion unterscheidet. Entsprechend selbstreflexiv müsse einerseits mit Kategorisierungen in Forschungsprozessen umgegangen werden. In dieser Äquivalenz der Ethnomethodologie gegenüber dem Alltagshandeln liegt zugleich ein entscheidender Vorteil der Forschungsmethode: Sie setzt sich zum Ziel, keine Konstrukte und Modelle zu bemühen oder hinzuzufügen, die sich nicht auch in der Alltagswelt finden lassen können.

18 Als Hauptgegner der Membership Categorization Analysis macht Stokoe (2006: 471f) Emanuel Schegloff aus, der diesen Ansatz bis zur Jahrtausendwende als unvereinbar mit Prinzipien der Ethnomethodologie torpediert hatte: »In particular, Schegloff [hier bezieht sich Stokoe auf ein unveröffentlichtes Manuskript Schegloffs aus dem Jahr 2002, das jedoch ein Jahr nach der Veröffentlichung von Stokoes Beitrag im Journal of Pragmatics erschienen ist (Schegloff 2007), D.B.] is critical of what he sees as MCA’s engagement with ›promiscuous‹ analytic practices by importing and imposing the ›common sense‹ knowledge needed ›for the argument-in-progress‹. These kinds of issues have meant that, over the years, there has been little cross-fertilization of work between sequential CA and MCA despite Hester and Eglin’s (1997a: 2) claim, that ›both the sequential and categorizational aspects of social interaction inform each other.‹«

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Kultur als Kategorie Bereits in den ersten grundlegenden Darstellungen der Membership Categorization Device durch Sacks liegt es auf der Hand, dass die in diesem Konzept enthaltenen Kategorisierungen unter anderen auch ethnisch-kulturellen Kriterien folgen können, dass also ethnisch-kulturelle Kategorisierungen nicht nur denkbar, sondern in Alltagsinteraktionen sozusagen omnipräsent sind. In seinen Vorlesungen geht Sacks selbst nicht auf Kriterien von Ethnizität oder kultureller Zugehörigkeit im Hinblick auf Kategorisierungen ein. Im Gegensatz zu den aktuelleren Äußerungen Schegloffs, der die Variable Kultur jedoch auch für die Beschreibung des eigenen Ansatzes für irrelevant hält, ist sich Sacks noch permanent der kulturellen Relativität seines Konzepts bewusst. So stellt Sacks in seinen Vorlesungen immer wieder klar heraus, dass das Verständnis von Kategorisierungen und von den jeweils übergeordneten Devices hochgradig kulturspezifisch ist. Kategorienwissen kann sogar charakteristisch für eine Kultur sein, Kulturen lassen sich danach beschreiben, welches Kategorienwissen in ihnen besteht und von ihren Mitgliedern jeweils spezifisch geteilt wird (Sacks 1992a: 245ff). Auf die Möglichkeit ethnisch-kultureller Kategorien geht Sacks in seinen Vorlesungen (Sacks 1992a; 1992b) nur indirekt, bzw. unter anderen Vorzeichen ein. Sacks verwendet nur den Begriff der Rasse als Kategorisierungsmerkmal und versteht dieses bipolar und damit als ähnlich geformt wie beispielsweise die ebenfalls bipolar angelegte Kategorisierung des Geschlechts (Sacks 1992a: 40ff, 238). Ethnischkulturelle Zugehörigkeiten außerhalb eines bipolaren Schemas werden von Sacks selbst in diesem Kontext noch nicht direkt behandelt. So verweisen auch Hester und Housley (2002a: 1) noch darauf, dass Identitäten eigentlich im Zentrum ethnomethodologischer Forschungsinteressen stünden, dass jedoch kulturelle und nationale Identitäten bislang vernachlässigt worden seien.19 Eine explizite Auseinandersetzung mit dieser Option findet sich jedoch beispielsweise bei Aug Nishizaka, der mit Hilfe einer Membership Categorization Analysis zeigt, wie Interaktanten im Gespräch Interkulturalität als einen Modus aktivieren, der beispielsweise dadurch zustande kommt, dass kulturelle und ethnische Zugehörigkeiten in der Interaktion konkret benannt werden (Nishizaka 1995). In einem späteren Aufsatz zeichnet Nishizaka darüber hinaus nach, wie mit der Aktivierung von Interkulturalität und Fremdheit auch moralische Bewertungen im Gespräch konstituiert werden können (Nishizaka 1999). Weitere Arbeiten und kontextspezifische Beschreibungen von ethnischen Kategorisierungen liegen unter anderem von Rastas (2005) sowie von Spreckels und Kotthoff (2007) vor. Der deutsche Sprachwissenschaftler Jörg Bergmann, der sich bereits in zahlreichen früheren Publikationen mit der der ethnomethodologischen Konversationsanalyse (Bergmann 1994) und mit der Konstruktion von Ethnizität in Gesprächen (Bergmann 2001) beschäftigt hat, hat sich jüngst dem Konzept der Membership Categorization Device zugewendet, mit dessen Hilfe ihmzufolge ethnische und kulturelle Zuschreibungen in Gesprächen nachgezeichnet werden können.

19 »In spite of this widespread ethnomethodological interest in matters of identity, there appears to be little research on national identity in particular« (Hester/Housley 2002a: 1).

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Für die Praxis zeigt Woodin (2010) am Beispiel des Fremdsprachenunterrichts, wie sehr Kategorisierungen einerseits für eine soziale Orientierung grundlegend und unumgänglich sind, wie sehr sie aber andererseits auch der Anwendung von Stereotypisierungen im interkulturellen Kontakt immensen Vorschub leisten. Außerhalb einer ethnomethodologischen Orientierung und Fundierung legt Banton (2011) ein systematisierendes Modell vor, aus dem hervorgehen soll, wann und unter welchen Umständen Interaktanten kulturelle Kategorisierungen bewusst sind, und wann sie demgegenüber irrelevant zu sein scheinen. Nach wie vor problematisch erscheint bei zahlreichen dieser Studien jedoch die Tatsache, nach der ethnographische Forscher meist schon beim Forschungsdesign eine Suche nach ganz bestimmten Indikatoren für Kulturalität und Ethnizität eröffnen und dabei einen selbst gewählten Kulturbegriff zugrunde legen. Gefährdet ist demgegenüber meist die Möglichkeit, mit Hilfe ethnomethodologischer Sichtweisen tatsächlich die individuelle Ausgestaltung von Kulturalität durch die Probanden selbst zu identifizieren und nachzuzeichnen (Ryen/Silverman 2000).

Category-bound activities und moralische Zuschreibungen Das Konzept der category-bound activities (Sacks 1974: 221f) innerhalb der Theorie der Membership Categorization Device zusammen mit der Möglichkeit moralischer Bewertungen und Zuschreibungen zu solchen Kategorisierungen ermöglicht schließlich eine Beschreibung komplexer Umgangsformen mit Kulturalität und Ethnizität in Gesprächen. Exemplarische empirische Studien hierzu finden sich beispielsweise in dem Sammelband von Hester und Housley (2002b) sowie in der Monographie von Atkinson, Delamont und Housley (2008). Bei dieser Zusammenführung sollte jedoch grundsätzlich die Komplexität zugrundeliegender Konstruktionen berücksichtigt werden. So schreiben beispielsweise Hester und Eglin: »Subsequent researchers have extended Sacks’s thinking on this matter. Jayyusi […], Payne […], Sharrock […], and Watson […] for example, have all observed that category-bound activities are just one class of predicates which ›can conventionally be imputed on the basis of a given membership category‹ […]. Other predicates include rights, entitlements, obligations, knowledge, attributes and competencies. We provide further details of these studies in the following section of this introduction« (Hester/Eglin 1997b: 5).

Die Attribute zu einer bestimmten Kategorie sind entsprechend potentiell unendlich vielfältig, und erst aus der Kontextsituation wird erkennbar, welche einzelnen Aspekte in dieser jeweiligen Verwendung aktiviert werden. Auch zur Praxisrelevanz solcher Kategorisierungen liegen bereits Arbeiten vor. So schildert beispielsweise Norris (2007) deren gesellschaftliche Etablierung aufgrund einer für diese Belange nicht sensibilisierten Bildungspolitik. Rellstab (2007) zeigt anhand von Online-Chats, wie Kategorisierungen in virtuellen Umgebungen eine vollständige Reproduktion von Geschlechterrollen verursachen.

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Membership Categories vs. Stereotypisierungen Kategorisierungen anhand kultureller oder ethnischer Differenzkriterien sind für die Forschung zur interkulturellen Kommunikation kein neues Konzept. Die Stereotypenforschung, die sich meist auf sozialpsychologische Wurzeln und hier insbesondere auf das vielzitierte Grundlagenwerk von Allport (1954) bezieht, hat eine vergleichsweise lange Tradition innerhalb der Forschungsfragen zur interkulturellen Kommunikation. Entsprechende Arbeiten sind Legion und daher kaum auch nur annähernd vollständig erfassbar. Jüngere Einordnungen in die im deutschsprachigen Raum betriebene Stereotypenforschung liegen beispielsweise von Thomas (2004b) vor, eine grundlegende Einführung in die interkulturelle Stereotypenforschung beispielsweise zusätzlich von Dahl (1999). Auch von der Gesprächsforschung wurde eine Beschreibung von Stereotypisierungen bereits vorgenommen (Mallinson/Brewster 2005). Angesichts dieser weit vorangetriebenen Forschungsrichtung ließe sich dem hier vorgestellten Ansatz der Membership Categorization Analysis vorwerfen, dass mit seiner Anwendung auf Problemstellungen einer interkulturellen Forschung alter Wein in neuen Schläuchen verkauft werde. Kritiker einer reinen Stereotypenforschung weisen demgegenüber jedoch darauf hin, dass letztere zahlreiche relevante Fragestellungen meist unbeantwortet lassen muss. So schildert beispielsweise Lüsebrink (2005: 86ff), dass der Stereotypenbegriff an sich zunächst nur die kontextfreie Konstruktion imaginierter Bilder beinhalte. Darüber hinaus übernehmen Stereotypen jedoch wesentliche soziale Funktionen. So beinhalteten sie beispielsweise eine so genannte Rechtfertigungsfunktion: »Sie ermöglichen ein auch nachträgliches Rechtfertigen eigener Verhaltensweisen« (Lüsebrink 2005: 90). Demnach lassen sich auch Stereotypen mit Handlungsformen verknüpfen. Von dieser sozialen Verankerung von Stereotypen zeugt nicht zuletzt die gesamte gruppenpsychologische Forschung (Biernat/Sesko/Amo 2009), so dass davon ausgegangen werden kann, dass auch kulturelle und ethnische Stereotypisierungen sozial konstruiert und hervorgebracht werden (Caprariello/Cuddy/Fiske 2009). Grundsätzlich machen Stereotypen jedoch nicht per se eine Handlungsrelevanz aus. Sie können als Grundlage für Handlungsentscheidungen verwendet werden, müssen es aber nicht. Zahlreiche Anthropologen plädieren hier für eine zunehmende Fokussierung der Forschung auf Handlungsauswirkungen: »Doch so schön und spannend es sein kann, die Entwicklung eines Stereotyps bis zu dessen Geburtsstunde zurückzuverfolgen, bleibt die Frage nach der Relevanz für das ›Denken, Fühlen und Handeln konkreter Akteure‹ (Cyrus 2001: 168) weitgehend ungeklärt. Eine Definition, die die Reziprozität zwischen Stereotyp und Realität bzw. handelnden Akteuren stärker in den Fokus nimmt, legt der Volkskundler Klaus Roth vor: ›Stereotypen sind kognitive Formeln, verfestigte Überzeugungen, die der Umweltassimilation und Lebensbewältigung dienen. Es sind historisch wandelbare, aber doch ziemlich stabile Alltagskategorisierungen, Typisierungen der Umwelt, die aber dadurch, dass sie Verhalten steuern, auf die Realität zurückwirken, Realität beeinflussen und erzeugen können‹ (Roth 1998: 23).« (Schondelmayer 2008: 58).

Spreckels und Kotthoff legen eine systematische Gegenüberstellung der Konzepte von Stereotypisierungen und Membership Categorizations vor (Spreckels/Kotthoff 2007: 422). Demnach kann die Membership Categorization Analysis auf ein wesent-

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lich weitreichender ausgebautes Erfassungsmodell und Instrumentarium zurückgreifen, wenn es darum geht, die Praxis der Kategorisierungen in soziale Interaktion einzubetten. Insbesondere der Aspekt der bereits besprochenen category-bound activities spielt eine wesentliche Rolle für die Beschreibung von Handlungslegitimierungen in interkulturellen Kontaktsituationen.

H YPOTHESE ZUR DISPOSITIVGELEITETEN A KTIVIERUNG KULTURELLER K ATEGORIEN Aus diesen Überlegungen Stokoes lässt sich eine zentrale Hypothese zur Beschaffenheit der in der vorliegenden Studie untersuchten Verknüpfbarkeit zwischen Dispositivtheorie und Ethnomethodologie ableiten: Grundsätzlich wird angenommen, dass kulturell oder ethnisch motivierte Zuschreibungen und Attributionen – einschließlich bewertender Eigenschaften und entsprechender kategorienbezogener Tätigkeiten – in sozialer Interaktion getätigt und somit konstruiert werden. So weit ließe sich eine parallele Beschaffenheit kultureller Konstruktionen gegenüber Genderkonstruktionen annehmen. Offen bleibt für Stokoe die Frage, wann und unter welchen Bedingungen, in welchen Situationen es – unter Umständen plötzlich – in Gesprächsverläufen zur Aktivierung von kulturellen Kategorisierungen kommt – zumal in der empirischen Gesprächsforschung die Erfahrung gemacht wurde, dass eine offene Suche nach Aktivierungen kultureller Kategorisierungen häufig der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleicht. Stokoe findet hier keine schlüssige Begründbarkeit – auch nicht für ein gelegentliches Eintreffen des Falls der Aktivierung in einer gegebenen Situation. Das fehlende Bindeglied in dieser Fragekonstellation könnte mit Hilfe dispositivtheoretischer Annahmen beigesteuert werden. Hypothetisch kann somit davon ausgegangen werden, dass kulturelle oder ethnische Kategorisierungen immer dann aktiviert werden – und somit auch das Dispositiv interkultureller Kommunikation aktiviert wird, wenn es in einer konkreten und singulären Situation darum geht, an der Behebung des Notstands, der dem Dispositiv zugrunde liegt, zu arbeiten. Als sozialer Notstand, der dem Dispositiv interkultureller Kommunikation zugrunde liegen könnte, wurden an dieser Stelle – wie auch im Fall zahlreicher vergleichbarer Dispositive – der Bedarf nach einem Erhalt von sozialen Ungleichheiten und Machtungleichgewichten gesehen, der jedoch in offener und expliziter Form in einer gegebenen Gesellschaft nicht mehr moralisch vertretbar oder begründbar wäre. Mit anderen Worten: Wenn sich in konkreten und singulären Situationen eine Gefährdung des durch das Dispositiv indirekt aufrechterhaltenen Machtungleichgewichts abzeichnet, oder wenn eine Reaktivierung dieses Machtungleichgewichts erforderlich wird, dann kann darin eine der häufigsten Motivationen für die Aktivierung kultureller oder ethnischer Kategorisierungen liegen. Auch mit dieser Begründung kann keine Kausalverbindung statuiert werden. Der Verwendung kultureller Kategorisierungen als Konkretisierungen von Strategien und Techniken zum Erhalt des qua Dispositiv gestützten Machtungleichgewichts kann jedoch eine Konstellation vorausgehen, mit der sich besonders häufig – vielleicht sogar in einem Großteil der konkreten Fälle – eine solche Aktivierung überhaupt begründen lässt. Auch dies kann

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bislang nur als Hypothese formuliert werden, jedoch werden die getätigten Annahmen von allen bisherigen Forschungsergebnissen – insbesondere Stokoes – unterstützt, und die Hypothese füllt eine Begründungslücke. Ob sich diese Annahmen bestätigen, kann an dieser Stelle höchstens exemplarisch an bereits vorliegenden Beispielen überprüft werden. Begründet werden kann mit der Annahme eines konkret wirkenden und vorhandenen Dispositivs hinter der sozialen Interaktion jedoch, dass kulturelle Kategorisierungen nicht aus dem Nichts heraus aktiviert werden. Stattdessen gibt es häufig keinen konkreten Anlass: Die Strategien und Techniken des Dispositivs sind in einer gegebenen Situation gefordert. Aufgrund der Verdecktheit des Dispositivs ist auch dieser Zusammenhang in der Interaktion selbst und auch angesichts rein konversationeller Daten häufig nicht direkt ersichtlich. Erforderlich von Seiten des Forschers ist stattdessen in der Tat die Annahme der Existenz eines Dispositivs sowie ein Wissen über seine Funktionen und Mechanismen.

Beispiele zur Veranschaulichung der Hypothese Um diese Hypothese weiterzuverfolgen, müssen in einem nächsten Schritt Verfahren entwickelt werden, mit deren Hilfe systematisch die Momente in situativen Interaktionen identifiziert und aufgedeckt werden können, in denen ein qua Dispositiv ansonsten verdeckter Notstand plötzlich wieder offenkundig wird, so dass es in der Folge zu einer situativen Aktivierung entsprechender dispositiver Strategien kommt. Wichtiger noch als das Erkennen eines solchen zutage tretenden Notstands seitens des Forschers erscheint darüber hinaus die Frage, woran die betroffenen Interaktanten diesen Notstand erkennen und wie sie in der Interaktion manifest machen, dass sie das Aufkommen eines Notstands wahrnehmen? Letztlich entscheiden die Interaktanten selbst über das Zutagetreten eines Notstands, er tritt nicht von selbst hervor, sondern wird bestenfalls durch die Interaktanten selbst aktiviert, so dass in einem nächsten Schritt wahrscheinlich versucht wird, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Unter Umständen sind diese Gegenmaßnahmen, also forcierte Strategien zur Unterdrückung des Notstands durch Techniken aus dem Repertoire in Gesprächen die ersten positiven Indikatoren, anhand denen mit Hilfe gesprächsanalytischer Methoden auf dispositives Handeln geschlossen werden kann. Um sich heuristisch suchend nach möglichen Identifikationspunkten von Notstandswahrnehmungen umzuschauen, ließe sich umgekehrt danach fragen, mit welchen Kategorisierungsstrategien sich eine Behebung von Notständen besonders direkt, effektiv und zugleich für den Forscher offensichtlich erreichen ließe. Als besonders effektiv erscheinen dabei Situationen, in denen Kategorisierungen mit moralischen Urteilen und Bewertungen verknüpft werden. Letztere könnten dazu beitragen, etwa ein ins Wanken geratenes Machtungleichgewicht unmittelbar wieder zu zementieren. Dies geschieht mit Hilfe von Kategorisierungen aus dem oberflächlichen Themenspektrum des Dispositivs, entfaltet seine machtstabilisierende Wirkung jedoch auf einer tieferliegenden, für die Interaktanten gezielt nicht sichtbaren Ebene. Erste Arbeiten zur Integration moralischer Urteile in die Membership Categorization Analysis liegen, wie an dieser Stelle bereits referiert, von Jayyusi (1984) vor. Stokoe (2006) berichtet darüber hinaus aus ihren eigenen empirischen Forschungen

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zu Gesprächen im Rahmen von polizeilichen Vernehmungen und Verhören von moralisierenden Kategorisierungen. Stokoe, der es um eine Untersuchung der Konstitution von Geschlechterkategorien in Gesprächen geht, zeichnet dabei nach, wie diese Kategorisierungen gezielt aktiviert werden, um moralische Urteile auf anderer Ebene zu aktivieren, zu zementieren und fest an die Kategorie des Geschlechts zu knüpfen, so dass sie letztendlich von den Interaktanten nicht mehr hinterfragt wird. Konkret beobachtet Stokoe, wie männliche Straftäter in den Verhören über Frauen berichten und diese so schildern, dass Geschlechtlichkeit mit moralisch bewertbarem Verhalten verknüpft wird. Obwohl diese Verknüpfung von Geschlecht und moralischem Verhalten in den Gesprächen nie explizit statuiert wird, verwenden die Sprecher implizite Strategien zur Festigung eines solchen Bildes. In den konkreten Beispielen führt diese Strategie dazu, das die besprochenen Frauen aufgrund naturalisierender Kategorisierungen, die an ihre Geschlechtlichkeit gebunden sind, als schuldig markiert werden, wohingegen der männliche Sprecher entlastet wird. Die Verknüpfung von Geschlechterkategorisierungen mit moralischem Verhalten gereicht den Sprechern in dem genannten Beispiel also unmittelbar zu einem situativen und sozialen Vorteil, sie mindern ihre eigene Schuld an einem besprochenen Vergehen. Übertragen auf eine dispositivtheoretische Sichtweise könnte hier gefolgert werden, dass ein Sprecher ein situatives Hervortreten eines Notstands klar erkennt: Seine bis dahin existierende hegemoniale soziale Machtposition ist akut bedroht, er könnte gerichtlich verurteilt werden und dann die sozial niedriggestellte und untergebene Rolle eines Verbrechers einnehmen. Um diese Bedrohung und Infragestellung seiner Machtposition abzuwenden, aktiviert der Sprecher Kategorisierungen aus einem Dispositiv, das in westlichen Gesellschaften ebenfalls eine wesentliche machtstabilisierende Wirkung übernimmt, das Dispositiv der Geschlechterkategorien, das in der vorliegenden Studie ebenfalls bereits als Vorarbeit zur Untersuchung des Dispositivs interkultureller Kommunikation diskutiert worden ist (Bührmann 1998). Situativ stärkt der Sprecher auf diese Weise seine Machtposition, der aufkeimende Notstand wird behoben. Geleistet wird dies durch eine Verknüpfung moralischer Kategorisierungen zur Bewertung der Situation mit Kategorisierungen aus dem Dispositiv der Geschlechterdifferenzen. Entsprechend kann vermutet werden, dass Dispositive immer dann qua Kategorisierung in Gesprächen aktiviert werden, wenn individuelle Machtpositionen in konkreten Situationen akut in Gefahr sind. Dass Berechtigungen, aber auch Verantwortlichkeiten und Schuldhaftigkeiten auf Individuen qua Membership Categorization solide und unhinterfragbar übertragen werden können, zeigt auch Rautajoki (2012) an ihrem Beispiel der Analyse einer Fernsehtalkshow. Immer wenn im Rahmen einer Sendung der Talkshow neue Gäste eingeführt werden, wird zu diesen Personen eine schriftliche Kurzbeschreibung für den Zuschauer am Bildschirm eingeblendet. Rautajoki arbeitet heraus, dass die Kategorisierungen, die in dieser Kurzbeschreibung getätigt werden, maßgebliche Konsequenzen und Auswirkungen auf den späteren Gesprächsverlauf in der Talkshow haben. Mit den anfangs eingeführten Kategorisierungen verknüpfen die Interaktanten später Verantwortlichkeiten einerseits und hegemoniale Rechte andererseits, die in der Interaktion selbst nicht mehr ausgehandelt werden müssen, sondern die stattdessen offenbar bereits von allen Beteiligten als nicht zu hinterfragen angenommen werden.

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Auch Kategorisierungen auf der Grundlage ethnischer und kultureller Zugehörigkeiten lassen sich mit moralischen Bewertungen und Verurteilungen aufladen, die im Anschluss eine Komplettverurteilung der betroffenen Personen sowie deren entsprechende Behandlung in der Interaktion legitimieren. Busch (2010) zeigt dies am Beispiel eines Verkaufsgesprächs zwischen deutschen Kunden und einem polnischen Verkäufer auf einem polnischen Grenzbasar nahe der deutschen Grenze. Ähnlich wie die Genderkategorisierungen im Beispiel der polizeilichen Vernehmungen bei Stokoe werden auch hier explizite kulturalistische oder nationenspezifische Kategorisierungen von den Interaktanten durchweg vermieden. Sie werden lediglich implizit aktiviert, beispielsweise durch das Spiel mit unterschiedlichen Sprachen und angestellten Preisvergleichen zu den Waren beider Länder. Explizit demgegenüber werden jedoch pejorative Kategorisierungen aktiviert, mit denen die deutschen Kunden in dem genannten Beispiel den polnischen Verkäufer zu einem Dieb und zu einem Betrüger degradieren. Die Legitimation, dies zu tun, speist sich implizit aus den zuvor ebenfalls implizit eröffneten kulturellen und nationalen Kategorisierungen. Einmal etabliert und verknüpft mit Kategorisierungen aus dem Dispositiv interkultureller Kommunikation scheinen die deutschen Kunden gegenüber dem polnischen Verkäufer freie Hand zu haben: Für sie ist er nun ganz selbstverständlich ein unehrlicher Geschäftspartner, gegenüber dem sie entsprechend selbstbestimmt ihre Interessen durchsetzen und die Regeln für einen gerechten oder fairen Handel durchsetzen können. Das genannte Beispiel belegt darüber hinaus, dass auch das Dispositiv interkultureller Kommunikation durchaus einander überlagernde Mehrfachidentitäten zulässt: In dem Beispiel geht der polnische Verkäufer auf die für ihn negativen Kategorisierungen ein und fügt sich in die Minderheitenrolle. Indem er parallel dazu immer wieder Redeeinwürfe auf polnisch tätigt, die die deutschen Kunden nicht verstehen können, hält der Verkäufer jedoch parallel dazu eine eigene, positive Identität als Ladenbesitzer und Gastgeber im eigenen Land, der darüber hinaus über das Privileg der Zweisprachigkeit verfügt, aufrecht. Die beiden Identitätskonstruktionen der deutschen Kunden und des polnischen Verkäufers widersprechen einander, während beide zugleich auch die Rolle der jeweils untergebenen in der Szenarienkonstruktion des anderen mitspielen können, ohne dabei die hegemoniale Identität im eigenen Szenario zu verlieren. Auslöser für die Aktivierung kultureller, bzw. nationaler Kategorisierungen und deren Verknüpfung mit pejorativen Verurteilungen ist in beiden Fällen die von den Interaktanten akut empfundene Bedrohung der eigenen Hegemoniestellung, die sie in der Situation eigentlich für sich beanspruchen. Einerseits kann eine solche Bedrohung bereits angesichts der lediglichen Einschätzung der gegebenen Verkaufssituation wahrgenommen werden, andererseits tragen natürlich auch die Aktivierungen des Dispositivs durch die jeweilige Gegenseite und die dadurch angewendeten Strategien zur Notstandsbehebung im Sinne eines Machterhalts erheblich dazu bei, dass genau diese Auslösung eines Notstands beim Interaktanten selbst wahrgenommen wird. Entsprechend kann gefolgert werden, dass kulturelle und ethnische Kategorisierungen im Rahmen eines Dispositivs interkultureller Kommunikation ähnlich wie Genderkategorisierungen situativ aktiviert werden können, um wahrgenommene Notstände, für deren Behebung ein bestimmtes Dispositiv im Allgemeinen zuständig ist, auch situativ beheben zu können.

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Der ethnozentrische blinde Fleck in der Ethnomethodologie Kritisch sieht beispielsweise Watson (1997) die selbst auferlegt Einschränkung der Membership Categorization Analysis im Rahmen ethnomethodologischer Prinzipien. Watson zufolge kommt diese Engführung daher, dass bereits Sacks und Schegloff als Begründer der Methode den Ansatz der MCA grundsätzlich immer in einem sehr engen Zusammenhang und in Verknüpfung mit der Sequenzanalyse konversationeller Daten gesehen haben. Analysiert werden kann in diesem Kontext nur das, worauf Sprecher in einer Konversation explizit Bezug nehmen. Viele implizite Kategorisierungen können damit aber nicht erfasst werden. McIlvenny zufolge diskutiert auch Schegloff (1996a: 565-566) selbst dieses Problem unter dem Begriff des »category shadow« (McIlvenny 2002b: 19). In ihrer orthodoxen Variante muss sich die Konversationsanalyse sogar vor normativen Einflüssen gesellschaftlicher Diskurse auf die untersuchten Interaktionen hüten, da sie diese mit ihrem Instrumentarium nicht identifizieren kann. McIlvenny weist darauf hin, dass Interaktanten häufig auf der Basis von Laien-Theorien, den an dieser Stelle bereits besprochenen »lay theories« (McIlvenny 2002b: 20) handeln. Forscher laufen angesichts dieses Phänomens Gefahr, es zu verkennen, und stattdessen von einer Gegebenheit dieser Laien-Theorien als einer natürlichen Form auszugehen. McIlvenny spielt damit auf eine Gefahr an, die auch im Rahmen dieser Studie die größten Bedenken gegenüber einer empirischen Erforschung interkultureller Kommunikation auslösen: Wie kann ein Forscher interpersonale Interaktion erforschen, ohne selbst in seiner Interpretation dem nicht reflektierten Dispositiv interkultureller Kommunikation anheim zu fallen? Und wie kann der Forscher die Einbindung der Forschungsobjekte in dieses Dispositiv identifizieren? McIlvenny sieht in diesem Aspekt, den er selbst nicht im Sinne der Dispositivtheorie benennt, deren Problematik er aber sehr wohl bemerkt, eine Gefahr für den Erfolg eines ethnomethodologischen Vorgehens. Gleichzeitig sieht er darin jedoch auch kein unüberwindbares Hindernis. Stattdessen fordert er eine Sensibilisierung und zugleich auch eine Spezialisierung des ethnomethodologischen Forschers auf die genannten Herausforderungen. So sollten Konversationsanalytiker für McIlvenny ganz im Sinne von Butlers Gendertheorie nicht nur nach Manifestationen von binären Trennungen, wie beispielsweise den Geschlechterdifferenzen, suchen. Stattdessen sollte die Aufmerksamkeit und der Schwerpunkt eines Forschens in diesen Differenzkategorien auf deren Etablierungs- und Naturalisierungsprozesse gelegt werden. McIlvenny spricht von Prozessen des »doing naturalization« (McIlvenny 2002b: 21), die aufgedeckt werden sollen. Was McIlvenny für eine aufgeklärte Erforschung von Geschlechterkategorisierungen fordert, kann dabei auch für die Erforschung kultureller Grenzziehungen in entsprechenden Dispositiven vorgeschlagen werden.

Kulturelle Ankerpunkte und Bewertungen Im methodischen Vorgehen muss sich die Konversationsanalyse offenbar immer wieder mit der gleichen Kritik auseinandersetzen: Gefragt wird, ob nicht zu viele Aspekte unberücksichtigt bleiben, wenn man sich nur darauf stützt, was in der Konversation tatsächlich expliziert wird. Zugleich lässt sich die Frage formulieren, wie

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man beweisen kann, dass Kategorien, wie beispielsweise Geschlecht, in Passagen, in denen sie nicht expliziert werden, auch wirklich keine Rolle spielen. Mit Sherry Ortner (1989) argumentiert McIlvenny, dass zunächst allein erkennbare Indexikalitäten kein eindeutiges Kriterium dafür sein könnten, was für Sprecher in einer Interaktion derzeit relevant ist und was nicht. Darüber hinaus versuchen Handlungstheoretiker wie Ortner, in der Interaktion Ankerpunkte für soziale Einstellungen, kulturelle Formationen und ähnliches zu finden. Schegloff im Gegenzug argumentiert, dass Interpretationen, die nicht auf der Grundlage nachweisbarer Referenzen in der Interaktion basieren, höchstens Sichtweisen der Forscher, nicht aber der Probanden wiedergeben können (McIlvenny 2002b: 22). Eine weitere Einschränkung der ethnomethodologischen Konversationsanalyse sieht McIlvenny darin, dass mit ihrem Instrumentarium beschriebenes Verhalten nicht bewertet werden kann: »It would seem that CA can show how people ›do gender‹, and how conduct is normatively accountable, but it cannot explain why that conduct may be oppressive or say what other conduct is possible or desirable. However, as argued above, the ›natural‹ or ›ordinary‹ or ›everyday‹ are sites of contestation and struggle, and so we need to find ways to criticise apparently ›natural‹ or ›essential‹ categories. It should be possible to discover the gaps and contradictions in the regulatory practices of talk and make positive statements about repressions and exclusions« (McIlvenny 2002b: 23).

Mit dieser Forderung läuft McIlvenny nach aller theoretischen Reflexion Gefahr, sorgsam voneinander getrennte Phänomene wieder miteinander zu vermischen: McIlvenny bedauert, dass die Ethnomethodologie es dem Forscher nicht ermöglicht, vorgefundene Kategorisierungen auch normativ, bzw. vor einem sozialen Hintergrund zu bewerten – unter Umständen, um anwendungsorientierte Forschungsergebnisse produzieren zu können. Aus dispositivtheoretischer Sicht würde jedoch ein solcher Bewertungsversuch implizieren, dass das empirische Material, das sorgsam unter Umgehung dispositiver Einflüsse kodiert worden ist, nun doch wieder unter dem Einfluss von sozialen Dispositiven interpretiert und bewertet wird. Von einer solchen Bewertung wird demnach an dieser Stelle Abstand genommen. McIlvenny legt in seinem Sammelband (McIlvenny 2002c) eine Reihe von Beiträgen vor, die sich allesamt mit der Funktion von Kategorisierungen bei der Konstitution von Geschlechterdifferenzen auseinandersetzen. Stokoe und Smithson (Stokoe/Smithson 2002) verwenden in diesem Rahmen die Membership Categorization Analysis und plädieren dabei dafür, dass der Interpretant durchaus auf sein eigenes kulturelles Wissen zurückgreifen sollte, um die Geschlechterkategorien zu identifizieren. Sie begründen diesen Schritt damit, dass der Forscher auch selbst als Mitglied des Kontextes betrachtet werden kann, der jeweils gerade analysiert wird (Stokoe/Smithson 2002: 85). Schließlich werden qua Analyse den Probanden kulturelle Kontextualisierungen unterstellt und auch zugestanden. Gleiche Bedingungen bestehen dabei auch für den Forscher selbst. Demnach könne auch die kulturelle Kontextualisierung des Forschers durchaus mit in die Analyse einbezogen und explizit gemacht werden. Gegenüber einer Kulturanalyse, vor der die soziale Konstruiertheit kultureller Zuschreibungen relativ offensichtlich ist, geht es den Gender Studies um eine we-

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sentlich grundlegendere Emanzipation: Während Kulturalität durchaus als etwas gilt, das den Menschen nicht angeboren, sondern qua Sozialisation zu eigen geworden ist, geht es in den Gender Studies auch weiterhin um den Nachweis der Notwendigkeit einer Abwendung von biologistisch-deterministischen Modellen, nach denen Geschlechtlichkeit den Menschen angeboren sei. Als umso effektiver erweist sich hier die Gesprächsforschung, mit deren Hilfe aufgezeigt werden kann, dass Geschlechtlichkeit kein Ist-Zustand ist, sondern dass sie erst qua performativen Vollzugs konstituiert wird (McIlvenny 2002a: 111). Entsprechend sieht McIlvenny diese Einsichten, zu deren Beschreibung die Ethnomethodologie und die Membership Categorization Analysis letztlich nur als passendes Instrument hinzugezogen werden, insbesondere als ein Produkt des so genannten performative turn. Ein weiteres Lehrstück zur Anwendung der Membership Categorization Analysis bei der Erforschung von Geschlechtergrenzziehungen liegt für die deutschsprachige Forschungslandschaft in dem methodenorientierten Text von Ute Karl (2012) vor. Erste Brückenschläge zwischen einer Erforschung sozialer Identitäten, die unter anderen sowohl geschlechterbasierte als auch ethnisch motivierte Komponenten enthalten können, und der Konversationsanalyse zeigen bereits sehr früh Abell und Stokoe (Abell 2001). Dass das Zustandekommen von Identitäten zwingend empirisch und anhand sozialer Interaktionen untersucht werden müsse, folgern die Autorinnen aus der Erkenntnis, dass sich Identitäten selbst grundsätzlich aus sozialen Kontexten heraus bildeten, nie aber allein aus rein intrapsychischen Prozessen heraus. Geht man davon aus, dass diese Identitätskonstruktionen diskursiv konstruiert werden, dann erscheint eine konversationsanalytische Herangehensweise als die erste Wahl, wenn es darum geht, mikroanalytische Prozesse aufzuspüren. Eine Herausforderung ergibt sich bei dieser gegenstandsorientierten Forschung jedoch aus den Vorgaben der ethnomethodologischen Konversationsanalyse, Rückschlüsse ausschließlich aus mikroanalytisch erfasstem und vorliegendem Material unter Aussparung von Kontextwissen zuzulassen. Abell und Stokoe analysieren eine Medieninterview mit Prinzessin Diana und zeigen dabei auf, wie zum Einen die Konstruktion von Identitäten mit Hilfe der Konversationsanalyse nachgezeichnet werden kann, wie sich zum Anderen jedoch auch der Einbezug von Kontextwissen nicht nur aus dem Gegenstand heraus, sondern auch aufgrund der konsequenten Anwendung der Methode sogar zwingend ergibt: In ihrem Beispiel zeichnen die Autorinnen nach, wie Prinzessin Diana in ihrer Antwort auf eine Interviewfrage eine individuelle und eigene Identität entwirft, die zwischen der teilweisen Übernahme von und Anpassung an Rollenerwartungen an ein Mitglied der Königsfamilie und einer teilweisen Abwendung und einer eigenen Konstruktion changiert. Am Beispiel der Rollenerwartungen an Mitglieder der Königsfamilie zeigen Abell und Stokoe hier, dass selbst die von Harvey Sacks eingeführten Konzepte der kategoriengebundenen Aktivitäten und der kategoriengebundenen Eigenschaften nur auf der Grundlage von bereits vorhandenem Kontextwissen der Interaktanten, aber auch der Forscher, überhaupt funktionieren können. So kann Prinzessin Diana deshalb im Interview andeutungsweise von ihrer Rolle als Angehörige des Königshauses sprechen, weil sie von einem geteilten Kontextwissen in der Zuhörerschaft ausgehen kann. Auch die Erfassung dieses Phänomens als kategoriengebundene Aktivitäten gemäß der Membership Categorization Analysis kann nur funktionieren,

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wenn der Forscher sich auf diesen Einbezug von Kontextwissen einlässt (Abell 2001: 424f).

Anwendungsfeld diskursive Psychologie Elizabeth Stokoe, die in den Jahren nach der Jahrtausendwende eine Vielzahl von Texten zur Kultur- und Differenzanalyse qua Konversationsanalyse veröffentlicht hat, und deren Arbeiten an dieser Stelle umfangreicher gewürdigt werden sollen, nutzt als einen wesentlichen Verwendungszusammenhang für ihre Theorien die jüngeren Entwicklungen einer diskursiven Psychologie (Discursive Psychology (DP)). Diese Tendenz in der Psychologie trägt zwei Einsichten Rechnung: Zum Einen wird davon ausgegangen, dass psychische Selbstkonzepte weniger als Ergebnisse intrapsychischer Prozesse, sondern vielmehr als Resultate sozialer und diskursiver Aushandlung und Konstruktion verstanden werden müssen. Zum Anderen soll der Einsicht Rechnung getragen werden, dass sowohl Forschern als auch anwendungsorientierten Therapeuten im psychologischen Bereich nur ein diskursiv vermittelter Zugang zu psychischen Prozessen möglich ist. Als Arbeitsgrundlagen können immer nur die verbal-diskursiven Äußerungen der Forschungssubjekte dienen, die dann einer Interpretation zugeführt werden müssen. Edwards und Stokoe klinken sich hier in den Forschungsprozess und in die Genese und Gestaltung der diskursiven Psychologie ein, indem sie auf noch zu beseitigende methodische Mängel und Unklarheiten in Arbeiten des neuen Fachs hinweisen (Edwards/Stokoe 2004). Erforderlich für eine solche psychologische Forschung werden demnach nun erstmals gesprächsanalytische Methoden und Handwerkszeuge. Insbesondere die methodengeleitete Auswertung empirischen Materials falle jedoch noch häufig Inkonsequenzen anheim, für deren Vermeidung insbesondere die ethnomethodologische Konversationsanalyse und darin die Membership Categorization Analysis präzise Handlungsanweisungen und Analysemodelle entwickelt haben. Auch hier geht es jedoch wiederum um die Rekonstruktion der Genese sozialer Identitäten, so dass neben einer Berücksichtigung ethnomethodologischer Prinzipien und konversationsanalytischer Vorgehensweisen im Forschungsprozess ein Einbezug von Kontextwissen unerlässlich wird.

Ethnomethodologie vs Performativität In den vorangegangenen Kapiteln der vorliegenden Studie wurden Handlungen, die das Dispositiv interkultureller Kommunikation bestärken und festigen, mit Hilfe der Performativitätstheorie beschrieben, wie sie sie insbesondere Judith Butler bereits für die Gender Studies fruchtbar gemacht hatte. Demnach wird davon ausgegangen, dass Individuen Dispositive dadurch stützen, dass sie sie permanent qua Zitation und Iteration reproduzieren. Erst durch ihre kommunikative Statuierung werden soziale Kategorien, wie die des Geschlechts, Wirklichkeit. Aufbauend auf dispositivtheoretischen Grundlagen entwickelt Butler eine sehr konstruktivistische Gesellschaftstheorie. Diese Überlegungen wurden in der vorliegenden Studie zunächst hypothetisch auf das Forschungsfeld interkultureller Kommunikation zur Beschreibung des hier

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vermuteten Dispositivs interkultureller Kommunikation übertragen. In einem zweiten Schritt wurde die ethnomethodologische Konversationsanalyse als ein Theorien- und Methodenfeld entdeckt, dessen Grundannahmen eine bestmögliche empirische Erforschung und Beschreibung dieser Annahmen um Dispositiv und Performativität zu versprechen scheint. Ethnomethodologie und Performativitätstheorien fußen jedoch letztlich auf zwei recht verschiedenen Theorietraditionen: Während sich die Ethnomethodologie auf Entwicklungen aus der Phänomenologie heraus beruft, basieren Performativitätstheorien auf den Diskurstheorien meist Foucaultscher Provenienz. McIlvenny (2002a) stellt die Theorien von Ethnomethodologie und Performativität einander in zahlreichen Einzelaspekten gegenüber. Dabei deckt er zahlreiche Inkongruenzen auf und erläutert deren Folgen für eine Erforschung von Geschlechterkategorisierungen mit Hilfe ethnomethodologischer Vorgehensweisen. McIlvenny beginnt damit, dass aus Butlers Sicht die Ethnomethodologie für eine theoretisch fundierte Analyse der Kategorie Gender kaum vorbereitet ist. So sei die Ethnomethodologie blind für Einflüsse von Machtstrukturen, denen Butler eine zentrale Rolle beimisst. Auch die Kategorien und Verständnisse der Kategorie Gender würden in der Ethnomethodologie kaum theoretisch reflektiert, sondern größtenteils aus Alltagsverständnissen heraus übernommen. Während die Ethnomethodologie eine konstruktivistische Haltung insofern für sich beansprucht, dass sie davon ausgeht, dass Kategorien und Wirklichkeit in Interaktionen konstruiert werden, nimmt Butler eine eher relativierende und vermittelnde Position ein: Von besonderem Interesse ist für Butler auch die Beschreibung einer Konstitution und Positionierung von Subjekten, die aus ihrer Sicht ebenfalls erst im Diskurs entstehen (McIlvenny 2002a: 140). Darüber hinaus hat der Performativitätsansatz eine diachrone Dimension: Erst durch Iteration und Zitation werden Bedeutungen und Wirklichkeiten gefestigt, was einen zeitlichen Prozessablauf erfordert. Die Ethnomethodologie nimmt demgegenüber nur temporäre Momentaufnahmen in den Blick und ignoriert vermeintliches Kontextwissen (McIlvenny 2002a: 140f). Noch dringender erscheint neben diesen strukturellen Unterschieden für McIlvenny die Frage danach, welche Äquivalente die Ethnomethodologie zu Butlers politischer Mission bieten kann. Butler versteht ihre Theorie als Grundlage für eine aktive und verändernde Gesellschaftskritik. Diskursive Materialisierungen, mit denen Machtungleichgewichte gefestigt und unsichtbar gemacht werden, sollen an nun zu identifizierenden Bruchstellen aufgebrochen werden. Vergleichbare Überlegungen liegen zunächst außerhalb des Interesses der Ethnomethodologie, aber McIlvenny zeigt Möglichkeiten auf, mit denen Butlers Impetus das Spektrum der Ethnomethodologie bereichern kann. So könne mit empirischen Methoden durchaus gezeigt werden, wie Kategorisierungen nicht nur immer erneut vollzogen und damit zementiert werden. Stattdessen könnten auch Prozesse aufgezeigt werden, in denen Kategorisierungen exemplarisch auch wieder dekonstruiert und abgeschafft werden. Gerade das Desinteresse der Ethnomethodologie an moralischen Fragen könne eine wesentliche Grundlage liefern, auf der bestehende Normen und Zuständigkeiten aufgedeckt, offen beschrieben und kritisch hinterfragt werden könnten (McIlvenny 2002a: 141). Für die vorliegende Studie kann angesichts dieser Überlegungen zusammengefasst werden, dass zwischen zugrunde liegender Theorie des Dispositivs und seiner methodischen Beschreibung mit Hilfe der Ethnomethodologie durchaus theoretische

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Brüche und Diskrepanzen bestehen, denen man sich bewusst sein sollte, die aber auch konstruktiv verwendet werden können. Aus theoretischer Sicht gerät insbesondere der Anspruch der Ethnomethodologie als einer konstruktivistischen Theorie ins Wanken: Allzu häufig werden Handlungen in Interaktionen als letztbegründete und unhintergehbare Fakten statuiert, die Interdependenz zwischen Subjekt und Diskurs bleibt dagegen ausgeklammert. In der vorliegenden Studie wird trotz dieser Spannungen von beiden Seiten Gebraucht gemacht. Mit Hilfe der Dispositivtheorie werden Diskurse und ihre soziale Wirkmächtigkeit theoretisch erfasst. Dabei wird im Einklang mit performativitätstheoretischen Annahmen auch die Ansicht geteilt, dass das Dispositiv sowie die in dessen Rahmen getätigten Handlungen qua Zitation und Iteration erst geschaffen werden. Gegenüber McIlvennys grundsätzlichen Bedenken kann jedoch angeführt werden, dass Zitation und Iteration durchaus auch eine plausible Erklärungsgrundlage für das Zustandekommen von Kategorisierungen liefern können, wie sie mit Hilfe der Membership Categorization Analysis untersucht und beschrieben werden können.

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Rapley (2012) weist darauf hin, dass der von Stokoe vertretene Ansatz zu einer Verschränkung konversationsanalytischer Methoden mit Modellen der Membership Categorization Analysis darauf abzielt, dass nur dann soziale Kategorisierungen, wie beispielsweise Geschlecht oder Kulturalität erfasst werden können, wenn diese von den Sprechern in der Interaktion explizit thematisiert werden. Rapley hält diese Orientierung für eine nicht zwingend erforderliche Engführung, durch die sicherlich zahlreiche implizite Kategorisierungen aus dem Blick geraten und durch die die Analyse entsprechend ineffizient wird. Rapley spricht sich daher für Verfahren aus, mit deren Hilfe auch implizite Strategien der Kategorisierung erfasst werden können. Ähnliche Bedenken liegen auch bereits aus früheren Publikationen vor (Kotthoff 1994). Letztlich mag in der Tat in Frage gestellt werden, ob die möglichst reine Orientierung an Prinzipien und Methoden der Ethnomethodologie einen Selbstzweck hat. Vertreter dieser Ansicht argumentieren gegenüber den Bedenken, dass nur auf diese Weise ein Zugriff auf soziale Interaktion erfolgen kann, bei dem interpretatorische Einflüsse seitens des Forschers zumindest minimiert werden können. In der vorliegenden Studie wird unterstellt, dass die Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation Gegenstand einer dispositiven Struktur ist, der Mitglieder einer Gesellschaft sich grundsätzlich nicht entziehen können, selbst wenn sie dies versuchten. Angesichts dieser Besonderheit soll die Ethnomethodologie an dieser Stelle als eine geeignete Methode vorgestellt werden, mit deren Hilfe das soziale Handeln im Kontext des Dispositivs möglichst unmittelbar (und nicht ein weiteres mal durch das Dispositiv beeinflusst) beschrieben werden kann.

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Kritik an der Praktikabilität der Methode Stokoe und Edwards (2007: 341f) geben zu bedenken, dass die Suche nach einzelnen und klar eingegrenzten Phänomenen des eigenen Forschungsinteresses schnell einer Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleichkommen kann. Dabei berichten sie nicht nur aus eigenen Erfahrungen, sondern sie beziehen sich zugleich auch auf frühere Bedenken von van Dijk (1987: 119) und Burkhalter (2006). Aus freien und ungesteuerten Konversationen müssten demnach häufig viele Stunden Datenmaterial aufgezeichnet und analysiert werden, um auch nur auf eine einzige der gesuchten Kategorisierungen zu stoßen. Diese Problematik treffe insbesondere und unter anderem auch auf die Suche nach ethnischen und kulturellen Kategorisierungen in Konversationen zu. Der Praktikabilität halber empfehlen Stokoe und Edwards daher eine Analyse thematisch ausgerichteten und eingegrenzten Interviewmaterials, um die Materialfülle auf einem praktikablen Stand zu halten. Zugleich muss hierzu angemerkt werden, dass es sich bei den Bedenken der beiden Autoren ausschließlich um technisch bedingte Einschränkungen handelt, die sich mittelfristig als temporär herausstellen könnten. Bedenkt man, dass auch die empiriebasierte Konversationsanalyse selbst erst vor wenigen Jahrzehnten durch die flächendeckende Verfügbarkeit von Tonbandgeräten überhaupt erst denkbar geworden war, dann lassen sich auch für die Zukunft technische Innovationen erhoffen. So wären durchaus Technologien vorstellbar, die eine automatisierte Analyse weitaus größerer Konversationsabschnitte unterstützen oder auch erst ermöglichen könnten. So waren bereits in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder große Fortschritte in der Entwicklung von Spracherkennungsprogrammen zu verzeichnen; und auch deren flächendeckende Implementierung in Arbeitsstationen und Betriebssystemen hat permanent zugenommen. Eine produktive Verwendbarkeit dieser Instrumente für eine automatisierte Konversationsanalyse mit gleichbleibend hoher Qualität gegenüber bisherigen manuellen Verfahren könnte vor diesem Hintergrund lediglich eine Frage der Zeit sein.

Fazit: Dispositive und handlungsrelevante Aktivierungen von Interkulturalität

Die vorliegende Studie hat sich mit zunehmenden Widersprüchlichkeiten sowie ausstehenden Antworten auf Fragen an die Forschung zur interkulturellen Kommunikation auseinandergesetzt. Entwickelt wurde eine theoretische Neukonzipierung interkultureller Kommunikation als einem Gegenstand akademischer Forschung, für den zugleich auch eine fundierte Operationalisierung in Theorie und empirischmethodischer Erfassung entwickelt wurde, so dass eine fortgeführte und fruchtbringende Erforschung interkultureller Kommunikation realistisch erscheint. Die einzelnen Bestandteile dieser Überlegungen werden in den folgenden Abschnitten noch einmal zusammengefasst und zu einem Ausblick auf weiterführende Forschungsfragen geführt.

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K URZÜBERBLICK

Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation sind in den vergangenen Jahren und sogar Jahrzehnten zunehmend unter Kritik geraten. Zentrale Angriffspunkte insbesondere von Seiten der Sozialwissenschaften bestanden dabei in der pauschalisierenden und sich immer wieder selbst reproduzierenden Wirkung des verwendeten Kulturbegriffs. Für westliche Gesellschaften wurde ein Beratungsbedarf hinsichtlich einer zu steigernden interkulturellen Kompetenz von Individuen geschaffen, dessen professionelle Bearbeitung jedoch selten zu effektiven Lösungen, sondern meist höchstens zu einer sogar gesteigerten Problematisierung geführt hat. Die vorliegende Studie hat vor diesem Hintergrund nach Auswegen aus dem aufgezeichneten Dilemma gesucht, um Wege aufzuzeigen, mit deren Hilfe wieder eine konstruktive Erforschung interkultureller Kommunikation möglich werden kann. Zu diesem Ziel wurde zunächst nach Ursachen für die wahrgenommene Zirkularität und Ziellosigkeit der interkulturellen Forschung gesucht. Hierzu wiederum war zunächst ein adäquates Beschreibungsinstrument erforderlich, das in Form der Diskurstheorie aufbereitet werden konnte. Versteht man die Auseinandersetzung um interkulturelle Kommunikation als einen Diskurs, an dem sich sowohl westliche Gesellschaften im Gesamten als auch de-

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ren Wissenschaften im Besonderen gleichermaßen beteiligen, dann wird der Forschungsgegenstand zu einem Phänomen, dessen Beschaffenheit auch rein diskursimmanent diskutiert werden kann, ohne dabei immer wieder Überprüfungen der Adäquatheit anhand einer vermeintlichen außersprachlichen Realität durchführen zu müssen. Für die Diskurstheorie sind dabei Brüche und Widersprüchlichkeiten in Diskursen eine Selbstverständlichkeit: Sie verweisen auf den sozialen Konstruktionscharakter der Diskurse und der in ihnen behandelten Gegenstände. Brüche und Widersprüchlichkeiten sind dabei Gelenkstellen, an denen sich sozialer und diskursiver Wandel vollziehen kann. Dieser bricht sich allerdings nicht dank seiner Innovation Bahn, sondern unterliegt der hegemonialen Kraft sozialer Machtstrukturen, die einerseits den Wandel vorgeben und andererseits selbst gestärkt aus diesem Wandel hervorgehen. Diskurstheorien tragen dazu bei, das Zusammenspiel aus Diskursen und Machtstrukturen zu erhellen, nachdem sie ein Sprechen über die Diskurse losgelöst von vermeintlichen außersprachlichen Gegenständen möglich gemacht haben. Ungeklärt bleibt dabei häufig noch die Frage danach, unter welchen Bedingungen und zu welchem Anlass Diskurse aktiviert werden, um Machtstrukturen zu stärken. Orientierungen hierzu bietet die Foucaultsche Dispositivtheorie, die von späteren Autoren, wie beispielsweise Bührmann (1998) und Höhne (1998) für Anwendungskontexte wie das Geschlechterdispositiv und das Fremdheitsdispositiv operationalisiert worden ist. Der Begriff des Dispositivs steht bei Foucault für die Vernetzung von Diskursen, Wissens- und Machtstrukturen, deren Produkt eine imaginierte soziale Wirklichkeit ist. Letztere erscheint den Mitgliedern einer Gesellschaft dabei als so gegeben und natürlich, dass sie nicht mehr hinterfragt werde. Dispositive entstünden Foucault zufolge immer dann, wenn Gesellschaften oder zumindest hegemoniale Gruppen in Gesellschaften einen Notstand wahrnehmen, der durch explizites soziales Handeln nicht behoben werden kann. In der Regel betreffen solche Notstände Machtungleichgewichte, deren Erhalt nicht mehr gewährleistet werden kann, weil ihm die bis dahin sozial akzeptierte Legitimationsgrundlage entzogen wird. Im Rahmen des Dispositivs werden daraufhin Strategien aktiviert, mit deren Hilfe eine soziale Wirklichkeit konstruiert wird, in der der jeweilige Notstand als behoben gelten kann. So zeigen bereits frühere Arbeiten, wie auch das Geschlechter- und das Fremdheitsdispositiv dazu beitragen, Machtungleichgewichte aufrechtzuerhalten, die vormals einmal außer Frage gestanden hatten. Für den Kulturdiskurs haben bereits frühere Autoren dessen verdeckte Funktion in der Nachfolge eines zwischenzeitlich sozial nicht mehr vertretbaren Rassismus angemahnt. Demnach werden unter dem Paradigma von Kultur und kultureller Differenz bis heute soziale Grenzziehungen und damit verbundene Ungleichbehandlungen zementiert, für die Jahrzehnte zuvor offener Rassismus die Grundlage geboten hatte. Eine Operationalisierung dieser sozial konstruierten Begründungsstruktur mit Hilfe des Dispositivkonzepts hatte bislang nicht vorgelegen. Sie wurde in der vorliegenden Studie vorgenommen und im Anschluss systematisch für eine Beschreibung und Einschätzung weitreichenderer Teile der Forschung zur interkulturellen Kommunikation sowie entsprechender gesamtgesellschaftlicher Diskurse verwendet. Auch die Forschung zur interkulturellen Kommunikation selbst kennt natürlich den an sie gerichteten Vorwurf und sie setzt sich ihm nicht blindlings aus. Kulturtheorien reflektieren seit langem ihren Konstruktionscharakter und bilden die Grundlage

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für eine zunehmend reflektierte und differenzierte Empirie. Eine entsprechende Auseinandersetzung der interkulturellen Forschung mit der ihr selbst inhärenten Problematik wird entsprechend auch in der vorliegenden Arbeit nachgezeichnet. Versteht man jedoch den Diskursgegenstand interkultureller Kommunikation als Dispositiv in seinem strengen theoretischen Sinn, dann muss die Möglichkeit seiner Transzendierung von innen heraus bereits vorab per se als ausgeschlossen gelten. Mit anderen Worten: Weder gesellschaftliche Diskurse, noch eine hinreichend sensibilisierte Forschung zur interkulturellen Kommunikation wird es schaffen können, sich von diesem Dispositiv zu emanzipieren. Selbst diese Emanzipationsversuche werden stattdessen in aller Regel zu einer Stärkung und Festigung des Dispositivs beitragen. Die vorliegende Studie hat sich zum Ziel gesetzt, einen wesentlichen Teil der sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung zur interkulturellen Kommunikation exemplarisch für den gesamten Forschungsbereich auf seine Wirkweise innerhalb dieses Dispositivs zu überprüfen. Bereits Foucault hatte Dispositiven und der durch sie erst beschreibbar gemachten Vernetzung unterschiedlichster Aspekte in Diskursen deshalb besondere Bedeutung beigemessen, weil mit ihnen die Motive und Begründungen für Handlungsentscheidungen und -initiativen (hier: Andersbehandlungen in interkulturell bedingten Kontexten) sichtbar gemacht werden können. Dispositive sind demnach vor allem handlungsrelevant, sie deuten gezielt auf Punkte, an denen sich Diskurse direkt auf Handeln auswirken. Diese Handlungsrelevanz wurde in der vorliegenden Studie auch als Beschreibungskriterium für Theorien zur interkulturellen Kommunikation operationalisiert. Demnach lassen sich diese Theorien danach beschreiben und ordnen, ob, inwieweit und wie es ihnen gelingt, den Einfluss von Kultur auf individuelles und soziales Handeln klar zu identifizieren und herauszustellen. Je mehr diese Herausstellung von Handlungsrelevanz von Kultur einer Theorie gelingt, desto eher würde sie in der Lage sein, auch gegenüber dem Dispositiv interkultureller Kommunikation eine alternative und haltbare Wirklichkeitskonstruktion zu etablieren. Entstanden ist auf diese Weise eine Kategorisierung und auch eine Staffelung und Bewertung zahlreicher Theorien zur interkulturellen Kommunikation im Hinblick auf ihren Zugriff auf handlungsrelevante Kulturkonzepte. Dabei zeigt sich, dass selbst elaborierteste Kulturtheorien das Dispositiv interkultureller Kommunikation bestärken. Nimmt man die Dispositivtheorie ernst, so können die genannten Kulturmodelle letztlich dennoch nur zu dem Zweck überhaupt geschaffen worden sein, an einer Behebung des genannten Notstands unter dem Dispositiv mitzuarbeiten. In einem weiteren Schritt wurde in der vorliegenden Studie eine Systematisierung und Erfassung der alltagsweltlichen gesellschaftlichen Diskurse über interkulturelle Kommunikation versucht, um auch hier Wirkweisen des Dispositivs identifizieren und nachzeichnen zu können. Ausgegangen wurde dabei von einem Modell aus den British Cultural Studies, das eine Nachzeichnung gegenseitiger Beeinflussungen von medienvermittelter und interpersonaler Kommunikation in Mediengesellschaften unterstützt. Es entsteht ein modellhafter Kreislauf der Kommunikation zwischen medienvermittelten und interpersonalen Interaktionsbereichen. In dieser Matrix wiederum lassen sich einzelne, bereits vorliegende Studien zur interpersonalen und zur Medienkommunikation in interkulturellen Kontexten und über interkulturelle Kommunikation als Thema und Gegenstand einordnen. Berücksichtigt man bei dieser Verortung wiederum die Wirkweise des Dispositivs, so kann auch für den gesellschaftli-

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chen Bereich eine systematische und flächendeckende Ausbreitung des Dispositivs interkultureller Kommunikation konstatiert werden. Interessant erscheint dabei, dass aufgrund der Verwobenheit aus interpersonaler und Medienkommunikation permanent zusätzliche Bereiche gesellschaftlicher Interaktion für das Dispositiv vereinnahmt werden können. Auch hier ist eine Transzendierung des Dispositivs bereits qua definitionem nicht zu erwarten, es kann lediglich um eine genauere und konkrete Nachzeichnung der Wirkweise des Dispositivs gehen. An diesem Punkt stellen sich sowohl die Forschung zur interkulturellen Kommunikation als auch die gesellschaftlichen Diskurse um sie als ein hoffnungsloses Unterfangen dar. Nimmt man trotz aller Dekonstruktion an, dass Gesellschaften immer noch ein gut begründetes Recht darauf haben, Wissenschaften zu installieren und diese zu ihrer eigenen und der Wohlfahrt anderer einzusetzen, dann ist auch in Zukunft gegenüber einer Erforschung interkultureller Kommunikation als einer Suche nach Wegen konstruktiven globalen Zusammenlebens nichts einzuwenden. Die bisherige Analyse legt demgegenüber jedoch nahe, dass zahlreiche bisherige Forschungsansätze in ihrer Effektivität auf diese Zielstellungen hin nur einen geringen Beitrag leisten können, bzw. dass eine effektive Zielverfolgung oft sogar systematisch unterbunden wird. Unter Annahme der Wirkweise des dargestellten Dispositivs interkultureller Kommunikation ist in der vorliegenden Studie die Entwicklung eines Forschungsmodells angegangen worden, die eine solche erwünschte, konstruktive Erforschung interkultureller Kommunikation unter Berücksichtigung des Dispositivs dennoch gewährleisten kann. Hierzu wurde zunächst nach einem Konzept zur Beschreibung einer Verbindung zwischen Dispositiv und sozialem Handeln gesucht. Aus sozialtheoretischer Sicht sind bislang diskurstheoretische und handlungstheoretische Konzepte häufig als einander gegenläufig und unvereinbar angesehen worden. Vertreter handlungstheoretischer und hier insbesondere praxeologischer Ansätze haben jüngst den Vertretern der Diskurstheorie immer wieder vorgeworfen, dass ein zeichentheoretischer Ansatz zur Beschreibung von Interaktion immer nur mittelbare Zugriffe auf die Alltagswirklichkeit produzieren könne. Stattdessen solle soziales Handeln direkt und unmittelbar fokussiert werden. Versteht man beide Ansätze als Extrempositionen, so mag man dem Vorwurf der Praxeologen Recht geben können. Andererseits verspielen Praxeologen auf diese Weise jedoch die Möglichkeit, soziales Handeln von Individuen auf der Grundlage von deren Diskursteilhabe erklären zu können. Letztlich wird diese diskursive Einbettung hier nicht einmal abgestritten, es fehlt der Praxeologie jedoch schlicht an einem begrifflichen Instrumentarium, mit dem diese Diskursteilhabe erfasst werden könnte. Der Begriff der Performativität ermöglicht hier einen sinnvollen Brückenschlag: Hier wird davon ausgegangen, dass soziale und kommunikative Interaktion immer nur auf der Grundlage von Iterationen und Zitationen bereits zuvor getätigter Aktionen so getätigt werden kann, dass sie verstanden wird. Mit anderen Worten: Soziales Handeln ist vor diesem Hintergrund auch in konkreten Situationen immer in einen sehr engen Verstehenskontext eingebunden, von dem höchstens in geringem Maße abgewichen werden kann, um die Verstehbarkeit und die soziale Akzeptanz, die andernfalls auch Sanktionen weichen kann, nicht zu gefährden. Performatives Handeln wurde bereits in einer Vielzahl sozialwissenschaftlicher Disziplinen untersucht, so dass bereits zahlreiche Vorarbeiten vorliegen, die in dieser Studie Berücksichtigung gefunden haben.

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Nachdem eine Grundlage für die Beschreibung sozialen Handelns in diskursiven Kontexten als performatives Handeln gelegt worden ist, erscheint in einem weiteren Schritt eine Theorie zur Beschreibung der Verbindung zwischen dem Dispositiv interkultureller Kommunikation und performativem Agieren in konkreten Situationen erforderlich. Gefragt werden muss entsprechend danach, wie sich das Dispositiv interkultureller Kommunikation in sozialem Handeln manifestiert, und woran man dessen Auswirkungen als Beobachter oder Forscher erkennen können soll. Als zentral herausgearbeitet wurde hierbei die Erfordernis eines Kulturverständnisses, das zunächst keine oder nur so wenige Vorgaben wie möglich macht. Wichtig erscheint hier, dass nicht bereits aus theoretischer Sicht vorgegeben wird, was unter Kultur zu verstehen sei, denn diese Vorgaben können nur auf der Grundlage des Dispositivs selbst generiert werden. Entsprechend entstünde innerhalb des Dispositivs ein Kreisschluss, in dem keine innovativen oder über das Dispositiv hinausgehenden Erkenntnisse mehr zu erwarten wären. Entwickelt wurde zu diesem Ziel ein radikal subjektbasiertes Kulturverständnis. Dabei wird angenommen, dass Kultur für gegebene Situationen immer das ist, was die involvierten Individuen selbst jeweils darunter verstehen. Das impliziert auch, dass Individuen auch immer Vorstellungen dazu haben, wie sich dieses jeweilige Kulturverständnis auf ihr konkretes Handeln auswirkt und wie sie selbst sich dazu entsprechend bestmöglich verhalten können und wollen. Kulturverständnisse und die Handlungsrelevanz von Kultur sind demnach Phänomene, deren Ausgestaltung und Relevantsetzung in jeder gegebenen Interaktionssituation erneut statuiert und ausgehandelt werden müssen. Geht man auf diese Weise entsprechend davon aus, dass Individuen die vollständige Ausgestaltung von Situationen übernehmen, dann kann auch angenommen werden, dass sie dies auf der Grundlage eines einwirkenden Dispositivs tun. Wenn auf theoretischer Seite Diskurs, soziales Handeln und die Übernahme von Kulturverständnissen durch Subjekte aus dem Dispositiv fassbar gemacht sind, dann erscheint weiterhin eine methodische Vorgehensweise erforderlich, die nicht durch zu weitreichende methodische Vorgaben den Blick auf das sehr subjekt- und situationsbasierte theoretische Konstrukt verstellt, verschleiert oder aber durch zu große Interpretationsspielräume seitens des Forschers einen Einfluss des Dispositivs auf Forschungsebene ermöglicht. Gefunden und für die hier genannten Ziele aufgearbeitet wurde ein solcher Ansatz im Konzept der Membership Categorization Analysis (MCA) nach Harvey Sacks (1974) aus dem theoretischen Rahmen der Ethnomethodologie (Garfinkel 1967) und der ethnomethodologischen Konversationsanalyse. Die Ethnomethodologie liefert hier zunächst theoretische Grundlagen, mit deren Hilfe die Problematik des Dispositivs und seiner Einwirkung auf den Forschungsprozess eingegrenzt werden kann. Entgegen den Vorwürfen zahlreicher Kritiker, die die Machbarkeit des Unternehmens der Ethnomethodologie anzweifeln, fordert letztere eine ausschließliche Rekonstruktion sozialer Interaktion anhand von explizit vorliegendem empirischem Material. Rückschlüsse auf soziales Handeln, die ein interpretatorisches Ausgestalten des Materials von Seiten des Forschers erforderlich machen würden, lehnt die Ethnomethodologie demgegenüber als reine Spekulation ab. Eine solche Vorgehensweise erscheint auch für das Anliegen der vorliegenden Studie sinnvoll, zumal es darum gehen soll, ein Einwirken des Dispositivs interkultureller Kommunikation auf den Forschungsprozess selbst zu mindern oder möglichst auszuschließen.

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Mit dem Konzept der Membership Categorization hat Sacks ein Modell bereitgestellt, dessen Grundgerüst als prinzipiell erweiterbar gilt und mit dessen Hilfe die kommunikative Konstruktion sozialer Wirklichkeit in Konversationen sichtbar gemacht werden kann. Personen, Gegenstände und abstrakte Phänomene werden dabei von Sprechern grundsätzlich Kategorien zugeordnet, die ein eigenes Sinnsystem mit vorgegebenen Leerstellen bilden. So werden auf der Grundlage gesellschaftlichen Wissens mit bestimmten Kategorien Eigenschaften, Tätigkeiten und Werturteile fest verbunden, deren Gültigkeit und Existenz aufgrund der Bindung an die Kategorien von den Interaktanten nicht mehr hinterfragt wird und werden braucht. Mehrere Kategorien werden darüber hinaus übergeordnet zu einer sinngebenden device zusammengeführt. Sacks und seine Mitstreiter haben diese Kategorisierungen und deren Bedeutung und Auswirkungen auf die Interaktion meist anhand von Geschlechterrollen veranschaulicht, die sie als Kategorisierungen verstanden haben. Relativ problemlos und zugleich sehr schlüssig lässt sich dieses Phänomen der Kategorisierungen jedoch auch auf eine Beobachtung des Umgangs mit ethnischen und kulturellen Zuschreibungen an Individuen und Gruppen anwenden. Sichtbar wird auf diese Weise, wie durch ethnische und kulturelle Kategorisierungen zugleich auch entsprechende Eigenschaften, Tätigkeiten und Bewertungen verknüpft werden, so dass in Interaktionssituationen, in denen diese Kategorien einmal von den Sprechern aktiviert worden sind, entsprechende Andersbehandlungen, im Bereich der interkulturellen Kommunikation häufig manifestiert in Form von Diskriminierungen, als völlig legitim erscheinen und nicht einmal mehr auffallen. In der bisherigen Forschung ist dabei bis jetzt eine wesentliche Frage offen geblieben, die an dieser Stelle dank der Zusammenführung von Dispositivtheorie, Theorie der Performativität sozialen Handelns sowie ethnomethodologischer Konversationsanalyse beantwortet werden kann: So war bislang unklar, anhand welcher Kriterien oder Parameter sich die Aktivierung von bestimmten Kategorisierungen in Gesprächen vorhersagen oder zumindest retrospektiv plausibel begründen lassen könnte. Mit anderen Worten: Warum aktivieren Sprecher ausgerechnet in bestimmten Situationen ethnische oder kulturelle Kategorisierungen in Gesprächen, und warum in anderen Situationen nicht? Die Ethnomethodologie konnte darauf bislang keine Antwort liefern. Geht man davon aus, dass der Umgang mit ethnischen und kulturellen Kategorisierungen jedoch auf einem zugrunde liegenden Dispositiv interkultureller Kommunikation basiert, lässt sich eine schlüssige Antwort formulieren: Das Dispositiv erfüllt aufgrund seiner eigenen Konzeption grundsätzlich auf verdeckte Weise die Behebung eines zugrunde liegenden Notstands, der in der Situation nicht sichtbar wird und der vor allem auch in der konkreten Interaktion niemals bewusst oder auch nur explizit thematisiert würde. Für den Fall des Dispositivs interkultureller Kommunikation wurde in der vorliegenden Studie herausgearbeitet, dass es hier um die Behebung eines Notstands geht, der sich in der Gefährdung der Legitimation von bestehenden sozialen Grenzziehungen und damit einhergehenden Machtasymmetrien manifestiert. Diese Konzeption lässt sich unter Umständen auf die Erklärung und Deutung konkreter Interaktionssituationen übertragen: Das Dispositiv wird immer dann aktiviert, d.h. ethnische und kulturelle Kategorisierungen werden immer dann eingeführt und in ihrer Handlungsrelevanz eingesetzt, wenn Interaktanten den Eindruck bekommen, dass der dadurch eigentlich abzudeckende Notstand Gefahr läuft, wieder manifest zu werden. Mit anderen Worten: Immer dann, wenn Interaktanten

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den Eindruck bekommen, dass ihre soziale Machtposition, die sie dank der wirkungsvollen Strategien des Dispositivs interkultureller Kommunikation einnehmen können, in der Situation bedroht erscheint, dann aktivieren sie explizit Elemente des Dispositivs, d.h. sie aktivieren ethnische oder kulturelle Kategorien. Dies kann auch dann getan werden, wenn diese Gefährdung der Machtposition nicht durch ethnische oder kulturelle, sondern beliebige andere soziale Kriterien oder situative Umstände zustande kommt. Das vorgelegte Modell zur Beschreibung interkultureller Kommunikation unter der Annahme eines gleichlautenden Dispositivs bedient sich demnach unterschiedlicher theoretischer Grundlagen, die hier zusammengeführt werden: So werden Bestandteile der Diskurs- und Dispositivtheorie entnommen, Überlegungen aus der praxeologischen Handlungstheorie und der Theorie zur Performativität sozialen Handelns müssen berücksichtigt werden. Theorien zur Subjektivität stützen die Annahme subjektiver Verständnisse von Kultur und interkultureller Kommunikation, und die ethnomethodologische Konversationsanalyse bietet einen Untersuchungsrahmen, der die Betrachtung von entsprechendem und relevantem Material möglich macht. Man mag diese Vorgehensweise als eklektizistisch abwerten, jedoch dürfte dieses Urteil zu kurz gegriffen sein: Zum Einen sind die verwendeten Theorien auch in der bisherigen Forschung nur aus der Sicht der Vertreter entsprechender Extrempositionen, die sich für eine Eigenständigkeit und Autarkie ihres Ansatzes einsetzen, wirklich voneinander getrennt. Tatsächlich finden sich jedoch in der Literatur auch bislang permanente gegenseitige Bezugnahmen und Weiterführungen einzelner Gedanken und Konzepte. Nicht zuletzt kann beispielsweise die Ethnomethodologie ihre eigenen puristischen Vorstellungen von einem methodisch-empirischen Vorgehen ja nur und erst durch die Auseinandersetzung mit und die permanente Herausforderung von Seiten benachbarter Disziplinen wirklich schärfen. So streng das Selbstverständnis der Ethnomethodologie aus Sicht ihrer Begründer sein mag, so erweiterungsfähig ist es gleichzeitig jedoch auch: Das System aus Kategorien, Aktivitäten, Eigenschaften und Wertungen in der Membership Categorization Analysis kann grundsätzlich und permanent erweitert und fortgeschrieben werden. Zugleich wurde in der vorliegenden Studie auch bereits eine Äußerung von Schegloff referiert, nach der der Einbezug von vermeintlichen Kontextinformationen in die ethnomethodologische Konversationsanalyse letztlich nur eine Frage der Reichweite der empirischen Erfassung des Materials ist: So müsste und könne theoretisch eben auch jeder beliebige Kontext, dessen Relevanz dann gar nicht abgestritten werden braucht, als empirisches Material der ethnomethodologischen Konversationsanalyse zugänglich gemacht werden, auch wenn dies technisch in einer möglicherweise schier nicht mehr zu bewältigenden Menge konversationeller Daten resultieren würde. Grundsätzlich schließt demnach auch die Ethnomethodologie die Erfassung von sehr großräumig wirkenden Phänomenen wie Dispositiven nicht aus.

Was soll mit dem Modell erforscht werden? In der vorliegenden Studie ist ein Modell zur Analyse interkultureller Kommunikation unter Berücksichtigung der Einwirkung eines gleichnamigen Dispositivs entwickelt worden. Nach dem theoretischen Selbstverständnis des Ansatzes eignen sich

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nun grundsätzlich alle kommunikativen Kontexte als empirisches Material für eine entsprechende Analyse. Dazu gehören interpersonale Kontaktsituationen, die von den beteiligten oder den Forschern als interkulturell eingestuft werden. Aber auch medienvermittelte Formate unterschiedlichster Art, von Fernseh- und Zeitungskommunikation, über virtuelle Formate bis hin zu Büchern und Archiven können alle Genres angegangen werden. Da das Dispositiv interkultureller Kommunikation aus dispositivtheoretischer Sicht grundsätzlich immer und überall aktiviert werden kann (vorzugsweise dann, wenn aus Sicht von Beteiligten ein Notstand zutage tritt), kommt jedoch streng genommen jede Form der Kommunikation für eine Analyse in Frage. Dies mag sicherlich in vielen Fällen die Analyse zu einer Suche nach der sprichwörtlichen Suche der Nadel im Heuhaufen werden lassen, wie bereits auch schon von Stokoe angemahnt worden war. Zugleich würde sicherlich jedoch auch bereits eine erneute Analyse von Material, das bereits unter anderen Prämissen verwendet worden war, erhellende Ergebnisse erzeugen. Hier ließe sich zudem herausstellen, wie eine Interpretation empirischen Materials, die nicht dispositivtheoretisch informiert ist, zu völlig anderen Ergebnissen führt als die an dieser Stelle skizzierte Vorgehensweise. Zu einem solchen Versuch bietet sich die Reanalyse des Materials zahlreicher Untersuchungen an, die beispielsweise auch im Verlauf der vorliegenden Arbeit referiert worden sind. Auch für die Reanalyse und die Wiederverwendung empirischer Daten liegen bereits methodische Regeln vor (Medjedowic/Witzel 2010). Zu beachten sind auch bei einer dispositivtheoretisch informierten Verwendung der Membership Categorization Analysis zur Erforschung interkultureller Kommunikation sicherlich die Problematiken, die sich bei vielen Formen der empirischen Beobachtung stellen. So ist auch hier zu berücksichtigen, dass bereits die Aufnahmeoder Beobachtungssituation die eigentliche Interaktion modifiziert. Auch dies kann jedoch beispielsweise mit der Membership Categorization Analysis wiederum sichtbar gemacht werden. So zeigen Ryen und Silverman (2000) mit Hilfe der Membership Categorization Analyses nach Sacks, auf welche Weise ethnographische Forscher Kultur bereits durch ihre Anwesenheit als Fremde und als Forscher in Form einer Kategorie aktivieren. Beobachtete Probanden fühlen sich ihnen gegenüber von Vornherein als Mitglieder einer Kategorie eingestuft, in der sie als Angehörige einer fremden Kultur erforscht werden. Die Probanden folgen demnach im Weiteren in ihrer Kommunikation den Regeln des recipient design und füllen ihre Mitgliedschaft (membership) gemäß der ihnen zugewiesenen Kategorie, einschließlich categorybound activities aus. Eine wirklichkeitsgetreue Beobachtung durch Befragungen ist aus dieser Sicht als wissenschaftliche Methode nicht mehr denkbar.

Handlungsrelevanz statt nur Differenz und Identität Eine der wesentlichen Stärken einer dispositivtheoretisch informierten Membership Categorization Analysis gegenüber zahlreichen früheren Ansätzen mag darin bestehen, dass sich Kulturalität und der Einfluss von Kultur nicht nur in Form von Grenzziehungen und Differentsetzungen in Interaktionen niederschlägt, die dann meist in einem bipolaren Verständnis verbleiben. Herausgearbeitet werden kann stattdessen eine individuelle und situative Handlungsrelevanz von Kultur und kultureller Zugehörigkeit für die beteiligten Akteure, während jüngere Ansätze immer häufiger auf

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die Nachzeichnung von Grenzziehungen abzielen, um auf diese Weise zumindest einen Ausweg aus dem kulturessentialistischen Dilemma zu eröffnen (Hansen 2000b; Rathje 2006; Rottenburg/Schnepel/Shimada 2006). Mit Hilfe der Membership Categorization Analysis und einem subjektorientierten Kulturverständnis können jedoch darüber hinaus differenziertere Aussagen über den Umgang mit Kultur getroffen werden. Kenntnisse über Differenzen und Grenzziehungen mögen die Grundvoraussetzung für eine Andersbehandlung sein. Was diese Andersbehandlung beinhaltet – abgesehen von den Extrempositionen der exklusiven Kontaktaufnahme gegenüber der Vermeidung – kann jedoch auf der Grundlage eines reinen Differenzparadigmas nicht erschlossen werden. Indexikalität und Thematisierung von Kultur Neben expliziten Thematisierungen von Kultur, die mit Hilfe der Membership Categorization Analysis aufgedeckt werden können, mag eine Herausforderung darin bestehen, eventuell auch indexikalisch arbeitende Verweise auf Kulturalität zu identifizieren und sichtbar zu machen. Für Thematisierungen von Kultur kann hier unter Umständen das gesamte Repertoire dessen relevant sein, was Gumperz (1978) und Auer (Auer/di Luzio 1992) als Kontextualisierung bezeichnet haben: Kulturspezifische, implizite Bedeutungsträger auf den unterschiedlichsten Ebenen sprachlicher Kommunikation, die nur von Angehörigen einer Kultur richtig verstanden werden können. Diese Hinweise können grundsätzlich auch für die Thematisierung kultureller Einflüsse auf die Interaktion verwendet werden. Ein besonders sichtbares Beispiel mag im Fall des Phänomens des so genannten code-switching vorliegen, dem spontanen Wechsel von Sprechern zwischen zwei oder mehr verschiedenen Sprachen oder Varietäten. Günthner (2004) verweist hier auf ein Beispiel, in dem mit Hilfe von Code-switching markiert wird, wie Aktanten in einer Interaktion einander gegenseitig einordnen. In dem Beispiel berichtet ein Proband im Dialekt, wie er in einer Bankfiliale plötzlich höflich und auf hochdeutsch begrüßt wird, seit er einen Kredit aufgenommen hat. Laut Günthner ist dieses Code-switching hier ein Kontextualisierungshinweis (Günthner 2004). Auch die Performativität von als interkulturell markierter Interaktion lässt sich auf diese Weise beschreiben: Wenn Sprecher in eine andere Varietät wechseln, dann signalisieren sie damit, dass ihr Gegenüber für sie einer bestimmten Gruppe angehört. Dabei muss dieser Varietätenwechsel nicht unbedingt im Sinne von foreigner talk oder in Form von Hochdeutsch stattfinden, damit der Hörer ggf. besser versteht. Denkbar sind zunächst Varietätenwechsel in jeder Form, auch dem Wechsel zwischen Fremdsprachen. Aufgrund der Indexikalität von Kontextualisierungshinweisen können Sprecher demnach auch Aktivierungen des Dispositivs interkultureller Kommunikation vornehmen, ohne explizite Erwähnungen von Kategorien aus einer Membership Categorization Device machen zu müssen. So kann auch implizit oder verdeckt über Kulturalität und kulturelle Zugehörigkeiten gesprochen werden. Entsprechende empirische Beispiele finden sich beispielsweise in den gesprächsanalytischen Transkripten von Susanne Günthner (1999; 2004), aber auch in den ethnographischen Arbeiten von Gerd Baumann (1996: 65) und John Tulloch (1999).

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A USBLICK Zuletzt bleibt die Frage nach den Grenzen der Gültigkeit und der Aussagefähigkeit des in dieser Studie skizzierten Modells: Was lässt sich damit beschreiben und erklären, was nicht? Ein Ziel des gesamten Unternehmens hat gerade darin bestanden, eine möglichst offene und umfassende, permanent erweiterbare Erhebungsmethode zu formulieren, die zugleich immer auch sensibel bleibt für Interferenzen in den Forschungsprozess hinein, wie beispielsweise für das Dispositiv interkultureller Kommunikation. Eine Einschränkung ergibt sich bereits aus der Dispositivtheorie selbst: Klar ist, dass das Dispositiv interkultureller Kommunikation nicht das einzige Dispositiv in den hier untersuchten gesellschaftlichen Diskursen ist. Vielmehr lässt sich der dispositive Charakter so gut wie jedes diskursiven Teilbereichs postulieren, von anderen abgrenzen und dann untersuchen. Entsprechend könnte man einwenden, dass das Dispositiv interkultureller Kommunikation vielleicht identifizierbar sei, dass es aber gegenüber anderen dispositiv besetzten Themen innerhalb einer Gesellschaft vergleichsweise unbedeutend ist, so dass soziale Prozesse und individuelle Interaktionen nun doch nicht vor seinem Hintergrund erklärt werden können. Das würde bedeuten, dass beispielsweise Individuen ihre Handlungsentscheidungen wahrscheinlich anhand dispositiver Einflüsse treffen, nicht aber wesentlich anhand des Dispositivs interkultureller Kommunikation. Wollte man dann zentrale soziale Prozesse erklären, dann müssten die entsprechenden anderen Dispositive gefunden werden. Dies war jedoch auch nicht der Anspruch der vorliegenden Arbeit. Es wird nicht behauptet, dass das gesamte Leben durch den Einfluss des Dispositivs interkultureller Kommunikation bestimmt wird, sondern es ging lediglich darum zu zeigen, dass die gesellschaftlichen Bereiche, in denen interkulturelle Kommunikation thematisiert und besprochen wird, besser verstanden werden können, wenn man unterstellt, dass sie einem gleichnamigen Dispositiv unterliegen. Ist das hier vorgestellte Modell kulturuniversal anwendbar, bzw. hat es einen kulturuniversalen Anspruch? Dies mag eine der klassischsten Fragen in der Selbstreflektion der interkulturellen Forschung sein, und der bescheidene Forscher muss sie natürlich spätestens heutzutage immer verneinen. Angesichts der Offenheit des vorgeschlagenen Modells gäbe es jedoch auch Gründe dafür, den Universalitätsanspruch positiv zu beantworten: Die extreme Eigenverantwortlichkeit von Individuen, der sie trotz ihrer Diskursteilhabe und ihrem Gefangensein im Dispositiv interkultureller Kommunikation ausgesetzt sind, entfacht doch auch die Hoffnung darauf, dass interkulturelle Verständigung grundsätzlich und immer möglich ist, wenn nur die Akteure selbst dazu bereit sind. Eine solche Behauptung wurde zumindest bereits zuvor durch Stimmen in der kulturkritischen Kulturanthropologie gestützt (Fox 1997). Geht man davon aus, dass ein Großteil unserer Kommunikation auf der Grundlage von Machtungleichgewichten verläuft und dass diese qua Analyse erkannt werden können, dann kann davon ausgegangen werden, dass sie diese zumindest theoretisch überwinden lassen (Spivak 1987; Taylor 1994; Habermas 1997). Entsprechend vielversprechend ist auch der Ausblick auf eine fortgeführte konstruktive Auseinandersetzung mit Problemstellungen unter dem Begriff der interkulturellen Kommunikation.

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Sozialtheorie Daniel Innerarity Demokratie des Wissens Plädoyer für eine lernfähige Gesellschaft (übersetzt aus dem Spanischen von Volker Rühle) September 2013, 264 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-2291-1

Joachim Renn Performative Kultur und multiple Differenzierung Soziologische Übersetzungen I Oktober 2013, ca. 270 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN 978-3-8376-2469-4

Rudolf Stichweh Inklusion und Exklusion Studien zur Gesellschaftstheorie (2., erweiterte Auflage) Oktober 2013, ca. 250 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-8376-2294-2

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Sozialtheorie Gerald Beck Sichtbare Soziologie Visualisierung und soziologische Wissenschaftskommunikation in der Zweiten Moderne

Leon Hempel, Marie Bartels, Thomas Markwart (Hg.) Aufbruch ins Unversicherbare Zum Katastrophendiskurs der Gegenwart

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Jörg R. Bergmann, Ulrich Dausendschön-Gay, Frank Oberzaucher (Hg.) »Der Fall« Zur epistemischen Praxis professionellen Handelns

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Pradeep Chakkarath, Doris Weidemann (Hg.) Kulturpsychologische Gegenwartsdiagnosen Bestandsaufnahmen zu Wissenschaft und Gesellschaft September 2013, ca. 226 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1500-5

Lutz Eichler System und Selbst Arbeit und Subjektivität im Zeitalter ihrer strategischen Anerkennung Juli 2013, 526 Seiten, kart., 39,90 €, ISBN 978-3-8376-2213-3

Ronald Hartz, Matthias Rätzer (Hg.) Organisationsforschung nach Foucault Macht – Diskurs – Widerstand Oktober 2013, ca. 270 Seiten, kart., ca. 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2171-6

Tino Heim Metamorphosen des Kapitals Kapitalistische Vergesellschaftung und Perspektiven einer kritischen Sozialwissenschaft nach Marx, Foucault und Bourdieu Juni 2013, 674 Seiten, kart., 44,80 €, ISBN 978-3-8376-2401-4

Januar 2013, 466 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2056-6

Martin Petzke Weltbekehrungen Zur Konstruktion globaler Religion im pfingstlich-evangelikalen Christentum Mai 2013, 530 Seiten, kart., 39,80 €, ISBN 978-3-8376-2241-6

Kathrin Popp Das Bild zum Sprechen bringen Eine Soziologie des Audioguides in Kunstausstellungen Juni 2013, 208 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-2185-3

Sophia Prinz Die Praxis des Sehens Über das Zusammenspiel von Körpern, Artefakten und visueller Ordnung Dezember 2013, ca. 420 Seiten, kart., ca. 33,80 €, ISBN 978-3-8376-2326-0

Ulrich Willems, Detlef Pollack, Helene Basu, Thomas Gutmann, Ulrike Spohn (Hg.) Moderne und Religion Kontroversen um Modernität und Säkularisierung April 2013, 540 Seiten, kart., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1966-9

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