Hurenbilder: Ein Motiv in der Druckgrafik des 17. und 18. Jahrhunderts 9783412217228, 9783412210342

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Hurenbilder: Ein Motiv in der Druckgrafik des 17. und 18. Jahrhunderts
 9783412217228, 9783412210342

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Hurenbilder

Studien zur Kunst 27

Romana Filzmoser

Hurenbilder Ein Motiv in der Druckgrafik des 17. und 18. Jahrhunderts

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, Ingelheim am Rhein, der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, der Paris-Lodron-Universität Salzburg sowie der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Crispijn de Passe d. J.: Frontispiz des Miroir des plus belles courtisannes, 1635

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Claudia Holtermann, Bonn Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst GmbH, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-21034-2

Inhalt

1. Einleitung ................................................................................................. 7 1.1. Konzepte von Hure, Hurerei .............................................................. 14 1.2. Hurenbilder des 18. Jahrhunderts als Forschungsgegenstand .............. 18 1.3. Typologien ......................................................................................... 22 1.4. Über Hurenbilder schreiben ............................................................... 28 2. Die Hure als Bild, das Hurenbild ............................................................ 31 2.1. Pallavicinos Kritik an der Ästhetik der Huren .................................... 31 2.2. Hurenästhetik und Bildgebrauch ....................................................... 46 2.3. Englische Kritik: die Bildkompetenz der Freier .................................. 50 2.4. Das Angebot der Bilder: über Schaulust.............................................. 56 3. Crispijn de Passes Miroir des courtisannes ............................................ 67 3.1. Porträthaftigkeit ................................................................................. 76 3.2. Von den Huren ablenken ................................................................... 89 3.3. Wenzel Hollars Tronien ...................................................................... 94 3.4. Bildorte: Bordell und Kunsthandlung ................................................ 102 4. Bildtypen in England ............................................................................... 109 4.1. Pepys und Hurenporträts in der Grafik............................................... 112 4.2. Merciers Fancy Pictures ....................................................................... 123 4.3. Hurenbilder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ..................... 137 4.4. Smiths Hurenbildnisse ....................................................................... 144 5. Urbild und Replik. Die Hure im Schlafzimmer ...................................... 153 5.1. Hure, Venus – Peters, Tizian............................................................... 157 5.2. Inszenierung als Hure......................................................................... 168 5.3. Idea der Hure...................................................................................... 180 5.4. Inszenierung der Hure in der Grafik................................................... 188 6. Schlussbetrachtung ................................................................................ 197 Literaturverzeichnis...................................................................................... 201 Abbildungsverzeichnis.................................................................................. 230 Abbildungsnachweis.................................................................................... 233 Dank............................................................................................................... 234 Personenregister .......................................................................................... 235

1. Einleitung

Der Eintrag in Johann Heinrich Zedlers Universallexicon beschreibt „Prostituirung, Prostitution, Prostitutio“ 1741 als einen juristischen Fachterminus, der „die Gemeinmachung, Verringerung, oder Beschimpfung sein selbst, die Vergehung in Thaten und Worten; ins besondere aber die Ausleihung oder Darbietung zur Unzucht, oder andern unanständigen und schimpflichen Verrichtungen“ bezeichnet und noch deutlich auf die etymologische Bedeutung des lateinischen Worts prostituere, sich preisgeben, verweist.1 „Prostitution“ war damit auch ein wenig gebräuchlicher Ausdruck für sexuell konnotierte, öffentliche Selbstdiffamierung. Im Sinne des modernen Gebrauchs des Wortes „Prostitution“ dagegen definierte Zedler die „Hurerei“. Eine „Hure“ war diejenige Frau, die „entweder um des Geldes willen oder zu Erfüllung ihrer Geilheit ohne Unterschied mit allerhand Manns-Personen Unzucht treibet“.2 Damit entsprach Zedlers Definition der von Lust oder von Geld getriebenen Hure nicht nur gängigen gesetzlichen Definitionen,3 sondern auch den Topoi der obszönen Literatur seit dem 16. Jahrhundert und den wesentlichen Darstellungskonventionen in der europäischen Grafik im 17. und 18. Jahrhundert.4 Die Hure also schien sich von der gesellschaftlich geächteten, schändlichen Prostituierten insofern zu unterscheiden, als dass man ihr auch einen gewissen Reiz zusprach – eine charakterliche Prädestination zur Wollust –, der sie zweifelsohne zu einer männlichen Fantasie machen konnte und die in einem weiteren Schritt wiederum als fiktionale Vorlage für Bild- und Schriftwerke ideal zu sein schien. Beispielhaft brachte Francisco Goya (1746–1828) 1799 die Figur der Hure in einem Stich seiner Serie Caprichos zur Darstellung (Abb. 1):5 Im Zentrum dieser Radierung präsentiert sich eine junge Frau frontal. Sie ist leicht nach vorn gebeugt und blickt nach rechts auf einen Mann herunter, der sich ihr aufs engste annähert. Mit gezogenem Hut beugt er sich zu ihr, so dass sein Oberkörper ihren rechten Arm berührt. Mit einem 1 Zedler 1732–1754, Bd. 29 (1741), S. 947–948. 2 Zedler 1732–1754, Bd. 13 (1739), S. 1265. 3 Als prostituta hatte nach dem römischen Recht diejenige Frau gegolten, die mit allen, die es verlangen und ohne Wahl (passim, sine delectu) sexuell verkehrte und dafür eventuell ein Entgelt verlangte (pecunia accepta). Darauf sollten die juristischen Definitionen bis ins 20. Jahrhundert gründen. Siehe dazu den grundlegenden Überblick von Bloch 1912, S. 12–18. 4 Zum Motiv der Hure in der obszönen Literatur siehe u. a. die literaturwissenschaftlichen Studien von Moulton 2000, Mudge 2000, James Turner 2003 und ders. 2006 (2001), L. Rosenthal 2006, Binhammer 2009 sowie die 2002 und 2004 von Alexander Pettit and Patrick Spedding herausgegebenen Materialsammlungen Eighteenth-Century British Erotica, darin z. B. Benedict 2002, Mounsey und Norton 2002 oder Olsson 2004. 5 Francisco Goya: Ni asi la distingue, 1799. Radierung und Aquatinto, 197 x 149 mm. British Museum, London.

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1  Francisco Goya: Ni asi la distingue, aus der Serie Los Caprichos, Nr. 7, 1799

Lupenglas betrachtet er ihren Hals aus nächster Nähe. Die Frau erwidert diese Zudringlichkeit in unbestimmter Weise: Ihr Oberkörper ist von ihm abgewendet, aber sie neigt ihren Kopf in seine Richtung. Zwischen diesen beiden Bewegungsrichtungen sind ihre Fußspitzen nach außen gedreht. In dieser unbequemen Pose verharrt sie lächelnd, mit erhobenen Armen, den Fächer in der rechten Hand auf der Höhe des Halses schließend, und lässt den Mann gewähren. Die zeitgenössischen Kommentare in den anonymen Manuskripten der Biblioteca Nacional und des Prado in Madrid interpretierten Goyas Radierung einheitlich als offensichtliche Darstellung einer Hure. Der Kavalier im Stich aber vermochte dies selbst mit dem Sehbehelf nicht zu erkennen. Das Lupenglas in seinen Händen machte ihn blind für das, was offensichtlich war.6 Als modische Variante der Brille 6 Z. B. aus dem Manuskript der Biblioteca Nacional: „Se ciegan tanto los hombres luxuriosos, que ni con lente distinguen que la Señora que obsequian, es una ramera.“ („Diese wollüstigen Männer sind

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referierte die Lupe auf die Kurzsichtigkeit im Sinne mangelnder Urteilskraft, die sich auf Details konzentrierte, wenn sie nicht imstande war, das Ganze zu erkennen.7 Durch den Blick durch das Lupenglas reduzierte der Kavalier das für ihn Sichtbare auf einen Ausschnitt des weiblichen Körpers. Was ihm auf Abstand scheinbar nicht gelang, verunmöglichte nun die Nahsicht mit dem Sehbehelf komplett. Auch auf diese Weise würde er sie nicht als eine ihres Standes erkennen können. In diesem Sinn betitelte Goya sein Blatt Ni asi la distingue – „nicht einmal so vermag er sie zu unterscheiden“. Wenn jedoch die Frau für die Zeitgenossen offensichtlich als Hure dargestellt und als solche zu erkennen war, was sah dann ihr Kavalier nicht, und was suchte sein Blick? Die Szene spielt sich vor einem gleichgültigen Publikum im Freien ab. Rechts ruht eine Frau auf einem Stuhl sitzend aus, ihr Blick ist an dem Paar im Vordergrund vorbei nach links aus dem Bild gerichtet. Zwischen der Frau und ihrem aufdringlichen Kavalier taucht der Kopf einer weiteren Person auf, die ebenfalls in die Richtung der Gruppe, dabei aber gleichmütig ins Leere blickt. Im Übersehen der Hauptszene rahmt das Bildpersonal im Hintergrund das Thema des Caprichos – die subjektive Wahrnehmung – ein, wie sie im Motiv des Betrachtens der Frau durch das Lupenglas eingeführt ist. Das Vergrößerungsglas aber hatte in der Bildtradition seit dem 16. Jahrhundert noch eine zweite Bedeutung. Es war Attribut der Gelehrten, Kunstkenner und Liebhaber sowie Ausdruck der Neugierde und Urteilsfähigkeit bis ins Detail.8 In diesem Sinn überprüft der Mann – durch seine Lupe zugleich verblendet – die Frau wie ein Bildwerk, genauso wie Kenner in Darstellungen von Kunstausstellungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gemälde untersuchen.9 Der Bildtitel – Ni asi la distingue – ist so gelesen nicht nur in Bezug auf die Reputation der Dargestellten, sondern in gleicher Weise als feinsinniger Hinweis auf eine Repräsentation der Frau als Bild zu verstehen. Ob der Mann an dieser Verwechslung scheitert oder nicht, weil er sieht, was er sehen will, lässt Goya offen. Mit Goyas Radierung stellt diese Studie exemplarisch die Figur der Hure als Bildthema vor, wie es sich im 17. und 18. Jahrhundert in der europäischen Druckgrafik so geblendet, dass sie nicht einmal mit dem Augenglas erkennen/unterscheiden, dass die Frau, die sie betrachten, eine Hure ist.“). Zit. nach Pérez Sánchez und Sayre 1989, Kat. 42. Die Einträge sind wahrscheinlich vor 1803 zu datieren. Siehe dazu Schulz 2005, S. 118–119, in seiner Studie zu Goyas Caprichos. 7 Vgl. ebd., S. 130–134, zu den Interpretationen des Bildtitels von Ni asi la distingue im Rahmen seiner Diskussion des Entstehungsprozesses des Blatts zwischen der Zeichnung im Prado und der Radierung. 8 Zur Brille als Attribut der Kunstkenner im 18. Jahrhundert (den Lorgneurs) im Kontext der Connaisseurkritik siehe mit weiterführender Literatur Kernbauer 2007, S. 171–172, S. 177–179, und zum Sehen von Frauen mit Sehbehelfen Bermingham 1993. 9 Vgl. Mann 1992 sowie die Beispiele aus der grafischen Satire bei Kernbauer 2007, S. 171–172, S. 177–179.

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entwickelte. Aus der Frage nach der Hure als tradiertes Motiv ist die vorliegende Untersuchung entstanden. Mit dem Sujet der Hure konnten zwei gegensätzliche Themen zur Darstellung gebracht werden: entweder die sexuelle Reizung oder eine – häufiger vertretene – erbauliche oder moralisierende Aussage. In narrativen Kontexten, wie druckgrafischen Satiren oder Karikaturen, erschließt sich die moralische Leseweise zumeist aus handlungsbedingten Konsequenzen, einem Schaden finanzieller, gesundheitlicher oder sozialer Art der Hure und der Freier etwa oder ihrer Bestrafung durch Gott oder den Staat. Diese Arbeit jedoch verhandelt erstmals einen formalen Bildtypus von Einzelfiguren, den als gemeinsames Merkmal verbindet, schöne junge Frauen zu zeigen, die verführerisch dargestellt sind und sich aus dem Bild heraus den Betrachtern zuwenden. Sie scheinen dabei weder geächtete noch „gefallene“ Frauen zu sein und unterscheiden sich für den modernen Betrachterblick nicht wesentlich von den Bildern ehrbarer Frauen. Vielmehr spielen diese Hurenbilder den paradoxen Reiz sexueller Verfügbarkeit zwischen der Bildfigur und den Betrachtern aus und erproben dadurch Möglichkeiten der Gestaltung verführerischer Frauen, die ebenfalls für die Bilderzählungen konstitutiv sein sollten. Dieser Bildtypus, der bereits in italienischen Bildwerken des 16. Jahrhunderts vorbereitet worden war, ist in signifikanten Einzeldarstellungen holländischen und englischen Ursprungs zu verfolgen, in der zum Buch gebundenen Sammlung von Hurenbildern des Utrechter Stechers Crispijn de Passe in der ersten Hälfte des 17.  Jahrhunderts, den englischen Einzelstichen Philip Merciers, John Fabers und John Raphael Smiths im 18. Jahrhundert und in Reproduktionen nach Gemälden der englischen Maler Peter Lely und Matthew Peters.10 So wie in Goyas Beispiel erscheint eine moralisierende Aussage dabei jedoch entweder ausgelassen oder verharmlost. Stattdessen zeichnet diese Hurenbilder eine visuelle Uneindeutigkeit aus, die eine Interpretation der Verantwortung der Betrachter überträgt. Damit provozieren sie die Frage nach dem Spezifischen und spezifisch Verführerischen von Hurenbildern oder – mit Goya – nach Bildern, die nicht als Hurenbilder erkannt werden wollen, aber zugleich darauf insistieren, Hurenbilder zu sein. Die theoretische Grundlage dafür ist aus einer obszönen Schrift italienischen Ursprungs, der 1642 gedruckten Hurenrhetorik La Rettorica delle Puttane zu erarbeiten,

10 Den besten Überblick über das verfügbare Material bietet die in Iwan Blochs Geschichte der Prostitution 1912 und 1925 ausgebreitete Materialsammlung, die zugleich die projektierte Reihe Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen einleitete und zu den Gründungstexten der Sexualwissenschaft zählt. Weiterhin stellt Kunzle 1973 in seiner History of the comic strip einen Überblick zu grafischen Hurenbildern vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zusammen.

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die den sexuellen Reiz der Hure nicht nur mit ihrer visuellen Qualität erklärte, sondern konkret in der Kunsttheorie und in der Bildpraxis verortete. In der langen Tradition der strukturellen Gleichsetzung von Frauen und Bildern haben Huren und Hurenbilder eine besondere Rolle inne.11 Die Hurenbilder nämlich stellen eine Frau nicht allein als Objekt dar, sondern als eine Frau, die sich selbst als solches präsentiert. In diesem Sinn beschreibt Georges Bataille 1958 in seinen Überlegungen zur Erotik die Prostitution als Form der Werbung und die Hure als erotisches Objekt, die er dialektisch mit der Schönheit, dem sexuellen Verlangen und dem Konsum verwebt.12 Prostitution ist nämlich „an sich nur die Tatsache des Angebots gegenüber dem Verlangen“, so Bataille. Das „Objekt, das die Prostitution dem Verlangen zeigt [...] bietet sich dem Besitz als schönes Objekt an.“13 Bataille meint dabei kein Bildwerk, sondern die reale Person, die sich prostituiert und sich so zum Objekt macht. Ihre Schönheit als Objekt bestimmt den Sinn, den Wert und den Bezug zur realisierbaren Wirklichkeit und ist besonders dann von Bedeutung, „wenn das Verlangen im Objekt weniger die unmittelbare Befriedigung [...], als den lange dauernden und stillen Besitz anstrebt.“14 Die Werbung der Hure gilt dabei – wie in Goyas Stich – in gleicher Weise auch für die Figur der Hure im Bild. Dieser Mechanismus ist auf die Bildwerke übertragbar, weil die Künstler mit den dargestellten Huren ein Verlangen für den Stich zu wecken suchten, so eine These der vorliegenden Arbeit. Die Hurenbilder reflektierten das Thema des erotischen Reizes durch Verdopplung: In der Figur der Hure legte der Bildinhalt den Ablauf der Werbung offen und galt für Grafik und Hure zugleich. Zwischen der grundsätzlichen Wahlmöglichkeit von einmaligem Höhepunkt und einem dauerhafteren Genuss durch Besitz, wie sie Bataille vorschlägt, suggerieren die Hurenbilder Letzteres. Diese Besonderheit begründete der druckgrafische Markt im 17. und 18. Jahrhundert. Hurenbilder entstanden in den Nischen sich ausbildender neuer Sujets und Gattungen und standen insbesondere mit dem sich signifikant vergrößernden Markt für Bildwerke und speziell für die Druckgrafik in 11 Zur Gleichsetzung von Frauen und Bildern, Weiblichkeit und Malerei siehe u. a. Eiblmayr 1989, S. 337–357, Hammer-Tugendhat 1989 und dies. 2009, Althoff 1991, Ruvoldt 2004, Tassi 2005 sowie Phillippy 2006. 12 Bataille 1979, S. 127. Bataille unterscheidet das sexuelle Verlangen von der Erotik (erotisme), der er seine Studie widmet und die er als „Zustimmung zum Leben bis in den Tod hinein“ einführt, ebd., S. 10, und am Ende zum „Problem aller Probleme“ und „universelle[s] Problem schlechthin“ erklärt, ebd., S. 268. Zur französischen Begriffsgeschichte des erotisme siehe Grawert-May 2001. Dagegen sei „erotisch“ im Rahmen dieser Studie im Sinne des griechischen sexuellen Eros gebraucht, als durch Wahrnehmung bewirktes sexuelles Verlangen. Siehe dazu Hunter 1998 und Staffort 1977. Zur Funktion von Werbung über den Eros siehe die immer noch grundlegende Studie von Haug 2009 (1971) sowie Doyle 2006. 13 Bataille 1979, S. 139. 14 Ebd. Batailles darauf folgende Ausführungen zur Schönheit verbinden jene klassischen, ästhetischen, psychoanalytischen und evolutionstheoretischen Erklärungen zum „Versprechen der Schönheit“, die Menninghaus 2007 (2003) in seiner gleichnamigen Studie verfolgt.

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Zusammenhang. Neben dem bestehenden Verhältnis von Auftraggebern und Künstlern, Verlegern und ausführenden Stechern entwickelte sich ein freier Markt mit merkantilistischen Merkmalen, der andere Anforderungen an die Künstler stellte und neue Möglichkeiten eröffnete. Die Grafik war damit im 18. Jahrhundert zu einem Konsumgut geworden. Reproduktionen von Gemälden, Porträts, Flugblätter und Karikaturen jeglicher Qualität waren im städtischen Leben, in den Werkstätten der Stecher, den Vitrinen der Buchläden, den Kunstläden und bei den fahrenden Händlern zu sehen und zum Verkauf angeboten.15 Aber Grafik unterschied sich vom traditionellen Verhältnis vom Kunstwerk und seinem Besitzer, weil der Stich aus der Initiative eines Künstlers und nicht eines Auftraggebers heraus entstand und dem Abzug einer Platte immer weitere Abzüge folgten.16 Darin ist keine Wertung gegenüber dem „Original“ der Malerei impliziert: In der Gattung der Grafik sind eigene Angebote und Wege der Aneignung zu beobachten, die in den Stichen selbst von den Künstlern angelegt waren. Bei den Hurenstichen führen diese über die Schaulust, die daher ein zentraler Begriff dieser Studie sein wird. In diesem Zusammenhang ist weniger zu fragen, wer als Hure dargestellt und in welcher Weise zwischen „Hure“ und „Kurtisane“ zu unterscheiden ist,17 sondern vielmehr, mit welchem Zweck eine Frau als Hure bezeichnet wurde und welche Bedeutungen dieses Begriffs im Bild zur Darstellung kamen.18 15 „Konsum“ ist als das bedeutungsstiftende Zusammenspiel von Gebrauch, Kauf und Besitz materieller Objekte und Dienstleitungen zu verstehen. Siehe dazu die grundlegenden Arbeiten von Brewer und Porter 1993, Schrage 2009, zu Kulturkonsum Bermingham und Brewer 1995. Zum Konsum von Grafik siehe den darin enthaltenen Beitrag von Paulson 1995, zum Publikum am Beispiel Londons Brewer 1995 und im Vergleich zu Frankreich Kernbauer 2007. 16 Zum sich wandelnden Kunstpublikum vom 17. zum 18. Jahrhundert siehe ebd. In der Grafik hatte William Hogarth die Frage des Besitzens insofern für die Künstler gelöst, als dass er mit dem Hogarth Act das erste Copyright für seine Arbeiten beanspruchen konnte. Die Rechte waren wie im alten Sammlersystem an den exklusiven Besitz der Druckplatte geknüpft. Paulson 1995, S. 385. 17 Zur Diskussion methodischer Schwierigkeiten siehe Turner 2006, S. 4–10, und zu begriffsgeschichtlichen Ausführungen zu den Ausdrücken „Mätresse“ und „Favoritin“ Ruby 2010, S. 3–7. Vgl. etwa den Unterscheidungsversuch von McCreery 2004, die in ihrem Buch zu Frauendarstellungen in der englischen Grafik des 18. Jahrhunderts Bilder von Straßenverkäuferinnen und Huren in einem moralisierenden Sinn bespricht und sie von den Bildern von Schauspielerinnen und Kurtisanen trennt, die sie wiederum in Hinblick auf Vermarktung untersucht. Diese Einteilung erscheint materialbedingt: Nur von wenigen Huren haben sich in Archiven, Bibliotheken und Museen genügend Spuren erhalten, um daraus die Lebensmomente einer konkreten historischen Person konstruieren und interpretieren zu können. Auf diesen seltenen Glücksfällen gründen Studien wie z. B. von M. Rosenthal 1992, Kurzel-Runtscheiner 1995, Antes 2000, Rubenhold 2009 und Storey 2010 sowie die Studie zur königlichen Favoritin in Ruby 2010. 18 Siehe Turner 2006, S. 2–4, hier S. 2, der auf die semantische Bedeutung des Bezeichnens als Hure in der etymologischen Herkunft der Kategorie „Pornografie“ aus der Zusammensetzung der griechischen Worte pornai – Huren – und graphein, dem Schreiben, Zeichnen, Bezeichnen, verweist.

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Zedlers eingangs bemühte Definition der durch Lust oder Geld motivierten Hure stecken dabei einen Rahmen, der weniger im Kontext von juristischen oder medizinischen Texten, sondern im Zusammenhang mit den Themen der obszönen Literatur zu sehen ist. Der Terminus „obszön“ sei dabei für jene Bilder und Texte sexuell stimulierenden, erotischen oder zotigen Inhalts verwendet, die auch eindeutige Schilderungen der Genitalien und sexueller Aktivitäten beinhalten konnten.19 Obszönes Druckwerk zählte zur großen Gruppe der oft verbotenen, „philosophischen“ Schriften, ohne eigens klassifiziert zu werden und eingrenzbar zu sein.20 Zu den ersten Schriften neuzeitlicher obszöner Literatur, die bis ins 18. Jahrhundert eine kanonische Bedeutung innehatte, gehört die Dialogsammlung des toskanischen Publizisten Pietro Aretino (1492–1556), die als Ragionamenti bekannt geworden ist.21 Aretino steht an der Spitze einer Reihe von zahlreichen Schriftstellern und Stechern, die das neue Medium des Drucks für die Verbreitung von bislang nur in humanistischen Zirkeln kursierenden Manuskripten und Gemälden nutzten. Die Ragionamenti jedoch vereinten prototypisch jene Elemente obszöner Literatur, die in den folgenden Jahrhunderten topisch tradiert werden sollten. In ihrer Einleitung des Sammelbands zur Geschichte der obszönen Literatur charakterisiert Lynn Hunt diese in der expliziten Darstellung sexueller Aktivität, dem Dialog zwischen Frauen, der Diskussion über das Verhalten von Huren und der Infragestellung der moralischen Konventionen der Zeit.22 Die wichtige Rolle der Figur der Hure in der obszönen Literatur war zudem mit ihrem privilegierten Standpunkt als Kennerin aller Stände und Nationen sowie mit ihrer Rolle als öffentliche Frau schlechthin verknüpft. Über die Figur der Hure ließ sich nicht nur politische Kritik

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Wenn jedoch vor 1800 von Pornografie die Rede war, dann im Sinn von pornographein, dem Schreiben über Huren. Siehe in nuce Hunt 1993, S. 13–14. Noch 1770 betitelte Rétif de-la-Bretone seinen Entwurf staatlicher Bordellanstalten mit Le pornographe. Im modernen Wortsinn bezeichnet Pornografie keine Druckwerke, sondern ein regulierendes Konzept der Ausgrenzung, das im Zuge der Institutionalisierung des bürgerlichen Bildungswesens entstanden ist, wie Kendrick 1987, S. 1–31, zeigt. Wagner 1986 und bes. ders. 1988 bieten einen Überblick zur Bandbreite obszönen Materials, das von medizinischen und paramedizinischen Büchern, wie zu den Gefahren der Onanie und Anleitungen zur guten Ehe, über Theaterstücke bis hin zu Gerichtsberichten, z. B. über Ehebruch, reichte. Vgl. Peakman 2003, Lennartz 2009. Zu weiteren Unterscheidungsversuchen, wie etwa dem Vorschlag, zwischen „erotisch“ und „pornografisch“ zu differenzieren, siehe Harvey 2004, S. 20–28. Vgl. auch die Überlegungen zur Historizität von Erotik von Darnton 2000. Zur philosophischen Literatur im 17. und 18. Jahrhundert siehe die grundlegenden Darstellungen von Darnton 1982 und ders. 1995. Hunt 1993, S. 24. Bereits 1527 hatte Aretino die von Marcantonio Raimondi gestochenen modi Giulio Romanos, die sechzehn Paare bei unterschiedlichen sexuellen Stellungen zeigen, mit obszönen Sonetten versehen. Im modernen Wortsinn von sexuell eindeutig stimulierenden Texten und Bildern taucht der Terminus Pornografie nicht vor der Wende zum 19. Jahrhundert auf. Ebd., S. 26.

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über deren Klientel formulieren, über Herrscher, Politiker und den Klerus etwa, sondern diese Figur bot die Grundlage für die Diskussion der Rolle von Frauen in der Gesellschaft, der Wirtschaft und im Verhältnis der Geschlechter, besonders im Hinblick auf die Macht einzelner politisch aktiver Frauen.23

1.1.  Konzepte von Hure, Hurerei Hurerei war mit Zedler (S. 7) als eine Bezeichnung für gewerbliche „Sexarbeit“ in Gebrauch, aber wertete in gleicher Weise Frauen über ihre sexuellen Aktivitäten ab. Daraus eröffnet sich ein semantischer Rahmen für den Ausdruck „Hure“, den jüngere literaturwissenschaftliche Studien zur Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts diskutieren.24 Dies ist z. B. in James Turners Untersuchung zur obszönen Kultur Englands im 17. Jahrhundert der Fall, in der der Autor das Motiv – in einem zweiten Buch zur obszönen Literatur Europas – in die Schriften Italiens und Frankreichs bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgt.25 Auch Laura Rosenthal diskutiert in ihrer Studie zur Figur der Hure im 18. Jahrhundert obszöne Texte des 17. Jahrhunderts, fragt aber dabei nach Themenverschiebungen, wie sie sich im Übergang zum 18. Jahrhundert ergeben.26 Beide Autoren konstatieren die Existenz verschiedener, zeitgleicher Konzepte der „Hure“, die in Erzählungen, Theaterstücken sowie zotigen und obszönen Pamphleten tradiert wurden. Über die Figur der Hure wurden sowohl soziale Kontrolle durch Diffamierung als auch Gewerbe und Gewerbsmäßigkeit verhandelt. Bis zur Wende zum 18. Jahrhundert bezeichnete das englische Wort whore hauptsächlich sexuelle Triebhaftigkeit und war zur sexuellen und sozialen Diffamierung in Gebrauch: In der Literatur prostituierten sich Frauen nicht des finanziellen Gewinns wegen. Damals konnte eine Frau als Hure inhaftiert werden, ohne auch nur einen Schilling für Sexarbeit verdient zu haben.27 Es gab „Huren“, die für den Sexualakt kein Geld verlangten und solche, die Männer dafür bezahlten. Wenn diese Huren eine Gegenleistung verlangten, dann, um andere Begierden zu erfüllen, die nach Luxusgütern etwa, schönen Kleidern, edlen Stoffen und Schmuck.28 Die Bezahlung 23 24 25 26

Hunt 1993, S. 40. Vgl. Ruby 2010. Siehe S. 1, Anm. 4. Turner 2003 und ders. 2006. L. Rosenthal 2006, in kritischer Auseinandersetzung mit Turner. Siehe auch den Beitrag von Harvey 2004 zur Erotik obszöner Texte in England. 27 L. Rosenthal 2006, S. 22. In der 1679 veröffentlichten Komödie The feign’d curtizans der englischen Schriftstellerin Aphra Behn gaben sich zwei ehrbare Frauen – ohne sich zu prostituieren – des erotischen Vergnügens wegen als Kurtisanen aus und benutzten die Figur der Hure für eine Erweiterung ihres Bewegungsspielraums. Siehe dazu L. Rosenthal 2006, S. 22–23. 28 Ebd., S. 22. Turner 1995, S. 421–422. Historiografisch führt der Ökonom Werner Sombart 1996 (1913) diese Verkettung von Hurerei, Markt und Konsum in seiner Schrift Luxus und Kapitalismus ein, die in der jüngeren angelsächsischen Konsumkulturforschung verstärkt rezipiert wird. Siehe

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sollte verzehrende Leidenschaften finanzieren: Der Ausdruck „Hure“ meinte somit vor 1700 keine Berufsbezeichnung. Gleichzeitig war er nach Turner als sexistische Diffamierung von Frauen in der obszönen Literatur verbreitet. In diesem Kontext hatte das Hurenbild in Druckwerken einen wirklichen Bezug zu sozialer Gewalt, wenn reale Frauen in tätlichen Übergriffen tatsächlich am Leib gezeichnet wurden, wie durch das Aufschlitzen des Gesichts.29 Obszöne Pamphlete, wie die 1661 erschienene Schrift Strange Newes from Bartholomew-Fair, or the Wandring-Whore Discovered gaben Dialoge wieder, in denen sich die Huren mit der Terminologie des Fleischmarkts beschrieben.30 Weibliche Körperteile wurden synonym mit dem Warenangebot verwendet und das weibliche Genital buchstäblich mit einer Handelsware (commodity) gleichgesetzt.31 Diese Konnotation sollte von besonderer Bedeutung werden, als sich im gleichen Zeitraum eine weitere – wenngleich keinesfalls neue – Bedeutung des Ausdrucks „Hure“ durchzusetzen begann, wie Rosenthal darlegt: Ein wirtschaftliches Interesse begann in einzelnen Texten wie The English Rogue, The London-Bawd oder The Whores Rhetorick – der englischen Adaption der Rettorica delle Puttane – wichtiger zu werden als die Gier und die Wollust als Antrieb der Hure.32 Die Hure wurde nun nicht nur als Ware beschrieben, sondern zugleich auch als Unternehmerin.33 Diese ökonomische Strategie der obszönen Literatur zeigt Rosenthal am Beispiel der 1683 erschienenen Whores Rhetorick auf, worin beide Konzepte von Hurerei, das leidenschaftliche und das gewerbliche, gegeneinander ausgespielt wurden: Eine alte, Mother Creswel genannte – und damit wiederum eine der populären Kultur entsprundazu u. a. Smith 2002, Reith 2003, Brewer und Porter 1993, Berg 2005 sowie Peck 2006, Schrage 2009 und Drügh, Metz und Weyand 2011. 29 Turner 2006, S. 25–26. 30 Z. B. „[...] here boys, here’s the best Pigs head in the Fair, a rare quarter of Lamb, pure Mutton, and the best buttock bief in England“, in Strange nevves from Bartholomew-Fair 1661, S. 3, zit. bei Turner 2006, S. 138. Das Pamphlet war Teil einer Gruppe von Schriften, die zwischen 1660 und 1663 als Wandering Whore italienische und französische obszöne Texte adaptierte und transformierte. Siehe dazu ebd., S. 137–139. 31 Turner 1995, S. 421. 32 The English Rogue veröffentlichten die englischen Satiriker Richard Head und Francis Kirkman zwischen 1665 und 1671, siehe dazu L. Rosenthal 2006, S. 25–28. Zu der um 1690 gedruckten Schrift The London-Bawd 1705 siehe Mounsey und Norton 2002, S. 165–166, L. Rosenthal 2006, S. 24–25; zu The Whores Rhetorik 1683 siehe die ausführliche Diskussionen von Turner 1995a, Turner 2003, S. 315–318, und L. Rosenthal 2006, S. 21–33, sowie Kap. 2.2. dieser Arbeit. 33 Ebd., S. 28–33, Turner 1995, S. 421–422. Die Gleichsetzung von Waren und Menschen beschreibt der Soziologe Zygmunt Bauman in seiner Studie Consuming Life als ein wesentliches Merkmal der gegenwärtigen „Kultur des Konsumismus“. Indem die Menschen „zugleich Vermarkter von Waren und die Waren, die sie vermarkten“ darstellen, sind sie „gleichzeitig Güter und Marketingagent, Handelsartikel und Handlungsreisende“, die alle im sozialen Raum des „Markts“ leben und „Marketing“ betreiben. Bauman 2009, S. 13–14.

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gene – Figur führte darin die junge und unerfahrene Dorothea in die Hurerei ein.34 Mother Creswel war als junge Hure ihren Leidenschaften gefolgt. Trotz ihres Erfolgs war es ihr nicht gelungen, wirtschaftlichen Profit zu erzielen. So wie die Huren, die ihrer Fantasie statt ihrem Verstand folgen (impolitick whores),35 hatte Mother Creswel der Befriedigung ihrer Leidenschaften (desire of gratifying my appetite) ihre Einkünfte geopfert.36 Dorothea sollte es besser machen und eine professionelle Hure werden. Dies könne gelingen, wenn sie ihre sexuelle Leidenschaft durch die Laster der Habsucht und des Geizes zu beherrschen lerne.37 In der Affektüberwindung bestand die wirtschaftliche Strategie. Die andere Konnotation der Hure als von sexueller Leidenschaft getrieben verwendete Mother Creswel außer für sich selbst, für die Beschreibung von ehrbaren Frauen, von Ehefrauen, Witwen und Mädchen, die sich bloß prostituierten (prostitute), um ihren libidinösen Appetit (libidinous appetites) zu befriedigen.38 In diesem Sinn waren alle Frauen potentielle Huren, weil alle Frauen ihren Leidenschaften unterworfen waren. Eine gewerbsmäßige Hure durfte dagegen neben dem Geld keine Leidenschaften haben.39 Deshalb suchte sie auch keine sexuelle Lust, sondern den eigenen finanziellen Vorteil im wirtschaftlichen Ruin der Freier (the ruine of his interest), der wiederum an seine sexuelle Genugtuung (the Lovers sport) gekoppelt war.40 Damit beschrieb The Whores Rhetorik die Hurerei als eine infame Tätigkeit, die in konsequenter Entscheidung für das Geld und gegen die Lust – durch Professionalisierung also – wirtschaftlich zu rechtfertigen war. In ähnlicher Weise argumentierte der Arzt Bernard Mandeville in seinem 1724 gedruckten satirischen Essay A Modest Defence of Publick Stews (Eine Bescheidene Streitschrift für Öffentliche Freudenhäuser).41 In diesem Text schlug Mandeville die staatliche Förderung von Bordellen vor, übertrug aber die Entscheidung zwischen Lust oder Geld den Männern.42 Rosenthal wiederum zeigt, dass Mandevilles Schrift 34 The Whores Rhetorick 1683, S. 26. Der Name referiert auf die Kupplerin Cresswell, die seit ihrem Prozess 1681 als Londoner Berühmtheit galt und auch in Laroons Kaufruf dargestellt wurde. Siehe dazu Shesgreen 1990, Kat. 52, sowie Williams 1994, Bd. 1, S. 512. 35 Ebd., S. 145. 36 Ebd., S. 54. 37 Ebd., S. 32, S. 40. 38 Ebd., S. 41. 39 Ebd., S. 213. 40 Ebd., S. 144. Erst in literarischen Hurenfiguren des 19. Jahrhunderts wie Zolas Nana ist diese alte, maßlos verschlingende sexuelle Begierde vollständig in eine wirtschaftliche übergegangen. 41 [Mandeville] 1724. Siehe dazu L. Rosenthal 2006, S. 28–29, die Studie zur Geistesgeschichte des Kapitalismus von Hirschman 1980 (1977) sowie Mandell 1992. Aus der umfangreichen Literatur zu Mandevilles Schriften sei auf Kaye 1922, Cook 1975, Goldsmith 1976 und ders. 1985 verwiesen. 42 [Mandeville] 1724, S. 25. Dieser satirische Vorschlag steht am Anfang einer ganzen Reihe von Plänen zur staatlichen Regulierung von Prostitution, die vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Konjunktur haben sollten, wie z. B. der Plan von Rétif 1770 eines regelrechten Lustgefängnisses

Konzepte von Hure, Hurerei  | 17

auf wirtschaftlichen Gedanken beruhte und weniger auf libertinen, wie bisher angenommen: Das Bordellprogramm des Arzts war dabei nicht so sehr als ernsthafter Vorschlag, sondern vielmehr als bissiger Seitenhieb auf die Sittenreformer seiner Zeit geschrieben und entstand als Nachtrag der satirischen Bienenfabel, worin Mandeville seine umfangreiche Gesellschaftskritik dargelegt hatte.43 Die moderne Nation beruhte demnach auf einem utilitaristischen und merkantilistischen „System der Bedürfnisse“; die Menschen sah Mandeville als allein durch den Wunsch nach Selbsterhaltung motiviert. Dieses Bedürfnis hatte den Sozialisierungsprozess beschleunigt – jedoch nicht aus Zwang wie bei Hobbes oder aus Vernunft wie etwa bei Rousseau, sondern aus Bequemlichkeit. Mandevilles Konzept des Gesellschaftsvertrags beruht auf dem epikureischen Gebot, sich gegenseitig nicht zu schaden. Für Mandeville blieb diese Übereinkunft jedoch nur solange gültig, wie sie den Interessen des Einzelnen diente. Die Aufgabe des Staats in diesem Modell war es deshalb, die Vielzahl egoistischer Einzelinteressen zu regulieren. Vor diesem Hintergrund formulierte Mandeville seine naturalistisch-utilitaristische Bordelltheorie, die moralische und religiöse Einwände mit feiner Ironie weit hinter eine merkantilistische Dialektik der Logik und des öffentlichen Nutzens stellte:44 Er schlug vor, staatlich kontrollierte Bordelle einzurichten und die Huren als Lohnarbeiterinnen einzustellen, wie Rosenthal zeigt. Mandevilles angedachte Form außerehelicher Sexualität gefährde die Gesellschaft nämlich nur solange, wie die Huren als selbstständige Akteurinnen ihre Einzelinteressen verfolgten.45 Indem Mandeville den Staat zum Bordellbetreiber erklärte, entzog er den Huren diese aktive Position und reduzierte ihre Funktion auf die – kontrollierte – sexuelle Befriedigung der Männer. Die Frauen unterteilte er für die Frauen. Im Gegensatz dazu argumentierte Mandeville allerdings nicht mit Moral, sondern mit Merkantilismus. Dabei fasste er die wesentlichen moralischen, hygienischen, medizinischen und juristischen Argumente zusammen, die im 18. Jahrhundert zur Hurerei ins Feld geführt wurden: Als Arzt betonte er die Auswirkung der Verbreitung der Syphilis auf die Fertilität der Männer. Übertriebene außereheliche Sexualität und – als Alternative – Onanie verzögerten außerdem das Heiratsalter, begünstigten Impotenz und trieben junge Frauen zur Tötung unehelicher Kinder. Diese Faktoren hemmten nach Mandeville das Bevölkerungswachstum und förderten die Depopularisierung, die große Befürchtung seiner Zeit. Zu reformistischen Bordell- und Arbeitshausdebatten in Bezug auf Mandeville siehe L. Rosenthal 2006, S. 42–57, und, als grundlegende Untersuchung, Henderson 1999. 43 Zur Publikationsgeschichte des A modest defence of Publick Stews siehe Cook 1975, S. 22–26. 44 Dabei argumentierte er mit dem Status quo: Für außereheliche sexuelle Aktivitäten gab es in London Anfang des 18. Jahrhunderts keine Möglichkeiten, die nicht dem Eigenwohl oder der Gesellschaft schadeten. Ein Mann konnte zu einer Hure gehen oder eine ehrbare Frau verführen, wobei er das Risiko einging, den Ruf der Frau zu diskreditieren und sie ebenfalls zur Hure zu machen. [Mandeville] 1724, S. 11. Leidenschaft und Sexualität wären jedoch leibliche Reaktionen auf Bedürfnisse, die – mit dem Harndrang vergleichbare – Befriedigung verlangten. Gebe man diesem Bedürfnis nicht nach, vernebele es den Kopf und halte vom Tagesgeschäft ab. Ebd., S. 25. Dieses naturalistische Argument scheint Ferrante Pallavicino 1642 in der Rettorica delle Puttane in die obszöne Literatur eingeführt zu haben. Turner 2003, S. 80–81. 45 L. Rosenthal 2006, S. 67, die Mandevilles Konzept zu Recht im Kontext der Regulierungsbestrebungen der Reformisten verortet.

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nach Schönheit und „anderen Qualifikationen“ in vier Preisklassen und sortierte sie damit wie Waren, womit er, so Rosenthal, sich wiederum eines Motivs bediente, das die obszöne Literatur des 17. Jahrhunderts schon bereitgestellt hatte.46 Zwischen diesen Standpunkten der Hure als Sexualobjekt und der Hure als professionelle Unternehmerin bewegten sich die zahlreichen literarischen Darstellungen von Huren im 17. und 18. Jahrhundert. Sie sind mit dem sexistisch-moralistischen Modell der von der Leidenschaft motivierten Hurerei mit der Absicht sozialer und ökonomischer Diffamierung als sich überlagernde Konzepte zu denken, die zusammen die Figur der Hure konstituierten.47

1.2.  Hurenbilder des 18. Jahrhunderts als Forschungsgegenstand Kunsthistorische Studien zum grafischen Hurenbild im 18. Jahrhundert konzentrieren sich mit gutem Grund auf England:48 In London hatte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das größte Zentrum und der wichtigste Umschlagplatz für die europäische Grafik entwickelt.49 Das kulturelle Leben Londons prägte kein 46 Ebd., S. 66–67. Konkret zu Mandevilles Bordellprojekt siehe [Mandeville] 1724, S. 12–14. 47 Differenzierungen wie die Unterscheidung von Hure und Kurtisane sind dabei als Verschiebungen des Schwerpunkts vom moralischen zum ökonomischen und als Auszeichnung der Hure als Unternehmerin oder Ware zu denken. Das Wort „Kurtisane“ stammt vom italienischen Wort cortigiana ab und meinte ursprünglich eine Hofdame. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde es erstmals am päpstlichen Hof in Rom verwendet, um eine Begleiterin der päpstlichen Hofleute als „ehrbare Hure“ (meretrix honesta) zu beschreiben. Siehe dazu Kurzel-Runtscheiner 1995, S. 19–20. Der Ausdruck „Kurtisane“ war jedoch in gleicher Weise relational und kontextbezogen wie die Bezeichnung „Hure“; beide waren letztlich austauschbare Ausdrücke. Turner 2006, S. 4–10, hier S. 8. Vgl. zum Wortgebrauch Cohen 1991 und im römischen Cinquecento Kurzel-Runtscheiner 1995, S.  52–59. Zur Abgrenzung von der höfischen Mätresse bzw. Favoritin siehe Ruby 2010, S. 3–7. 48 Überblicksdarstellungen zu Hurenbildern berücksichtigen Bildwerke des 18. Jahrhunderts mit der Ausnahme von England bislang nicht. Die Literatur zu Huren in der Frühen Neuzeit fokussiert die Kurtisanenbilder der italienischen Zentren des 16. Jahrhunderts, wie etwa die historische Studie von Kurzel-Runtscheiner 1995 und der Ausstellungskatalog zur venezianischen Prostitution von Polis 1990. Siehe dazu auch die methodologischen Überlegungen von Schuler 1991, Knauer 2002 und Trauth 2006. Zum Hurenmotiv in der holländischen Genremalerei und Grafik des 17. Jahrhunderts siehe Jongh 1968/1969, Renger 1970, Salomon 2004 und auch Pol 2010. Als Einzelaspekt in Werkmonografien zu Künstlern wie Goya (u. a. Held 1996, Volland 1993) und Boilly (Siegfried 1995) findet das Thema zeitlich seit der Französischen Revolution und besonders als Motiv der Moderne verstärkte Beachtung. Vgl. dazu die von der grundlegenden historischen Untersuchung von Corbin 1990 (1978) beeinflussten Studien zu London von Clark 1985, Bernheimer 1989, Täuber 1999 sowie Nead 2000. Zu pseudohistorischen Ansätzen und der Kritik von „Mätressen-Sammelbänden“ siehe Ruby 2010, S. 10–11. 49 Zur Etablierung eines Markts für Bildwerke in England im 17. und 18. Jahrhundert siehe zur Malerei Pears 1988 und Solkin 1993, zur Grafik Clayton 1997, A. Griffiths 1998 und M. Jones 2010.

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zentralisierender Königshof, sondern eine polyvalente, städtische Elite von aristokratischen Familien, Regierungsmitgliedern, mittelständischen Unternehmern und Kaufleuten.50 Überdies pflegten die Engländer eine liberale Zensurpolitik: Während ebenfalls für ihre Offenheit bekannte Staaten wie Venedig oder die Niederlande die freie Meinungsäußerung regulierten, die Zensurbehörden Frankreichs, Spaniens und der Habsburgermonarchie über jedes Druckwerk wachten, zelebrierte England seine Pressefreiheit, so dass die Verleger und Stichhändler die neuesten Hurenbilder wie die politischen Karikaturen in den Vitrinen ihrer Läden ausstellten. Diese allgemeine Sichtbarkeit freier Meinungsäußerungen wurde patriotisch gepflegt und verteidigt und von den ausländischen Besuchern als Ausdruck von Modernität bewundert.51 Die berühmteste Hure in der europäischen Druckgrafik, die harlot aus William Hogarths (1697–1764) Serie A Harlot’s Progress, entsprang diesem Umfeld. Hogarths Bildidee und sein Einsatz für die akademische und ökonomische Besserstellung der Grafiker in England beeinflussten die jüngeren Künstlergenerationen maßgeblich.52 Die Beschäftigung mit grafischen Hurenbildern im 18. Jahrhundert führt deshalb zwangsläufig über diesen Künstler. Die Studien zum Thema sind dabei entweder auf grafische Bilderzählungen in Hogarths Tradition oder auf das Sujet in den Bildnissen namhafter Huren konzentriert, wie sie seit der Mitte des Jahrhunderts gemalt und reproduziert wurden. In sechs Szenen erzählt A Harlot’s Progress die Geschichte eines Mädchens vom Land, das in der Stadt zunächst in die Prostitution rutscht und dann zur Kurtisane aufsteigt (Abb. 2), bevor ihr Abstieg sie ins Arbeitshaus führt und sie ein früher Tod ereilt. Hogarth stellte den Zyklus zuerst 1732 als Gemäldefolge aus und veröffentlichte ihn zugleich in Subskription als Kupferstichserie.53 Der Zyklus steht im Zentrum der kunsthistorischen Forschung des Hurenbilds nördlich der Alpen vor 1800 und bestimmt die Problemfelder. Das Sujet der Hure begründen Roland Paulson und Werner Busch in ihren grundlegenden Hogarthstudien zunächst ikonografisch:54 Selbstbewusst hatte Hogarth A Harlot’s Progress als Beispiel einer neuen, dem akademischen Formenkanon der Historienmalerei 50 Zum kulturellen Leben Londons im 18. Jahrhundert siehe u. a. Perry und Rossington 1994, Bermingham und Brewer 1995, Porter und Mulvey Roberts 1996, Brewer 1997, Berg 2005 und Black 2005. 51 Donald 1996, S. 1–9. Zur Freiheit und zum Rechtsbewusstsein der Engländer siehe Porter 1982, S. 270–274, in seiner Sozialgeschichte Englands im 18. Jahrhundert. 52 Siehe in nuce Donald 1996, S. 31–36. 53 William Hogarth: A Harlot’s Progress, 1732. 6 Blätter, Kupferstich und Radierung, je ca. 318 x 383 mm. Paulson 1989, Nr. 121–126. 54 Paulson 1971, Bd. 1, S. 238–298, und daran anknüpfend Busch 1977. Aus der umfangreichen Literatur zu Hogarth sei auf Ogée 1997, Busch 1999, Fort und A. Rosenthal 2001, Hallett und Riding 2006 sowie Simon 2007 mit weiterführender Literatur verwiesen.

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2  William Hogarth: A Harlot’s Progress, drittes Blatt, 1732

gleichrangigen Gattung vorgestellt – als modern moral subjects.55 In diesen Sittengemälden suchte Hogarth die Kunst zu erneuern, indem er den Themen der Alltagserfahrung im Sinne der klassischen Gebote des Belehrens (docere), Unterhaltens (delectare) und Bewegens (movere) die gleiche erbauliche Funktion zusprach,56 die bislang der Historienmalerei vorbehalten war. In A Harlot’s Progress setzte Hogarth dieses Konzept in die Praxis um, indem er bekannte Darstellungskonventionen aus der christlichen Ikonografie – marianische und christologische Motive – auf sein zeitgenössisches London übertrug und mit aktuellen Themen wie der Prostitution überlagerte.57

55 Siehe als grundlegende Arbeit dazu Paulson 1991. 56 Cicero 1976, S. 280 (De Oratore, 2. Buch, 121) und Horaz 1972, S. 24 (Ars Poetica, vv. 339– 340). 57 Bes. Busch 1977 und Paulson 1971.

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Diesen ikonografischen Fokus erweitert die jüngere Forschung zur visuellen Kultur Englands sozial- und kulturhistorisch: Insbesondere Mark Hallett und Sophie Carter sehen Hogarths Bildfindungen nicht nur in klassischen Bildzitaten, sondern in gleicher Weise in der lokalen, visuellen Kultur der Zeit fundiert.58 Der Erfolg und die Originalität von Hogarths harlot gründete demzufolge in der Bildidee und nicht in der Erfindung eines neuen Sujets:59 Die Geschichte der Hure entstand in einer Bildtradition, die Hilde Kurz bereits 1965 in die oberitalienische Grafik des 16. Jahrhunderts zurückverfolgt.60 William Hogarth verhalf dieser Erzähltradition in den 1730er-Jahren zu neuer Popularität, indem er bekannte Motive unterschiedlichster Kontexte miteinander verwebte – die Motive aus der Malerei mit populären Figuren der Presse, der obszönen Literatur und der zotigen Theaterkultur, z. B. der Straßenhure Molly, der Kupplerin Cresswell und den Wüstlingen, wie Hallett zeigt.61 Auf dieser Prämisse baut Sophie Carter die bislang einzige Monografie zu englischen Hurenbildern auf und konzentriert sich auf die grafischen Karikaturen und Satiren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.62 Sie kann zeigen, dass die Figur der Hure in den Stichen von Künstlern wie John Raphael Smith, James Gillray, John Cruikshank und Thomas Rowlandson konstitutiv für die Konstruktion von urbaner Realität war: Die Hure erschien als integrativer und tolerierter Bestandteil des städtischen Lebens und gehörte als Ausdruck 58 Wagner 1997, Hallett 1999, ders. 2000, ders. 2001 sowie ders. und Riding 2006, Fort und A. Rosenthal 2001, S. Carter 1999 und dies. 2004 sozialhistorisch gewichtet, zum Motiv der Hure im Stadtbild und Bild der Stadt; sowie McCreery 2004, die eine Typologie von Frauenmotiven im urbanen Raum vorlegt. 59 Hallett 1999, S. 106–112, Carter 2004. 60 Wie Kurz 1965 zeigen kann, waren die Verlorener-Sohn-Spiele für die Entwicklung der Ikonografie der Lebensläufe von Prostituierten und ihren Freiern maßgeblich. In Anlehnung an die Parabel des verlorenen Sohns entwickelte sich die Erzählung von Verführung, Aufstieg, Ruhm und Verfall der Hure erstmals in italienischen Karnevalsliedern um 1500 (z. B. Gianbattista Verinis Il Vanto e Lamento della Cortigiana Ferrarese, um 1512). Verini bediente sich mittelalterlicher Vanitasmotive, die er mit Verweisen auf die Syphilis neu konnotierte. Während des Karnevals sangen als Bettler verkleidete Männer die Verse, jammerten über die Kunst der Kurtisanen (cortigiane), die sie um ihr Vermögen gebracht und angesteckt hatten. Den Kurtisanen stand in den Liedern umgekehrt am Gipfel ihres Ruhms der unvermeidliche Abstieg in Krankheit und Armut bevor. Diese Geschichte wurde seit der Wende zum 17. Jahrhundert illustriert, wobei sich die Geschichte der alten, kranken Hure von der des Bettlers löste, wie z. B. in den Folgen Lo Specchio al Fin de la Putana und La Vita del Lascivo. Zum zeitgleichen Motiv in der holländischen Malerei siehe Renger 1970 und zuletzt Pol 2010. 61 L. Rosenthal 2006 hat diese These literaturwissenschaftlich untermauert. Siehe auch die materialreiche Untersuchung zur Sexualität in England im 18. Jahrhundert von Trumbach 1998 mit dem besten Überblick über die Literatur zur Geschichte der Sexualität und Prostitution in England. 62 Siehe auch die Studie zu Frauenfiguren in Darstellungen des städtischen Lebens in der englischen Grafik des 18. Jahrhunderts von McCreery 2004 und zuletzt das Buch zu Sexualität und Satire von Gatrell 2006, das auf den Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert konzentriert ist.

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von Liberalität und Modernität zur Selbstdarstellung Londons.63 In gleicher Weise diente die Figur der Hure in diesen Stichen dabei als Projektionsfläche für die Konstituierung von normativen Vorstellungen von Weiblichkeit und weiblicher Sexualität und für zahlreiche Ängste und Befürchtungen, etwa vor den Folgen der Urbanisierung oder der Feminisierung des wirtschaftlichen Lebens durch ein wachsendes Teilhaben und der Sichtbarkeit der Frauen.64 Aufgrund dessen charakterisiert Carter die Hurenbilder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Bestandteil der Konstruktionen (und nicht als Spiegel) der städtischen Kultur Londons. Sie sollten ambivalent zwischen einem erotischen und einem moralischen Sinngehalt oszillieren und konzentrieren darin die Position des „Anderen“ in der Figur der Hure: Das äußerte sich einerseits in Themen wie der Geschäftsmäßigkeit und Täuschungskunst der Hure in Bezug auf ihren Körper, der Schönheit und Gesundheit darstellen konnte, sowie ihrer Fähigkeit, Liebe bzw. Verliebtheit vorzuspielen. Zum anderen überlagerten sich diese positiven Komponenten mit Vorstellungen des Bedrohlichen, die Ordnung Gefährdenden, Auszugrenzenden und zu Regulierenden. Der Konsum von Hurenbildern, so suggeriert Carter, bot dabei einen moralisch sicheren Ersatz für reale Huren.65 Dieses Forschungsfeld zu grafischen Bilderzählungen also fokussiert hauptsächlich soziale und moralische Aussagen und zeigt die damit verbundene konstitutive Funktion von Bildern in der visuellen Kultur auf.

1.3. Typologien Kunsthistorische Studien zum Thema sind einerseits auf Bilderzählungen wie Hogarths A Harlot’s Progress und ähnlichen Variationen innerhalb der grafischen Karikatur und Satire in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konzentriert und haben andererseits die zeitgleich entstandenen Porträts bekannter Huren von namhaften Malern zum Thema. In Arbeiten zu Porträts berühmter Huren – wie etwa die seit 1759 gemalten Bildnisse Kitty Fishers von Joshua Reynolds (1723–1792) und deren Nachstichen (vgl. Abb. 24) – beschäftigen sich Marcia Pointon, Martin Postle, Cindy McCreery sowie Angela Rosenthal weniger mit moralisierenden Inhalten als vielmehr mit der Bedeutung des grafischen Markts, der Vermarktung der Bilder durch 63 Damit dekonstruiert sie überzeugend den historiografischen Mythos der Hure als Motiv der französischen Moderne in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vgl. dazu den Literaturüberblick, S. 16, Anm. 50. 64 Zur sog. Feminization Debate siehe die grundlegende Arbeit von Barker-Benfield 1992; im Kontext der Kommerzialisierung von Kultur u. a. Brewer 1995, Bermingham 1995 und KowaleskiWallace 1997 sowie in Bezug auf die Porträtmalerei Pointon 1993 und dies. 1997 sowie Conway 2001. 65 Carter 2004, S. 70–71, S. 164.

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den Künstler und der Selbstvermarktung der Huren als Bildinhalt.66 In ihrer Studie zur (Selbst-)Darstellung von Frauen in Porträts des 18. Jahrhundert denkt Marcia Pointon die Dialektik von Bildkonsum und Werbung von Huren konsequent weiter und diskutiert Hurenbildnisse hinsichtlich ihrer spezifischen Verknüpfung von Subjekt- und Objektstatus.67 Hurenbilder waren tief in der populären Kultur verwurzelt. Sie standen aber zugleich in engem Bezug zu kunsttheoretischen Diskussionen und Problemen aus der Werkpraxis wie der Vermarktung, indem das Motiv selbst zu Werbezwecken eingesetzt wurde.68 Mit diesen Elementen begründet auch der Kulturwissenschafter John Brewer den Erfolg des Hurenmotivs in der englischen Kultur: in der Verankerung der Hure im Handel und im Gewerbe, der Assoziation mit sexueller Verfügbarkeit, ihrem ambivalenten Status zwischen erotischem Reiz und moralischen Bedenken und schließlich in dem Potential, Frauen ökonomisch zu privilegieren.69 Die Ergebnisse kunstwissenschaftlicher Prägung haben literaturwissenschaftliche Beiträge wie Laura Rosenthals Studie zur Figur der Hure in der Literatur des 18. Jahrhunderts untermauert. Die Darstellung dieses ambivalenten Verhältnisses von sexuellem Reiz und Bestrafung wird dabei für gewöhnlich als Dichotomie erklärt.70 Beispielsweise ist auch Hogarths A Harlot’s Progress als eine Weiterentwicklung des Motivs der erotischen Hure zu lesen, wie Hallett anhand der Ursprungslegende von Hogarths Zyklus zeigt: Der englische Porträtstecher George Vertue schrieb 1732 in sein Notizbuch, er habe in Hogarths Werkstatt das kleine Gemälde einer spärlich bekleideten, hübschen Hure (common harlot) gesehen, das dem Publikum so gut gefallen habe, dass Hogarth aus diesem Einfall (thought) die Serie entwickelte.71 Hallett führt Vertues Argumente – körperliche Schönheit, spärliche Bekleidung – 66 Pointon 1997 und dies. 2004, Postle 1995, ders. 2003 und ders. 2005, A. Rosenthal 2003 sowie McCreery 2004. 67 Bes. Pointon 1997. 68 Postle 1995, ders. 2003. 69 „As Hogarth well knew, it is the image of the prostitute that all the greatest anxieties about eighteenth-century culture – its debasement into a trade or business, its association with sexual licence, ist ambiguous status as a realm of sensuality, sense, or reason, and its potential to privilege women – are to be found.“ Brewer 1995, S. 358. 70 Reflektiert bei Hallett 1999, Carter 2004, L. Rosenthal 2006. 71 „[...] he began a small picture of a common harlot, supposd to dwell in drewry lane, just riseing about noon out of bed. and at breakfast. a bunter waiting to her. – this whore’s desabillé careless and a pretty Countenance & air. – this thought pleasd many. some advisd him to make another. to it as a pair. which he did. then other thoughts encreas’d, & multiplyd his fruitfull invention [...].“ Vertue 1934, S. 58, zit. bei Hallett 1999, S. 100–101, der Vertues Passage ausführlich kommentiert. Das Gemälde gilt als verloren. Die Geschichte wird mit dem dritten Blatt von A Harlot’s Progress (Paulson 1989, Nr. 123) in Verbindung gebracht.

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3  Marcellus Laroon d. J.: London Curtezan, aus der Serie The Cryes of the City of London, 1688

als die erotischen und zugleich positiven Komponenten in Hogarths Bildfindung ein und kontextualisiert diesen Aspekt der schönen Hure mit dem Verweis auf das Motiv der Hure als Stadtschönheit. Dieses Thema ist in England bildgeschichtlich seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachweisbar: Zu dieser Tradition zählen die Nachstiche der Bildnisse der königlichen Mätressen des Hofmalers Peter Lely ebenso (vgl. Abb. 17)72 wie die London Curtezan (Abb. 3) als Teil des wirtschaftlichen Lebens der Stadt, wie sie Marcellus Laroon 1683 in seiner Serie von Londoner Gewerbetreibenden, dem Kaufruf Cryes of the City of London,73 hatte

72 MacLeod und Marciari Alexander 2001. 73 Hallett 1999, S. 108‒112, und ders. 2000, S. 86‒88. Marcellus Laroon d. J.: London Curtezan, aus der Folge The Cryes of the City of London Drawne after the Life, 1688. Radierung, 250 x 165 mm. British Museum, London. Siehe dazu Shesgreen 1990, Kat. 51.

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auftreten lassen und die Hure als Protagonistin obszöner Bilder.74 In Konfrontation mit zeitgleichen, literarischen Hurengeschichten beschreibt Hallett diesen sexuell reizenden Aspekt als sinnstiftende Funktion der Figur der Hure in Hogarths Werk: indem die Hure als erotische Figur – der sexuell verfügbare weibliche Körper – eine sexuelle Fantasie in der kultivierten, patriarchalischen Kultur verkörperte, wirkte ihre unausweichlich folgende Bestrafung umso stärker und rechtfertigte die Darstellung zugleich moralisch im Sinne des Anspruchs der modern moral subjects.75 Diese Erklärung der erotischen Funktion als Darstellung sexueller Fantasie scheint für Hurenbilder dadurch anschlussfähig, dass sie die erotische Darstellung von Huren durchaus in einer historischen Bild- und Texttradition verankert:76 Hogarth konnte bei seiner Bildfindung nicht nur auf eine visuelle und textuelle Erzähltradition zurückgreifen, sondern auch auf vorhandene und bekannte Konventionen der Darstellung weiblicher Schönheit – aus der Porträtmalerei etwa –, welche die Hure mit erotischen Motiven wie den oben genannten assoziieren ließen. Hurenbilder schließt an diese kunst-, kultur- und literaturwissenschaftlichen Ergebnisse an und fragt weiter, wie Frauendarstellungen tradierter Bildformen zu Hurenbildern gemacht werden konnten: Goya z. B. stellte die Frau in Ni asi la distingue als hübsche junge Frau dar. Das allein reichte jedoch noch nicht aus, um sie als Hure erkennbar zu machen. Besonders durch den aufdringlichen Mann, aber auch durch die vieldeutige Reaktion der Frau und durch das gleichgültige Publikum im Hintergrund führte Goya die Figur als Hure vor. Der Bildtitel schließlich unterstreicht, dass die Frau mehr darstellte, als ihre schöne, äußere Erscheinung, deren Geheimnis sicher nicht objektiv – also durch ein Augenglas – entziffert werden konnte. In Bezug auf Halletts Ansatz der Bedeutung sexueller Vorstellungen ist zu betonen, dass die Figur der Hure mehr Darstellungspotential und Aussagen zu bieten scheint als die der Moral und Moralisierung: Die Bezeichnung „Hure“ ermöglichte eine Themenerweiterung, die moralisch sein konnte, aber es nicht sein musste. So bemerken Peter Wagner und der Literaturwissenschaftler James Turner, dass die kulturgeschichtlichen Interpretationen Hogarths beispielsweise dazu tendieren, den zeitgenössischen erläuternden Texten, zeitgleicher Prosa ähnlicher Thematik und Anekdoten mehr Gewicht zu geben als den Stichen selbst, wodurch der Blick der Forschung auf die Grafiken durch eine selektive Deutungsweise gelenkt und determiniert ist.77 Dieses methodische Problem hängt mit den gattungsspezifischen Ei74 Zu obszönen Bildwerken in England siehe den Überblick (pictorial erotica) von Wagner 1988, S. 275‒291, und den Vergleich mit französischen Stichen, ebd., S. 263‒275. 75 Hallett 1999, S. 105‒106. 76 Aus der umfangreichen Literatur zum Thema Erotik seien hier jene Beiträge genannt, denen die vorliegende Arbeit wichtige Anregungen verdankt, so Barthes 1974, Bataille 1979, Baudrillard 1992, Harvey 2004, Bettini 2008 (1992), Doyle 2006 und Stoellger 2008. 77 Siehe die Überlegungen „How to (Mis)Read Prints“ von Wagner 1995, S. 9–35, der in Auseinandersetzung mit semiotischen Ansätzen in der Tradition von Roland Barthes, Mike Bal und Norman Bryson ein Modell entwirft, das Text und Bild gleichermaßen berücksichtigt (iconotexts), aber

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genschaften der Grafik zusammen, Bild und Text zu kombinieren und zeitgebunden zu sein, also Themen aus dem Tagesgeschehen anspielungsreich darzustellen und zu konstituieren, aber zugleich mannigfaltige Betrachtungsweisen anzubieten.78 Auch die Hurenbilder sind fast durchgängig mit Text versehen, mit Bildtiteln, Versen oder gar Bibelsprüchen. Diese Kombinationen haben oft den Charakter eines Emblems (wie bei Goya),79 manche Texte sind konstitutiv für die Interpretation des Bilds als Hurenbild. Grafik bedarf deshalb einer gründlichen Kontextualisierung, um historisch interpretierbar zu werden. Die jüngere Forschung versucht die dabei implizierte Gefahr der Rückkoppelung bürgerlicher Vorstellungen zu überbrücken, indem die Bilder sowohl mit zeitgenössischen Schriften mit Autoritätsanspruch als auch mit Zeugnissen aus der Populärkultur konfrontiert werden.80 Dagegen bieten die Erklärungsansätze der Porträtforschung durch die Gattung eine andere methodologische Basis und können unabhängiger von normativen Erklärungsansätzen untersucht werden. Die Konsequenz dieser materialbedingt notwendigen Determinierungen veranschaulicht die Gewichtung der Forschungsergebnisse: einerseits von Seiten des Forschungsschwerpunkts innerhalb der Gattung (satirischer) Grafik und Karikatur auf die Figur der Hure als eine historische Konstruktion zur Beschreibung von kulturellen und sozialen Wandlungsprozessen, andererseits von Seiten der Malerei und Reproduktionsgrafik als Fallstudien. Beispiele wie die Darstellungen Kitty Fishers verifizieren die Annahme der Figur der Hure als kulturelles Produkt. Zugleich können sie normative Erklärungsansätze wie die der negativen Konnotation der Hure relativieren, indem sie die historiografische Prämisse einer über die Figur der Hure erfolgte Konstituierung von abstrakten, dichotomisch von oben nach unten und von männlich auf weiblich gedachten Machtverhältnissen mit den Druckwerken von und über konkrete Frauen in Beziehung setzen:81 So zeigt textzentriert bleibt. Turner 2001, S. 39, betont dagegen die grafischen, ästhetischen Qualitäten im Detail einzelner Stiche. Vgl. auch die Ausführungen von Stewart 1992, S. 1–37, zu erotischer Buchillustration des 18. Jahrhunderts in Frankreich, die sich an der Interpretation von Emblemen und Allegorien orientieren. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Saviello in Bezug auf die Darstellungen des Propheten Mohammed an der Wende zum 17. Jahrhundert. 78 Zur Funktion von Text und Bild als grafisches, synmediales Gefüge siehe u. a. Ott 2003 sowie Vosskamp und Weingart 2005. Zur Tagesaktualität, also „moderner“ Sujets in der Grafik, siehe bezüglich des wesentlichen Kritikpunkts und Problems Hogarths bei der Etablierung der modern moral subjects Busch 1977, S. 56–65. 79 Zum Emblem siehe Heckscher und Wirth 1967. 80 So weist etwa Wagner 1995, S. 13, darauf hin, dass keine Figur in Hogarths Grafiken mit einem Exemplar der englischen Literatur der Aufklärung wie etwa Richardsons Erzählungen zu sehen ist, wohl aber mit Zeitungen, gedruckten Liedern, Pamphleten, obszöner Literatur und Gerichtsberichten. 81 Als Beispiel einer Grafikstudie, die sich mit fruchtbaren Ergebnissen, explizit mit der Geschichte der Sexualität als Dispositiv von Macht in der Tradition von Michel Foucaults 1976 begonnener Histoire de la Sexualité auseinandersetzt, sei auf Wagner 1995 verwiesen.

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Marcia Pointon am Beispiel Kitty Fishers, dass diese nicht nur bei den Malern und Grafikern als beliebtes und gut verkäufliches Sujet galt, sondern sich selbst aktiv als Objekt vermarktete und dabei die Art ihrer Repräsentation zu regulieren suchte oder tatsächlich kontrollierte wie im Fall von Reynolds’ Gemälde von Kitty Fisher als Kleopatra (Abb. 24), das zugleich Konsum und Warentausch thematisierte.82 Die Verortung im sozialen Raum des Markts bildet auch in Iris Wiens Studie zum Mythosbegriff eine wichtige analytische Grundlage. In ihrem Kommentar zu Hogarths Serie Marriage à la mode und dem Problem des Bedeutungsverlusts traditioneller Bildthemen hat das Motiv der schönen Frau eine kritische Funktion in Bezug auf das Kunstpublikum inne. Traditionelle Bildthemen wie das Venusmotiv verloren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre Bedeutung, weil der Bildgegenstand „allein auf seine ästhetische Erscheinung reduziert“ und so zum „Statussymbol“ und „kommerziellen Objekt degradiert [wurde], bei dem lediglich das erotische Potential erhalten blieb.“83 Hogarths Kritik am kommerzialisierten Kunstmarkt korrespondierte mit der Auffassung einer „Prostitution der Künste“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so Wien, die Kenner und Freier auf derselben strukturellen Ebene verhandelte.84 Daran lässt sich für Hurenbilder anschließen, dass das Motiv der Hure den Künstlern als Verhandlungsort für den Status der Kunst in einer kommerziellen Welt diente. Zusammenfassend sind kunsthistorische Studien zur Figur der Hure bislang auf die visuelle Kultur Londons im 18. Jahrhundert, auf William Hogarths berühmte Serien, auf die Bildnisse namhafter Huren und auf die Hure in der Karikatur der zweiten Hälfte des Jahrhunderts konzentriert. Hinsichtlich der Frage, was mit dem Motiv der Hure im Bild dargestellt werden konnte, zeigen diese Studien überzeugend die Rolle der Hure in der visuellen Kultur und ihre konstitutive Funktion für die Konstruktion kultureller, sozialer, ökonomischer und urbaner Realitäten auf. Gerade der in Hurenbilder fokussierte Blick auf die Einzeldarstellungen von anonymen Huren wird dieses Motiv zusätzlich historisieren, indem es erstmals von England über die holländische Grafik auf die italienische, obszöne Literatur des 17. Jahrhunderts zurückverfolgt wird. Dabei ist zu untersuchen, wie das Hurenmotiv seit dem 17. Jahrhundert in der Grafik selbst mit deren Etablierung als Medium der städtischen Kultur verbunden war.85 82 Pointon 2004. 83 Wien 2009, S. 40. 84 Ebd., S. 372. 85 Dabei war es wichtig, nicht der historiografischen Dichotomie zwischen grafischer Satire und Reproduktionsgrafik, „Populär-“ und „Hochkunst“, zu folgen. Tatsächlich wurde diese Unterscheidung im 18. Jahrhundert von Theoretikern wie Edmund Burke im Zuge der Verhandlungen und Normatisierungsversuche zum guten Geschmack (taste) vorbereitet. Siehe dazu u. a. Brewer 1997, S. 87‒122, Robert Jones 1998, Black 2005 sowie in Bezug auf das Kunstpublikum Kernbauer 2007 und Klonk 2009.

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1.4. Über Hurenbilder schreiben Wenn davon ausgegangen wird, dass Hurerei und Hure als historische Kategorien und Projektionsflächen an den Prozessen der Positionierung der Frauen in einer sich verändernden Gesellschaft und in einer wachsenden Kulturindustrie teilhaben und diese konstituieren, dann ist auch zu fragen, wie dies praktisch funktioniert: Wie war der semiotische Begriff „Hure“ in Bildwerken darstellbar und welche der vielschichtigen Bedeutungen wurden dargestellt? Das gilt besonders, da jede grundlegende Problemstellung ihrer Figur auf Negationen gründet: nicht gesellschaftsfähig, außerhalb der Gesellschaft stehend, bis hin zum biologisch determinierten Abnormitätsgedanken des 19. Jahrhunderts, um einige Imperative zu nennen. Der Hure steht auf der anderen Seite des Spektrums die „tugendhafte Frau“ als Idealkonstruktion gegenüber.86 Deshalb stellt sich (wie in Goyas Radierung) die Frage, woran gemessen und wovon unterschieden wird. Dem oben (S. 21‒22) eingeführten Konfrontieren und Abgleichen der Hurenbilder mit obszönen oder moralistischen Schriftwerken soll dazu ‒ als hermeneutische Alternative – der ontologische Vergleich von Hure und Bild in ihrer strukturellen Gleichsetzung zur Seite gestellt werden. Der Ansatz dieser Arbeit will die Hurenbilder dabei weder isolieren noch eine Theorie des absoluten Hurenbilds konstruieren: Hurenbilder sind als historische Erzeugnisse von Künstlern für ein bestimmtes Publikum zu verstehen, als Bildwerke, die zugleich als Waren gefertigt wurden. Die Stiche bildeten keine Hurenfiguren ab, sondern stellten sie vielmehr her.87 Als Ausgangspunkt dient dafür gleichwohl kein Bild, sondern ein obszönes Schriftwerk, La Rettorica delle Puttane. Anhand dieser theoretischen Hurenrhetorik lassen sich die Gleichsetzung von Bild und Hure und ihre Übertragung auf die Grafik grundsätzlich hinsichtlich der Funktion von Verführung, Werbung und sexuellem Reiz, sowohl der Hure selbst als auch der Hure im Bild, diskutieren. Die Hurenrhetorik bietet für die Frage, warum Männer Huren frequentierten, eine ontologische Erklärung an: Huren suggerierten, die idealen Geliebten zu sein, und stellten diese Vorstellung in mimetischer Reflexion des jeweiligen Freiers in einem schöpferischen Prozess durch die Gestaltung des eigenen Leibs dar. Dieses Versprechen, eine ideale, erotische Vision verwirklichen zu können, vereinte zwei aus der obszönen Literatur 86 Siehe dazu in nuce zur englischen Kultur des 18. Jahrhunderts V. Jones 2000. Die „Hure“ gehört neben der „Heiligen“, der „Femme fatale“, der „Jungfrau“ usw. zu den stereotypen Weiblichkeitsentwürfen und damit zu einem Kernthema der ersten Generation feministischer Kulturwissenschaften seit dem Ende der 1960er-Jahre, das jedoch solcherart auf die moderne, bürgerliche Gesellschaft konzentriert ist und das 18. Jahrhundert hauptsächlich als Vorgeschichte berücksichtigt. Einen guten Überblick zu den feministischen und antifeministischen bzw. sexistischen Positionen dazu bieten die soziologisch-kulturwissenschaftliche Studie von Grenz 2005 sowie die historische Untersuchung von Lücke 2008, der auch geschlechtliche Kodierungen von Prostitution hinterfragt. 87 Siehe als grundlegende Untersuchungen Bätschmann 1979, ders. 2009 und Boehm 2007.

Über Hurenbilder schreiben  | 29

bekannte Topoi und begründete sie in der Bildhaftigkeit der Hure: Die Hure als professionelle Verführerin wurde zum Thema der kreativ schöpferischen Künstlerin gemacht. Zum anderen begründete die Illusion ihres Versprechens sexueller Wunscherfüllung den Betrug und die Täuschung der Hurerei. Dieses Modell ist sodann mit der englischen Variante The Whores Rhetorick und weiterer obszöner Literatur der Restaurationszeit, die mit Bildbeschreibungen Huren, Bordelle und ihre Besucher umschrieben, zu konfrontieren. In diesen Ekphrasen wird über den Gebrauch und die Funktion von Bildwerken zugleich der Konsum von Huren verhandelt. La Rettorica delle Puttane kursierte im 17. Jahrhundert in ganz Europa. Neben der englischen Fassung sind spanische und französische Variationen bekannt.88 Wenn auf dieser theoretischen Grundlage die Bildwerke detaillierten Werkanalysen unterzogen werden, dann in Bezug auf strukturelle Ähnlichkeiten sowie zeitliche und regionale Besonderheiten. Der Ansatz der vorliegenden Studie gründet dabei weniger auf der Prämisse einer Kenntnis der Druckwerke von Vorgängern und Zeitgenossen, sondern vielmehr auf der Annahme eines gemeinsamen Erfahrungswissens und ideengeschichtlichen „Denkraums“.89 Die Hurenbilder zeichnet aus, sich Klassifikationsversuchen zu entziehen. Formal zeigen die Stiche zumeist schöne, junge Frauen, die sich aus dem Bild heraus den Betrachtern zuwenden (siehe etwa Abb. 4, 8, 9, 27–31). Ihre Kleidung oder ihre Frisuren unterscheiden sich für den modernen Betrachterblick nicht wesentlich von jenen in Darstellungen ehrbarer Frauen und sie scheinen keineswegs schändliche oder „gefallene“ Frauen zu sein. Inwiefern sich die Stiche aber doch als „Hurenbilder“ zu erkennen geben, als Bilder nämlich, die die Objekthaftigkeit der Huren selbstreferierend zur Schau stellen, und inwiefern dies zugleich auf die spezifisch ästhetischen Qualitäten der Grafiken verweist, ist an Fallbeispielen zu untersuchen. Statt dem Versuch einer Klassifizierung umkreisen die folgenden Kapitel Modi der Semantisierung: Das dritte Kapitel untersucht den Fall des Miroir des courtisannes, ein Utrechter Stichbuch, das eine Porträtsammlung als Hurensammlung darstellt (Abb. 4–9). In diesem Kurtisanenspiegel ist die erotische Wirkung der Huren beispielhaft mit ihrer Porträthaftigkeit zu verbinden. Holländische und flämische Künstler arbeiteten in London und bildeten dort Nachfolger aus, bis in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts endlich fähige englische Stecher das Druckhandwerk 88 Coci 1990, S. 156–163, sowie dies. 1983, S. 277, S. 279. 89 Im Sinne von Warburg 2000, S. 3, der in der Einleitung zum Mnemosyne-Atlas ein Konzept jenes geistigen und geistesgeschichtlichen, Vernunft und Affekt berücksichtigenden „Zwischenraums“ entwirft, aus dem sich zwischen Künstler, Bildwerk und Betrachter ein aktiver und dynamischer Denkprozess entfalten kann. Zur Tradierung und Tradition obszöner Literatur als Teilaspekt europäischer Geistesgeschichte siehe die methodologischen Überlegungen in kritischer Auseinandersetzung mit Foucaults Modell der scientia sexualis in Turner 2003, S. 13–22. Vgl. auch Cryle 1994, S. 17–19, mit einem ähnlichen Ansatz zur obszönen Literatur Frankreichs.

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ausüben konnten. Daran sowie mit der Rezeption englischer Stiche in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schließt das vierte Kapitel an. Am Beispiel der Tagebucheinträge des englischen Marinesekretärs Samuel Pepys und seiner Vorliebe für die Mätresse des englischen Königs wird zu zeigen sein, dass auch Porträts mit eigentlich repräsentativer Absicht als Hurenbilder gebraucht werden konnten. Nachdem solcherart zwei Beispiele für die praktische Entstehung von Hurenbildern durch Crispijns Bildfindung und Pepys’ Bildgebrauch diskutiert wurden, verfolgt das vierte Kapitel das Hurenmotiv in England und seine Etablierung als Medium der städtischen Kultur. Das fünfte und letzte Kapitel schließt die Werkanalysen mit einer weiteren Fallstudie ab: Die 1776 geschaffene Lydia (Farbtafel, Abb.  34, Abb. 46–47) des Londoner Malers Matthew Peters zeigt die Hure im Schlafzimmer. Dieses Gemälde und seine Reproduktion sind auf den Mechanismus sexuellen Reizes und das Schauangebot des Bilds hin zu befragen. Dabei wird die Analogie von Grafik und Hure als in der Replik intensivierte Form lustvoller Schauerfahrung und konsumierender Aneignung zu diskutieren zu sein. Das Hurenmotiv war ein europäisches Phänomen. Wenn auch innerhalb des Rahmens dieser Studie nicht weiter auf italienische, französische oder deutsche Varianten eingegangen werden kann, so ist die vorliegende Studie doch als Grundlage für weitere Forschungsarbeit zum Motiv der Hure als Verhandlungsort für den Status der Bilder zu verstehen.

2. Die Hure als Bild, das Hurenbild

Bereits den antiken Malern hatten Hetären Modell gestanden. Dies war etwa in Xenophons Memorabilien, in Plinius’ Naturgeschichte, aber auch in der zuerst 1634 veröffentlichten Geschichte der antiken Kunst des Heidelberger Philologen Franciscus Junius De pictura veterum, nachzulesen.1 Die Gleichsetzung von Frauen und Bildwerken lässt sich über die Liebesliteratur des Hochmittelalters bis zur neuzeitlichen Kunstliteratur verfolgen, die seit dem 16. Jahrhundert ein hierarchisches Verhältnis von aktiv schaffendem Maler und passivem Modell forcierte.2 Vor diesem Hintergrund lag eine Assoziation von Hure und Bildwerk, wie etwa in der Darstellung der Venus als Hure oder der Hure als Venus, nahe.3 Im 17. Jahrhundert fand diese Koppelung in Ferrante Pallavicinos satirischem Werk La Rettorica delle Puttane, der Hurenrhetorik, tatsächlich eine Art theoretischer Fundierung, indem Pallavicino darin anhand der Hure eine allgemeine Kritik der Nachahmung formulierte, wie eine These der vorliegenden Studie lautet. Als Grundlage für die Diskussion von Huren in Bildwerken ist am Beispiel der Hurenrhetorik zunächst zu klären, worin die Bildhaftigkeit der äußeren Erscheinung einer Hure – der Charakter der Hure als Bild – begründet lag.

2.1. Pallavicinos Kritik an der Ästhetik der Huren Der ehemalige Augustiner-Chorherr und scharfzüngige Satiriker der römisch-katholischen Kirche, der aus Parma stammende Ferrante Pallavicino (1615–1644), schrieb La Rettorica delle Puttane vordergründig als eine obszöne Satire auf die jesuitische Rhetorik.4 Pallavicinos Hurenrhetorik erschien zuerst 1642 anonym in Venedig und 1 Junius 1991 (1638), Bd. 1, S. 232, passim, mit Verweis auf die antiken Texte. 2 Das sexuelle Verlangen beim Anblick einer schönen Frau konnte in diesem Kontext und mitunter im Rekurs auf antike Ursprungsmythen wie die Pygmaliongeschichte auf die künstlerische Schaffenskraft übertragen werden und mittels sexueller Metaphern über den – zumeist weiblichen – Körper Fragen zu künstlerischer Gestaltung und Ideenfindung, zumeist von Männern, ausverhandeln. Aus der umfangreichen Literatur seien als grundlegende Werke Althoff 1991, Sheriff 2004, Bettini 2008, Hammer-Tugendhat 1989 und dies. 2009 sowie, insbesondere in Hinblick auf Produktivität und Kreativität, Schade 1986, Ruvoldt 2004, Suthor 2004 und Pfisterer 2005 genannt. 3 Siehe dazu Santore 1997. 4 Pallavicino 1642, hier nach der kritischen Neuausgabe von Laura Coci, Pallavicino 1992, zitiert. Auf die jesuitische Rhetorik weist Pallavicino mit dem wiederholten Bezug auf „Cipriano“ hin. Dabei handelt es sich um Cypriano Soarez’ (Cyprianus Soarius, 1524–1593) zuerst 1560 erschienene Schrift De arte rhetorica libri tres, die im 17. Jahrhundert zum maßgeblichen jesuitischen Lehrbuch wurde. In ihrer Edition erarbeitet Coci 1992, hier S. XXXIX, eine Konkordanz von

32  |  Die Hure als Bild, das Hurenbild

erzählt, wie eine alte Kupplerin ein junges Mädchen in der Hurerei unterrichtet.5 Damit war die Rettorica delle Puttane die letzte Variante der literarischen Hurenunterweisung in Italien, die Pietro Aretino zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit den Ragionamenti, den Hurengesprächen, begründet hatte, und zählte zugleich bis ins 18. Jahrhundert zum Kanon obszöner Literatur.6 James Turner verweist in seiner Studie zur obszönen Literatur auf die Verwendung von Begriffen der Bildkünste in der Rettorica delle Puttane, mit denen Pallavicino die Hurerei zur Kunst (arte) erklärte und die Hure zur Künstlerin.7 Dem ist hinzuzufügen, dass die Grundregeln der Rhetorik seit langem mit den Grundsätzen der Malerei verwachsen waren: Bereits der Florentiner Theoretiker Leon Battista Alberti legte das Ordnungsschema der Rhetorik seinem einflussreichen Malereitraktat De pictura 1435/1436 zu Grunde.8 Spätestens jedoch, seitdem die Venezianer Paolo Pino und Lodovico Dolce um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Rhetorik in ihren Malereitraktaten systematisch zur Malerei in Beziehung gesetzt hatten, war die Verknüpfung von Rhetorik und Malerei ein Gemeinplatz in der Kunstliteratur ge-

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Pallavicinos Hurenrhetorik und der jesuitischen Rhetorik und fügt ihrer Ausgabe der Rettorica delle Puttane die entsprechenden Passagen aus Soarez’ Rhetorik im Anhang, S. 191–198, bei. Zu Soarez’ Rhetorik siehe Schlüter 2004, S. 337–350, hier S. 339, Barner 2002, S. 336–344, und die Einführung von Coci 1992, S. XXXII–XLI. Hinter dieser rhetorischen Folie verwebte Pallavicino die Haupttexte der bekannten obszönen Literatur seiner Zeit, wie Coci in ebd., S. XLIII–XCII, und Turner 2003, S. 72–87, kenntnisreich nachweisen, mit Motiven aus der Liebesliteratur und populärphilosophischem (naturalistischem) Gedankengut. Allerdings wurde Pallavicino sogleich als Urheber verdächtigt: Nach seinem Beitritt zu den Augustiner-Chorherrn in Mailand 1632 ließ er sich nach Reisen nach Frankreich und Padua kurzfristig in Venedig nieder, wo er im Convento della Carità lebte. Er hatte bereits zahlreiche Satiren verfasst, als zwischen 1641 und 1642 eine Reihe von satirischen Schriften, die sich hauptsächlich gegen die römische Kurie und besonders gegen Papst Urban VIII. Barberini, die Jesuiten und die römische Inquisition richteten, gedruckt wurden. Dazu zählte neben der Rettorica delle Puttana die papstkritische Schrift Baccinata, die zwar anonym veröffentlicht, aber dennoch unmittelbar mit Pallavicino in Verbindung gebracht wurde, so dass er den Orden verlassen, untertauchen und schließlich aus Venedig flüchten musste. 1643 wurde er auf dem Weg nach Paris in der Nähe Avignons und damit im päpstlichem Rechtsgebiet festgenommen und inhaftiert; dass währenddessen 1643 in Genf seine proprotestantische Satire Il divortio celeste, cagionato dalle dissolutezze della sposa Romana, ein Scheidungsgesuch Christi von seiner Braut, der römischen Kirche, veröffentlicht wurde, kostete ihn 1644 den Kopf. Coci 1992, S. CIII–CV, und Muir 2007, S. 63–107. Zu Pallavicinos Schriften siehe Coci 1983. Turner 2003, S. 31. Zu weiteren Ausgaben und Adaptionen siehe Pallavicino 1992, S. 156–163, sowie zuletzt Turner 2006a. Auf die oben (S. 15) eingeführte englische Variante von Pallavicinos Hurenrhetorik, die 1683 in London erschienene The Whores Rhetorick, ist in Kap. 2.4. zurückzukommen. Turner 2003, S. 85–87. Hier und im Weiteren nach der lateinischen Ausgabe De pictura von 1435/1436, Alberti 2000, zitiert. Siehe dazu Bätschmann und Schäublin 2000, S. 75.

Pallavicinos Kritik  | 33

worden.9 Vor diesem Hintergrund formulierte Pallavicino, wie sogleich punktuell zu zeigen ist, nicht nur eine Analogie von Bild und Hure, sondern durch seine Parodien auf Grundfragen der Kunstliteratur eine Kritik an der Nachahmungsfähigkeit der Huren. Dabei unterfütterte er das theoretische Ordnungsschema der Rhetorik mit konkreten Begriffen aus der Praxis der Bildproduktion – so nannte er etwa „Kunstwerk“ (artificio), „Ausführung“ (esecuzione), „sich ausdenken, sich vorstellen“ (chimerizare), „sich darstellen“ (raffigurarsi), „porträtieren“ (ritrarre), „vor dem Modell“ (al vivo) – und kombinierte diese mit Beispielen konkreter Bildwerke. Auf diese Weise integrierte Pallavicino in seine Kritik der Nachahmung ebenfalls eine grundlegende Konzeption des Hurenbilds. In der Rettorica delle Puttane erklärte Pallavicino maximalen und dauerhaften finanziellen Profit zum Ziel und zur Motivation von Prostitution, die Gier (und nicht etwa die Wollust) als einziges zulässiges Laster, womit ein finanziell abgesicherter, ruhiger Lebensabend locke.10 Um langfristig ein Auskommen aus der Hurerei zu finden und eine nachhaltig erfolgreiche Hure zu werden, genügte es nach Pallavicino, den Regeln der Rhetorik zu folgen: In fünfzehn Lektionen unterweist eine alte Kupplerin in der Rettorica delle Puttane ein junges Mädchen in die Hurerei entsprechend der Einteilung der rhetorischen Lehre in die Ideenfindung (invenzione), in die Gliederung und Ordnung der Argumente (orazione), ihre sprachliche Darstellung und Ausschmückung (elocutio), ihre Verankerung im Gedächtnis (memoria) und ihre praktische Umsetzung (gesto).11 In der Hurenrhetorik beschrieb die Invention Techniken der Verführung, die in der Dispositio in vier Schritten zur Anwendung kamen:12 Der Praxis des Freierwerbens entsprachen die Einleitung oder das Exordium (esordio) und die Erzählung 9 Ebd., S. 75. Paolo Pinos Dialogo di pittura wurde erstmals 1548 in Venedig und Lodovico Dolces Dialogo della pittura zuerst 1557 in Venedig veröffentlicht. Ob Pallavicino sich für Malereitraktate interessierte, ist nicht bekannt. Doch zumindest dürfte ihm das theologische Traktat Discorso intorno alle imagini sacre e profane geläufig gewesen sein, mit dem Kardinal Gabriele Paleotti, der Bischof von Bologna, 1582 erstmals in lateinischer und italienischer Sprache ausführlich zum Tridentinischen Bilderdekret Stellung nahm und darin nicht nur den kunsttheoretischen Bezug zwischen Malerei und Rhetorik aufnahm, sondern ausdrücklich die rhetorische Methode der Persuasion – der Überredung und Überzeugung – auf die Bilder übertrug. Paleotti begründete seine Ausführungen dabei nicht nur mit antiken und theologischen Autoritäten, sondern hatte ebenfalls auch die Kunstliteratur konsultiert, in der Alberti 2000, S. 264–271, als Erster die Wirksamkeit der Bilder auf die Betrachter thematisiert hatte. Vgl. Rosen 2009, S. 149–159. 10 „Quest’arte ha per materia l’interesse, e per oggetto tutto ciò che può cercarsi o pretendersi da una ingorda avarizia.“ Pallavicino 1992, 1. Lektion, S. 18. Diese Motivation leitet Pallavicino scherzhaft sexistisch-etymologisch ab vom italienischen Wort donna, „Frau“, zu dammi, „gib mir!“. Ebd., 3. Lektion, S. 30. 11 Ebd., 2. Lektion, S. 22. 12 Ebd., 5. Lektion, S. 36. „Dalla invenzione si mendicano i motivi per accreditare false frodi, simulati inganni e finti amori.“ Ebd, 3. Lektion, S. 27.

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(narrazione) der Rhetorik. Die Einleitung war auf das äußere Erscheinungsbild der Hure konzentriert, das sexuelles Verlangen weckte.13 In der Erzählung sollte die Hure dieses Erscheinungsbild glaubwürdig wirken lassen. Hier erzählte die Hure eine Geschichte – von einer mittellosen Waise oder Aristokratin etwa – und schaffte sich einen Rahmen ehrbaren Scheins.14 Dafür forderte Pallavicino von der Aufmachung einer Hure eine Flexibilität und Wandelbarkeit an den jeweiligen Geschmack der Freier, die er mit Ausdrücken der Formgestaltung beschrieb:15 Sie müsse sich dazu in alle Formen (forme) falten (piegarsi) können.16 Das Kapitel zur Erzählung behandelte diesbezüglich die Ausstattung (apparato) einer Hure, die sie wie eine zweite Haut (strato) über sich ziehen sollte.17 Mit „Apparat“ meinte Pallavicino ein Repertorium des ehrbaren Scheins, den anpassungsfähigen Hintergrund ihrer körperlichen Erscheinung, der dieser einen plausiblen, die Gier kaschierenden Kontext gebe.18 Dazu gehörten neben der Sprache und Körperpflege alle Arten von Accessoires, die von der Kleidung über die Wohnung und ihre Einrichtung bis zur Wahl der Dienerin reichten.19 Die rhetorische Freierwerbung – Einleitung und Erzählung, Exordium und Narration – sei ganz auf die erotische Stimulation konzentriert und vermeide jede Anspielung auf wirtschaftliche und gewerbsmäßige Interessen.20 Vielmehr beschrieb Pallavicino beides als eine Art Crescendo sexuellen Verlangens, das in der Gewissheit auf die Erfüllung der in Aussicht gestellten sexuellen Befriedigung gipfele: Wenn 13 Ebd., 5. Lektion, S. 36–42. 14 Ebd., 6. Lektion, S. 42–45. 15 „[...] e chi si vende fa che si venda a gusto e discrezione del compratore: l’avere similmente per oggetto il guadagno dimostra la necessità di piegarsi in tutte le forme e aggiustarsi in tutti quei gradi onde può trarsi riguardevole avanzo.“ Ebd., 2. Lektion, S. 24–25. Das Wort gradi zielt doppeldeutig sowohl auf soziale Anpassung wie auf sexuelle Stellungen. Turner 2003, S. 77. 16 „[...] la necessità di piegarsi in tutte le forme [...].“ Pallavicino 1992, 2. Lektion, S. 25. 17 „Consideri insomma la donna che quivi ancora, come nell’ esordio, formasi un apparato e s’estende quasi uno strato sopra di cui il fasto dell’eloquenza trionfi degli altrui voleri.“ Ebd., 6. Lektion, S. 44. Teilw. zitiert bei Turner 2003, S. 77, der apparato mit „a display apparatus or projection screen“ als eine Art Bildschirm und zweite Haut auf der Hure selbst übersetzt, was jedoch eher dem italienischen Wort schermo entsprechen würde. Siehe Cortelazzo und Zolli 1979–1988, Bd. 5 (1988), S. 1151, und zur Etymologie des italienischen Worts apparato ebd., Bd. 1 (1979), S. 64, als Ausdruck für „Ausstattung“, „vorbereitendes Material“, „Werkzeug“, aber auch für „organische Systeme“. 18 Pallavicino 1992, 6. Lektion, S. 41–43. 19 Ebd., 13. Lektion, S. 76–78 und zur Dienerin insbes. ebd., 11. Lektion, S. 67. 20 Ebd., 6. Lektion, S. 43. „Erotisch“ ist hier im Sinne des griechischen Eros gebraucht, wie noch bei Zedler 1732–1754, Bd. 8 (1734), S. 1742, der den linguistischen Unterschied der zwei Formen des Eros in der griechischen Sprache semantisch interpretiert, indem er zwischen „geziemender“ (Ερως) und „ungeziemender Liebe“ (Ερς) unterscheidet. In der Encyclopedie Diderots und d’Alamberts dagegen grenzte sich diese Bedeutung wenige Jahre später auf erotique zu einer krankhaften Form des Geschlechterverhältnisses ein, als „exzessiv sinnliches Verhältnis“, wie GrawertMay 2001, S. 310–337, bemerkt. Siehe auch Shestakov 1996, S. 59–67 und Pechriggl 2009.

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der Freier überzeugt sei, sein Verlangen zufriedenstellen zu können, solle das Spiel der Verführung zum Stillstand kommen. Dann gebe sich die begehrenswerte Frau als Hure zu erkennen, und es gehe ums Geschäft.21 Finde sich eine Einigung – eine Vorauszahlung oder die Aussicht auf sichere Einkünfte –,22 so solle die erfolgreiche Verführung zu einem guten Ende gebracht werden.23 Das Spiel der Stimulation wiederhole sich nun spiegelverkehrt: In einem dritten Schritt finde im Koitus die Bestätigung (confermazione) statt.24 Im Schlussteil, dem epilogo, beginne die Hure von vorn, indem sie im Modus des Exordiums wieder erotische Sehnsüchte schüre, die zu einem weiteren Treffen anregen sollten.25 Die Hurerei also wurde als ein Kreislauf von erotischer Verführung und sexueller Wunscherfüllung beschrieben. Eine erfolgreiche Hure konnte diesen Zyklus aufrechterhalten, indem sie das Pathos der Freier kontrollierte.26 Die Beredsamkeit, die Eloquenz, wurde nicht als Kunst der guten, überzeugenden Rede, sondern als Kunst der Überredung mittels des gezielten und gekonnten Einsatzes des ganzen Körpers beschrieben. 21 „Quivi s’irrigidisca un po’ poco la puttana, non essendo più necessarie le maniere conformi ad amichevoli trattamenti; fermisi sul punto della causa, e se la notizia dell’uomo o la fede del mezzano nel trattato non assicura, tolgasegli la commodità d’ogni sodisfazione senza l’anticipato pagamento.“ Pallavicino 1992, 6. Lektion, S. 45. 22 „[...] siché è fatta obligazione il pagamento delle donne che vendono le sue carni non a prezzo imaginario d’amore, ma per lo valsente prezioso dell’oro.“ Ebd., 7. Lektion, S. 48. 23 Das unterscheidet eine Hure auch von den „Kokotten“ der Sittengeschichten des beginnenden 20. Jahrhunderts. 24 Ebd., 7. Lektion, S. 46. 25 „[...] nell’epilogo, detto communemente perorazione [...].“ Ebd., 7. Lektion, S. 49–51, hier. S. 49. 26 „[...] in guisa che rapiti gli uomini in una imaginaria gloria, non possono che secondare gl’impulsi della intelligenza movente a cui s’assoggettiscono quasi a primo motore, unico principio delle loro contentezze.“ Ebd., 2. Lektion, S. 22–23. Dabei überspitzte er die Priorität der Jesuiten im Dreiklang von Glaubwürdigkeit, Argumentation und Affektkontrolle und parodierte in der zitierten Passage zugleich die scholastische Tradition des Gottesbeweises in obszöner Weise. Dazu kam die hämische Gewissheit zwangsläufigen Scheiterns: In der obszönen Literatur gab es bis zum 18. Jahrhundert keine in diesem ökonomischen Sinne erfolgreichen Huren, die aus gewerblichem Sex ein lebenslanges Auskommen gefunden hätten. Stets war die lehrende Kupplerin eine gealterte Hure, die ihr eigenes Scheitern zur Unterweisung der nächsten Generation motivierte. Dieses Scheitern war meist durch die Emotionalität der Huren verursacht, die über ihre Geschäftsmäßigkeit siegte (vgl. bei Pallavicino die Warnung vor den schönen, aber armen „Ganimedi“, ebd., 5. Lektion, S. 40–41). Erstmals durchbrach John Clelands Figur Fanny Hill in der zwischen 1748 und 1749 geschriebenen Erzählung Memoirs of the Women of Pleasure die bislang unvermeidliche Erzählstruktur des Hurenlebens von Aufstieg, Erfolg und elendem Verfall. Dies gelang durch eine Qualitätsverschiebung: Fanny Hill war sentimental und bewahrte sich in ihrer Geschichte stets ihren tugendhaften Kern. In der Hurenliteratur war Fanny Hill die erste Hure, die nicht nur finanziellen Profit erwirtschaftete, sondern der es dabei auch gelang, weiterhin zu echten Gefühlen fähig zu sein. Nur deshalb verstarb sie nicht elend und miserabel, sondern alt und glücklich verheiratet. Diese Gratwanderung gelang ihr jedoch nicht aufgrund ihrer Emotionalität, sondern wegen ihrer Fähigkeit zur Selbstdistanzierung, wie L. Rosenthal 2006, S. 14–15 und S. 120–128, bemerkt.

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Dafür stünden der Hure die natürliche Disposition ihres Körpers (natura) und dessen künstliche Verschönerung (arte) zur Verfügung, letztere werde durch Übung (esercizio) und Nachahmung (imitazione) erreicht.27 Für die erfolgreiche Verführung reiche das jedoch nicht aus, denn die Affekte der Männer seien nicht leicht zu bewegen. Die überzeugenden Argumente entwickele die Hure deshalb aus der Umsetzung ihrer Einbildungskraft (invenzione):28 Nur solcherart könne sie die Wünsche ihrer Freier vorwegnehmen und durch ihren Körper und ihr Erscheinungsbild darstellen und stimulieren.29 Eine Hure mit einer geschulten Einbildungskraft würde jeden beliebigen Mann zu verführen vermögen und jeglichen „lasziven Appetit“ zu befriedigen wissen.30 Für diesen Prozess der Wunschverkörperung gebrauchte Pallavicino das italienische Verb chimerizarsi,31 das mit „sich vorstellen“, „sich imaginieren“ und „sich fantasieren“ zu übersetzen ist.32 Das Verb leitet sich von der antiken Fabelgestalt der Chimäre ab, eines jener Mischwesen, mit dem bereits in der Antike Horaz in seiner Schrift zur Dichtkunst, Ars Poetica, die Ideenfindung einführte und an deren richtigen Gebrauch gemahnte.33 In diesem Sinn galt die Chimäre auch in der Neuzeit als Sinnbild der kreativen Kraft der Fantasie, der schöpferischen Imagination,34 und war 27 Pallavicino 1992, 2. Lektion, S. 23. Damit berührte Pallavicino die Kernfrage des Kunstschaffens, wie sie Aristoteles in der Poetik und der Physik in der Nachahmung der Natur einerseits und ihrer Vollendung andererseits begründet hatte. Siehe dazu Blumenberg 1981 sowie Bätschmann und Schäublin 2000, S. 31–36. 28 Pallavicino 1992, 2. Lektion, S. 29. 29 „[...] sviscerarsi la mente per chimerizare vere e verisimili, e anche false con contraria apparenza, secondo che stimaransi più atte al persuadere e ad impetrare ciò che si desidera.“ und weiter unten „[...] raffigurarsi l’armonia delle supreme sfere [...].“ Ebd., 1. Lektion, S. 22. Sviscerarsi ist in diesem Zusammenhang als eine Art geistiger Reinigung von der visceralità, der körperlichen Leidenschaft und der Regung der Organe, zu lesen. 30 „[...] è un sottoporsi ad inevitabile decreto di sodisfare a qualunque appetito lascivo, poiché si spende chi vuol comperare tutte le sue sodisfazioni, e chi si vende fa che si venda a gusto e discrezione del compratore [...].“ Ebd., 2. Lektion, S. 24–25. 31 Passim, v. a.: „sviscerarsi la mente per chimerizare vere e verisimili“, ebd., 2. Lektion, S. 22, „Chimerizi insomma le forme più proprie e convenevoli per dar gusto e incontrare l’aggradimento altrui [...]“, ebd., 3. Lektion, S. 29. Zuerst zitiert bei Turner 2003, S. 77. 32 So Zingarelli 2004, S. 1553, wo chimerizzare als „immaginare con fantasia, fantasticare“, also „sich etwas mit Fantasie vorstellen, fantasieren“ erklärt ist. 33 Horaz 2008, vv. 1–9, als Beispiel übertriebener Stilmischung. 34 Thimann 2002, S. 44–48 und S. 54–57. Entsprechend ist chimera in der 2. Aufl. des Florentiner Vocabolario degli Accademici della Crusca 1623, S. 177, als „mostro favoloso: appresso di noi invenzion fantastica” definiert, die Fabelgestalt dagegen im Lemma orco, „Ungeheuer“, ebd., S. 562, abgehandelt. Das Verb chimerizzare lokalisieren Battisti und Alessio 1950–1957, Bd. 2 (1951), S. 901, zeitlich zuerst im 16. Jahrhundert. Im Sinne von „fantasieren“, „sich ausdenken“ gebrauchte es Dolce 1913 (1565), S. 119, in seinem Dialogo dei Colori, der in seinem Dialogo della Pittura, ders. 1960, S. 167–168, außerdem Horaz’ Eingangsverse der Ars Poetica im Kontext der Invenzion zitierte. In ähnlicher Weise gebrauchte es der Venezianer Sorte 1960, S. 273, im polemischen

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dabei aber eng mit der sinnlichen Wahrnehmung verbunden: Fantasieren meinte, die Eindrücke der sinnlichen Wahrnehmung aufzunehmen und neu zu kombinieren. Ihre Wertung war eine Frage des Urteilsvermögens. Die Fantasie konnte im negativen Sinn verzerrte Vorstellungen, Trugbilder oder Fehlschlüsse hervorbringen, aber auch kreative Neuschöpfungen, die einen Erkenntnisgewinn versprachen. So verglich etwa der Peruginer Bildhauer Vincenzo Danti 1567 in seinem Tratatto delle perfette proporzioni die bildenden Künste begeistert mit den Chimären: Beide ahmten die Natur nicht bloß nach, sondern sie setzten sich aus verschiedenen Bestandteilen natürlicher Dinge so gut zusammen, dass sie durch sich selbst etwas ganz Neues hervorbrachten.35 Pallavicino spielte sowohl mit den negativ trügerischen als auch mit den positiv schöpferischen Implikationen der Figur der Chimäre, wenn er der Hure einerseits auftrug, zu betrügen und falsche Vorstellungen vorzutäuschen, aber andererseits den Ausdruck chimerizzare satirisch mit Grundfragen schöpferischer Gestaltung verknüpfte: In der ersten Lektion empfahl er der Hure, ihre Einbildungskraft an „Wahrheiten und Wahrscheinlichkeiten“ (vere e veresimili) zu halten oder auch – je nach Bedarf – das Gegenteil ihrer selbst darzustellen.36 Indem die Darstellung der Hure sich auf natürliche „Wahrscheinlichkeiten“, also das glaubhaft Darstellbare, beziehen sollte, aber zugleich auch ins Gegenteil zu verkehren war, führte Pallavicino wiederum ein seit Horaz’ Ars poetica klassisches Problem der Kunstliteratur ad absurdum.37 Das Nachahmungskonzept der Hurenrhetorik ist ein eklektisches: Die Einbildungskraft schulte die Hure durch sinnliche Anschauung, indem sie die besten Huren beobachtete und die öffentlichen Orte als sinnliche Fundgruben neuer Ideen studierte.38 Dadurch konnte sie in bester kunsttheoretischer Tradition – „entsprechend Vorwort der Osservazioni nella pittura, Venedig 1580. Das Vocabolario degli Accademici della Crusca nahm das Verb erst in die 4. Ausgabe 1729–1738, Bd. 1 (1729), S. 477, auf und beschrieb es als „immaginarsi cose vane, stillarsi il cervello“. Zu einem Überblick der Konzeptionen der Fantasie von der Antike bis in die Moderne siehe Ränsch-Trill 1996, zur Fantasie als Begriff der Bildkünste Löhr 2008. 35 „[...] l’arte del disegno può [...] tutte le cose che si veggiono imitare o veramente ritrarre; e non solamente le cose celesti e naturali, ma l’artifiziali ancora di qual si voglia maniera; e, che è più, può fare nuovi composti e cose che quasi parranno tal volta dall’arte stessa ritrovate: come sono le chimere, sotto le quali si veggiono tutte le cose in modo fatte che, quanto al tutto di loro, non sono imitate dalla natura, ma sì bene composte parte di questa e parte di quella cosa naturale, facendo un tutto nuovo per sé stesso.“ Danti 1960, S. 235. Zit. bei Ränsch-Trill 1996, S. 105. 36 „[...] chimerizare vere e verisimili, e anche false con contraria apparenza [...].“ Pallavicino 1992, 1. Lektion, S. 22. 37 Siehe Lausberg 1960, Bd. 1, S. 563, und Zantwijk 1992. Vgl. die Ausführungen von Thimann 2002, S. 43–73, zum Begriff der favole in der Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts. 38 „Non mancano poi originali ch’imitati al vivo ritraggono una vera e perfetta puttana“; Pallavicino 1992, 2. Lektion, S. 24. „[...] perfezionarvi con l’imitazione, proponetevi le cortigiane di maggior fama“, ebd., S. 25, und „Giovarà a primo aspetto il pensiero d’imitare le migliori per muovervi

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der Schulrhetorik“ – die nützlichsten und besten Teile aus diesen Sinneseindrücken auswählen und in deren Neukombination des Gesehenen neue Formen der Verführung entwickeln.39 Diese Einfälle setzte sie dann mit ihrem Körper um und gab ihnen somit sinnliche Gestalt.40 In der so formulierten Darstellung von Wünschen durch den Körper lag die poetische Kraft der Hure. Wie die optimalen Redner der klassischen Rhetorik eine abstrakte Idee zu vermitteln vermochten, konnte eine ideale Hure mit ihrem Körper das darstellen, was sie für die sexuellen Imaginationen der Freier hielt. Insofern war die Invention der Hure in der Rettorica delle Puttane als eine Technik zur Manipulation der Formwahrnehmung und in diesem Sinn als ein ästhetisches Verfahren eingeführt worden. Die Grundlagen dieser Anpassungsfähigkeit an den Geschmack und die soziale Stellung der Männer jedoch legte die praktische Umsetzung der Erfindungsgabe. Dazu gab Pallavicino den antiken Topos der Bärin, die ihr Junges als unförmigen Klumpen wirft und es erst mit ihrer Zunge in Form leckt, wieder und formulierte ihn um:41 Pallavicino riet der Hure, sich „als die unförmige Masse der Bärin“ vorzustellen, „die mit ihrer Zunge ihren Gliedern die Form gibt und dadurch eine vollendete Form erlangt“.42 Die Hurenrhetorik stellte die Hure also als Bärin und zugleich als Bärenjunges vor, wodurch sie formbare Masse und Formgeberin in sich vereint.

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all’osservanza degl’insegnamenti proposti, rappresentandovisi con tal occasione la felicità che si gode nella loro compita esecuzione.“ Ebd., S. 26. Dieses Prinzip der Nachahmung, den „Eingriff in die Organisation des weiblichen Körpers, um aus ihm einzelne Teile zu isolieren“, charakterisierte zuletzt Suthor 2004, S. 55, mit Cropper 1976 als „die Bedingung einer ästhetischen Wahrnehmung der Frau als Bild.“ „[...] si provederà la donna quasi di miniere de’ luoghi communi, da’ quali può trarre motivi e ornamenti della sua eloquenza, e questi sono quei medesmi, [...] che s’assegnano nella retorica dettata entro le scole.“ Pallavicino 1992, 3. Lektion, S. 29. Die Maler ermahnte bereits Alberti 2000, S. 301, in De pictura, sich bei der Ideenfindung mit Verweis auf Plinius’ Autorität in einer Variation der Geschichte von Zeuxis und den Frauen von Kroton an die Natur zu halten (Plinius 1997, S. 96–97 [35. Buch, 1. Kapitel, Abschnitt 6]). „Chimerizi insomma le forme più proprie e convenevoli per dar gusto e incontrare l’aggradimento altrui [...].“ Pallavicino 1992, 3. Lektion, S. 29. In Plinius’ Naturkunde, Plinius 1976, S. 96–97 [8. Buch, 54. Kapitel, Abschnitt 126]: „hi sunt candida informisque caro, [...] sine oculis, sino pilo; ungues tantum prominent. hanc lambendo paulatim figurant. (Diese [Bärenjungen] sind anfangs weißes, ungestaltetes Fleisch, [...] ohne Augen und Haar; nur die Krallen ragen heraus. Diese Fleisch gestalten sie [die Bärinnen] allmählich durch Lecken.)“ und Ovids Metamorphosen, Ovidius 1968, S. 578–575 [15. Buch, vv. 379–381]: „nec catulus, partu quem reddidit ursa recenti, sed male viva caro est: lambendo mater in artus fingit et in formam, quantam capit ipsa, reducit. (Und, was die Bärin gebiert, ist, eben geworfen, kein Jungtier, sondern leblos Fleisch: durch Belecken bildet die Mutter Glieder an ihm und gibt ihm die Form, die sie selbst schon erworben.)“ Vgl. Hünemörder 2002. „Fingetevi la massa informe dell’orsa, a cui ora, dandosi con la lingua distinzione di membra, s’aggiunge anche perfetta forma.“ Pallavicino 1992, 3. Lektion, S. 26.

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Seine Beschreibung der Hure als Bärin und Bärinnenjunges in Personalunion zeugte von seiner Kenntnis der venezianischen Liebesliteratur,43 die auf der fleischlichen Einheit der Bärin und ihres Nachwuchses basierte, und die Pallavicino in der Rettorica delle Puttane parodierte:44 In seinem Dialogo d’Amore zum Wesen der Liebe argumentierte 1543 der Paduaner Humanist Sperone Speroni für die Vereinbarkeit geistiger und körperlicher Liebe, indem er das Mischwesen des Kentauren – auch eine Chimäre –, die obere Hälfte Mensch, die untere Tier, zur Personifikation der Liebe erklärte.45 Seine Behauptung veranschaulichte Speroni mit der Bärenmetapher:46 Die Zunge der Bärin wurde ihm zufolge durch den Verstand des Tiers gelenkt. Das Lecken war für ihn ein geistiger Akt, der erst der ungestalteten natürlichen Form des Bärenjungen – des eigenen Fleischs der Bärin – artifizielle Gestalt zu verleihen vermochte. So wie in der Figur des Kentauren sichtbar die menschliche, das Geistige repräsentierende obere Hälfte und die animalische, untere Hälfte zu einer existentiellen Einheit verwachsen sind, gibt dem sinnlichen Lecken der Bärin erst das Zutun ihres Verstands Sinn und dem Bärenjungen Leben. Dergestalt entwarf Speroni seine Konzeption der Liebe, die ohne die Verbindung von Körper und Geist keine Erfüllung finden könne. So wie rein körperliche Liebe roh sei, bleibe eine rein geistige ohne Substanz.47 Erst in der Verbindung aus Geist und Materie könne der Verstand unbändiges, körperliches Verlangen kultivieren, vollenden und als sinnliche Befriedigung erfahrbar machen.48 43 Diese weist Coci 1992, S. XVIII–XXIX und S. CI–CV, in ihrer Einführung biografisch – Pallavicino hielt sich hauptsächlich in Venedig auf und verfasste dort auch die Rettorica delle Puttane – und insbesondere aufgrund seiner Kenntnis der Schriften Pietro Aretinos nach, ebd., S. LXI–LXXX. Pallavicino schrieb die Hurenrhetorik außerdem für die venezianischen Huren. Pallavicino 1992, Conclusione dell’opera, S. 110. 44 Suthor 2004, S. 15–27, analysiert in ihrer Dissertation zu Tizians Konzeption der Malerei das Motiv der Bärin in der Kunst- und Liebesliteratur des 16. Jahrhunderts. Auf ihren Kommentar stützen sich die folgenden Überlegungen. 45 Speroni ließ den Dialogo d’Amore zwischen der römischen Kurtisane Tullia d’Aragona und ihrem Liebhaber, dem Dichter Bernardo Tasso, mit Nicolò Grazia und Francesco Maria Molza als Mediatoren stattfinden. Grazia übernahm das Wort für die Vereinigung von Körper und Geist in der Liebe: „[...] che la sua forma sia mista, cioè dal mezzo in giù bestiale, e nell’altra metà, oue la ragione il formò, diuenti humano; come noi siamo.“ Speroni 1560, S. 20. 46 „Però mutando similitudine, udiste mai dire per avventura l’Orso nascere un pezzo di carne di niuna figura? E quello già nato, la madre tale colla sua lingua formarlo, quale il ueggiamo? Altretanto fa la ragione in quel primo amore, che l’anima nostra piena delle bellezze uedute ci partorisce nel cuore, il quale, percioche in quella parte di se, oue egli è a noi, e alli bruti commune, non è capace dell’artificio della ragione; auiene, che la sua forma sia mista, cioè dal mezzo in giù bestiale, e nell’altra metà, oue la ragione il formò, diuenti humano; come noi siamo.“ Ebd., S. 19–20. Die Ausführungen sind gegen die rein geistige, neoplatonische Konzeption des Florentiners Marsilio Ficino gerichtet, wie Suthor 2004, S. 21–27, zeigt. 47 „[...] è cosi sciocco in amore, che egli non curi i loro appetitisma come semplice intelligenza, cerchi solo di satisfarne la mente [...].“ Speroni 1560, S. 7. 48 Suthor 2004, S. 21–22.

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Die Übertragung der Bärinnenmetapher in die Liebesliteratur blieb auch im 17.  Jahrhundert präsent: Nördlich der Alpen diente sie z. B. noch 1683 in der in London gedruckten Sammlung Emblemata Amatoria als Sinnbild für die mit der Zeit wachsenden Liebe.49 Prosaisch vereinfacht wurde das Motiv der Bärin in den viersprachigen Versen scherzhaft mit dem Liebeswerben gekoppelt: so wie das Bärenjunge sei die Geliebte am Anfang roh und grob. Doch so, wie die Zunge der Bärin ihr Junges in Form lecke, formten erst schmeichelnde Worte und Küsse die Zuneigung und Zugänglichkeit der geliebten Frau.50 Speronis Erklärung der Bärinnenmetapher war auf die Sprache erweitert, kehrte aber seine Aussage um: Das Lecken der Bärin diente nicht mehr als Sinnbild für das absolute Wesen der Liebe, das sich erst in der Verbindung von Körper und Geist offenbarte. Stattdessen führte das Liebesemblem der Bärin in der Einheit von Intellekt und Sinnlichkeit – in geistvollen Worten und überzeugenden Küssen, die damit zugleich als eine sexuelle Allusion denkbar waren – die manipulative Macht der Liebe vor. Das vollendende Lecken in Speronis Liebeskonzeption wurde dadurch auf die Perfektion gekonnten Überredens im Liebeswerben reduziert.51 Pallavicinos Variante der Bärinnenmetapher in der Rettorica delle Puttane beschrieb ebenfalls das Lecken als suggestiven Akt, wobei die Zunge parodistisch die Dominanz der Sprache in der Rhetorik in Frage stellte und zugleich als Anspielung auf die sexuellen Qualitäten einer Hure verstanden werden konnte.52 Doch Pallavicinos Parodie ging über obszöne Scherze hinaus, weil sie so wie zuvor Speroni die Metapher der Bärin in einem geistvollen Kontext verhandelte, der jedoch nicht mehr 49 Ayres 1683, Emblem Nr. 5. 50 Ebd., Verse in lateinischer, englischer, italienischer und französischer Sprache: „Perpolit Incultum paulatim / tempus amorem. / Vrsa novum fertur lambendo fingere fatum, / Paulatim et formam qua decet ore dare: / Sic Dominam ut valde sic cruda sit aspera amato. / Blanditijs sensim mollit et obsequio. // By little & little. / See how the Bear industriously does frame, / And bring in time to forme, her unshapt young: / So may you mould the rough unpliant Dame, / with melting lips, and with a sooting Tongue. // Col Tempo. / Leccando forma il proprio parto, l’Orso, / Che da principio brutta massa appare; / Per ben far, ben servir, e ben parlare, / Si forma, e cresce Amor con equal corso. // Peu a peu. / Comme l’Ourse en léchant faconne son ourseau / Ainsy l’amant flatteur, par de tendres caresses, / Sait uaincre auec le temps les plussieres maitresses / Et conduit peu a peu leur riqueur au tombeau.“ 51 Der Kontext dieser Emblemata Amatoria ist deshalb in der frankophonen galanten Liebesliteratur des 17. Jahrhunderts zu suchen, die auf Taktik fokussiert war. Vgl. zu Kriegsmetaphern im Themenfeld der Liebe Flemming 1996, S. 356–381. 52 Dem verlieh Pallavicino 1992, S. 87–92, in der 15. Lektion Nachdruck, wo er neben der Mimik das Sprechen behandelte und wiederum dem Klang der Stimme mehr Bedeutung zumaß als dem Inhalt. Siehe auch Turner 2003, S. 84, der auf die Analogie von Zunge und Küssen verweist. Vgl. zur Zunge als Motiv sinnlicher Liebesallegorien Agnolo Bronzino: Venus und Cupido, um 1544– 1545. Öl auf Leinwand, 146 x 116 cm. National Gallery, London. Venus streckt bei Bronzino die Zunge durch die leicht geöffneten Lippen, um Cupido zu küssen. Siehe dazu Filzmoser 2008, S. 134 und Healy 1997, S. 8.

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die vollendete Liebe zwischen den Menschen, sondern die künstliche Generierung erotischen Verlangens zum Thema hatte.53 Das kreatürliche Lecken der Bärin meinte bei Speroni die Kultivierung der körperlichen Liebe im Geist. Dagegen gefährdeten in der Rettorica delle Puttane echte Gefühle den finanziellen Profit.54 Stattdessen zielte Pallavicinos Variation der Metapher auf den schöpferischen Prozess der Illusion der Liebe, der nur in der Einheit von Körper und Geist überzeugend gelingen würde. Nur indem sich die Hure selbst stetig den Vorstellungen der Freier anpasse oder deren Wünsche gar vorwegnehme, könne sie Verlangen künstlich herstellen und die Illusion der Wunscherfüllung glaubhaft darstellen. Wie erwähnt, ließ Pallavicino in seiner Variante der Bärinnenmetapher das Junge aus. Bei ihm leckte sich die Bärin selbst in Form. Indem die Hure aus sich selbst heraus neue Formen zu schaffen vermochte, lenkte Pallavicino die Metapher auf den Moment der Gestaltung zurück. So gewinnt Pallavicinos Parodie auf das Sinnbild der Bärin einen bildnerischen Gehalt, der wiederum bis zu Sperone Speroni zurückzuverfolgen ist: Bereits Speroni formulierte in seinem Dialogo d’Amore einen ähnlichen Bildbegriff, wie Nicola Suthor in ihrer Studie zur Konzeption der Malerei bei Tizian zeigt.55 Tizian wählte die Metapher der Bärin zum Sinnbild seiner Imprese Natura potentior ars.56 In der Kunstliteratur war die Bärin seit der Antike für das mühevolle Überarbeiten eines Textentwurfs im Prozess literarischen Schreibensbekannt;57 Tizians Imprese wird in der Forschungsliteratur mit „die Kunst vollendet die Natur“ übersetzt und somit als Konfrontation von Kunst und Natur, Künstler und natürlicher Schöpfung, interpretiert.58 Vor diesem Hintergrund zielte Pallavicinos Wahl der Bärinnenmetapher auf die Hure als Künstlerin, die sich selbst aus ihrem Geist heraus zu Bildern formte. Diese Übertragung ist in einem Passus über den Koitus überspitzt, wenn Pallavicino allzu 53 „Riescono perfettamente li artificii che sono conformi al genio di quello con cui s’usano [...].“ Pallavicino 1992, 3. Lektion, S. 27. 54 „[...] l’interesse è l’unico indrizzo a’ godimenti“; ebd., 3. Lektion, S. 29. Siehe auch ebd., 12. Lektion, S. 68–75. Deshalb galt es, unempfindlich gegenüber den gewaltigen Einwirkungen der Liebe, den „violenze di Cupido“, zu werden und vor dem Herz an die Börse zu denken: „si tratti in guisa che s’avventi la mano all’oro prima di volere por piede nel cuore.“ Ebd., 12. Lektion, S. 75. 55 Suthor 2004, hier S. 22. 56 1562 druckte Battista Pittoni Tizians Imprese erstmals in seinem Impresenbuch, Lodovico Dolce schrieb den Bildtext „Molti in diverse eta dotti Pittori / Continuando infino a tempi nostri / Han dimostro in disegni e bei colori, / Quanto con la natura l’arte giostri: / E giunti furo al sommo de gli honori / E tenuti fra noi celesti Mostri. / Ma TITIAN merce d alta ventura, / Vinto ha l’arte, l’ingegno, e la Natura.“ Zit. nach Rosand 1982, S. 16–21.. 57 Sueton führte die Metapher in seiner Vita Vergils ein. Suthor 2004, S. 17. 58 Rosand 1982, S. 16–21, Suthor 2004, S. 15–27, und Bohde 2002, S. 322–325, jeweils mit weiterführender Literatur.

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leidenschaftliche Huren kritisiert, die den Körper des Freiers mit einem Marmor-

4  Crispijn de Passe d. J.: La belle Dans, Margo la Macrelle, zweites Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 1635

block verwechselten, um den sich die Hure als Bildhauerin bewege, und er an die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers erinnert.59 So wie die Maler und Bildhauer ihre Bildfindungen auf der Leinwand und in Stein zur Darstellung brachten, setze die Hure ihre Erfindungen männlicher Wunschbilder auf dem eigenen Körper um. Die Metapher der Zunge beschränke die schöpferische Tätigkeit der Hure dabei nicht auf den eigenen Körper, sondern schließe ihre Freier mit ein. So wie sie selbst 59 „[...] e quasi che lavori intorno ad un marmo si muove con impetuosa violenza, che talvolta danneggia l’amante: si tratta di carne umana e di membra delicatissime [...].“ Pallavicino 1992, 15. Lektion, S. 93. Diese Beschreibung ist als ironische Umkehrung des Topos der lebendigen Statue zu denken, wie ihn z. B. der Florentiner Dichter Benedetto Varchi in seinen Versen zu Michelangelos Pietà wiedergab. Siehe dazu Smick 1996, S. 41–42, Fehrenbach 2005.

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mit ihrem Körper männliche Vorstellungen forme, die ihre Freier wiederum für die eigenen Wunschbilder hielten, wirke ihr Anblick gleichsam spiegelbildlich auf die Imagination der Männer zurück. Solcherart forme die Hure nicht nur die eigene Gestalt, sondern könne auch die Vorstellungen der Männer überformen. Den Akt der Bildwerdung stellte der holländische Kupferstecher Crispijn de Passe d. J. schon 1630 – also vor Pallavicino – in seiner Sammlung von Kurtisanenbildnissen, dem Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, exemplarisch in dem Stich La belle Dans dar (Abb. 4).60 Die schöne Dänin sitzt links in Halbfigur und schminkt sich 60 Crispijn de Passe d. J.: La belle Dans, zweites Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 1635. Kupferstich, 128 x 170 mm. Zum Miroir des courtisannes siehe Kap. 3.

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die Augen. Sie hält mit dem Stift in ihrer Hand vor dem linken Auge inne und wendet sich mit einem kontrollierenden Blick zum zweiten Bildoval nach rechts, von wo aus sich ihr die alte Kupplerin Margo assistierend zuwendet. Margo präsentiert ihr jedoch keinen Spiegel, sondern ihr eigenes Porträtbildnis in einem eckigen Rahmen, der denen der Hurenporträts des Frontispizes gleicht (Abb. 5).61 In diesem Bildnis trägt La belle Dans denselben Schmuck und dasselbe Kleid, wie die holländischen Spitzen ihres Mantels andeuten. Doch anders, als es in einem Spiegelbild der Fall wäre, blickt sie im Porträtbild nach rechts unten. Ihre Haare sind geordnet und ihre Züge geglättet. La Belle Dans schminkt sich nicht mithilfe eines Spiegels, sondern entsprechend ihres eigenen Porträtbilds. Der Malstift in ihrer Hand betont nicht nur die Künstlichkeit ihrer Erscheinung, sondern verweist zugleich auf den schöpferischen Prozess des Schminkens, des Bemalens: Ihr Gesicht ist nicht nur geschminkt, sondern sie malt ein ideales Wunschbild auf das eigene Gesicht. Die den Stichen gegenübergestellten Bildverse erläutern die Spezialität des Paars auch in diesem Sinn: Die Kupplerin verkauft die schöne Dänin immer wieder als Jungfrau – das Bild einer Jungfrau, wie das Porträtbild in der Hand der Kupplerin betont –, davon lebt sie, wie es im französischen Bildtext heißt.62 So wie Pallavicinos Variation des Motivs der Bärin war die Gestalt der „Jungfrau“ bei Crispijn d. J. nicht metaphorisch, sondern faktisch als bildgebendes Verfahren gemeint. Crispijns Schöne Dänin imitierte ihr eigenes Porträtbild, Pallavicino trug den Huren auf, andere Huren nachzuahmen, sie sollten also ebenfalls künstliche Erscheinungen imitieren. Beide Varianten stellten jeweils jene Nachahmung der Naturnachahmung vor, mit der Platon im 10. Buch des Staats seine Ideenlehre auf die Künste übertragen hatte:63 Platon behandelte an dieser Stelle die Frage, was Nachahmung (Mimesis) sei und formulierte seine Hierarchie der Darstellung. Die sichtbare Welt setzte sich Platon zufolge aus Nachbildungen geistiger Ideen zusammen: So fertigte beispielsweise ein Tischler seinen Tisch nach seiner Idee eines Tischs (eidos), doch indem er praktisch nur ein bestimmtes Exemplar und nicht die absolute Idee des Tischs machen konnte, stellte sein fertiger Tisch nur die sinnliche Erscheinung der Idee eines Tischs (eidolon) dar.64 Diese Erscheinungen ahmten wiederum die Künstler in ihren 61 Crispijn de Passe d. J.: Frontispiz des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Zum Miroir des courtisannes siehe Kap. 3. 62 Im französischen Bildvers sagt die Kupplerin: „Assez Cauteleuse je suis / Par mon nom Margot je m’apelle, / Au m’estier de n’estre pucelle, / C’est moy qui emporte le prix.“ und La Belle Dans: „La belle dans a la renom / D’aller vestue en Damoyselle / Comme sa Mere estoit Macrelle, / Elle vit de cette facon“. [De Passe] 1635, zweites Blatt, o. S. 63 Platon 1989, S. 385–388 [596a–597b]. 64 „[...] dem Schein nach, aber nicht in Wirklichkeit.“ Platon 1989, S. 387 [596e]. Siehe dazu Greene 1982 und Halliwell 2002 sowie zur platonischen Bildkonzeption im Kontext der italienischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts Suthor 2004, S. 29. Vgl. den Kommentar von Krois 2008, S. 306–311, zur Entdeckung des (Neu-)Platonismus für die Kunstwissenschaft durch

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Werken nach, aber brachten dadurch nur Kopien zweiter Klasse hervor. Die Mimesis der Künstler rangierte solcherart unter derjenigen der Handwerker. Platon verglich sie mit einem Sophisten, der behaupte, die Welt darstellen zu können, indem er mit einem Spiegel umhergehe, in dem sich die sichtbare Welt reflektiere und der einen winzigen Ausschnitt in optischer Verzerrung zeige.65 In gleicher Weise verkörperten die Huren bei Pallavicino scheinbare Vorstellungen, denen sie jedoch nicht entsprachen. Indem sie nicht nur sinnliche Erscheinungen darstellten, sondern zugleich die Schöpferinnen ihrer eigenen mimetischen Gestalt, charakterisierte sie Pallavicino als platonische Künstlerinnen, sophistische Mimetikerinnen, die Interpretationen, aber nicht die Idee einer vollendeten Liebhaberin, selbst wiedergaben. In gleicher Weise stellten auch die zu imitierenden Huren wiederum nur ihre eigenen, von den Männern geliehenen Vorstellungen der vollendeten Geliebten dar. Damit begründete die Hurenrhetorik einen Kreislauf der Nachahmung zweiter Klasse, der sich in der Reproduktion von Nachahmungen fortsetzte. Insofern ist Pallavicinos Hurenrhetorik als eine Kritik der Nachahmung zu verstehen. Den Ursprung der Vorstellung der vollendeten Geliebten im Sinne einer platonischen Idee ließ er dabei offen und konnte ihn offen lassen, weil die Hurenrhetorik sich ausschließlich um scheinbare Vorstellungen drehte. Solcherart entlarvte Pallavicino dieses Mimesiskonzept auch als Betrug: In der Praxis täuschte die Hure den Männern vor, eine vollendete Geliebte und das Objekt von deren sexuellen Wünschen zu sein. Dieses Konzept konnte funktionieren, weil die Hure vorgab, dass die Gestalt der Geliebten, die Gestalt der bedingungslosen Erfüllerin männlicher Wünsche – im aristotelischen Sinn – bereits der Hurengestalt innewohnte und ihr erst Sinn und Form verlieh. Wenn die Hure in der Hurenrhetorik überhaupt eine Idee verkörperte, dann die einer von ökonomischen Interessen geleiteten Opportunistin, das Gegenteil der Geliebten also, die jedoch als Künstlerin ihre Form beliebig zu manipulieren vermochte und die ihren vermeintlichen Objektstatus solcherart verkehrte und zugleich auf die Männer übertrug. Pallavicino bestimmte eine erfolgreiche Hure also ontologisch als Meisterin der Täuschung und des Betrugs und fundierte diese Behauptung bildtheoretisch und bildpraktisch. Dabei kehrte er die platonische Hierarchie von Abbild und Urbild um: Pallavicino setzte die Hure mit Platons Künstler gleich, weil sie bloß andere Nachahmungen von Nachahmungen – andere Huren, das eigene Bildnis als Jungfrau – Cassirer und Panofsky. Auf theologischer Seite folgte ebenfalls Paleotti in seinem Discorso Platons Platzierung der Bilder in der ontologischen Dreiteilung von Idee der Sache, Sache und ihrem Abbild. Dazu zitierte er die soeben erwähnte Stelle aus Platons Staat [597b]. Paleotti 1961, S. 134. 65 Platon 1989, S. 387 [596e]. Zu den politischen Hintergründen dieser Hierarchisierung Platons, die auf die Gefahr der Manipulation der Zuhörer durch die Vereinfachung und Verfälschung der Welt zielte, siehe Wind 1932.

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nachahmte und nicht reale Geliebte oder „wirkliche“ Jungfrauen. Diese Verkehrung impliziert eine ontologische und eine bildtheoretische Konsequenz. Indem Pallavicino auf der Nachahmung insistierte, aber über das Wesen des Nachzuahmenden im Unklaren ließ, stellte die Hurenrhetorik ontologisch die Existenz der vollendeten Geliebten in Frage und praktisch die Erfüllung der sexuellen Wünsche der Freier durch die Huren.66 Bildtheoretisch bedeutete Pallavicinos Umkehrung der platonischen Bildschichtung der Welt in Ideen, Abbilder und Kopien, reale Hurenbilder in Form von Stichen und Gemälden im platonischen Rang von Erscheinungen der Welt zu denken, also als eidola erster Klasse, denen im Zweifelsfall wahrnehmungstechnisch eher Vertrauen zu schenken war als der Wirkung pseudomimetischer Huren.

2.2. Hurenästhetik und Bildgebrauch Diese Leseweise der Rettorica delle Puttane unterstrich Pallavicino selbst. Im Abschnitt über das Gedächtnis (memoria) führte er mnemotechnische Übungen zur Kontrolle der Vorstellungskraft der Huren ein, die sich hauptsächlich um den Koitus drehten: Das simulierte Wunschbild der Hure und ihre Glaubwürdigkeit liefen nämlich insbesondere während des Sexualakts Gefahr, sich als Täuschung zu entlarven.67 Die Kontrolle der Einbildungskraft könne dem entgegenwirken, weil sich die geistigen Vorstellungen in ihrem Körper spiegelten.68 Letztlich bestimme die Fantasie die Überzeugungskraft der Hure. Um überzeugend ein Wunschbild für den Freier darstellen zu können, gebrauche sie selbst die eigene Fantasie des Begehrens. Nur so würde sie ihre echte Leidenschaft – die Gier – ohne Unterschied mit allen Freiern und auch während des Koitus verschleiern können.69 Dazu sollte sie sich das mentale Bild eines geliebten jungen Manns vorstellen und sich bis ins Detail ausmalen, diese 66 Dieser Verdacht galt auch für Crispijn de Passes Bild der Jungfrau, das den Urbetrug der Huren darstellte, den ebenfalls Pallavicino 1992, S. 103–104, im Schlussteil der Hurenrhetorik gleichermaßen als praktisches Beispiel der Hurerei einführt und solcherart in der Praxis scheitern lässt. Siehe zur stets von der Täuschung und Entlarvung bedrohten Vorstellung der Jungfrau, bes. Heeg 2000 und Wild 2003 in Bezug auf die Theaterdebatten des 18. Jahrhunderts. 67 „È necessario questo artificio allor principalmente che s’incontrano certi umori imbevuti d’un falso parere ch’ogni femina si strugga per essi, e quasi per forza vogliono che nel deliziar seco si corrompa e dia segni evidenti di quel verace diletto.“ Pallavicino 1992, 14. Lektion, S. 84. 68 Gemäß der rhetorischen Regel der actio, wonach der Redner die in Gestik und Körperhaltung ausgedrückten Emotionen bei den Zuhörern auslösen könne. Dazu musste sich der Redner selbst in den zu erzielenden Zustand versetzen. Siehe dazu in Bezug auf Soarez’ Lehrbuch Steinbrink 1992, S. 58–59. 69 „Altrimente non può corrispondersi a chi talvolta è odioso se non odiato, e accettuato il denaro ha qualitadi degne d’abborrimento più che d’amore: in quell’atto si dimentica alle volte l’interesse, onde accioché non si vedano li effetti di manifesta nausea è ottima risoluzione l’uso di somiglianti immagini, ch’avverano il gusto e ingannano l’amante.“ Pallavicino 1992, 14. Lektion, S. 84.

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Gestalt zu lieben.70 So wie ihren Körper äußerlich für die Männer müsste sie innerlich ihren Geist kontrollieren, indem sie selbst fantasierte. Nur auf diese Weise würde sich ihre innere Vorstellung auf ihr äußeres Erscheinungsbild übertragen.71 Reale Bildwerke könnten das Vorstellungsvermögen dabei unterstützen und stimulieren.72 Pallavicino empfahl den Huren, das Schlafzimmer mit Bildern des sogenannten „Aretino“ zu dekorieren.73 Unter dieser Bezeichnung kursierten zahlreiche Grafiken, die sechzehn Paare beim Geschlechtsverkehr in unterschiedlichen Stellungen zeigten und die auf Marcantonio Raimondis Stiche von Giulio Romanos modi zurückgehen, für die Aretino 1527 seine titelgebenden obszönen Sonetti lussoriosi geschrieben hatte.74 Diese Stiche nun hätten im Schlafzimmer einen „wundersamen Effekt“, wenn man sie betrachte, weil sie „durch die Augen einen starken Appetit auf die Fleischeslust erwecken“.75 Derart könne sich die Hure selbst affizieren und würde im Spiel der Verführung ihre vorgetäuschte Zuneigung in der Form der Wollust beglaubigen und den Betrug verdecken.76 Bei den Freiern hingegen wecke der Anblick eines obszönen Bilds neue Ideen und Wünsche, für deren Verwirklichung sie wiederum die Hure bräuchten. Die Hure könne das mimetisch hervorgerufene Verlangen der Freier zur Darstellung bringen, indem sie die im Bild dargestellte Stellung imitiere und dadurch die Authentizität künstlich generierter sexueller Fantasie garantiere.77 Im Augenblick des Koitus also hatte Pallavicinos platonische Skepsis an den mimetischen Fähigkeiten der Hure eine scheinbar positive Komponente; als Meisterin der 70 „[...] rapprensentisi nella mente o persona da sé già amata o un vaghissimo giovine, quale può desiderarsi da una donna innamorata. Figurandosi con un tale ristretta in amorosi abbracciamenti, trascorra a quelli eccessi di gioia e in que’ deliquii ch’appagaranno singolarmente chi la gode; avranno fede le simulazioni d’uno sviscerato affetto, e per sé credendo lo sciocco liquefatta l’anima in stille di dolcezza appruovarà li ardori del suo fuoco.“ Ebd., 14. Lektion, S. 84. Vgl. Rosen 2000 zur enargeia. 71 „Il tutto ad ogni modo consiste in semplice opinione, e tanto abbiamo di bene quanto sappiamo chimerizarlo tra noi stessi ne’ propri pensieri.“ Ebd., 14. Lektion, S. 84. Dass Bildwerke sich auf mentale Bilder beziehen und aus ihnen entstehen, war einerseits klassische Rhetorik und andererseits aktuelle Kunsttheorie, wie sie z. B. Federico Zuccari in seinem 1607 in Turin veröffentlichten Traktat L’idea de’ Pittori, Scultori, et Architetti beschrieb. Siehe dazu Pfisterer 1993. 72 „Dovrà insieme provedersi di figure lascive [...].“ Pallavicino 1992, 14. Lektion, S. 84. 73 Ebd., 14. Lektion, S. 84–85. 74 Giulio Romanos Stiche gelten als verloren, haben sich aber in Nachstichen und Nachahmungen erhalten, die schon damals in verschiedensten Kopien in Europa zirkulierten. Aufgrund von Aretinos Bildversen galt bis ins 18. Jahrhundert die Bezeichnung „Aretino“ oder „Aretinos Stellungen“ als ein Ausdruck für obszöne Bilder. Zu Raimondis Stichen siehe v. a. Talvacchia 1999, Nova 2001, Pfisterer 2005 und zuletzt Turner 2009. 75 „[...] fanno mirabile effetto queste imagini, ch’insinuano per li occhi un istravagante appetito di lussuria.“ Pallavicino 1992, 14. Lektion, S. 84. 76 „[...] e perciò giovano ad auttenticare come sopra le frodi della donna.“ Ebd., 14. Lektion, S. 84– 85. 77 Siehe Turner 1999, S. 63.

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Mimesis charakterisierte sie Pallavicino in diesem Moment als Lehrerin ihrer Freier, welche erst so angeleitet ihre sexuellen Wünsche umsetzen könnten.78 Pallavicino charakterisierte die Hure also als eine Mimin, eine fähige Nachahmerin männlicher Vorstellungen, die sogar zur Lehrmeisterin der Männer werden konnte. Seine Gleichschaltung von Bild und Hure forcierte dabei geistige Bilder, die im Leib der Hure zur Darstellung kamen. Weil die Hure Vorstellungen bewusst umsetzte, diente sie dabei nicht als eine bloße Projektionsfläche, sondern war als Gestalterin aktiv: In der letzten Lektion vertiefte Pallavicino die Affizierung der Freier mittels der dargestellten Gestik und Körperhaltung der Hure noch einmal. In der rhetorischen actio-Lehre konnte der gezielte Einsatz von Mimik und Gestik eines Redners bestimmte Emotionen bei den Zuhörern auslösen.79 Pallavicino übertrug diese Anleitungen zur Rührung der Zuhörer in satirischer Weise buchstäblich auf den ganzen Hurenleib: Jede körperliche Bewegung der Hure verursachte erotisches Verlangen.80 Die Wirkung ihres Körpers wurde nur durch reale Bildwerke übertroffen, die Pallavicino als Mittel stärkster Affekterregung zum Einsatz brachte. Reale Bildwerke wurden jedoch nur dann nötig, wenn die Glaubwürdigkeit der Hure im Moment des Koitus auf dem Spiel stand. Während die Hure sonst geistige Bilder auf ihren eigenen Leib projizierte, wobei jedoch der Verstand klar blieb und bleiben musste, hatte die Wirkung realer Bilder obszönen Inhalts die Macht, gleichermaßen die wahre Natur von Körper und Geist zu überlagern.81 Dieser starke Effekt der Bilder war nicht nur dem obszönen Inhalt, sondern auch dem Rang der Hure in Pallavicinos Konzept 78 Turner 2003, S. 82, S. 84–85, bezeichnet diesen Aspekt der Hure als Gestalterin der Männer, der diese als formbares Material der Künstlerin dienen, zu Recht als kritischsten Punkt der Hurenrhetorik. 79 Steinbrink 1992, S. 56. Geitner 1992, S. 80–94. 80 „Evvi nel gesto l’obligazione d’accrescere il diletto col moto, che come causa di calidità accalora maggiormente le membra già infuocate d’amore, e quindi ne risulta l’incendio dalle cui ceneri quasi fenici ripullulano gli amanti.“ Pallavicino 1992, 15. Lektion, S. 93. Bei der Schilderung der bewegten Körperhaltung der Hure bediente er sich dabei wiederum der Kunstliteratur: Sie sollte „sich winden, umhergehen, sich strecken, sich zurückziehen, vorstoßen oder entziehen und jegliche reizende Bewegung vorführen [...] um lebendig zu wirken“ („Si contorca, s’aggiri, s’allonghi, si ritiri, ora spingendosi in avanti, or traendosi adietro, ora sconvolgendosi in fianco: invigili insomma per esercitare qualunque delizioso moto. [...] di mostrarsi viva“). Ebd., 15. Lektion, S. 93. Damit erinnert die Passage an die Anweisungen der Malereitraktate, die Komposition richtig auszuführen. Bereits etwa zweihundert Jahre zuvor hatte Leon Battista Alberti in seiner Schrift De pictura die Wirkungsästhetik in der Malerei eingeführt, dabei jedoch ausdrücklich die Gemütsbewegungen des Körpers von den Bewegungen der Glieder unterschieden. Alberti hatte sieben Bewegungsrichtungen von Körpern bestimmt und geschrieben, dass es „einige Körper geben [soll], die sich zu uns hin ausrichten, andere mögen nach einer bestimmten Seite hin weggehen [...]. Ferner sollen [...] einige Teile den Betrachtern zugewandt gezeigt werden, einige mögen zurückweichen, andere einen Zug nach oben aufweisen, einige nach zuunterst streben.“ Zit. nach der deutschen Übersetzung der lateinischen Ausgabe, Alberti 2000, S. 275. 81 „[...] ad auttenticare come sopra le frodi [...].“ Pallavicino 1992, 14. Lektion, S. 85.

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der Bildhaftigkeit zuzuschreiben. Indem die Hure immer nur andere Bilder, fremde Vorstellungen imitierte, unterlag ihre sinnliche Erscheinung angesichts realer Bildwerke deren Macht, weil diese ontologisch näher an der Vorstellung der vollendeten Geliebten rangierten. Diese Wertung von Bild und Hure forcierte die englische Adaption von Pallavicinos Hurenrhetorik, das 1683 anonym erschienene Buch The Whores Rhetorick,82 indem es eindeutig zu Pallavicinos Vorschlag zum Einsatz obszöner Bildwerke Stellung bezog und diesen entschieden zurückwies: „Aretinos Figuren“ hätten in England nichts zu suchen.83 Stattdessen jedoch kam den nicht obszönen, den „anständigen“ Bildwerken nun eine wichtige Rolle zu. In The Whores Rhetorick bezog die Hure die Ideen für ihr mentales Bild des Geliebten nämlich aus der Betrachtung des Porträtbilds eines schönes jungen Manns, eines „Ganymede“, das sie sich besorgen und am besten gut sichtbar in der Nähe ihres Betts platzieren solle, wo sich die Darstellung in ihr Gedächtnis prägen würde.84 Hätte sie ihr – bisexuelles – Wunschbild erst fest genug in ihrem Geist verankert, so würde ihr der Gedanke an das Bild ermöglichen, jederzeit auch für ihre Freier diejenigen „Ekstasen“ „abzubilden“, die sich die Männer „für ihr Geld erwarteten“.85 Gleichzeitig diene diese Technik dem Kreislauf der 82 Den Übersetzungs- und Transformationsweg von Pallavicinos Rettorica delle Puttane zu The Whores Rhetorick beschreibt Turner 2003, S. 315–318, als satirische Genremischung: Die theoretischphilosophischen, antijesuitischen Abschnitte Pallavicinos wurden durch ein Potpourri verschiedener obszöner Schriften italienischen und französischen Ursprungs, Anspielungen auf die Londoner Halbwelt und Polemiken gegen die puritanische Moral wie die Politik Karls II. ersetzt. Die englische Ausgabe pervertierte Pallavicinos Satire auf die jesuitische Rhetorik, indem sie auf der Grundlage der Rettorica delle Puttane die unterschiedlichsten Gattungen einfließen ließ und zum Teil plagiierte: libertine Texte – mit Aretinos Ragionamenti einen Klassiker, mit L’Ecole des filles einen modernen Text –, beliebte englische Theaterkomödien, politische Parodien – auf den König und seine Mätressen etwa – sowie aktuelle moralistische und philosophische Gedanken. Zu Beginn der Whores Rhetorick beruft sich Mother Creswel auf die Rhetorik, weigert sich jedoch, den silly divisions der klassischen Einteilung zu folgen und kündigt eine praxisbetontere Dialektik an. The Whores Rhetorick 1683, S. 39. 83 Die Passage über den Einsatz obszöner Bildwerke bezieht sich ausdrücklich auf Pallavicinos Hurenrhetorik: „Aretin’s Figures have no place in my Rhetorick [...]. They are calculated for a hot Region a little on this side Sodom, and are not necessary to be seen in any Northern Clime.“ The Whores Rhetorick 1683, S. 171. Zu dieser humoralen Erklärung sexuellen Geschmacks, an die sich eine antikatholische anschließt, siehe Turner 1999, S. 63–64, sowie ders. 2006, S. 19, wo er nachweist, dass Raimondis Stiche in England wohlbekannt waren. 84 „[...] The Picture of this charming boy may very fitly be placed near your Bed, to imprint the fancy deeper in your imagination [...].“ The Whores Rhetorick 1683, S. 166. Vgl. Pallavicinos Formulierung oben, S. 47, Anm. 70, und in Bezug auf lustvolle Schauerfahrung unten, S. 60–61. 85 „[...] to counterfeit those ecstasies which every comer may expect for his money.“ The Whores Rhetorick 1683, S. 166, Pallavicino 1992, 14. Lektion, S. 84, paraphrasierend. Zur Doppeldeutigkeit des lateinischen Worts contrafactum zwischen Nachbildung und Fälschung siehe Parshall 1993.

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Verführung, denn der jeweilige Freier würde glauben, er selbst hätte diesen Effekt bewirkt.86 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Pallavicino die Hurenrhetorik als die Kunst beschrieb, sexuelles Verlangen zu erzeugen, indem die Huren die sexuellen Wünsche der Männer in ihrer Gestalt vorwegzunehmen versuchten. Die Hurerei wurde dabei als ein Zyklus von Verführung und Wunscherfüllung beschrieben, den die Hure als Form und Gestalterin zugleich kontrollierte. Das Vorstellungsvermögen der Männer war in diesen formgebenden Prozess eingebunden und in diesem Sinn von der Darstellung der Hure abhängig. Indem die Huren bloß vorgaben, die Objekte männlicher Wünsche zu sein, um über ihre eigentlichen Interessen, den eigenen finanziellen Profit hinwegtäuschten, formulierte Pallavicino seine Kritik der Nachahmung. Diese Kritik richtete sich an die betrügerische Absicht der Gestaltung männlicher Wunschbilder durch den Frauenleib und durch die Hure als Gestalterin. Seine Kritik begründete er dabei in der Eigenschaft der Hure als täuschende Künstlerin und nicht in einer Bildkritik. Was die Glaubwürdigkeit betraf, implizierte Pallavicinos Hurenrhetorik der Nachahmung deshalb, reale Bildwerke ontologisch über den Huren zu platzieren. Doch erst die englische Variante der Rettorica delle Puttane, The Whores Rhetorick, gab den realen Bildern ein stärkeres Gewicht als den mentalen. Diese Verschiebung ist im Zusammenhang mit der obszönen Literatur Englands in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu sehen. Wie sogleich zu zeigen ist, thematisierten die englischen Schriftsteller die Wirkung beim Anblick einer Hure in direktem Bezug zu realen Hurenbildern. Anstatt dabei jedoch Pallavicinos Motiv der Hure als Künstlerin ihrer selbst zu folgen, richtete sich die Aufmerksamkeit auf die dargestellte Form, so dass sich die Kritik an die Formrezeption und weniger an die Hure richtete.

2.3. Englische Kritik: die Bildkompetenz der Freier „I have as genteel a House as most in London, with several Chambers very well furnish’d for accomodation of Gentlemen and Ladies: and a Looking-glass in each Chamber so conveniently plac’d, that those who have a mind to’t, may see what they do: For some take as much delight in seeing as in doing: My House goes under the Notion of being Let out in Lodgings, and every Gentlewoman than is enter’d, has her Picture drawn, which hangs up in the Dining Room; where when Gentlemen come, they chuse which Person they please by the Picture; and for a Guinea paid to me, they are admitted to her, with whom

86 „[...] the deceived Gamester believing these amourous pangs created by himself [...].“ The Whores Rhetorick 1683, S. 167.

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they make what Bargain they can agree upon. And by this means we are sure that none but Persons of Quality can be admitted: and the Ladies Honours are thereby secur’d.“87

In dieser Schilderung eines Bordells aus dem Potpourri The London-Bawd, das von etwa 1690 bis 1711 in vier Auflagen gedruckt wurde und auf der Basis von Schriften wie Boccaccios Decamerone oder Aretinos Puttana errante Geschichten der obszönen Literatur kompilierte,88 zeichneten die Gemälde und Spiegel das Bordell als besseres Haus aus und unterschieden es von einer gewöhnlichen Absteige. Die Kupplerin inszenierte sich als Dramaturgin von Zeigen und Verbergen: Sie führte die Gemälde der angebotenen – aber nicht sichtbaren – Frauen vor, und die Freier wiederum wählten die Gewünschte anhand ihres Bildnisses aus.89 Ebenfalls auf der Basis des Bilds verhandelten Freier und Kupplerin einen Preis. Erst danach zeigte sich die gewählte Frau leibhaftig. Gingen Huren und Freier in ein Zimmer, so standen dort wiederum Spiegel (looking-glass) als Sehhilfen zur Verfügung, falls die Freier „sehen wollen, was sie tun“ (may see what they do) und ihnen „das Schauen genauso viel Freude bereitet als ihr Tun“ (take as much delight in seeing as in doing). Das elegante Bordell, die Hure im Bild, die Hure vor ihrem Porträt, das Spiegelbild des Freiers mit der Hure: Die Stimulierung sexuellen Verlangens erfolgte vehement über den Einsatz von Bildern. In einem ersten Schritt dienten die Gemälde als Vertreterinnen der anwesenden, jedoch nicht sichtbaren Frauen. Die damit intendierte Erregung der Freier erfolgte durch den gleichzeitigen Entzug im Bild, den die Kupplerin mit dem Verweis auf die potentiell leibliche Verfügbarkeit der dargestellten Frauen zugleich verstärkte. In einem zweiten Schritt beglaubigte die optische Ausstattung ihres Bordells dieses Versprechen, indem die Kupplerin dem Freier den Blick in den Spiegel auf ein Spiegelbild seiner selbst, vereint mit der begehrten Frau, in Aussicht stellte. In einer anderen Erzählung der London-Bawd war die Hurengalerie zu einer Gemäldesammlung erweitert: Die Kupplerin führte einen Freier in ihren Empfangsraum, „der voller Gemälde war, die die Liebschaften der Ovid’schen heidnischen Götter zeigten“, dazwischen waren die Huren des Hauses in „amourösen und einladenden Posen“ in Genreszenen dargestellt und direkt mit den fiktiven Figuren in Beziehung gesetzt.90 Beide Episoden setzten Bilder als erotische Stimulatoren ein. Die Hurenbil87 The London-Bawd 1705, S. 69. 88 Turner 2006, S. 41 und S. 43. 89 Die Frauen sind nicht als Huren bezeichnet, sondern als ladies und gentlewomen vorgestellt. Es handelt sich um ein besonderes Haus, in dem ehrbare Frauen aus sexuellem Appetit und weniger aus finanziellem Interesse als Huren eintreten. Dadurch ist noch der Begriff der Hure als Ausdruck sozialer Diffamierung forciert. 90 „[...] that was hung round with Pictures; representing all the Amours of Ovid’s Heathen Gods; and amongst them were intermix’d several of those Ladies of Pleasure I kept in my House, drawn in very amorous and inviting Postures [...].“ The London-Bawd 1705, S. 153.

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der des obigen Zitats waren dabei keineswegs obszön.91 Die Kupplerin beschrieb ihre Gemälde vielmehr als erotische Sujets aus der klassischen Mythologie – Darstellungen der Leda, der Danae oder der Venus etwa – oder als Porträts, die ihr als Requisiten des scheinbar ehrbaren Hauses dienten und zugleich Freier stimulieren sollten.92 Zu Anfang des 18. Jahrhunderts beschrieb der englische Arzt Bernard Mandeville in seinem satirischen Essay A Modest Defence of Publick Stews sexuelles Verlangen als eine körperliche Reaktion, „die der frische Eindruck eines hübschen Gesichts in der männlichen Fantasie“ auslöse.93 Mandeville bezog sich dabei auf die klassische Definition des Eros, die seit dem archaischen Epos für alle körperlichen Verlangen gebraucht wurde:94 Meist bewirkte der Anblick einer schönen Frau den sexuellen Eros, das unmittelbare und heftige Verlangen nach der körperlichen Vereinigung mit ihr.95 In gleicher Weise kommen den Bildern aus der London-Bawd erotische Absichten zu, die sich mit den realen Arbeitsschritten der Hure überschneiden: In Werbung, Kaufabsprache, Vorspiel und Koitus unterteilt, übernahmen die Bilder mit den ersten beiden genannten Aspekten die Hälfte der Aufgaben einer Hure. Sie erzielten Aufmerksamkeit, und sie veranlassten die Freier, sich auf eine Absprache mit der Kupplerin einzulassen, ohne die Hure gesehen zu haben. Von den Huren selbst ist in der Bordellbeschreibung lediglich bildhaft die Rede, über ihre Gemälde, ihre Spiegelbilder mit dem Freier. Dabei dienten diese Hurenbilder in den Texten als Stimulatoren, die sexuelles Begehren erregen und überzeugen sollten, das körperliche Verlangen an realen Huren in die Tat umzusetzen.96 Diese besondere Form der Ekphrasis, der Bildbeschreibung als Stilmittel erotischer Werbung, tauchte in England in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Topos verschiedener literarischer Gattungen auf. Über Porträts, die auf der Straße ausgestellt waren, führte Aphra Behn in ihrer 1677 uraufgeführten Komödie Rover die Figur der Kurtisane Angellica Bianca ein.97 Das Motiv fand sich aber schon zuvor 91 Als obszöne Bilder galten Darstellungen des Geschlechtsakts und der Geschlechtsteile wie das berühmte Beispiel der modi Giulio Romanos (siehe oben, S. 47). 92 Zu den Metamorphosen als Thema erotischer Bildmotive siehe u. a. Ginzburg 1997, Talvacchia 1999 und Pfisterer 2005. 93 „[...] Mens Fancies, which are more susceptible of fresh Impressions from every handsome Face they meet“ und bewirken „[...] a present Uneasiness [...].“ Mandeville 1724, S. 34. Zur Tradition dieser materialistischen Auffassung siehe Turner 2003, S. 15. 94 Shestakov 1996, S. 1. 95 Hunter 1998. Zur unterschiedlichen Konzeption von Eros und Amor siehe Staffort 1977 und Scruton 2009. 96 Als andere Variante der sexuellen Stimulation sind in der Kunstliteratur seit der Antike Beispiele wirkmächtiger Bildwerke erotischer Idole überliefert, die von den Betrachtern sexuell konsumiert wurden. Zu dieser Rezeptionsgeschichte von der Antike ins Mittelalter siehe B. Hinz 1989 sowie für die Neuzeit Körner 2000 und für das 18. Jahrhundert bes. Sheriff 2004, S. 144–147. 97 Behn 1677, S. 30.

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in obszönen Bestsellern wie The Wandering Whore, in zotigen Texten wie dem English rogue described,98 aber auch in reformistischen Monatsschriften wie dem seit 1695 erschienenen Night-Walker.99 Diese Methode der Beschreibung, pictorial prostitution, diskutiert James Turner als ein hermeneutisches Mittel zum Verständnis der städtischen Erfahrungswelt:100 Die Texte beschrieben Gemäldesammlungen, die sich als Orte von Prostitution entpuppten, Kupplerinnen, die sich als Kunstliebhaberinnen vorstellten und Gemälde, die eine Hure vertreten konnten und von den Freiern den Nachweis von Bildkenntnissen bei der Hurenwahl abverlangten. Das Periodikum Athenium Mercury warb im Jahr 1691 mit der Reihe Six Night Rambles, in der Wüstlinge ihre nächtlichen Streifzüge durch die Stadt auf der Suche nach unzüchtigen Frauen (lewd women) beschrieben.101 Die Straßenprostitution interessierte sie jedoch nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt der Luxusprostitution in Häusern, wie dem oben beschriebenen Bordell, wo sie verschiedene Formen der Bildersammlung – obszöne Gemälde oder harmlose Porträtgalerien – kennenlernten und Prüfungen durch die Kupplerinnen bestehen mussten, bis sie schließlich die „originalen“, leibhaftigen Frauen vor sich hatten:102 Durch den Einsatz konkreter Bildwerke wurde der Zugang zum Bordell zugleich als Probe der Bildkompetenz der distinguierten Männer dargestellt, die nicht nur gute von schlechten Bordellen zu differenzieren wussten, sondern auch den Unterschied zwischen „Bild“ und „Original“ kannten und in der Lage waren, aufgrund eines Bilds eine Frau auszuwählen, wie Turner zeigt.103 Ende des 17. Jahrhunderts adaptierte und plagiierte der Buchhändler John Dunton (1659–1733) für seine sensationsjournalistische Monatsschrift The Night-Walker diese Ekphrasen und modifizierte sie für seine puritanisch-reformistischen Zwecke. So wie die Kupplerinnen als Sammlerinnen auftraten, schlüpfte Darnton in die Rolle des nachtschwärmenden Wüstlings, suchte Bordelle auf, wählte aus den Gemälden und verlangte, die dargestellte Hure zu sehen, um daraufhin in einem dramatischen Moment der Demaskierung gegen die Lasterhaftigkeit der Frauen zu predigen.104 Insofern fungierten diese Texte als „Pornografien“ in dem von Rétif de la Bretonne mit seiner Schrift Le Pornograph geprägten Wortsinn des 18. Jahrhunderts, so Turner, als Darstellung städtischer Laster durch einen privaten Bürger.105 Die 98 The Wandering Whore 1660, hier S. 10, ist eine englische Adaption des pseudoaretinischen Bestsellers La Puttana Errante, dazu Turner 2006, S. 127–139. Zum Bordellbesuch in Richard Heads The Englisch rogue, 1665, siehe Turner 1999, S. 65–67. 99 The Night-Walker: or, Evening Rambles in Search after Lewd Women, seit 1691 monatlich erschienen. Ebd., S. 57–61. 100 Ebd., S. 56. 101 Zit. nach ebd., S. 56. 102 Ebd., S. 56–57. 103 Ebd., S. 60. 104 Ebd. 105 Rétif 1770, siehe Turner 1999, S. 55.

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Ekphrasen dienten in diesem Kontext als Beispiele zur Schilderung der städtischen Erfahrungswelt und Mittel zur Interpretation der reizvollen sichtbaren Oberflächen der Stadt, unter denen sich alle Arten von Lastern verbergen konnten.106 An Turners Überlegungen knüpfen die Ausführungen dieser Arbeit an, indem seine Konfrontation verschiedener Text- und Bildgattungen methodisch wie inhaltlich, aber mit einer anderen Fragestellung weiterzuverfolgen sind: Turners Studien drehen sich um die Konstituierung männlicher Identitäten über die Texte. Dagegen zielt der Fokus dieser Untersuchung auf die Darstellung von Huren im Bild und die Eigenheiten des Hurenbilds, denn das Gelingen der Freierwerbung in der Ekphrasis des London-Bawd war ganz von der Wirkung der Hurenporträts abhängig. Die erwartete Überzeugungsleistung lag dabei in der Gleichschaltung von Hure und Bild begründet – nicht in der Wirkmacht des Bilds im Sinne eines Bildzaubers, sondern im Anblick der Hure durch das Bild und als Bild. Darauf verließ sich die Kupplerin in ihrer Beschreibung, weil mit der Präsentation von Bildern sexuell verfügbarer Frauen wie bei Pallavicino die Vorstellung der vollkommenen Geliebten verbunden war. Bei Pallavicino entwickelte sich diese Dialektik aus der Gestaltung des Hurenleibs durch die Nachahmung sexueller Vorstellungen. Eine Kritik an der Nachahmung formulierte die Hurenrhetorik, weil die Huren bloß vortäuschten, ein Urbild zu kennen, aber nur andere Kopien imitierten. Dagegen waren im Bordell der London-Bawd die Parameter Urbild und Abbild in der Hure und ihrem Porträtbild definiert. Die Porträtgalerie des Bordells übertrug die Vorstellung einer Geliebten auf viele Porträtbilder, deren Ähnlichkeit mit dem Urbild unmittelbar überprüfbar war und die in dieser Qualität, im unmittelbaren Bezug des Bilds zur Realität, Verlangen wecken sollte. Entsprechend ihrer Wunschvorstellung sollten die Freier das Porträtbild einer Hure auswählen. Dieses Abbild konnten sie unmittelbar mit dem Urbild konfrontieren und in den Reflexionen in den Spiegeln im Schlafzimmer wiederum überprüfen. Der Freierwunsch nach der Geliebten würde dadurch nicht nur unmittelbar eingelöst werden, sondern der Freier könnte sich der Verwirklichung seiner Vorstellung auch in den Spiegelbildern vergewissern – so das Versprechen der Kupplerin. Dabei erwähnte die Kupplerin jedoch nicht, dass der Freier jedes Mal ein anderes Bild vor Augen haben würde, nämlich das eigene Wunschbild, das Porträtbild, die äußere Erscheinung der Hure, das Spiegelbild. Die Kritik der Nachahmung war nun weniger auf die täuschende Gestalt der Hure, sondern auf den betrügerischen Einsatz der Bilder und die darin intendierte Bildergläubigkeit der Freier gerichtet. Was Pallavicino als Wirkmacht der Hurengestalt als Form einführte, war in The London-Bawd auf die Bilder übertragen. Dabei insistierte die Marginalisierung der leibhaftigen Hure auf die visuelle Begründung sexuellen Verlangens, in der sich ihr Anblick als ein Bild unter vielen bot. 106 Ebd., S. 56.

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Bei Pallavicino war diese Dialektik am Hurenkörper entwickelt worden, indem die Hure männliche Wünsche darstellen sollte und damit suggerierte, in der Vorstellung des Freiers tatsächlich eine perfekte Geliebte zu sein. Indem sie jedoch nur andere Huren nachahmte oder bereits reproduzierte Versatzstücke kombinierte, wiederholte sie lediglich Kopien zweiter Klasse. Dieses Konzept reproduzierender Nachahmung potenzierte die Beschreibung der London-Bawd und übertrug es auf die realen Bilder, indem dem Freier die unmittelbare Einlösung des Versprechens der Bilder, die Erfüllung in der leibhaftigen Begegnung mit dem Urbild, direkt in Aussicht gestellt wurde, aber nicht eingehalten werden konnte, weil sich jedes Bild vom zuvor Gesehenen unterschied. Die Hurenrhetorik und The London-Bawd beschrieben Kritiken der Nachahmung, aber gewichteten unterschiedlich: auf die Gestalterin im Fall Pallavicinos und die Form und ihre Rezeption im Fall der London-Bawd. Diese Modelle verbindet, dass sie auf der Evokation eines Urbilds gründeten, das sie beide auf ihre Weise vorenthielten. Während Pallavicino seine Kritik bildnerischen Schaffens aus einer Parodie auf die Kunstliteratur entwickelte, spielte das englische Modell den phänomenologischen Grundgedanken des Verhältnisses vom Bild zur Wirklichkeit aus, dass sich Bild und Wirklichkeit einander in verführerischer Weise ähneln und suggerierte, dass der Anblick einer sexuell verfügbaren Frau die männliche Urteilsfähigkeit außer Kraft setzte. Deshalb konnte sich die Kupplerin auf die Wirkung der Bilder verlassen, und somit blieb der Bordellbesuch für die Freier letztlich skopisch defizitär. Das große Bildversprechen der Wunscherfüllung in der Vereinigung mit dem Urbild hätten die realen Huren nicht einzulösen vermocht. Die Auswahl des Hurenporträts aus der Galerie des Bordells war oben als Zugang gewährende Prüfung der rezeptorischen Bildkompetenz durch die Kupplerin beschrieben worden, die den gesellschaftlichen Status der Freier garantieren sollte. In Konfrontation mit Pallavicinos Hurenästhetik stellte The London-Bawd einen Freier, der sich durch den Anblick eines Hurenporträts aufgrund der Verheißung des Urbilds verführen ließ, allerdings auch als einen Ignoranten dar, dem die grundlegende Fähigkeit zur qualitativen Unterscheidung von Bild und Wirklichkeit fehlte. So gelesen zweifelte The London-Bawd die rezeptorische Kompetenz der Freier an. Dieser Aspekt wird in Hinblick auf die grafischen Hurenbilder von Bedeutung sein, denn wenn die erotische Wirkung der Huren auf ihrer Bildhaftigkeit beruht, ist in ihre Rezeption als Hurenbilder eine diesbezügliche Infragestellung des Betrachtens impliziert.107

107 Hier sei bereits angemerkt, dass die realen Bildwerke diesen Aspekt in Reflexion darüber übertragen und dadurch auch lustvoll erfahrbar bleiben.

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2.4. Das Angebot der Bilder: über Schaulust Bei allen drei Modellen, dem Pallavicinos, seiner englischen Variante The Whores Rhetorick und das der London-Bawd, gründeten die Methoden der Verführung auf mimetischen Konzepten. Wie bei Pallavicino ausgeführt, setzte sich der Kreislauf der Verführung aus Wunschgenerierung und Wunscherfüllung zusammen. Den realen Bildern waren dabei unterschiedliche Funktionen zugewiesen, wie sogleich zu zeigen ist. Auf dieser Grundlage werden abschließend Überlegungen zur Genese der Schaulust angestellt. In The London-Bawd übernahmen die Bilder die Aufgaben der Werbung und Verführung. Doch wie funktionierten die Bilder im zweiten Teil, der Erfüllung im Koitus – waren Hure und Bild gemeinsam bis zur Konsumtion gedacht? In The London-Bawd übernahmen die realen Huren die Aufgabe der Bestätigung, nachdem zuvor ihre Porträtbilder den Freier erfolgreich verführt und gelockt hatten. Als vermeintliche Zeugen der Wunscherfüllung traten im Moment des sexuellen Vollzugs reale Spiegel hinzu, die das Versprechen der Einlösbarkeit nun durch ein Spiegelbild bestätigen sollten. Dadurch verwies dieses Bild im Spiegel zugleich auf das Porträtbild der anfänglichen Werbung und schloss wiederum einen Zyklus der Verführung. Insofern dienten alle Bildformen als Reflektoren männlichen Verlangens. Eine Befriedigung durch die Bilder selbst war in The London-Bawd nicht vorgesehen. Auch in Pallavicinos Hurenrhetorik konnte die sexuelle Befriedigung mit einer Hure nicht durch ein Bild ersetzt werden, doch sie konnte sich mittels visueller Hilfsmittel intensivieren, wie oben (S. 47) ausgeführt wurde. Dagegen führte die englische Variante von Pallavicinos Hurenrhetorik, The Whores Rhetorick, einen weiteren Aspekt für den Gebrauch realer Bildwerke ein: Der anonyme Hurenfreund der Whores Rhetorick – die Widmung ist mit „Philo-Puttanus“ gezeichnet – hatte der Hure empfohlen, sich ein Porträtbild eines schönen jungen Manns zu besorgen. Mit diesem Bildnis verband er noch einen Rat; obwohl wie bei Pallavicino die Gier als einzige Leidenschaft zugelassen war, gestand er den Huren – anders als Pallavicino – sexuelle Bedürfnisse zu. Der Gedanke an das geistige Schattenbild (shadow) ihres Ganymeds habe nicht nur eine nützliche Wirkung bei den Freiern, er bereite ihr außerdem größere Freuden, als ein realer Mann dies könne;108 das 108 „[...] you must frame in your mind the Idea of some comely Youth who pleases you best, whose shadow will create a greater gust than could be raised by a nauseous though real enjoyment. The Picture of this charming Boy may very fitly be placed near your Bed, to imprint the fancy deeper in your imagination [...].“ The Whores Rhetorick 1683, S. 166. Die Konzeption des Gemäldes als gerahmtes Bild ist durch das mentale Rahmen (frame) der Idee angelegt. Hatte sie ihr Wunschbild erst fest genug in ihrem Gedächtnis verankert, so ermöglichte ihr seine Vorstellung, jederzeit auch mit ihren Freiern diejenigen „Ekstasen“ (ecstacies) „abzubilden“ (to counterfeit), die sich die Männer „für ihr Geld erwarteten“ und verknüpft den Gemäldegedanken durch den bildneri-

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Bildnis habe durch sein geistiges Abbild also die Macht, reale sexuelle Befriedigung zu ersetzen. Abgesehen von diesem Hinweis auf den Gebrauch von Bildwerken, der unten (S. 60–61) noch zu erörtern ist, betont dieser Rat noch einmal die Rolle der Bilder in ihrer mimetischen Funktion als Verführer, wie sie alle drei Modelle implizieren. So wie das Bild der Hure die Männer reizte, konnten Bildwerke der Hure als Stimulatoren dienen. Die Reizung vollzog sich dabei in fortwährender Reflexion, von realen Bildern auf Männer, von Männern auf Huren, von beiden auf Spiegelbilder (wie in The London-Bawd) oder umkehrt von realen Bildern auf Huren und Huren auf Männer (wie in The Whores Rhetorick). Alle Formen fanden ihren Antrieb dabei im Anblick einer Schönheit, der schönen Hure oder dem Ganymed. Der Eros entfaltete sich in Kommunikation mit dem begehrten Objekt auf der Suche nach mimetischer Erwiderung. Die Relation von Bildschöpfung und Bildrezeption im Kontext des Schönen hat bereits der Sophist Philostrat in den Eikones zum Thema gemacht, wie Gerhard Wolf an einem Urmythos des Schönen, der Narzisslegende, zeigt:109 Die Eikones enthalten eine Reihe von Ekphrasen, die beim Besuch einer Gemäldesammlung in der Villa eines Freunds an den jungen Sohn des Besitzers gerichtet sind.110 In dieser Sammlung beschreibt Philostrat ein Gemälde, auf dem Narziss sein Spiegelbild in einer Quelle erblickt, sich darin verliebt und sich von der Faszination seines Anblicks nicht mehr lösen kann. Diesen Narziss im Bild spricht Philostrat an und fordert ihn auf, sich abzuwenden: „Doch als hättest du einen Gefährten getroffen, wartest du, was von dort kommt. Dann soll die Quelle wohl dich anreden?“111 Genau das erwartet Philostrats Narziss, weil er die Illusion seines Spiegelbilds nicht versteht und sich deshalb nach sich selbst verzehrt. Für den Betrachter Philostrat ist Narziss in dieser – kurz vor der Verwandlung lebendigen – Selbstgenügsamkeit erotisch reizvoll: So fordert er Narziss auf, sich von seinem Anblick zu lösen, um ihn so vor der Verwandlung zu bewahren und damit Philostrat sein Haar in Bewegung sehen könne, wie Wolf bemerkt.112 Dem Betrachter Philostrat blieb, die leidenschaft-

schen Terminus counterfeit konkret mit der Porträtmalerei. Ebd., S. 166–168. Vgl. oben, S. 49, Anm. 85. 109 Wolf 1998, S. 16–18, und 2002, S. 216–219, in Bezug auf Albertis Erfindung der Ursprungslegende der Malerei im Narzissmythos. Alberti 2000, S. 236–237. Zu Kontext, Rezeption und Überlieferung von Philostratos’ Eikones siehe Schönbergers Einführung in Philostratos 1968, S. 7–83. 110 Ebd., S. S. 87–89 [I, Einführung, 4]. 111 Ebd., S. 147 [I, 23, 3]. 112 Wolf 1998, S. 16. Vgl. Pfisterer 2001 zum Verhältnis von Liebesblick und Bildschöpfung.

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lichen Blickwechsel zwischen Narziss und seinem Spiegelbild zu beschreiben,113 er selbst aber war vom Verlangen des Narziss unbemerkt und ausgeschlossen.114 Das Konzept der Hure hat mit der Figur des Narziss mehr gemeinsam als mit vergleichbaren Legenden weiblicher Schönheit, den Geschichten der Venus und ihrem Umfeld etwa oder, um beim Bild zu bleiben, dem Frauenbildnis in der Liebeslyrik des Petrarca und des Petrarkismus:115 Narziss’ Begehren nämlich ist auf kein Geschlecht festgelegt, ihn verfolgt Echo,116 er gefällt sich selbst und Philostrat. In gleicher Weise war die Hure nicht von vornherein geschlechtlich definiert. Vielmehr entfaltet sich ihre erotische Macht mimetisch reflektierend und situationsgebunden.117 Am deutlichsten hatte Pietro Aretino dieses Spezifikum der Huren auf den Punkt gebracht: Sie waren keine Frauen, sondern Huren.118 Die Huren teilten mit Narziss die Eigenschaft, Projektionskörper der menschlichen Leidenschaften zu sein, wobei sich ihre Charakteristika jedoch komplementär verhalten; im Gegensatz zu Narziss war die Hure nicht schön ohne Zweck.119 Sie fungierte als ein Projektionskörper der menschlichen Leidenschaften, die diese Cha113 „Das Feuer [seiner Augen] nämlich und die natürliche Wildheit seines Blicks sänftigt die Sehnsucht, die darauf ruht und er glaubt wohl, schon geliebt zu werden, weil ihm das Spiegelbild die gleichen Blicke zuwirft wie er ihm.“ Philostratos 1968, S. 147 [I, 23, 4]. 114 Zu den klassischen Schönheitsmythen, siehe die Studie von Menninghaus 2007, hier S. 36–40, in der der Autor in einer eingehenden Diskussion des Adonismythos Narziss mit Adonis konfrontiert und beiden als eine der fundamentalen Gemeinsamkeiten der Schönen attestiert, sich der körperlichen Erfüllung des Verlangens, das ihre Schönheit weckt, zu entziehen. 115 Siehe jedoch Phillippy 2006, S. 99–132, bes. S. 99–101, die den Narzissmythos über die Oberflächen von Wasser, Leinwand und Haut überzeugend mit dem Kontext der Malerei und dem Schminken der Frauen verknüpft und in diesem Zusammenhang das Schminken als „idolatrisches Instrument“ einführt. Zum Frauenbildnis in der Liebeslyrik siehe u. a. Cropper 1976 und zuletzt Schneiders 2007, S. 17–47, Diskussion des Petrarkismus. 116 Ovidius 1968, S. 104–109 [3. Buch, vv. 356–404]. 117 Dem entsprechend thematisierte die obszöne Literatur die – geschlechtliche – Maskerade und Travestie der Huren. Siehe dazu Castle 1987, Mowry 1999 sowie Carter 2004, S. 129–154. 118 „Le Puttane non son donne, ma sono puttane [...].“ Im Dialog des dritten Tags der Ragionamenti, zit. nach Foschinis Ausgabe, Aretino 1967, S. 294. Diesen Standpunkt übernahm The Whores Rhetorick 1683, S. 144, wörtlich („[...] a Whore is a Whore, but a Whore is not a Woman“), vgl. Turner 2006, S. 10–11, aber radikalisierte ihn zu einem misanthropischen Modell, wie L. Rosenthal 2006, S. 31–33, zeigt. Diese Ausgrenzung gründet in der neuzeitlichen Geschlechterordnung, die überwiegend relational über soziale Beziehungen und weniger über biologische Ungleichheiten konstituiert wurde, wie seit Laqueur 1990 durch seine einflußreiche und inzwischen relativierte Studie zum Ein-Geschlechtsmodell der Frühen Neuzeit bekannt ist. Vgl. Sarasin 2001, S. 32–94, zur Etablierung der biologischen Geschlechterdifferenz in der Moderne und Schnell 2002 mit seiner Studie zu ehelichen Sexualitätskonzepten in der Frühen Neuzeit. 119 In diesem Sinn reimte der englische Satiriker Edward Ward 1702, S. 5, in seiner Schrift City Madam, and the Country Maid über die Aufmachung der Huren („Half-bred-Gentlewoman: or Mechanick’s Daughter Educated in Town“): „[...] like Narzissus, that conceited Boy, / Sh’Admires her pretty Self, she can’t Enjoy. / When thus she’as quill’d and pleated her Attire / With busie Fingers, to her own Desire [...]“. Zit. bei L. Rosenthal 2006, S. 62–63.

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rakteristik zugleich pervertierte, indem sie sich selbst Gestalt verlieh und dabei ihre eigenen Interessen verfolgte. Ihre Schönheit entsprang einem wirtschaftlichen Interesse und wurde willentlich entfaltet, damit sich in ihrem Körper das Verlangen des Freiers spiegeln konnte. Die Selbstgenügsamkeit des Narziss aber wäre ihrer Aufgabe, der Erfüllung einmal geweckten Verlangens, zuwidergelaufen. Ihre Vollendung fand die Hure eben nicht in sich selbst, sondern erst, wenn sie einem Freier gefiel und ihn in ihr Spiel der Verführung involvieren konnte. Daraus folgt ein besonderer Reiz, der sie von der mythischen Schönheit des Narziss unterscheidet: Ihre Schönheit funktionierte gleichermaßen in erotischer Verführung und sexueller Bestätigung. Beides oszillierte im Kreislauf der Verführung, denn in Momenten der Konsumtion fanden Körper und Form jeweils zusammen, wie alle Modelle betonten.120 Aus der Verführung entsprungen, gehörte die Schönheit der Hure zugleich zu ihren zweckabhängigen Werkzeugen des flüchtigen Scheins und war nicht absolut und rein wie die des Narziss. Diese Eigenschaft machte ihre Schönheit im Zusammenspiel von Verführung und Konsumtion prekär, weil sie die Illusion ausgerechnet im Moment des Koitus gefährdete. Doch im Bildwerk könnte der Kreislauf der Verführung (falls vom Künstler intendiert) dann gefahrlos funktionieren, wenn die Form der Hure als Darstellung und ihr Körper als Bildträger gedacht wurden. Solcherart sind Hurenbilder als Objekte leiblicher Lust im 1612 erschienenen Handbuch der bildenden Künste, The Gentlemans Exercise, des Schriftstellers Henry Peacham (1546–1634) konkret als Libidinis Fomenta, als Mittel zur Erleichterung sexuellen Verlangens, dokumentiert: Peacham beschrieb neben den obszönen Bildern, die aus Italien und Flandern importiert wurden, auch die „wächsernen [...] Bildnisse von Kurtisanen in Rom und Venedig, die nackt gezeichnet waren“.121 In dieser Beschreibung verbinden sich exemplarisch Form und Material, Konsum und Konsumtion. Diese Art von Hurenbildern sollte nicht nur aufreizen, sondern auch erleichtern und war nicht nur zum Gebrauch gedacht, sondern – Libidinis Fomenta –, um buchstäblich in sexueller Erfüllung konsumiert zu werden. 120 Im Sinne von Baudrillards 1981, S. 100–101, Unterscheidung von erotischer Form und sexuellem Körper für den Bereich der Werbung in der modernen Konsumgesellschaft. 121 „[...] what hurt hath that beastly booke of Aretines done abroad in the world, and what lewde art is there showne in many printes and peeces that are daily brought ouer out of Italy, Flanders, and other places, which are oftner enquired after in the shops then any other, little vse else is there of most of the wax pictures of Curtizans in Rome and Venice being drawne naked, and sold vp and downe as Libidinis Fomenta [...].“ Peacham 1612, S. 9–10. Wie oben (S. 47, Anm. 74) erwähnt, genügte bis ins 18. Jahrhundert die Erwähnung von „Aretinos“ oder „Aretinos Stellungen“, um von obszönen Bildern zu sprechen. Bemerkenswert ist, dass sich Peacham verpflichtet fühlte, diese überhaupt zu erwähnen, um daraufhin übergangslos zu den Bildthemen der christlichen Ikonografie überzugehen. Zur solcherart assoziativ implizierten Überlagerung sakraler und erotischer Motive siehe Paulson 2003.

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Von der leiblichen Konsumtion des Bilds war im oben (S. 56) erwähnten Ratschlag der Whores Rhetorick allerdings keine Rede. Die Betrachtung des Ganymedbilds sollte der Hure reale sexuelle Befriedigung ersetzen können und nicht dazu anstiften wie die Libidinis Fomenta. The Whores Rhetorick meinte vielmehr eine Form geistiger Lust, die der Literaturwissenschaftler Winfried Menninghaus in seinem Buch über die Schönheit in Übertragung von Sigmund Freuds Bemerkung zur Sublimierung sexueller Lust im Schönen als „ästhetische Lust“ beschreibt. Ästhetische Lust charakterisiert ihre „Ablenkungsfähigkeit“;122 je schöner das begehrte Objekt – aus Freuds Sicht der weibliche Körper –, desto mehr lenkt es die Aufmerksamkeit von den primären Geschlechtsmerkmalen auf die Gestaltung des ganzen Körpers.123 Solcherart ersetzt es das sinnliche Verlangen nicht, sondern lenkt davon ab, um aber in einem spannungsvollen Verhältnis zu bleiben. Diese Form der Sublimierung lässt sich über die Ästhetik des 18. und 19. Jahrhunderts auf die Kunstliteratur des 16. und 18. Jahrhunderts zurückverfolgen, wo Giovanni Paolo Lomazzo in Italien und Hogarth in England die geschwungene Linie von der Gestaltung des weiblichen Körpers ableiteten und zum Maß von Schönheit erklärten.124 Durch die Übertragung sinnlicher Lust auf Schönheit „ermöglicht ästhetische Lust dem durch und durch sexualisierten Wesen Mensch weitere Paarungsmöglichkeiten jenseits der Kommunion der Geschlechter.“125 Diese Form der Konsumtion lässt den einmaligen Höhepunkt aus, bietet aber lustvolle Erfahrungen einer anderen Qualität, in Erneuerung oder Fortsetzung, Dauer oder Intensivierung.126 In diesem Zusammenhang ist der Verweis auf mentales sexuelles Vergnügen in The Whores Rhetorick als eine geistige Paarung der Hure mit dem Ganymedbildnis 122 Menninghaus 2007, S. 222. 123 Ebd., S. 208–209. 124 Ebd., S. 209. Die Schlangenlinie als Grundform von Schönheit aus dem von Lomazzo 1585 veröffentlichten Trattato dell’arte della Pittura, I, S. 22–24, übernimmt Hogarth in seinem 1753 erschienenen Bildtraktat The Analysis of Beauty als line of grace. Hogarth 1753, S. 19. Siehe dazu Gerlach 1989. Hogarth versuchte, aus der Sicht des Malers eine praktische Anleitung zur Darstellung des Schönen zu formulieren. In Konfrontation mit dem sich formierenden ästhetischen Konzept des Sublimen weisen Paulson 1993, ders. 1995 und Ogée 2001 in Hogarths Schrift einen mit der zeitgenössischen Kunstliteratur Shaftesburys oder Burkes konkurrierenden Ansatz nach, indem Hogarth seinen Schönheitsbegriff explizit (und im Gegensatz zu den Klassizisten) aus der empirischen Erfahrung von weiblichen Körpern bezog: „Who but a bigot, even to the antiques, will say that he has not seen faces and necks, hands and arms in living women, that even the Grecian Venus doth but coarsely imitate?“ Hogarth 1753, S. 66. Die Bildbetrachtung beschrieb er dabei als sinnliche Erfahrung durch die Bewegung des „liederlich“ (wanton) blickenden Auges. Ebd., S. 25. Turner 2001 denkt in diesem Kontext Hogarths Konzept zusammen mit seiner grafischen Bildproduktion als Form der Schaulust weiter, die im Herstellungsprozess und seinen sichtbaren Spuren im Stich angelegt ist. 125 Menninghaus 2007, S. 222. 126 Ebd. und ausführlich ders. 1999, S. 44–46.

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zu verstehen, die der Hure keinen einmaligen sexuellen Höhepunkt, dafür jedoch wiederholbare Erfüllung in der Schaulust versprach. Auf dieser Ebene könnten die Bilder das Versprechen der Huren halten und ebenfalls bis zur Konsumtion gedacht werden. So wie sich die obszöne Literatur wie in der oben (S. 50–51) zitierten Passage der London-Bawd erotischer Bilder bediente, konnten erotische Bilder wie die im Fall der „Aretinos“ genannten Stiche Marcantonio Raimondis auf obszöne Literatur verweisen. Ihre Rezeption konnte als Stimulus für tatsächliche sexuelle Aktivitäten dienen oder auch autoerotisch innerhalb der Bilder oder der Texte bleiben, worauf Robert Darnton am Beispiel der obszönen und erotischen Welten in den Texten des 17. und 18. Jahrhunderts verweist.127 In gleicher Weise forcierten beide, Pallavicinos Kritik der Hurenästhetik mit seiner implizierten Aufwertung der Bilder und The Whores Rhetorick in der expliziten Betonung der Freuden der Bildbetrachtung gegenüber der Umsetzung geistiger Vorstellungen in körperliche, zwischenmenschliche Aktivitäten, eine autoerotische Lektüre, die sich im Lesen erschloss und es dabei belassen konnte; Lektüren, die insofern auf ein Begehren zielten, als dass sie die Macht der Imagination zu befriedigen vermochten. Wenn erotische Befriedigung von der Vorstellungskraft abhängig war, wie vollzog sich dann erotischer Genuss in realen Bildern? Diese Frage gilt es, an den Bildern zu verfolgen und zu historisieren, indem zu diskutieren ist, ob und welche Form erotischen Begehrens die Bilder darzustellen und zu wecken versuchten, und auf welche Weise in den Bildern selbst eine Form erotischer Genugtuung angelegt war. Dazu ist zu Crispijn de Passes (S. 43) bereits oben eingeführtem Kurtisanenspiegel zurückzukehren. Am Beispiel seines Miroir des courtisannes ist zu diskutieren, wie und warum Hurenbilder zum Thema erotischen Verlangens und Befriedigens beizutragen hatten und beigetragen haben. Bevor jedoch zu fragen ist, wie der Zyklus sexueller Wunschgenerierung und Erfüllung in den grafischen Hurenbildern funktionieren kann, ist mit einem kurzen Blick auf die theoretischen Erklärungsansätze darzustellen, wie Schaulust im Weiteren zu verstehen ist. In den Kulturwissenschaften wird Schaulust meist auf der Grundlage von Sigmund Freuds Sexualtheorie und der Weiterentwicklung durch Jacques Lacan als ein 127 Zuletzt Darnton 2000. Beide Varianten zugleich führten zum Beispiel die – besonders nach Rousseaus Bonmot – im 18. Jahrhundert populär werdenden Einzeldarstellungen lesender Frauen vor. Bildintern konnten etwa die von D’Oench 1999, S. 58–62, diskutierten Genrebilder von Mädchen, die mit überkreuzten Beinen lesen oder denen beim Lesen die Hand in den Schoß rutscht, insofern als Visualisierung autoerotischen Vergnügens im Bild verbleiben, aber zugleich von den Betrachtern weiter imaginiert werden. Diese konnten das Bild wiederum entweder als sexuellen Stimulus gebrauchen oder es beim erotischen Reiz des Bilds belassen. Vgl. u. a. Stewart 1992, Harvey 2004.

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phallozentrisches Machtverhältnis erklärt:128 Lust erfährt, wer ein Schauobjekt als Betrachter seinem Blick unterwirft. Lust bewirkt das parodoxe Verlangen visuellen Besitzes: Der Reiz des Betrachtens resultiert aus der Abwesenheit des begehrten Objekts. Schaulust wird somit zumeist basierend auf der Erforschung der Blickstrategien einer auf Geschlechterdichotomien und Alterität gründenden Kultur erklärt und mit diesen Kategorien analysiert.129 Dieses Modell einer an die visuelle Lust gekoppelten Konstruktion eines „aktiven männlichen Subjekts des Blicks“ hinterfragt die Filmwissenschafterin Linda Williams in ihrem Aufsatz zu erotischen Fotografien des 19. Jahrhunderts.130 Williams konzipiert visuelle Lust nicht als Resultat eines „okularen Substituts“, sondern als „Sensation der physischen Berührung“:131 Der Reiz des visuellen Vergnügens resultiert nicht aus dem Begehren des abwesenden Körpers, sondern aus dem Bewusstsein der eigenen Körpererfahrung. Die „körperliche Dichte des Sehens“ (carnal density of vision), wie Williams ihr Modell bezeichnet,132 ist an die Taktilität der visuellen Wahrnehmung gekoppelt, sie benötigt also ein Medium, das individuell gehandhabt werden kann und ein exklusives Wahrnehmungsfeld bietet.133 Williams formuliert diese Überlegungen am Beispiel der optischen Apparate des 19. Jahrhunderts: Die „haptische Unmittelbarkeit der Wahrnehmung“, die spürbar ist, wenn z. B. das Auge an ein Stereoskop gedrückt wird, besitzt die Fähigkeit, die Sinneseindrücke zu affizieren und so Schaulust erfahrbar zu machen.134 Die Schaulust ist auf diese Weise an die Regungen des Körpers gekoppelt und nicht an den Mangel des Nichtspürenkönnens im abwesenden Objekt.

128 Kravagna 1997 versammelt in seinem Sammelband zur visuellen Kultur in nuce einen Überblick verschiedener Ansätze, siehe ebenfalls im Sammelband von A. Jones 2003 zum Stichwort „Repräsentation“ sowie den Überblick von Stadler 2005, der ausnahmsweise die sündhafte Augenlust nach 1 Joh. 2,15 in ihrer theologisch-moralischen Bedeutung berücksichtigt und vom (bei Stadler zur Pathologisierung geneigten) Voyeurismus im Freud’schen Sinn abzugrenzen versucht. Zum Motiv der Augenlust siehe die grundlegende philologische Arbeit von Schleusener-Eichholz 1985, Bd. 2, S. 717–826, sowie den rezeptionsästhetischen Ansatz von Schneider und Laermann 1977. 129 Dieser Mangel resultiert bereits durch den in Auseinandersetzung mit Albertis Sehmodell (siehe dazu unten, S. 64–66) von Lacan vom Auge getrennt gedachten Blick. Mit diesem das Sehen subjektivierenden und damit historisierbaren Modell setzen sich die wichtigsten Studien zur Geschichte des Sehens auseinander. Aus der umfangreichen Literatur sei auf die theater- und mediengeschichtliche Untersuchung von Hass 2005, in der sie die wichtigsten Ansätze mit historischen Bühnenformen konfrontiert, sowie auf Suthor 2005 und den Sammelband Blümle und Heiden 2009 verwiesen. 130 Williams 1997, S. 67. 131 Ebd., S. 78. 132 Ebd., S. 74 in Anlehnung an Baudelaires Beschreibung des Stereoskops. 133 Ebd., S. 80. 134 Ebd., S. 75.

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Indem Williams die Schaulust über die Körpererfahrung denkt und so gleichermaßen in den Leib zurückholt, kann sie das lustvolle Betrachten als einen aktiven Prozess der Wahrnehmung beschreiben, der alle Geschlechter berücksichtigen könnte.135 Zugleich entbindet sie die Schaulust von determinierenden Machtverhältnissen der Unterwerfung.136 Weiterhin verschiebt Williams Modell die Aufmerksamkeit vom dargestellten Objekt auf den Bildträger – das „Verschlingen befriedigt, nicht das Verschlungene“, schreibt der Literaturwissenschafter Gert Mattenklott in seinem Essay zum „gefräßigen Auge“.137 Ebenfalls erklärt er die Schaulust nicht als psychologisches Substitut, sondern als spezifisches Bedürfnis des Körpers, das nur „visuell, also über die Bilder befriedigt werden kann“.138 Die Schaulust ist insofern als die Erfahrung visueller Einverleibung gedacht. Sie ist jedoch nicht mit der Bedürfnisbefriedigung des Munds, also der oralen Lust, zu verwechseln. Anders als die orale Befriedigung ermöglicht die Schaulust nämlich einen Konsum, der dabei das begehrte Objekt unversehrt lässt und es nicht dinglich aufzehrt, sondern rein visuell konsumiert.139 Die „Augennahrung“ zeichnet dabei geistig-sakrale Qualität aus: Sie soll einverleibt werden, doch nicht vergehen, sondern gegenwärtig bleiben. Diese Eigenschaft ist unter den konsumierbaren Dingen dem Bild vorbehalten, das genossen, aber dabei nicht verzehrt werden kann.140 Die Aufgabe der restlichen Sinne beim Sehen erklärt Mattenklott als Bestätigung des „einverleibenden“ Sehens, die zugleich Verwechslungen mit anderen Formen des Verzehrens – oralen, genitalen – verhindern hilft.141 Dabei kommt der Bewegung des Körpers, wie bei Williams, eine wichtige kompensatorische Funktion zu: Sie vermeidet, dass der Blick erstarrt und sich darin verliert. Diese Fähigkeit zur Distinktion fehlte Philostrats Narziss, der sein Abbild für eine andere Person hielt und den die Lust auf eben eine genitale Vereinigung fesselte. In seinem Spiegelbild verlor Narziss zugleich mit seiner Lebendigkeit die Möglichkeit, sein Spiegelbild lustvoll genießen zu können.142 Philostrats oben (S. 57) erwähnte Aufforderung an Narziss, sich zu rühren, ist insofern als nicht nur der Schaulust des Betrachters, sondern auch der des Narziss geschuldet. 135 Ebd., S. 69. 136 Ebd., S. 75. 137 Mattenklott 1982, S. 229. 138 Ebd., S. 230. 139 Ebd., S. 234 mit ethnologischen Beispielen zur rituellen Einverleibung von Gottheiten. Zu diesem Aspekt in der christlichen Eucharistie, siehe Wolf 2002, S. 72–76. 140 Mattenklott 1982, S. 234. 141 Ebd., S. 235. 142 Reglos und den Blick gebannt, wie eine marmorne Statue, dichtete Ovid in den Metamorphosen: „immotus eodem haeret, ut e Pario formatum marmore signum.“ Ovidius 1968, S. 108 [3. Buch, vv. 418–419] als Gegenbild zur Galatea Pygmalions, ebd., S. 372 [10. Buch, vv. 280–294] und den Propoetiden, ebd., S. 370–371 [10. Buch, vv. 239–242], zu letzteren siehe unten S. 123.

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In Bezug auf die Frage der Schaulust in Hurenbildern soll Mattenklotts Konzeption der Schaulust als spezifisches Bedürfnis des Körpers, das im Akt des Schauens und im Zusammenspiel mit den anderen Sinnen durch die Regung des Körpers Befriedigung findet, in Kombination mit Williams Modell der „körperlichen Dichte des Sehens“ als Grundlage für die Überlegungen zur Schaulust in den Hurenbildern dienen. Es sei kritisch angemerkt, dass Williams in einer Variation von Jonathan Crarys Geschichte der Wahrnehmung, Techniques of the Observer,143 für das 19. Jahrhundert eine „neue Taktilität des Bildes“ ausruft, die dem Tafelbild fehle und die erst die fotomechanischen Bildverfahren der Lithografie und der Fotografie ermöglicht hätten.144 Das von Williams angeführte Tabu der Berührung mag für das sich gleichzeitig etablierende Konzept des autonomen Kunstwerks gelten,145 nicht jedoch in der Zeit vor 1800, nicht für alle anderen Arten von Bildwerken und insbesondere nicht für das ältere Reproduktionsverfahren der Druckgrafik.146 Die Fähigkeit zur leiblichen (Er-)Regung durch ein Bild war außerdem keinem neuen Sehmodell zu verdanken.147 Vielmehr wurde das Sehen seit den Anfängen neuzeitlicher Kunstliteratur und in Bezug auf die aristotelische Seelentheorie thematisiert, weil es den Körper affizierte.148 So gehört beispielsweise Albertis Erklärung des Bilds als Schnittfläche durch die Sehpyramide149 mit zu den Grundlagen der apparatzentrierten Modelle phallozentrischen Sehens.150 Albertis Sehstrahltheorie war jedoch nicht vom Leib getrennt gedacht, sondern der Körper war vielmehr in seine Konzeption des Sehens eingebunden: In De pictura begründet er seine Ausführungen zur Sehpyramide auf 143 Die einflussreiche Studie zur Geschichte des Sehens von Crary 1996 (1991) berücksichtigte – in Auseinandersetzung mit Lacans Sehmodell – erstmals einen historisierten Standpunkt der Betrachter in den Theorien des Sehens. Vgl. dazu kritisch Bruhn und Hemken 2008. 144 Williams 1997, S. 80. 145 Siehe Belting 1998 sowie die Überlegungen zum Berührungsverbot des „ästhetischen Sonderfalls“ von Bildern als Schauobjekte von Stoellger 2008. 146 Um bei technischen Geräten zu bleiben, sei auf den Guckkasten und andere Apparate zur Betrachtung von Druckgrafik im 18. Jahrhundert verwiesen, siehe dazu Kaldenbach 1985 und Sztaba 1996. 147 Williams 1997, S. 73–74. 148 Zur Rezeption von Aristoteles’ Schrift De anima in diesem Zusammenhang siehe Boehm 2003, Fehrenbach 2003 und ders. 2005. 149 „Quae res cum ita sit, pictam superficem intuentes intercisionem quandam pyramidis videre videntur. Erit ergo pictura intercisio pyramidis visivae secundum datum intervallum posito centro statutisque luminibus in datam superficiem et coloribus arte representata. (Also sei ein Gemälde die Schnittfläche einer Sehpyramide – entsprechend einem gegebenen Abstand, bei festgelegtem Zentrum und angenommenen Lichtquellen: ein Schnitt also, der auf einer gegebenen Fläche mit Linien und Farben kunstgerecht dargestellt ist.)“ Alberti 2000, S. 214–217. 150 Auf der Grundlage von Lacans Modell zum Beispiel Hentschel 2001, S. 22–24, Hass 2005, S. 72–73.

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den antiken Emissions- und Immissionstheorien der Optik. Der Sehvorgang entstand, indem entweder das Objekt oder das Auge feine Strahlen ausschickten, mittels derer das Auge den Seheindruck empfing oder abtastete.151 Solcherart „prägen sie Abbilder der Dinge dem Sinn auf“, so Alberti, das Sehen vollzog sich also in einer Einheit von Seh- und Tastsinn. Zusätzlich zu der, im Kontext von Ciceros Motto „Quid tum” eschatologischen Bedeutung des göttlichen, allsichtigen Auges in Albertis Emblem des geflügelten Auges, weist Markus Rath eine sinnliche Konzeption des Sehens an Albertis Emblem nach.152 Die Gebilde, die links und rechts aus den Lidrändern des Flugauges wachsen, interpretiert Rath überzeugend als Tastarme, als fühlende Tentakel. Das Auge in geflügelter Bewegung deutet er als physiologisches Organ des Sehens und Darstellung des Sehvorgangs zugleich, als Auge und Blick. Albertis Emblem führt vor, wie das Auge sieht und das Gesehene sogleich als Konzeption synästhetischer Wahrnehmung „Text begreift“.153 Mit einem in diesem Sinn haptisch-optisch gedachten integrativen Modell der Wahrnehmung und Rezeption hinterfragt ebenfalls die jüngere Kunst- und Kulturgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit im Rahmen von Fragen zum Wahrnehmungsvorgang und als Rezeptionsmodell die tradierte kartesianische Opposition von Leib und Seele und beginnt, sie dadurch zu historisieren und zu kontextualisieren.154 Vor diesem Hintergrund erscheint Williams Erklärung der Entdeckung des 151 Bezüglich der Passivität oder Aktivität des Auges legte sich Alberti 2000, S. 200–201, nicht fest. Jedoch: „Nam ipsi idem radii inter oculum atque visam superficiem intenti suapte vi ac mira quadam subtilitate pernicissime congruunt, aera corporaque huiusmodi rara et lucida penetrantes quoad aliquod densum vel opacum offendant, quo in loco cuspide ferientes e vestigio haereant. (Eben diese Strahlen nun entspannen sich zwischen dem Auge und der gesehenen Fläche, und aus eigener Kraft und mit einer bestimmten wundersamen Feinheit führen sie blitzschnell einen Zusammenhang herbei, wobei sie die Luft und derartige lose und lichtdurchlässige Körper durchdringen, bis sie auf etwas Dichtes oder Undurchsichtiges stoßen: an diesem Ort schlagen sie mit ihren Spitzen ein und haften zutiefst fest.)“ Ebd., S. 200–201. Zu den antiken Sehtheorien siehe Simon 1992, zu ihrem Nachwirken im Mittelalter Schleusener-Eichholz 1985 und zuletzt Belting 2008. 152 Rath 2009 mit Diskussion der Erklärungsansätze und weiterführender Literatur zu Albertis Emblem. 153 Ebd., S. 4. Vgl. Largier 2008 zu Aristoteles’ Definition des Tastsinns als fundamentalem, sinnstiftenden Grundsinn in seiner Schrift Über die Seele. 154 Bereits Alois Riegl leitet im Manuskript der Historischen Grammatik der bildenden Künste aus der Geschichte der Kunstproduktion allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Formbildung ab. Die Wahrnehmung bildet ihm die Grundlage seiner Fragestellung. Im Abschnitt über Form und Fläche beschreibt er das Sehen als physiologischen Sinnesprozess, der in verschiedenen Ausprägungen den Tastsinn mit einbezieht. Erste Fassung 1897/1898, Riegl 1966, S. 129–132, zweite Fassung 1899, ebd., S. 287–291. Zu diesem optisch-haptischen Ansatz in Riegls Schriften siehe Fend 2005, als Rezeptionsmodell Kemp 1992 sowie in der Geschichte der Wahrnehmung von Bexte 1999. Zu haptisch-optischen Konzeptionen siehe u. a. in Bezug auf grundlegende Fragen zwischen Abbild und Berührung, Seh- und Tastsinn Belting 1990, Wolf 1993 und ders. 2002, Didi-Hubermann 1999 (1997), Körner 2000, Bredekamp 2004; in konkreter Anwendung

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Tastsinns in der Moderne als eine fragliche Periodisierung technozentrischer Orientierung.155 Aufgrund ihrer Erklärung der Schaulust durch die Berücksichtigung des Tastsinns, der durch die Handhabung eines Bildwerks den Körper stimuliert, ist Williams Modell jedoch als Kriterium der Rezeption visueller Wahrnehmung grundlegend für die Überlegungen zum Gebrauch und zur Funktion der grafischen Hurenbilder. Wie zu zeigen ist, lässt sich die spezifische Aussagekraft der Hurenbilder erst durch ihr Angebot der Schaulust in einem optisch-taktilen Zusammenspiel von Seh- und Tastsinn im Sinne Albertis begreifen, im Blättern durch das Stichbuch, im Betrachten der einzelnen Stiche und im Hantieren damit.

in der Werkanalyse der Malerei Tizians Bohde 2002 und Suthor 2004, in der Kombination von Skulptur und Malerei in Altären des italienischen Quattrocento Wenderholm 2006, zum Christusbild auf Grafiken und Medaillons Helas 2006. Zum Stichwort Berührung von literaturwissenschaftlicher Seite siehe den mediävistischen Ansatz von Lechtermann 2005 und dies., Wagner und Wenzel 2007; zur Ästhetik des 18. Jahrhunderts sowie zur ästhetischen Theorie der Rührung im 18. Jahrhundert Torra-Mattenklott 2002. 155 Zur kontroversen Frage der Periodisierung in der Historiografie des Sehens siehe Hass 2005, S. 52–54.

5  Crispijn de Passe d. J.: Frontispiz des Miroir des plus belles courtisannes, 1635

3. Crispijn de Passes Miroir des courtisannes

Eine einflussreiche Sammlung von Hurenbildern wurde 1630 in Paris geschaffen und noch im gleichen Jahr von drei unterschiedlichen Verlegern in Buchform publiziert; in Paris verlegten Jean I. Leblond und Balthasar Moncornet den Kurtisanenspiegel als eigenständige Bücher, Crispijn de Passes d. Ä. (1564–1637) jedoch gab seine gleichnamige Ausgabe in Utrecht heraus.1 Nur dieser Utrechter Kurtisanenspiegel, der Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, hat sich nach heutigem Kenntnisstand als Buch erhalten.2 Alle drei Ausgaben des Kurtisanenspiegels, die niederländische wie 1 Goodman 1992, S. 52, diskutiert alle drei Ausgaben und bildet Beispiele daraus ab. Zu Leblonds Ausgabe siehe Weigert und Préaud 1976, S. 318–324, zu Moncornets Weigert 1968, S. 539, sowie zu de Passes Kurtisanenspiegel Daniel Frankens 1881, Nr. 1369, Werkverzeichnis und Hollstein XVI, Nr. 183. 2 Zur Bindepraxis grafischer Blätter und Serien zu Büchern und Alben sowie ihrer Aufbewahrung zu Beginn des 17. Jahrhunderts siehe Veldman 2001, S. 149–150.

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die beiden französischen, sind jedoch in einem Zusammenhang entstanden, denn Crispijns Stiche waren auch teilweise in die französischen Ausgaben übernommen worden.3 Als Stecher des Miroir des courtisannes gilt der Sohn des Verlegers, Crispijn de Passe d. J. (1594–1670).4 Sein Vater Crispijn de Passe d. Ä. verlegte das Buch anonym und ohne Angabe des Erscheinungsorts in seiner Utrechter Druckerwerkstatt, die sich neben Einzelgrafiken erfolgreich auf gedruckte Bücher und Buchillustrationen spezialisiert hatte.5 In ihrer grundlegenden Studie zum Verlagshaus de Passe zeigt Ilja Veldman, dass Crispijn d. J. die Druckplatten für den Miroir des courtisannes in Paris gestochen hatte.6 Crispijn hatte fast zehn Jahre in Paris gearbeitet und sich auf Porträts und Buchillustrationen spezialisiert, bevor er in die Niederlande zurückkehrte. Wer das Buchkonzept letztlich entwickelt hatte, ob Crispijn an der Entstehung der französischen Ausgaben beteiligt war oder die französischen Verleger seine Bildfindungen plagiiert hatten, ist nicht geklärt: Elise Goodman vermutet in ihrer Studie zu Rubens’ Liebesgarten eine Zusammenarbeit von Crispijn d. J. mit den französischen Verlegern.7 Dagegen interpretiert Veldman die französischen Ausgaben eher als Konkurrenzen. Sie argumentiert, dass Crispijns Kurtisanenspiegel zunächst hauptsächlich für den französischen Markt bestimmt gewesen war – darauf deuten insbesondere die französischen Bildverse der Utrechter Erstausgabe hin. Erst aufgrund des Erscheinens der Pariser Ausgaben änderten die de Passes ihr Vermarktungskonzept, so Veldman:8 Sie fügten ihrem Miroir des courtisannes niederländische und deutsche Bildtexte hinzu und druckten einen englischen Titel auf das Frontispiz.9 Auf diese Weise erweiterten sie den Leser- und Betrachterkreis über Frankreich hinaus auf die Niederlande, Deutschland und England.10 3 Goodman 1992, S. 52–54 diskutiert die Überschneidungen und Unterschiede der drei Ausgaben. 4 Holstein XVI, Nr. 183. ranken 1881, Nr. 1369, schreibt den Kurtisanenspiegel der Stecherfamilie de Passe zu und datiert ihn 1630. 5 Die Druckplatten sind in einem Vertrag von 1636 verzeichnet, in dem die Werkstatt partiell vom Vater an den Sohn übergeben wurde. Sie waren also bis dato im Besitz des Vaters als Verleger, wie Veldman 2001, S. 297, zeigt. Dagegen deutet Goodman 1992, S. 52, die Drucktypen als französische und vermutet deshalb, die Erstausgabe sei in Paris gedruckt worden. Veldman 2001, S. 297, hält diese Lokalisierung dagegen für nicht haltbar: Im Kontext der Spezialisierung des Verlagshauses de Passe auf gedruckte Bücher und durch die Werkstattverträge begründet, ist der Kurtisanenspiegel wohl in Utrecht gedruckt worden. 6 Ebd., S. 297. 7 Goodman 1992, S. 52. 8 Veldman 2001, S. 297. 9 The Looking Glass of the fairest Courtiers of these tymes. Holstein XVI, Nr. 183, verzeichnet eine Auflage von 1635, die zusätzlich mit englischen Bildtexten versehen ist. 10 Für die Vermarktung verfügte die Stecherfamilie familienintern über internationale Kontakte: Drei der Geschwister waren ebenfalls Stecher geworden und lebten damals in London (Willem),

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Das Frontispiz der Utrechter Ausgabe von 1635 (Abb. 5), auf die sich die folgenden Ausführungen stützen, zeigt sechs Hurenbildnisse im Hintergrund eines Kaminzimmers, gerahmt in einer Reihe an der Wand.11 Das Buch selbst entfaltet dann diese Hurengalerie mit einer Sammlung von vierzig Einzelbildnissen, die auf zwanzig Seiten jeweils paarweise gedruckt und durchnummeriert sind.12 Jedes Bildnis trägt den Namen der Dargestellten im Übertitel und ist mit einem erklärenden Zweizeiler versehen. Auf den den Stichen jeweils gegenübergestellten Textseiten beschreiben die Frauen ihre Lebensgeschichte in niederländischen, französischen und deutschen Versen. Zehn der Bildnisse erweitern dieses Schema, indem sich die zwei Frauen auf einem Blatt einander zuwenden und so Genreszenen entwickeln: Zwei Blätter zeigen eine Hure bei der Toilette, während die Kupplerin oder Zofe Kamm und Schere reicht (Abb. 4, Abb. 6).13 In zwei weiteren Blättern empfängt die Hure einen Liebes-

London und Dänemark (Simon) und im Deutschen Reich (Magdalena). Crispijns Bruder Simon lebte zwischen 1616 und 1621 in London, Willem seit 1621 bis zu seinem Tod 1636/1637. Aufgrund der schwierigen Bedingungen in England – hohe Zölle, Zensur und Zunftzwänge, siehe dazu A. Griffiths 1998, S. 14–23 – druckten die de Passes ihre Stiche und Bücher in Utrecht und ließen sie dann über Willem oder von Londoner Verlegern vermarkten. Veldman 2001, S. 248–251. 11 Crispijn de Passe d. J.: Frontispiz des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, Ausg. 1635. Kupferstich, 128 x 170 mm. Diese Ausgabe stammt aus dem Bestand der Niedersächsischen Staatsund Universitätsbibliothek Göttingen, die in ihrer digitalen Bibliothek ein Digitalisat bereithält: URL http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN61073640X, Stand 22.10.2009). 12 Auf der Grundlage des Schemas der Erstausgabe von Franken 1881, Nr. 1369, S. 294–295, ist diese Ausgabe von 1635 folgendermaßen angeordnet: (1) Silvia (li), Coridon (re); (2) La belle Dans (li), Margo la Macrelle (re); (3) Mademoiselle F. C. E. Court (li), La paudriere Macrelle (re); (4) La Bassonpiere ou R. F. (li), Madammoselle des E.S.R. (re); (5) La belle Angloise (li), Schoon Barberitien (re); (6) Anna la baoulette (li), Marga la belle gantière (re); (7) La Donna Iulliana belle Courtisana (li), La belle Toscanese in Fiorensa (re); (8) Anna la Vetze (li), La belle Zauonnare cour (re); (9) Madamoiselle le D.V.N.N.E age de 20 annes (li), Madamme de D.V.E. (re); (10) Dority her Chambermaide (li), M Margery of Richmonde (re); (11) My Lady of Oxm (li), Mrs Mary C.P. (re); (12) Vraw Anna L. (li), Die schoone Malmeuijspier (re); (13) Karne A.D. (li), Dr. wywodin von Dansick (re); (14) Schoon maijken van brussel (li), Signiora Isabella (re); (15) Madam le vit (li), Schoon Maritgien (re); (16) Schoon Hester (li), Schoon Elsgien (re); (17) Bely Janss van wurmer (li), Schoon Iffken van Purmerendt (re); (18) Die Metzgers Katerin von Praeg (li), Schon Anna Maria von Strasburg (re); (19) Anna Rosinna von Marpurg (li), Die hiereis ket von francfort (re); (20) La belle Marotte de Nanci (li), La belle Janne d’Aras (re). 13 Im zweiten Blatt La belle Dans (li) und Margo la Macrelle (re), im zehnten Blatt Dority her Chambermaide (li) und M Margery of Richmonde (re).

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6  Crispijn de Passe d. J.: Dority her Chambermaide, M Margery of Richmonde, zehntes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 1635

brief von ihrer Kupplerin (Abb. 7).14 Ein fünftes Blatt stellt ein Paar aus der damals populären Hirtendichtung vor.15 14 Im dritten Blatt Mademoiselle F. C. E. Court und La paudriere Macrelle (re), im achten Blatt Anna la Vetze (li) und La belle Zauonnare cour (re). Letztere entblößt als einzige Hure des Kurtisanenspiegels ihre Brüste und ist damit mit zeitgenössischen Hurendarstellungen der holländischen und flämischen Malerei vergleichbar: In seinem Werkkatalog zu Frans Hals zieht Slive 1970, Bd. 1, S. 91–92, diesen Stich zusammen mit anderen zeitgenössischen Hurenstichen zum Vergleich mit Hals’ (1580/85–1666) Zigeunermädchen heran. Frans Hals: La Bohémienne, um 1628/1630. Öl/Holz, 58 x 52 cm. Musée du Louvre, Paris. Zu Hurenbildern in der holländischen Genremalerei siehe auch Dekiert 2003, S. 171– 183, Muizelaar und Phillips 2003, S. 131–136, Nevitt 2003, Schiller 2010. 15 Im ersten Blatt Silvia (li) und Coridon (re). Kettering McNeil 1983, S. 53–55, bespricht das Blatt in ihrer Dissertation zur holländischen Pastorale und zeigt, dass Silvia der Name einer der

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Das Format einer mit Frontispiz und Einleitung versehenen, zum Buch gebundenen Stichsammlung erwies sich als außerordentlich erfolgreich: Bereits 1631 oder 1632 und 1635 veröffentlichte de Passe es erneut, noch 1701, 1708 und 1710 folgten Neuauflagen.16 In jeder weiteren Auflage variierten sie dabei die Anordnung der Platten und die Inhalte der Bildtexte. In der kunstwissenschaftlichen Forschung findet der niederländische Kurtisanenspiegel neben Zuschreibungsfragen als ikonografische Referenz für die Entwicklung beliebtesten Schäferinnenfiguren in den Hirtenspielen des frühen 17. Jahrhunderts war, Cordion der Name ihres Geliebten. 16 Holstein XIV, Nr. 183.

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7  Crispijn de Passe d. J.: Anna la Vetze, La belle Zauonnare cour, 8. Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 1635

neuer Gattungen Beachtung. Dabei geht es zunächst um die Sujets von weiblichen Einzelfiguren, wie sie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der flämischen Genremalerei populär waren.17 Das motivhistorische Interesse gilt denjenigen Stichen des Kurtisanenspiegels, die Genreszenen entwickeln und die deutlich auf eroti-

17 Slive 1970, Bd. 1, S. 91–92. Kettering McNeil 1983, S. 51–55, beschreibt die holländischen weiblichen Schäferinnenhalbfiguren als eigene Gattung und weist den Einfluss der damals populären Hirtendichtung nach. Die Bildnisse des Kurtisanenspiegels, die sie bildhistorisch zu den sensualen weiblichen Halbfiguren, den belle donne (siehe dazu bild- und kulturhistorisch Junkerman 1988) verfolgt, dienen ihr als argumentatives Scharnier zur erotischen Deutung der Schäferinnenbildnisse.

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sche Bildtypen verweisen, wie sie in der italienischen und niederländischen Malerei bereits etabliert waren.18 Sodann wird der Miroir des courtisannes thematisch als Beispiel für die Ausbildung druckgrafischer Gattungen, der Schönheitengalerie, der Kostümbücher und der frühen Modestiche diskutiert.19 In diesem Zusammenhang ist festgestellt wor18 Slive 1970, Bd. 1, S. 92–93. Kettering McNeil 1983, S. 51–53. Zu verschiedenen Bildnistypen in der holländischen und flämischen Porträtmalerei des 17. Jahrhunderts siehe Jongh 1986. 19 Kettering McNeil 1983, S. 51–55. Goodman 1992, S. 51–53, interpretiert die Hurenbildnisse als Varianten der höfischen Schönheitengalerien im Kontext der Liebeslyrik Frankreichs. Beide weisen auf die einfache Übertragbarkeit von Crispijns Format auf andere Inhalte, die Sammlung von Schäferinnen und Hofschönheiten etwa, hin. Siehe unten, S. 117.

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8  Crispijn de Passe d. J.: La belle Angloise, Schoon Barberitien, fünftes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps,1635

den, dass sich die meisten Huren des Kurtisanenspiegels in keiner Weise von der Darstellungsweise ehrbarer Frauen unterscheiden.20 Dabei wird jedoch nie diskutiert, wie Prostitution im Bild visualisiert wird, wenn die Frauen gar nicht als „Huren“ dargestellt sind. Wenn die Huren gar nicht von ehrbaren Frauen zu unterscheiden sind, zu welchem Zweck werden sie dann als Huren vorgeführt? Einen Schritt zur Klärung dieser Fragen leistet James Turner in seinem oben (S. 53) besprochenen Aufsatz zur „bildlichen Prostitution“, indem er Crispijns Miroir des courtisannes zusammen mit englischen obszönen Schriften des 17.  Jahrhunderts 20 Slive 1970, Bd. 1, S. 92–93. Kettering McNeil 1983, S. 51–53, Goodman 1992, S. 53–55 und Turner 1999, S. 64.

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denkt, die erotische Ekphrasen über Hurenbilder enthielten.21 Die Erotik sollte dabei aus der Evokation des „Originals“ entstehen. Aus dieser Relation von Abbild und fiktiver Realität entwickelt Turner seine Überlegungen zur Konstruktion der sexuellen Identität der Verfasser dieser Texte und der Leser. An seinen Ansatz ist die Frage nach der Darstellung der Huren im Kurtisanenspiegel und ihren Zweck anzuknüpfen. Bevor die zum Buch gebundene Stichsammlung und ihre Funktion als Buch diskutiert werden können, führt die Frage konzeptionell und gattungsgeschichtlich zum Porträt.

21 Ebd., S. 64–65. Vgl. Thompson 1979, S. 181–189.

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3.1. Porträthaftigkeit Das Frontispiz des Kurtisanenspiegels (Abb. 5) stellt die im Buch versammelten Stiche als Bildnisse vor. Der in der Bildmitte auf das Tischtuch gedruckte, dreisprachige Buchtitel Miroir des plus belles courtisannes weist den dargestellten Ort als das Kaminzimmer eines Bordells aus, in dem die Freier, ähnlich wie in der oben (S. 50–51) zitierten Eingangspassage der London-Bawd, anhand der Porträts an der Wand die gewünschte Hure auswählen.22 Die an der Wand dargestellten Huren sind ikonografisch – durch ihre Kostüme, Frisuren und Haartrachten – in den folgenden Bildnissen des Buchs wiederzuerkennen. Die ausgestellten Gemälde im Kaminzimmer des Frontispizes führen also eine Auswahl der im Buch versammelten Frauen vor: Ganz links hängt die Schoon Maritgien aus Blatt Nr. 15, daneben La belle Angloise aus Blatt Nr. 5 (Abb. 8), und La Donna Iulliana belle Courtisana aus Blatt Nr. 7. Rechts von ihr lüftet Signiora Isabella aus Blatt Nr. 14 ihren Schleier (Abb. 9). Neben ihr sind aus Blatt Nr. 20 La belle Janne d’Aras und ganz rechts Anna Rosinna von Marpurg aus Blatt Nr. 19 zu sehen. Vorne hat die Kupplerin als siebtes Bildnis das der Schoon Elsgien aus Blatt Nr. 16 abgenommen und zeigt es dem Freier am Kamin. Neben der Verknüpfung der Gemälde an der Wand mit den Stichen des Buchs eröffnet das Frontispiz einen weiteren Bezug: Am linken Bildrand, hinter der geöffneten Tür, stehen zwei Frauen. Erst sie weisen die Bilder als Porträts realer Huren, die im Hinterzimmer auf die Entscheidung der Freier warten, aus. Zwischen den wartenden Frauen im Hinterzimmer, ihren Porträts an der Wand und den im Buch präsentierten Bildnissen stellt das Frontispiz demnach eine Referentialität zwischen Abbild und Urbild her, welche die Bildnisse als Porträts, also als die eindeutige Darstellung identifizierbarer Personen, und nicht als typologische oder modellhafte Darstellungen ausweist.23 Das Phänomen, Bilder von Personen auch dann als Bildnisse real existierender Personen zu betrachten, wenn sie den Betrachtern unbekannt sind, ihr Kontext verlorengegangen ist oder einstmalige Identifikationshilfen wie Wappen oder Inschriften unleserlich geworden sind, erklärt Gottfried Boehm in seiner Studie zum Porträt in Bezug auf Hans-Georg Gadamer als „okkasionellen Zug“ dieser Bilder.24 Gadamers Ausdruck „Okkasionalität“ meint den Entstehungsgrund des Bilds im Sinne 22 Pieter Baardt zeigte 1645 in seinem Emblembuch Deugden-Spoor eine ähnliche Szene im Bordell, bei der ein Freier die Hure anhand des Porträtbildes auswählt, das ihm die Kupplerin präsentiert. Baardt 1645, S. 332. Abb. in Pol 1996, S. 318. Crispijns Frontispiz und Baardts Stich zählen in der kulturhistorischen Forschung zu den spärlichen und materialkritisch skeptisch zu bewertenden Beweisen für den Gebrauch von Porträtgalerien in holländischen Bordellen. Siehe zuletzt Jensen Adams 2009, S. 4. 23 „Bildnis“ und „Porträt“ sind hier gleichrangig verwendet. Einen Überblick zu Differenzierungsversuchen, wie etwa Boehm 1985 unternimmt, bietet Spanke 2004, S. 31–33, der den Ausdruck „Personalbild“ als „Bild einer Person“ vorschlägt. 24 Boehm 1985, S. 24.

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9  Crispijn de Passe d. J.: Schoon maijken van brussel, Signiora Isabella, vierzehntes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes,1635

einer hermeneutischen Kategorie: Der Anlass der Bildgebung stiftet den Sinn des Bilds und ist vom Künstler im Bild angelegt. Okkasionalität ist deshalb eine dem Bild innewohnende Qualität. Diese veranlasst die Bildbetrachter, auch dann nach dem Urbild zu fragen, wenn die oben genannten Bezüge verlorengegangen sind.25 In Anlehnung an Gadamers Begriff der Okkasionalität sei hier „Porträthaftigkeit“ als jene im Bild angelegte Intention eingeführt, die auf eine bestimmte Person – hier konkret eine Hure – verweist, ohne jedoch die Dargestellten identifizieren zu wollen.26 Deshalb spielt es keine Rolle, ob es sich um historische oder fiktive Personen handelt. Der gezielte Einsatz von Porträthaftigkeit ist in der holländischen Malerei der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts belegt, wo im Umkreis von Jan Lievens und Rembrandt 25 Gadamer 1990, S. 149–154, und ders. 1993, S. 379. Siehe auch Suthor 1999, S. 431–434. Vgl. das ähnliche Konzept der anonymous referentiality von Simons 1995, S. 291. Diese Porträtwirkung spezifiziert Trauth 2006, S. 128, in Bezug auf anonyme Frauenporträts der Renaissance als den „Willen zur Identifizierung der ›schönen Frau‹“, der die Gattung bedingt. 26 In diesem Sinn charakterisiert Veldman 2001, S. 298, die Stiche des Miroir des courtisannes als porträthaft.

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van Rijn der Bildtypus der Tronien entstand.27 „Tronie“ bezeichnete im damaligen Wortgebrauch meist einfigurige anonyme Kopf- oder Brustbilder ohne identifizierendes Beiwerk oder weitere Attribute. Die Porträthaftigkeit wurde in den Tronien gezielt eingesetzt, um an die Grenzen des Porträts (Conterfeytsel) zu stoßen, wie Dagmar Hirschfelder in ihrer Dissertation zur Unterscheidung von Porträts und Tronien darlegt:28 Tronie und Counterfeytsel waren offene, jedoch keine austauschbaren Ausdrücke, sondern sie bezeichneten jeweils eine Qualität des Bilds. Während ein Counterfeytsel die Naturnachahmung fokussierte, verband man mit der Tronie die technische Ausführung oder die Behandlung des Bildgegenstands.29 Anders als Porträts waren die – kostengünstigeren – Tronien dabei unabhängig von Auftraggebern für den freien Markt und für Sammler bestimmt.30 Die Tronien dienten den Malern dabei der künstlerischen Selbstdarstellung, denn mit diesem Bildtypus ließen sich freiere Malweisen und offenere Bildkonventionen zur Darstellung bringen, als es in der Porträtmalerei der Fall gewesen wäre.31 Deshalb war auch der Bildinhalt nicht auf eine determinierte Deutung festgelegt, sondern freier konzipiert und den Projektionen der Betrachter überlassen, so Hirschfelder.32 Crispijns Kurtisanenbilder scheiden durch ihre scheinbare Identifizierbarkeit als Tronien aus, ähneln dem Bildtypus jedoch im Einsatz der Porträthaftigkeit:33 So wie in Crispijns Miroir des courtisannes scheint die Porträthaftigkeit in den Tronien als Mittel der Bildwirkung verwendet, um einen Bezug zwischen der anonymen Bildfigur und den Betrachtern herzustellen. Der Aspekt der Porträthaftigkeit ist dabei zentral für die Wirkmacht des Hurenbilds im Allgemeinen, weshalb zunächst genauer ausgeführt werden muss, auf welche Weise die Porträthaftigkeit einer Huren formal in den Bildern des Kurtisanenspiegels zum Ausdruck kommen kann. Das Schema einer Sammlung von Frauenbildnissen in einem gedruckten Buch hatte Crispijn d. Ä. bereits 1598 mit dem Speculum illustrium feminarum erfolgreich er27 Zur Entstehungsgeschichte siehe Gottwald 2011. 28 Hirschfelder 2008, hier S. 39, in Bezug auf Boehm und Gadamer. Zur Begriffsgeschichte des niederländischen Worts „Tronie“ ebd., S. 14, S. 29–33, und dies. 2001. Vgl. Gottwald 2011, S. 9. 29 Hirschfelder 2008, S. 32–33. Vgl. dagegen die engere Konzeption der Tronien von Gottwald 2011 und dazu die Rezensionen von Hänsel 2011 und Kase 2011. 30 Hirschfelder 2008, S. 229–240. 31 Ebd., S. 313–319, zu Tronien mit Frauenköpfen, bes. S. 315–316, S. 319. Zur Meisterprobe gehörten neben dem Pinselduktus und der Vorführung unterschiedlicher Malstile, ebd., S. 104, S. 335– 344, auch die Darstellung von Affekten, ebd., S. 328–334. Vgl. Suthor 2010 und Gottwald 2011. 32 Hirschfelder 2008, S. 258–262, am Beispiel unterschiedlicher Sinnstiftungen in Reproduktionsgrafiken von Rembrandts Tronien. 33 Vgl. unten, S. 96–97.

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probt, der vierzehn europäische Königinnen und Frauen aus dem Hochadel versammelte.34 Die Frauen werden, den Huren des Kurtisanenspiegels nicht unähnlich, in runden Medaillons en buste präsentiert und mit Bildversen in lateinischer Sprache vorgestellt. An diesem Prinzip orientierte sich auch der Kurtisanenspiegel, variierte aber den Bildaufbau: Der Bildausschnitt ist zur Halbfigur erweitert. Sie sind frontal, in Dreiviertel- oder Profilansicht vor neutralem Grund gezeigt. Die Frauen des Speculum illustrium feminarum werden als Porträts dargestellt, aber variierten ähnliche Gesichtszüge, während Crispijn d. J. im Kurtisanenspiegel jeder Frau eine individuelle Physiognomie gab. Ein weiteres Buch nach diesem Muster veröffentlichte Crispijn d. J., der nach dem Tod des Vaters nun als eigenständiger Verleger tätig war, mit dem Titel Les Vrais Portraits de Quelques Unes des Plus Grandes Dames de la Christienté, 1640 – also zehn Jahre nach dem Kurtisanenspiegel.35 Die „herausragendsten Damen der Christenheit“ sind hier in sechzig Halbfigurenbildnissen als Schäferinnen vorgestellt und, wie im Kurtisanenspiegel, paarweise auf ein Blatt gedruckt und mit dem abgekürzten Namen der jeweiligen Dargestellten übertitelt. Formal also unterscheiden sich „die schönsten Christinnen“ nicht von den Kurtisanen. Der Miroir des courtisannes scheint vielmehr als Vorlage gedient zu haben, wobei das Vorwort von Les Vrais Portraits die versammelten Bildnisse aber explizit als Porträts tugendhafter Frauen bezeichnet.36 Im Kurtisanenspiegel hingegen machen die an der Wand ausgestellten Bildnisse im Kaminzimmer des Frontispizes die einzelnen Stiche als Porträts kenntlich: Jedes dargestellte Gemälde referiert auf ein bestimmtes Bild innerhalb des Buchs und weist sowohl den Bildnissen an der Wand als auch den einzelnen Stichen des Druckwerks einen Bezug zu. In beiden Büchern verweist zusätzlich der über jeden einzelnen Stich gedruckte Name auf eine reale Person. Dabei bediente sich Crispijn bereits im Kurtisanenspiegel der Abkürzungen, wie beispielsweise bei Madamoiselle le D.V.N.N.E und Madamme de D.V.E. in Blatt Nr. 9. Sie erschweren zum einen die Identifizierung der Dargestellten, suggerieren aber gleichzeitig, auflösbar zu sein: Die Bezeichnungen bestätigen die Stiche als die Bildnisse real existierender Personen. Im Kurtisanen34 Veldman 2001, S. 92–98. Die Familie de Passe verlegte zwischen 1564 und 1670 neben den bekannten 14.000 Stichen rund fünfzig gedruckte Bücher. In der Werkstatt Crispijns d. Ä. waren Bildnissammlungen, wie die Sammlung von in der Seefahrt bewanderten Königen, die Effigies regum ac principum [...] von 1598 (Holstein XV, Nr. 850) und eine Sammlung englischer Heroen, Heroologia anglica von 1620 (Holstein XIV, Nr. 162–227), ebenso vertreten wie galante Sujets, wozu z. B. der nach 1596 gedruckte Deliciarum Juvenilium Libellus (Holstein XVI, Nr. 229ad) oder die Serie Hortus Voluptatum von 1599 (Holstein XV, Nr. 851) zählten. Veldman 2001, S. 151–155; zu den galanten Sujets dies. 2001a, S. 14–24. 35 Holstein XVI, Nr. 187. Veldman 2001, S. 329–331 und Kettering McNeil 1983, S. 7, S. 75– 77. 36 Veldman 2001, S. 329–331. Zur Bildtradition der Porträtsammlung in der Neuzeit siehe Löhr 2002; zu höfischen Bildnissammlungen Wenzel 2005.

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spiegel wird diese Evokation durch kleine, fiktive Autobiografien in mehrsprachigen Bildversen ergänzt. Hier erzählen die Frauen die Geschichte ihrer Verführung oder des Ehebruchs, rühmen sich ihrer Schönheit oder ihrer fürstlichen Liebhaber, die für ihre weitere Laufbahn verantwortlich waren. Diese drei, über einen Zeitraum von knapp vierzig Jahren entstandenen Bildnissammlungen verbindet der Ruhm der Frauen, wenn auch auf unterschiedliche Weise: durch ihren Stand, ihre Schönheit oder, im Falle der Huren, ihre Sexualgewohnheiten, wie die Leser/Betrachter aus den Bildtexten erfahren. In allen drei Sammlungen sind die Bildnisse jedoch nicht allein aufgrund ihrer begleitenden Texte als Porträts charakterisiert. Mit Gadamer wurde die Porträthaftigkeit als eine dem Bild innewohnende Eigenschaft definiert. Ein Bildnis braucht demnach keinen Text, um als Porträt wahrgenommen zu werden. Die Bildnisse von Frauen hatten es einfacher, die Wirkung von Porträthaftigkeit zu erzielen, als die von Männern, wie die Porträtforschung zeigt: Für Männer und Frauen galten unterschiedliche Normen.37 Das neuzeitliche Porträtkonzept verlangte, nicht nur die äußere Erscheinung einer Person, sondern auch die Umstände ihrer Porträtwürdigkeit zu erfassen.38 Deshalb waren männliche Einzelporträts durch Physiognomie, Kleidung und Attribute meist so fein distinguiert, dass sie den Dargestellten geografisch, historisch und biografisch präzise zuordneten und zuordnen ließen. Weibliche Einzelporträts dagegen favorisierten hauptsächlich die höchste weibliche Tugend, die Schönheit. Äußere Schönheit spiegelte die innere Schönheit der Seele, so besagte das petrarkische wie das neoplatonische Konzept seit dem 14. bzw. 15. Jahrhundert.39 In der Praxis verlangte dieser Ansatz die Stilisierung der Porträtierten. Bildnisse von Frauen sind deshalb stärker idealisiert und typisiert worden als die von Männern.40

37 Zu italienischen Frauenporträts seit dem 15. Jahrhundert siehe v. a. Cropper 1976 und dies. 1987, Rogers 1986 und dies. 1988, Götz-Mohr 1987, Simons 1995, zu niederländischen Frauenporträts Kettering McNeil 1997, und als grundlegende Arbeit Roggendorf und Ruby 2004, S. 8–10. 38 Zu diesem hier nur skizzenhaft vorgestellten Gattungsanspruch sei weiterführend auf die wichtigsten Arbeiten jüngerer Zeit verwiesen, so die Quellensammlungen von Pommier 1998 und Preimesberger, Baader und Suthor 1999, in Bezug auf grundlegende Fragen der Gattung, Brillant 1991 und West 2004 sowie Jensen Adams 2009 zu den holländischen Porträts im 17. Jahrhundert. 39 Die seit Panofsky 2008 (1924), S. 133–139, dominierende neoplatonische Interpretation hinterfragen u. a. Cropper 1995 und Simons 1995. Siehe dazu zuletzt Sidlauskas 2008. 40 Simons 1995, Woods-Marsden 2001, S. 64–87. Diese Ansätze liegen allerdings einer modernen, bipolaren Geschlechterkonzeption zugrunde. Das ältere, von Laqueur 1990 in die Forschung eingeführte, eingeschlechtliche Modell findet erst neuerdings in Fragestellungen zur Gattung des Porträts Rezeption. Vgl. Simons 2011, die Einleitung von Koos und Fend 2004 sowie Koos 2006 am Beispiel der Darstellung von idealen Knabenbildnissen in der venezianischen Malerei des 16. Jahrhunderts.

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Diese Anforderung an die weiblichen Porträts erlaubte Crispijn de Passe, Porträthaftigkeit mit einfachen Mitteln zu erzeugen: Es genügte, ein physiognomisches Schema zu variieren. Die Denominationen fungieren so als Bestätigung der im Bild angelegten Intention und nicht als Bedingung für den Effekt der Porträthaftigkeit. Zusammenfassend charakterisiert die Stiche des Kurtisanenspiegels also Uneindeutigkeit: Sie sind als porträthafte Bildnisse dargestellt, die sich formal nicht von den Bildnissen (vorgeblich) ehrbarer Frauen unterscheiden, weil sie normativen Schönheitsvorstellungen entsprechen mussten, um darstellungswürdig zu sein, wie auch der Buchtitel – Spiegel der schönsten Kurtisanen – besagt. Die Bildtexte wiederum bestätigen den Effekt der Porträthaftigkeit durch die Möglichkeit der Identifizierung und die Verbindung mit einer Lebensgeschichte. Das Frontispiz leitet diese Referentialität durch die Verortung in die Galerie eines Bordells und den Verweis auf die Frauen hinter der geöffneten Tür ein. Zugleich verkomplizierte es damit auch das Verhältnis von Abbild und Urbild: Im Kontext des Bordellzimmers beziehen sich die Porträtstiche auf die Galerie und die dargestellten Frauen hinter der Tür. Die Relation von Abbild und Urbild ist fiktiv und verbleibt im Rahmen des Buchs. Jeder Stich für sich alleine wirkt dabei gleichzeitig wie das Porträt einer realen Person. In der oben zitierten Bordellbeschreibung der London-Bawd rechnete die Kupplerin bei der Betrachtung ihrer Porträts mit derselben Wirkung auf einen Freier, wie beim Anblick der Hure in Person. Bild und Person scheinen dieselbe Wirkung zu haben. Nach diesem Verhältnis fragt auch der Philosoph Gernot Böhme in seinem Buch Theorie des Bildes am Beispiel einer Variante des Brautbilds in Emmanuel Schikaneders Libretto zu Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Die Zauberflöte.41 Im vierten Auftritt des ersten Aufzugs trifft Prinz Tamino auf die drei Dienerinnen der Königin der Nacht, die ihm ein Bildnis der Tochter der Königin Pamina zeigen. In der Arie „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ artikuliert Tamino seine 41 Böhme 1999, S. 77–93. Das Libretto der Zauberflöte, KV 630, ist im Weiteren nach der Erstausgabe Schikaneder 1791 zitiert. Siehe dazu zuletzt musik- und kulturwissenschaftlich Assmann 2005, S. 52–58, mit weiterführender Literatur. Zur Bildnisarie siehe kunstwissenschaftlich Freedberg 1989, S. 337–338, S. 361, der auf die ähnliche Qualität religiöser Kultbilder sowie auf das Motiv des Pygmalion verweist. Demystizierend, rezeptions- und musikhistorisch verortet Krämer 1998, S. 538–596, hier S. 550–554, das Motiv des amour naissant im barocken Theater und betont seine Bedeutung und Beliebtheit im zeitgenössischen Musiktheater: Deshalb adaptierte es Schikaneder für sein Libretto. Das Bildnismotiv war ebenfalls sowohl im Staatsroman und im Drama als auch in der Oper des 17. Jahrhunderts verbreitet, so Krämer, ebd., S. 554, Anm. 68: z. B. in der Oper im Libretto von Aurelio Aurelis’ Antigona delusa da Alceste, um 1664 oder in Reinhard Keisers Masagniello Furioso von 1706 mit dem Libretto von Barthold Feind. Siehe auch Laroche 1995, hier S. 29–50, der das Motiv der Bildnisarie in der Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts verfolgt und seinen Erfolg in seinem, mit Gadamer, okkasionellen Charakter begründet sieht.

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Schauerfahrung dieses Bilds.42 Tamino singt von dem Bildnis und nicht von der Person, die es darstellt. Der Anblick des Gemäldes, und nicht der Verweis auf die dargestellte schöne Frau, lässt ihn eine leibliche Regung am Herzen verspüren („Ich fühl’ es, wie dies Götterbild / Mein Herz mit neuer Regung füllt“), ihm wird heiß. Diese Reaktion muss Liebe sein, so folgert Tamino zögerlich („Dieß Etwas kann ich zwar nicht nennen; / Doch fühl’ ichs hier wie Feuer brennen. / Soll die Empfindung Liebe seyn? / Ja, ja! die Liebe ist’s allein.“). Im zweiten Teil der Arie wird aus der Empfindung der sichere Entschluss, sich mit „ihr“ für immer zu vereinigen.43 Das Bildnis wirkt auf Tamino als Bild ein und nicht als Verweis, als Repräsentation der realen Person. „Wirksamkeit“ definiert Böhme hier als das Maß einer „affektiven Betroffenheit“, „die wir durch etwas erfahren“.44 Die Wirkung eines Bilds als Bild und nicht als semiotischer Verweis auf die abgebildete Person ist durch diese affektive Erfahrung bestimmt: Die Realität des Porträts – die gerahmte, bemalte Leinwand – unterscheidet sich von der Darstellung der Pamina. Diese Erfahrung der Differenz begründet die Wirkung des Bilds.45 Daraus entwickelt Böhme seine Überlegungen zum Verhältnis von Bild und Realität.46 Das Libretto der Zauberflöte bietet sich dafür an, da es verschiedene Bildbegriffe unterscheidet: Tamino verliebt sich in das Bildnis, verfällt aber keinem Bildzauber. Er ist sich bald bewusst, das Bildnis einer realen Frau vor sich zu haben

42 „Dies Bildniß ist bezaubernd schön, / Wie noch kein Auge je geseh’n! / Ich fühl’ es, wie dies Götterbild / Mein Herz mit neuer Regung füllt. / Dieß Etwas kann ich zwar nicht nennen; / Doch fühl’ ichs hier wie Feuer brennen. / Soll die Empfindung Liebe seyn? / Ja, ja! die Liebe ist’s allein.“ Schikaneder 1791, S. 13. 43 Ebd., S. 13. Böhme 1999, S. 83 bemerkt, dass Tamino auch sprachlich weiterhin am Bild bleibt, indem er „sie“ besingt. Grammatikalisch kann das Pronomen nur auf das einzige weibliche Hauptwort „die Liebe“ verweisen. 44 Ebd., S. 90. 45 Damit steht die Bildnisarie exemplarisch für die Bilddefinition von Böhme 1999, S. 92: Ein Bild unterscheidet sich ihm zufolge von den anderen Dingen, weil seine Realität, als bemalte Leinwand etwa, von seiner Wirklichkeit – dem auf der Leinwand Dargestellten – verschieden ist. Seine Überlegungen sind im Kontext der von Mitchell 1986 angestoßenen Fragen zum Wesen des Bilds – wie auch bei der ähnlichen Studie von Brandt 1999 – als philosophischer Beitrag zur „Wirklichkeit der Bilder“ geschrieben. Böhmes Interesse ist dabei streng systematisch und nicht historisch: Von kunstwissenschaftlicher Seite aus beschränkt er sich auf den von Gombrich 1960 unternommenen Brückenschlag zwischen Kunstwissenschaft und Philosophie. Zu kunstwissenschaftlichen Beiträgen, die das Bild wie Böhme in einer Differenz zwischen dinghafter Welt und Bild definieren, Gottfried Boehm führt dazu 1994 den Ausdruck „ikonische Differenz“ ein, siehe u. a. ausführlich Boehm 2007 und jüngst Ganz und Thürlemann 2010 sowie kritisch relativierend Loreck 2004 und Werner 2010, die ältere, ähnliche Ergebnisse in Erinnerung ruft. 46 Böhme trennt den Ausdruck „Wirklichkeit“ von dem die dingliche Welt umfassenden Ausdruck „Realität“ für seine Ausführungen. Böhme 1999, S. 92, Anm. 18. Diese Unterscheidung hat für die hier verfolgte Fragestellung keinen Mehrwert, „Realität“ und „Wirklichkeit“ verwende ich gleichwertig für die dinglich erfahrbare Welt.

Porträthaftigkeit  | 83

(„– Das Original? –“).47 Taminos komisches Pendant Papageno dagegen bedient sich der repräsentativen Eigenschaft des Gemäldes, um Pamina im 14. Auftritt zu identifizieren. In einem Vergleich sucht er nach mimetischen Ähnlichkeiten zwischen dem Porträt und Pamina und scheitert daran. So wie Papageno Pamina nicht eindeutig aufgrund ihres Porträts zu bestimmen vermag, so verliebt sich Tamino weder in die reale Pamina noch in das Gemälde als ein Stück bemalter Leinwand, sondern in ein Bild, das einen Bezug zur Realität hat. Böhme sucht diesen Bezug zu charakterisieren. Dazu hinterfragt er zunächst die in der ontologischen Ähnlichkeitstheorie Platons festgelegte, hierarchische Schichtung der Welt in Urbilder und Abbilder auf aristotelische Weise:48 Bild und Original müssen sich nicht zwingend entsprechen. Ein Bild kann vom Original abweichen, es im Fall eines Porträts z. B. verschönern, und es kann auch ohne ein dingliches Original in der Realität etwas darstellen. Deshalb kann die Wirklichkeit des Bilds nicht dem Original entlehnt sein, so Böhme. Stattdessen schlägt er vor, dass die „Wirklichkeit der Dinge eine von Bildern geliehene“ ist.49 Angesichts der realen Pamina kann Tamino, der sich in ein Bild verliebt, deshalb seine Liebe auch auf die Person Pamina übertragen. In Konfrontation zur Bildbeschreibung in der Bordellsituation der London-Bawd, die das gleiche Arrangement – das von einer Frau einem Mann gezeigte Frauenbildnis – am Ende des 17. Jahrhunderts (und damit etwa hundert Jahre vor der Zauberflöte) zum Thema machte, erhält das Bildnis einen ähnlichen Status:50 Wie die Königin der Nacht, die Tamino das Bildnis ihrer Tochter in der Absicht übersendet, Tamino zur Rettung Paminas zu bewegen, zeigt die Kupplerin den Männern die Bilder ihrer Huren, um sie als Freier anzuwerben. Tamino, wie auch die potentiellen Freier, haben die vorgestellten Frauen nie gesehen. Wie Tamino wählt der Freier im Bordell ein Bild seiner Wahl – eines, das ihn erotisch stimuliert – und kann die Wirkung dieses Bilds dann auf die reale Hure übertragen. Aber auf welche Weise geschieht das? Wie oben ausgeführt, verliebt sich Tamino nicht aufgrund eines Bildzaubers in das Bild der Pamina. Vielmehr überreichen ihm die drei Dienerinnen der Königin der 47 Schikaneder 1791, S. 14. 48 Böhme 1999, S. 90. 49 Ebd., S. 90. Vgl. dazu den bereits ähnlichen Gedanken von Alberti 2000, S. 236–237, in De pictura: „ut in rebus quicquid adsit decoris, id a pictura sumptum [...] (Was auch immer den Dingen Schönheit verleiht, ist der Malkunst abgeschaut.)“. Dieses Modell von Repräsentationen geprägter Wirklichkeit ist vor allem den Ergebnissen der feministischen Kunstwissenschaft zu verdanken. Siehe zum strukturellen Bezug von Frau und Bild u. a. Eiblmayr 1989, Hammer-Tugendhat 1989 und zuletzt dies. 2009. 50 „[...] they chuse which Person they please by the Picture; and for a Guinea paid to me, they are admitted to her [...].“ The London-Bawd 1705, S. 69.

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Nacht das Bildnis mit einer Aufforderung: Wenn die Darstellung der Pamina („die Züge“) eine Wirkung auf Tamino hat, ihm „nicht gleichgültig“ ist, winken ihm „Glück, Ehr’ und Ruhm“.51 Die Präsentation des Bilds ist also an eine Voraussetzung gekoppelt: Nur, wenn er sich beim Anblick des Bilds affektiv betroffen zeigt, wenn er eine klare, von den drei Dienerinnen erkennbare emotionale Wirkung äußert, nur dann ist ihm sein Glück sicher. Anders als Tamino52 suchten die Freier das Bordell gezielt zur sexuellen Befriedung oder Stimulation auf. Doch in ähnlicher Weise fanden sich die Freier des London-Bawd nicht arglos in einer Galerie, um beim Betrachten von Frauenporträts plötzlich sexuelles Verlangen zu spüren, sondern bekamen die Gemälde der Frauen von einer Kupplerin vorgeführt, die deren Bilder wiederum mit einer konkreten Erwartung vorzeigte. In diesem Fall stellte die Kupplerin Sex mit realen Frauen in Aussicht, wenn der Freier die beabsichtigte Wirkung zeigte. Doch auch im Bordell mussten die Freier die affektive Wirkung des Bilds artikulieren. Erst dann und nach entrichtetem Entgelt versprach die Kupplerin Zugang zu den „Originalen“. Die Wirkmacht des Bilds in ihrer affizierenden Eigenschaft bedingt mit Böhme den Bezug desselben zur Realität. Die Wirkung des Bilds der Hure sowie des der Pamina entfaltet sich jedoch konkret erst in der Art der Präsentation. Beide bedürfen einer inhaltlichen Konkretisierung, die das Bild in ein Verhältnis zur Realität der Betrachter setzt und die dann in eine leibliche Wirkung übertragen werden kann: Bei Tamino erwächst Liebe aus der Verheißung von Ruhm und Glück. Bei den Freiern hingegen verstärkt die bildliche Aussicht auf käuflichen Sex das sexuelle Verlangen. Diese Wirkung lässt sich als ein Versprechen des Bilds hinsichtlich einer potentiellen Realisierbarkeit des begehrten Dargestellten weiterdenken, die ihren Effekt im bewussten Bezug zur Realität und im gleichzeitigen Vorenthalten bzw. Herauszögern derselben entfaltet. Insofern ist die Form der Präsentation, der Bildgebrauch zu berücksichtigen: Weil die Dienerinnen der Königin der Nacht Tamino Lebensglück in Aussicht stellten, hatte das Bild einen so starken Effekt auf ihn. Weil die Bildbetrachtung im Bordell ein Bestandteil der Dramaturgie des Reizens und Werbens war, wirkte das Bild der Hure als Stimulus. In beiden Fällen gaben die präsentierenden Frauen den Bildern einen emotionalen Kontext, der die Bildwirkung steuerte. Taminos Bildnisarie und die Beschreibung der Bilder im Bordell der London-Bawd sind allerdings schriftliche Bildbeschreibungen im Rahmen von Erzählungen, die auf der jeweiligen Bildwirkung die Handlung aufbauen. Beide Ekphrasen gründeten 51 Schikaneder 1791, S. 12. 52 Tamino war zuvor dem tödlichen Biss der Schlange entgangen, weil ihn die drei Dienerinnen der Königin der Nacht retteten. Die Frauen wählen den ohnmächtigen Tamino aufgrund seiner Schönheit zum Retter der Pamina und kehren darauf mit dem Bildnis zurück.

Porträthaftigkeit  | 85

dabei auf der Annahme, dass der Einsatz der Bilder als erotische Stimulatoren auch funktionierte; sie setzten von den männlichen Betrachtern die erotische Affizierung durch den Anblick eines Frauenbilds voraus. Die Ausprägung des Eros war je nach Art der Präsentation verschieden: Taminos zaghafte Formulierung „Liebe“ meinte eine geistig überhöhte, neoplatonische Form. Von den Freiern der London-Bawd wurde dagegen das spontane körperliche Bedürfnis nach der sexuellen Vereinigung mit der Dargestellten erwartet.53 Wie funktionieren aber die Bilder des Miroir des courtisannes in Konfrontation mit diesen besprochenen Beispielen? Ist die in den Texten postulierte erotische Affizierung auf die Bilder übertragbar? Die Bildbeschreibungen hatten Erotik durch den Bezug zur Realität – Taminos bzw. der Freier – hergestellt. Der hier die Wirkung bedingende Realitätsbezug ist im Kurtisanenspiegel in der Porträthaftigkeit der Stiche angelegt. Die Lokalisierung dieses Bezugs übernimmt dabei das Frontispiz. Der Miroir des courtisannes ist mit den Bildbeschreibungen der Zauberflöte und des London-Bawd insofern vergleichbar, als dass der Moment, in dem das Frauenbild einem Mann mit erotischer Wirkungsabsicht gezeigt wird, ebenfalls im Frontispiz des Kurtisanenspiegels ostentativ dargestellt ist: Den Oberkörper gegen den Kamin gewendet, sitzt der Edelmann vorne rechts auf den Tisch gestützt und wendet den Kopf nach rechts, um das Bildnis der Schoon Elsgien aus Blatt Nr. 16 zu betrachten. Sein Blick ist konzentriert auf das Bildnis geheftet, während ihn die Kupplerin dahinter beobachtet. Mit dem Rücken zu den Betrachtern lässt sich ein weiterer Mann von einer Kupplerin die Bilder an der Wand zeigen. Die Aufgabe der Präsentation ist damit im Frontispiz in zweifacher Weise dargestellt: Einerseits inhaltlich, indem es den Bordellbezug herstellt und die versammelten Frauenstiche als Porträts der im Bordell verfügbaren Huren verortet. Andererseits am Beispiel der beiden Kupplerinnen, die den Freiern die Bildnisse mit der Absicht erotischer Stimulation vorführen. Gelingt diese Absicht auf der Bildebene, so stehen rechts hinter der Tür die wartenden Frauen bereit, um das Versprechen der Bilder einzulösen. Die einzelnen Stiche des Kurtisanenspiegels regen durch ihr Porträtformat die Möglichkeit der Identifizierung mit realen Huren an. Innerhalb des Buchs beziehen sich die Stiche auf die Galerie im Frontispiz. Weil dort die hinter der Tür wartenden Frauen die potentielle Realisierbarkeit des Dargestellten bestätigen, ist die erotische Wirkungsabsicht der Präsentation im Frontispiz auf jeden einzelnen Stich übertragbar und funktioniert innerhalb des Buchs auf einer fiktiven Ebene: In der Wirklichkeit des Buchs sind die Bilder keine Simulacra, keine Abbilder ohne Urbild, sondern Porträts mit einem konkreten Bezug. 53 Siehe zu der darin enthaltenen Konzeption des Eros oben, S. 11, Anm. 12, und vgl. Mandeville 1724, S. 34.

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Damit bleibt die Frage nach dem Verhältnis von Bild, Buch und ihrem Bezug zu den Betrachtern zu klären: Im Frontispiz ist die affizierende Wirkung der Hurenbilder in der Bildrealität des Bordells dargestellt, in dem die Freier die Bilder betrachten und mit den hinter der Tür wartenden Frauen konfrontieren können. Aber wie verhält es sich mit den Betrachtern, wenn die fiktive Bildwirklichkeit des Bordells auf die faktische Realität des in die Hand genommenen Buchs trifft? Ist die hier dargestellte Funktion der Porträts auf die einzelnen Stiche übertragbar? Dazu ist auf die Ausgangsfrage nach dem Zweck der Darstellung von Huren zurückzukehren: Wenn die Stiche in Bezug auf das Frontispiz und durch ihre Porträthaftigkeit eine erotische Wirkungsabsicht erzeugen wollen, wie ist ihre Rolle im Buch und damit für die Betrachter? Inhaltlich nimmt das Frontispiz auf die Stiche des Kurtisanenspiegels Bezug, aber formal hängen die Porträts im Kaminzimmer in rechteckigen Rahmen wie Gemälde an der Wand oder werden in die Hand genommen. Dagegen sind die Bildnisse in den einzelnen Stichen von ovalen Rahmen umgeben und entsprechen in ihren realen Maßen von ca. 70x54 mm etwa dem Format von Medaillonbildnissen.54 Miniaturporträts in Medaillons waren zur Vergegenwärtigung der Geliebten in Gebrauch.55 Dabei konnten sie auch erotisierende Funktionen haben.56 Solcherart diente ein Medaillonbildnis dem englischen Kupferstecher John Goddard (1631– 1661 aktiv) in den 1630er-Jahren in einer Serie der sieben Todsünden für den Stich der Wollust (Abb. 10):57 Von einem Ziegenbock flankiert, präsentiert ein Edelmann vor einer Landschaft den Betrachtern ein Medaillon zwischen zwei Fingern und deutet zusätzlich darauf. Das Medaillon zeigt das Bildnis der Geliebten, wie der Bildvers ausführt: „LVST / The amorous Yonker in his Lustfull heate, / His Mistres Picture eyes, ins Tablett neate; / If as the Goate Hee’d sett her at his heele / His heart, more Honest, hee would quickly feele.“ 54 Vgl. dazu Murdoch 1997. 55 Berns 1983. Vgl. jedoch das Medaillon in Gerrit van Honthorsts (1592–1656) Gemälde Lächelndes Mädchen mit einem obszönen Bild, 1625. Öl/Leinwand, 81,3 x 64,1 cm. Saint Louis Art Museum, Saint Louis, MO. Abb. bei Slive 1970, Bd. 1, S. 94. Siehe zuletzt Schiller 2010. 56 Tassi 2005, S. 66–68, diskutiert die Wirkung von (Miniatur-)Bildnissen auf die Betrachter in der bildkritisch Kultur Englands. 57 John Goddard: Die Wollust, 1630er-Jahre. Kupferstich, 149 x 90 mm. British Museum, London. Corbett und Norton (Hind) 1964, Nr. 14, S. 337–338, und A. Griffiths 1998, Kat. 65, S. 110. Das The Seaven deadly Sins betitelte erste Blatt stellt die Hochmut (pride) dar und ist unten links „Sould by Tho Jenner“ und rechts „John Godard fec.“ signiert. Die Figuren sind Raubkopien aus Abraham Bosses Serie Le Jardin de la Noblesse Française, 1629. Join-Lambert und Préaud 2004, Kat. 40–47, bes. Kat. 47, Le Veuf amoureux, mit dem Motiv des Gentilhomme mit Medaillon.

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10  John Goddard: Die Wollust, 1630er-Jahre

Dem Edelmann ergeht es wie Tamino in der Bildnisarie, der Anblick des Bilds seiner Geliebten erhitzt sein Blut. Der Bildtext ist jedoch genauer als Schikaneders Libretto: Die Augen des Porträts (Mistres Picture eyes) verursachen diese Hitze, die hier sexuelle (lustfull) Erregung meint. Durch das Medaillon überträgt sich die sexuelle Energie, die der Ziegenbock verkörpert, direkt auf den Edelmann (if as the Goate Hee’d sett her at his heele), wobei ihn das Tier ernst anblickt. Dem Porträt der Geliebten wird dabei eine starke Wirkung zugestanden, die der Bildvers auf die Augen der Dargestellten fokussiert.58

58 Damit ist die alte Liebesmetaphorik der „Liebe auf den ersten Blick“ angesprochen, siehe dazu u.  a. Schleusener-Eichholz 1985, Bd. 2, S. 759–797, Weisrock 1990, Flemming 1996,

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Die Ikonografie der sieben Todsünden stellte die Wollust gemeinhin als Personifikation vor, so formulierte etwa der Gelehrte Cesare Ripa in der römischen Ausgabe seines emblematischen Handbuchs Iconologia von 1603, dass Libidine als schöne Frau darzustellen sei, weil (weibliche) Schönheit sexuelles Verlangen begünstige und errege. Der Ziegenbock als ein lüsternes Tier begleitet sie.59 Diese Konvention ist in Goddards Wollust auf bemerkenswerte Weise modifiziert: Er stellte nicht mehr die schöne Frau als Auslöserin, sondern den von der Wollust betroffenen Mann ins Zentrum. Das Laster selbst ist durch das Porträtbild repräsentiert. Seine Darstellung ist dabei auf die dingliche Gestalt des Medaillons reduziert, eine figürliche Darstellung ist nicht erkennbar.60 Die Masken, die in der linken unteren Bildecke liegen, sind – wieder Ripa folgend – der Ikonografie der Täuschung und der Verstellung entlehnt,61 darauf ist die letzte Zeile des Bildverses gerichtet: Hätte der Edelmann ein ehrlicheres Herz (more Honest), dann wäre ihm klar, dass seine Wollust durch die Wirkung des Bilds verursacht wurde. Die mangelhafte Ehrlichkeit des Edelmanns beinhaltete durch die Herkunft des englischen Worts honest vom lateinischen honestus mehr, als nicht die Wahrheit zu sagen, sondern hatte eine moralische und soziale Bedeutung: Der Mann ist nicht ehrbar und also kein wirklicher Edelmann, kein homme honnête, sondern lediglich als solcher gekleidet.62 Umgekehrt gelte gleichermaßen, dass er seinen Stand als Edelmann gefährdete, weil er sich beim Betrachten eines Bilds der Wollust hingab. Die Todsünde ist dabei im falschen Gebrauch begründet und nicht im Sujet des Frauenporträts oder im Besitz des Medaillons; wer eine zu starke erotische Bildwirkung zulässt, sündigt.63 Wenn bereits das falsche Betrachten des Bilds der Geliebten sündhafte Wollust bewirken konnte, stand Crispijn d. J. für den Entwurf des Frontispizes vor einem Problem: Dieses sollte in seiner Funktion als Einführung und Kaufanreiz auf ein Buch S.  387–397, Havelange 1998, S. 184–194, Grimm 2000, Bettini 2008, auch Fehrenbach 2005, S. 2. 59 „Libidine: DONNA bella, & di bianca faccia [...], con occhi grassi, lucenti, & lasciui; mostrano chesti segni abondanza di sangue, il quale in buona temperatura è cagione di Libidine, & il naso riuolto in sù, è segno di questo istesso per segno del becco animale molto libidinoso, come disse Aristotele de fisonomia al capitolo 69. [.] Il che è molto simile alla libidine, la quale con la bellezza, e lusinga ci tira, e poi ci diuora, perche ci consuma il tempo, il denaro, la fama, il corpo, & l’anima istessa ci macchia, e ci auuilisce, facendola serua del peccato, e del demonio.“ Ripa 1603, S. 294–295. 60 Zum Motiv des Bildnisses im Bild in der holländischen (Porträt-)Malerei siehe Jongh 1986, S. 23, Abb. 13, sowie Kat. 67, 68. 61 Simulatione bei Ripa 1603, S. 455. 62 Zu Ehre und sozialer Zurschaustellung im Kontext von Bekleidung und der Pflege des äußeren Erscheinungsbilds siehe Smith 2002, S. 33. 63 Die darin implizierte Mahnung zur Regulierung der Affekte muss in diesem Rahmen ausgeklammert bleiben. Vgl. Ginzburg 1997 zur erotischen Wirkkraft von Bildern und ihrer Funktion als Regulatoren.

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neugierig machen, das ausschließlich aus Hurenstichen bestand und den Erwerb dieses heiklen, weil per se zur Wollust verführenden Sujets bewerben. Unter dieser Prämisse konnte das Frontispiz nur funktionieren, wenn es die Allusion negativ besetzter Wollust ausblendete und von zu starken erotischen Anreizen ablenkte. Bevor das Frontispiz in dieser Funktion als Einführung in das Buch und gleichzeitiger Ablenkung von den Huren zu besprechen ist, sind die Alternativen zu klären, die der Kurtisanenspiegel dafür anzubieten hatte.

3.2. Von den Huren ablenken Die Texte des Miroir des courtisannes, das Vorwort und die Bildverse unterstützen das Frontispiz bei der Aufgabe der Ablenkung. Das erklärt die harmlosen Texte des Kurtisanenspiegels:64 Ohne Anzüglichkeiten stellen sich die Frauen in den den Stichen gegenübergestellten Bildtexten als vor- und außerehelich sexuell aktive Adelige und Bürgerinnen vor, als Ledige, Verheiratete und Verwitwete mit vielen aristokratischen und wenigen bürgerlichen Liebhabern:65 Die Geschichten von entehrten oder verlassenen Frauen überwiegen dabei deutlich die Schilderungen trickreicher Professionalistinnen.66 Moralisierende Belehrungen der Leser fehlen ebenso wie die in 64 Deshalb ist das Vorbild venezianischer Kurtisanenlisten fraglich, auf das zuerst Kettering McNeil 1983, S. 53, verweist: Diese periodisch kursierenden Manuskripte listeten die in der Stadt verfügbaren Huren auf und gaben Auskunft über ihre Herkunft, ihre sexuelle Spezialisierung und ihren Preis. Vgl. Scarabello 2006, S. 85–87, und Poli 1990, Kat. 86, 88, S. 160–161. Die Popularität der Kurtisanenlisten bezeugt die erstmals 1535 in Venedig gedruckte Schrift Tariffa delle puttane di Vinegia (1911 von Guillaume Appollinaire hg. und Antonio Cavallino zugeschrieben), die mit dem Titel, Preise der venezianischen Huren, an die Kurtisanenlisten anknüpfte, sie aber in eine obszöne Erzählung übertrug: In Zweizeilern beschreibt und kommentiert ein Venezianer einem Fremden die in der Stadt verfügbaren Huren. Zum Verhältnis der Tariffa zu den Kurtisanenlisten siehe Scarabello 2006, S. 85–86. Die Versform der Tariffa, ihr humoristischer Anspruch und vor allem ihre Schilderung des sexuellen Angebots Venedigs durch den Ortskundigen für den Fremden scheinen eher Elemente des Vergleichs mit dem Miroir des courtisannes aufzuweisen als die Kurtisanenlisten. Entscheidend ist jedoch, dass die venezianischen Kurtisanenlisten wie die Tariffa unbebildert waren und sich ganz wesentlich im obszönen Ton von Crispijns Kurtisanenspiegel unterschieden. 65 Die schoone Malmeuspier aus Blatt Nr. 12 etwa verdankt ihre Aufnahme in den Kurtisanenspiegel dem finanziell motivierten Ehebruch, wie der deutsche Bildvers erzählt: „Beim Furstlichem Hoff, der Insel van Malmeuyen, / Das ist die grosse Schaer, vonn allen den Hanreyen, / Da hab ich meinen man die Horner auffgesetzt, / Als ich umbs liebe gelt mein Ehre hab verletzt.“ [De Passe] 1635, o. S. Auf demselben Blatt hat Vraw Anna Ls. einziger Verführer sie um das Eheversprechen betrogen, wie wiederum der deutsche Bildvers ausführt: „Ich neig, ich buk, weiß mich gar angstlich zu halten, / Es scheint das mir der Lieb in zweyen oft wil spalten, / Das ist auff Denisch ahrt, der Schloßherr von der Stadt, / Mir gelobet seine Trew, doch nicht gehalten hadt.“ Ebd., o. S. 66 Ein Viertel der Stiche – diejenigen, die Genreszenen entwickeln – zeigen die Frauen als Professionalistinnen mit der Kupplerin. Vgl. unten, S. 101.

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der obszönen Literatur topische Motivation der Wollust. Selbst die Gier ist marginal vertreten: Die Bildverse vermeiden sexuelle Anspielungen, sei es mit obszönen oder mit moralischen Mitteln. Um 1632 schrieb der niederländische Dichter und Diplomat Constantijn Huygens in sein Tagebuch, dass „ihm nichts lieber wäre, als von jemandes Leben oder Charakter zu lesen oder zu hören – ob es sich um einen guten oder schlechten Menschen handelt – [und dass dieses Vergnügen] sich beim Betrachten von Porträts intensiviert.“67 Auf ähnliche Weise unterstreichen die harmlosen Bildtexte des Miroir des courtisannes ein ebensolches Schauvergnügen, das sich zwischen dem Lesen der Geschichten der Bildtexte links und dem Betrachten der Stiche rechts entspinnt (Abb. 4, 6–8), und das so wie Huygens Schwäche für Porträts mehr der Befriedigung der Neugierde geschuldet war als sexuellem Verlangen. Gleichzeitig beschränkte sich der Informationswert der Bildtexte dadurch auf eine Generalisierung: Unabhängig von ihrem äußeren Erscheinungsbild konnte jede Frau jedes Stands und jeder geografischen und sozialen Herkunft eine Hure sein. Diese Aussage war seit der sexistischen obszönen Literatur des 16. Jahrhunderts topisch.68 In Form gestalterischer Uneindeutigkeit trifft sie auch für die Bildkünste zu. Im Kurtisanenspiegel wurde dabei die soziale Bedeutung des Begriffs „Hure“, die Diffamierung, und weniger der wirtschaftliche Aspekt von käuflichem Sex betont. Das entehrende Prädikat „Hure“ war jedoch im 17. Jahrhundert (noch) kein geschlechtsspezifisches: Stattdessen stellt James Turner ein Gleichgewicht im sexuellen Ruf fest, das die Männer ebenso betraf, die wie Frauen „huren“ gehen konnten und zu „Hurenböcken“ wurden, wenn sie mit „Huren“ verkehrten und die ihren Ruf auf diese Weise in ähnlicher Weise beeinträchtigen konnten wie die Frauen.69 Der Kurtisanenspiegel zeigt also Frauen, mit denen ein leibhaftiger Umgang genauso soziale Konsequenzen hätte wie für die dargestellten Huren die Affäre mit einem ehrlosen Mann. Die darin implizierte Gefahr für die Betrachter, durch zu starke Bildaffektion die eigene Ehre in Mitleidenschaft zu ziehen, sucht das Vorwort auszugrenzen. Das Vorwort argumentierte ausdrücklich gegen eine Intention sexueller Erregung, indem es sich von jeglicher Art der Lasterhaftigkeit distanzierte und gar entschuldigte, falls mit dem gewählten Motiv jemandes Ehre verletzt worden sei.70 Stattdes67 „Dit genot is mij zoo lief, dat mij niets aangenamers kan te beurt vallen, dan dat het mij bij het lezen of hooren verhalen over ieders leven en karakter – hij zij een goed of slecht mensch – (en dit soort geschiedenis trekt mij bijzonder aan) mogelijk wordt gemaakt zijn portret te beschouwen.“ Huygens 1946, S. 75. Zit. bei Jensen Adams 2009, S. 286, Anm. 211. 68 Turner 2006, S. 10. 69 Whore und prostitute in englischer Sprache, Turner 2006, S. 21–22. Foyster 1999, bes. S. 154. 70 Im französischen Vorwort: „[...] je vous supplie ne m’en attribuer point blasme & croiez que jestime trop la Vertu pour la Calomnier [...].“ [De Passe] 1635, o. S. Im deutschen Vorwort: „Dan es mir sonsten von hertzen leit sein solte, yemans hiedurch seine ehre zu verletzten, oder mit derogleichen

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sen führt der Text eine Reihe von Gebrauchsmöglichkeiten für den Kurtisanenspiegel aus: Die vorgeführten Huren dienten lediglich als Modelle, um verschiedene regionale Kleidungen und ihren Wandel vorzuführen. Huren wurden gewählt, weil sie Veränderungen in der Kleidung zuerst übernahmen.71 Die dargestellten Frauen vertreten die Trachten Mittel- und Westeuropas – Gegenden, die von der männlichen Jugend bereist wurden. Dadurch führte das Buch eine Form der Reiseerfahrung vor: Es zeigte, bei welchen Frauen reisende Männer das Geld ihrer Familien verprassten.72 Außerdem wendet sich das Vorwort an diejenigen Maler und Bildhauer, die keine Gelegenheit zum Reisen hätten und die in den Zeichnungen ein Musterbuch und den Ersatz von Welterfahrung finden könnten.73 Von der Forschung werden diese einleitenden Erläuterungen als legitimierender Vorwand zur Veröffentlichung eines anzüglichen Buchs gedeutet und beim Wort genommen: Mit dem Vorwort suchte Crispijn d. J. den Kurtisanenspiegel als Kostümbuch zu vermarkten, so zuletzt Veldmans Vorschlag.74 Als Kostüm- und Trachtenbücher gelten jene zu Büchern gebundenen grafischen Darstellungen von Personen mit den Kostümen gegenwärtiger und vergangener Zeiten, die nach geografischer Region, Geschlecht, Zivilstand und Stand gegliedert, soziale Ordnungen in idealer Weise vorstellten.75 Der Begriff „Kostüm“ meinte dabei nicht nur die Kleidung einer Region, sondern die Sitten und Bräuche einer Gruppe, deren Zuweisung und Erläuterung in den Stichen lateinische oder mehrsprachige Bildtitel unternahmen.76 Die Gattung entstand in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich zuerst in Frankreich und Italien, und ist in Zusammenhang mit den Schriften enzyklopädischen Anspruchs zum Verständnis der Welt zu sehen,

Calumnien, yemants gueten nhamen zu belydigen: Es hat die meinung gantz nicht, dan ich die tugent uber alles beliebe.“ [De Passe] 1635, o. S. 71 So in der niederländischen Version. Im deutschen Vorwort sind die Huren mit „kurtzweill“ begründet, im französischen haben ihn Freunde dazu überredet. [De Passe] 1635, o. S. 72 Hier spielt der Text auf die Parabel des verlorenen Sohns an. Aus dem Motiv entwickelte sich im 16. Jahrhundert die Einzelszene des verlorenen Sohns im Wirtshaus/Bordell. Siehe dazu Kurz 1965 und Renger 1970. 73 Im französischen Vorwort: „[...] le dessein de mon Livre, [...] pour servir a des Personnes de nostre art, & a ceux qui veullent voir le Monde sans partir de leur Chambre.“ und im deutschen: „Zum vierten ists auch den Mahlern, Bildthawern vndt derogleichen Personen entlich auch den jenen die die Weldt, ohn auß ihrer Cammer zu gehen, beschawen wollen, zu gute, an tag gegeben.“ [De Passe] 1635, o. S. Im Frontispiz ist die Metapher des Titels mit dem Motiv des Spiegels aufgegriffen, der in der Mitte unter den Bildnissen an der Wand angebracht ist. Auf diesem Hohlspiegel franst sich rechts eine gepunktete Fläche in die runde Schraffur aus und deutet mit dem kartografischen Umriss eine Landkarte an. 74 Zuletzt Veldman 2001, S. 298. 75 Mit weiterführender Literatur Ilg 2004, hier S. 47. 76 Ebd., S. 47.

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etwa den Kosmo- und Kartografien vergleichbar.77 Die Ordnung der Welt suchten die Kostümbücher über die Kleidung darzustellen, indem das Gewand als ein Mittel der sozialen Klassifikation und Standardisierung fungierte.78 Tatsächlich weisen die Stiche des Miroir des courtisannes einige Elemente von Kostümbüchern auf: Sie führten die ganze Bandbreite der damaligen Frauenkleidung vor und weisen sie durch die Namen der Huren einer Region zu. Kleider, wie sie aus Darstellungen der Mitglieder der französischen, flämischen und englischen Höfe bekannt waren, überwiegen.79 Das Spektrum reicht vom traditionellen spanischen Hofkleid, wie es Signiora Isabella aus Blatt Nr. 14 trägt (Abb. 9) bis zu den modernen Schnitten der beiden Französinnen aus Blatt Nr. 9. Doch auch die Landestrachten bürgerlicher Mädchen sind vertreten, wie die der Schoon Elsgien aus Blatt Nr. 16.80 Dagegen trägt die Metzgers Katerin von Praeg aus Blatt Nr. 18 einen fürstlichen Hermelin, weil sie die Nacht mit einem Baron verbrachte und damit grundlegende Kleidervorschriften parodiert.81 Wesentliche Aspekte von Kostümbüchern fehlen dem Kurtisanenspiegel jedoch: Er stiftete keine Ordnung, weil er ausschließlich Hurenbilder zeigte und das Korrektiv ehrbarer Frauen als identifizierender Faktor fehlte. In gleicher Weise ist auch der Buchtitel, Miroir des courtisannes, als Ablenkung zu lesen: So wie die Stiche und Texte differenzierbare Merkmale für die Kategorie der Ehre vorenthalten, gibt es keine Unterscheidung zwischen Hure und Kurtisane. So wie alle Frauen Huren sein können, sind „Huren“ und „Kurtisanen“ als Ausdrücke austauschbar. Überdies konnte der Kurtisanenspiegel – anders als es bei einem Huren77 Ebd., S. 29. 78 Deshalb war die dargestellte Kleidung weniger als Abbildung von Alltagskleidung oder als „Mode“ gemeint, sondern vielmehr als sichtbarer Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Nation oder Berufsgruppe, einem Stand oder Geschlecht: Die Kleidung der Kostümbücher zeigte exemplarisch Ideale und keine „Kleiderwirklichkeit“. Siehe dazu die grundlegenden Überlegungen von Zitzlsperger 2008, hier S. 131. 79 Zur Kleidung in höfischen Porträts nördlich der Alpen siehe Gordenker 2001, Ribeiro 2005 und Winkel 2006. 80 Um 1630 waren in Europa noch die hochgeschlossenen und mit einer steifen Halskrause versehenen Kleider der strengen spanischen Hoftracht verbreitet. Die Halskrause hielt sich noch lange in den protestantischen Trachten Hollands (und anderen protestantischen Ländern), wie im Kostüm der Delfter Kurtisane, die schoon Maritgien im fünfzehnten Blatt. Gleichzeitig begann die französische die spanische Mode abzulösen: Spitzen ersetzten die steife Krause, die zu einem Kragen versteift wurden oder sanft auf die Schultern fallen konnten. Gleichzeitig kam das Dekolleté wieder in Mode. Ein Korsett ersetzte die steifen Mieder. Zur Datierung von Schnitten siehe Thiel 1997, S. 214–217, und für den angelsächsischen Raum Ribeiro 2003, S. 78–85, und Ribeiro 2005, S. 17–19, sowie Gordenker 2001. 81 Im deutschen Bildvers: „Wen du zu Prag in Bohem ein wackere smuts wol haben, / So frag nur nach mein nham, ich thues umb kleine gaben, / Es war ein Bohems Baron, der mir dar zu erst bracht, / Er schenckt mir einen Rinck, und slief bey mir ein nacht.“ [De Passe] 1635, o. S.

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spiegel, einem Miroir des putains, möglich gewesen wäre – bei einem flüchtigen Blick auf den Buchtitel als eine Variation von Baldassare Castigliones (1478–1529) seit dem 16. Jahrhundert als Standardwerk höfischer Umgangsformen geltenden Buch Il cortigiano, der Hofmann, gelesen werden. Solcherart war Crispijns Kurtisanenspiegel durch den Buchtitel als Sammlung von Hofdamen misszuverstehen.82 Bereits der Buchtitel also schweifte von den Huren ab. Mit den Kostümbüchern teilte der Kurtisanenspiegel den Anspruch, einen Ausschnitt der Welt über die Vielfalt der Kleidung zu zeigen. Das Vorwort versuchte jedoch nicht, ihn der Vermarktung wegen als Kostümbuch auszugeben: Die Elemente eines Kostümbuchs wiederum kombinierte der Miroir des courtisannes im Format und Bildausschnitt mit Merkmalen von Porträtstichen und Berühmtheitensammlungen.83 Der im Vorwort entwickelte Synkretismus von Elementen etablierter Gattungen ist in diesem Kontext vielmehr als Orientierungsangebot für eine neue Bild- und Buchfindung eingesetzt und dient weniger dem Vertrieb als dem Gebrauch, ohne den das Buch auch verlegerisch nicht funktioniert hätte. Die vom Vorwort vorgeschlagenen Funktionen des Kurtisanenspiegels als Ausschnitt der Welt, Reiseersatz und Musterbuch konnten für einen Augenblick auch von den Huren und der Bildintention erotischen Verlangens ablenken, um jedoch, wie zu zeigen sein wird, im Sinne der rhetorischen Figur der Digression wieder darauf zurückzuführen. Die Marginalisierung der Huren und die Betonung ihrer Kleidung führt dabei auf eine Fährte: Kurz nach dem Erscheinen des Miroir des courtisannes veröffentlichte der Radierer Wenzel Hollar (1607–1677) in Amsterdam und London Bildnisse, in denen er der Kleidung stärkere Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ als der dargestellten Frau. Am Beispiel von Hollars Bildnissen soll deshalb die Funktion von Stoffen als sinnliche Ablenkung eingeführt werden, bevor abschließend zu Crispijns Kurtisanenspiegel zurückzukehren ist.

82 Diese Allusion forciert der englische Buchtitel, The Looking Glass of the fairest Courtiers of these tymes. Turner 1999, S. 64. Zur Rezeption von Castigliones Hofmann in Europa siehe Burke 1996 und zur Rezeption in Holland Pousao-Smith 2004 und Roodenburg 2010. Der korrekte Verweis auf die etymologische Herkunft des Wortes „Kurtisane“ im Kurtisanenspiegel impliziert angesichts der Darstellung von überwiegend aristokratischer Kleidung in den Hurenstichen ebenfalls eine Form von Hofkritik. Zur Hofkritik siehe M. Hinz 1992, in Bezug auf die Druckgrafik des 16. und 17. Jahrhunderts, insbesondere in Kostümstichen, Dinges 1993. 83 Das Gleiche gilt auch für die sich mit den Kostümbüchern überschneidenden Gattungen des Reisebuchs und des Musterbuchs, die ebenfalls im Vorwort angesprochen waren. Vgl. dazu Büttner 2001, S. 11, und Ilg 2003.

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3.3. Wenzel Hollars Tronien Der aus Böhmen stammende Kupferstecher Wenzel Hollar veröffentlichte seit den 1640er-Jahren eine Reihe porträthafter Radierungen.84 Dazu gehörte eine Serie von kleinformatigen Frauenbildern en buste in kreisförmigen Rahmen, die Hollar zwischen 1642 und 1647 radierte (Abb. 11 und 12).85 Die einzelnen Bildnisse zeigen die Frauen in unterschiedlichen Positionen und individuellen Physiognomien. Die Serie umfasste mindestens 36 Einzelbilder.86 Sie scheint unvollendet geblieben oder offen konzipiert zu sein, ein Titelblatt ist nicht bekannt. Im Bildausschnitt und im Format zeigte Hollar anonyme Frauenbildnisse, für die er die Gesichtsphysiognomie jeweils variierte. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch der Kleidung. Das Tuch, die Pelzhauben und -verbrämungen, die aufwendigen Kragen und Spitzen der Frauen sind minutiös ausgeführt, wodurch bei der Betrachtung der Blätter eine Konzentration auf die Textur der Stoffe stattfindet. Wenzel Hollar war in Prag geboren worden und hatte als Exilprotestant in Frankfurt, Köln und Straßburg gelebt, die Niederlande bereist und auf seinen Reisen unzählige Studien angefertigt, bevor er den englischen Botschafter und Kunstsammler Thomas Howard, 21. Earl of Arundel, 1636 als topografischer Zeichner durch Mitteleuropa begleitete und ihm nach England folgte.87 Arundel hatte sich jedoch finanziell übernommen und verließ England bankrott. Ohne Patronat musste sich Hollar seit 1639 auf dem engen und unsicheren Londoner Markt für Grafik behaupten.88 Während 84 Z. B. die Stiche des Reisebüchleins (New Hollstein German 10,1 [2009], Nr. 148–171), die Serie von Frauenbildern in achteckigen Rahmen (New Hollstein German 10,1 [2009], Nr. 248–253), aber auch fürstliche Porträts im gleichen Bildformat wie Crispijns Kurtisanenspiegel (z. B. die Porträts von König Karl I. und Königin Henrietta Maria in ovalen Rahmen, New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 338). 85 Wenzel Hollar: Frauen en buste in runden Rahmen, 1642/1647. Radierungen, je ca. 100 x 92 mm, zwei Zustände, New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 370–382 und New Hollstein German 10,3 (2010), Nr. 694–716. 86 Die erste Gruppierung als Serie unternimmt Parthey 1963 (1853), Nr. 1908–1944 in seinem Werkverzeichnis und kommt auf 37 Bildnisse. Dieser Katalogisierung folgen Pennington 1982, Nr. 1908–1944, Godfrey 1994, Kat. 77, S. 112, und A. Griffiths 1998, Kat. 69, S. 115. Simon Turner in New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 370–382, und New Hollstein German 10,3 (2010), Nr. 694–716, berücksichtigt erstmals die einzelnen Zustände und listet, chronologisch zwischen London und Antwerpen unterteilt, insgesamt 36 Blätter auf. Eine Auswahl von zehn dieser Stiche (New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 370, Nr. 376–377, Nr. 380, Nr. 704, Nr. 708–709, Nr. 713, Nr. 720–721) wurde kopiert und als Portraits of celebrated courtezans. From the original copper plates engraved by W. Hollar in the reign of Charles the Second ohne Angabe von Verlagsort und Jahr veröffentlicht. Pennington 1982, Nr. 1944A und New Hollstein German 10,9 [2012], Nr. R.148–R.157, datieren es an den Anfang der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 87 A. Griffiths 1998, S. 89. 88 Ebd., S. 89.

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11  Wenzel Hollar: Frau im Profil mit schwarzer Haube und Pelzstola, 1642

12  Wenzel Hollar: Frau mit breitkrempigen Hut, 1642

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des englischen Bürgerkriegs kehrte er auf den Kontinent zurück und arbeitete in Antwerpen, wo Aletheia Talbot, Countess of Arundel, inzwischen mit der Kunstsammlung ihrer Familie lebte.89 Von Antwerpen aus pflegte Hollar weiterhin enge Verbindungen zu England und ließ von Flandern aus in London Radierungen drucken, bevor er 1652 wieder nach London zog.90 Die Frauenbilder entstanden in dieser Zeit zwischen London und Antwerpen und wurden in London verlegt. Sie zeigen Frauen in überwiegend englischen und holländischen Trachten. Durch diesen Ausschnitt sind sie in der Forschung ausschließlich und übereinstimmend zwischen den Gattungen der Porträt- und der Modegrafik platziert.91 So eine Interpretation schließt jedoch der oben an Crispijns Kurtisanenstichen eingeführte Begriff der Porträthaftigkeit aus: Als porträthaft wurde ein Bildnis dann definiert, wenn es als Darstellung einer realen Person wahrgenommen werden kann. Im Fall von Frauenporträts genügte es dafür, eine gefällige weibliche Physiognomie zu variieren. Durch die unterschiedlichen Physiognomien in Hollars Bildnissen und dem Format von Bildnisminiaturen mit einem Durchmesser von ca. neun Zentimetern können seine Radierungen ebenfalls als porträthaft gelten. Dieses Format entspricht überdies dem damals in England für Bildnisse üblichen Oktavformat.92 Handelte es sich dagegen um reine Kostümblätter, so stünde die Kleidung und nicht die Person im Zentrum. Der Bildausschnitt en buste legte den Schwerpunkt auf die Darstellung von Kragenlösungen in Spitze und Pelz und auf die Kopfbedeckungen der Frauen. Für Kostümblätter wäre der Aussagewert jedoch gering: Hollar radierte zeitgleich ganzfigurige Kostümblätter und -bücher, die Kleidung – Schnitt und Stoff im Zusammenspiel mit Accessoires und Haartracht – viel eindeutiger thematisierten.93 Im Kostümkontext wären die runden Bildnisse als Muster- und Vorlagenblätter für die Textilerzeugung denkbar, wie etwa für Weißnäher oder Putzma89 Zur Arundel’schen Sammlung siehe Jaffé und Allen (u. a.) 1996. 90 Godfrey 1994, S. 17–20, und A. Griffiths 1998, S. 96. 91 Pennington 1982, S. 307, Godfrey 1994, Kat. 77, S. 112, A. Griffiths 1998, Kat. 69, S. 115 und New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 370–382, S. 66. 92 A. Griffiths 1998, S. 21. Den okkasionellen Zug von Hollars Frauenstichen belegt das Stichbuch Portraits of celebrated courtezans (New Hollstein German 10,9 [2012], Nr. R.148–R.157). Siehe S. 94, Anm. 86. 93 Sicherlich stehen sie in engem Zusammenhang mit Hollars zeitlich etwa parallel gedruckten Kostümbüchern Ornatus muliebris, London 1640 (New Hollstein German 10,1 [2009], Nr. 293–320), Theatrum mulierum, London 1643 (New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 487– 527) und Aula veneris, London 1644 (New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 571–621). Die Zeichnungen dafür hatte Hollar wohl aus Deutschland mitgebracht. Einzelne Figuren sind bereits in Hollars Reisbüchlein enthalten, dass er 1636 in Köln druckte (New Hollstein German 10,1 [2009], Nr. 148–171). Die Vorlagen dafür hatte er wiederum während einer Reise durch die Niederlande 1634 geschaffen. Pennington 1982, S. 279.

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cher. Abgesehen von der Qualität der Radierungen haben sich für eine Funktion als reine Gebrauchsgrafik jedoch zu viele Abzüge erhalten.94 Aus diesem Widerspruch bietet sich an, Hollars Radierungen – Hirschfelders Kategorisierung folgend – als Varianten der Tronien zu denken:95 Hollars Radierungen sind porträthaft, aber nicht identifizierbar. Sie wurden für den freien Markt geschaffen, ein Auftraggeber ist nicht nachweisbar. Als wichtigstes Merkmal in der Typologie der Tronien verwendete Hollar außerdem einzelne Figuren in anderen Serien wieder.96 Wie bereits erwähnt, dienten die Tronien den Malern als Medium der Selbstvermarktung in Form von Meisterproben. In dieser Funktion sind ebenfalls Hollars Radierungen denkbar. Solcherart kam ihnen eine wichtige Rolle bei der Behauptung der Grafik auf dem englischen Markt zu. Der grafische Markt Londons lag in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Händen weniger Verleger, die Stecher galten in England als Handwerker und nicht als Künstler wie in Italien oder Frankreich: Der Verleger (oder ein privater Auftraggeber) erteilte dem Stecher den Auftrag für ein Sujet – beispielsweise ein Porträt. Der Stecher zeichnete die Vorlage und übertrug sie auf die Druckplatte. Der Verleger kaufte dem Stecher dann die fertige Druckplatte ab, wobei die Preise sich tendenziell nach der Größe und weniger nach der Qualität der Ausführung orientierten.97 Dann ließ der Verleger die Platte so oft wie möglich abdrucken und sorgte für den Vertrieb. Die Sujets konzentrierten sich neben Porträts auf zeitlose Motive – die vier Jahreszeiten, die vier Weltteile, die fünf Sinne oder die Lebensalter – und konnten über Generationen hinweg immer wieder abgedruckt werden.98

94 Vgl. A. Griffiths 1998, S. 20, S. 22, S. 105. New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 370– 382, listet Abzüge in Amsterdam, Berlin, Cambridge, London, München, Oxford, Rotterdam, Toronto und Windsor auf. 95 Hirschfelder 2008, S. 228, S. 121–126, am Beispiel von Rembrandts Tronien der 1630er- und 1640er-Jahre. Hollar hatte Rembrandts Radierungen während seiner Reise durch die Niederlande studiert. Saskia, die Ehefrau Rembrandts in Halbfigur, eine Kopie nach einer Rembrandtradierung (Hollstein XVIII, Nr. B347) nahm er in sein Reisbüchlein auf (New Hollstein German [2009], 10,1, Nr. 148–171). 96 Hirschfelder 2008, S. 122–123. Hollars sogleich noch zu besprechenden Beispiele aus der Serie der Frauen in kreisförmigen Rahmen tauchen im Kostümbuch Theatrum mulierum, London 1643 auf: Hollars Frau im Profil mit schwarzer Haube und Pelzstola (New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 377) als aristokratische, anglikanische Ehefrau („Mulier Generosa Anglica“) (New Hollstein German, 10,2 [2009], Nr. 489), Hollars Frau mit breitkrempigem Hut (New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 380) als Ehefrau eines Londoner Kaufmanns („Mercatoris Londinensis Vxor“) (New Hollstein German, 10,2 [2009], Nr. 522). 97 Siehe dazu A. Griffiths 1998, hier S. 16–17. 98 Ebd., S. 17.

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Hollars Zeitgenossen galt die Radierung – Hollars Feld – im Vergleich zum Kupferstich, der vornehmsten grafischen Technik, als unterlegen.99 Jedoch war Hollar unter dem Patronat eines einflussreichen Kunstsammlers nach England gekommen und verfügte in den 1640er-Jahren über einen kleinen Kreis von Sammlern.100 Dadurch, dass er Abnehmer hatte, die seine Radierungen gezielt aufgrund seiner Bildfindungen und Technik kauften und nicht wegen eines beliebten Motivs beim Verleger erstanden, unterschied sich Hollar von den meisten in England tätigen Stechern.101 Deshalb konnte es sich Hollar auch erlauben, seine Stiche zunächst selbstständig zu drucken und an seine Bekannten zu veräußern, bevor er die Platte an den Verleger verkaufte.102 Auch für die Serie der runden Bildnisse sind zwei Zustände, also zwei verschiedene Abzüge, bekannt. Im ersten Zustand druckte Hollar die Druckplatte mit dem Bildnis und seiner Signatur „W. Hollar fecit“ auf Papier.103 Auf dem zweiten Zustand sind teilweise lateinische Bildtitel mit Ortszuweisungen der Dargestellten (z. B. Mercatoris Francofurtensis Vxor, Civis Argentinensis filia) hinzugefügt.104

99 Ebd., S. 24, S. 71. 100 Harding 1996. Grafiksammler sind in England erst für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts nachweisbar. Doch aus dem Umfeld von Arundels Kunstsammlung kannte Hollar die einflussreichen Köpfe der englischen Kunstliteratur, die zumindest später selbst Grafik sammeln sollten: Der Kunsttheoretiker und Verfasser des 1612 erschienenen Sammlerhandbuchs Gentlemen’s Exercise John Peacham war der Erzieher von Arundels Kindern und schrieb für Hollars Stiche zuweilen die Bildverse. Godfrey 1994, S. 10. Der Kurator der Arundel’schen Sammlung Hendrick van der Borcht vermittelte für Hollar Aufträge von John Evelyn, wie A. Griffiths 1998, Kat. 59, S. 96, an einem Brief von Henrik van der Borcht an Evelyn im Dezember 1648 nachweist. Evelyn sollte 1662 mit Sculptura: or the History and Art of Chalcography and Engraving in Copper das erste Handbuch der Druckgrafik in England veröffentlichen. 101 Umgekehrt wäre denkbar, dass Hollar seine Radierungen als Aufträge für bestimmte Sammlungsschwerpunkte schuf. 102 Wie z. B. im Fall der 1641 gedruckten Serie Vier Jahreszeiten (New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 438–441), wie A. Griffiths 1998, S. 110, zeigt. 103 Überdies waren Text- und Bilddruck damals in England unterschiedlich geregelt: Der Druck mit beweglichen Lettern bzw. der Besitz einer Buchdruckerpresse war ausschließlich Mitgliedern der Stationer’s Company, der Zunft des Druck- und Buchgewerbes, gestattet, im Gegensatz zum Druck von radierten oder gestochenen Druckplatten mit einer Rollpresse, der keiner Regulierung unterlag. A. Griffiths 1998, S. 17. Grundsätzlich konnte Hollar also seine Bildfindungen selbstständig drucken, für Bildtexte oder Titelblätter musste er sich jedoch an einen Schriftsetzer oder einen Verleger wenden. 104 Wenzel Hollar: Frau im Profil mit großer Pelzhaube und breitem Radkragen, 1642. Radierung, 99 x 92 mm. Zwei Zustände, im 1. Zustand „W. Hollar fecit 1642“ sign. u. dat., im 2. Zustand bez. „Mercatoris Francofurtensis Vxor.“ New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 379. Wenzel Hollar: Frau frontal mit Radkragen, Haube und besticktem Mieder, 1642. Radierung, 100 x 93 mm. Zwei Zustände, im 1. Zustand „W. Hollar f 1642“ sign. u. dat., im 2. Zustand bez. „Civis Argentinensis Filia“. New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 378.

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Das Bildnis der Frau mit Perlenhalsband ist außerdem „Sould by Peter Stent“ signiert.105 Aufgrund der Marktsituation ist denkbar, dass Hollar den ersten Zustand selbstständig druckte und über seinen eigenen Abnehmerkreis veräußerte. Dann verkaufte er die Platten an den Verleger Peter Stent, der die Bildtitel hinzufügte und die Radierungen als lose Kostümblätter vertrieb.106 Die folgenden Überlegungen sind auf Hollars Bildfindung konzentriert und weniger auf die Frage, wie die Radierungen im zweiten Zustand vermarktet wurden. Das Thema der Bildnisse ist die stoffliche Umgebung der Frauen, Kleidung und Licht, wie z. B. in dem 1642 datierten Bildnis der Frau mit schwarzer Haube und Pelzstola im Profil nach rechts (Abb. 11):107 Die Haube ist eng unter dem Kinn geknotet und so um den Hinterkopf gelegt, dass die Lichtreflexe das Tuch als Wolle zu erkennen geben. Die Profilansicht ermöglichte Hollar, die Faltung des Kragens in drei Schichten von Spitzen darzustellen, die er bis auf den Ärmel reichen lässt. In der Pelzstola modulierte er Härchen für Härchen und ließ den Pelz wiederum durch die Lichtreflexe wie den Wollstoff schimmern. Hollar hatte eine Methode der Radierung entwickelt, die es ihm erlaubte, die subtilsten Hell-Dunkel-Abstufungen im Säurebad der Platte zu erzeugen – so ähnlich wie die Nadel eines geübten Kupferstechers.108 Bei der Pelzstola spielte er die meisterhafte Beherrschung seiner Technik selbstbewusst aus.109 Hollars Lichtführung betont diesen Fokus auf das Material: Seine Schraffuren modulieren nicht nur die 105 Wenzel Hollar: Frau mit Perlenhalsband, 1642. Radierung, 99 x 92 mm. Zwei Zustände, im 1. Zustand „W. Hollar fecit 1642“ sign. u. dat., im 2. Zustand bez. „Sould by Peter Stentt“. New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 373. 106 Zur Formulierung „sould by (sold by)“ als Verlegervermerk siehe A. Griffiths 1998, S. 15. Peter Stent (um 1613–1665) war der größte der drei damals in London ansässigen Verleger und veröffentlichte 1654 den ersten Verlagskatalog Englands. Siehe Globe 1985. 107 Wenzel Hollar: Frau im Profil mit schwarzer Haube und Pelzstola, 1642. Radierung, 98 x 92 mm. „Hollar fec: 1642“ sign. u. dat. British Museum, London. New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 377. 108 Er tauchte die Platte vor dem Abzug aufs Papier nicht wie üblich ganz in das Säurebad ein, sondern umgab die Platte erst mit einem wächsernen Steg und ließ die Säure dann in mehreren Durchgängen langsam ein- und ablaufen. 109 Hollars Meisterprobe der Pelzradierung führte er in einer zeitgleich entstandenen kleinformatigen Reihe von Stilleben vor, die Pelzmuffs zeigen (z. B. German New Hollstein 10,2 [2009], Nr. 383, 384, und die später in Antwerpen zwischen 1645 und 1647 entstandenen Blätter, German New Hollstein 10,3 [2010], Nr. 794–799, Nr. 800–811): ob einzeln, vor neutralem Hintergrund in Aufsicht platziert und mit einem Schleifchen versehen, mit exponiertem, kostbar bestickten Mittelteil oder zusammen mit anderen Accessoires, einer Maske, einem spitzenbesetzten Taschentuch, mit einer Pelzstola. In einer Radierung gruppierte er fünf Muffs zusammen mit Taschentüchern, einer Maske, einem Fächer und Handschuhen aller Varianten auf einem Blatt. Siehe dazu Monteyne 2006. Ein ähnliches Arrangement verwendete Hollar für das Titelblatt des Kostümbuchs Aula Veneris 1644.

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Textur der Stoffe, sondern führen das Licht auch auf eine Aureole hinter dem Kopf der Frauen und verleihen dem Hintergrund einen dreidimensionalen Eindruck. Dadurch erzielt Hollar einen Effekt unmittelbarer, greifbarer Nähe, den die Darstellung der Stoffe forciert. Nur das kleine Format – die Platten haben etwa die Maße von 10x10 cm – brüskiert diesen realistischen Eindruck. In der frontal dargestellten Frau mit Spitzenkragen und Hut (Abb. 12) verzichtete Hollar ausnahmsweise auf Pelz.110 Aber unter ihrem Filzhut glänzt ihr über die Ohren geflochtenes Haar, das von Hollars Pelzdarstellungen weder im Glanz noch in der Textur zu unterscheiden ist. Haar und Hut kontrastieren mit dem Stoff des Spitzenkragens, dessen hellweißes Atlastuch in zwei Lagen weich über die Schultern der Frau fällt und schlicht unter dem Kinn zugebunden ist. Unter dem Kragen wölbt sich das Dekolleté aus dem Mieder und zeigt ein winziges Stück Haut: In diesem Detail weist Hollar seine Konzentration auf die Materialität der Stoffe als Ablenkung vom weiblichen Körper aus, weil er an diesem Punkt von den verwebten, verfilzten und vernähten Fasern und Haaren auf die Haut zurückführt. Beide, Wenzel Hollar und Crispijn d. J., verhandelten in ihren Stichen Varianten des Eros über die Wirkmacht von Frauenbildnissen: Eros wurde oben (S. 52) als ein durch Anschauung ausgelöstes körperliches Verlangen eingeführt. Während Crispijn dieses Thema als sexuellen Eros über das Bordell im Frontispiz vorstellte, ging Hollar den Weg über die Materialität der Stoffe. Hier appelliert die Sinnlichkeit der Texturen an die körperliche Sensation der Wahrnehmung. Nicht die dargestellte Frau und ihre Präsentation, sondern die förmliche Fühlbarkeit ihrer Kleidung entfaltet eine Erotik, die hier das Verlangen nach taktiler Berührung meint. Die Radierung selbst vermag diesen Effekt unmittelbar einzulösen: Wird der Druck in die Hand genommen, so verdichtet sich die Stofflichkeit der Darstellung zu einer reellen haptischen Erfahrung, denn das Papier ist ein aus Textilien erzeugtes Büttenpapier; es lässt Stoff sehen und fühlen. Allerdings bedecken und umspannen die dargestellten Stoffe warme, lebendige Haut, wie Hollars subtile Enthüllungen betonen. Diese Sensation kann das Papier nicht erfüllen und brüskiert die reelle Berührerfahrung. Das Fühlen des Papiers verweist die tastenden Betrachter auf die Oberfläche zurück, auf die sinnliche Erfahrung der Grafik. In seinen Radierungen ist nicht nur eine Erotik im Sinne sinnlicher Schauerfahrung, sondern auch das Verlangen nach Besitzergreifung angelegt, wie die 36 bekannten Bildnisse dieser Serie belegen: Dadurch ist der optisch-haptische Eros nicht nur im Schauakt, sondern auch im Sammeln der Stiche wiederholbar. In Crispijns Miroir des courtisannes ist mit der Betonung der Kleidung im Vorwort auf dieses Prinzip des Konsums verwiesen. In den einzelnen Stichen des Kurtisanenspiegels erklärt es die akkurate Darstellung der verschiedenen Kleider der Frauen. Im 110 Wenzel Hollar: Frau mit breitkrempigen Hut, 1642. Radierung, 100 x 93 mm. „WHollar fec 1642“ sign. u. dat. British Museum, London. New Hollstein German 10,2 (2009), Nr. 380.

Wenzel Hollars Tronien  | 101

Vergleich zu Hollars Radierungen jedoch zeigte Crispijn Kleidung und visualisierte keinen mimetischen Eindruck von Stofflichkeit: Im Gegensatz zu Hollars von Stoffen umschlossenen, zugeknöpften Frauen überwiegt im Kurtisanenspiegel dabei freizügige, aristokratische Kleidung (Abb. 9, Abb. 8). Während Hollar sein Können in der Darstellung von Stoffen vorführte, benutzte Crispijn die Kleidung, um weibliche Körper zur Schau zu stellen. Dies wird in denjenigen Blättern, in denen die Frauen im Verhältnis von Kupplerin und Hure zueinander in Beziehung treten, besonders deutlich: So stellt das achte Blatt die bloßen Brüste der La belle Zauonnare cour dem viel zu tiefen, aber flach eingefallenen Dekolleté ihrer Kupplerin Anna la Vetze gegenüber (Abb. 7).111 Im zehnten Blatt kämmt sich im rechten Bildnisoval Margery of Richmonds vor einem Spiegel die langen, bis an den unteren Bildrand reichenden Haare (Abb. 6).112 Sie trägt ein loses, weißes Gewand, dessen weiter Kragen den Blick auf die Brüste freigibt. Diese Darstellung von Freizügigkeit kontrastiert mit dem hochgeschlossenen Kleid der Zofe Dority her Chambermaide, das noch zusätzlich ein hoher Radkragen abschließt. Aus ihrem Medaillon links reicht sie der Margery Haarnadeln, Schere, Kamm und einen Brief.113 Crispijn und Hollar lenkten die Aufmerksamkeit der Betrachter in unterschiedlicher Weise auf weibliche Haut: Hollar, indem er Frauen darstellte, aber ihren Anblick verhüllte,114 und Crispijn, indem er verschiedene Stadien und Varianten der Be- und Entkleidung des weiblichen Körpers vorstellte. Beide erzeugten dadurch ein erotisches Begehren, das sich in zwei Varianten von Bezug und Entzug der Dargestellten zu den Betrachtern fortsetzte: Hollar lockte mit seiner Darstellung verführerischer Oberflächen – Haut und Stoff –, aber er entzog die Frauen dem potentiellen Zugriff der Betrachter, indem er – anders als Crispijn – keine inhaltliche Deutung über die moralische Integrität der Dargestellten visualisierte und keine Möglichkeit der Identifizierung bot. Dieses Wechselspiel von Bezug und Entzug verlief bei Crispijn umgekehrt. Crispijn bot den Betrachtern scheinbar 111 Crispijn de Passe d. J.: Anna la Vetze, La belle Zauonnare cour, achtes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 1635. Kupferstich, 128 x 170 mm. 112 Crispijn de Passe d. J.: Dority her Chambermaide, M Margery of Richmonde, zehntes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 1635. Kupferstich, 128 x 170 mm. 113 Die Bildverse betonen ihre äußerliche Schönheit: Der Venusvergleich „[...] frau Venus selbst hadt ihr den Cestum geben“, [De Passe] 1635, o. S., verweist explizit auf die traditionelle Ikonografie der Venus vor dem Spiegel. Siehe dazu unten, S. 131. Das lose weiße Hemd ist wohl der camicia, dem Untergewand und Attribut der sinnlichen weiblichen Halbfiguren in der oberitalienischen Malerei entlehnt, wie sie dort in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert entstanden und die Crispijn sicherlich bekannt waren – nicht zuletzt aufgrund seiner Verbindungen zu den Utrechter Caravaggisten, wie Kettering McNeil 1983, S. 54–55, bemerkt. Den Bildtypus der sinnlichen weiblichen Halbfigur verortet Junkerman 1988, S. 19–44, als „drittes Genre“ zwischen Porträt und Akt und charakterisiert ihn als Darstellung einer halb bekleideten Frau, die direkt aus dem Bild blickt und sich durch eine mehrdeutige, aktive Gestik von einem Porträt unterscheidet. 114 Wobei auch Hollar höfische Kleidung mit dekolletiertem Kragen in seinen Bildnissen vorstellte (z. B. New Hollstein German 10,2 [2009], Nr. 370–373).

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eine Identifizierung über das Kostüm an, die sich beim Lesen der Bildtexte jedoch als Kostümierungen entlarvten und sich Gewissheiten über die Dargestellten wiederum entzogen. Sexuelle Allusionen lagen bei Hollar und Crispijn in der Verantwortung der Betrachter. In Hinblick auf Pallavicinos Kreislauf der Verführung jedoch implizierte Crispijns Bezeichnung seines Stichbuchs als Kurtisanenspiegel vor allem, dass sein Buch das geweckte erotische Verlangen auch befriedigen wollte: Die Hure hält, was sie verspricht, wie oben (S. 34–35) gezeigt wurde. Dieses Versprechen war einlösbar, weil der Reiz des Konsumierens und Besitzergreifens bereits sexuell konnotiert war, wie das Vorwort in Crispijns oben erwähntem (S. 79) Buch Les Vrais Portraits de Quelques Unes des Plus Grandes Dames de la Christienté beschreibt: Die Namen der schönsten Christinnen wurden abgekürzt, um sie zum Schutz ihrer Tugend unkenntlich zu machen. Wären die Dargestellten durch ihre Namen identifizierbar, so könnten die Männer sie in effigie in ihre Tasche stecken.115 In Crispijns Miroir des courtisannes zielen die Bildtitel der Dargestellten eben durch diese potentielle Identifizierbarkeit auf den sexuellen Reiz materiellen Besitzergreifens, auf den Reiz des Konsumierens. Das Verlangen nach Besitzergreifung ist in Crispijns Frontispiz jedoch spezifiziert, um wiederum von zu starken sexuellen Implikationen auf die Materialität der Stiche hinzuweisen: Er kombinierte das Bordell als Bildort mit einem anderem, aber ähnlichen Sujet, dem gewerblichen Markt. Dadurch konnte er die beiden Männer im Frontispiz als Freier darstellen und zugleich eine angemessene Form der Betrachtung vorstellen.

3.4. Bildorte: Bordell und Kunsthandlung Das Bordell als Bildort entstand in den Niederlanden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Sujet und Handlungsort von Lastern, die sich um die Trunkenheit drehten, weil sie Verschwendungssucht und Wollust erst bewirkte oder begünstigte.116 Im Frontispiz von Crispijns Kurtisanenspiegel ist diese Tradition präsent, aber modifiziert; beispielsweise stehen die ikonografisch zentralen Motive der Bordellbil-

115 „[...] onder bedeckte namen: [...] dat de Jong-mans geen roem zullen dragen, datze der Jufferens afbeeldingen in hun zacken hebben.“ [De Passe] 1640, o. S. Siehe Veldman 2001, S. 329. Vgl. die enge Verbindung zwischen dem Besitz eines Bilds und dem Besitz einer Frau, die auch Jacob Cats in seinem zuerst 1625 in Amsterdam gedruckten lyrischen Handbuch der guten Ehe unterstrich, Hovwelyck, dat is de gantsche ghelegentheyt des echten-staets, im Kapitel über die Braut. Darin warnte er den Bräutigam vor Bildnissen seiner Braut im Besitz früherer Liebhaber. Jensen Adams 2009, S. 52. 116 Das Sujet entwickelte sich parallel zur Einzelszene der Parabel des Verlorenen Sohns unter den Huren, wie Renger 1970 zeigt.

Bildorte  | 103

der, die Weinflasche und das Weinglas,117 auch in Crispijns Frontispiz in der Mitte auf dem Tisch, hier fungieren sie jedoch als vom Bildpersonal unbeachtete Requisiten. Der Mann am Kamin lässt nicht nur den Wein unberührt, seine Pfeife – ein anderes Utensil verführerischer Sinnesfreuden – hält er distinguiert wie eine Flöte in der Hand und ist dabei ernst auf das vorgeführte Bild und nicht etwa auf die präsentierende Kupplerin konzentriert. Einzig das lodernde Feuer neben ihm erinnert an die leibliche Wirkung sinnlicher Leidenschaft.118 Auch das Motiv der geöffneten Tür ist aus niederländischen Bordell- und Wirtshausbildern bekannt, wo es die Bilderzählung strukturierte. Zum Beispiel kombinierte Jan Sanders van Hemessens (um 1500–um 1566) in seinem um 1540 entstandenen Gemälde Lockere Gesellschaft (Abb. 13) eine zeitlich der Hauptszene vorangehende mit einer sich anschließenden Episode: die Freier lockende Hure oder Kupplerin am Eingang des Bordells und im Hinterzimmer am Bett der Moment vor der Kopulation.119 In diesem Kontext stehen auch die im Kurtisanenspiegel hinter der geöffneten Tür wartenden Frauen. Doch wie oben ausgeführt, tragen diese Frauen weniger zur Bilderzählung bei, als dass sie auf den Gebrauch der Hurenbildnisse verweisen, indem sie den Realitätsbezug der Porträts im Bild darstellen. Entscheidend ist, dass sie nicht agieren – weder werben noch Sex haben –, sondern warten, um gesehen zu werden. Sowohl im Vorzimmer des Bordells als auch der Ausblick in das Hinterzimmer sind im Frontispiz also auf die Betrachtung konzentriert, von Frauenbildern im Vorzimmer und von Frauen im Hinterzimmer.120 Die beiden Männer sind insofern vielmehr Bildbetrachter bzw. Hurenbetrachter als Freier. Diese Konzentration auf die Präsentation der Bilder stammt aus einer anderen gewerblichen Erfahrungswelt, dem Markt.121 Die Aufmerksamkeit des Betrachters ist ebenfalls in der Ansicht der Pariser Einkaufspassage Galerie du Palais des französischen Kupferstechers Abraham Bosse (um 1604–1676), die 1638 in Palais gedruckt wurde. dargestellt (Abb. 14): Der Stich zeigt neben einem Stand für Spitzen und einem für 117 Während sie in den Bordell- und Wirtshausbildern in den Händen von Kupplerinnen, Huren und Freiern dargestellt sind. Ebd., S. 71–95. So z. B. die Gläser und der Weinkrug in dem um 1656 entstandenen Gemälde Die Kupplerin von Jan Vermeer, Öl/Leinwand, 143 x 130 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlung, Dresden. Liedtke 2008, Kat. 3, S. 62–64. 118 Zu Analogien von Rauchen und Eros in der holländischen Emblematik siehe Nevitt 2003, S. 94–95. 119 Jan Sanders van Hemessen: Lockere Gesellschaft, um 1540. Öl/Eichenholz, 83 x 111,5 cm. Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe. Renger 1970, S. 120–128. 120 Auch das Sehen von Huren ist – fast apotropäisch – bereits ein Thema in Jan Sanders van Hemessens Lockerer Gesellschaft, wo der Freier abwehrend die Hand hebt und seinen Blick abwendet, während die Hure versucht, ihn zum Blickkontakt mit ihr zu bewegen. 121 Der Markt begann etwa gleichzeitig mit den Bordell- und Wirtshausbildern bildwürdig zu werden. Siehe N. Schneider 2004, S. 86–88, der die niederländischen Marktgenres im Gegensatz zu den spanischen zu Recht mit kapitalistischen Begriffen beschreibt und erotisch interpretiert.

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13  Jan Sanders van Hemessen: Lockere Gesellschaft, um 1540

Fächer und andere Accessoires eine Bücherbude.122 Während sich im Zentrum eine Gruppe von Edelleuten vor den Fächern und Handschuhen sammelt und diese besieht und probiert, spaziert von rechts ein bereits bestens mit Handschuhen und Spitzen ausgestattetes Paar auf die Bücher zu, während sich ein weiterer Edelmann ein Buch zeigen lässt.123 Die Verkäuferin hinter dem Tresen hat es für ihn aufgeschlagen und zeigt es ihm mit der gleichen Geste, mit der die Kupplerin im Frontispiz des Kurtisanenspiegels das Hurenbild vorführt. Bosses Marktbild und Crispijns Frontispiz stellen beide die Interaktion von Kunde und Verkäuferin, Freier und Kupplerin vor dem Moment des Kaufens und im Augenblick der Kaufüberlegung dar. Anders als Bosses Marktstich lässt Crispijns Frontispiz jedoch im Unklaren, was genau als Ware präsentiert ist: Hure oder Hurenbild.

122 Abraham Bosse: Galerie du Palais, um 1638. Radierung, 251 x 318 mm. British Museum, London. Join-Lambert und Préaud 2004, Kat. 158. 123 Es handelt sich um eine Ausgabe von François Tristan l’Hermites Tragödie La Mariane von 1637, die Bosse selbst mit dem Frontispiz versehen hatte. Die ebenfalls zum Kauf angebotenen Fächer weist McTighe 1998, S. 14, als Bosses Produktionen nach.

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14  Abraham Bosse: La Galerie du Palais, um 1638

Die Kupplerin im Frontispiz führt das Hurenbild mit erotischer Wirkungsabsicht vor und stellt dem Freier die reale Frau hinter der Tür in Aussicht. Das geschieht auf bildinterner Ebene. Die Rolle des Frontispizes als Einleitung für das Buch und die Betrachter entspinnt sich ebenfalls aus der Szene der Präsentation im Vordergrund. Indem Crispijn auf deutliche sexuelle Anspielungen im Frontispiz verzichtet hatte und stattdessen auf die Präsentation und das Betrachten insistierte, ist die Kupplerin zugleich als Verkäuferin zu deuten, die dem Kunden wie bei Bosse ein Gemälde vorführt. Der Mechanismus der Werbung bleibt dabei gleich, der Kunde soll durch die Wirkung des Bilds zum Kauf bewegt werden. Diese Form funktionaler Erotik machte der Maler Antoine Watteau (1684–1721) gut achtzig Jahre später zum Gegenstand seiner Allegorie der Malerei in dem Gemälde L’Enseigne de Gersaint für den Pariser Kunsthändler Edme-François Gersaint (Abb. 15):124 Watteaus Bildort ist nicht mehr der Markt, sondern die elegante Kunst124 Antoine Watteau: L’Enseigne de Gersaint, 1621. Öl/Leinwand, 166 x 306 cm. Schloss Charlottenburg, Berlin. Zu Watteaus Ladenschild siehe zuletzt Vogtherr und Wenders De Calisse 2007, zum gewerblichen Kontext Bermingham 1995, S. 2.

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15  Antoine Watteau: L’Enseigne de Gersaint, 1621

handlung. Im Zentrum lehnt sich eine Frau in ihrem Stuhl zurück, um das kleinformatige Gemälde zu sehen, das die Verkäuferin auf dem Tresen aufgestellt hat und dem Mann neben ihr zeigt. In dieser kostbar in Seide gekleideten Frau, die ein Bild betrachtet, führte Watteau seine Malkunst vor und stellte zugleich die neuen Prämissen des Kunstmarkts vor; das Gemälde, das sie betrachtet, bleibt verborgen, auch sind die anderen Bilder des Ladens lediglich angedeutet. Beim Kunsthändler treten das Sujet und die kunsttheoretischen Gebote des docere, delectare hinter das movere im zur Schau gestellten Genuss des Betrachtens, der durch Watteaus Malerei konkret sinnlich verstanden sein will. Das fokussiert die Frau im elfenbeinfarbenen Kleid, die als Kundin der Kunsthandlung Bilder betrachtet und die gleichzeitig betrachtet werden will: Mit dieser Frau verkörperte Watteau jene materielle Erotik, die sich wie in Crispijns Frontispiz im Betrachten des begehrten Objekts entspinnt. Die Frau verharrt im Augenblick der Vorstellung potentiellen Besitzenkönnens, im Genuss momentanen Habenwollens. Die exponierte Position der Frau und der Kontrast der locker auf ihrem Kleid liegenden rechten Hand, des linken, auf den Tresen gestützten Arms und ihres angespannt nach rechts gewendeten Kopfs, entlarven ihre Haltung als Pose: Dieses Begehren entwickelt sich im Verhältnis zwischen Kundin, Objekt und der sicheren Gewissheit, beobachtet zu sein.125 125 Vgl. ebd., S. 2–3. Indem Watteau dieses Verhältnis zwischen Betrachter und Gemälde, Kunde und Objekt aus der Frau und dem Bild, aus Frauenleib und Gemälde entwickelte, erweiterte er zugleich eine etablierte Bildkonvention zur Darstellung von Weiblichkeit qua Objekt: Die Frau ist

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16  Johannes Borman (zug.): Stilleben, um 1655

In ähnlicher Weise stellte Crispijns Frontispiz den Reiz des Konsumierens in der Figur des Edelmanns am Kamin und seinem Blick zum Bild dar: Zwischen der Verkäuferin und dem lodernden Feuer fixiert sein Blick das begehrte Objekt. Anders als die bildinterne Wirkung des Hurenbilds, das auf die Hure hinter der Tür verweist und mit ihr lockt, ist die Wirkungsabsicht der Verkäuferin nun gefahrlos auf die Betrachter übertragbar und sogar wünschenswert: Die potentielle Realisierbarkeit der Darstellung meint hier den Besitz des Kurtisanenspiegels. Wenn die Verführung glückt und das Buch in den Besitz des Betrachters übergeht, so versprechen die realen Stiche, das Versprechen des Frontispizes einzulösen, indem sie konsumiert werden können. Zusammenfassend insistierte Crispijns Kurtisanenspiegel zugleich auf dem erotischen Verlangen, das der Anblick von Huren auszulösen vermochte, und auf die soziale Käuferin und Betrachterin, aber wird im Zentrum des Bilds zugleich zum gemalten Objekt Watteaus. Deshalb kniet direkt neben ihrem strahlend weißen Hals ein fülliger Mann vor dem großen ovalen Gemälde, um die darauf angedeuteten nackten weiblichen Figuren mit seinem Lorgnon zu besehen.

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Unbotmäßigkeit, reale Huren zu frequentieren. Dabei bot er mit seiner Bild- und Buchfindung zugleich eine Lösung, die das Frontispiz artikuliert, indem es den Besitz einer Hure mit dem Besitz eines Bilds respektive Stichbuchs in der Qualität derSchauerfahrung gleichschaltet: Anstatt reale Bordelle aufzusuchen, empfiehlt es den Besuch einer Kunsthandlung, und anstatt die Sinne beim Anblick realer Huren zu verlieren, das diätetische Blättern durch die gestochene Hurensammlung. Für den Miroir des courtisannes hat sich der Beweis erhalten, dass er tatsächlich als Objekt benutzt und gebraucht worden war. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde er selbst zum Bildgegenstand: In einem holländischen Vanitasstilleben (Abb. 16) liegt in der Mitte links neben dem Totenkopf an Stelle von Früchten oder Blumen ein abgegriffenes Exemplar von Crispijns Miroir des courtisannes aufgeblättert auf dem Tisch.126 Dass Crispijns Konzept aufging, bezeugen außerdem die fünf bekannten Neuauflagen des Miroir des courtisannes. Wie eingangs dargestellt wurde, konzeptionalisierten die de Passes den Kurtisanenspiegel für ein internationales Publikum. Das Frontispiz musste daher überregional und hinsichtlich der Auflagen des 18. Jahrhunderts auch über einen generationsübergreifenden Zeitraum verstanden werden können. Der Kurtisanenspiegel funktionierte, weil er bekannte Elemente – aus den Kostümbüchern oder Porträtsammlungen – mit neuen Motiven kombinierte: Dazu zählte neben der Darstellung von begehrlichen Objekten wie Buch und Stich – die Hure.

126 Johannes Borman (zug.): Stilleben, um 1655, Öl/Holz, 47 x 61,9 cm, Detroit Institute of Arts. Slive 1970, Bd. 1, S. 89–91.

4. Bildtypen in England

In seiner Reisebeschreibung Englands schrieb der preußische Schriftsteller Johann Wilhelm von Archenholz 1785, die Huren Londons würden eine Vorstellung von den berühmten „griechischen Kurtisanen“ des antiken Griechenlands vermitteln.1 So ein Vergleich war als ein Lob gemeint – selbst Sokrates hätte oft die Hetären besucht. Dieser Archetypus der kenntnisreichen Liebes- und Unterhaltungskunst begegnet in den neuzeitlichen Adaptionen der literarischen Hetärengespräche,2 in der obszönen und satirischen Literatur von The Whores Rhetorick,3 führt über die (pseudo)-archäologischen Schriften des 18. Jahrhunderts bis hin zu den Porträts englischer Sammler, den Dilettanti.4 Archenholz’ Verweis auf Sokrates zielte vielleicht auf jene Episode in Xenophons Memorabilien, in der Sokrates die Hetäre Theodote traf, deren Anblick ihn zu einer satirischen Dialektik von Begehren, Wert und Besitz veranlasste.5 Sokrates hatte von der Hetäre Theodote gehört und war auf ihre Schönheit neugierig geworden, weil sie „über alle Beschreibung gehe“, so dass „Maler sie besuchten, um sie abzubilden“.6 Also ging er mit seinen Freunden zu ihr. Der Philosoph fand Theodote einem Maler Modell sitzend vor. So hatten die Männer die Gelegenheit, sie zu betrachten, wobei Sokrates ein doppelsinniges Gespräch über den Wert ihres Anblicks begann. Er fragte, ob nun die Männer der Theodote „Dank“ schuldeten, weil sie sich ihnen zeigte oder Theodote den Männern, weil sie sie betrachteten. Die Hetäre gewinne bereits durch das Lob der Männer und dessen Verbreitung in der Welt, so Sokrates, während die Männer bei ihrem Anblick nur verlieren könnten; schon sehnten sie

1 In der englischen Ausgabe von Archenholz’ England und Italien, Picture of England: „The ladies of pleasure in London actually give us an idea of the celebrated Grecian courtesans, who charmed the heroes of Athens, and whom the sage Socrates himself often honoured with his visits.“ Archenholz 1789, Bd. 2, S. 95. Vgl. z. B. den Artikel Courtezans of Athens, an account of them in der libertinen Zeitschrift The Covent Garden magazine or the amorous repository 1 (1772), S. 141–142. 2 Siehe z. B. Les Belles Grecques, ou l’histoire des plus fameuses courtisanes de la Grece. Et dialogues nouveaux des galantes modernes, Paris 1712. Zur Präsenz klassischer Texte in diesen Schriften siehe Turner 2003, S. 15–16. 3 The Whores Rhetorick 1683, S. 23. 4 Zur Popularität, zur Pseudo-Historiografie antiker Sexualkulturen im 18. Jahrhundert (wie Richard Payne Knights satirischem Discourse on the Worship of Priapus) und der Rolle der Männerklubs wie den englischen Dilettanti siehe zuletzt Redford 2008. 5 Siehe dazu die feinsinnige Diskussion von Davidson 2002, S. 148–150, in seiner Studie über die Leidenschaften im antiken Griechenland. 6 Xenophon 2005, S. 101–106, hier S. 102 [3. Buch, 11. Abschnitt].

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sich danach, das, was sie gesehen haben, auch besitzen zu können und würden dieses Bedürfnis unerfüllt mit nach Hause nehmen.7 Die Männer wollten die Hetäre aufgrund des Rufs ihrer Schönheit sehen. Dies und ihre sexuelle Verfügbarkeit lockten die Philosophen an, um sich davon zu vergewissern. Über die Schönheit der Theodote ist bei Xenophon jedoch nichts Weiteres zu erfahren, außer, dass die Besucher die Hetäre aufgrund ihrer Schönheit mit einer üppigen Ausstattung, mit Kleidern, Haus und Sklaven versorgten. Bei ihrem Anblick kommentierte Sokrates nicht das Äußere der Hetäre, sondern kam sofort auf den Wert dieses Anblicks zu sprechen, darauf basierte er seine Dialektik von Begehren und Besitz: Die Schönheit der Theodote war ihr Kapital, sie verschaffte ihr ein Auskommen. Allein die Schönheit jedoch genügte dafür nicht. Theodote brauchte einen Anreiz, damit Männer – wie Sokrates – kamen, um sie zu sehen. Dazu bediente sie sich der Werbung, die Winfried Menninghaus in seinem Buch über die Schönheit als „Einnehmen der Beobachter für eigene Zwecke durch Ausstellung und Anpreisung eigener Vorzüge“ definiert und die solcherart sowohl eine ökonomische, sexuelle wie auch eine das Kunstschaffen betreffende Bedeutung haben kann.8 Nicht von ungefähr zeigte sich die Hetäre den Männern vor einem Maler Modell sitzend. Auf diese Weise umfasste ihre Werbung alle drei Bereiche: im Eros ihres Anblicks den sexuellen, im Wunsch sie zu besitzen den ökonomischen und im Bildnis schließlich den künstlerischen. Diese Elemente des Werbens, die Xenophons Geschichte exemplarisch beschrieb, charakterisierten auch die Vermarktung des Hurenmotivs des 17. und 18. Jahrhunderts in England: der Ruf von weiblicher Schönheit in der Kombination mit sexueller Freizügigkeit und das männliche Verlangen, namhafte Frauen besitzen zu können. Wie in Xenophons Geschichte ging es dabei um die Mechanismen des Begehrens von Dingen, die man glaubt, besitzen zu müssen, weil man sie bei anderen sah oder gehört hat, sie würden ihrer habhaft sein: Sokrates beschrieb nicht Theodote an sich als schön, sondern ihren Rahmen, nämlich die sie umgebende Ausstattung, die sie von Männern erhalten hatte, die sie tatsächlich „besaßen“ oder hofften, sie zu gewinnen. Die ostentative Zurschaustellung von Werbung und Vermarktung im Motiv der Hure sollte dabei als Modell für die Erprobung und Positionierung der Künstler und ihrer Bilder auf dem kommerzialisierten Kunstmarkt dienen. Als ein wichtiger Motor der Vermarktung stellte die obszöne Literatur für die Künstler dar, in deren semantischen Rahmen das Hurenmotiv verwoben war. In diesem Zusammenhang ist zunächst an die Funktion der Hurenbilder im Kontext der obszönen Literatur Englands in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts anzuknüpfen, wie sie in Kap. 2.3. diskutiert wurde. Die Entwicklung des Hurenmotivs war dabei 7 Ebd., S. 102. In Johann Caspar Künzels deutscher Übersetzung von 1792, S. 94, ist diese Passage mit „[...] die Kunst, die Menschen zu reizen“ betitelt. 8 Menninghaus 2007, S. 223.

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eng mit der Druckgrafik und ihren spezifischen Marktbedingungen verbunden, die oben mit Bezug auf Wenzel Hollar angesprochen wurden. In gleicher Weise ist ihr Einsatz an die besondere politische Situation Englands mit der Rekonstituierung der Monarchie nach dem Bürgerkrieg gekoppelt. In diesem Zusammenhang ist zunächst das Porträt einer Mätresse des englischen Königs Karl  II. zu diskutieren, das der Maler Peter Lely in den 1660er-Jahren malte und nachstechen ließ. Dabei soll in diesem Zusammenhang nicht die Repräsentation höfischer Kultur oder die Selbstdarstellung einer Mätresse interessieren.9 Vielmehr sind auf der Grundlage von Tagebuchnotizen des englischen Marinesekretärs und Politikers Samuel Pepys (1633–1703) Überlegungen zur Rezeption der Reproduktionsstiche in Hinblick auf die Frage nach der Funktion und Herstellung von Hurenbildern in der Grafik anzustellen.10 Die Typologie der Hurenbilder ähnelte dabei den Bildformaten, die im vorhergehenden Kapitel in Crispijn de Passes Miroir des courtisannes eingeführt wurden: die Bildnisse und Genreszenen, die Porträthaftigkeit gezielt als Mittel der Schaulust einsetzen, sich aber einer eindeutigen Ikonographie und Charakterisierbarkeit entziehen.11 Als realhistorische Prostituierte im 18. Jahrhundert begannen, Bild- und Druckmedien ihrerseits als Mittel der Selbstvermarktung und Inszenierung in städtischer Kultur zu nutzen, kam zu den Elementen des Hurenmotivs eine neue Ebene hinzu. Bisher hatten die Hurenbilder die potentielle Identifizierbarkeit mit realen Personen lediglich in einem fiktiven Rahmen angeboten. Im 18. Jahrhundert wurde dieser Verweis mit einer realhistorischen Ebene gekoppelt und damit real tatsächlich einlösbar. Das Resultat war der Effekt einer Verdichtung zu einem feinen Gewebe von Verweisen in der visuellen Kultur, in das die einzelnen Hurenbilder versponnen waren. Diese Entwicklung im 18. Jahrhundert ist exemplarisch an Philip Merciers (1689– 1760) und John Raphael Smiths (1751–1812) Hurenbildern zu verfolgen. Wie Crispijns Kurtisanenspiegel und Wenzel Hollars Frauenbildnisse verhandeln diese Stiche dabei Experimentierformen künstlerischer Selbstbestimmung und -vermarktung. Typologisch bewegten sich die Hurenbilder, ähnlich den holländischen Tronien, auch im 18. Jahrhundert zwischen den akademischen Gattungen wie den Fancy 9 Siehe dazu zuletzt Ruby 2010 sowie zu den Frauenporträts in der höfischen Kultur Karls II. der Ausstellungskatalog von MacLeod und Marciari Alexander 2001 mit weiterführender Literatur, auch zu monografischen Beiträgen zu einzelnen Mätressen. 10 Zu Pepys’ Tagebuch als Material der historischen Forschung siehe Dawson 2000. 11 Durch den englischen Bildtitel The Looking Glass of the fairest Courtiers of these tymes und die englischen Bezeichnungen von fünf Stichen, La belle Angloise, Dority her Chambermaide, M Margery of Richmonde, My Lady of Oxm und Mrs Mary C.P., zielte der Kurtisanenspiegel explizit auf das englische Publikum. Siehe dazu Turner 1999, S. 64.

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Pictures. Mercier führte sie in die englische Bildproduktion ein.12 Das englische Wort fancy bezeichnete im Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts weniger das Märchen als die Fantasie, die Vorstellungskraft und Imagination, aber auch „geistig porträtieren“, wie Samuel Johnson 1755 in seinem Wörterbuch schrieb.13 Damit schufen die Fancy Pictures den Hurenbildern genau jenen Rahmen innerhalb der Bildgattungen, aber außerhalb der akademischen Gattungsgesetze, mittels derer die jeweiligen Vorstellungen von „Hure“ ohne zwangsläufige moralische oder moralistische Erbauungen dargestellt werden konnten. Zuvor ist jedoch an die Funktion der Hurenbilder anzuknüpfen, wie sie oben (Kap. 2.3.) in der obszönen Literatur Englands der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts diskutiert wurde und der Frage, wie die Hurenbilder in der Grafik zeitgleich mit der obszönen Literatur des 17. Jahrhunderts vorstellbar waren.

4.1. Pepys und Hurenporträts in der Grafik Im Jahr 1666 notierte Samuel Pepys in seinem Tagebuch, er hätte die Werkstatt des Londoner Kupferstechers William Faithorne (um 1616–um 1691) besucht und dort eine Zeichnung der königlichen Mätresse Lady Castlemaine – Barbara Villiers, 1. Duchess of Cleveland (1640–1709), gesehen, von der Faithorne einen Reproduktionsstich vorbereitete.14 Pepys wollte die Zeichnung – „das feinste Stück“, das er „je 12 Zu den Tronien siehe oben, S. 78. Die Eingrenzung und Definition der Fancy Pictures als Gattung sind umstritten. Anhand von Thomas Gainsborough versucht Waterhouse 1946 erstmals eine Definition und orientiert sich dabei an der spanischen Genremalerei. Dagegen will Crown 1984 die Fancys auf Kinderdarstellungen reduzieren. Prochno 1990, S. 131–167, schlägt in ihrer Reynolds-Dissertation einen weiter gefassten Begriff der Fancy Pictures vor und diskutiert präzise Kategorien der Differenzierung zum Porträt. In seiner Studie zu Reynolds’ Fancy Sujets zeigt Postle 1995, hier S. 58, dass der Begriff im 18. Jahrhundert tatsächlich zunächst im Kontext der Porträtmalerei verwendet wurde, um sie – ähnlich zu Hirschfelders oben, S. 78, eingeführter Definition der Tronien – von der Naturnachahmung genuiner Porträts zu unterscheiden und inhaltlich aufzuwerten. Seine 1998 kuratierte Ausstellung zeigte erstmals ein breites Spektrum englischen Fancys im 18. Jahrhundert. Mit Prochno verweist er auf den Aspekt der Fancys als Vehikel künstlerischer Freiheit und künstlerischen Experimentierens. Zuletzt behandelt Wien 2009, S.  239–330, hier S. 243–248, die Fancy Pictures ausführlich in ihrer Dissertation zu Reynolds’ Mythosbegriff. Sie betont die inhaltliche Ambivalenz von Reynolds’ Fancys, die zugleich den Erkenntnisgewinn einer formalen Eingrenzung in Frage stellt und diskutiert Reynolds’ Gemälde im Kontext des zeitgenössischen Sensibilitätskults als Ausdruck und Experimentierfeld einer neuen Wirkungsästhetik. Vgl. dazu Busch 1998. 13 „1. To portray in the mind; to image to himself; to imagine. [...] 2. To like; to be pleased with.“ Johnson 1755–1756, Bd. 1 (1755), o. S. Vgl. Prochno 1990, S. 132, und Wien 2009, S. 246– 247, zwischen Fantasie und Imagination differenzierend. 14 „[...] took coach and called at Faythornes to buy some prints for my wife to draw by this winter; and here did see my Lady Castlemaynes picture, done by him from Lillys, in red chalke and other colours, by which he hath cut it in copper to be printed. The picture in chalke is the finest thing I

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17  William Faithorne nach Peter Lely: Barbara Villiers, Countess of Castlemaine, 1666

gesehen hatte“ – sofort haben, wurde aber vertröstet. Als jedoch die fertigen Kupferstiche etwa einen Monat später aus der Presse kamen, kaufte Pepys noch am selben Tag drei Abzüge.15 In den darauffolgenden Wochen kümmerte er sich liebevoll um diese Porträts – „my dear Lady Castlemaine“ –, legte einen der Stiche auf, um ihn aufhängen zu können und ließ ihn rahmen.16 ever saw in my life I think, and did desire to buy it; but he says he must keep it awhile to correct his Copper plate by, and when that is done, he will sell it me.“ Pepys 1974 (1666), Bd. 7, 7, November, S. 359. 15 „[...] at Faythornes and buying three of my Lady Castlemaynes heads, printed this day; which endeed is, as to the head, I think a very fine picture, and like her.“ Pepys 1974 (1666), Bd. 7, 1, Dezember, S. 393. Zu Pepys’ Sammlung siehe De Marly 1987 und Roach 2007. 16 „[...] spent all the afternoon in putting some things, pictures especially, in order, and pasting my Lady Castlemaynes print on a frame, which I have made handsome and is a fine piece.“ Pepys

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Mit dem Kupferstich hatte Pepys den nach heutigem Kenntnisstand ersten Nachstich eines Porträts Lady Castlemaines des englischen Hofmalers Peter Lely in seinen Besitz gebracht (Abb. 17).17 Die Mätresse posiert frontal und in Halbfigur hinter einem von einem Ehrenkranz gerahmten, ovalen Rahmen. Sie trägt ein reich mit Perlen und Edelsteinen besetztes Kostüm, dessen Dekolleté die Wölbung ihrer Brüste betont. Das lange, offene Haar fällt ihr offen über die linke Schulter. Sie blickt aus halb geschlossenen Lidern leicht lächelnd aus dem Bild zu den Betrachtern. Ihr Kopf ist nach rechts geneigt und in der Geste der Kontemplation locker von der rechten Hand gestützt.

18  Tommaso Piroli nach Guido Reni: Büßende Maria Magdalena, um 1780

1666, Bd. 7, 21, Dezember, S. 417. „[...] comes Lovett with my little print of my dear Lady Castlemayne, varnished and the frame prettily done like gold, which pleases me well.“ Pepys 1974 (1667), Bd. 8, 8. Mai, S. 206. 17 William Faithorne nach Peter Lely: Barbara Villiers, Countess of Castlemaine, 1666. Kupferstich, 354 x 276 mm. British Museum, London. MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 34. Zu Peter Lely siehe zuletzt Curd 2010, S. 125, mit weiterführender Literatur.

Pepys und Hurenporträts in der Grafik  | 115

Julia Marciari Alexander schlägt im Katalog ihrer gemeinsam mit Catherine MacLeod 2001 kuratierten Ausstellung „Painted Ladies“ über höfische Frauenporträts Englands in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor, das Bildnis Lady Castlemaines als Porträt in der Rolle der Heiligen Maria Magdalena zu interpretieren.18 Sie begründet diese Interpretation mit der Geste der aufgestützten Hand in Guido Renis Büßender Maria Magdalena,19 die damals in England durch zahlreiche Kopien bekannt war (Abb. 18).20 Zudem war Lady Castlemaine in einem gleichzeitig erschienenen anonymen Spottgedicht als „englische Magdalena“, also als eine protestantische Heilige, bezeichnet worden.21

19  John Michael Wright: Lady Joanna Thornhill, um 1666

18 Ebd., Kat. 33, S. 100–120. 19 Lelys Geste wäre ebenfalls als Ausdruck der Melancholie denkbar. Zu dieser Motivgeschichte, siehe grundlegend Klibansky, Panofsky und Saxl 1992, S. 409–412. Prochno 1990, S. 102, passim, interpretiert die Geste anhand von Joshua Reynolds’ Frauenporträts als Ausdruck von Meditation, wie von antiken Musensarkophagen bekannt war. 20 Als Urfassung der zahlreichen Kopien gilt das Gemälde aus dem Besitz Kardinal Francesco Barberinis, Guido Reni: Büßende Magdalena, 1627. Öl/Leinwand, 175 x 135 cm. Privatsammlung. Pepper 1984, Kat. 118. Zur Rezeption Renis in England siehe Helston 1988. 21 In The Chimneys Scuffle, 1662. MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 33, S. 120.

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Ein direktes Bildzitat von Renis Magdalena stellte der Maler John Michael Wright (1635–1709) kurze Zeit später in seinem Porträt Lady Joanna Thornhills (Abb. 19) dar:22 Das Bildnis zeigt eine junge Frau mit gelösten Haaren, die ihren Kopf ebenfalls mit dem Rücken der rechten Hand abstützt. Das Gemälde folgt der Ikonografie der Maria Magdalena jedoch unmittelbarer, da ihre linke Hand auf einem Schleier ruht, der wiederum auf einem Seidenkissen in der linken unteren Bildecke liegt. Genau an dieser Stelle befand sich in Renis Magdalena der Totenschädel. Lady Thornhill war – sollte die von Marciari Alexander vorgeschlagene Datierung um 1666 stimmen – frisch verwitwet und hatte nicht wieder geheiratet. Die Rolle der büßenden Magdalena wäre insofern als Darstellung ostentativer Keuschheit überzeugend. Im Vergleich dazu teilt Lelys Lady Castelmaine formal lediglich ihr offenes Haar und die Geste der Kontemplation mit Renis Magdalenenikonografie. Es weist kein weiteres Attribut auf einen inhaltlichen Bezug zur Heiligen: Ihr Kostüm war für eine Magdalena viel zu aufwendig, ihr Ausschnitt zu sehr betont. Anstatt auf einem Totenschädel liegt Lady Castlemaines rechte Hand im Gemälde in ihrem Schoß, im Stich ist sie vom Bildrahmen überschnitten. In einem anderen Kontext wäre ihr Blick aus leicht geschlossenen Lidern als der im Bild verbleibende oder nach oben gerichtete Blick einer Heiligen in spiritueller Erfüllung in Gott denkbar gewesen. An die Betrachter gerichtet, wie in Lelys Porträt, beschrieben ihn jedoch die Zeitgenossen als Schlafzimmerblick (sleepy eyes).23 Wenn das Bildnis Lady Castlemaines also als Rollenporträt angelegt worden war, dann wäre der Bildtyp im Kontrast zur – katholischen – Ikonografie der Heiligen als ironische Umkehrung des Themas gemeint. Biografisch wäre eine Darstellung in diesem Sinn plausibel: Lady Castelmaine hatte sich im Sommer 1662 von ihrem Ehemann getrennt und war vom König mit dem Titel der Lady of the Bedchamber seiner frisch verheirateten Ehefrau, der portugiesischen Prinzessin Katherina von Braganza, ausgezeichnet worden.24 Nach dieser Demütigung der jungen Königin 22 John Michael Wright: Lady Joanna Thornhill, um 1666. Öl/Leinwand, 63 x 75 cm. Zuletzt 1993 im Kunsthandel. MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 26. 23 „Sir Peter Lilly when he had painted the Dutchess of Clevelands picture, he put something of Clevelands face as her Languishing Eyes into every one Picture, so that all his pictures had an Air one of another, all the Eyes were Sleepy alike.“ Anonymes Manuskript, nach 1670. British Museum, Add. Ms. 22950, fol. 41. Zit. nach MacLeod 2001, S. 50. Vgl. Walpoles Vers „– on animated canvas stole / The sleepy eye that spoke the melting soul.“ Walpole 1762–1763, Bd. 3 (1763), S. 16. 24 Wynne 2001, S. 36–37, mit weiterführender Literatur. Die Institution einer maîtresse en titre französischer Prägung mit den damit verbundenen Rechten und Sicherheiten gab es in England nicht. Ebd., S. 43. Vgl. zuletzt Ruby 2010 zur Etablierung und Funktion von Mätressenbildnissen in der franzöischen Hofkultur des 16. Jahrhunderts. Diesbezüglichen Tendenzen im Sinne einer Alienation durch fremde Einflüsse begegnete die Schrift- und Bildkultur der Zeit mit größtem Misstrauen, insbesondere als der französische König Ludwig XIV. 1670 Karl II. mit Louise de Keroual

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wäre das Bildnis also zugleich als eine Unverschämtheit gegen die Königin und als Triumph der Lasterhaftigkeit Lady Castlemaines zu deuten. Anlässlich der Scheidung Lady Castlemaines notierte Pepys in seinem Tagebuch, dass er wohl wisse, dass sie eine Hure und er deshalb zwischen ihrer Schönheit und ihrem Lebenswandel hin- und hergerissen sei.25 Im Anschluss an MacLeod und Marciari Alexander schlägt der Theaterwissenschaftler Joseph Roach vor, Pepys’ Faszination für die königlichen Mätressen mit der idolatrischen Vermengung von sakralen und profanen Kontexten, als celebrity erotics, zu erklären. Seinen Ansatz begründet er auf dem Gebrauch des englischen Wortes celebrity, der Berühmtheit, im 17. Jahrhundert: Es leitet sich vom lateinischen Wort celebritas ab und meinte damals historische oder zeitgenössische Personen, die sich durch besondere Taten ausgezeichnet hatten, wie Heroen, Heilige oder Könige.26 Unter Karl II. wurden in diese Reihe die Mätressen aufgenommen. So ließ der König 1675 beispielsweise Medaillen prägen, die vier seiner Mätressen bzw. gewünschten Mätressen alla antica als Profilbildnisse zeigten.27 Ebenfalls Lely hatte die Mätressen des höfischen Umfelds als Berühmtheiten vermarktet: Gemeinsam mit dem Miniaturisten Samuel Cooper (1609–1672) war er seit der Wiedereinsetzung der Monarchie 1660 als Hofmaler König Karl II. bildpolitisch an der Reetablierung einer höfischen Gesellschaft beteiligt.28 Zu diesem Kontext zählten seine Frauenporträts aus dem höfischen Umfeld, die Angehörigen des Hochadels, ihr Hofstaat und die Mätressen.29 Bei seinen Porträts bediente er sich der Bildfindungen Anton van Dycks, seinem Vorgänger als Hofmaler, der die Por-

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eine französische Mätresse mit politischen Ambitionen und katholischer Konfession schickte. Siehe dazu Turner 2006, S. 253–261 und passim. „But strange it is, how for her beauty I am willing to conster all this to the best and to pity her wherein it is to her hurt, though I know well enough she is a whore.“ Pepys 1970 (1662), Bd. 3, 16. Juli, S. 139. Roach 2007. Jan Roettier (1631–1698): Frances Stuart, nach 1675. Silbermedaille, 70 mm (Durchmesser). National Portrait Gallery, London. Jan Roettier: Barbara Villiers, nach 1675. Bleimedaille, 63 mm (Durchmesser). British Museum, London. Jan Roettier: Loise de Keroual, nach 1675. Silbermedaille, 58 mm (Durchmesser). British Museum, London. Jan Roettier: Hortense Mancini, nach 1675. Puncheon, 70 x 70 x 85 mm. British Museum, London. MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 72–76. MacLeod 2001 und allgemein zur Bildpolitik am Hof Karls II. Sharpe 2001, S. 10–23, hier S. 20. Im Zuge der englischen Bürgerkriege war die Monarchie 1649 mit der Enthauptung Karl I. beendet und das Land unter der Führung Oliver Cromwells zuerst republikanisch und dann mehr oder weniger diktatorisch regiert worden. Aufgrund der politischen Instabilität nach dem Tod Cromwells 1658 entschied das Parlament die Rekonstituierung der Monarchie und die Rückkehr Karls II. aus dem Exil. Die Porträts wurden wohl bereits damals zu Sammlungen gehängt, wobei die berühmteste Sammlung als Windsor Beauties bekannt geworden ist. Zur Geschichte und Entwicklung der Schönheitengalerien und den zeitgleichen Sammlungen in Europa im 17. Jahrhundert siehe Wenzel 2002 und Ders. 2005, hier S. 271–318.

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trätkonventionen der oberitalienischen Malerei am Hof Karl I. eingeführt hatte:30 Das betraf vor allem den Vorzug idealisierter Schönheit vor der physiognomischen Ähnlichkeit der Dargestellten,31 den Lely mit warmen Farben, einer starken Betonung der Oberflächen in strahlender Haut und schimmernden Stoffen kombinierte. Neben den Gemälden ließ Lely seine Porträts grafisch verbreiten.32 Diese Frauenporträts dienten Karl II. als sichtbares Zeichen einer lebendigen höfischen Kultur und eines erstarkten Hofs. Die visuelle Instrumentalisierung der Frauen zum Zweck der Repräsentation stand dabei in einem starken Kontrast zur ostentativen Pflege neoplatonischer Ideale durch König Karl I. und Königin Henrietta Maria in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.33 Lelys sinnliche Bilder und die Zurschaustellung der Mätressen bei öffentlichen Auftritten unterstützten eine sich etablierende höfische Kultur, die deutlich auf den sinnlichen Reizen der Frauen gründete.34 Für die Grafik war dabei besonders von Bedeutung, dass neben den adeligen Mätressen erstmals Schauspielerinnen wie Mary Davis und ehemalige Orangenverkäuferinnen wie Nell Gwynn als darstellungswürdige Modelle in eine königliche Sammlung gelangten und durch Lelys Reproduktionsstiche bekannt wurden.35 Die Huren wurden damit von Staats wegen ähnlich nobilitiert, wie Pallavicinos Rettorica delle Puttane die Hurerei zu einer poetischen Kunst erklärt hatte und wie in der obszönen Literatur Englands Bordelle als Gemäldegalerien beschrieben worden waren. Diese Topoi der obszönen Literatur Englands standen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bildpolitik des Königs, weil sie den Mechanismus der Nobilitierung des Lasterhaften umkehrten und gegen den König und seinen Hof richteten: Indem diese Schriften die Huren auf einer Stufe mit dem König und seinem Hofstaat verhandelten, wurden sie ausgezeichnet, um damit den König und seine Mätressen zu diffamieren. Wie James Turner anhand der Pamphlete zu politischen Krisen der Zeit darstellt,36 assoziierten diese Schmähschriften die Zeichen von politischer Instabilität mit dem unsteten Sexualleben des Königs. Diese Autoren erfanden

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Dethloff 2001. Gordenker 2001, S. 17–20. MacLeod 2001, S. 53–54. Vor allem in der höfischen Theaterkultur, den court masques. Siehe dazu Veevers 1989. MacLeod und Marciari Alexander 2007 mit weiterführender Literatur. Dieses Element der Verbreitung der Porträts durch die Druckgrafik und der Anteil der königlichen Mätressen, die zugleich als Huren bekannt waren, die nicht nur mit dem Hochadel, sondern mit allen verkehrten, unterscheidet Lelys Schönheiten von früheren Porträtsammlungen. Die Bildnisse waren nicht mehr auf die kontrollierbare Präsentation und den Rezipientenkreis eines Gemäldes beschränkt, sondern waren beim Grafikhändler zu sehen und käuflich. 36 Z. B. der Pestepidemie 1665/1666, dem Brand Londons 1666, nach der schmählichen Niederlage im Krieg gegen Holland 1665–1667 und der Glaubenskonflikte, wie der katholischen Verschwörung 1678 (Popish Plot).

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den Ausdruck der „königlichen Hure“ (royal whore) und erklärten Bordell und Hof zu austauschbaren Orten.37 Diese Spottliteratur wurde zu einer scharfen Polemik gegen die königliche Selbstdarstellung, als Karl II. anlässlich des Friedensbeschlusses von Breda mit den Holländern 1667 eine goldene Gedenkmedaille mit seinem Profilbildnis auf der Vorder- und einer Darstellung der Britannica auf der Rückseite prägen ließ.38 Für die Personifikation der Britannica wurde anstatt einer anonymen weiblichen Figur ein Bildnis Frances Stuarts, einer Maid of Honor und Lady of the Bedchamber der Königin, gewählt.39 Diese bildliche Überblendung von staatlicher Repräsentation und persönlichen Vorlieben – Frances Stuart galt als Wunschmätresse des Königs – formulierte der Parlamentarier und Dichter Andrew Marvell 1667 in seinem Spottgedicht Instructions to a Painter, about the Dutch Wars in deutliche Worte: Im Gedicht steht die Personifikation Britanniens (our Lady State) kurz vor der Vollendung ihres Porträts Modell und wird in den Versen mit einer „neuen Staatshure“ (new whore of state) assoziiert, die der König um des Friedens willen verkauft habe.40

37 Turner 2006, S. 165–170, zu Zensur- und Strafmaßnahmen des Hofs, ebd., S. 161. In diesem Zusammenhang konnte die Königin selbst zur Protagonistin erotischer Vorstellungen werden, wie Pepys im Rahmen seiner erotischen Einschlafgedanken in seinem Tagebuch schildert: „To supper and then to a little viall and to bed, sporting in my fancy with the Queen.“ Pepys 1971 (1663), Bd. 4, 15. Juli, S. 232. Tatsächlich sollte Pepys an seinem 36. Geburtstag im Februar 1669 seine idolatrisch-sexuellen Wünsche in einer direkten Überlagerung mit der sakralen Bedeutung des Königinnenkörpers ausleben: Bei einem Besuch der Westminster Abbey nahm er den mumifizierten Torso des Leichnams von Königin Katherina von Valois, die dort 1437 beigesetzt worden war, in die Arme und küsste ihn. In seinem Tagebuch notierte Pepys, er hatte „her upper part of her body in my hands. And I did kiss her mouth, reflecting upon it that I did kiss a Queen, and that this was my birthday, 36 years old, that I did first kiss a Queen.“ Pepys 1976 (1669), Bd. 9, 23. Februar, S. 457. Zit. bei Roach 2007, S. 245. Die Beschreibung sexueller Erfahrungen in Pepys’ Tagebuch führt Turner 2006, S. 172–173, überzeugend auf seine Kenntnis der obszönen Literatur zurück, die für The wandering whore und L’écolle des filles belegt ist. Diese literarischen Topoi sexueller Erlebnisse an ungewöhnlichen Orten oder mit ungewöhnlichen Objekten oder Personen integrierte Pepys in die Schilderung seines alltäglichen Lebens. 38 Jan Roettier: Friede von Breda, 1667, Goldmedaille, 56 mm (Durchmesser). Bez. Avers: „CAROLVS SECVNDVS DEI GRATIA MAG BRI FRAN ET HIB REX“, Revers: „FAVENTE DEO BRITANNIA“, Rändelung: „CAROLVS SECVVNDVS PACIS ET IMPERII RESTITUTOR AVGVSTVS“. British Museum, London. MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 19. 39 MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 19, S. 98. 40 Marvell 1726, S. 88–133, hier S. 94. Turner 2006, S. 170, S. 186–187 und passim, charakterisiert Marvells The Last Instructions to a Painter als Konzentrat von zugleich anonym gedruckten zotigen Bordellpamphleten und Spottpetitionen, in der die kolportierten königlichen Mätressen institutioneller Kritik als Projektionsfläche dienten. Siehe auch Zwicker 2007, der Marvell mit Lelys Porträt Lady Castlemaines diskutiert. Zur Tradition antiaristokratischer und antimonarchistischer obszöner Druckwerke in Europa siehe Wagner 1988, S. 87–112.

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Die Metapher vom Staat, den der König als Hure missbrauchte, war in zahllosen Schriften verbreitet, wie Turner zeigt.41 Diese Spottkultur vulgarisierte das höfische Leben und kehrte damit auch den Aussagewert der höfischen Bilderpolitik um: Lelys Porträtstiche konnten dabei als eine unmittelbare Bestätigung und Teilhabe an den Gerüchten und Berichten über das höfische Leben dienen. Pepys war mit diesen Sprachbildern ebenfalls vertraut, wie seine Notizen im Tagebuch beweisen.42 Neben seinen Celebrity-Einträgen, die vermerkten, wann und wo er welches Mitglied des Hofs gesehen und welche Kleidung es getragen hatte, äußerte er in seiner Rolle als Staatsbeamter in Krisenzeiten Besorgnis über die Beeinflussung der Staatsgeschäfte durch das Liebesleben des Königs. Dabei bediente er sich einer Terminologie, wie sie im Rahmen dieser Untersuchung bereits aus der Rettorica delle Puttane des Pallavicino bekannt ist: Lady Castlemaine, um zu diesem Beispiel zurückzukehren, beherrsche den König auch in Staatsdingen und forme ihn nach ihrem Willen. Karl II. kümmere sich nur um sein Vergnügen, weil sie alle Tricks des Aretino kenne.43 Diese Überlagerung veranschaulicht Pepys’ oben beschriebenen Zwiespalt zwischen der Person Lady Castlemaines und ihrer äußeren Erscheinung. Ganz im Sinne von Pallavicinos Hurenrhetorik beschrieb Pepys Lady Castlemaine als eine Hure: als eine kenntnisreiche Professionalistin, die die Praxis der Formgestaltung bis hin zu besonderen sexuellen Fähigkeiten – den „Aretinos“ – beherrschte. In diesem Sinne empfahl The Whores Rhetorick der Hure 1683 – als mit Louise de Keroual eine politisch aktivere Mätresse Lady Castlemaine abgelöst hatte – ein „staatsmännisches Handeln“, um ihre Interessen zu verfolgen.44 Pepys’ Einschätzung jedoch bezog sich weniger auf die Furcht vor einem politischen Einfluss durch Lady Castlemaine, sondern vielmehr auf die mangelnde Arbeitsmoral des Königs, die nationale Krisen provozierte. Wie in den Spottpamphleten brachte er politische Probleme mit dem kolportierten Sexualverhalten des 41 Sie bietet ein gutes Beispiel für den Einsatz obszöner Literatur im modernen Sinn von Pornografie als Argument. 42 Zu ähnlichen Metaphern bei Pepys und in Marvells Instructions siehe Turner 2006, S. 72–73. 43 „[...] the King doth mind nothing but pleasures and hates the very sight or thoughts of business. That my Lady Castlemayne rules him; who he says hath all the tricks of Aretin that are to be practised to give pleasure – in which he is too able, hav[ing] a large ____; but that which is the unhappiness in that, as the Italian proverb says, Cazzo dritto non vuolt consiglio.“ Pepys 1971 (1663), Bd. 4, 15. Mai, S. 136–137, und, ein Gespräch mit dem Chirurgen des Herzogs von York wiedergebend, „[...] my Lady Castlemayne, who rules the King in matters of state and doth what she list with him, he believes is now falling quite out of favour.“ Pepys 1971 (1663), Bd. 4, 11. August, S. 272. Vgl. Turner 2006, S. 19–20. 44 Wiederum in scharfer Abgrenzung von „Frauen“: „She moves in a higher sphere, than the rest of Women; and her actions ought to seem publick-spirited; though Statesman-like, she should contrive them all to meet in the centre of her own particular advantage.“ The Whores Rhetorick 1683, S. 42. Zu Louise de Keroual vgl. oben S. 117, Anm. 27.

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Königs in Verbindung.45 Wie in der Pamphletliteratur fungierte die Figur der Mätresse in Pepys’ Tagebuch als Projektionsfläche für politische Missstände, aber gleichzeitig auch für seine erotischen Vorstellungen.46 Sein Zwiespalt zwischen der Person Lady Castlemaines und der Wirkung ihrer äußeren Erscheinung schien bei Pepys durch ihre Bildnisse überbrückbar: Bereits 1662 hatte er das dem Stich zugrundeliegende Gemälde, Lelys um 1662 datiertes ganzfiguriges Porträt Lady Castlemaines,47 in der Werkstatt des Malers gesehen und in seinem Tagebuch sehnsüchtig notiert, unbedingt eine Kopie davon haben zu wollen.48 So wie Lelys Bildzitat von Renis Maria Magdalena, war Pepys’ Interesse an der Mätresse selektiv und oberflächlich auf ihr Äußeres gerichtet: Ihn beeindruckten ihre Kleider und ihre Ausstattung, und die Geschichten zwischen ihr und dem König interessierten ihn. Von den Gedanken daran ließ er sich erotisch stimulieren. Dabei formulierte er jedoch keine sexuellen Emulationswünsche, die dem König metaphorisch Hörner aufgesetzt hätten: In seinem Tagebuch bedauerte Pepys die Zerwürfnisse zwischen der Mätresse und dem König und freute sich, wenn sie sich wieder mit dem König versöhnte.49 Was Pepys in seinem Tagebuch beschrieb, war also ein erotisches Verlangen, das sich über die Distanz entfaltete. Die Freude, mit der Pepys den Erwerb der Nachstiche von Lelys Porträt beschrieb, ist insofern mit Menninghaus’ oben (S. 60) eingeführtem Modell ästhetischer Lust zu erklären. Der Stich konnte Pepys von seinem spannungsvollen Verhältnis zum Liebesleben des Königs ablenken und ihm, 45 Turner 2006, S. 167–168. 46 Im Pestjahr 1665 fand diese einen Höhepunkt in einem erotischen Traum mit Lady Castlemaine. In seinem Tagebuch notierte Pepys: „[...] I had my Lady Castlemayne in my armes and was admitted to use all the dalliance I desired with her, and then dreamed that this could not be awake but that it was only a dream. But that since it was a dream and that I took so much real pleasure in it, what a happy thing it would be, if when we are in our graves (as Shakespeere resembles it), we could dream, and dream but such dreams as this - that then we should not need to be so fearful of death, as we are this plague-time.“ Pepys 1972 (1665), Bd. 6, 15. August, S. 191. 47 Wahrscheinlich handelte es sich um Peter Lely: Barbara Villiers, Countess of Castlemaine, um 1662. Öl/Leinwand, 191 x 131,5 cm. National Trust. MacLeod und Marciari Alexander 2001, Kat. 33, schlagen diese Variante als Urfassung vor, aber verweisen auf weitere Varianten und Kopien diesen Typs. 48 „And here among other pictures, I saw the so much desired picture of my Lady Castlemayne, which is a most blessed picture and that that I must have a copy of.“ Pepys 1970 (1662), Bd. 3, 20. Oktober, S. 230. 49 So äußert er sich über Zerwürfnisse zwischen dem König und Lady Castlemaine immer wieder besorgt: Kurz nach der Hochzeit mit Katherina von Braganza wurde ihm beispielsweise erzählt, „[...] with much trouble that my Lady Castlemayne is still as great with the King and that the King comes often to her as ever he did. At which, God forgive me, I am well pleased.“ Pepys 1970 (1662), Bd. 3, 6. Juli, S. 132. Aber ein Jahr darauf: „Mr. Moore, he tells me great news; that my Lady Castlemayne is fallen from Court and this morning retired. He gives me no account of the reason of it, but that it is so; for which I am sorry, and yet if the King doth it to leave off not only her but all other mistresses, I should be heartily glad of it, that he may fall to look after business.“ Pepys 1974 (1663), Bd. 4, 3. Juli, S. 213.

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in sicherer Distanz zur Person der Mätresse, lustvolle Schauerfahrungen im Austausch mit dem idealisierten Abbild bieten, die wiederhol- und fortsetzbar waren und die im Hantieren mit dem Stich und in Kombination mit weiteren Geschichten über die Person Lady Castlemaines erneuert und intensiviert werden konnten. Lelys hier exemplarisch anhand von Pepys’ Stich eingeführte Porträtformat hatte weitreichende Konsequenzen für die Hurenbilder im 18. Jahrhundert. Lelys Porträttyp setzte die Darstellungskonventionen der oberitalienischen Malerei formal in England fort. Die Bildpolitik Karls II. ermöglichte den nachfolgenden Künstlern inhaltlich, das Format des Frauenporträts mit einfachen Mitteln mit Hurerei zu konnotieren. Die grafischen Reproduktionen von Lelys Schönheiten, die den Ruhm des neu entstandenen königlichen Hofs verbreiten sollten und auch im 18. Jahrhundert auf dem grafischen Markt gehandelt wurden, propagierten dabei nicht nur einen höfischen Stil, sondern prägten auch das Bild der Mätressen eines lasterhaften, degenerierten Königs, das sich in den folgenden Jahrzehnten – mit dem sich wieder schwächenden Hof und der sich etablierenden Oligarchie – in eine Schablone für bürgerliche Luxus- und Aristokratiekritik transformieren sollte.50 Pepys’ Freund, der englische Sammler und Schriftsteller John Evelyn, hatte bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts dessen Zwiespalt zwischen der Person und der Erscheinung der Mätresse wieder in der Grafik verschmelzen lassen: In seinem 1697 veröffentlichten münzkundlichen Handbuch Numismata ist ein mögliches Ordnungsschema einer Porträtstichsammlung enthalten. Lelys Schönheiten fanden darin in der Abteilung von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte (Revolution und Restituierung der Monarchie) ihren Platz. Diese „gefeierten Mädchen und illustren Huren“ (celebrated Misses and illustrious Strumpets) hätten zum Schaden des Lands mehr beigetragen als Krieg, Feuer und Pest und waren für Evelyn deshalb eher ein Bestandteil der politischen Geschichte als persönlicher Schaugelüste.51 In der Kunstliteratur des 18. Jahrhunderts wurden die Schönheitenporträts Karls II. nicht vor der Mitte des Jahrhunderts rezipiert, wie Marciari Alexander mit Verweis auf den Schriftsteller Horace Walpole zeigt:52 In seiner Anthologie der Malerei Anecdotes of Painting bezeichnete dieser die Windsor Beauties 1763 als „Paphos’ Hof“ (court of Paphos).53 Doppelsinnig spielte Walpole damit auf zwei sich anschließende Geschichten aus Ovids Metamorphosen an: Paphos war die Tochter Pygmalions und seiner Elfenbeingeliebten, nach der wahrscheinlich die gleichnamige Stadt 50 Zur Lely-Rezeption im 18. Jahrhundert siehe Marciari Alexander 2001, zur Verlagerung des kulturellen Zentrums vom Hof in die Stadt im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert Brewer 1997, S. 3–55. 51 „[...] as have debauch’d Great Princes, and contributed more perhaps to the Ruin of this Kingdom, than all the Warrs, Fires, Plagues and Plots which else have happened.“ Evelyn 1697, S. 266. 52 Marciari Alexander 2001, S. 64. Wie unten in Kap. 4.4. zu zeigen ist, sollten gleichzeitig zeitgenössische grafische Hurenserien gedruckt werden. Vgl. McCreery 2004, S. 85. 53 „The beauties at Windsor are the court of Paphos [...].“ Walpole 1762–1763, Bd. 3 (1763), S. 16.

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auf Zypern benannt worden war.54 Vor der Pygmaliongeschichte erzählte Ovid eine von Venus veranlasste und zu Pygmalion komplementäre Leibesverwandlung: Auf Zypern lebten die frechen (obscenae) Töchter des Propoetus, die es wagten, die Göttlichkeit der Venus zu leugnen. Dafür strafte sie die Göttin zweifach: Zuerst zwang Venus die Mädchen, sich zu prostituieren (vulgare) und dann, als mit dem Blut die Scham von ihren Wangen gewichen war, wandelte sie die Mädchen zu Stein. Ohne die Scham brauchte es für die Metamorphose der Huren zu Statuen wenig, so Ovid, nur eine kleine Veränderung.55 Walpoles Wortschöpfung „Paphos’ Hof“ verknüpfte so die Verwandtschaft von Lasterhaftigkeit und Bildhaftigkeit mit den höfischen Porträts aus der Zeit Karls II. Mit dieser feinsinnigen Anspielung auf ins Bild gebannte Huren und die strukturelle Ähnlichkeit von Bild und Hure ist das Motiv nun in der Grafik des 18. Jahrhunderts anhand der Beispiele von Mercier und Smith zu diskutieren.

4.2. Merciers Fancy Pictures Der Maler Philippe Mercier gehörte zu den Künstlern, die Hogarths Erfolg ermutigt hatte, selbstständig auf dem druckgrafischen Markt zu agieren. Seit 1739 veröffentlichte er zusammen mit dem Londoner Stecher John Faber d. J. (1684–1756) eine Reihe von Stichen, die populäre Sujets aus der holländischen, französischen und spanischen Genremalerei zeigten: Mezzotintos mit Jahres- und Tageszeitenfolgen, spielenden Kindern, jungen Straßenverkäuferinnen, Bettlern, Dienstmädchen, Straßenmusikern und Huren. Zuvor hatte er sich als Kunsthändler versucht und war gleichzeitig erfolglos als Hofmaler tätig. Sein Bemühen, auf dem grafischen Markt ein Auskommen zu finden, gelang besser: Mercier etablierte mit seinen Fantasiesujets, den sogenannten Fancy Pictures eine neue Gattung in der englischen Grafik.56 54 „illa Paphon genuit, de qua tenet insula nomen. (hat jene die Pahos geboren, nach der die Insel benannt ist.)“ Ovidius 1968, S. 372–373 [10. Buch, v. 297], sowie der Kommentar im Namensverzeichnis, S. 741. 55 „Pro quo sua numinis ira corpora cum forma primae vulgasse feruntur, utque pudor cessit sanguisque induruit oris, in rigidum parvo silicem discrimine versae. (Und dafür habe der Göttin Zorn sie zuerst den Reiz ihre[r] Leiber lassen verkaufen. Und, wie dahin ihre Scham, wie kein Blut ihre Wangen mehr rötet, sind sie – nur wenig gewandelt – zu kalten Stein geworden.)“ Ovidius 1968, S. 370–371 [10. Buch, vv. 239–242]. Zur Rezeption der Propoetidengeschichte und ihrer Verknüpfung mit dem Pygmalionthema im 18. Jahrhundert siehe Sheriff 2004, S. 147–149, sowie Hersey 2008, S. 90–99. 56 In Bezug auf die Etablierung der Gattung des Konversationsstück und seiner Fancy Pictures berücksichtigt Waterhouse 1953, S. 188–190, Mercier in seiner Geschichte der Malerei in England. Nach dem biografischen Beitrag von Raines 1966 (1967) zu Philip Mercier kuratierten Ingamells und Raines 1969 die bisher einzige Einzelausstellung in York und Kenwood und erarbeiten auf dieser Basis einen Werkkatalog mit Bibliografie, den sie, dies. 1976–1978, veröffentlichten. Solkin 1993, S. 73–77, beschrieb in seiner Studie zur Etablierung eines offenen Gemäldemarkts in

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20  John Faber d. J. nach Philip Mercier: A Venetian Courtezan, 1739

Zur ersten Reihe der Fancy Pictures gehörten Hurenbilder. Zwei davon haben mit einer venezianischen Kurtisane (Abb. 20) und einer antiken Hetäre (Abb. 21) topische Figuren zum Thema und beziehen sich aufeinander: Während die Hetäre zur Betrachtung einlädt und sich zur Schau stellt, fordert die Kurtisane zur Reflexion über die Schaulust auf. Als Pendants reflektieren sie, wie zu zeigen ist, nicht nur England Merciers Bemühungen, Watteau in England zu vermarkten, und diskutiert seinen Beitrag bei der Etablierung der Gattung des Konversationsstücks in England. Siehe dazu auch Raines 1977 und Ullman 1990. Darauf aufbauend würdigt Postle 1998 in seiner Ausstellung zu den Fancy Pictures Merciers Innovationen für den grafischen Markt und hebt dessen Schwerpunkt sinnlicher Sujets hervor. Seine Gemälde- und Stichauswahl diente dem vorliegenden Kapitel als Materialbasis. Zu den Fancy Pictures siehe oben, S. 112.

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21  John Faber d. J. nach Philip Mercier: Ammon’s great Son, 1739

die Bildlichkeit der Hure, sondern auch das Sehen von Huren und Hurenbildern. Wieder wurden dabei etablierte Themen der Malerei benutzt (das Motiv der Frau am Fenster und die Toilettenszene aus der Genremalerei) und mittels der Bildtexte mit dem Hurenthema verknüpft. Wie zunächst mit einem Blick auf den grafischen Markt Londons in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu zeigen ist, setzte Mercier das Thema gezielt für die Bewerbung seiner grafischen Bildfindungen ein. Aufgrund der Verknüpfung von Werbung, Verführung und Konsum im Motiv der Hure boten sich die Hurenbilder dafür an. Mercier wurde 1689 in eine Berliner Hugenottenfamilie geboren und hatte in seiner Heimatstadt bei Antoine Pesne Malerei studiert, bevor er nach einer längeren Reise über Italien und Frankreich wahrscheinlich um 1716 in London eintraf. Dort

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konnte er als Nachweis seiner malerischen Fähigkeiten ein Bildnis des neunjährigen Sohns des späteren englischen Königs Georg II. vorweisen, das er in Hannover gemalt hatte. Als dieser 1728 als Prince of Wales in London eintraf, ernannte er Mercier zum Hofmaler.57 Trotz der Kontakte zum Königshaus war Mercier zunächst hauptsächlich als Kunsthändler tätig. Obwohl er 1724 einige Gemälde in einer Auktion anbot, die er in Europa gesammelt hatte,58 spezialisierte er sich auf den Handel mit Gemälden Antoine Watteaus. Die wenigen erhaltenen Gemälde Merciers aus den 1720er-Jahren lassen vermuten, dass er außerdem als Watteau-Kopist tätig war.59 Als Porträtmaler des Prinzen gab es ständige Streitigkeiten mit konkurrierenden Malern, die wohl spätestens 1736 zu seiner Entlassung führten.60 Danach verließ Mercier die Metropole und versuchte vom beschaulicheren York aus, als Porträtist ein Auskommen zu finden. Wie schon am Londoner Hof, malte er auch in der Provinz Szenen aus dem Alltagsleben. Ohne die Protektion des Thronfolgers musste er sich nun jedoch auf dem offenen Markt behaupten und begann, seine Bildfindungen druckgrafisch zu vermarkten. Dazu war die Zeit günstig: Obwohl die hochwertigen Kupferstiche und Radierungen weiterhin von französischen oder italienischen Künstlern stammten und meist importiert werden mussten, entwickelte sich in England allmählich ein lokales Angebot grafischer Arbeiten. Seit den 1730er-Jahren erreichte mit William Hogarth erstmals ein Engländer im druckgrafischen Bereich internationales Ansehen und kämpfte für die Besserstellung der grafischen Künste in England.61 Als einziger Künstler des Königsreichs entwarf Hogarth seine Grafiken nicht nur, sondern stach und vertrieb sie auch erfolgreich selbst. Erst 1735 hatte er sich an die Spitze einer Gruppe von Künstlern gestellt, die mit dem copyright act den Schutz des Urheberrechtes für den Entwurf eines Stichs erwirkten und damit erstmals ein Rechtsmittel gegen Raubkopien zur Verfügung hatten.62 Gleichzeitig waren Schutzzölle in Kraft getreten, die den Import ausländischer Grafiken empfindlich verteuerten.63 Die grafische Ausbildung hatte sich dank des Unterrichts der in London ansässigen ausländischen Künstler verbessert, obwohl auch Hogarth für hochwertige Kupferstiche wie die Folge Marriage A-La-Mode immer noch französische Stecher anstellte, weil sie ihm und seinen englischen Kollegen technisch einfach überlegen waren.64 Seit den 1730er-Jahren hatten sich außerdem die Chancen für Künstler auf dem druckgrafischen Markt vervielfältigt: Neue Grafikläden und Ver57 Ingamells und Raines 1976–1978, S. 3. 58 „Collected abroad by Mr Mercier“ und am 21. April 1724 versteigert. Zit. nach ebd., S. 2. Solkin 1993, S. 77, diskutiert Merciers Schwierigkeiten mit dem englischen Kunstpublikum in den 1720er-Jahren. 59 Ingamells und Raines 1976–1978, S. 2, Solkin 1993, S. 73–76. 60 Ingamells und Raines 1976–1978, S. 3–4. 61 Clayton 1997, S. 86–88. Zu weiterführender Hogarth-Literatur siehe oben, S. 19, 21. 62 Clayton 1997, S. 86–88. 63 Ebd., S. 86. 64 Ebd., S. 88.

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leger unterminierten das Monopol einzelner Händler, verbesserten die Bedingungen für die Entwerfer wie für die Stecher und richteten ein immer größer werdendes Angebot an einen immer breiteren Rezipientenkreis, wie Timothy Clayton in seiner grundlegenden Studie zur englischen Druckgrafik im 18. Jahrhundert zeigt:65 Der druckgrafische Markt wurde kommerziell. Erstmals boten die Grafikhändler ein breites Angebot; neben den Sammlergrafiken französischer Provenienz und der italienischen Druckgrafik – meist antiquarische Blätter aus dem 17. Jahrhundert – war ein wachsendes Spektrum an zeitgenössischen englischen Sujets zu haben. Die Angebote der lokalen Stecher reichten von Reproduktionsstichen der Altmeister in englischen und internationalen Sammlungen über Genreszenen, Berühmtheitengalerien und Pferdebildnisse, bis hin zu Blumenstichen mit beigelegter Kolorieranleitung und zielten auf das mittlere Preissegment.66 Diese Grafiken wanderten nicht mehr hauptsächlich in Sammlermappen, sondern waren Konsumgüter geworden. Die Anzeigen betonten neben den alten Geboten des Unterhaltens, Belehrens und Erfreuens zunehmend rein dekorative Aspekte ohne einen intellektuellen Nutzen: Sie bereicherten eine Gemäldesammlung, konnten sie ergänzen, gar kostengünstig ersetzen und schmückten die ganze Wohnung.67 Zu dieser wachsenden Gruppe von Grafiken gehörten Merciers Fancy Pictures. Als Maler von Bildvorlagen für den grafischen Markt entwickelte Mercier nun neue, von Watteau unabhängigere Bildthemen, die sich gleichwohl an populären Sujets der kontinentalen Genremalerei orientierten. Im Unterschied zur traditionellen Genremalerei jedoch konzeptionierte Mercier seine Sujets von Anfang an für einen offenen Markt. Der Erfolg seiner Bildfindungen war dabei eng an die Übersetzungsleistung des Stechers gebunden. Mercier hatte mit John Faber d. J. einen der besten Reproduktionsstecher Londons gewählt, der seine Grafiken ebenfalls selbst in London verlegte und sich auf die Technik des Mezzotintos spezialisiert hatte. Diese Technik gehört zu den Tiefdruckverfahren und war in England für die Vervielfältigung von Porträts perfektioniert worden. Die englischen Künstler waren stolz auf ihre meisterhafte Beherrschung.68 Für den Druck musste zunächst eine Platte vorbereitet werden, indem diese feinteilig und gleichmäßig aufgeraut wurde. Aus der so präparierten Grundierung arbeitete der Stecher die Zeichnung von Schwarz nach Weiß, wobei er in den dunkelsten Partien die Grundierung beließ und die hellsten Stellen bis zum Weiß polierte, mit Druckerschwärze einfärbte und schließlich auf Papier druckte. Mit dem Mezzotinto ließ sich grafisch der Effekt eines Ölgemäldes erzielen. Deshalb 65 66 67 68

Ebd., S. 129. Ebd., S. 125. Ebd., S. 129–154. Siehe z. B. die patriotische Einleitung in der Geschichte des Mezzotintodrucks des englischen Klerikers James Chelsum 1786, S. 1–3.

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eignete es sich besonders für die grafische Reproduktion von Gemälden. Wenn auch weniger Abzüge von einer Platte gemacht werden konnten als beim Kupferstich, hatte der Mezzotintodruck den Vorteil, eine schnellere und vor allem kostengünstigere Technik zu sein.69 Als Kunsthändler hatte Mercier gelernt, welche Bildthemen sich gut verkauften. Somit sind seine für die Reproduktion bestimmten Hurenbilder als Versuch zu sehen, sich mit einem populären Thema der Malerei auf dem grafischen Markt zu etablieren. Wie sogleich zu zeigen ist, setzte sich Mercier in den beiden Hurenbildern aus der ersten Reihe der Fancy Pictures von 1739 dabei deutlich mit dem Potential der Grafik, ihrer Reproduzierbarkeit, ihrer von der Malerei abweichenden Form der Rezeption durch das Format und das Material, das eine andere Form der Handhabung ermöglichte, und den durch die Integration von Bild und Text erweiterten Mitteln, Bildinhalte darzustellen, auseinander. In dem A Venetian Courtezan betitelten Stich (Abb. 20) präsentiert sich eine junge Frau annähernd frontal in einem Fensterrahmen, wobei sie ihren Kopf nach rechts gedreht hat und auffordernd zum Betrachter blickt.70 Über ihren Hinterkopf fällt ein Tuch die rechte Schulter hinab auf ihre tief dekolletierte rechte Brust und rahmt ihre mit einem Tuch geschmückten Locken. Ihre linke Schulter ist von ihrem Arm verdeckt, den sie erhoben hat, um mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf ihr Gesicht zu weisen. Die rechte Hand ruht ausgestreckt auf dem Fensterrahmen, ihr linker Zeigefinger ist leicht gekrümmt und weist auf die Bildunterschrift: „How diff’rent Beauty from its Self appears, / When it the Garb of Art and Boldness wears; / Th’inveigling Nymphs, who labour to display / Too many Charms, oft their own Force betray: / For Affectation shocks, not tempts, the Sight; / And check Desire, where most it would invite.“

Wie in Pallavicinos Hurenrhetorik beschreibt der Bildvers die Kurtisane als eine schöne Erscheinung, die nicht sie selbst ist (How diff’rent Beauty from its Self appears). Ihre Schönheit ist artifiziell und stellt vielmehr ein künstliches und verwegenes Gewand dar (the Garb of Art and Boldness). Durch die Drehung ihres Kopfs weist ihr erhobener Zeigefinger auf ihr Ohr. Sie selbst spricht den Vers und fordert zum Zuhören auf. Ihre Geste lässt an eine Allegorie des Hörsinns denken. Diese Anspielung löst der Bildtext in eine Reflexion über die sinnliche Anschauung auf: Sie selbst beschreibt sich als inveighing nymph, als Verführerin. Ihre Arbeit ist Zurschaustellung 69 Clayton 1997, S. 69–70, zeigt, dass das Verfahren mitunter weniger aus Kostengründen, sondern vielmehr aus patriotischen Erwägungen zum Einsatz kam. 70 John Faber d. J. nach Philip Mercier: A Venetian Courtezan, 1739. Kolorierter Mezzotinto, 332 x 230 mm. Sign., dat. British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 408. Ingamells und Raines 1976–1978, Nr. 201.

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(display). Gleichzeitig deutet ihr Zeigefinger jedoch auf ihre übergroßen, mandelförmigen Augen. Sie präsentiert den Betrachtern ihren Anblick (sight) und blickt zugleich zurück. Der Bildvers suggeriert also, dass eine Darstellung übergroß gezeichneter Augen, eines herzförmigen, kleinen Munds, fleischiger Unterarme71 und eines nach rechts hin offenen, aber links durch den Stoff ihres Kopftuchs bedeckten Dekolletés, das dadurch mehr andeutet, als es zeigt, sexuelles Verlangen weckt. Das Motiv der Frau am offenen Fenster schließlich hatte eine lange Tradition in der Darstellung sexuell verfügbarer Frauen.72 In Merciers Mezzotinto jedoch sollte die Kurtisane weniger verführen als schockieren, wie der Bildvers suggeriert (For Affectation shocks, not tempts, the Sight). Deshalb waren die Betrachter zur Reflexion über die Wirkung ihres Anblicks aufgefordert (And check Desire, where most it would invite). Stich und Bildvers stellten die Kurtisane also entsprechend Pallavicinos Prinzip der Hurenrhetorik vor: als Frau, die sich selbst als Objekt männlichen Verlangens zeigt und dadurch zugleich Begierde zu erzeugen und zu steuern vermag, wie Merciers Kurtisane ostentativ mit ihrem Fingerzeig betont. Diese Geste artikulierte zugleich eine Warnung vor dieser Technik der Verführung, wie der Bildvers unterstreicht. Dieser Hinweis galt jedoch weniger moralischen Erwägungen, sondern war, wie zu zeigen ist, vielmehr eine Aufforderung zum bewussten Sehen von Bildinhalt und Bildmedium, also der sich darstellenden Frau und dem grafischen Blatt. Dazu hatte Mercier nicht etwa irgendeine Kurtisane gewählt, sondern eine Venetian Courtezan, wie der Bildtitel präzisiert. Nachdem die venezianischen Kurtisanen seit dem 16. Jahrhundert in der Liebes- und Kunstliteratur als kluge und schöne Gesprächspartnerinnen eingeführt worden waren und ihnen Pallavicino seine Hurenrhetorik gewidmet hatte,73 galten sie seit dem 17. Jahrhundert in der Reiseliteratur der europäischen Grand-Tour-Reisenden als Sehenswürdigkeit: Die Lasterhaftigkeit der Kurtisanen gehörte ebenso in jeden Reisebericht über Venedig wie ihr Komplementär, die Tugendhaftigkeit der venezianischen nobildonne. Beide waren eine Attraktion: Die ehrbaren Frauen, weil sie in der Stadt unsichtbar blieben, und umgekehrt dazu die Kurtisanen, wegen ihrer Sichtbarkeit im Stadtbild und ihrer geradezu legendären Freiheit, die ihnen die Republik gewährte.74 71 Zur Erotik weiblicher Arme im 18. Jahrhundert siehe Darnton 2000, S. 102. 72 Zur Tradition der Frau am Fenster als erotisches Motiv siehe z. B. mit dem Argument der Augentäuschung Lairesse 1738, S. 360. Vgl. dazu Cavalli-Björkman 2002, Wolfthal 2010, S. 75– 119, und als Thema der holländischen Malerei Hammer-Tugendhat 2009, S. 32–33, S. 175–188, sowie als antikes Motiv Bettini 2008, S. 173–174. 73 Pallavicino 1992, S. 110. 74 Noch am 5.8.1783 notierte Wilhelm Heinse (1746–1803) in seinem Reisetagebuch, „die Huren in Venedig sind ein Kommerzartikel, und man schämt sich gar nicht, zu ihnen zu gehen oder welche zu halten.“ Sowie nach einer detaillierten Beschreibung ihrer Organisation: „Man geht oft zu ihnen zum bloßen Zeitvertreib, und lässt sich ihr Nackendes zeigen, wo ein Künstler die Schönheit der einzelnen Teile gut studieren kann; [...] Und außerdem braucht man sie mit ihren Erzehlungen Z.B. von der Verschiedenheit der männlichen Zeugungsglieder und Arten die Wollust zu genießen,

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Dieser Mythos der Freiheit der Huren war einer erfolgreichen Publicitykampagne seit dem 16. Jahrhundert zu verdanken, die einerseits auf der literarischen Verbreitung der Schönheit der venezianischen Frauen und andererseits auf Elegien zur klugen venezianischen Politik gründete.75 In seinem oben (S. 16–18) erwähnten Londoner Bordellprogramm Modest Defence of Publick Stews referierte Bernard Mandeville diesen Mythos als mustergültige Lösung von staatlich regulierter Prostitution: Als wesentliches Argument für die Einführung von Bordellen hatte Mandeville gefordert, zum Wohl und Schutz der ehrbaren Frauen einen kleinen Teil der weiblichen Bevölkerung der Prostitution zu opfern – eine Praxis, die sich in der venezianischen Republik seit Jahrhunderten bewähre, so Mandeville.76 Er gab dabei einen Topos wieder, den der Venezianer Girolamo Bardi (1544–1594) in seiner historischen Anthologie Delle cose notabili della città di Venetia 1587 in die Historiografie eingeführt hatte. Bardi zufolge ging die Regulierung der Prostitution in Venedig auf einen Beschluss der Serenissima des 15. Jahrhunderts zurück: Um die Ehre der Stadt (honestà della terra) zu bewahren, hätte die Republik seit dem Quattrocento gezielt Huren angesiedelt.77 Die Tradierung dieser offiziellen Begründung pflegte den Mythos der venezianischen Huren und wurde neben dem Karneval und den Kasinos als Fremdenattraktion in die Reiseliteratur integriert.78 Die topisch sich wiederholenden Besonderheiten der venezianischen Huren listete beispielsweise der preußische Schriftsteller Karl Ludwig von Pöllnitz in seinen 1739 in London erschienenen Memoiren exemplarisch auf: Die Huren lebten glücklich wie am Hof eines Sultans (als „Sultanas“), ihre Liebhaber behandelten sie mit großem Respekt und wie Prinzessinnen. Pöllnitz erzählt, er habe die Sängerin Faustina und die Kurtisane Stringuetta maskiert an der Seite von Edelleuten auf der Piazza San Marco gesehen, wobei ihnen die Männer die gleichen Ehren erwiesen hätten wie ehrbaren Damen.79

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wie eine Pucelle d’Orleans oder ein ander witziges Buch. Um dieses Vergnügen zu haben, muß man aber schon Stoiker genug sein, um sich wenigstens nicht so plump einzulassen, daß man das Venerische Übel an Hals bekäme.“ Heinse 2002, S. 200–201. Coci 1992, S. XI–XIII. Mandeville 1714, Remark H, S. 69. Bardi, Girolamo: Delle cose notabili della città di Venetia, Venedig 1587, Bd. 1, S. 24. Zit. nach Coci 1992, S. XI. Tatsächlich war mit der verstärkten Immigration seit dem frühen Quattrocento auch der Anteil der Huren gewachsen, den die Serenissima zu reglementieren und konzentrieren suchte, indem sie ihnen jeweils in Castelletti örtlich begrenzt Schutz gewährte und Kontrolle bot. Zur Geschichte der venezianischen Prostitution siehe zuletzt Scarabello 2006, hier S. 25–31. Zum ebenfalls diskutierten Thema der venezianischen Prostitutionspolitik als Mittel sozialer Kontrolle in der nichtvenezianischen Historiografie, siehe Coci 1992, S. XI–XIII. Hibbert 1987, S. 128. Zur Gattung der Reisebeschreibung in England siehe Chaney 1996. „These Creatures, excepting the little Liberty they enjoy, are as happy as Sultana’s. Their Lovers treat them like Princesses [...]. I have seen Faustina the famous Singer, and Stringuetta the noted Courtezan come mask’d upon the Square of St. Mark, leaning on the Shoulders of Noblemen, and every

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Vor diesem Hintergrund lokalisierte Mercier die Figur der Verführerin mit dem Bildtitel Venetian Courtizan als Attraktion eines konkreten Reiseziels in der Reiseliteratur, an dem sexuelle Wünsche in Erfüllung gehen konnten. So wie die Fremdenpolitik Venedigs bediente sich Mercier des Ruhms der venezianischen Huren, um ihn auf den Stich übertragen und ihn als Mittel der Werbung für seinen Mezzotinto einzusetzen. Analog dazu konzipierte Mercier einen weiteren Hurenstich der Reihe von 1739 als fernes Wunschobjekt, wobei im zweiten Blatt die antike Hetäre nicht die räumliche Entfernung, sondern die Zeit, die Distanz von Bildinhalt und Bildbetrachter garantierte. Merciers Mezzotinto Ammon’s great Son (Abb. 21) zeigt die Halbfigur einer jungen Frau in einem geöffneten Hemd.80 Sie führt ein Tuch ans Dekolleté, das die linke Brust zur Hälfte entblößt und blickt mit schräg geneigtem Kopf lächelnd nach links unten. Dort füllt die Rückseite eines Spiegels die Bildecke aus. Das Mädchen ist buchstäblich der einzige Lichtpunkt, wobei die Brust, die linke Schlüsselbeinpartie, Wangen und Stirn am stärksten akzentuiert sind. Ihre Haare sind gelöst und fallen in dichten Locken über ihre rechte Schulter. Die Wirkung offener Haare auf die Betrachter betonte bereits Ovid in der Liebeskunst, wenn er die Frauen ausdrücklich aufforderte, ihre Liebhaber zuschauen zu lassen, wenn das Haar offen über die Schulter fiel und gekämmt wurde.81 In der neuzeitlichen Malerei gehörten die Utensilien der Schönheitspflege zur Ikonografie der Venus vor dem Spiegel, wie Cathy Santore anhand von Tizians Toilettenszenen zeigt.82 In diesem Zusammenhang sind Spiegel, aber auch Tiegel, Bürsten und Kämme eher als Attribute erotischer Sujets und weniger als Vanitasthemen zu deuten.83

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Man paying them as much Obeisance as if they had been Ladies of great Importance.“ Pöllnitz 1739, Bd. 1, S. 421. John Faber d. J. nach Philip Mercier: Ammon’s great Son, 1739. Mezzotinto, 324 x 227 mm. Sign., dat. British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 409. Ingamells und Raines 1976– 1978, Nr. 163. Von diesem Mezzotinto ließ der Verleger Carington Bowles (1724–1793) in London vom Stecher Charles Spooner (1720–1767) einen zweiten, The Toilet betitelten Zustand drucken. Der Bildvers ist durch den Bildtitel ersetzt. Die auf dem Mezzotinto unten links gedruckte Nummer „94“ weist das Blatt als Teil einer Serie aus. Ovidius 1997, 3. Buch, vv. 235–236. Santore 1997, S. 179–180: Giovanni Paolo Lomazzo zählte „Gefäße, Spiegel und Gewänder und ähnliche Instrumente der Venus“ (Vasi, specchi, panni e simili istromenti di Venere) in seinem Malereitraktat zu den Motiven „künstlicher Liebe“ (amori sforzati). Lomazzo 1584, S. 357. Vgl. Phillippy 2006. Formal ist Merciers Stich Tizians Bildfindung der Toilette der Venus in der National Gallery in Washington D.C. entlehnt. Zur Ikonografie und Adaptionsgeschichte der Bildidee siehe Poglayen-Neuwall 1934. Dieses Format übertrug der Maler Thomas Hudson (1701–1779) auf eine Büßende Magdalena, die ebenfalls John Faber d. J. als Mezzotinto druckte. John Faber d. J. nach Thomas Hudson: Büßende Magdalena. Mezzotinto, 353 x 253 mm. British Museum, London. Vgl. dazu Santore 1997, S. 183–184.

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Der Bildvers von Merciers Stich eröffnet dem Motiv der Toilettenszene eine weitere Sinnschicht, indem er eine Identifizierung der Dargestellten anbietet: “Ammon’s great Son, who ravag’d Asia thro’, / Sigh’d, that more Thrones were wanting to Subdue, / Ye slaves to Glory, and an empty Name, / I envy not your Thirst of toilsome Fame; / Go, take in Worlds by Conquest as you please, / Leave me but Master of two Globes like these.“

In diesem als Monolog gestalteten Bildtext versichert die dargestellte Geliebte dem fernen Geliebten ihr Verständnis für seinen „Durst nach mühseligem Ruhm“ und ihre eingeschränkte Treue, indem sie ihn prosaisch weiterhin zum Herrn ihrer Brüste erklärt (Leave me but Master of two Globes like these). Durch diesen Bildvers erweitert sich der Bildinhalt, denn ob die Frau vor dem eigenen Spiegelbild sinniert oder vor einem Bildnis des abwesenden Geliebten, bleibt offen. Der ehrgeizige Geliebte, der wieder einmal in die Welt gezogen war, wird namentlich genannt: „Ammons Sohn“ ist Alexander der Große. Das Liebesleben des antiken Imperators war in England ein populärer Theaterstoff.84 Von seinen Geliebten käme im Kontext des Spiegels/Bilds Pancaspe bzw. Campaspe in Frage, die Plinius in der Naturkunde erwähnte: Alexander beauftragte den Maler Apelles, die Campaspe zu malen. Apelles verliebte sich beim Malen in sein Modell, worauf Alexander ihm seine Geliebte zum Geschenk machte.85 84 So z. B. in dem zuerst 1697 als Ode veröffentlichten Alexander’s Feast des Schriftstellers John Dryden [um 1739]. Alexander’s Feast beschreibt die betörende Wirkung der Musik des Hofmusikers Timotheus, die während eines Festmahls Alexander den Großen und Thaïs berauscht, wodurch die Kurtisane auf die Idee verfällt, den Königspalast von Persepolis anzuzünden und den Imperator dank ihrer Verführungskunst tatsächlich dazu überreden kann. 1781 widmete Joshua Reynolds dem Thema ein satirisches historisches Porträt der Kurtisane Emily Pott oder Bertie. Reynolds stellte Thaïs vor der brennenden Kulisse des Palasts mit einer Fackel in der Hand dar. Joshua Reynolds: Thais, 1781. Öl/Leinwand, 229,3 x 144,8 cm. The National Trust, Waddesdon Manor. Mannings 2000, Nr. 2167. Siehe Prochno 1990, S. 86–87, mit Bezug zu Lely. 85 „namque cum dilectam sibi e pallacis suis praecipue, nomine Pancaspen, nudam pingi ob admirationem formae ab Apelle iussisset eumque, dum paret, captum amore sensisset, dono dedit ei – magnus animo, maior imperio sui nec minor hoc facto quam victoria alia. quia ipse se vicit, nec torum tantum suum, sed etiam adfectum donavit artifici, ne dilectae quidem respectu motus, cum modo regis ea fuisset, modo pictoris esset. (Als er nämlich veranlaßt hatte, daß eine von ihm ganz besonders geliebte Nebenfrau, namens Pankaspe, wegen ihrer bewunderungswürdigen Gestalt von Apelles nackt gemalt werde, und dabei beobachtete, daß dieser, indem er gehorchte, selbst in Liebe entbrannte, gab er sie ihm zum Geschenk – groß durch seine Gesinnung, noch größer durch seine Selbstbeherrschung und durch diese Tat nicht weniger bedeutend als durch einen seiner Siege. Denn er hatte sich selbst besiegt und schenkte nicht nur seine Lagergenossin, sondern auch seine Neigung dem Künstler, wobei er sich nicht einmal durch Rücksicht auf die Geliebte abhalten ließ, die erst einem König gehört hatte und nun einem Maler gehören sollte.)“ Plinius 2007, S. 70–73 [35. Buch, 36, S. 85–87].

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Die Geschichte war sowohl in der neuzeitlichen Malerei wie in der Kunstliteratur bekannt und auch in der Theaterkultur Englands verbreitet: In der Kunstliteratur hatte Apelles seit dem 15. Jahrhundert Zeuxis als die höchste Autorität antiker Malerei ersetzt.86 Die neoplatonische Deutung der Campaspe-Geschichte betonte das Urteilsvermögen des Apelles, der wahre Schönheit erkennen konnte und sich folglich in die von Campaspe vertretene Schönheit verliebte. Dagegen hatte Zeuxis aus vielen Frauen die schönsten Teile auswählen und neu zusammensetzen müssen, um zu einer Bildfindung zu gelangen.87 Sodann war das Campaspe-Sujet als ein wichtiges Argument für das Thema über den sozialen Rang der Maler und ihrer Bezahlung an die Auftraggeber gerichtet. Schließlich hatte Alexander für das Bildnis der Campaspe Apelles ein „wunderbares, schönes und lebendiges Geschenk“ gemacht, wie Giorgio Vasari in der Einleitung seiner Künstlerviten schrieb und also seinen Maler seiner Leistung entsprechend entlohnt und gewürdigt.88 Vasaris Deutung lässt sich über Giovanni Belloris 1672 gedruckte Vite de’ pittori, scultori ed architetti moderni nach England verfolgen: Der Schriftsteller William Aglionby veröffentlichte 1685 eine auf deren Künstlerviten basierende Einführung in the Kunsttheorie, Painting illustrated in three diallogues, die ein Grundverständnis der Malerei und ihrer Terminologie in englischer Sprache vermitteln sollte.89 Aglionby referierte Vasaris Schwerpunkt der Würde des Malers: Alexander hätte die Malkunst des Apelles so hoch geschätzt, dass ein Bildnis aus seiner Hand ihm die reale Geliebte ersetzen konnte.90 Das Bildnis hatte somit den gleichen materiellen Wert wie die Campaspe selbst. Im englischen Theater war die Dreiecksbeziehung zwischen Alexander, Campaspe und Apelles seit elisabethanischer Zeit auf die Bühne gebracht worden: Die 1594 erschienene Komödie Alexander and Campaspe des englischen Dramatikers James Lylys fokussierte Alexanders Prioritäten, Eroberung und Machterhalt, die weit vor 86 Zum Motiv in der Kunstliteratur siehe Ferino-Pagden 1997 und als Thema der Malerei Gottdang 1999, S. 158–162, und Noll 2005. 87 Noll 2005, S. 42. 88 „[...] maraviglioso, bello e vivo dono che alla virtuosissima e eccelentissima opera d’Apelles fece Alesssandro il Magno“ in Giorgio Vasaris zweiter Ausgabe der Viten 1568, Vasari 1966, Proemio, S. 18. Siehe dazu Noll 2005, S. 43 und zur Lebendigkeit als „Ruhmtopos“ in der Kunstliteratur, Fehrenbach 2003, S. 156. 89 Aglionby 1685. Busch 2009, S. 119–121, diskutiert Aglionby bezüglich der Adaption des Topos der Lebendigkeit aus der Malerei auf den Mezzotintostich. Zu Aglionbys Dialogen im Kontext der englischen Kunstliteratur siehe Salerno 1951, S. 250–251, und Diers 1998. 90 „How much he lov’d Apelles, may be guess’d by the Nobleness of the Present be made him; for having by Alexander’s Command, drawn the Naked Picture of Campaspe, one of the most Beautiful Women of her Time, and Mistriss to that Great Prince, could not defend his Heart against such Charms, but fell desperately in Love with her; which Alexander perceiving, very Generously presented him with the Lady, thinking a Picture of his hand to be a sufficient Exchange for so great a Beauty [...].“ Aglionby 1685, S. 48–49, sowie Preface, o. S.

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der Geliebten rangierten.91 Campaspe wurde darin eine Wahlmöglichkeit zwischen Imperator und Maler, zwischen kurzfristigem Ruhm und beständiger Zuneigung, eingeräumt.92 Damit knüpfte Lylys Stück an ein weiteres Thema aus der antiken Erzählung an, das bereits Plinius in der Naturkunde angeschnitten hatte, indem er anmerkte, dass Alexander auf Campaspe keine Rücksicht genommen hätte, als er sie von der Königsmätresse zur Malergeliebten deklassierte.93 Das Campaspe-Thema war also sowohl aus der Malerei und der Kunstliteratur als Topos für die Frage nach der sozialen Stellung der Künstler als auch aus der Theaterkultur als Komödienstoff bekannt. In Merciers Mezzotinto referierte der Bildvers direkt auf eine Frage, die Plinius offen gelassen und für die Lylys Stück eine Antwort geboten hatte: wie nämlich Campaspe auf diese Behandlung durch Alexander reagierte. Wie in Lylys Komödie ließ der Bildvers nun Campaspe selbst zu Wort kommen. Anders jedoch als bei Lyly war Campaspe vor keine Wahl gestellt; Plinius folgend, stellte der Bildvers Campaspes Reaktion vor, nachdem Alexander sie Apelles überlassen hatte. Der Standpunkt der Campaspe war dabei eindeutig, indem sie Apelles überging, aber den Imperator ihres Verständnisses versicherte. Im Zusammenspiel von Bildvers und Darstellung ist die Person in Merciers Mezzotinto damit als die Hetäre Campaspe bei der Toilette zu deuten. Dieser Bildinhalt erweiterte zugleich das Motiv des Spiegels über den Moment ovidischer Reizung hinaus um die im Rahmen von Pallavicinos Hurenrhetorik besprochene artifizielle Verführungskunst der Huren. Pallavicino nämlich hatte den Spiegel als Mittel der Selbstkontrolle in der Rettorica delle Puttane eingeführt. In diesem Kontext verwendete die Hure den Spiegel nur in Abwesenheit der Freier: Als Beispiel wurde kein geringerer als Demosthenes angeführt, der beste griechische Rhetoriker, der seine Reden vor einem Spiegel übte, so Pallavicino: Mittels des Spiegels sollte die Hure ihren Blick schulen, um durch die akkurate Beobachtung jeder kleinsten, mimischen Bewegung der Brauen, der Augen oder Lippen, zum Anschein vollkommener, verführerischer Schönheit zu gelangen.94 91 Siehe dazu Tassi 2005, S. 66–97. Seit Lylys Stück Alexander and Campaspe war das Thema in immer neuen Varianten bis ans Ende des 18. Jahrhunderts aufgeführt und literarisch variiert worden, z. B. in dem Gedicht von Prior 1719, S. 55–56, To Mr. Howard. An Ode. Siehe dazu FerinoPagden 1997, S. 142. Außerdem parodierte das Stück Apelles’ Erkenntnisfähigkeit des Schönen: Campaspes Schönheit verunmöglichte es Apelles beinahe, das Porträt zu vollenden. Ob seine Liebe der Campaspe galt oder dem Gemälde, verkomplizierten scherzhafte Anspielungen auf den Pygmalionmythos und die Warnung, der Maler könne nicht beides, den Affekt und den Körper der Campaspe besitzen. Lyly 1584, 5. Akt, 3. Szene, o. S. und 3. Akt, 5. Szene, o. S. 92 Ebd., 4. Akt, 2. Szene, o. S. 93 „[...] ne dilectae quidem respectu motus, cum modo regis ea fuisset, modo pictoris esset.“ Plinius 1997, S. 72–73 [35. Buch, 36, 87], vgl. oben, S. 133. Lylys Komödie dagegen überführte diese Behandlung in eine zwischenmenschliche Beziehung, indem Alexander dem Paar in beiderlei Einverständis seinen Segen gab. Lyly 1584, 5. Akt, 4. Szene, o. S. 94 Pallavicino 1992, S. 94, und The Whores Rhetorick 1683, S. 216–217.

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Vor diesem Hintergrund funktionierte Merciers Campaspe vor dem Spiegel gemeinsam mit der Venetian Courtezan gleichsam als Vorher-nachher-Situation: Während sich die Hure vor dem Spiegel zurechtmacht und dabei ihre mimetischen Fähigkeiten übt und kontrolliert, um Alexander womöglich einmal zurückzuerobern, führt die Hure im Fenster diese Kenntnisse in der Praxis vor. Der Fingerzeig der Venetian Courtezan ist insofern nicht nur auf die unmittelbare Wirkung ihrer Blickkunst gerichtet, sondern betont neben dem Campaspe-Blatt die Künstlichkeit dieser Blicke, die gezielt Verlangen wecken sollten. Dabei richtet die Venetian Courtezan ihren Blick aus dem Bild auf die Betrachter und steigert mit ihrem Fingerzeig die Aufmerksamkeit auf den eigenen Betrachterblick. Darauf konnte diese eindringliche Ostension auf das eigene Erblicktwerden als körperliche Erfahrung des Betrachtens, als Schaulust bei der Betrachtung der halbnackten Campaspe erfahrbar werden. Diese vielschichtigen Deutungsebenen standen in gewisser Weise im Widerspruch zur mangelnden technischen Qualität der ersten Mezzotintos von Mercier. Vielleicht konzentrierte er deshalb die Themen seiner Fancy Pictures fortan auf einfachere Motive, die sexuelle Implikationen ohne ablenkende Reflexionen über das Medium darstellten und insofern weniger auf das Motiv der „Hure“ als erwerbsmäßige Verführerin referierte, sondern der Allusion der Hure im Sinne sexueller Verfügbarkeit zur Diffamierung und Sexualisierung von erwerbstätigen Frauen, von Dienstmädchen und Straßenverkäuferinnen, diente. Dazu zählte z. B. der 1744 veröffentlichte Mezzotintostich mit dem Titel Gay, Young and Airy (Abb. 22),95 der ein junges Mädchen mit einem kostbaren chinesischen Teeservice auf einem Tablett vorführt, das aus übergroßen, mandelförmigen Augen frontal zum Betrachter blickt. Der Bildverbeschreibt das Mädchen als begehrliches Objekt und setzt es dadurch mit dem Luxusgut des Porzellans in ihren Händen gleich. Dazu gehört ebenfalls das 1756 gedruckte und mehrfach raubkopierte Mezzotinto mit dem Titel The fair Oysterinda (Abb. 23),96 in dem die Darstellung der Austernhändlerin als Motiv der holländischen Genremalerei mit einem obszönen Bildvers kombiniert war, der das Austern95 John Faber d. J. nach Philip Mercier: Gay, Young and Airy!, 1744. Mezzotinto, 332 x 225 mm. Sign., dat. u. bez. „Gay, Young and Airy! who can guard this heart. / When Branty throws & Pertness points the Dart? / Who can resist when MOLLY means to move. / Wish all the Nature all the Art of Love? // Thanks to some gentle STAR whose kindly Grace, / Has wrote good Nature in her smiling Face. / An open look still speaks an honest Mind / and Dimpling cheeks declare ey. thoughts are kind.“ British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 416a (Additions I). Ingamells und Raines 1976–1978, Nr. 168. 96 Richard Houston (um 1721–1775) nach Philip Mercier: The Fair Oysterinda, um 1756. Mezzotinto, 335 x 253 mm. Sign. u. bez. „The Oysters good – The Nymph so Fair! / Who would not wish to taste her Ware? No need has she aloud to Cry ’em, / Since all who see her Fare must buy ’em.“ British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 137. Ingamells und Raines 1976–1978, Nr. 164. Postle 1998, Kat. 53–52.

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22  John Faber d. J. nach Philip Mercier: Gay, Young and Airy!, 1744

mädchen als Hure (nymph) bezeichnete und sie analog zu den – ebenfalls sexuell konnotierten – Austern als verkäufliche Ware schilderte.97 Dessen ungeachtet sollte das Einzelfigurenmotiv der Hure als Verführerin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem erfolgreichen Sujet werden, das den Künstlern in gleicher Weise als verkaufsförderndes Motiv und als Medium zur Reflexion über Lust und Schaulust dienen konnte.

97 Postle 1998, S. 77. Zur Assoziation der Auster mit den weiblichen Genitalien siehe Turner 1995, S. 421.

Hurenbilder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts  | 137

23  Richard Houston nach Philip Mercier: The Fair Oysterinda, um 1756

4.3. Hurenbilder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Nachdem Mercier die Figuren der venezianischen Kurtisane und der Hetäre zur Vermarktung seiner ersten Mezzotintos verwendet und Hogarth mit seinen Figuren der populären Kultur Londons Erfolge gefeiert hatte, tauchten Huren eine Generation später in unterschiedlichen Sujets der Grafik auf: Im Anschluss an William Hogarths Bildfindungen fanden sie als Protagonistinnen des Lebens in der Metropole einen prominenten Platz in der Karikatur,98 in Modestichen und auch – unabhängiger von der Bühne der Großstadt – in Fancy Pictures und in der Porträtgrafik. 98 Siehe dazu v. a. Carter 2004 und McCreery 2004.

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Diese größere Verbreitung hing mit der Etablierung der Grafik auf dem Kunstmarkt zusammen, zumal London in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als größter Umschlagplatz für Druckgrafik in Europa galt.99 Zugleich hatte sich das Londoner Kultur- und Vergnügungsangebot deutlich ausdifferenziert und erweitert. So führte der um 1782 erschienene Stadtführer London Guide seine Beschreibung der Londoner Hauptattraktionen nicht mehr mit den Gebäuden des politischen Zentrums, sondern mit den Theater- und Konzerthäusern ein.100 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts boten diese Häuser, wie Covent Garden oder Drury Lane Theatre, neben den neuen Vergnügungsorten Carlisle House, Ranelagh und Vauxhall Gardens, täglich Theateraufführungen, Konzerte, Ausstellungen, Bälle, Erfrischungen und andere Zerstreuungen, wie in den Anzeigen der Tageszeitungen und Journale zu verfolgen ist. Eine wachsende Menge an Personen fand die Zeit und die finanziellen Mittel, diese Angebote zu nutzen.101 Auf dem Sexmarkt gingen die Huren weiterhin auf den Straßen und in den Parks, in Theatern, Kaffeehäusern und Tavernen ihrem Geschäft nach und prägten das Stadtbild der wachsenden Metropole, jedoch war der Anteil gewerblicher Huren – analog zum Bevölkerungswachstum – gestiegen.102 Gleichzeitig hatten einige ihr Gewerbe professionalisiert und sich von der Straße zurückgezogen.103 Diese Tendenz verdeutlichen die Phänomene der Luxusbordelle und der Kurtisanen. Als „Nonnenkloster“ (nunneries) bezeichnete Luxusbordelle entstanden seit dem Ende der 1750erJahre nach Pariser Vorbild zuerst am Londoner King’s Place und propagierten jenen Service, den sich schon Mandeville 1724 für sein Konzept staatlicher Bordelle erwünscht hatte: Diese Bordelle wurden von namhaften Kurtisanen-Kupplerinnen geführt; die Freier erwartete Unterhaltung, Sauberkeit, Gesundheitsvorsorge in Form von Präservativen und wohlerzogene Huren.104 Anders als bei Mandevilles Konzept hatten diese Annehmlichkeiten jedoch einen Preis, der die Klientel auf einen kleinen Kreis beschränkte.105

99 Siehe Clayton 1997, S. 122–123, zu den Importen und Exporten um die Jahrhundertmitte und ebd., S. 261–282, zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 100 The london guide [1782?], S. 1–7: 1. Drury Lane Theatre, 2. Covent Garden Theatre, 3. Theatre Royal Haymarket, 4. Ranelagh Gardens, 5. Vauxhall Gardens und so fort. 101 Zur Konsum- und Vergnügungskultur Londons und deren Publikum siehe Brewer 1995 und ders. 1997, hier S. 56–122, sowie Berg 2005. 102 Die materialreichste und zugleich profunde Sozialgeschichte der Prostitution Englands im 18. Jahrhundert legt Trumbach 1998 in seiner kontroversen Studie zur Konstituierung der männlichen Geschlechteridentität um 1700 vor. Zu seinen Schätzungen, was den Anteil der Huren an der Bevölkerung betrifft, ebd., S. 112. 103 Ebd., S. 175, beschreibt dieses Phänomen im Zusammenhang mit dem Prozess der Domestizierung. 104 Ebd., S. 179. 105 Archenholz 1789, Bd. 2, S. 97–98.

Hurenbilder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts  | 139

Diese neuen Bordelle betrieben gezielte Öffentlichkeitsarbeit und fanden nun neben der obszönen Literatur in den Gesellschaftsjournalen und in der Druckgrafik mediale Beachtung.106 Libertine Schriften verschoben die Bordellvorstellungen der obszönen Literatur des 17. Jahrhunderts auf die Ebene „authentischer“ Berichterstattung: Der Bordellführer Nocturnal Revels ersetzte topische Figuren wie die alte Bordellwirtin durch reale Kurtisanen-Kupplerinnen wie Charlotte Hayes (um 1725– 1813), lokalisierte sie anhand konkreter Adressen und listete identifizierbare Freier aus Gesellschaft und Politik auf. Die Schilderungen der Venus- und Tahitifeste im Bordell von Charlotte Hayes, welche damit Modethemen wie die klassische Antike oder neu entdeckte Welten zum Motto hatten,107 transformierten die skopische Welt der alten Bordellbeschreibungen, die sich nur Kennern erschloss, zu erlebbaren und wiederentdeckbaren arkadischen Orten.108 Die Beschreibungen konkreter erotischer Choreografien ersetzten nun die Anweisungen zum Bildgebrauch der Literatur des 17. Jahrhunderts.109 So wie die Kupplerinnen und Bordellwirtinnen etablierten sich einige Huren selbst als professionelle Unternehmerinnen. Seit der Jahrhundertmitte gelang es einer größer werdenden Anzahl von Frauen, sich in einem der Luxusbordelle, von einem oder mehreren finanzkräftigen Liebhabern als kept mistresses ausgehalten, oder gar als Ehefrau eines ehemaligen Freiers, eine – wenn auch oft prekäre – finanzielle Unabhängigkeit zu erwirtschaften.110 Die Darstellung der Huren in der Malerei vergleicht Martin Postle in seinem Aufsatz zu Reynolds’ Kurtisanenbildnissen mit den Hetären des antiken Griechenlands, wie sie der Althistoriker James Davidson in seiner Studie über die Leidenschaften im antiken Athen charakterisiert, und bezieht sich auf zwei Formen des Malermodells in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Während im akademischen Zeichenunterricht anonyme Straßenhuren den Malern Modell standen, ließen sich zugleich Kurtisanen wie Kitty Fisher (gest. 1767) oder Nelly O’Brien (gest. 1768) im Atelier von Joshua Reynolds, dem Präsidenten der Akademie, porträtieren.111 Der Grad und die Qualität der Sichtbarkeit des weiblichen Körpers differenzierte 106 Z. B. über das Bordell der Charlotte Hayes A genuine Account of the Monastery of Santa Charlotta im anonymen Leserbrief „To the Authors of the Town and Country MAGAZINE“, in: Town and Country Magazine 1, Februar, 1769, S. 65–67. Über das Bordell der Sarah Pendergast im anonymen Leserbrief „To the Printer of the Town and Country MAGAZINE“, in: Town and Country Magazine 10, November 1778, S. 566. 107 Zur Integration von arkadischen Südseevorstellungen und gewerblichem Sex in den Bordellbeschreibungen siehe L. Rosenthal 2006, S 186–188, zur Südseemode ebd., S. 179–198. 108 Zu den Bordellfesten siehe Trumbach 1998, S. 179. 109 Siehe dazu unten, S. 181–182. 110 Zur Struktur und Topografie des Londoner Sexmarkts im 18. Jahrhundert Trumbach 1998, S. 117–195, hier. S. 179–181. 111 Postle 2003, S. 29.

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Hure und Kurtisane: Der gänzlich nackten Hure vor der Gruppe der Zeichnenden in der Akademie stand die zumindest teilweise bekleidete Kurtisane im diskreten und halbprivaten Ambiente des Ateliers einem einzigen Künstler gegenüber. Davidson erklärt die Ausprägung der Sichtbarkeit des Frauenleibs in der antiken Kultur zu einer „Ökonomie des Betrachtens“, die gleichzeitig die Hetären von den pornai, den Huren, unterschied.112 Die antike Sozialstruktur differenzierte die Ehefrauen von allen anderen. Die Ehefrauen lebten, dem öffentlichen Leben verborgen, hinter verschiedenen Schichten: den Mauern der Häuser und Frauenräume (mychoi), die sie abschirmten, den Kleidern, die ihre Körper verhüllten und die selbst wie Gebäude aufgefasst wurden.113 Als gegensätzliches Extrem warben dagegen die antiken pornai nackt, jederzeit und für jedermann sichtbar. Davidson beschreibt diese beiden Extreme von Ausschluss und Zurschaustellung nicht als zwei in privat und öffentlich abgesonderte Sphären, sondern als äußerste Pole einer „Skala der Reize“, die männliches Begehren stimulierte und es nicht, wie sonst angenommen, unterdrückte und kompensieren ließ.114 Zwischen diesen beiden Polen äußerster Sichtbarkeit und Verborgenheit bewegten sich die Hetären. Phryne, eine der berühmtesten der griechischen Hetären, soll diese Gratwanderung meisterhaft beherrscht haben: Erschien sie bei öffentlichen Anlässen, so entblößte sie sich nie völlig und beließ damit den Anblick ihres Körpers bei Andeutungen, zog sich aber auch nie völlig zurück und ließ Gerüchte über ihre Schönheit streuen. Ein einziges Mal nur zeigte sie sich nackt: Als sie der Gottlosigkeit angeklagt war und ihr Leben auf dem Spiel stand, riss ihr der Verteidiger vor Gericht die Kleider vom Leib und erwirkte durch diesen Effekt Gnade. Nur eine jahrelang verfolgte, kalkulierte „Ökonomie der Sichtbarkeit“ konnte eine solche Wirkung auf die Geschworenen erzielen, so Davidson.115 Ebenfalls in London diente die Sichtbarkeit des Frauenleibs im wirtschaftlichen Leben der Stadt als ein Kriterium sozialer Differenzierung.116 Insofern scheint Davidsons Modell nicht nur auf die Inszenierung der bekannten Kurtisanen zuzutref112 Davidson 2002, S. 150. 113 Mychos bezeichnet nicht nur den verborgensten Teil des Hauses, sondern auch die Vulva, die durch Falten der Scham verbogen wird. Ebd., S. 153. 114 Ebd., S. 151. 115 Ebd., S. 157–158. 116 Bereits in der obszönen Literatur des 17. Jahrhunderts waren die Straßenhuren analog zu Händlerinnen, die ihre Ware bei sich trugen und lautstark anpriesen, als Händlerinnen und Ware zugleich beschrieben worden. Siehe oben, S. 15. 1683 hatte Marcellus Laroon den Stich London courtezan (Abb. 3) als Teil des wirtschaftlichen Lebens zwischen Fischverkäuferinnen, Straßenakrobaten und Buchhändlern in seine Serie von Berufsdarstellungen, dem Kaufruf Cryes of the City of London aufgenommen. Anstatt einer Ware stellte diese Kurtisane sich selbst als solche zur Schau. Zu Laroons Kaufruf siehe Shesgreen 1990. Zu Laroons Courtezan als Bildtyp im Kontext von Hogarths Bildfindung von A Harlot’s Progress siehe Hallett 1999, S. 108–112, und ders. 2000, S. 86–88.

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fen, sondern ist auch in Bezug auf die Darstellung des Londoner Sexmarkts in der Literatur und in den Bildwerken als Kategorie der Beschreibung anwendbar. Die Gruppe der erfolgreicheren Huren nämlich benutzten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Technik der Selbstvermarktung; sie bedienten sich der populären Druckkultur, wie Marcia Pointon und Cindy McCreery zeigen:117 Die besser bezahlten Huren, die sich nun selbst Kurtisanen nannten, ersetzten die direkte Werbung auf der Straße durch die Druckgrafik, sie verschwanden jedoch nicht aus dem Stadtbild. Sie flanierten in den Parks, besuchten die Theaterhäuser, die Maskeraden und Bälle. Ohne ihre Profession deutlich zu machen, führten sie ihre Schönheit, ihre aufwendigen Kleider, modische Frisuren und tadellose Manieren vor.118 Sie ließen sich von namhaften Malern porträtieren und ihre Bildnisse über die Druckgrafik verbreiten. Umgekehrt bedienten sich die Freier wie die Maler gezielt der Bekanntheit einzelner Kurtisanen im Sinne von Statussymbolen oder für die Vermarktung der eigenen Werke.119 Joshua Reynolds’ Gemälde Kitty Fisher als Kleopatra z. B. wurde unmittelbar nachgestochen (Abb. 24).120 Nicolaus Penny vermutet, dass Reynolds’ Bildfindung von den Zeitgenossen ohne den auf Kitty Fisher verweisenden Bildtext auf dem Reproduktionsstich nie mit der Kurtisane in Verbindung gebracht worden wäre.121 Die Semantisierung als Hurenbild also konnte gezielt als ein Mittel der Vermarktung eingesetzt werden. So wie Phrynes Entblößung vor Gericht fanden jedoch die ungeplanten Momente öffentlicher Sichtbarkeit besonderes Interesse, wie der als „glücklicher“ Reitunfall (Merry Accident) bekannt gewordene Sturz Kitty Fishers im Jahr 1759: Ihr Pferd war im Londoner St James’s Park durchgegangen und ließ die Hure unverletzt, aber mit hochgeschlagenen Kleidern auf dem Boden zurück. Die Karikatur Merry Accident (Abb. 25) fokussiert diesen für die Umstehenden unverhofften Blick auf die Beine 117 McCreery 2004, S. 86–91. Pointon 2004 weist in einen detaillierten Überblick zu den satirischen Schriften, Grafiken, Gemälden und Schmuckstücken, die in den 1760er-Jahren von und über Kitty Fisher publiziert wurden, auf das grundlegende Motiv des Luxuskonsums, das Druckund Bildwerke verbindet, von der Episode der Kitty Fisher, die eine Banknote verspeiste, über die Schilderungen ihrer mit Diamanten übersäten Kleidung bis zum Auflösen der Perle in Reynolds Kitty Fisher als Kleopatra und der Übertragung dieser Motive in reale Preziosen. 118 Die spektakulären Auftritte einzelner Frauen wie Charlotte Hayes, Kitty Fisher, Nelly O’Brien oder Emma Hamilton an öffentlichen Orten und die Berichterstattung darüber inszenierte diese, zusammen mit ebenso wenig gesellschaftsfähigen Schauspielerinnen, als Berühmtheiten, die den fehlenden Glamour des englischen Hofs ersetzten. McCreery 2004, S. 85. 119 Postle 2003. 120 Joshua Reynolds: Kitty Fisher als Kleopatra, 1759. Öl/Leinwand, 76 x 63 cm. The Iveagh Bequest, Kenwood. Mannings 2000, Nr. 612. Richard Houston nach Joshua Reynolds: Kitty Fisher als Kleopatra, 1759/1765. Mezzotinto, 318 x 227 mm. British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 36. Siehe auch unten, S. 184. 121 Penny 1986, Kat. 34, S. 195–196.

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24  Richard Houston nach Joshua Reynolds: Kitty Fisher als Kleopatra, 1759/1765

der Kurtisane, welche im Zentrum vor ihrem davongaloppierenden Pferd zu Fall kommt: Vor dem Gaffer am rechten Bildrand holt einer seine Brille hervor, während sein Nachbar sich hinkniet, um mit der Lupe einen besseren Blick auf die Kurtisane zu haben.122 Kitty Fisher stand damals am Höhepunkt ihrer Laufbahn und benutzte die Karikatur wiederum für ihre Zwecke. Noch im gleichen Monat beschwerte sie sich in 122 Merry Accident, or a Print in the Morning. A Chair, a Chair for the Lady!, um 1759. Kupferstich. The Library of Congress, Washington, D.C. McCreery 2004, S. 89–91. Diese Szene wurde ebenfalls 1760 in Paul Sandbys (1725–1809) Kaufruf von London zum Bildgegenstand: Der Liederverkäufer im ersten Blatt ist betitelt mit „Fun upon fun, or the first and the second part of Miss Kitty Fishers Merry thought. No joke like a true joke. Come, who’l fish in my fishpond?“ Paul Sandby: Fun upon fun, 1760. Radierung, 208 x 153 mm. British Museum, London.

Hurenbilder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts  | 143

25  Merry Accident, or a Print in the Morning. A Chair, a Chair for the Lady!, um 1759

einem Leserbrief an den Public Advertiser über ihre Darstellung in der Presse (abused in public papers) und ihre Zurschaustellung in Grafikläden (exposed in printshops), um gleichzeitig auf die Veröffentlichung ihrer Jugenderinnerungen zu verweisen, die in derselben Ausgabe angekündigt wurde.123 Daran zeigt sich, wie die Darstellung namhafter Huren in den Druckmedien ihre Inszenierung im kulturellen Leben ergänzte. Die Grafik hatte die Werbung auf der Straße ersetzt oder erweiterte sie. Die kalkulierte Inszenierung in der Öffentlichkeit und in der Druckgrafik wurde insofern im Sinne Davidsons als Ökonomie der Sichtbarkeit eingesetzt und diente dabei sowohl der Selbstvermarktung der Huren als auch der Künstler.124 Die Huren 123 „The Juvenile Adventures of Miss KITTY F-R, Vol. 1.“ bei „Stephen Smith, in Pater-noster Row“ mit der Ankündigung des zweiten Bands für die nächste Woche. Public Advertiser, 27. März 1759. 124 Zur Selbstvermarktung der Kurtisanen siehe A. Rosenthal 2003 und McCreery 2004, S. 84, und der Künstler am Beispiel Reynolds Postle 2005 und Clayton 2005 sowie differenzierend Pointon 2004 und zuletzt Wien 2009, hier S. 372, die auf die Analogie von „Kennerschaft und Mätressentum“ weist.

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erreichten damit einen ähnlichen Effekt von celebrity erotics, wie sie oben (S. 117) mit Roach für Lelys hundert Jahre zuvor geschaffene Porträts der Frauen aus dem höfischen Umfeld diskutiert wurde. Lady Castlemaine hatte Pepys aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Ausstattung und der Gerüchte über ihr Sexualleben fasziniert; deshalb und trotz ihrer Rolle als kritische Figur wollte er ihr Porträt haben. Ebenfalls ließen die erfolgreicheren Huren des 18. Jahrhunderts Gerüchte über Schönheit und ihre Liebhaber streuen – wie Kitty Fisher – und zeigten im kulturellen Leben der Stadt Präsenz – im Theater, in den Vergnügungsgärten, bei Festen, in der Presse und der Grafik. Diese Huren wurden über die Klientel definiert, wie die Mätresse über den König. Die Kategorisierung erfolgte jedoch nicht mehr über den sozialen Stand der Freier, sondern über den ökonomischen Status.125 Solcherart konnte eine hochbezahlte Hure zu einer gleichermaßen unerreichbaren Berühmtheit werden wie eine Mätresse des Königs. In gleicher Weise funktionierte die Übertragung der Kurtisane als Wunschobjekt auf den Stich als käufliche Ware durch die assoziative Gleichsetzung von Bildinhalt und grafischem Blatt. Diese Form der Werbung eröffneten den Männern jedoch zugleich auch alternative Formen des Konsums: Wie in Crispijns Kurtisanenspiegel konnte sich der im Bild visualisierte Kaufanreiz auf den Erwerb der Grafik beschränken und die Rezeption des Stichs lustvoll erfahren lassen. Vor diesem Hintergrund entstanden ebenfalls Grafiken, die weniger namhafte, unbekannte oder heute nicht mehr identifizierbare Huren darstellten und die in der Kunstgeschichte bisher vor allem im Zusammenhang mit grafischen Satiren und Karikaturen diskutiert werden.126 Diesen Fokus ergänzend, ist am Beispiel der Hurenbilder des Stechers und Verlegers John Raphael Smith nach der spezifischen Form der Verhandlung von Schaulust in diesen Stichen zu fragen, wobei Witz und Satire einen, jedoch nicht den ausschließlichen, Sinngehalt stellen.

4.4. Smiths Hurenbildnisse John Raphael Smith etablierte sich als einer der erfolgreichsten Stecher und Verleger in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: mit Reproduktionen alter Meister, als Mezzotinto Engraver des Prince of Wales, in Nachstichen der Gemälde von Malern 125 „Die Courtisane, die sich für einen sehr hohen Preis verkauft“, schreibt Georg Simmel im ausgehenden 19. Jahrhundert über Die Rolle des Geldes in den Beziehungen der Geschlechter, „erhält damit ›Seltenheitswert‹ – denn nicht nur werden die Dinge hoch bezahlt, die Seltenheitswert besitzen, sondern auch umgekehrt erhalten ihn diejenigen Objekte, die aus irgendeinem sonstigen Grunde, sei es auch nur aus einer Laune der Mode, einen hohen Preis erzielen.“ Simmel 1992, S. 65. 126 Bes. Carter 2004 und McCreery 2004.

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26  John Raphael Smith: Mademoiselle Clermont, 1777

27  John Raphael Smith: Mrs. Fitz-William, 1777

wie Joshua Reynolds und Thomas Gainsborough und als Verleger dieser Stiche und eigener Bildfindungen, die über England hinaus in ganz Europa kursierten, wie Julia Frankau 1902 und Ellen D’Oench 1999 in ihren Werkmonografien darstellen.127 Zu seinen eigenen Bildfindungen gehörte eine Reihe von Hurensujets, die vor allem in den 1770ern-Jahren entstanden sind.128 In einer 1777 veröffentlichten Serie von Mezzotintostichen stellte Smith insgesamt sechs Frauen in Halbfiguren hinter ovalen Rahmen dar.129 Das Kompositionsprinzip ähnelt dem in Crispijns Kurtisanenspiegel: Unter dem Stich bezeichnet der Bildtitel die Frauen jeweils als Mademoiselle Clermont (Abb. 26),130 Mrs. Fitz-William 127 Frankau 1975 (1902), Nr. 64, Nr. 70., Nr. 85, Nr. 143, Nr. 148, Nr. 247. D’Oench 1999, Nr. 99–104. 128 Zu den satirischen Stichen wie zum Beispiel All Sorts (D’Oench 1999, Nr. 68), A Lady in Waiting (D’Oench 1999, Nr. 154) oder der Serie Proverbs, VII (D’Oench 1999, Nr. 163–164), in der er Psalmen aus dem Buch der Sprüche mit den erfolgreichen Verführungstechniken Londoner Huren kombinierte, siehe D’Oench 1999, S. 45–52, und Carter 2004, S. 65–66. 129 D’Oench 1999, Kat. 99–104, sowie S. 42–45. Mit der Serie eröffnete Smith ein Porträtformat, das er bis zum Ende der 1780er-Jahre in loser Folge weiterführte. 130 John Raphael Smith: Mademoiselle Clermont, 1777. Mezzotinto, 264 x 195 mm. Sign., dat. u. bez. „Mademoiselle Clermont“. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 104.

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28  John Raphael Smith: Miss Chambers, 1777

29  John Raphael Smith: Miss Frederick [Catherine Frederick], 1777

(Abb. 27),131 Miss Chambers (Abb. 28)132, Mrs. Frederick (Abb. 29),133 Miss Montague (Abb. 30)134 und Miss Carter (Abb. 31).135 Sie sind frontal, im Dreiviertelprofil oder Profil dargestellt, tragen zeitgenössische Kleidung und aufwendige Frisuren und Hüte. Smith artikulierte ebenfalls die erotische Wirkmacht von Frauenbildnissen, aber verstärkte diese durch deutliche Signale sexueller Verfügbarkeit, die in dieser Serie von Blatt zu Blatt als graduelle Variation zu verfolgen sind. Von Stich zu Stich wenden sich die Frauen immer mehr zu den Betrachtern hin. So ist Mademoiselle Clermont im Profil nach links präsentiert, während Mrs. Fitz-Williams auch im Profil nach links sitzt, doch den Kopf dreht und aus dem Bild blickt, und schließlich Miss Montagues frontal zum Betrachter direkt hinter ihrem Rahmen steht. In gleicher 131 John Raphael Smith: Mrs. Fitz-William, 1777. Mezzotinto, 265 x 203 mm. Sign., dat. u. bez. „Mrs. Fitz-Williams“. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 102. 132 John Raphael Smith: Miss Chambers, 1777. Mezzotinto, 265 x 200 mm. Sign., dat. u. bez. „Miss Chambers“. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 103. 133 John Raphael Smith: Miss Frederick [Catherine Frederick], 1777. Mezzotinto, 264 x 201 mm. Sign., dat. u. bez. „Miss Frederick“. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 101. 134 John Raphael Smith: Miss Montague [Harriet Montague], 1777. Mezzotinto, 260 x 200 mm. Sign., dat. u. bez. „Miss Montague“. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 99. 135 John Raphael Smith: Miss Carter, 1777. Mezzotinto, 265 x 202 mm. Sign., dat. u. bez. „Miss Carter“. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 100.

Smiths Hurenbildnisse  | 147

30  John Raphael Smith: Miss Montague [Harriet Montague], 1777

31  John Raphael Smith: Miss Carter, 1777

Weise öffnete Smith die Kleidung der dargestellten Frauen von Blatt zu Blatt zu verschiedenen Zuständen der Ver- und Enthüllung: Mademoiselle Clermonts glänzendes Seidenkleid ist hochgeschlossenen, aber eng geschnitten und körperbetont, Mrs. Fitz-Williams gibt einen leichten Einblick in den Kragen, aber zeigt ihren nackten Unterarm, der auf ihrem Rock liegt, wobei die linke Hand zwischen ihren Beinen verschwindet. Mrs. Frederick ist in ihrem Brust- und Schultertuch, ihrer Haube und ihren Handschuhen in mehrere Stofflagen gehüllt und lädt ein, diese geistig zu entfalten.136 Die anderen drei Frauen führen unterschiedliche Formen des DekolletéTragens vor: Der tiefe, leicht verrutschte Ausschnitt Miss Chambers, der Zustand des Deshabillé bei Miss Montague, bei der die Bänder ihres Mieders sich ebenso gelöst haben wie ihr Brusttuch, und schließlich die lediglich durch ein geschickt gewickeltes Stück Gaze bedeckte Brust Miss Carters. Miss Chambers und Miss Montague halten jeweils einen Brief in der Hand. Miss Chambers Brief ist noch nicht geöffnet, gut leserlich präsentiert sie die Adresse „Miss Chambers“ den Betrachtern.137 136 Siehe unten, S. 165–166. 137 Dieses Motiv hatte auch Crispijn d. J. in den Genreszenen des Kurtisanenspiegels verwendet, dort hatte die Kupplerin den Huren Briefe ihrer Freier übergeben (Abb. 6, Abb. 7). Zum Motiv des Briefs in der Malerei des 17. Jahrhunderts vgl. Hammer-Tugendhat 2009, S. 253–258. Siehe

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32  John Raphael Smith: The Young Wanton, 1776, aus der Serie Ladies in fashionable Dresses

Sodann richten alle Frauen mit Ausnahme von Mademoiselle Clermont den Blick aus dem Bild direkt zu den Betrachtern. Diese Form der Kommunikation der Dargestellten mit den Betrachtern durch den Blick hatte Smith bereits in seinem 1776 gedruckten Mezzotinto The Young Wanton (Abb. 32) dargestellt, aber eindeutig als die Werbung einer Hure bezeichnet, wie im Bildtext unter dem Stich formuliert ist:138 „Lust not after her beauty in thine heart: neither let her take thee with her eye-lids. For by means / of a whorish woman a man is brougth to a piece of breads.“

dagegen zum Brief mit dem lesbaren Namen der Empfängerin als Zeichen sexueller Verfügbarkeit unten S. 177. 138 John Raphael Smith: The Young Wanton, 1776. Kolorierter Mezzotinto, 350 x 250 mm. British Museum, London. D’Oench 1999, Kat. 72. Das Mezzotinto The Young Wanton entstammte ebenfalls einer Serie: Seit 1776 veröffentlichte Smith bei dem Londoner Verleger Carington Bowles eine Reihe von Hurenbildern mit dem Titel Ladies in fashionable Dresses. D’Oench 1999, S. 46–47, weist auf die akkurate Darstellung der Kleidung und die Souveränität hin, mit der die Frauen diese trugen. Das unterscheidet diese Frauen von zeitgleichen Modekarikaturen.

Smiths Hurenbildnisse  | 149

Der Bildtext gibt eine Warnung vor Ehebruch aus dem alttestamentarischen Buch der Sprüche wieder („Proverbs Ch. VI. Vers. 25 & 26“). Im Zusammenspiel mit dem Bild jedoch überträgt der Text den moralischen Gehalt des Zitats auf die Verführungstechniken der Hure und fordert die Betrachter auf, sich weder durch die Schönheit noch durch den Blick der Frau auf dem Mezzotinto verführen zu lassen. Auf dem Hurenstich meinte der Bibelspruch dabei weniger eine moralische Belehrung, sondern er kehrte diese Bedeutung vielmehr in ironischer Weise um: Er versicherte die erotische Intention des Hurenblicks, verwies auf die Schönheit der Dargestellten und betonte, welche Wirkung diese auf die Betrachter haben sollte.139 In der Porträtserie dagegen verzichtete Smith auf ironische Texte und ließ den Eros sich subtiler über den Blick, die Kleidung, die Enthüllung von Haut, die Gestik entwickeln. Der Bildtext diente hier der Identifizierung der Dargestellten – ein Stilmittel, das oben in Crispijns Kurtisanenspiegel diskutiert wurde. Smiths Hurenbilder jedenfalls galten als Porträts von Huren: Der Schriftsteller Henry Bromley listete sie in seinem 1793 veröffentlichten Catalogue of Engraved British Portraits als nach dem Modell gezeichnete Bildnisse ad vivum auf.140 Auf der Rückseite des einen Abzugs des Blatts Mrs. Fitz-Williams vermerkt John Chaloner Smith in seinem Corpus der britischen Mezzotintostiche, dass „ihr Preis zehn war“.141 Als potentiell identifizierbare Bildnisse von Huren sind Smiths Hurenporträts im Zusammenhang mit den Hurenkatalogen zu denken, wie sie in London seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert gedruckt wurden – D’Oench charakterisiert Smiths Mezzotintos als visuelle Gegenstücke dazu.142 Als langlebigstes Journal des 18. Jahrhunderts erschien seit dem Ende der 1750er-Jahre der Hurenkatalog Harris’s List of Covent Garden Ladies über vier Dezennien lang jährlich in Druck.143 139 Zum ironischen Einsatz von Bibelsprüchen in Smiths Hurenbildern siehe D’Oench 1999, S. 48– 50. 140 Bromley 1793, alphabetisch nach dem Namen des Modells geordnet: Mademoiselle Clermont, S. 433, Mrs. Fitz-William, S. 436, Miss Chambers, S. 433, Mrs. Frederick, S. 436, Miss Montague, S. 441 und Miss Carter, S. 433. Miss Montague identifizierte Bromley, ebd., S. 443, ebenfalls in Smiths 1781 gedruckten Stich Promenade at Carlisle House (D’Oench 1999, Kat. 184). 141 „Her price was Ten Guineas“ von einem „Mr. Gulston“, einem Vorbesitzer des Blatts. Chaloner Smith 1883, Bd. 3, S. 1268, zufolge hatte ein weiterer Besitzer des Stichs aus dieser Bezeichnung das „her“ teilweise ausgelöscht, so dass es schien, als gelte der Preis von zehn Guineen für den Stich und nicht für die Frau. Er bezieht sich dabei wahrscheinlich auf einen Stich aus seiner eigenen umfangreichen Sammlung, die nach seinem Tod zerstreut worden ist. Zit. bei D’Oench 1999, S. 42 und S. 274, Anm. 4. Sie verweist auf das Town & Country Magazine vom Mai 1777, S. 346, das eine Mrs. Fitz-Williams als gebürtige Irin und lady of the town nennt, nicht nur das, sondern Smiths Stich als Nr. XIX Hibernian Thais in der Serie Histories of the Téte-à-téte annexed abdruckt. 142 „Visual counterparts“, D’Oench 1999, S. 51, und ohne Bezug darauf Carter 2004, S. 65. Zu den zotigen Hurenkatalogen des 17. Jahrhunderts, die Huren mit dem Waren- und dem Heiratsmarkt gleichsetzten, siehe Turner 1995. Zu italienischen Vorläufern siehe oben, S. 89, Anm. 64. 143 Angeblich in einer Auflage von 8000 Stück, wie Archenholz 1789, Bd. 2, S. 102, behauptete. Zur Entstehungsgeschichte von Harris’s List siehe Benedict 2002, S. 33–34, sowie Rubenhold

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Harris’s List enthielt das angebliche Verzeichnis von Huren verschiedener Preisklassen des Londoner „Generalkupplers“ (Pimp General) Jack Harris samt der Adresse der Frauen, ihren biografischen Skizzen und zotig-scherzhaften Beschreibungen ihrer Vorzüge. Wie Hallie Rubenhold in ihrem Buch zu Harris’s List darstellt, war der Londoner Kellner Jack Harris alias John Harrison in den 1750er-Jahren als Kuppler tätig gewesen und hatte, wie andere Kuppler auch, Listen über die verfügbaren Huren geführt.144 Nachdem er 1759 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, überließ Harris dem irischen Gelegenheitsschreiber Samuel Derrick das Recht, seine Liste literarisch aufzubereiten und als Harris’s List zu veröffentlichen. Unter verschiedenen Autoren wurde Harris’s List bis 1794 jährlich neu geschrieben bzw. kompiliert: Obwohl in einzelnen Jahrgängen alte Geschichten lediglich neu zusammengestellt waren, behauptete jede Ausgabe, reale Huren zu repräsentieren.145 Elizabeth Campbell Denlinger weist in ihrem Aufsatz zur Funktion von Harris’s List auf John Duntons gegen Ende des 17. Jahrhunderts erschienenes Journal The Night-Walker und die darin beschriebene Hurengalerie, wie das Motiv oben (S. 53) im Zusammenhang mit Crispijns Kurtisanenspiegel diskutiert wurde, hin: Harris’s List bot eine Textversion zur Hurengalerie, aber arbeitete mit derselben Trope der Übertragung eines potentiell risikoreichen, aber begehrten sozialen Umgangs auf der Ebene sicherer Wahrnehmung von Bild und Text, so Campbell Denlinger.146 Wie in der Diskussion von Crispijns Miroir des courtisannes deutlich geworden ist, ging es dabei weniger um eine moralische Distanz, als um eine Verlagerung des Konsums vom Frauenkörper auf die Grafik und in diesem Sinne um eine Auffächerung der Möglichkeiten des Gebrauchs, der erotischen Erfahrung und des lustvollen Schauens. Als wesentliches Mittel hatte Crispijn d. J. dabei die Möglichkeit der Identifizierung der Dargestellten gedient: Die potentielle Zuordnung des Originals vermochte den Eros einer weiblichen Gestalt bei Crispijn mit dem spezifischen Reiz einer Hure in ihrer Verfügbarkeit darzustellen und auf das Konsumieren der Grafik zu übertragen. Dadurch bot er nicht nur eine soziale Distanz zu den realen Frauen 2009 mit zahlreichen Transkriptionen aus einzelnen, seltenen Jahrgängen und weiterführender Literatur. Zum Kontext der obszönen Literatur zuletzt Campbell Denlinger 2002 und in Bezug auf den Londoner Sexmarkt Trumbach 1998, S. 183–184. 144 Rubenhold 2009, S. 62–63, S. 72–73, S. 76–77, sowie ebd., S. 80–82 zu Jack Harris’ angeblichem Whore’s Club, dessen Organisation in der Lebensgeschichte der Kurtisane Fanny Murray geschildert worden war. Memoires of the celebrated Fanny Murray 1759, Bd. 1, S. 60–67. 145 Sam Derrick verfasste Harris’s List wohl von 1757 bis zu seinem Tod 1769. Danach werden gemeinhin verschiedene, jedoch gegenwärtig nicht identifizierte Autoren vermutet. 1794 erschien das letzte Exemplar. Beim Versuch, 1795 eine weitere Auflage zu veröffentlichen, wurden ihre Verleger, die Buchhändler John Aitkin, John und James Roach, 1794 und 1795 im Zuge des neuen Gesetzes zur Verbesserung der Sitten von Georg III. zu Haftstrafen verurteilt. Rubenhold 2009, S. 128–132, S. 324–331. Siehe auch Benedict 2002, S. 33–34. Campbell Denlinger 2002, S. 372. 146 Campbell Denlinger 2002, S. 360–361, mit Turner 1995, S. 431, argumentierend.

Smiths Hurenbildnisse  | 151

an, sondern suggierte auch, das Begehren nach realen Huren auf Objekte zu übertragen, die tatsächlich halten konnten, was sie versprachen. Smith ist in diesem Punkt einen Schritt weiter gegangen als Crispijn de Passe. In ihrem Werkkatalog nennt Julia Frankau 1902 sechs, gegenwärtig nicht mehr identifizierbare Frauenakte, die Smith als zu den sechs Bildnissen gehörend gedruckt hatte.147 In diesem Zusammenhang sind die oben (S. 60) mit Menninghaus eingeführten „Paarungsmöglichkeiten“, die Bildwerke „jenseits der Kommunion der Geschlechter“ anbieten, in praktischer Weise als multimedialer Gebrauch von Hurenbildern weiterzudenken. In einer hypothetischen Situation des Gebrauchs von Smiths Hurenporträts, den dazugehörigen Akten und Harris’s List wären folgende Szenarien lustvollen Betrachtens vorstellbar: Zuerst im Vergnügen beim Betrachten der einzelnen Stiche und ihrer Anordnung, dann bei der Kombination der Porträts mit den Aktstichen und dem Suchen nach dem passendem Kopf und bekleideten Oberkörper zum nacktem Körper, schließlich bei der Konfrontation der Stiche mit der aktuellen Ausgabe von Harris’s List: Smiths Porträts konnten mit den Beschreibungen des Hurenkatalogs verglichen werden, die Lebensgeschichten konnten als inspirative Stützen der eigenen Imagination bei der Betrachtung der Stiche dienen, die Mezzotintos konnten Harris’s List bebildern, den Huren ein Gesicht und einen Körper geben und sie so als Objekte vor Augen stellen. Trotz der ähnlichen Funktion unterscheiden sich Crispijns und Smiths Hurenbilder wesentlich in ihrer Umsetzung: Während die Hurenstiche Crispijn d. J. nicht von den Bildnissen ehrbarer (aristokratischer) Frauen unterscheidbar waren und erst ihre Bildtexte und der Kontext des Stichbuchs, des Miroir des courtisannes, die Bildnisse als Hurenbilder bezeichnete, funktionierte Smiths Format umgekehrt. Die Bildtitel identifizierten die Dargestellten und wiesen die Stiche als Frauenporträts aus, ihre Darstellungen folgten dabei nur den Konventionen der Bildnismalerei, um sie zu stören und die Porträtierten solcherart als Huren vorzustellen. Das Prinzip des Hurenbilds funktioniert also umgekehrt zu den bisher besprochenen Modi: Pepys wollte Lelys Porträt Lady Castlemaines aufgrund des Rufs der Dargestellten. In Crispijns Kurtisanenspiegel bezeichneten das Frontispiz und – wie in Merciers Mezzotintos – die Bildtexte die Frauen als Huren. Dagegen wies Smith die Frauen nicht textuell als Huren aus; stattdessen stellte er die Dargestellten selbst im Bild als Huren dar, indem die Frau durch die Kombination verschiedener Elemente – den Blick, die Gestik und die Unordnung der Kleidung – sexuelle Verfügbarkeit signalisierte. 147 Frankau 1975 (1902), S. 19, beschreibt diese Stiche als unveröffentlichte Abzüge, – „whole lengths, in the ›altogether‹“ – für einen privaten Abnehmerkreis. Sie kannte die Blätter nicht aus eigener Anschauung, aber beruft sich auf einen kenntnisreichen Informanten, der ihr versichert hätte, diese Stiche gehörten zu den besten Arbeiten in Smiths Werk. Siehe auch D’Oench 1999, S. 274, Anm. 3.

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Dieses Prinzip hatte der Maler Matthew Peters zeitgleich als Fancy Picture visualisiert. Das Hurenbild in dieser Form ist abschließend nun am Beispiel Peters’ zu diskutieren.

5. Urbild und Replik. Die Hure im Schlafzimmer

Der Maler Matthew William Peters (1742–1814) war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als reverend painter of Venuses bekannt geworden.1 Vor seiner Priesterweihe Anfang der 1780er-Jahre hatte Peters sich als Maler erotischer Sujets einen Namen gemacht. Seine Bilder zeigten jedoch nicht den klassischen Kanon der Venusvariationen, wie die Bezeichnung „Venusmaler“ nahelegt, sondern moderne Liebesgöttinnen: Peters hatte Huren gemalt (Farbtafel, Abb. 34, Abb. 37). Als Reverend distanzierte er sich von diesem erotischen Œuvre, zeigte 1782 demonstrativ An Angel carrying the Spirit of a Child to Paradise in der Royal Academy und beschäftigte sich die restlichen dreißig Jahre seines Lebens mit religiösen Sujets und den Bildnissen der königlichen Familie oder ehrwürdiger Akademiemitglieder.2 1791 widmete ihm der Karikaturist James Gillray das satirische Porträt A modern cherub (Abb. 33): Peters blickt in Halbfigur als sommersprossiger Putto mit ausladenden Locken und Flügeln verzückt mit offenem Mund nach rechts oben, von wo aus er göttliches Licht empfängt.3 Diese Anspielung auf die mythische Ekstase eines Heiligen verdankte Peters seiner Priesterweihe. Die Bezeichnung als modern cherub dagegen zielte im Sinne von Hogarths modern morals subjects auf sein profanes Sujet der Huren und kehrte die Allusion der Heiligenvision ironisch um.4 Trotz des Spotts über seine Sujets und seine berufliche Laufbahn galt Peters in seiner Zeit als erfolgreicher Maler. Er verfügte über eine solide Ausbildung und erhielt als gerade Neunzehnjähriger den Preis der Society of Artists.5 Er bereiste mehrfachEuropa und kannte die französische Genremalerei wie auch die italienischen, flämi1 Den ersten kunsthistorischen Beitrag leistet Sée 1911, wobei er sich auf Peters Frankreichreisen konzentriert. Manners 1913 stellt erstmals die Gemälde und die Grafiken zusammen und würdigt Peters malerische Anerkennung in seiner Zeit über sein anekdotisches Potential hinaus. Ihre Werkmonografie gilt bis heute als Standardwerk. Waterhouse 1953 folgte Manners Einschätzung und beschrieb Peters als Pionier der britischen Genremalerei und Pendant zu kontinentaleuropäischen Malern wie Jean-Baptiste Greuze. Pointon 1997 stellte in ihrer Studie zur Repräsentation von Frauen in der englischen Kultur des 18. Jahrhunderts Peters erotische Frauenbildnisse seinen religiösen Bildern gegenüber und fragte erstmals nach medialen Parallelen. Die weitere Verortung in der englischen Kulturproduktion unternahm Postle 1998, der Peters erotische Frauenbildnisse im Rahmen der Ausstellung „Fancy Pictures“ als Teil des Genres zeigte. 2 Zum religiösen Œuvre siehe Manners 1913, S. 43. 3 James Gillray: A modern cherub. Vide, Peters, 1791. Radierung und Aquatinto, 140 x 86 mm. British Museum, London. George 1938, Nr. 7965. 4 Vgl. den von Manners 1913, S. 19, zitierten Spottvers des Satirikers John Wolcot alias Peter Pindar, in dem Peters mit dem heiligen Lukas verglichen wird, wobei jedoch Peters seinen Engeln die Gesichter von Drury-Lane-Huren male. Pindar, Peter [John Wolcot]: The works of Peter Pindar, Bd. 1, London 1794, Ode XII, S. 44–45. 5 Manners 1913, S. 3.

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33  James Gillray: A modern cherub. Vide, Peters, 1791

schen und holländischen „Klassiker“. In Rom und Florenz studierte er Rubens, Correggio und Barocci, in Venedig Tizian und in Paris Greuze. 1765 wurde er Mitglied der Society of Artists, nahm nach der Gründung der Royal Academy 1769 an den Ausstellungen beider Vereinigungen teil und war bis in die 1780er-Jahre Mitglied der Royal Academy.6 Er arbeitete hauptsächlich als Porträtmaler, wobei er seine Aufträge über einen weiten Kreis von einflussreichen Bekannten und Förderern bezog, die ihm 1769 Zugang zu den Freimaurern verschafft hatten.7 Einen erheblichen Anteil an seinem Œuvre aus Porträts, Genre- und Heiligenbildern hatten dabei seine erotischen Frauenbilder, mit denen er zwischen 1776 und 1779 nach einem längeren, zweiten Aufenthalt in Venedig und Rom seine Karriere in England wieder aufnahm. Wie Philipp Merciers 6 Ebd., S. 5–6. Die Mitgliedschaft der Royal Academy legte er 1788 ab, um sich ganz seinen Seelsorgeaufgaben zu widmen. Ebd., S. 25. 7 Ebd., S. 5, zu den Auftraggebern siehe S. 9–10.

Urbild und Replik. Die Hure im Schlafzimmer  | 155

Hurenstiche und Joshua Reynolds’ Kurtisanenporträts gehören sie thematisch in die Gattung der Fancybilder. Die Frauen in Peters Gemälden blicken mit entblößten oder teilweise nackten Brüsten direkt zum Betrachter. Anders als bei Mercier und Smith sind die Frauen bei Peters in konkreten Interieurs lokalisiert: Sie liegen oder sitzen auf einem Bett oder Diwan, auf dicken Kissen und flauschigen Decken. Ebenfalls im Gegensatz zu Merciers und Smiths Werken entstanden die Gemälde im traditionellen Verhältnis von Künstler und Auftraggeber für reiche Aristokraten und nicht für den freien Kunstmarkt. In diesem Kontext stellt sein Bildschema nicht mehr die Hure in einem lockenden Moment der Anbahnung dar, sondern die – bereits bezahlte – Liebhaberin in Erwartung des Geliebten an einem intimen Ort. Peters verzichtete dabei auf mythologische Attribute und namhafte Kurtisanen. Seine Bilder zeigten weder königliche Mätressen noch zeitgenössische Berühmtheiten wie die Kurtisane Kitty Fisher, die Joshua Reynolds so oft Modell gesessen hatte,8 sondern anonyme Frauen, die nachträglich mit weiblichen Vornamen betitelt wurden, wie Peters Lydia (Abb. 34). Zwei der Auftraggeber für Peters Frauenfancys sind namentlich bekannt.9 Einer der beiden – Richard Grosvenor, 1. Earl Grosvenor (1731–1802) – war ein aristokratischer Politiker, wohlhabender Kunstsammler, Mäzen und ehebrecherischer Schürzenjäger in Personalunion, der Huren frequentierte, Mätressen aushielt und gar eine seiner Favoritinnen unterstützte, ein eigenes Bordell aufzubauen:10 Lord Grosvenor war ein Wüstling, ein rake, und seine libertinen Vorlieben waren im Zuge seines Ehebruchskandals Ende der 1760er-Jahre publik geworden. Seine damalige Ehefrau Henrietta Grosvenor, Countess Grosvenor (um 1745–1828) war mit dem Bruder des Königs Georg III., Henry Frederick, Duke of Cumberland and Strathearn, in flagranti erwischt worden. In dem darauf folgenden Scheidungsverfahren versuchte Henrietta ihre Ehre wiederherzustellen, indem sie ihren Ehemann des wiederholten Ehebruchs beschuldigte. Dafür hatte sie in den einschlägigen Adressen Londons Huren auftreiben lassen, die bereit waren, für sie auszusagen. Der Prozess wurde bis ins kleinste Detail kolportiert und die Gerichtsprotokolle in mehreren Auflagen gedruckt.11 In den 1770er-Jahren tauchten die nunmehr geschiedenen Grosvenors in der obszönen Literatur als Komparsen hedonistischer Veranstaltungen auf.12 8 Zu Reynolds Kurtisanenbildnissen siehe insbes. Postle 2003 und Pointon 2004. 9 Manners 1913, S. 9. 10 Als einer der wohlhabenden, jungen Kunstkäufer, „boys with twenty and thirty thousand a-year“, bei einer Auktion erwähnt ihn etwa Horace Walpole bitter in einem Brief vom 10. Februar 1758 an Horace Mann, Walpole 1857–1859, Bd. 3 (1857), Brief Nr. 541, S. 127, als Frauenheld Casanova 1985, Bd. 9, S. 382, S. 396, in der Episode mit der Kurtisane Charpillon, als Kunde und Mäzen der Kurtisane Ann Sheldon, in den Authentic and interesting memoirs of Miss Ann Sheldon 1787, Bd. 4, S. 69–71, S. 103–107, S. 202–213, und als Cornuto, in Town and Country Magazine, 2, August 1770, S. 402. 11 Vgl. etwa die mehrere hundert Seiten umfassende Ausgabe Copies of the Depositions of the Witnesses examined in the Cause of Divorce [...], London 1771. Wagner 1988, S. 127. 12 Nocturnal Revels 1779, Bd. 2, S. 210, S. 212–214.

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34  Matthew William Peters: Lydia, 1776/1777

Ihre Geschichten enthielten Beschreibungen über den Gebrauch von Bildern, verwendeten Bildbegriffe und verwiesen auf existierende Grafiken. Das über das aristokratische Paar verbreitete schriftliche und bildliche Material der populären Druckkultur bietet sich an, die hier vorgenommene werkzentrierte Analyse als Fallbeispiel der Rezeption und Funktion von Hurenbildern zu diskutieren. Der erste Teil dieses Kapitels ist noch einmal der Frage nach der Wirkung von Schaulust gewidmet. Danach ist die Inszenierung der Hure hinsichtlich ihrer Rolle in Grosvenors Auftrag in den Blick zu nehmen. Ein eigenes Kapitel beschreibt Peters’ ehrgeizige Bildlösung. Darauf aufbauend sind anschließend die Wirkung des Hurenbilds im Reproduktionsstich und sein Verhältnis zum Gemälde auszuloten.

Hure, Venus — Peters, Tizian  | 157

35  Tizian: Venus von Urbino, 1538

5.1. Hure, Venus – Peters, Tizian Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien malte Peters 1776 für Lord Grosvenor ein Gemälde einer liegenden weiblichen Halbfigur, das heute als Lydia bekannt ist, und das noch im selben Jahr als Stich gedruckt wurde.13 Man hat Kenntnis von sechs Varianten des Bilds, der Verbleib des Grosvenor’schen Gemäldes ist also nicht mehr eindeutig rekonstruierbar.14 In den zwei nahezu identischen Varianten in öf13 Neben Manners 1913, S. 54, passim, widmen die beiden öffentlichen Sammlungen im Besitz einer Lydia ihren Varianten, Tate Gallery 1996, S. 55–57, in London und Monkhouse 1991 in Rhode Island, ausführliche Katalogbeiträge. Zuletzt findet Lydia im Rahmen von Peters’ erotischem Genre bei Postle 1998, Kat. 74, S. 86–87, Beachtung und wird von Pointon 1997, S. 252–268, in Konfrontation mit seinen sakralen Bildern diskutiert. D’Oench 1999 verzeichnet Smiths Reproduktionsstiche von Peters’ Gemälden in ihrem Werkkatalog. 14 Monkhouse 1991, S. 35, hält es für verloren. Grosvenors Gemälde wurde nach der Auktion 1802 wahrscheinlich am 2. Juli 1812, Lot 10, bei Coxe’s in London als The Girl in Bed. Painted for the late Earl Grosvenor verkauft und tauchte 1813, 1815 und zuletzt am 15. März 1844 auf dem Londoner Kunstmarkt bei Foster’s, Lot 44, als Portrait of a handsome Young Girl in Bed; engraved auf, wo es von einem Kunsthändler erworben wurde. Tate Gallery 1996, S. 56–57. Manners 1913, S. 54,

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fentlichen Sammlungen, in der Londoner Tate Gallery (Farbtafel, Abb. 34) und im Museum of Art der Rhode Island School of Design in Providence, liegt Lydia unterlebensgroß in Halbfigur auf einem Bett.15 Das Licht fällt von links oben auf die Szene und beleuchtet das Mädchen und die Decken im Vordergrund. Ihr Hemd ist über die rechte Schulter gerutscht und entblößt Schulter und Brüste. Ihr schmales Gesicht ist unter einer kunstvoll drapierten, übergroßen Haube verschattet.16 Sie hat ihren Kopf auf die rechte Schulter gelegt und blickt von ihrem Kissen aus dem Bild heraus direkt zum Betrachter. Den Prototyp einer isoliert liegenden, nackten Frauenfigur, die ohne Handlung und Erzählung direkt aus dem Bild zum Betrachter blickt,17 hatte Peters vermutlich bereits 1763 in Florenz gesehen:18 Tizians Venus von Urbino (Abb. 35) befand sich seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der Medici und diente der fürstlichen Sammlung zusammen mit der Aktskulptur Medici-Venus als Glanzstück der Tribuna in der großfürstlichen Galerie. Das Gemälde galt als „Pflichttermin“ für alle Florenzbesucher und als meistkopiertes Bild der Florentiner Sammlungen, von dem besonders die englischen Grand-Tour-Reisenden Kopien anfertigen ließen.19 Grosvenors Lydia wurde bald nach seinem Tod mit einem Teil seiner Sammlung verkauft. Der Auktionskatalog vermerkte zwei als Liegende Venus betitelte Gemälde. Eines davon war Tizian zugeschrieben, das andere Peters.20 Es ist nicht dokumentiert, ob Lord Grosvenor einen „echten“ Tizian besessen hat.21 Wohl eher handelte es sich vielmehr um eine der vielen in England kursierenden Kopien nach dem Venezianer.22 Der Auftrag einer weiteren liegenden Frauenfigur an Peters ist in diesem kannte vier in Frage kommende Varianten des Gemäldes. Inzwischen sind zwei weitere und eine Ölskizze hinzugekommen. 15 Matthew William Peters, Lydia, 1776/1777. Öl/Leinwand, 64,2 x 77 cm. Tate Gallery, London. Matthew William Peters, Lydia, Öl/Leinwand, 63,5 x 6,2 cm. Museum of Art, Rhode Island School of Design. Die Datierung des Gemäldes in der Tate Gallery 1996, S. 55 auf 1777 ist mit den Abweichungen zu Dickinsons Mezzotinto begründet. Die leicht differenzierende Gestaltung der Vorhangdraperie und der Stirnfransen sowie die genaue Ausführung der Hände könnte jedoch auch durch die Übersetzung des Gemäldes in die Grafik bedingt sein. Vgl. unten S. 194. 16 Diese Hauben waren in Modestichen und Porträts als modische Accessoirs der Zeit verbreitet, so trägt ebenfalls John Raphael Smiths Miss Frederick eine ähnliche Haube (Abb. 29). 17 Arasse 1997, hier S. 92. 18 Nachweislich kopierte Peters im Palazzo Pitti Rubens’ Justus Lipsius und seine Schüler. Manners 1913, S. 3. 19 Tizian: Venus von Urbino, 1538. Öl/Leinwand, 119 x 165 cm. Galleria degli Uffizi, Florenz. Einen Überblick zur Rezeption der Venus von Urbino bieten Agostini und Allegri 1978, Kat. 30, S. 125–135, hier S. 128–129. 20 „Titian – [Lot] 58 The Couchant Venus / Peters – [Lot] 59 Ditto“. A Catalogue of Part of the Capital Collection 1802, S. 6, Lot 58–59. 21 Tate Gallery 1996, S. 57. 22 Agostini und Allegri 1978, Kat. 30, S. 128–129. Zur Praxis, eine Sammlung mit Kopien und Druckgrafiken unerschwinglicher oder unerreichbarer Gemälde zu vervollständigen, siehe Pears 1988, S. 170.

Hure, Venus — Peters, Tizian  | 159

Zusammenhang als Bestellung eines modernen, englischen Gegenstücks zum Tizian zu verstehen.23 Dafür schien Peters 1776 prädestiniert: Er hatte während seiner letzten Italienreise insbesondere Tizians Werke in Rom und Venedig studiert, und er ließ sich bei seiner Rückkehr als English Titian feiern.24 Tatsächlich folgte Peters Tizians Florentiner Sujet mit der liegenden Frau und ihrem Blick aus dem Bild.25 Aber Peters beschäftigte ausschließlich die Figur der Venus in der linken Bildhälfte.26 Sein Bildausschnitt ist auf den weiblichen Körper und die ihn umgebenden Stoffe fokussiert. Indem er dem ganzfigurigen Akt der Venus eine nur teilweise entkleidete – vielmehr kunstvoll umhüllte – Halbfigur zur Seite stellte, konzentrierte er seine Auseinandersetzung mit dem Urbild auf die Stoffe über, um und auf der nackten Haut einer Frau. Im Hintergrund von Lydia ist der grüne Vorhang eines Betts zu erkennen, der nach vorne, zum rechten Bildrand hin, seitlich aufgeschlagen ist. Der Vorhang schließt rechts etwa dort das Bild ab, wo bei Tizian ein Vorhang derselben Farbe hinter der Venus exakt das Bild halbiert. Tizians Vorhang schafft der Venus ihren eigenen Raum im Bild, wie Daniel Arasse minutiös beschreibt.27 Tizian ermöglichte diese Raumkonstruktion, die Venus von den Mägden im Hintergrund zu trennen. Der vereinheitlichende Bildraum setzte Venus und die Mägde aber gleichzeitig in Beziehung zueinander sowie zum Betrachter.28 Bei Peters hingegen fällt die Draperie flach hinter Lydia herab, während sie nach vorne hin rechts zur Seite gerafft ist. Peters übernahm Tizians raumaufteilende Funktion des Vorhangs, aber er drehte ihn um 180 Grad und platzierte ihn am Bildvordergrund. Peters hat die Aufgabe des Vorhangs bei Tizian verstanden, aber sie neu zugewiesen, indem er die Vorhangdraperie vor Lydia setzte.29 Der Vorhang schafft und teilt keine bildinternen Räume, sondern er bezeichnet einen Ausschnitt und erzeugt eine Spannung: Denn ungefähr dort, wo 23 Tate Gallery 1996, S. 57. Zur Auseinandersetzung englischer Maler mit Tizian in den 1780erJahren siehe Wien 2009, S. 366–368. 24 So in der anekdotenverliebten, englischen Kirchengeschichte John Dorans: „[...] in his purely artistic capacity he painted Venuses, and gained thereby the name of the English Titian. His recumbent Lydia was covered with a gauze, which the ›wits‹ called Episcopal lawn.“ Doran 1868, S. 110. Zit. bei Manners 1913, S. 6. 25 Den Bezug zu Tizians Venus bemerkt zuerst Monkhouse 1991, S. 34, und verweist auf Zoffanys Tribuna. 26 Tizians mehrdeutige Motive, wie die Blumen, der Hund und die Dienstboten im Hintergrund, die vielschichtige Leseweisen anbieten, interessierten Peters (und den Auftraggeber) nicht. Sie bieten die Grundlage für die stark differenzierten modernen Interpretationsversuche der Venus von Urbino, die sich im Wesentlichen in zwei Lager, Hochzeitsallegorie und Kurtisanenbildnis, teilen. Siehe den Überblick von Bohde 2002, S. 127–131. 27 Arasse 1986, S. 16–24. Die Ergebnisse verknüpft Arasse 1997, S. 91–107, mit rezeptionsästhetischen Fragen. 28 Arasse 1986, S. 23. 29 Arasses formale Analyse ist dadurch auch rezeptionshistorisch verifiziert.

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er das Bett rechts überschneidet und den Bildrand markiert, liegt bei Tizian die linke Hand der Venus zwischen ihren Beinen auf ihrem Geschlecht. Lydias rechter Arm hingegen verschwindet unter der Bettdecke. Ob ihre Hand unter der Decke auf ihrem Bauch liegt oder ob sie zwischen ihren Beinen hinter dem Vorhang verschwindet und Lydia masturbiert,30 bleibt offen. Der Vorhang dient so als Szenenvorhang einer kleinen erotischen Bühne, von der aus uns Lydia anblickt. Peters’ Zeitgenossen schätzten den direkten Blick aus dem Bild Venus von Urbino unterschiedlich ein. Die Venus beschrieben sie einhellig als „bewunderungswürdige“ und „wollüstige“ Figur,31 für die eine Mätresse des Künstlers oder des Herzogs von Urbino Modell gestanden hätte und interpretierten die Haltung ihrer linken Hand auf ihrem Geschlecht übereinstimmend als sexuelle Geste.32 Während Marquis de Sade jedoch von den schönsten Augen der Welt schwärmte,33 notierte der englische Historiker Edward Gibbon 1764 in seinem Reisebuch seine Verwunderung über die Mimik der Venus, „die nicht mehr zu empfinden scheint, was ihre Bewegung anregt“.34 Diesen Verdacht über den kühlen Blick der Venus, hinter dem sich vielleicht doch der gekonnt vorgetäuschte Liebesblick einer Hure verbergen könnte, hat Peters wiederum im Gesicht Lydias abgemildert: Ihre Augen sind verschattet, so dass ihr Blick weit weniger klar und reflektiert erscheint als in Tizians Mädchengesicht. Der Kopf liegt außerdem so geneigt, dass zwischen der dunklen Haut ihrer Wange und der Helligkeit ihres Inkarnats der Schultern nicht zu unterscheiden ist, ob Gesicht und Schulter sich berühren und ihre Haltung entspannter erscheint als die kontrollierte Pose der Venus, in der sie konzentriert innehält. Daniel Arasse hat den direkten Blickkontakt der Venus von Urbino als Dialektik von Nähe und Distanz beschrieben: Als Aktfigur ist sie reines Schauobjekt, doch indem sie sich nicht nur betrachten lässt, sondern aktiv zurückblickt, ist sie sich bewusst, gesehen zu werden und sie weiß, dass sie gesehen wird, während sie sich berührt. Ihr Blick lädt zur Berührung ein, doch zugleich ist sie für die Betrachter als gemalte Frau unberührbar.35 Dabei ist sie in der unteren Bildhälfte so nah am Bildrand, also hin zum Betrachter platziert, dass sie tatsächlich berührt werden könnte. Aber ihr Format von 119 cm Länge verlangt Abstand, um sie ganz betrachten zu 30 Zur Ikonografie von masturbierenden Frauen im 18. Jahrhundert siehe Sheriff 1990, S. 108. 31 „Mais peut-on oublier la Venus de Titien, morceau admirable et voluptueux“ aus Edward Gibbons Reisetagebuch, Bonnard 1961, S. 186. 32 Giuseppe Bianchi bezeichnet sie in der vor 1769 entstandenen Guida della Galleria degli Uffizi als „confidente del Duca d’Urbino“. Zit. nach Agostini und Allegri 1978, Kat. 30, S. 125. Der Marquis de Sade erwähnt sie als Mätresse Tizians. Sade 1967, S. 151. 33 Sade 1967, S. 151. 34 „Je suis seulement surpris qu’avec une attitude où tout dispose à la voluptè la Venus ne paroit pas ressentir davantage les mouvemens qu’elle inspire.“ Bonnard 1961, S. 186–187. 35 Arasse 1997, S. 102.

Hure, Venus — Peters, Tizian  | 161

können. Ihre Berührung ist unmittelbar mit unserer Seherfahrung verbunden, aber muss eben eine solche bleiben.36 Während ihr Blick und ihr Format Distanz fordern, bietet sich ihr Körper von jedem Standpunkt aus dem Auge an, wie Daniela Bohde anmerkt: Man kann ihren Scheitel sehen, obwohl die Betrachterhöhe neben ihrem linken Auge markiert ist. Ihr Bauch und ihr Geschlecht haben eine starke Aufsicht, ihre rechte Seite ist jedoch so sichtbar, als knie man vor dem Bett.37 Tizian konstruierte seine Venus mittels perspektivischer Paradoxa so, dass sie von allen Betrachterwinkeln aus den Eindruck erweckt, im Mittelpunkt zu sein. So unterwirft sie den Betrachter ihrem Blick.38 Die Erfahrbarkeit des Bilds setzt den Blickkontakt mit der Venus voraus. Dieser Blick affiziert und distanziert, weil er die Betrachter an ihre leibliche Präsenz erinnert und zugleich ihren Platz vor dem Bild markiert. Dieses Verhältnis von Nähe und Distanz nivelliert Peters Lydia: Die Maße des angeblichen Tizians in Grosvenors Besitz sind gegenwärtig nicht bekannt, aber für Lydia reduzierte Peters das Originalformat der Venus von Urbino mit 63,5x76,2 cm auf etwa die Hälfte. So lässt sich Lydia ganz aus der Nähe betrachten. Das Format hebt die körperliche Distanz zum Gemälde auf. Unter den Stoffen leuchtet das Inkarnat des Oberkörpers Lydias hervor, das wie das Gesicht so fein modelliert ist, dass es die Betrachtung aus nächster Nähe erlaubt. Den Effekt der Nähe verstärkt der Maler, indem er dabei Tizians Perspektivkonstruktion folgt: Lydias Kopf ist so dargestellt, als stehe man direkt vor ihr und blicke sie gerade an. Ihre Nase jedoch ist von oben zu sehen, ebenfalls ihr Mund. Die Betrachterhöhe liegt auch hier in der Höhe ihres linken Auges. Gleichzeitig lässt sich Lydia jedoch auf die Haube sehen. Das Gleiche gilt für ihren Oberkörper: Ihre rechte Brust ist auf Augenhöhe dargestellt, ihr linker Busen mit der betont aufrechten Brustwarze aber von der Seite zu sehen, als würde man leicht unterhalb von ihr sitzen. Auch Lydia bietet sich so von jedem Standpunkt zur Betrachtung an.39 Und so wie sie ihren Körper allansichtig präsentiert, kann sich der Betrachter ihres allgegenwärtigen Blicks vergewissern.

36 Ebd., S. 102. 37 Bohde 2002, S. 143, die damit Arasse 1986, S. 16–24, und sein formalanalytisches Ergebnis bestätigt. 38 Arasse 1997, S 102. Siehe Bohde 2002, S. 143: „[...] als Herrscherin der Szene erscheint Venus. Der Betrachter ist ihrer Schönheit und der Klugheit der Malerei ausgesetzt. Gemeinsam halten sie den Betrachter in ihrem Bann.“ Damit relativiert sie die These des männlichen Blicks, der auf dem Körper der Venus seine Macht erfährt, die von Schade 1994 formuliert wurde. 39 Pointon 1997, S. 264, beobachtet die Allansichtigkeit von Lydia zuerst. Ohne ihren Blick zu berücksichtigen, interpretiert sie ihre Komposition als die Inszenierung ihres Körpers als Objekt, das sich dem männlichen Betrachterauge zur visuellen Penetration anbietet. Als Machtverhältnis gedacht, gewährt Lydias allsehender Blick den männlichen Betrachtern jedoch eine Aufmerksamkeit, die den Betrachtern auch ohne eine konstitutiv angenommene Machtdemonstration als eine Selbstvergewisserung dienen kann.

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Im christologischen Kontext berichtete bereits Nicolaus Cusanus 1453 in seinem Traktat De visione dei am Beispiel konkreter Bildwerke von der Wirkung des „Bilds des Allsehenden“ (imagine omnia videntis), das von allen Seiten ansehbar scheint: Der Blick auf ein so konstruiertes Bild rufe immer den Eindruck hervor, als folge der Blick des Dargestellten dem Betrachter. Die „Aufmerksamkeit“ (cura) der gemalten Person gelte auf diese Weise jedem Einzelnen. Am Beispiel solcher „sinnlicher“ (sensibilis) Bilder erläuterte Cusanus die Gottesschau in der Gemeinschaft, die jedoch dabei jedem Einzelnen eine persönliche Erfahrung Gottes zuteil werden ließe.40 In der neuzeitlichen Kunstliteratur war dieser Eindruck der Aufmerksamkeit des Bilds durch den Blick auf das Lob der mimetischen Fähigkeiten der Maler übertragen worden. So erklärte z. B. der holländische Maler Gerard de Lairesse (1640–1711) in seinem 1707 veröffentlichten Malereitraktat Het groot schilderboek die Wirkung des allsichtigen Blicks als Ergebnis einer Kombination aus technischer Präzession (higly finishd) und Naturnachahmung: Solche Darstellungen würden die Gestalt des menschlichen Körper so überzeugend wiedergeben, dass sie nicht gemalt erschienen, sondern den Eindruck erweckten, bewegliche Figuren aus Fleisch und Blut zu sein.41 So wie Cusanus den allsichtigen Blick als meditative Hilfe der Gotteserfahrung geschildert hatte, hielt Lairesse diese Wirkung nicht für einen animistischen Bildzauber. Vielmehr galt sie ihm als eine bildpraktische Möglichkeit um eine Kommunikation zwischen Betrachter und Bild herzustellen: durch die momenthafte Belebung des geschauten Objekts. Noch im 20. Jahrhundert hat Walter Benjamin auf dieses „Verhältnis des Unbelebten oder der Natur zum Menschen“ in seiner Abhandlung über Baudelaires Lyrik Bezug genommen. Er schreibt, „der Angesehen oder angesehen sich Glaubende schlägt den Blick auf“ und spezifiziert dabei seine frühere Definition der „Aura“ als

40 „[...] Et dum attenderit, quomodo visus ille nullum deserit, videt, quod ita diligenter curam agit cuiuslibet quasi de solo eo, qui experitur se videri, et nullo alio curet, adeo quod etiam concipi nequeat per unum, quem respicit, quod curam alterius agat.“ Cusanus 2000, Praefatio, S. 4. Vgl. die Übersetzung Cusanus 1989. Vgl. dazu Wolf 2002, S. 255–265, in Konfrontation mit Albertis Narzissbeschreibung. 41 In seinem Kapitel über Komposition und Perspektive erläutert Lairesse dies am Beispiel des Bilds einer „Stratonica“, das Seeleuten auf See im Sturm beigestanden hätte und einer antiken Götterstatue, – antike Topoi lebender Bilder, über die er vielleicht bei Junius gelesen hatte: „[...] her standing Figure was so artfully painted, that her Eyes seemed to look every Way, and at any Beholder wherever he placed himself, [...] The Reason of which Effects is, that the two Pictures were so highly finishd, and had so natural an human Shape, that they seemed to be rather Flesh and Blood, and to have Motion, than to be Paintings.“ Zit. nach der englischen Erstausgabe Lairesse 1738, S. 103. Siehe dazu den Kommentar von Weststeijn 2008, S. 145, in seiner grundlegenden Studie zu Samuel van Hoogstratens Malereitraktat (1678) und in Bezug auf Rembrandts Mädchen am Fenster, 1651. Öl/Leinwand, 78 x 64 cm. Nationalmuseum, Stockholm. Zum Topos lebendiger Bilder siehe oben S. 42, Anm. 59.

Hure, Venus — Peters, Tizian  | 163

Effekt von Nähe und Distanz:42 „Die Aura einer Erscheinung erfahren, heißt, sie mit dem Vermögen zu belehnen, den Blick aufzuschlagen.“43 Als Aura bezeichnete Benjamin hier also eine Form der Kommunikation und Interaktion zwischen dem Betrachter und der ihn umgebenden dinglichen Welt. Die Aura entfaltet sich im Prozess des Schauens zwischen Betrachter und Betrachtetem, zwischen Subjekt und Objekt. Sie bezeichnet eine Fähigkeit zur Wahrnehmung, eine Form der „Aufmerksamkeit“ gegenüber den Dingen, die durch die Qualität des Betrachtens bestimmt ist.44 Die Eigenschaft der Hure als Bild und im Bildwerk wurde von Pallavicino (siehe oben, S. 59) ebenfalls in einer solchen Interaktion beschrieben, in der die Wirkung der Hure sich erst in mimetischer Spiegelung und im Austausch der Blicke mit dem Betrachter bildhaft entfaltete. Die erotische Wirkung der Hure entspringt also dem Augenblick, in dem sie ansichtig wird, und das bestätigt ihr Blick. Die momentane Verlebendigung des Objekts durch den Blick ist in Bezug auf die Hure in diesem Sinn einerseits ontologisch in der Darstellung der Hure selbst und anderseits – dies wiederum reflektierend – in der Selbstvergewisserung der Betrachter durch Rührung, leibliche Regung, begründet. Die suggestive Wirkung des allsehenden Bilds war Tizian wie Peters gegenwärtig. Peters verstärkte jedoch jene Macht, imagine omnia videntis, indem er das Format von Lydia verkleinerte. Auf diese Weise beschränkte er die Anzahl möglicher Betrachter, so dass ihre Betrachtung intimer und ihr Blick persönlicher scheint. Indem Lydia Berührung erlaubt, kann sich der Betrachter vom Versprechen ihres Blicks, ihm Aufmerksamkeit zu schenken, vergewissern. Der Wunsch, die Venus von Urbino ebenfalls berühren zu können, ist im 18. Jahrhundert durch die Anfragen dokumentiert, das Bild aus der Nähe sehen zu dürfen und durch die Maßnahmen, die getroffen wurden, um dies zu verhindern. So musste das Bild 1771 in einem Käfig aus feinen Drähten vor den Zugriffen der Kopisten 42 Benjamin 1991, Gesamtverzeichnis I.2, S. 646. Die Aura von „natürlichen Gegenständen“ definiert er in der dritten Fassung seines Kunstwerkaufsatzes zuerst als „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“. Ebd., Gesamtverzeichnis I.2, S. 479. Zu Benjamins Aurabegriffen siehe u. a. Fürnkäs 2000, S. 95–146, und zuletzt Bratu Hansen 2008. 43 Benjamin 1991, Gesamtverzeichnis I.2, S. 646–647. 44 Novalis [Kritische Schriften, hg. v. Ernst Heilborn, Berlin 1901, 2,1, S. 293] zitierend: „Die Wahrnehmung [...] ist eine Aufmerksamkeit.“ Benjamin 1991, Gesamtverzeichnis I.2, S. 646. Die stärkste Wahrnehmung der Aura findet Benjamin mit Baudelaire in Augen ohne Blick, „spiegelnden Augen“: „›Der Stumpfsinn‹, schreibt Baudelaire [...]‚ ist oft eine Zier der Schönheit. Ihm hat man es zu verdanken, wenn die Augen trist und durchsichtig wie die schwärzlichen Sümpfe sind oder aber die ölige Ruhe der tropischen Meere haben.“ Ebd., S. 649. Das Gegenteil des stumpfsinnigen Blicks findet Benjamin aber im Blick der Hure begründet, dem „Raubtierblick“, ebd., S. 649, der aktiv sucht.

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36  Johann Zoffany: Die Tribuna, 1772–1777

durch das Format Nähe und auch geschützt werden.45 Der deutsche Maler Johann Zoffany (1733–1810) jedoch hatte 1772 tatsächlich die seltene Erlaubnis erhalten, das Gemälde abnehmen zu dürfen. Im Auftrag der englischen Königin Charlotte studierte er für sein Galeriebild Die Tribuna der Uffizien die Meisterwerke der großfürstlichen Sammlungen.46 Das besondere Privileg, das ihm gewährt wurde, ist im Zentrum von Zoffanys Tribuna dokumentiert (Abb.  36): Die Venus von Urbino ist entrahmt. Ein Kustode hält das Bild am linken Rand fest und präsentiert es den Betrachtern. Rechts von der Venus versammelt Zoffany eine Gruppe von Engländern im Gespräch um Horace Mann, der als Sonderbotschafter Englands Reisende in Florenz empfing und in Kunstfragen beriet.47 Der englische Maler Thomas Patch 45 „una sottile gabbia di filo di ferro“, Agostini und Allegri 1978, Kat. 30, S. 128. 46 Johann Zoffany: Die Tribuna der Uffizien, 1772–1777. Öl/Leinwand, 123,5 x 155 cm. The Royal Collection, London. Postle 2011, Kat. 53, S. 231–232. Zoffanys Tribuna sollte erst 1778 in England eintreffen und wurde 1780 in der Royal Academy ausgestellt. Millar 1966, S. 34. 47 Die Identifizierung der Dargestellten unternahm Millar 1966.

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umfasst das Gemälde rechts oben und hebt den Zeigefinger der rechten Hand, während er sich mit ernster Miene erklärend zur Gruppe wendet. Zwischen ihn und die Venus tritt der englische Sammler John Gordon ganz nah an das Bild.48 Er ignoriert die anderen und blickt nach unten in Richtung der Zehenspitzen der Venus. Seine physische Nähe zum Bild zeichnet den Schatten seines linken Arms auf dem rechten Rand der Venus von Urbino für die Betrachter nach, seinem Blick folgend. Mit leicht geöffneten Lippen ist John Gordon in leiblicher Nähe ganz in das Bild versunken. Die Fingerspitzen verschwinden hinter der Schulter des vor der Venus sitzenden Grand-Tour-Reisenden Felton Herveys, so dass offen bleibt, ob sie die Leinwand berühren oder nicht. Seine leicht gekrümmten Finger vollziehen die Geste der linken Hand der Venus nach. Daniela Bohde knüpft an Daniel Arasses Überlegungen zur Schauerfahrung der Venus von Urbino an und verbindet sie mit einer Beschreibung der Wirkung von Tizians Venusdarstellungen aus dem 16. Jahrhundert. Auf der Grundlage der kunsttheoretischen, auf Tizians Imprese begründeten Analogie von Streicheln und Malen als Schaffensprozesse schlägt sie vor, den Sehsinn nicht als Ersatz des Tastsinns, sondern als „Rahmen für fiktive haptische Erfahrungen“ zu denken, wobei die Augen das Bild „ertasten“.49 Genau dieses Erlebnis im Prozess des Betrachtens stellt die subtile Geste von Zoffanys Mr. Gordon dar. Während er auf die linke Hand der Venus blickt, imitieren seine Finger ihre Geste. Sein physischer Kontakt mit dem Gemälde beschränkt sich dabei auf den Bildrand: Die Illusion der gemalten Venus bleibt bestehen, die körperliche Nähe Mr. Gordons zum Bild verstärkt jedoch die leibliche Sensation der Wahrnehmung. Den Wunsch zu berühren, ruft Tizians Venus hervor, indem sie sich berührt – die eine Hand auf dem Geschlecht, die andere Hand Rosenblüten haltend. Bei Lydia gilt Peters Aufmerksamkeit weniger dem nackten Körper einer Frau als dem Kontrast des strahlenden Inkarnats zu den Stoffen, die mehr von Lydias Körper berühren und verdecken, als sie ausstellen. Ihre linke Hand liegt auf der Bettdecke, unter der ihr rechter Arm verschwindet. Lediglich der Stoff, der ihre Haut berührt und bedeckt, ist zu sehen. Das Auge ist eingeladen, unter den Falten von Hemd und Decke zu suchen. Die haptische Erfahrung des Sehens koppelt Peters jedoch an die Materialität der Leinwand, denn der Vorhang am rechten Bildrand begrenzt und inszeniert nicht nur, sondern er markiert auch den Ort, an dem sich die Leinwand und die Farbpigmente zu Tuch und Haut im Bild verstofflichen. Diese Stofflichkeit des tatsächlichen und gemalten Materials intensiviert das Augenspiel des Bedeckens und imaginativen Enthüllens.

48 Webster 2011, S. 293. 49 Bohde 2002, S. 146. Suthor 2004, S. 40–50, kommt über ihre kunsttheoretische Analyse zu einem ähnlichen Ergebnis.

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Dessen ungeachtet verweist Peters ein weiteres Mal auf die Kenntnis seines italienischen Vorbilds: Tizians Venus liegt nackt auf einem weißen Leintuch und stützt ihren rechten Arm auf zwei dicke Kissen. Die Längsseite des Tuchs steckt zwischen zwei übereinandergelegten Matratzen und ist dort, wo ihre rechte Hand die Rosen hält, um ihren Leib drapiert und so verrutscht, dass es rechts unten den Blick auf den roten Stoff der Matratzen freigibt. Peters’ Leintuch ist ebenso nachlässig und große Falten werfend unter die Matratze gestopft, aber nicht verrutscht. Statt Matratzenstoff zu zeigen, bauscht sich samtig ein dickes, rotes Tuch aus der rechten unteren Bildecke. Anders als bei Lydias Inkarnat jedoch verheimlichen die Stoffe nicht ihre Medialität: Breite, grobe Pinselstriche geben Farbakzente und kontrastieren mit Lydias perfekt gemalter Haut. Die parallelen Pinselstriche der Stickerei auf der Decke und die Schatten etwa wirken wie Schraffuren und stören das nach Lydias Hand suchende Auge: Die Nähe suggerierende Komposition trügt. Erst in einem Abstand von vier bis fünf Metern löst sich Peters’ Duktus in der Textur von Stoffen auf, und die Materialbeschaffenheit jedes Tuchs im feinen Leinen des Bettzeugs und des Hemds, in der weichen Wolle der Decke und den schweren Vorhangstoffen, wird sichtbar. Die groben Schraffuren der Decke wirken reliefartig, besonders wo die dunkelgrau schattierten Falten unter Lydias linker Hand das erotische Suchspiel betonen. Diese plastische Wirkung der Stoffe appelliert unmittelbar an den Sehsinn und gedanklich an den Tastsinn. Die Taktilität der Oberflächen lädt zusammen mit Lydias Blick das Auge des Betrachters ein, die vom Stoff verborgenen Partien ihres Körpers im Geist zu ertasten. Von Lord Grosvenors Umgang mit Peters’ Lydia ist kolportiert, dass er das Gemälde hinter einem Vorhang aufbewahrte.50 Wenn sich der Vorhang entsprechend der Logik des Bilds von links nach rechts öffnen ließ, steigerten der reale Vorhangstoff und das Ziehen der Kordel noch einmal die leibliche Wahrnehmung des Gemäldes. Wurde der Vorhang langsam aufgezogen, so geriet die deutliche Betonung des eigenen Erblicktwerdens zu einem optischen Suchspiel für die Frage, was Lydia erblickt und wobei sie sich beobachten lässt: Zuerst trifft sich der Blick des Betrachters mit dem ihrem, dann öffnet sich das Bild und lässt ihn über Schulter und Brüste schweifen und auf dem Bildzentrum verharren, wo sich die Haut der Achselhöhle rosa von ihrem fast weißen Inkarnat abhebt und wo die Falten ihres Hemds unter die weiche Decke schlüpfen. Der suchende Blick streift womöglich dahinter über das Kissen, das sich zwischen dem Kopf und der Brust Lydias zu einer Profilansicht einer weiblichen Hinterbacke samt Oberschenkelansicht formt und damit die Bildtradition

50 Manners 1913, S. 9. Der Körper der Venus von Urbino war seit Cosimo III. de’ Medici (1642– 1723) ebenfalls von einem bemalten Vorhang (telo) verdeckt, auf dem Amor sacro Amor profano zu verhindern versuchte, die Venus zu enthüllen. Dieser Vorhang wurde erst 1784 entfernt. Agostini und Allegri 1978, Kat. 30, S. 131.

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von das weibliche Geschlecht nachbildenden Vorhangfalten erweitert, und kann so angeregt schließlich die rechte Hand zwischen Decke und Vorhang suchen. Dieses optisch-haptische Suchspiel findet unter Lydias Augen statt. Ihr einladender Blick bleibt direkt auf uns gerichtet, während unsere Augen suchen. Wie Tizians Venus weiß sie, was die Betrachter suchen. Anders als jene weiß sie aber auch, dass nicht sichtbar ist, was sie unter den Stoffen macht. Durch diesen aktiven Blick ist sie wie Tizians Venus kein reines Schauobjekt, kein vormodernes Pin-up, wie die Deutungen von Martin Postle und Marcia Pointon implizieren:51 Pointon interpretiert den durch die Stoffe geschaffenen Bildraum als sich öffnende Schachtel, Lydia wird darin buchstäblich als Objekt „arrangiert“. Als Objekt weise Lydias Blickkonstruktion nicht ihr, sondern dem Betrachter Macht zu.52 Die Auseinandersetzung mit Tizian jedoch führte Peters eben zu einem ambivalenten Verhältnis zwischen dem Blick der Dargestellten und dem Betrachterblick, dem die Subsumierung unter einen dominierenden, patriarchalischen Betrachterblick nicht genügt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Lydia wird nicht beherrscht, sondern sie hält den Betrachterblick auch dann in Bann, wenn er abschweifen und sich dem erotischen Suchspiel widmen will. Sie ist kein reines Schauobjekt, dessen Betrachtung lustvoll ist, weil sie gesehen wird: Sie schaut zurück. Diesen aktiven Anteil am Schauprozess entwickelte Peters formal aus Tizians Venus von Urbino. Die perspektivische Konstruktion des sichtbaren Teils ihres Körpers suggeriert von jedem Standpunkt aus Nähe und Zuwendung. Während Lydias Körper jedoch aus der Nähe gesehen werden will, erschließt sich der Bildraum nur aus einem gewissen Abstand. Dadurch findet Peters eine eigene Lösung für die bei Tizian gesehene Dialektik von Nähe und Distanz und intensiviert die körperliche Dimension der Wahrnehmung: Aus der Distanz streift der Blick über die reliefartig wirkenden Stoffe, die Peters’ malerisches Können zeigen, und involviert den Tastsinn gedanklich in die Seherfahrung. Aus der Nähe verstärkt sich die Betonung der haptischen Unmittelbarkeit ihrer Stofflichkeit, indem Peters im Inkarnat den Malprozess verheimlicht und die Haut ohne sichtbare Pinselstriche durcharbeitet: Während der Bildraum sich in Malerei auflöst, bleibt ihr Körper auch aus der Nähe intakt und verschmilzt mit der Leinwand.53

51 Postle 1998, S. 86. 52 Pointon 1997, S. 264. 53 Diese beiden Formen der Wahrnehmung hat Alois Riegl in der Historische Grammatik der bildenden Künste als die taktische, durch „objektive Flächigkeit“ auf Nahsicht angelegt, und die optische, durch „subjektive Flächigkeit“ an die Fernsicht gerichtet. Die Wahrnehmung von Tiefe auf Fernsicht ist dabei immer auf – auch assoziative – „Erfahrungen des Tastsinns, die ihm der Gesichtssinn ins Gedächtnis [...] ruft“ angewiesen. Riegl 1966, S. 288–289.

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5.2. Inszenierung als Hure In seinem Bild der Lydia entwickelte Peters Tizians Angebot an die Schaulust weiter. Die Assoziation mit Tizians Venuskörper, der seine Zeitgenossen so faszinierte, verband Peters mit dem Gesicht einer Hure. Die seit der Renaissance altbekannten Bildthemen der Metamorphosen Ovids mit den Venusgeschichten und Seitensprüngen des Zeus waren in England bereits zuvor mit Hurerei in Verbindung gebracht worden.54 Der Schriftsteller Horace Walpole erzählte von einer albernen (ludricous), heute verlorenen Danae Hogarths, in der eine Drury-Lane-Hure (nymph of Drury) Zeus Goldregen empfing. Ihre Kupplerin prüfte mit ihren Zähnen die Echtheit einer der Münzen.55 Wie Mark Hallett später in seiner Studie zur englischen Druckgrafik zeigt, wurden derartige Überblendungen direkt mit den klassischen Vorbildern assoziiert, wie etwa mit Giorgiones Schlafender Venus oder Tizians Danae.56 Eine Generation später machten Joshua Reynolds’ Bildnisse gefeierter Kurtisanen einen beachtlichen Anteil seiner Frauenporträts aus und referieren mit Kitty Fisher als Kleopatra (Abb. 24) oder Thais wiederum auf mythischlasterhafte Frauengestalten.57 Peters aber ging bei seiner Darstellung einer Hure andere Wege als Hogarth und Reynolds. So machtvoll Lydias einladender Blick wirkt, so sehr irritiert er auch, denn ihre Augenpartie verstört: Ihr Mund ist schmal und ihr Kinn ist so spitz zulaufend, dass die Augen größer erscheinen und ihr Schielen betont wird. Peters konstruierte jedoch keinesfalls einen einfachen Silberblick. Die Neigung der Achse ihrer Augen ist abgewinkelt, und die Augenform ist asymmetrisch. Die Augenbrauenbogen wölben sich vor, die Tränensäcke sind geschwollen und tief verschattet. Im Vergleich mit der Physiognomie der anderen Frauen in Peters’ erotischen Hurenbildern ist Lydia ein Sonderfall: Bei Sylvia beispielsweise, ein Jahr nach Lydia entstanden, verfügt die Figur über symmetrische und ebenmäßige Züge (Abb. 37).58 Ihre klaren, leuchtenden Augen und ihr herzförmiger Mund sind gleichmäßig ausgeleuchtet. Sylvias Blick 54 Siehe den – ikonografisch zu großzügig aufgefassten – Überblick zur Überblendung von mythologischen Sujets mit Prostitution seit der italienischen Renaissance von Lawner 1987, S. 131–183. Zur diesbezüglichen Konnotation der Danaegeschichte siehe Santore 1991. 55 „In his Danae the old nurse tries a coin of the golden shower with her teeth, to see if it is true gold [...] It is a much more capital fault that Danae herself is a meer nymph of Drury.“ Walpole 1771, S. 76–77. 56 Hallett 1999, S. 106. 57 Zu Reynolds’ Kitty Fisher als Kleopatra siehe oben, S. 141, zu Reynolds’ Thais siehe oben, S. 132, Anm. 84. 58 Matthew William Peters: Sylvia, um 1778. Öl/Leinwand, 63,3 x 76,1 cm. National Gallery of Ireland, Dublin. Figgis und Rooney 2001, S. 384–385. John Raphael Smith nach Matthew William Peters: Sylvia, 1778. Mezzotinto, 353 x 494 mm. British Museum, London. D’Oench 1999, Nr. 126.

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37  John Raphael Smith nach Matthew William Peters: Sylvia, 1778

wirkt im Vergleich zu Lydias tiefliegenden, verschatteten Augen natürlich. Obwohl eine Anspielung auf den Gesundheitszustand der Hure in der bildenden Kunst der Zeit naheliegen würde, ist jedoch schwer zu glauben, dass Peters für Lord Grosvenor eine kranke Geliebte im Boudoir gemalt hätte: Wie den veröffentlichten Zeugenaussagen des Scheidungsverfahrens zu entnehmen ist, fürchtete sich Grosvenor vor ansteckenden Krankheiten. Als er die einundzwanzigjährige Hure Elizabeth Roberts bei ihrem ersten Zusammentreffen auf der Straße anspricht und mit auf sein Zimmer nimmt, erkundigt er sich zuerst nach ihrer Gesundheit und bietet ihr den doppelten Preis für ihre Ehrlichkeit, sollte sie eine ansteckende Krankheit haben. Erst als sie ihm wiederholt versichert, gesund zu sein, will er sich mit ihr einlassen.59 In den 59 Trials for Adultery 1780: „Richard Lord Grosvenor against Henrietta Lady Grosvenor“, Part II, S. 109–121.

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Nocturnal Revels, einer Beschreibung der Londoner Bordelle von 1779, verfügten die besten und legendärsten Bordelle über einen Chirurgen, der über die Gesundheit der Mädchen wachte.60 Die zugesicherte Sorglosigkeit gegenüber gesundheitlichen Risiken, wie sie die Londoner Luxusbordelle suggerierten, war in der erotischen Malerei wie in der libertinen Literatur seit Aretino durch die Ausklammerung von Krankheiten vorgeprägt. In der erotischen Imagination wusste sich eine gute Hure vor Krankheiten ebenso zu schützen wie vor Schwangerschaft und garantierte diesen Schutz auch ihren Freiern. Erst die erotischen Heldinnen des 19. Jahrhundert litten, von den Protagonisten unbemerkt, an schleichendem Siechtum. In der bildenden Kunst des 18. Jahrhunderts kamen Krankheiten in verräterischen Hautveränderungen zur Darstellung, die durch den übermäßigen Gebrauch von Kosmetik, Schönheitspflästerchen oder auch durch Leberflecke sichtbar gemacht wurden.61 Das Mädchen im vierten Band der satirischen, Londoner Typen karikierenden Kupferstichserie Macaronies, Characters, Caricatures von 1772 trägt eine ähnliche Haube wie Lydia (Abb. 38).62 Auf ihrem Gesicht jedoch liegen zwei auffällige Schönheitspflästerchen. Der Bildtitel The Vauxhall Demi-Rep. bezeichnet sie als halbehrbar, und sie kann entweder als hierarchisch hochstehende Hure oder als in moralischen Misskredit geratene Dame der besseren Gesellschaft verstanden werden, die im Londoner Vergnügungspark Vauxhall verkehrte. Die Schönheitspflästerchen sind in diesem Zusammenhang als sichtbare Warnung vor ihrem Gesundheitszustand zu lesen. Lydias Haut hingegen ist zu makellos, das Inkarnat ihrer Brust zu strahlend hell, um an Krankheit denken zu lassen. Marcia Pointon bemerkt Lydias merkwürdige Physiognomie zuerst und verweist auf die physiognomischen Schriften Giovan Battista della Portas (1535–1615), Charles le Bruns (1619–1690) und Johann Caspar Lavaters (1741–1801).63 Tatsächlich erinnert etwa die Studie zur Zibetkatze aus dem Album zur Conférence sur la Physionomie de l’homme et ses rapports avec celles des animaux (Abb. 39), in der le Brun die animalische Physiognomie der Katze zu einem menschlichen Gesicht überformte, an das spitz zulaufende Kinn und die übergroßen 60 Wie das Bordell der Mrs. Goadby, Nocturnal Revels 1779, Bd. 1, S. 29. 61 Vgl. Lowe 1992. In Hogarths Marriage-A-La-Mode ist die Syphilis des jungen Lord von Anfang an durch eines großes Mal an seinem Hals markiert. In der Folge ist die Ansteckungskette über dieses Mal für die Betrachter von der Kinderprostituierten bis auf den Sprössling klar zu verfolgen. 62 The Vauxhall Demi-Rep, 1772. Kupferstich, 175 x 124 mm. Aus der Serie Macaronies, Characters, Caricature, Bd. 4, Nr. 9. British Museum, London. George 1935, Nr. 5027. 63 Pointon 1997, S. 266. Della Porta hatte in der zuerst 1586 publizierten Schrift De humana physiognomia das physiognomische Wissen seiner Zeit zusammengefasst und die aristotelische Analogisierung von Mensch und Tier beschrieben, aufgrund derer die physiologischen Besonderheiten des Kopfes auf Charaktereigenschaften schließen lassen. Die Prämissen des Aristoteles dienten Charles le Brun knapp hundert Jahre später für die Conférence sur la Physionomie de l’homme et ses rapports avec celles des animaux als Basis für seine kunstdidaktischen Ausführungen. Die Physiognomie von Mensch und Tier beruhe auf denselben Gesetzmäßigkeiten, die sich nur durch die Form und die Neigung der Augenachse unterschieden. Montagu 1994, S. 19–30.

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38  The Vauxhall Demi-Rep, aus der Serie Macaronies, Characters, Caricature, Bd. 4, Nr. 9, 1772

Augen Lydias.64 Aufgrund von Georges-Louis Leclerc de Buffons (1707–1788) in der Histoire naturelle vorgenommener Typologie der Tiere und auf Lavater verweisend, schließt Pointon auf eine charakterliche Analogisierung von Lydia und einer Katze. Die Katzen sind sanft, besonders wenn sie jung sind, so Buffon, aber sie besitzen auch eine angeborene Schlauheit (innate cunning) und einen durchdringenden Charakter (perversive disposition), der sich mit dem Alter verstärkt und nur durch Erziehung versteckt gehalten werden kann.65 Damit verweist Pointon implizit auf die 64 Charles le Brun: Zwei Köpfe in Bezug zu einer Zibetkatze, vor 1671. Schwarzstein, Feder und schwarze Tinte, grau laviert auf Papier, 174 x 104 mm. Museé du Louvre, Département des Arts graphiques, Paris. Beauvais 2000, Bd. 2, Nr. 2183, S. 620. 65 Zit. nach der ersten englischsprachigen Ausgabe Buffon 1775, Bd. 2, S. 69. Pointon 1997, S. 266.

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39  Charles le Brun: Zwei Köpfe in Bezug zu einer Zibetkatze, vor 1671

Anthropologisierung und Pathologisierung der Hure im 19. Jahrhundert. Sander Gilman verfolgt in seiner Studie zur Konstituierung der stereotypen Prostituierten im pathologischen Blick des 19. Jahrhunderts deren Anfänge tatsächlich bis in ethnologische Abhandlungen des späten 18. Jahrhunderts zurück.66 Die Physiognomik sollte allerdings erst mit dem Erscheinen der stark überarbeiteten englischen Ausgabe von Johann Caspar Lavaters Physiognomischen Fragmenten seit 1789 zu einer Modeerscheinung in England werden,67 während della Portas Schriften und le Bruns Zeichnungen durch das ganze 18. Jahrhundert hindurch als wichtige Hilfsmittel der Malerei galten. Die Analogien zwischen Mensch und Tier umfassten jedoch nur einen kleinen Teil ihrer Überlegungen. Le Bruns theoretischer Teil blieb zudem un66 Gilman 1992, S. 119–154, hier S. 124–125. 67 Percival 2003.

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vollendet und wurde erst im 19. Jahrhundert – mit dem breiteren Interesse an der Physiognomik – veröffentlicht. Zuvor wurden le Bruns Mensch-Tier-Zeichnungen weniger aufgrund seines theoretischen Konzepts rezipiert, sondern vielmehr aufgrund des ästhetischen Reizes seines zeichnerischen Könnens, wie Jennifer Montagu in ihrer Dissertation zu le Brun vorschlägt.68 Analogien von tierischen und menschlichen Charaktereigenschaften waren im 18. Jahrhunderts nichts Neues, aber sie wurden noch nicht pathologisiert. Joshua Reynolds setzte solche Anspielungen in seinen erotischen Fancys kleiner Mädchen der 1780er-Jahre ein, wie Pointon bemerkt: Die Physiognomie der Mädchen in Muscipula, 1785, Robinetta, 1786, und Felina, 1788, ist mit der Lydias vergleichbar.69 Das Mädchen in Felina hat jedoch eine Katze auf der Schulter, die zum direkten Vergleich anregt. Auf Robinettas Schulter sitzt ein Rotkehlchen, und Muscipula hält eine Falle mit einer Maus in der Hand, während die Katze neben ihr auf einem Tisch sitzt.70 Ob Peters’ fast zehn Jahre zuvor entstandene Lydia ohne einen direkten Verweis im Bild mit tierischen Analogien in Verbindung gebracht wurde, bleibt also ebenfalls offen und klärt nicht die merkwürdige Asymmetrie ihrer Augen. Marcia Pointon deutet jedoch mit dem Verweis auf della Porta in eine fruchtbare Richtung, denn anders als den Mensch-Tier-Vergleichen widmete della Porta den Augen in der Physiognomia von 1568 ein eigenes Buch, in dem er von der Form der Wimpern über die Beschaffenheit der Augenwinkel jegliche Ausprägung in Bezug zu charakterlichen Eigenschaften setzte. Den Strabismus beschreibt er als antikes Zeichen der Venus: Der Anblick des Geliebten gibt den Augen eine krumme Form (torti occhi) und erzeugt einen schiefen Blick (mira obliquamente).71 In diesem Zusammenhang zeigt Lydia weniger animalische Züge als ein menschliches Gefühl. Indem sie jedoch aus dem Bild blickt, schlüpft jeder einzelne Betrachter in die Rolle des Geliebten. Dadurch verliert ihr verliebter Blick an Glaubwürdigkeit und wird zu einer Pose, die sie als Hure ausweist. Victoria Manners erwähnt in ihrem Werkverzeichnis eine Studie zu Lydia im Besitz von Vicars Brothers.72 Es handelt sich dabei wahrscheinlich um ein Gemälde, das 2001 im Kunsthandel in London auftauchte (Abb. 40).73 In dieser Studie sitzt Lydia 68 Montagu 1994, S. 20–21. Ungleich größer war zudem der Einfluss der Zeichnungen von le Bruns Ausdruckslehre Expression des passions für die bildenden Künste. Zur Le-Brun-Rezeption in England im 18. Jahrhundert ebd., S. 85–100. 69 Pointon 1997, S. 264–266. Siehe Mannings 2000, Nr. 2086–2087 (Felina), Nr. 2145–2146 (Robinetta) und Nr. 2105 (Muscipula), mit weiterführender Literatur. 70 Postle 1995, S. 112–117, verweist auf die ikonografische Tradition der holländischen Genremalerei bei den Tierattributen. 71 Della Porta 1644, S. 208. 72 Manners 1913, S. 54. 73 Matthew William Peters: Lydia, Öl/Leinwand, 73,7 x 63 cm. Verkauft am 11.7.2001 bei Bonhams & Brooks Knightsbridge, London, Lot 49. Manners 1913, S. 54 gibt die Maße mit 30 x 25 Zoll

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40  Matthew W. Peters: Lydia, um 1776

aufrecht und präsentiert ihre halb entblößten Brüste in einem ovalen, gemalten Rahmen. Wie im ausgeführten Gemälde blickt das Modell mit ihren asymmetrischen Augen direkt aus dem Bild zum Betrachter. Ihr Kopf ist ebenfalls etwas zu klein für ihre Statur, und ihr Kinn läuft so spitz zu, dass der Mund zu schmal wirkt.74 Die Augenhöhle ist verschattet, jedoch wölbt sich der Brauenbogen weniger vor und sie hat keine Augenringe. Ihr Gesicht wirkt in der Studie gleichmäßiger und das Inkarnat ist heller. In der Studie wie im Gemälde fällt jedoch die merkwürdige Form der Augen mit dem Silberblick auf: Allein nur diesen Blick also hatte Peters bereits in der Studie angelegt. an, was mit der Katalogangabe 29 x 24,8 Zoll etwa übereinstimmt. 74 Diese physiologischen Übertreibungen lernte er in Italien bei Correggio und Parmigianino kennen, so Pointon 1997, S. 254, S. 266.

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41  Henrietta Grosvenor, 1770

Ein vergleichbarer Blick kam bereits sechs Jahre zuvor in einem Mezzotintobildnis von Lady Grosvenor zur Darstellung, welches während des Scheidungsverfahrens 1770 anonym in London gedruckt worden war (Abb. 41).75 In Halbfigur blickt sie mit einer verschobenen Augenachse schielend nach rechts. Auf dem Brief vor ihr auf dem Tisch ist „My dearest little Angel – then prayed for you my dearest Love kissed your dearest little hair“ zu entziffern. Diese ironisch überzogenen Zeilen zielten auf die unbeholfenen Liebesbriefe des Duke of Cumberland an Lady Grosvenor, die im Scheidungsverfahren als Beweise dienten, und ebenfalls 1770

75 Henrietta Grosvenor, 1770. Mezzotinto, 353 x 251 mm. British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 77 (Engraver not ascertained III). McCreery 2004, S. 156–160, diskutiert das Porträt im Kontext der Satiren zum Grosvenor’schen Scheidungsverfahrens.

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42  Edward Fisher nach Joshua Reynolds: Miss Kitty Fischer, 1759

publiziert wurden.76 In Zusammenhang mit della Portas oben beschriebener Charakterisierung des Schielens betont die Überzeichnung von Lady Grosvenors Augen angesichts der allgemein verspotteten, oberflächlichen Briefe des Duke of Cumberland die Lächerlichkeit ihres Gefühls, der ihre Ehe und ihre Ehre zum Opfer fielen.77 76 Zum Beispiel: The genuine copies of letters which passed between His Royal Highness the Duke of Cumberland and Lady Grosvenor, London 1770, oder: Full and complete history of His R-l H- the D- of C--d and Lady G--r. A full and complete history of His R---l H---ss the D- of C-d, and Lady G---r, the fair adultress, 2 Bde., Dublin 1770. Noch im selben Jahr erschien eine deutsche Übersetzung: Briefe des Herzogs von C. und der Lady Grosvenor, Frankfurt 1770. 77 McCreery 2004, S. 156–157, hat in diesem Zusammenhang auf die Augen in Hogarths satirischen Stich des Journalisten, Politikers und Wüstlings John Wilkes nach seiner Verhaftung 1763 verwiesen: William Hogarth: John Wilkes, 1763. Kupferstich, 342 x 222 mm. British Museum, London. Paulson 1989, Nr. 214. McCreery interpretiert den Ausdruck der Augen bei Hogarths

Inszenierung als Hure  | 177

Cindy McCreery weist in ihrer Untersuchung von Frauentypen in der englischen Druckgrafik auf die Adaption von Joshua Reynolds’ Porträt der Kitty Fisher von 1759 hin, auf dem ebenfalls ein mit „My dearest Kit“ beginnender Brief offen vor der Kurtisane liegt.78 Dieses Gemälde der Kurtisane wurde unmittelbar gestochen und kopiert und war noch lange nach ihrem Tod 1766 auf dem grafischen Markt verfügbar (Abb. 42).79 Reynolds’ Halbfigur mit den verschränkten Armen und dem aufwendigen Kleid mit den spitzenbesetzten Ärmeln wurde zu einer beliebten Pose für die Porträts modebewusster aristokratischer junger Frauen.80 Allein die Pose und das Kleid hatten nämlich noch nichts Anrüchiges. Erst der Liebesbrief mit dem leserlichen Vornamen in ihrer Hand identifiziert die Dargestellte als Kurtisane.81 Die lesbar in Lady Grosvenors Porträt ausgebreiteten Briefe setzten erstmals eine ehebrecherische, aristokratische Ehefrau auf die gleiche Ebene wie eine Kurtisane.82 Nur die Blickrichtung unterscheidet Lady Grosvenor von Kitty Fisher: Während Henriettas Blick nach rechts schweift und nur einen einzigen Adressaten hat, blickt Kitty Fisher zu sämtlichen Betrachtern. Der druckgrafische Markt hatte die gegenseitigen Ehebruchsbezichtigungen Richard und Henrietta Grosvenors im Zuge des Prozesses genüsslich verfolgt. Die zahlreich erschienenen Satiren und Glossen zielten dabei auf Henriettas Affäre und ihr diskreditierendes Verhalten als Ehefrau.83 Das Klatschblatt Town and Country Magazine veröffentlichte 1770 in der Rubrik Tête-à-tête eine eindeutige Stellungnahme zu den Seitensprüngen der Grosvenors: Keine Frau ließe sich ohne echte Gefühle erobern, während die Affäre eines Manns keine Bedeutung für das Verhältnis zu seiner Ehefrau habe.84 Henrietta Grosvenor war eindeutig die Ehebrecherin. Richard Grosvenor gewann den Prozess.85 Seine Beschreibung als Wüstling blieb von den Druckmedien unbeachtet. Dabei hätten die in den Zeugenprotokollen beschriebenen frequentierten Huren und Wilkes als Torheit, da er für die Pressefreiheit seine berufliche Laufbahn opferte. Henrietta Grosvenors Blick liest sie dementsprechend als Torheit der Liebe. 78 Ebd., S. 87 zu Joshua Reyolds: Kitty Fisher, 1759. Öl/Leinwand, 75 x 62,8 cm. The National Trust, Petworth. Edward Fisher nach Joshua Reynolds: Miss Kitty Fischer, 1759. Mezzotinto, 304 x 220 mm. British Museum, London. Mannings 2000, Nr. 611. 79 Penny 1986, S. 193. 80 Z. B. Allan Ramsay: Lady Susan O’Brien, 1761. Öl/Leinwand, 90,2 x 70,5 cm. Privatsammlung. Smart und Ingamells 1999, Nr. 412. McCreery, 2004, S. 87–89, S. 158. 81 Postle 2003, S. 24. 82 McCreery 2004, S. 158. 83 Ebd., S. 158. Zu erotischen, von der Grosvenor-Cumberland-Affäre inspirierten Drucken siehe Wagner 1988, S. 127. 84 Histories of the Téte-à-téte annexed 1770, S. 401–402. Mit Verweisen auf Berichte zum Scheidungsverfahren in The Town and Country Magazine 1, Dezember, 1769, S. 658, und Band 2, Juli, 1770, S. 363. Zit. bei McCreery 2004, S. 158. 85 Die Ehe wurde geschieden und der Duke of Cumberland musste Lord Grosvenor entschädigen sowie die Gerichtskosten tragen. Wagner 1988, S. 127.

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43  The Method of Highfinishing Family Pictures, um 1770

ausgehaltenen Mätressen reichlich Material geboten. Von sexuellen Praktiken und einem unehelichen Kind war die Rede, von zwielichtigen Orten und Kupplerinnen. Stattdessen bekam Lord Grosvenor die Rolle des gehörnten Ehemanns: Das Town and Country Magazine nannte ihn schlicht Cornuto, den Gehörnten.86 Der anonyme Stich The Method of High-finishing Family Pictures (Abb. 43) zeigte 1770 den Duke of Cumberland über Lady Grosvenors Beinen auf einem Sofa kniend, wie er einem an der Wand hängenden Bildnis Lord Grosvenors in effigie Hörner aufmalt.87 Diesem Ehrverlust bot der Auftrag zu Lydia visuell Paroli: Als Erinnerung an den damals sechs Jahre alten Stich der ehebrecherischen Lady Grosvenor legte Peters eine 86 Histories of the Téte-à-téte 1770, S. 401. 87 The Method of High-finishing Family Pictures, um 1770. Mezzotinto, 353 x 248 mm. British Museum, London. Russell 1926, Nr. 47b (Engraver not ascertained III).

Inszenierung als Hure  | 179

ähnliche Augenform bereits in der Studie zu Lydia fest und inszenierte Grosvenor über das Bild als Schürzenjäger. Peters gab der Hure die Augenform von Henrietta Grosvenor in dem Mezzotintobildnis von 1770,88 die damals als törichter Ausdruck des augenblicklichen und flüchtigen Gefühls von Verliebtheit zu verstehen war und legte sie halbnackt in ein Bett. Ihr Blick ist nicht mehr an den Verfasser der Liebesbriefe gerichtet, sondern an alle Betrachter. Damit richtete sich dieser Liebesblick an den Auftraggeber und wurde gleichzeitig allgemein verfügbar. Es blieb jedoch nicht bei diesem anekdotischen Seitenhieb. Lord Grosvenor hätte für seine Rache eine berühmte Kurtisane porträtieren lassen können. Ende der 1770er-Jahre hatten zahlreiche Kurtisanen das Erbe Kitty Fishers (vgl. Abb. 24) angetreten und setzten ihre Porträts – von Hand gefragter Maler auf Leinwand gemalt sowie auf Papier gedruckt – gezielt ein, um ihren Bekanntheitsgrad und ihren Marktwert zu steigern.89 Umgekehrt nutzten ihre Freier die Popularität der Frauen als Statussymbole.90 Dieser Wert eines Kurtisanenporträts war jedoch für einen Freier zeitlich auf seine Beziehung zu der Frau oder auf den Höhepunkt der Popularität der Hure begrenzt, wie Martin Postle an Reynolds’ Kurtisanenbildnissen zeigt.91 Die Gemälde blieben überdies häufig in Reynolds’ Atelier oder kehrten in sein Atelier zurück, wenn die Affäre beendet oder der Ruhm der Kurtisane erloschen war. Bis hin zu ihrer materiellen Präsenz waren diese Bilder stets stärker mit dem Maler und dem Modell verbunden als mit dem Auftraggeber. Lord Grosvenor jedoch brauchte kein Statussymbol, denn bei ihm ging es um die Wiederherstellung seiner männlichen Identität. Deshalb beauftragte er Peters mit einer anonymen Hure, seiner Hure, die ihm – anders als ein Hurenporträt – unabhängig von einer realen Person, ungeteilt als Objekt gehören würde. Peters setzte diesen Auftrag als die Idea einer Hure um, so die These, und orientierte sich dabei an Joshua Reynolds. Victoria Manners verweist auf Reynolds’ Einfluss auf Peters92 – schon Horace Walpole hatte ihn als Reynolds-Kopisten kritisiert.93 Auch Lydia selbst war in einer Ausstellungskritik 1777 als im Stil von Reynolds beschrieben worden.94 Peters war jedoch kein Imitator von Reynolds, dem

88 Eine derartige Überblendung in die umgekehrte Richtung ist von Reynolds bekannt, der die Augen der Kurtisane Nelly O’Brien auf Wunsch des Auftraggebers Frederick St. John, 2. Viscount Bolingbroke in das Bildnis seiner Ehefrau übertragen sollte. Postle 2003, S. 26–27. 89 Vgl. oben, S. 141. 90 McCreery 2004, S. 100, und zur Kommerzialisierung und Sinnentleerung auf dem Kunstmarkt Wien 2009, S. 40. 91 Postle 2003, S. 28. 92 Manners 1913, S. 20. 93 Sée 1911, S. 397. 94 „Mr. Peters, who has the manner of Sir Joshua in his colouring [...].“ The Morning Chronicle and London Advertiser, 26. April 1777.

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selbst oft genug der Plagiatsvorwurf gemacht worden war.95 Vielmehr setzte er sich für seine Idea einer Hure aktiv mit Reynolds auseinander und verband, wie zu zeigen ist, Reynolds’ theoretischen Anspruch mit einer von Reynolds’ Bildfindungen. Wie anfangs bemerkt, gehört Lydia in die Gattung des Fancys. Das Fancy war als Genre Teil der Gattungshierarchie der Malerei. Renate Prochno vergleicht es in ihrer Dissertation zu Reynolds jedoch auch mit dem Capriccio: Es ermöglichte gestalterische Freiheiten, die Regelverstöße ermöglichten und berechtigen, aber zugleich gegen akademische Kritik immunisierten.96 Deshalb konnte sich Peters in seiner Bildfindung neben dem klassischen Vorbild Tizians gefahrlos mit kunsttheoretischen Problemen auseinandersetzen, die, akademisch gesehen, den biblischen und historischen Themen vorbehalten waren. Joshua Reynolds, die damals wichtigste Autorität der englischen Malerei, hatte sie in den Vorlesungen der Akademie formuliert und in seinen Bildern zu lösen versucht.

5.3. Idea der Hure Die Idea als das allgemeingültige Wesen der Natur zur Darstellung zu bringen war seit der Antike die vornehmste Aufgabe und das Ziel der freien Künste.97 Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts war die Malerei in England innerhalb der Künste theoretisch und praktisch vernachlässigt worden. Erst die jährlichen Vorträge des ersten Präsidenten der Royal Academy, Joshua Reynolds, legten in den Discourses seit 1771 die theoretischen Grundlagen für eine der Literatur ebenbürtigen freien Schwesterkunst; diese sollten es ermöglichen, diesbezüglich endlich mit Kontinentaleuropa mitzuhalten.98 Die ersten sieben Diskurse wurden 1779 in London gedruckt.99 Im dritten Diskurs umschrieb Reynolds die Idea als mentales Bild einer Handlung oder eines Charakters, das sich im Geist in Bezug auf jede Geschichte formt (form).100 Die Künste können den idealen Bildern mittels der inventio, der Bildfindung, Gestalt geben.101 Als eines dazu notwendigen Zwischenschritts bedarf es der Fähigkeit zur imitatio, zur Nachahmung der Natur, die es erfordert, das Wahre und Schöne der Natur überhaupt erst zu erkennen. 95 Z. B. in Nathaniel Hones (1718–1784) Reynoldssatire The Conjuror, 1775 in der Royal Acadamy ausgestellt. Öl/Leinwand, 145 x 173 cm. The National Gallery of Ireland. Penny 1986, Kat. 173, S. 343. 96 Prochno 1990, S. 167. Zum Capriccio siehe in nuce Mai 1996. 97 Siehe dazu Panofsky 2008. 98 Zur ästhetischen Tradition in England siehe die grundlegende Arbeit von Hagstrum 1958. 99 Zu den gedruckten Ausgaben und Editionen der Discourses siehe Dobai 1974–1982, Bd. 2 (1975), S. 807–808, sowie Wark 1975. 100 „Whenever a story is related, every man forms a picture in his mind of the action and the expression of the persons employed.“ Reynolds 1778, Discourse III, S. 104. 101 Ebd., S. 104.

Idea der Hure  | 181

In Bezug auf Prostitution stellten sich Reynolds’ theoretische Überlegungen zur Mimesis in der zeitgenössischen Presse einfach dar: So klagte 1786 ein Journalist über die Zustände rund um die Ausstellungen im Londoner Somerset House, der Ort sei für die Vorführung von „Kopien“ bei Tage ebenso bekannt wie für die der „Originale“ bei Nacht.”102 Auf der Straße wie in der Galerie vermochte der Journalist also Original und Kopie eindeutig zu bestimmen und zuzuordnen. Die Anspielung auf die Bildnisse von Kurtisanen, die mitunter in der Ausstellung zwischen den Porträts der Damen der Gesellschaft auftauchten, verwendete die ästhetischen Begriffe von Original und Kopie in satirischer Absicht. Zugleich setzte diese Allusion die realen Huren mit den Bildern in ein Verhältnis und berührte die Grundfrage der Mimesis nach der Darstellbarkeit der Wirklichkeit.103 Dieser Vergleich ist jedoch in seiner Umkehrung virulent, dann nämlich, wenn sich die Relation von Urbild und Abbild verkehrt, wie eine Episode in den Zeugenprotokollen des Grosvenor’schen Scheidungsverfahrens beschreibt: Bei einem der Zusammenkünfte mit der Hure Elizabeth Roberts entdeckte Lord Grosvenor in dem Zimmer der Taverne ein Bild über dem Kamin: „[...] his Lordship observing the picture of a naked woman over the fireplace, told the deponent, that she would look as well naked as the woman in the picture, and desired the deponent to strip herself naked; to which she at first objected; but he told her, she would oblige him much by doing it, and the deponent, stripped herself naked accordingly, and lay down upon the bed; and his Lordship came to her, and was ready for action [...].“104

Lord Grosvenor betrachtet das Bild einer nackten Frau, er vergleicht es mit der Hure und stellt Ähnlichkeiten fest. Daraufhin bittet er sie, sich für ihn auszuziehen. Elizabeth lässt sich überreden, entkleidet sich dem Gemälde entsprechend (accordingly) und legt sich auf das Bett. Die Nachahmung von Bildern durch Huren war damals als erotische Variante des Tableau vivants vor allem auf der Basis der sogenannten obszönen Artine Postures in libertinen Kreisen beliebt.105 Die Imitation der Bilder

102 Auf eine Ausstellungsbesprechung der französischen Presse Bezug nehmend, die auf Hurenbilder weist, die neben den Porträts ehrbarer Frauen hängen. „Somerset House is not more remarkable for the exhibition of copies in the day, than originals in the night. Some dozens of infant prostitutes parade in the front every evening, to the disgrace of humanity, and scandal of the police.“ Daily Universal Register, 10. Mai 1786, S. 2. Zit. bei McCreery 2004, S. 106. 103 Vgl. Kap. 2. 104 Trials for Adultery 1780: „Richard Lord Grosvenor against Henrietta Lady Grosvenor“, Part II, S. 114. 105 Siehe die Anekdoten in den Nocturnal Revels 1779, S. 130, und das Venusfest der Charlotte Hayes, ebd., S. 25–27. Zu Emma Hamiltons damit verwandten pantomimischen Darstellungen – Attitudes – klassischer Bildwerke siehe Touchette 2000 und zuletzt, biographisch, K. Williams 2006. Vgl. Wien 2009, S. 372.

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44  Charles Grignon nach Daniel Dodd: Miss Roberts sitting naked in Ld. Grosvenors lap at the Hotel in Leicester Fields, 1780

wurde von den Freiern bewertet und korrigiert, ihnen kam in der Rolle der Connaisseurs die alleinige Erkenntnisfähigkeit zu.106 In dem einzigen der Ausgabe der Trials for Adultery von 1780 beigefügten Stich zu den Affären Lord Grosvenors (Abb. 44) ist die Szene dargestellt, die unmittelbar auf das Tableau vivant und den Geschlechtsverkehr folgte:107 Von einem theatralischen 106 Beispielsweise stößt Lord Del-aine in einer Episode der Nocturnal Revels zu einer Gruppe, die eben „Aretinos Positionen“ nachahmt. Lord Del-aine findet, „[...] the representation should be more characteristic and natural, and requested to perform the man’s part“, Nocturnal Revels 1779, Bd. 2, S. 130. 107 Charles Grignon nach Daniel Dodd: Miss Roberts sitting naked in Ld. Grosvenors lap at the Hotel in Leicester Fields, 1780. Radierung, 179 x 119 mm. Aus: Trials for Adultery 1780, „Richard Lord Grosvenor against Henrietta Lady Grosvenor“, Part II. British Library, London.

Idea der Hure  | 183

Rahmen umgeben, sitzt Lord Grosvenor – vollständig bekleidet – auf einem Sessel neben einem Alkoven und umarmt ein bis auf die Haube nacktes Mädchen auf seinem Schoß. Wie die Bildinschrift erläutert, handelt es sich um „Miss Roberts sitting naked in Ld. Grosvenors lap“, in jenem Zimmer des Hotels in Leicester Fields, in dem sich die beiden zu treffen pflegten. Die Szene unterstreicht noch einmal den auch im Zeugenprotokoll als außergewöhnlich beschriebenen Wunsch Grosvenors, die Hure nackt zu sehen.108 Der Stich zum Gerichtsprotokoll und Lord Grosvenors Vergleich des Akts mit Elizabeth Roberts beschreiben jeweils einen sexuell verfügbaren Frauenleib, keine aktive Hure. Elizabeth Roberts war in der Zeugenaussage passiv beschrieben und folgte den Anweisungen des Freiers. Tatsächlich ist im Stich nur ihr nackter Körper zu sehen, ihr Gesicht verschwindet im verlorenen Profil neben dem weit geöffneten, beobachtenden Auge des Mannes. Grosvenors Idea einer Hure hatte kein Gesicht, so ist daraus zu schließen. Sie beschrieb einen anonymen, verfügbaren und gefügigen Frauenkörper. Peters’ Lydia ist eine anonyme Frau,109 die durch ihre formale Komposition verfügbar ist. Ihr Blick ist allerdings zu machtvoll, um sich so gefügig handhaben zu lassen, wie Elizabeth Roberts im Stich des Gerichtsprotokolls. Zudem bezeichnet nur ihr Gesicht sie als Hure. Die Idee der Hure als verfügbarer und gefügiger Frauenleib ist jedoch über den Bildkörper zu denken, mit dem Lydias Leib verschmilzt. Lydias Gesicht weist darauf hin. Ihr Blick lädt ein, sie tatsächlich als Objekt zu konsumieren: Das Bild in die Hand zu nehmen oder geistig die Stoffe um ihren Körper zu ertasten und ihrer Gestik zu folgen. Doch jede Form ästhetischer Lust kann sich nur unter ihrem Blick entfalten, der wie in Pallavicinos Konzeption der Hurerei verführt und gleichzeitig erinnert, dass der Eros eine Form von Erfüllung finden kann. Wie bereits erwähnt, hatte Reynolds die Darstellbarkeit der Idea auf der Leinwand im dritten Diskurs innerhalb seiner Ausführungen zur inventio, des Prozesses der Bildfindung beschrieben. Der Gegenstand aller Diskurse war dabei die Historienmalerei als höchste und edelste Gattung. Wie seine Landsleute arbeitete Reynolds jedoch vor allem als Porträtmaler und kam in seinen Ausführungen immer wieder auf seine Profession und seine diesbezüglichen Nobilitierungsbemühungen zurück.110 Um für die Porträtmalerei die allgemeingültige, überzeitliche Ebene der Historie beanspruchen zu können, entwickelte er seine Methode des composite stile, bei der die jeweilige Gattung durch Entlehnungen (borrowing) aus einer höheren Gattung und der klassischen Kunsttradition veredelt werden und wie die Historie einen Ewigkeits108 Trials for Adultery 1780: „Richard Lord Grosvenor against Henrietta Lady Grosvenor“, Part II, S. 114. 109 Zur Bezeichnung des Gemäldes siehe unten S. 188. 110 Auf die von Plinius 1997, S. 96–97 [35. Buch, 1. Kapitel, Abschnitt 6], erzählte Helenageschichte anspielend, können auch die Porträtmaler, Zeuxis gleich, Ewigkeit beanspruchen: „In aeternitatem pingo.“ Reynolds 1778, Discourse III, S. 87. Siehe Prochno 1990, S. 50–53.

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anspruch stellen könne.111 Als eine Möglichkeit eignete sich das historisierte Porträt.112 Sein Gemälde Kitty Fisher als Kleopatra (Abb. 24) beispielsweise zeigt das Bildnis der berühmten Kurtisane im antikisierten – zeitlosen – Kostüm und den Kopf ins Profil gewandt, so dass ihre Züge geglättet scheinen.113 Mit ihren gespreizten Fingern hält sie eine Perle zwischen Daumen und Zeigefinger bereit, um sie in ihrem Kelch aufzulösen. Die Szene referiert auf ein Gastmahl der für ihre Verschwendungssucht berüchtigten ägyptischen Königin mit dem römischen General Marc Anton, bei der sie eine Perle auflöste und trank. Die intellektuelle Leistung im Prozess der Bildfindung bestimmt dabei den Wert eines Gemäldes, unterscheidet die Kopie vom Original dank der geistigen Auseinandersetzung mit der Vorlage und entscheidet über seine Qualität als Produkt einer freien Kunst oder eines Handwerks.114 Im Bildnis Kitty Fishers zitierte Reynolds formal die Figur der Kleopatra in Francesco Trevisanis (1656–1746) Festmahl des Antonius und der Kleopatra in der Galleria Spada in Rom, das er während seiner Italienreise skizziert hatte.115 Der neue Sinnzusammenhang im Porträt und die Charakterisierung der Kurtisane unterscheiden sein Zitat vom Plagiat. Im Porträt ist die Ähnlichkeit (likeness) einer Person Reynolds zufolge weniger in der exakten Beobachtung der Natur als in ihrem allgemeinen Charakter zu suchen.116 Als wichtiges Werkzeug dient dem Maler dabei die Expression, worunter er den Ausdruck des Charakters einer Person in einer signifikanten Situation versteht.117 Im Fall einer Hure kann diese Charakterisierung durch Standestugenden erfolgen, wie in der Verschwendungssucht Kitty Fishers durch die Figur der Kleopatra, oder sie kann in einem aussagekräftigen Moment liegen, in der Boudoirsituation etwa, wie ihn Peters in Lydia darstellt. Für den Charakter der Lydia bezog sich Peters direkt auf eine

111 Reynolds 1778, Discourse IV, S. 142. Als historische Vorlagen eigneten sich dabei für den in der Gattungshierarchie am höchsten stehenden und der Historienmalerei vorbehaltenen grand stile vor allem Reynolds’ kunsthistorische Autoritäten der italienischen Klassik, die römische, die Florentiner und bolognesische Schule. Der ornamental stile der venezianischen Malerei dagegen vernachlässigt die Form, das disegno, zugunsten des Kolorits und der Lichtgebung und betonte den mechanischen Malprozess, weshalb er hierarchisch unter dem grand stile rangierte und sinnlichen Inhalten angemessen erschien. Ebd., Discourse IV, S. 141. Zur Methode und Reynolds’ praktischer Umsetzung, Prochno 1990. 112 Ebd., S. 80–93. 113 Zu Reynolds’ Kitty Fisher als Kleopatra siehe oben, S. 141. 114 Reynolds 1778, Discourse III, S. 72. Dazu ausführlich Prochno 1990, S. 40–48. 115 Abgebildet in Penny 1986, Kat. 34, S. 196. 116 „Even in portraits, the grace and, we may add, the likeness, consists more in taking the general air than in observing the exact similitude of every feature.“ Reynolds 1778, Discourse IV, S. 107. 117 „Those expressions alone should be given to the figures which their respective situations generally produce. [...] each person should also have that expression which men of his rank generally exhibit. The joy, or the grief of a character of dignity is not to be expressed in the same manner as a similar passion in a vulgar face.“ Reynolds 1778, Discourse IV, S. 112.

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45  Edward Fisher nach Joshua Reynolds: Garrick zwischen Komödie und Tragödie, 1762

besonders erfolgreiche Charakterstudie Reynolds’, nämlich dessen Bildnis des Schauspielers David Garrick zwischen der Komödie und der Tragödie.118 Reynolds hatte es 1761 in der Society of Artists ausgestellt und unverzüglich als Mezzotinto stechen lassen (Abb. 45).119 Inhaltlich kombinierte das Porträt das Bildthema des Herkules am Scheideweg mit Ovids komischer Variation in den Amores, in der sich der Held gegen die ernste Tragödie und für die verführerische Elegie entscheidet.120 Für das Mädchen, das rechts von Garrick als Thalia die Komödie 118 Joshua Reynolds: Garrick zwischen Komödie und Tragödie, 1760–1761. Öl/Leinwand, 148 x 183 cm. Privatbesitz. Mannings 2000, Nr. 700. Zum Erfolg des Porträts Clayton 2005, S. 51– 52, sowie Kat. 60, 72. 119 Edward Fisher nach Joshua Reynolds: Garrick zwischen Komödie und Tragödie, 1762. Mezzotinto, 400 x 500 mm. British Museum, London. 120 Mannings 2000, Nr. 700, S. 209–210. Zum Herkulesmotiv siehe Panofsky 1997, S. 133. Er verweist auf Reynolds’ Auseinandersetzung mit Correggio. Zum gezielten, kunsttheoretischen Rückgriff auf Correggio siehe Busch 1984. Zur Kombination mit den Amores Ovidius 1999, S. 94–97 [3. Buch, 1. Kapitel], siehe zuerst Postle 1995, S. 20–32, hier S. 25.

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verkörpert, kombinierte er den Johannes Battista aus Correggios Heiliger Familie mit dem heiligen Hieronymus, mit einem Engel aus Correggios Deckenfresko der Camera di San Paolo, die er während seiner Italienreise 1749–1752 in Parma studiert hatte.121 Die Gesichtsform, die Haltung und die verschatteten Augen des Mädchens sind jedoch nicht nur mit Correggio, sondern auch mit Peters’ Lydia vergleichbar. Peters hatte Correggio wohl ebenfalls in Italien gesehen,122 doch für Lydia bediente er sich Reynolds’ Bildzitat. Reynolds hatte Correggios Motive als feinsinnigen Verweis auf den Modus der sinnlichen Komödie im Kontrast zur ernsthaften Komödie für sein Bildnis verwendet, wie Werner Busch in seinem Aufsatz zum Garrickporträt zeigt.123 Peters baute darauf Lydia auf. Er verwendete Correggios Kolorierung, aber Reynolds’ neuen Inhalt, um sie wiederum mit der neuen Sinnschicht der Hure im Boudoir zu überblenden. Bei Reynolds ist die Charakterisierung der beiden Nebenfiguren formal der Bildtradition von Herkules zwischen Voluptas und Virtus verpflichtet.124 Die Parabel von Herkules am Scheideweg stammt vom antiken Sophisten Prodikos und ist in den Memorabilia des Xenophon enthalten. Sie schildert die Entscheidung des Herkules über den einzuschlagenden Lebensweg, zwischen einem verlockenden, lasterhaften und einem mühevollen, tugendhaften Weg. Zwei Personifikationen des Lasters und der Tugend versuchen ihn jeweils zu überzeugen. Herkules entschließt sich am Ende, dem Weg der Tugend zu folgen, der ihm Unsterblichkeit verspricht. In seiner Übersetzung der Prodikos-Fabel beschrieb der Schriftsteller John Gilbert Cooper (1722–1769) 1750 die den lasterhaften Weg verkörpernde Figur, die von ihren Freunden Glück (Happiness) und von ihren Feinden Wollust (Volup[t]ia) genannt wird, als von ihrem üppigen und müßigen Leben zu einer unziemlichen Üppigkeit (unbecoming Size) und Sanftheit (Softness) aufgebläht (pamper’d).125 Die Schriftstellerin Sarah Fielding (1710–1768) übersetzte Coopers Volupia in ihrer Xenophon-Ausgabe nur zwölf Jahre später mit Sinnlichkeit (Sensuality126) und verstärkte so den unschuldigen Schein des lasterhaften Wegs. In 121 Busch 1984, S. 92. 122 Manners 1913, S. 7–8. 123 Correggio galt ihm als idealer Vertreter des sinnlichen, von der venezianischen Malerei vertretenen ornamental stile. Die Anmut der Komödie kontrastiert mit der strengen, die Tragödie darstellenden Melpomene links von Garrick, für das sich Reynolds an Guido Renis noblerem grand stile orientierte. Busch 1984, S. 91–94. Reynolds hatte die Figur außerdem in Terpischore (Euphrosyne), 1761/1762, Öl/Leinwand, 127 x 101,6 cm, Privatsammlung, verwendet. Mannings 2000, Nr. 701–702. 124 Panofsky 1997, S. 124–133. Zu Reynolds’ weiteren Bildzitaten im Garrickporträt, Penny 1986, Kat. 42, S. 205–207. 125 Cooper 1750, S. 72–74. 126 Die von Shaftesbury 1713 in seinem Traktakt zur Darstellung des Herkulesthemas in der Kunst gewählte Übersetzung des griechischen Kaxia als Pleasure ist in der zweiten Jahrhunderthälfte nicht mehr akzeptabel. Cooper begründet seine Übersetzung als Volupia mit der relativen Bedeutung der Kaxia. Sarah Fielding verwendete sich in ihrer Übersetzung 1762 explizit gegen Pleasure

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Fieldings Übersetzung hat sich die Schilderung der Tugend und des Lasters vom rhetorischen Exempel zu einer Normschablone weiblichen Verhaltens verschoben: Während sich Volupia noch mit Applikationen des Scheins begnügte, musste die bei Fielding geforderte Natürlichkeit verinnerlicht sein, um glaubhaft zu wirken. Sensuality fungiert nun als Kontrastfolie zur natürlichen Eleganz (native Elegance) von Virtue, deren Blick züchtig (modest) und deren Gestik anständig (Decency) ist. Cooper übersetzte den Blick der Volupia noch als vertrauensvoll (full of Confidence), Fieldings Sensuality blickt kühn (bold) und kennt keine Schamesröte. Die Macht ihres Aussehens und ihres Charmes verdankt sie ihrer Künstlichkeit (Art), ihre Sanftheit und Zartheit sind einstudiert und wirken gezwungen. Ihre Kleider trägt sie nicht, um zu verhüllen, sondern um sich zur Schau zu stellen (display).127 Als Peters die Figur der Lydia im Bett liegend darstellte, betonte er ihre Augenpartie und verschattete das strahlende Weiß und Rosa des Inkarnats um die Augen und in der linken Gesichtshälfte mit Grau und Gelb. Ihr Blick und ihre Pose verraten die Verführungskunst des Lasters. Ihre weiche Haut und ihre Augenpartie sind als die hedonistischen Spuren ihres Lebenswandels zu lesen, die unter der übergroßen Haube hervordrängen, sobald sie im Bett liegt. Die rosa Schleife, die kunstvoll darum geschlungen ist, führt nicht nur das Verhüllungsspiel der Bett- und Vorhangstoffe fort, sondern gibt der zur Schau gestellten Lasterhaftigkeit ihren artifiziellen Rahmen. Damit kontrastieren jedoch ihre geröteten Wangen, die Scham verraten. Karen Harvey weist in ihrer Studie zur Rezeption erotischer Literatur im 18. Jahrhundert auf die ambivalente Bedeutung der Schamesröte hin. So wie der weibliche Blick diente die blush of modesty sowohl als Indikator für die Schönheit als auch für die sexuelle Bereitschaft einer Frau. Nichts war damals so anziehend wie errötende Wangen. Gleichzeitig zeigten sie sexuelles Verlangen in einem sittsamen Rahmen an, denn übermäßiger sexueller Appetit konnte die Schamesröte zerstören. Zwischen Sittsamkeit und maßvoller, sinnlicher Leidenschaft diente sie den Männern deshalb als wichtiger Gradmesser des Charakters einer Frau.128 Genau diese Röte erscheint auf Lydias Wangen. Cooper beschrieb in seiner Übersetzung der Prodikos-Fabel das Gesicht (complexion) der Volupia bemalt (painted), um die Defekte der Natur zu kaschieren.129 Lydias Röte ist tatsächlich gemalt und wird durch den Topos der Hure, die die Sittsamkeit ehrbarer Frauen durch Kosmetika nachahmt, zweideutig:130 Ob sie akzeptable und attraktive Leidenschaft vorund für Sensuality, um die Figur stärker von der Virtue abzugrenzen. Fielding 1767, S. 118, Anm. f. 127 Ebd., S. 116. 128 Harvey 2004, S. 218–221. A. Rosenthal 2001. Vgl. The Whores Rhetorick 1683, S. 121– 122. 129 Cooper 1750, S. 72. 130 Harvey 2004, S. 218.

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täuscht, ob sie auf den Betrachterblick antwortet oder als Konsequenz ihrer uneindeutigen Geste unter der Decke tatsächlich Begehren empfindet, bleibt offen. Der Charakter der idealen Hure ist leidenschaftlich, aber nicht eindeutig definierbar: Sie ist sexuell attraktiv und einladend und lässt dabei im Unklaren, ob ihre Leidenschaft echt ist. Diese Ambivalenz unterscheidet sie von ehrbaren Frauen, aber auch von den Huren auf der Straße.131 Peters’ Anspruch hätte nicht ehrgeiziger sein können. Indem er sich auf Tizian und Reynolds bezog, forderte er zugleich eine klassische und eine moderne Autorität der Malerei zum Vergleich heraus. Aus Tizians Venus heraus entwickelte er sein Bildangebot der Schaulust, aus Reynolds’ Garrick-Bildnis seine moderne Applikation der Hurerei. Der Bildwitz geht dabei erst in Kenntnis des Herkulesmotivs im Porträt des Garrick auf: In dieser erotischen Komödie spielt Lydia die Rolle der Sensuality. Ihr Blick richtet sich auf die Betrachter, die sich selbst in der Rolle des Herkules finden. Der Gegenpol der Tugend fehlt jedoch in Peters’ Variante und dem Herkulesbetrachter bleibt keine Wahl.

5.4. Inszenierung der Hure in der Grafik Noch im Dezember 1776 ließ Peters Lydia von William Dickinson (1746–1812), einem der besten Londoner Reproduktionsstecher, als Mezzotinto stechen und publizieren. Erst der auf dem Mezzotinto gedruckte Titel gab Lydia den Namen. In der Grafik waren Peters’ Frauenbildnisse mit einfachen, weiblichen Vornamen betitelt. Marcia Pointon verweist auf deren sexuelle Konnotierung: Lydia, Belinda und Sylvia waren die Heldinnen erotischer Literatur oder die liederlichen Charaktere von Erzählungen. Dadurch erzeugte die Bezeichnung von Peters’ Mezzotinto beim zeitgenössischen Publikum eine Vertrautheit, die gleichzeitig die Anonymität und Austauschbarkeit der Dargestellten wahrte.132 Peters ließ zwei Zustände des Mezzotintos drucken. Auf den einen Zustand war unter den Bildtitel ein Zitat aus John Drydens (1631–1700) Komödie Amphitryon gedruckt (Abb. 46).133 In Kombination von Plautus’ Amphitruo und Molières Adaption des griechischen Mythos erzählt das Stück die Geschichte der Zeugung des Herkules. 131 Auch diese Unverbindlichkeit scheint ein Topos zu sein. Davidson 2002, S. 148–150, beschreibt sie als wesentliches Merkmal der Hetären, die sich damit von den Pornai, den Huren, unterschieden. 132 Z. B. Pierre Antoine de La Places Lydia ou Mémoires de Milord d’-. Imités de l’anglois, 1772, oder Mary Robinsons Celadon and Lydia, 1777. Noch 1813 heißt in Jane Austens Pride and Prejudice die oberflächliche Schwester Elizabeths Lydia. Pointon 1997, S. 261–262. 133 William Dickinson nach Matthew William Peters: Lydia, 1. Dezember 1776. Mezzotinto, ca. 300 x 336 mm. Sign., dat. u. bez. „From an Original Picture in the Collection of the Right Honble Lord Grosvenor“, „This is the Mould of which I made the Sex; / I gave them but one Tongue, to say as nay, / And two kind Eyes to grant. Dryden“ und im Rahmen darüber „LYDIA“. Von

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46  William Dickinson nach Matthew William Peters: Lydia, 1776

Nachdem Jupiter die tugendhafte Alkmene in der Gestalt ihres Ehemanns Amphitryon verführt hat und sie ihrem wahren Ehemann nach seiner Rückkehr von dieser Liebesnacht erzählt, beschuldigt dieser sie der Untreue. Die Zeilen auf dem Druck stammen aus dem vierten Akt: Alkeme ist wütend über die Anschuldigungen ihres Ehemanns. Jupiter entschuldigt sich und versucht sie zu einem neuerlichen Seitensprung zu bewegen. Nach einem Streitgespräch gelingt es Jupiter, Alkmene zu besänftigen, und sie verlässt ihn mit den Worten: „But come not you, / Left I should spoil you with Excess of Fondness, / And let you love again.“ Jupiter erwidert „Forbidding me to follow, she invites me“ und spricht zu sich die Zeilen, die auf dem Stich Lydia wiederholt sind: Chaloner Smith 1883, Nr. 95, als erster Zustand von dreien aufgenommen. Der einzige mir bekannte Abzug befindet sich in Londoner Privatbesitz.

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47  William Dickinson nach Matthew William Peters: Lydia, 1776 (Zustand offener Schrift)

„This is the Mould of which I made the Sex; / I gave them but one Tongue, to say as nay, / And two kind Eyes to grant.“134

Lydias Gesicht lädt jedoch zum Betrachten ein. Ihre Mimik ist weit davon entfernt, ihre Tugend verteidigen zu wollen. Dickinson hat die tiefen Verschattungen um Lydias Augen sogar noch abgemildert, so dass ihr Blick klarer wirkt, und ihre Lippen leicht geöffnet wirken. Mit dieser gespielten Zurückweisung ersetzt der Bildtitel die Funktion der Schamesröte im Gemälde. Die Wahl des Zitats aus Drydens Stück, das 1776 noch auf den Londoner Spielplänen stand, sowie der Bezug zu Jupiter, dem erfolgreichsten aller Ehebre134 Dryden 1721, S. 56.

Inszenierung der Hure in der Grafik  | 191

cher,135 konnten die Zeitgenossen leicht mit Lord Grosvenor in Verbindung bringen, der seinen Namen neben Drydens Zeilen hatte drucken lassen: „From an Original Picture in the Collection of the Right Hon[oura]ble Lord Grosvenor“. Im Bereich der Mezzotintos erreichte Peters’ Gemälde einen breiten Rezipientenkreis über die verkäufliche Grafik an sich, die Auslage des Grafikhändlers und seine Ankündigung und Besprechung in der Presse. Der hinzugefügte, illusionistische Rahmen und der darunter gedruckte Verweis auf das „originale“ Bild bewahrten dabei eine qualitative Distanz zwischen dem Besitzer des Gemäldes und dem Reproduktionsstich. Durch seine Präsenz auf dem Mezzotinto führte Lord Grosvenor seine ideale Hure im Moment der absoluten Verfügbarkeit vor. So wie die reale Hure, sobald die Konditionen ausgehandelt sind, dem Freier exklusiv zur Verfügung steht, gilt dies auch für das Bild einer Hure, ist sie erst im Schlafzimmer angekommen.136 In diesem Sinn sind der Körper einer Hure und das Gemälde analog als Objekte zu denken, deren vollständiger Genuss die Bezahlung sexueller Dienste oder den Kauf des Bilds voraussetzen:137 Nur dem Besitzer war es vorbehalten, das Bild zu berühren, zu bedecken und zu enthüllen. Für die Betrachter des Mezzotintos betonte diese auratische Qualität nach Walter Benjamin den das Gemälde evozierenden Bildtext.138 Benjamin aber definiert die Aura eines Bilds anhand der Wirkung religiöser Kultbilder und ihren Verlust durch ihren Funktionswechsel in der Ausstellung, in einem Museum etwa oder in der Reproduktion, wobei Benjamin von Fotografie schrieb und die Mezzotintos an anderer Stelle vom Verlust der Aura ausgenommen hat.139 Die „Aura“ der Hure sei in diesem Zusammenhang als eine Erfahrung von Nähe und Teilhabe bei gleichzeitiger Distanz eingeführt, wie sie als wesentliches Element 135 Z. B. am 6. Mai 1776 im Royal Theatre, Covent Garden. Anzeige im Londoner Public Advertiser, Montag 6. Mai 1776. 136 The Whores Rhetorick 1683, S. 73–74, empfielt zu diesem Zweck eine besondere Raumaufteilung, die im Notfall jedem Freier ungesehen von den anderen Zutritt bzw. das Verlassen der Räume ermöglicht. Diese Anweisungen dienen dabei keineswegs der Anonymität der Freier, sondern sollten den Schein der Exklusivität aufrechterhalten. 137 Sogar die Preise sind vergleichbar: Ein Gemälde der Größe von Peters’ Lydia wurde etwa in Reynolds’ Klassifikation als Halbfigur (three-quarter) geführt und kostete 1767 35 Guineas und seit den 1780er-Jahren, als Reynolds zu den bestbezahlten Malern Englands gehörte, 50 Guineas. Prochno 1990, S. 239. Lord Grosvenor gab der Straßenhure Elizabeth Roberts zwischen einer und eineinhalb Guineas, ein Preis, der in exklusiven Bordellen um ein Vielfaches steigen konnte. Das mittlere Jahreseinkommen des Kleinbürgertums betrug im Vergleich zwischen 50 und 100 Pfund (1 Guinea = 21 Schilling, 1 Pfund = 20 Schilling). Porter 1982, o. S. 138 Benjamin 1991, Gesamtverzeichnis I.2, S. 479. Vgl. oben, S. 163. Vgl. die Überlegungen zum Verhältnis von Benjamins Aura, Abdruck und Berührung bei Didi-Huberman 1999, S. 48–51. 139 Zur Aura der älteren Reproduktionsverfahren, darunter die Mezzotintotechnik, siehe Benjamins Beitrag zur Geschichte der Fotografie, Benjamin 1991, Gesamtverzeichnis II.1, S. 376. Vgl. Seggern 2002.

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die erotische Wirkung der Lydia bestimmte und durch ihren aktiven Blick konstituiert war. Das Auratische der Hurenbilder verkümmert dabei nicht durch seine Reproduktion, sondern bedarf ihrer, um wirksam zu werden.140 Denn wenn „der einzigartige Wert des ›echten‹ Kunstwerks seine Fundierung im Ritual [...], in dem es seinen originären und ersten Gebrauchswert hat“,141 wie Benjamin seinen Begriff der Aura umfasste, so erfuhr der „Gebrauchswert“ des Hurenbilds in libertinen Gemeinschaften seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zumindest literarisch eine Renaissance: Die später als Hell Fire Club bekannt gewordenen Medmenham Friars oder Knights of St. Francis erhoben Prostitution referierend auf das klassische Altertum zum Religiös-Kultischen, wie ein angebliches Mitglied 1779 in der Einleitung des zweiten Bands der Nocturnal Revels beschrieb: „The Courtezans [Athens] were also connected with Religion, through the cultivation of the arts. They offered themselves for models to copy Venus’s, who were afterwards adored in their temples.“142 Die Kurtisanen des vorchristlichen Athens erlangten ihren kultischen Status erst über die Kunst. Als Modelle für die Göttin der Liebe fanden sie sich selbst wie Göttinnen im Tempel verehrt. Die Wahl des Dryden-Zitats mit dem bildgebenden Terminus mould lässt den Reproduktionsstich Lydia mit dem Abdruck eines Kultbilds assoziieren, der jedoch anders als ein religiöses Kultbild nur in der Vervielfältigung seinen kultischen Wert erlangt. Ohne das Druckmedium wäre Lydia eines von vielen erotischen Genregemälden einer aristokratischen Sammlung und bliebe auf den begrenzten Kreis der Rezipienten eines Gemäldes beschränkt. Um ihre Wirkung als begehrliches Objekt entfalten zu können, verlangte die Hure im Bild jedoch ein Publikum, für das sie gleichzeitig in ihrer Originalität – als Hure, als Porträt – unnahbar bleiben musste. Marcia Pointon hebt die Rolle der Patronage für die Reproduktionsstiche als Konsumobjekte hervor: Erst die ausdrückliche Druckerlaubnis des Besitzers des Gemäldes auf dem Blatt rief das „Original“ hinter dem Stich hervor, das ohne Bildtext, ohne Titel, in seiner Urform „intakt“ und unsichtbar blieb. Dadurch erhielten Peters’ Hurengemälde eine Kultfunktion, die durch das Sammeln ihrer Reproduktionen ein kollektives, männliches Betrachterpublikum konstituierte, so Pointon.143 Dieser Gedanke erscheint hinsichtlich der oben an Pallavicinos Hurenrhetorik und Crispijn de Passes Kurtisanen beschriebenen Dialektiken des Begehrens, die sich stets im Verweisen des Abbilds auf das Original entfalteten, als Motivation zum Sammeln von Hurengrafik plausibel. Daraus folgert Pointon weiter, dass die Grafik auf diese Weise nicht nur die Kommerzialisierung des Weiblichen forcierte, sondern über die Hurenbilder zugleich eine 140 Vgl. die Feststellung von Wood 2008, S. 16, dass die Konzeption des einzigartigen, „originalen“ Kunstwerks erst durch die Reproduktionstechniken denkbar wurde. 141 Benjamin 1991, Gesamtverzeichnis II.1, S. 480. 142 Nocturnal Revels 1779, Bd. 2, S. 6. Zu diesem Umfeld siehe zuletzt Redford 2008. 143 Pointon 1997, S. 259.

Inszenierung der Hure in der Grafik  | 193

„Aura“ des Weiblichen schuf und verstärkte.144 Diese Beobachtung ist in historisierten Porträts überzeugend nachvollziehbar, die Frauen als Tugendheldinnen oder gar Heilige inszenierten. Sie kann noch deutlicher in Genrebildern von in häusliche Tätigkeiten vertiefte Frauen nachvollzogen werden, z. B. beim Lesen, bei der Handarbeit oder beim Musizieren, nicht aber, wenn der dargestellten Frau eine so aktive Rolle zukommt wie Lydia. Lydias Angebot an das erotische Betrachten zielte nämlich keineswegs darauf, ideale Weiblichkeit vorzuführen: Die Inszenierung idealer Weiblichkeit war vielmehr durch den Einsatz der Schamesröte pervertiert und ließ den idealen Charakter der Hure, der unverbindliches erotisches Spiel ohne tieferes Gefühl und ohne weitere Konsequenzen für den Betrachter bot, erst sichtbar werden: „A Whore is a Whore, but a Whore ist not a Woman“, um noch einmal die englische Version von Pietro Aretinos Aussage zu bemühen.145 Peters malte das Auratische der Hure und nicht das Auratische des „Weiblichen“. Diese Eigenschaft band sie an das Medium des Gemäldes und der Grafik, nicht aber an den Besitzanspruch eines Auftraggeber-Patrons. Deshalb ging auch die Rechnung Lord Grosvenors, sich über Lydia als Libertin zu inszenieren, nur bedingt auf. Das Mezzotinto mit dem Grosvenor-Verweis ermöglichte den Betrachtern über Lydias Augen einen Blick auf Lord Grosvenor und die Skandale eines aristokratischen Paars.146 Gleichzeitig mit dem oben besprochenen Mezzotinto Lydia veröffentlichte Dickinson 1776 einen frühen Druck des Stichs im Zustand offener Schrift (Abb. 47), das heißt, die Dedikation des Blatts war noch nicht fertig ausgeführt: Der

144 Ebd., S. 259. 145 The Whores Rhetorick 1683, S. 144. Vgl. oben, S. 58, Anm. 118. 146 Über diese Inszenierung Lord Grosvenors funktionierte Lydias Mezzotinto bis ins 19. Jahrhundert: Lange nach seinem Tod erschien Lydia 1824 in London in einem stark überarbeiteten Zustand. Nach Matthew William Peters und William Dickinson: Lydia, 1824. Mezzotinto, 306 x 338 mm. British Museum, London. Chaloner Smith 1883, Nr. 95. Vor der erneuerten Haube und Haartracht senkt sich ein weiterer Vorhang tief aus der linken oberen Bildhälfte. In seiner Sittengeschichte der englischen Kirche berichtet Doran 1868, S. 111, von der Konvertierung des Venusmalers Peters zum Geistlichen und königlichen Prediger. Als Beispiel für die Zeit vor seiner Bekehrung berichtet er, Lydia sei so dreist gewesen, dass sie mit einem transparenten Schleier bedeckt werden musste, den die Geistreichen (wits) episcopal lawn nannten: „[...] the artist who had executed so audacious a ,Lydia in Bed‘ that it had to be covered ’with a transparent material which is generally appropriated to the sleeves of episcopal dignitaries.“ Das viktorianische England aktivierte das Auratische der Hure nur unter der Schicht des libertinen Wüstling-Besitzers vergangener Zeiten in seiner Historisierung. Der Literaturhistoriker Quinlan 1965 hat den Mentalitätswandel vom libertinen 18. Jahrhundert ins viktorianische England untersucht. Vgl. Quinlans Einleitung, ebd., S. 1–2, in der eine alte Dame 1824 um Literatur, die sie in ihrer Jugend gern gelesen hat (Aphra Behns Schriften aus dem 17. Jahrhundert), bittet und, nachdem sie sie wieder gelesen hat, fassungslos über ihre damalige Sittenlosigkeit veranlasst, die Bücher zu verbrennen: Die Sprache und die visuelle Kultur des 18. Jahrhunderts schienen ihr nicht fremder und andersartiger als die neuesten Berichte von Entdeckungsreisenden.

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Bildtitel und der auf Lord Grosvenor verweisende Bildtext fehlten noch, nicht aber die Künstlersignaturen und der Druckort.147 Als anonyme Hure im Schlafzimmer blickte Peters’ Idea einer Hure aus dem Bild, die über seine Malkunst und Dickinsons Übersetzung ihre Macht ohne Abhängigkeit vom „Original“ entfaltete. Denn anders als eine metaphysische Göttin im Tempel ist der Bildkörper der Hure nicht an einen Kultort gebunden, sondern entfaltet sich in jedem optisch-haptischen Medium. Das Auratische der Hure bedurfte in der Druckgrafik keines Auftraggebers, um als Bild zu funktionieren. Peters’ Gemälde bietet Schaulust durch die unterschiedliche Gestaltung der Stoffe und der Haut und ist durch die Farbe und die Leinwand getragen. Dickinson übersetzte dieses Angebot grafisch in verschiedene Modi der Linienführung: Die dreidimensionale Wirkung der unterschiedlichen Stoffschichten übertrug er in verschiedene Schraffuren und klar ausgearbeitete Formen. Während die Haut eine sehr gleichmäßige Textur hat und dunkler ist als die Stoffe, imitieren die Linien des Tuchs die Spur eines Pinsels: Die Bettwäsche z. B. ist durch Spiral- und Schlangenlinien moduliert, die sich bis zu Lydias Nachthemd zu wilden Falten formen. Die Decke dagegen imitiert eine Schraffur mit breiten, parallelen Strichen. Der Vorhangstoff ist aus dunklen, dicken Linien gearbeitet, die bis nach rechts unten hin gar zu einem feinen Fransenrand werden und mit der Decke kontrastieren. Wie bei Peters’ Gemälde erhält die Decke ihre flauschige Wirkung durch breite Schraffuren, die hier jedoch horizontal liegen. Das helle Leinen des Hemds und des Leintuchs ist im Gegensatz zum Gemälde heller poliert als Lydias Haut und detailverliebt gefaltet. Indem das Auge diesen unzähligen Faltungen folgt und zuweilen die Anspielung auf das weibliche Geschlecht entdeckt, intensiviert sich das erotische Schauvergnügen. Die auch in Peters’ Gemälde auf Nahsicht gemalte Brust erzeugt im Mezzotinto durch das im Druckverfahren entstandene Raster auf der Druckplatte den Eindruck einer Textur auf den großflächigen Partien ihrer Haut. Wie im Gemälde verschmelzen Hurenund Bildkörper. Die rechte Brustwarze ist in einen winzigen, durch Lichtreflexe betonten, perfekten Kreis übertragen. Dickinsons Übertragungsleistung erzeugt den gleichen Effekt im Betrachten des Stichs wie das Gemälde: Das Bild funktioniert am besten mit einer gewissen Distanz, weil Lydia dann intakt bleibt. Im Gegensatz zum Gemälde aber stört die leibliche Nähe zum Mezzotinto nicht – dafür sorgen die sorgfältig gearbeiteten Partien wie die Vorhangfransen rechts oder Lydias Hals und der rechte Teil des Kissens, das eine andere Textur hat. Die durch die Komposition evozierte Stofflichkeit der Darstellung verdichtet sich zu einer reellen haptischen Erfahrung, wenn das Blatt in die Hand genommen und berührt wird.

147 William Dickinson nach Matthew William Peters: Lydia, 1. Dezember 1776. Mezzotinto, 303 x 333 mm. Sign. u. dat., Zustand in offener Schrift. British Museum, London. Nicht von Chaloner Smith 1883, Nr. 95, erfasst.

Inszenierung der Hure in der Grafik  | 195

Die Wirkungsmacht von Lydias Blick relativiert deshalb absolute Besitzansprüche: Die Empfindung von Schaulust ist nicht an den Kauf des Mezzotintos gebunden. Vielmehr verlangt der erotische Schaueffekt die aktive Betrachtung des Drucks und erlaubt nur dann lustvolle Besitzergreifung. Dadurch zwingt Lydia den Betrachter-Freier zur kunstrezeptiven Wiederholung eines realen Huren-Freier-Verhältnisses. Die Idea des Hurenbilds entfaltet sich auch in der Replik, aber (wie im Gemälde) erst in der Erfahrung der Bildbetrachtung. Ihr Besitz bleibt relativ und zeitlich beschränkt, ist aber unbegrenzt wiederholbar. Peters ersetzte die göttliche Natur der Venus des 16. Jahrhunderts durch einen kunstvoll verpackten, aber leidenschaftlichen Frauenleib. Die, die den Betrachter anblickt, ist keine mythische Kurtisane, keine Venus profana mehr, sondern eine Variante der männlichen Vorstellung der „Hure“ des 18. Jahrhunderts, die unverbindliche sexuelle Leidenschaft vorführt und dazu einlädt. In den Erinnerungen der Zeitgenossen kam dem Einfluss Lord Grosvenors auf Peters’ erotischen Sujets besonderes Gewicht zu. Peters Genrewechsel von den Huren zu den Heiligen faszinierte bis ins 20. Jahrhundert.148 In diesem libertinem Auftrag fanden die Chronisten einen der Gründe für den Berufswechsel des hoffnungsvollen Malers.149 Tatsächlich dürfte eher Peters’ Italienerfahrung die Türen zu den derartigen Aufträgen geöffnet haben. Lord Grosvenors Vergangenheit prädestinierte ihn jedoch aus viktorianischer Sicht für die Rolle des hedonistischen Sündenbocks.150 Dabei kam Peters keineswegs die Rolle des Werkzeugs seines Patrons zu. Peters legte mit seiner Bildfindung vielmehr eine ehrgeizige Lösung für die virulenten Fragen der Malerei in einer Zeit der sich relativierenden Dogmen der klassischen Kunsttheorie nach ihrer Stellung, Bedeutung und Funktion vor, wobei er sich sowohl mit klassischen Vorbildern – Tizian – als auch mit zeitgenössischen Bildlösungen – Reynolds – auseinandersetzte. Peters begnügte sich jedoch nicht mit einer Bildfindung in einem traditionellen Patronatsverhältnis. Gleichzeitig mit seinen erotischen Fancys begann Peters, seine Gemälde druckgrafisch als Sylvia, Belinda und Lydia zu vermarkten und adaptierte sie für die Rezeptionsbedürfnisse der Grafik und die Ansprüche des neuen 148 Manners 1913, S. 14–15. Pointon 1997, S. 229–306, konfrontiert die Rezeption von Peters’ erotischen und religiösen Bildern und verweist auf vergleichbare Mechanismen der Aneignung. 149 Exemplarisch Doran 1868. 150 Bezeichnenderweise scheint der Berufswechsel Sée 1911, S. 401, der selbst eine Variante von Lydia besaß, irrelevant. Er interpretierte die erotischen Fancys als „pur Boilly“, vermutete ein französisches Modell und las folglich aus Lydias Zügen „l’esprit français“. Auch wenn sich Sée bei der Datierung von Lydia irrt, Peters reiste 1783–1784 neuerlich nach Paris, sieben Jahre nach Fertigstellung von Lydia, so relativiert die Freundschaft und Auseinandersetzung mit Louis-Léopold Boilly, vgl. Manners 1913, S. 11, doch seinen Gesinnungswandel und seine Distanzierung von den erotischen Fancys, wie sie die englischen Chronisten betonten. Ebd., S. 14–17, weist auf Peters’ Furcht vor der ungesicherten Existenz eines Malers hin, die seinen Berufswechsel wohl eher begründete als puritanische Religiosität.

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Marktes, wie Manners bemerkt.151 Es ist kein Zufall, dass Peters’ Aufmerksamkeit für die Grafik zeitlich mit der Entstehung seiner Hurenbilder zusammenfiel. Wie Lydia exemplarisch gezeigt hat, braucht das Hurenbild die Replik, um seine Wirkungsmacht entfalten zu können. Obwohl Peters noch weitere Frauenfancys dieses Typs malte und in Mezzotinto nachstechen ließ und seine Bildfindung sich erfolgreich verkaufte, begann sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Kunsttheorie wie in der Malerei ein anderes Modell der Rezeption und Darstellung von Schaulust zu verbreiten und gegen Ende des Jahrhunderts hin durchzusetzen; eines, das die Genremalerei gegenüber der Historie bevorzugte und – um beim Sujet zu bleiben – Frauen bei häuslichen Verrichtungen zeigte und „Weiblichkeit“ mit konkreten Tätigkeiten verband, die zugleich rollenspezifische Tugenden zuwiesen und erotisch inszenierten.152

151 Ebd., S. 47. 152 Siehe dazu u. a. Bermingham 1993 und Jones 1998.

6. Schlussbetrachtung

Goyas Stich Ni asi la distingue (Abb. 1) führte eingangs (S. 7) mit der Figur des Manns mit dem Lupenglas das Sehen von Hurenbildern ein. Vor dem Hintergrund von Peters’ Lydia, Smiths Hurengalerie, Merciers Fancy Pictures, Crispijns Kurtisanenspiegel und den grundlegenden Überlegungen zu Pallavicinos Konzept der Hurenästhetik sind an Goyas Hurenbild weitere Deutungen anzuschließen, die in Überspitzung der im Rahmen dieser Untersuchung behandelten Thesen in der folgenden Weise resümiert werden können: Goya stellte den Mann beim unmöglichen Versuch dar, zwischen der Repräsentation einer Frau als Bild und einer Hure als Bild zu unterscheiden. Die Hure nämlich gebar ihre eigene Form im Augenblick ihrer Angesichtigkeit und in mimetischer Spiegelung seines Verlangens. Jeder Versuch der Überprüfung des Gesehenen war aussichtslos, sei es in Bezug auf eine Entscheidung über das dargestellte Frauenbild, den Wirklichkeitsgehalt des Gesehenen oder der potentiellen Erfüllung des in Aussicht gestellten Wunschbilds: Jedes Hurenbild entsprang der Vorstellung der Betrachter, wie Goya zeigt. Dieses vergebliche Bemühen um die Klärung des Wesens der Dargestellten korrespondiert mit der Schaulust des Manns: Sein optisch verschlingendes Profilauge, das im Glas zwischen ihm und der Frau verdoppelt ist, weist sein Betrachten als leiblich-lustvollen Genuss durch visuellen Konsum aus. Damit führte Goya vom dargestellten Frauenkörper auf den Stich zurück, der sich mittels der Grafik eines ähnlichen Werbeverfahrens bedient wie die Frau, aber ihre künstliche Schönheit in einer Art von Paragone in die Schönheit der Radierung überträgt und übertrifft, indem das grafische Blatt qualitativ andere, dauerhaftere Erfüllungen in der Konsumption anbietet. Dieses Wechselspiel von Urbild, Wunschbild und Abbildern der Hure, von Bild und Bildwerdung begründet den Reiz des Hurenmotivs für die Grafik. Weil das Wunschbild abgekoppelt vom Körper der Hure gedacht war, konnten die Stiche ihre Aufgabe der Verkörperung übernehmen, indem sich die Darstellung der Hure als sexuelles Wunschbild im Bildträger als Bildkörper manifestierte. Anders als am Körper der Hure war die Präsenz eines Urbilds in den Stichen selbst auch materialisiert, indem jeder Stich als Abdruck der originalen Druckplatte auf ein real erfahrbares Original verwies. Die Hurenbilder setzten weniger auf einen Bildtyp als vielmehr auf die Bildwirkung, die sich als das Versprechen des Bilds, die Vereinigung mit dem begehrten Objekt potentiell realisieren zu können, beschreiben lässt. Die Bildwirkung entfaltet ihren Effekt im bewussten Bezug zur Realität der Betrachter. Dazu war die einfachste Möglichkeit, den Stich als eindeutige Darstellung einer potentiell identifizierbaren

198  |  Schlussbetrachtung

Person und nicht als typologische oder modellhafte Darstellung auszuweisen. Formal gehörten dazu das Bildformat und der Blick aus dem Bild, der den Blickwechsel mit den Betrachtern sucht und der in Kombination mit Gestik und Kleidung sexuelle Verfügbarkeit signalisieren kann. Ikonographisch gehörte dazu, die Gelegenheit der Kontextualisierung zu geben. Diese Aufgabe übernehmen die Bildtexte, wenn sie den dargestellten Frauen Namen zuweisen und so die Referenz auf eine reale Person oder sexuelle Topoi, wie venezianische Kurtisanen oder antike Hetären, unterstreichen. Der Referenzrahmen konnte aber auch außerhalb des Bilds liegen, wie anhand der Beispiele von John Raphael Smith und William Peters gezeigt wurde: Ihre Hurenbilder wären ohne die Kenntnis der zeitgenössischen Druckkultur Londons nicht als solche zu erkennen gewesen. Das Motiv der „Hure“ war nicht nur ein Symptom der visuellen Kultur, das die Bildwirkung sexuellen Verlangens erproben ließ. Es ermöglichte den Künstlern gleichzeitig, eine bildtheoretische Position zu beziehen: Sowohl Bildwerke als auch die Bildhaftigkeit der Huren können erotische Wirkungen hervorrufen und haben die Macht, Illusionen zu schaffen. Indem die Hurenbilder die Nachahmung der Huren als Imitationen zweiter Klasse vorführten, verorteten sie die Täuschungsabsicht der Huren in ihrem Bildgebrauch: Die Huren bedienten sich ihrer Bildhaftigkeit, um diese als Abbildungen der Wirklichkeit vorzuführen, und in gleicher Weise verwendeten sie Bildwerke als Verweise auf sich selbst. Dies nutzten die Künstler der Hurenbilder zu ihren Gunsten, um sich damit gleichzeitig und bildimmanent gegen den falschen Bildgebrauch und gegen die illusionistischen Erwartungen des Publikums zu richten oder – anders gesagt – an die Aneignung von Bildkompetenz zu appellieren. Die Stiche boten Erfüllung in der sinnlichen Betrachtung des Blatts an sich und nicht im Angebot der leiblichen Konsumtion wie der Bildgegenstand. Eine „ästhetische Lust“, die Winfried Menninghaus durch ihre „Ablenkungsfähigkeit“ charakterisiert: Je schöner das begehrte Objekt, desto mehr lenkt es die Aufmerksamkeit von den primären Geschlechtsmerkmalen auf die Gestaltung des ganzen Körpers. Solcherart wird das sinnliche Verlangen nicht ersetzt, aber auf die Schönheit übertragen und bietet neben der Möglichkeit sexueller „Paarung“ weitere Alternativen des Lustempfindens an. Diese Form der Konsumtion lässt den einmaligen Höhepunkt aus, bietet aber Lusterfahrungen einer anderen Qualität an, in Erneuerung oder Fortsetzung, Dauer oder Intensivierung und in stetiger Verfügbarkeit. Die Betrachtung der Hure im Stich lenkte auf die künstlerische Qualität der Bilder, auf die Schönheit von Zeichnung und Gravur und auf technische Meisterschaft, die in der Darbietung der haptischen Fühlbarkeit der dargestellten Stoffe gipfelte. So laden z. B. die unzähligen Stofffaltungen in Peters’ Lydia ein, das Bild optisch zu ertasten – vom Tuch bis hin zu Lydias Achselfalten. Damit verweisen die Stiche von der Illusion der idealen Geliebten auf die pragmatische Realität des Stichs zurück und auf das, was dieser anzubieten vermochte.

Schlussbetrachtung  | 199

Richtig gebraucht, hatten die Hurenstiche mehr zu bieten als flüchtigen Augenschein. Sie bedienen sich der Hure als Bildgegenstand, um Verlangen zu wecken und ihrer Werbestrategie, um das gleiche Versprechen – die Erfüllung in Konsumtion – zu formulieren. Die Hurenbilder zeichnet dabei aus, dass sie dafür eine Qualität sinnlicher Teilhabe anzubieten hatten, die in der Handhabe des Stichs einlösbar war. Das unterscheidet Hure und Stich: Die Hure verspricht Erfüllung in einer Illusion, der Stich in sich selbst. Diese Eigenschaft begründete das Hurenmotiv im druckgrafischen Markt, der sich seit dem 17. Jahrhundert signifikant vergrößerte und in dem sich neben dem bestehenden Verhältnis von Auftraggeber und Künstlern, Verlegern und ausführenden Stechern, ein offener Markt mit merkantilistischen Merkmalen entwickelte: Die Hurenbilder waren eine Möglichkeit der Positionierung und Etablierung der Künstler auf dem kompetitiven Grafikmarkt. Dies belegt die formale Referenz auf das Porträt, diejenige Gattung, die in England ein Auskommen versprach. Die Sichtbarkeit von Porträtgrafik in der städtischen Kultur Londons hatte eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Selbstvermarktung der englischen Künstler, der Stecher wie der Maler. Im Gegensatz zu den anderen Themen der Porträtgrafik – den Bildnissen von Heroen und Schönheiten – ließ sich über die Hure das Thema des sexuellen Werbens aufs anschaulichste mit Konsum verbinden und auf die Grafik übertragen. Es ist kein Zufall, dass die Hurenbilder der hier vorgestellten Künstler den Anfang ihrer Karrieren markierten. Das Hurenbild garantierte eine Aufmerksamkeit, die das verlegerische Risiko einer unabhängigen Veröffentlichung lohnte. Die Selbstbezüglichkeit des Sujets wies zugleich auf die ästhetische Qualität und die Erfindungsleistung des Künstlers zurück. Dieser Ansatz lässt das dialektische Spiel der Hurenbilder zwischen Urbild und Nachahmung nicht nur bildtheoretisch, sondern auch praktisch in der Produktion und im Handel verorten. Der Zweck künstlerischer Selbstvermarktung hatte insbesondere in der Grafik Sinn, weil die Hure den Stich bildtheoretisch und praktisch immer wieder zum Künstler führte und der Stich lustvolle Besitzergreifung nur in der aktiven Auseinandersetzung mit dessen Kunst erlaubte. Zusammenfassend zeichnet die Hurenbilder weniger ihre Gestaltung als ihr Angebot des Gebrauchs aus. Gerade diese Eigenschaft begründete die Entwicklung des Motivs in den spezifischen Bedingungen des Grafikmarkts zwischen dem 17. und 18.  Jahrhundert, als sich die Bildproduktion und die Rezeption aus ihren traditionellen Regulierungen zu lösen begannen. Hure und Grafik waren bildtheoretisch und ökonomisch verbunden; in den Hurenstichen haben die Künstler nichts weniger als den Status der Grafik in der visuellen Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts ausgehandelt.

Literaturverzeichnis

In alphabetischer Reihenfolge; anonyme Schriften sind unter [Anonym] nach dem Titel, Zeitungen und Zeitschriften unter Berücksichtigung grammatikalischer Artikel nach dem Titel geordnet. [Anonym:] A Catalogue of Part of the Capital Collection of Italian, French, Flemish and Dutch Pictures, Drawings, Miniatures, etc. The Property of the late Gt. Hon. Earl Grosvenor, Dec. [...] Which will be sold by Auction, by Mr. Christie, on the premises, on wednesday, october 13, 1802, London 1802 [Anonym:] Authentic and interesting memoirs of Miss Ann Sheldon, 4 Bde., London 1787 [Anonym:] Harris’s list of Covent-Garden ladies. Or Man of pleasure’s kalendar, for the year 1773 [...], London 1773 [Anonym:] „Histories of the Téte-à-téte annexed; or, Memoirs of the Cheshire Cornuto, and Miss W_tts. (No 22,23)“, in: The Town and Country Magazine, 2, August 1770, S. 401–402 [Anonym:] „Histories of the Téte-à-téte annexed; or, Memoirs of Captain Toper and the Hibernian Thais (No 19, 20)“, in: The Town and Country Magazine, 9, Juli 1777, S. 345–347 [Anonym:] Nocturnal revels: or, the history of King’s-Place, and other modern nunneries, 2 Bde., London 1779 [Anonym:] Memoirs of the celebrated Miss Fanny Murray. Interspersed with the intrigues and amours of several eminent personages. Founded on real facts, 2 Bde., Dublin 1759 [Anonym:] Strange nevves from Bartholomew-Fair, or, the wandring-whore discovered her cabinet unlockt [...] by Peter Aretine, London 1661 [Anonym:] The London-Bawd. With Her Character and Life. Discovering the Various and Subtle Intrigues of Lewd Women, 3. Aufl. London 1705 [Anonym:] The London guide, describing the public and private buildings of London, Westminster, & Southwark; embellished with an exact plan of the metropolis, and an accurate map twenty miles round, London o. J. [handschriftl. 1782] [Anonym:] The wandering whore continued: A dialogue between Magdalena, a crafty bawd, Julietta [...], London 1660 [Anonym:] The Whores Rhetorick. Calculated to the Meridian of London, And conformed to the Rules of Art. In two Dialogues, London 1683 [Anonym:] Trials for Adultery, Bd. IV, London 1780 Adler, Kathleen und Marcia Pointon: The body imaged. The human form and visual culture since the Renaissance, Cambridge (u. a.) 1993 Aglionby, William: Painting illustrated in three diallogues containing some choice observations upon the art [...], London 1685 Agostini, Grazia und Ettore Allegri (u. a.) (Hg.): Tiziano nelle gallerie fiorentine, Kat. Ausst. Florenz 1978 Alberti, Leon Battista: „De Pictura – Die Malkunst“, in: Ders.: Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, hg. v. Oskar Bätschmann und Christoph Schäublin, Darmstadt 2000, S. 194–315

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Abbildungsverzeichnis

Farbtafel: Matthew William Peters: Lydia, 1776/1777. Öl/Leinwand, 64,2 x 77 cm. Tate Gallery, London Abb. 1: Francisco Goya: Ni asi la distingue, aus der Serie Los Caprichos, Nr. 7, 1799. Radierung und Aquatinto, 197 x 149 mm. British Museum, London Abb. 2: William Hogarth: A Harlot’s Progress, drittes Blatt, 1732. Kupferstich und Radierung, 318 x 383 mm. British Museum, London Abb. 3: Marcellus Laroon d. J.: London Curtezan, aus der Serie The Cryes of the City of London, 1688. Radierung, 250 x 165 mm. British Museum, London Abb. 4: Crispijn de Passe d. J.: La belle Dans, Margo la Macrelle, zweites Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 5: Crispijn de Passe d. J.: Frontispiz des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 6: Crispijn de Passe d. J.: Dority her Chambermaide, M Margery of Richmonde, zehntes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 7: Crispijn de Passe d. J.: Anna la Vetze, La belle Zauonnare cour, achtes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 8: Crispijn de Passe d. J.: La belle Angloise, Schoon Barberitien, fünftes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 9: Crispijn de Passe d. J.: Schoon maijken van brussel, Signiora Isabella, vierzehntes Blatt des Miroir des plus belles courtisannes des ces temps, 2. Aufl. 1635 (spiegelverkehrt). Kupferstich, 128 x 170 mm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 10: John Goddard: Die Wollust, 1630er-Jahre. Kupferstich, 149 x 90 mm. British Museum, London Abb. 11: Wenzel Hollar: Frau im Profil mit schwarzer Haube und Pelzstola, 1642. Radierung, 98 x 92 mm. British Museum, London Abb. 12: Wenzel Hollar: Frau mit breitkrempigen Hut, 1642. Radierung, 100 x 93 mm. British Museum, London Abb. 13: Jan Sanders van Hemessen: Lockere Gesellschaft, um 1540. Öl/Eichenholz, 83 x 111,5 cm. Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe Abb. 14: Abraham Bosse: Galerie du Palais, um 1638. Radierung, 251 x 318 mm. British Museum, London

Abbildungsverzeichnis  | 231

Abb. 15: Antoine Watteau: L’Enseigne de Gersaint, 1621. Öl/Leinwand, 166 x 306 cm. Schloss Charlottenburg, Berlin Abb. 16: Johannes Borman (zug.): Stilleben, um 1655. Öl/Holz, 47 x 61,9 cm. Detroit Institute of Arts Abb. 17: William Faithorne nach Peter Lely: Barbara Villiers, Countess of Castlemaine, 1666. Kupferstich, 354 x 276 mm. British Museum, London Abb. 18: Tommaso Piroli nach Guido Reni: Büßende Maria Magdalena, um 1780. Kupferstich, 498 x 378 mm. British Museum, London Abb. 19: John Michael Wright: Lady Joanna Thornhill, um 1666. Öl/Leinwand, 63 x 75 cm. Zuletzt 1993 im Kunsthandel Abb. 20: John Faber d. J. nach Philip Mercier: A Venetian Courtezan, 1739. Koloriertes Mezzotinto, 332 x 230 mm. British Museum, London Abb. 21: John Faber d. J. nach Philip Mercier: Ammon’s great Son, 1739. Mezzotinto, 324 x 227 mm. British Museum, London Abb. 22: John Faber d. J. nach Philip Mercier: Gay, Young and Airy!, 1744. Mezzotinto, 332 x 225 mm. British Museum, London Abb. 23: Richard Houston nach Philip Mercier: The Fair Oysterinda, um 1756. Mezzotinto, 335 x 253 mm. British Museum, London Abb. 24: Richard Houston nach Joshua Reynolds: Kitty Fisher als Kleopatra, 1759/1765. Mezzotinto, 318 x 227 mm. British Museum, London Abb. 25: Merry Accident, or a Print in the Morning. A Chair, a Chair for the Lady!, um 1759. Kupferstich. The Library of Congress, Washington, D.C. Abb. 26: John Raphael Smith: Mademoiselle Clermont, 1777. Mezzotinto, 264 x 195 mm. British Museum, London Abb. 27: John Raphael Smith: Mrs. Fitz-William, 1777. Mezzotinto, 260 x 203 mm. British Museum, London Abb. 28: John Raphael Smith: Miss Chambers, 1777. Mezzotinto, 267 x 203 mm. British Museum, London Abb. 29: John Raphael Smith: Miss Frederick [Catherine Frederick], 1777. Mezzotinto, 264 x 201 mm. British Museum, London Abb. 30: John Raphael Smith: Miss Montague [Harriet Montague], 1777. Mezzotinto, 260 x 200 mm. British Museum, London Abb. 31: John Raphael Smith: Miss Carter, 1777. Mezzotinto, 265 x 202 mm. British Museum, London Abb. 32: John Raphael Smith: The Young Wanton, 1776, aus der Serie Ladies in fashionable Dresses. Koloriertes Mezzotinto, 350 x 250 mm. British Museum, London Abb. 33: James Gillray: A modern cherub. Vide, Peters, 1791. Radierung und Aquatinto, 130 x 87 mm. British Museum, London Abb. 34: Matthew William Peters: Lydia, 1776/1777. Öl/Leinwand, 64,2 x 77 cm. Tate Gallery, London Abb. 35: Tizian: Venus von Urbino, 1538. Öl/Leinwand, 119 x 165 cm. Galleria degli Uffizi, Florenz Abb. 36: Johann Zoffany: Die Tribuna, 1772–1777. Öl/Leinwand, 123,5 x 155 cm. The Royal Collection, London Abb. 37: John Raphael Smith nach Matthew William Peters: Sylvia, 1778. Mezzotinto, 353 x 494 mm. British Museum, London

232  |  Abbildungsverzeichnis

Abb. 38: The Vauxhall Demi-Rep, aus der Serie Macaronies, Characters, Caricature, Bd. 4, Nr. 9, 1772. Kupferstich, 124 x 75 mm. British Museum, London Abb. 39: Charles le Brun: Zwei Köpfe in Bezug zu einer Zibetkatze, vor 1671. Schwarzstein, Feder und schwarze Tinte, grau laviert auf Papier, 174 x 104 mm. Museé du Louvre, Paris Abb. 40: Matthew W. Peters: Lydia, um 1776. Öl/Leinwand, 73,7 x 63 cm. Kunsthandel (Bonhams & Brooks Knightsbridge, London, Lot. 49, 11.7.2001) Abb. 41: Henrietta Grosvenor, 1770. Mezzotinto, 353 x 251 mm. British Museum, London Abb. 42: Edward Fisher nach Joshua Reynolds: Miss Kitty Fischer, 1759. Mezzotinto, 304 x 220 mm. British Museum, London Abb. 43: The Method of High-finishing Family Pictures, um 1770. Mezzotinto, 353 x 248 mm. British Museum, London Abb. 44: Charles Grignon nach Daniel Dodd: Miss Roberts sitting naked in Ld. Grosvenors lap at the Hotel in Leicester Fields, 1780. Radierung, 179 x 119 mm. Aus: Trials for Adultery 1780, Bd. VI, S. 114. British Library, London Abb. 45: Edward Fisher nach Joshua Reynolds: Garrick zwischen Komödie und Tragödie, 1762. Mezzotinto, 400 x 500 mm. British Museum, London Abb. 46: William Dickinson nach Matthew William Peters: Lydia, 1. Dezember 1776. Mezzotinto, ca. 300 x 336 mm. Privatbesitz, Großbritannien Abb. 47: William Dickinson nach Matthew William Peters: Lydia, 1. Dezember 1776. Mezzotinto, 303 x 333 mm. British Museum, London

Abbildungsnachweis

Abb. 1–3, 10–12, 14, 17–18, 20–24, 26–33, 37–38, 41–45, 47 © Trustees of the British Museum Abb. 4–9 © Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Abb. 13 © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 16, 40 © Bridgeman Art Library Abb. 15 © Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf Walter Steinkopf Abb. 19 © The Courtauld Institute of Art Abb. 25 © The Library of Congress, Washington, D.C. Abb. 34, Farbtafel © Tate Gallery, London Abb. 35 © Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut Abb. 36 Royal Collection Trust/© Her Majesty Queen Elizabeth II 2013 Abb. 39 © RMN-Grand Palais (Musée du Louvre) / Daniel Arnaudet Abb. 44 aus: Trials for Adultery, Bd. IV, London 1780, S. 114 Abb. 46: © Martin Postle, mit freundlicher Genehmigung

Dank

Hurenbilder stellt die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Herbst 2010 an der Humboldt Universität zu Berlin angenommen wurde. Gerhard Wolf betreute die Arbeit mit kritischem Rat, Ermutigung und Geduld. Horst Bredekamp, Gabriele Werner und Friederike Wille erleichterten den Einstieg mit wertvollen Anregungen. Gabriele Filistrucchi, Sandra Filzmoser, Almut Goldhahn, Lisa Hanstein, Karin Leonhard, Wolf-Dietrich Löhr, Renate Prochno, Alis Sammern, Vera-Simone Schulz, Claudia Squara, Brigitte Sölch, Jörg Trempler, Birgit Witte und Claus Zittel kommentierten Teile des Manuskripts, Marianne Huber und Imma Walderdorff übernahmen die Endkorrektur. Stellvertretend für die Menschen, die die Arbeit an Hurenbilder während des Entstehungsprozesses begleitet und mit mir diskutiert haben, sei ihnen an dieser Stelle herzlich gedankt. Das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien und das Kunsthistorische Institut in Florenz boten wunderbare Arbeitsbedingungen, wofür ich stellvertretend Hans Belting sowie Constanza Caraffa, Alessandro Nova und Gerhard Wolf danke. Finanziell ermöglicht wurde das Projekt durch die Unterstützung des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften in Wien, des Berliner Programms zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre, des Theodor Körner Fonds, des Paul Mellon Centre for Studies in British Art in London und des Kunsthistorischen Instituts in Florenz (Max-Planck-Institut). Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, die Österreichische Forschungsgemeinschaft, die Paris-Lodron-Universität Salzburg sowie die Stiftungsund Förderungsgesellschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg haben großzügig einen Teil der Druckkosten übernommen. Das Buch ist meiner Familie gewidmet.

Personenregister

Aglionby, William 133, 201 Aitkin, John 150 Alberti, Leon Battista 32–33, 38, 48, 57, 62, 64–66, 83, 162, 201, 202, 220, 221, 229 Alexander der Große 132–135, 209, 216, 218 Apelles 132–134, 209, 221, 229 Appollinaire, Guillaume 89 Aragona, Tullia d‘ 39, 202 Arasse, Daniel 158–161, 165, 202 Archenholz, Johann Wilhelm von 109, 138, 149, 202 Aretino, Pietro 13, 32, 39, 47, 49, 51, 58–59, 61, 120, 170, 182, 193, 202, 209 Aristoteles 36, 64–65, 170, 206, 220 Ashley-Cooper, Anthony, 3. Earl of Shaftesbury 60, 186, 224 Aureli, Aurelio 81 Austen, Jane 188 Ayres, Philip 40, 202 Baardt, Pieter 76, 202 Bal, Mike 25 Bardi, Girolamo 130 Barocci, Federico 154 Barthes, Roland 25, 202 Bataille, Georges 11, 25, 202 Baudelaire, Charles 62, 162–163 Bauman, Zygmunt 15, 202 Behn, Aphra 14, 52, 193, 202 Bellori, Giovanni 133 Benjamin, Walter 162–163, 191–192, 203–204, 210 Bianchi, Giuseppe 160 Bloch, Iwan 7, 10, 203 Boehm, Gottfried 28, 64, 76, 78, 82, 204, 206 Bohde, Daniela 41, 66, 159, 161, 165, 204 Böhme, Gernot 81–84, 94, 204 Boilly, Louis-Léopold 18, 195, 224 Borcht, Hendrick van der 98, 212 Borman, Johannes 107, 108, 231

Bosse, Abraham 86, 103–105, 214, 217, 230 Bowles, Carington 131, 148 Brewer, John 12, 15, 19, 22–23, 27, 122, 138, 203–204, 219, 227 Bromley, Henry 149, 204 Bronzino, Agnolo 40, 212 Bryson, Norman 25, 204 Buffon, Georges-Louis Leclerc 171, 204 Burke, Edmund 27, 60 Busch, Werner 19–20, 26, 112, 133, 185–186, 205 Campaspe 132–135, 209, 216 Campbell Denlinger, Elizabeth 150, 205 Carter, Sophie 21–23, 58, 137, 144–147, 149, 205, 231 Cassirer, Ernst 45, 215 Castiglione, Baldassare 93, 222 Cats, Jacob 102 Cavallino, Antonio 89 Chaloner Smith, John 128, 131, 135, 141, 149, 175, 189, 193–194, 205, 222 Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, Königin von England 164 Clayton, Timothy 18, 126–128, 138, 143, 185, 206 Cleland, John 35 Coci, Laura 29, 31–32, 39, 130, 206, 219 Cooper, John Gilbert 186–187, 206 Cooper, Samuel 117 Correggio, Antonio da 174, 185–186 Cosimo III. de’ Medici 166 Crary, Jonathan 64, 206 Cromwell, Oliver 117 Cruikshank, John 21 Cusanus, Nicolaus → Nicolaus Cusanus D’Oench, Ellen 61, 145–146, 148–149, 151, 157, 168, 207 Danae 52, 168, 223 Danti, Vincenzo 37, 207 Darnton, Robert 13, 53, 61, 129, 207 Davidson, James 109, 139–140, 143, 188, 207 Davis, Mary 118

236  |  Personenregister

Della Porta, Giovan Battista 170, 172– 173, 176, 207 Demosthenes 134 Derrick, Samuel 150 Dickinson, William 158, 188–190, 193– 194, 232 Dodd, Daniel 182, 232 Dolce, Lodovico 32–33, 36, 41, 208 Doran, John 159, 193, 195, 208 Dryden, John 188, 190–192, 208, 211 Dunton, John 150, 227 Evelyn, John 98, 122, 208, 212 Faber, John d. J. 10, 123–125, 127–128, 131, 135–136, 231 Faithorne, William 112–114, 231 Ficino, Marsilio 39 Fielding, Sarah 186–187, 209 Fisher, Edward 176–177, 185, 232 Fisher, Kitty 22, 26–27, 139, 141–142, 144, 155, 168, 176–177, 179, 184, 220, 222, 231, 232 Foucault, Michel 26, 29, 209 Frankau, Julia 145, 151, 209 Frederick St. John, 2. Viscount Bolingbroke 179 Freud, Sigmund 60, 62 Gadamer, Hans-Georg 76–77, 78, 80–81, 210, 225 Gainsborough, Thomas 112, 145, 207, 228 Garrick, David 185–186, 188, 205, 232 Georg II., König von England 126 Georg III., König von England 150, 155 Gersaint. Edme-François 105–106, 231 Gibbon, Edward 160, 204 Gillray, James 21, 153, 154, 231 Gilman, Sander L. 172, 210 Giorgione 168, 215 Goddard, John 86–88, 230 Goodman, Elise 67–68, 73–74, 210 Gordon, John 165 Goya, Francisco 7–11, 18, 25–26, 28, 197, 212, 216, 220, 224, 227, 230 Grazia, Nicolò 39 Greuze, Jean-Baptiste 153–154 Grignon, Charles 182, 232 Grosvenor, Henrietta, Countess Grosvenor 155, 169, 175, 177, 179, 181–183, 232

Grosvenor, Richard, 1. Earl Grosvenor 155–158, 161, 166, 169, 175–179, 181–183, 188, 191, 193–195, 201, 232 Gwynn, Nell 118 Hallett, Mark 19, 21, 23–25, 140, 168, 211 Hals, Frans 70, 225 Hamilton, Emma 141, 181, 226, 228 Harris, Jack 149–151, 201, 203 Harrison, John → Harris, Jack Harvey, Karen 13, 14, 25, 61, 187, 212 Hayes, Charlotte 139, 141, 181 Head, Richard 53 Heinse, Wilhelm 129–130, 212 Henrietta Maria von Frankreich, Königin von England 94, 118, 227 Henry Frederick, Duke of Cumberland and Strathearn 155, 175, 177–178 Herkules 185–186, 188 Hermites, François Tristan l’ 104 Hervey, Felton 165 Hirschfelder, Dagmar 78, 97, 112, 212, 213 Hobbes, Thomas 17 Hogarth, William 12, 19, 20–21, 23–27, 60, 123, 126, 137, 140, 153, 168, 170, 176, 205, 209, 211, 213, 215, 216, 218, 219, 224, 227, 230 Hollar, Wenzel 93–102, 111, 210, 217, 218, 219, 230 Hone, Nathaniel d. Ä. 180 Honthorst, Gerrit van 86 Hoogstraten, Samuel van 162, 228 Horaz 20, 36–37, 213 Howard, Aletheia, Countess of Arundel 96, 98 Howard, Thomas, 21. Earl of Arundel 94, 98, 210, 214 Hudson, Thomas 131 Hunt, Lynn 13–14, 213 Huygens, Constantijn 90, 213 Johnson, Samuel 112, 214 Junius, Franciscus 31, 214 Jupiter → Zeus Karl I., König von England 94, 118 Karl II., König von England 49, 111, 116–120, 122, 123 Katherina von Braganza, Königin von England 116, 121

Personenregister  | 237

Katherina von Valois, Königin von England 119 Keiser, Reinhard 81 Keroual, Louise Renée de Penancoët, Duchess of Portsmouth 116–127, 120 Kettering McNeil, Alison 70, 72–74, 79–80, 89, 101, 215 Knight, Richard Payne 109 Künzel, Johann Caspar 110, 215 Kurz, Hilde 21, 91, 215 La Place, Pierre Antoine de 188 Lacan, Jacques 61–62, 64, 204, 226 Lady Castlemaine → Barbara Villiers, 1. Duchess of Cleveland Lairesse, Gerard de 129, 162, 215 Laroon, Marcellus 16, 24, 140, 224, 230 Lavater, Johann Caspar 170–172, 220 Le Brun, Charles 170–173, 202, 217, 232 Leblond, Jean I. 67 Lely, Peter 10, 24, 111, 113–122, 132, 144, 151, 216, 228, 231 Lievens, Jan 77 Lomazzo, Giovanni Paolo 60, 131, 216 Ludwig XIV., König von Frankreich 116 Lyly, James 133–134, 216 MacLeod, Catherine 24, 111, 114–119, 121, 208, 216, 217, 222, 224, 229 Mandeville, Bernard 16–18, 52, 85, 130, 138, 206, 210, 214, 217 Mann, Horace 155, 164 Manners, Victoria 153, 155, 157–159, 166, 173, 179, 186, 195–196, 217, 221 Marciari Alexander, Julia 24, 111, 114– 119, 121–122, 208, 216, 217, 222, 224, 229 Marvell, Andrew 119–120, 217, 221 Mattenklott, Gert 63–64, 64, 66, 217, 226 McCreery, Cindy 12, 21–23, 122, 137, 141–144, 175–177, 179, 181, 217 Menninghaus, Winfried 11, 58, 60, 110, 121, 151, 198, 217 Mercier, Philip 10, 111, 123–129, 131– 137, 151, 154–155, 214, 216, 221, 222, 227, 231 Molière 188 Molza, Francesco Maria Moncornet, Balthasar Montagu, Jennifer 39

Mozart, Wolfgang Amadeus 81, 223 Murray, Fanny 150, 201 Narziss 57–59, 63, 162, 229 Nicolaus Cusanus 162, 207 Novalis 163 O’Brien, Nelly 139, 141, 179 Ovid 38, 51, 58, 63, 122–123, 131, 168, 185, 210, 218, 225, 226 Paleotti, Gabriele 33, 45, 219 Pallavicino, Ferrante 17, 31–50, 54–56, 61, 102, 118, 120, 128–129, 134, 163, 183, 192, 197, 206, 219, 223, 227 Pancaspe → Campaspe Panofsky, Erwin 45, 80, 115, 180, 185– 186, 215, 219 Passe, Cripijn de d. Ä. 67–68, 79 Passe, Crispijn de d. J. 10, 30, 42–44, 46, 61, 67–81, 88–94, 96, 100–108, 111, 144–145, 147, 149–151, 192, 197, 209, 213, 219, 227, 230 Passe, Magdalena 69 Passe, Simon 69 Passe, Willem 69 Patch, Thomas 164 Paulson, Roland 12, 19–20, 23, 59–60, 176, 219 Peacham, Henry 59, 98, 219 Pendergast, Sarah 139 Penny, Nicolaus 141, 177, 180, 184, 186, 219 Pepys, Samuel 30, 111–115, 117, 119– 122, 144, 151, 207, 219 Pesne, Antoine 125 Peters, Matthew William 10, 30, 152–161, 163, 165–169, 173–174, 178–180, 183–184, 186–198, 217, 224, 230, 231, 232 Philostrat 57–58, 63, 220 Phryne 140–141 Pindar, Peter → Wolcot, John Pino, Paolo 32–33 Platon 39, 44–47, 80, 83, 85, 118, 133, 215, 219, 220, 228 Plautus 188 Plinius, Secundus d. Ä. 31, 38, 132, 134, 183, 220 Pointon, Marcia 22–23, 27, 141, 143, 153, 155, 157, 161, 167, 170–171, 173–174, 188, 192, 195, 201, 220

238  |  Personenregister

Pöllnitz, Karl Ludwig von 130–131, 220 Postle, Martin 22–23, 112, 124, 135–136, 139, 141, 143, 153, 155, 157, 164, 167, 173, 177, 179, 185, 206, 221, 226 Pott, Emily (Bertie) 132 Prochno, Renate 112, 115, 132, 180, 183–184, 191, 221 Prodikos 186–187 Propoetus 63, 123 Raimondi, Marcantonio 13, 47, 49, 61 Ramsay, Allan 177, 225 Rath, Markus 65 Rembrandt van Rijn 77–78, 97, 162, 205, 213, 215, 229 Reni, Guido 114–116, 121, 186, 212, 219, 231 Rétif de la Bretonne, Nicolas E. 13, 17, 53, 221 Reynolds, Joshua 22, 27, 112, 115, 132, 139, 141–143, 145, 155, 168, 173, 176–177, 179–181, 183–186, 188, 191, 195, 205, 206, 207, 217, 219, 221, 222, 226, 228, 231, 232 Richardson, Samuel 26 Riegl, Alois 65, 167, 209, 222 Ripa, Cesare 88, 222 Roach, James 150 Roach, John 150 Roach, Joseph 113, 117, 119, 144, 222 Roberts, Elizabeth 169, 181–183, 191, 232 Robinson, Mary 188 Roettier, Jan 117, 119 Romano, Giulio 13, 47, 52 Rosenthal, Angela 19, 21–23, 143, 187, 209, 218, 222, 227 Rosenthal, Laura 7, 14–18, 23, 35, 58, 139, 222 Rousseau, Jean-Jacques 17, 61 Rowlandson, Thomas 21 Rubenhold, Hallie 149–150, 222 Rubens, Peter Paul 154, 158, 210, 215 Sade, Donatien-Alphonse-François, Marquis de 160, 223 Sanders van Hemessen, Jan 103–104, 230 Santore, Cathy 31, 131, 168, 223 Schikaneder, Emmanuel 81–84, 87, 223 Sheldon, Ann 155, 201 Simmel, Georg 144, 224

Smith, John Raphael 10, 21, 111, 123, 144–149, 151, 155, 157–158, 168– 169, 197, 198, 207, 209, 231 Soarez, Cypriano 31–32, 46 Sokrates 109–110, 215, 229 Sombart, Werner 14, 225 Speroni, Sperone 39–41, 225 Spooner, Charles 131 Stent, Peter 99, 210 Stewart, Frances, Duchess of Richmond → Stuart, Frances Stuart, Frances, Duchess of Richmond 117, 119 Suthor, Nicola 31, 38–39, S.41, 44, 62, 66, 77–78, 80, 165, 209, 221, 225 Talbot, Aletheia → Howard, Aletheia, Countess of Arundel Tasso, Bernardo 39 Thaïs 132, 149, 168, 201 Theodote 109–110 Thornhill, Joanna Lady 115–116, 231 Tizian 39, 41, 66, 131, 154, 157–161, 163, 165–168, 180, 188, 195, 201, 202, 204, 205, 212, 225, 231 Trevisani, Francesco 184 Turner, James 7, 12, 14–15, 17–18, 25–26, 29, 32, 34, 36, 40, 47–49, 51–54, 58, 60, 74–75, 90, 93–94, 109, 111, 117–121, 136, 149–150, 218, 227 Turner, Simon, 94, 218 Urban VIII. 32 Van Dyck, Anton 117, 211 Vasari, Giorgio 133, 227 Veldman, Ilja 67–69, 77, 79, 91, 102, 213, 227 Verini, Gianbattista 21 Vermeer, Jan 103, 216 Vertue, George 23, 227 Villiers, Barbara, 1. Duchess of Cleveland (Lady Castlemaine) 112–117, 119– 122, 144, 151, 231 Wagner, Peter 13, 21, 25–26, 66, 119, 155, 177, 211, 222, 227 Walpole, Horace 116, 122–123, 155, 168, 179, 227, 228 Ward, Edward 58, 228 Watteau, Antoine 105–106, 124, 126– 127, 202, 221, 223, 227, 231

Personenregister  | 239

Wien, Iris 27, 112, 143, 159, 179, 181, 228 Wilkes, John 176–177 Williams, Linda 62–66, 228 Wolcot, John 153 Wolf, Gerhard 57, 63, 65, 162, 212, 216, 226, 229 Wright, John Michael 115–116, S. 231 Xenophon 109–110, 186, 106, 209, 215, 229

Zedler, Johann Heinrich 7, 13, 14, 34, 229 Zeus 168, 189–190 Zeuxis 38, 133, 183 Zoffany, Johann 159, 164–165, 217, 221, 228, 231 Zuccari, Federico 47, 220

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