Hochschule und Priesterseminar Königstein: Ein Beitrag zur Vertriebenenseelsorge der katholischen Kirche 9783412212070, 9783412210830

181 99 15MB

German Pages [1032] Year 2013

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Hochschule und Priesterseminar Königstein: Ein Beitrag zur Vertriebenenseelsorge der katholischen Kirche
 9783412212070, 9783412210830

Citation preview

FORSCHUNGEN UND QUELLEN Z U R K I R C H E N - U N D K U LT U R G E S C H I C H T E OSTDEUTSCHLANDS IM AUFTRAGE DES INSTITUTES FÜR OSTDEUTSCHE KIRCHEN- UND KULTURGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON PAUL MAI Band 46

Hochschule und Priesterseminar Königstein Ein Beitrag zur Vertriebenenseelsorge der katholischen Kirche

von

Rainer Bendel

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung durch den Fonds ‚Königstein‘ beim Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Die kirchliche Druckerlaubnis wird für die Veröffentlichung erteilt. Coloniae, die 11 decembris 2013 Jr. Nr. 106 250 I 90 Dr. Stefan Heße vic. gen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Kommission für Zeitgeschichte, Bonn; Archivalien Königstein. Bildmaterial

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat und Satz: Martin Wambsganß, Tübingen Druck und Bindung: UAB Balto print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Lithuania ISBN 978-3-412-21083-0

INHALT GELEITWORT .......................................................................................... 15 GELEITWORT .......................................................................................... 17 VORWORT DES HERAUSGEBERS....................................................... 19 VORWORT DES AUTORS ...................................................................... 21 ZUR ERSTEN ORIENTIERUNG: EINE ÜBERSICHT ÜBER DIE WICHTIGSTEN EREIGNISSE................................................................. 23 Initiativen und Intentionen .......................................................................................... 24 Die zentralen Aufgaben .............................................................................................. 26 Die weitere Entwicklung............................................................................................. 26

EINLEITUNG............................................................................................ 29 Stand der Informationen und Diskussionen – einige Fragen ...................................... 30 Zum Hintergrund und zu den Intentionen der Initiatoren..................................... 30 Forschungsstand.......................................................................................................... 38 Materialgrundlage ....................................................................................................... 39 Akten ...... ............................................................................................................ 39 Publikationen........................................................................................................ 40 Zielsetzung/Frageperspektiven ................................................................................... 40 a) Binnenkirchlich: ............................................................................................... 41 b) Gesellschaftlich/politisch ................................................................................. 41 Zum Aufbau der Arbeit............................................................................................... 42

ABSCHNITT I: SEELSORGE IN VERTREIBUNG UND ANKOMMEN............................................................................................ 45 1. Wie erlebten die Gläubigen ihre Situation............................................................ 45 Veränderungen...................................................................................................... 52 2. Wie erlebten die Priester ihre Situation ................................................................ 56 2.1. Stellenprobleme – Unterschiede zwischen den Regionen.......................... 57 2.2. Besoldungsprobleme.................................................................................. 59 2.3. Die Sorge um die Geistlichen aus dem Osten – ein Beispiel: die Diözesanvertriebenenseelsorgertagung 1947............................................. 60

6

Inhalt

2.4.

Die Diözesanvertriebenenseelsorgerkonferenz im Spiegel der fortschreitenden Eingliederung.................................................................. 67 3. Die Bischöfe und die Ankunft der Vertriebenen .................................................. 71 3.1. Zwischen Rückkehr, Eingliederung und Sonderseelsorge......................... 71 3.2. Wahrgenommen wurden die Vertriebenen vor allem in der caritativen Perspektive................................................................................................. 78 3.3. Differierende Zielsetzungen im Umgang mit der Problematik.................. 81 4. Ein neues Aufgabenfeld braucht neue Strukturen ................................................ 84 4.1. Vertriebenenseelsorge auf Diözesanebene – einige Beispiele ................... 84 4.2. Die Arbeit der Kirchlichen Hilfsstellen ..................................................... 92 4.3. Der Katholische Flüchtlingsrat .................................................................. 97 4.4. Wie konnte die besondere Seelsorge organisiert werden? ....................... 102

ABSCHNITT II: DIE VERTRIEBENENBISCHÖFE ............................ 109 1. Maximilian Kaller (1946 – 1947) ....................................................................... 109 1.1. Kallers Initiativen für eine situationsgerechte Seelsorge nach Flucht und Vertreibung ....................................................................................... 109 1.2. Zentrale Aufgaben des Sonderseelsorgers für die Vertriebenen.............. 116 1.3. Das Amt des Flüchtlingsbischofs............................................................. 128 2. Ferdinand Dirichs (1948).................................................................................... 129 Der Referent des Vertriebenenbischofs .............................................................. 135 3. Franz Hartz (1949 – 1953).................................................................................. 136 4. Julius Döpfner (1953 – 1957) ............................................................................. 142 5. Die Aufgaben und das Profil des Vertriebenenbischofs Heinrich Maria Janssen (1957 – 1982) – „Dienen bleibt gerade in unserer Situation wohl oberstes Gesetz“ ................................................................................................. 145 5.1. Weltweite Perspektive ............................................................................. 148 5.2. Heimatrecht.............................................................................................. 150 5.3. Königsteiner Anstalten............................................................................. 151 6. Gerhard Pieschl (1983 – 2009) ........................................................................... 153 6.1. Sein Programm vor dem Katholischen Flüchtlingsrat 1983 .................... 154 6.2. Echte Versöhnung ist ein schwieriger Prozess: „Ich bin Josef Euer Bruder“ .................................................................................................... 155 6.3. Im Gedenken an den ersten Vertriebenenbischof .................................... 156 6.4. Umstrukturierungen in der Vertriebenenseelsorge .................................. 158 6.5. Politische Einsprüche des Vertriebenenbischofs ..................................... 161 7. Fazit: Die Vertriebenenbischöfe ......................................................................... 163

ABSCHNITT III: DIE PROMOTOREN KÖNIGSTEINS...................... 167 Am Anfang standen eine Initiative, ein Meer von Sorgen und drei Priester............. 167 1. Albert Büttner als Seelsorger der Auslandsdeutschen ........................................ 172 1.1. Die Aufgaben des RKA ........................................................................... 173 1.2. Umsiedlungen im Krieg........................................................................... 174

Inhalt

1.3.

7

Die Kirchliche Hilfsstelle für seelsorgerliche Sonderaufgaben in Frankfurt und mit einer Außenstelle in München.................................... 175 1.4. Das RKA unterstützt Kindermann in Prag – Fortführung der Idee und Kooperation in Königstein? ..................................................................... 178 1.5. Verhandlungen und Schwierigkeiten ....................................................... 182 2. Büttner, Kaller und die Leitung Königsteins ...................................................... 190 2.1. Landsmannschaften, Ämter, Einflussnahmen.......................................... 192 2.2. Ein Trägerverein soll die Zuständigkeitsprobleme lösen......................... 195 2.3. Büttners Vorstellungen für die zentralen Organe der Vertriebenenbetreuung............................................................................. 196 2.4. Der Seminarrat für Königstein................................................................. 197 2.5. Enttäuschung über eine kurze Übergangslösung ..................................... 197 2.6. Die Resignation Büttners ......................................................................... 198 2.7. Der Versuch einer Einordnung im Rückblick.......................................... 200 3. Adolf Kindermann.............................................................................................. 202 3.1. Ein wohlwollendes Andenken – das traditionelle Bild und biographische Eckdaten ........................................................................... 202 3.2. Studienzeit und erste Tätigkeit als Priester und Professor ....................... 205 3.3. Nachkriegszeit: erste Initiativen............................................................... 209 3.4. Charakterisierung durch Franz Lorenz .................................................... 210 3.5. Kindermanns Engagement und Erfahrungen vor Flucht und Vertreibung .............................................................................................. 214 3.6. Vorschläge zur Neugliederung der Bistümer nach 1938 ......................... 216 3.7. Das Prager Theologenkonvikt.................................................................. 218 3.8. Die Bedeutung der Religion in der Volkstumsarbeit der Zwischenkriegszeit.................................................................................................. 226 3.9. Die Kooperation von Kindermann und Sladek ........................................ 227 3.10. Glaubensleben und pastorale Praxis während der Internierung 1945 ...... 230 3.11. Kindermann und die Vertriebenenseelsorge ............................................ 233 3.12. ‚Passiver Widerstand’ – das Rückrufsrecht des Heimatbischofs ............. 236 3.13. Sorge um den Priesternachwuchs ............................................................ 238 3.14. Bau von katholischen Gotteshäusern ....................................................... 239 3.15. Die Aufgaben der Seelsorger ................................................................... 240 3.16. Aufklärung und Dechristianisierung im sudetendeutschen Katholizismus .......................................................................................... 243 3.17. Kommunismus und Vertreibung als Folge der Säkularisierung des Abendlandes............................................................................................. 245 3.18. Die Sorge für die Katholiken hinter dem Eisernen Vorhang ................... 246 3.19. Christentum und Kommunismus ............................................................. 247 3.20. Die Haltung der Christen zu den Menschen im kommunistischen Machtbereich ........................................................................................... 248 3.21. Religion und Eingliederung ..................................................................... 249 3.22. Kirche und Volksgruppe .......................................................................... 250

8

Inhalt

3.23. Die theologische Einordnung der Vertreibung: Deutung der und Umgang mit der Vertreibungssituation.................................................... 251 Exkurs: Religiöser und geistiger Hintergrund: „Schlesischer“ und „sudetendeutscher“ Katholizismus ............................................................................ 254 Die Situation an der Universität in Breslau ................................................. 257

ABSCHNITT IV: ETAPPEN DER ENTWICKLUNG KÖNIGSTEINS ....................................................................................... 267 1. Erste Phase des Aufbaus 1946/47....................................................................... 267 1.1. Suche nach einer Regelung für die Verwaltung Königsteins................... 269 1.2. Unsicherheit der Rechtslage .................................................................... 272 1.3. Klarheit in der Finanzierung .................................................................... 273 2. Die Bischöfe und der Ausbau Königsteins ......................................................... 275 Voten der Bischöfe ............................................................................................. 275 3. Eine ernste Gefahr für die Königsteiner Initiativen............................................ 278 4. Der Aderlass nach Erfurt .................................................................................... 281 5. Ein Dauerbrenner: Die Zielsetzung des Königsteiner Priesterseminars ............. 284 5.1. Vorbehalte der westdeutschen Bischöfe .................................................. 284 5.2. Aus römischer Perspektive ...................................................................... 285 5.3. Diskussionen der Mitgliederversammlung 1954 ..................................... 286 5.4. Königstein als Hindernis für die Integration? .......................................... 287 5.5. Eine Stellungnahme der Bischofskommission 1954................................ 288 6. Klärung der Leitungs- und Verwaltungsstruktur ................................................ 290 6.1. Die Problematik der Dominanz Kindermanns ......................................... 290 6.2. Modifikation der Satzung ........................................................................ 294 6.3. Langwierige Durchführung der Verwaltungsreform ............................... 295 6.4. Transparenz durch klarere Zuordnung der Aufgaben .............................. 297 6.5. Schwierige Meinungsbildung im Vorstand.............................................. 300 6.6. Das Ringen um die Eigenständigkeit der einzelnen Einrichtungen ......... 302 6.7. Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitglieder – ein Beispiel ....................... 303 7. Erste Anzeichen für eine drohende finanzielle Schieflage ................................. 305 8. Turbulenzen in den ausgehenden sechziger Jahren ............................................ 307 9. Die neue Ostpolitik............................................................................................. 310 Stefan Kruschina zur neuen Ostpolitik ............................................................... 311 10. Neue Modelle der Seminarerziehung im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils........................................................................................ 314 11. Weitere Verschärfung der prekären Finanzlage zu Beginn der 70er-Jahre ........ 319 12. Blockaden in den letzten Jahren unter Kindermanns Leitung 1969-1974 .......... 322 12.1. Finanzielle Engpässe und Missstände...................................................... 322 12.2. Vorsichtige Versuche für einen Wechsel in der Leitung ......................... 326 13. Die Nachfolge Kindermanns .............................................................................. 330 13.1. Neustart oder Kontinuität mit Stefan Kruschina? .................................... 330 13.2. Absage, weil der Neuanfang versäumt war ............................................. 333

Inhalt

9

14. Wiederholte Mahnungen zu Reflexion, Standortbestimmung und Neuausrichtung von 1967 bis 1984 .................................................................... 336 14.1. Memorandum von Josef Rabas von 1967 ................................................ 336 14.2. „Das ganze Konzept Königstein nüchtern und sachlich neu zu bedenken“ – Ein weiterer Vorschlag: 1975 ............................................. 341 14.3. Antrag des HdB bei der Deutschen Bischofskonferenz 1977 .................. 343 14.4. Vorstellungen der Bischofskonferenz 1977/78........................................ 345 14.5. Rabas 1980............................................................................................... 347 14.6. Ein neuer Anfang in überschaubarem Rahmen........................................ 349 14.7. Suche nach einem Leiter und einem Konzept 1977................................. 350 14.8. Zurückhaltung der Bischofskonferenz ..................................................... 351 14.9. Wie weit tragen die Verdienste der Vergangenheit?................................ 352 14.10. Notwendige strukturelle Neuordnung...................................................... 354 15. Konzeptionelle Perspektiven unter Karl Kindermann 1984 – 1994 ................... 373 Zur Würdigung der Vorstandschaft Karl Kindermann: ...................................... 383 16. Der letzte Vorsitzende als Konkursverwalter? ................................................... 385 16.1. Schritte der Auflösung ............................................................................. 391 16.2. Der Widerstand ........................................................................................ 393

ABSCHNITT V: PRIESTERAUSBILDUNG......................................... 397 1. Hochschule und Priesterseminar......................................................................... 397 1.1. Das Oberhaus wird für Hochschule und Seminar vorbereitet.................. 398 1.2. Unsicherheit der Rechtslage .................................................................... 401 1.3. Die personelle Situation........................................................................... 403 2. Das Priesterseminar ............................................................................................ 405 2.1. Intention und Gründung........................................................................... 405 2.2. Die Regenten............................................................................................ 407 2.3. Spirituale am Priesterseminar .................................................................. 409 2.4. Das Leben im Seminar............................................................................. 410 3. Die spezifische Zielsetzung der Hochschule ...................................................... 415 4. Eine kontinuierliche Aufgabe: Rechtfertigung der Existenz von Hochschule und Priesterseminar......................................................................... 423 5. Misstrauen der Leitung schmälert die Identifikation des Lehrkörpers mit den Aufgaben Königsteins?.......................................................................... 427 6. Die Grundordnung der Hochschule .................................................................... 430 7. Hochschule und Öffentlichkeit ........................................................................... 433 8. Die „Königsteiner Blätter“ ................................................................................. 437 9. Hochschullehrer in der Zeit vom SS 1947 bis WS 1977/78 ............................... 443 10. Die Studenten ..................................................................................................... 457 10.1. In den 1940er und 50er Jahren................................................................. 457 10.2. Die 1960er Jahre ...................................................................................... 459 10.3. Die Integrationskraft der Königsteiner Ideen für die Studenten .............. 460 10.4. Feiern im Leben der Hochschule – das Beispiel 1955............................. 463 10.5. Die verfasste Studentenschaft, Studentenvertretung................................ 464

10

Inhalt

10.6. Der „Studentenprotest“ in Königstein...................................................... 465 10.7. Studienbegleitende Aktivitäten................................................................ 474 10.8. Studiengebühren ...................................................................................... 475 10.9. Was wurde aus den Studierenden?........................................................... 476 11. Die Schwestern als Stütze des Königsteiner Betriebs......................................... 480 12. Die Institute ........................................................................................................ 484 12.1. Das Institut für Kirchengeschichte........................................................... 487 12.2. Das Institutum Balticum .......................................................................... 497 12.3. Das Institut für Soziologie/Sozialforschung ............................................ 498 12.4. Das Institutum Sinicum............................................................................ 507 12.5. Das Institutum Slavicum.......................................................................... 508 12.6. Die Ostakademie...................................................................................... 508 12.7. Das Katholische Institut für Ostkunde ..................................................... 510 13. Die Sistierung – Würdigung ............................................................................... 514 13.1. Rückblick und Zusammenfassung ........................................................... 522 13.2. Genügte die Sistierung der Hochschule oder musste die Neuordnung weiter gehen? ........................................................................................... 525

ABSCHNITT VI: GYMNASIUM UND KONVIKT ALS REKRUTIERUNGSFELD FÜR THEOLOGIESTUDENTEN?............. 533 1. Die Schulleitung – ein Überblick ....................................................................... 533 2. Die Anfänge der Schule...................................................................................... 537 2.1. Grundlagen und Trägerverein .................................................................. 537 2.2. Eine erste Phase der Konsolidierung ....................................................... 540 3. Der Ausbau der Schule und der Neubau............................................................. 550 3.1. Vollgymnasium........................................................................................ 550 3.2. Die Ausrichtung der Schule ..................................................................... 551 4. Ein Schuljahr ...................................................................................................... 554 5. Herkunft der Schülereltern und Familiensituation.............................................. 554 6. Der Gesundheitszustand der Schüler .................................................................. 555 7. Zäsur 1968 .......................................................................................................... 556 8. Schulhausneubau ................................................................................................ 557 Exkurs: Bischof Johann Nepomuk Neumann als Schulbischof ................................ 561 9. Der Mangel an Finanzen als ständiger Begleiter ................................................ 563 10. Notwendige Umgestaltungen.............................................................................. 565 10.1. Klagen über Lehrermangel ...................................................................... 565 10.2. Exemplarische Daten zur Entwicklung der Schülerzahlen ...................... 565 10.3. Etablierung eines Elternbeirats ................................................................ 566 10.4. Kurssystem............................................................................................... 566 10.5. Profil ........................................................................................................ 566 10.6. Hausaufgabenbetreuung........................................................................... 567 10.7. Kollegiumstage ........................................................................................ 567 10.8. Kollegiale Leitung ................................................................................... 567 10.9. Noch einmal: Neubaupläne...................................................................... 568

Inhalt

11. 12. 13. 14.

15. 16.

11

10.10. Die konfessionelle Identität in Gefahr? ................................................... 569 10.11. Öffnung für die Koedukation................................................................... 570 10.12. Probleme in der Leitungsstruktur: Wunsch nach mehr Mitbeteiligung ... 572 Geänderte Strukturen im Trägerverein ............................................................... 573 Zur Statistik der Bischof-Neumann-Schule........................................................ 575 Ein Rückblick auf die Atmosphäre der Schule................................................... 576 Das Schülerkonvikt............................................................................................. 579 14.1. Leitung von 1947 bis 1967 ...................................................................... 579 14.2. Zielsetzung des Konviktes ....................................................................... 579 14.3. Einschnitte in den Jahren 1967/68 ........................................................... 581 14.4. Alltag im Konvikt .................................................................................... 581 14.5. Spannungen zwischen Konviktsleitung und Vorstand............................. 584 14.6. Neue personelle Situation 1967 ............................................................... 585 14.7. Offener Brief der Konviktsschüler 1969.................................................. 586 14.8. Der Weg zur Auflösung des Konvikts ..................................................... 588 Schülerzeitungen ................................................................................................ 591 Die Verbundenheit der ehemaligen Schüler mit Königstein .............................. 593

ABSCHNITT VII: INITIATIVEN FÜR DIE SEELSORGE .................. 595 1. Die Sorge für die Seelsorger............................................................................... 595 Das Priesterreferat .............................................................................................. 595 2. Die Priesterwerke ............................................................................................... 600 2.1. Die Spannweite des Aufgabenfeldes am Beispiel des Sudetendeutschen Priesterwerkes (SPW) ............................................................. 600 2.2. Zum Südostdeutschen Priesterwerk ......................................................... 614 2.3. Zum Schlesischen Priesterwerk ............................................................... 616 2.4. Die Glatzer Priestergemeinschaft ............................................................ 620 2.5. Das Nordostdeutsche Priesterwerk .......................................................... 620 3. Die Ostpriesterhilfe............................................................................................. 623 3.1. Geistige Grundlagen und Intentionen ...................................................... 626 3.2. Ausstattungen für die Priester.................................................................. 628 3.3. Festungen für Gott ................................................................................... 629 3.4. Der Bauorden........................................................................................... 630 3.5. Die Kapellenwagenmission ..................................................................... 639 3.6. Konkurrenz in der Diasporaseelsorge ...................................................... 647 3.7. Die ‚Kirche in Not’ in der Neustrukturierung der Königsteiner Trägervereine ........................................................................................... 649 3.8. Der Verein der Ostpriesterhilfe................................................................ 650 3.9. Finanzielle Unterstützung Königsteins .................................................... 652 3.10. Neue Situation nach Kindermanns Tod ................................................... 653 3.11. Kann die Internationale Ostpriesterhilfe Königstein übernehmen? ......... 653 3.12. Resümee................................................................................................... 657 4. Die Begegnung mit dem Osten........................................................................... 660 4.1. Das Haus der Begegnung – die Kongresse ‚Kirche in Not’..................... 660

12

Inhalt

4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6.

Grundsätzliches Anliegen der Kongresse ................................................ 661 Ein großes Tagungshaus: Das Haus der Begegnung (HdB) .................... 666 Die künstlerische Einordnung des Gebäudes........................................... 667 Die Kongresse ‚Kirche in Not’ ................................................................ 669 Kindermanns Nachfolge in der Leitung des Hauses der Begegnung: Richard Hackenberg MdL........................................................................ 697 4.7. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Haus der Begegnung............... 700 4.8. Die Stadt Königstein und das Haus der Begegnung ................................ 703 4.9. Die Stadt Königstein übernimmt das ‚Haus der Begegnung’ .................. 705 4.10. Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ........................................................ 709 5. Pater Augustin Reimann..................................................................................... 714 6. Father Emanuel Reichenberger........................................................................... 717 7. Foren der Vertriebenenbetreuung ....................................................................... 719 7.1. Diözesanvertriebenenseelsorgertagungen und ihre Themen.................... 719 7.2. Zu den Publikationen ............................................................................... 723

ABSCHNITT VIII: FAZIT, EINORDNUNG, AUSBLICK ................... 759 1. Atmosphärisches................................................................................................. 759 1.1. Die Desillusionierung der Rückkehrhoffnungen ..................................... 759 1.2. Der Korpsgeist der Gründungsphase ....................................................... 760 2. Zentrale Charakteristika und Probleme .............................................................. 764 2.1. Die ‚Rollenverteilung‘ am Anfang .......................................................... 764 2.2. Ergänzende oder parallele Seelsorge ....................................................... 765 2.3. Der Sondercharakter Königsteins: Kindermanns Streben nach Unabhängigkeit........................................................................................ 767 2.4. Das geforderte Opfer................................................................................ 768 2.5. Der Sprecher der sudetendeutschen Priester............................................ 769 2.6. Landsmannschaftliche Rivalitäten ........................................................... 770 2.7. Kindermann – Organisator und Patriarch ................................................ 771 2.8. Strukturelles Chaos .................................................................................. 772 2.9. Die Unfähigkeit, rechtzeitig ein Ende zu setzen ...................................... 773 2.10. Königstein – ein ungeliebtes Kind? ......................................................... 774 2.11. Die Auflösung.......................................................................................... 774 3. Theologische und spirituelle Grundlinien in Königstein .................................... 776 3.1. Kriegs- und Vertreibungserfahrungen und ihre Deutungen in Königstein................................................................................................ 776 3.2. Katholische Erziehung im Weltanschauungskampf als Fortführung der aus dem Getto agierenden Anti-Haltung der NS-Zeit? ...................... 784 3.3. Spiritualität in Königstein ........................................................................ 786 4. Zentrale politische und gesellschaftliche Themen und Anliegen in Königstein. 788 4.1. Der Antikommunismus............................................................................ 788 4.2. Das Heimatrecht ...................................................................................... 789 4.3. Vertriebenenseelsorge und politische Situation – ein Plädoyer für eine engere Zusammenarbeit von Pastoral und Politik.................................... 791

Inhalt

4.4. 4.5.

13

Ökumene in Königstein ........................................................................... 796 Königstein und der Prager Frühling......................................................... 797

BILDTEIL................................................................................................ 801 QUELLEN ............................................................................................... 817 LITERATUR............................................................................................ 828 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................ 879 REGISTER............................................................................................... 880 DOKUMENTATION .............................................................................. 888 1. Katholische Morgenfeier am 20. Juli 1947......................................................... 888 2. Iura Antistitum [vor Ende 1947]......................................................................... 893 3. Arbeitsbericht der Dienststelle des Beauftragten der Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge [ca. 1950]............................................................ 895 4. Tätigkeitsbericht über das Jahr 1964 .................................................................. 900 5. Errichtung eines Seminares für Flüchtlingstheologen ........................................ 902 6. Besitzeinweisung [2. Juli 1946].......................................................................... 904 7. Brief Büttner an Kaller, 30.7.1946 ..................................................................... 906 8. Vorläufiger Mietvertrag [1946] .......................................................................... 909 9. Theologenkonvikt für Ostflüchtlinge [2.9.46].................................................... 912 10. Vorschlag für die Verwaltung des Konviktes..................................................... 919 11. Fragen, die einer möglichst baldigen Klärung zugeführt werden müssen .......... 921 12. Ramatschi an Kaller [18.1.1947] ........................................................................ 922 13. Kaller an Seminarrat für Königstein [3.1. 1947] ................................................ 927 14. Hessisches Staatsministerium – Genehmigung der Hochschule [20.4.1949]..... 929 15. Hessisches Staatsministerium – Anerkennung der Prüfungen [22.11.1949] ...... 930 16. Die Bitten der ostvertriebenen Priester für die Fuldaer Bischofskonferenz 1950 [14.8.50] .................................................................................................... 931 17. Archidioecesis Coloniensis [18.10.1950] ........................................................... 934 18. Aufstellung des Raumbedarfs des Albertus-Magnus-Kollegs [14.11.1950] ...... 935 19. Schreiben an Frau Oberregierungsrat Dr. Schnell [24.11.1950]......................... 939 20. Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, Brief vom 6.2.1951 ..................... 940 21. Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Anstalten [1.9.54].......... 941 22. Liste Einrichtungen Königstein [vermutl. 1955] ................................................ 946 23. Grundordnung für die Philos.-theol. Hochschule Königstein/Ts. [19.6.1956] ... 950 24. Studienordnung (nach dem „Jaeger-Plan“)......................................................... 958 25. Prüfungsordnung Hochschule............................................................................. 959

14 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41.

Inhalt

Anzahl der Theologiestudenten in den Jahren 1947 – 1978 ............................... 960 Dozenten und ihre Fächer................................................................................... 962 2. Hochschulkonferenz im Wintersemester 1969/70 [28.1.70] .......................... 978 Hausordnung Priesterseminar [1968] ................................................................. 982 Tagesordnung des Priesterseminars Königstein/Ts. ........................................... 985 Rede des AStA-Vorsitzenden bei der Hochschulkonferenz am 3.7.1970 .......... 986 Neufassung Satzung Kolleg [22.4.1969] ............................................................ 990 Königsteiner Blätter – Inhalt .............................................................................. 994 Genehmigung der Eröffnung der St. Albertus-Schule [28.12.46] .................... 1007 Liste der an der St. Albertus Schule tätigen Lehrkräfte [1946] ........................ 1009 Liste der Lehrkräfte für die Reifeprüfungslehrgänge am Theologenkonvikt in Königstein/Taunus [1946]............................................................... 1010 Statut der St. Albertschule ................................................................................ 1011 Dr. Wenzel Weiß – Die neue Schule [15.11.1966] .......................................... 1014 Das Schülerkonvikt des Albertus-Magnus-Kollegs – Statuten [1968] ............. 1016 Broschüre Schülerkonvikt ................................................................................ 1019 Urfaust, eine Aufführung des Schülerkonvikts................................................. 1023

DOKUMENTATION – TEIL 2: ÜBERBLICK .................................... 1025

GELEITWORT

Mit diesem Buch wird Ihnen ein bedeutsamer Abschnitt der deutschen Kirchengeschichte vorgestellt. Für viele Katholiken, die jetzt im heutigen Deutschland leben, ist es Erlebnisgeschichte oder Bekenntnisgeschichte, d.h. Geschichte der Vertriebenen oder ihrer Angehörigen. Königstein ist bis heute für die Katholiken aus den ehemaligen deutschen Gebieten ein Begriff mit zahlreichen Assoziationen. Viele konnten nach der Vertreibung im Gymnasium und Konvikt die schulische Ausbildung beginnen oder fortführen, viele Priesteramtskandidaten haben dort ihre theologische Ausbildung erhalten, viele Vertriebene fanden dort ihren Ehepartner und viele haben neuen Lebensmut bekommen. Von den Regenten des Priesterseminars konnte ich selbst noch Professor Dr. Erich Kleineidam als Dozent der Philosophie in Erfurt erleben und kann mir damit vorstellen, mit welcher Kraft der Neuanfang in Königstein verbunden war. Die maßgeblichen Gestalten von Königstein werden uns mit diesem Dokumentenband in Erinnerung gebracht: Bischof Maximilian Kaller, Weihbischof Dr. Adolf Kindermann und Pater Werenfried van Straaten. Ihnen wurde mit diesem Buch zusätzlich zum sichtbaren Denkmal in Königstein ein schriftliches Denkmal gesetzt. Ein solches Buch kann jedoch auch das Umfeld der drei genannten Geistlichen beschreiben und die übrigen Zeugen des Neuanfangs würdigen, denen die katholische Kirche in Deutschland heute zu Dank verpflichtet ist, weil sie sieht, welche Kraft zur Versöhnung und zum Neubeginn im Evangelium steckt. Dr. Reinhard Hauke, Weihbischof in Erfurt, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge

GELEITWORT

Am späten Nachmittag des 18. Oktober 1948 bin ich mit dem „Feurigen Elias“, der Königsteiner Kleinbahn, in Königstein eingetroffen. Der äußere Eindruck, den der vierzehnjährige Schüler machte, muss ganz gut gewesen sein, weil man mich zunächst dem Schülerkonvikt der evangelischen Inneren Mission zuwies. Rasch aber erwies sich dies in der „Villa Andreae“ als Irrtum. Schuld daran war gewiss mein Reisegepäck: ein Kartoffelsack mit dem Federbett als Inhalt und ein als Koffer benutzter Persilkarton. „Du gehörst doch in die Kaserne am Bahnhof, Dingweg 3!“ So begann mein mehrjähriger Aufenthalt in der Albertus-Magnus-Schule, der bis zum Abitur 1956 führte, danach das Studium an der phil.-theol. Hochschule mit dem Abschluss 1961. Zeit genug, um den Aufbau der „Königsteiner Anstalten“, das Vaterhaus der Heimatvertriebenen, die Zeiten größter wirtschaftlicher Not, die Auseinandersetzung mit dem gottlosen Kommunismus, der Hilfen aus dem Ausland, das Erstarken der eigenen Kräfte aus dem christlichen Glauben heraus körpernah mitzuerleben. Es wird wohl damals kaum irgendwo ein Schülerkonvikt und ein Priesterseminar gegeben haben, in dem bis in die Kleidung hinein größere soziale Gleichheit herrschte, so dass sich Schüler, Lehrer, Studenten, Professoren kaum voneinander unterschieden. „Königstein“ mit seinen vielseitigen Einrichtungen und Aktivitäten war zu einem prägenden Begriff für die Seel- und auch Fürsorge an den katholischen deutschen Heimatvertriebenen geworden. Es zeigte sich, dass die Not der Zeit ein Anruf Gottes ist, weil sie auch ungeahnte Kräfte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe freisetzt. Wer eine Überschrift sucht, mag sich getrost dem Grabdenkmal zweier „Königstein“ prägender Persönlichkeiten anvertrauen: „Venerunt ex magna tribulatione“ und „Caritas Christi urget me“, der Wahlspruch des Bischofs von Ermland Maximilian Kaller und für Weihbischof Adolf Kindermann: „Spes contra spem“.

18 Als „Alt-Königsteiner“ und von 1983 bis 2009 Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge an den deutschen katholischen Heimatvertriebenen und Aussiedlern und damit auch zuständiger Bischof für die Königsteiner Einrichtungen danke ich Herrn Prof. Bendel, dass er mit dem vorliegenden Buch auf den eindringlichen Rat der Thora hinweist: „Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte“: Denn die Vergangenheit, so sagt man, ist nicht tot; sie ist noch nicht einmal vergangen. Sie wirkt fort. Und tatsächlich, wenn man richtig hinschaut, lassen sich in der Geschichte Königsteins Spuren des Heils für Deutschland und die katholische Kirche und weit darüber hinaus entdecken. Sie geben dem, der nicht blindlings vorwärts stolpern will, Standpunkte für die Gegenwart und Wegweisung für die Zukunft.

Dr. h.c. Gerhard Pieschl, Weihbischof in Limburg

VORWORT DES HERAUSGEBERS

Die Hochschule und das Priesterseminar in Königstein im Taunus entwickelten sich nach der Vertreibung der Deutschen aus ostdeutschen Gebieten 1945/46 zu einem Schwerpunkt und Markenzeichen der deutschen katholischen Vertriebenenseelsorge und Vertriebenen-Theologenausbildung. Die Sorge um die aus dem Osten stammenden verstreuten Priester einerseits und die Notwendigkeit andererseits, den aus dem Osten stammenden jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihr Theologiestudium abzuschließen bzw. den Weg über ein Gymnasium und eine PhilosophischTheogische Hochschule zum Priestertum zu gehen, waren die Anstöße für die Gründung der sogenannten Königsteiner Anstalten. In den ab 1946 genutzten Räumen ehemaliger Kasernen in Königstein entwickelten sich Zug um Zug eine Philosophisch-Theologische Hochschule – offiziell gegründet im April 1949, bestehend bis Februar 1978 –, ein Priesterseminar, ein Gymnasium mit Schülerkonvikt, ein Haus der Begegnung u.a. Die Philosophisch-Theologische Hochschule sollte die Tradition der theologischen Ausbildungstätten von Breslau, Weidenau, Braunsberg und Prag fortsetzen. Namen wie Bischof Maximilian Kaller, Prof. Dr. Adolf Kindermann, Pater Werenfried van Straaten, sind untrennbar mit Königstein verbunden. Aber auch die Geschichte unseres Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. ist ohne Königstein nicht denkbar. Denn aus der Vorstufe eines 1951 in Hildesheim ins Leben gerufenen „Arbeitskreises für ostdeutsche Kultur- und Kirchengeschichte“ entstand 1952 in Königstein die „Akademie für Ostdeutsche Kultur und Geschichte“ unter Leitung von Dr. Kurt Engelbert, die ihrerseits 1954 in Königstein in das „Institut für Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas“ umgewandelt wurde. Dieses Institut umfasste eine sudentendeutsche und eine ostdeutsche Abteilung, letztere für Schlesier und Ermländer. Schließlich wurde am 10. Dezember 1958 in Königstein im Taunus unser Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte gegründet. Die Geschichte unseres Instituts und der anderen mit Königstein verbundenen Institute wird in diesem Bande daher auch behandelt. Es freut mich, dass unser derzeitiger 2. Vorsitzender des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, Prof. Dr. Rainer Bendel, die Geschichte von Hochschule und Priesterseminar Königstein aufgearbeitet hat, auf einer Quellengrundlage und in einem Umfang, die Bewunderung abnötigen. Ich begrüße es, dass diese fundamentale Arbeit über die Königsteiner Anstalten in unserer Institutsreihe der „Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands“ als Band 46 erscheint. Bendel ist in dieser Reihe kein Unbekannter: Von ihm liegen als Monographien bereits die Bände 27 „Der Seelsorger im Dienst der Volkserziehung“ (1996) und Band 34 „Aufbruch aus dem Glauben? Katholische Heimatvertriebene in den gesellschaftlichen Transformationen der Nachkriegsjahre 1945–1965“ (2003) vor, außerdem fungierte er für etliche Tagungsbände unseres Instituts als verantwortlicher Herausgeber.

20 Zum Schluss darf ich dem Autor für die Mühe der Erstellung dieser äußerst respektablen Arbeit danken, die in der deutschen Vertriebenengeschichte eine echte Lücke schließt. Außerdem danke ich dem Böhlau-Verlag für den sorgfältigen Druck und dem Finanzgeber – Fond Königstein beim Verband der Diözesen Deutschlands – für die über Autorenkontakt bereitgestellten Mittel! Msgr. Dr. Paul Mai 1. Vorsitzender des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V.

VORWORT DES AUTORS

Kirchliche Vertriebenenseelsorge sollte nach dem Willen der Bischöfe keine Sonderseelsorge sein, also möglichst wenig parallele Strukturen evozieren. Viele Vertriebene waren dankbar für Kontinuitäten im Lebensvollzug in der Fremde, dazu gehörte für einen großen Prozentsatz auch die religiöse Praxis, gehörten Gemeinschaftserfahrungen in Wallfahrten und eigenen Gottesdienstformen, in der Betreuung durch Priester, die aus der eigenen Region kamen, vertrauten Dialekt sprachen und die spezifischen Nöte und Sehnsüchte der Vertriebenen aus eigener Erfahrung kannten. So nimmt es nicht wunder, dass sie Angebote einer spezifischen Seelsorge für die Vertriebenen gern annahmen, dass sie ihre Besonderheiten gern weiter pflegen wollten und dafür auch geeignete Priester brauchten. Insofern griff Kindermann mit seiner Überzeugung, zum Erhalt des Gruppenbewusstseins der Vertriebenen aus den unterschiedlichen Herkunftsregionen der Vertriebenen gehörten wesentlich die Priester, eine verbreitete Stimmung und Suche auf. Eine so verstandene Hilfe brauchte Foren und auch Strukturen; diese siedelten sich u.a., hier aber in deutlicher Konzentration, in Königstein an. Königstein wurde – wie Studienorte so oft – zu einem Identifikationsort, zu einem Erinnerungsort. Die Nennung des Namens weckt bei vielen Emotionen. Der Lauf der Zeit und die Umbrüche erfordern auch Modifikationen solcher Fokussierung, die oft schmerzlich sind. Das macht das Thema für den Historiker nicht leichter, verschärft die Pflicht zur Differenzierung und zur Benennung und Einordnung auch unangenehmer, gern verschwiegener und verdrängter Entwicklungen. Ziel einer solchen Studie kann auch nicht sein, die scheinbare Authentizität der Erinnerungen – wie sie gern beschworen und ihr Verlust mit dem Rückgang der Erlebnisgeneration bedauert werden – zu vermitteln, sondern im Prozess der Historisierung aus unterschiedlichen Perspektiven und aus der Distanz in der Analyse und Einordnung der Quellen, die noch vorhanden und zugänglich sind, Perspektiven zum Verständnis der Akteure, der Handlungen und der Intentionen zu entwickeln – in einem per se sehr heterogenen Bereich, da die Vertriebenen unterschiedlichen sozialen Schichten entstammten, aus verschiedenen Regionen kamen und zwischen dem Emsland und dem Bayerischen Wald sehr differierende Erfahrungen im Ankommen und in der Aufnahme machen konnten – homogenisiert allein durch das Fremdsein. Viele haben mir im Lauf der Studie von ihren Erfahrungen in Flucht, Vertreibung, Ankommen und Aufnahme, von ihren Studien in Königstein, von der Lektüre der aus Königstein verschickten Literatur erzählt. Ihnen allen danke ich für das bunte Bild, das ich dadurch bekommen habe – immer in dem Bewusstsein, dass Erinnerung und Geschichtsschreibung zwei sehr unterschiedliche Zwillinge sind. Viele dieser Erinnerungen rekonstruieren aus der Retrospektive, wozu Zeitgenossen nicht die Zeit fanden, es aufzuzeichnen, weil es wichtiger war, die Not zu mildern als zu dokumentie-

22 ren, weil es nicht zum Problem wurde, weil kein aktenkundig gewordener Streit daraus erwuchs... Vieles lief ungewohnt in Königstein, manches pragmatisch, manches auch ungeordnet, Akten wurden dabei oft nicht abgelegt oder gingen verloren…, manches mag vernichtet worden sein in einer Reihe von Umzügen in Königstein, manches auch in der Auflösung – das bereitet Schwierigkeiten in Rekonstruktion und Nachvollzug. So sind auch die Quellenlage und die Aufbereitung der Quellen, gerade bei den Organisationen der Vertriebenen sehr unterschiedlich. Allen Archivarinnen und Archivaren, allen voran der Bistümer und Erzbistümer, danke ich für die entgegenkommende und anregende Zusammenarbeit herzlich, ebenso den Vertretern der katholischen Vertriebenenorganisationen, die mir die Arbeit mit ihren Unterlagen ermöglichten und mir in Gesprächen viele Hinweise gaben. Vor allem aber danke ich der Kommission für Zeitgeschichte, Bonn, deren Geschäftsführer Herrn Prof. Dr. Karl-Joseph Hummel, und Herrn Dr. Andreas Burtscheidt, der mir unermüdlich und unverdrießlich das gewünschte Quellenmaterial aus den Königsteiner Archivbeständen auf den Schreibtisch im Bonner Albertinum stellte. Ohne finanzielle Grundlage hätte das Projekt nicht durchgehalten werden können. Hier danke ich dem emeritierten Beauftragten der Bischofskonferenz für die Seelsorge der Spätaussiedler und Vertriebenen, Weihbischof Gerhard Pieschl, für seinen Einsatz für das Projekt und den Mitgliedern des Vergabeausschusses für die Mittel aus dem Fonds Königstein beim Verband der Diözesen Deutschlands für die Förderung des Projekts und die Übernahme der Kosten zur Drucklegung. Für kontinuierliche Unterstützung bei den Schreibarbeiten und in der technischen und redaktionellen Bearbeitung des Textes danke ich Frau Monika Ölschläger und Herrn Martin Wambsganß von Herzen. Msgr. Dr. Paul Mai danke ich herzlich für die Bereitschaft, die Arbeit in die Reihe des Institutes für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte aufzunehmen, herzlich und nicht zuletzt dem Verlag und Herrn Johannes van Ooyen für die umsichtige Betreuung. Rainer Bendel

ZUR ERSTEN ORIENTIERUNG: EINE ÜBERSICHT ÜBER DIE WICHTIGSTEN EREIGNISSE

Im November 1946 wurden in Königstein zwei Abiturientenkurse für Kriegsteilnehmer eingerichtet. Aus diesen erwuchs in der Folgezeit das humanistische Gymnasium St. Albert, die spätere Bischof-Neumann-Schule. Auf einer Sitzung eines Seminarrates am 4. Februar 1947, bestehend aus mehreren Bischöfen, an der Kardinal Frings als Vorsitzender teilnahm, konnten Maximilian Kaller und Albert Büttner die Einrichtung eines philosophischen Kurses für die Theologen aus den Ostgebieten durchsetzen. So konnte im Sommer 1947 das erste Semester in Königstein mit über 50 Studenten eröffnet werden. Am 4. Dezember 1947 wurde der Trägerverein Albertus-Magnus-Kolleg e.V. gegründet; zu dessen Vorsitzendem wurde Professor Adolf Kindermann gewählt. Kurz nach dem Tod des Limburger Bischofs Ferdinand Dirichs am 27. Dezember 1948, der sich für den Ausbau Königsteins sehr stark engagiert hatte, wurde am 28. April 1949 die Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein eingeweiht, wenn auch die Bedenken und Friktionen sich bis in die Eröffnungsveranstaltung hinein auswirkten. Die Währungsreform im Juni 1948 drohte das Scheitern für Königstein zu bringen, wären da nicht zahllose opferwillige Flüchtlinge und Wohltäter gewesen. Am 10. Juli 1948 wurde Kardinal Frings zum „Hohen Protektor“ des gesamten Flüchtlingswesens in Deutschland ernannt. Mit dem 24. November 1949 wurde Prälat Franz Hartz von Schneidemühl als Nachfolger des verstorbenen Bischofs von Limburg Ferdinand Dirichs und des ermländischen Bischofs Maximilian Kaller zum Verantwortlichen für das Flüchtlingswesen berufen; die Oberaufsicht über das Königsteiner Seminar wurde Wilhelm Kempf, dem Bischof von Limburg, als Ortsordinarius übertragen. Er setzte sich in der Folgezeit, wie bereits zuvor, nachhaltig für die Königsteiner Interessen ein. Ende 1949 erschien das erste ‚Königsteiner Jahrbüchlein’ für 1950; im Januar 1950 wurde die Errichtung des Verlages ‚Königsteiner Rufe’ vom Bischöflichen Ordinariat in Limburg genehmigt. Die erste Fahrende Kirche wurde 1950 eingesetzt. 1950 drohte die Beschlagnahme der Königsteiner Kasernen durch die Amerikaner. In dieser Situation gelang es dem Nuntius Alois Joseph Muench, das Ende Königsteins zu verhindern. Am 8. Februar 1951 fand in Holland der erste Kongress ‚Kirche in Not’ statt; ebenfalls 1951 wurde die erste ‚Internationale Theologentagung’ ausgerichtet. Am 3. November 1952 konnten die Königsteiner Kasernen vom Land Hessen gekauft werden. In den Folgejahren unternahm Kindermann wiederholt Werbefahrten in

24

Zur ersten Orientierung

die Vereinigten Staaten, ausgerüstet mit einem Empfehlungsschreiben des Nuntius Muench, um dort Spenden für Königstein zu sammeln. Nachdem Ende 1952 die Königsteiner Anstalten käuflich erworben worden waren, fuhr Kindermann im Frühjahr 1953 zum ersten Mal in die USA, um sich dort eine päpstliche Anstalt anzusehen, die als Muster und Vorbild für Königstein dienen sollte.1 Am 21. April 1952 wurde das Haus Werenfried als Tagungs- und Kongresshaus eingeweiht.2 Im April 1952 wurde eine Kommission zur Klärung der rechtlichen Stellung des Priesterreferates eingesetzt. Am Ende des Wintersemesters 1951/52 ging Rektor und Regens Erich Kleineidam nach Erfurt. Nach dem Tode des päpstlichen Beauftragten für die Seelsorge der Heimatvertriebenen, Prälat Franz Hartz, am 15. Februar 1953 übernahm die Aufgabe des Beauftragten der Bischofskonferenz für die Heimatvertriebenen der Würzburger Bischof Julius Döpfner3, dessen Nachfolger im September 1957 für viele Jahre Bischof Heinrich Maria Janssen von Hildesheim wurde.

Initiativen und Intentionen Mit dem 1. Dezember 1947 kamen zum ersten Mal die monatlichen „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ heraus. Im Mai 1949 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift „Königsteiner Rufe“, einem Mitteilungsblatt, das vor allem den Informationskontakt mit den Förderern und Spendern Königsteins aufrecht erhalten sollte. Neben dem Einsatz für Konvikt, Schule und Philosophisch-Theologische Hochschule bestimmte zunehmend die Aufgabe der Betreuung der vertriebenen Seelsorger, besonders in den Diasporagebieten, den Einsatz Königsteins. Auf eigenen Tagungen sollten die Flüchtlingsseelsorger ihre Anliegen besprechen können und in gegenseitigem Austausch und in Exerzitien neue Kraft für ihre Arbeit schöpfen. Im November 1948 kam erstmals Pater Werenfried van Straaten nach Königstein. Der Initiator der Ostpriesterhilfe und Organisator der Kapellenwagenmission war künftig engstens mit den Königsteiner Werken verbunden.

1 2

3

Vgl. dazu das erste Heft der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes im November 1959, S. 4. Vgl. dazu den Bericht zur Volkswagenweihe und Sendungsfeier der Kapellenwagen in Königstein, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 5, Mai 1952, S. 36-40. Julius Döpfner, in: Erwin GATZ (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001. Ein biographisches Lexikon. Berlin 2002, S. 386-394 (Künftig zitiert als GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001).

Eine Übersicht über die wichtigsten Ereignisse

25

Unterstützung erhielten die Vertriebenenseelsorger seit dem Sommer 1950, vor allem im Diasporabereich, durch die Kapellenwagen, die von Königstein aus auf Missionsfahrt gingen. Mit der Einweihung der Schutzmantelmadonna „Mutter der Vertriebenen“ 1952, die von dem aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten schlesischen Bildhauer Erich Jaekel geschaffen worden war, entwickelte sich Königstein zu einem Wallfahrtszentrum für die vertriebenen Katholiken. Im Herbst desselben Jahres fand zum ersten Mal der internationale Kongress ‚Kirche in Not’ in Königstein statt. Die Vertriebenen wollten ihren Blick über die Grenzen, auch über die Grenzen des eisernen Vorhanges richten und die dortige Lage, vor allem der Verfolgten und der Katholiken, kennenlernen und wo es ging mithelfen zu lindern. So heißt es in der Entschließung des Kongresses: „Der Kongress beschwört alle Glaubensbrüder und -schwestern, sich ihrer christlichen Verantwortung für die leidenden Glieder am Leibe Christi bewusst zu werden. Das setzt die Kenntnis der Vorgänge in den betroffenen Ländern und ein warmes Mitgefühl für die leidenden Brüder voraus.“4 1953 startete der Bauorden in Königstein. 1954 konnte der Grundstein zum „Haus der Begegnung“ gelegt werden, ein Projekt, das Kindermann sehr am Herzen lag und keinesfalls unumstritten war.5 Seit dem Februar 1953 erschien der katholische Informationsdienst für Vertriebenen- und Ostfragen „Expulsus“, der ab 1958 umbenannt wurde in „Digest des Ostens“. Seit 1955 wurden die „Königsteiner Blätter“, eine wissenschaftliche Beilage zu den „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ herausgegeben, aus denen später die „Königsteiner Studien“ erwuchsen. 1954 begann man in Königstein Seminare über den dialektischen Materialismus abzuhalten, um Informationen über den Marxismus und Leninismus zu bieten – eine der grundsätzlichen Zielsetzungen Königsteins, wohl sehr stark auf die Initiative Kin-

4 5

Zitiert nach Bericht zur Volkswagenweihe, S. 35. „Als die Großgarage der „fahrenden Kirche“ (Kapellenwagen) ein solides Dach brauchte, kam die Idee mit dem „Haus der Begegnung“: „Wenn schon“, sagte Kindermann, „ein Dach, dann gleich einen Kongress-Saal und weitere Unterkünfte für das pilgernde Volk!“ Gelegentlich eines Besuches schilderte er uns, wie er mit dem Architekten Busch die Großanlage und die Ausführung Stück um Stück geplant habe. Nur die besten Stoffe sollten verwendet werden. Durch eine Glaswand wurde die Taunuslandschaft baum- und haushoch einbezogen. Einer der schönsten Kongress-Säle im ganzen Rhein-Main-Gebiet! Rund um den Neubau die Häuser Werenfried, St. Michael, St. Georg. Jetzt war es möglich, auch große Tagungen und Zusammenkünfte auf einem Gelände und unter einem Dach zu veranstalten. Dass das „Haus der Begegnung“ im September 1955 während des Kongresses ‚Kirche in Not’ eingeweiht wurde, war von symbolischer Bedeutung. Hier war eine Heimburg Gottes entstanden, die sich allen öffnete, allen Nationen, vor allem denen des Ostens, die sich in ihrer Gewissensfreiheit und ihrer Treue zur Kirche verfolgt sahen. (Franz LORENZ, Weihbischof Adolf Kindermann. Ein Lebensbild, in: Leben, Werk und Wirken, S. 12-24, hier S. 18f.)

26

Zur ersten Orientierung

dermanns zurückgehend. Die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus wurde auf der kämpferischsten Ebene gesehen. 1956 wurde die „Ostakademie“ Königstein ins Leben gerufen, ein Forum für die Informationsarbeit zur Ost-West-Problematik. Am 17. Dezember 1957 entstand neben dem Albertus-Magnus-Kolleg Königstein ein eigener Rechtsträger, der Verein Haus der Begegnung Königstein. Aufgabe dieses neuen Vereins war es vor allem, Tagungen, Exerzitien, Lehrgänge zu organisieren und den Unterhalt der wissenschaftlichen Institute und Zeitschriften zu sichern. Im Spätherbst des Jahres 1963 wurde mit dem Neubau der Bischof NeumannSchule des Gymnasiums in Königstein begonnen. 1960 wurde das Institutum Balticum gegründet und das Haus St. Michael gebaut.

Die zentralen Aufgaben Diese Organisationen und Medien dienten den zentralen Anliegen Kindermanns: Priester aus den Reihen der Vertriebenen und für die Seelsorge an den Vertriebenen auszubilden, die das kulturelle Erbe der Vertriebenen und ihrer Herkunftsregionen weiter pflegten und die Erfahrungen der Vertreibung in ihrer Arbeit wirksam machen sollten, den Zusammenhalt und die Spendenbereitschaft unter den vertriebenen Gläubigen erhalten, für das Heimatrecht der vertriebenen Deutschen eintreten, die weltanschauliche Auseinandersetzung mit dem Kommunismus aufnehmen und die Kenntnis der Geschichte, Geistigkeit und religiösen Traditionen der Völker Osteuropas wach halten.

Die weitere Entwicklung 1958 trafen sich zum ersten Mal die „Alt-Königsteiner“. Ein Jahr später wurde Kindermann zum Sprecher der sudetendeutschen Priester ernannt. 1960 wurde das Institutum Balticum gegründet. Die sechziger Jahre wurden geprägt durch die Neuerungen durch das Zweite Vatikanische Konzil, die Bischofsweihe Kindermanns 1966 und die Diskussionen um den deutsch-polnischen Briefwechsel auf Bischofsebene und die Neuorientierungen in der Ostpolitik der Bundesregierung und des Vatikan. Gleichzeitig wurde ein deutlicher Rückgang der Studentenzahlen an der Hochschule sichtbar, der zunächst durch Franziskaner aus den Ordensprovinzen Bosnien, Herzegowina und Kroatien aufgefangen werden konnte. Gleichzeitig geriet die finanzielle Entwicklung ins Defizit. Ein Höhepunkt für Königstein und dessen Leiter war die Seligsprechung Johann Nepomuk Neumanns 1963.

Eine Übersicht über die wichtigsten Ereignisse

27

Die erste Hälfte der siebziger Jahre war geprägt durch die schwere Krankheit Kindermanns und dessen Tod 1974. Erst im Sommer 1974 konnten sich die Trägervereine der Königsteiner Anstalten dazu durchringen, den inzwischen todkranken Vorsitzenden Kindermann im Vorstand abzulösen: Vorsitzender des Trägervereins des Hauses der Begegnung wurde Richard Hackenberg, Vorsitzender des Albertus-Magnus-Kolleg e.V. wurde Stefan Kruschina. 1975 kehrte P. Werenfried van Straaten mit der Ostpriesterhilfe von Rom nach Königstein zurück. Schwere finanzielle Probleme taten sich in der Hochschule und im Haus der Begegnung auf: es wurde eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge zur effizienteren Wirtschaftsführung erarbeitete. Wegen ständig rückläufiger Studentenzahlen musste die Hochschule im Wintersemester 1978/79 den Lehrbetrieb einstellen. Die Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten erschienen seit 1973 nicht mehr. Mit der Sistierung der Hochschule legte Kruschina den Vorsitz im Albertus-Magnus-Kolleg (AMK) e.V. nieder; Anton Janko übernahm die kommissarische Leitung. Im Juli 1980 wurden die beiden Trägervereine zusammengeführt; Karl Braunstein hatte am 1. September 1978 die Leitung des AMK e.V. übernommen und war ab 1. März 1979 auch Leiter des Hauses der Begegnung. In diesen Jahren galt es eine Neukonzeption der Aufgaben der Königsteiner Anstalten zu entwickeln; es gab manche Vorschläge, aber es fehlte nicht zuletzt die Kooperationsbereitschaft in der Leitung, um manch hoch fliegenden Plan realisierbar zu machen. Am 29. Dezember 1982 wurde Weihbischof Pieschl Beauftragter für die Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge. Nachdrücklich forderte er gleich zu Beginn seiner Tätigkeit neue Konzepte für die kirchliche Vertriebenenarbeit, speziell für Königstein; die zunehmend prekärer werdende Finanzlage bekam eine größere Aufmerksamkeit als unter seinem Vorgänger. Im Juli 1984 wurde Pfarrer Karl Kindermann Vorsitzender des Trägervereins der Königsteiner Anstalten und Geistlicher Direktor; gleichzeitig blieb er Krankenhausseelsorger in Wiesbaden. 1989 übernahm die ‚Kirche in Not’ das Unterhaus. 1990 ging die Trägerschaft der Bischof-Neumann-Schule auf das Bistum Limburg über. Nach langen und schwierigen Verhandlungen übernahm 1991 die Stadt Königstein das Haus der Begegnung. 1994 wurde P. Norbert Schlegel OPraem, Vorsitzender des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Leiter des AMK. 1995 fand der letzte Kongress ‚Kirche in Not’ in Königstein statt. Die Mitgliederversammlung des AMK beschloss 1996 die Auflösung des e.V. Die Liquidation war 2000 abgeschlossen.

EINLEITUNG

Was der Kölner Dom für die rheinischen Katholiken sein sollte, wollte Königstein für die Vertriebenen sein. Es wollte als ‚Vaterhaus’ der Vertriebenen ein Ort sein, an dem Priesternachwuchs ausgebildet wird, an dem sich Seelsorger treffen und austauschen, ihre Arbeit und Sorgen mitteilen und reflektieren. Es wollte religiöses Erbe, dem der Verlust drohte, bewahren, religiöse Heimat bieten, mit seinen Publikationen informieren, insinuieren und Zusammenhalt schaffen. Es wollte gewohnte Wallfahrtsstätten ersetzen. Kindermann strebte mit seinen Initiativen in Königstein eine mentale Identifikation der Vertriebenen an. Königstein wollte Vaterhaus sein für die Vertriebenen, ein Zentrum der Betreuung der katholischen Vertriebenen durch die katholische Kirche. Strukturell gesehen war es von Anfang an ein superadditum zur grundsätzlich diözesan und territorial pfarrlich strukturierten Seelsorge der Kirche. Damit waren Überschneidungen, Konkurrenz auch, vorprogrammiert. Es war ebenso ein superadditum zur Diözesanvertriebenenseelsorge und den Kirchlichen Hilfsstellen. Ein Geburtsfehler Königsteins liegt also darin, dass es außerhalb der ordentlichen Strukturen, außerhalb der klar geregelten diözesanen Zuständigkeit entstand: Ein Vertriebenenbischof mit Sonderauftrag, aber ohne eigenes Bistum stand am Anfang. Hinzu kamen der Bischof von Osnabrück als Protektor des ehemaligen Reichsverbandes für die katholischen Auslandsdeutschen (RKA), damit auch der Hilfsstelle, die Prälat Albert Büttner leitete, sowie der Kölner Kardinal Josef Frings als Hoher Protektor des Flüchtlingswesens und nicht zuletzt der Bischof des Belegenheitsbistums Limburg. Konnte aus dieser Startsituation ein Zentrum erwachsen? Wollte die katholische Kirche ein solches Zentrum? Oder rangen die Träger der Königsteiner Anstalten all die Jahre darum, ein solches Zentrum zu werden? Lag in diesen Intentionen nicht der Keim zur Überforderung? Trübte die kontinuierliche Überforderung den Blick für die aktuell geforderten Aufgaben?

30

Einleitung

Stand der Informationen und Diskussionen – einige Fragen1

Zum Hintergrund und zu den Intentionen der Initiatoren „Aus der Überzeugung heraus, dass die Flüchtlingsfrage im Vordergrund steht, weil sie mit ihren Konsequenzen bis in die letzte Dachkammer und in den tiefsten Keller reicht, bat ich Eminenz Frings diese Frage vor der Konferenz behandeln zu dürfen...“ schreibt der ermländische Bischof Maximilian Kaller im Vorfeld der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 1946.2 Eine Koordinationsstelle wollte Kaller mit seinem päpstlichen Sonderauftrag für die Betreuung der Vertriebenen und Flüchtlinge, den er im Juni 1946 übertragen bekommen hatte, aufbauen. In erster Linie freilich seien für die seelsorgliche, die caritative und die soziale Arbeit die Ordinarien verantwortlich. „Alle Vertreter der Ordinarien, noch besser, alle Ordinarien selbst müssten gemeinschaftlich die Richtlinien für die Arbeit in der Flüchtlingsbetreuung festsetzen.“ Albert Büttner, der Leiter des RKA, der ermländische Bischof Maximilian Kaller und nicht zuletzt der vormalige Prager Kirchenrechtsprofessor Adolf Kindermann schufen mit Königstein eine derartige Koordinationsstelle, ein Zentrum. Eine Konzentration der Pläne und Aufgaben Kindermanns, der rasch zur zentralen Leitungsfigur in Königstein avancierte, auf die Priestererziehung, die Unterstreichung der Rolle des Priesters für das rechte Weiterbestehen der katholischen Kirche und der Sittlichkeit im Volk hatte sich in seinen Tätigkeitsschwerpunkten vor der Vertreibung bereits deutlich abgezeichnet. Nach der Vertreibung setzte Kindermann seine intensive Sorge um den Priesternachwuchs der Sudetendeutschen fort. Seinen Einsatz für das Prager Seminar widmete er um in die Verantwortung für die Königsteiner Anstalten. In der Sorge um den Klerus ergaben sich Interessensaffinitäten mit den Anliegen Albert Büttners. Kindermann war bereits in seiner Prager Zeit mit dem Vorsitzenden des Reichsverbandes für das katholische Deutschtum im Ausland (RKA) in engem freundschaftlichem Kontakt gestanden, war doch das Prager Theologenkonvikt zu einem erheblichen Teil vom RKA mit finanziert worden. Eine neue, nicht unumstrittene Ebene der Zusammenarbeit von Büttner und Kindermann ergab sich 1946 in der Betreuung der vertriebenen Ostpriester und der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge.3 Büttner hatte sein Büro zu Kriegsende teilweise von Berlin nach Karlstadt am Main verlegt. Er war in dieser Zeit ein wichtiger Ansprechpartner für Flüchtlinge, 1

2 3

Vgl. dazu Rainer BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? Katholikinnen und Katholiken in den gesellschaftlichen Transformationen der der Nachkriegsjahre 1945 – 1965. Köln, Weimar, Wien 2003 (Forschungen und Quellen zur ostdeutschen Kirchen- und Kulturgeschichte 34). Kaller, Quellenverzeichnis, Nr. 1150 und 1153; Archiv Ermlandhaus. Vgl. Maria LABONTÉ, Albert Büttner, Ein Leben für Glaube und Kirche in der Fremde. Mainz 1978, vor allem S. 91-143.

Einleitung

31

Durchziehende, für die seiner Obhut anvertrauten Seelsorger. Auf dem ersten Treffen der Fuldaer Bischofskonferenz im August 1945 legte er den Jahresbericht über die Tätigkeit des RKA zwischen August 1944 und August 1945 vor und ersuchte die Bischofskonferenz, die Neuerrichtung der Kirchlichen Hilfsstelle zu bestätigen. „Denn Büttner brachte zugleich den wohldurchdachten Entwurf einer den neuen Zeitverhältnissen angepassten ‚Kirchlichen Hilfsstelle‘ nach Fulda mit. Es ging um die caritative und seelsorgliche Fürsorge für die aus Ost- und Südosteuropa rückwandernden Deutschen, ihre wirtschaftliche und kulturelle Eingliederung, Einrichtung einer Suchstelle nach vermissten Familienangehörigen, Ausbau eines Informationsund Austauschamtes, Weitergabe von Anregungen an den kirchlichen Nachrichtendienst. Mit dem Schatz seiner Erfahrungen und Verbindungen stellte er sich der Aufgabe zur Verfügung.“4 So charakterisiert Maria Labonté5, seine langjährige Mitarbeiterin, rückblickend die Neuorientierung von Büttners Arbeit nach dem Krieg. Tatsächlich wurde dem Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz von 1945 die Anlage beigefügt, die die Aufgaben der Kirchlichen Hilfsstelle in der neuen Form skizzierte. So sollte die 1943 beim Bischöflichen Ordinariat Osnabrück errichtete Hilfsstelle für seelsorgerliche Sonderaufgaben künftig mit den folgenden Aufgaben betraut werden: Die Betreuung der Flüchtlinge aus den Ost- und Südostgebieten, und zwar wird an erster Stelle die seelsorgliche Betreuung der Flüchtlinge genannt, dann die Betreuung der Geistlichen und der Theologen, eingeschlossen die Sorge für ihren zweckentsprechenden Einsatz. Schließlich wird unter dem ersten Punkt angesprochen, dass die Hilfsstelle dafür sorgen solle, dass die Flüchtlinge möglichst in konfessions- und berufsgleiche Gebiete kommen. An zweiter Stelle der Aufgaben steht die Seelsorge für deutsche Zivilarbeiter im Ausland. Gedacht ist an deutsche Arbeiter, die zu Aufbauarbeiten ins Ausland gebracht werden. Das dritte Aufgabenfeld umfasst die Betreuung der kriegsgefangenen Theologiestudenten; ihnen sollen wissenschaftliche Bücher beschafft und zugestellt werden, eine Aufgabe, die ein Jahr später vom Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz dem Caritasverband übertragen wurde. Viertens sollten die ausländischen Priester und Theologen in Deutschland von der Kirchlichen Hilfsstelle betreut werden. Gedacht war vor allem an die ukrainischen unierten Priester und an litauische und lettische Priester und Theologen.

4 5

LABONTÉ, Büttner, S. 94. Labonté, geb. 1904, war seit 1933 bei Büttner zunächst in der Jugendarbeit, dann bis zu dessen Tod seine Sekretärin und damit auch in die Arbeit des RKA und der Kirchlichen Hilfsstelle zuinnerst eingebunden. Die 1978 im Grünewaldverlag erschienene Biographie mit vielen Auszügen aus Quellen wollte nicht zuletzt die Rolle Büttners am Beginn der kirchlichen Vertriebenenseelsorge herausarbeiten und ihn vor Vorwürfen in Schutz nehmen, er sei wegen seines Einsatzes für die deutschen Katholiken im Ausland und der Förderung ihrer Kultur ‚braun angehaucht’ (Bruno Wittenauer im Geleitwort zur Biographie, S. 9) gewesen.

32

Einleitung

An fünfter Stelle wird die Vorbereitung einer kirchlichen Auswandererberatung gefordert.6 In der Betreuung der Heimatvertriebenen, zu einem großen Teil Büttners ehemalige auslandsdeutsche Katholiken, sollte Königstein eine zentrale Rolle spielen. Nach der Schilderung von Labonté stand am Anfang die Sorge um die Sammlung der Theologiestudenten aus Südosteuropa, dem Sudetenland und auch den ostdeutschen Gebieten. Sie hatten an der Universität in Breslau oder Prag, der Hochschule in Braunsberg oder Weidenau, in Leitmeritz oder den Priesterseminarien des Südostens studiert. Büttner dachte an die Errichtung eines Priesterseminars für die Ostgebiete, motiviert nicht zuletzt durch die Hoffnung, dass die jungen Priester später wieder ihrer Heimatdiözese zur Verfügung stehen könnten. Er hatte zunächst Kloster Eberbach favorisiert, wurde aber Ende 1945 vom Königsteiner Bürgermeister Hubert Faßbender auf die dortigen Baracken aufmerksam gemacht, die 1926 für die französischen Besatzungstruppen gebaut worden waren und während des Zweiten Weltkrieges als Unterkunft für Schwerverwundete gedient hatten.7 Die intensiven Überlegungen und Verhandlungen über den Kauf der Baracken und des Areals in Königstein schildert Labonté. Verhandlungspartner waren vor allem Bischof Alois Joseph Muench, der Apostolische Visitator in Deutschland, und Pater Ivo Zeiger SJ, Professor für Kirchenrecht an der Gregoriana, Rektor des Germanicums, der Muench zum Mitarbeiter gegeben worden war. In den letzten Monaten des Jahres 1945 und im ersten Halbjahr 1946 war Büttner mit seiner Kirchlichen Hilfsstelle weitestgehend auf sich allein gestellt. Er suchte nach Möglichkeiten, ein Seminar für ostdeutsche Theologiestudenten zu gründen. Bei den Bischöfen fand er kaum Sympathie.8 So wandte er sich im Frühjahr 1946 mit seinem Plan, ein Seminar für Ostflüchtlinge zu errichten, schriftlich an den Papst. Am 6. Mai 1946 erhielt er eine Bestätigung und erste finanzielle Hilfen.9 Kindermann konnte sich auf ein Schreiben von Bischof Berning10 von Osnabrück, dem Beauftragten der Bischofskonferenz für das Auslandsdeutschtum berufen, das den Auftrag enthielt, in dieser Frage mitzusondieren.11

6

7 8

9 10 11

Vgl. Anlage 7 zum Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz 1945, in: Ludwig VOLK (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933 – 1945, Bd. VI, Mainz 1985 (=VKZG A 38), S. 706f. Vgl. LABONTÉ, Büttner, S. 99f. Wie zur Bestätigung fügt Labonté eine Stelle aus den Erinnerungen des Kölner Kardinals Josef Frings bei, der unterstreicht, dass der eigentliche geistige Urheber des Königsteiner Werkes Albert Büttner gewesen sei, der diesen Plan durchdrückte, obwohl er den Bischöfen sehr suspekt erschien. Auch Frings dokumentiert in seinen Erinnerungen, dass er den Plan zunächst für kaum ausführbar hielt. – Vgl. LABONTÉ, S. 101. Der Brief ist abgedruckt bei LABONTÉ, Büttner, S. 102f. Klemens August RECKER / Wolfgang SEEGRÜN, Hermann Wilhelm Berning (1877 – 1955), in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 422-427. Vgl. den zitierten Bericht von Adolf Kindermann in der Königsteiner Chronik, in: Königsteiner Rufe: Sonderausgabe zum Mai 1997, S. 32.

Einleitung

33

Eine oberhirtliche Stütze und eine erste Aussicht auf Systematisierung der vielfältigen und unterschiedlichen Aktivitäten in der Betreuung der Vertriebenen tat sich auf, als der Papst den Flüchtlingsbischof Maximilian Kaller am 24. Juni 1946 zum päpstlichen Sonderbeauftragten für die heimatvertriebenen Deutschen bestellte; dieser war damit eigentlich für Königstein zuständig. Büttner setzte darauf Hoffnungen: „Soeben erfahre ich, dass der Heilige Vater Euere Exzellenz zum Flüchtlingsbischof ernannt hat. Wenn ich auch noch keine nähere Kenntnis über den Umfang des Auftrages habe, so hoffe ich, dass durch die Beauftragung die Vorbedingungen für eine planmäßige Lösung aller Seelsorgsfragen für die Flüchtlinge und Ausgewiesenen gegeben sind. Von ganzem Herzen beglückwünsche ich Euere Exzellenz zu diesem zwar unsäglich schweren Amt, das aber in sich trägt die Möglichkeit zu einem bischöflichen Wirken von größter Fruchtbarkeit im apostolischen Sinne.“12 In dieser Zeit erhielt die Kirchliche Hilfsstelle das Kasernengelände in Königstein in Pacht mit Vorkaufsrecht. Durch den Apostolischen Visitator und seinen Mitarbeiter, durch Kindermann und durch den Papst gestärkt, unterzeichnete Büttner den Pachtvertrag über die Königsteiner Anlagen am 2. Juli 1946.13 Am 14. August 1946 kam Professor Kindermann mit dem Bestand der Bücherei des deutschen Theologenseminars in Prag in Königstein an. Labonté wollte wohl die enge Freundschaft mit Kindermann und Büttners Wunsch, diesen in das KönigsteinProjekt einzubinden, unterstreichen, wenn sie formuliert: „Mit Sehnsucht erwartete er [Büttner] die Rückkehr von Professor Kindermann...“14 Wie drängend Büttner die Aufgabe der Kirche in der Nachkriegssituation und besonders angesichts der Not der Vertriebenen und Flüchtlinge sah, formulierte er im Schlusswort einer Tagung von über 100 heimatvertriebenen deutschen Seelsorgern, die vom 6. bis 8. August 1946 in Eichstätt stattfand. Viele Menschen erwarteten in dieser Not von der Kirche Hilfe. Das sei eine große und herrliche Stunde für die Kirche und den Priester. Auf dieser Eichstätter Tagung wurde eine Eingabe an die deutsche Bischofskonferenz formuliert mit der Bitte, die ostdeutschen Theologen in einem gemeinsamen Seminar in Königstein zu sammeln, damit diese Theologen nach den Bedürfnissen der verschiedenen Diözesen für die Diasporaseelsorge und ggf. für eine spätere Auswandererseelsorge – ein Aspekt, der gerade in den ersten Jahren in den Planungen einen überdimensionalen Raum einnahm – besonders geschult würden.15 Ein weiterer wichtiger Schritt in der Hilfe für vertriebene Seelsorger war die Stiftung des Opus Confraternitatis, ein Hilfswerk priesterlicher Bruderliebe, das letztlich seinen Grundstock durch einen Bittbrief Büttners vom Josephstag 1946 erhielt, der an

12 13 14 15

Büttner an Kaller am 30. Juli 1946, zitiert in LABONTÉ, Büttner, S. 112; vgl. Dokument Nr. 7 im Anhang. Vgl. Dokumente Nr. 6 und 8 im Anhang. LABONTÉ, Büttner, S. 101. Vgl. ebd., S. 104. Die Protokolle sind ediert von Rainer BENDEL, Quellen zur Vertriebenenseelsorge – Teil II: Tagung ostdeutscher Priester Bayerns in Eichstätt vom 6. bis 8. August 1946, in: ASKG 60 (2002), S. 9-85 (Künftig zitiert als BENDEL, Quellen zur Vertriebenenseelsorge II).

34

Einleitung

die Priester im Ausland gerichtet war: Sie sollten im Geiste des Grenzen, Staaten und Völker überschreitenden Priestertums die Liebe über den Hass siegen lassen und den deutschen Priestern und Theologiestudenten helfen, in erster Linie mit Büchern, wissenschaftlichen Werken, mit Kleidung, Lebensmitteln und Geldspenden. Vor allem für die Seelsorger in der sowjetisch besetzten Zone konnten tonnenweise Liebesgaben verschickt werden. Nach dem unerwartet raschen Tod Kallers am 7. Juni 1947 war plötzlich das Amt des Sonderbeauftragten verwaist. Labonté wies darauf hin, dass sich Unklarheiten über die genaue Zweckbestimmung von Königstein ergaben. Bezüglich der Umbauten der Gebäude und der Einrichtung musste disponiert werden. Die Trägerschaft für den Komplex lag – immer noch nur provisorisch geregelt – in den Händen der Frankfurter Kirchlichen Hilfsstelle, die Verwaltung bei einer eigens bestimmten Kommission. Büttner wünschte sich die Gründung eines eingetragenen Vereins; er sah die Notwendigkeit der Trennung zwischen der Hilfsstelle und Königstein, auch wenn dieses bisher wesentlich von der Hilfsstelle finanziell getragen worden war.16 Im Kontext dieser Unsicherheiten und ungeklärten Zuständigkeiten verortete Labonté Verleumdungen und ungute Nachreden über Büttner: Unterschlagungen wurden ihm unterstellt. Labonté warf Kindermann vor, er habe um das verletzende Gerede gewusst, dazu aber geschwiegen, ein Vorwurf, der offensichtlich in Königstein sehr lange anstößig nachwirkte. Bei vielen Priestern, die Kindermann als Autorität geschätzt haben, habe dies als Zustimmung gegolten.17 Anfang Dezember 1947 schied Büttner aus der Leitung der Königsteiner Werke aus. Labonté sprach von einer herben Enttäuschung, die dem Initiator der Königsteiner Anstalten bereitet wurde. In einer Zeit, da das Werk auf unsicherem Boden stand, da er um Akzeptanz ringen musste, sei er allein gewesen. Zu dem Zeitpunkt, als die Etablierung halbwegs gelungen war, wurde Königstein aus dem Zusammenhang mit der Kirchlichen Hilfsstelle gelöst und ein eigenständiger Verein „St. Albertus Magnus Königstein“ gegründet, dessen Leitung Professor Kindermann übernahm. Diese Neukonstituierung und Übertragung geschah auf einer Konferenz am 4. Dezember 1947, auf der der Kölner Kardinal Josef Frings18, Bischof Ferdinand Dirichs19 von Limburg, der Domkapitular Josef Lamay von Limburg20, der ermländische Propst Arthur Kather, Prälat Franz Hartz, Prälat von Schneidemühl, der Glatzer Großdechant Franz

16 17 18

19 20

LABONTÉ, Büttner, S. 113. Vgl. dazu LABONTÉ, Büttner, S. 114. Zu Frings Norbert TRIPPEN, Josef Kardinal Frings (1887 – 1978). Band I: Sein Wirken für das Erzbistum Köln und für die Kirche in Deutschland. Paderborn u.a. 22003, für die Vertriebenenseelsorge v.a. S. 164-194. Ferdinand Dirichs (1894 – 1948), Bischof von Limburg 1947 – 1948. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 317-319. Josef Lamay, geb. 1892. Priesterweihe 1914 in Limburg. Seit 1943 Domkapitular. Vorsitz im Diözesancaritasverband. Gestorben 1961. DA Limburg Priesterkartei. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg. Mainz 1983, S. 273.

Einleitung

35

Monse21, Kindermann, Büttner u.a. teilgenommen haben.22 Dass ihm die Leitung entzogen wurde, verwundete Büttner sehr.23 Zwei Tage später legte Büttner auch den Vorsitz im Verwaltungsrat des St. Albertus Magnus Kollegs in Königstein nieder. Kindermann war damit auch dessen Leiter und konnte nun Königstein nach seinen eigenen Intentionen gestalten. Seinem Freund und jetzigen Bischof von Limburg, Ferdinand Dirichs, stellte Büttner die Frage, was aus der Kirchlichen Hilfsstelle Frankfurt nach der Herauslösung von Königstein aus deren Zuständigkeitsbereich werden sollte. Büttner wollte in einer gewissen Verbitterung auch die Leitung der Kirchlichen Hilfsstelle abgeben und in die Seelsorge zurückkehren.24 Mit allem Nachdruck bewegte Dirichs seinen Freund, die Leitung der Kirchlichen Hilfsstelle weiter zu behalten.25 Für den 28. Dezember 1948 hatten Bischof Dirichs von Limburg und Büttner einen Gesprächstermin vereinbart, auf dem die weitere Aufgabenkonzeption der Kirchlichen Hilfsstelle besprochen werden sollte. Einen Tag zuvor verunglückte Dirichs tödlich.26

21 22 23 24 25

26

Vgl. Michael HIRSCHFELD, Prälat Franz Monse. Großdechant von Glatz. Sigmaringen 1997. Vgl. dazu vor allem LABONTÉ, Büttner, S. 114-119. Ebd., S. 115. Ein Brief an Bischof Ferdinand Dirichs von Limburg am 26. Januar 1948. Die Antwort Dirichs ist bei Labonté teilweise abgedruckt (S. 117f.). Im Begleitbrief zu diesen Erinnerungen Jankos (Anton Janko, Priester des Bistums Königgrätz, Prof. in Königstein, Alttestamentler – vgl. PRIESTERREFERAT KÖNIGSTEIN (Hg.): 8. Königsteiner Schematismus. Königstein 1988, S. 46; künftig zitiert als PRIESTERREFERAT, 8. Königsteiner Schematismus) an die frühe Phase der Königsteiner Anstalten, gerichtet an den früheren Leiter des Instituts für Kirchengeschichte, Böhmen, Mähren und Schlesien, Kurt Augustinus Huber, geht Janko zusätzlich auf die Rolle des Limburger Bischofs Ferdinand Dirichs in der Heimatvertriebenenseelsorge und für Königstein ein. Er notiert dessen Schwierigkeiten, vor allem mit süddeutschen Ordinarien, die vertriebene Priester auf vakante Pfarrstellen setzten, die Dirichs unter dem Aspekt der Vertriebenenseelsorge lieber in Norddeutschland in der Diaspora gesehen hätte. Dirichs habe über die Königsteiner Anstalten alle Vollmachten gehabt und auch einmal mit Kindermann eine heftige Diskussion geführt, wohl weil dieser durch seinen Führungsstil ein nicht ungetrübtes Verhältnis zu seinen Helfern, vor allem zu den Lehrern des Gymnasiums hatte. Weiter berichtet Janko von einer Auseinandersetzung auf der Bischofskonferenz in Fulda 1948 im Hinblick auf Königstein, weil einige Bischöfe den Antrag gestellt hatten, die Königsteiner Anstalten aufzulösen und die dortigen Theologen auf die verschiedenen Diözesen ihres Wohnsitzes nach der Vertreibung zu verteilen. „Es muss da eine harte Diskussion gewesen sein, so dass sich unser Bischof (= Dirichs) noch des Nachts hinsetzte und ein ausführliches Referat über dieses Thema schrieb. Dieses Referat und vor allem seine Persönlichkeit, die sich mit ganzem Herzen für Königstein einsetzte, hat die Existenz der Königsteiner Anstalten gerettet.“ Die Bischöfe haben daraufhin offensichtlich ihren Plan zurückgezogen, die Königsteiner Anstalten nicht länger finanziell zu unterstützen. Aber nicht nur Dirichs, sondern auch der Nuntius Muench und der Kölner Erzbischof Kardinal Frings standen hinter Königstein. (Brief von Anton Janko an Augustinus Kurt Huber am 19. Februar 1981, in: Dossier Kindermann). Die folgende Arbeit der kirchlichen Hilfsstelle ist vor allem in zwei größeren Projekten noch für die Vertriebenenintegration interessant: Die erste Maßnahme war die Ansiedlung von ungarischen Weinbauern auf dem Exerzierplatz Griesheimer Sand bei Darmstadt, wo auf etwa 80 Hektar Land 40 ungarndeutsche Familien angesiedelt wurden. 1950 hatte die Siedlung bereits über

36

Einleitung

Wem ist die entscheidende Initiative für die Philosophisch-theologische Hochschule in Königstein zuzuschreiben – im Bild des Königsteiner Denkmals gesprochen: Wer sollte in dem Denkmal zu sehen sein, und in welcher Größe? Im Februar 1981 setzte sich Anton Janko27, der langjährige Alttestamentler in Königstein und kommissarische Leiter des AMK nach dem Rücktritt Stephan Kruschinas 1977, in einer ausführlichen Aufzeichnung seiner Erinnerungen an die ersten Jahre von Königstein mit der Schilderung von Maria Labonté kritisch auseinander und modifizierte deren Bild über die Anfänge der Königsteiner Anstalten, das Mitwirken Maximilian Kallers und Büttners Stellung in diesem Kontext:28 Kindermann gehörte bis Ostern 1947 nicht zum Leitungsgremium von Schule und Konvikt. Er war von Bischof Kaller mit Aufbau und Leitung des Priesterreferates betraut worden, das die ostvertriebenen Priester sammeln und betreuen sollte. Er trug zu dieser Zeit für die Königsteiner Häuser noch keine Verantwortung. Er war nach dem Ausweis Jankos seelsorgerlich tätig; vor allem an Sonntagen hielt er Gottesdienste für Vertriebene in den verstreuten hessischen Diasporagemeinden.29 Auch Janko bestätigte Büttners Initiative für die Sammlung der Theologen der deutschen Ostgebiete, die bereits auf die Zeit 1945/46 zurückgehe. Deutliche Belege für diese Position waren ihm der Brief Pius‘ XII. und die Verhandlungen mit dem hessischen Staatsministerium, die Labonté dokumentierte. Diese Initiative sei in der Folgezeit allein Kindermann zugesprochen worden.30 Zusammen mit dem Lehrerkollegium der St. Albert Schule habe Büttner den Plan eines großen katholischen Gymnasiums für den Frankfurter Raum verfolgt, während er den philosophisch-theologischen Kurs, das Hauptanliegen Kindermanns, auslaufen lassen wollte. Das Bistum Limburg sei dem Plan offensichtlich wohlwollend gegenübergestanden; Kindermann und die „schlesischen Herren“ hätten hingegen verständlicherweise eine gegenteilige Position eingenommen. Sie setzten sich vehement für ein Priesterseminar mit Hochschule ein. Das Schülerkonvikt sollte bestehen bleiben; man

27 28

29 30

500 Bewohner. 1953 erhielt sie auch eine eigene Kirche. Die zweite größere Aktion ist die Ansiedlung von Bukowinadeutschen in der Kolonie Turen in Venezuela seit 1950. Büttner versuchte, für die sich in den folgenden Jahren immer weiter vergrößernde Kolonie vor allem einen Seelsorger zu finden. Schließlich setzte er sich nicht zuletzt auch für die südosteuropäischen Priester in der Nachkriegszeit nachhaltig ein. (Vgl. dazu LABONTÉ, Büttner, S. 126-136). Anton Janko (1909 – 2000); vgl. Nachweise zu den Dozenten auf S. 449. Labonté sei zwar bestrebt gewesen, objektiv zu schreiben, doch seien seine Erinnerungen nicht in allen Punkten mit der Auffassung von Labonté identisch. Vgl. Institut für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien, Dossier Kindermann, S. 1. Vgl. ebd., S. 2. „Nach Ausscheiden Büttners aus der Leitung der Königsteiner Anstalten (Dez. 1947) ist später der Name Büttner auch mit der de facto Einrichtung des Priesterseminars noch unter seiner Leitung kaum mehr in Verbindung gebracht worden, sondern nur der von Kindermann. Grund dafür mag vielleicht sein: Einmal, dass die Errichtung der Phil.-Theol. Hochschule Königstein im April 1949 vor allem den Bemühungen Kindermanns zu verdanken ist. „Böse Zungen“ wollten wissen, dass er sie den deutschen Bischöfen „abgetrotzt“ habe; sodann aber auch und noch mehr der Umstand, dass bald nach dem Tod von Bischof Kaller (Juli 1947) Unklarheiten über die weitere Zweckbestimmung von Königstein entstanden.“ (Ebd., S. 3).

Einleitung

37

wollte eine Rekrutierungsstätte für den Priesternachwuchs. Der Vorrang sollte aber eindeutig dem Priesterseminar eingeräumt werden.31 Nach Büttners Ausscheiden aus der Leitung der Königsteiner Anstalten sei diese Auffassung von Kindermann den deutschen Bischöfen gegenüber immer wieder verfochten worden. Diese Entwicklung sah Janko als Grund dafür, dass in späterer Zeit Büttner als unbestrittenes Verdienst zuerkannt wurde, dass er für die Königsteiner Werke die dortigen Kasernen erworben, nicht aber, dass er ein eigenes Priesterseminar für Osttheologen in Königstein intendiert und dafür den Grund gelegt habe.32 Diese unterschiedlichen Zielsetzungen haben laut Janko zwischen Büttner und Kindermann – dieser damals in Übereinstimmung mit den schlesischen Herren – mehr und mehr das gegenseitige Vertrauen zerstört und zu einer gewissen Gereiztheit geführt.33 Die eigenständige überdiözesane Ausbildung der Osttheologen in Königstein wäre demnach dem hartnäckigen Einsatz Kindermanns zu verdanken, während Büttner, der Einheimische eher den Weg der integrierenden Lösung favorisierte: Konvikt und Gymnasium in Königstein sollten zwar Rekrutierungsstätte für Priesternachwuchs sein, die Theologiestudenten aber an den bereits bestehenden Ausbildungsstätten unterrichtet werden.34

31 32

33

34

Vgl. ebd., S. 3. Ausführlich geht Janko auf die Konferenz in Köln vom 4. Dezember 1947 ein, auf der der Verein Albertus Magnus Kolleg Königstein gegründet wurde, dessen Vorsitz Kindermann übertragen wurde – die Konferenz, auf der Büttner aus seinem Leitungsamt gedrängt wurde: „Was der eigentliche Grund für die Ablösung Büttners gewesen sein mag, darüber konnte nur gerätselt werden. Man sprach von Abneigung des Kardinals Frings gegenüber Büttner, die sich auf gewisse Vorfälle stütze, wie eigenmächtiges Vorgehen Büttners (s. LABONTÉ, Büttner, S. 117), man wies auch hin auf Büttners labilen Gesundheitszustand und darauf – sehr diskret –, dass der Kardinal darum gewusst habe, dass Büttner sich mit Opium spritze, um stets fit zu sein.“ (Vgl. Dossier Kindermann, S. 5). Welche aufschlussreichen Skurrilitäten die Gereiztheit annehmen konnte, zeigt ein Beispiel, das Janko anführt: „Prälat Büttner machte damals u.a. den Vorschlag, im Speisesaal der Theologen (im OH) sollte mit den Theologen zusammen die gesamte Hausgemeinschaft, also neben den Schülern auch alle Angestellten männlichen und weiblichen Geschlechts gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen. Das schiene ihm schon aus erzieherischen Gesichtspunkten sinnvoll und gut. Darauf antwortete Regens Ramatschi sehr gereizt: 'Herr Prälat, von Theologenerziehung verstehen Sie einen Dreck', stand auf und verließ das Zimmer. Die Sitzung war jäh zu Ende, sie war zugleich die letzte.“ Eine Szene vom Beginn des Wintersemesters 1947/48, die nicht zuletzt ein bezeichnendes Licht auf das differierende Verständnis von Kleruserziehung und das Selbstverständnis des Königsteiner Leitungspersonals wirft. (Dossier Kindermann, S. 4). Das Verhältnis Kindermanns zu Büttner sei anfangs ohne Zweifel freundschaftlich gewesen. Die Meinungsverschiedenheiten um die Zielsetzung von Königstein habe diese Freundschaft aber getrübt bis hin zu deren Bruch, nachdem Kindermann die Leitung der Königsteiner Anstalten übernommen hatte. Das Verhältnis Kindermanns zu den schlesischen Leitungsfiguren in Königstein bezeichnet Jankowww als aufrichtig und gut, während der Mitarbeiter des apostolischen Nuntius, Pater Ivo Zeiger, ein Freund Büttners, Kindermann gegenüber eher zurückhaltend, wenn nicht leicht ablehnend gewesen sei. Janko deutet verhalten an, dass die gesellige Art Kindermanns mit zunehmenden Aufgaben in Königstein immer seltener wurde, Hochschule und

38

Einleitung

Forschungsstand Eine Monographie zum Vaterhaus der Vertriebenen fehle, konstatierte Michael Hirschfeld in seiner Dissertation zum Thema Vertriebene und Katholisches Milieu im Oldenburger Land35. Diese Feststellung stimmt immer noch. Hirschfeld selbst behandelte Königstein eher beiläufig auf knapp zwei Seiten als ein Beispiel einer Makrostruktur, um die Milieubindung durch den Priesternachwuchs weiterzugeben; dabei wird die darin involvierte Frage nicht explizit beantwortet. So ist man für einen Informationsüberblick weitgehend auf die Jubiläumsausgaben der „Königsteiner Rufe“ angewiesen – etwa zum 40-jährigen Bestehen 1986 oder auch die Sondernummer 1997, die den Reigen der Rufe beendet hat.36 Jüngst ist auf der Grundlage der in den ‚Geburtstagsschriften’ zusammengestellten Informationen zur Einweihung des Königsteiner Denkmals eine weitere Festschrift vorgelegt worden.37 Der Autor dieser Arbeit hat selbst in seiner Habilitationsschrift unter den Initiatoren der Vertriebenenseelsorge, also im Kontext von Kindermann, die unterschiedlichen Königsteiner Initiativen aus dem damals noch ungeordneten und unverzeichneten Archivmaterial vorgestellt, freilich nicht in dokumentarischer Absicht und schon gar nicht mit dem Anspruch, dieses Thema umfassend und erschöpfend behandelt zu haben.38 Dort habe ich auch die bis dato erschienene Literatur zum Thema berücksichtigt und zusammengestellt. Meine damalige Quellengrundlage – in einem weiteren Verständnis von Quelle – bildete der seinerzeit noch ungeordnete Bestand des Archivs in Königstein (jetzt zum Teil bei der Kommission für Zeitgeschichte, zum Teil wohl noch im Archiv des Instituts für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien (KGBMS)) und die Rückblicke Büttners und einiger Professoren der ersten Stunde. Orientieren konnte ich mich für den Bereich der Hochschule immer wieder an der Studie von Josef Pilvousek über das Philosophisch-Theologische Studium in Erfurt.

35

36 37

38

Seminar hätten ihr Eigenleben und das vorrangige Interesse Kindermanns gefunden. Wenn Kindermann nach dem Abendessen im Kreis des Kollegiums erschienen sei, „dann hatte er meist ein Anliegen bzw. eine neue Idee, für die er den Rat oder vielmehr die Zustimmung einholen wollte.“ En passant ein Hinweis auf die Leitungsmethode Kindermanns. Michael HIRSCHFELD, Katholisches Milieu und Vertriebene. Eine Fallstudie am Beispiel des Oldenburger Landes 1945 – 1965 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 33). Köln, Weimar, Wien 2002. Vgl. dazu auch das letzte Heft der Königsteiner Rufe, red. von Norbert SCHLEGEL und Rudolf GRULICH, Sonderausgabe Mainz 1997. FREUNDESKREIS WERENFRIED-DENKMAL (Hg.), Königstein. Stadt des Aufbaus und der Versöhnung. Festschrift zur Einweihung des Denkmals für Bischof Maximilian Kaller, Bischof Adolf Kindermann, P. Werenfried van Straaten. Nidda 2011. Rainer BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben?

Einleitung

39

Materialgrundlage

Akten Der zentrale Bestand der Königsteiner Überlieferung liegt, so weit er die diversen internen Umzüge in Königstein und die Endphase der Königsteiner Anstalten überdauert hat, verzeichnet bei der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn. Flankiert wird dieser Bestand durch Teile, die an das Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien gegangen sind, in erster Linie der sog. Nachlass Kindermanns, der vor allem seine private Korrespondenz umfasst, dazu diverse thematisch strukturierte Sammlungen, Dossiers, die der langjährige Leiter des Instituts und Professor für Kirchengeschichte an der Hochschule, Augustinus Kurt Huber, angelegt hat. Sie werden nach den Namen der Dossiers zitiert. Für die Quellenlage, soweit sie den Archivbestand der Königsteiner Anstalten betrifft, hat Karl-Joseph Hummel einen Überblick über den inzwischen bei der Kommission für Zeitgeschichte lagernden Bestand vorgelegt.39 Zu beachten ist, dass in den Protokollen des Institutes für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien deutlich darauf hingewiesen wird, dass der persönliche Nachlass Kindermanns in den Räumen des Institutes verwahrt wurde und solange er nicht inventarisiert sei, auch von Nicht-Mitgliedern nicht eingesehen werden dürfe. Es ist anzunehmen, dass damit ein gewisser Bestand des Nachlasses nicht nach Bonn kam, sondern beim Institut verblieben ist, vor allem die private Korrespondenz Kindermanns. Bei einer Vielzahl von Personen gilt für die Personalakten noch die Sperrfrist. Eine umfangreiche Parallelüberlieferung findet sich im Bistumsarchiv Limburg qua Belegenheitsbistum und seit 1982 Sitz des Beauftragten für die Vertriebenenseelsorge. Das Historische Archiv des Erzbistums Köln verwahrt ebenfalls eine reiche Parallelüberlieferung, weil Kardinal Frings als Hoher Protektor für das Flüchtlingswesen in die zentralen Entscheidungen in und um Königstein eingebunden war. Für die Anfangsjahre ist dazu die Überlieferung im Diözesanarchiv Osnabrück mit einzubeziehen, da Berning als Protektor des RKA der Vorgesetzte Büttners und dessen häufiger Korrespondenzpartner war. Letztlich findet sich in jedem Diözesanarchiv ein Bestand zu Königstein, da Jahresberichte und Informationen an alle Diözesen geschickt wurden, um die Bischöfe, die wiederholt in ihren Konferenzen Fragen zu Königstein zu behandeln hatten, auf dem aktuellen Informationsstand zu halten. Nicht

39

Karl-Joseph HUMMEL, Katholische Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Ein Forschungsprojekt der Kommission für Zeitgeschichte, Bonn. In: Rainer BENDEL / Stephan JANKER (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005, S. 201212.

40

Einleitung

nur die Bischöfe, auch die Visitatoren wurden regelmäßig informiert – in diesen Kreisen besonders ergiebig ist der Bestand der Apostolischen Visitatur Breslau, da der Visitator regelmäßig im Vorstand des AMK war. Darüber hinaus bietet das Diözesanarchiv Rottenburg mit dem Nachlass Kruschina reiche Zusatzinformationen vorrangig für die 1960er und 70er Jahre, als Kruschina Regens in Königstein und dann Leiter des AMK war.

Publikationen Einen wichtigen Informationsbestand bilden die in Königstein herausgegebenen Periodika, die allesamt durchgesehen und ausgewertet wurden. Bei den zentralen Zeitschriften wurde ihr Inhalt zusammengestellt. Teils ist er im Anhang der vorliegenden Arbeit dokumentiert, teils ist er im Internet bei www.rainer-bendel.de verfügbar. -

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“

-

Königsteiner Blätter, dann Königsteiner Studien (Vgl. Dokument Nr. 33 im Anhang.)

-

Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerks

-

Königsteiner Rufe

-

Expulsus, ab 1958 Digest des Ostens

-

Publikationen der Professoren und der Forschungsinstitute Zentrale Quellen werden im Anhang dokumentiert, dort aber nicht mehr ausführlich kommentiert und eingeführt, der Kontext erschließt sich aus der vorgeschalteten Studie. Zitate in der Arbeit werden, wo es den Sinn nicht verändert, der heutigen Rechtschreibung angeglichen.

Zielsetzung/Frageperspektiven Königstein ist ohne Zweifel ein Fokus der kirchlichen Sorge für die Vertriebenen; nachdem ich die Initiatoren und Initiativen untersucht habe und nachdem auch der Blick von unten von Hirschfeld und mir (Bayernstudie und Rottenburgstudie) die Situation von Betroffenen in den Gemeinden und Diözesen und Regionen untersucht, nachdem das Projekt Pilvousek/Preuss die Lage der Vertriebenen in der katholischen Kirche in der SBZ/DDR aufgreift40 und dabei auch der Klerus eigens in den Blick genommen wird (Winterstein)41, sehe ich den Fokus Königstein als einen zentralen

40 41

Josef PILVOUSEK / Elisabeth PREUß (Hg.), Aufnahme – Integration – Beheimatung. Flüchtlinge, Vertriebene und die ‚Ankunftsgesellschaft’. Berlin 2009. Ulrike WINTERSTEIN, Vertriebener Klerus in Sachsen 1945 – 1955. Paderborn u.a. 2010 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe B 118).

Einleitung

41

ergänzenden Baustein für ein Gesamtbild ‚Katholische Kirche und Vertriebene von 1945 bis 2000’, also zur Auflösung Königsteins. Angeregt wurde diese Arbeit in erster Linie als Dokumentation der vielfältigen Aktivitäten für die Sorge der katholischen Kirche um die Vertriebenen, die von Königstein ausgingen und dort ihren Sitz hatten. In diesem Fokus ‚Königstein‘ bündeln sich die vielfältigsten Initiativen, Organisationen und Ämter: Vertriebenenbischöfe, Flüchtlingsrat, Vertriebenenseelsorger, Vertriebenenklerus. Damit ist letztlich auch die immense Tragweite und Komplexität des Themas genannt:

a) Binnenkirchlich: -

DOKUMENTATION der vielfältigen und vielschichtigen Tätigkeiten, der Rolle der Protagonisten, der Elite,

-

die Frage nach der REICHWEITE DER MASSNAHMEN: Blieben sie wirklich ‚milieuintern‘, waren sie Milieu stabilisierend?

-

die Frage nach dem THEOLOGISCHEN UND PASTORALEN AUFBRUCH, der von den Impulsen Königsteins für das religiöse Leben in den Gemeinden ausging.

b) Gesellschaftlich/politisch Die Vertriebenen sind in ihren Lebensentwürfen durch Krieg und Nachkriegszeit massiv in Frage gestellt worden; mit ihren Lebenswelten führten sie zu Verfremdungen in der Nachkriegsgesellschaft; sie konnten manchen Mangel aufdecken, manche Scheinwelt entlarven, da sie die Fähigkeit des Fremden hatten, die Verhältnisse mit anderen Augen zu sehen, sie zu analysieren und Alternativen zu entwickeln. Das macht das Thema „Integration Vertriebener“ und „Vertriebenenseelsorge“ auch auf der Ebene der Gesamtgesellschaft und in der Perspektive der Mentalitäts- und Sozialgeschichte interessant. Im Katholischen Sonntagsblatt Nr. 43 vom 22. Oktober 1951 findet sich ein Bericht über die Akademie-Veranstaltung in der eben erst gegründeten Akademie der Diözese Rottenburg in Hohenheim „Vertriebenenschicksal in Volk und Kirche“; dort skizzierte Hans Schütz42 die Seelsorge-Aufgabe an den Vertriebenen. Er wies auf die

42

Hans Schütz, geb. 24.2.1901 in Hemmhübel in Nordböhmen, gest. 24.1.1982 in München. Betätigung in christlichen Gewerkschaften in Nordböhmen, im „Reichsbund der Deutschen Katholischen Jugend“ in der CSR. 1924 Gewerkschaftsvorsitzender und Parteivorstandsmitglied der DCV. 1935 Abgeordneter der DCV in Prag. 1938 Rückzug aus der aktiven Politik. 1946 Mitglied der CSU in Bayern und Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde, 1949 – 1962 Bundestagsabgeordneter der CSU für den Wahlkreis Dillingen. 1962 Staatssekretär des bayer. Arbeitsministeriums, 1964 bayer. Staatsminister für Arbeit und soziale Fürsorge. Hans Schütz, Aktivist,

42

Einleitung

völlig neuartige soziologische Struktur Westdeutschlands hin. Eindringlich bat er die versammelten Seelsorger um Weckung der Herzen und der Gewissen zur bereitwilligen Verwirklichung einer durchgreifenden Sozialreform. Die Stimmung der einheimischen Pfarrer und die verständliche Angst auf Seiten der Einheimischen gegen die Diskussion um die Bodenreform waren deutlich zu spüren. Vergleichbare Analysen und Beschreibungen, Aufgabenformulierungen und Appelle wurden in zahlreichen Tagungen in Königstein von den Vertriebenenseelsorgern über die Ackermann-Gemeinde bis zum Katholischen Flüchtlingsrat formuliert. Solche Konkurrenz und Konfliktivität – von der Auffassung über die Ausgestaltung des Lastenausgleiches über die Diskussion über Art und Intensität heimatlicher Kulturpflege bis hin zum Heimatrecht – können durchaus integrationsfördernd im politischen und sozialen Prozess wirken, muss doch Integration nicht zwangsläufig auf vollkommenen Konsens und Stabilität abzielen, sondern kann durchaus eine Funktionalität im Blick haben, die auch den integrierenden Charakter des Konfliktes ernst nimmt. Denn soziale Konflikte sind gerade in extremen Situationen wie Flucht und Vertreibung unvermeidbar und leisten dort, wo die Konfliktpartner noch auf einem gemeinsamen Boden von Grundüberzeugungen kommunizieren, einen Beitrag zum sozialen Wandel, zur Weiterentwicklung des Instrumentariums des sozialen Ausgleichs im politischen Prozess. Integration kann nur dort gelingen – und darin unterscheidet sie sich fundamental von der Assimilation –, wo die neue Gemeinschaft als Ganze durch den Integrationsvorgang, durch den Integrationsprozess anders wird, im Wandel bleibt. Insofern haben die Vertriebenen mit ihrer Bedürfnislage, mit ihren Forderungen einen Handlungsbedarf geschaffen mit vielfältigen Impulsen und Konsequenzen in den unterschiedlichen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens, ja vielleicht konnten sie – nicht zuletzt durch die Stütze und Impulse der Vertriebenenseelsorge – geradezu Katalysatoren für den politischen, sozialen, kulturellen und mentalen Aufbau werden.

Zum Aufbau der Arbeit Königstein soll in seiner Bedeutung im Kontext der Vertriebenenseelsorge der katholischen Kirche gewürdigt werden. Die Situation der Vertriebenen und die daraus erwachsenen neuen Aufgaben für die Seelsorge werden exemplarisch und kursorisch als

christlicher Gewerkschafter, maßgeblich an der Flüchtlings- und Lastenausgleichsgesetzgebung beteiligt, gehörte zu den Gründern der Ackermann-Gemeinde – er wusste, wie wichtig Initiative ist, daß man die Interessen nur über den politischen Prozeß durchsetzen kann. 1966 Beendigung der aktiven politischen Laufbahn. – Lit.: Horst GLASSL / Otfried PUSTEJOVSKY, Ein Leben – drei Epochen, FS für Hans Schütz zum 70. Geburtstag, München 1971 mit Bibliographie und Literatur. ACKERMANN-GEMEINDE (Hg.), Hans Schütz – Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit. Gewerkschafter, Sozialpolitiker, Jungaktivist, Vertriebenenpolitiker, Europapolitiker. München 1982. Rudolf OHLBAUM, Hans Schütz, in: Hans Schütz – Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit, S. 13-25.

Einleitung

43

Hintergrund in einem ersten Schritt aufgezeigt. Korrespondierend werden die ersten Initiativen und Schritte der Vertriebenenseelsorge und der Selbstorganisation der katholischen Vertriebenen in ihren Grundzügen und Intentionen skizziert; damit entsteht der Kontext, in dem Königstein ‚Zentrum‘ sein wollte. Alle an der Vertriebenenseelsorge Beteiligten trafen sich und tagten regelmäßig in Königstein. Alle zentralen politischen und sozialen Fragen, die die Vertriebenen betrafen, wurden in Gremien und auf Veranstaltungen in Königstein beraten und nicht selten entsprechende Memoranden formuliert. So lag es nahe, den Kontext der gesamten Vertriebenenseelsorge der katholischen Kirche in den ersten Schritten einzubeziehen. Qua Auftrag standen die Vertriebenenbischöfe in einem engen Konnex mit Königstein: sie werden daher mit ihren Intentionen und den Themenschwerpunkten ihrer Arbeit vorgestellt. Besonders der Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen versuchte die Königsteiner Initiativen nach Kräften zu unterstützen, bis zu dem Schritt, dass er sich für die Bischofsweihe Kindermanns einsetzte und es ermöglichte, dass dieser Weihbischof in Hildesheim wurde, seinen Sitz und sein Arbeitspensum aber in Königstein behalten konnte. Dem Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl lag als Alt-Königsteiner die Neuausrichtung der Arbeit Königsteins besonders am Herzen; ihm kam die undankbare Aufgabe zu, die Auflösung Königsteins begleiten zu müssen. Die Protagonisten Königsteins, Albert Büttner, der ermländische Bischof Maximilian Kaller und Adolf Kindermann werden in ihrem Herkunftskontext, damit auch in ihrem Erfahrungshintergrund, der zugleich Erfahrungsraum vieler katholischer Vertriebener war, mit ihren Motivationen und Mentalitäten ausführlich vorgestellt. Die äußere Entwicklung des Gesamtkomplexes Königstein, der beiden hauptsächlichen Trägervereine wird im vierten Hauptkapitel nachgezeichnet, dabei können Wiederholungen nicht ganz vermieden werden, da die einzelnen Kapitel auch für sich gelesen werden können, bei der engen Verflechtung der Königsteiner Einrichtungen aber viele Entwicklungen zwangsläufig parallel verliefen. Die folgenden Kapitel sind den zentralen Einrichtungen vorbehalten, einmal dem Herzstück, der Hochschule und dem Priesterseminar, dem Haus der Begegnung und seinen Kongressen ‚Kirche in Not‘, den unterschiedlichen Forschungsinstituten, dann dem Gymnasium und nicht zuletzt den Tätigkeiten des Priesterreferates. Die Publikationsorgane werden vorgestellt als Bindeglieder zum weiten Kreis der Vertriebenen, vor allem zu den Spendern. Die Tätigkeit der landsmannschaftlichen Priesterwerke wird exemplarisch am Sudetendeutschen Priesterwerk, einem zentralen Träger der Königsteiner Anstalten, weil über lange Jahre im Vorsitz in Personalunion verbunden mit den beiden zentralen Königsteiner Trägervereinen und wichtiger Geldgeber für Baumaßnahmen, aufgezeigt. Das Hilfswerk ‚Kirche in Not’ hatte einen eigenen Trägerverein und über lange Jahre seinen Hauptsitz in Königstein; es trug wichtige Initiativen Königsteins wie die Kapellenwagenmission und den Kongress ‚Kirche in Not’ wesentlich mit, half immer wieder mit Finanzspritzen, blieb aber selbstständig und war mit seiner Zielsetzung bald über den eigentlichen Adressatenkreis der Königsteiner Einrichtungen für die Vertriebenenseelsorge hinausgewachsen. Es wird deshalb mit seinem Gründer, dem

44

Einleitung

„Speckpater“ Werenfried van Straaten43, auch in einem Überblick vorgestellt, kann aber erst dann monographisch erarbeitet werden, wenn die Archivalien erschlossen sind – Vorarbeiten dazu sind offensichtlich angelaufen. Die einzelnen Abschnitte sollen jeweils auch für sich gelesen werden können; daher lassen sich bei der mitunter komplex verflochtenen Situation der Königsteiner Einrichtungen Wiederholungen nicht vermeiden. Seit den ersten Planungen für die vorliegende Studie wurde die dokumentarische Intention unterstrichen, dieser Zielsetzung kommen die im Anhang zusammengestellten für die Geschichte der Königsteiner Einrichtungen und Initiativen zentralen Quellen ebenso entgegen wie die ausführliche Zitation der Quellen im Text.

43

Vgl. auch den Nachruf zu Pater Werenfried in den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“ 1/2003, S. 5f., der sehr allgemein Bekanntes skizziert, nicht gezeichnet ist, vermutlich aus der Feder Grulichs stammt und mit einer interessanten Wendung schließt, nämlich mit der Behauptung, Pater Werenfried van Straaten habe das Erbe Königsteins hochgehalten, wohin er 1975 den internationalen Sitz seines Werkes verlegte.

ABSCHNITT I: SEELSORGE IN VERTREIBUNG UND ANKOMMEN

1.

Wie erlebten die Gläubigen ihre Situation

Die Situation der Vertriebenen, ihren Verlust, ihre Armut skizzierte Kindermann in einer Ansprache in einer katholischen Morgenfeier am 20. Juli 1947 in Königstein1, als Bedingung und Grundlage für die christliche Liebe. Als konkretes Beispiel und Vorbild stellte er den erst knappe zwei Wochen zuvor verstorbenen und in Königstein begrabenen ermländischen Bischof, Maximilian Kaller vor. Die Situation der Vertriebenen, speziell auch die kirchliche Situation in ihrer unmittelbaren Ankunftsphase ist bereits mehrfach skizziert worden. Für viele war es eine kalte Heimat. Für manche dauerte das Ankommen und heimisch werden lange. Für manche ging es einfacher und schneller. Die Konstellationen sind so vielfältig wie die beteiligten Menschen vielfältig sind. Von daher ist die Gefahr, bei solchen Skizzen in Pauschalisierungen zu verfallen, sehr groß. Es möge für den Kontext dieser Arbeit genügen, einige Grundlinien festzuhalten, wie sie sich aus den Wahrnehmungen, Analysen und Aufgabenbeschreibungen der Seelsorger in der unmittelbaren Situation ergaben. Exemplarisch seien hier die Skizzen und Mitteilungen des Flüchtlingsseelsorgers von 1946 herausgegriffen, hektographiert, an die Vertriebenenpriester verteilt, der Anfang der Zeitschrift „Christ unterwegs“. Die Skizzen und Mitteilungen wurden erstmals im Mai 1946 verteilt von der Kirchlichen Hilfsstelle unter Monsignore Büttner. Die Hauptschriftleitung hatte Dr. Richard Mai in der Kirchlichen Hilfsstelle, Zweigstelle München.2 Für den schlesischen Teil war Alfred Schulz, für den sudeten-

1 2

Vgl. Dokument Nr. 1 im Anhang. Richard Mai, geb. 1900 in Aachen, von 1922 bis 1940 Mitarbeit beim Reichsverband für das katholische Auslandsdeutschtum. 1946 gründete er den Verlag ‚Christ unterwegs’ in München; dazu Paulus SLADEK, Not ist Anruf Gottes. Aus Veröffentlichungen, Rundschreiben, Predigten und Briefen. Dokumente zur Geschichte der Vertriebenenseelsorge. Hg. von Rudolf OHLBAUM. München, Königstein/T. 1991, S. 526. – Richard MAI, Mit …00 fängt’s an. Ein Mensch erlebt das 20. Jahrhundert. Privatdruck Starnberg-Söcking 1989, S. 74-76: „Die Notleiter für die Vertriebenen Die erste Pflicht des Kriegsheimkehrers war die Arbeitssuche. Denn seine Arbeitsstelle in Berlin war ausgelaufen. Wie sollte ich seine große Familie ernähren? Zunächst versuchte ich, in meinem journalistischen Urberuf eine angemessene Unterkunft zu finden. Meine Hoffnung, dass ich als Nichtparteigenosse willkommen sei, trog. Die wenigen Stellen waren schon besetzt. Zufällig erfuhr ich, wohin sich mein früherer Chef vom RKA in Berlin abgesetzt hatte, nach Karlstadt

46

Abschnitt I

am Main. Dorthin schlängelte ich mich von Fahrgelegenheit zu Fahrgelegenheit durch. Nachdem der RKA von den Zeitläufen überholt worden war, versuchten wir, eine neue Aufgabe im kirchlichen Raum zu finden, die den neuen Nachkriegsnöten angepasst war und zugleich einen Bezug zu unserem früheren Wirkungskreis hatte. Da waren die vielen Flüchtlinge über die deutschen Lande verteilt, da waren die Massen deutscher Vertriebener zu erwarten, die teils noch in den Lagern saßen, dem Hunger, der Kälte und dem Tod ausgesetzt. Aus dem ganzen Osten und Südosten sollten sie nach Westdeutschland abgeschoben werden. Dank unserer Arbeit im Reichsverband für das katholische Auslandsdeutschtum (RKA) waren unter diesen Vertriebenen, deren Heimatentwurzelung beschlossene Sache der Sieger war, viele Freunde aus unserem bisherigen Wirkungsraum. In meinen Beratungen mit Prälat Büttner in Karlstadt verdichtete sich in uns die Idee, diese auf uns zukommende oder bereits in Bewegung geratene Nachkriegsnot vom Baltikum bis weit hinein in die balkanischen Gefilde in einer eigenen Organisation mit unseren bisherigen Freunden aus diesem Bereich aufzufangen. Am 6. Oktober 1945 begründeten Prälat Büttner, Hans Schütz, P. Sladek und ich in einem Zimmer des Drittordens-Krankenhauses in München-Nymphenburg die „Kirchliche Hilfsstelle für katholische Heimatvertriebene“. Sie wurde verbunden mit der gleichnamigen Organisation, die Prälat Büttner nach seinem Umzug von Karlstadt nach Frankfurt kurz vorher organisiert hatte und aus der auch die berühmten Königsteiner Anstalten als Auffang für den jungen Nachwuchs, insbesondere auch für den Klerus der Vertriebenen hervorgewachsen sind. Von den drei Gründern im Nymphenburger Krankenhaus wurde mir die Verwaltungsleitung der „Kirchlichen Hilfsstelle für katholische Heimatvertriebene“ anvertraut, während Hans Schütz die Politik und Pater Sladek die Seelsorge und die Sammlung und Wegführung des vertriebenen Klerus in die notleidenden Wohnbezirke der Heimatvertriebenen zu ihren Sonderaufgaben machten. Etwas später nahm die „Kirchliche Hilfsstelle“ Prof. Diplich und Pfarrer Bensch für die Südostdeutschen bei sich auf. Aus dem Schoß der Kirchlichen Hilfsstelle ging die Ackermanngemeinde für die Sudetendeutschen hervor, die heute noch ein reiches Leben entfaltet und ebenso Organisationen für die Südostdeutschen. Viele führende Persönlichkeiten der Vertriebenenarbeit in Bayern fanden hier ihren Sammelort. Dort konnten die Vertriebenen Auskünfte, Adressen, Arbeitsmöglichkeiten, Familienzusammenführungen, Hilfen aller Art, später auch Lebensmittelspenden finden. Ihnen wurden auch die Wege zu den verschiedenen Behörden und Ämtern geebnet. Kardinal Faulnaher und Weihbischof Neuhäusler hatten immer ein offenes Ohr für besondere Nöte der Vertriebenen und für alle Sorgen, die die „Kirchliche Hilfsstelle“ an sie herantrug. Mir fiel die besondere Aufgabe zu, das Kulturerbe der Heimatvertriebenen zu pflegen und sie durch publizistische Mittel miteinander zu verbinden. So gründete ich die erste Zeitschrift für Vertriebene, den „Christ unterwegs“, deren erste Nummer 1946 erschien, und später die Zeitung „Der Volksbote“. Auch die ersten Kalender für die verschiedenen Volksgruppen sind aus diesem Arbeitsbereich hervorgegangen. Ebenso wagte ich mich an die Herausgabe von Büchern, z.B. die Bildbände für einzelne Heimatgebiete, Erzähl-Literatur usw. In diesem Kreis erschien das erste Dokumentarwerk „Tragödie Schlesiens 1945/46 von Dr. Joh. Kaps. Uns vertraute das Bundesministerium für Vertriebene die mehrbändige „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“ zur Kommission an, die das Gesamtschicksal der Vertreibung der Deutschen für die Nachwelt festhielt. Als 1950 die amerikanische Besatzungsmacht den Weg für die Landsmannschaften freigab, konnten wir ihnen den größeren Teil unserer Aufgaben überlassen. Die kirchliche Arbeit lief in den einzelnen Volksgruppen-Organisationen weiter, die die Kirchliche Hilfsstelle in ihren Anfängen gegründet hatte. Die verlegerischen Arbeiten, z.B. die Zeitschrift „Christ unterwegs“ und Heimatliteratur der Vertriebenen nahm ich auf meine eigene Kappe oder überließ sie Verlegern aus den Reihen der Vertriebenen. Ein Abschnitt meines Lebens lief aus. Stimmungsbild aus der Nachkriegsnot der Enterbten

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

47

deutschen Teil Pater Paulus Sladek verantwortlich. Die erste Ausgabe hatte einen Umfang von 49 Schreibmaschinenseiten, die hektographiert verschickt worden waren. Den vertriebenen Priestern wurden neue Anschriften ostdeutscher Priester ebenso mitgeteilt wie persönliche Nachrichten und Mitteilungen. Da ging es um die Mitteilung von Todesfällen, von Geburtstagen. Vorgaben der Verwaltung für die Flüchtlingsunterbringung wurden publiziert, ebenso Exzerpte aus Briefen, die die Schwierigkeiten der Aufnahme schilderten: Die Ausnützung der Flüchtlinge bis zum Äußersten. Nur selten fanden sie Liebe und Verständnis. Viele suchten nach einer Ausflucht, indem sie Gedanken an die Auswanderung nach Übersee schmiedeten, in Lethargie verfielen oder sich der Hoffnung verschrieben, bald wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Positionen, die über der Situation stehen, reflektieren und einzuordnen

Welche Stimmung unter den Bombengeschädigten und Flüchtlingen im Juli 1945 herrschte, beschreibt ein Brief, den ich im Juli 1945 an den Landrat einer Würmtalgemeinde am Stadtrand von München richtete. Darin heißt es u.a.: „Ich traf hier meine aus dem Kampfgebiet an der Oder geflüchtete Frau und meine 5 Kinder im Alter von 2 Monaten bis 10 Jahren. Sie waren in letzter Minute aus der Kampfzone abtransportiert worden und konnten nur das mitnehmen, was sie am Leibe hatten. Man hat sie in der Zufluchtgemeinde bei München sehr freundlich mit Bezugscheinen aller Art versehen. Der Einkauf von Haushaltswaren im Gesamtwert von RM 95.--, gewiss ein bescheidener Betrag angesichts der Größe meiner Familie. Nun sind nach dem Zusammenbruch die Bezugsscheine ungültig erklärt werden. Seitdem haben wir nichts mehr davon gehört, wie man die Flüchtlingsnot zu steuern gedenkt. Sie können sich denken, wie es einem Heimkehrer zumute ist, wenn er seine Familie in den allerdürftigsten Verhältnissen vorfindet. Es ist nicht schlimm, wenn meine Kinder im Sommer barfuß laufen, was sollen sie aber bei Eintritt der schlechten Witterung machen? Meinem fünfjährigen sind die Zehen buchstäblich durch das Oberleder seiner einzigen Schuhe gewachsen. Schuhwerk, das reparaturbedürftig ist, machen uns die Handwerker nicht. Wir sind ja nur „Flüchtlinge“ und keine Dauerkundschaft. Trotzdem der Bürgermeister uns einen Schuhmachermeister zugewiesen hatte, sind wir von ihm nicht angenommen worden. Der Herr Schuhmachermeister braucht die Behörden nur, um Material zu bekommen. Meine Frau hatte auf ihren Bezugschein ein Stück Stoff für ein Sommerkleid bekommen. Aber keine Schneiderin hat den bisher angenommen. Sie sind alle mit Arbeit überlastet! Glauben Sie, diese Schneiderinnen würden nur für die wirklich Bedürftigen, die Flüchtlinge und Ausgebombten arbeiten? Wohin treibt man uns, fast die Hälfte des Volkes, die der Krieg völlig enterbt hat. Können wir auf die Dauer ruhig bleiben, wenn die noch Besitzenden nicht zu ihrem Teil an der Not teilnehmen? Denn wer heute noch Besitz hat, verdankt ihn nicht mehr wie früher dem Verdienst der Ahnen oder der eigenen Leistung, sondern einem glücklichen Zufall, er gehört ihm also gerechterweise viel weniger zu eigen als zu irgendeiner früheren Zeit. Wäre es beispielweise nicht gerecht, wenn einer, der ein Bett nicht wirklich belegt, es dem zur Verfügung stellen müsste, der keines hat? Man muss befürchten, dass das, was nicht von oben gemacht wird, von unten gemacht wird. Kein vernünftiger Mensch wird den Plünderungen zustimmen. Sie haben nur unrechtes Gut an den unrechten Mann gebracht. Aber was hinter der Plünderungswut steckt, das Grollen der Enterbten, sollte man oben nicht überhören.“ Dieser Brief aus den ersten Monaten nach dem Kriege enthält viel Bitterkeit, ist ein Hilfeschrei der Enterbten, kündet ein unterirdisches Grollen. Er gibt ein eindrucksvolles Stimmungsbild der ersten Nachkriegsnot. Man darf aber darüber nicht vergessen, dass es auch viele Nochbesitzende, viele Einheimische gab, die den Enterbten nach Kräften zu helfen versuchten, Früchte und Gemüse aus ihren Gärten, Brot unter dem Ladentisch, Geschirr-Reste aus einer verlorenen Ecke, Wollsachen zum Aufzupfen, sogar Bettwäsche usw. mitleidenden Herzens dahingaben.“

48

Abschnitt I

versuchen, waren eher selten zu vernehmen. Sie sind daher als besonders anregende Beispiele vermehrt in die Skizzen und Mitteilungen aufgenommen worden. „Es waren ja auch sehr böse Monate. Stets in Angst um die körperliche Unversehrtheit und dazu die Sorgen um meine beiden Kinder und die materiellen Nöte daneben. Wenn uns auch alles verloren ging, so kommt es uns trotz der schmerzlich vermissten Selbstständigkeit vor, wie im Paradies hier, wo wir bei den Eltern meines Mannes einen Unterschlupf gefunden haben. Trotz aller Nöte der Gegenwart haben wir, Dank einem tiefen Gottesglauben, niemals die Hoffnung auf einen guten Ausgang unseres Wanderweges verloren und so sind wir auch sicher, dass auch für uns wieder einmal die Zeit kommt, da wir einen neuen Haushalt beginnen können. Und die Vorbereitungen dazu sind gewiss auch Bringer vieler Freuden.“3 Obdach finden, die Begegnung mit den Einheimischen, wieder in Arbeit kommen, waren die großen Aufgaben, die keine Selbstläufer waren, sonst hätte Pater Paulus Sladek nicht quasi zum Einstieg in die Skizzen und Mitteilungen einige Gedanken und Anregungen mitgegeben zur Begegnung in Christus. Es sind Erinnerungen daran, in Armen, Kranken, Hungernden und heimatlosen Christus zu entdecken. „Ihr alle, Männer und Frauen, in Haus und Hof, in Werkstatt und Büro, Ihr Heimatlosen in den Baracken und auf den Straßen, Reiche und Arme, Satte und Hungrige hört doch! Was lauft Ihr aneinander vorbei, als wären Abgründe aufgerissen zwischen Euch! Was schaut Ihr misstrauisch und neidisch, verängstigt und abweisend aufeinander und gönnt einer dem anderen nicht das Stücklein Brot, das er in den Händen hält. Hört doch! Christus … will von einem zum anderen gehen und den Abgrund überbrücken. Die Mauern zwischen Euch niederreißen, den Neid auslöschen und den Hass zunichte machen. Ein Mensch kommt zu Dir. Siehst Du nicht, dass Christus zu Dir kommt? Glaube doch, dass Christus kommt, wenn der Geringste seiner Brüder zu Dir kommt und Du wirst unter der Armut, unter dem Neid und vielleicht auch dem Hass das verkümmerte Bild Christi hervorschimmern sehen, wie unter Lumpen …“4 Dieser Wegweisung folgend wurden zwei Predigtskizzen eingefügt in die erste Ausgabe des „Flüchtlingsseelsorgers“. Eine Predigtskizze an die einheimische Bevölkerung und eine an die Heimatlosen zu Trost und Ermunterung. Die Predigt an die einheimische Bevölkerung erinnerte an die Menschenpflicht, die Massenausweisungen zu verhindern oder einzuschränken. Da dies aber nicht in der Macht der Menschen in Deutschland stand, blieb ihnen die größere Aufgabe, die unabwendbaren Ereignisse aufzufangen, die Flüchtlinge aufzunehmen, sie zu betreuen und ihnen den Weg zu einem neuen Dasein zu ebnen. Dafür mussten sie zunächst die Situation der Ausgewiesenen wahrnehmen, ihre Klagen um die Toten, die zerrissenen Familien, eine Zeit ungeahnter Bitterkeit auch nach Ende des Krieges. Verlust von Habe und Heimat, Verlust des Arbeitsplatzes und des sozialen Kontextes, der Wertschätzung. „Alles in allem: die Ausgewiesenen und Flüchtlinge gehören zu den Ärmsten der Armen. Sie leiden Mangel an den notwendigsten Dingen und an der

3 4

Christ unterwegs Jg. 1, einzusehen u.a. bei den Beständen Königstein bei der KZG Bonn, S. 39. Ebd., S. 3f.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

49

Seele sind sie tief verwundet. Es gehört darum zu den elementarsten Menschenpflichten, dass wir ihnen nach Kräften helfen, den Hungernden Brot, den Kranken ein Bett, den Kindern eine Wiege, den Ausgeplünderten ein Kleid, den Männern Arbeit und den Frauen einen Herd verschaffen, trotz eigener Not, die schwer auf uns lastet.“5 Jeder Einzelne sei hier gefordert. Es genüge nicht, den Behörden und caritativen Einrichtungen die Sorge für die Ausgewiesenen zu überlassen. Bezeichnend war, dass Sladek die Eindringlichkeit seines Appells damit zu steigern versuchte, dass er die gemeinsame Volkszugehörigkeit der Ausgewiesenen unterstrich. Dahinter stand die Erfahrung, dass viele als aus dem Osten kommend vermeintlich keine Deutsche mehr waren. Man wunderte sich, dass Menschen, die aus Schlesien kamen, deutsch sprechen konnten. Sladek erinnerte daran, in den Ausgewiesenen mehr das Eigene und weniger das Fremde zu sehen und wollte so den Brückenschlag erleichtern. Gleichzeitig mahnte er die Einheimischen, die Kriegsfolgen gemeinsam zu tragen und nicht einseitig auf die Ausgewiesenen in der ganzen Last abzuwälzen, denn die Ursachen hätten sie auch beide gemeinsam zu verantworten, die Ausgewiesenen und die Einheimischen. Diese Ursache benannte Sladek im Mai 1946 ganz klar als die fatale Auswirkung einer Entwicklung hauptsächlich seit 1933. Sehr nüchtern und zukunftsweisend erinnerte er die Einheimischen an die großen Aufgaben, die damit auf sie zukamen und wollte so unterstreichen, dass die Aufgabe keinesfalls eine kurzzeitige sein könne, sondern die Vertriebenen kämen und würden bleiben und würden die Bevölkerung verändern, würden die Wirtschaft verändern, denn sie brächten ja auch Fähigkeiten, Impulse, positive Werte mit und seien nicht nur Aufgabe. Sie sollten auch als eine Chance begriffen werden. Sladek wollte Sensibilität wecken für die Notwendigkeiten und Aufgaben eines langwierigen Integrationsprozesses. An die Adresse der Heimatlosen richtete sich der Appell, nicht in Schwermut und Verzagtheit zu verfallen, die Lage nicht als auswegs- und aussichtslos zu sehen, denn jede Not sei vorübergehend und heilbar, das lehre der Rückblick in die Geschichte. „Ohne Zweifel treffen die Ereignisse am schwersten die ältere Generation, die mit allen Fasern ihres Herzens an der früheren Heimat hängt. Man möge ihr gütig begegnen. Die Jüngeren dagegen mit ihrem Überschuss an Zeit und Kraft setzen sich leichter über die Schwierigkeiten hinweg und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Es ist erstaunlich, wie viel Lebensenergie in den Umsiedlern zutage tritt. „Wenn wir nur irgendwo Wohnung und Arbeit finden“, so sprechen oder denken sie. Das andere wird sich dann schon geben. Sie haben Recht. Mit Geduld und Tatkraft lässt sich scheinbar Unmögliches meistern. So urteilen wir aus menschlicher Erfahrung und wir stützen es in unserem Fall aus religiösen Gründen.“6 Diese religiösen Gründe waren: die ‚Umsiedlung’ konnte Leben und Religion nicht auseinander reißen, sondern habe ihre Zusammengehörigkeit bekräftigt. Auch wenn die Gräber und die steinernen Kirchen in der alten Heimat geblieben seien, was in der Religion lebendig ist, das wanderte

5 6

Ebd., S. 6. Ebd., S. 12.

50

Abschnitt I

mit. Es sind die Priester, die zusammen mit den Gemeinden ihr Haus verlassen haben und sich irgendwo in der Fremde eine neue Bleibe suchen. Es ist der Glaube, der mitgewandert ist und es ist die Zusage Christi, dass er mitten unter den Vertriebenen sei. Das spreche er auch zu den aus der Heimat Vertriebenen. Solche grundsätzlichen Sonntagspredigten im Alltag erlebbar zu machen und weiterzuführen, bedurfte langer und mühsamer Arbeit vieler Vertriebenenseelsorger. Dazu dienten viele Treffen mit Gottesdiensten, Wallfahrten, gewohnte Andachten mit heimischen Liedern und die Verehrung heimatlicher Heiliger. So verwundert es auch nicht, dass bereits in den ersten Skizzen und Mitteilungen für die Vertriebenenseelsorger eine Betrachtung über St. Hedwig, Schlesiens Landespatronin, eine bayerische Fürstentochter begegnet – ein Brückenschlag zwischen der Heimat und dem Aufnahmegebiet. Für manchen Schlesier ein Brückenschlag zwischen dem Osten und dem Süden. Gemeinsamkeiten und Verbindungslinien wurden unterstrichen. Entscheidend war Vorurteile abzubauen, um das Fremde verständlicher zu machen. Informationsveranstaltungen über die Eigenart, die religiöse Mentalität der Einheimischen, vor allem aber auch der vertriebenen Gruppen, die ankamen, sollten durchgeführt werden. So setzte sich ein Artikel mit den Sudetendeutschen, „Was sind das für Menschen?“, auseinander. Er beschäftigte sich vorrangig mit der religiösen Art und Tradition der unterschiedlichen Gruppen der Sudetendeutschen.7 Ganz praktische Hinweise gab Pater Paulus Sladek, wenn er seelsorgerliche Aufgaben gegenüber den Ausgewiesenen skizzierte und hier an die erste Stelle caritative Aufgaben rückte. Grundsätzlich wichtig sei eine gute Aufnahme der Vertriebenen durch die Einheimischen. Die ersten Notstände müssten beseitigt werden. Dafür müsste die Pfarrgemeinde durch eine Predigt über das Flüchtlingsproblem vorbereitet werden. Die Ausgewiesenen sollten bei ihrer Ankunft im Ort durch den Seelsorger begrüßt werden. Der Seelsorger sollte bei der Unterbringung der Ankömmlinge mithelfen und mit seinen eigenen Räumen im Pfarrhof Beispiel gebend umgehen. Sladek schlug einen eigenen Begrüßungsgottesdienst vor, bei dem die Ausgewiesenen in den ersten Bänken säßen. Eine gemeinschaftliche Koch-, Wasch- und Badegelegenheit solle geschaffen werden, weil meistens die Stube beim Bauern, die den Ausgewiesenen überlassen werde, keine Kochgelegenheit habe und aus der Benützung des gleichen Herdes oft Streitigkeiten entstünden. Die Schaffung einer Gemeinschaftsküche für die Vertriebenen beseitige manchen Anlass von Streit und Verbitterung. Ebenso die Gelegenheit zum Wäsche waschen und baden. Den Bedürftigen solle man mit Kleidern, Wäsche und Schuhwerk aus der Caritassammlung aushelfen, eine Nähstube für die Ausgewiesenen schaffen und im nächsten Schritt ihnen helfen, eine neue Existenz aufzubauen. Folgende Wege dafür schlug Sladek vor: Der Seelsorger solle Hausbesuche machen, die Möglichkeit zu einer Aussprache geben, damit die Ausgewiesenen sich auch seelisch erleichtern könnten. Er solle Zusammenkünfte der Heimatlosen in Gegenwart

7

Ebd., S. 20-23.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

51

des Seelsorgers und Bürgermeisters initiieren, um die anliegenden drängenden Fragen besprechen zu können. Regelmäßige Gottesdienste für die Flüchtlinge sollten etwa alle vier Wochen gehalten werden. Dort sollten die gewohnten Lieder gesungen werden. Die Predigt sollte auf die spezifische Lage und die Schwierigkeiten der Ausgewiesenen eingehen. Aus den Reihen der Ausgewiesenen sollte ein caritativ seelsorgerliches Apostolat aufgebaut werden, damit die Vertriebenen zu einem intensiveren religiösen Leben verpflichtet würden, damit sie sich nicht nur umsorgt vorkämen, sondern auch selber Aufgaben übernähmen. Der Pfarrer solle vermitteln zwischen Einheimischen und Ausgewiesenen, Schwierigkeiten und Missverständnisse beilegen helfen. Die wichtigste und schwierigste Aufgabe des Seelsorgers liege in diesem Bereich, wenn er für die jeweilige Eigenart der unterschiedlichen Gruppen um Verständnis werbe. Für die Kinder und Jugendlichen unter den Vertriebenen müsse gesorgt werden, ebenso spezifisch für die Unterbringung der Alten und Kranken. Schließlich sei es Aufgabe des Seelsorgers, bei Stellenvermittlung und Arbeitsbeschaffung mitzuhelfen und sich auch der Fürsorge der Kriegsversehrten anzunehmen.8 Der „Christ unterwegs“ wurde sehr schnell zum grundlegenden Pastoralblatt für die vertriebenen Seelsorger und die vertriebenen Katholiken. Immer wieder begegnen unter den Autoren Mitarbeiter Königsteins. So etwa Domkapitular Weißkopf9 in „Christ unterwegs“ 3, 1949, Heft 1, S. 3 und Heft 2, S. 1 zum Thema „Vom Recht der Heimatvertriebenen“. Edmund Piekorz10, der spätere Regens in Königstein, berichtete in „Christ unterwegs“ 2, 1948, über die Selbsthilfe der Heimatvertriebenen und skizzierte dabei die Nothilfe der heimatvertriebenen Laubaner, die 1947 insgesamt annähernd 30.000 Reichsmark für die gegenseitige Nothilfe gesammelt hatten. Ein Zeichen, dass der Heimatgedanke bei den Vertriebenen nicht nur Sentimentalität war, sondern Kräfte größter Opferfreudigkeit weckte. Piekorz war Seelsorger im schlesischen Lauban gewesen für etwa 3.000 Katholiken unter 22.000 evangelischen Christen. Sie waren über alle vier Besatzungszonen zerstreut. Als seine Aufgabe sah es Piekorz als Pfarrer, den Pfarrangehörigen zu helfen, sich gegenseitig wieder zu finden. Deswegen gab er seit Oktober 1945 monatliche Suchlisten und Anschriftenverzeichnisse heraus, in denen er auch die evangelischen Laubaner berücksichtigte. So konnte er in knapp drei Jahren über 5.000 Familienanschriften sammeln. Der „Gemeindebrief“ hatte eine Verbindung geschaffen. Auf diesem Weg wurde die Solidarität geweckt. Die Heimatlosen hatten gelernt, irdischen Besitz als Verpflichtung zur Teilung mit Besitzlosen anzusehen. Sie wussten, wie wichtig Solidarität war. „In den „Gemeindebriefen“ wurden – unter Fortlassung der Namen – Dankschreiben von unterstützten Laubanern bekannt gegeben, aus denen hervorging, wie die Laubaner Nothilfe nicht bloß materielle Hilfe in äußerster Not bedeutet, sondern mehr noch das

8 9 10

Ebd., S. 27f. Joseph Weißkopf, Art. Böhmische Brüder, in: Lexikon für Theologie und Kirche Band 2, 21958, Sp. 563-565. Dr. Edmund Piekorz, geboren am 15. August 1899, wurde am 17. März 1923 zum Priester geweiht, gestorben am 25. März 1979. Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg P 5025.

52

Abschnitt I

Gefühl gibt, in der Fremde doch noch einer geistigen Heimat anzugehören und so vor dem Schlimmsten der Verzweiflung bewahrt zu bleiben.“11 Die Gemeindeidentität, die Gruppenidentität evozierte offensichtlich eine größere Solidarität, als wenn die Vertriebenen für andere Vertriebenengruppen hätten spenden müssen. Es blieb ein vertrauter, überschaubarer Raum. Piekorz war überzeugt, dass die Vertriebenen alles aus sich herausholen würden, wenn man ihnen die Möglichkeit gäbe, zusammen mit ihren engeren Mitbürgern und Landsleuten, also ähnlich wie die Laubaner auf Gemeindeebene überkonfessionell, sich eine neue Heimat aufbauen zu können. „Dieser Heimatgedanke, der zu unerhörten Opfern anfeuert, stärkt durch eine heimatliche Notselbsthilfe, belebt alle in der jetzt noch weitgehend empfundenen Heimatlosigkeit.“12 So werde auch der lähmendste Gedanke der Heimatvertriebenen zerschlagen, dass für sie nichts getan werde. Erich Puzik13 schließlich setzte sich mit der geistigen Lage und Aszese des heimatvertriebenen Priesters auseinander.14

Veränderungen Als ein Beispiel für die Situation der Ausgewiesenen drei Jahre nach der Ankunft wurde in „Christ unterwegs“ 4, 1950, ein hessisches Dorf unter die Lupe genommen.15 Ein Bauerndorf mit früher 320 Einwohnern war auf 560 Einwohner angewachsen. Die Einweisung war als behördlich angeordnete Zwangsmaßnahme empfunden worden. Die Habenichtse waren bei den bodenständigen Bauern auf stärkste Ablehnung gestoßen. Unterschiede im Dialekt, in der Religion, in den Sitten, den Lebensgewohnheiten wurden als Barrieren wahrgenommen. „Verständnis für die Ursachen und Hintergründe der Aussiedlung, menschliche Hilfsbereitschaft und Mitgefühl für die vom Schicksal unverschuldet hart getroffenen fand sich nur in den seltensten Fällen.“16

11 12 13

14 15 16

Edmund PIEKORZ, Selbsthilfe der Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 2 (1948), S. 6-8, hier S. 6. Edmund PIEKORZ, Selbsthilfe der Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 2 (1948), S. 6-8, hier S. 7. Erich Puzik (1901 – 1993) war von 1934 bis 1942 Spiritual am Priesterseminar in Breslau, von 1947 bis 1948 in Königstein und von 1948 bis 1967 in Neuzelle. Von 1967 bis 1970 war er Regens des Priesterseminars in Neuzelle. Franz Georg FRIEMEL, Erich Puzik, in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7. Münster 2006, S. 250-256. (Künftig zitiert als HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche, Band 7) Erich PUZIK, Zur geistigen Lage und Aszese des heimatvertriebenen Priesters, in: Christ unterwegs 2 (1948), Nr. 5, S. 8ff. und Nr. 6, S. 11ff. MORAVICUS, Ein hessisches Dorf unter der Lupe. Drei Jahre nach der Einweisung der Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 4 (1950), Heft 1, S. 7-9. MORAVICUS, Ein hessisches Dorf unter der Lupe, S. 7.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

53

Die Gegensätzlichkeiten bestanden auch drei Jahre später noch und behinderten ein menschliches Näherkommen. Willkommene Aufnahme fanden die Heimatvertriebenen als landwirtschaftliche Arbeitskräfte. Sie wurden den bisherigen zwangsverpflichteten Ostarbeitern in Behandlung und Entlohnung oftmals gleichgesetzt. Die Heimatvertriebenen waren zunächst zufrieden, sich satt essen zu können, sie forderten nur in den seltensten Fällen Bezahlung. „Diese offensichtliche Ausnützung, die in krassen Fällen bis zur Ausbeutung hilfsloser, wirtschaftlich abhängiger Menschen geht, und zwar durch eigene Volksgenossen, trug mehr als alles andere zu der tiefen Kluft bei, die unsere Dörfer in zwei Schichten teilt: hier die Besitzenden, dort die neue Dorfarmut.“17 Das Dorf hatte seine Lebensgewohnheiten nicht geändert. Es hatte zwar die Heimatvertriebenen aufgenommen, aber als Fremdkörper. Solche blieben sie zunächst auch. Trotz all der Barrieren wurden zwar zwischen Einheimischen und Vertriebenen bereits drei Mischehen geschlossen. Aber ansonsten blieben vor allem in der älteren Bevölkerung die beiden Gruppen, Einheimische und Vertriebenen, bei allen Gelegenheiten gesondert. Die Eingliederung der Heimatvertriebenen in das wirtschaftliche Leben des Dorfes war über erste Ansätze kaum hinausgekommen, so dass die Aufgaben für die Zukunft sehr groß waren. Trotz der bitteren Erfahrungen und Enttäuschungen, hieß es im Artikel, müssten die Vertriebenen versuchen zu vermitteln und auszugleichen. Walter Menges18 schrieb im März 1955 über den Einfluss der Heimatvertriebenen auf das kirchliche Leben in der Diaspora. Er untersuchte die Veränderungen in der konfessionellen Struktur durch die Zuwanderung der Heimatvertriebenen ebenso wie die katholischen Heimatvertriebenen im kirchlichen Leben ihrer neuen Heimat. Dabei kommen auch viele Selbstverständlichkeiten zur Sprache, etwa dass die vertriebenen Katholiken in den Diasporagebieten einen stärkeren Einfluss auf das religiöse Leben den neuen Gemeinden nehmen konnten als die Vertriebenen, die in einheimische Gemeinden kamen. Andererseits wurde kontinuierlich geklagt, dass vielen Katholiken die Diasporareife fehlte. Sie kamen im weit verzweigten Filialsystem der Seelsorge in der Diaspora nur schwer zurecht. Ihre religiöse Mentalität entsprach in manchen Elementen nicht der der ansässigen einheimischen Katholiken. „Nachdem seit der Zuwanderung der Heimatvertriebenen jetzt nahezu zehn Jahre ins Land gegangen sind und die erste Etappe der gesellschaftlichen Eingliederung abgeschlossen ist, wäre es durchaus erwünscht und für die Gestaltung der Seelsorge zweckdienlich, exakte Aussagen darüber zu haben, wie sich diese Zuwanderung in die Diaspora in ihrem kirchlichen Leben ausgewirkt hat, welche Spannungen entstanden sind und welche Schwierigkeiten noch fortdauern.“19

17 18 19

MORAVICUS, Ein hessisches Dorf unter der Lupe, S. 7. Vgl. J. DELLEPOORT / N. GREINACHER, W. Menges: „Die deutsche Priesterfrage“. Mainz 1961. Walter MENGES, Über den Einfluss der Heimatvertriebenen auf das kirchliche Leben in der Diaspora, in: Christ unterwegs 9 (1955), Heft 3, S. 1-4, Zitat S. 3.

54

Abschnitt I

Anschließend stellte Menges die Ergebnisse einer Feldstudie vor, die er vor allem in Schleswig-Holstein, also in Diasporagebiet, durchgeführt hatte und kam zu folgenden Erkenntnissen: die kirchliche Bindung und Betätigung sei bei den heimatvertriebenen Katholiken größer als bei den Einheimischen. Heimatvertriebene Katholiken konnten trotz der widrigen Umstände in der Mehrzahl ihre mitgebrachte religiöse Substanz bewahren. Sie bewirkten eine echte Bereicherung des kirchlichen Lebens, in quantitativer wie qualitativer Hinsicht.20 In erster Linie den konfessionellen und kirchlichen Folgen der deutschen Binnenwanderung der Nachkriegszeit waren Beiträge von Walter Menges in „Christ unterwegs“ 1955, Nr. 10 und 1956, Nr. 5 gewidmet.21 Der Schwerpunkt seines Interesses lag wiederum auf den Diasporagebieten – nicht zuletzt auf Schleswig-Holstein. Sah er doch die sogenannte zweite Wanderung der Vertriebenen auch als eine Korrektur der in den konfessionellen Verhältnissen eingetretenen Verschiebungen und Verzerrungen. So waren etwa die katholischen Vertriebenen in überproportionalem Maß an der Abwanderung aus Schleswig-Holstein beteiligt. Diese Abgewanderten ließen sich vor allem in katholischen Ländern und Landesteilen der Bundesrepublik nieder. Das bedeutete aber auch für die kirchliche Arbeit, sich an diese ständig neu ändernden Verhältnisse anzupassen. Menges forderte für die Binnenwanderer besondere seelsorgerliche Bemühungen, damit sie am Ort der neuen Niederlassung reibungslos in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen und einfügt werden könnten. Quasi als dritte Folge zum Themenfeld ‚Integrationsvorgänge und die Situation in den Gemeinden’ ist eine Reflexion von Richard Hackenberg22 zu sehen, der als Leiter der Aktion „Kirche und Heimat“ der ’Katholischen Aktion im Bistum Limburg und als Landtagsabgeordneter im Hessischen Landtag über ungelöste Vertriebenenprobleme sprach. Hackenberg wehrte sich dagegen, die Vertriebenenarbeit einseitig als eine Eingliederungsaufgabe zu sehen. Man habe damit die Problematik zu stark auf die wirtschaftliche Ebene abgeschoben; als solche war sie gegen Ende der fünfziger Jahre/Anfang der sechziger Jahre in einem erfreulichen Ausmaß gelöst. Nach Hackenbergs Einschätzung übersah man dabei aber, dass Eingliederung auch eine seelische, kulturelle und geistige Bedeutung aufweise. Dort lägen die eigentlichen Aufgaben, die noch immer vor der Gesellschaft stünden. Die Summe menschlicher Beziehungen, die heimatliche Geborgenheit ausmachten, sei keineswegs erreicht. „Und auch um die einzelnen Posten dieser wichtigen Rechnung ist es schlecht bestellt, macht man sich die Mühe des Lokalaugenscheins in den Dörfern und Städten. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht, die nicht nur von Haus und Hof, sondern aus ihrem angestammten, tausendfach strukturierten

20 21 22

MENGES, Über den Einfluss der Heimatvertriebenen..., S. 4. Walter MENGES, „Wandernde Kirche“. Konfessionelle und kirchliche Aspekte der westdeutschen Binnenwanderung, in: Christ unterwegs 10 (1956), Heft Nr. 5, S. 3f. Richard Hackenberg (1909 – 1995), MdL Hessen. Vgl. Jochen LENGEMANN, Präsident des Hessischen Landtags (Hg.): Das Hessen-Parlament 1946–1986. Biographisches Handbuch des Beratenden Landesausschusses, der Verfassungsberatenden Landesversammlung und des Hessischen Landtags (1.–11. Wahlperiode). Frankfurt/M. 1986.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

55

Lebensumkreis vertrieben worden sind, so dass ein psychisches Trauma und soziologische Störungen notwendige Folge sind. Man spricht zu Recht von der Unabdingbarkeit einer vielgestaltigen und neuen emotionalen Verwurzelung, mit deren Gelingen die Eingliederung erst abgeschlossen sein wird.“ Man müsse das Vertriebenenproblem, vor allem den Anspruch auf das Heimatrecht der Vertriebenen, als ein internationales Thema, eine internationale Aufgabe sehen. Dafür sei notwendig, in die Politik so einzuwirken, in ihr mitzuwirken, dass sie sich nicht isoliere, sondern ein Bestandteil der Weltpolitik bleibe. Vertriebenenproblem und Ostfragen müssten ein gesamtdeutsches Anliegen bleiben. „Jedes Recht hat nur insoweit Aussicht auf Realisierung, als seine Träger gewillt sind, Opfer zu bringen. Es soll hier nicht vom Ja zu unseren Bündnisverpflichtungen, zur Nato und den Verteidigungsanstrengungen die Rede sein, sondern von dem gesunden Beharrungsvermögen auf dem eigenen, als Recht erkannten Standpunkt. Hier darf die Geduld nicht erlahmen und die sittliche Verpflichtung keinem bequemen Desinteresse weichen. Unser Kampf um das Recht lebt aus dem leidenschaftlich bewegten Gewissen und ist auf die Treue und den Einsatz jedes Einzelnen angewiesen.“ Hackenberg unterstrich dabei selbstverständlich, dass die Forderungen nach dem Recht auf Heimat und auf Selbstbestimmung mit friedlichen Mitteln verwirklicht werden müssten. Der Kreislauf von Unrecht, so dass Unrecht neues Unrecht zeugt, müsse durchbrochen werden.

56

Abschnitt I

2.

Wie erlebten die Priester ihre Situation

Viele Priester aus dem Osten, aus dem Sudetenland und aus dem Südosten Europas hatten das Schicksal der Gläubigen geteilt, hatten nur notdürftig eine Unterkunft gefunden, versuchten mit den Gläubigen ihrer Heimatgemeinden Kontakt zu halten und waren in den weiten Diasporagemeinden Mittel- und Norddeutschlands im Einsatz.23 Sie brauchten für die Startphase materielle Unterstützung in ihrer Seelsorgearbeit, sie brauchten ein Forum zur Begegnung, zum Austausch ihrer Erfahrungen und Nöte, einen Ort, wo Seelsorge an den Seelsorgern möglich war. Das wollte Königstein mit dem Priesterreferat und den Tagungen für die vertriebenen Seelsorger sein. Die Priester teilten das Schicksal mit den Laien. Auch sie hatten alles zurücklassen müssen. Viele hatten Schikanen erdulden müssen und viele wurden nicht besonders wohlwollend aufgenommen. Und doch blieb einem Großteil von ihnen keine Verschnaufpause, um ihr Schicksal zu deuten und zu ordnen: Sie waren gefragt und sollten den Gläubigen – oft den Angehörigen aus den Herkunftsgemeinden, mit denen sie über Rundschreiben und Gemeindebriefe Kontakt suchten und hielten und den Gläubigen, vor allem den Vertriebenen in den Ankunftsgemeinden – beistehen, materiell und ideell, ihnen Trost spenden, sie ermutigen, Perspektiven aufzeigen. Ein Beispiel dafür ist Bischof Kaller, ein anderes Kindermann. Trotz ihres vielfältigen Engagements auf den unterschiedlichsten Ebenen konzentrierten sie ihre Ausführungen immer wieder auf das Grundproblem des Eigentums bzw. der Besitzlosigkeit und mahnten so die Einheimischen an die Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums, an die Pflicht zu Solidarität und Nächstenliebe und die Vertriebenen an die notwendige Haltung der Gelassenheit in der Armut: Sie sollten ihr Schicksal als Chance für ein intensiver verwirklichtes Christsein begreifen und ergreifen.24 „Mach dir nicht allzu große Sorgen um irdisch Gut. Haben wir nicht alle miteinander erleben müssen, gerade in der letzten Zeit, wie leicht uns irdisch Gut entschwindet?... Wir alle müssen freier werden in unserer Haltung zu den Dingen dieser Welt.“25 Als Beispiel stellte Kindermann den knapp zwei Wochen zuvor verstorbenen Bischof Kaller vor: „Er hatte fürwahr sein Leben und Wirken in die Liebe gehoben treu seinem Wahlspruch: uns treibt die Liebe zu Christus. Doch ganz groß wird diese Liebe und für uns ein leuchtendes Vorbild, da er, allen Glanzes bar, sich 23

24 25

Hier kann nur exemplarisch verwiesen werden auf HIRSCHFELD, Katholisches Milieu und Vertriebene, v.a. S. 372-508. – Alfred PENKERT, Höhere Mächte haben entschieden. Flucht, Vertreibung und Ankommen ostpreußischer Katholiken im Spiegel ihres Briefwechsels mit Bischof Maximilian Kaller. Mit einem Abriss der ermländischen Nachkriegsgeschichte. Berlin 2008, v.a. S. 23-164. – Ulrike WINTERSTEIN, Vertriebener Klerus in Sachsen 1945 – 1955. Paderborn u.a. 2010. Kindermann, Katholische Morgenfeier am 20. Juli 1947, masch. 6 Seiten, KZG Bonn, Bestand RKA D XI. 11a. Vgl. Dokument Nr. 1 im Anhang. Ebd., S. 4.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

57

dem großen Strom der Heimatvertriebenen eingliedern muss. Er trug das Kreuz der Armut als eine Auserwählung Gottes und wollte fürder nicht mehr anders sein als arm. So wird er freier für des anderen Not…“26 Die Priester hatten einen Beruf, der gebraucht wurde – in manchen Gegenden sogar dringend gebraucht wurde, was wiederum zu eigenen Schwierigkeiten führte, nämlich der Verteilung der Seelsorger in den unterschiedlichen Aufnahmeregionen der Vertriebenen. Etwa ein Drittel der katholischen Vertriebenen war in die sowjetisch besetzte Zone gekommen, aber nur 25 % der Seelsorger ließen sich bewegen, dorthin zu gehen. Viele wollten in geschlossen katholisches Gebiet gehen und dort ihre Aufgaben aufnehmen. Viele suchten einen Ort für die Seelsorge, wo sie auch ihre Angehörigen mit unterbringen konnten. Auch die Wohnraumsituation spielte also bei der Wahl des Ortes eine wichtige Rolle. Viele fühlten sich unverstanden, nicht akzeptiert von den Mitbrüdern. Viele litten darunter, dass sie nicht entsprechend ihrer letzten Stellung wieder angestellt werden konnten. Überhaupt spielte die Frage der Versorgung, der Besoldung eine zentrale Rolle. Manche scheiterten an den neuen großen Aufgaben. Sie hatten Gemeinden zu versorgen, sie sorgten sich auch um die Gemeinden ihrer Herkunftsorte, nicht selten durch Rundschreiben. Viele mussten ihre Arbeit in der Diaspora verrichten. Ihnen fehlte ausreichende Verpflegung und Kleidung. Nicht zuletzt dieser Notlage ist die Gründung der Ostpriesterhilfe verpflichtet. Ihre Sorgen und Nöte tauschten die Priester auf den Diözesanvertriebenenseelsorgerkonferenzen aus.

2.1.

Stellenprobleme – Unterschiede zwischen den Regionen

Die Schwierigkeiten und Belastungen der Diasporaseelsorger hat Alfred Penkert in seiner Auswertung des Briefwechsels der ermländischen Pfarrer in der Diaspora mit ihrem Bischof, Maximilian Kaller, eindringlich vor Augen gestellt.27 Penkert hat die Situationen sehr differenziert dargestellt, die Aufgabenschwerpunkte und Lasten des Seelsorgers der sowjetischen Besatzungszone im Nordwesten und im Süden Deutschlands vorgestellt. „Doch auch diese Mühseligkeiten und Beschwernisse waren noch nicht alle Anforderungen, die vom Seelsorger in jenen Regionen und Zeiten abverlangt wurden und wiederum hatte Dekan Basner den herausragenden Auftrag des hier wirkenden Priesters zum Ausdruck gebracht: Missionar sein, d.h. Gründer und Erbauer neuer Gemeinden, einschließlich ihrer gesamten Infrastruktur. Mit größtem Erstaunen ist nachzulesen, was er beispielsweise Bischof Kaller am 5. Juli 1946 über alle seine Unternehmungen in seinem Weimarer Bezirk in den letzten Monaten zu berichten hatte. Zunächst einmal musste der Religionsunterricht organisiert werden, wofür er sieben nebenamtliche Lehrer und Lehrerinnen fand, sodann konnte er zwei hauptamtliche Gemeindehelferinnen anstellen und schließlich noch dreißig Vertrauensleute

26 27

Ebd., S. 6. Vgl. Alfred PENKERT, „Auf den letzten Platz gestellt?“, S. 117-216.

58

Abschnitt I

einsetzen. Außerdem begründete er die Pfarrcaritas in Verbindung mit dem wichtigen Suchdienst. Überdies kümmerte er sich um die Schriftenmission und den Devotionalienverkauf und nicht zuletzt führte er seine Helfer in die Gestaltung von Laiengottesdiensten, wie in die Krankenseelsorge ein.“28 Vor allem ältere Flüchtlingsgeistliche taten sich schwer, bei den Ordinariaten wieder Stellen zugewiesen zu bekommen und in der Weite der Diaspora waren sie nicht selten schnell überfordert aufgrund der langen Fußmärsche, die notwendig waren, um in die jeweiligen Einsatzorte zu kommen. Ebenso war es schwierig für arbeitsunfähige Priester, einen Altersruhesitz zu finden. Wie froh war hier Kaller gewesen, dass der Freiburger Erzbischof Gröber29 ihm anbot, Pensionäre zu übernehmen. „ … vornehmlich in den west-, süd- und südwestdeutschen Bistümern erfuhren sich nicht wenige von ihnen (von den ermländischen Vertriebenenpriestern) als hilflose und ohnmächtige Fremdlinge. Im Gegensatz zu ihren Mitbrüdern in den Diasporagebieten Mittel- oder Nordwestdeutschlands, die im allgemeinen in einer bescheidenen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ihren pastoralen Verpflichtungen nachgehen konnten, befanden sie sich fast ausnahmslos in abhängigen Arbeitsverhältnissen, erhielten vielfach nur wenig Anerkennung und empfanden sich häufig bestenfalls als geduldet. Erstaunlicherweise zahlten jedoch die Mehrheit der Ostpriester und auch die Mehrheit aller ermländischen Geistlichen diesen hohen Preis, um manche Vorteile, vor allem in den materiellen Lebensbedingungen, so wie in den sicher weitaus geringeren physischen Beanspruchungen verbuchen zu können.“30 Penkert hat die verletzenden Aspekte alle zusammengestellt. Es steht an der Basis verständlicherweise die berufliche Zurückstufung, die Probleme um die Stellenfrage, um die rechtlichen Klärungen, auch die oft dürftige Besoldung, der Nahrungsmangel bei vielen Priestern in der Diaspora, die Situation des Hilfsseelsorgers, der mit anderen kooperieren muss, obwohl er über Jahrzehnte hinweg die Selbständigkeit gewohnt war, das nicht selten fehlende Taktgefühl der Obrigkeit im Umgang mit den Priestern. „Ganz sicher ließ es auch Bischof Berning von Osnabrück an Fingerspitzengefühl fehlen, als im Herbst 1945 der soeben aus sowjetischer Gefangenschaft entlassene Pfarrer Dr. Gerhard Fittkau31 seinen Antrittsbesuch machte, um eine seelsorgliche Aufgabe zu erbitten. Statt des erwarteten freundlichen Wortes zur Begrüßung musste er zwar nicht den in dieser Situation recht ironisch klingenden Satz: „Mit wie viel Pferden kommen Sie?“ hören, womit etwa zur gleichen Zeit ein ebenfalls heimkehrender und um eine Anstellung bittender ermländischer Mitbruder dort empfangen wurde, sondern nur ein ziemlich belangloses: „Was wollen Sie?“32

28 29 30 31 32

Alfred PENKERT, „Auf den letzten Platz gestellt?“, S. 127. Erwin GATZ, Conrad Gröber (1872 – 1948), in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 210-212. Alfred PENKERT, „Auf den letzten Platz gestellt?“, S. 176. Gerhard Fittkau (1912 – 2004) war später bis zum Tod Bischof Kallers dessen Sekretär. Vgl. PENKERT, Höhere Mächte haben entschieden, S. 29. Alfred PENKERT, „Auf den letzten Platz gestellt?“, S. 190.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

2.2.

59

Besoldungsprobleme

Welche Sorge die Besoldung der vertriebenen Priester gerade für die Diasporadiözesen mit sich brachte, illustriert sehr deutlich ein Brief des Paderborner Erzbischofs Jaeger33 an seine Bischofskollegen vom 13. Januar 1949.34 Jaeger sprach dort von einer drohenden unmittelbaren Katastrophe bzgl. der Besoldung der heimatberaubten Seelsorger, denn trotz größter Anstrengung seien die Diözesen mit großer Diaspora nicht länger in der Lage, eine auch nur halbwegs hinreichende Gehaltszahlung an die vertriebenen Geistlichen zu leisten. „In einer Konferenz der Diasporadiözesen am 20. November 1948 in Paderborn erklärten mehrere Vertreter, dass sie nicht mehr wüssten, wie sie das wachsende Defizit in der Besoldungskasse selbst unter Einschaltung aller erdenklichen Hilfsmaßnahmen auch weiterhin ausgleichen sollen … Wenn uns die Nachricht erreicht, dass in einem mitteldeutschen Jurisdiktionsbezirke die Zuschussleistung an die einzelnen neuen Seelsorgestellen auf monatlich 100,- Ostmark herabgesetzt werden musste (eine Summe, die nach dem Normalkurs in den Berliner Westsektoren einen Wert von 27,- Westmark darstellt), so werden solche Verhältnisse, wenn sie länger anhalten, zu einem Absinken der Priester ins Proletariat führen.“35 Diese Zahlen illustrieren auch, was gemeint war mit der Bereitschaft zu einem Leben in Armut, das die Priester in der Diaspora auf sich nehmen sollten und warum man bereits beim Priesternachwuchs mit der Ausbildung einer solchen Gesinnung und Haltung beginnen müsse, damit man ausreichend Seelsorger für den Diasporaeinsatz zur Verfügung habe. Jaeger klagte, dass nicht in allen Diözesen die erforderlichen Maßnahmen zu den entsprechenden Kollekten erfolgt seien. Er bedauerte, dass es nicht eine für alle deutschen Diözesen einheitliche Besoldungsordnung gab, dass die Seelsorger in Notwohnungen untergebracht waren, also oft einer Dienstwohnung entbehrten, vor allem in den Diasporagebieten, und dass sie in den armen Flüchtlingsgemeinden auch nicht den sonst gewohnten wirtschaftlichen Rückhalt fänden.36 Die Verteilung der Priester entsprechend der Aufgabenlage in der Seelsorge, die Versorgung der Priester in den Diasporagemeinden, die zum Teil räumlich sehr weit ausgedehnt waren, die Sorge um das seelische Wohlergehen der vertriebenen Priester, um ihre Stärkung, um die Begleitung in den neuen Aufgabenfeldern, die Pflege der Gemeinschaft waren Kernaufgaben der Seelsorge an den Seelsorgern, die teils vom Priesterreferat in Königstein aus geleistet wurde und teils vom Vertriebenenbischof.

33 34

35 36

Erwin GATZ, Lorenz Jaeger (1892 – 1975), in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 439f. Annette MERTENS, Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Westliche Besatzungszonen 1948 – 1949 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Bd. 55), Paderborn [u.a.] 2010, S. 465-467, Dokument 161 (Künftig zitiert als ‚Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949’). Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 465. Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 466.

60

Abschnitt I

2.3.

Die Sorge um die Geistlichen aus dem Osten – ein Beispiel: die Diözesanvertriebenenseelsorgertagung 194737

Die Hintergrundsituation der Anfangsphase Königsteins und der entsprechenden Überlegungen über die weiteren Akzentsetzungen in Königstein findet sich quasi fokussiert in Besprechungen der Diözesanflüchtlingsseelsorger anlässlich der Arbeitstagungen, die in Königstein durchgeführt wurden. Diese Tagungen dienten nicht nur zum Austausch, nicht nur zur Besprechung der anstehenden Probleme in den Diözesen und wurden damit zu einem Spiegelbild der drängendsten Aufgaben, sondern sie wurden immer wieder auch als ein Forum zur Willensbildung und Willensbekundung der Diözesanvertriebenenseelsorger eingesetzt. Es wurden Memoranden verabschiedet, Resolutionen beschlossen und dann an die entsprechenden Stellen weitergegeben. So sei hier exemplarisch die Frühjahrstagung der Diözesan-Flüchtlings-Seelsorger im März 1947 in Königstein herausgegriffen. Die Diözesan-Vertriebenen-Seelsorger trafen sich mit dem Weihbischof von Limburg, mit einigen Herren aus Königstein und mit Bischof Kaller am 25. und 26. März 1947 im Priesterseminar in Königstein. Weit ausholend umriss Bischof Kaller in seiner Begrüßung die weiten Aufgabenbereiche seines Amtes und der Vertriebenenseelsorge: Es sei zum einen eine Verbindungsbrücke, die die Kooperation verschiedener Einrichtungen erleichtern sollte, um die Not der Flüchtlinge und Vertriebenen zu lindern. Zu diesen Einrichtungen gehörten staatliche Behörden, Militärverwaltungen, der Bonifatiusverein, der Caritasverband, auch die Caritasorganisationen aus dem Ausland. In diese Vermittlungstätigkeit wollte Kaller auch die Diözesan-Flüchtlings-Seelsorger einbezogen wissen. Der zweite Sektor war für ihn die Sorge um die Priester und den Priesternachwuchs. Die materielle Not der Priester sollte das Opus Confraternitatis überwinden helfen.38 Gleichzeitig wollte man der geistigen Not gegensteuern mit der Beschaffung von Büchern und Literatur. Daneben war man darum bemüht, Gebetbücher und Katechismen aufzulegen. Kaller unterstrich, dass man über den seelsorgerlichen Aufgaben die sozialen nicht vergessen dürfe. Büttner begrüßte als Leiter der Kirchlichen Hilfsstelle und strich die Kontinuität seiner Aufgabenstellung von 1940 bis 1947 heraus. Er verwies auch vor diesem Forum darauf, dass die Heimatverweisung bereits 1940 begonnen hatte. Er bezeichnete es als tragisch, dass die Deutschen selbst die Aussiedlung ins Rollen gebracht hatten. Angesichts dieser Entwicklungen sei im RKA bereits 1943 die Kirchliche Hilfsstelle gegründet worden, die sich nach 1945 des Schicksals der Vertriebenen in den Besatzungszonen annahm und um die Ausbildung der Priester und damit um die Ausbil-

37

38

Vgl. dazu ergänzend: Rainer BENDEL, Quellen zur Vertriebenenseelsorge – Teil I: Tagung ostdeutscher Priester Bayerns in Eichstätt vom 5. bis 7. August 1947, in: ASKG 59 (2001), S. 9117 (Künftig zitiert als BENDEL, Quellen zur Vertriebenenseelsorge I). – DERS., Quellen zur Vertriebenenseelsorge II, S. 9-85. Das Opus Confraternitatis war von Büttner ins Leben gerufen worden und bei der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt angesiedelt. Vgl. dazu LABONTÉ, Büttner, S. 107-111.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

61

dungsstätte Königstein sorgte.39 Das Protokoll hielt die Intentionen folgendermaßen fest: „Hier sollten sich die Lehrenden und Lernenden um die innerste Not der Heimatverwiesenen kümmern. Mit Königstein verband sich frühzeitig der Gedanke einer theologischen Fakultät in Frankfurt. Frankfurt sollte Prag, Breslau und Braunsberg eine Erneuerung werden. Im Augenblick kann man noch nichts sagen, was aus dieser Fakultät wird. Das Kultusministerium sei sehr interessiert daran. Wenn die Fakultät genehmigt werde, so sollte sie in Königstein ihren Sitz haben. Eine besondere Erinnerung verdiene das Opus Confraternitatis. Die Kirchliche Hilfsstelle habe die neue Aufgabe übernommen, als ihre alten Aufgaben ruhten und wird zu ihren alten Aufgaben zurückkehren, wenn sie ihr Werk getan hat und die alte Aufgabe wieder ersteht. Es sei möglich, dass dieser Augenblick bald eintrete.“40 Der erste Vortragende war Kindermann, der sich zur Heimatvertriebenenseelsorge, zum aktuellen Stand und zu den nächstfolgenden Aufgaben äußerte: Die Vertriebenenseelsorge – im konkreten Verständnis meinte er wohl seine Aufgabe im Priesterreferat – müsse sich der aktuellen Gesamtlage der Heimatvertriebenen und ihrer Priester widmen, in einem zweiten Punkt der rechtlichen Lage der Heimatvertriebenen und ihrer Priester, drittens der persönlichen Lage des vertriebenen Priesters und viertens Schlussfolgerungen ziehen. Ein zweiter Hauptteil seiner Ausführungen widmete sich den unmittelbaren Aufgaben, nämlich dem organischen Aufbau des Vertriebenenklerus, seiner Erfassung, Verteilung und schließlich der zusätzlichen Betreuung des Vertriebenenklerus.

39

40

„Der zweite Vortragende, Monsignore Büttner, begrüßte herzlich die Gäste und berichtete über seine Arbeit und seine Ziele. Königstein verwirkliche das, was es von Anfang an habe sein wollen und sollen, die geistigen Kräfte der Heimatverwiesenen zu sammeln. Die Zeit der Heimatverweisung habe bereits 1940 begonnen. Tragisch sei es, dass der Deutsche selbst die Aussiedlung ins Rollen gebracht habe. Diese Aussiedlung sei ein grausames Geschäft gewesen, aber vielleicht sei es noch tragischer, dass die Welt dem Beispiel folge. Als Leiter des RKA habe er mit dieser Frage sich ausgiebig beschäftigen müssen. Damals haben wir bereits die Not der Heimatverwiesenen anschauen müssen. Damals seien Tausende und Zehntausende in den Osten verschickt und als Wall aufgeworfen worden. Damals schon seien viele Katholiken in Bezirke, seelsorglicher Not im Osten gekommen. Darum sei es nahe liegend gewesen, dass wir uns nach dem Zusammenbruch in sinngemäßer Fortsetzung unserer früheren Arbeit mit der neuen Frage der Umsiedlung und Heimatverweisung beschäftigten. Die Kirchliche Hilfsstelle sei bereits 1943 gegründet worden, allerdings mit einer anderen Aufgabe. 1945 habe man sie mit der seelsorglichen Betreuung der Flüchtlinge betraut, denn neben caritativen Aufgaben mussten die seelsorglichen Aufgaben angefasst werden. Wir haben uns seinerzeit in München gesammelt und in Frankfurt unsere Zentrale errichtet. Wir begannen mit der Sammlung von Berichten mit der Beeinflussung der Auslandspresse, mit der Beschaffung von Seelsorgshilfsmitteln, mit der Herausgabe einer Zeitschrift, mit Herausgabe von Predigtskizzen. Wir nahmen uns der Theologiestudenten an, als sie noch herumwanderten und von den Seminaren nicht gerne aufgenommen wurden. Wir wollten ihnen wieder eine geistige Heimat geben. Die Stimme, die mir Mut gab – es will mir rückschauend wie Übermut und Leichtsinn scheinen – war die Stimme des Heiligen Vaters. Königstein sollte nicht eine Stelle für nicht unterzubringende Theologiestudenten werden, sondern Bildungsstätte für die Diaspora, die russische Zone und das Ausland. ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., Zitat S. 1f. ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., Zitat S. 1f.

62

Abschnitt I

Die Gesamtlage der Heimatvertriebenen zeichnete Kindermann mit dem Hinweis auf die zwei Wanderströme, die auch die staatlichen Behörden unterschieden, in denen jeweils auch Priester mitgekommen seien. Der erste Strom war die Fluchtwelle vor den heranrückenden Truppen aus dem Osten – Kindermann bezeichnete sie pauschal als die Bolschewisten. Der zweite Strom setzte erst nach dem Krieg ein, also nach der Potsdamer Konferenz: der Strom der Vertriebenen. „Wahrlich der Höhepunkt moderner Barbarei, Vergewaltigung elementarster Grundrechte, Ausdruck eines Rassenwahns, wie ihn die Welt noch kurz zuvor als unsittlich und verbrecherisch angeprangert und abgelehnt hatte.“41 Das Ergebnis waren die etwa elf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, etwa die Hälfte davon Katholiken. Um die Relationen herzustellen, verwies Kindermann darauf, dass das beinahe ebenso viele Katholiken seien wie in Österreich lebten oder zweimal so viel wie in der Schweiz oder etwa so viele wie in ganz Bayern mit seinen acht (sic!) Bistümern. „Mit dem Riesenstrom des gläubigen Volkes wurden auch dessen Priester aus der Heimat gejagt und es ist gut so gewesen, dass wir bei unseren Landsleuten bleiben und ihr Kreuz mit ihnen gemeinsam tragen durften. Das hat viel Segen gebracht und war eine untrügliche Absage und Antwort auf die Versuche der letzten Jahre, einen Keil zu treiben zwischen Klerus und Volk. Wie viele Priester mussten mit dem Volk aussiedeln bzw. ihre alte Heimat verlassen? Wir sind seit Monaten daran, dies festzustellen. Wir können wohl heute schon sagen, dass es mehr als 2.000 sind, vielleicht 2.300; noch etwas mehr, wenn wir die aus der Kriegsgefangenschaft kommenden Priester dazunehmen. Schon in dieser Zahl allein ist die große religiöse Tragik der Ostvertriebenen zu erschauen – zunächst die große Zahl, die aufhorchen lässt, und doch wieder die relativ kleine Zahl der Priester – oder sagen wir besser klein gewordene, zusammengeschrumpfte Zahl – wenn wir sie mit der Zahl der Ostvertriebenen vergleichen. Es entfallen im Durchschnitt auf einen Ostpriester über 2.600 Ostvertriebene.42 In den Augen Kindermanns ist das ein Missverhältnis. Er spricht von einer großen Priesterarmut unter den Ostflüchtlingen. Die Zahl der Priester sei von 4.500 auf etwa die Hälfte gesunken. Wieder verweist er auf die bayerischen Verhältnisse, wo ähnlich wie bei den Vertriebenen etwa 6.000.000 Katholiken leben und von etwa 7.000 Priestern betreut werden, also mehr als dreimal so viele Seelsorger wie für die Vertriebenen zur Verfügung stehen, obwohl die Priester in Bayern in normalen Verhältnissen leben und arbeiten, während die Ostpriester mit leeren Händen dastehen, ohne Gotteshaus und Hilfsmittel, ohne Gläubigengemeinde und sakralen Raum. Es verwundert kaum, dass der Kirchenrechtler sehr ausführlich auf die Rechtslage der Heimatvertriebenen und ihrer Priester hinweist. „Ziemlich klar ist die kirchenrechtliche Lage unserer Gläubigen. Sie erhalten durch ihr Einwandern oder wenigstens durch ihren mehrmonatlichen Aufenthalt in einer Pfarrei bzw. Diözese ihren neuen zuständigen Pfarrer und Bischof. Dem Heimatbischof bleiben sie nur insofern verbunden, als sie ihn auch noch als zweiten zuständigen Bischof haben, der jedoch für sie rein äußerlich gesehen fast ohne Bedeu-

41 42

ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch. ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 4.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

63

tung wird. Sie gehen eben voll und ganz in die Zuständigkeit des neuen Seelenhirten in der neuen Heimat über.“43 Die heimatvertriebenen Priester hingegen stünden rechtlich gesehen in einer Beziehung zu ihrem Ordinarius der Heimatdiözese, zum Aufnahmebischof und zum Bischof für die Vertriebenen. Das Rechtsverhältnis zum Heimatbischof sei dadurch charakterisiert, dass der heimatvertriebene Priester seiner Heimatdiözese weiterhin inkardiniert bleibe. Daran sollten die heimatvertriebenen Priester nicht rütteln, so der deutliche Appell Kindermanns. Sie sollten also jede Exkardination und jede Inkardination vorderhand unterlassen. Sie sollten erst die Friedensverträge abwarten, dann würden sicherlich neue Weisungen ergehen. Der Heimatbischof behalte ein wenn auch nur entferntes Aufsichtsrecht über die persönliche Lebensführung des vertriebenen Priesters. Persönliche Gesetze der Heimatdiözese gelten auch in der Aufnahmediözese und vor allem habe der Heimatbischof das Rückrufrecht. An den Aufnahmebischof sei jeder Vertriebenenpriester zunächst so gebunden wie jeder Laie. Der Vertriebenenpriester habe im Aufnahmebischof seinen Ordinarius zu sehen. Er unterstehe ihm also dem Gerichtsstand und der Strafgewalt nach. Der Aufnahmebischof habe das direkte Aufsichtsrecht über alle Priester, die sich in seinem Jurisdiktionsbereich aufhalten. Übernehme ein Vertriebenenpriester in der Aufnahmediözese ein Amt oder einen kirchlichen Dienst, dann sei der Aufnahmebischof auch Dienstherr. Der Aufnahmebischof könne den Vertriebenenpriester auch versetzen. Freilich solle dies, so Kindermann, im Einverständnis mit dem Heimatbischof geschehen. Schließlich umschrieb Kindermann das Rechtsverhältnis des Vertriebenenpriesters zum Sonderbeauftragten des Papstes, zu Bischof Kaller. „Der Auftrag ist kein jurisdiktioneller, weil ja keine quer über die deutschen Diözesen sich erstreckende Sonderseelsorge mit eigener Jurisdiktion geschaffen werden soll. Jurisdiktionsmäßig unterstehen die Vertriebenenpriester dem Heimatbischof, weil ihm noch inkardiniert, und dem Aufnahmebischof, vor allem, wenn sie bei ihm dienstlich tätig sind. Damit aber ist nicht gesagt, dass das Sonderamt des Vertriebenenbischofs keine Notwendigkeit wäre; denn es gibt auch in der Kirche Gottes zu jeder Zeit und ganz besonders in abnormalen stürmischen Zeiten sehr wichtige Aufgaben zu lösen, die außerhalb jeder Jurisdiktion liegen. Jurisdiktion über die Vertriebenenpriester besitzt Exzellenz Kaller nur, insoweit sie ihm von den Bischöfen übertragen wird. Aufgrund des Sonderauftrages hatte er keine eigene Jurisdiktion erhalten.“44 Vor allem seelsorglich sei dieser Sonderauftrag zu verstehen. Die persönliche Lage des Vertriebenenpriesters und diese Skizzen könnten laut Kindermann alle auch auf die Situation der Theologiestudierenden übertragen werden – sie war charakterisiert durch die Heimatlosigkeit, durch die Trennung von den Herkunftsgemeinden, durch die Armut, in die der Vertriebenenklerus gestürzt wurde, durch das oft mangelnde Verständnis der einheimischen Bevölkerung, auch des einheimischen Klerus, durch die Diasporasituation, in der das Priesterleben zu einem

43 44

ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 6. ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., 8.

64

Abschnitt I

Opferleben eines modernen Missionars wurde – oft auch durch den Gesundheitszustand, der im Ostklerus erschreckend sei, durch die große Einsamkeit. Bei vielen oft nahe an der Verzweiflung. Als Konsequenz aus der Schilderung der Situation bei den vertriebenen Laien und beim Klerus formulierte Kindermann als eine erste Grundnotwendigkeit: Die Vertriebenen sollten wo immer möglich durch vertriebene Priester betreut werden; dieser Grundsatz sei psychologisch begründet. Ein Vertriebenenpriester könne empathisch die Vertriebenen stabilisieren und Brücken zu den Einheimischen schlagen.45 Weil diese Aufgabe eine längerfristige sei, müsse auch der Priesternachwuchs entsprechend ausgebildet werden – für Kindermann ein starkes Votum für Königstein und seine Intentionen. Schließlich war ihm die Versorgung der Gemeinden mit ausreichend Priestern im Fall einer Rückkehr in die angestammte Heimat ein großes Anliegen. Diese Grundforderung habe nicht nur aktuelle Valenz, sondern werde auch als Notwendigkeit für die Zukunft gesehen. Auch künftig werden die Vertriebenen die besondere Betreuung und Zuwendung durch ihnen in Mentalität und Erfahrung nahe stehender Seelsorger brauchen. Daher bestehe die Notwendigkeit, diese spezifischen Aufgaben in der Ausbildung des Klerus in Königstein zu berücksichtigen und gleichzeitig sie nicht nur für die Integrationsaufgaben vorzubereiten, sondern auch für eine evtl. Rückkehr in die angestammte Heimat. Diese wurde zu der Zeit und in diesem Kontext immer noch für möglich gehalten. Dort sollten sie dann aufbauend und missionarisch tätig sein können.46

45

46

„Aus der geschilderten Lage unserer Vertriebenenpriester und ihrer Gläubigen ergeben sich nun einige grundsätzliche Folgerungen, die unsere Aufgaben für die nächste Zukunft bestimmen: 1. Grundfolgerung: Unser Vertriebenenvolk, das eine Glaubensprobe sondergleichen zu bestehen hat, benötigt unbedingt eine ganz besonders intensive und warme religiöse Betreuung, die ihm zunächst und vor allem durch seine eigenen Heimatpriester gewährt werde soll. Darum erster Grundsatz in unserer Vertriebenenseelsorge: Der Vertriebenenpriester gehört zum vertriebenen Volk. Das ist psychologisch begründet. Das aus der Heimat verjagte Volk klammert sich in der Verbannung an jeden Faden, der es mit der alten Heimat verbindet und mit Recht so, denn die alte Heimat und die Anhänglichkeit an sie, bieten ihm innerlich noch einen gewissen Halt… Der Vertriebenenpriester hat somit aufgrund der landsmannschaftlichen und schicksalsmäßigen Verbundenheit mit den Vertriebenen am leichtesten die Möglichkeit, an seine Landsleute heranzukommen und verstanden zu werden, die Verbindung zwischen ihm und dem einheimischen Seelsorger so wie der einheimischen Bevölkerung herzustellen und dadurch die Einwurzelung der Zugewanderten wirksam zu fördern.“ ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 15. „Angesichts dieser Aufgaben und der eigenartigen Lage des vertriebenen Priesters, wird es eine geraume Zeit notwendig sein, dass der vertriebene Priester auf seine Aufgaben ausgerichtet, beraten, unterstützt und geistig wie auch materiell betreut werde. Wir haben jede Hilfe, die uns in der Vergangenheit geboten wurde freudig begrüßt. Wir wissen, wie schwer unsere Aufgaben sind. Wir spüren aber auch, dass sich ein ganz neuer Priestertyp entwickelt. Er wird allem Anschein nach von uns aus gehen. Jedenfalls drängt uns der Herr dazu. Es ist ein Priestertyp, der hinauswachsen wird über die Form des Seelsorgers in normalen Verhältnissen. Der zwar kein Missionar sein wird, wohl aber nicht selten diesen an Haltung und Opfergeist zu übertreffen hat.“ Ebd.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

65

Die zweite Grundfolgerung war, dass die vertriebenen Kleriker dazu beitragen sollten, den Heimatverlust aufzufangen, zu helfen, eine neue Heimat zu finden, gerade auch religiös gesehen. Denn die Vertriebenen seien noch nicht eingewachsen in der neuen Heimat. Sie seien noch nicht heimisch geworden in der aufnehmenden Pfarrgemeinde. Gesundes Wachstum brauche Zeit.47 Die momentan unumgängliche Notwendigkeit, in der neuen Umgebung Wurzeln zu schlagen werde vielen nur gelingen, wenn sie neben der normalen Seelsorge für eine gewisse Zeitspanne eine zusätzliche seelsorgerliche Betreuung erhielten. Es sei aber nicht nur die religiöse Eigenart, die berücksichtigt werden müsse, sondern auch die materielle Notlage der Heimatvertriebenen, die eine besondere zusätzliche caritative Betreuung in jeder Pfarrei erfordere.48 Das sind die Ausgangsbedingungen und die Zielsetzungen, die der Priesterausbildung in Königstein zugrunde gelegt werden sollten. In erster Linie sollten Priester für die Betreuung der Vertriebenen herangebildet werden. Diese seien besonders in der russischen Zone nötig, da nur im Rest der Erzdiözese Breslau, also in der Umgebung von Görlitz, genügend Geistliche vorhanden seien. Alle anderen Diözesen riefen dringend nach priesterlicher Hilfe. Etwa 120 junge Priester fehlten in der russischen Zone, um die größte religiöse Not zu bannen. Priester fehlten ebenfalls, so Kindermann weiter, in der britischen Zone: Die Diaspora rufe vor allem nach dem katholischen Seelsorger. So bat Hildesheim um 56 Priester, Osnabrück bräuchte sofort 30 junge Priester und auch in der Diaspora Oberhessens und im Odenwald sei Priesternot zu verzeichnen. Es sei also vor allem Aufgabe der Diözesen im geschlossen katholischen Gebiet, für eine gerechte Verteilung der Priester zu sorgen, und es sei auch Aufgabe der Priester selbst, sich zu prüfen, ob sie nicht für eine Aufgabe in der Diaspora zur Verfügung stehen könnten. Wichtig sei die religiöse Betreuung am Vertriebenenklerus mit entsprechenden Hilfsmitteln: etwa durch die Hilfsstellen in Frankfurt und München, durch Tagungen, durch Beratungen zwischen Diözesanflüchtlingsseelsorgern, Jugendseelsorgern, diözesanen Seelsorgeämtern und den diözesanen Caritasdirektoren, durch Gebiets- bzw. Dekanatskonferenzen der Vertriebenenpriester, durch Priesterexerzitien und nicht zuletzt auch durch ein eigenes Pastoralblatt. Die Vertriebenenseelsorge stand im Kontext der Weltkirche. Das kam auf der Diözesanvertriebenenseelsorgerkonferenz Anfang 1947 in Königstein durch die Teil-

47

48

„Die beste Lösung all dieser schweren Fragen wäre ja, wenn die Unseren wieder heimkehren dürften. Es ist das wohl die einzige Lösung, die verantwortet kann und die man öffentlich immer wieder betonen müsste. Alle anderen Lösungen wie Auswandern in Übersee oder Einbürgerung hier sind erzwungene Notlösungen, die nicht zu verantworten sind. Aber wir tragen dafür nicht die letzte Verantwortung, dennoch dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben und müssen als Seelsorger unseren anvertrauten Seelen in jeder Lage betreuen, auch in entsetzlichen Notlagen und Zwangslösungen. Einstweilen sind die vielen Millionen Ausgesiedelten hier und wir müssen versuchen, sie hier auch religiös einheimaten.“ ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 15. ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 16.

66

Abschnitt I

nahme des apostolischen Delegaten, Bischof Muench,49 zum Ausdruck, der das große Verständnis des Papstes für die Vertriebenen unterstrich. Königstein bekam in der Folgezeit wiederholt das Wohlwollen des Papstes zu spüren. Der weltkirchliche Kontext wurde auch sichtbar, als Muench auf die Katholiken in den USA verwies, die viel für die Caritas leisteten und dadurch den Bedürftigen in Deutschland zu Hilfe kämen. Muench war Königstein über die Jahre hin wohlwollend zugetan und ebnete Kindermann manchen Weg in die USA und zum Serra-Club. Eng vernetzt waren die Beratungen der Diözesanflüchtlingsseelsorger mit der politischen und weltanschaulichen Deutung der Situation der Vertriebenen im vorpolitischen und parteipolitischen Raum: Die Stellungnahme von Hans Schütz skizzierte die anstehenden Aufgaben im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich. Die Kernaussage des sudetendeutschen christsozialen Politikers und vormaligen Gewerkschafters lautete: „Die vier Gruppen der Vertriebenen, der Ausgebombten, der Kriegsversehrten und der Opfer der Demontagen sind das eine Deutschland und die mehr oder minder Verschonten das andere. Wenn es zwischen den beiden Deutschlands zu keiner Verständigung komme, werde der Osten Deutschland mit oder ohne Russen erobern.“50 Ähnlich wie Kindermann aus seiner Erfahrung als Leiter des Prager Priesterseminars für die deutschen Theologen, beklagte der vormalige Breslauer Regens, Paul Ramatschi51, den rasant rückläufigen Priesternachwuchs in allen Diözesen. Die zweite drängende Aufgabe, die Ramatschi vor den Diözesanvertriebenenseelsorgern formulierte, war der regionale Ausgleich der vertriebenen Priester. Man müsse von den Ordinarien der bayerischen Diözesen kategorisch verlangen, dass die ostdeutschen Theologen zu ihren Landsleuten geschickt werden.52

49

50 51 52

Alois Muench (1889 – 1962) 1935 zum Bischof von Fargo in North Dakota ernannt. 1946 als Repräsentant des Heiligen Stuhles bei der Vatikanischen Mission in Kronberg im Taunus, seit 1949 Verweser der Nuntiatur in Deutschland. 1959 an die römische Kurie berufen und zum Kardinal ernannt. Sein Vater war im Böhmerwald geboren und im 19. Jahrhundert in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Zu Muench vgl. Elisabeth HERBRICH, Alois Kardinal Muench. Ein Lebensbild. Limburg [1969] (= Schriftenreihe des sudetendeutschen Priesterwerkes XII). Über Muench hatte Kindermann sowohl Kontakte in die USA für seine dortigen Bettel- und Studienreisen bekommen wie auch zur amerikanischen Besatzungsmacht, spez. zum Serra-Club in Heidelberg, dessen Hilfe Königstein viel verdankte. (HERBRICH, S. 74). ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 30. Paul Ramatschi (1898 – 1975); vgl. Nachweise zu den Dozenten auf S. 453. „Aus den Aussagen der Theologen gehe hervor, dass man sie den süddeutschen Seminarien nicht mit dem Blick auf den deutschen Osten schule. Der Episkopat habe es abgelehnt, Königstein voll auszubauen. Nur das erste Semester sei genehmigt worden. In sechs Jahren erst könnten die ersten Priester in die russische Zone gehen. Man könne die Befürchtung nicht loswerden, dass die Theologen auch für die Zukunft nicht in ihre Heimat zurückkehren werden. Man könne sie auch nicht zurückrufen, da sie nicht inkardiniert sind. Keine Diözese dürfe sich auf Kosten des deutschen Ostens bereichern wollen.“ ADCV Protokoll der Arbeitstagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger, 39 S. masch., S. 31.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

2.4.

67

Die Diözesanvertriebenenseelsorgerkonferenz im Spiegel der fortschreitenden Eingliederung

Ein zeitlicher Sprung von etwa fünf Jahren zeigt den Verlauf, den Fortschritt der Integration der Vertriebenen, auch im kirchlichen, religiösen Bereich. So bietet der Blick auf die Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorge in Königstein am 19. und 20. Oktober 1953 einen weiteren Fokus auf die Wahrnehmung der Situation und der Aufgaben im Bereich der Vertriebenenseelsorge einerseits und der Hilfestellungen, der Präsentation der Angebote, die sich in Königstein inzwischen entwickelt hatten, andererseits. Manche Einrichtungen hatten sich inzwischen institutionalisiert, wie etwa das Amt des Diözesanflüchtlingsseelsorgers, für den auf der besagten Tagung Statuten beraten wurden. Manches war zu berichten, das sich eingespielt und eine gewisse Tradition erlangt hatte, wie etwa das Amt des Beauftragten für die Vertriebenen und Flüchtlinge auf der Ebene der Bischöfe. Es gab einen neuen Flüchtlingsbischof, auch nach dem Tode des Nachfolgers von Kaller und Dirichs, nämlich des Prälaten Franz Hartz. 1953 wurde der damalige Würzburger Bischof, Julius Döpfner, zum Flüchtlingsbischof ernannt. Ebenso wurden die Situation nach den Bundestagswahlen beleuchtet, die Priesterwerke vorgestellt und Folgerungen für die Arbeit der Vertriebenenseelsorge aus der Bundestagswahl gezogen. Naturgemäß bekam das Thema der Versorgung und der Inkardination sehr rasch hohe Relevanz bei den Treffen der Priester. Eben die Problematik der Inkardination spielte in der Frage nach der Existenzberechtigung Königsteins eine zentrale Rolle – zum einen der bereits geweihten Priester, vor allem der sudetendeutschen, die in der Vertreibung keinen eigenen Ordinarius hatten, damit teils auch als Clerici vagi bezeichnet wurden. Ein Status, der unter allen Umständen vermieden werden sollte – kirchenrechtlich und auch mental. Diejenigen, die die vertriebenen Priester betreuten, vor allem Kindermann, hatten große Sorge, dass sich dieser Status mental verfestigen könnte; dieses Argument warfen sie wiederholt mit Nachdruck in die Waagschale, wenn sie die Existenzberechtigung Königsteins herausstreichen wollten. Für diese Clerici vagi sollte Königstein ein mentaler, sozialer, geistig-geistlicher und seelischer Sammelpunkt sein. Gleichzeitig bemühte man sich aber auch, auf der rechtlichen Ebene die Frage der Inkardination zu klären. Die Priester sollten sich einem Bischof und einer Diözese zugehörig fühlen und wissen, sie sollten aber gleichzeitig offen bleiben für ihre Herkunftsdiözese, für den Fall der Rückkehr in die Heimat, so dass sie also aus der Verfügungsgewalt des Bischofs derjenigen Diözese, in der sie aktuell wohnten und arbeiteten, entlassen würden in die Verfügungsgewalt der Diözese ihrer angestammten Heimat, auf die sie geweiht worden waren. Ein zusätzliches Problem brachten die Theologiestudenten, die in Königstein studierten. Es war für die Bischöfe ein sehr wichtiges Argument, dass sie nicht auf den Titel ihres Aufnahmebistums, sondern auf den Titel ihrer Herkunftsdiözesen geweiht werden und im Falle der Rückkehr in ihre Heimat sofort dort entsprechende Aufgaben übernehmen sollten.

68

Abschnitt I

Kindermann konturierte als Kirchenrechtler zehn Jahre nach der Gründung Königsteins die Situation bzgl. der Weihe der aus den Ostgebieten vertriebenen Theologen so: „In diesen Tagen sind es zehn Jahre her (14. April 1946), dass Papst Pius XII.53 durch sein Staatssekretariat ein erstes Dekret über die Weihen der Osttheologen erließ. Die Zeit hat manche Änderung mit sich gebracht und auch manche Fragen gelöst, die in diesem Weihedekret enthalten waren. Aber an dem eigentlichen Grundproblem, nämlich der Vertreibung und der erhofften Rückkehr in die geraubte Heimat hat sich bis heute kaum etwas geändert. Der Osten Europas ist seit Jahren in den Händen kommunistischer Gewalt und die Aussicht, bald heimzukehren, besteht nicht. Dennoch halten die Vertriebenen – und das mit Recht – an ihrer angestammten Heimat fest. Sie betonen das Recht auf die Heimat und versuchen auf das Ganze gesehen, so gut wie nur möglich sich die Rückkehrfähigkeit zu erhalten.“54 Die erwähnte Rückkehrfähigkeit bedeutete für Kindermann bei gegebener Situation eine Notwendigkeit, da er es als Naturrecht des Menschen begriff, seine Heimat zu besitzen und seine Heimat auch nicht im Stich zu lassen. An dieses Recht und diese Pflicht zu erinnern sei immer Aufgabe der Kirche als Hort des Naturrechts gewesen. Zu dieser Rückkehrfähigkeit gehört auch die Frage nach der Zugehörigkeit der in Königstein zu weihenden Theologen. Vorläufig geregelt war das Problem mit einem römischen Dekret vom 14. April 1946 worden, das durch eine weitere Stellungnahme des Papstes vom 15. Februar 1955 im Wesentlichen bekräftigt und etwaige Unklarheiten beseitigt worden waren. Die Problematik bestand vor allem hinsichtlich jener Osttheologen, die zum Zeitpunkt der Vertreibung noch keine Kleriker waren, nun aber in der Vertreibung die Erteilung der Tonsur erbaten und keine Verbindung zu ihrem ehemaligen Ordinarius hatten oder haben konnten. Diese Theologen hätten sich nach den Vorgaben des allgemeinen Rechtes weihen lassen können mit einem zuständigen Weiheordinarius, den sie durch das qualifizierte Domizil finden könnten. Eine Vielzahl von Osttheologen aber wollte diese Lösung nicht. Sie hatten die alte Heimat vor Augen. Sie wollten sich ihre Rückkehrfähigkeit offen halten. Sie wollten nicht auf Dauer in der durch die Vertreibung zugeteilten Diözese bleiben. Es gab also die Möglichkeit, auf den Titel der Aufnahmediözese geweiht zu werden. Es gab bei denen, die ihren Ostordinarius erreichen konnten, die Möglichkeit, von diesem die Dimissorien zur Weihe zu erhalten. Theologen, die ihren Oberhirten im Osten nicht erreichen konnten, waren vor allem die aus dem Sudetenland und dem Südosten; sie hatten die Möglichkeit, nach den Ausnahmebestimmungen des päpstlichen Erlasses von 1946 geweiht zu werden. Tatsächlich sind nach den Ausführungen Kindermanns in der Zeit von 1945 bis 1955 etwa 90 sudetendeutsche und zehn südostdeutsche Theologen zu Priestern geweiht worden. Bei 95 von ihnen konnte bzgl. der Weihe festgestellt werden: 18 erhielten Dimissorien der alten Heimatdiözese oder hatten daheim bereits die erste Ton-

53 54

Eugenio Pacelli (1876 – 1958), als Pius XII. Papst von 1939 bis 1958; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Pacelli, aufgesucht am 13.8.2013. Adolf KINDERMANN, Die Weihe der aus den deutschen Ostgebieten vertriebenen Theologen (Osttheologen), in: Königsteiner Blätter I (1956), 10-21.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

69

sur bekommen. Sie sind also der alten Heimatdiözese inkardiniert. 25 wurden den Westdiözesen inkardiniert, weil sie entweder die Weihe nach dem Dekret vom Jahre 1946 nicht erbeten hatten oder weil ihnen die Bitte nicht erfüllt worden war. 52 von den 100 Theologen sind nach dem päpstlichen Reskript geweiht worden. Bei diesen entstand die Frage, in welcher Diözese diese Kleriker inkardiniert waren. Kindermann skizzierte drei Möglichkeiten: Sie waren entweder in der neuen Aufnahmediözese inkardiniert, was aber kaum anzunehmen ist, denn dann hätten sie ja nach den allgemeinen Normen des Kirchenrechts geweiht werden müssen. Einen solchen Schwebezustand aber möchte das Kanonische Recht ja gerade vermeiden, denn es entstünde damit der sogenannte Clericus vagus. Hier präzisierte das Reskript des päpstlichen Staatssekretariats vom 5. Februar 1955 im Hinblick auf die Flüchtlingsstudenten, die Priester werden wollten: Bischöfe können sie in ihre Diözese inkardinieren, wenn sie ihrer Rückkehr zustimmen, sobald die Rückkehr dieser Kleriker in ihre Herkunftsdiözese möglich ist und der Ordinarius der Herkunftsdiözese sie anfordert oder zweitens, dass die Kleriker selber sich bereit erklären zu solcher Rückkehr. D.h. die neue Regelung schuf die Möglichkeit einer bedingten Inkardination. Der Kirchenrechtler Kindermann begrüßte diese Entscheidung, denn so würden in Zukunft keine Zweifel mehr wegen der Inkardination bestehen. Die so geweihten Priester erfahren eine volle Beheimatung und stehen den Einheimischen in dieser Hinsicht keineswegs nach. Sie werden mit ihren einheimischen Weihekollegen rechtlich gleichgestellt. Es dürfte auch bei Besetzung von kirchlichen Ämtern in den Diözesen von der rechtlichen Seite her keine Schwierigkeit mehr geben. Gleichzeitig trugen die neuen Bestimmungen auch dem Ostanliegen in den Augen Kindermanns Rechnung. Der Rückkehrwille und die Entlassungspflicht wurden festgehalten. Die Heimat und damit der deutsche Osten blieben im Blickfeld des jungen Theologen, der nun wusste, dass es sich dabei nicht nur um eine theoretische Rückkehrwilligkeit handelte, sondern der sich ganz praktisch feierlich verpflichtete, für die alte Heimat und für die Rückkehr dorthin. D.h. es gab auch die Entlassungspflicht des inkardinierenden Bischofs im Falle des Rückrufes. Gerade für diese Bestimmung, so Kindermann, müsse man angesichts der Kirchenverfolgung im Osten sehr dankbar sein. So sei dem Ostanliegen in jeder Beziehung, bei voller Beachtung der westlichen Interessen, genügend Rechnung getragen. „Die päpstliche Regelung deutet wenigstens indirekt an, dass wir die alte Heimat nicht vergessen dürfen. Gerade der Priester hat die Pflicht, bei aller Sorge um eine gute Eingliederung bzw. organisches Einwachsen, auch die Heimkehrfähigkeit und -willigkeit zu pflegen. Er trägt deshalb auch eine gewisse Verantwortung für die Entwicklung und die Arbeit unter den vertriebenen Volksgruppen, die wie niemand anders aus ihrem eigenen Schicksal heraus ihr Heimatrecht betonen und es zu verwirklichen suchen. Für Letzteres bedarf es in vorderster Linie auch heimkehrwilliger Priester.“ Rom habe mit diesem Entscheid nicht nur vom Heimatrecht gesprochen, sondern es praktiziert. Insofern war sicherlich das päpstliche Reskript ein wichtiger Beitrag zur Konsolidierung der Situation. Festhalten lässt sich, dass die Seelsorger für die Heimatvertriebenen – in der Regel selbst Vertriebene – für die Integration, für die Heimat in der Fremde zentrale Identi-

70

Abschnitt I

fikationsfiguren wurden. Sie waren Gestalter wie Teil eines kollektiven Gedächtnisses als wichtige Träger heimatlicher religiöser Kultur. Die Vertriebenenseelsorger und Priester der Heimatorte schufen eine Atmosphäre der Heimat in Sondergottesdiensten, bei lokalen und überregionalen Heimattreffen und besonders bei den vielen Wallfahrten. Sie setzten in der Betreuung der Vertriebenen mit den Rundbriefen und katholischen Vertriebenenzeitschriften auch neue Methoden ein.55 Sie dokumentierten nicht zuletzt in den Zeitschriften religiöses Kulturgut, das ohne Verlust nie so intensiv beschrieben und reflektiert worden wäre. Sie ermunterten die Gläubigen immer wieder, ihr Schicksal positiv zu bewältigen, es in Anlehnung an alttestamentliche Exilerzählungen auch als Chance für den Glauben, für einen Aufbruch aus dem Glauben zu sehen.56

55 56

Vgl. dazu auch Rainer BENDEL, Vertriebene – katholische Kirche – Gesellschaft in Bayern 1945 bis 1975. München 2009, S. 194-220. Vgl. dazu das Votum des ermländischen Erzpriesters Josef Lettau auf der ersten Sitzung des Katholischen Flüchtlingsrates am 23. August 1948 unter dem Punkt „Die christliche Gestalt des Flüchtlings“: „Erzpriester Lettau zeigte auf, wie die heutige Not des Leiblichen und Seelischen in der Gestalt des Flüchtlings offenbar wird und wie der „christl. Flüchtling“ wiederum den Anruf Gottes in die Menschheit sichtbar macht. Er soll in sich den suchenden Christus erkennen, der die Menschen heimführen will zur ewigen Heimat. In Christus ist die Flucht des Menschen vor Gott zu Ende gekommen. Seine Botschaft der Bergpredigt soll im „Flüchtling“ der heutigen Zeit und durch den Flüchtling gepredigt werden. So entstehen die Begegnung und die Gemeinschaft der Menschen, die von der „Gerechtigkeit“ nicht geschaffen werden kann. Das besagt aber nicht, dass die Erstreitung der Gerechtigkeitsfragen überflüssig wäre, aber von Mensch zu Mensch soll die Caritas herrschen.“ (Kurzprotokoll der ersten Sitzung des KFR am 23. August 1948, Frankfurt, 5 Seiten masch., S. 3. Archiv des Bistums Augsburg GV 815).

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

3.

3.1.

71

Die Bischöfe und die Ankunft der Vertriebenen

Zwischen Rückkehr, Eingliederung und Sonderseelsorge

Bereits im Herbst 1945 griffen die Bischöfe das Thema auf. Sie artikulierten die Sorge, dass die entwurzelten Menschen in der Diaspora keine neue Heimat finden könnten. Zentrales Anliegen war, dass die alliierten Behörden die Vertriebenen so einwiesen, dass konfessionell geschlossene Gebiete entstanden.57 Die zweite Sorge, die sich in den Äußerungen der Bischöfe artikulierte, ist auf der caritativen Ebene anzusiedeln: Sie beschrieben die Not der Flüchtlinge aus dem Osten, angesichts derer alle Hilfe wie ein Tropfen auf einen heißen Stein wirken müsse.58

57

58

Vgl. dazu den Brief des Hildesheimer Bischofs Godehard Machens vom 26. September 1945 an den Regierungspräsidenten Kopf von Hannover, wo er formulierte: „Der unaufhörliche Strom der Flüchtlinge, der sich in das Gebiet der Provinz Hannover ergießt, bringt eine Fülle schwerster Probleme mit sich. Ich erlaube mir, das Augenmerk auf eines dieser Probleme zu lenken, das im Rahmen der übrigen trotz seiner Wichtigkeit infolge der Not der Zeit weniger beachtet werden könnte. Die Lenkung des Flüchtlingsstromes ist bislang ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntnis erfolgt. Katholische Flüchtlinge sind in großem Umfange in rein evangelischen Gebieten untergebracht. So geschah es bereits bei den Evakuierungen der Saar-Bevölkerung im Jahre 1939 und des westlichen Rheinlandes 1944 trotz aller gegenseitigen Eingaben damals mit ausdrücklicher Absicht. Die Folge davon war nicht bloß, dass der Seelsorge größte Schwierigkeiten bereitet wurden, sehr viele ohne die Tröstungen der Religion in der Fremde starben und der Religionsunterricht der Kinder weithin unmöglich gemacht wurde, sondern auch, dass die Rückgeführten sich doppelt unglücklich fühlten, umso mehr je mehr sie in der Heimat ein reges religiöses Leben gewöhnt waren. Nicht anders ist es jetzt, wenn auch die antireligiöse und antichristliche Tendenz aus der behördlichen Lenkung des Flüchtlingsstromes geschwunden ist. Die Flüchtlinge sind in der neuen Umgebung doppelt heimatlos, wenn sie weder Kirche noch Pfarrhaus ihrer Konfession vorfinden, wenn ihnen der gewohnte Kirchenbesuch – und dieser ist im katholischen Volksteil zumeist sehr rege und das Verlangen nach dem Kirchenbesuch wächst zudem in der Fremde, wie die Tatsachen erwiesen haben – nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten, die bei Mangel an Kleidung und Schuhwerk übergroß sind, möglich ist, wenn sie mit einem Geistlichen ihres Glaubens nur schwer oder gar nicht Fühlung aufnehmen können, wenn die Betreuung durch die ihnen wohlvertraute Caritas unvollziehbar geworden ist.“ Der Brief ist abgedruckt in: Ulrich HELBACH, Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Westliche Besatzungszonen 1945 – 1947 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Bd. 54, Teilband I, Paderborn [u.a.] 2011, S. 251-253, Zitat S. 251. (Künftig zitiert als ‚Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947’). Etwa der Mainzer Bischof Stohr an Papst Pius XII. am 08. Dezember 1945. Der Brief ist abgedruckt in: Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947, S. 302-307, „Die Problematik der Ostflüchtlinge“ vor allem auf S. 304 – ein weiterer Ausdruck dieser Sorge ist etwa ein Brief von Frings

72

Abschnitt I

Drittens ist die Sorge zu spüren, wie man das Seelsorgeangebot für die Vertriebenen gestalten könne. Diese Sorge wurde die längste Zeit überlagert, auf den Rang verwiesen durch die Schulfrage, die weitgehend die Debatte und die Überlegungen und das Sorgen der Bischöfe in den ersten Nachkriegsjahren dominierte. Diese Sorge wurde geprägt durch das Bestreben, die Seelsorge künftig möglichst diözesan zu strukturieren, die Gestaltungskraft und den Einfluss der die Diözesen übergreifenden Verbände möglichst gering zu halten. Dazu gewissermaßen im Kontrast stand manches Engagement der katholischen Vertriebenen zur Selbsthilfe. Einer der nachhaltigsten Schritte aus der Frühzeit der Suche und des Ringens der katholischen Vertriebenen war die Gründung der Ackermann-Gemeinde in München am 13. Januar 1946, die sich als Instrument der katholischen Aktion, damit den Geistlichen und den Bischöfen zugeordnet, verstand, sich aber doch sehr schnell diözesanübergreifend, ja Besatzungszonen übergreifend entwickelte – also ein Stück weit den Charakter eines Verbandes annahm. Eine weitere Sorge der deutschen Bischöfe war, mit zwei unterschiedlichen Zielrichtungen für das Problem Öffentlichkeit zu schaffen: Zum einen, um die Menschen in den westlichen Besatzungszonen über das Leid und die Not der Vertriebenen zu informieren, an sie zu appellieren, den Vertriebenen mit entsprechendem Verständnis, Wohlwollen und Offenheit entgegenzukommen. Andererseits hatten die Bischöfe die Amtskollegen des westlichen Auslandes, die Behörden der Besatzungsmächte und den Papst als Adressaten im Auge, die umfassend informiert werden sollten – vor allem um zu erreichen, dass die Vertriebenen schnellstmöglich in ihre Heimatgebiete zurückkehren könnten. Nur so könne das gravierende Problem letztlich gelöst werden. Die markantesten Vertreter dieser Forderung waren der Münchner Erzbischof Michael Kardinal Faulhaber59 und der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber. In einem umfangreichen Bericht des Paderborner Erzbischofs Jaeger für Papst Pius XII. vom 1. Januar 1946 formulierte er im letzten Punkt mit der Nr. 15 die Bitten – unter ihnen an erster Stelle die Hilfe für den deutschen Osten. Jaeger wies auf das Verbrechen hin, die Schlesier und Ostpreußen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Im Hintergrund auch dieses Hinweises stand der Wunsch, die Vertriebenen in ihren Gebieten zu belassen bzw. wieder dorthin zurückzuführen. „Wenn sich die Austreibung nicht mehr verhindern lässt bei dem abgrundtiefen Hass der Polen und Tschechen, dann soll sie wenigstens human durchgeführt werden, nicht im Winter, und nicht nach Ausraubung alles persönlichen und lebensnotwendigen Eigentums (Kleidung, Wäsche etc.), erst wenn in den Aufnahmegebieten Unterkommen und Arbeit für die Ankömmlinge bereitge-

59

an Kaller vom 14. Dezember 1945, in dem der Kölner Erzbischof schreibt: „Während des Krieges haben wir im Westen die Hauptlast des Krieges getragen, aber was sich jetzt im Osten abspielt, spottet jedes Vergleiches.“ In: Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947, S. 310-312, Zitat 310. Vgl. zu Michael Faulhaber GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 377-382.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

73

stellt ist; sonst werden diese Nachkriegsverbrechen schlimmer sein als die Kriegsverbrechen und den Hass zwischen den Völkern nie zum Erlöschen kommen lassen.“ 60 Der Wunsch der Bischöfe, die Vertriebenen sollten in ihren Heimatgebieten bleiben dürfen, war unabhängig von der endgültigen Festlegung der deutschen Grenzen. Deutsche könnten auch außerhalb der Grenzen eines deutschen Staates siedeln, wenn ihnen dort die entsprechenden Minderheitenrechte zugesichert würden. Dieses Argument bemühte auch Frings in einem Schreiben an den Alliierten Kontrollrat vom 11. Januar 1946, in dem er die Alliierten bat, dass die Deutschen, die ihren Wohnsitz nicht verlassen wollten und im neuen Staatsverband loyal mitarbeiten wollten, gestattet werde, in ihrer Heimat zu bleiben.61 Frings wandte sich in einem Memorandum für Truman62 vom 16. Januar 1946 gegen die Art der Aussiedlung der Deutschen aus dem Osten. Er verwies auf das in der Potsdamer Konferenz festgelegte Prinzip, die Umsiedlungen in geordneter und menschlicher Art und Weise durchzuführen. Entsprechend sollte während der harten Wintermonate die Ausweisung gestoppt werden. Bei der Vertreibung möge eine Frist von mindestens 24 Stunden gewährt werden, die den Vertriebenen auch die Möglichkeit gab, die notwendigsten Dinge mitzunehmen. Mütter und Kinder, alte und kranke Menschen sollten während der kalten Wintermonate nicht umgesiedelt werden.63 Eine zentrale Äußerung der Bischöfe zum Thema Vertreibung stellte die Kanzelverkündigung der westdeutschen Bischöfe vom 30. Januar 1946 dar, in der die Bischöfe unterstrichen, dass sie nicht länger zum furchtbaren Los der mehr als zehn Millionen Ostdeutschen schweigen könnten, die aus Gebieten ausgewiesen wurden, in denen sie schon sieben- bis achthundert Jahre gesiedelt hatten. „Alle diese Menschen sind mit gewaltsamer Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat bedroht, ohne dass sie ihr Hab und Gut mitnehmen können, ohne dass ihnen in Westdeutschland eine ausreichende und menschenwürdige Existenz gegeben werden könnte. Millionen sind schon von diesem entsetzlichen Schicksal ereilt. In Schlesien allein dürften es mehrere Millionen sein. Die Austreibung ist mit furchtbarer Brutalität unter Nichtachtung aller Menschlichkeit erfolgt … Wir wissen, dass gerade in jenen Gebieten Deutsche furchtbare Verbrechen an den Angehörigen anderer Nationen begangen haben. Aber

60 61

62 63

Der Bericht Jaegers für Pius XII. vom 1. Januar 1946 in: Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947, S. 334-346, Zitat S. 342. „In einer Eingabe vom 23. August 1945 hatte der unterzeichnete Vorsitzende, der in der Fuldaer Bischofskonferenz vereinigten katholischen Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands, die dringende Bitte ausgesprochen, dass bei der etwaigen Ausführung der vorläufigen Potsdamer Beschlüsse vom August 1945 über die Neufestsetzung der deutschen Grenzen jenen Bewohnern der vom deutschen Staatswesen abzutrennenden Gebiete, die ihren Wohnsitz nicht verlassen und in ihrem neuen Staatsverband loyal mitarbeiten wollen, gestattet wird, auf ihrem von den Vorfahren ererbten Heimatboden zu verbleiben.“ In: Akten deutscher Bischöfe seit 1945, S. 358360, Zitat S. 358. Harry S. Truman (1884 – 1972) war von 1945 bis 1953 Präsident der USA. Alonzo HAMBY, Man of the People: A Life of Harry S. Truman. New York 1995. Frings an Truman am 16. Januar 1946 in „Akten deutscher Bischöfe seit 1945“, S. 367-370.

74

Abschnitt I

seit wann ist es erlaubt, an Unschuldigen sich zu rächen und Verbrechen durch Verbrechen zu sühnen? Man soll die wirklich Schuldigen zu unerbittlicher Rechenschaft ziehen. Aber wer will das Massensterben von Kindern, Müttern, alten Leuten verantworten? Wer will die Verzweiflung so vieler Tausende auf sich nehmen, die in ihrem entsetzlichen Elend ihrem Leben selbst ein Ende machen! Wir bitten und flehen, die Weltöffentlichkeit möge ihr Schweigen brechen. Diejenigen, die die Macht in Händen haben, möchten verhüten, dass Macht vor Recht gehe und dass aufs Neue eine Saat des Hasses ausgestreut werde, die neues Unheil in sich bergen kann. Im Namen der Gerechtigkeit und der Liebe erheben wir unsere Stimme für unsere Landsleute im Osten. Wir bitten die Gläubigen, in ihren Gebeten immer wieder dieser Not zu gedenken, und wenn die Ostflüchtlinge zu uns kommen, sie mit ganzer Opferbereitschaft christlicher Liebe zu empfangen.“64 Im März 1946 hielten die westdeutschen Bischöfe auf ihrer Konferenz noch einmal ausdrücklich die dringliche Aufgabe fest, die aufnehmenden Gemeinden seelisch vorzubereiten. Es dürfe kein Abwehrgefühl entstehen, keine allzu kühle Aufnahme von vornherein zuviel Misstrauen entstehen lassen In froher Aufnahmebereitschaft solle den Ankommenden ein Hauch warmer Christenliebe entgegenwehen. Vor allem in ländlichen Gemeinden sollten ein bis zwei Predigten am Sonntag gehalten werden, die die entsprechende Stimmung vorbereiten sollten. Einige Laien, vor allem Frauen, sollten eingesetzt werden, um über praktische Fragen in dieser Beziehung zu sprechen. Eine Pastoralkonferenz sollte die einschlägigen seelsorgerlichen Fragen gründlich durchsprechen.65 Auch die Konferenz der bayerischen Bischöfe im Frühjahr 1946 nahm sich des Themas an und formulierte die unüberwindlichen Schwierigkeiten, vor denen sich die caritative Fürsorge durch das Flüchtlingselend gestellt sah. Beklagt wurde die seelische und materielle Verelendung der entwurzelten und heimatlosen Menschen, die religiös sittlichen Verfallserscheinungen, die sich bereits zeigten und die vor allem nur schwer aufzufangen seien, wenn die Vertriebenen nicht in konfessionsgleiche Gebiete eingewiesen würden.66 Mitte des Jahres 1946 hatte der größere Teil der deutschen Bischöfe, wie Kaller bereits 1945 erkannt, dass eine rasche Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat nicht möglich sei. Daher dürfe man bei den Vertriebenen auch keine unbegründeten Hoffnungen wecken. Umso wichtiger sei die Aufgabe, ein allmähliches Hineinwachsen

64 65

66

„Akten deutscher Bischöfe seit 1945“, S. 388f., Zitat S. 389. Im Protokoll der Konferenz der westdeutschen Bischöfe 26. – 28. März 1946 in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 435-449, der Punkt III.3 zur Flüchtlingsseelsorge auf den Seiten 445f. Aus Protokoll der Konferenz der bayerischen Bischöfe, Eichstätt 9. – 10. April 1946 in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 463-471, der Punkt „Flüchtlingselend“ II, S. 465f.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

75

des Flüchtlings in die Gemeinde, zu unterstützen. So wiederum die westdeutschen Bischöfe bei ihrer Konferenz in Pützchen am 17. – 19. Juni 1946.67 Vor allem auf die Förderung der Schüler und auf die Notwendigkeit, das Siedlungswesen für Flüchtlinge zu fördern, wies der Caritas-Verband in einer Denkschrift zur Flüchtlingshilfe am 29. Juli 1946 hin. Er unterstrich den Auftrag des gesamten Volkes im Rahmen des Möglichen, die Vertriebenen in ihrer rechtlichen Stellung der alteingesessenen Bevölkerung auf allen Gebieten gleich zu stellen. Man müsse mit allen Kräften darauf hinwirken, dass den Flüchtlingen eine gewisse Entschädigung für ihre Verluste an Hab und Gut zuteil werde.68 Der Mainzer Bischof Albert Stohr69 arbeitete für die Fuldaer Bischofskonferenz im August 1946 ein Referat zur Vertriebenenseelsorge für den Episkopat aus und sprach dort vor allem die Schwierigkeiten in der Verteilung der Priester an, formulierte also die Not der Diasporaseelsorge. Im Folgenden griff er die Planungen des Königsteiner Seminars für Ostpriester auf und warf die rechtliche Frage nach dem Eintritt der Priester in die Diözese auf.70 In einfachen Worten brachte Gröber in einem Schreiben an Papst Pius XII. am 28. Oktober 1946 seine Ungeduld und Resignation über die Möglichkeit der dauerhaften Eingliederung der Vertriebenen im Westen zum Ausdruck und damit auch die Forderung, die Vertriebenen müssten letztlich wieder in ihre Heimat zurückkehren.71 Sei67 68 69 70

71

„Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“,. S. 550-562, „Die Vertriebenenfrage firmiert unter den Seelsorgsfragen“, dort vor allem auf den S. 557-559. „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 630f. Friedhelm JÜRGENSMEIER, Albert Stohr, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 356-359. Das Referat Stohrs vom 20. August 1946 in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 700702. Dort heißt es in Punkt IV.B „Die Planung des Königsteiner Seminars für Ostpriester. Hier will man nicht bloß überhaupt eine priesterliche Ausbildungsstätte schaffen zum Ersatz für die verlorengegangenen Hochschulen in Breslau, Prag, Braunsberg und Weidenau, sondern vor allem eine Erziehungsstätte für die ungeheuer schwierige und entsagungsreiche Aufgabe der Seelsorge an den Ostflüchtlingen. Wenn auf diese Weise der Gedanke apostolischer Armut und Einfachheit, apostolischen Heldenmutes und vollkommener Hingabe in die Reihen dieser Priester getragen würde, dann könnte viel gewonnen sein.“ Zitat S. 702. Das Schreiben Gröbers an den Papst in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, Teilband II, S. 828-832. „Dazu jetzt die vielfache Belastung mit den Flüchtlingen aus dem Osten. Von einer Besserung der Lage kann noch keine Rede sein. Im Gegenteil: Statt dass diese Menschen aus dem Osten und Nordosten bei uns verwurzeln, treten Gegensätzlichkeiten zwischen den Einheimischen und Eingewanderten auf, von denen ich nicht weiß, wie wir sie bezwingen. Die ganze konfessionelle Landkarte hat sich geändert. Weite Gegenden, namentlich im nördlichen Teil des Erzbistums, die fast ausschließlich protestantisch bevölkert waren, sind nun durch den Zustrom vom Osten überwiegend katholisch geworden. Es blieb nichts anderes übrig, als den protestantischen Oberkirchenrat zu bitten, die Kirchen in diesen Gegenden auch für den katholischen Gottesdienst zur Verfügung zu stellen. Aber woher nehmen wir die Geistlichen? Leider sind sehr häufig die zuständigen Pfarrer und Seelsorger aus dem Osten oder Nordosten nicht gekommen, oder sie sind mit den neuen seelsorgerlichen Verhältnissen nicht vertraut. So wogt nun alles noch, ohne feste Formen anzunehmen, hin und her. Eine Zeitlang habe ich geglaubt, dass

76

Abschnitt I

nen eindrücklichen Wunsch, dass die Vertriebenen wieder rückgesiedelt werden möchten, formulierte Gröber an Georges Bidault72 am 16. Februar 1947, wo er für die Friedenskonferenz in Moskau, die am 10. März beginnen sollte, die Bitte mitgab, die Ostflüchtlinge wieder zurückzuführen.73 Zu Gröbers Einstellung zu Königstein ist ein Schreiben von Gröber an Pater Leiber zu berücksichtigen, das er am 19. Juli 1947 im Umfang von fünf Schreibmaschinenseiten sandte.74 Er würdigte dort Kaller als lieben und guten Bischof, der viel gelitten und außergewöhnlich viel für die Ostflüchtlinge getan habe. Er unterstrich im gleichen Atemzug, dass er nicht wisse, wie es nun mit Königstein werde und er immer dagegen gewesen sei. Nicht aus Oppositionslust, sondern, weil er der Ansicht war, dass das Unternehmen die finanzielle Kraft überstiege. „Auf der Konferenz wird wahrscheinlich wieder beschlossen werden, Königstein bleibt. Wer an die Stelle Kal-

72 73

74

eine definitive Ansiedlung möglich werde. Aber langsam schwindet mein Glaube dahin, und ich finde für das ganze Problem keine andere Lösung als: Wieder in die Heimat im Norden oder Nordosten zurück. Damit gewinnt die Aufgabe von Exzellenz Kaller eine größere Bedeutung, als ich anfangs vermeinte. Die Ostflüchtlinge hängen, wenn ich mich so ausdrücken darf, in der Luft. Sie gehören nicht zu uns, weil sie nicht zu uns gehören wollen. Und sie gehören nicht in ihre Heimat, denn sie ist vorerst verloren. Exzellenz Kaller hat damit eine überdiözesane Tätigkeit und auch einen Grund dafür, dass er eine Studienanstalt in Königstein errichtet hat. Ursprünglich dachte ich anders. Ich wollte die armen Ostflüchtlinge in jeder Hinsicht als volle Diözesanen betrachten. Ich stellte meine ganze Caritas in ihren Dienst. Ich wollte die Priester aus dem Osten und Nordosten als Diözesanpriester incardinieren und so bezahlen, wie innerhalb der Diözese bezahlt wird. Aber nun hat sich die Situation geändert. Ganz von meinem Plan bin ich nicht abgekommen. Aber er scheitert am Widerstand der Zugezogenen und an der Möglichkeit, dass die armen Leute doch wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Bis dahin wollen wir ihnen helfen, so gut wir können und uns Mühe geben, die Gegensätze zu mildern, die Verbitterung und damit den Kommunismus abzuwehren und durch Zusammenkünfte religiöser Art oder Wallfahrten in großem Umfang die armen Glaubensbrüder zu stärken.“ (830f.) Die Resignation des Freiburger Erzbischofs resultiert meines Erachtens daraus, dass er wohl zunächst die Komplexität und die lange Perspektive der Aufgabe der Vertriebenenseelsorge unterschätzt hat und er nicht damit rechnete, dass die Vertriebenen auch eigene Vorstellungen und Wünsche haben und einbringen könnten. Der zweite interessante Aspekt, der hier formuliert wird, ist die Motivation, trotz der vielfältigen Widerständigkeit dieses Aufgabenfeldes doch so weit wie möglich zu helfen. Königstein wird damit zum Zugeständnis, das aus der Resignation resultiert. Man will die Verbitterung der Vertriebenen vermeiden, die sie in den Kommunismus führen könnte. Georges Bidault war von 1944 bis 1946 französischer Außenminister, 1946 Ministerpräsident und von 1947 bis 1954 erst Außenminister, dann Verteidigungsminister und Ministerpräsident. „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1008f.: „Aus meinen gewonnenen Erfahrungen weiß ich, dass eine Ansiedlung im deutschen Westen unmöglich ist und nur dazu dienen muss, eine neue Gefahrenquelle für den Frieden Europas zu bilden. Wäre es da nicht zu erwägen, ob nicht der Strom der Ostflüchtlinge wieder in seinem Ursprung zurückgeleitet werden kann? Mit der Aufteilung des früheren deutschen Besitzes im Osten hat das nichts zu tun. Warum sollten nicht deutschsprechende Menschen innerhalb des polnischen Staates wohnen können, der nach zuverlässigen Nachrichten gar nicht in der Lage ist, das durch die Ausweisung freigewordene Gebiet zu besetzen. Und wenn auch nicht alle zurückkehren können, so sollte doch erwogen werden, ob nicht wenigstens ein Teil der Ostflüchtlinge wieder heimkehren dürfte.“ (S. 1009) „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1181-1184.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

77

lers in der seelsorgerlichen Zusammenfassung der Ostflüchtlinge treten wird, hängt vom Heiligen Stuhl ab. Eigentlich bräuchte es nur eine sehr lose Zentralisierung, denn tatsächlich sind die in den einzelnen Diözesen wohnenden Ostleute subditi der Ordinarien geworden. Es bestand schon unter Kaller eine eigentümliche Lage. Sie wussten nicht, gehören sie zum Diözesanbischof oder zum päpstlichen Bevollmächtigten."75 Kaller wandte sich eigens in einem Schreiben an Gröber vom 20. Februar 1947 gegen die wiederholte und nachdrückliche Forderung auf Rückkehr der Ostvertriebenen. Er unterstrich seinen bereits im August 1945 gewonnenen Standpunkt, den er dann auch immer wieder in die Öffentlichkeit getragen hatte, in Predigten auch den Vertriebenen nahe gebracht hatte, dass eine Rückkehr nicht möglich war.76 Demgegenüber unterstrich auch die Konferenz des bayerischen Episkopats im Frühjahr 1947 noch einmal die Forderung, dass die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgehen könnten.77 Als Ziel der Seelsorge wurde dort formuliert, dass Vertriebene ganz in die Pfarrseelsorge eingegliedert werden. Es wurde also das Prinzip der territorialen Zuständigkeit ein weiteres Mal deutlich unterstrichen. Nur als Zusatz wurde die Konzession verstanden, dass zwei bis drei Flüchtlingsseelsorger in einer Diözese eingesetzt werden sollten, um den besonderen Bedürfnissen der Flüchtlinge Rechnung zu tragen und von Zeit zu Zeit auch einen eigenen Flüchtlingsgottesdienst zu halten. Die Konferenz der deutschen Bischöfe in Fulda vom 19. bis 21. August 1947 befasste sich erneut mit der Sorge für die Deutschen aus dem Osten. Die Bischöfe konstatierten, dass seit der letzten Konferenz vor einem Jahr eine kleine Besserung eingetreten sei. Eine Schaffung eigener Räume für den Gottesdienst wurde als wünschenswert unterstrichen, da viele Geistliche während der ganzen Woche keine Möglichkeit zu zelebrieren hatten. Damit im breiteren Maße Religionsunterricht erteilt werden könne, müssten Laienkatecheten in Schnellkursen ausgebildet und eingesetzt werden. Sehr zu beklagen sei das Fehlen von Religions- und Gebetsbüchern. „Das Gefühl der

75 76

77

„Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1181. Kaller an Gröber am 20. Februar 1947 in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1016/1017. „ … dass wir wohl alle ohne Ausnahme der Überzeugung sind, dass das Beste eine 100%ige Rücksiedlung der aller Heimatvertriebenen wäre. Wie glücklich wären restlos alle, wenn dieser Plan verwirklicht würde. Doch dieser Hoffnung stehen leider sehr begründete Zweifel gegenüber. Aufgrund der Tatsachen kann man kaum annehmen, dass das ganze bisherige Verhalten nur ein Theater war; dahinter steckt sicher die Absicht, das jetzt occupierte Land zu behalten. Wenn jetzt von Westsiedlung gesprochen wird, geht das von dem Gedanken aus, dass durchaus nicht alle nach dem Osten zurückkommen und dass die Leute Heimat finden müssen, und Heimat ist nun mal unbedingt mit dem Boden verbunden. Und wenn man von der Überseesiedlung spricht, wobei die selbstverständliche Voraussetzung die ist, dass diese Siedlung erst nach Friedensschluss und nach Rückkehr unsrer Kriegsgefangenen in die Wege geleitet werden kann, so geschieht dies, um unseren Leuten wenigstens noch Hoffnung zu geben. Die Heimatvertriebenen sind weithin der Verzweiflung nahe. Man kann sie unmöglich nur in der einen Hoffnung lassen, dass sie wieder zurückkommen, weil beinahe zu 100 % das Gegenteil angenommen werden muss.“ (S. 1016f.) Protokoll der der Konferenz des bayerischen Episkopats, Freising 22. – 23. April 1947 in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1083-1090. Das Flüchtlingsproblem unter „I Religiöse Zeitfragen“, vor allem S. 1084f.

78

Abschnitt I

Heimatlosigkeit ist noch nicht überwunden, selbst die Jugend findet nicht immer den rechten Anschluss an die einheimischen Jugendgruppen. Gelegentliche kirchliche Feiern, Wallfahrten usw. für die Ostvertriebenen bringen diesen Trost und Freude. Zu häufig sollen sie jedoch nicht sein.“78 In der materiellen Notlage wurde vorgeschlagen, die Pfarrhilfe, also die Hilfe von Familie zu Familie, von Person zu Person stärker einzusetzen. Auch hier wurde noch einmal unterstrichen, dass das Problem innerhalb der Grenzen des jetzigen Deutschlands nicht lösbar sei, wenn nicht der größte Teil der Vertriebenen die Möglichkeit zur Auswanderung oder zur Rückkehr in die Heimat bekäme. Bezüglich Königstein wurde auf der Konferenz 1947 beschlossen, dass ein eingetragener Verein gebildet werden solle als Träger der Anstalt. Das Seminarium Majus, also das Priesterseminar, solle mit Ostern 1948 aufgehoben werden. Das Seminarium Minus, also das Schülerkonvikt, werde aufrechterhalten. Dafür wurde für 1948 ein Zuschuss von 150.000 RM bewilligt. Falls der Papst keinen Bischof als Sonderbeauftragten für die Ostflüchtlinge in der Nachfolge Kallers mehr ernennen sollte, dachte die Bischofskonferenz daran, den Bischof von Limburg als Referenten für das Flüchtlingswesen zu bestellen.79 Dieser Vorschlag wurde in einem Schreiben von Kardinal Frings an Pius XII. vom 24. September 1947, in dem er über die Beratungen in Fulda berichtete, weitergegeben. Frings unterstrich dort, dass es schwierig sein werde, eine Kaller-adäquate Persönlichkeit zu finden.80 Im Schreiben an den Papst arbeitete Frings noch einmal die Schwierigkeit heraus, die Vertriebenen in Westdeutschland einzugliedern, wenn ihnen nicht die Möglichkeit gegeben werde, in die angestammte Heimat zurückzukehren.81

3.2.

Wahrgenommen wurden die Vertriebenen vor allem in der caritativen Perspektive

Eine Reihe von Bischöfen ließ in ihren öffentlichen Worten anfangs die Sensibilität für die Probleme von Flucht, Vertreibung und Aufnahme vermissen. Das ist von den Betroffenen viel beklagt worden und weitgehend bekannt. Diese Ablehnungshaltung hat auch der aus dem Ermland vertriebene und vom Papst 1946 mit der besonderen

78 79 80

81

„Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, Protokoll der Plenarkonferenz des Deutschen Episkopats, Fulda 19. – 21. August 1947, S. 1253-1268, hier S. 1259. „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1261. Frings an Pius XII., Köln 24. September 1947 in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1330-1332 „Eine solche Persönlichkeit zu finden, ist außerordentlich schwer. Der verstorbene Bischof Kaller vereinigte in seiner Person nicht nur eine reiche Erfahrung auf dem ihm zugewiesenen Sondergebiet mit einer erstaunlichen Entschlusskraft und überquellenden Arbeitsfreudigkeit, sondern konnte auch seine Zeit restlos der neuen Aufgabe widmen, da er durch den tatsächlichen Verlust seines Bistums frei geworden war.“ „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1330. „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1332.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

79

Sorge um die Heimatvertriebenen betraute Bischof Maximilian Kaller buchstäblich am eigenen Leib erfahren müssen. Ein beredtes Beispiel ist der Münchner Erzbischof Michael Kardinal Faulhaber, der in seinen Hirtenworten zwar die besondere Notlage der Flüchtlinge benannte, im gleichen Atemzug aber davor warnte, dabei die Not der Ausgebombten zu übersehen. In ihrem Hirtenwort zur Fastenzeit 1946 sahen die bayerischen Bischöfe denn auch kaum eine Möglichkeit, die Vertriebenen längerfristig aufzunehmen, sie appellierten an die Staatsmänner, „den Millionen vertriebener Deutschen ihr Land und ihre Heimat wieder zurückzugeben und sie vor der Verzweiflung zu retten“.82 „Das Furchtbarste, was die Nachkriegszeit mit sich gebracht hat, ist das wahrhaft grauenvolle und im vollen Sinne des Wortes unmenschliche Elend der Flüchtlinge. Ein Riesenstrom von ärmsten Menschen ergießt sich aus dem Osten über unser Vaterland. Sie alle sind verstoßen aus Heim und Heimat, mussten verlassen den teuren Boden, den schon ihre Vorfahren durch Generationen und Jahrhunderte hindurch bebaut haben und mit dem sie mit allen Fasern ihrer Seele verwachsen sind. Sie müssen die Heimat verlassen als Bettler, kaum notdürftig gekleidet; Tausende wurden bereits ein Opfer der unmenschlichen Formen und Methoden, in denen die Vertreibung vor sich geht... Das um ein Fünftel seines Umfanges verkleinerte Deutschland kann die vielen Millionen der Wanderer nicht unterbringen, noch weniger auf die Dauer ernähren und beschäftigen. Sollen sie wirklich zum Tode durch Hunger und Elend verurteilt sein? Wer kann ein solches Todesurteil verantworten?“83 Die caritative und spontane Sorge der Kirche und der Kirchen um die Vertriebenen wurde bislang noch eher wahrgenommen und dokumentiert. Staatliche Stellen haben sie geschätzt, teils sogar eingefordert – so war Kaller als Sonderbeauftragter im März 1946 zu Beratungen mit der bayerischen Verwaltung in München.84 Wie der Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll, so hat auch der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber in einem Fasten-Hirtenbrief 1946 das Flüchtlingselend thematisiert. Gröber stellte die neue Aufgabe in den großen Kontext der Vertreibungen, die sich bereits im Alten Testament finden lassen und unterstrich, dass es trotz alledem wider Recht und Gesetz sei, Vertreibung als ein Mittel der Politik zu benutzen. Die Frage nach der Rechtlichkeit und der Ruf nach Solidarität der Katholiken auch anderer Länder angesichts der Vertreibung der Deutschen bestimmten auch den Fasten-Hirtenbrief Gröbers, der politischer argumentierte als Sproll, der vor allem die caritative Notlage in den Ankunftsgebieten hervorhob, wohingegen Gröber auf die Gräuel in Flucht und Vertreibung selbst abhob, die ihm in vielen Zuschriften geschildert worden seien. „Gröber hat durch diesen Fasten-Hirtenbrief erstmals eine breitere Öffentlichkeit über die Vertreibungen informiert. Die Zensurbestimmungen der alliierten Besatzungsmächte hatten eine Berichterstattung über die Vertreibungen in den Medien bisher verhindert. Es scheint, als könne und wolle Gröber angesichts des 82 83 84

Würzburger Diözesanblatt 92 (1946), Nr. 5, S. 35-40, hier S. 39. Ebd., S. 38f. Archiv Visitatur Ermland: Nachlass Fittkau. Ordner Kaller Nachkriegszeit. Eintrag Taschenkalender.

80

Abschnitt I

Elends der Vertreibungen nicht schweigen. Die Erkenntnis, Stellung beziehen zu müssen ohne Rücksicht auf die Folgen von Seiten der Besatzungsmächte, mag auch aus der Reflexion seiner eigenen Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sein.“85 Freilich fehlten auch in Gröbers Fasten-Hirtenbrief nicht die deutlichen Appelle an die Gläubigen, die Vertriebenen in ihrer Notlage wahrzunehmen, ihnen zu helfen und ihnen Verständnis und Geduld entgegenzubringen.86 Annahme nicht Ablehnung bräuchten die Vertriebenen, Verständnis nicht Zurückweisung, sollten sie in ihrem Glauben nicht unsicher gemacht werden. Wie in anderen Diözesen auch stießen katholische Vertriebene in katholischen Gemeinden der Ankunftsregion auf Ablehnung, auch auf Klischees und Vorurteile. Sie waren die Fremden, die Dahergelaufenen, nicht selten das Zigeunervolk.87 Die Pflicht der Nächstenliebe versuchte Gröber den Katholiken der Erzdiözese Freiburg als Grundlage für ihr Verhalten gegenüber den Vertriebenen einzuschärfen.88 Doch ließ das Interesse des Bischofs an den Vertriebenenthemen auch in dieser Diözese im Lauf der Jahre nach – aus welchen Gründen auch immer; Holzapfel vermutet, es sei das dominierend werdende Thema der Bekenntnisschule gewesen. Vielleicht herrschte auch die Einschätzung vor, das Integrationsthema würde sich durch die Eingliederung in die Pfarrgemeinden,

85

86

87

88

Christoph HOLZAPFEL, Katholisches Bekenntnis als Mittel zur Integration? Der Beitrag der Bischöfe von Freiburg, Hildesheim und Rottenburg zur Integration der Vertriebenen, in: Christoph HOLZAPFEL / Gabriele VOGT, Durch den gemeinsamen Glauben eine neue Heimat finden. Münster 2002, S. 11-113, hier S. 62. Der Hirtenbrief wird zitiert nach Bruno SCHWALBACH, Erzbischof Conrad Gröber und die nationalsozialistische Diktatur. Karlsruhe 1986, hier S. 282: „Lasst unsere Mitbrüder vom Osten in unseren Familien ein Stück katholischer Gemeinschaft finden und in unseren Gotteshäusern als Gleichberechtigte, ja als Bevorzugte durch ihr Leiden beim gemeinsamen Opfer und Empfang der heiligen Sakramente einen Ehrenplatz einnehmen. Pflegen wir sie, die von der langen Wanderschaft abgehetzten und müden und wärmen wir sie, denn sie haben so viel körperliche und seelische Kälte lange Monate hindurch erlitten. Verlangen wir nicht sofort, dass sie mitschaffen im täglichen Geschäft und so ihr Brot sich selber verdienen. Sie brauchen zuerst ein wenig Ruhe und sie müssen sich erst langsam an so manches Trennende und Störende, vielleicht auch Weh tuende angewöhnen, das sie umgibt.“ Vgl. hierzu ein Interview des Autors mit Helga Barth am 19. Januar 2009. Frau Barth schildert dort ihre Aufnahme in die damals etwa 2.000 Einwohner zählende rein katholische Gemeinde Höpfingen, wo sie zusammen mit ihrer Familie in ein Schwesternhaus, dem Pfarrhaus benachbart, eingewiesen wurden. Von den Schwestern wurden sie gut aufgenommen. Sie bekamen auch Zuwendungen. Im Ort aber mussten sie sich mit den entsprechenden Vorurteilen auseinandersetzen. Diese Klischees hielten sich durchaus bis Ende der fünfziger Jahre. „Mein Fasten-Hirtenbrief über das Flüchtlingselend ist verlesen worden. Ich erinnere von Neuem daran, dass sowohl der Klerus als auch die ganzen katholischen Gemeinden nunmehr der Pflicht der Nächstenliebe bis zum Äußersten entsprechen müssen. Es wäre mir außerordentlich peinlich, wenn von verschiedenen Teilen meiner Erzdiözese Klagen einlaufen würden, die beweisen, dass man die Pflicht der Stunde noch nicht recht erkannt hat. Geben wir ein gutes Beispiel und lassen wir uns von anderen nicht übertreffen. Wir bringen damit nicht bloß den Evakuierten und Flüchtlingen Segen, sondern auch uns selbst. Der Sorgen habe ich genug. Ich möchte wenigstens die eine Freude erleben, dass meine Erzdiözesanen in der praktischen Nächstenliebe nicht verzagen.“ Erzbischöfliches Archiv Freiburg, G 55.44 Vol. 1, Freiburg 30. März 1946.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

81

wofür ja durch die Hirtenworte der Weg gebahnt werden sollte, auf regulärem Weg erledigen lassen. Dazu kamen unterstützend spezifische Frömmigkeitsformen, wie etwa die Wallfahrten oder die Pflege der Marienfrömmigkeit, die religiöse Heimat, Geborgenheit, Vertrautheit und auch Brücken zu den Einheimischen bilden sollten.

3.3.

Differierende Zielsetzungen im Umgang mit der Problematik

Für die Anfangszeit sei grundsätzlich und beispielhaft auf die Studien von Gabriele Vogt für Hildesheim und Christoph Holzapfel (Rottenburg, Freiburg und Hildesheim vergleichend) hingewiesen. Mit diesen Studien lassen sich erste Antwortansätze auf grundlegende Fragen für die Bewertung der Aufgaben, für die Schwerpunktsetzungen im deutschen Katholizismus und für die Bestimmung des Verhältnisses der Kirche zur Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg herausschälen. Die Aufnahme der Vertriebenen wurde durchweg als immenses materielles und damit zunächst caritatives Problem gesehen – manche blieben auch nach der ersten Phase, in der die materielle Not im Vordergrund stand, in ihrer Wahrnehmung auf dieser Ebene stehen. Integration aber, wie sie als grundsätzliches Ziel zumindest von den Vertriebenen angestrebt wurde, forderte mehr und berührte weitere Aufgabenbereiche: Hildesheim als Diasporabistum etwa wurde wesentlich von den aufgenommenen Vertriebenen geprägt; die Diözese, das kirchliche Leben erhielt ein neues Gesicht. Trotz der immensen Dimensionen der neuen Aufgaben hielt sich der Bischof zunächst für den für sein Bistum zuständigen Seelsorger – die Vertriebenen wurden kirchenrechtlich mit der Wohnsitznahme in den Gemeinden des Bistums in die Pfarreien und die Diözese integriert und damit den Aufgabenbereichen der ordentlichen Seelsorger eingefügt. Somit war der Bischof an erster Stelle und übergreifend, in der Pfarrei der Ortsseelsorger zuständig für die Betreuung der vertriebenen Katholiken. Protagonisten der Vertriebenenseelsorge waren auf Bistumsebene – in ungleicher Position – der Bischof und der Diözesanvertriebenenseelsorger. Im Gegensatz zu Freiburg hatte Rottenburg eher zögerlich und Hildesheim sehr rasch die Forderung führender Vertriebenenseelsorger und der Bischofskonferenz, Diözesanvertriebenenseelsorger einzusetzen, realisiert. In diesen beiden Protagonisten trafen verschiedene Erfahrungsräume und Zielsetzungen aufeinander. Wenn sich auch die Bischöfe der Probleme der Vertriebenen annahmen, versuchten sie doch verständlicherweise auch das Erbe und die Eigenarten der Einheimischen zu bewahren. Paradigmatisch ist hier der Streit um das diözesane Liedgut im Bistum Rottenburg. Offen bleibt dabei die Frage: Mit welcher Intensität und wie lange hat die Bischöfe das Vertreibungsproblem beschäftigt? Haben sie es rein auf der caritativen Ebene oder auch strukturell begriffen?

82

Abschnitt I

Ein Beispiel für die Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Aufgaben war der Hildesheimer Bischof Godehard Machens89, der von den einheimischen Geistlichen als vertriebenenfreundlich eingestuft wurde. Er setzte die Vorgaben der Bischofskonferenz, Diözesanvertriebenenseelsorger einzusetzen, rasch um – für den in dieses Amt berufenen Josef Engelbert gute Voraussetzungen. Trotzdem wuchs kein kommunikativer Austausch zwischen den Protagonisten; Gründe dafür mögen in unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen zu suchen sein, in Verunsicherungen über die wechselseitige Fremdheit, in differierender Gewichtung der Probleme und Zielsetzungen. Waren die verzweifelten Bitten des Vertriebenenbischofs Kaller oder der Diözesanflüchtlingsseelsorger nur Positionsverteidigungen im Ringen um den Interessensausgleich oder sind sie Ausdruck der Frustrationen darüber, dass die einheimischen Katholiken, allen voran die Seelsorger und die Bistumsleitung die Vertriebenen nicht als Katalysatoren der drängenden Aufgaben und der verdrängten Probleme wahrnahmen, so dass überkommene Seelsorgskonzepte nicht mehr genügten, dass die Pastoral nicht länger ungestraft ganze Dimensionen des gesellschaftlichen Lebens ausblenden konnte – allen voran die sozialpolitische? Die Angst vor der politischen Dimension in der Aufgabe der Vertriebenenintegration zeigte sich bei Machens deutlich. Vertreibung wurde als ein caritatives und dann als ein rechtliches Problem gesehen. Machens dachte in Konfessionalisierungskategorien: Katholische Tradition und Kultur sollten sich wieder durchsetzen im bislang mehrheitlich protestantischen Niedersachsen. Die Vertriebenenbetreuung sollte im politikfreien Raum agieren – letztlich wurden die Vertriebenen aber dennoch für ganz andere Aufgaben, nämlich den Schulkampf, auf den sich die Auseinandersetzung fixiert hatte, instrumentalisiert, die eigentlichen Aufgaben und Probleme wurden in den Hintergrund geschoben, verdrängt. Die Säkularisierung sollte durch die Rechristianisierung auf der weltanschaulichen Ebene rückgängig gemacht werden, die sozialpolitische Dimension, die mentalen und psychologischen Probleme des Alltags wurden ausgeblendet: Traditionen, Erfahrungsräume, Dialekte und Mentalitäten prallten aufeinander; misstrauisch wurde von allen beteiligten Seiten deren jeweilige Erhaltung eingefordert. Der Glaube, die Konfession, war eben nicht automatisch Integrationsfaktor, wie es manche Bischöfe gern gehabt hätten. In der Studie von Gabriele Vogt werden vorrangig die organisatorische Ebene, Beispiele für Integrationssituationen und -probleme vor Ort untersucht. Bei Christoph Holzapfel steht die Analyse der inhaltlichen Positionen der Bischöfe im Mittelpunkt. Kontrastierend schälen sich zusätzliche Erkenntnisse heraus: die caritativen Probleme wurden überall wahrgenommen, ihnen wurde abgeholfen, situativ ließ man Neuerungen zu, wo sie erzwungen wurden: Laieneinsatz im Bistum Hildesheim, Berücksichtigung des Traditionsgutes der Vertriebenen (nicht aber in Rottenburg), Individualseelsorge, nachgehende Seelsorge als Teilmodernisierungen, weil sich die Inhalte

89

Godehard Machens, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 262264.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

83

(Menschenbild, Gesellschaftssicht, Verständnis des politischen Prozesses als Weltanschauungskampf, weil drohende Säkularisierung) nicht wirklich änderten. Unterschiedliche Themenfelder schoben sich in kurzen aufeinander folgenden Zeitabschnitten im Bereich der Vertriebenenseelsorge auf der Ebene der Bischöfe und der Bischofskonferenzen in den Vordergrund. Naturgemäß waren es anfangs die Appelle der Bischöfe in ihren Diözesen an die Priester und an die Gläubigen zu caritativem Einsatz, zu einem offenen Empfang der fremden Katholiken, zu einer freundlichen Aufnahme und zu einem Ausgleich zwischen Einheimischen und Vertriebenen. Sehr rasch tauchte nach der Ankunft der Vertriebenen die Frage nach einer Sonderpastoral für die Vertriebenen auf. Ließen sich die Nöte und Probleme allein mit den bisherigen Instrumenten der ordentlichen Seelsorge bewältigen? Viele Bischöfe errichteten das Amt eines Diözesanvertriebenenseelsorgers. Neue Strukturen mussten in den Diasporagebieten geschaffen werden, die ankommenden Geistlichen mussten untergebracht und versorgt werden. Rechtliche Probleme taten sich auf: die Frage der Zuordnung der jungen Männer aus dem Kreise der Vertriebenen, die Theologie studieren und Priester werden wollten. Es waren also organisatorische und rechtliche Fragen, die dann in den Vordergrund rückten. Drittens das Thema Königstein, also die Frage nach einer eigenen Hochschule bzw. einem eigenen Priesterseminar für Priesteramtskandidaten aus den Reihen der Vertriebenen und die Schwierigkeiten der Finanzierung desselben. Schließlich viertens die Diasporanot, d.h. vor allem die Verteilung der Seelsorger, der Vertriebenenseelsorger in erster Linie zwischen katholischen und überwiegend evangelischen Gebieten, zwischen dem Süden und dem Norden bzw. vor allem dem Osten des geteilten Deutschlands. Generell ist sehr deutlich zu sehen, dass die unterschiedlichen für die Vertriebenen relevanten Themen im Laufe des Jahres 1948, vor allem 1949 deutlich zurücktraten gegenüber den Themen, die die politische Entwicklung in den Vordergrund rückte, indem das Grundgesetz diskutiert wurde und die Schulfrage eindeutig die Überlegungen zu dominieren begann.

84

Abschnitt I

4.

4.1.

Ein neues Aufgabenfeld braucht neue Strukturen

Vertriebenenseelsorge auf Diözesanebene – einige Beispiele

Vertreibung brachte auch kirchlich die Zerstreuung. Gewachsene Strukturen und Organisationen fingen nicht mehr selbstverständlich ein und auf. Man knüpfte zwar an, versuchte fortzuführen, geregeltes Leben zu gestalten. Gleichzeitig waren neue Initiativen notwendig, und an vielen Orten entstanden sie in unterschiedlicher Gestalt. Die Pionierleistungen des vormaligen Breslauer Stadtpfarrers Alfons Maria Härtel (1900 – 1970) für die Vertriebenenseelsorge, vor allem für die Betreuung der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in der Diözese Rottenburg, wo er 1946 – 1949 Beauftragter für die Seelsorge an den Heimatvertriebenen Deutschen war, wurden in der Literatur bereits mehrfach unterstrichen90. Der Stadtpfarrer von St. Dorothea in Breslau und Leiter der Rundfunkarbeitsgemeinschaft der deutschen Katholiken am Reichssender Breslau kam Anfang 1946 in die Diözese Rottenburg, wo er zum Beauftragten für die Heimatvertriebenenseelsorge ernannt wurde. Er wollte, dass die vertriebenen Priester und Gläubigen gerade in der Diasporaumgebung des Bistums mit ihrem Suchen, ihren Irritationen, ihren Problemen, Konflikten aber auch Sehnsüchten und Hoffnungen wahrgenommen wurden. Er zelebrierte Gottesdienste bei Heimattreffen. Er gab religiöse Kleinschriften heraus, u.a. bereits 1946 ein Gebetbuch für die Vertriebenen unter dem Titel Heilige Heimat, und versuchte die einheimischen Geistlichen und die Bistumsleitung auf die Erfordernisse der neuen Situation, auf die bislang unbekannten Aufgaben aufmerksam zu machen und Konzepte zu entwickeln. So gehörte Härtels ganzes Engagement von 1945 – 1949 der Vertriebenenseelsorge, dann wurde er mit der Seelsorge und dem Aufbau einer Gemeinde in Stuttgart-Möhringen betraut, wo er 1951 mit dem Kirchenbau begann. Die Hedwigskirche in Möhringen wurde zu einem Wallfahrts- und Identifikationsort für die katholischen Schlesier im Südwesten.

90

Vgl. Joachim KÖHLER, Alfons Maria Härtel in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6. Sigmaringen 1992, S. 193-196 (Künftig zitiert als GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6). – Joachim KÖHLER, Alfons Maria Härtel und die Anfänge der Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge im Bistum Rottenburg in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 7 (1988), S. 111-125. – Joachim KÖHLER, Ein Bericht des bischöflichen Kommissars für die Heimatlosenseelsorge in der Diözese Rottenburg Alfons Maria Härtels aus dem Jahre 1949, in: ASKG 45 (1987), S. 221-236. – Rainer BENDEL, Störung im Milieu. Die kirchliche Betreuung der „Umquartierten“ in Altötting als frühes Experiment der Vertriebenenseelsorge, in: Werner CHROBAK / Karl HAUSBERGER (Hg.), Kulturarbeit und Kirche. FS Msgr. Dr. Paul Mai zum 70. Geburtstag. Regensburg 2005, S. 267-274.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

85

Härtel war, als Breslau 1945 zur Festung erklärt worden war, am 18. Februar 1945 nach Altötting gekommen; der alte bayerische Wallfahrtsort wurde sein Ausweichquartier, weil er ihn von Wallfahrten vorangegangener Jahre kannte. Der Rundfunkseelsorger, der mit den Kulturkreisen der gemischt konfessionellen schlesischen Bistumsstadt Breslau vertraut war, kam hier an einen Ort konzentrierter bayerischer Religiosität und Volksfrömmigkeit – Altötting, der Wallfahrts- und Gnadenort sollte bald für die Vertriebenen eine besondere Bedeutung erhalten, waren doch Wallfahrten ein wichtiges Medium für die Religiosität der vertriebenen Katholiken, um Kraft zu schöpfen für die Vertreibungssituation, auch um sich wiederzufinden, sich auszutauschen, Interessen zu bündeln und zu artikulieren: ein Stück weit eine zeitlich begrenzte Nische im Geschick der Heimatlosigkeit91. Den Zusammenhang von Wallfahrtund Heimatverlust hat bereits 1968 Georg Schroubek92 in einer umfangreichen Studie untersucht und dabei auch aufgezeigt, wie sich die Sakrallandschaft Bayerns durch eine Vielzahl neuer Wallfahrten durch die Heimatvertriebenen veränderte93. Dieser außerordentliche Gnadenort Altötting zog die Heimatvertriebenen quasi als Sammelpunkt und Ersatzstätte für ihre gewohnten Wallfahrtsorte an; dort suchten sie Zuflucht in ihren Nöten, Problemen und Anliegen. Die Bedeutung der Altöttinger Vertriebenenwallfahrten lässt nicht zuletzt bereits die Wallfahrt 1947 aufscheinen, bei der die Vertriebenen in großer Zahl gelobten, auf Rache und Geltung zu verzichten, ein Gebet das eine zentrale Vorstufe der Charta der Heimatvertriebenen von 1950 wurde, ja im Kern die mäßigende, ausgleichende, zur Versöhnung mahnende zukunftsweisende Botschaft bereits enthielt. Mit den Wallfahrten zeigt sich also ein erstes ganz wichtiges Medium einer Sonderseelsorge für Heimatvertriebene und so nimmt es nicht Wunder, dass gerade in einem Zentrum des Wallfahrtens nicht nur verschieden geartete religiöse Mentalitäten aufeinander treffen wie der Einheimischen und der unterschiedlichen Vertriebenengruppen und die damit verbundenen Schwierigkeiten reflektieren, sondern dass sich auch in einem solchen Zentrum die Frage nach der Berechtigung für eine Sonderseelsorge an den Vertriebenen entzündete. Jedenfalls spürte Härtel diese Spannungen, diese Problemzuspitzung und beginnende Wahrnehmung ganz neuer Aufgabenbereiche während seiner Evakuierung in Altötting. So schickte er am 13. November 1945 einen Bericht, ein Plädoyer, ein Memorandum an den Passauer Bischof Simon Konrad Landersdorfer94. Er sah sich zu diesem Bericht veranlasst, weil ihm Stimmen zu 91 92

93

94

Vgl. dazu auch den Beitrag von Paul MAI, Schlesierwallfahrten in Süd- und Westdeutschland. Ein Beitrag der Vertriebenen zur Aussöhnung der Völker, in ASKG 51/52 (1994), S. 77-88. Georg Schroubek (1922 – 2008), böhm. Volkskundler. Helge GERNDT (Hg.), Stereotypvorstellungen im Alltagsleben: Beiträge zum Themenkreis Fremdbilder – Selbstbilder – Identität; Festschrift für Georg R. Schroubek zum 65. Geburtstag. Münchner Vereinigung für Volkskunde. München 1988. Georg R. SCHROUBEK, Wallfahrt- und Heimatverlust. Ein Beitrag zur religiösen Volkskunde der Gegenwart. Marburg/Lahn 1968 (= Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der deutschen Gesellschaft für Volkskunde 5). Vgl. zu Simon Konrad Landersdorfer OSB (1880 – 1971) Stephan HAERING in: Friedrich Wilhelm BAUTZ, ab Band 3 fortgeführt von Traugott BAUTZ (Hg.), Biographisch-Bibliographisches

86

Abschnitt I

Gehör kamen, die die Position vertraten, eine Sonderseelsorge für Flüchtlinge sei nicht notwendig. Von den einheimischen geistlichen Mitbrüdern hatte er ebenfalls das Votum bekommen, eine Sonderseelsorge wäre einer gedeihlichen Pfarrseelsorge hinderlich. Härtel wollte mit seinem Plädoyer diese unterschiedliche Lageeinschätzung dem Bischof vortragen, ohne dass er zu dezidiert votierte. Freilich ist bereits das Faktum und die Art seiner Stellungnahme ein deutlicher Fingerzeig: „Obwohl z.B. in der Jugendseelsorge besonders an der erwachsenen Jugend der Umquartierten und auch sonst noch manches zu tun wäre, glaube ich doch, mir in dieser Hinsicht um eines gedeihlichen Arbeitens willen Zurückhaltung auferlegen zu müssen. Euer Exzellenz werden die Güte besitzen, für die Art der Ausübung der Umquartiertenseelsorge noch Weisungen zu erteilen. Vielleicht kann dabei im Amtsblatt auch die Frage der Notwendigkeit erörtert werden95.“ Als Härtel diesen Bericht an den Passauer Bischof schickte, hatte Bayern noch keine Erfahrungen mit der hohen Zahl an Vertriebenen gesammelt, die 1946 vor allem aus dem Sudetenland nach Bayern eingeschleust wurden. Es waren bislang die Flüchtlinge, die Evakuierten aus den Großstädten und aus dem Westen des Reiches, die vor den Fliegerangriffen und den herannahenden Truppen vor allem in den bayerischen Dörfern Schutz gesucht hatten. Die Masse der Vertriebenen, die dann auch mit weniger Rückkehrhoffnung 1946 aus dem Sudetenland und aus Schlesien kamen, hob die Probleme, die hier angesprochen werden, in eine neue Dimension. Umso wichtiger erscheint dieser frühe Versuch, der Notlage, die man nicht auf eine punktuelle Sondersituation hin deuten zu können glaubte, mit neuen Formen, Methoden und Konzepten Herr zu werden. Härtel meinte mit seiner Wahrnehmung und seinen Vorschlägen gerade im Bistum Passau, das für seine weitsichtigen Seelsorgspläne bekannt war96, auf offene Ohren zu stoßen. Die ordentliche Seelsorge, die im gewohnten Stil weiter arbeitete, um die Einheimischen zu versorgen, kam oftmals an die einquartierten Katholiken gar nicht heran. Härtel führte diese Dissonanz, diese Kluft auf die seelische Lage zwischen Einheimischen und Hinzugekommenen zurück, die unüberbrückbar war: „Hier die an materiellen Gütern Ungeschädigten und Leidlosen – da die oft völlig Mittellosen und Verzweifelten; hier die wenn auch durch den Verlust der Angehörigen im Feld Trauernden, aber durch die Eigenart des Gnadenortes im Religiösen Gestärkten – dort die oft

95

96

Kirchenlexikon. 14 Bände (+ bisher 19 reine Ergänzungsbände), Hamm bzw. Herzberg bzw. Nordhausen 1975 – 2012 (künftig zitiert als BBKL), Band 4 (1992), Sp. 1064-1067. August LEIDL, Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB 1880-1971, in: Ostbairische Grenzmarken 13 (1971), S. 294-298. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 447-449. DA Passau OA Varia 1,18f. Bericht Härtels über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge an Umquartierten im Gnadenort Altötting im Hinblick auf die Notwendigkeit dieser Seelsorge im Allgemeinen, 14 Seiten Maschinenschrift plus Anschreiben an den Bischof, Zitat aus dem Anschreiben vom 13.11.1945. Vgl. dazu u.a. Theodor MAAS-EWERD, Simon Konrad Landersdorfer – Wegbereiter und Steuermann der Liturgischen Erneuerung im deutschen Sprachgebiet, in: Bibel und Liturgie 45 (1972), S. 42-52. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 447-449.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

87

durch mehrfachen Verlust an Angehörigen außerdem Geschlagenen und dazu durch die Großstadt entnervt und religiös arm Gewordenen; hier die landschaftlich Harten, dialektisch schwer Verständlichen, traditionell oft Festgefahrenen – da die weicheren, anpassungsfähigeren, redsameren Naturen97.“ Die Entwurzelten, in die Unsicherheit und Ungewissheit Geworfenen, die um das eigene Ich kämpfen, sie werden als Fremdlinge nicht akzeptiert, sondern abgelehnt. Härtel konstatierte eine ganze Fülle von Gegensätzen, die eine kluge Seelsorgspraxis berücksichtigen musste, d.h. sie musste nach einem eigenen Seelsorger rufen, der hier einen gewissen Ausgleich schaffen konnte. Mit Vorwürfen und Abwertungen versuchten Einheimische teilweise die Einquartierten abzuwehren. Bereits in dieser Frühphase vernimmt man aus dem Munde der einheimischen Geistlichen den Vorwurf, dass mit den Umquartierten das Niveau der Gemeinden herabgedrückt werde. Mit diesem Vorwurf musste sich auch Härtel auseinandersetzen. Freilich sah er bereits die ganze Spannung, die in dieser Konfrontation steckte. Hier die Fragen, die Kritik der Einquartierten, ja die Anfrage, die das bloße Dasein der Einquartierten bereits bedeutete, und dort die oft vermeintlich hochstehende religiöse Praxis der Einheimischen, die sich erschöpfte im Aufrechterhalten des Gangs der alten Tradition und der seit Jahrzehnten eingerissenen Fehler. Härtel meinte, dass die Umquartierten durchaus ein Prüfstein für das Niveau der Einheimischen sein könnten, da sie eine Caritas erforderten, die nicht nur etwas vom Besitz abgibt und an der Pfarrhaustür abgibt, sondern zum Teilen im eigenen Haus zwingt. „Da zeigt es sich zu welchem Niveau in Jahrzehnten die priesterliche Tätigkeit eine Gemeinde gebracht hat und ob große Gnaden große Verpflichtungen auslösen98.“ Seelsorge muss zwar alle ansprechen, Einheimische und Umquartierte, muss aber diejenigen, die in einer besonderen Notlage sind, auch noch einmal gesondert von den anderen ansprechen und behandeln dürfen. „Schon der Begriff „Heimat“ hat für die Umquartierten einen völlig anderen Klang und Sinn wie für die „Einheimischen“; und um die Heimat geht es bei diesen immerfort99.“ Die Berücksichtigung und Erfassung dieses seelischen Ausnahme- und Sonderzustandes der Heimatsuchenden sei die vornehmste Aufgabe der Umquartiertenseelsorge. Sie könne nicht ersetzt werden, auch nicht durch die Caritas, denn die Caritas sei nicht dazu in der Lage, auch von ihrer Zielsetzung her nicht dazu bestimmt, die alte Heimat wiederzugeben und zu dieser Heimat- und Geborgenheit, zu diesem Behaust- und Vertrautsein gehört für Härtel hier die Herzensgüte, das mütterliche Verständnis – also eine Heimat konstituiert durch Werte, durch Atmosphäre, durch Mentalität, durch Verstehen, die aber nicht primär an den Ort gebunden ist. Der Umquartierte habe aufgrund seiner Lage auf die caritative Mildtätigkeit, auf die Gaben mehr oder weniger ein Anrecht, aber ein verständnisvolles Wort, eine Hoffnungsperspektive, die ihm die Seelsorge eröffnen könne, könne unter Umständen weit mehr wert sein als ein Mantel oder eine Suppe.

97 98 99

Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 2. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 12. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 2.

88

Abschnitt I

Um dem seelischen Sonderzustand der Umquartierten entgegenzukommen, ihm gerecht werden zu können, durften die religiösen heimatlichen Werte nicht verloren gehen, nicht vergessen werden, sondern mussten gepflegt werden. Man musste die Differenzen auch in der religiösen Praxis klar wahrnehmen und in dieser Unterschiedlichkeit auch pflegen dürfen. Zu diesen Unterschieden rechnete Härtel etwa, dass die schlesischen Katholiken viel stärker den Volksgesang pflegten. Sie mussten das Gedenken an verstorbene Bischöfe ihrer Heimatdiözese, an Bistumspatrone pflegen dürfen. Es war wichtig, dass die Seelsorge an den Umquartierten auch zerrissene familiäre Bande berücksichtigte, womöglich Familien wieder zusammenführte, Hinweise auf Aufenthaltsorte usw. gab. Der Umquartiertenseelsorger musste Eucharistie feiern und Andachten halten. Er wurde am besten akzeptiert auch als Mittler bei Missverständnissen, er musste Unterschiede in der Frömmigkeitspraxis erklären über das wahre Wesen der Frömmigkeit aufklären – gerade an einem Gnadenort wie Altötting, wo viele Fremde eine falsche Anschauung und überspannte Erwartungen von Menschen eines Gnadenortes hatten. Insofern formulierte Härtel hier das Anforderungsprofil eines Vertriebenenseelsorgers, eines Seelsorgers an den Umquartierten, wie er es in den letzten Monaten in Altötting ausgeübt hatte. Ausdrücklich honorierte Härtel das volle Verständnis der Bistumsleitung für die besondere Notlage der Umquartierten. Musste doch in Passau mit den Flüchtlingslagern die Not gleichsam vor der Haustür wahrgenommen werden. Vor allem unterstrich Härtel die Bedeutung des Bischofswortes über wahre Caritasgesinnung weil sie große Spannungen gelöst habe, die durch die Kluft zwischen Begüterten und Habenichtsen entstanden war.100 „Manche wohnten nämlich hier bei begüterten Bürgern und hatten Einblick in die Lebensmittelrationen und den Lebensraum derselben. Sie sahen die erhaltene Substanz von Hab und Gut, aber auch die Zurückhaltung von Raum und Nahrung, also immer wieder die Frage, wie ist diese Zurückhaltung mit katholischer Frömmigkeit vereinbar. Daneben von anderer Seite die offenkundige Ausbeutung der Not, Härte und unverständliche Lieblosigkeit. Wer darauf hinwies, konnte niemals Sympathie bei den Einheimischen haben101.“ Er unterstützte die Haltung des Bischofs, dass in dieser Situation priesterliche Zurückhaltung in schwebenden und brennenden Fragen nicht angebracht sei. Vielmehr waren Worte verständnisvollen Mitfühlens und mutigen Zurechtweisens gefragt. Insofern haben die Hirtenbriefe des Passauer Bischofs den zweifelnden Heimatsuchenden Sicherheit gegeben; und dies gerade angesichts der Abwesenheit des Vertriebenenproblems in den Predigten der ordentlichen Seelsorge, die einfach das Problem in seiner Schärfe nicht wahrnehmen wollte. „Wenn in manchen nicht einmal der Versuch dazu gemacht wurde, wurde eine Gelegenheit verpasst, den Leuten zu zeigen, dass man es mit ihren Sorgen ernst nimmt. Sie gingen in andere Gemeinden, trugen ihre Klagen herum und man konnte ihnen nicht einmal Unrecht geben. Manche schämten sich, zu ihrem eigenen Pfarrer betteln zu gehen. Es war gut, wenn ein eigener Seelsorger für sie vermit-

100 101

Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 11. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 10.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

89

telte102.“ Oftmals wurde durch die ordentliche Seelsorge nicht nur Leid nicht gelindert, sondern durch das Übersehen auch noch verschärft, etwa wenn bei kirchlichen Totenfeiern die gefallenen Helden der Einheimischen genannt wurden, nicht aber die verstorbenen Angehörigen der Vertriebenen. Angesichts der besonderen Sensibilität der Heimatvertriebenen, bedingt durch den Verlust der gewohnten Umgebung, der Sicherheiten, der Ungewissheit für die Zukunft, wurde jedes Wort des ordentlichen Seelsorgers besonders interpretiert und gewogen. Umso verheerender waren manche vielleicht unbedacht hingeworfene Etikettierungen und Floskeln der Seelsorger. Dabei wollte Härtel als außerordentlicher Seelsorger dem Pfarrer alle Katholiken, für die er die letzte Verantwortung trug, auch zur Seelsorge zuführen. „Man konnte dann beobachten wie die Leute jedes Wort aus dem Mund des Pfarrers, in dessen Pfarrei sie zu Gaste sein mussten, abwogen und wie sie Schlüsse daraus zogen, ob ein Verständnis für ihre Heimatlosigkeit vorliegt oder nicht. Im Allgemeinen hatten sie den Eindruck des stillen Hinweises, sie möchten dem Gnadenort seinen Charakter nicht nehmen und ihren Aufenthalt als wirklich nur vorübergehend auffassen. Das tat manchen schon weh, ist aber vom Standpunkt des Pfarrers aus verständlich. Mit einem herzlichen Willkommen hatten sie nicht zu rechnen. Ein Pfarrer sieht auch die Dinge vom Standpunkt seiner Gemeinde aus, für die bei einem solchen Gnadenort die Fremden störender auf die Eigenart und Geschlossenheit des Ortes einwirken konnten als anderwärts103.“ Wie also sollten die Vertriebenen ihre Eigenart wahren, ihre Traditionen weiter pflegen, ihre Identität auch halten und neu finden, sich neu orientieren können, wenn sie am besten so tun sollten als ob sie nicht existent wären, wenn sie in der Erwartung des ordentlichen Seelsorgers sich möglichst nicht lange aufhalten oder, wenn sich dies nicht umgehen ließe, assimilieren sollten? Härtel hielt, das lässt sich als Fazit festhalten, die Sonderseelsorge in Altötting nicht nur für eine gerechtfertigte, sondern für eine notwendige Maßnahme. Es war eine Sonderseelsorge, die sich im Rahmen und immer in Hinordnung auf die Pfarrseelsorge ergänzend bewegte. „Vielleicht könnte man die Ansicht vertreten, die Umquartierten hätten von vornherein in der Pfarrei aufgehen können, sie hätten es ja auch irgendwie machen müssen, wenn man keinen besonderen Seelsorger für sie bestellt hätte. Ein so bedeutender Gnadenort ist aber mit anderen Maßstäben zu messen, wie hier nachgewiesen wurde“104. Härtel ließ keinen Zweifel daran, dass diese Sondersituation nicht nur des Gnadenortes, sondern der Vielzahl der Umquartierten in Bayern zu Kriegsende und in den Nachkriegswochen eine besondere Seelsorge erforderte. Vor allem müsse die ordentliche Seelsorge davon Abstand nehmen, ihre Erwartung dahingehend zu formulieren, dass die Leute bald wieder fortzögen. In erster Linie an Orten, an denen Umquartiertenlager mit ständiger Fluktuation eingerichtet waren, müsste die außerordentliche Seelsorge darauf achten, dass die Fremden die hohe

102 103 104

Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 11. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 12. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, S. 13.

90

Abschnitt I

Schwelle zur ordentlichen Seelsorge, die nicht zuletzt durch die oft abweisende Haltung der Einheimischen gelegt wurde, überwinden könnten. Sie brauchten gesonderte und auch zusätzliche Angebote, die die ordentliche Seelsorge allein nicht leisten konnte. Damit war freilich die Eingliederung in die Pfarrfamilie noch nicht gelungen. Härtel wollte damit darauf hinweisen, dass diese Eingliederung ein langwieriger Prozess sei, der Weitblick und Geduld verlangte und sich nicht in einem reinen Verwaltungsakt der Aufnahme mit der Wohnortnahme erschöpfen konnte. Insofern verwundert der Ruf, der von vielen Seiten an ihn herankam, nicht, dass in vielen Teilen des Landes eine intensivere und sensiblere, rücksichtsvollere Betreuung an den Umquartierten geleistet werden sollte. Aus den Störungen in einem Konzentrationspunkt bayerischer katholischer Religiosität erwuchs hier dank der Sensibilität eines Großstadtpfarrers das Anforderungsund Aufgabenprofil, auch eine bestimmte Grundlage an Konzepten und Methoden einer spezifischen Vertriebenenseelsorge, deren Kontinuierung, deren Einrichtung auf Grund dieser halbjährigen Erfahrungen in Altötting dem Ordinariat nahe gelegt wurde. Man kann hier, noch bevor die Kirchliche Hilfsstelle in München sich etablieren konnte, bevor vertriebene Geistliche in größerer Zahl ausgesiedelt wurden und sich um ihre ehemaligen Heimatgemeinden kümmerten, einen Keim der Vertriebenenseelsorge sehen mit der Intention, diese auf Bistumsebene zu verankern. Für dieses Konzept der diözesanen Vertriebenenseelsorge konnte Härtel den Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll105 gewinnen. Härtel begann am 23. Februar 1946 sein Amt als Bischöflicher Kommissär für die Heimatlosenseelsorge in Stuttgart. Ähnlich konzeptionell arbeitete auch Josef Engelbert in Hildesheim. Das Bild der diözesanen Vertriebenenseelsorge variierte stark, abhängig von den Personen, die als Vertriebenenseelsorger eingesetzt waren. Trotz dieser Variabilität lassen sich bestimmte Grundlinien ausmachen, die das Amt und die Aufgabe des Diözesan-Vertriebenenseelsorgers bestimmten – eine erste Aufgabenumschreibung hat der Hildesheimer Diözesanvertriebenenseelsorger Josef Engelbert106 geliefert. Auf sie bezogen sich Härtel und der Regensburger Kollege Erwin Triller immer wieder. Deren Intentionen gingen dahin, die Vertriebenenseelsorge einen Teil der normalen Hirtensorge des Bischofs werden und bleiben zu lassen, die sich darum bemühte, das Nebeneinander oder gar Gegeneinander einheimischer und vertriebener Katholiken abzubauen und die verschiedenen Gruppen zu einer neuen, von allen Beteiligten ge-

105

106

Joannes Baptista Sproll (1870 – 1949), seit 1927 Bischof von Rottenburg. Vgl. zu Sproll GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 467-470. – Dominik BURKARD, Joannes Baptista Sproll. Bischof im Widerstand. Stuttgart 2012. Zu Engelbert: Christoph HOLZAPFEL / Gabriele VOGT, Durch den gemeinsamen Glauben eine neue Heimat finden. Münster 2002 (= Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte 13); darin: Christoph HOLZAPFEL, Katholisches Bekenntnis als Mittel zur Integration? Der Beitrag der Bischöfe von Freiburg, Hildesheim und Rottenburg zur Integration der Vertriebenen (S. 11-113) und Gabriele VOGT, „Die Not ist groß, ist riesengroß.“ Bischof Dr. Godehard Machens (1934 – 1956) und die Vertriebenenseelsorge im Bistum Hildesheim 1945-1953 (S. 115-208, v.a. S. 143155).

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

91

tragenen kirchlichen Gemeinschaft wachsen zu lassen107. Diese Aspekte einer persönlichen Pastoral, eines verstehenden, einführenden, nach- und mitgehenden Seelsorgens sind signifikant für das Bemühen der Vertriebenenseelsorger – gerade im Kontrast zum eher verwaltungstechnisch denkenden Betreuen durch staatliche Behörden, aber auch durch viele einheimische Seelsorger. Nicht zuletzt aus diesem Grund mag es wichtig gewesen sein, dass für die Betreuung der Vertriebenen in den Diözesen eigens heimatvertriebene Priester bestellt wurden, die die Vertriebenenseelsorge auf Bistumsebene koordinierten und Impulse gaben.108 Im Verantwortungsbereich des Diözesanvertriebenenseelsorgers lagen die außerordentlichen Seelsorgsveranstaltungen der Heimatvertriebenen, bei Treffen auf Wallfahrten und Glaubenskundgebungen, aber auch mit Vorträgen und Predigten in den Gemeinden – nicht nur an die Adresse der Heimatvertriebenen, sondern auch an die Heimatverbliebenen, um ihnen die Welt der Heimatvertriebenen näher zu bringen, gegenseitiges Verstehen und gegenseitige Achtung aufzubauen und somit den Ausgleich zu schaffen, Spannungen zu beseitigen. Auch gegenüber den außerkirchlichen Landsmannschaften versuchte der Diözesanvertriebenenseelsorger einen ausgleichenden Einfluss einzubringen, da viele weltliche Vertriebenenorganisationen sich immer wieder sehr radikal zeigten und damit eher niederrissen als aufbauten. Gegenüber der Diözesanleitung war der Diözesanvertriebenenseelsorger Sprecher und Vertrauensmann der heimatvertriebenen Priester und Gläubigen. Er vertrat deren Anliegen und Nöte, trat für ihre Rechte und Ansprüche ein und bemühte sich, Benachteiligung und Zurücksetzung der neu hinzugekommenen Katholikinnen und Katholiken zu verhindern. Auf Dekanatskonferenzen sollte er Referate über Vertriebenenprobleme halten und die Dekanatsvertriebenenseelsorger auswählen helfen. Der Eichstätter Diözesanvertriebenenseelsorger, Georg Zischek109, später in der Leitung des AMK, formulierte als eine vordringliche Aufgabe für die diözesane Vertriebenenseelsorge in den ersten Jahren nach der Vertreibung, die Vertriebenen nicht in einen religiösen Defätismus, in Gleichgültigkeit und Motivationslosigkeit abgleiten zu lassen.110 Zu den genuinen Aufgaben und Sorgen der Diözesanvertriebenenseel-

107 108

109

110

Vgl. dazu etwa die Richtlinien für die Vertriebenenseelsorge im Bistum Rottenburg von Alfons Maria Härtel vom 15. Januar 1952 im DAR, Bestand G 1.6-64. „Seine Wirksamkeit ist notwendig im Interesse der heimatvertriebenen Priester und Laien aber ebenso im Interesse der Heimatverbliebenen. Er soll der große Brückenbauer sein zwischen Heimatverbliebenen und Heimatvertriebenen und diese in echt katholischer Weitherzigkeit zu heiliger Gemeinschaft zusammenzuführen suchen.“ Joseph ENGELBERT, Die heutigen Aufgaben des Diözesanvertriebenenseelsorgers. In: Christ unterwegs 1953, S. 10-12, hier S. 10. Georg Zischek, geboren am 16. Februar 1892 in Blisowa, Kreis Bischofteinitz, 1915 zum Priester geweiht, seit 1933 Domkapitular in Leitmeritz, seit 1946 Vertriebenenseelsorger in der Diözese Eichstätt, Mitglied im Vorstand des AMK e.V. Gestorben am 14. September 1979. – Zu Zischek vgl. Martin KASTLER, Die Integration der Heimatvertriebenen in den fränkischen Diözesen am Beispiel Eichstätts. In: Rainer BENDEL / Stephan JANKER (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005, S. 99-116. Vgl. EBA München Pastoralkonferenz 1946, Dekanat Miesbach: „Eine besondere Sorge der Nachkriegszeit stellt auch für die Seelsorge das Problem der Flüchtlinge, sie sollen religiös in

92

Abschnitt I

sorger gehörte nicht nur die Organisation der Seelsorge, nicht nur das Erreichen einer möglichst großen Zahl von Heimatvertriebenen und auch Heimatverbliebenen, sondern auch das Mühen um die rechte Art der Seelsorge, um die Feinfühligkeit in der Seelsorge.111

4.2.

Die Arbeit der Kirchlichen Hilfsstellen

Ein Initiator, in dem sich wie in einem Fokus das Ungenügen bisheriger pastoraler Bemühungen um die Vertriebenen in formaler wie auch in inhaltlicher Hinsicht sammelt, war der Augustinerpater Paulus Sladek. Er beschränkte sich in seinen Initiativen und Forderungen nicht auf den bisherigen eng verstandenen Bereich von Seelsorge, sondern nahm die Not des Menschen im seelischen wie im materiellen Bereich wahr und suchte für beide Bereiche nach neuen Konzepten. Der Aufbau der Flüchtlingsseelsorge durch die Kirchliche Hilfsstelle Süd verdankte Paulus Sladek112 wesentliche Initiativen und wurde von ihm auch tatkräftig mit durchgeführt. Die Arbeitsfelder waren sehr breit gefächert. Der Schwerpunkt lag auf der Erziehungs- und Bildungsarbeit und dem sozialen Engagement. Daneben war den Mitarbeitern der Kirchlichen Hilfsstelle in München von der Bischofskonferenz vor allem die ‚Volksgruppenarbeit‘ für die Sudeten- und Südostdeutschen zugewiesen worden. Dass eigene Flüchtlingsseelsorger bestellt, dass Flüchtlingsgottesdienste gehalten, die Flüchtlingswallfahrten veranstaltet wurden, Tagungen der Flüchtlingsseelsorger stattfinden konnten, auf denen Erfahrungen ausgetauscht und Handreichungen für die Vertriebenenseelsorge erarbeitet werden konnten, wo aber auch Wünsche an die Kirchenleitung und die einheimischen Seelsorger formuliert wurden, war in der Anfangsphase im wesentlichen Paulus Sladek zu verdanken. Sladek regte die Vertriebenenpriester an, über Pfarrbriefe zu den Gläubigen der ehemaligen Pfarrgemeinde Kontakt zu halten. Dazu war die vertriebene Geistlichkeit zu erfassen, waren Anschriftenlisten herzustellen und zu verbreiten. Sladek entwarf 1946 Leitsätze der kirchlichen Flüchtlingsarbeit für die Diözese und war maßgeblich beteiligt an der Redaktion der Arbeitshilfen „Flüchtlingspriester, Mitteilungen und Skizzen“, die die Kirchliche Hilfsstelle München vom Frühjahr 1946 an herausbrachte. Diese Arbeitshilfen, auch „Der Heimatlose in der Pfarrseelsorge. Blätter für den einheimischen Klerus“ betitelt, gingen im Dezember 1946 in

111 112

unseren Pfarreien Wurzeln fassen. Die Liebe und Teilnahme die wir ihnen merken lassen können, wird hierfür entscheidend sein, dass wird aber grundsätzlich die Kernfrage der religiösen und sittlichen Aufräumarbeit in der Seelsorge bleiben: Die verstehende Liebe die keinen abstößt und das soziale Verständnis….“ Ein Beispiel für die Anliegen der Vertriebenenseelsorge sind die Bitten, die sie 1950 für die Fuldaer Bischofskonferenz formulierten; vgl. Dokument 16 im Anhang. OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

93

der neuen Monatsschrift „Christ unterwegs” auf. Sie darf als die erste Vertriebenenzeitschrift angesehen werden.113 Der „Christ unterwegs” diente der Kommunikation zwischen vertriebenen und einheimischen Katholiken; obwohl Sladek noch sehr konfessionell dachte, ist doch der allgemeinere Titel gewählt. Sladek unterstreicht sein Anliegen, zu einem gegenseitigen Verstehen beizutragen. Dazu gehört für ihn notwendigerweise das ehrliche Benennen von Fehlern und Schwächen. Aus einem derart ehrlichen Umgang könne die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, erwachsen. Als sich die Ausweisung der Deutschen aus der Tschechoslowakei im Jahr 1946 intensivierte und regelmäßig größere Vertriebenentransporte in Bayern eintrafen, mit denen Sladek in erster Linie konfrontiert wurde, wandte er sich sofort direkt an die Ausgewiesenen. Sein Anknüpfungspunkt war die unmittelbare Erfahrung, die aktuelle Situation, die Transporte, die Schicksalsgenossen, die die Heimat verloren hatten, der unerträgliche äußere und innere Druck der letzten Jahre, die unsichere, aber deutliche Erwartung und vielfach die folgende Enttäuschung. In dieser Hoffnungslosigkeit helfe nur das Vertrauen auf Gott und die Einsicht, dass es an diesem Punkt notwendig sei, mit dem Christentum endlich ernst zu machen. Diese Situation der Hoffnungslosigkeit sei ein Krisispunkt, der nicht in die Verzweiflung, sondern in das Hören des Rufes Gottes einmünden müsse. Sladek interpretierte diese Situation der Hoffnungslosigkeit wiederum als Teilnahme am Werk der Erlösung. Er mahnte aber, dass die religiöse Haltung nicht auf dieser theologischen Ebene stehen bleiben dürfe, sondern sich auch in einem tätigen Apostolat der Glaubensverbreitung auswirken müsse. Entsprechend der außergewöhnlichen Situation müssten außergewöhnliche Mittel eingesetzt werden. Sladek forderte das besondere apostolische Engagement der Laien, wozu sie kraft Taufe und Firmung befähigt und gerade in der Diaspora verpflichtet seien.114 Er suchte von den Laien, „von unten“ her zu denken, indem er sie ermunterte, in diesem Glaubenseinsatz Sauerteig und Mittelpunkt zu sein, um den andere sich sammeln zu Gebet, geistlicher Lesung, gegenseitigem Trost, zur Schriftlesung. Sladek verwies auf Anregungen und Hilfestellungen der Hilfsstelle Süd, die aber nur exemplarisch sein könnten. Künftig sei es Aufgabe der Laien, selber ein geeignetes Buch oder geeignete Schrifttexte zu suchen. Über das Engagement für eine spirituelle Stärkung hinaus forderte er den praktischen Einsatz vor Ort: die Idee und zentrale Intention der Ackermann-Gemeinde.115 Von dieser Gruppe der Katholischen Aktion – wie sie Sladek verstanden wissen wollte – gingen vielfältige caritative, sozialpolitische Impulse aus: da kann man an

113

114 115

Zu den Publikationsorganen und Medien der Vertriebenenseelsorge Hans-Jürgen GAIDA, Die offiziellen Organe der ostdeutschen Landsmannschaften. Ein Beitrag zur Publistik der Heimatvertriebenen in Deutschland. Berlin 1973 (= Beiträge zur Politischen Wissenschaft 15). Vgl. OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 110. Zur Ackermann-Gemeinde vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben?, S. 95-109.

94

Abschnitt I

die Tätigkeit von Martha Krause-Lang116 im Bereich der Flüchtlingsverwaltung im bayerischen Innenministerium ebenso erinnern wie an das Engagement von Hans Schütz in der Union der Vertriebenen (UdV) oder in der Sozialpolitik.117

Die Arbeitsstelle für Vertriebenenseelsorge (Nord) Der Leiter der in Abgrenzung zur Münchner Hilfsstelle später so bezeichneten Kirchlichen Hilfsstelle Nord, Oskar Golombek, wurde am 4. Mai 1898 in Wieschowa im Kreis Beuthen in Oberschlesien geboren. In Tarnowitz und Gleiwitz besuchte er das Gymnasium und legte das Abitur ab, in Breslau und München studierte er. Am 17. März 1923 wurde er von Kardinal Bertram118 zum Priester geweiht. Nach mehreren Kaplansstellen in Oberschlesien war er Mitarbeiter beim Reichstagsabgeordneten Prälat Carl Ulitzka.119 1934 wurde er Pfarrer von St. Andreas in Hindenburg, einer Pfarrei mit über 40.000 Gläubigen, die in seiner Amtszeit in drei selbständige Seelsorgeeinheiten aufgeteilt wurde. Nach seiner Vertreibung 1945 stellte Golombek seine Kräfte in den Dienst der Kölner Caritas, unter deren Dach er seit 1946 für die Flüchtlingshilfe zuständig war. Er zog durch das Erzbistum Köln, um mit Hilfe von Predigten bei den Einheimischen die Türen für die Vertriebenen zu öffnen. 1948 berief ihn Kardinal Frings zum Diözesanseelsorger für die Heimatvertriebenen des Erzbistums Köln. Mit der Errichtung der katholischen Arbeitsstelle (Nord) für Heimatvertriebene in Köln 1952 wurde er mit der Leitung dieser Stelle betraut. Golombek, der auch dem Schlesischen Priesterwerk vorstand, wurde 1964 von der Fuldaer Bischofskonferenz zum Sprecher der vertriebenen Priester der Erzdiözese Breslau in den Diözesen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Sein Biograph Waldemar Grosch bezeichnet Golombek als eine der führenden Persönlichkeiten in der kirchlichen Vertriebenenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg.120

116

117 118

119 120

Rainer BENDEL, Grenzen überschreiten. Martha Krause-Lang in ihrem caritativen und seelsorgerlichen Einsatz für Frauen, in: Lydia BENDEL-MAIDL (Hg.), Katholikinnen im 20. Jahrhundert. Bilder, Rollen, Aufgaben. Berlin 2007, S. 187-199. Rainer BENDEL, Hans Schütz und die Sozialpolitik der Vertriebenen. In: Sudetenland 44 (2002), S. 296-303. Vgl. Friedrich Wilhelm BAUTZ: Adolf Bertram. In: BBKL, Band 1 (1975). 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, Sp. 557-558. – Joachim Köhler: Das Bertrambild in der deutschsprachigen Forschung, in: ASKG 54 (1996) 9-54. Kazimierz Dola: Bertram aus der Sicht der polnischen Geschichtsschreibung, in: ebd., 55-70. Rainer Bendel: Die Seelsorge im Pontifikat Kardinal Bertrams – ein Blick auf Desiderate in der Forschung, in: ebd., 219-234. – Jüngst: Sascha Hinkel: Adolf Kardinal Bertram: Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Paderborn, München, Wien, Zürich 2010. Zu Ulitzka vgl. Joseph GOTTSCHALK (Hg.), Schlesische Priesterbilder, Bd. 5. Aalen 1967, S. 100-103 (Künftig zitiert als GOTTSCHALK, Priesterbilder). Waldemar GROSCH, Oskar Golombek (1898 – 1972), in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6. Sigmaringen 1992, S. 176-180 – von Grosch erwarten wir eine umfassende Biographie zu Golombek.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

95

Er war, wie Grosch zu Recht unterstreicht, ein Seelsorger und Mann der Caritas. Er nahm die Not und die Fragen der Einzelnen ernst. Er konnte mit seinen Predigten zusammenhalten. Ihm lag es auch zu repräsentieren. Dass er Gerhard Moschner als persönlichen Referenten gewinnen konnte, prägte der Arbeit der katholischen Arbeitsstelle Nord den unverkennbaren Stempel auf. Denn das vielfältige Engagement der Arbeitsstelle erhielt seine wesentlichen Impulse von Moschner.121 Der Leiter der Arbeitsstelle Süd, Paulus Sladek, wies in einem Schreiben an den Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz für die Heimatvertriebenenseelsorge, Prälat Dr. Hartz, vom 27. Mai 1952 auf ein unmittelbar zurückliegendes Gespräch mit Kindermann und Golombek in Königstein hin. Sie waren dort zusammengekommen, um die aktuellen Sorgen und Aufgaben der Arbeitsstellen zu besprechen. Einige Pläne, die dabei konkretisiert wurden, legte Sladek Prälat Hartz vor.122 Grundsätzlich waren die drei Männer, die man als die führenden Vertriebenenseelsorger bezeichnen kann, im Mai 1952 der Auffassung, dass die Aufgabe der Diözesanflüchtlingsseelsorger in den letzten Jahren nicht geringer geworden sei, vielmehr komme zu der bisherigen Tätigkeit unter den Vertriebenen verstärkt die Verpflichtung hinzu, bei den kirchlichen Stellen und Organisationen und beim einheimischen Klerus Einfluss zu nehmen, damit die Vertriebenen in jeder Hinsicht entsprechend berücksichtigt und Brücken des Verständnisses zwischen Einheimischen und Vertriebenen von beiden Seiten aus geschlagen würden. Offensichtlich waren sie besorgt aufgrund der Wahrnehmung, dass die Problematik der Situation der Vertriebenen nicht mehr im Vordergrund stand.123 Um den anstehenden Aufgaben gerecht werden zu können, forderten die Vertriebenenseelsorger für alle Diözesen Diözesanflüchtlingsseelsorger, die hauptamtlich für diese Aufgabe eingesetzt werden sollten. Zweitens baten sie, dass über die Amtsblätter der Diözesen für die ‚Aktion katholische heimatvertriebene Jugend’ geworben werde, drittens präsentierten sie den Vorschlag Golombeks, eine norddeutsche Ausgabe des Volksboten herauszubringen, ein Plan, der nie realisiert wurde. Viertens wollten sie der drohenden Gefahr, dass sich das Verhältnis zwischen Einheimischen und Vertriebenen gerade auf dem Land nach der Annahme des Lastenausgleichsgesetzes durch die Gesetzgebungsorgane noch weiter verschärfte, dadurch entgegenwirken, dass die Kirche in ihrer Tätigkeit auf die Schaffung des sozialen Friedens zwischen diesen Bevölkerungsgruppen hinwirkte. Die Bischöfe sollten einen entspre-

121

122

123

Matthias LEMPART, Der Breslauer Domvikar und Jugendseelsorger Gerhard Moschner als Organisator der vertriebenen katholischen Schlesier. Ostfildern 2001 (= Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte 12). Prälat Dr. Franz Hartz als Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenz für die Heimatvertriebenenseelsorge wird hier nicht eingehender berücksichtigt. Seine Aufgaben, Initiativen und seine Position in der Thematik sollen der Behandlung des Themas auf bischöflicher Ebene vorbehalten bleiben. Vgl. dazu den Bestand im Archiv der Arbeitsstelle Süd, jetzt integriert in das Archiv der Ackermann-Gemeinde. Hauptstelle München, zugänglich über das EBA München und Freising.

96

Abschnitt I

chenden Hirtenbrief veröffentlichen oder zumindest einen entsprechenden Passus in ihre kommenden Hirtenbriefe einbauen. In seinem Antwortschreiben versuchte Hartz Sladek nicht nur in Bezug auf die bischöfliche Verlautbarung zum Lastenausgleich zu bremsen, er teilte ihm auch mit, dass die Annäherung der Vertriebenenseelsorge an den deutschen Caritasverband vorläufig gescheitert sei und er diese Entwicklung für gut halte.124 Zugleich drückte Hartz dort seine Sorge über den damaligen Aufgabenbereich der Arbeitsstelle in Köln aus: Es sei zu eng zu meinen, dass sich die Arbeit in der Propagierung der Eichendorff-Gilde erschöpfen dürfe – dafür seien die Kirchlichen Hilfsstellen nicht da. Eine deutliche und scharfe Kritik. Als Aufgabenbereiche der Arbeitsstellen für die Vertriebenen – Golombek wollte sie als zentrale Arbeitsstelle Kirche und Heimat bezeichnen, eine Titulierung, die nicht zu kirchlich und nicht zu weltlich klinge, wie er in einem Begleitschreiben an Paulus Sladek begründete125 – formulierte Golombek insbesondere zwei: erstens die Koordinierung der Arbeit der Diözesanseelsorger in ihrem Bemühen, den einheimischen Klerus über die aktuellen Vertriebenenprobleme zu informieren und die Verbindung zu den einzelnen Ordinariaten zu halten. Hinzu kam die Mitsorge um den Vertriebenenklerus, und zwar gedacht als Unterstützung der Tätigkeit des päpstlichen Sonderbeauftragten; dessen bisherige Aufgabenfelder sollten die Arbeitsstellen verbreiternd wahrnehmen, nämlich Predigten und Vorträge bei Tagungen, Treffen, Schulungen und Wallfahrten, um für die Vertriebenenprobleme Verständnis zu wecken und christliche Nächstenliebe zu aktivieren. Golombek war Sprecher der schlesischen Priester und Vorsitzender des schlesischen Priesterwerkes. In dieser Funktion äußerte er sich auf der Mitgliederversammlung des schlesischen Priesterwerkes 1959 über die Aufgaben schlesischer Katholiken für die Erhaltung der Erzdiözese Breslau.126 Die Konzentration der Bildungsarbeit und der geistigen Auseinandersetzung auf den Kreis der Seelsorger, speziell auf die Geistlichkeit, ist auffallend. Dass die Caritashelferinnen ab 1958/59 eigene Jahresta-

124

125

126

„Ich habe nichts gegen den Herrn Dr. Püschel, kenne ihn seit vielen Jahren, schätze seine Arbeit und habe ihn auch in den Flüchtlingsrat aufgenommen. Aber bezüglich der von Ihnen geplanten Verbindung habe ich Bedenken. Zumindestens muss die Sache vorher gründlich besprochen werden. Ich möchte mich und meine Arbeit nicht einfach auffressen lassen. Zudem weiß ich aus mehreren Gesprächen, dass Dr. Püschel den Arbeitsstellen in der gegenwärtigen Form nicht sympathisch gegenübersteht und darin hat er Bundesgenossen bis in den Episkopat hinein, wo man immer lauter die Meinung hören kann, es sei nicht der Sinn kirchlicher Subventionen, damit landsmannschaftliche Aufgaben zu finanzieren.“ (Prälat Dr. Franz Hartz an Paulus Sladek am 3. Juni 1952.). Vgl. Archiv der Hilfsstelle Süd München, Brief von Oskar Golombek an Paulus Sladek vom 14. Juni 1951 mit der Anlage eines Exposés über die Aufgaben der zentralen Arbeitsstellen „Kirche und Heimat“. Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung des schlesischen Priesterwerkes Königstein, Haus der Begegnung, 11. August 1959, S. 4. Abgelegt im Archiv der Apostolischen Visitatur Breslau in Münster unter Schlesisches Priesterwerk, Ordner Mitgliederversammlung/Vorstandssitzungen.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

97

gungen mit ähnlicher inhaltlicher Füllung wie die schlesischen Priester und Theologen erhielten, ging im Wesentlichen auf eine Initiative von Gerhard Moschner zurück.

4.3.

Der Katholische Flüchtlingsrat

Der Limburger Bischof Ferdinand Dirichs hatte als Vertriebenenbischof für den 31. März 1948 zu einer Besprechung über Fragen der katholischen Flüchtlingshilfe nach Limburg geladen. Angezielt war eine Absprache und Arbeitsteilung unter den Organisationen, die im Bereich der Vertriebenenarbeit in der katholischen Kirche tätig waren.127 Für den Deutschen Caritasverband (DCV) nahmen teil: der Präsident Dr. Benedikt Kreutz128, Generalvikar Franz Wosnitza129, Direktor Anton Wopperer, Elisabeth Denis130 und Dr. Erich Püschel, für den Raphaelsverein nahm Pater Friedrich Fröhling teil, für die Kirchliche Hilfsstelle Albert Büttner und Pater Paulus Sladek und vom Bistum Limburg Domkapitular Joseph Lamay; das Priesterreferat in Königstein und der Bonifatiusverein hatten sich entschuldigt. Das Gespräch kam zu dem Ergebnis, dass sich die Flüchtlingshilfe der katholischen Kirche in vier Bereiche gliedere, nämlich die Seelsorge, die Caritas, einschließlich Auswanderung, die Volksgruppenarbeit und die Selbsthilfe und Siedlung. Die Gesprächsteilnehmer schlugen die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe unter dem Vorsitz des Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz vor. Dieser Arbeitsgemeinschaft, der das Priesterreferat, die Kirchliche Hilfsstelle, der DCV und der Bonifatiusverein angehören sollten, wollte die stete Zusammenarbeit fördern und den Gedanken- und Erfahrungsaustausch kontinuieren. Als zweites wichtiges Ziel wurde die Vorbereitung eines Katholischen Flüchtlingsrates (KFR) beschlossen, „dem in der Mehrheit namhafte Flüchtlinge aller Stämme und Stände angehören sollen“.131 „Gegenüber den bereits bestehenden Einrichtungen und Flüchtlingsausschüssen soll der Katholische Flüchtlingsrat das Flüchtlingsproblem in allen seinen Beziehungen und in seiner ganzen räumlichen Ausdehnung selbstverantwortlich mitberaten und mittragen.“132 Die Berufung in den Flüchtlingsrat, so wollte es die Runde, sollte auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe in Verbindung mit den landsmannschaftlichen Gruppen durch den Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz erfolgen. Generalvikar Wosnitza, der in Frankfurt die Aufgabe übernehmen sollte, einen Fachausschuss für

127 128 129 130 131 132

KZG Bonn, Bestand Königstein 3074. Zu Benedikt Kreutz vgl. Konrad HILPERT, Kreutz, Benedikt, in: BBKL, Band 4 (1992), Sp. 650652. Maik SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza (1902 – 1979). Ehemaliger Generalvikar von Kattowitz. Münster 2010 (= Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte 21). Martin PATZEK, Im Dienste der Jugend – offen dem Anruf der Zeit: Elisabeth Denis und IN VIA – Deutscher Verband katholischer Mädchensozialarbeit. Freiburg Univ. Diss. 1989. KZG 3074, Protokoll der Besprechung vom 31. März 1948, zwei Seiten masch., S. 2. Ebd.

98

Abschnitt I

caritative Flüchtlingshilfe aufzubauen, wurde gebeten, die vorbereitenden Arbeiten für die Bildung eines Flüchtlingsrates zu übernehmen. Die Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe tagte noch einmal am 14. Juli 1948 in Limburg mit deutlich mehr Teilnehmern als im März, konnte sich aber nach Dirichs Tod nicht auf Dauer etablieren. Umgesetzt hingegen wurde Punkt zwei der Märzbesprechung: Am 23. August 1948 traf sich erstmals der Katholische Flüchtlingsrat in Frankfurt am Main, dann am 7. Dezember 1948 in Köln-Hohenlind.133 Dass der Arbeitsgemeinschaft als Koordinations- und Beratungsgremium Bedeutung beigemessen wurde, zeigt die deutlich erweiterte Teilnehmerzahl an der Sitzung am 14. Juli 1948. Zusätzlich zu den oben genannten Organisationen und Personen vermerkt das Protokoll drei Teilnehmer des Bonifatiusvereins, Kindermann für das Priesterreferat, einen Vertreter des Katholischen Siedlungsdienstes, Gerhard Moschner134 für die Jugendzentrale Haus Altenberg, den ehemaligen Oberpräsidenten Dr. Hans Lukaschek135, den Münchner Landtagsabgeordneten Hans Schütz, den ermländischen Erzpriester Josef Lettau136, Dr. Konrad Theiss137, der die Caritasflüchtlingshilfe in Stuttgart mitaufgebaut hatte, Ordinariatsrat Dr. Gustav Braun und Dr. Ludwig Hinz aus Rulle bei Osnabrück. Heftig diskutiert wurde nach Ausweis einer Protokollskizze über die Träger der Flüchtlingsseelsorge – während Kindermann dafür votierte, dass die vertriebenen Priester die geborenen Seelsorger der Vertriebenen seien, opponierte Prälat Gabriel vom Bonifatiusverein mit der Forderung, verstärkt einheimische Geistliche in diesem Aufgabenfeld einzusetzen –, über die Möglichkeit, Königstein zu erhalten und auszubauen und über den Lastenausgleich; in diesem Punkt hielt die Skizze „ziemlich scharfe gegenständliche Standpunkte“ fest.138

133 134 135

136

137 138

Das Protokoll der ersten Sitzung in KZG 3074, vier Seiten masch. Zu Moschner: LEMPART, Domvikar Gerhard Moschner. Hans Lukaschek (1885 – 1960) Oberpräsident von Oberschlesien 1929 – 1933; 1947 – 48 Amtsgerichtsrat in Königstein/Ts., 1949 Leiter des Hauptamtes für Soforthilfe in Bad Homburg, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 1949 – 1953, Vorsitzender des Katholischen Flüchtlingsrates. Hans-Ludwig ABMEIER, Hans Lukaschek, in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 65-69. Josef Lettau 1898 in Königsberg geboren, 1959 in Warburg/Westfalen gestorben, Erzpriester von Wormditt, Caritasdirektor und Leiter des Seelsorgeamtes im Bistum Ermland, 1948 übernahm er die Leitung der Caritas-Schulungsstätte auf Schloss Vinsebeck, seit 1950 beim Diözesan-Caritasverband Paderborn, seit 1952 Religionslehrer am Gymnasium in Warburg. Otto HARWARDT, Prälat Lettau zum Gedächtnis, in: Ermlandbriefe 13 (1960), Nr. 3, S. 3f. Zu Theiss vgl. BENDEL, Die Fremde wird zur Heimat, S. 173-176. Die Skizze wie das vierseitige Protokoll in KZG Bestand Königstein 3074 – das Protokoll vermerkt die hitzige Debatte nicht mehr, hält als Ergebnis nur das Votum fest: „Die Behebung der gegenwärtigen sozialen Notstände ist weitgehend abhängig von dem bevorstehenden gesetzlichen Lastenausgleich. Der Episkopat möge an die zuständigen Staatsstellen einen Appell richten, dass dieser Lastenausgleich in voller Würdigung der moralischen und politischen Konsequenzen für das Volksleben, insbesondere für die Heimatvertriebenen gestaltet werde. Wirksame Hilfe ist nicht vom Buchstaben des Gesetzes und seiner bürokratischen Handhabung zu erwarten, sondern von der moralischen Bereitschaft der deutschen Menschen in den Gemeinden, Berufsverbänden usw.“ (S. 3) Das Protokoll vermerkt auch nicht mehr die in der Skizze fixierte

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

99

Die Funktion der Aufgabenumschreibung, Koordinierung, des Ausgleichs zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen, der Stimme nach außen, übernahm rasch der aus dieser Arbeitsgemeinschaft erwachsene Katholische Flüchtlingsrat.139 Dessen Aufgaben wurden von Dirichs in der zweiten Sitzung am 7. Dezember 1948 noch einmal kurz umrissen und im seelsorglichen, kulturellen, sozial-wirtschaftlichen und politischen Bereich verortet. Auf dieser Sitzung wurde Lukaschek, von 1949 bis 1953 der erste Vertriebenenminister im ersten Kabinett Adenauer, zum ständigen Vorsitzenden des Katholischen Flüchtlingsrates ernannt.140 Die freie Tagesordnung dieser Sitzung schälte die dringlichsten Aufgabenbereiche der Vertriebenenseelsorge 1948 heraus und umschrieb damit auch die zentralen Aktionsfelder des KFR: Für die Seelsorge wurden die Versorgung der Diaspora mit ausreichend Priestern und die Sorge für die Ausbildung des Priesternachwuchses (Votum für ein Vollseminar in der Ostzone und Ausbau Königsteins zum Vollseminar) markiert. Die Caritas als unentbehrliche Seelsorgshilfe müsse nach der Währungsreform noch intensiviert werden. Ausführlich besprochen wurde das sozialpolitische Aufgabenfeld: Die Kirche müsse ihre weitbeachtete Autorität bewahrheiten und zur Besserung der sozialen Lage der

139

140

Aufgabe an Kindermann, in Verbindung mit Kardinal Frings ein Gutachten zum Lastenausgleich auszuarbeiten, das den Gedanken der iustitia distributiva entsprechend würdigen sollte. Dazu war in der ersten Sitzung des KFR am 23. August 1948 im Katholischen Studentenhaus in Frankfurt festgehalten worden: „An den letzten Punkt des Berichtes [gemeint ist der Bericht über die bisherige Arbeit der Vertriebenenseelsorge, v.a. des Vertriebenenbischofs und der Arbeitsgemeinschaft für Katholische Flüchtlingshilfe; Anmerkung des Autors] schloss sich eine ausführliche Diskussion über den „Flüchtlingsrat“ an, die folgende wertvolle Gedanken brachte: Wir möchten nicht als Fordernde stehen, sondern sind dankbar, wenn die Bischöfe unsere Stimme hören, denn es ist die Tragik der Flüchtlingsfrage, dass uns der Westen n i c h t hört (Lukaschek). Die Fronten zwischen den Einheimischen und den Flüchtlingen haben sich versteift. Durch die Ernennung des Bischofs Dirichs ist die Bresche in die Front der Einheimischen geschlagen. So wie sich der „Flüchtlingsbischof“ [e.A. gemeint ist hier Kaller als Bischof von Ermland, selbst ein Vertriebener, als erster Sonderbeauftragter für das Flüchtlingswesen] einen Rat von Einheimischen hätte zusammenholen müssen, um ernstlich an die Lösung des Flüchtlings-Problems zu gehen, so sollte nun der „Flüchtlingsrat“ sagen, was die Meinung der kath. Menschen in der Flüchtlingsfrage ist (Hinz). Darüber hinaus sollte die Führung der Flüchtlinge vom Kirchlichen her sichergestellt werden (Schütz). Allgemein wird eine immer größere Radikalisierung der Flüchtlinge sichtbar, so läge auch eine wesentliche Aufgabe des Flüchtlingsrates darin, den Wildwuchs unter den Flüchtlingen zu vermeiden (Nahm). Auch in die Öffentlichkeit im Land und in der Welt sollte der Flüchtlingsrat seine Stimme erheben (Theiss). Kurzprotokoll der ersten Sitzung des Katholischen Flüchtlingsrates, Frankfurt/M., am 23.8.1948, 5 Seiten masch., S. 2f. Der neu ernannte Vorsitzende skizzierte den Rahmen der Aufgaben des Gremiums: „Dr. Lukaschek betonte nochmals, dass das Flüchtlingsproblem nicht von der Bürokratie gelöst werden könne sondern nur von der Gesellschaft. Diese müsse durch das Kirchenvolk beeinflusst und unterstützt werden, um den wirtschaftlichen und moralischen Verfall aufzuhalten. Der Kath. Flüchtlingsrat wolle hierzu beisteuern, indem er die Lage der Heimatvertriebenen studiere u. dem Episkopat die Stimme des Flüchtlingsvolkes zu Gehör bringe. (KZG Bonn, Bestand Königstein 3074, Protokoll vier Seiten masch, S. 4.

100

Abschnitt I

Heimatvertriebenen voll einsetzen.141 Der KFR votierte gegen die Gründung einer eigenen Flüchtlingspartei, da eine solche Gründung die Zersplitterung der konstruktiven politischen Kräfte mit sich brächte. Er kritisierte deutlich die ersten Schritte zum gesetzlichen Lastenausgleich; sie dienten allenfalls der Entlastung der öffentlichen Wohlfahrt, könnten aber nicht als wesentlicher Ansatz zum Lastenausgleich gewertet werden.142 „Weite Kreise der notleidenden Flüchtlinge sind damit überhaupt nicht erfasst, und es muss daher mit aller Beschleunigung das endgültige Lastenausgleichsgesetz zur Verabschiedung gelangen... Der Lastenausgleich hat ein hochpolitisches Gesicht (vor allem im Hinblick auf die Ostgefahr) und ist daher von der Staatsgewalt mit aller Gründlichkeit zu verwirklichen. Der Lastenausgleich hat aber auch ein sittliches Gesicht, so dass die Kirche für seine wirksame Gestaltung sich einsetzen muss im Sinne einer christlichen Harmonisierung der einheimischen und eingewiesenen Bevölkerung. Der Kath. Flüchtlingsrat hält die Einrichtung eines besonderen Lastenausgleichs-Amtes für erforderlich. In einer solchen staatlichen Behörde, welche den Lastenausgleichsfonds zu verwalten hätte, müsste auch die Kirche vertreten sein, um ihre Sachauffassung zur Geltung bringen zu können.“143 Dem Flüchtlingsrat stand – zeitlich beinahe parallel zur Amtszeit des Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen als Vertriebenenbischof (1957 – 1982) – Peter Paul Nahm vor, eine zentrale Gestalt in der (kirchlichen) Vertriebenenintegration.144 Im rückblickenden Dankeswort zur Feier der 25-jährigen Amtszeit als Vertriebenenbischof erwähnte Janssen ihn eigens namentlich und dankte auch den Politikern aus den Reihen der Heimatvertriebenen ausdrücklich.145 Auf der Tagung des Katholischen Flüchtlingsrates am 28. und 29. November 1960 in Köln-Hohenlind übertrug Josef Kardinal Frings von Köln, der Protektor der Vertriebenen, nach dem Tod des früheren Bundesvertriebenenministers Hans Lukaschek (1885 – 1960) Peter Paul Nahm das Amt des Präsidenten des Katholischen Flücht-

141 142 143 144 145

Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Rainer BENDEL, Peter Paul Nahm (1901 – 1981), in: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 227-231. „Dass dabei immer auch Schwestern und Brüder, helfende Menschen, zur Seite stehen, nicht nur mitgehen, sondern auch in Gottes Auftrag oder, von ihm angetrieben, mit zupacken, das möchte ich auch bei diesem Anlass besonders dankbar bekennen. Ich will keine Namen mehr nennen, nur den einen noch, der heute noch nicht gefallen ist: Peter Paul Nahm – Staatssekretär Dr. Nahm. Ich nenne ihn, weil gerade er als Laie mir auch im seelsorglichen Bereich so sehr geholfen hat. Ich nenne ihn, weil er stets für die Politiker, die im Bereich der Heimatvertriebenen ungewöhnlich viel getan, getragen, durchgestanden und dann auch erreicht haben, einstand. Das möchte ich heute als Vertriebenenbischof besonders dankbar sagen: Vieles in der Seelsorgearbeit wäre gar nicht möglich gewesen, wenn nicht unsere Politiker aus den Reihen der Heimatvertriebenen so an unserer Seite gestanden, in einer so guten Weise uns geholfen hätten, diesen unseren Dienst zu erfüllen.“ Heinrich Maria JANSSEN, Ein Wort des Dankes, in: KATHOLISCHER FLÜCHTLINGSRAT (Hg.), Bischof H. M. Janssen – 25 Jahre Vertriebenenbischof. Limburg [1982], S. 59-63, 61.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

101

lingsrates, „unter großem Beifall der Teilnehmer“, wie das Protokoll ausdrücklich vermerkt. Prälat Gustav Braun, der stellvertretende Vorsitzende des Rates, beglückwünschte ihn zu diesem Ehrenamt und hob hervor, dass Nahm zwar kein Heimatvertriebener oder Flüchtling sei, aber dem Flüchtlingsrat schon seit vielen Jahren als Mitglied angehöre und sich vor allem im staatlichen Bereich den Ruf eines erstrangigen Experten und Sachwalters im Vertriebenen- und Flüchtlingssektor erworben habe. Oft begegnete Nahm als Redner auf Tagungen und Zusammenkünften heimatvertriebener Geistlicher. Ihm genügte es nicht, der Not der Heimatlosen mit Verwaltungsmaßnahmen zu begegnen; er nahm das Schicksal jedes einzelnen Menschen wahr und ernst. In seinen Schriften steckt viel von seinen Intentionen, seiner Haltung, seiner Weltsicht, auch seiner Empathie. Diese Publikationen, die auf seinen Erfahrungen in der langjährigen Praxis der Eingliederung der Vertriebenen beruhen und jeweils die neuesten Erkenntnisse der Vertriebenenforschung auch weiteren Kreisen der einheimischen Bevölkerung und den Politikern bekannt machen wollten, sind Plädoyers für eine nachgehende Seelsorge, für ein vielschichtiges Wahrnehmen der Probleme der Eingliederung der Vertriebenen, die sich nicht auf berufliche und ökonomische Dimensionen reduzieren ließ. Ganz selbstverständlich sprach er bereits in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts von der psychologischen Dimension dieser Aufgabe – die Heimatlosigkeit erfordere eine eigene Therapie. Sein mit allem Nachdruck und mit Hartnäckigkeit verfolgtes Ziel lautete Integration der Vertriebenen, ein Prozess, der in Nahms Augen alle Anstrengung, viel Geduld und die Bereitschaft, Gewohnheiten und Sicherheiten aufzugeben, erforderte. An die Adresse der Vertriebenen appellierte er, der Realität Stand zu halten und bereit zu sein zum Engagement in der Aufnahmegesellschaft, zur Selbsthilfe, zum selbstbewussten Wahrnehmen der Aufgaben und Rechte – an die der Einheimischen, das Vertriebenenschicksal im eigenen Volk nicht zu verdrängen oder zu marginalisieren. Nahm bedauerte, dass die Bevölkerung die Aufgaben und Chancen nicht ausreichend wahrgenommen habe, Chancen, die er sehr positiv bewertete, nicht nur wegen des Aufbaus der Vertriebenenindustrie oder der Stärkung des ökumenischen Bewusstseins und Verhaltens, sondern wegen der Impulse evolutionärer Art, die von den Vertriebenen hätten ausgehen können. Er ermunterte die Vertriebenen, die die Sicherheiten und Gewohnheiten von Tradition und Milieu verloren hatten, diesen Verlust auch als Chance zu begreifen, zur Triebkraft in der Gesellschaft zu werden und ihre Erlebnisse in der Literatur, in der bildenden Kunst, in der Philosophie sich niederschlagen zu lassen; die kritische Auseinandersetzung mit dem Vergangenen müsse zu wirklich entscheidenden Schritten nach vorwärts führen. Nahm, selbst nicht Vertriebener, warb um Verständnis für die Position der Einheimischen bei den Vertriebenen und umgekehrt und forderte alle Beteiligten in diesem umfassenden und vielschichtigen Prozess der Integration zur Reflexion und Korrektur ihrer eigenen Standpunkte und Haltungen auf. Die Bedeutung der Religion, der Kirchen für den Beheimatungsprozess erkannte Nahm sehr früh und schätzte ihn hoch ein. Dass die Heimatpfarreien zerschlagen wurden, sah er als eine Radikalisierung der Entwurzelung an, die die Aufnahme in die

102

Abschnitt I

Ankunftsgemeinde umso notwendiger, aber auch schwieriger und mit großer Sensibilität zu handhaben machte. Auch hier galt für ihn: Die Aufnahme als purer Verwaltungsakt, allenfalls flankiert von caritativen Maßnahmen, genügte nicht den Bedürfnissen der Vertriebenen, die mit einer „seelischen Sonderlast“ ankamen, „die im umgekehrten Verhältnis zum Flucht- und Ausweisungsgepäck der Vertriebenen stand“. Seine Sensibilität und Wahrnehmungsbreite ließen ihn die Trümmer in Geist und Seele erkennen und führten ihn zu der Überzeugung, dass die Vertriebenen im Aufnahmebereich von Anfang an den Reichtum ihres kulturellen und religiösen Erbes einbringen und das Leben in den Gemeinden aktiv mitgestalten sollten. Er warnte die Vertriebenen davor, sich im Selbstmitleid zu verlieren und die Kausalität zu übersehen: als Grund des Übels konstatierte er deutlich die „nationalistische Irrlehre“. Seine Wertschätzung für den Einsatz der vertriebenen Geistlichen für die Vertriebenen und als Brückenbauer, als die Mittler, die den Einheimischen die religiöse Eigenart der Vertriebenen erklärten, brachte Nahm an vielen Stellen zum Ausdruck. Als langjähriger Präsident des Katholischen Flüchtlingsrates unterstützte und förderte er das Engagement der Laien, deren Mitarbeit in den Parteien und in den kirchlichen Gruppen und Organisationen. Den Einsatz gerade der christlich orientierten Politiker für die Entspannung der sozialen Lage der jungen Bundesrepublik durch das zähe, aber auf Ausgleich bedachte Ringen um die entsprechende Gesetzgebung würdigte Nahm nicht zuletzt in seinen „Skizzen zur Lage, Haltung und Leistung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Eingesessenen nach der Stunde Null“.146 Er arbeitete für die Integration der Vertriebenen, kannte eine Unzahl von Einzelfällen, wusste um die Rechtslage, um deren Ausgestaltung, um deren Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen und arbeitete in seinen Publikationen gleichzeitig über die Integration der Vertriebenen, er systematisierte, reflektierte, appellierte auch, ohne die Vielzahl und Vielfalt der Schicksale aus den Augen zu verlieren, ja in einem eigenen Band dokumentierte er sie sogar.147

4.4.

Wie konnte die besondere Seelsorge organisiert werden?

Es kristallisierten sich unterschiedliche Modelle heraus: Vom Kardinal-Bertram-Werk in Hildesheim über die Hedwigswerke, vor allem in den nordwestdeutschen Diözesen bis zu den Eichendorff-Gilden im Süden und Südwesten und der AckermannGemeinde, dem Hilfsbund für die Karpatendeutschen und dem Gerhardswerk für die Südostdeutschen148.

146 147 148

Peter Paul NAHM, ...doch das Leben ging weiter. Skizzen zur Lage, Haltung und Leistung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Eingesessenen nach der Stunde Null. Köln, Berlin 1971. Peter Paul NAHM, Nach zwei Jahrzehnten. Erlebnisberichte über Flucht, Vertreibung und Eingliederung. Wolfenbüttel 1965. Vgl. dazu ausführlicher Rainer BENDEL, Die Fremde wird zur Heimat. Integration der Vertriebenen in der Diözese Rottenburg. Berlin 2008, v.a. S. 311-412.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

103

Das Modell der Hedwigswerke Die Hedwigswerke waren, analog dem Kardinal-Bertram-Werk in der Diözese Hildesheim, diözesan orientiert. Sie wollten Vertriebene aller Herkunftsgruppen in der entsprechenden Diözese zusammen führen. Das St.-Hedwigswerk für die Erzdiözese Paderborn und für die Diözese Osnabrück beispielsweise wurde 1947 auf den Heimattagen in Lippstadt gegründet. Es verstand sich als ein Bildungswerk der katholischen Heimatvertriebenen auf dem Boden der Diözese und der Pfarrei. Wichtig war die diözesane Verfasstheit dieser Organisation; sie entsprach deutlicher den Vorstellungen der Katholischen Aktion als etwa die Eichendorff-Gilden und die Ackermann-Gemeinde. Mit diesem kirchlichen Verein sollten die katholischen Ostvertriebenen zur religiösen Betreuung zusammengefasst werden, wobei auch die kulturellen Werte der Heimat gepflegt wurden.149 An der Spitze des Hedwigswerkes stand der Diözesanbischof, der aus der Reihe der ostvertriebenen Geistlichen den Diözesanpräses wählte. In jeder Pfarrei mit einer größeren Anzahl Ostvertriebener sollte ein eigener Hedwigskreis gegründet werden, dessen Präses der Ortspfarrer oder ein von ihm beauftragter Geistlicher war.150 Ausdrückliches Ziel des Hedwigswerkes war es, den Caritas- und Fürsorgeempfängerflüchtling als Kulturträger des deutschen Ostens zu präsentieren, das Selbstgefühl zu wecken und zu stärken und so die Verantwortung des Heimatvertriebenen für die Heimatwerte zu sensibilisieren. Es sollte den entwurzelten Menschen ein Stück geistiger Heimat gegeben und gleichzeitig eine Vermittlung zur neuen Heimat eröffnet werden, ohne das Recht auf die angestammte Heimat aufzugeben. Die Ackermanngemeinde verfolgte ein Prinzip der kirchlichen Vertriebenenbetreuung, das vor allem von der Kirchlichen Hilfsstelle Süd in München verfochten wurde und die effizienteste Art der Vertriebenenseelsorge darin sah, die Vertriebenen in Gruppen nach ihren Herkunftsregionen zu betreuen: also die Eichendorffgilde für die Schlesier zu unterstützen, die Ackermanngemeinde für die sudetendeutschen Vertriebenen, den Hilfsbund der Karpatendeutschen und nicht zuletzt das später dann St. Gerhardswerk genannte Hilfswerk für die Deutschen aus dem Südosten Europas.

Landsmannschaftlich und damit überdiözesan ausgerichtete Organisationen Die Eichendorff-Gilde „ist ein Zusammenschluss schlesischer Katholiken ohne Unterschied des Standes oder Herkommens. Sie hat nicht die Form eines straff geführten Vereins mit Statuten, Satzungen, Vereinsfahne und Abzeichen, die von den anderen absondern und abschließen sollen, sondern ist eine mehr durch die Idee und Aufgabe verbundene Arbeitsgemeinschaft, die sich immer nur als Teil des Ganzen und zum

149

150

Vgl. das St.-Hedwigswerk, ein Bildungswerk der katholischen Heimatvertriebenen, in: Archiv der Apostolischen Visitatur Breslau in Münster, Karton Korrespondenz mit St.-Hedwigswerken. Dort gibt es auch umfangreiche Manuskriptfragmente zur Geschichte der St.-Hedwigswerke. St.-Hedwigswerk, ein Bildungswerk der katholischen Heimatvertriebenen, S. 49.

104

Abschnitt I

Dienst am Ganzen verpflichtet fühlt. Die einzelnen Gilden genießen daher eine weitgehende Selbständigkeit und arbeiten nach den örtlichen Gegebenheiten, verpflichten sich jedoch zu einem gewissen Beitrag pro Kopf ihrer Mitglieder an die Zentralstelle, die von der ‚Arbeitsgemeinschaft der Eichendorff-Gilden‘ getragen wird.“151 Über Verbreitung, Mitglieder, Struktur, den schwankenden Erfolg, auch über die Zielsetzung der Eichendorff-Gilde informiert die Arbeit von Rainer Bernd.152 Sehr deutlich wird deren Idealität an den Umschreibungen der Zielsetzungen: Sie richten sich auf der materiellen Ebene auf eine umfassende brüderliche Hilfestellung und Hilfsbereitschaft in der Not, beruhend auf der religiösen Grundlage. Auf der geistigen Ebene soll das religiös-kulturelle Erbe der Heimat bewahrt und im Westen das Wissen um die Leistung und die Aufgabe der Schlesier und Schlesiens geweckt und vertieft werden, damit ein Brückenschlag zwischen Vertriebenen und Einheimischen möglich werde. Tiefer noch zielt das Anliegen, das Vertriebenenschicksal solle aus der Kraft des Glaubens gemeistert werden, die Treue zur Heimat und das Verantwortungsbewusstsein für die Heimat solle religiös begründet werden. „So will sie ein gesundes Selbstbewusstsein der Schlesier trotz aller äußeren Verluste wecken, das Wissen um die Schicksalsgemeinschaft der Schlesier bestärken, ihre wirtschaftliche und soziale Eingliederung und Sicherstellung fördern, zugleich aber auch die Voraussetzung für eine echte Verständigung mit den Einheimischen schaffen und so die Fragen der Erhaltung und Wiedergewinnung des deutschen Ostens als eines Landes jahrhundertealter abendländisch christlicher Tradition als gemeinsame Aufgabe dem ganzen deutschen Volke vor Augen stellen.“153 Die Arbeitsgemeinschaft der Eichendorff-Gilden kooperierte eng mit der katholischen Arbeitsstelle Süd unter Paulus Sladek und der Arbeitsstelle Nord unter Oskar Golombek. Die Arbeitsstellen hielten die Verbindung zum Episkopat und zu den anderen katholischen landsmannschaftlichen Organisationen.154 Das Heimatwerk schlesischer Katholiken Gerhard Moschner war wesentlicher Mitinitiator des ‚Heimatwerks schlesischer Katholiken‘, das auf einer Versammlung in Königstein am 25. und 26. Mai 1960 aus der Taufe gehoben wurde. Auf einer Präsidiumssitzung des Heimatwerks am 4. Oktober 1960 in Köln wurde Moschner zum Geschäftsführer gewählt.155

151 152

153 154 155

ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EICHENDORFFGILDEN (Hg.), Schlesien als Erbe und Aufgabe. Was ist und will die Eichendorffgilde? Grundsätze und Werkmaterial. München o.J. [1952], S. 3-5. Rainer BERND, Die Anfänge der Eichendorff-Gilde – einer bewusst katholischen Vertriebenenorganisation der ersten Stunde. Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des ersten Staatsexamens für das Lehramt an Gymnasien an der theologischen Fakultät in Trier, eingereicht 1997. ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EICHENDORFFGILDEN, Schlesien als Erbe und Aufgabe, S. 4. Ebd., S. 5. Vgl. Archiv der Apostolischen Visitatur Breslau in Münster, Ordner Heimatwerk schlesischer Katholiken, Protokoll der Sitzung des Heimatwerks schlesischer Katholiken, Präsidium, am 4. Oktober 1960 in Köln, Georgstraße 20.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

105

„Das Heimatwerk schlesischer Katholiken ist der Zusammenschluss der Vereine und Gemeinschaften, die ihre Aufgabe in der Sammlung der heimatvertriebenen schlesischen Katholiken sehen. Es will die Ziele dieser selbständigen Vereine und Gemeinschaften fördern und eine geschlossene Repräsentanz des schlesischen Katholizismus in der Bundesrepublik schaffen.“156 Als Aufgaben wird eine breite Palette formuliert: die Verbundenheit mit der Heimatdiözese und das Gemeinschaftsbewusstsein durch den Zusammenschluss der schlesischen Katholiken zu fördern, das religiöse Leben aus den Kräften der religiös-kirchlichen Tradition der Heimat zu aktivieren, kulturelles Erbe und schlesisches Volkstum zu entwickeln und zu pflegen, im kirchlichen, sozialen und politischen Bereich an der Beheimatung der Vertriebenen mit zu arbeiten und sich auf der rechtlichen Ebene für die Anerkennung des Heimat- und Selbstbestimmungsrechtes wie für die Wiedervereinigung des deutschen Vaterlandes in Frieden und Freiheit einzusetzen.157 Zusammengeschlossen wurden im Heimatwerk schlesischer Katholiken die Eichendorff-Gilde, der Matthesianerverband, die Vereinigung katholischer Edelleute Schlesiens, das schlesische Priesterwerk und die Aktion junges Schlesien.158 Daneben wurden die Gemeinschaft der aus Schlesien stammenden Caritasfürsorgerinnen, das Heimatwerk schlesischer Katholiken in der Diözese Hildesheim und das Heimatwerk schlesischer Katholiken in der Diözese Münster aufgenommen.159 Die Initiativen auf religiösem Gebiet, die vom Heimatwerk ausgehen, unterscheiden sich nicht von denen der Gliedgemeinschaften. Sie stammen im Wesentlichen von Moschner. Ein Beispiel für eine landsmannschaftlich orientierte katholische Vertriebenenorganisation: Die Ackermann-Gemeinde Die Ausführlichkeit der folgenden Ausführungen ist nicht allein dem Umstand geschuldet, dass die Ackermann-Gemeinde mit Abstand zur mitgliederstärksten katholischen Vertriebenenorganisation wurde, sondern auch dem Faktum ihrer engen Verbundenheit als sudetendeutsche Organisation mit Königstein. Sie entwickelte sich zu einem wichtigen Vehikel der Ideen und Initiativen in die sudetendeutsche Volksgruppe hinein, auch zu einem wichtigen Medium der Betreuungsarbeit Paulus Sladeks.160

156 157 158 159

160

Vgl. Satzung Heimatwerk schlesischer Katholiken, in: Protokoll der Sitzung des Heimatwerks schlesischer Katholiken 4.10.1960, § 1. Vgl. Satzung Heimatwerk schlesischer Katholiken, §1. Vgl. in Satzung Heimatwerk schlesischer Katholiken den § 4 über die Gründungsmitglieder. Vgl. Archiv der Apostolischen Visitatur Breslau in Münster, Ordner Heimatwerk schlesischer Katholiken, Punkt 4 des Protokolls der Tagung des Heimatwerks schlesischer Katholiken am 25./26. Mai 1960 in Königstein, S. 6. Bernhard Joachim PIEGSA, Die „Ackermann-Gemeinde“ in Bayern, Magisterarbeit an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth 1995, 103 Seiten MS und Matthias RICHTER, Die Selbstdarstellung der Ackermann-Gemeinde in ihren Publikationen unter Berücksichtigung ihrer Entstehung und historischen Entwicklung, Magisterarbeit Universität München 1986, 104 Seiten MS.

106

Abschnitt I

Anfang Januar 1946 bereits plante Sladek die Schaffung einer religiösen Gemeinschaft der Flüchtlinge.161 Die Flüchtlinge seien durch den Verlust der Heimat entwurzelt worden, ein Vorgang, der sich in religiöser Hinsicht verheerend ausgewirkt habe. Sladeks Anliegen war die Konkretisierung seines Ideals des Laienapostolats durch die Errichtung einer kirchlich approbierten Bruderschaft, und zwar überall dort, wo sich eine größere Anzahl von Flüchtlingen befand – die kirchliche Approbation strebte er deswegen an, damit die Bruderschaft ohne besondere Unterstützung durch die Ortsseelsorge religiös tätig werden konnte. Die Bruderschaft sollte kollegial von einem Rat von drei oder vier Männern und Frauen geleitet werden. Richtlinien und Anregungen zur Arbeit sollten von einer Zentrale kommen, die sich Sladek wohl an der Kirchlichen Hilfsstelle in München dachte, die also von ihm selber ausgehen könnten. Die Bruderschaft sollte sich regelmäßig treffen und Andachten abhalten. Ähnlich wie er sich die sudetendeutsche Jugendbewegung als Sauerteig für den völkischen Aufbruch, ja für das gesamte Sudetendeutschtum gedacht hatte,162 bestimmte Sladek diese Bruderschaft als eine Kernschar bei der seelsorgerlichen Einflussnahme auf alle übrigen Flüchtlinge. Sie sollte sich dem Pfarrer für Seelsorgshilfe und caritative Betreuung der Vertriebenen zur Verfügung stellen. Durch regelmäßige Gottesdienste im Abstand von zwei oder vier Wochen und in großen Wallfahrten sollten Brücken zu den übrigen Vertriebenen geschlagen werden. Die Sammelbewegung Bruderschaft sollte in regional gegliederte Apostolate ausdifferenziert werden. Intentionen waren ein vorbildliches christliches Leben, ein geduldiges Ertragen des Flüchtlingsschicksals im Geist der Sühne und der Armut und der Kampf gegen Hass und Rachegedanken. Einen zentralen Stellenwert nahm die Verehrung der Gottesmutter als Mutter der Heimat ein – Gedanken aus dem Sühnegebet der Heimatlosen wurden auch hier aufgegriffen und integriert. Der Gründerkern der Kirchlichen Hilfsstelle Süd in München, Paulus Sladek, Hans Schütz und Richard Mai, bildete weitgehend auch den Initiativkreis für die Ackermann-Gemeinde, neben den beiden Erstgenannten kam noch Franz Haibach hinzu.163 Weil eine reine Flüchtlingsorganisation von der Militärregierung verboten war, was Sladek auch für richtig hielt, da die Ausgewiesenen ja in das einheimische, kirchliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben eingegliedert werden sollten, nahm er das Angebot der „Katholischen Jungen Mannschaft”164 in München unter der Leitung von Franz Steber an, aus dieser Organisation einen eigenen Kreis zu bilden, nämlich die Ackermann-Gemeinde. Männer und Frauen im Alter von 25 bis 40 Jahren, sozial

161 162 163

164

Vgl. ein Memorandum im Archiv der kirchlichen Hilfsstelle Süd, München, vom 7.1.1946. S. u. bei Jugendbewegung. Es soll hier nicht eine vollständige Geschichte der Gründung der Ackermann-Gemeinde ihrer Aktivitäten und ihrer Organisation geboten werden. Diese Aufgabe ist einem anderen Schwerpunkt des Forschungsbereiches zugewiesen. An dieser Stelle geht es in erster Linie um die Impulse, um die inhaltlichen Akzentsetzungen, die von Paulus Sladek her kamen. Franz Haibach (1899 – 1958) vgl. Mitteilungen der Ackermann-Gemeinde 9 (1958), Nr. 2, S. 5.

Seelsorge in Vertreibung und Ankommen

107

tätige Kräfte im Katholizismus, sollten dort erfasst werden, möglichst die Mitglieder aller früheren katholischen Gruppen der Heimat. Das heißt, die AckermannGemeinde wurde zu einer typischen Laiengruppe der actio catholica. Das Rundschreiben, das Paulus Sladek an Weihnachten 1945 an die ehemaligen Angehörigen des Bundes Staffelstein schickte165, sollte die früheren Freunde und Mitstreiter wieder zusammenführen und eine neue Gemeinschaft begründen helfen. Ähnliche Intentionen verfolgte der Weihnachtsbrief des folgenden Jahres 1946 an die Katholische Junge Mannschaft. Er bestärkte das Bestreben, mitten in der schweren Notlage kleine Gemeinschaften, kleine Inseln zu bilden, die fest zusammenhielten und im Vertrauen auf Gott neu anfingen.166 Die Freunde aus allen früheren Gruppen der katholischen Jugend des Sudetenlandes wurden zu dieser neuen Gemeinschaft zusammengerufen unter dem Namen der bedeutendsten mittelalterlichen Dichtung des böhmischen Raumes, dem Ackermann von Böhmen.167 Zusammen mit der Katholischen Jungen Mannschaft und deren Leiter Franz Steber168 wollten sie gemeinsam an die Arbeit gehen, wollten sie eine zielbewusste Gemeinde werden, in der einer den anderen trage und fördere. Wo immer einer der Landsleute in Not sei, müssten sie sich aufgerufen fühlen. Sie sollten sich zu einer einfachen Lebensführung nach den Grundsätzen des christlichen Glaubens verpflichten, vor allem das Gebot der Liebe verinnerlichen. Nach Einschätzung des Leiters der Hilfsstelle Süd fänden nur 10 bis 20% der Vertriebenen den Weg zum kirchlichen Leben in der neuen Pfarrgemeinde. Die Situation sei also so brisant, dass die Seelsorger alle Kräfte anstrengen müssten, vor allem auch viele Laien mobilisieren müssten, um die Vertriebenen entsprechend zu erziehen.169 Der religiösen Gleichgültigkeit und einer durch die Umstände verstärkten Säkularisierung unter den Vertriebenen sollten sie entgegenwirken, damit Sladeks Befürchtung, die „totale Entwurzelung” könne zur Entstehung einer „ungeformten Masse”

165 166 167

168

169

Dieses Rundschreiben ist abgedruckt bei OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 103-106. Dieses Rundschreiben ist abgedruckt bei OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 199f. Johannes von Schüttwa, auch Johannes von Saaz genannt, hatte um 1400 den Ackermann aus Böhmen, ein Streitgespräch zwischen dem Ackermann, dem der Tod seine Frau geraubt hat, und eben diesem Tod verfasst. Der Ackermann lehnt sich auf gegen das Schicksal, gegen den Tod, unterwirft sich aber schließlich doch dem Schiedsspruch Gottes. Genau diese Haltung sieht Sladek als beispielhaft für die Situation der Vertriebenen. Sie sollten nicht unfruchtbar, nur retrospektiv in der Erinnerung an die Heimat leben, sondern ihre besten Kräfte dafür einsetzen, eine neue Heimat aufzubauen. In der Schicksalsgemeinschaft müsste diese Wende, so Sladek, leichter möglich sein. Freilich sollten sich die Vertriebenen dabei nicht gettoisieren, sondern sich mitten in die katholische Generation des Aufnahmelandes hineinstellen, „um uns gemeinsam mit ihnen um ein neues christliches Deutschland und um eine Erneuerung des Abendlandes zu bemühen.“ OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 199. Zu von Schüttwa vgl. Hellmut ROSENFELD, Johannes von Tepl. In: BBKL, Band 3 (1992), Sp. 593-595. Franz Steber (1904 – 1983) war bereits im Sudetenland in der Jugendarbeit tätig gewesen, leitete nach 1945 die ‚Katholische Junge Mannschaft‘ in München, vgl. OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 506. Vgl. dazu ausführlicher BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? S. 95-112.

108

Abschnitt I

führen, nicht Realität werde.170 Diese Angst vor einer Vermassung scheint Sladek sehr bewegt zu haben. War es die Situation des Wohnens auf engstem Raum in Lagern oder Notunterkünften, die diese Angst nährte? War es die Sicht der neuzeitlichen Entwicklung, die gerade aufgrund der Technisierung eine Vermassung befürchtete, wie es etwa Guardini 1950 in seinem „Ende der Neuzeit” einige Jahre danach beschrieb?171 War es das Schreckgespenst des Kommunismus, befürchtete doch Sladek immer eine Anarchie? Von Seiten des Kapitalismus wie des Kommunismus scheint für Sladek diese letztlich entmenschlichende Perspektive auf. Daher sein intensives Bemühen, eine Konkretisierung zu finden für den von ihm forcierten „dritten Weg”, einer auf dem Glauben aufruhenden Gemeinschaft, die die christliche Einfachheit lebte und damit zu einem wahren Ausgleich in der Gesellschaft und zu einer friedlichen neuen Ordnung beitragen könnte. Bezeichnend ist daher auch die Selbstbezeichnung als „Gemeinde”. Stand für den Augustiner-Eremiten dabei auch die gute und lange böhmische Tradition im Hintergrund, die letztlich bis in die Reformbewegungen des 14. Jahrhunderts zurückreicht? Im Kampf um die Vertriebenen sah Sladek die Kirche in Konkurrenz zu den politischen Parteien, vor allem der SPD und der CSU. Sladek favorisierte die CSU, in der Hans Schütz172 mit ehemaligen Mitarbeitern aus den christlichen Gewerkschaften tätig war. Entsprechend ihrer Aufgabe als „Sauerteig” war eine besondere Erziehungs- und Bildungsarbeit für die Mitglieder der Ackermann-Gemeinde notwendig.173 Der Appell an die Mitglieder der Ackermann-Gemeinde in einem Vortrag zum Thema „Vertriebenenschicksal als unsere Aufgabe“ auf der Ackermann-Tagung am 19./20. November 1949 in Fürstenried lautete, Träger einer neuen sozialen Ordnung im christlichen Sinn zu werden. Zwei grundsätzliche Aufgaben formulierte Sladek, nämlich die soziale und die nationale.

170 171

172 173

Die Gefahr des Unglaubens und der politischen Radikalisierung beschwor Sladek in einem Rundschreiben an die sudetendeutschen Priester 1946/47. Er zeichnete eine sehr desolate Lage. Romano GUARDINI, Das Ende der Neuzeit. Ein Versuch zur Orientierung. Würzburg 1950. Vgl. zu Guardini Hanna-Barbara GERL-FALKOVITZ, Romano Guardini: Konturen des Lebens und Spuren des Denkens. Mainz 2005. Vgl. dazu auch Rainer BENDEL, Hans Schütz und die Sozialpolitik der Vertriebenen, in: Sudetenland 44 (2002), S. 296-303. Im Weihnachtsbrief des Jahres 1947 an die Ackermann-Gemeinde plädiert Sladek wiederum für die Bewährung der Liebe im Alltag. Die Vertriebenen sollten nicht nur die Nächstenliebe der Einheimischen anmahnen, sondern was sie von den anderen an Gutem erwarten, auch selber zu tun bereit sein. Sladek sieht im Individualismus der Neuzeit eine negative Tendenz, nämlich dass das eigene Ich des Menschen, sein Glück und Wohlergehen jeweils in die Mitte gestellt wird und der Nächste dabei übersehen wird. Bezeichnend ist aber, dass nur eine negative Tendenz verurteilt wird, nicht die neuzeitliche Entwicklung zum Individualismus hin pauschal, wie bei vielen anderen zeitgenössischen Theologen. Freilich braucht diese Einschätzung, diese Egozentriertheit eine deutliche Korrektur: „Die christlichen Maßstäbe sind anders. Nicht du allein stehst in der Mitte, der andere gehört mit zu dir.“ Vgl.: Der Andere gehört mit zu dir. Weihnachtsbrief an die Ackermann-Gemeinde 1947, abgedr. bei OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 204f.

ABSCHNITT II: DIE VERTRIEBENENBISCHÖFE

1.

1.1.

Maximilian Kaller (1946 – 1947)

Kallers Initiativen für eine situationsgerechte Seelsorge nach Flucht und Vertreibung1

Maximilian Kaller wurde am 10. Oktober 1880 in Beuthen/OS als zweites Kind einer Kaufmannsfamilie geboren. Nach dem Besuch des Städtischen Katholischen Gymnasiums in Beuthen immatrikulierte sich Kaller 1899 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau. Am 20. Juni 1903 wurde er von Kardinal Kopp zum Priester geweiht. Von 1903 bis 1905 war er Kaplan in GroßStrehlitz. Die folgenden zwölf Jahre war Kaller Seelsorger in Bergen auf Rügen, zuerst als Pfarradministrator, dann als Pfarrer. Mit dem kraftvollen schlesischen Katholizismus als Basis2, einem ausgeprägten Organisationstalent und großem seelsorgerlichen Eifer kam Kaller nach Rügen und baute dort die Seelsorge für die polnischen Saisonarbeiter wie für die katholischen Badegäste und Sommerfrischler systematisch auf und aus und errichtete Kirchen und Kapellen. Vielfältige Erfahrungen sammelte Kaller danach in der Großstadtseelsorge in Berlin (1917 – 1926): Das Berlin der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde vielfach als ein „Laboratorium der Moderne“ bezeichnet. Die Situation der Hauptstadt wurde geprägt von rasantem Bevölkerungswachstum, Zuzug, faszinierendem kulturellem Leben, aber ebenso von Arbeitslosigkeit, sozialen Ghettos und Armut. Breite Schichten der Bevölkerung, Kriegshinterbliebene, Alte, Dauerarbeitslose gerieten zunehmend in die Verelendung. Berlin-Kreuzberg war damals bereits ein sozialer Brennpunkt: „Die weitaus meisten Pfarrangehörigen wohnen im Seitenflügel oder Quergebäude eines Hinterhauses, meist in den obersten Stockwerken oder im Keller. In manchen Straßen wohnen be-

1

2

Rainer BENDEL, Maximilian Kaller – ein Lebensbild des Vertriebenenbischofs, in: Thomas FLAMMER / Hans-Jürgen KARP (Hg.), Maximilian Kaller. Bischof der wandernden Kirche. Flucht und Vertreibung – Integration – Brückenbau – Päpstlicher Sonderbeauftragter für die heimatvertriebenen Deutschen. Münster 2012, S. 23-54. Vgl. zu diesem Hintergrund die Skizzen des Exkurses zu einigen Charakteristika des schlesischen Katholizismus in der vorliegenden Arbeit.

110

Abschnitt II

sonders viele Ledige, die nur eine Schlafstelle innehaben. Es gibt Häuser, in denen sogar 23 verschiedene katholische Parteien (Familien oder Ledige) wohnen. In den Straßen, in denen fast nur kleine Leute wohnen, haben die Katholiken auch die Vorderseite der Häuser inne. Die Armut ist also charakteristisch für die Gemeinde.“3 Beruflich liegt der Schwerpunkt auf dem unteren Mittelstand und den Arbeitern. Für die Pastoral verschärfte sich die Not durch die exorbitante Größe der Gemeinde und durch die extreme Diasporasituation der Katholiken in Berlin: St. Michael hatte knapp 17.000 Katholiken bei einer Bevölkerungszahl von ca. 150.000 Menschen auf dem Gemeindegebiet. Kaller hat seine seelsorgerlichen Antworten auf diese Herausforderungen in den neun Jahren seiner Tätigkeit in St. Michael in seinem 1925 erstmals erschienen Buch „Unser Laienapostolat in St. Michael“ vorgestellt. Dort sind die Ansätze und Initiativen des Praktikers festgehalten, kein Buch großartiger Reflexionen, sondern ein Impuls für Seelsorger, der auch den geistigen Hintergrund aufzeigt: Kaller orientierte sich an dem 1909 erschienenen Buch des Wiener Pastoraltheologen Heinrich Swoboda4 über die Großstadtseelsorge. Wie der Titel bereits signalisiert, suchte Kaller entschieden die Laien in die Seelsorge einzubeziehen, zum einen auf der geistlichen Ebene durch das Apostolat des Gebetes, der Sühne und des guten Beispiels, besonders aber durch die praktischen Initiativen, die er weit ausführlicher behandelte; sie bündeln sich im vorbereitenden Apostolat, in den Werken der leiblichen und denen der geistlichen Barmherzigkeit.5 Der Presse in Form des Sonntagsblattes maß Kaller grundlegende Bedeutung bei – katholisches Schrifttum sollte mit Hilfe von Laien, regional fest organisiert, in alle katholischen Haushalte kommen. Als Kaufmannssohn war Kaller auf ein entsprechendes „fundraising“ für diese apostolischen Zwecke bedacht. Breiten Raum nahmen die caritativen Initiativen ein.6 Es begegnet eine gewisse Pragmatik in der Ökumene im sozialen Bereich, bei aller Verwerfung der Mischehen: 3 4 5

6

Maximilian KALLER, Unser Laienapostolat. Was es ist und wie es sein soll. Leutesdorf am Rhein 1925; hier wird zitiert nach der zweiten, erweiterten Auflage Leutesdorf 1927, S. 27. Heinrich Swoboda (1861 – 1923) war seit 1895 Professor für Pastoraltheologie und Katechetik in Wien. Breit rezipiert wurde sein Hauptwerk Großstadtseelsorge, Regensburg 1909. Notwendige propädeutische Arbeit (vorbereitendes Apostolat) für eine gelingende Seelsorge im spezifischen Kontext der Großstadt war in den Augen Kallers die Erarbeitung einer Kartothek, d.h. einer Kartei, in der alle Katholiken der Pfarrei nach Straßen und Familien geordnet, mit den wichtigsten Daten erfasst sind. Nur anhand dieser Informationen lässt sich eine nachgehende, individuelle Seelsorge aufbauen, die Menschen in ihrem konkreten Umfeld, in Haus und Arbeit aufsucht und ihre Nöte entdeckt und in Dialog tritt. Daneben hat er auch Karteien mit den in den Vereinen und Organisationen der Pfarrei zusammengeschlossenen Katholikinnen und Katholiken anlegen lassen. Eine breite organisatorische Grundlage für die Seelsorgsarbeit und vor allem für die möglichst rasche Wahrnehmung von Aufgaben und die Delegation von seelsorglichen Aufgaben wurde hier geschaffen. Kaller hatte seine Gemeinde mit 17 000 Katholiken in 49 kleinere Bezirke aufgeteilt, die in Zusammenarbeit von vier Priestern, Marienschwestern und Laien seelsorgerlich betreut wurden. Sie reichen von der Organisierung von dreihundert Zentnern Kartoffeln in Ostpreußen 1923 für die ärmsten Glieder der Pfarrei bis zur Familienpflege durch Mitglieder des Dritten Ordens vom

Die Vertriebenenbischöfe

111

bei den caritativen Initiativen wird nicht nach der Konfession gefragt: „Wir sind eine einzige große Gottesfamilie. Wir dürfen deshalb nicht fragen: Ist der Nächste mein Stammes- oder Glaubensgenosse?“7 Kallers Pastoral erschöpfte sich nicht in Katechese und Liturgie, sondern nahm intensiv die sozialen Probleme auf und suchte nach Hilfestellungen. Weite Problemfelder wurden besetzt, die Zuständigkeitsbereiche der Seelsorge sehr ausgedehnt – also eine intensive, nachgehende Seelsorge, die in vielem an das Wohnviertelapostolat erinnert, wie es Swoboda für Wien entwickelt hat. Kaller stand mit solchen Initiativen in Berlin nicht allein. Carl Sonnenschein8, Bernhard Lichtenberg9, der spätere Dompropst und Glaubenszeuge, Clemens von Galen10, der spätere Münsteraner Bischof, in den zwanziger Jahren Kollege Kallers in der Nachbarpfarrei St. Matthias: Sie alle standen für eine engagierte Seelsorge, die die aktuellen Fragen und Nöte der Großstadtseelsorge aufgriff – insofern könnte man auch für die katholische Seelsorge Berlin als ein „Laboratorium der Moderne“ bezeichnen – und mittendrin Kaller. Maximilian Kaller11, seit 1926 Prälat der Freien Prälatur Schneidemühl, wurde 1930 zum Nachfolger Augustin Bludaus gewählt.12 Die Wahl zum ermländischen Bischof erfolgte erst nach drei Wahlgängen mit dem Ausschlag der Stimme des Dompropstes Sander, weil von Rom gewollt. Die Bischofsweihe wurde nicht in Frauenburg, sondern noch in Schneidemühl vorgenommen. Auf den gelehrten Professor folgte der Pragmatiker und unermüdliche Aktivist. Bekannt sind die daraus sich ergebenden Anfangsschwierigkeiten des neuen Bischofs im Ermland, seine wenig glückliche Hand in der Auswahl der Mitarbeiter, seine Unsicherheiten und manchmal auch

7 8

9

10 11

12

hl. Franziskus. Altmaterialsammlungen werden durchgeführt. Aus Mitteln der Gemeinde wird die Armenspeisung (täglich 270 Personen) ohne Rücksicht auf die Konfession der Bedürftigen durchgeführt. KALLER, Laienapostolat, S. 70. Carl Sonnenschein (1876 – 1929) kam 1918 nach Berlin in das Soziale Archiv des Volksvereins. Friedel DOÉRT, Carl Sonnenschein: Seelsorger, theologischer Publizist und sozialpolitischer Aktivist. Münster 2012. Bernhard Lichtenberg (1875 – 1943), bis 1930 Pfarrer der Herz-Jesu-Gemeinde in Charlottenburg, saß dort für das Zentrum im Stadtparlament; seit 1938 Dompropst. Nach dem Novemberpogrom 1938 betete Lichtenberg öffentlich für die Verfolgten. 1941 von der Gestapo festgenommen, starb er 1943 auf dem Weg in das KZ Dachau. Erich KOCK, Er widerstand. Bernhard Lichtenberg, Dompropst bei St. Hedwig. Berlin 1996. – Stefan SAMERSKI, Bernhard Lichtenberg. In: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 201–205. Zu Galen (1878 – 1946) vgl. Eduard HEGEL, Clemens August Graf von Galen, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 406-408 (dort weitere Lit.). Für einen charakterisierenden Überblick über den Forschungsstand: Hans-Jürgen KARP, Zum Stand der historischen Forschung über Maximilian Kaller (1880 – 1947). In: Rainer BENDEL (Hg.), Vertriebene finden Heimat in der Kirche. Integrationsprozesse im geteilten Deutschland in der Nachkriegszeit. Köln, Weimar, Wien 2008. Vgl. dazu Gerhard REIFFERSCHEID, Das Bistum Ermland und das Dritte Reich. Köln, Wien 1975, S. 12-14.

112

Abschnitt II

Eigenwilligkeiten in Verwaltungsvorgängen und bei Ämterbesetzungen, sein oft wenig sensibler Umgang mit Menschen, auch im liturgischen Raum. Bekannt ist die deutliche Ablehnung des Nationalsozialismus durch die Bischöfe bis zum Akt in Potsdam und zum Konkordat.13 Bekannt ist die folgende Begeisterung mancher Theologen für die neue Bewegung von Adam14 bis Schmaus15 über Lortz16 und Eschweiler17 u.a. Bekannt ist die teils begeisterte Aufnahme, die das Thema ‚Aufbruch, Erneuerung‘ nach dem 30. Januar 1933 in kirchlichen Kreisen gefunden hat. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich Kaller spätestens seit dem Frühjahr 1934 zu einem entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus gewendet hatte, der sich nicht scheute, wiederholt bevorzugt große öffentliche Veranstaltungen wie erstmals die Wallfahrt nach Dietrichswalde im September 1934 als Foren für seine deutliche öffentliche Kritik in der Predigt zu nutzen.18 Das drohende Kriegsende brachte ihn zu einer Einordnung und Deutung der nationalsozialistischen Katastrophe und zur Formulierung seiner Vorahnung künftiger Situationen der Pastoral: Im September 1944 schrieb Kaller ein Hirtenwort zur Pflege des Gebetslebens im Vertrauen auf die Göttliche Vorsehung. Darin sprach er von einer schweren Prüfungszeit, brachte sein Mitfühlen mit den Leiden und Sorgen zum Ausdruck.19

13

14 15 16 17

18 19

Dazu etwa: Heinz HÜRTEN, Deutsche Katholiken 1918 bis 1945. Paderborn u.a. 1992, S. 178315. Ludwig VOLK, Der bayerische Episkopat und der Nationalsozialismus 1930 – 1934. Mainz 1965. REIFFERSCHEID, S. 18-34. Vgl. zu Adam Georg DENZLER, Widerstand ist nicht das richtige Wort. Katholische Priester und Theologen im Dritten Reich. Zürich 2003. Michael Schmaus (1897– 1993). Leo SCHEFFCZYK, Schmaus, Michael Raphael. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23. Berlin 2007, S. 123f. Vgl. zu Lortz DENZLER, Widerstand ist nicht das richtige Wort. Dazu jüngst Thomas MARSCHLER, Karl Eschweiler 1886 – 1936. Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie. Regensburg 2011. – DERS., Art. Eschweiler, Karl, in: David BERGER / Jörgen VIJGEN (Hg.), Thomistenlexikon. Bonn 2006, S. 155-160. – REIFFERSCHEID, S. 37-51. Rainer BENDEL / Lydia BENDEL-MAIDL, Geschichte und Theologie in der Krisis. „Vergangenheitsbewältigung“ bei Joseph Bernhart und Michael Schmaus, in: Münchner Theologische Zeitschrift 55 (2004), S. 168-181. Brigitte POSCHMANN, Das Ermland im Spannungsfeld von Nationalsozialismus und Katholischer Aktion. Hg. von Rainer BENDEL, in: ZGAE 53 (2009), S. 77-92. „... durchaus von einer Krise des Christentums reden kann. Viele Übel, die lange im Verborgenen gewuchert haben, sind offen aufgebrochen. Die Saat der Aufklärung, des Rationalismus, des Darwinismus, des Materialismus und des Marxismus ist aufgegangen und zerstört die bisher gläubig gehütete Fiktion, die schon sehr lange abgetan sein müsste. Ich fürchte, dass wir auch in unserem Ermland, so sehr wir auch unser katholisches Leben rühmen dürfen, doch zu sehr an der Fiktion des katholischen Ermlandes festhalten... Freie Rechte der Persönlichkeit und das Gewissen werden nicht mehr geachtet, so dass die Menschheit ihre Seele und ihre Würde verliert.“ Kaller in einer Ansprache an das Domkapitel am 1. Januar 1945 AA.EE.SS., Germania, Scatola Fasc. 40/59-60.

Die Vertriebenenbischöfe

113

Kaller deutete das Kriegsende in seiner apokalyptischen Dimension als einen tiefen und nachhaltigen Umbruch: jedes Anrecht auf bürgerliche Behaglichkeit werde zerstört. Er sagte Jahre härtester Entbehrung voraus – gewaltige Anstrengungen werden nach dem Krieg bei allen Völkern nötig sein. Der Priester in christlicher Einfachheit müsse zu einem Wegweiser werden.20 Kallers Beziehung zu seinen Diözesanen und vor allem zu seiner Diözese war innig. Nur unter dem Befehl der Gestapo war er bereit, im Februar 1945 sein Bistum zu verlassen. Aufnahme fand er in Halle. Er berichtete den Bischöfen und dem Papst im Mai und Juni 1945 von seiner tiefen Hoffnung, wieder in sein Bistum zurückkehren zu können.21 Mit amerikanischer Hilfe realisierte er diesen Plan. Der Einsatz für seine Diözesanen und seine Diözese brachte ihn daher im Sommer 1945 dazu, noch einmal nach Ostpreußen zurückzukehren und die Sorge für sein Bistum vor Ort wieder zu übernehmen. Erst als er vom polnischen Kardinal Augustyn Hlond22 zum Verlassen des Ermlandes gezwungen wurde, sah Kaller ein, dass er seine angestammte Aufgabe nicht länger wahrnehmen könne. Er kehrte zurück zum Mutterhaus der Grauen Schwestern in Halle. Es liegt ein Bericht aus der Feder von Franz Scholz vor, dem damaligen Direktor der diözesanen Caritas des Erzbistums Breslau in Görlitz, über ein Gespräch am 5. Mai 1947 mit dem Berichterstatter des Hl. Vaters über die Situation in Deutschland, dem Jesuitenpater Ivo Zeiger23, in dem Scholz festhielt, dass auch Zeiger „im Zusammenhang mit der Frage des weiteren Bestehens einer deutschen Diözese Breslau uns darzulegen, was der Hl. Vater selbst über die Entwicklung in der Erzdiözese gesagt hat“ begann. Dabei unterstrich Zeiger, dass Kardinal Hlond nicht befugt war, den

20

21 22

23

Daher müssten in der priesterlichen Lebenshaltung müssen Schlichtheit und Einfachheit zu erkennen sein. „Alkohol und Tabak müssen aus diesem Grunde sicher gerade im katholischen Pfarrhaus in Zukunft eine weit geringere Rolle spielen als das bisher üblich war.“ Der wegweisende Seelsorger und Wahrer christlicher Kultur ist in den Augen des Bischofs nötig. „Eine Periode hemmungsloser Diesseitigkeit ruft gebieterisch nach den Kräften der Übernatur. Eine Zeit des Verlorenseins an Genussgüter heischt Taten des Opfers, des Verzichtes, fordert eine Haltung, die bewusst aus dem Jenseits lebt und diesen neuen Geist im Alltag einleuchtend darstellt.“ – Die Oberhirten der deutschen Diözesen an den hochwürdigen Klerus. Juli 1944. Für den Text und die Vervielfältigung verantwortlich war Kaller. Kaller an Pius XII. am 28. Juni 1945. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 959. Augustyn Hlond SDB (1881 – 1948) war seit 1926 Erzbischof von Posen und Gnesen und Primas der katholischen Kirche in Polen. 1939 floh er in den Vatikan. Im Juli 1945 kehrte er nach Polen zurück. – Franz SCHOLZ, Zwischen Staatsräson und Evangelium. Kardinal Hlond und die Tragödie der ostdeutschen Diözesen, Frankfurt/M. 1988. Wojciech NECEL, Kardynal August Hlond – Prymas Polski. Poznań 1993. P. Ivo Zeiger SJ (1898 – 1952) wurde 1928 zum Priester geweiht. Seit 1931 lehrte er als Professor des Kirchenrechts in Rom, dann in Valkenburg und in Frankfurt am Main. 1939 wurde er als Rektor des Germanikums in Rom berufen. Von 1945 bis 1951 war er an der Vatikanischen Mission in Kronberg im Taunus tätig.

114

Abschnitt II

Verzicht auf das Amt des Kapitelsvikars von Piontek24 zu fordern und neue polnische Administratoren einzusetzen. Die Situation Kallers im Ermland ist analog zu beurteilen. Hlond tat es „ohne Auftrag und ohne Rechtsbasis. Die Folge davon war, dass alle Jurisdiktionsakte ungültig waren. Um Schlimmeres zu verhüten, sanierte der Hl. Vater 1946 post factum alles.“25 Zeiger hob hervor, dass Papst Pius XII. nicht daran gedacht habe, die Polen politisch zu begünstigen. Er wollte keine politische Lösung vorwegnehmen. Kardinal Hlond sei durch diesen eigenmächtigen Schritt sehr in Ungnade gefallen und nur deswegen nicht abberufen worden, weil die junge Republik Polen unterdessen die Beziehungen zum Heiligen Stuhl abgebrochen hatte. Eine Abberufung Hlonds hätte damit zur Folge gehabt, dass kein päpstlicher Gesandter mehr in Polen gewesen wäre. Bereits im Sommer 1945 erwog Kaller sehr realistisch die Möglichkeit, dass alle Deutschen aus Ostpreußen ausgesiedelt werden – ohne Hoffnung auf Rückkehr. Diese realistische Sicht wird ihn auch immer wieder dazu bringen, die Vertriebenen zu mahnen, an ihrer neuen Bleibe Wurzeln zu fassen, sich zu integrieren und nicht irgendwelchen Sehnsüchten nach einer fernen Rückkehr nachzugeben.26 Schon im September 1945 richtete er einen Hirtenbrief an die versprengten Ermländer, dessen oberstes Ziel in zwei Richtungen geht: zum einen sollten sie in ihrer Liebe zur Heimat bestärkt werden, sollten die Prägung, die religiöse Eigenart des Ermlandes nicht aufgeben. Zum anderen sollten sie desillusioniert werden. „Unsere Heimat ist uns verloren. Das ist hart, aber an harten Tatsachen dürfen wir nicht vorübergehen und unsere Trauer um die verlorene Heimat muss sich trösten und aufrichten lassen.“27 Kaller formulierte den Appell, neue Heimat zu suchen, zu finden und zu bilden, neu anzufangen; den Appell, Gemeinschaft untereinander zu halten, alte Netze wieder herzustellen, in Gerechtigkeit und christlicher Liebe. Eigentum solle gebildet werden, aber ohne Habgier und mit gutem Gewissen. Er mahnte die Flüchtlinge und Vertriebenen zur Selbsthilfe und skizzierte beispielhaft ein breites Spektrum an Aufgaben.28 Die Umsetzung dieser Anregungen

24 25 26

27 28

Mehr zu Piontek auf S. 182 bzw. S. 765. Vgl. Konrad HARTELT, Ferdinand Piontek (1878 – 1963). Leben und Wirken eines schlesischen Priesters und Bischofs. Köln, Weimar, Wien 2008. Der Bericht in „Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947“, S. 1106 – 1108. Das Thema „Errichtung der apostolischen Administrationen im September 1945“ auf S. 1207 Vgl. Hirtenbrief Kallers an die Ermländer im September 1945 unter dem Titel „Neue Heimat“, in: Paul KEWITSCH (Hg.), Hirtenbriefe des Flüchtlingsbischofs Maximilian Kaller. Lippstadt 1951, S. 5-8. Ebd. „Fragt nicht nur nach kommunalen und kirchlichen Hilfsstellen! Richtet nach Möglichkeit mit euren Seelsorgern solche Stellen selbst ein! Helft mit, wenn sie schon vorhanden sind! Ich erwähne nur in aller Kürze: Volkskirchen, Nähstuben, Kindergärten, Waschküchen, Notwerkstätten für Handwerker, Übernachtungsheime, Fürsorgestellen für heimkehrende Soldaten, Bahnhofsmission, Stellenvermittlung für katholische Mädchen, Kinder- und Jugendfürsorge, Krankenhilfe, Altersheime oder Einzelhilfe für Gebrechliche und Alte, Fürsorge für Gefährdete... Diese caritativen Aufgaben sind riesenhaft gewachsen.“ Ebd., S. 1036.

Die Vertriebenenbischöfe

115

beschäftigte Kaller in den folgenden Monaten neben seiner Predigt und Wallfahrtstätigkeit und doch blieb er auf der Suche nach einem neuen, ihm offiziell zugewiesenen Aufgabenfeld. In einem Brief an den Papst hatte Kaller am 6. September 1946 um eine Klärung dieser Frage gebeten.29 Zunächst also aufgrund seines Schicksals als Vertriebener aus dem Ermland nahm er sich der Vertriebenenseelsorge an und wurde aufgrund seines vielfältigen Engagements und seiner Stellung als Bischof zu einem der Mitinitiatoren zentraler Instrumente der Vertriebenenseelsorge. Dazu zählen: - die Wallfahrten, Kundgebungen des Glaubens, Ausdruck der Suche und der Pilgerschaft, Möglichkeiten des Wiedersehens und des Gedankenaustausches im Rahmen der Kirche, der den Vertriebenen sonst von den Besatzungsmächten in diesem Umfang verboten war; - die Sorge um die Diözesanen und die Vertriebenen insgesamt in seinen Predigten und Hirtenbriefen, in seinen zahlreichen Einzelschreiben; - die Sorge um die vertriebenen Geistlichen und die vertriebenen Theologiestudenten. Gerade dieser dritte Sektor sollte zu einer seiner zentralen Aufgaben werden. In einer oftmals sehr schwierigen und spannungsvollen Kooperation mit dem damaligen Leiter des RKA, Prälat Albert Büttner, und dem damaligen Prager Hochschulprofessor Adolf Kindermann schuf Kaller den Grundstock für das theologische Zentrum der Vertriebenen in Königstein, das später den Titel „Vaterhaus der Vertriebenen“ erhalten sollte.30 Kallers Hirtenworte, ob geschrieben als Hirtenbriefe oder als Predigten vorgetragen, sind gesättigt vom Wissen um die oftmals desolate Situation der Vertriebenen in der Ankunftszeit. Es waren Trostworte in schwerer Zeit, im franziskanischen Geist verfasst. Er griff die Sorgen der vertriebenen Katholikinnen und Katholiken auf. Er hob sie ins Wort, er nahm sie ernst. Er sprach die Konsequenzen an und malte die Verzweiflung, die Versuchung, bitter zu werden und mit Gewalt die Verhältnisse ändern zu wollen, aus. Wenn er in diesen Kontext vor radikalen Bestrebungen warnte, weil sie nur die Gegensätze verschärften, das Leben noch schwerer machten, dann trug er in einer gewissen Weise zur Entspannung der Situation bei. Er beruhigte, wenn er das Recht auf Heimat forderte. Er würdigte den Gestus des Papstes, dass er ihn, Kaller, zum Sonderbeauftragten für die Vertriebenen, zum Vertriebenenbischof gleichsam berufen hatte, wenn er auch vorher in Briefen an befreundete Geistliche das lange Schweigen

29

30

Der Brief war ein längerer Bericht über den Zustand des Bistums, wie er ihn bei seiner kurzen Rückkehr ins Ermland angetroffen hatte. Es war ein Bericht über die Begegnung mit Kardinal Hlond, die seinen Amtsverzicht zur Folge hatte und es war die Versicherung, dass er sich dem Papst im vollen Umfang zur Verfügung stelle und dabei auch um eine Klärung seiner künftigen Wirksamkeit bittet. Kaller an Pius XII. am 6. September 1945. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 971. Vgl. dazu BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? v.a. S. 131-137.

116

Abschnitt II

des Papstes beklagt hatte. „Wir danken dem Heiligen Vater für diesen Beweis seiner väterlichen Sorge für uns. Er steht mit seiner Liebe und mit seiner Kraft auf unserer Seite. Das ist uns Trost und Hoffnung zugleich. Durch seine Hand wird Gott auch uns wieder ein Tor in eine erträglichere Zukunft öffnen, das uns jetzt niemand öffnen kann.“31 Wie die Situation am Kriegsende deutete Kaller auch die Vertreibung als Prüfung, als Krisis. Das persönliche wie das gesellschaftliche Leben müsse neu nach dem Gesetz Gottes in der Nachfolge Christi, des Gekreuzigten, geordnet werden. Damit erhält das Schicksal Vertreibung eine Sendung, eine Botschaft an alle – eine Chance, die Seligpreisungen zu realisieren.32 Auch wenn sie in der neuen Umgebung kalt empfangen, abgelehnt werden, sind die Vertriebenen nicht Verstoßene und Verlassene, sondern in diesem Interpretationskontext Gesandte Gottes. Sie sollen Boten seiner Liebe werden. Die zentrale Frage ist die nach der Prüfung des Glaubens durch die konkrete Situation. Sie durchzieht in ihrem franziskanischen Zungenschlag viele Hirtenbriefe und Predigten Kallers.

1.2.

Zentrale Aufgaben des Sonderseelsorgers für die Vertriebenen

Die Sorge um die Priester Als besondere Aufgaben formulierte Kaller an erster Stelle die Sorge um die Priester. Er sorgte sich um ca. 1.800 Flüchtlingspriester, die erfasst werden müssten, und legte in seiner Zeit in Halle selbst eine Kartothek für die ermländischen Geistlichen an; er bemühte sich, sie in der Seelsorge unterzubringen, deren Besoldung und rechtliche Lage geklärt werden musste. Ihn trieb die Sorge um die Pensionäre, um die Ausstattung der Priester mit allem Notwendigen – vom Brevier bis zu den Paramenten – die Sorge um den Priesternachwuchs. Besonders schwer lasteten auf Kaller die Aufgaben und Sorgen der Diaspora.33 Die große Priesternot in weit ausgedehnten Pfarrgemeinden bedrückte ihn, in vielen Schulen konnte kein Religionsunterricht erteilt werden, keine Transportmittel zur Erleichterung der Seelsorge standen zur Verfügung.

31 32

33

Hirtenbrief Kallers an die Ermländer, 29. September 1946 unter dem Titel „Kraft des Gottvertrauens“, in: Kewitsch, Hirtenbriefe, S. 16-19. „Nicht Verfluchte, Entrechtete, Gottverlassene seid Ihr liebe Diözesanen, sondern Auserwählte und Gesandte des Reiches Gottes. In Armut, Not und Fremde seid Ihr berufen, das Kreuz mit Christus zu tragen, zu sühnen für eigene und fremde Schuld und mit unverschuldetem und freiwillig angenommenen Leid, die Auferstehung auch unseres darniederliegenden Volkes vorzubereiten.“ Ebd. An erster Stelle nannte er hier die Not in der russischen Zone in den Diözesen Berlin, Meissen, Breslau und in den drei Diözesanteilen Thüringen, Sachsen und Mecklenburg, die zu Fulda, Paderborn und Osnabrück gehören.

Die Vertriebenenbischöfe

117

Nicht zuletzt während seines Hallenser Aufenthaltes 1945 war ihm die Größe und Schwierigkeit der Aufgabe der Vertriebenenbetreuung durch die Kirche in der SBZ klar bewusst geworden. Wie viele Briefe schrieb er an die Ordinarien und an Priester und Priesteramtskandidaten, sich für den Einsatz in der mitteldeutschen Diaspora freistellen zu lassen und die wenigen und völlig überlasteten Seelsorger in der SBZ zu unterstützen und zu entlasten. Erforderlich seien Konvikte, Gymnasien, Priesterbildungsanstalten, Laienhelfer, Ordensschwestern und vor allem Priester.34 Dabei übersah er nicht die Diasporagebiete in der britischen und amerikanischen Zone, in denen ebenso ein katastrophaler Mangel an religiösen und katechetischen Mitteln herrschte, wo die caritative Betreuung der Gläubigen nicht im erforderlichen Ausmaß durchgeführt werden konnte, wo Gottesdiensträume fehlten. Im Kontext der Reflexion seiner Aufgaben als Seelsorger für die Vertriebenen tauchte wiederholt der Gedanke der Überseesiedlung auf.35

Möglichkeiten und Grenzen kirchlicher Hilfe – der Vertriebenenbischof als Moderator Kaller formulierte als eine wichtige Aufgabe seines Amtes, auf die Aufnahmediözesen, auf Priester und Gläubige einzuwirken, da oft bei aller vorhandenen Hilfsbereitschaft der echte Geist der Liebe fehle, gerade bei solchen, die noch kein Opfer an Hab und Gut gebracht hatten. Priesterkonferenzen sollten hier Verständnis schaffen. Er müsse in diesem Amt die Flüchtlingsinteressen beim Heiligen Stuhl, bei der Bischofskonferenz, bei einzelnen Diözesen, bei den Organisationen wie Caritas, Bonifatiusverein, Jugendwerk usw. vertreten. Die Tätigkeit all dieser Ämter, Organisationen und Stellen müsse einheitlich angeregt und koordiniert werden. Schließlich sah er sich in der Aufgabe, die Flüchtlingsinteressen beim Alliierten Kontrollrat und bei den Militärregierungen zu vertreten.36 Er verwies auf die bisher

34 35

36

Kaller an Pius XII. am 11. November 1946. AEM. „Die Aufgabe meiner Stelle würde sein, die Erziehung zu einer echt katholischen Gemeinschaftssiedlung durchzuführen und im Verein mit dem deutschen Caritasverband die Verhandlungen mit den Behörden und die Belehrung des Volkes in dieser Hinsicht zu übernehmen. Das Flüchtlingsproblem ist so gewaltig, dass die ganze Kirche Deutschlands zu seiner Lösung tätig sein muss. Neben dem deutschen Volk, dessen eigene Möglichkeiten mehr als begrenzt sind, muss sich auch die Weltkirche als „acies bene ordinata“ in den Dienst dieser Arbeit stellen.“ Ebd. – Immer wieder trieb Kaller im Sommer 1946 die Idee einer geschlossenen Ansiedlung, also einer Übersiedlung der Ermländer nach Übersee um. Man spürt, dass Kaller seit 1934 das Referat der „Wandernden Kirche“ der Fuldaer Bischofskonferenz geleitet hatte. Vgl. dazu Thomas FLAMMER, Migration und Milieu. Die Auswirkungen von Migration auf Kirche und Gläubige am Beispiel der Arbeit des „Katholischen Seelsorgedienstes für die Wandernde Kirche“ 1934 – 1943, in: Karl-Joseph HUMMEL / Christoph KÖSTERS (Hg.), Kirchen im Krieg. Europa 1939 – 1945. Paderborn u.a. 2007, S. 399-417. Vgl. etwa Kaller an den Hohen Alliierten Kontrollrat vom 3. September 1945. Ludwig Volk, Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933 – 1945, Bd. VI: 1943 – 1945 (Veröf-

118

Abschnitt II

bereits formulierten Eingaben, die elternlose und verlorene Kinder aus Ostpreußen und Schlesien nach Deutschland herausführen, die Flüchtlingsfrauen aus Dänemark zurückholen sollten, die die Flüchtlingsinteressen bei Länderregierungen und Flüchtlingskommissaren vertraten und die den Flüchtlingen im Ausland durch Rundfunk und Presse Stimme gaben. Caritative Hilfe und soziale Maßnahmen allein könnten das Flüchtlingselend beim besten Willen nicht in den Griff bekommen. Es gebe materiell gesehen keine Überwindung der Not. Hilfe musste also von außen kommen und auch einen Ausweg nach außen aufzeigen. Die Kirche könne allein durch religiöse und sittliche Kräfte zur Lösung des Problems beitragen; genau in diesem Kontext verortete er sein Sonderamt als Flüchtlingsbischof. Kaller verstand sein Amt als eine Vermittlungs- und Ausgleichsstelle. Die religiöse Betreuung der Vertriebenen formulierte er als vordringlichste Aufgabe. Er müsse auch als Vertriebenenbischof die persönliche Fühlungnahme mit den Flüchtlingen und Vertriebenen suchen und sie freiwillig zu einem einfachen christlichen Leben hinführen.

Das Armutsideal und die Akzeptanz der eigenen Notlage sollen zur Entspannung beitragen Die Geisteserneuerung am Ideal der Armut sollte inhaltlich seine Arbeit und Predigt prägen. Kaller forderte die Ergebenheit in den Willen Gottes als die einzig weiterführende Grundhaltung, um Rache und Hass nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Die Vertriebenen sollten in ihrer gläubigen Akzeptanz ihres schwierigen Schicksals zur Sühne der Schuld in dieser Welt beitragen.37 Schließlich formulierte Kaller in seinem Schreiben an den Papst einen dritten weiten Aufgabensektor, nämlich die Aufgaben allgemein sozialer Natur.38 Er könne als Vertriebenenbischof zwar nicht die Tätigkeit sozialer Stellen ganz oder teilweise

37

38

fentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Bd. 38), Mainz 1985, Nr. 1034, S. 726-729. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 970. „Das ist unser großer Beitrag zum Frieden, meine lieben Heimatvertriebenen, die wir am schwersten von den Folgen des Krieges betroffen sind: im demütigen, bußfertigen Beten wollen wir in die Zulassungen Gottes einwilligen. Durch betende Teilnahme am heiligen Opfer unseres Herrn finden wir immer wieder die Kraft, unser Herz mit seinen bösen Leidenschaften, mit Habsucht und Neid, mit Rachsucht und Hass zu kreuzigen, finden wir die Kraft, unseren eigenen Willen unter Gottes Heilsratschluss zu beugen.“ Die Vertriebenen seien, wenn sie sich diesem Willen beugten und das zugefügte Unrecht freiwillig erlitten, in der besonderen Nachfolge Jesu. Sie sühnten die furchtbare Anhäufung von Schuld in dieser Welt. Nur in dieser Haltung könne die Macht des Bösen in der Welt gebrochen werden. Gebet und Sühne führten zur lebendigen Verwirklichung des Friedens und zwar des inneren Friedens von der Familie bis zum Volk, der eben abhängt von der Versöhnung im Geist der Buße und dem gegenseitigen Vergeben der Schuld. Hirtenbrief Kallers an die Ermländer zur Fastenzeit 1947 unter dem Titel „Gib uns den Frieden“, in: KEWITSCH, Hirtenbriefe, 24-27. Kaller an Pius XII. am 11. November 1946, ein Memorandum und Tätigkeitsbericht, den Kaller in der Audienz bei Pius XII. am 11. November 1946 überreicht hat. AEM.

Die Vertriebenenbischöfe

119

übernehmen, er sah sich aber wohl in der Pflicht, anzuregen und gewisse Probleme in das Blickfeld des Interesses zu ziehen.

Das weite Themenfeld der sozialen Aufgaben Zu diesen Problemen gehörte, dass Flüchtlinge in der Gefahr standen, als Arbeiter niederen Ranges herabgedrückt, also in die Tradition der Ostarbeiter eingereiht zu werden. Damit die Vertriebenen nicht allein die Lasten des Krieges tragen müssten, musste ein Lastenausgleich erstrebt werden. Das krasse Unrecht, dass die Vertriebenen ihre Rechte auf Sparkonten, Krankenkassengelder, Lebensversicherungen u.ä. verloren hatten, müsse beseitigt werden. Die Vertriebenen müssten beruflich eingegliedert werden und Wohnungen bekommen. Durch eine Bodenreform müsse Binnensiedlung ermöglicht werden. Damit formulierte Kaller grundlegende Wünsche und radikale Aufgaben, die der Krisensituation in der deutschen Gesellschaft und auch in der deutschen Kirche gerecht werden sollten, die das Bewusstsein für die kritische Situation wecken wollten. Dahinter steckte die bisherige Erfahrung, die Kaller auch mit seinen Mitbrüdern im bischöflichen Amt machen musste, litt er doch nicht wenig darunter, dass viele seiner Amtskollegen das Gespür für die Größe der Aufgabe vermissen ließen und ihn allein vor diesem gewaltigen Berg an Aufgaben stehen ließen. Eine Konkretion einer dieser grundlegend skizzierten Aufgabenbereiche brachte der Hirtenbrief Kallers an die Ermländer zur Fastenzeit 1947.39 Kaller formulierte dort die geistliche Begründung für den Lastenausgleich und mahnte die Vertriebenen, nicht der Unzufriedenheit zu verfallen. Er spürte, dass die einen im dritten Jahr ihrer Vertreibung zunehmend mutlos, die anderen radikal und kämpferisch wurden. Die Forderung nach Lastenausgleich wurde verbunden mit der Forderung an die Vertriebenen, ihr Glück nicht vom Besitz abhängig zu machen, nicht gewaltsam den Ausgleich herbeiführen zu wollen. Diese Haltung dürfe nicht eine bloße Sonntagshaltung sein, sondern sie müsse alle Tage des Lebens der Vertriebenen durchdringen. „Wie frei fühlen wir uns oft denen gegenüber, die noch krampfhaft am unverdient verwahrt gebliebenen Besitz hängen und innerlich versklavt in ständiger Versuchung sind, sich gegen die ausgleichende Gerechtigkeit und gegen die Nächstenliebe zu verfehlen. Aber wie leicht verfallen auch wir der gleichen Sklaverei des Herzens, dem Neid, wenn wir die Armut nicht als Gottes barmherzige Gabe in dieser Stunde der Prüfung erkennen.“40

39

40

KEWITSCH, Hirtenbriefe, 24-27. – Im Zentrum stand die bange Frage nach der Sorge um die Heimat, nach der Möglichkeit zur Rückkehr in sie. Die Frage kreiste um die materiellen Grundlagen, die geschaffen und um die Perspektiven, die den Vertriebenen eröffnet werden müssten. Kaller warnte die Vertriebenen davor, sich völlig dem Gefühl der Hilflosigkeit und Preisgegebenheit hinzugeben. Gerade die Mahnungen des Heiligen Vaters, der immer wieder den Staatsmännern ins Gewissen geredet habe, dass der Friede ein Werk der Gerechtigkeit und der Völker versöhnenden Liebe, nicht der Machtgier und Rachsucht sein dürfe, könne den Vertriebenen zu Hilfe kommen. Ebd.

120

Abschnitt II

Individualseelsorge durch Briefe Der Einsatz für seine Diözesanen des Ermlands zeigte sich nirgends deutlicher als in dem umfangreichen Briefwechsel41, den Kaller mit vielen Priestern und mit vielen Laien führte. Alfred Penkert hat diesen Briefwechsel – erhalten sind etwa 6.000 Briefe und Karten an Laien, die Kaller in seinen beiden Jahren als Vertriebenenbischof geschrieben hat; er hat weit mehr verschickt – aufgearbeitet. Kaller erwies sich hier als ein Samariter des Alltags.42 Persönliche Grüße und Segenswünsche, Erinnerungen auch, waren ihm ebenso wichtig wie Fragen nach Anschriften, nicht zuletzt von Eltern, die über das Schicksal ihrer Kinder, die im polnisch verwalteten Gebiet in Ostpreußen zurückgeblieben waren, Auskunft wollten, wie auch das Hilfeersuchen in materiellen Notlagen, in der Arbeitssuche, in der Wohnungssuche, bei Schul- und Studienproblemen oder die Bitte um Entlastung im Entnazifizierungsverfahren, nicht zu vergessen die vielen Anfragen nach den Möglichkeiten, den Plan, sich in Übersee neu anzusiedeln, zu verwirklichen. Den größten Teil der persönlichen Korrespondenz bildeten die persönlichen Anfragen, die Bitten um Hilfe (etwa ein Drittel der Briefe, die an Kaller gerichtet waren) und die Fragen zur Auswanderungsproblematik. Etwa 10 % machten die Bitten um Hilfe für die Entnazifizierung aus. Standpunkt und Themen in den Antwortschreiben an diejenigen, die persönlich bei ihm Hilfe suchten, die ihm ihre Notlagen schilderten und nicht selten wortreich klagten, sind vergleichbar mit den in den Hirtenbriefen und Predigten geschilderten. Es ist der Appell, die Situationen anzunehmen, wie die Vertriebenen sie vorfinden, sich in das Schicksal zu fügen, in franziskanischer Gesinnung die Mittellosigkeit anzunehmen, nicht der Resignation und auch nicht der falschen

41

42

In dem weit gespannten Briefwechsel zeigt sich, wie sehr Kirche und kirchliche Amtsträger den Vertriebenen in den ersten Nachkriegsjahren Heimat und Neuorientierung bieten konnten. In vielen Briefen an Kaller wird die enge Bindung und Wertschätzung des Bischofs bei den Ermländern deutlich. Kaller wurde diese Form der Individualseelsorge, auch wenn sie ihm ein reiches Maß an Arbeit bescherte, nicht lästig. Er stand in brieflichem Kontakt zu vielen Ermländern und Vertriebenen aus anderen Regionen und setzte sich für sie ein. Gerade in der Diaspora sollten sie den Apostelcharakter ihrer Situation wahrnehmen und ihren Glauben zeigen. Es ist der Appell an das Laienapostolat, den Kaller in diesem Kontext konturierte. Vor allem die Jugend rief er dazu auf, Apostel zu sein. „Und so sage ich Euch: auch Ihr seid berufen, Apostel zu sein! Gerade Ihr Heimatlosen, Ihr sollt Apostel sein! Ich will Euch einen Beweis dafür geben, dass schon so manche unter Euch Apostel sind: Vor einige Wochen hatte ich Gelegenheit sowohl mit dem hochwürdigsten Herrn Erzbischof von Paderborn, als auch mit dem hochwürdigsten Herrn Bischof von Osnabrück zu sprechen. Sie kamen beide von Firmungsreisen aus der Diaspora zurück und sprachen mit Bewunderung davon, wie so manche Katholiken in der Diaspora wunderbare Apostel sind. Wie sie die ganze Gemeinde neu aufbauen: Wie sie neues katholisches Leben in diese Gemeinden hineinbringen. Dort, wo früher nicht ein Hauch von Glauben und nicht ein Hauch von Liebe zu spüren war! Durch die Heimatlosen wurde in der Diaspora dieser Glaube und die Liebe gebracht.“ Predigt Kallers an die Heimatvertriebenen bei der Wallfahrt in Werl am 29. Juni 1947. Druck: Festpredigt zur Wallfahrt der Ostvertriebenen zu unserer lieben Frau vom 29.6.1947 in Werl. Katholische Osthilfe Lippstadt 1947, S. 25-30.

Die Vertriebenenbischöfe

121

Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die Heimat zu verfallen, sondern dort, wo Gott sie hingestellt hatte, sollten die Vertriebenen ihr Leben neu aufbauen. Vielen Ermländern tat es offensichtlich gut, ihre teils schrecklichen Erlebnisse in Flucht und Vertreibung aussprechen zu können, und die Teilnahme des Oberhirten zu finden. So wird auch von vielen Seiten bezeugt, dass die Ermländer eine besondere Liebe zu ihrem Bischof zum Ausdruck brachten. Man könne von einem guten leiblichen Vater nicht besser sprechen als die Ermländer von ihrem Bischof, den sie ganz ins Herz geschlossen hätten und umgekehrt genauso.43 Auch als Vertriebenenbischof wollte Kaller doch zuallererst Bischof von Ermland, nicht nur mit dem Titel, sondern mit dem Herzen bleiben.

‚Vergangenheitsbewältigung‘ und Zukunftsperspektive des Glaubenden Bereits in den frühen Predigten Kallers nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland findet sich eine intensive Reflexion der Situation der Geflüchteten und Vertriebenen. In dieser Reflexion wurden auch die Ursachen klar benannt, die geistigen Verwirrungen der vorangegangenen zwölf Jahre. In diesen frühen Predigten setzte schon eine Art Vergangenheitsbewältigung ein, wie man sie in dieser Extensität und Intensität bei den eingesessenen Katholiken nicht findet. Vielleicht war sie auf Vertriebenenseite vom Schicksal erzwungen. Man konnte die eigene Situation nicht ignorieren. Sie wollte erklärt sein, um halbwegs akzeptiert werden zu können, und für diese Erklärung reichte die einfache Parallelsetzung mit biblischen Bildern und Situationen in der Regel nicht aus. Die Menschen fragten radikaler. So predigte Kaller zur Caritassammlung in der Herz-Jesu-Oktav am 10. Juni 1945 zu der Frage „Wer baut die Brücken?“44 Das Bild der gesprengten Brücke wurde zum Sinnbild und Gleichnis für die abgebrochene und zerstörte Verbindung zwischen Menschen und Völkern. Das Verhältnis des Menschen zum Menschen sei an der Wurzel vergiftet und verdorben.45 Das Gift der Zerstörung werde nicht durch Worte überwunden, sondern nur durch ein Heilwerden von der Wurzel her. So skizzierte er den Brückenbauer der Gegenwart und der Zukunft: „Er sieht, dass etwas ganz Neues und ganz anderes beginnen müsste im Verhältnis vom Menschen zum Menschen, wenn er nicht überhaupt am Menschen

43

44 45

Vgl. dazu Alfred PENKERT, Sie kamen aus der großen Drangsal. Ostdeutsche – insbesondere ermländische – Flüchtlinge und Heimatvertriebene im Briefwechsel mit Bischof Maximilian Kaller in den Jahren 1945 – 1947. Münster 2004, S. 30. Predigt Kallers zur Caritassammlung in der Herz-Jesu-Oktav am 10. Juni 1945 unter dem Titel „Wer baut die Brücken“. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 957. „Es ist nicht nur das alte, ewig gleiche Lied von der Vergeltung und Rache. Das Neue ist: Man hat daraus eine Lehre, ein Ideal, ja ein neues Evangelium gemacht. Man hat den Hass gepredigt wie eine Erlösungslehre. Man hat Mitleid und Erbarmen als eine Schwäche hingestellt, deren man sich schämen und die man überwinden muss und dafür den brutalen und rücksichtslosen Willen zur Macht heilig gesprochen. Das war eine furchtbare Irrlehre, die das Verhältnis des Menschen zum Menschen an der Wurzel vergiftet und verdirbt.“ Ebd.

122

Abschnitt II

irre werden und am Leben verzweifeln soll. Er ist ohne Glauben aufgewachsen, aber hat das Verlangen nach dem Wahren und Guten in sich bewahrt.“46 Kaller nahm die fortschreitende Dechristianisierung wahr und forderte umso mehr zum christlichen Zeugnis auf.47 Der Neuanfang müsse bei den Einzelnen in kleinen Schritten ansetzen. Kirche und Gemeinde seien gesendet zu einem neuen Anfang, zu einem neuen Verhältnis zum Menschen, zu einer neuen intensiven Form der Bruderliebe. Grundlage und Impuls für diesen Neuanfang skizzierte Kaller in seiner Pfingstpredigt 1945. Der Geist Gottes mit seiner Schöpfertätigkeit beginnt nicht beim Wiederaufbau der Häuser und Städte, sondern kümmert sich zuvorderst um die Zerstörung in den Herzen der Menschen. Kaller griff in seinen theologischen Bildern und Argumentationsgängen die verheerenden Wirkungen der Kriegserfahrungen auf, wenn er von den grauenhaften Trümmerfeldern in den Herzen sprach.48 Die apostolische Gemeinschaft der Urkirche als Heimat empfahl Kaller den Menschen in einer Predigt zum Kirchweihfest 1945. Wieder wollte er nichts wegreden von der Bitternis der Heimatlosigkeit. Er kannte die Erfahrung am eigenen Leibe, aber er wollte alles Irdische im Kontext dieser Erfahrungen als ein Gleichnis und eine Verheißung nehmen. Er appellierte an die Gläubigen, sich als Wanderer zwischen zwei Welten zu verstehen und das irdische Haus lediglich als ein Zelt oder eine Herberge zu sehen. Der Mensch muss immer wieder aufbrechen und weiterwandern. Letztlich ist es die Unruhe und die Sehnsucht des Menschen, die sie sich bewahren sollten, die Vorläufigkeit aller irdischen Heimat, die ihre Verheißung erst in der Wohnung bei Gott erfüllt sieht. „Aber schon auf der Wanderschaft ist die katholische Kirche und die katholische Gemeinde ein Anfang solch heiliger Heimat.“49 Die Menschen haben in der Notsituation tiefer als gewöhnlich erfahren, was ihnen Kirche und Gemeinde bedeuten; Kaller nennt an vielen Stellen beide Begriffe parallel

46 47

48

49

Ebd. Er präsentierte in seinen Ausführungen die Skizze eines nicht mehr christlich sozialisierten Menschen, der vom Christentum nur dem Namen nach gehört hat, der die Kirchen als überlebte geschichtliche Größe wahrnahm und für die Zukunft nichts mehr von ihr erwartete. Kaller erinnerte die Gläubigen daran, dass sie vor diesem Hintergrund die erneuernde Kraft der Bergpredigt leben, diese Botschaft aktuell glaubwürdig werden lassen, Zeugnis geben sollten, damit solche Suchenden nicht enttäuscht werden und sich wieder abwenden. „Krieg ist immer etwas Furchtbares und bringt Furchtbares mit sich – aber nicht das war das eigentlich Schreckliche und Erschreckende, was durch die Notwendigkeit des Krieges gefordert war, sondern das, wessen der Mensch fähig ist ohne alle Notwendigkeit! Was der Mensch dem Menschen antut über alle Notwendigkeit, ja Zweckmäßigkeit hinaus in sinnloser Grausamkeit, in Freude am Schmerz des anderen, in rücksichtsloser Selbstsucht und Brutalität oder was oft noch schlimmer sein kann: in kalter, unberührbarer Gleichgültigkeit! Und wir haben mit Schrecken erfahren, was der Mensch aus dem Menschen machen kann und was aus einem Volk gemacht werden kann durch Zwang und Verlockung mannigfacher Art. Und wir alle sind mit davon betroffen, sind daran beteiligt, sind mit daran Schuld.“ Predigt Kallers Pfingsten 1945. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 960. Parallelen zu Joseph Wittigs Heimatverständnis, das dieser in einem Beitrag 1947 entwickelte, sind nicht zu übersehen. Vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? S. 512-515.

Die Vertriebenenbischöfe

123

und denkt dabei wohl vor allem an die pfingstliche Gemeinde und die Gemeinden der frühen Kirche. Diese Gemeindeatmosphäre ist es in seinen Augen, die Heimat spendet.50 Nicht zuletzt: Die Kirche wird zur Heimat, weil sie in den Zeiten der Irrungen die Wahrheit gehütet hat. Sie hat Orientierung gegeben, wo alle Gewichte und Maßstäbe gefälscht waren.51 Die Kirche wird als eine Gegenwelt, als ein Korrektiv zum Nationalsozialismus gezeichnet. Wahrheit gegen Irrtum, Liebe gegen die Atmosphäre der Gehässigkeiten und der Verhetzung, auch wenn es Missfälligkeiten und Lieblosigkeiten auch innerhalb der Kirche gab.52 Kirche erscheint als Gegenwelt, als heilige Heimat, nicht zuletzt der Caritas wegen, die grenzen- und unterschiedslos ist und auch den Menschen aus den anderen Ländern Europas, die während des Krieges als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt waren, als Heimat diente. Sie waren draußen ausgesetzt der Missachtung und auch der Misshandlung, in den Gemeinden aber seien sie wie Geschwister aufgenommen worden. Dort hatten sie ein Heimrecht, dort hatten sie Würde und Ehre. Kirche und Gemeinde sind den Menschen als Heimat geblieben, ja neu geschenkt worden. So sollten sie zu einem Ort der Erneuerung, des inneren Aufbaus, des neuen Lebens im Volk werden. Alle sollen hier Heimat finden und nicht nur Gäste und Fremdlinge sein, auch die, die nur für kurze Zeit in der Gemeinde sind, die auf der Wanderschaft sind. Solange sie in der Gemeinde sind, haben sie Heimatrecht und sollten sich dort zu Hause fühlen.

Kaller als Mitorganisator der außerordentlichen Vertriebenenseelsorge Speziell als Organisator erwies sich Kaller in der Verteilung der Flüchtlingshilfe aus dem Vatikan und nicht zuletzt in der Sorge um die vertriebenen Priester und den

50 51

52

Dazu Rainer BENDEL, Heimat in der Religion schafft Identität in der Fremde? In: Sudetenland 50 (2008), S. 386-399. „Wir haben keine politischen Predigten gehalten, wir haben nicht zu den immer neuen Einzelheiten und Tagesfragen Stellung genommen, wir haben es auch gewagt, an all den Vorwürfen und Verleumdungen gegen Glauben und Kirche stillschweigend vorbeizugehen und sie zu überhören. Wir hatten das Vertrauen: Wenn wir nur das Licht in unsere Tage und in unsere Welt deutlich hineinleuchten lassen, werdet Ihr selbst unterscheiden, was weiß und schwarz ist; wenn wir Euch die rechten Gewichte und Maßstäbe mitgeben ins Leben, werdet Ihr selbst messen und wiegen und unterscheiden, was groß und klein, was richtig und unrichtig ist. Wir wollten Euch nicht unsere menschliche Meinung geben, sondern Mund der Kirche Christi sein.“ Kirchweihpredigt 1945 unter dem Motto „Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat“. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 975. „Sie (e. A. die Kirche) ist uns Heimat gewesen dadurch, dass wir uns in ihr vor Gottes Angesicht versammeln konnten als sein Volk vor dem Angesicht des großen und heiligen und gütigen Vaters, als seine Söhne und Töchter, in Gemeinschaft mit Christus als unseren großen Bruder. Wie tat es uns gut, dass wir hier einmal wegschauen konnten von den Bildern des Grauens und Entsetzens, einmal wegdenken konnten von unseren Sorgen und Ängsten und hineinschauen in ein großes und reines Licht, in Gottes Größe und Schönheit und Herrlichkeit…“ Ebd.

124

Abschnitt II

Priesternachwuchs in Königstein. In einem Schreiben an Pius XII. vom 21. Juni 1946 wies er Rom auf die Notwendigkeit materieller Unterstützung hin. Die Caritas müsse gestärkt werden gerade angesichts der Unterstützung, die der Flüchtlingsausschuss des Weltkirchenrates am 15. Juni 1946 gefordert hatte. Kaller zitierte das Verlangen des Weltkirchenrates, die zehn Millionen heimatlos gewordenen Deutschen zu unterstützen, weil sich sonst die Gefahr eines sozialen Zusammenbruchs in Mitteleuropa im hohen Maß verschärfe.53 Die katholische Kirche müsse den Vorsprung des evangelischen Hilfswerkes auszugleichen, ja womöglich zu überflügeln versuchen. Kaller hielt es für das Wichtigste, dass in Rom eine Zentralstelle für die katholische Deutschlandhilfe geschaffen werde, weil allein der Vatikan das Ansehen habe, Verhandlungen mit Regierungsstellen zu führen und Wege und Möglichkeiten auszuloten für Hilfssendungen. Allein der Vatikan habe die Möglichkeit, die Weltöffentlichkeit über die Not der deutschen Katholiken aufzuklären. Durch die römische Zentralstelle sollten Länderhilfskomitees geschaffen werden. Die Caritas reiche organisatorisch nicht aus54, um die außergewöhnlichen Notstände wie Flüchtlingshilfe und die Betreuung der Opfer des Faschismus zu schultern. In engster Verbindung mit dem Caritasverband sollte nach Kallers Vorstellungen eine Zentralstelle geschaffen werden, die den Belangen der Verfolgten des Nationalsozialismus und der Ostflüchtlinge im Inland gerecht werden könnte. Als zweites großes Aufgabengebiet skizzierte Kaller das Siedlungs- und Auswanderungsproblem.55 Diese Vorschläge Kallers wurden nicht eins zu eins umgesetzt, wohl aber wurde Kaller als päpstlicher Sonderbeauftragter für die Ostflüchtlinge mit der Verteilung der Sendungen aus dem Vatikan betraut, daneben freilich auch Prälat Büttner vom RKA. Die Zuständigkeiten wurden letztlich nicht eindeutig geklärt. Dieses ‚Schicksal‘ trifft man wieder bei der Initiative in Königstein: Büttner, Kaller und Kindermann stehen

53 54

55

Kaller an Pius XII. am 21. Juni 1946. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 1108. „Die Erfahrungen aus der bisherigen katholischen Hilfswerkstätigkeit in Deutschland haben gezeigt, dass die materielle Rückständigkeit unserer Hilfsorganisationen nicht zuletzt daher rührt, dass wir in dem in vier Besatzungszonen aufgeteilten Deutschland, dessen regionale Grenzen nur mit alliierten Interzonenpässen überschritten werden können, keine überzonale und überdiözesane katholische Hilfswerkszentrale besitzen, die die notwendigen Hilfsmaßnahmen zentral lenken und planen könnte. Wohl ist der deutsche Caritasverband eine Einheit, aber jede einzelne Diözese ist in sich auch in caritativer Hinsicht selbständig und macht Versuche, Hilfe aus dem Ausland zu erhalten, so dass eine einheitliche, straffe Durchführung und Verteilung von Mitteln nicht gewährleistet ist. Das Ausland weiß bei den vielen Verhandlungsstellen der Caritas nicht, wer bei uns eigentlich zentral zuständig ist.“ Ebd. Es begegnet die bekannte Argumentation, dass Rumpfdeutschland nicht ausreichend Platz habe für die Bevölkerung, die in etwa auf dem Vorkriegsstand bestehen blieb und dass vor allem die bäuerlich geprägte Bevölkerung der Ostflüchtlinge kein Land zu Ansiedlungszwecken finden könne.

Die Vertriebenenbischöfe

125

für den Anfang. Spannungen mit sehr eigenwilligen, auch verletzlichen Menschen waren vorprogrammiert. Die Spannungen zwischen Büttner und Kindermann führten schließlich zum Rückzug Büttners aus den Königsteiner Initiativen. Die Schwierigkeiten zwischen Kaller und Büttner wurden mehrfach in der Umgebung Kallers festgehalten. Er selbst hat sich wohl nicht explizit dazu geäußert, sondern versuchte in zahlreichen Anläufen Büttner entgegenzukommen und ihn positiv zu motivieren, doch auf entsprechende Kompromissvorschläge und Regelungen einzugehen. Der Papst hatte sich entschieden, Kaller die Sonderaufgabe an den Vertriebenen zumindest für eine erste Zeit zu übertragen und ihn nicht– auch das ein Vorschlag Kallers an den Heiligen Vater – mit der Mission unter den deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich zu betrauen. „Es handelt sich um die Betreuung der katholischen Ostflüchtlinge. Nicht als ob eine quer über die deutschen Diözesen sich erstreckende Sonderseelsorge mit eigener Jurisdiktion für sie geschaffen werden sollte. Sie werden vielmehr am Ort ihrer Unterkunft von der zuständigen Pfarrei und Diözese von selbst erfasst werden und wir hören zu unserem großen Trost, dass sich die Bischöfe und Priester der Auffangdiözesen alle erdenkliche Mühe geben, um ihrer Aufgabe an den neu hinzugekommenen Gläubigen gerecht zu werden. Indes ist ein Sonderamt, das zwischen den Ostflüchtlingen und den Ordinarien der Auffanggebiete vermittelt, doch wohl notwendig wenigstens für die erste Zeit. Der Gegenstand der Obsorge dieses Sonderamtes wäre vor allem der aus den verlassenen Ostgebieten nach dem deutschen Westen und Süden kommende Klerus, seine Erfassung und seine Verteilung in die Auffangdiözesen, sodann die Sorge für die unter den Ostflüchtlingen sich findenden Priesterberufe, falls sie nicht ohne weiteres in die kirchlichen Priesterbildungsanstalten der Auffangdiözesen aufgenommen werden; endlich wird – besonders in den Fällen, wo katholische Ostflüchtlinge am Ort Unterkunft finden, an denen bis dahin weder eine katholische Kirche noch ein Priester waren, eine Reihe von seelsorglichen und caritativen Fragen auftauchen, die eine besondere Vermittlung zwischen den Angekommenen und dem Ordinarius loci wünschenswert, wenn nicht notwendig machen.“56 Der Papst unterstrich, dass er dieses Sonderamt Kaller anvertrauen wolle, weil er Klerus und Gläubige des katholischen deutschen Ostens von seiner schlesischen Heimat, von der jahrzehntelangen Tätigkeit in Berlin, in Schneidemühl und in der Diözese Ermland her kenne und weil sein erprobter Eifer in Seelsorgefragen, seine guten Beziehungen zu den anderen deutschen Oberhirten ihn dafür besonders geeignet erscheinen lassen. Der Papst betonte, dass die Kirchliche Hilfsstelle unter der Leitung von Albert Büttner der Oberleitung des Päpstlichen Beauftragten unterstehe. Das Aufgabenfeld dieses Sonderamtes umschrieb und begründete Kaller in einem Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Erzbischof von

56

Pius XII. an Kaller am 24. Juni 1946. Päpstliche Ernennungsurkunde zum Sonderbeauftragten für die Flüchtlinge in Deutschland. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 1114.

126

Abschnitt II

Köln, Josef Kardinal Frings, vom 4. August 1946, der diktiert ist von der Sorge, dass das Thema Vertriebene und Flüchtlinge auf der Bischofskonferenz zu wenig Raum finden könnte.57 Kaller schilderte die Lage, trug die statistischen Angaben vor, umriss die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Eingliederung in Landwirtschaft, in Industrie und Handel und machte Vorschläge zur Überwindung der Not. Vor allem für den Bereich Seelsorge referierte er die Vorschläge, die auf der Pfingsttagung für katholische Flüchtlingsseelsorge unter der Leitung der Katholischen Osthilfe in Lippstadt 1946 stattgefunden hatte. Die dortigen Forderungen richteten sich auf die Förderung des Priesternachwuchses und der begabten höheren Schüler – es wurde von einem Theologenkonvikt in Frankfurt gesprochen.58 Die Schaffung einer zentralen katholischen Hilfsstelle in Rom wurde thematisiert, soziale Aufgaben wurden skizziert, zu deren vordringlichen die Stadtsiedlung, der Wohnungsbau, die landwirtschaftliche Siedlung und die Auslandssiedlung gehörten. Die Frage nach dem Lastenausgleich in den Bereichen, die den Grundbesitz übersteigen, wurde in diesem Kontext nicht aufgeworfen. Erst im Juli 1946 hatte Kaller Halle verlassen. Er hielt sich ab Ende September, Anfang Oktober in Frankfurt/M. auf, dem Sitz der Kirchlichen Hilfsstelle für die Vertriebenen, deren Geschäftsführung Prälat Büttner innehatte und die er durch seinen päpstlichen Sonderauftrag zu leiten hatte. Freilich betrachtete er die Frankfurter Wohnung nur als eine Übergangswohnung, weil er seinen Amtssitz in Königstein aufschlagen wollte, wo Kindermann im Sommer 1946 begonnen hatte, einen zentralen Sitz für die Vertriebenenbetreuung, speziell für die Betreuung vertriebener Priester zu erwerben. Kaller forderte in seinem Schreiben an die Bischofskonferenz eine klare Struktur, einen einheitlichen Aufbau der Diözesanhilfsstellen, die Zusammenfassung der Initiativen und Strukturen der Vertriebenenseelsorge unter einem Bischof als Referenten der Bischofskonferenz, also einen Bischof an der Spitze der deutschen Zentralstelle zur Durchführung der caritativen und sozialen Aufgaben und zur Vertretung in Rom und im Ausland. Er trug grundsätzliche Gedanken vor, wie die Notlage zu verändern sei.59 Die Wendung der Not dürfe nicht allein einer Organisation wie der Caritas übertragen und auf diese abgeschoben werden. Sie müsse von jedem persönlich mitgetragen werden.

57 58 59

Kaller an Frings am 4. August 1946. AEM. Verzeichnis der Quellen Kallers, Stand 2012, Nr. 1150. Vgl. ebd. „Die Lösung des Flüchtlingsproblems ist die vordringlichste und schwierigste Aufgabe der Kirche in Deutschland, zugleich auch ihre große Chance. Nach der Prüfung des Glaubens in der nationalistischen Zeit steht vor uns die schwere Forderung der Bewährung der christlichen Liebe und wahrhaft katholischen Haltung. Das durch die Not erzwungene Zusammenleben der Einheimischen und der Fremden muss eine christliche Begegnung der Liebe werden, soll den einen Heimat geschenkt, den anderen diese erhalten werden. Mitten in dieser Begegnung steht das Kreuz, an dem beide Teile mittragen müssen.“ Ebd.

Die Vertriebenenbischöfe

127

An erster Stelle müsse die praktische Abhilfe der Not, d.h. vor der Konzeption müsse die caritative Fürsorge stehen. Kaller unterstrich, dass in allen deutschen Diözesen manches zur Linderung der äußeren Not getan worden sei. Diözesane und überpfarrliche Hilfsstellen waren entstanden – meist im Rahmen des Caritasverbandes, daneben die Heimatlosenfürsorge in Hamburg, die Kirchliche Hilfsstelle in Frankfurt und München. Aber all diese Organisationen hätten nur Notverbände auf die klaffenden Wunden legen können. „Sie stehen nun in einer Krise, da sie auf sich gestellt die wachsenden Probleme nicht bewältigen können. Weder die unbedingt notwendigen seelsorglichen und caritativen Maßnahmen zu Behebungen und Milderungen der gegenwärtigen Not, noch die gewaltigen sozialen Aufgaben können durchgeführt und gelöst werden mit den bisherigen Hilfsstellen und Hilfsmitteln.“60 Bei der Formulierung der Vorschläge konkreter Maßnahmen zur Nothilfe stützte Kaller sich weitgehend auf die Flüchtlingsseelsorgertagung an Pfingsten 1946 in Lippstadt. Dort wurden Perspektiven entwickelt, um die Not auf weitere Sicht hin zu beheben. All diese Forderungen trug Kaller in seinem Schreiben ein. Es ist nicht ersichtlich, dass er eigene Überlegungen hinzufügte. In erster Linie führte die Orientierung am Vorbild und am Konkurrenten Evangelisches Hilfswerk die Feder. Dass sich Kaller vor allem als Interessenvertreter und weniger als eine konzeptionelle Figur sah, kann man auch dem Schreiben an Pius XII. vom 11. November 1946 entnehmen, wo er quasi als Antwort auf seine Ernennung zum Sonderbeauftragten die Aufgaben seines Amtes inhaltlich konkretisierte. Konzeptionell fällt die Formulierung der Grundoption der religiösen Betreuung der Vertriebenen auf: Es sei notwendig, eine persönliche Fühlungnahme mit den Flüchtlingen herzustellen. Der Individualseelsorge kommt in den Augen des Bischofs ein hoher Stellenwert zu.61 Mit den Aufgaben allgemein sozialer Natur, die sein Auftrag auch mit sich bringe, die mit den Flüchtlingsproblemen im engsten Zusammenhang stünden, formulierte er die Forderung eines Lastenausgleiches. Er unterstrich, dass es nicht im Sinne seines Amtes liege, die Tätigkeit sozialer Stellen ganz oder teilweise zu übernehmen, wohl aber müsse er anregen und akzentuieren, gewisse Probleme in das Blickfeld des Interesses ziehen. Die Charakterisierung des Flüchtlingsbischofs, die der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz in seinen Redenotizen für die Begrüßung der Bischofskonferenz 1947 in Fulda vorbereitet hatte, kann quasi als Fazit und Würdigung dienen. Frings skizzierte dort, dass Kaller es verstanden habe, etwas aus dem Sonderauftrag des Hl. Vaters zu machen. Er bezeichnete ihn als den „Vater aller Flüchtlinge“ und unterstrich als Spezifikum den unermüdlichen Seeleneifer Kallers. Seine Prognose: Kaller

60 61

Ebd. Zentrale Intention dieser Seelsorge ist die Formung einer bestimmten Haltung: die Vertriebenen sollen zu einem einfachen christlichen Leben hingeführt werden. Das franziskanische Ideal der Armut soll einen wichtigen Beitrag leisten zur Erneuerung des Geistes und des tätigen Glaubenslebens.

128

Abschnitt II

„wird neben Kardinal von Galen als Zierde des deutschen Episkopats genannt werden.“62

1.3.

Das Amt des Flüchtlingsbischofs

Das Amt des Flüchtlingsbischofs war nie eindeutig umschrieben, auch nicht als Maximilian Kaller mit dem römischen Ernennungsschreiben vom 24. Juni 1946, das erst Anfang August 1946 in die Hand des ermländischen Bischofs gelangte, mit den Aufgaben eines Flüchtlingsbischofs betraut worden war. Denn die ausgewiesenen Kleriker waren zunächst dem Ordinarius der aufnehmenden Diözese unterstellt. Der Beauftragte für die Flüchtlingsseelsorger war befugt, gemäß Kanon 144 des CIC, Priester zurückzurufen und an den Orten seiner Wahl einzusetzen. Hier gab es also konkurrierende Zuständigkeiten. Genau dieses Versetzungsrecht des Vertriebenenbischofs wäre der zentrale Schlüssel für eine angemessene Verteilung des Vertriebenenklerus entsprechend den regional anstehenden Aufgaben gewesen. Diese Verteilung aber musste nicht nur am Unwillen vieler Geistlicher, sondern auch an der mangelnden Bereitschaft der Bischöfe, Kleriker für die Diaspora im Norden Deutschlands und vor allem im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands zur Verfügung stellen, scheitern. Die römische Kreation des Amtes des Flüchtlingsbischofs war eine schnelle Reaktion auf die Erfordernisse der Situation mit deutlichen Geburtsfehlern. Einer davon war die nicht näher beschriebene Oberleitung über die Kirchliche Hilfsstelle und der andere die konkurrierende Zuständigkeit bei der Verteilung des Vertriebenenklerus. Auch die spezielle Sorge um ostdeutsche Priesterberufe wurde dahingehend eingeschränkt, als sie sich vor allem auf die bezog, die nicht in die Priesterseminare der Auffangdiözesen aufgenommen wurden. Man hatte also das Ortsprinzip, das Prinzip der Zuständigkeit des Diözesanbischofs letztlich nicht durchbrechen wollen und damit den Vertriebenenbischof in seinen Möglichkeiten so beschnitten, dass er auf das Entgegenkommen und die wohlwollende Unterstützung seiner Mitbrüder im Bischofsamte auf Gedeih und Verderb angewiesen war. Hinzu kamen die unmittelbaren Seelsorgetätigkeiten des Vertriebenenbischofs, vor allem bei Wallfahrten und Sondergottesdiensten der Heimatvertriebenen und die Aufgabe, Referent der entsprechenden Anliegen der Vertriebenen im Kreise der Bischofskonferenz zu sein.63

62 63

Akten deutscher Bischöfe 1945 – 1947, S. 1255, Anmerkung 8. Zur Aufgabenumschreibung vgl. im Anhang (Nr. 3) die sieben Punkte, die Gustav Braun in den fünfziger Jahren zusammengestellt hat; dort ebenfalls als Nr. 4 der zweiseitige Tätigkeitsbericht für 1964 (zur Dienststelle!).

Die Vertriebenenbischöfe

2.

129

Ferdinand Dirichs (1948)

Im Conveniat der westdeutschen Bischöfe vom 3. bis 5. Februar 1948 wurde die Nachfolge von Bischof Kaller als Vertriebenenbischof beraten. Die westdeutschen Bischöfe formulierten die Bitte an den Papst, dem frisch ernannten Bischof von Limburg, Ferdinand Dirichs, jene jurisdiktionellen Rechte über die heimatverwiesenen Priester zu übertragen, die im Schreiben des Vorsitzenden vom 14. Mai 1947 Bischof Kaller zugedacht waren. Gleichzeitig sollte der Limburger Bischof Referent der Fuldaer Bischofskonferenz für die Seelsorge und Betreuung der Ostverwiesenen sein. Das Protektorat über die Flüchtlingsseelsorge übernehme der Vorsitzende der Konferenz. Dort wurde auch der Vorschlag zu Papier gebracht, dem Bischof von Limburg einen Beirat zur Seite zu stellen – also den späteren katholischen Flüchtlingsrat, dem vor allem die derzeitigen und ehemaligen Ordinarien der Ostdiözesen angehören sollten. „Seine Erweiterung durch die Berufung anderer geeigneter Mitglieder bleibt dem Bischof von Limburg überlassen.“64 Der Bischof von Limburg wurde bereits mit einer ganz konkreten Aufgabe betraut, nämlich die Auseinandersetzung zwischen der Kirchlichen Hilfsstelle und dem Opus Confraternitatis beizulegen. Die Option lautete, das Opus Confraternitatis bei der Kirchlichen Hilfsstelle zu belassen. Der Limburger Bischof sollte auch auf eine möglichst klare Scheidung der Kompetenzen der Kirchlichen Hilfsstelle und Königsteins drängen. Schließlich war auch die Universitätsfrage in Frankfurt in diesem Referat angesiedelt, war von ihr doch abhängig, ob in Königstein ein Theologiestudium eingerichtet werden sollte und konnte oder nicht. Anfang Februar war jedenfalls eine Lösung der bestehenden Schwierigkeiten, in Frankfurt eine theologische Fakultät zu errichten, noch nicht gefunden.65 Mit Dirichs wurde ein Diözesanbischof mit dem Amt betraut, in dessen Diözese zeitgleich ein wichtiges Zentrum für die Ausbildung der vertriebenen Priester entstand. Viele sahen eine deutliche Chance auch darin, dass ein Einheimischer diese Aufgabe übertragen bekommen hatte. Dirichs versuchte von Anfang an, die unterschiedlichen Organisationen, die in der Betreuung der Vertriebenen tätig waren an einen Tisch zu bringen, um die Arbeit stärker als bisher koordinieren zu können. Diesem Ziel dienten die drei Sitzungen der „Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe“ im Jahre 1948 und in der Folge der dort vorbereitete und für den 23. August 1948 erstmals einberufene Katholische Flüchtlingsrat.66

64

65 66

Das Protokoll des Conveniats der westdeutschen Bischöfe vom 3.-5. Februar 1948 in Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 97-102, Punkt 1: Seelsorge und Betreuung der Ostverwiesenen, S. 97f., Dokument Nr. 16. Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 98. Vgl. die Protokolle in KZG, Bestand Königstein 3074.

130

Abschnitt II

Ferdinand Dirichs setzte sich in dem einen Jahr seines Wirkens – er verunglückte am 27. Dezember 1948 bei einem Autounfall tödlich – intensiv für die Aufgaben der Vertriebenenseelsorge und für die Ausbildungsstätte Königstein ein: Am 16. Dezember 1947 besuchte er das Albertus-Magnus-Kolleg in Königstein, an der Besprechung der katholischen Flüchtlingshilfe in Limburg am 31. März 1948 nahm er teil, am 6. Juni an der Wallfahrt der Heimatvertriebenen nach Marienthal, ebenso am 14. Juli an der Konferenz der heimatvertriebenen Seelsorger in Limburg, am 18. und 19. Oktober an der Konferenz der Seelsorger der Heimatvertriebenen, am 31. Oktober an der Bekenntnisfeier der heimatvertriebenen Jugend in Wetzlar und schließlich am 7. Dezember an der Tagung des Katholischen Flüchtlingsrates des Beratungsgremiums aus Laien in Köln.67 Dirichs war als Vertriebenenbischof von den Betroffenen, also von den Heimatvertriebenen und auch vom Vertriebenenklerus, begrüßt worden. Er war als charismatischer, aufgeschlossener Seelsorgebischof willkommen und beliebt. Er konnte auf die Menschen zugehen, nahm sie in ihren Notlagen ernst und versuchte, wo immer er konnte, zu helfen. Wie Kaller bekam auch Dirichs sehr viele Schreiben von Vertriebenen. Ihm wurden viele Bitten vorgetragen. Naturgemäß konnte er nur einen Teil davon erfüllen. Dirichs war ein Kümmerer, darin sehr verwandt mit Kaller. Das unterstreicht auch das ihm gewidmete Gedenkbuch. Bekanntschaft, ja gar Freundschaft, verband ihn mit Albert Büttner. Daher unterstützte er auch die Pläne Büttners in Bezug auf eine eigene Ausbildungsstätte für den Ostvertriebenenklerus und war Königstein wohlwollend zugewandt. Das betonte Büttner in einem Gedenkwort für Dirichs im Hessischen Rundfunk: „Zu aller ihn bedrückenden Sorge glaubte der Heilige Vater, ihm auch die Last des Flüchtlingsbischofs aufbürden zu dürfen. Es ist unmöglich, im Einzelnen darüber zu berichten, was er an Liebe und Hilfe gab, an Sorge und Not dafür nahm. Er kümmerte sich um das Albertus-Magnus-Kolleg in Königstein mit tiefem Verständnis für diese junge Gründung zur Heranbildung priesterlicher Jugend aus den Heimatvertriebenen für ihre Landsleute; er aktivierte die Tätigkeit der Laien und Organisationen. Lebendiger Glaube, Mut und Verantwortung, ins Leben zu wirken, standen an der Wiege seines jüngsten Werkes, des St. Georgswerkes, um armen Heimatlosen und Ausgebombten zu Heim und Geborgenheit zu verhelfen. Er war ein Freund der Armen, nicht nur in menschenfreundlichen Gefühlen und Gebeten, sondern auch in der schlichten Tat, wenn er telefonierte, um eine Wohnung oder dass eine Frau ihre Christbäume verkaufen dürfe.“68 Das Amtsjahr Dirichs als Vertriebenenbischof war zum einen geprägt, vom Bemühen, seinen Freund Büttner in die Arbeit der Vertriebenenseelsorge, soweit sie über die Kirchliche Hilfsstelle in Frankfurt und die Zweigstelle in München lief, eingebunden zu lassen, obwohl dieser aus Enttäuschung und Verärgerung den Aufgabenbereich Vertriebenenbetreuung aufgeben und eine Pfarrei übernehmen wollte. Mit 67 68

Vgl. den Terminkalender von Bischof Dirichs in Karl JANISCH (Hg.), Ferdinand Dirichs. Bischof von Limburg. Frankfurt/M., 1963, S. 89-92. Albert BÜTTNER, Ein Gedenkwort im Rundfunk, in: JANISCH, Dirichs, S. 83-87, Zitat S. 85.

Die Vertriebenenbischöfe

131

Schreiben vom 28. August 1948 bat Büttner seinen Bischof, ihm die Pfarrei Breitenau zu übertragen.69 Die Aufgaben des Vertriebenenbischofs erstreckten sich vor allem auf die seelsorgerliche Betreuung der Priester, auch auf die Rechtsaufsicht, auf die Leitung von und Teilnahme an Wallfahrten und Sondergottesdiensten, auf die Zusammenarbeit mit dem Beratungsorgan Katholischer Flüchtlingsrat und vorrangig auf die Aufgabe, Referent für diesen Sachbereich für die Deutsche Bischofskonferenz zu sein. Die Aufgaben der Referenten der entsprechenden Bereiche hatte die Bischofskonferenz 1948 in Richtlinien festgelegt.70 Darin hieß es, dass die Referenten der Fuldaer Bischofskonferenz die Aufgabe haben, das betreffende Sachgebiet laufend zu verfolgen und der Konferenz darüber Bericht zu erstatten und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden konnte ein Referent einen Mitarbeiterstab bilden und auch Räte einberufen. In den Richtlinien heißt es, die Interessenten des Sachgebietes seien das eine oder andere Mal im Jahr zu versammeln. In einem besonderen Auftrag der Konferenz bereiteten die Referenten der jeweiligen Sachgebiete größere Arbeiten vor – immer in ständiger Fühlung mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Nicht berechtigt war ein Referent namens der Bischofskonferenz öffentliche Erklärungen abzugeben, Eingaben an kirchliche oder staatliche Behörden zu machen oder gar Rechtsgeschäfte zu tätigen. Wie zentral Dirichs seine Aufgabe als Seelsorger, Betreuer und Motivator der Priester nahm, zeigt sich in zwei Schreiben an die Geistlichen bzw. an angehende Priester, die ganz im Geiste Kallers getragen waren von dem Appell, sich dem Ruf in

69

70

Büttner an Dirichs am 28. August 1948 in: Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 313-315, Dokument Nr. 99. Dirichs schrieb dort: „Schon nach der vorjährigen Bischofskonferenz war mir klar, dass der damalige Beschluss, das Arbeitsgebiet der Kirchlichen Hilfsstelle in mehrere Teile zu zerteilen, ohne das Restgebilde, das ich jetzt verwalte, in einen größere Einheit hineinzustellen, zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führen wird. Die Loslösung von Königstein und die Abtrennung des Priesterreferates waren vorgesehen und auch besprochen auf der Konferenz der Westdeutschen Bischöfe im Mai 1947, aber unter anderen Bedingungen. Damals lebte Bischof Kaller noch und die Kirchliche Hilfsstelle sollte mit dem Rafaelverein vereinigt werden. Es wurden dann in Fulda 1947 die Konsequenzen gezogen, ohne dass die Voraussetzungen erfüllt wurden.“ (Zitat S. 313f.) Daraufhin habe Büttner Berning gebeten, sein Amt zur Verfügung stellen zu dürfen, weil die Kirchliche Hilfsstelle ihres ursprünglichen Arbeitsgebietes beraubt und damit in ihrer Wirkungsmöglichkeit allzu sehr eingeschränkt worden sei. Berning wiegelte ab mit dem Hinweis auf die Vorläufigkeit der Beschlüsse. Nach Dirichs Wahl zum Bischof von Limburg hatte Büttner die Aussicht bekommen, Referent für die Flüchtlingsangelegenheiten beim Vertriebenenbischof, also bei Dirichs, zu werden. „Nach einem Jahr hat sich alles anders entwickelt und zwar in der Richtung, dass die Auflösung und der Zerfall meines Arbeitsgebietes in die verschiedensten Teile fortgeschritten sind. Ich habe in der ganzen Zeit den Standpunkt vertreten, dass ich mich nicht um die Aufgabe bemühen darf, sondern auf den Auftrag meiner kirchlichen Vorgesetzten warten muss. Wenn ich nun heute um die Pfarrei Breitenau bitte, so deshalb, weil ich spüre, dass ich nicht mehr mit der Hingabe und Aufopferung auf meinem jetzigen Posten schaffen werde, wie es eigentlich sein müsste und auch deshalb, weil ich nicht mehr die Möglichkeit einer wirklichen fruchtbaren Arbeit vor mir sehe.“ (Zitat S. 314). Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 313, Dokument 98.

132

Abschnitt II

die Diaspora nicht zu verweigern, dort Seelsorger zu sein, wo die Not am größten war. Ganz unkompliziert sprach der Vertriebenenbischof die künftigen Diasporaseelsorger als Freund an und rief sie „dorthin, wo täglich viele katholische Christen zerbrechen an Leib und Seele, weil sie keinen Priester haben, der ihnen die Frohe Botschaft verkündet, der ihnen das Brot des Lebens reicht, der den Schwachen, Kranken und Sterbenden Trost und Kraft vom Kreuze her bringt. Für jede Seele dieser aus ihrer Heimat verbannten Menschen, die verloren geht, wird Gott einmal Rechenschaft fordern.“71 In ähnlichem Ton schrieb er am 8. Dezember 1948 an die Priesteramtskandidaten und wies sie auf die große Seelsorgenot in der Diaspora hin, bereitete sie darauf vor, einmal offen zu sein, eine Aufgabe in diesen Notgebieten zu übernehmen. Er forderte sie auf, sich entsprechend vorzubereiten und Ostern 1949 in das Priesterseminar in Königstein im Taunus überzusiedeln.72 Dirichs beschrieb in seinem Brief an die Priesteramtskandidaten auch seine Aufgaben als Vertriebenenbischof in den zurückliegenden Wochen und Monaten. Er betonte seine echte und ehrliche Sorge um die Ostvertriebenen, die er in den Diasporagebieten seiner eigenen Diözese bei der Firmspendung zum Ausdruck brachte, wo er aber auch die Sorgen und Nöte kennen lernte: „In den überfüllten evangelischen Kirchen begrüßten die treuen Katholiken aus dem Sudetenland ihren Bischof. Große Freude war überall bei den Seelsorgern, die sich hier mit aller Liebe und allem Eifer bemühen und bei den Gläubigen, die in den fremden Verhältnissen heimisch zu werden versuchen und die doch die Sehnsucht nach der Heimat nicht in ihrem Herzen auslöschen können. Da wurde mir oft gesagt, Herr Bischof, senden Sie uns noch einen Seelsorger. Wir müssen zu weite Wege gehen. Ich aber konnte diesen Wunsch nicht erfüllen, da ich keine Priester mehr zur Verfügung habe. Größere Not aber als in der

71

72

Akten deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 313, Dokument 115, Schreiben Dirichs vom 1. November 1948 an zukünftige Diasporaseelsorger, S. 343-345. „Diesen Brief schreibt Ihnen ein Bischof, den Sie wohl noch nie sahen. Und doch stehen Sie dem Herzen dieses Bischofs nahe, wie ein Sohn dem Vater nahe steht. Bischof Maximilian Kaller, den Papst Pius XII. zu seinem Sonderbeauftragten für die heimatvertriebenen Deutschen bestellt hatte, ist tot. Er hat uns allen ein Beispiel gegeben. Er war der „Gute Hirte“ seiner verstreuten Herde … Auch sie durften in ihm ihren Vater sehen. An seiner Stelle hat der Heilige Vater inzwischen mich beauftragt, die heimatvertriebenen Priester (und Priesterkandidaten) in meine Sorge zu nehmen. Gedrängt von der gleichen Liebe, aber auch von ähnlicher Unruhe, wie sie Tag und Nacht den verewigten „Flüchtlingsvater“ verfolgte, komme ich heute, lieber Freund, zu Ihnen.“ (Zitat S. 343f.). Dirichs an Priesteramtskandidaten, Limburg 8. Dezember 1948, Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 397-399, Dokument 139. – Der Königsteiner Chronist der Hochschule, damals Rektor Kleineidam, unterstrich die Überraschung, die dieser Brief und dieses deutliche Votum in Königstein hervorgerufen hatten. Zwar stammte ein Entwurf aus dem Lehrkörper Königsteins, nämlich von Dr. Matern, man hatte aber offensichtlich keineswegs mit einer solch deutlichen Unterstützung gerechnet. Sehr aufmerksam wurde in Königstein die Unruhe und die Aufregung, die Dirichs Schreiben bei den Regenten der anderen Seminare hervorgerufen hatte, registriert. Chronik der Hochschule, S. 35.

Die Vertriebenenbischöfe

133

Diözese Limburg herrscht in den großen Diasporadiözesen des Nordens und Ostens.“73 Im November hatte er eine Tagung der Flüchtlingsseelsorger der Diözese Hildesheim in Hannover besucht und dort die noch viel größere Not als im Bistum Limburg gespürt. Selbstverständlich berichtete er auch von seinem Treffen mit den Diözesanflüchtlingsseelsorgern in Königstein im Priesterseminar der Flüchtlingstheologen und auch von seiner Sorge um die Einrichtungen in Königstein. „Da hörte ich die Berichte aus dem ganzen Reich von der Not der Flüchtlinge in den weiten Diasporagebieten und in den Flüchtlingslagern. Überall gibt es Arbeit für den Seelsorger, und der Arbeiter im Weinberg des Herrn sind so wenig. Wir sprachen auch von der Gefahr der Verbürgerlichung für unsere Theologiestudenten. Prüfen Sie sich selbst, lieber Freund, ob Ihr Herz Sie hinzieht zu den Landsleuten in der Diaspora, umarmt zu sein mit den Armen und traurig zu sein mit den Traurigen, um aber auch fröhlich zu machen mit der Frohbotschaft des Herrn.“74 Die Diasporanot war also ein ganz zentrales Problem für Dirichs, wie es vordem für Kaller gewesen war und in diesem Kontext ist auch das Engagement Dirichs, in enger Kooperation und Abstimmung mit Büttner bzw. fußend auf den Einschätzungen und Voten Büttners, für Königstein zu sehen. So schrieb Büttner am 28. Januar 1948 an Dirichs, dass die Studenten rein zahlenmäßig in den bestehenden Priesterseminaren Unterkunft finden und mit den hiesigen Theologen zusammen erzogen werden könnten. Er erachtete es aber trotzdem für notwendig, das Diasporaproblem in den Vordergrund zu stellen. Denn werde dieses Problem nicht gelöst, würden Millionen der Kirche verloren gehen und der Proletarisierung anheim fallen. Um das zu vermeiden, brauche es aber entsprechend viele Seelsorger und brauche es die Heranbildung des Priesternachwuchses spezifisch für die Aufgaben der Diaspora. Daher erklärt sich das starke Votum Büttners für die Errichtung eines Diasporaseminars. Diese Argumentation konnte Dirichs für sich so übernehmen. Büttner konnte sich damals noch vorstellen, in Banz ein Diasporaseminar einzurichten und Königstein zu einem Gymnasiastenkonvikt mit guter Schule für etwa 400 bis 450 Gymnasiasten aufzubauen und auszubauen.75 Ähnlich wie Kaller erkannte auch Dirichs schnell die Schwierigkeiten in seinem Aufgabenbereich als Vertriebenenbischof. Er brachte sie jedenfalls am 25. Juli 1948 in einem Brief an den Prälaten Kaas76 in Rom sehr deutlich zum Ausdruck.77 Dieser

73 74 75 76 77

Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 397f. Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 398. Büttner an Dirichs am 28. Januar 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 94-96, Dokument 15 Ludwig Kaas (1881 – 1952), Theologe und Zentrumspolitiker. Martin PERSCH, Kaas, Ludwig, in: BBKL, Band 3 (1992), Sp. 907-915. Dirichs an Kaas am 25. Juli 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 248f., Dokument 77. „Ich erinnere mich mit Freuden an meinen Besuch bei Ihnen und muss Ihnen noch einmal danken für Ihre Anteilnahme an dem Schicksal der Flüchtlinge in unserem Vaterland. Durch den besonderen päpstlichen Auftrag werde ich von vielen Seiten um Hilfe angegangen.

134

Abschnitt II

Brief an Kaas zeigt auch, dass der Limburger Bischof mit voller Überzeugung, weil der sachlichen Notwendigkeit geschuldet, hinter Königstein stand, die Probleme eindeutig im finanziellen Sektor sah. Selbstverständlich fungierte Dirichs als Referent für die Vertriebenenseelsorge auf der Fuldaer Bischofskonferenz vom 24. bis 26. August 1948 und berichtete der Konferenz von den großen Schwierigkeiten in der seelsorgerlichen Betreuung der Ostflüchtlinge, eben wegen des großen Priestermangels gerade in der Ostzone.78 Dirichs bat seine Kollegen im Bischofsamt, dass die Osttheologen, die in den verschiedenen Diözesen geweiht wurden, nicht in diesen Diözesen eingesetzt, sondern ihm als päpstlichen Beauftragten zur Verfügung gestellt werden. Auch erstattete er einen ausführlichen Bericht über das St. Albertus-Magnus-Kolleg in Königstein mit der Bitte an seine Amtsbrüder, den Beitrag für 1948 umgehend zu überweisen. Seine Enttäuschungen formulierte Dirichs in einem Brief an den Apostolischen Visitator Muench.79 Er hatte erfahren müssen, dass die Ordinariate und die Ostpriester kein besonderes Ohr hatten für die drängenden Aufgaben in der Diaspora und den dortigen Priestermangel. Sein Wunsch, dem Vertriebenenbischof die Verfügung über die Neupriester aus den Osttheologen zu geben, hatte in Fulda keinen Widerhall gefunden.80 „Zusammenfassend möchte ich sagen, der nächste Schritt wird für mich die Abberufung einer größeren Zahl Ostpriester aus ihren jeweiligen Stellungen in Bayern ohne vorherige Befragung sein. Anschließend werde ich die Neupriester aus den Osttheologen abberufen, soweit es notwendig erscheint, bis einmal die Theologen des Königsteiner Seminars zum Priestertum gelangen und dann restlos und selbstverständlich in die Diaspora der West- und Ostzone gesandt werden können.“81

78 79 80 81

Fast unmöglich ist es, der Seelsorgsnot der Flüchtlinge abzuhelfen, auch wegen des Verhaltens mancher Ordinarien und vieler Priester im Süden Deutschlands, die den Mut nicht mehr haben, in der Ostzone seelsorgerisch tätig zu sein. Ich muss versuchen, das Seminar Königstein mit aller Liebe zu pflegen, damit dort Priester für die Seelsorge in der Diaspora des deutschen Nordens und Ostens herangebildet werden. Aber gerade die Königsteiner Anstalten machen mir am meisten finanzielle Sorgen. Wir waren jetzt zu einer Konferenz zusammen bei dem Herrn Kardinal von Köln und vor zehn Tagen hatten wir hier in Limburg eine Konferenz der großen katholischen Verbände. Die Lösung haben wir noch nicht gefunden. Wir können nur den Etat zusammenstreichen, müssen aber doch das Ganze erhalten. Ich hoffe, dass die hochwürdigsten Ordinarien Deutschlands auf der Fuldaer Bischofskonferenz die Aufgabe Königsteins richtig erkennen und ihre weitere finanzielle Unterstützung nicht versagen. Jedoch muss ich auch alle anderen Hilfsquellen in Anspruch nehmen.“ (Zitat S. 248f.) Und zu den anderen Hilfsquellen rechnete Dirichs auch die Möglichkeit, dass Rom über die Kirchliche Hilfsstelle und das Konto des Opus Confraternitatis noch eine bestimmte Summe überweisen könne. Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz vom 24. – 26. August 1948, in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 285-299, Dokument 92, Tagesordnung: Vertriebenenseelsorge, S. 294f. Dirichs an Muench am 10. Dezember 1948 3 Seiten masch. KZG Bonn 3074. Ebd., S. 3. Ebd.

Die Vertriebenenbischöfe

135

Der Referent des Vertriebenenbischofs Bischof Dirichs als Vertriebenenbischof und Limburger Diözesanbischof war für seine Aufgaben im Vertriebenensektor Gustav Joseph Braun zugeordnet, der seit Juli 1947 Diözesanvertriebenenseelsorger in Limburg war. Braun war Priester des Erzbistums Breslau und dort von 1937 bis 1946 Ordinariatsrat. Geboren am 17. März 1896 in Nakel an der Netze wurde er am 23. April 1922 in Breslau zum Priester geweiht. Auch für Dirichs Nachfolger, den Prälaten Franz Hartz, war Braun von 1949 bis 1953 Referent in Fulda und dann von 1953 bis 57 für den Würzburger Bischof Julius Döpfner. Von Würzburg aus versah er dieses Amt dann auch noch bis 1959 für Heinrich Maria Janssen, den Hildesheimer Bischof als Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge. Seine Hauptaufgabe als Geschäftsstellenleiter des Vertriebenenbischofs lag in der kirchenamtlichen Unterbringung der etwa 2.500 ostdeutschen Priester, in der Versorgung der kirchlichen Angestellten und der Pensionäre. 1951 hat er im Archiv für Katholisches Kirchenrecht eine grundsätzliche Studie über die kirchenrechtliche Lage des heimatvertriebenen Klerus in Deutschland publiziert und damit eine Rechtsgrundlage vorbereitet, die die Existenzgrundlage der Vertriebenenseelsorge, nämlich die Besoldung des heimatvertriebenen Klerus, schuf.82 Nicht nur die Sicherung der Existenz- und Versorgungsgrundlage der vertriebenen Priester, ihre Rechtsstellung in den Aufnahmediözesen und hinsichtlich der Herkunftsdiözesen beschäftigte Braun, sondern auch die ganz konkrete Seelsorge, indem er sich sehr früh dafür einsetzte, möglichst in jeder Diözese einen hauptamtlichen Vertriebenenseelsorger einzusetzen, der für die Heimatlosen zusätzlich zur ordentlichen Pfarrseelsorge Gottesdienste, Wallfahrten und Treffen organisieren sollte und somit auch heimatliches, religiöses Brauchtum sichern und weiterentwickeln half.83 Seit 1948 war Braun zudem Geschäftsführer und Vizepräsident des Katholischen Flüchtlingsrates in Deutschland und seit 1964 Vorsitzender des Presserates der Katholischen Vertriebenenorganisationen, den Braun mitgegründet hatte und der den Informationsdienst West-Ost, IWO, herausgab. Braun lag daran, dem Anliegen der Vertriebenen publikatorisch Stimme und Gehör zu geben.84

82

83

84

Gustav BRAUN, Zur kirchenrechtlichen Lage des heimatvertriebenen Klerus in Deutschland, in: Archiv für Katholisches Kirchenrecht 1951/52, S. 267-277. Grundsätzliche Überlegungen legte er auch in der Gedenkschrift für Kurt Engelbert vor: Gustav BRAUN, Der ostvertriebene, deutsche Klerus in kirchenrechtlicher Sicht, in: Bernhard STASIEWSKI (Hg.), Beiträge zur Schlesischen Kirchengeschichte – Gedenkschrift für Kurt Engelbert. Köln 1969, S. 571-584. Wie wichtig ihm dieses christliche Heimaterbe war, zeigt ein Beitrag, den er publiziert hat: Eberhard SCHWARZ / Gustav BRAUN (Bearb.), Christliches Heimaterbe – Beiträge der Konfessionen zur Kultur- und Heimatpflege der deutschen Ostvertriebenen, hg. vom Evangelischen Ostkirchenausschuss und Katholischen Flüchtlingsrat. Hannover, Würzburg, 1964. Zu Braun vgl. Johannes GRÖGER, Gustav Joseph Braun, 1896 – 1976, in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 160-163.

136

Abschnitt II

3.

Franz Hartz (1949 – 1953)

Nach dem plötzlichen Tod Dirichs folgte der Schneidemühler Prälat Franz Hartz als Beauftragter für die Vertriebenenseelsorge im Amt. Damit war nicht länger ein Ordinarius mit dem Amt betraut. Es tat sich also die Frage nach dem Dienstsitz auf und auch nach der Finanzierung des Referenten, der bisher als Priester im Bistum Limburg – vorher Vertriebenenseelsorger in Limburg – tätig war. Das Amt war nicht länger einem Diözesanbischof übertragen worden, weil man meinte, dass die Aufgaben dieses Referates so vielfältig seien, dass ein Diözesanbischof sie nicht auch noch zusätzlich übernehmen könne. Das war eines der ausschlaggebenden Argumente, dieses Referat dem Prälaten Hartz zu übertragen. Er bekam auch die Rechte, wie sie der verstorbene Bischof von Limburg als Flüchtlingsreferent hatte.85 Franz Hartz war 1882 geboren, 1908 zum Priester des Bistums Münster geweiht worden. Für das Bistum Münster ging er 1921 in die Seelsorge nach Berlin, wurde dort 1931 Domkapitular und als Nachfolger des zum ermländischen Bischof geweihten Maximilian Kaller 1931 Leiter der Freien Prälatur Schneidemühl. Als solcher musste er mit seinen Diözesanen 1945 fliehen. Ihn verschlug es nach Fulda. Hartz stammte aus Hüls bei Krefeld. Das war für Kardinal Frings auch das Argument, warum er, von Geburt nicht Ostdeutscher sondern Rheinländer, als Leiter des Hauses Königstein nicht in Frage kam, sondern Frings seinerzeit eindeutig für Kindermann votierte. Daneben schien ihm Prälat Hartz für diese Aufgabe auch bereits zu alt, so Frings in einem Schreiben an den Apostolischen Visitator in Deutschland, Aloisius Joseph Muench, vom 28. Januar 1948.86 Schon vor seiner Berufung in das Amt des Vertriebenenbischofs, hatte sich Hartz sehr eindeutig für das Seminar in Königstein eingesetzt. Er sah darin eine wesentliche Hilfe für die Behebung des Priestermangels in der Diaspora.87 Freilich wies Hartz auf die finanziellen Schwierigkeiten hin, aber die Aufgabe, ostdeutschen Jungen eine höhere Schulbildung zu ermöglichen und sie zum Priesterberuf hinzuführen, sei viel größer. Königstein müsse eine besondere Pflegestätte östlicher Kultur sein. „Ohne dieses Moment zu unterschätzen, wollen wir auch nicht die Vorteile übersehen, die darin liegen, dass die ostdeutschen Theologen auch mal in andere Verhältnisse hineinkommen. Ermland und Schneidemühl und in den Kriegsjahren auch Kulm hatten Priester aus Münster und Köln, die bei uns sehr gut gearbeitet haben, denen es gut gefiel … Heute ist ganz Deutschland mehr oder weniger Diaspora, wodurch diese

85 86 87

Vgl. dazu Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz vom 23. – 25. August 1949 in: Akten 1948/49, Dokument 291, S. 760-775, dort vor allem S. 765. Akten 1948/49, S. 92-94, Dokument 14, Frings an Muench vom 28. Januar 1948. Hartz an Frings am 12. März 1948, in: Akten 1948/49, S. 150-153, Dokument 37.

Die Vertriebenenbischöfe

137

Mischung ihre besondere Bedeutung bekommt.“88 Hartz votierte 1948 eindeutig für eine kooperative Leitung in Königstein von Vertriebenen und Einheimischen. Es müsse ein Einheimischer mit an maßgebender Stelle stehen, um dem Projekt eine größere Resonanz zu verschaffen. Der Bischof von Limburg als Beauftragter für die Vertriebenenseelsorge könne diesen großen Aufgabenbereich nicht noch zusätzlich schultern. Man müsse dort ganz konkret die Union zwischen Neu- und Altbürgern schaffen, die beiden Seiten nur nützen könne. Die in Königstein ausgebildeten Theologen sollten spezifisch für ihre spätere Verwendung präpariert sein, vor allem im Geiste der Armut und des Verzichtes. „Sehr richtig gesehen ist die Schwierigkeit der Unterbringung der Osttheologen an den Universitäten oder Seminarien, wie ich noch in den letzten Wochen feststellen konnte. Fulda hat so viele Meldungen aus der eigenen Diözese, dass anderweitige Aufnahmen unmöglich sind. Der Dekan in Münster schrieb mir, er könne keine feste Zusage geben, da sehr viele Meldungen vorlägen und bei der Aufnahme auch die Militärregierung und die Parteien mitzusprechen hätten. Dieser Umstand bestimmt mich, der vorläufigen Fortführung des Großen Seminars trotz sonstiger Bedenken zuzustimmen, wobei die Entscheidung nicht endgültig zu sein braucht. In ein bis zwei Jahren wird ja sicher eine Entscheidung über die Ostgebiete so oder so fallen müssen.“89 Der Paderborner Erzbischof Jaeger90 legte Hartz nahe, von Fulda nach Limburg überzusiedeln, das Büro des Vertriebenenbischofs in Limburg zu belassen, wo Ordinariatsrat Dr. Braun bereits Büroraum, Schreibkraft usw. zur Verfügung habe und auch bislang von der Diözese finanziert worden sei, „so dass dort Gehalts-, Büromiete und Büromaterial kostenlos wie bisher zur Verfügung stehen. Sie selbst brauchten nur den Umzug von Fulda nach Limburg finanziert zu bekommen und dass ist eine erschwingliche Ausgabe. Ihr Gehalt steht sowieso auf dem Etat des Diasporakommissariates. So würde Ihre Arbeitsstelle komplett und arbeitsfähig sein, ohne dass Sie einen Pfennig neue Ausgaben verlangen würde. Sie säßen dazu in Limburg viel zentraler und für die Flüchtlingspriester schon wegen der Nähe Königsteins viel erreichbarer als in Fulda. Mir scheint das der gangbarste, beste und billigste Weg zu sein, um Ihren Auftrag zu erfüllen.“91 Wie Kaller und Galen war auch Hartz in der Zwischenkriegszeit als Seelsorger nach Berlin gekommen. Er wurde 1921 Kaplan von St. Matthias und damit engster Mitarbeiter des damaligen dortigen Pfarrers, des späteren Bischofs von Münster, Graf 88

89 90 91

Akten 1948/49, S. 151. Hartz sprach in diesem Schreiben auch die Causa Büttner an und bedauerte es, dass man Büttner herausdränge, da dieser trotz allem (was immer Hartz damit gemeint haben mag) über ein ungewöhnliches Organisationstalent verfüge. Außerdem könnten Büttners Auslandsbeziehungen der Sache Königstein nur dienlich sein. Akten 1948/49, S. 152. Zu Jaeger vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 439f. Akten 1948/49, Dokument 317, S. 842f. Jaeger an Hartz am 16. Dezember 1949. Vorausgegangen war ein Brief des Prälaten Hartz an Erzbischof Jaeger, in dem er als Finanzbedarf der Dienststelle des Vertriebenenbischofs 18.000,- DM jährlich zzgl. zu seinem Gehalt namhaft gemacht hatte. Jaeger sprach von einem nicht gelinden Schrecken, der dieser Brief ihm eingejagt habe.

138

Abschnitt II

von Galen.92 „Als er dann Oktober 1949 den Auftrag der Fuldaer Bischofskonferenz für die gesamte Vertriebenenseelsorge und päpstliche Vollmachten hierfür erhielt, war dies ihm zunächst rein persönlich recht willkommen; denn wie den meisten Vertriebenen so erging es auch dem damals 67-jährigen Prälaten: Er wollte kein Gnadenbrot essen, nicht anderen zur Last fallen, sondern seine Kräfte nützen, um mitzuschaffen an der Behebung der Notstände und am Wiederaufbau des Vaterlandes. Aus diesem Grunde und beseelt von echtem Hirtengeist übernahm er bereitwilligst das Amt, in welchem er fortan in Deutschland den fünfeinhalb Millionen Katholiken unter den Heimatvertriebenen und den fast 3.000 vertriebenen Priestern seine besondere Obsorge zuwenden sollte … Seine verbindlich-ausgleichende Wesensart erwies sich als besondere Befähigung zur Meisterung schwieriger pastoraler und kirchenaufsichtlicher Aufgaben, wie sie im zweisprachigen ostdeutschen Grenzgebiet von jeher sich anboten … In ständiger Verbindung mit den Diözesanbischöfen, den Diözesanflüchtlingsseelsorgern und dem Bonifatiusverein verschaffte er sich eine umfassende Übersicht über die seelsorgliche Situation der Vertriebenen, die er nach Möglichkeit durch Anregungen und Vorschläge zu fördern suchte. Gern und oft nahm er an Heimattreffen und Wallfahrten der vertriebenen Landsmannschaften in allen Gebieten Deutschlands teil. Ebenso besuchte er regelmäßig die in gewissen Zeitabständen in Königstein im Taunus stattfindenden Konferenzen aller vertriebenen Priester, wie er auch wiederholt nach Berlin reiste, um dort die in der sowjetischen Besatzungszone lebenden Ostpriester zu seelsorgerlichen Beratungen um sich zu scharen. Unablässig war er zugleich bemüht, mit Hilfe der Diözesanbischöfe bzw. aufgrund der ihm vom Heiligen Stuhl verliehenen Sondervollmachten die heimatvertriebenen Seelsorger über die deutschen Diözesen zweckmäßig zu verteilen.“93 Diese Würdigung des engen Mitarbeiters des Leiters der Geschäftsstelle des Vertriebenenbischofs unterstreicht, dass Hartz auch den sozial-caritativen Aspekt des Vertriebenenproblems einen großen Stellenwert beimaß, nicht zuletzt aus der Tradition seiner Arbeitsschwerpunkte als Prälat der Freien Prälatur Schneidemühl, wo er sich um den Aufbau der Caritas als Organisation und der caritativen Arbeit große Verdienste erworben hatte. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Caritasverband und der Ostpriesterhilfe Pater Werenfrieds versuchte er immer wieder, so die Würdigung Brauns, den Vertriebenen auch materielle Hilfe zu vermitteln. Ausdrücklich wies Braun auch auf das Rundschreiben des Katholischen Flüchtlingsrates94 an alle Seelsorger vom 16. März 1950 hin, das Hartz und Lukaschek ge-

92 93 94

Vgl. dazu auch PRIESTER DER FREIEN PRÄLATUR SCHNEIDEMÜHL (Hg.), Prälat Dr. Franz Hartz zum Gedenken am 50. Jahrestage seiner Heiligen Priesterweihe. Hildesheim 1958. Gustav Braun. „Vater der Heimatvertriebenen“, in: Prälat Dr. Franz Hartz zum Gedenken, S. 4650, Zitat S. 48. „Dem gleichen Ziele diente seine führende Mitarbeit im Katholischen Flüchtlingsrat. Dieser schon unter Bischof Dirichs vom Limburg gegründete Arbeitskreis von vertriebenen und einheimischen Persönlichkeiten stand unter dem Vorsitz des Bundesvertriebenenministers Dr. Lukaschek, dem Kardinal Frings und dem Prälaten Hartz als Beratungsorgan zur Seite, um die Entwicklung des Vertriebenenproblems besonders in sozialpolitischer Hinsicht zu studieren und

Die Vertriebenenbischöfe

139

meinsam unterzeichnet hatten und in dem sie eindringlich die Vertriebenenfrage als sittliche Aufgabe darstellten, d.h. eine Argumentationsgrundlage für den Lastenausgleich schufen. Ähnlich breite Öffentlichkeit fand auch das zweite Rundschreiben von Hartz am 20. Februar 1951, gerichtet an alle Seelsorger in Deutschland, in dem er die moralische Seite des Lastenausgleichs beleuchtete. „Die ganze Vielschichtigkeit des Vertriebenenproblems brachte es mit sich, dass die Dienststelle des Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge ebenso vielfältig in Anspruch genommen wurde, sowohl von unzähligen Einzelnen, wie auch von kirchlichen und staatlichen Behörden. Gerade auch von Regierungsseite wurde immer wieder die kirchliche Mitarbeit an der Lösung des Vertriebenenproblems begrüßt, weil die deutsche Not so groß ist, dass es der Weckung aller moralischen Kräfte im Volke bedarf, um aus dem Notstand zu einer tragfähigen Neuordnung des Sozialgefüges zu kommen.“95 In der Charakterisierung der Arbeitsschwerpunkte der Stelle des Vertriebenenbischofs wies Braun ausdrücklich darauf hin, dass es sowohl um wirtschaftliche, um sozialpolitische, wie auch um kulturelle Belange ging, nämlich dazu beizutragen, das heimische Kulturerbe der vertriebenen Deutschen als wesentlichen Bestandteil der seelischen Beheimatung zu erhalten. Aus diesem Grund setzte sich Prälat Hartz auch nachhaltig für die Beibehaltung der Katholischen Arbeitsstelle für Heimatvertriebene in München ein, die gerade die Aufgabe der Förderung der Kultur und des religiösen Brauchtums bei den einzelnen Vertriebenengruppen entsprechende Unterstützung gewähren sollte. Außerdem setzte er sich dafür ein, dass die Katholische Arbeitsstelle für Heimatvertriebene in Köln neu eingerichtet wurde. „Auch die Schaffung eines Zentralen Katholischen Kirchenbuchamtes für die Heimatvertriebenen sowie die vorläufige Versorgung der ostvertriebenen Kirchenpensionäre aus dem geistlichen- und Laienstande ist wesentlich auf seine Bemühungen bei der Fuldaer Bischofskonferenz und bei der Bundesregierung zurückzuführen.“96 Am 14. Februar 1953 ist Franz Hartz gestorben. Viele Priester in der Vertriebenenseelsorge waren dankbar für Handreichungen vom Beauftragten für die Vertriebenen und Flüchtlinge. Eine solche kam beispielsweise von Hartz, im Februar 1951. Sie sollte die Verabschiedung des Gesetzes zum Lastenausgleich im Bundestag argumentativ flankieren. Die Vorbereitung des Gesetzes hatte bereits viel Zündstoff zwischen den Vertriebenen und Einheimischen angehäuft. Die Vertriebenenseelsorger befürchteten, dass die Durchführung des Lastenausgleichs die Spannungen noch steigern werde und damit auch die Seelsorge belastete. „Darum halte ich es für wichtig und notwendig, den Seelsorgsklerus rechtzeitig auf diesen Gefahrenpunkt aufmerksam zu machen, ihm ein ruhiges Wort der Aufklärung zu bieten, das den Lastenausgleich nach seiner sittlichen und sozialen

95 96

nach Möglichkeit zu beeinflussen.“ Gustav Braun. „Vater der Heimatvertriebenen“, in: Prälat Dr. Franz Hartz zum Gedenken, S. 49. Gustav Braun. „Vater der Heimatvertriebenen“, in: Prälat Dr. Franz Hartz zum Gedenken, S. 50. Gustav Braun. „Vater der Heimatvertriebenen“, in: Prälat Dr. Franz Hartz zum Gedenken, S. 50.

140

Abschnitt II

Seite beleuchtet, um so in Predigt und Vortrag der Durchführung des Gesetzes einen Weg zu bereiten, der vielleicht der weiteren Verschärfung der Situation vorbeugt.“97 Hartz formulierte die gewünschte Wirkung: die Aufklärung über den Lastenausgleich in der Predigt und im geschriebenen Wort möge die rechte Haltung der Einheimischen fördern und auf die Stimmung der Vertriebenen beruhigend wirken. So sollte sich die Argumentationshilfe für den Lastenausgleich aus dem sittlichen und sozialen Denken der katholischen Soziallehre heraus um die Lösung einer Aufgabe bemühen, die ein Kernstück des inneren Friedens des deutschen Volkes bedeutete. Grundlegend sollten die Seelsorger dahin wirken, das Fehlurteil aufzulösen, das den Heimatvertriebenen die Schuld an den zu übernehmenden Lasten zuschob. Das ganze Volk habe den Krieg verloren. Ein Teil des Volkes wurde dadurch extrem belastet durch den Verlust seiner gesamten Habe und der Heimat. Sie hätten damit, so die Argumentation des pastoralen Schreibens, „schon einen großen Teil der Kriegsreparationen (ge)tragen, während weite Schichten der übrigen deutschen Bevölkerung noch im Besitz beträchtlicher Vermögen und in gesicherter Existenz geblieben sind“.98 Nur mangelnde Einsicht könne behaupten, dass der Lastenausgleich im geplanten Umfang nicht erforderlich sei. Den Einheimischen stünde laut Statistik immer noch durchschnittlich doppelt so viel Wohnraum zur Verfügung wie den Vertriebenen. Immer noch lebten ca. 300 000 Vertriebene in Lagern, darunter viele Familien mit Kindern. Die Arbeitslosenrate liege bei den Vertriebenen zwei- bis dreimal über der der Einheimischen. „Hinter diesen kurzen Angaben verbirgt sich eine katastrophale wirtschaftliche und moralische Not. Für letztere wird der Seelsorger ein besonderes Augenmerk haben müssen. Das ist für viele Heimatvertriebene außerordentlich bedrückend und zermürbend, dass sie aus der alten Heimat und Existenz hinausgewirbelt wurden und nun schon jahrelang um eine menschenwürdige Bleibe und Lebensmöglichkeit ringen müssen. Sie wollen arbeiten und schaffen und können es nicht, weil es den einen an Arbeitsplatz oder Betriebsmitteln fehlt und anderen durch den Mangel an Wohnraum die Berufsausübung unmöglich gemacht ist. Kann man es diesen Arbeitswilligen und denen, die nach Verlust ihres heimatlichen Besitzes nun als Alte und Kranke auf erbärmliche Unterstützungsbeträge angewiesen sind, verdenken, wenn sie verbitterte Klagen ausstoßen und sich durch große Interessenverbände fordernd an die Öffentlichkeit wenden?“99 Eine vernünftige Überlegung könne nur zu einer Lösung kommen: ein Ausgleich der Lasten, die die Not so ungerecht verteilt hatte. Der Lastenausgleich sei zudem gut biblisch begründet. Freilich werde er im Gesetzestext immer Kompromiss und damit Stückwerk bleiben – nicht zuletzt angesichts der damals noch schwachen Gesamtwirtschaft Deutschlands. „Die Lasten, die dieses Gesetz den Besitzenden auferlegt, wer-

97 98 99

Aus einem Schreiben von Franz Hartz an den Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Frings vom 8. Januar 1951. DAR G 1.1 Nr. A 17.4 p. Rundschreiben des Päpstlichen Beauftragten für die Heimatvertriebenen an alle Seelsorger. 6 Seiten masch. DAR G 1.1 Nr. A 17.4 p. Ebd., S. 3.

Die Vertriebenenbischöfe

141

den fühlbar sein, aber den Heimatvertriebenen wird es in vielen Fällen nur unzulängliche Hilfe bringen. Dennoch muss der Versuch nach Maßgabe des Möglichen gemacht werden.“100 Ein geordneter Ausgleich verhindere Radikalisierung und Gewaltanwendung und stehe nicht im Widerspruch zum Recht auf Privateigentum. Die Seelsorger sollten wiederholt an die Christenpflicht erinnern, gerechte Gesetze mit sittlicher Bereitwilligkeit zu erfüllen.

100

Ebd., S. 4.

142

Abschnitt II

4.

Julius Döpfner (1953 – 1957)

Nach dem Tode des Prälaten Hartz, als Beauftragten für die Vertriebenenseelsorge, 1953 wurde das Modell diskutiert, dass Kardinal Frings als Hoher Protektor für das Flüchtlingswesen in Deutschland die Iura Antistitum101 wahrnehmen sollte und der bisherige Geschäftsführer der Dienststelle, Gustav Braun, die Leitung als Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenz der Dienststelle erhalten sollte. Das sah zumindest ein Vorschlag Brauns an Frings vom 28. Mai 1953 vor. D.h. er hätte die Geschäfte von Hartz übernommen als bisheriger Geschäftsführer des Vertriebenenbischofs und die bischöflichen Rechte und die Vertretung in der Bischofskonferenz wären an den Hohen Protektor in Köln übergegangen. Dagegen aber wandten sich die Vertriebenen, die dies als ein „abgehalftert werden“ verstanden. Es sollte wiederum ein Ordinarius mit dieser Aufgabe betraut werden, der dann auch mit Sitz und Stimme in der Fuldaer Bischofskonferenz vertreten war, zusätzlich zum Hohen Protektor. Es sollte aber, zumindest nach Meinung des Kapitularvikars von Limburg 1947, also nach dem Tode Dirichs geäußert, kein Inhaber eines kleinen Bistums sein, weil doch sehr viele Geschäfte für den Vertriebenenbischof anfielen und die zusätzlich zur Leitung eines Bistums einen Bischof ohne zusätzlichen Gehilfen schnell überfordern könnten.102 Man favorisierte bei den westdeutschen Bischöfen das von Braun entworfene Modell und wollte es so in die Fuldaer Bischofskonferenz einbringen. Die Entwicklung kam dann aber anders. Es wurde erneut ein Ordinarius mit dieser Aufgabe betraut, nämlich Bischof Döpfner von Würzburg als Nachfolger des Prälaten Franz Hartz. „Unter die Mitglieder der Fuldaer Bischofskonferenz sind für besonders wichtige Aufgabengebiete der kirchlichen Arbeit eigene Referate verteilt. Ein solches Referat wurde nach 1945 auch für die Vertriebenenseelsorge eingerichtet. Indem die Fuldaer Bischofskonferenz nunmehr zum 2. Male dieses Referat einem nichtvertriebenen Diözesanbischof übertragen hat, bringt sie damit erneut zum Ausdruck, dass die Lösung des Vertriebenenproblems eine gemeinsame Aufgabe für die Vertriebenen und Nichtvertriebenen sein muss. Dass die Wahl gerade auf mich gefallen ist, mag u.a. auf die zentrale Lage meines Amtssitzes zurückzuführen sein.“103 Wie unspektakulär die Nachfolge von Prälat Hartz als Beauftragter für die Vertriebenenarbeit ablief, zeigt der kurze Eintrag im Protokoll der Westdeutschen Bischofszusammenkunft, wo es heißt, dass der Conveniat den Vorschlag begrüße, die Geschäftsführung der Vertriebenenseelsorge bei Monsignore Dr. Braun angesiedelt zu lassen und Eminenz Frings möge als Hoher Protektor die Iura Antistitum wahr-

101 102 103

Vgl. Dokument Nr. 2 im Anhang. HAEK CR II 25.20e,5. KZG Bonn, 2246, Schreiben Brauns an Döpfner vom 20.11.1953, beigelegt drei Seiten masch. Die Antworten für ein Interview, Zitat S. 1.

Die Vertriebenenbischöfe

143

nehmen. Ein endgültiger Vorschlag nach Rom soll von der Plenarkonferenz in Fulda formuliert werden.104 Nachfolger von Franz Hartz im Amt des Vertriebenenbischofs wurde der junge Würzburger Diözesanbischof Julius Döpfner, der keine eigenen Erfahrungen der Vertreibung in dieses Amt mitbrachte, außer den Erfahrungen, die er mit der Integration der Vertriebenen in seinem Bistum gemacht hatte. Döpfner wurde 1913 in Hausen bei Bad Kissingen geboren, hatte in Würzburg und Rom Theologie studiert. 1939 wurde er in Rom zum Priester geweiht, 1941 mit einer Arbeit über Kardinal Newman zum Dr. theol. promoviert. Danach kehrte er in sein Bistum zurück und wurde Kaplan in Schweinfurt. 1946 berief ihn der Würzburger Bischof zum Subregens des Priesterseminars. Am 11. August 1948 wurde Döpfner zum Bischof von Würzburg ernannt. In dieser Funktion wurde er 1953 zum Beauftragten für die Seelsorge an den Heimatvertriebenen bestellt. Döpfner wurde von diesem Amt entpflichtet, als er 1957 auf den Berliner Bischofsstuhl transferiert wurde. Die bisherigen biographischen Überblicke zu Döpfner erwähnen dieses Sonderamt des Würzburger Bischofs gar nicht.105 Obwohl Klaus Wittstadt106, bislang der Biograph Döpfners, in erster Linie freilich mit dem Interesse am Moderator des Zweiten Vatikanum, die Heimatliebe und Heimatverbundenheit des jungen Würzburger Bischofs, des Franken, in der Würzburger Diözese herausarbeitete, obwohl er die Notsituation der Nachkriegszeit, die Trümmer in Würzburg, die Devise Döpfners, dass Wohnungsbau Vorrang habe vor dem Dombau, ausführlich würdigte, kommt die Tatsache, dass Döpfner von 1953 bis 1957 auch Beauftragter der Bischofskonferenz für die Heimatvertriebenen war, nicht zur Sprache.107 Breiter referierte Wittstadt die Initiativen Döpfners für die Laienarbeit, seine Bemühungen um die Jugend und die Arbeiter. Seine Initiativen aber für die Vertriebenen, die – unabhängig von seiner speziellen Beauftragung für diesen Personenkreis – im Bistum Würzburg, in das viele Vertriebene eingeströmt waren, interessant gewesen wären, sind auf zwei kurze Abschnitte gepresst. Sie fußen auf zwei kurzen Zeitungsmeldungen.108

104 105

106 107 108

Vgl. HAEK CR II 2.19,12, Protokoll des Conveniats der westdeutschen Bischöfe vom 01. – 03. Juni 1953 in Limburg. Vgl. dazu Klaus WITTSTADT, Julius Döpfner. Sein Weg zu einem Bischof der Weltkirche in Bilddokumenten. Würzburg 2001. Guido TREFFLER (Bearb.), Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Regensburg 2006, dort vor allem die Seiten XI – XXIII. Klaus WITTSTADT, Julius Kardinal Döpfner (1913 – 1976). Anwalt Gottes und der Menschen. München 2001. Klaus Wittstadt (1936 – 2003), Kirchenhistoriker. Wolfgang WEIß, Klaus Wittstadt, in: BBKL Band 30 (2009), Sp. 1588-1591. Klaus WITTSTADT, Julius Kardinal Döpfner. Anwalt Gottes und der Menschen. Klaus WITTSTADT, Julius Kardinal Döpfner. Anwalt Gottes und der Menschen, S. 89: „Lange bevor Döpfner 1953 Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenz für die Flüchtlinge und Vertriebenen wurde, kümmerte er sich in seinem Bistum intensiv um diesen Personenkreis. Am Sonntag in der Dreikönigsoktav, dem Fest der Heiligen Familie, besuchte er das Regierungsflüchtlingslager auf dem Galgenberg bei Würzburg. Dort waren 1.000 Heimatvertriebene in Ba-

144

Abschnitt II

Assistierend, ausgleichend schaltete sich Döpfner in die Schwierigkeiten der Neugliederung der Zuständigkeitsbereiche und der Verwaltung in Königstein in den fünfziger Jahren ein. Er schrieb an Kindermann die Bitte, doch auf die Linie des Limburger Bischofs einzuschwenken, dessen Anliegen nach einer transparenten Gestaltung der Zuständigkeiten und Abläufe nachzukommen, da ihm, so der Eindruck Döpfners, die Erhaltung Königsteins ein „Herzensanliegen“ sei. Döpfner intervenierte hier als Bischof von Würzburg.109 Die Entscheidungen waren immer wohl vorbereitet durch den Leiter der Dienststelle. Mehr noch als seine Vorgänger und Nachfolger stützte sich Döpfner bis in die letzten Formulierungen hinein auf die Vorgaben Brauns. „Ich schicke voraus, dass nach der allgemeinen Kirchenordnung die Vertriebenenseelsorge in erster Linie jedem Bischof in seiner Diözese obliegt. Als Sonderbeauftragter der Fuldaer Bischofskonferenz habe ich die Frage dieses Seelsorgszweiges in umfassender Weise zu studieren und im Benehmen mit den Diözesanbischöfen zu erörtern. Zudem sind mir vom Hl. Vater besondere jurisdiktionelle Vollmachten für den dienstlichen Einsatz der heimatvertriebenen Priester verliehen. Es ist natürlich für mich nicht leicht, neben der Leitung des eigenen Bistums auch noch den Sonderauftrag für die Heimatvertriebenen in ganz Deutschland zu erfüllen. An meinem guten Willen soll es jedoch nicht fehlen. Im Übrigen steht mir eine gut eingearbeitete Dienststelle zur Verfügung, die bislang zu Fulda war und jetzt nach Würzburg verlegt ist. Ihre Leitung hat, wie bisher, Msgr. Dr. Braun.“ So die Charakterisierung des Aufgabenbereiches und der Aufgabenerfüllung des Vertriebenenbischofs Döpfner in den vorgefertigten Antworten Brauns für ein Interview Döpfners.110

109

110

racken untergebracht. Der Bischof besuchte mehrere Wohnbaracken. Mutig sagte er zu den Menschen: „Die Kirche protestiert gegen das himmelschreiende und widersinnige Unrecht, das den Flüchtlingen widerfahren sei.“ Am 05. November 1949 besuchte Döpfner das Flüchtlingslager Hammelburg. Über diesen Besuch wird berichtet: „Heute ergriff der Bischof ausdrücklich von ihnen Besitz und erklärte sie zu seinen Kindern.““ Die Quelle ist jeweils das „Würzburger Katholische Sonntagsblatt“, hier Nr. 48 vom 27. November 1949, S. 421. Eigene Ausführungen zum Aufgabenbereich Beauftragter für die Vertriebenenseelsorge fehlen. Döpfner an Kindermann am 23.11.1956. KZG Bonn 497. – „Seit ich von Königstein und der Besprechung mit dem Hochwürdigsten Herrn Bischof von Limburg zurückgekehrt bin, geht die Sorge um die Zukunft Königsteins mit mir. Dabei ist mir wieder klar geworden, dass eine klare Neuordnung der verschiedenen Bereiche des Königsteiner Werkes unerlässlich ist. Von Ihnen wird das Opfer gefordert, auf manche Handlungsfreiheit und kraftvolle Improvisation der Gründerjahre zu verzichten. Ich weiß, wie schwer Ihnen das fällt, und es ist mir eine rechte Sorge, dass Sie in der gegenwärtigen Stunde zu einem inneren Kurzschluss kommen könnten.“ KZG Bonn, 2246 Schreiben Brauns an Döpfner vom 20.11.1953, beigelegt drei Seiten masch. Die Antworten für ein Interview, Zitat S. 1.

Die Vertriebenenbischöfe

5.

145

Die Aufgaben und das Profil des Vertriebenenbischofs Heinrich Maria Janssen (1957 – 1982) – „Dienen bleibt gerade in unserer Situation wohl oberstes Gesetz“

Dieser Schlusssatz eines Briefes des Vertriebenenbischofs Heinrich Maria Janssen111 an Franz Scholz könnte gleichsam als sein Motto angesehen werden.112 Auch dort, wo die Entscheidungen nur schwer zu fällen waren, weil die Strukturen sehr undurchsichtig waren, wie bei manchen Schwierigkeiten und Klagen in und aus Königstein, versuchte Janssen zu helfen, wo es nur ging. „Nun durchschaue ich die Dinge nicht mehr so und kann nur das tun, was ich bisher tat: zur Hilfe bereit sein, wenn irgendwo Hilfe gefordert wird.“113 So Janssen im Schreiben an Scholz. Heinrich Maria Janssens Biographie weist Parallelen zu der seines Vorvorgängers auf: Wie Hartz stammte Janssen vom Niederrhein (geb. 1907), wurde 1934 in Münster zum Priester geweiht, danach stellte er sich für die Seelsorge in der Freien Prälatur Schneidemühl zur Verfügung: Janssen war seit 1937 Seelsorger in Schneidemühl; die SS hatte ihn Ende 1945 ausgewiesen. Bis 1947 half er Hartz bei der Sammlung und Betreuung der Katholiken aus der Freien Prälatur. 1949 wurde er Pfarrer im größten Marienwallfahrtsort in Nordwestdeutschland, in Kevelaer. 1956 wählte ihn das Hildesheimer Domkapitel zum Bischof, 1957 wurde er mit der Vertriebenenseelsorge beauftragt. Wo setzte Janssen seine Schwerpunkte in der Vertriebenenseelsorge? Er kannte ja seine ostdeutschen Katholiken und deren Schicksal der Vertreibung, war er doch als Münsteraner Diözesanpriester in Schneidemühl tätig gewesen. Sah er es als seine Aufgabe, sich als Vertriebenenbischof auch in die Politik einzumischen, gerade in den Debatten um die neue Ostpolitik der Bundesregierung und des Vatikans oder war auch er bevorzugt der Seelsorgebischof, der das Thema vor allem binnenkirchlich besetzte? Heinrich Maria Janssen war 25 Jahre Vertriebenenbischof – in einer Phase, in der die hauptsächlichen Strukturen und Organisationen der Vertriebenenseelsorge geschaffen waren: die Diözesanvertriebenenseelsorge, die Kirchlichen Hilfsstellen Nord

111

112 113

Zu Janssen vgl. allgemein Thomas SCHARF-WREDE (Hg.), Heinrich Maria Janssen. Bischof von Hildesheim 1957 – 1982. Regensburg 2008. Darin vor allem Rainer BENDEL, Die Vertriebenenseelsorge und Heinrich Maria Janssen als Vertriebenenbischof, S. 161-175. KATHOLISCHER FLÜCHTLINGSRAT/AMK E.V. (Hg.), Bischof H. M. Janssen. 25 Jahre Vertriebenenbischof. Königstein o.J. [1983]. Dort wurden die Laudationes zur Feier des silbernen Jubiläums des Vertriebenenbischofs am 24. September 1982 in Königstein abgedruckt. Janssen an Professor Franz Scholz am 25.4.1961 KZG Bonn, Königstein 2590, Bestand Vertriebenenbischof. Ebd.

146

Abschnitt II

und Süd, die Einrichtungen in Königstein, der Katholische Flüchtlingsrat, die diversen Laienorganisationen.114 Janssen war Koordinator und Moderator dieser Vielfalt, nicht selten auch Schlichtungsinstanz bei Meinungsdifferenzen auch innerhalb der einzelnen Gruppen und Organisationen und schuf die Verbindung zur Bischofskonferenz. Er war besten Willens, als Diener zur Verfügung zu stehen, dabei in vielen Wahrnehmungen und Einschätzungen schlicht und in der Folge zu wenig strukturell und politisch denkend in einer sich dramatisch verändernden Phase der 1960er und 1970er Jahre, in der eine deutliche Positionsbeziehung in der Öffentlichkeit nötig gewesen wäre. Eine enge Abstimmung pflegte Janssen all die Jahre hindurch mit dem Leiter der Dienststelle, die zu Beginn seiner Amtszeit von Würzburg nach Hildesheim verlegt und mit Franz Ziegler115 besetzt worden war. Janssen sparte auch nicht an würdigenden Worten für den Leiter der Dienststelle.116 Im Rückblick machte Janssen 1970 deutlich: Das Fundament für die Arbeit des Vertriebenenbischofs für die seelsorgliche Arbeit an den Vertriebenen sei in der Haltung der höchsten kirchlichen Autorität, des Papstes, gelegt, der als Rufer und Helfer für die deutschen Vertriebenen eingetreten war, der sich mit eigenen Worten an die Vertriebenen selbst gewandt und einen eigenen Flüchtlingsbischof ernannt hatte. Dazu kam nach Janssen, dass sich bereits 1945 einzelne deutsche Bischöfe bemühten, das Einströmen der Millionen heimatvertriebener Katholiken in ihre Diözesen aufzufangen und in eine geordnete Seelsorge zu bringen. Eine andere starke Initiative kam nach Janssens Einschätzung aus den Reihen der Heimatvertriebenen selbst, also von unten. Von den Seelsorgern, von engagierten Katholiken waren Initiativen ausgegangen, die Versprengten zusammenzuhalten, die Verlorenen zu sammeln, Kontakte zu knüpfen, wo es ging.117 „Unmittelbar nach dem Zusammenbruch war eine Planung oder ein auf Konferenzen erarbeitetes, gemeinsames Vorgehen gar nicht möglich. Spontane Aktionen einzelner Seelsorger waren der Anfang einer Vertriebenenseelsorge, die verhältnismäßig schnell in eine organisierte und gut disponierte Form kam.“118 – so der beschönigende Rückblick Janssens auf

114 115

116

117

118

Vgl. dazu HIRSCHFELD, Katholisches Milieu und Vertriebene, und BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? Franz Ziegler (1914 – 1975) wurde 1959 Diözesanvertriebenenseelsorger in Hildesheim und Leiter der Dienststelle des Beauftragten der Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge. Johannes GRÖGER, Franz Ziegler, in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 326-328. Die enge Abstimmung und Berichterstattung, auch Schilderung der Erlebnisse bei Veranstaltungen zeigt exemplarisch ein ausführlicher Brief Janssens an Ziegler vom 13.11.1965 aus Rom. KZG Bonn 2596. Vgl. dazu Heinrich Maria JANSSEN, Kirche der Heimatlosen, in: DERS., Unterwegs – Heinrich Maria Janssen – 25 Jahre bischöflicher Dienst. Hildesheim 1982 (Künftig zitiert als JANSSEN, Unterwegs). Der Beitrag, der zunächst 1970 im „Rheinischen Merkur“ abgedruckt war, ist dort erneut abgedruckt auf den Seiten 195 bis 201. JANSSEN, Kirche der Heimatlosen, S. 197.

Die Vertriebenenbischöfe

147

eine Situation, in der manches in Konkurrenz entstand und die Bischofskonferenz diesen Punkt auf ihren Beratungen weitgehend ausgeklammert hatte. Dankbar würdigte Janssen im Rückblick die Initiative zur Errichtung der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt und München unter Leitung Büttners und dann die Initiative aus den Reihen der Vertriebenen: „Eine erste große Zusammenkunft von vertriebenen Priestern und von einheimischen Seelsorgern unter den Vertriebenen war im August 1946 in Eichstätt. Der damalige Bischof Rackl119 von Eichstätt hat durch seine ausstrahlende Güte diesem ersten großen Treffen von entwurzelten Priestern eine besondere Prägung gegeben und das Vertrauen auf die Hilfe der Kirche und das Wissen um die Geborgenheit in der Kirche zu stärken verstanden. In Eichstätt wurde die klare Forderung gestellt nach einer eigenen Vertriebenenseelsorge, nach einem eigenen Seminar für die aus den Ostgebieten kommenden Theologen, nach Beauftragten für die Vertriebenenseelsorge in den einzelnen Diözesen.“120 Janssen bezeichnete das Amt des Vertriebenenbischofs für die Entwicklung der Vertriebenenseelsorge als sehr wichtig, denn damit hatte die Vertriebenenseelsorge eine kirchlich autorisierte Spitze, die für die Koordinierung und für viele notwendige Initiativen die verantwortliche Leitung übernahm.121 Dazu kamen die konkreten Aufgabenfelder, die ein Vertriebenenbischof offensichtlich gerne wahrnahm, wie die eigenen Wallfahrtstage und Begegnungsmöglichkeiten, die die Vertriebenen seit 1946 organisierten. Daneben nannte Janssen das Zentrum für die Vertriebenenseelsorge in Königstein im Taunus – einen Kristallisationspunkt aller katholischen Bemühungen um die Flüchtlinge, wie er ihn mit den Worten von Kardinal Frings bezeichnete. „Vor allem sind dort die sogenannten Priesterwerke entstanden und beheimatet. In ihnen haben sich die vertriebenen Priester nach ihrer früheren Diözesanzugehörigkeit zusammengeschlossen und haben gerade in Königstein, auf Kongressen, Tagungen und regelmäßigen Konferenzen ihre Ausrüstung und Wegweisung erfahren für ihren Dienst unter den Vertriebenen. Dort treffen sich jährlich die Diözesanvertriebenenseelsorger und die Mitglieder der Priesterwerke.“122 Den Katholischen Flüchtlingsrat, der den Episkopat in Fragen der sozialen, politischen und kirchlichen Eingliederung beriet, erwähnte Janssen ebenso wie die Sorge um das religiös kulturelle Erbe der Heimatvertriebenen, die vor allem durch die Ackermanngemeinde, die Eichendorffgilde, das Hedwigswerk, das Kardinal Bertram-Werk, die Ermlandfamilie und das Heimatwerk Danzig wahrgenommen wurde. In einer Predigt für eine Eucharistiefeier mit den Abgeordneten des Achten Deutschen Bundestages am 12. Juni 1980 unterstrich Janssen, dass man aus der kirchlichen Arbeit den politischen Bereich nicht ausklammern könne. Vor allem als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Heimatvertriebenen könne er sich

119 120 121 122

Michael Rackl (1883 – 1948) seit 1935 Bischof von Eichstätt. Karl HAUSBERGER, Rackl, Michael, in: BBKL, Band 7 (1994), Sp. 1185-1188. JANSSEN, Kirche der Heimatlosen, S. 198. JANSSEN, Kirche der Heimatlosen, S. 199. JANSSEN, Kirche der Heimatlosen, S. 200.

148

Abschnitt II

unmöglich aus den politischen Überlegungen heraushalten. Die Verflochtenheit des Politischen mit dem Sozialen und Seelsorgerlichen sei sehr eng.123 Janssen würdigte die Integrationsleistung der Bundesrepublik; die Integrationswilligkeit der Vertriebenen habe das Problem nicht nur via Versorgung gelöst, sondern durch echte Integration der vertriebenen Menschen.124 Es ist aber bezeichnend für die letztlich unpolitische Haltung des Vertriebenenbischofs, dass er keine konkreten Maßnahmen der Politik würdigte. Er ging mit keinem Halbsatz auf den Lastenausgleich ein oder auf die Gestaltung der Sozialpolitik. Es war deutlich, dass vor allem die Sorge um die Spätaussiedler die Amtszeit Janssens als Vertriebenenbischof gefüllt hat.

5.1.

Weltweite Perspektive

Janssen sah seine Aufgabe immer auch darin, die Erfahrungen, die in Deutschland mit dem Vertriebenenproblem und der Integration der Vertriebenen gesammelt wurden, in den Notsituationen weltweit zum Einsatz zu bringen. Er forderte bei der Eröffnung des 31. Kongresses ‚Kirche in Not’ 1981 in Königstein, der sich mit dem Flüchtlingsthema befasste, eine weltweite Instanz, zuständig für die Auflösung der Lager. Die Lagersituation, die in vielem als eine Dauerlösung gesehen werde, wo man meine, es genüge eine sozial-caritative Betreuung, führe auf Dauer zu enormen gesellschaftlichen Verwerfungen bis hin zur Anarchie und Terrorismus.125 Janssen bezeichnete bei diesem Anlass Königstein als Stätte der Beratung und Hilfe durch fast vier Jahrzehnte für manche Heimatlose. Dadurch sei es zum Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns geworden. Königstein habe vielen Suchenden einen neuen Weg gewiesen und manchem Verzweifelten Mut zugesprochen, auch ein schweres Leben anzupacken und zu bewältigen. „Das ist in den zurückliegenden Jahren unterschiedlich mal stärker, mal weniger intensiv geschehen. Es mag auch sein, dass es nur weniger stark in die Öffentlichkeit drang. Als der von der Deutschen Bischofskonferenz Beauftragte für die Vertriebenenseelsorge möchte ich aber bei der Eröffnung des diesjährigen Kongresses eindringlich sagen: Königstein muss dieses Vertriebenenzentrum bleiben! Königstein muss gestützt und gestärkt werden, damit es für die Bewältigung aller Flüchtlingsfragen bereit und befähigt bleiben kann.“126 Dass die Sudetendeutschen mit Weihbischof Kindermann einen Bischof bekamen, war für viele sicher ein Ausdruck der Wertschätzung durch die Kirchenleitung und wichtiger Beitrag zur kirchlichen Neubeheimatung. Dass dieser Schritt vollzogen werden konnte war entscheidend Janssen als Vertriebenenbischof zu verdanken, der

123 124 125 126

Der Wortlaut dieser Predigt in: JANSSEN, Unterwegs, S. 201-205. Vgl. JANSSEN, Unterwegs, S. 205, wo er den Kontrast in vielen Regionen der Welt skizziert, in denen vertriebene Menschen in Lagern versorgt werden. Die Ansprache Janssens zur Eröffnung des 31. Kongresses ‚Kirche in Not’ abgedruckt in: JANSSEN, Unterwegs, S. 211-215. JANSSEN, Unterwegs, S. 213.

Die Vertriebenenbischöfe

149

sich bereit erklärte, Kindermann als Weihbischof in Hildesheim anzunehmen, ohne dass dieser dort Residenz nehmen musste. D.h. dass nur mit einer bedingten Mithilfe Kindermanns zu rechnen war, wenn der weiterhin in Königstein für die Vertriebenenangelegenheiten zuständig sein sollte. Ein entscheidender Motor in der Berufung eines sudetendeutschen Weihbischofs und vor allem auch in der Besetzung dieses Amtes durch Kindermann war offensichtlich Hans Schütz. Janssen gibt dies zumindest in der Schilderung einer Episode im Gedenkbuch für Hans Schütz preis.127 Janssen war Vertriebenenbischof in einer Phase, die angefüllt ist mit Infragestellungen: 1958/59 mussten sich die Hilfsstellen gegenüber der Bischofskonferenz legitimieren; in den 1960er Jahren kamen die Anfragen an die Versöhnungsbereitschaft der Vertriebenen in einer Weise, die die Vertriebenen nicht selten als Verrat empfanden.128 Nur sehr vorsichtig tastete sich Janssen an den Themenbereich EKDDenkschrift heran; die Materie war ihm als Bischof zu politisch. Er hätte solche Aufgaben gern dem Katholischen Flüchtlingsrat zugeschoben: „Auf unserer Seite sollte man ruhig fragen, was hat die Kirche, nachdem sie seelsorglich sicher weit mehr getan hat, denn politisch getan? Wie hat sie die wichtigen Fragen unseres Volkes ethisch und religiös unterbaut und so vorbereitet für die andrängenden Entscheidungen? Haben da unsere Laiengremien nicht eigentlich wenig geleistet? Der Flüchtlingsrat? Die Abteilung „Glaube und Heimat“ beim Zentralkomitee? Vielleicht kann dafür die Denkschrift eine Art „Denkzettel“ werden!“129 Er sprach von einer miesen Stimmung wegen der EKD-Denkschrift, die er als mutig, aber zum falschen Zeitpunkt publiziert bezeichnete; sie sei politisch nicht ausreichend überzeugend, weil darin nicht in hin-

127

128

129

Heinrich Maria Janssen. Ein Oberhirte für seine Landsleute – sein Herzensanliegen, in: Hans SCHÜTZ, Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit. München 1982, .S. 49: „Prälat Kindermann hatte oft vom Schütz Hans gesprochen und immer klang ein Grundton von Herzlichkeit, Freundschaft und Fröhlichkeit durch. Sie waren per Du miteinander und überzeugten mich von der Notwendigkeit, aus den Reihen der sudetendeutschen Priester einen zum bischöflichen Dienst zu bekommen. Prälat Kindermann hielt sich zurück. Ihm genügte „seine Position“ in Königstein, wo er ja als „Nicht-Inthronisierter“ seine Residenz hatte. Hans Schütz setzte mir mit einer unausweichlichen Liebenswürdigkeit und einer ebenso intensiven wie schalkhaften Überzeugungskraft auseinander, dass diese größte Volksgruppe unter den Vertriebenen einen eigenen Bischof brauche. Dabei ging es ihm nicht so sehr um die Repräsentation durch einen Mitregenten. Er verstand es vielmehr, überzeugend deutlich zu machen, dass seine Landsleute im Bischof die Anerkennung ihrer Kirchentreue und ihrer in der Vertreibung stark wachsenden Kirchlichkeit sehen würden. Es war nicht schwer, ihm klarzumachen, dass es nicht möglich sei, einen eigenen Ordinarius für alle Sudetendeutschen zu bekommen. Als wir dann über einen möglichen Weihbischof sprachen, hat er mich festgenagelt und wusste alle Bedenken gegen eine Übernahme für Hildesheim mit so viel Charme und Fröhlichkeit hinwegzureden, dass ich vor ihm kapitulieren musste. Dabei sprach auch aus seinem oft scherzenden Drängen eine solche ehrliche Sorge um seine Landsleute und ihre kirchliche Einbindung, dass ich ihm zeitlebens dankbar bleibe für die Hilfestellung, die er dann auch mir gab in dieser Angelegenheit.“ Vgl. dazu als ein Beispiel für diese Einschätzung noch aus den 1990er Jahren Herbert CZAJA, Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Mangel an Solidarität mit den Vertriebenen. Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik. Frankfurt/M. 1996, v.a. Teil E. Brief Janssens an Ziegler vom 13.11.1965 aus Rom. KZG Bonn 2596, Zitat S. 2.

150

Abschnitt II

reichender Weise gesagt werde, „welche Elemente hinter der Vertreibung und diesem Völker-Verschieben stehen.“130 Der Wandel in der Ostpolitik der Bundesregierung zeigte sich zunehmend deutlicher; Änderungen in der vatikanischen Ostpolitik deuteten sich an. Janssen wies in seinem Brief aus Rom an Franz Ziegler, den Leiter der Dienststelle, wo er am Konzil teilnahm, darauf hin, dass Rom die Wahl des ermländischen Kapitularvikars Hoppe131 nicht bestätigt habe; kompensiert wurde die Zurückhaltung auf der rechtlichen Ebene durch die Verleihung eines Titels.

5.2.

Heimatrecht

An der Entwicklung der Behandlung des Themenbereichs Heimatrecht zeigt sich sehr deutlich zum einen die Entwicklung der Integration der Vertriebenen, zum anderen die Entwicklung in der politischen Großwetterlage. Am Anfang stand die Frage nach dem Heimatrecht, nach der Rückkehr in die Heimat, verbunden mit der Warnung, gerade von Seiten der Seelsorger, vor einem zu großen Optimismus auf eine rasche Rückkehr in die Heimat und damit die Warnung vor einer Integrationsunwilligkeit. In einer zweiten Phase ist es der Kirchenkampf im Ostblock, die bedrängte religiöse Situation und damit das Wachhalten und die Spendenbereitschaft für die Menschen in den Ländern des Ostblocks, die im Zentrum stehen. In den 60er und beginnenden 70er Jahren beherrschen die Fragen nach dem Heimatrecht die Debatte, auch angesichts der Aussöhnungsversuche zwischen Deutschen und Polen und der Neuorientierung in der Ostpolitik, die kirchlicherseits sehr rasch begleitet wurde von einer Neuumschreibung der Bistümer in den Vertreibungsgebieten. Die Vertriebenen nahmen 1972 auch eine sehr romkritische Haltung ein. „Was die Vertriebenen seit den jüngsten ostpolitischen Auseinandersetzungen empört und was sie bei der vatikanischen Entscheidung über die Neuerrichtung von Diözesen für polnische Katholiken von neuem betroffen registrieren, ist die allgemeine Gleichgültigkeit, mit der überall Politiker und öffentliche Meinung, jetzt also auch die römische Kurie über die Vertreibung der Deutschen, deren millionenfache Verletzung der Menschenrechte hinweg gehen, als wäre dies eine längst erledigte Sache, seitdem die Vertriebenen bei der Caritas nicht mehr um ein Hemd zu betteln brauchen. Es geht aber doch nicht um Klostersuppe oder um Heimweh, sondern um das verletzte Rechtsbewusstsein von Millionen und um ein „in der Geschichte Europas einmaliges Ereignis“ (Pius XII.), durch das nicht nur Staatsgrenzen, sondern die jahrhundertealten Siedlungs- und Kulturverhältnisse Mitteleuropas gewaltsam verändert worden sind.“132 Noch einmal geht es in der Verteidigung des Heimatrechts der Vertriebenen um eine gerechte Lastenverteilung, um eine Mithaftung auch der Heimatverbliebenen in 130 131 132

Ebd. Zu Paul Hoppe vgl. PENKERT, Höhere Mächte haben entschieden, S. 363-404. Pater Paulus SLADEK, Rom weckt Zweifel unter den Vertriebenen, in: Volksbote vom 07. Juli 1972, wieder abgedr. bei OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 311-313, hier S. 311.

Die Vertriebenenbischöfe

151

Westdeutschland an den Folgen des Unrechts der Nationalsozialisten und des verlorenen Krieges. „Aber der damit verbundene Verzicht auf die Heimat bedeutet, dass die Vertriebenen allein die Kosten für die deutsch-polnische Versöhnung bezahlen müssten, die doch vom ganzen deutschen Volk zu tragen wären. Bei der geringen nationalen Solidarität der Deutschen haben, wie es Friedrich Sieburg einmal formuliert, nur die Schlesier Schlesien verloren. Die westdeutsche Bevölkerung empfindet den Verlust der ostdeutschen Provinzen durchaus nicht zu tief schmerzlich, wie Professor Reiser behauptet. Das zeigt sich schon darin, dass nicht nur die Regierung Brandt, sondern auch die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik, mit wenigen Ausnahmen, die Vertriebenen bei der Verteidigung ihrer Rechte im Stiche lässt.“133 Auch die Diözesanvertriebenenseelsorger erklärten im April 1971 in zwölf Punkten ihre Position zur Ostpolitik.134 Die neue Politik habe bei den meisten Heimatvertriebenen große Verbitterung hervorgerufen, sie sprechen von einer zweiten Vertreibung der Vertriebenen. Die Vertriebenen erwarteten von ihren Bischöfen und Seelsorgern „jede moralische Stärkung in der Bewältigung ihres schweren Schicksals“.135 Verbittert waren die Vertriebenen darüber, dass sie als Betroffene nicht oder zu wenig in Entscheidungsprozesse einbezogen wurden, dass manche die wichtige Aufgabe des Versöhnens nicht im Sinne eines ‚schweren Verzeihens’ (Paul Ricoeur) begreifen wollten, vielleicht auch weil dies noch mehr Anstrengung und Geduld erfordert hätte. Aufgabe Janssens war es, solche Positionsbestimmungen in den (amts-)kirchlichen Diskurs außerhalb der Vertriebenenkreise einzubringen.136

5.3.

Königsteiner Anstalten

Während Janssens Amtszeit erfolgten in Königstein große bauliche Erweiterungen: der Bau des Hauses der Begegnung und der Neubau der Bischof Neumann-Schule. Persönlichkeitsstruktur und autokratischer Führungsstil Kindermanns erschwerten die Kooperation der Leitungsgremien in Königstein, verhinderten eine Vielfalt von Initiativen und Konzepten. Es entstand zwar eine Vielzahl von Medien, um den Kontakt mit dem Klerus zu halten, um die – vor allem spendenfreudigen – Gläubigen über die Erfolge und Schwierigkeiten Königsteins zu informieren, die Konzepte wurden aber trotz der Vielzahl der modernen Medien inhaltlich nicht auf ihre gegenwärtige Tragfähigkeit und Zukunftsoffenheit hin befragt. Persönliche Kontakte wusste Kindermann geschickt für seine Interessen zu nutzen. Spannungen entstanden aber gegenüber einer Vielzahl anderer Stellen, die mit

133 134 135 136

SLADEK, Heimatverzicht als christliches Opfer, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 408. DAR Akz. 08/1991 NL Kruschina. Vier Seiten masch. Ebd., S. 3. Vertriebene und Ostpolitik, resp. Vatikanische Ostpolitik: Karl Joseph HUMMEL, Der Heilige Stuhl, deutsche und polnische Katholiken 1945 – 1978, in: Archiv für Sozialgeschichte 45 (2005), S. 165-214.

152

Abschnitt II

der kirchlichen Vertriebenenbetreuung betraut waren, weil Kindermann zumindest unterschwellig die Alleinvertretung der Vertriebenenanliegen beanspruchte. So verwundert es auch nicht, dass im „Königsteiner Spiegel“ am 24. Juli 1973 in einer Zusammenstellung von kritischen Zitaten, die sich gegen Kindermanns autokratisches Regime in Königstein wandten, auch das Haus der Begegnung zur Zielscheibe der Kritik wurde. Die Vertriebenen, die für Königstein gespendet hätten, heißt es dort, hätten für den Priesternachwuchs, nicht aber für einen grandiosen Bau des Hauses der Begegnung gespendet, das künstlich von Kindermann immer wieder zum Herz und Kopf des Ganzen dogmatisiert worden sei. Es wird eine bischöfliche Untersuchungskommission gefordert, die der Manipulation ein Ende bereiten solle. „Um die Völkerscharen zu fassen, musste mit dem Scherflein der armen Witwe ein Kongress-Saal gebaut werden, der fast das ganze Jahr leer steht.“137 Damit sind zentrale Aufgaben des Vertriebenenbischofs skizziert; sie wurden mit dem Tod Kindermanns 1974 nicht leichter. Janssen agierte dabei nicht konsequent und nachhaltig genug; über manchen Fehlbetrag sah er in seiner großen Gutmütigkeit und seinem Wohlwollen für Königstein hinweg. Der drastische Rückgang der Studentenzahlen ließ die Frage nach der Berechtigung der Hochschule nicht verstummen, bis sie schließlich 1977 sistiert wurde. Damit waren freilich die finanziellen Probleme Königsteins keineswegs gelöst. Das waren nur einige Schlaglichter auf die großen Tätigkeitsfelder und Problemzonen der Vertriebenenseelsorge, von den zahllosen einzelnen Beschwerden und Streitfällen, die geschlichtet sein wollten, war gar nicht die Rede. Dabei war es vor allem die Seelsorge, die Janssen am Herzen lag, die Begegnung mit den Vertriebenen bei Wallfahrten und landsmannschaftlichen Treffen, die Besuche in den Lagern, die Gottesdienste der Vertriebenen bei den Katholikentagen. Er besuchte so oft als möglich die Konferenzen der Diözesanvertriebenenseelsorger; seit 1967 etablierte sich als neues Koordinationsgremium das Konveniat der Vertreter der ostdeutschen Diözesen und der Sprecher der sudetendeutschen und der südostdeutschen Priestergruppe. Engen Kontakt konnte Janssen 1965 bei Veranstaltungen zum Jahr der Menschenrechte zum BdV knüpfen. Seine offene, zugängliche und gewinnende Art schuf ihm auf vielen Ebenen rasch Kontakte.

137

Königsteiner Spiegel, Nr. 2 vom 24.7.1973, im Institut für Kirchengeschichte Böhmen-MährenSchlesien, Dossier Kindermann, S. 2.

Die Vertriebenenbischöfe

6.

153

Gerhard Pieschl (1983 – 2009)

Mit dem Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl wurde 1982 ein gebürtiger Mährer (geb. 1934 in Mährisch-Trübau) und ein ‚Alt-Königsteiner’ Beauftragter der Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge. 1946 kam die Familie nach Bößgesäß im Kreis Büdingen in die katholische Diaspora. Sein Abitur legte Pieschl in Königstein ab. Theologie studierte er in Königstein und Freiburg/Br. 1961 wurde er in Limburg zum Priester geweiht. 1968 wurde er Militärdekan und 1977 zum Weihbischof in Limburg berufen. Die einschneidensten Aufgabenschwerpunkte des Vertriebenenbischofs Pieschl waren erstens die Entwicklung einer neuen Konzeption, zweitens die Liquidierung der Anlagen in Königstein und drittens die Veränderungen im Rahmen des Statuts der Deutschen Bischofskonferenz vom 10. August 1998, gemäß dem die apostolischen Visitatoren für Breslau, Ermland und Schneidemühl und die kanonischen Visitatoren für Branitz und Glatz nicht länger Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz waren. Damit einher ging eine neue Reflexion der Notwendigkeiten und Aufgabenschwerpunkte der Vertriebenenseelsorge.138 Dazu kam die Zusammenarbeit mit den katholischen Vertriebenenorganisationen, nach wie vor die Gottesdienste im Kontext der Vertriebenentreffen und die jährlichen Vertriebenenwallfahrten. Sein Verständnis des Amtes umschrieb Pieschl so: „Vertriebenenseelsorge ist in diesem Sinn eine ‚Gemeinschaften’-Seelsorge. Dies ist in der Kirche nichts Unübliches. Gemeinschaften und Gruppen haben ein Recht auf kirchliche Begleitung ihrer Tätigkeit, wenn sie es wünschen und wenn ihre Tätigkeit kirchlichen Aufgaben nicht widerspricht. Vertriebenenseelsorge wird also so lange ‚noch’ nötig sein, solange die Herkunftsheimat und das erlebte Schicksal der Vertreibung gemeinschaftsbildende Kraft haben. Vertriebenenseelsorge als Teil der Gesamtseelsorge unterliegt den gleichen Kriterien wie jede andere Seelsorge und da gilt: jedwede Seelsorge ist die Antwort des Glaubens auf die Nöte und Gefährdungen, die Freude und die Hoffnung im Leben der Menschen ihrer Zeit. Dabei findet die Seelsorge zwei Vorgaben vor: einmal das in Jesus erwirkte Heil, das sie den Menschen zu vermitteln hat in Gottesdienst (Liturgia), Zeugnis (Martyria) und Bruderdienst (Diakonia), ihren Inhalt also – und zum andern den Ort und die Situation, wo sie konkret wird, sich

138

Vgl. dazu auch das Kapitel 6, Die Vertriebenenseelsorge in der Gegenwart, in Gerhard PIESCHL, „Vergesst vor allem nicht die Armen und Kranken, die Heimatlosen und Fremden“. Vertreibung – Aufnahme – Heimatsuche. Eindrücke, Erfahrungen, Aufgaben eines Vertriebenenseelsorgers. Hg. von Rainer BENDEL. Berlin 2009, S. 77-84. Dort gab Pieschl zu seiner Emeritierung als Vertriebenenbischof einen Rückblick auf die Vertriebenenseelsorge und ihre aktuellen Aufgaben.

154

Abschnitt II

spezifiziert und ihren Heilsdienst umzusetzen trachtet. Plakativ kann ich es so ausdrücken: Vertriebenenseelsorge ist eine Ortsangabe, keine Inhaltsangabe.“139 Pieschl wollte sein Amt als Vertriebenenbischof mit neuem Schwung beginnen. Er wollte inspirieren, die Aufgaben neu und überzeugend formulieren, in Kooperation mit seinen engsten Mitarbeitern, den Visitatoren und den Diözesanvertriebenenseelsorgern. Er startete Umfragen unter den Diözesanvertriebenenseelsorgern, so dass sie die Schwerpunkte ihrer Arbeit skizzieren, vor allem aber auch die Probleme benennen sollten. Enttäuschend war aber das Resultat: Es kamen kaum Antworten und die, die kamen, waren sehr flüchtig skizziert. Man spürt kein Engagement, keine Bereitschaft zu einer Kooperation und zur Entwicklung von neuen Konzeptionen. Jeder erwartete vom anderen die zukunftsweisenden Konzepte und keiner schrieb eines. Das war offensichtlich nicht nur in Königstein das Problem, sondern insgesamt in der Vertriebenenseelsorge. Pieschls Position in seinen Aufgaben als Vertriebenenbischof, seine zentralen Themen lassen sich aus seiner Vorstellung herausarbeiten, die er beim Katholischen Flüchtlingsrat als neu berufener Vertriebenenbischof gab, zweitens aus einer Predigt beim Sudetendeutschen Tag, in dem er das Bild „Josef Euer Bruder“ verwendete und sich auf diesem biblischen Hintergrund mit dem Thema „schweres Verzeihen“ auseinandersetzte, und drittens eine Gedenkrede unter dem Thema „Versöhnung – bleibende Herausforderung für die Vertriebenenseelsorge. Aber was ist mit Versöhnung gemeint?“, die er zum 50. Todestag von Bischof Maximilian Kaller am 6. Juli 1997 in Königstein hielt.

6.1.

Sein Programm vor dem Katholischen Flüchtlingsrat 1983140

Pieschl schlug zuallererst eine Kombination verschiedener Aktivitäten vor, z.B. des Erfahrungsaustausches zwischen den Diözesanvertriebenenseelsorgern und den Beratungen der apostolischen Visitatoren. Grundsätzliche Überlegungen erbat er zur Einbindung der Vertriebenenseelsorge in die Gesamtseelsorge der einzelnen Bistümer. Pieschl wünschte sich zu Amtsbeginn einen Ort für die katholische Vertriebenenarbeit, an dem sie zu Hause sei. Das bedeutete zu dem Zeitpunkt bereits, dass das Schicksal des Tagungsortes Königstein der Klärung bedurfte. Er forderte ein Konzept ein. Überprüft werden sollten die Zusammenarbeit mit den Landsmannschaften und die Darstellung in der Öffentlichkeit. Er forderte auf allen Ebenen und in allen Gremien Beratung über die Frage, wie die Arbeit auf die Zukunft hin ausgerichtet werden könne, wie die heranwachsende Generation einbezogen werden könne. „Als Seelsorger dürfen wir nicht Einzelkämp-

139 140

Vgl. dazu auch das Kapitel 6, Die Vertriebenenseelsorge in der Gegenwart, in PIESCHL, „Vergesst vor allem nicht die Armen und Kranken, die Heimatlosen und Fremden“, S. 83. Grußwort zur Tagung des KFR, 10./11. Mai 1983.

Die Vertriebenenbischöfe

155

fer sein, die eine Gruppe versorgen. Die Vertriebenen und Flüchtlinge, die den Seelsorgern anvertraut sind, müssen sich als mündige Christen begreifen und dies auch in der Zusammenarbeit erfahren können. Ich glaube, auf diesem Feld gibt es viel zu tun.“ Die einseitige geistige Ausrichtung in der Gesellschaft auf Westeuropa hin wollte er aufbrechen durch das Interesse für die osteuropäischen Länder, für deren Literatur, Kunst und Musik.

6.2.

Echte Versöhnung ist ein schwieriger Prozess: „Ich bin Josef Euer Bruder“

„Josef aber rächte sich nicht, sondern prüfte sie hart. Als er merkte, dass sie sich gewandelt hatten trat er voller Rührung vor seine Brüder und sagte: Ich bin Josef Euer Bruder, den Ihr nach Ägypten verkauft habt …“ Pieschl unterstrich, dass die deutschen Heimatvertriebenen aus ihrer Lebensgeschichte die Erfahrungen von Leid und Unglück ebenso kannten wie jene Hoffnungszeichen, die nach der Katastrophe von Krieg und Vertreibung zu erleben waren: „Es hat sich erwiesen, dass die Worte von Ausgleich, Verständigung und Versöhnung keine hohlen Phrasen sind, wenn die Vertriebenen sich schon fünf Jahre nach der Vertreibung in ihrer Charta der Heimatvertriebenen141 der Realität stellten und – im Blick zurück – Rache und Gewalt eine Absage erteilten und – im Blick nach vorn – mitwirken wollten am Aufbau eines vereinten und versöhnten Europa. Es hat sich erwiesen, dass die Solidarität mit der verfolgten Kirche in der Zeit des Kommunismus gerade von den Heimatvertriebenen praktiziert wurde. Ich denke auch hier an Königstein mit seinen Kongressen ‚Kirche in Not’. Es ist sicher nicht falsch, da auch eine Wurzel für das Hilfswerk der Deutschen Kirche für die Kirche des Ostens ‚Renovabis’ zu sehen. Es waren Christen, die oft unter großen Wagnissen Schritte aufeinander zugingen, um so Versöhnung zwischen Feinden zu ermöglichen. Unvergessen die Botschaft der polnischen und deutschen Bischöfe während des Zweiten Vatikanischen Konzils: ‚Wir bitten um Vergebung und gewähren Vergebung.’ “ Dies alles waren Schritte in die richtige Richtung, Hoffnungszeichen für eine bessere Zukunft, die nach Pieschls Ansicht ein solides Fundament brauchten: die Wahrhaftigkeit, die ihrerseits wiederum der kontinuierlichen Klein- und Grundlagenarbeit nicht zuletzt in Geschichtsschreibung und Geschichtsunterricht bedarf. In diesem Aufgabenfeld erwies sich Pieschl als Kritiker an frühzeitiger Euphorie – die Verständigung über die Geschichtsbilder bezeichnete er wiederholt als langwierige und schwierige Aufgabe.

141

Rainer BENDEL, „... weil Hass und Racheleidenschaft den Menschen innerlich degradieren“. Der Gewaltverzicht der Vertriebenen und die katholische Kirche nach 1945. Zum 60. Jahrestag der Charta der Vertriebenen, in: Sudetenland 52 (2010), S. 386-393.

156

6.3.

Abschnitt II

Im Gedenken an den ersten Vertriebenenbischof

Kondensiert sind seine Überlegungen zum Thema ‚Versöhnung – bleibende Herausforderung für die Vertriebenenseelsorge’ in seinem Vortrag zum fünfzigsten Todestag von Bischof Maximilan Kaller, wo er eigens nach dem Verständnis von Versöhnung fragte. Das Urwort der Seelsorge, der es immer um die Versöhnung mit Gott und der Menschen untereinander gehe, habe die Vertriebenenseelsorge in all den Phasen ihres Wirkens zu sprechen versucht und geleistet. Die erste Phase bezeichnete Pieschl als caritative Phase. Dabei lehnte er sich an die Gliederung von Kindermann an. Die Vertriebenenseelsorge, allen voran der päpstliche Beauftragte für die Vertriebenenseelsorge Kaller, habe Trost und Zuversicht gespendet, sei der Armut der vertriebenen Bevölkerung zu Hilfe gekommen und habe die Mutlosen und Verzagten ermutigt, habe das Schicksal von der Botschaft des Kreuzes her gedeutet. Nachdem die nötigsten materiellen Grundlagen gelegt waren, folgte die Bemühung um die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kirchliche Eingliederung – nach Pieschl die zweite Phase der Vertriebenenseelsorge. Als die dritte Phase bezeichnete er die der geistigen Auseinandersetzung, wohl wissend, dass die Phasen zeitlich nicht nur aufeinander folgten, sondern auch parallel liefen. Die geistige Auseinandersetzung mit den großen Zusammenhängen von Schuld und Unschuld, von Leid, vom Sinn des ganzen Geschehens fand von Anfang an statt. Pieschl wies auf die entsprechenden Stellen bei Kaller hin und führte auch Pater Paulus Sladek an mit seinem Bemühen um Versöhnung seit dem Ende des Krieges. Die Heimatvertriebenen setzten sich sehr früh mit Nationalismus, Nationalsozialismus, Kommunismus und Atheismus und ihren Folgen auseinander. Die dritte Phase, die der geistigen Auseinadersetzung mit dem Vertreibungsgeschehen, sei nicht abgeschlossen, so Pieschl. Sie werde fortgeführt durch neue Entwicklungen gerade in den neunziger Jahren: durch die große Zahl der Aussiedler, aber auch durch die neu aufgekommene Diskussion über die Vertreibung in den Vertreiberländern. Das habe für die Vertriebenenseelsorge die Aufgaben noch einmal neu akzentuiert. Es gelte, das Vertreibungsschicksal philosophisch-theologisch aufzuarbeiten, die Frage zu stellen, was die Kirche zur Beheimatung des heutigen Menschen zu leisten vermöge. „Nach der Wende 1989 wurden die Möglichkeiten der Begegnung und so auch eine gemeinsame Auseinandersetzung mit der Geschichte größer. Es zeigte sich, dass – nicht zuletzt durch die Arbeit der Vertriebenenseelsorge – für die katholischen Heimatvertriebenen eine gute Ausgangslage für die nun mögliche offene Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte von Vertriebenen und Vertreibern vorlag.“142 Zu dieser guten Ausgangslage zählte Pieschl auch die Königsteiner Erklärung der deutschen Vertriebenenseelsorger von 1972, in der sie ausdrücklich unterstrichen hatten, dass sie denen verziehen, die ihnen Unrecht getan hatten, dass sie sich grundsätzlich einsetzten für die Verteidigung des Heimatrechtes, sich dabei aber von 142

„Versöhnung – bleibende Herausforderung für die Vertriebenenseelsorge. Aber was ist mit Versöhnung gemeint?“ Vortrag im Rahmen der Festakademie anlässlich des fünfzigsten Todestages von Bischof Maximilian Kaller am 6. Juli 1997 in Königstein, 7 Seiten kopiert, Zitat S. 4.

Die Vertriebenenbischöfe

157

Verbitterung, Abneigung und Gedanken der Vergeltung freihalten wollten. Und dass sie die Menschenrechte der in ihrer Heimat siedelnden Menschen, also der Polen und Tschechen, nämlich freie Existenz und angemessene Entfaltung, berücksichtigten und dass sie unter Ablehnung jeder Gewaltpolitik zu einem Ausgleich mit Polen bereit seien, der von beiden Seiten als gerecht angesehen werden könne. Nach den längeren Ausführungen zur Kontinuität des Anliegens von Versöhnung in der Vertriebenenseelsorge stellte Pieschl die präzisierende Frage nach der Versöhnung: Das Profil dieses Begriffes musste für ihn unabdingbar Wahrheit und Gerechtigkeit beinhalten. Dieses eminent religiöse Wort dürfe nicht politisch instrumentalisiert werden. Versöhnen könnten sich letztlich nur Menschen, nicht Staaten. Politik könne Versöhnung ermöglichen, aber nicht zwingend schaffen. „Nichts ist schädlicher für die Versöhnung zwischen Menschen und Völkern, als wenn diese autoritär verordnet wird.“143 Pieschl bezog sich hier auf die deutsch-tschechische Deklaration und wollte differenzierend unterstreichen, dass nicht jeder, der politische Einwände gegen diese Deklaration äußerte, gleich verdächtigt werden durfte, ein Gegner der Versöhnung zwischen den Völkern zu sein. So dürfe man auch in der Kirche nicht autoritär dekretieren, wie die Diskussion um die Deklaration geführt werden müsse. Man dürfe nämlich nicht nur eine politische Linie mit moralischen Kategorien stützen und sie gleichermaßen als höhere christliche Moral darlegen. „Dahinter verbirgt sich – vielleicht unreflektiert – ein autoritäres Verständnis, das in der katholischen Kirche eigentlich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil überwunden zu sein schien.“144 „Von Anfang an war es Grundsatz der Vertriebenenseelsorge, mitzuwirken an einer Friedensordnung, die auf Wahrheit und Gerechtigkeit aufbaut. Von Anfang war es auch ihre Überzeugung, dass Versöhnung und Wahrheit, Versöhnung und Liebe, Versöhnung und Gerechtigkeit, Versöhnung und zumutbare Wiedergutmachung sich nicht widersprechen und ausschließen, sondern sich bedingend und einander stützend aufbauen.“145 Diese Haltung, so Pieschl, habe ihren Grund in der Lebenserfahrung vieler Heimatvertriebenen. So sei die einzige tragfähige Grundlage für ein neues, besseres, zukunftsfähiges Miteinander zwischen Vertriebenen und Vertreibern die gemeinsame wahrhaftige Aufarbeitung der Geschichte, die Bereitschaft zur Vergebung und die gemeinsame Suche nach tragfähigem, politischem Ausgleich. Dabei darf bei diesen Argumentationen mit dem Blick in die Geschichte nicht übersehen werden, dass die Geschichte auch nicht nur bis 1918 zurückgehen könne, sondern eben auch die Erfahrungen der Vertreibervölker im 19. Jahrhundert mit berücksichtigen müsse.146 Am 1. November 1996 findet sich in der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) eine Stellungnahme Pieschls zur deutsch-tschechischen Erklärung zur Aussöhnung

143 144 145 146

Ebd., S. 6. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Dazu u.a. die einführenden Überlegungen in Friedrich PRINZ, Geschichte Böhmens 1848 – 1948. München 1988. – DERS., Böhmen im mittelalterlichen Europa. Frühzeit, Hochmittelalter, Kolonisationsepoche. München 1984, dort v.a. S. 180-208.

158

Abschnitt II

unter dem Titel „Schlimmer als der Heimatverlust wäre der Rechtsverlust“. Bei der deutsch-tschechischen Erklärung gehe es um die Zukunft. Pieschl bedauerte dass der Text in nicht-öffentlichen Verhandlungen vorbereitet und die Sudetendeutschen als Betroffene in diesen Prozess nicht einbezogen wurden.147 Ein fundamentales Anliegen brachte Pieschl in einem Grußwort „Fünfzig Jahre danach – Gedenken der Heimatvertriebenen“ am 10. Juni 1995 im Maternushaus in Köln zur Sprache; er unterstrich dort, die Erfahrungen aus der Vertreibung zu bewahren, um für Recht und Frieden zu wirken. Er forderte eine theologische Deutung des Heimatverlustes; das mit und in der Vertreibung Erlebte sollte auf die heilsgeschichtliche Ebene gehoben, also quasi im Hegelschen Verständnis aufgehoben, aufbewahrt werden.148

6.4.

Umstrukturierungen in der Vertriebenenseelsorge

a) Dotationen In den Beratungen des Katholischen Flüchtlingsrates (KFR) vom 8./9. November 1996 in Münster kam die Neuregelung der Vertriebenenseelsorge zur Sprache: die staatlichen Dotationen für die apostolischen und kanonischen Visitatoren wurden verhandelt. Überlegung war zu dieser Zeit, die Dotationen jährlich um zehn Prozent zu kürzen und in zehn Jahren auslaufen zu lassen. Es fanden Gespräche zwischen dem Katholischen Büro Bonn und der Bundesregierung statt über eine Einmalzahlung anstelle der laufenden Kürzung. Beabsichtigt war, dass der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) die ausfallenden staatlichen Beträge übernahm. In der Sitzung des KFR am 17./18.10.1997 berichtete Pieschl, dass die Frage der Dotationen zwi-

147

148

„Es darf doch nicht überkommen, dass die Sudetendeutschen nach dem Verlust ihrer Heimat und ihres Eigentums nun erfahren müssen, dass dies auch rechtens war, denn schlimmer als der Heimatverlust wäre der Rechtsverlust und Rückschritt auf dem Weg zu Ausgleich und Versöhnung. Nach alldem, was ich bislang von der deutsch-tschechischen Erklärung höre und lese, und wenn ich die Aktivitäten der reisenden Parteivorsitzenden und Diplomaten richtig deute, kann ich nur beten, „Gott eile zu helfen“ und nicht „hilf zu eilen“!“ „Auch für die hier in Köln versammelten deutschen Heimatvertriebenen geht es um ein Aufbewahren für alle Zeit, um ein Aufheben, ein Erinnern. Es geht darum, das Erlebte der Vertreibung aufzuheben, es auf eine andere Ebene zu bringen, in der eigenen Geschichte, Heilsgeschichte erkennbar zu machen: Die Tragik des Heimatverlustes weist über das Irdische weit hinaus auf die ewige Heimat. Theologisch gesprochen: Christen wissen: hinter Karfreitag erscheint Ostern … Deshalb sind wir heute hier versammelt: aufzubewahren für alle Zeit, die Erfahrungen unseres Lebens und die Stütze, die uns der Glaube ist. Jeder von uns wird seiner Erfahrungen gedenken, auch seiner Gebete, die er an anderen Orten, in anderen Lebensbedingungen gesprochen hat … Doch es geht nicht um Rückblick oder Nostalgie. Wir erinnern gleichzeitig an unsere Chancen und Pflichten, die allen Menschen bewusst sein müssen, wenn neue Weltkatastrophen verhindert werden sollen. Wir wissen, dass wir in der noch nicht erlösten Welt die Aufgabe haben, für Recht und Frieden einzutreten. Dies wollen wir auch in Zukunft mit Gottvertrauen tun.“

Die Vertriebenenbischöfe

159

schenzeitlich geklärt worden sei. Es wurde eine Abfindung von 2,5 Mio. von der Bundesregierung gezahlt und damit wurden die Dotationszahlungen eingestellt.

b) Nachfolge der Visitatoren Zur Debatte stand die Nachfolge für die ausgeschiedenen und aus dem Amt scheidenden Visitatoren: Es wurde überlegt, keine apostolischen Visitatoren als Nachfolger zu ernennen, sondern nur von der Bischofskonferenz benannte. Die Konferenz der Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge vom 16. Oktober 1998 fasste einen Beschluss zur Neustrukturierung der Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorger und verabschiedete ein Votum zu den Überlegungen in der Deutschen Bischofskonferenz zur Neuordnung der Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge. Darin wurde bedauert, dass mit der Neuordnung die Apostolischen Visitatoren nicht mehr vom Heiligen Stuhl ernannt wurden und die apostolischen und kanonischen Visitatoren aus der Deutschen Bischofskonferenz ausschieden. In diesem Vorgehen wurde objektiv eine Minderung der Vertriebenenseelsorge festgestellt. Die Konferenz unterstrich, dass die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge um der Menschen willen trotzdem weiterhin die Seelsorge der Kirche für die Heimatvertriebenen und Aussiedler gestalten werde. Drei Aufgabenschwerpunkte wurden im Konsens mit den Formulierungen der Deutschen Bischofskonferenz aufgeführt: die Sorge um die geistliche Betreuung der Heimatvertriebenen, das Engagement für die Aussöhnung mit den Menschen in der alten Heimat und die Hilfe für die ‚Kirche in Not’. Die Vertriebenenseelsorge wurde als eine notwendige Ergänzung der territorialen Seelsorge verstanden. Entsprechend wurde vom VDD eine finanzielle Ausstattung für die Arbeit der Visitatoren und der Gremien der Visitatoren und des Katholischen Flüchtlingsrates gefordert. c) Künftige Aufgaben der Vertriebenenseelsorge Ein Papier für die Mitglieder der Konferenz der Katholischen Vertriebenenseelsorger vom 4. September 1998 skizzierte als künftige Aufgaben der Vertriebenenseelsorge die Aufarbeitung des Geschehenen und Schritte zu tragfähiger Aussöhnung, die Wahrung der Identität bei aller Integration in die neue Umgebung, einen Beitrag dafür, dass das Bewusstsein in der Öffentlichkeit und in der Kirche für das Unrecht der Vertreibung lebendig bleibt, und den Brückenschlag zur alten Heimat. Strukturell wurde gewünscht, den Vertriebenenbischof innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz stärker zu gewichten. Außerdem sollte ein Mitglied der Pastoralkommission für folgende Aufgaben ernannt werden: Es sollte beratendes Mitglied im Ständigen Rat und Vorsitzender der Konferenz der Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorger sein; ihm sollte der Katholische Flüchtlingsrat in Deutschland als Beratungsgremium zugeordnet werden. Außerdem sollte der Vertriebenenbischof Mitglied der Deutsch-Polnischen Bischofskommission sein und mitwirken bei den Kontakten zur Tschechischen Bischofskonferenz. Sowohl bezüglich der kirchlichen wie der staatlichen Kontakte zu den Vertreiberländern wünschte er einbezogen zu werden. Aus dem

160

Abschnitt II

Bereich der Flüchtlings-, Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge sollten Vertreter in die Kommissionen ‚Weltkirche und Migration’ sowie in die Unterkommission ‚Renovabis’ berufen werden. Mit einem Schreiben vom 19. Juni 1997 an ‚Renovabis’ beklagte Pieschl, dass der Internationale Kongress Renovabis die Tradition der Kongresse ‚Kirche in Not’ von 1951 bis 1995 nicht wahrnehme und würdige. Aus dem Programm gehe hervor, dass man die Verbindung zur Vergangenheit nicht für erwähnenswert halte. Daher wollte Pieschl auch nicht am Kongress teilnehmen.

d) Neuordnung der Gremien Im Nachgang zur Neuordnung der Vertriebenenseelsorge wurden die Gremien neu geordnet.149 Aus dem Rücklauf der Antworten ergab sich ein Votum, die Konferenz der Vertriebenenseelsorger in der bisherigen Zusammensetzung aufzulösen. Die neuen Gremien und Mitglieder sollten sein: die Arbeitsgruppe der Pastoralkommission, die sich zusammensetzte aus dem Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge, dem Geschäftsführer und den Mitgliedern, nämlich den Visitatoren und dem Vorsitzenden des Katholischen Flüchtlingsrates, der Katholische Flüchtlingsrat, die Konferenz der Vertriebenenseelsorger, wobei hier die Mitglieder sich zusammensetzten aus dem Beauftragten der DBK, den Visitatoren, den Leitern der Arbeitsstellen Süd und Nord und den Diözesanvertriebenenseelsorgern die Sprecher der Priester und Gläubigen, der Nunc- und Tunc-Diözesen, der Sonderseelsorger, Lagerpfarrer und des Katholischen Flüchtlingsrats. Selbstverständlich wurde Pieschl auch in die Umstrukturierungen der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Vertriebenenorganisationen (AKVO) involviert, die ihre zentrale Stelle aufgrund der gekürzten Finanzmittel durch den VDD (Verband der Diözesen Deutschlands) weitgehend aufgeben musste, konnte hier aber aufgrund der Finanzlage keine Änderungen bewirken. Der IWO (Informationsdienst West-Ost) als Presseorgan der AKVO musste Ende 1999 sein Erscheinen einstellen. Pieschl wollte sich 1990 von der Aufsicht über das Sudetendeutsche Priesterwerk entpflichten lassen. Zu diesem Schritt hatte er sich veranlasst gesehen, weil ihm der jährliche Tätigkeits- und Kassenbericht nicht vorgelegt worden war. Der Vorstand des Sudetendeutschen Priesterwerkes war davon ausgegangen, dass sie dem Vertriebenenbischof nicht wie einem Belegenheitsbistum auskunftspflichtig seien, dass Pieschl nicht ein äquivalentes Aufsichtsrecht und eine Aufsichtspflicht über das Priesterwerk hätte. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz stimmte dieser Auffassung nicht zu.

149

Diözesanarchiv Limburg. Bestand: Weihbischof Pieschl, Vertriebenenbischof, Ordner: Konferenz der Diözesanvertriebenenseelsorger. Schreiben Pieschls an die Mitglieder der Konferenz der Katholischen Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge vom 11. Juni 1999.

Die Vertriebenenbischöfe

161

2002 plädierte Pieschl für die Zusammenlegung der beiden Arbeitsstellen Nord und Süd für die Vertriebenenseelsorge. Er initiierte eine der veränderten Finanzlage angemessene Umstrukturierung, von der er sich auch eine Effizienzsteigerung versprach. Seit 2004 gab er den Informationsdienst „Kirche und Heimat“ in Königstein und Limburg heraus. Er wurde getragen von Ernst Benz und Rudolf Grulich, wobei noch zu klären ist, wie viele Nummern überhaupt erschienen sind.

6.5.

Politische Einsprüche des Vertriebenenbischofs

Am 26. Juni 2000 schrieb Pieschl an den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau150 und betonte eine tiefere Resignation in der Volksgruppe der Sudetendeutschen, weil sie mit ihren Anliegen von der eigenen Regierung ignoriert würden. „Warum werden unsere Interessen tabuisiert?“ formulierte er. Das ist ein deutliches Beispiel neben den vielen anderen, dass Pieschl sein Amt viel stärker als seine Vorgänger, vor allem auch sein unmittelbarer Vorgänger, als eine auch politische Aufgabe verstand. Damit hob er sich deutlich von seinem Vorgänger ab, ja er bedauerte es, dass Janssen seinen Auftrag in einem klassischen Sinn ausschließlich seelsorgerlich verstehen wollte. Politisch sein bedeutete in den 27 Jahren, in denen Pieschl Vertriebenenbischof war, nicht mehr Sozialpolitik, sondern schwerpunktmäßig die Themen „Recht auf Heimat“, „Versöhnung“ und „Erinnerung“. In diesem Themenfeld war es ihm von Anfang an entscheidend, Wahrheit und Gerechtigkeit im Ausgleich zu behalten. Er wollte nicht aus Bequemlichkeit oder Opportunismus einen Weg gehen, der um eines sogenannten „lieben Friedens willen“ auf historische Wahrheit und Gerechtigkeit verzichtete. Sein Motto war Barmherzigkeit: „Ohne Gerechtigkeit ist Barmherzigkeit die Mutter der Auflösung, und Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit.“ Unter diesen Koordinaten ist auch Pieschls Standpunkt im Ringen um das Zentrum gegen Vertreibungen zu sehen: Pieschl trat durchweg für Berlin als Sitz eines solchen Zentrums ein. Das belegt die Korrespondenz mit dem polnischen Bischof Straczynski ebenso wie ein Interview mit der KNA.151 Das Interview hat offensicht-

150 151

Johannes Rau (1931 – 2006). Uwe BIRNSTEIN, Johannes Rau der Versöhner. Ein Porträt. Berlin 2006. Hier haben wir einen Brief Pieschls an Straczynski vom 18. August 2005 und ein KNAInterview, wo Pieschl eindeutig für Berlin eintritt. Pieschl an Straczynski, 18. August 2005: „Sie werden sicherlich verstehen, dass ich mit größter Verwunderung Ihr Statement vernommen habe. Wenn Sie sich der kleinen Mühe unterziehen, werden Sie klar feststellen aus den Unterlagen des Bundes der Vertriebenen zum geplanten Zentrum gegen Vertreibungen, dass Sie niemals sagen können: „Solange nicht hinreichend klar ist, was mit dem Zentrum gegen Vertreibungen gemeint ist.“ In aller Öffentlichkeit ist dieses Projekt glasklar dargestellt! Darf ich Sie auch daran erinnern, dass Sie vor einem Jahr schon mit der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Gespräche geführt haben, worin Ihnen sicherlich

162

Abschnitt II

lich gerade in Vertriebenenkreisen große Zustimmung, ein breites Echo gefunden. Pieschls Äußerungen sind dort wie überall kurz, direkt, humorvoll, ohne Umschweife und deutlichst. Pieschl bekam mit seiner Position zu Vergeben und Versöhnen in der Bischofskonferenz oft wenig Unterstützung. Er wurde als störende Stimme in der Verständigung zwischen Deutschen und Polen und zwischen Deutschen und Tschechen wahrgenommen. Pieschl fand dennoch Wege, seine Kollegen mit den Untiefen der Thematik zu konfrontieren. Ein Beispiel ist, wie er mit einem kritischen Brief des Vorsitzenden des Heimatwerks der Schlesier verfuhr: Der Historiker Josef Joachim Menzel hatte einen ausführlichen kritischen Brief zur Erklärung der Deutschen Bischofskommission „40 Jahre deutsch-polnische Erklärung“ geschrieben. Pieschl bat hier die Bischofskollegen um Hilfe bei der Formulierung der Antwort. Das hatte zur Folge, dass sich die Bischofskollegen zum einen mit der Problematik auseinandersetzen mussten und seine Position – verpackt in der Position Menzels, eines Historikers und Fachmannes – offeriert bekamen. Die ausführliche Antwort formulierte schließlich der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer SJ. Der entscheidende Punkt in diesem Kontext für Pieschl war das Hirtenschreiben der polnischen Bischöfe vom 10. Februar 1966 an die Gläubigen des Landes, das Pieschl als Rücknahme des Briefes von 1965 interpretierte, weil es dort hieß: „Wir sagen, wir bitten um Vergebung. Hat die polnische Nation einen Grund, unsere Nachbarn um Vergebung zu bitten? Sicherlich nicht. Wir sind überzeugt, dass wir als Nation im Laufe der Jahrhunderte dem deutschen Volk kein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Unrecht getan haben.“ Die Antwort Kardinal Karl Lehmanns war, solche Erklärungen wie zum 40-jährigen Jubiläum des Deutsch-polnischen Briefwechsels seien keine historische Analyse, sondern diplomatische Texte, die auch in die Zukunft schauen wollen. Bei solchen Texten müsse man auf die Wirkungsgeschichte achten. Und die habe eindeutig der deutsch-polnische Briefwechsel gemacht, nicht die angebliche Rücknahme des Briefes von 1965 durch das Hirtenschreiben, das man im staatlichen, gesellschaftlichen Kontext Polens der sechziger Jahre lesen müsse.

klar geworden ist, was dieses Zentrum bedeuten soll. Ihr Vertragspartner war auch immer die Stiftung. Und auch Ihr Wort vom „gesellschaftlichen Konsens“ ist höchst sonderbar. Seit wann wird in welchen Fragen ein gesellschaftlicher Konsens zur absoluten Bedingung gemacht? Warum verstecken Sie sich als Kirchenmann hier? Es ist doch klar, dass gerade die polnische und auch die tschechische Seite kein Interesse daran hat, einzugestehen, welche Rolle sie auch als Kirche bei den Vertreibungen gespielt hat. Muss ich Sie an Kardinal Hlond erinnern? Und warum sollen gerade wir Deutsche darauf verzichten, auch auf unsere eigenen Opfer hinweisen zu können, zumal dieses immer im Kontext mit allen Vertreibungen vom Konzept her schon angelegt ist.“

Die Vertriebenenbischöfe

7.

163

Fazit: Die Vertriebenenbischöfe

Die Übersicht über die Vertriebenenbischöfe spiegelt den Wandel der Situation der Vertriebenen, deren Integrationsfortschritt und damit auch den Wandel der Aufgaben der kirchlichen Vertriebenenbetreuung. Sie zeigt aber auch die unterschiedlichen Herkunftskontexte der Vertriebenenbischöfe: Kaller, der Schlesier auf dem ermländischen Bischofsstuhl, war von Flucht und Vertreibung betroffen wie kaum ein anderer. Seine franziskanische Haltung in der Frömmigkeit, in der Caritas und in der theologischen Einordnung der Vertreibung schenkte ihm Authentizität und mit ihr ein großes Vertrauen, ja Zuneigung der Vertriebenen; ihr Bischof wurde ihnen rasch zu einer Identifikationsfigur, die ihnen jäh genommen wurde. Bischof Dirichs von Limburg arbeitete wie sein Vorgänger mit aller Kraft für eine der Aufgabenverteilung angemessene Streuung der vertriebenen Geistlichen, auch er allerdings mit bestenfalls mäßigem Erfolg. In dem einen Jahr seines Wirkens als Vertriebenenbischof setzte er sich massiv für die Errichtung der Hochschule in Königstein ein und versuchte die Spannungen zwischen der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt, die sein Freund Büttner leitete, und den führenden Vertretern in Königstein zu überwinden. Hartz’ Wirken als Beauftragter für die Vertriebenenseelsorge wurde zuvörderst geprägt von der Debatte um die Gestaltung der für die Sicherung der Existenz der Vertriebenen notwendigen sozialpolitischen Gesetze. Er warb im vorpolitischen Raum, in den Kirchengemeinden bei den Einheimischen und Vertriebenen für die Notwendigkeit des Lastenausgleichs. Mitten aus der Diskussion riss der Tod ihn heraus. Die Frage muss hier offen bleiben, ob er seine Argumente hätte noch direkter in die Willensbildung und den politischen Prozess einbringen können. Döpfner kannte das Problem der Vertriebenen in den Ankunftsgebieten aus seinem Bistum Würzburg und aus den Problemen, die eine stark zerstörte Bischofsstadt mit der Aufnahme von Vertriebenen hatte. Wohnungsbau sollte Vorrang vor dem Dombau bekommen signalisierte er mit dem Motto ‚Wohnungsbau ist Dombau’. Bei ihm, dem gebürtigen Unterfranken, herrschte naturgemäß die Sicht des Einheimischen vor, der auch in den fünfziger Jahren bedeutende Schritte zur Integration bereits gegangen sah, mit der Lösung der grundlegenden Probleme der materiellen Versorgung die hauptsächliche Dringlichkeit des Aufgabenbereichs bereits in der Vergangenheit wähnte. Janssen, der Unpolitische, der Geduldige, der den führenden Vertriebenenseelsorgern keinen Wunsch abschlagen wollte, kannte die ostdeutschen Katholiken aus seinem Seelsorgeeinsatz in der Zwischenkriegszeit. Wo immer es ihm möglich war, war er auf den Kongressen in Königstein anwesend; er unterstützte die Arbeit Kindermanns, wo es nur ging. Mancher hätte sich in den politischen Debatten des Vierteljahrhunderts seines Wirkens eine deutlichere Position für die Vertriebenen in der Öffentlichkeit oder einen größeren Einfluss in der Sache der Vertriebenen bei den

164

Abschnitt II

Kollegen im Bischofsamt gewünscht. In dieser Hinsicht enttäuscht waren daher nicht nur die Vertreter markanter Positionen der Vertriebenenarbeit wie Herbert Czaja.152 Als Pieschl das Amt des Vertriebenenbischofs übernahm, waren wichtige Weichen in der politischen Diskussion, in der Ostpolitik und in der Neuordnung der Diözesangrenzen im Osten bereits unter seinem Vorgänger gestellt worden. Eine Reihe von Aufgaben der Vertriebenenseelsorge, vor allem auf der caritativen Ebene war erfüllt. Im Vordergrund standen jetzt die Fragen nach der Wirksamkeit des kulturellen Erbes der Vertriebenengruppen und der Volksgruppenrechte – beide Themenkomplexe wurden von Seiten der einheimischen Katholiken nicht als dringlich angesehen – es waren Spezialthemen einer Minderheit. Mit Pieschl übernahm ein Vertreter aus der zweiten Generation das Amt; die Vertreibung hatte er als Kind erlebt. Zum ersten Mal brachte er die Erfahrung der Sudetendeutschen mit: sie waren eine große katholische Volksgruppe, sehr rege in der Vertriebenenarbeit, gewohnt, dass man sich auf Strukturen nicht selbstverständlich verlassen konnte. Die zentralen Themen in der Amtszeit Pieschls als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenenfragen waren zum einen die Zusammenarbeit mit den Gremien und das Selbstverständnis der Gremien. Das zeigten nicht zuletzt die Diskussionen in den Sitzungen des Katholischen Flüchtlingsrates, wem man zugeordnet war: dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz oder dem Vertriebenenbischof, wen man primär zu beraten hatte, wer den Vorsitzenden berief etc. Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Diskussion um das Zentrum gegen Vertreibungen, damit auch in der Beschreibung des Standes und der Entwicklungen im deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen Verhältnis. Solche Positionsbestimmungen wurden jeweils zu den Jahrestagen des Gedenkens an das Kriegsende bzw. an die deutsch-polnische Erklärung erwartet. Eine äquivalente Verständigung wie mit den polnischen Bischöfen wurde mit den tschechischen Nachbarn auf Bischofsebene vorbereitet. Dabei drängten die Sudetendeutschen darauf, die eigenen Positionen zu beachten, einzubringen, zu bewahren. Wesentliche Termine waren jährlich wiederkehrend die Vertriebenentreffen, der Sudetendeutsche Tag und der Tag der Heimat; auf vielen sudetendeutschen Tagen predigte Pieschl. Viele Kontakte pflegte er nach Böhmen und Mähren; wann immer es ging feierte er Gottesdienst mit seinen tschechischen Amtsbrüdern, auch in der mährischen Heimatregion. Pieschl forderte von der Vertriebenenseelsorge zum einen eine theologische Aufarbeitung dessen, was geschehen war, und eine theologische Deutung dessen, was zur Bewältigung dienen konnte, und warnte vor einer Tabuisierung der Thematik Vertreibung. Im Sinne der historischen Vollständigkeit müsse man sich auch diesem Kapitel der Geschichte stellen. Konnten seine Anliegen, die offenen Aufgaben der Vertriebenenseelsorge in die nächste Generation getragen werden? Integration wird zunehmend in Publikationen

152

CZAJA, Unterwegs zum kleinsten Deutschland? V.a. S. 409ff. Vgl. zu Czaja Christine CZAJA (Hg.), Herbert Czaja – Anwalt für Menschenrechte. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. Bonn 2003.

Die Vertriebenenbischöfe

165

als Generationen übergreifender Vorgang wahrgenommen. Werden daraus Konsequenzen gezogen? Kultur speist sich wesentlich aus der Religion; Verständigung braucht je neu als Basis die Vergebung. Werden die daraus erwachsenden Aufgaben für die spezifischen religiösen Lebenswelten, die Kultur und Geschichte wahrgenommen?153

153

Rainer BENDEL, Überlegungen für eine künftige Zielsetzung und organisatorische Struktur für die Kirchen- und Kulturgeschichte Ostmitteleuropas, in: Paul MAI (Hg.), Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1988 – 2008. Köln, Weimar, Wien 2011, S. 25-31.

ABSCHNITT III: DIE PROMOTOREN KÖNIGSTEINS

Am Anfang standen eine Initiative, ein Meer von Sorgen und drei Priester... Zu ihnen gehörte der erste Vertriebenenbischof Maximilian Kaller. Die vorausgegangenen Ausführungen zu seiner Person haben gezeigt, dass der Anteil Kallers an der praktischen Hilfe, an dem spontanen seelsorgerlichen Einsatz für die Vertriebenen eine zentrale wegweisende Initiative für die Vertriebenenseelsorge war. Kallers Seelsorge war an allen seinen Wirkungsorten vor der Vertreibung und erst recht nach der Ausweisung aus seinem Bistum caritativ ausgerichtet und sprengte die Mauern von sozialen Schichten und ethnischen Gruppen. Kaller sorgte sich um seine Priester und Gläubigen, um die seelsorgerliche Betreuung der Vertriebenen in den Aufnahmegebieten umso mehr, als er der Ansicht war, sie müssten sich dort dauerhaft etablieren. Der Vertriebenenbischof hatte von Anfang an auch das Problem der weiteren Ausbildung der Theologen aus dem Osten, die aus Krieg und Gefangenschaft heimkehrten und ihr Studium fortsetzen oder neu aufnehmen wollten, in seinen Überlegungen. Er dachte an ein Auffangseminar und traf sich in diesen Überlegungen mit Vorschlägen des Osnabrücker Bischofs Wilhelm Berning, dem Protektor des vormaligen Reichsverbandes für die katholischen Auslandsdeutschen (RKA). Eine inhaltliche Füllung der Hilfsmaßnahmen, die von einem Zentrum für die vertriebenen Seelsorger ausgehen sollten, brachte die Stiftung des Opus Confraternitatis, ein Hilfswerk priesterlicher Bruderliebe, das letztlich seinen Grundstock durch einen Bittbrief Büttners vom Josephstag 1946 erhalten hatte, der an die Priester im Ausland gerichtet war: Sie sollten im Geiste des Grenzen, Staaten und Völker überschreitenden Priestertums die Liebe über den Hass siegen lassen und den deutschen Priestern und Theologiestudierenden helfen – in erster Linie mit Büchern, wissenschaftlichen Werken, mit Kleidung, Lebensmitteln und Geldspenden. Nicht zuletzt für die Seelsorger in der sowjetisch besetzten Zone konnten tonnenweise Liebesgaben verschickt werden. Ein Grund legender Schritt zur Begründung der Studienanstalten für die Osttheologen war der Transfer der Bücherei des deutschen Theologenseminars in Prag durch Kindermann nach Königstein am 14. August 1946. Fast gleichzeitig hatte die Tagung von über 100 heimatvertriebenen deutschen Seelsorgern vom 6. bis 8. August 1946 in Eichstätt1 eine Eingabe an die Deutsche Bischofskonferenz formuliert mit der Bitte, 1

BENDEL, Quellen zur Vertriebenenseelsorge II, S. 9-85.

168

Abschnitt III

die ostdeutschen Theologen in einem gemeinsamen Seminar in Königstein zu sammeln, damit diese Theologen nach den Bedürfnissen der verschiedenen Diözesen für die Diasporaseelsorge und ggf. für eine spätere Auswandererseelsorge besonders geschult werden. Diese Initiativen und Überlegungen fielen in die Zeit, da Kaller von Papst Pius XII. mit dem Sonderauftrag für die Vertriebenen betraut wurde und mit diesem Auftrag die „Oberleitung“ für all diese Maßnahmen übernehmen sollte. Im November 1946 konnten in Königstein die ersten zwei Abiturientenkurse für Kriegsteilnehmer eingerichtet werden. Aus diesen erwuchs in der Folgezeit das humanistische Gymnasium St. Albert, die spätere Bischof-Neumann-Schule. Mit einem ausführlichen Schreiben vom 21. Juni 1946 trat Kaller nach langem Warten an eine neue Aufgabe, an eine neue Beschreibung seines Amtes als vertriebener Bischof aus dem Ermland an den Heiligen Vater mit Vorschlägen heran, wie die Hilfsmaßnahmen für die Vertriebenen gestaltet werden könnten. Als die vordringlichste Aufgabe für die katholische Kirche bezeichnete er dort die Bekämpfung der Hungersnot in Deutschland. Nicht zuletzt in konfessioneller Konkurrenz wurde dieses Thema argumentativ entfaltet. Das evangelische Hilfswerk zeigte entsprechendes Engagement. Das Engagement entfaltete eine attraktive Wirkung auf die Gläubigen, vor allem auf die Vertriebenen auch aus der katholischen Kirche. Dem musste Einhalt geboten und gegengesteuert werden. So schlug Kaller vor, in Rom eine Zentralstelle für die Katholische Deutschlandhilfe zu schaffen. Eine zweite Maßnahme, die er in der Dringlichkeit und Bedeutung als der ersten ebenbürtig bezeichnete, sei, ein katholisches Hilfswerk in der Welt wirksam werden zu lassen, die Schaffung von Länderhilfskomitees durch die römische Zentralstelle, und dann sei es drittens wichtig, die notwendigen Hilfsmaßnahmen in Deutschland über die Zonengrenzen hinweg zentral lenken und planen zu können. Auf fünf maschinenschriftlichen Seiten entfaltete Kaller dieses Thema, das in Parallele, auch in Konkurrenz zu Büttners Hilfsstelle gesehen werden kann. Kaller formulierte als zweite Aufgabe das Siedlungs- und Auswanderungsproblem. Noch einmal zwei Seiten verwendete er für die Argumentation in dieser Thematik.2 Im Februar 1947 berichtete Kaller an mehrere Adressaten von den Plänen bzgl. Königsteins. Es war der Plan nach der Beschlusslage des sogenannten Seminarrates, der Anfang Februar verspätet durch die Witterungsverhältnisse in Königstein getagt hatte. Er hatte beschlossen, ein Priesterseminar und ein Konvikt zu errichten, letzteres mit 200 Schülern, dazu ein Gymnasium, in dem zunächst vier Klassen eingerichtet werden sollten, sowie ein philosophischer Seminarkurs mit akademischen Vorlesungen zunächst für die ersten vier Semester. Der Seminarrat, sechs von der Fuldaer Bischofskonferenz bestimmte Bischöfe, hatte für die Fortführung dieses Werkes

2

Vgl. Archiv Ermlandhaus, A 20/135, das Schreiben ist abgeschickt in Halle an der Saale am 21. Juni 1946.

Die Promotoren Königsteins

169

150.000 RM bewilligt. Die Restsumme müsse auf eine andere Weise – gedacht war wohl zuvorderst an Spenden – aufgebracht werden.3 Dieses Engagement für Königstein war insofern Kallers ureigenstes Anliegen, als er diesen Weg als den einzig möglichen sah, damit die sowjetische Besatzungszone zu Priestern komme. Diese Überzeugung war in Kaller herangereift, nachdem seine unterschiedlichsten Bemühungen, die vertriebenen Priester doch in Mitteldeutschland in der Diaspora zu halten, gescheitert waren. In einem Brief an Josef Negwer4 schreibt er: „Es gehört zu meinen undankbarsten Aufgaben, diesen Kampf führen zu müssen, weil ich von beiden Seiten Schläge erhalte. Doch ich muss dieses im Interesse der Sache hinnehmen. Du ahnst nicht, welche Kämpfe ich führe. Augenblicklich stehe ich im Kampf um das Priesterseminar in Königstein. Solange unsere heimatvertriebenen Theologen in den Priesterseminarien von Bayern und auch einigen Diözesen des Westens herangebildet werden, haben wir nur wenig Aussicht, diese später für die Diaspora der russischen Zone zu gewinnen, deshalb mein Kampf um Königstein. Vorläufig stehe ich allein auf weiter Flur. Jede Diözese verlangt, dass alle Theologen in ihrem Bezirk und nach ihren Methoden erzogen werden und wollen für später diese Theologen natürlich für sich behalten. Ich würde Dir und vielen andern sehr dankbar sein, wenn Du in diesem Gesichtspunkt auch für Königstein eine Lanze brechen möchtest. Wenn in dieser Richtung eine ähnliche Anstalt in der russischen Zone möglich wäre, würde ich mich sofort dafür einsetzen. Vorläufig sehe ich aber keine Möglichkeit dazu.“5 Dieser Einsatz Kallers unterstreicht, dass sich der Bischof ganz mit den Plänen für Königstein identifizierte. Damit musste er, zumindest in Büttners Augen, zu einem Konkurrenten werden. Am 12. Dezember 1946 hatte Büttner offensichtlich eine Aussprache mit Kaller, bei der er die Versicherung erhielt, dass die Missverständnisse vom Bischof aufgeklärt würden. Kaller wollte unbedingt mit Büttner zusammenarbeiten auf der Basis größten Vertrauens. Wenn dieses Vertrauen gestört worden sei, so Büttner weiter, so liege es zum großen Teil daran, dass Kaller den rein rechtlichen und sachlichen Zusammenhang nicht durchschaute und dass gewisse Menschen dieses Vertrauen zu stören suchten. Büttner sprach sich gleichzeitig gegen die Umbenennung der Kirchlichen Hilfsstelle in Päpstliches Hilfswerk aus, weil auch nicht klar sei, welche Rechtsform das Päpstliche Hilfswerk haben sollte. Sollte es an die Stelle der Kirchlichen Hilfsstelle treten? Welche Aufgabenbereiche sollten ihm zu- bzw. untergeordnet sein? Der Name Päpstliches Hilfswerk sei zu umfassend und missverständlich für die Aufgabe der Stelle des Sonderbeauftragten des Hl. Vaters. Es würden dann auch alle caritativen

3 4

5

Vgl. dazu Kaller in einem Brief an P. Jean Brass in Paris vom 18. Februar 1947 – Archiv Ermlandhaus, Briefwechsel mit Geistlichen. Joseph Negwer (1882 – 1964), Generalvikar des verstorbenen Breslauer Erzbischofs Adolf Kardinal Bertram. Konrad HARTELT, Josef Negwer (1882 – 1964). Der letzte deutsche Generalvikar des Erzbistums Breslau. Münster 2012. Kaller an Josef Negwer am 18. März 1947 – Archiv Ermlandhaus, Briefwechsel mit Geistlichen.

170

Abschnitt III

Aufgaben darunter verstanden. Es käme eine Flut von Aufgaben auf diese Stelle zu, die nicht bearbeitet werden könnten, d.h. es würden Erwartungen aufgebaut, die nicht gefüllt werden könnten. Das Fazit Büttners in dieser Aktennotiz lautete, die Rechtsunsicherheit sei groß. Vor allem müsse er mit der Kirchlichen Hilfsstelle unter den gegebenen Umständen die Verantwortung für die Finanzierung und Entwicklung von Königstein ablehnen, weil der Finanzplan nicht vorgelegt und genehmigt sei, weil große Verzögerungen eingetreten seien infolge der unklaren Verhältnisse und weil nach dem vatikanischen Schreiben die volle Verantwortung bei Bischof Kaller liege. Dass die Kooperation mit Büttner für Kaller ungeklärt war, zeigt sich nicht zuletzt in einem Schreiben Kallers an den exilpolnischen Bischof Gawlina6 vom 25. April 1947. Darin deutete Kaller an, dass er durchaus bereit sei, Monsignore Wosnitza näher in die Arbeit in Königstein einzubinden, aber er brauche vorher noch eine Klärung bzgl. der weiteren Mitarbeit von Büttner: „Es ist hierin noch nicht alles klar, weil mein jetziger Hauptmitarbeiter, Monsignore Büttner, sich noch nicht entschlossen hat, ob er bleibt oder ob er ein anderes Arbeitsfeld übernimmt.“7 Nicht zuletzt nach den Mitteilungen und Berichten des Sekretärs Kallers, Gerhard Fittkau, scheint die Kooperation zwischen Kaller und Büttner doch sehr spannungsvoll gewesen zu sein. Das geht aus einem Antwortschreiben des Freiburger Erzbischofs Gröber an Fittkau vom 26. August 1947 hervor. In diesem Schreiben brachte Gröber seine Empörung über die Behandlung Kallers zum Ausdruck; der Freiburger Erzbischof drückte dort auch seine Hoffnung aus, dass es einen Beschluss gebe, dass Büttner nicht mehr direkt und auch nicht indirekt mit Königstein zu tun habe.8 In einem Brief vom 3. Januar 1947 berichtete Kaller den Mitgliedern des inzwischen gebildeten Seminarrates für Königstein, dem Kölner Kardinal Josef Frings, dem Paderborner Erzbischof Lorenz Jäger9, dem Osnabrücker Bischof Wilhelm Berning, dem Limburger Bischof Antonius Hilfrich10, dem Speyrer Bischof Joseph Wendel11 und Monsignore Albert Büttner, dass am 15. November 1946 das Seminarium Minus mit 65 höheren Schülern eröffnet worden sei, die zu Ostern 1947 das Abitur erreichen wollten. Gleichzeitig berichtete Kaller, dass inzwischen auch das zweite große Haus übergeben, damit die Möglichkeit geschaffen worden sei, das Seminarium Maius zu eröffnen. Es seien unverbindliche Vorverhandlungen mit den Patres von St. Georgen in Frankfurt eingeleitet worden, um den Studienplan und die Professoren zu bestimmen.

6 7 8 9 10 11

Vgl. Andrzej K. KUNERT (Hg.), Józef Feliks Gawlina Biskup Polowy Polskich Sił Zbrojnych, in: Emigracyjna Rzeczpospolita 1939 – 1990, Band III. Warszawa 2002. Kaller an Gawlina am 25. April 1947 – Archiv Ermlandhaus. Vgl. diesen Brief Gröbers an Fittkau vom 26. August 1947 – Archiv Ermlandhaus. Zu Lorenz Jaeger (1892 – 1975), Erzbischof von Paderborn von 1941 bis 1973 vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 439f. Zu Antonius Hilfrich (1873 – 1947), Bischof von Limburg von 1930 bis 1947 vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 316f. Zu Joseph Wendel (1901 – 1960), von 1943 bis 1952 Bischof von Speyer vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 382-386.

Die Promotoren Königsteins

171

Gleichzeitig bat Kaller in diesen Schreiben um eine Zusammenkunft des Seminarrates zur Besichtigung der Örtlichkeit Anfang Februar.12 Auf einer Sitzung eines Seminarrates am 4. Februar 1947, bestehend aus mehreren Bischöfen und Kardinal Frings als Vorsitzendem, konnten Maximilian Kaller und Albert Büttner die Einrichtung eines philosophischen Kurses für die Theologen aus den Ostgebieten durchsetzen. Im Sommer 1947 konnte in Königstein das erste Semester mit über 50 Studenten eröffnet werden. Kurz nach dem Tod des Limburger Bischofs, Ferdinand Dirichs, am 27. Dezember 1948, der sich für den Ausbau Königsteins stark engagiert hatte, wurde am 28. April 1949 die Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein eingeweiht, wenn auch die Bedenken und Friktionen sich bis in die Eröffnungsveranstaltung hinein auswirkten. Es lässt sich aufgrund der Unterlagen der Kirchlichen Hilfsstelle im Nachlass Büttners bzw. der Korrespondenz zwischen Büttner und Berning sehr gut rekonstruieren, dass die Initiative für Königstein, für ein sammelndes Seminar für Theologen, die aus dem Krieg zurückkehren und nicht mehr in ihre angestammten Seminare zurückkehren konnten, von Büttner kam.13 12 13

Kaller an Mitglieder des Seminarrates für Königstein vom 3. Januar 1947, Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-82. Vgl. Dokument Nr. 13 im Anhang. Vgl. im Diözesanarchiv Osnabrück die Aktennotiz Büttners, für Berning bestimmt, die am 28. Dezember 1946 in Osnabrück in der bischöflichen Kanzlei eingegangen ist. Dort heißt es auf S. 4: „Zum Verständnis muss ich auch da etwas weiter ausholen. Im November vorigen Jahres wurde ich von verschiedenen Seiten auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, die Flüchtlingstheologen in eigenem Haus zu sammeln. Da ich mit der Sorge für die Theologiestudenten von der Bischofskonferenz beauftragt war, durfte ich diese Wünsche und Bitten nicht überhören. Dazu kam, dass ich von ernstzunehmender Seite hörte, der Hl. Vater habe die Gedanken der Sammlung der Flüchtlingstheologen ausgesprochen. Ich habe mich in dem Schreiben an den Hl. Vater vom 01. April 1946 lediglich auf die Beauftragung durch die Bischofskonferenz in Fulda für die Flüchtlingstheologen zu sorgen berufen, nicht aber gesagt, ich hätte den Auftrag bekommen, in Königstein ein Seminar zu errichten. In meinem Schreiben habe ich auch keinen Auftrag des Hl. Vaters erwähnt, sondern nur die Hoffnung ausgesprochen, nach den Intensionen des Hl. Vaters gehandelt zu haben. Alle Schritte habe ich im Einverständnis mit meinem kirchlichen Vorgesetzten, dem damaligen Protektor der Kirchlichen Hilfsstelle, Bischof Berning, getan, der mich immer zur Gründung ermunterte und die Bemühungen unterstützte… Dabei war mir stets vollkommen klar, dass zur Errichtung die Zustimmung des Deutschen Episkopats notwendig sei. Es war mir ferner klar, dass die Zustimmung des Deutschen Episkopats die selbstverständliche Voraussetzung für alle Unterstützung und Billigung des Hl. Vaters sei… Eine Rundfrage bei den einzelnen Bischöfen war praktisch unmöglich. Einmal wegen des damals noch schwierigen Postweges, dann aber auch, weil eine solche Angelegenheit nur in einer gemeinsamen Besprechung geregelt werden konnte. Hätte ich aber mit der Pachtung der Gebäude in Königstein warten wollen, bis die Bischofskonferenz war, so wären die Gebäude längst anderen Zwecken zur Verfügung gestellt gewesen (5)… Ich glaubte, die Verantwortung auch ohne die ausdrückliche Genehmigung der Bischofskonferenz tragen zu müssen, da ich vernünftigerweise hoffen durfte, dass sie noch erteilt würde, mich auf die Zustimmung meines kirchlichen Vorgesetzten und allgemeine und grundsätzliche, wenn auch bedingte Billigung des Hl. Vaters stützen dürfte. Auch in der Frage Königstein sind selbstverständlich Schwierigkeiten entstanden durch die Ernennung von Bischof Kaller. Der Aufbau war zu dieser Zeit gerade in voller Entwicklung. Sämtliche Verträge habe ich im Namen der Kirchlichen Hilfsstelle unterschrieben, also Rechtsträger und

172

Abschnitt III

1.

Albert Büttner als Seelsorger der Auslandsdeutschen

Albert Büttner war 1937 von Bischof Dr. Wilhelm Berning von Osnabrück in die Zentrale des Reichsverbandes für das Katholische Deutschtum im Ausland berufen worden. Büttner, 1900 in Frankfurt/M. geboren, hatte in Würzburg und Fulda Philosophie und Theologie studiert und war am 18. November 1923 vom Limburger Bischof Augustinus Kilian14 zum Priester geweiht worden. Von 1933 bis 1935 war er Jugendpfarrer in Frankfurt. Er schloss dort Bekanntschaft und Freundschaft mit dem Generalpräses des Katholischen Jungmännerverbandes Ludwig Wolker15 und in seiner Zeit als Pfarrvikar von Frankfurt-Hausen auch die Bekanntschaft mit Prof. Friedrich Dessauer16, den Herausgeber der „Rhein-Mainischen Volkszeitung“, wie auch mit dem Verlagsleiter Dr. Josef Knecht. Als Jugendpfarrer in Frankfurt vermochte er offensichtlich zu begeistern und sich für noch größere Aufgaben berufen zu machen. Am 8. Juli 1935 schrieb der Kölner Kardinal Karl Joseph Schulte zum Abschied aus Frankfurt – Büttner war zum Generalsekretär und Reichspräses des Kolpingwerkes Köln berufen worden. „Wenn Sie nun die Diözese verlassen, die Ihre Diözese bleiben wird, so dürfen Sie das frohe Bewusstsein mit sich nehmen, dass Sie seit dem Eintritt in das Priestertum in allen Ihren Stellen treu gearbeitet und namentlich auch jederzeit der Jugend ihre besondere Sorge in liebevoller Hingabe zugewandt haben. Das haben wir stets anerkannt und wir sprechen Ihnen jetzt noch einmal unseren aufrichtigen Dank dafür aus und insbesondere für Ihre Tätigkeit, die Sie in den letzten drei Jahren

14 15 16

verantwortlich war bis zur Ernennung von Bischof Kaller, die Kirchliche Hilfsstelle, ihr Leiter und schließlich ihr bisheriger Protektor Bischof Berning. Ich hatte aber geplant und auch der Bischofskonferenz vorgeschlagen, dass die Anstalt in Königstein selbstständig und eigene Rechtsperson würde (5f.). (Die Situation scheint mir die zu sein, dass nunmehr meine Tätigkeit missbilligt, das Ergebnis dieser Tätigkeit anerkannt, aber der bisherigen Leitung entzogen wird.)“ (7 …Nach den Ausführungen scheine ich annehmen zu müssen, dass ich als Leiter der Kirchlichen Hilfsstelle nicht mehr anerkannt werde, wobei mir nicht klar ist, warum ich nach einjähriger, sehr mühevoller Arbeit, die nicht ohne Erfolg war, abgesetzt werden soll. Schließlich ist alles, worauf Bischof Kaller jetzt aufbaut, das Ergebnis einer mehr als einjährigen Arbeit der Kirchlichen Hilfsstelle und ihrer Leitung, alle Mittel und Einrichtungen aber Eigentum des RKA.“ (8) Dieter SKALA, Augustinus Kilian. In: BBKL, Band 3 (1992), Sp. 1477-1478. Ludwig Wolker (1887 – 1955), Mitbegründer des BDKJ. Maria WEGO, Ludwig Wolker. Seelsorger und „General“, in: Düsseldorfer Jahrbuch 76 (2006), S. 207-250. Vgl. Michael HABERSACK, Friedrich Dessauer (1881 – 1963): eine politische Biographie des Frankfurter Biophysikers und Reichstagsabgeordneten. Paderborn, Schöningh 2011. – Bernd HAUNFELDER, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei 1871 – 1933. Biographisches Handbuch und historische Photographien (= Photodokumente zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 4). Düsseldorf 1999, S. 304.

Die Promotoren Königsteins

173

als Jugendpfarrer in oft sehr schwierigen Verhältnissen mit nie versagendem Eifer und mit recht erfreulichem Erfolg entfaltet haben.“17

1.1.

Die Aufgaben des RKA

Nur zwei Jahre später musste Büttner nach Berlin umziehen zum RKA. Der Schirmherr dieses Verbandes, der Bischof von Osnabrück, hatte Büttner dazu bestimmt, die Leitung dieses Verbandes, der für die religiöse Betreuung der deutschen Katholiken im Ausland sorgen sollte, zu leiten. Der RKA war am 5. Oktober 1918 gegründet worden. Der Erste Vorsitzende war Kuratus Clemens August Graf von Galen, der spätere Bischof von Münster und Kardinal. Galen war zu der Zeit Pfarrer von St. Matthias in Berlin (1919 – 1929). Der Vorstand des RKA bestand 1924 aus dem Reichskanzler Dr. Wilhelm Marx, Schriftführer war Prälat Dr. Georg Schreiber18, der Kirchenhistoriker in Münster. „Der Verband, unter die Obhut des hl. Bonifatius gestellt, übernahm die gesamte kirchliche Arbeit am Katholischen Auslandsdeutschtum. Er half in Erziehungs-, Caritas- und Unterhaltsfragen. Er plante und sorgte, gab Auskunft und Rechenschaft. In seiner Registratur zeugten allein 300 Mappen von der tätigen Verbindung mit deutschen Ordensgenossenschaften und Kongregationen, deren Missionseinsatz zugleich deutsche Kulturarbeit war, die mitwirkten beim Aufbau der deutschen Seelsorge in deutschen Heimen, Schulen, Krankenhäusern des Auslandes. Zu allen tragenden kirchlichen Vereinen und Behörden wurden Beziehungen unterhalten …“19 Man stand nicht nur in Verbindung mit den bischöflichen Ordinariaten und der Nuntiatur in Berlin, mit den Priesterseminaren des In- und Auslandes, mit den Schriftleitungen der Bistumszeitungen, dem Deutschen Institut für Auslandskunde in Münster, dem Deutschen Auslandsinstitut in Stuttgart, auch mit der Evangelischen GustavAdolf-Stiftung in Leipzig und dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland. Man fühlte sich zuständig für etwa 16,5 Mio. deutschsprachige Katholiken außerhalb der Reichsgrenzen. Als Schwerpunkte der Arbeit unterstreicht Labonté, die im Sekretariat des RKA in Berlin mitarbeitete, die seelsorgerliche Arbeit und alle dafür nötige Unterstützung, Beihilfen zu Kirchenbauten und Kircheneinrichtungen, Altargeräte, Paramente, Kurse zur Pflege des deutschen Kirchenliedes etc. 1939 etwa wurden für ca. 120.000,- RM Bücher verschickt, 1.500 Kunstmappen, 200 Bildbände, über 40.000 Hefte katechetische Literatur, Zeitschriften theologischen Inhalts, Kirchenzeitungen, Tausende von Gesang- und Gebetbüchern deutscher Diözesen. Es wurden

17 18

19

So der Generalvikar von Limburg in einem Schreiben am 12. Juni 1935. Das Zitat aus LABONTÉ, Büttner, S. 22f. Georg Schreiber (1882 – 1963), Kirchenhistoriker und Zentrumspolitiker. Rudolf MORSEY, Georg Schreiber (1882 – 1963), in: DERS. (Hg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern. Band 2. Münster 2000, S. 177-185. – Rudolf MORSEY, Schreiber, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23. Berlin 2007, S. 529f. LABONTÉ, Büttner, S. 28.

174

Abschnitt III

Wanderbibliotheken eingerichtet und Theologenbücherreihen für die Seminaristen zusammengestellt. Dazu gehörte auch die Bibliothek des Deutschen Priesterseminars in Prag. Seit 1926 erschien das Jahrbuch des Reichsverbandes für das katholische Deutschtum im Ausland mit wissenschaftlichen Aufsätzen und Erfahrungsberichten. Das letzte Jahrbuch war 1939 noch in Druck gegangen, konnte aber nicht mehr erscheinen. Noch 1938 wurde das RKA durch beträchtliche staatliche Beihilfen, damals noch im Umfang von 200.000,- RM unterstützt. Im Osten und Südosten wurde vor allem das Priesterseminar in Bukarest, in Temeschwar und Tschernowitz sowie eben in Prag unter der Leitung von Adolf Kindermann unterstützt. Als besonders rege bezeichnet Labonté die Verbindung mit Prag.20 Man müsste hier noch stärker die Intentionen sowohl des Osnabrücker Bischofs Berning wie auch Georg Schreibers und nicht zuletzt Büttners für die Arbeit an den Katholiken im Ausland untersuchen. Dazu bedürfte es auch einer eingehenderen Analyse der Beiträge zum Jahrbuch des RKA.

1.2.

Umsiedlungen im Krieg

Als in den ersten Kriegsjahren die Deutschen aus Bessarabien und der Bukowina umgesiedelt wurden, engagierte sich auch das RKA. Büttner stand in Verbindung mit Pfarrer Walther Kampe, dem deutschen Seelsorger der bessarabischen Pfarrei Emental, dem späteren Weihbischof in Limburg.21 Büttner berichtete den deutschen Bischöfen am 21. Juni 1941, dass durch die Umsiedlung aus Bukowina, Bessarabien und der Dobrudscha 195.000 Deutsche, darunter 70.000 Katholiken, betroffen waren, für deren religiöse Betreuung der RKA die Sorge bis zur Ansiedlung übernommen habe. 37 Priester und neun Theologen seien mit umgesiedelt worden. Der RKA bemühe sich um die Eingliederung des Klerus in das deutsche kirchliche Leben und um die Unterbringung der Theologen zur Fortsetzung ihres Studiums. Für die Seelsorge in den Lagern habe der RKA reichhaltiges pastorales und katechetisches Material zur Verfügung gestellt.22 Wir finden damit in nuce bereits die zentralen Aufgaben, die Büttner unmittelbar nach Kriegsende in einem weit größeren Ausmaß anging. Es wäre zu prüfen, wie weit sich diese Aufgaben mit Aufgaben der „Wandernden Kirche“23 überschnitten und sich damit auch eine Verbindung von Büttner und Kaller in dieser Zeit und über diese Aufgaben ergab.

20 21 22 23

LABONTÉ, Büttner, S. 40. Zu Walther Kampe (1909 – 1998), Weihbischof in Limburg von 1952 bis 1984 vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 322-324. Bericht Büttners an die deutschen Bischöfe vom 21.06.1941, zitiert bei LABONTÉ, Büttner, S. 45. Vgl. dazu Thomas FLAMMER, Migration und Milieu – Die Auswirkungen von Migration auf Kirche und Gläubige am Beispiel der Arbeit des „Katholischen Seelsorgedienstes für die Wandernde Kirche“ (1934 – 1943). In: Karl-Joseph HUMMEL / Christoph KÖSTERS (Hg.), Kirchen im Krieg. Europa 1939 – 1945. Paderborn u.a. 2007, S. 399-418.

Die Promotoren Königsteins

175

Büttner bemühte sich intensiv um die seelsorgerliche Betreuung der Umgesiedelten. Relativ rasch kam die Sorge um die Kriegsgefangenen hinzu, für die er vor allem Bücher und religiöse Schriften bereitzustellen suchte. Dieser Aufgabenbereich führte rasch zu Kompetenzüberschneidungen mit dem Caritasverband – auch das ein Phänomen, das bis in die Nachkriegszeit hinein weiterwirken sollte. Die 1940 Zwangsumgesiedelten und die schwierige Lage des Klerus in den osteuropäischen Diözesen führten zur Errichtung der „Kirchlichen Hilfsstelle für seelsorgerliche Sonderaufgaben“ in Berlin 1940. „Der Aufgabenkreis umschloss bald auch die Hilfeleistung für die in große Bedrängnis geratenen und verarmten Bischöfe, Priester, Ordinariate und Pfarreien der mit Rom unierten Ostkirche, vor allem der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine, die den Papst als Oberhaupt anerkannte, aber ihren byzantinisch-slawischen Ritus beibehalten hatte.“24 Neben der Unterstützung der ostkirchlichen Priester in der Ukraine stand die Unterstützung der in Deutschland lebenden Ukrainer.

1.3.

Die Kirchliche Hilfsstelle für seelsorgerliche Sonderaufgaben in Frankfurt und mit einer Außenstelle in München

Büttner hatte sein Büro zu Kriegsende wenigstens teilweise von Berlin nach Karlstadt am Main verlegt. Er war in dieser Zeit ein wichtiger Ansprechpartner für Flüchtlinge, Durchziehende, für die seiner Obhut anvertrauten Seelsorger. Auf dem ersten Treffen der Fuldaer Bischofskonferenz im August 1945 legte er den Jahresbericht über die Tätigkeit des RKA zwischen August 1944 und August 1945 vor und ersuchte die Bischofskonferenz, die Neuerrichtung der Kirchlichen Hilfsstelle zu bestätigen. „Denn Büttner brachte zugleich den wohldurchdachten Entwurf einer den neuen Zeitverhältnissen angepassten ‚Kirchlichen Hilfsstelle‘ nach Fulda mit. Es ging um die caritative und seelsorgliche Fürsorge für die aus Ost- und Südosteuropa rückwandernden Deutschen, ihre wirtschaftliche und kulturelle Eingliederung, Einrichtung einer Suchstelle nach vermissten Familienangehörigen, Ausbau eines Informationsund Austauschamtes, Weitergabe von Anregungen an den kirchlichen Nachrichtendienst. Mit dem Schatz seiner Erfahrungen und Verbindungen stellte er sich der Aufgabe zur Verfügung.“25 So charakterisiert Maria Labonté, seine langjährige Mitarbeiterin, rückblickend die Neuorientierung von Büttners Arbeit nach dem Krieg. Tatsächlich wurde dem Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz von 1945 die Anlage beigefügt, die die Aufgaben der Kirchlichen Hilfsstelle in der neuen Form skizzierte.26 So sollte die 1943 beim bischöflichen Ordinariat Osnabrück errichtete Hilfs-

24 25 26

LABONTÉ, Büttner, S. 62. Ebd., S. 94. Vgl. den Abdruck der Anlage zum Protokoll der Fuldaer Bischofskonferenz 1945, in: LABONTÉ, Büttner, S. 94f.

176

Abschnitt III

stelle für seelsorgerliche Sonderaufgaben künftig mit den folgenden Aufgaben betraut werden: Die Betreuung der Flüchtlinge aus den Ost- und Südostgebieten, und zwar wird an erster Stelle die seelsorgliche Betreuung der Flüchtlinge genannt, dann die Betreuung der Geistlichen und der Theologen, eingeschlossen die Sorge für ihren zweckentsprechenden Einsatz. Schließlich wird unter dem ersten Punkt angesprochen, dass die Hilfsstelle dafür sorgen solle, dass die Flüchtlinge möglichst in konfessions- und berufsgleiche Gebiete kommen. An zweiter Stelle der Aufgaben stand die Seelsorge für deutsche Zivilarbeiter im Ausland. Gedacht war an deutsche Arbeiter, die zu Aufbauarbeiten ins Ausland gebracht wurden. Das dritte Aufgabenfeld umfasste die Betreuung der kriegsgefangenen Theologiestudenten; ihnen sollten wissenschaftliche Bücher beschafft und zugestellt werden, eine Aufgabe, die ein Jahr später vom Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz dem Caritasverband übertragen wurde. Viertens sollten die ausländischen Priester und Theologen in Deutschland von der Kirchlichen Hilfsstelle betreut werden. Gedacht war vor allem an die ukrainischen unierten Priester und an litauische und lettische Priester und Theologen. An fünfter Stelle wird die Vorbereitung einer kirchlichen Auswandererberatung gefordert. Die Kirchliche Hilfsstelle sollte dem Protektorat des Bischofs von Osnabrück unterstehen und von Albert Büttner geleitet werden. Der fuhr am 6. Oktober 1945 nach München. Diese Reise sollte wegweisend werden, da Büttner dort Richard Mai, Hans Schütz und Paulus Sladek über die Einrichtung der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt informierte und sie mit den Plänen zur Gründung einer Zweigstelle in München konfrontierte.27 Büttner bemühte sich 1945 darum, das Ausland über die Lage im Nachkriegsdeutschland, vor allem über die katastrophale Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen zu informieren und aufzurütteln. Einen großen Teil seiner Kräfte beanspruchte das Organisieren von Arbeitsgrundlagen. So mag es nicht verwundern, dass er sich in diesen turbulenten Monaten die Rückkehr in die Seelsorgearbeit, verbunden mit Zeit und Muße zum Studium wünschte.28 Die Aufgaben aber, die die Zeitsituation an ihn herantrugen, ließen für diese resignative Phase keinen größeren Raum. „Die Menschen, die jahrzehntelang in seiner Obhut gestanden hatten, wandten sich hilfesuchend an Büttner, vor allem auch, weil die ungeregelte gewaltsame Vertreibung der Deutschen aus den polnisch verwalteten Gebieten östlich der Oder-Neiße, aus dem Sudetenland, aus Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und den baltischen Staaten erst gegen Ende 1947 zu einem gewissen Stillstand kam.“29

27 28 29

Vgl. dazu BENDEL, Vertriebene – Katholische Kirche – Gesellschaft in Bayern 1945 bis 1975, S. 103-110. Vgl. ebd., S. 98. Ebd., S. 99.

Die Promotoren Königsteins

177

Die Kontinuität in der Arbeit des Reichsverbandes für das Katholische Deutschtum im Ausland30 zur Kirchlichen Hilfsstelle unterstrich ein Brief Büttners vom 11. Oktober 1945 an Kardinal Faulhaber, in dem er sich auf einen Vorschlag Bernings für die Bischofskonferenz berief. Dort hieß es, der RKA ruhe bis zu seiner offiziellen Auflösung oder Neubelebung. Seine Aufgaben würden von der Kirchlichen Hilfsstelle übernommen. Die Kirchliche Hilfsstelle, hauptsächlich für die seelsorglichen Aufgaben in den Ostgebieten gegründet, übernahm u.a. die Versorgung der unierten Priester in der Ukraine. Weil die Kirchliche Hilfsstelle die Aufgaben des RKA fortsetzen sollte, plädierte Büttner dafür, sie auch in die Arbeiten der seelsorgerlichen Betreuung der Flüchtlinge, die größtenteils frühere Auslandsdeutsche sind, einzubinden, ähnlich wie der Reichsverband in den Jahren 1940 und später die seelsorgliche Betreuung der Umsiedler übernommen habe.31 In dieser Tradition wünschte Büttner, der Kardinal solle einen Flüchtlingspriester mit der Seelsorge der Flüchtlinge im Gebiet der Erzdiözese München betrauen. Vorgeschlagen wurde Pater Dr. Paulus Sladek, der zusammen mit Dr. Mai, dem Mitarbeiter des RKA, einen Stützpunkt bilden sollte. „Die Notwendigkeit einer besonders intensiven seelsorglichen Hilfeleistung ergibt sich aus der außerordentlichen seelischen Not der Flüchtlinge. Diese dürften am besten von solchen Priestern verstanden werden, welche das Leid der Verbannung und Heimatlosigkeit selbst erfahren haben. Aus dem Dargelegten dürfte es sich schon ergeben, dass es sich bei der Bestellung eines Flüchtlingspriesters in München nicht um die Errichtung einer neuen Organisation handelt, auch nicht um eine Einrichtung, die in das Aufgabengebiet des Caritasverbandes eingreifen soll. Andererseits könnte die Tätigkeit eines Flüchtlingspriesters ohne Zweifel dem Caritasverband Anregung geben und sie wohl auch manchmal unterstützen und ergänzen.“32 Die Hilfsstelle war eine Art Modifikation des RKA, das seine bisherige Arbeit unter den Umständen nach der Kapitulation Deutschlands nicht mehr weiterführen konnte. Die Arbeit des RKA wurde erst nach 1948/49 modifiziert, dann wieder neu aufgenommen, indem die Katholiken im Ausland betreut wurden und sich Büttner schwerpunktmäßig vor allen Dingen den Katholiken in Lateinamerika zuwandte. Weil das RKA einen Arbeitsschwerpunkt neben den Sudetendeutschen in der Betreuung der Katholiken im Südosten Europas hatte, war auch der Kirchlichen Hilfsstelle die Betreuung der vertriebenen Deutschen aus dem Südosten Europas ein zentrales Anliegen – ein Anliegen, das spezifisch der Stelle in München übertragen wurde. Damit musste es zu Unschärfen, auch zu Kompetenzüberschneidungen mit den Initia-

30

31 32

Aus den Akten im Diözesanarchiv Osnabrück geht hervor, dass beim RKA nach der Kapitulation nicht unerhebliches Archivmaterial vernichtet wurde, das als inopportun bezeichnet wurde. Und schließlich lässt sich auch nachvollziehen, wie Dr. Mai Archivmaterial des Verlags „Christ unterwegs“ und damit auch der Kirchlichen Hilfsstelle München an das Bundesarchiv in Koblenz verkauft hat. Vgl. das Schreiben Büttners an Faulhaber vom 11. Oktober 1945, Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-81. Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-81.

178

Abschnitt III

tiven in Stuttgart, allen voran Georg Lebers33, kommen – wie überhaupt in den kirchlichen Initiativen dieser Zeit, um die Notlage zu beheben, sehr vieles parallel und gegeneinander lief, Zuständigkeiten oft nicht genau abgegrenzt wurden und damit sehr viel Leerlauf bzw. Reibungsverluste entstanden. Kompetenzstreitigkeiten entstanden auch zwischen der Flüchtlingshilfe durch die Caritas und der Betreuung durch die Kirchliche Hilfsstelle, sprich durch Albert Büttner. Hier kam es zu einem scharfen Dissens zwischen Büttner und dem Präsidenten des deutschen Caritasverbandes, Benedict Kreutz. Die Caritas und ihr Präsident gingen davon aus, dass die neuen Aufgaben der Flüchtlings- und Vertriebenenbetreuung per se zum Aufgabenbereich der Caritas gehörten. D.h., dass von Seiten der Caritas die Bemühungen der Kirchlichen Hilfsstelle als völlig überflüssig angesehen wurden. Wobei Berning als Protektor der Kirchlichen Hilfsstelle der Caritas die materielle Betreuung zuschreiben wollte und der Hilfsstelle die ideell seelsorgerliche Betreuung, gerade auch die Betreuung der vertriebenen Priester unterstellt wissen wollte. Schließlich geben die Akten Aufschluss über die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bischof Kaller und Büttner, die vor allem daher rührten, dass Kaller in Rom die Oberhoheit des päpstlichen Sonderbeauftragten für die Vertriebenen über die Kirchliche Hilfsstelle erreichen konnte, wohl nicht wissend – und auch in Rom fehlte das entsprechende Wissen oder wurde ignoriert – dass bereits Bischof Berning von Osnabrück der Protektor für das RKA und damit auch für die modifizierte RKA-Hilfsstelle war. Die Kirchliche Hilfsstelle wurde wiederholt in Frage gestellt, bereits kurz nach der Währungsreform 1948.34 Die Bedrohung durch Auflösung blieb in den Folgejahren bestehen. Sie wurde noch einmal 1951 sehr konkret.

1.4.

Das RKA unterstützt Kindermann in Prag – Fortführung der Idee und Kooperation in Königstein?

Die Verbindung Kindermanns mit Büttner war bereits in den Kriegsjahren intensiv gewesen: Im Dezember 1939 besprachen sie sich in Berlin – nicht zuletzt über die Frage der Ausbildung deutscher Theologen im Osten. Die Prager Ausbildungsstätte für deutsche Theologen wurde vom RKA finanziell unterstützt.35 Büttner gewann Kindermann für den Plan, die Theologiestudenten aus dem Baltikum und aus ganz

33

34

35

Georg Leber, Internationales Biographisches Archiv 30/2000 vom 17. Juli 2000 (gi), ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 34/2012, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar). Hier findet sich im Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-83, ein reiches Unterschriftenmaterial, Eingaben zur Rettung der Kirchlichen Hilfsstelle speziell nach der Währungsreform 1948. Es gab handschriftliche Briefe. Meist aber sind vorgedruckte Formulare verwendet worden, die in unterschiedlicher Ausführung für die Sudetendeutschen und die Südostdeutschen vorliegen. LABONTÉ, Büttner, S. 39f.

Die Promotoren Königsteins

179

Südosteuropa zum Studium, zur Ausbildung nach Prag zu schicken. 1941 fragte Kindermann Büttner nochmals nach dem Stand der diesbezüglichen Planungen: „Wie steht denn die Sache mit den Bukowina-Theologen? Platz im Hause haben wir, ja wir würden eine Auffüllung durch auswärtige Theologen sehr, sehr begrüßen.“36 Das Modell also gab es bereits, und nach der Potsdamer Konferenz im August 1945 auch die Situation, dass die ostdeutschen Theologiestudierenden von Braunsberg über Breslau bis Prag nicht an ihre Hochschulen und in ihre Seminare zurückkehren konnten. In dieser Situation ergriff Büttner die Initiative und sondierte im Raum Frankfurt nach Möglichkeiten, ein Konvikt für diese Theologiestudierenden einzurichten und sie nach Möglichkeit in St. Georgen an der Jesuitenhochschule studieren zu lassen. Auf Wunsch Bischof Maximilian Kallers rekonstruierte Büttner im Rückblick seine Initiativen Anfang September 1946 so: Er habe bereits im Herbst 1945 die Notwendigkeit erkannt und erörtert, für ausgewiesene Theologen ein eigenes Konvikt zu errichten. „Man erwartete damals noch, dass die heimkehrenden Theologiestudenten die Diözesanseminare füllen würden, zumal ein nicht unbedeutender Teil der Seminare und Konvikte zerstört, beschädigt oder anderweitig belegt war. Es war damals anzunehmen, dass für die große Zahl der ausgewiesenen Theologiestudenten aus den östlichen Gebieten kein Raum mehr sei. Es wurde damals auch vielfach darauf hingewiesen, dass unter den Theologen selbst der begreifliche Wunsch bestünde, nicht auf viele Seminarien verteilt zu werden, sondern in einem für Flüchtlinge errichteten Konvikt gemeinsam eine neue Heimat zu finden.“37 Unterstützung habe Büttner durch Pater Ivo Zeiger SJ erhalten, der auch von der Einschätzung des Papstes sprach, dass die Flüchtlingstheologen in einem eigenen Konvikt gesammelt werden sollten. So ging also Büttner im Februar/März 1946 auf die Suche nach einem geeigneten Haus. Zunächst hielt er das Kloster Eberbach im Rheingau dafür geeignet. Eine Besichtigung aber zeigte, dass die Gebäude ungeeignet waren. „Ich wurde dann auf die Gebäude in Königstein aufmerksam gemacht, die früher als RAD-Führerschule gedient hatten. Die Besichtigung ergab, dass die Gebäude wie für eine solche Verwendung geschaffen waren. Der gesamte Komplex bietet hinreichend Raum für ein Theologenkonvikt, ein Gymnasiastenkonvikt, für Wohnungen von Schwestern und Professoren. Es musste ein schneller Entschluss gefasst werden, da viele Interessenten sich um die Gebäude bewarben. Die innere Mission, die bereits ein sehr großes Anwesen in Königstein erworben hatte, um ein Knabenkonvikt einzurichten, bewarb sich auch um die RAD-Kaserne. Ferner waren Professoren, die die Gebäude als Heilanstalt benutzen wollten, verschiedene Ministerien, die Regierung von Wiesbaden und die Stadt Frankfurt daran interessiert. Ich glaubte, verpflichtet zu sein, eine vorläufige Sicherstellung für den genannten Zweck erstreben zu müssen, die auch bald nach schwierigen Verhandlungen durchgeführt wurde.“38 36 37 38

LABONTÉ, Büttner, S. 40. RKA D XI. 8c Rückblick Albert Büttners unter dem Thema „Theologenkonvikt für Ostflüchtlinge“ vom 2. September 1946, 10 Seiten masch., Zitat S. 1. Rückblick Albert Büttners , S. 2.

180

Abschnitt III

Die unmittelbare Initiative also ging nicht von Kaller oder Kindermann, sondern von Büttner aus – das bestätigte im Rückblick auch Pater Paulus Sladek. Pate stand freilich eindeutig das Modell Prag. Damit war indirekt auch Kindermann bereits am Anfang beteiligt. Büttner holte die Zustimmung des Papstes ein; Bischof Berning von Osnabrück, der Protektor des RKA, hatte bereits im März 1946 dem Plan zugestimmt. Büttner unterstrich, dass er sich daraufhin bemüht hatte, den Plan einer konkreten Verwirklichung zuzuführen, den Plan weiter auszuarbeiten und ihn dann den Bischöfen zur Entscheidung vorzulegen. Ihm war wichtig, festzuhalten, dass er die Bischöfe nicht vor ein Faktum stellen, sondern bereits in der Planungsphase einbeziehen wollte. „Aus verschiedenen Gründen, u.a. deshalb, um störende Einflüsse anderer Kreise vor einer endgültigen Besitzeinweisung zu verhindern, hielt ich den Plan soweit als möglich geheim. Zu meiner eigenen größten Überraschung und Bedauern, wurde der Plan dann durch den Vatikansender und den Londoner Sender bekannt gegeben, bevor ich die Möglichkeit hatte, ihn der Gesamtheit der deutschen Bischöfe vorzulegen.“39 Büttner hatte bereits zuvor den Plan den bayerischen Bischöfen bei ihrer Konferenz in Eichstätt, den westdeutschen Bischöfen bei ihrer Zusammenkunft in Pützchen unterbreitet. Er hatte aber zu dem Zeitpunkt, als die Initiative publik gemacht wurde, von den Bischöfen noch keine schriftliche Antwort. Ungeachtet dieser Panne aber wollte Büttner den Plan nicht fallen lassen, nachdem Papst Pius XII. seine Zustimmung gegeben und ihm bereits 3.000 $ dafür in Aussicht gestellt hatte. Der Papst hatte die Notwendigkeit hervorgehoben, dass die vertriebenen Theologen in ein eigenes Seminar kämen, um auf ihre spezifischen Aufgaben der Seelsorge an den Vertriebenen vorbereitet zu werden. Diese spezifischen Aufgaben der Vertriebenenseelsorge erforderten auch eine entsprechende Verteilung der Priester, nämlich vor allem in der sowjetischen Zone und im Norden Deutschlands, also in den Diasporagebieten. Nachweislich aber hatten die bayerischen Diözesen die meisten der Theologiestudenten in ihre Seminare aufgenommen. Es war also eine den anfallenden Aufgaben inadäquate Verteilung abzusehen. „Es ist begreiflich, wenn die hochwürdigsten Herren Bischöfe die Osttheologen in ihre Anstalten aufnehmen wollen, um dadurch dem Mangel an eigenem Priesternachwuchs abzuhelfen. Die Verteilung der Theologen muss aber Rücksicht auf die Gesamtbedürfnisse des klein gewordenen Deutschland nehmen. Zur Zeit studiert ein großer Teil von Theologen in bayerischen Diözesen. Es wird aber notwendig sein, dass der größere Teil von ihnen einmal in der Diaspora tätig sein wird, da in der Diaspora der Priestermangel bereits groß ist und der Bedarf an Seelsorgern sich in viel höherem Maße steigern wird, als in katholischen Gegenden. In der Diaspora müssen Seelsorgstellen eingerichtet werden, während in katholischen Gegenden auch die Flüchtlinge von der normalen Seelsorge erfasst werden können und nur in einzelnen Fällen besondere Maßnahmen notwendig sind. Es besteht also die Gefahr, dass die Theologen selbst in die Verhältnisse der Diözese, in deren Seminare sie studieren,

39

Rückblick Albert Büttners, S. 3.

Die Promotoren Königsteins

181

sich einleben und den begreiflichen Wunsch haben, auch dort einmal tätig sein zu können. Es ist aber nötig, dass die Theologen in der Bereitschaft erzogen werden, ihren Landsleuten zu folgen, insbesondere gilt dies für drei Zwecke: 1. für die Diaspora, 2. für die von den Russen besetzten Gebiete und 3. für künftige Auswandererseelsorger. Diese Ziele können aber besser in einer eigens hierfür errichteten Anstalt erstrebt werden, als in den einzelnen Diözesanseminarien.“40 Büttner dachte darüber hinaus bereits Anfang September 1946 an die Notwendigkeit, für die russische Zone ein eigenes Priesterseminar und ein eigenes theologisches Studium gerade auch im Hinblick auf die Ausbildung von geeigneten Seelsorgern für die Vertriebenenbetreuung zu errichten. Er befürchtete aber unüberwindbare Hindernisse in der sowjetischen Besatzungszone, nicht zuletzt in Punkto Finanzierung. Daher erschien es ihm sinnvoll, dort eine Anstalt zu errichten, wo sie möglich war. Nachdem Büttner breit die Aufgabenstellung und die Notwendigkeit der Sammlung ostdeutscher Theologen in einer eigenen Ausbildungsstätte erörtert hatte, insbesondere die Einbindung in eine heimatliche und Heimat schaffende Gemeinschaft mit Professoren aus dem Osten, die die spezifische Problematik und Mentalität kennen, kam er auf die Vorzüge der Gebäude in Königstein zu sprechen und legte – dieser Rückblick ist geschrieben für die Bischöfe – die Vorzüge der Häuser in Königstein dar: „Das obere größere Haus ist bereits geräumt worden und kann nach einigen Renovierungsarbeiten bezogen werden. Es sind darin vorhanden: ein geeigneter Raum für Kapelle, Speisesäle, Hörsäle, Bibliothek, Tagesräume. Alle Räume sind licht und hell. Das ganze Haus ist in verhältnismäßig gutem Bauzustand.“41 Auch die Ausstattung war reichhaltig und würde für den Start genügen: 500 Betten mit Matratzen, 1.000 Wolldecken, 250 Spinde, 300 Tische, 1.000 Stühle. Kindermann konnte zu diesem Zeitpunkt konstatieren, dass eine theologisch-philosophische Bibliothek von 10.000 Bänden bereits in Königstein untergebracht war. Ziel war von Anfang an nicht nur ein Konvikt, sondern es ging um den Aufbau eines Studienbetriebes. Büttner entwickelte drei Modelle: Zum einen eine Verbindung des Konvikts mit einer in Frankfurt geplanten Theologischen Fakultät. Gegenüber diesem Plan hatte der Bischof von Limburg große Bedenken. Eine Alternative wäre das Seminar in Königstein als Filiale der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in St. Georgen zu errichten, damit wäre die staatliche Anerkennung gesichert; eine dritte Variante wäre die Anstalt in Königstein als eine selbständige Bildungsanstalt zu errichten und die staatliche Anerkennung zu suchen. Wie sollte das konkrete Vorgehen aussehen? „1. Es wird vorgeschlagen, ab Oktober Gymnasiasten, die vor dem Abschluss ihrer Studien standen und Theologie studieren wollen, zu sammeln und durch Privatunterricht auf die Ablegung der Matura vorzubereiten. Es liegen schon jetzt zahlreiche

40 41

Rückblick Albert Büttners, S. 5. Rückblick Albert Büttners, S. 7.

182

Abschnitt III

Anfragen vor, so dass wahrscheinlich rund 50 bis 70 Mittelschüler der höheren Klassen gesammelt werden können. Mit ihnen wird der Betrieb eröffnet und die nötigen Vorbereitungsarbeiten für Einrichtung der theologischen Bildungsanstalt getroffen. 2. Die theologische Bildungsanstalt wird mit dem Sommersemester 1947 errichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt können alle Vorbereitungen getroffen sein. Es werden in die theologische Bildungsanstalt übernommen, die bereits in Königstein vorbereiteten Gymnasiasten und die Theologen, die bereits in anderen Seminaren studieren und sich für die Diaspora, für die russisch besetzten Ostgebiete oder für die Auswandererseelsorge vorbereiten wollen. In erster Linie kommen jene Theologen in Frage, die zwar bereits an theologischen Anstalten studieren, aber keine Aufnahme in das Konvikt fanden, wie das an mehreren Plätzen der Fall ist. Wenn alle diese jungen Kandidaten zusammengefasst werden, dürfte die Zahl von 150 bis 200 Studenten erreicht werden. 3. Gleichzeitig wird dann Ostern 1947 mit dem Aufbau eines Knabenkonvikts begonnen. In der Zwischenzeit muss eine Kommission die Vorbereitungen für den Studienbetrieb sowohl an der theologischen Lehranstalt als auch an der Mittelschule treffen.“42 Damit waren zeitlich und inhaltlich sehr konkrete Pläne entwickelt worden. Sie waren soweit gediehen, dass Bischof Kaller als der päpstliche Beauftragte für die Vertriebenen am 13. September 1946 an seine Mitbrüder in der Fuldaer Bischofskonferenz eine Notiz zur Vermeldung und zur Bekanntmachung schicken konnte, dass in Königstein im Taunus durch die Kirchliche Hilfsstelle ein Studienhaus errichtet worden sei, das den Flüchtlingsschülern der höheren Schulen, die bisher aus wirtschaftlichen Gründen nicht das Abitur ablegen konnten oder deren Studium durch das Kriegsereignis unterbrochen wurde, Gelegenheit biete, sich auf die Reifeprüfung vorzubereiten. In erster Linie würden Schüler aufgenommen, die Theologie studieren wollten. Es könne aber auch anderen der Eintritt gewährt werden, wenn noch Platz vorhanden sei. Der voraussichtliche Beginn wurde auf den 1. November 1946 festgelegt. Am selben Tag schrieb Kaller an den Kapitelsvikar des Erzbistums Breslau, an Dr. Ferdinand Piontek, den einstigen Kursgenossen Kallers, die Bitte, den bisherigen Regens des Breslauer Priesterseminars, Paul Ramatschi, für das neue Priesterseminar in Königstein im Taunus, das voraussichtlich im April 1947 eröffnet werde, freizustellen.43

1.5.

Verhandlungen und Schwierigkeiten

Büttner hatte bereits Ende 1945/Anfang 1946 den Rat von Professoren, die von Hochschulen im Osten kamen, eingeholt. U.a. hatte er sich am 15. Februar 1946 mit Bernhard Panzram44 besprochen, der es für wünschenswert und nützlich hielt, in Frankfurt eine Theologische Fakultät zu gründen, da eine ganze Reihe von Diözesen überhaupt 42 43 44

Rückblick Albert Büttners, S. 9f. RKA D XI. 8c. Vgl. Paul MAI, Bernhard Panzram (1902 – 1998), in: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 238-243.

Die Promotoren Königsteins

183

keine Lehranstalt hatten und ihre Theologen auch vorher bereits nach Frankfurt geschickt hatten. Panzram machte auch bereits konkrete Vorschläge für die Besetzung einzelner Professuren.45 Auf dem Hintergrund dieser Besprechungen richtete Büttner ein Schreiben an den Frankfurter Oberbürgermeister, in dem er für die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät nach der Wiedereröffnung der Universität plädierte.46 Es seien nach dem Wegfall der Katholisch-Theologischen Fakultäten in Breslau, Prag, Olmütz, Wien, in Braunsberg, Leitmeritz und Weidenau zu wenige Katholisch-Theologische Anstalten vorhanden. Studenten der weggefallenen Lehranstalten seien zum Großteil in die englische und amerikanische Zone ausgesiedelt worden, von daher sei es notwendig, eine Theologische Fakultät in Frankfurt zu errichten, da Frankfurt ein kulturelles und geographisches Zentrum der drei westlichen Zonen sei. Eine Reihe von Professoren der Katholischen-Theologischen Fakultäten habe sich bei Büttner bereits zur Übernahme eines Lehrstuhls angemeldet. In einem ausführlichen Schreiben an die Konferenz der Hochwürdigsten Herren Erzbischöfe und Bischöfe von Bayern vom März 1946 über die Seelsorgeflüchtlinge und über die Lage der ausgewiesenen Priester kam Büttner auch unter Punkt 5 auf die Betreuung der geflüchteten Theologiestudenten zu sprechen.47 „Bis jetzt haben über 300 Theologen, die ausgewiesen wurden oder in ihre Heimat nicht zurückkehren können, in Priesterseminaren oder Konvikten Aufnahme gefunden. Weitere Flüchtlingsstudenten sind aus dem Sudetengau und anderen Flüchtlingsgebieten zu erwarten. Ferner eine große Anzahl von solchen Theologiestudenten, die sich zurzeit auch in Kriegsgefangenschaft befinden. Vielfach fahren diese Theologen von Seminar zu Seminar, bis sie irgendwo Aufnahme finden. Auch hier ist eine Lenkung durch eine Zentralstelle notwendig. Es wird deshalb vorgeschlagen: eine Rundfrage bei allen theologischen Konvikten und Seminaren, wie viele Flüchtlingstheologen noch aufgenommen werden können und Meldung an die Kirchliche Hilfsstelle. Bereitstellung von Stipendien für mittellose Theologiestudenten. Hierzu ist die Schaffung eines zentralen Ausgleichsfonds notwendig. Bereitstellung von Erholungsplätzen für ausgewiesene Theologiestudenten. Schaffung eines Zentralseminars für ausgewiesene Theologiestudenten.“48 Als ideelle und auch materielle Basis regte Büttner in einem Schreiben an den Papst vom 24. Mai 1946 die Errichtung eines Hilfswerkes priesterlicher Bruderliebe unter dem Namen „Opus confraternitatis“ an. Büttner wollte, dass die Priester im Inund Ausland die Sorge für geflüchtete Priester und Theologiestudenten solidarisch

45 46 47 48

RKA D XI. 2a, Notiz der Besprechung mit Universitätsprofessor Bernhard Panzram, Regensburg 15.02.1946. Schreiben an den Frankfurter Oberbürgermeister vom 04. März 1946, RKA D XI. 2a. RKA D XI. 2a masch. 7 Seiten. Schreiben an die Konferenz der Hochwürdigsten Herren Erzbischöfe und Bischöfe von Bayern vom März 1946, Zitat S. 6f. Grundsätzliche Überlegungen zu diesem Aufgabenfeld sind dokumentiert im Anhang Nr. 5; dazu auch der Bericht Büttners vom 2.9.1946 im Anhang Nr. 9.

184

Abschnitt III

mittragen. „Wenn eine Liebe über allen Hass siegen kann, dann die Caritas fraterna der katholischen Priester! Von diesem unerschütterlichen Vertrauen beseelt will sich Unterzeichneter an die Mitbrüder im In- und Ausland wenden mit der Bitte, sie möchten deutschen Priestern und solchen, die auf dem Wege zum Priestertum sind, helfen.“49 Wenn Büttner den Mangel beschrieb, dann berührte er damit alle Bereiche des täglichen Lebens und der Amtsausübung des Priesters, nämlich vom schwarzen Stoff für Anzug und Talar bis hin zu wissenschaftlich-theologischer Literatur. Bei der Beratung mit verschiedenen Professoren wurden Büttner auch die Schwierigkeiten der Gründung einer Katholisch-Theologischen Fakultät oder einer Ausbildungsanstalt der künftigen Priester geschildert. So hat ihn etwa Prof. Stonner50 in München in einem Gespräch am 4. Januar 1946 vor unerhörten Schwierigkeiten gewarnt, die der Plan, eine Flüchtlingsuniversität zu gründen, bewältigen müsste. Die große Hürde dürfte es danach sein, einen Bischof zu finden, der diese Theologen aufnehme, der Raum und Bibliotheken zur Verfügung stelle und die technischen Fragen lösen könne. Darüber hinaus sei die kirchenrechtliche Problematik in Bezug auf die Weihen zu bedenken: wohl kaum ein Bischof werde einige hundert Theologen aufnehmen und beschäftigen können. In dieser frühen Sondierungsphase erkundigte sich Büttner auch, was mit dem Kloster Banz geplant sei und ob dieses Kloster nicht als Lehranstalt für Flüchtlingstheologen verwendet werden könne.51 Büttner ließ sich durch die Bedenken Stonners nicht entmutigen. Am 20. Januar 1946 suchte er das Gespräch mit dem Referenten für Universitätsangelegenheiten im Frankfurter Stadtrat Heun52, den er freilich nicht antraf. Er wurde weitergeleitet zum Verbindungsmann zwischen Bürgermeisteramt und Universität, an den Amtmann Hartmann. Bei ihm erfuhr Büttner, dass der Plan zur Gründung einer theologischen Fakultät schon länger bestünde, dass aber der Kultusminister noch keine Bewilligung zur Errichtung dieser Fakultät erteilt habe. Sowohl die Universität wie auch der Bürgermeister von Frankfurt begrüßten es, wenn die kirchliche Seite diesen Plan forcierte. Hartmann riet zu einer Vorsprache im Kultusministerium und zu einem schriftlichen Vorschlag an den Oberbürgermeister mit Nennung konkreter Namen von Flüchtlingsprofessoren, die für die Lehrstelle in Frankfurt/M. in Frage kämen. Hartmann ging soweit, dass er persönliche Bewerbungen an den Oberbürgermeister empfahl. Dass eine solche Institution, die zusätzlich zu den diözesanen Bildungsanstalten entstand und das Diözesanprinzip durchbrach, durchaus mit Skepsis der Bischöfe rechnen musste, war auch Büttner bewusst. Daher nahm er nicht nur mit Bischof Berning von Osnabrück, dem Protektor des RKA, Kontakt auf, sondern sprach auch beim

49 50 51 52

RKA D XI. 2a, Büttner an Pius den XII. am 24. Mai 1946, 4 Seiten masch., Zitat S. 2. Vgl. zu Stonner DENZLER, Widerstand ist nicht das richtige Wort. RKA D XI. 8a, Aktennotiz Büttners über die Besprechung mit Prof. Dr. Stonner, München am 04. Januar 1946. Bernhard Heun (1899 – 2000). Ein Retter der Frankfurter Universität. Ehemaliger Stadtrat Bernhard Heun wird heute 100 Jahre alt. In: FAZ vom 16. August 1999. (Für den Hinweis danke ich Herrn Volker Harms-Ziegler vom Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt/Main herzlich.)

Die Promotoren Königsteins

185

Kölner Kardinal Frings vor, der, so Büttner in einem Brief an Bischof Berning in Osnabrück vom 4. Juni 1946, großes Verständnis für den Plan der Errichtung eines Konvikts für Theologiestudenten und Gymnasiasten gezeigt habe und ihn billige.53 Kindermann konnte in einem Gespräch mit dem Münchner Kardinal Faulhaber diesen ebenfalls für den Plan einer eigenen Hochschule, eines Konvikts und eines Gymnasiums für die Vertriebenen gewinnen, wenn auch Faulhaber seine Meinung unterstrich, dass die Errichtung in Bayern zweckmäßiger sei. Nachdem im Sommer die Bedenken der Bischöfe ausgeräumt worden waren, galt es, die zugesagten Gebäulichkeiten in Königstein zu sichern und gleichzeitig nach Lehrpersonal für die Hochschule und auch für den Reifekurs, also die ersten Anfänge des Gymnasiums zu suchen. Für die westdeutsche Bischofskonferenz im Juni 1946 stellte Büttner zwei Voten zusammen: für die Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät in Frankfurt/M. und für das Opus Confraternitatis. Für die Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät verwies Büttner einmal mehr auf die Tradition des theologischen Studiums in Prag, Breslau, Braunsberg, Leitmeritz und Weidenau, auf die Notwendigkeit, dass den Flüchtlingstheologen aus dem Osten damit eine geeignete theologische Lehrstätte fehlen würde. Es gelte, die Tradition und Eigenart der drei Ostfakultäten zu erhalten und auf diese Weise den Flüchtlingstheologen ein Stück Heimat zu bieten. Dort könne eine spezifische Vorbereitung geboten werden, abgestimmt auf die Herkunft der Theologen, auf ihre ehemalige Heimat und im Hinblick auf die neuen schwierigen Aufgabenbereiche, die auf den Seelsorgepriester unter Flüchtlingen warte. In vielen Fächern könnten diese besonderen Aspekte eine ausdrückliche Berücksichtigung und Behandlung erhalten.54 Nicht nur den Theologen, sondern auch den vertriebenen Theologieprofessoren könne man somit ein neues Stück Heimat schaffen. „Die Errichtung einer Katholischen Fakultät neben dem Priesterseminar für die Flüchtlingstheologen würde sicherlich von allen Katholiken, die als Ausgewiesene in den Westen kommen, als ein weiteres sichtbares Zeichen angesehen werden, wie ernst es die Kirche mit ihrer Sorge um das religiöse Leben der Flüchtlinge meint. Die neue Fakultät würde über ihren gewöhnlichen Wirkungskreis hinaus ein geistiger Mittelpunkt werden für alle religiös-wissenschaftlichen und auch religiös-praktischen Probleme der nach dem Westen geflüchteten Katholiken.“55 Die westdeutsche Bischofskonferenz konnte sich freilich zu einer klaren Entscheidung nicht durchringen. Sie sprach sich nicht für die Errichtung eines Seminars für vertriebene Theologen aus, sondern nur für die Prüfung des Planes und für die evtl. Einrichtung eines Knabenkonviktes. Es gab kein entschiedenes Gegenvotum, aber auch kein klares Plazet für Büttners Projekt.56 Daraufhin formulierte Büttner einen

53 54 55 56

RKA D XI. 8a, Büttner an Berning am 04. Juni 1946. RKA D XI. 2b, die Anmerkungen Büttners vom 08. Juni 1946 zur Vorlage bei der westdeutschen Bischofskonferenz umfassen 1 ½ maschinengeschriebene Seiten des Zitats auf S. 1. Büttner , S. 1f. RKA D XI. 2? , Schreiben Büttners an Bischof Berning in Osnabrück vom 27. Juni 1946.

186

Abschnitt III

ausführlichen, von der Sorge über die Vertriebenen gesättigten Brief an Berning, in dem er nochmals die Situation beschrieb und die Notwendigkeit, ein eigenes Seminar zu errichten, unterstrich.57 Wenigstens die Genehmigung sollte Berning geben, das Haus sicherzustellen, damit es nicht von anderen in Anspruch genommen werden kann. Büttner konzedierte, dass es sich voraussichtlich nur um eine vorübergehende Einrichtung handeln werde, da die Zeitumstände keine Planung auf Jahrzehnte genehmigten. „Wenn in drei oder fünf Jahren das Seminar für vertriebene Theologen überflüssig würde, könnte man es ja auflösen. Ich bin aber überzeugt, dass es bis dahin eine notwendige und nicht zu übersehende Aufgabe erfüllt haben wird. Die materielle Not der Flüchtlinge ist groß. Die Hilfsmöglichkeiten sind gering. Die wichtigste Funktion zur Hilfe hat die Kirche durch die seelsorgliche Betreuung. Die seelsorgliche Not wird nicht kleiner, sondern mit jedem Monat größer.“58 Positive Antwort erhielt Büttner vom Frankfurter Stadtrat Dr. Heun, der ihm am 18. Juli 1946 mitteilte, dass in der Beigeordnetenbesprechung die Übereinstimmung erzielt worden sei, dass die Kaserne in Königstein nicht für Zwecke des Stadtgesundheitsamtes in Betracht gezogen werde, sondern als Vorstufe für die beabsichtigte Katholisch-Theologische Fakultät an der Frankfurter Universität. Die Stadtbehörde wollte die räumliche Trennung des neuen Instituts von der Frankfurter Universität auf längere Perspektive hin aufheben. Die Fakultät sollte in Frankfurt errichtet und unter-

57

58

„Freilich haben bereits 200 Theologen Aufnahme gefunden (in den diözesanen Priesterseminaren). Es sind noch viele in Kriegsgefangenschaft, viele noch in der Heimat, die aber bald vertrieben werden. Viele schon in Deutschland, die noch kein Unterkommen gefunden haben. Viele, die Theologie studieren wollten und noch kein Abitur gemacht haben. Es handelt sich schließlich um den Priesternachwuchs aus einem Bevölkerungsteil von mindestens 8 Mio. Wenn die deutschen Seminare, obwohl viele zerstört sind, heute noch Platz haben für Flüchtlingstheologen, so ist das nach meiner Ansicht ein ernstes Zeichen, für Mangel an Priesternachwuchs. Eigentlich müssten die Seminare nach sieben Kriegsjahren überfüllt sein. Die Statistik der Priester aus dem Sudetenland zeigt eine erschreckende Überalterung des Klerus und eine erschreckende Zahl nicht einsatzfähiger Priester. Der Priesterbedarf wird wachsen, besonders für Diaspora. Ferner für eine kommende Auswanderung. Eure Exzellenz darf versichert sein, dass ich immer wieder geprüft habe: ist wirklich ein Seminar nötig? Ich bin nur zu dem Resultat gekommen, dass die Notwendigkeit besteht, und dass ich jetzt nicht verantworten kann, den Plan aufzugeben und ihn wieder vorlegen zu müssen. Die Ungewissheit, ob der deutsche Episkopat zustimmen wird, lähmt und hemmt die Vorbereitungen. Ich hatte folgende Pläne: ich wollte für diejenigen, die sich auf das Abitur vorbereiten sollten, einen oder mehrere Studienräte einsetzen, damit sie den jungen Männern bei der Vorbereitung auf das Abitur helfen. Ich wollte wenigstens einige Schwestern gewinnen und das Haus einrichten lassen, so dass der Betrieb im Oktober beginnen könnte. Ich finde überall bei allen Laien, bei allen Behörden, vom Bürgermeister von Königstein angefangen bis zu den großhessischen Ministern größtes Entgegenkommen, Förderung und Hilfe. Im Hause ist fast alles vorhanden. U.a. 1.500 Zentnern Kohlen, von denen ich sicher hoffe, dass ich sie erwerben kann, Betten, Küchengeschirr usw. Vom Vatikan erhalte ich bereits wichtige Lebensmittel, wie Fette, Kakao usw. Was soll ich tun?!“ RKA D XI. 2b, Schreiben Büttners an Berning vom 27. Juni 1946, 4 S. masch., Zitat S. 1f. Schreiben Büttners an Berning, S. 2.

Die Promotoren Königsteins

187

gebracht werden.59 Auch der Frankfurter Oberbürgermeister unterstützte nachdrücklich Büttners Plan.60 Ende Januar 1947 berichtete Büttner an die Fuldaer Bischofskonferenz eingehend über die Entstehungsgeschichte des Planes, in Königstein ein Konvikt für Theologiestudenten, eine Theologische Ausbildungsanstalt und ein Knabenkonvikt mit Gymnasium zu gründen. Wichtig war ihm dabei der ausdrückliche Hinweis, dass die Königsteiner Institute nicht allein den heimatvertriebenen Theologiestudenten eine Studienmöglichkeit bieten wollten, das wäre auch in anderen Seminarien möglich, sondern die eigentliche Intention dahin gehe, die Ausbildung dieser Theologen ganz auf die besonderen Bedürfnisse der Flüchtlingsseelsorge auszurichten. So wie in anderen Ländern zurzeit wegen Verfolgung oder aus anderen Gründen Missionsseminare errichtet würden, so solle in Königstein eine Art Missionsseminar für die Vertriebenen und speziell für die Vertriebenen in der Diaspora aufgebaut werden. Die Theologen sollten dafür besonders geschult werden, gerade auch für das russisch besetzte Gebiet und auch in einer eventuellen Auswanderungsseelsorge eingesetzt werden können. Eine zweite Grundintention war nach der Aussage dieses Berichtes, dass Königstein ein geistiger Mittelpunkt für die Flüchtlingsseelsorge würde und zwar einer Flüchtlingsseelsorge mit dem Ziel der Eingliederung und der seelischen Heimatschaffung. Das Spezifikum erschöpfte sich nicht in der Formulierung dieser Ziele, sondern bezog sich auch auf die Lebensformen. So sollten etwa die Theologieprofessoren ihre Fächer nicht nur wie an einer Hochschule oder Universität dozieren, sondern eine Arbeitsgemeinschaft bilden, um das ungeheuere Problem der Flüchtlingsseelsorge mit allen seinen Notwendigkeiten stets zu studieren und die entsprechenden Hilfsmittel zu bedenken, und sie sollten die geistigen Güter des Ostens und Südostens bewahren und sie fruchtbar machen. „Aus dieser Arbeit sollte eine wissenschaftliche Zeitschrift oder gelegentliche Arbeiten entstehen, eine pastoral-pädagogische Zeitschrift, wie sie bereits in der jetzigen Zeitschrift „Christ unterwegs“ begonnen ist, sollte weiter ausgebaut werden. An diesen Arbeiten sollten auch die Theologiestudenten beteiligt werden.“61 Büttner sprach in dem Bericht auch die Schwierigkeiten, die Hemmungen und Verzögerungen in der Planung für Königstein an, die nicht zuletzt darin lagen, dass eine Entscheidung, ob und in welcher Form diese Pläne verwirklicht werden könnten und sollten, vor dem Zusammentritt der Bischofskonferenz nicht zu erreichen waren. Anfangsschwierigkeiten gab es auch bzgl. der Lehrkräfte, die Büttner aber bereits Anfang 1947 als überwunden bezeichnete. Die St. Albertus-Schule, also das Realgymnasium in Königstein, hatte nach diesem Bericht mit dem Schreiben vom 28. Dezember 1946 vom Kultusministerium die Genehmigung erhalten. Unterhaltsträger war zu diesem Zeitpunkt die Kirchliche Hilfsstelle. Mit Blick auf die Hochschule entstanden durch die Verzögerungen insofern Nachteile, als die Flüchtlingsprofesso59 60 61

RKA D XI. 2b, Heun an Büttner am 18. Juli 1946. Schreiben des Oberbürgermeisters an Büttner vom 22. Juli 1946. Kaller an Mitglieder des Seminarrates für Königstein vom 3. Januar 1947, Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-82.

188

Abschnitt III

ren, die im Juli 1946 bereits ihre Mitwirkung zugesagt hatten, teils inzwischen anderweitig tätig waren. Im Blick auf die Rechtsgrundlage formulierte Büttner in diesem Bericht, dass die Kirchliche Hilfsstelle – bisher Träger dieses Königsteiner Institutes als rechtliche Abteilung des Ordinariates Osnabrück – auf Dauer nicht würde Träger sein können, da nicht ein einzelnes Ordinariat die Verantwortung für einen derartigen Komplex übernehmen könne. Daher wurde der Vorschlag vorgebracht und unterstützt, dass das Institut Königstein unter der rechtlichen Form einer Stiftung errichtet werde, die vor allem die drei Ziele Flüchtlingsseelsorge, Diasporaseelsorge und Auswandererseelsorge vor Augen haben sollte. Entsprechend sollten dem Kuratorium der Stiftung Kaller als der Vertreter der Flüchtlingsseelsorge, der Erzbischof von Paderborn als Vertreter der Diasporaseelsorge und Berning von Osnabrück als Vertreter für die Auswandererseelsorge, wie auch der Bischof von Limburg als der Bischof des Belegenheitsbistums und der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz, also der Kölner Kardinal, angehören. Dieses Kuratorium müsste, so der Vorschlag Büttners, einen Geschäftsführer bestimmen, der im Auftrag des Kuratoriums die volle Verantwortung und die Leitung des Aufbaues habe, einheitlich sämtliche Verhandlungen führe und die notwendigen Rechtsverträge abschließe. Grundlage müsste das Stiftungskapital der Stiftung sein, die von den deutschen Diözesen zu erbitten sei. Für den Beginn des theologischen Studiums und der Einrichtung des Theologenkonviktes wurde das Sommersemester 1947 ins Auge gefasst. Büttner hielt folgende Varianten für denkbar: Ein philosophischer Kurs für Anfänger, also für die Semester eins bis vier, danach wären Dozenten für die Fächer Philosophie, Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte, Kirchengeschichte des Ostens und Exegeten notwendig. Ein philosophischer und theologischer Kurs für alle Semester, also Semester eins bis zehn oder eins bis acht, dann wären zusätzlich Professoren für Dogmatik, Moral, Kirchenrecht, Pastoral, Kunst, Geschichte notwendig. Büttner dachte an insgesamt etwa zehn Dozenten. Die dritte Variante: ein volles philosophisches und theologisches Studium und ein eigentliches Seminar, also für die Semester eins bis zwölf, dann bedürfte es auch einer Besetzung der Lehrfächer Sakramentenverwaltung, Pastoral, Homiletik, Katechetik, Liturgik und Rubrizistik. Schließlich wäre als vierte Variante denkbar gewesen: Lediglich ein Priesterseminar, also nur den Pastoralkurs, d.h. für die Semester elf bis zwölf oder neun bis zwölf. Zu den Räumlichkeiten bemerkte Büttner: „In Haus eins sind für 125 Studenten und Dozenten Wohnungen vorhanden. Wenn die Dozentenwohnungen vorläufig bescheiden aus einem Zimmer bestehen müssten, so ist eine Besserung zu erwarten, sobald die beiden Wohnhäuser vor dem Haus zwei zur Verfügung stehen werden. Die größten Schwierigkeiten dürften in der Bereitstellung der nötigen Lehrkräfte liegen.“62

62

Kaller an Mitglieder des Seminarrates für Königstein vom 3. Januar 1947, Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-82, S. 5.

Die Promotoren Königsteins

189

Das Knabenkonvikt sollte laut dieser Planungen im Haus zwei eingerichtet werden. Büttner sprach von bereits vorliegenden 60 bis 70 Anmeldungen. Auch für einen eventuellen Sonderkurs für Spätberufene lägen bereits 24 Anmeldungen vor. Schließlich listete er die bisher geleisteten Arbeiten auf63, nämlich eine ‚Entwesung’ der beiden Häuser. Der größte Teil von Haus eins wurde zudem frisch getüncht. Es wurde eine vorläufige Kapelle eingerichtet. Die Einrichtung der Küche wurde verbessert, ein neuer Herd angeschafft. Eine Telefonanlage mit 25 auswärtigen und 50 Hausanschlüssen war in Arbeit. Die Sanitäranlagen wurden ausgebessert. Mit der Erweiterung wurde begonnen. Die Wohnungen für Kaller, für den Regens und die Studienräte waren zum Teil fertig, teils noch in Arbeit. Eine Waschküche mit zwei Waschmaschinen war eingerichtet, daneben gab es eine Schusterwerkstatt mit entsprechenden Maschinen, eine Schreinerwerkstatt, eine Schlosserwerkstatt, und kleine und größere Ausbesserungsarbeiten wie das Schaffen von Durchbrüchen, Ausbesserungen und Instandsetzung von Öfen seien vorgenommen worden.

63

Kaller an Mitglieder des Seminarrates für Königstein vom 3. Januar 1947, Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-82, S. 6.

190

Abschnitt III

2.

Büttner, Kaller und die Leitung Königsteins

Am 24. Juni 1947 wandte sich Büttner an Bischof Berning von Osnabrück wegen der Zuordnungsschwierigkeiten, die er mit Bischof Kaller hatte. Kaller hatte in einem Brief am 11. Juni geschrieben, dass die bisherigen Dispositionen in Bezug auf Königstein sich ändern sollten, obwohl nach Einschätzung Büttners mit Kaller besprochen gewesen sei, dass er, Büttner, bis zur Errichtung des eingetragenen Vereins Königstein in seinen bisherigen Funktionen bliebe, zumal bis zu dieser Übertragung der Einrichtung in Königstein aus der Trägerschaft der Kirchlichen Hilfsstelle auf den eingetragenen Verein Büttner als Leiter der Hilfsstelle verantwortlich bleibe. Es dürfe nicht übersehen werden, dass die Kirchliche Hilfsstelle und nicht Bischof Kaller der Träger von Königstein sei. „Es ist ja schließlich so, dass die Kirchliche Hilfsstelle an Bischof Kaller die Einrichtung in Königstein abtritt und doch auch berechtigte Wünsche und Bedingungen zu stellen hat.“64 Der Streitpunkt lag wohl in einer Personalie. Kaller wollte Generalvikar Wosnitza65 mit Arbeiten der Flüchtlingsseelsorge betrauen, das konnte Büttner nicht verhindern, aber Wosnitza sollte doch erst als Geschäftsführer in einen neuen e.V. eintreten und nicht davor bereits Büttner ersetzen. Der zweite Grund für den Dissens war ein Brief Kallers vom 12. Juni, mit dem er das Opus Confraternitatis von Büttner auf Kindermann übertrug, obwohl Büttner vorher mit Kaller besprochen habe, dass er seine Tätigkeit in dieser Organisation zu einem Abschluss bringen wolle und dann ein anderer übernehmen solle.66

64 65 66

Büttner an Berning vom 24. Juni 1947, Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-82. Zu Wosnitza vgl. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza. Im Hintergrund stand Kallers Schreiben an Büttner vom 11. Juni 1947, wo er formulierte: „Er (das ist der Bischof von Osnabrück) wünsche nicht, dass Sie zum Geschäftsführer des neuen e.V. ernannt werden. Er wünsche ferner, dass die Kirchliche Hilfsstelle in Frankfurt und die in München Geschäftsstellen des Raphaelsvereins würden, die Sie übernehmen sollten. Diesem Vorschlag stimmten die anderen hochwürdigsten Herren, besonders Herr Kardinal Frings und Herr Erzbischof Jaeger, denen der Herr Erzbischof von Osnabrück vor seiner Abreise diese Mitteilungen gemacht hatte, bei. Im Einzelnen wurde nun präzisiert, dass Sie die Sorge für die Volksdeutschen aus dem Südosten, also Rumänen, Ungarn, Bulgaren, Schwarzmeerdeutschen, Polen, Ukrainer übernehmen sollten, danach ändern sich unsere bisherigen Dispositionen, indem Sie ein von meinem Arbeitsgebiet vollständig getrenntes Arbeitsfeld erhalten. Da bis zur Bischofskonferenz alles, besonders der e.V., geregelt sein soll, ich Sie aber trotz mehrfachen Anrufes nicht erreichen konnte, habe ich Herrn Generalvikar Wosnitza gebeten, hierher zu kommen und an Ihrer Stelle in die Arbeit einzutreten. Ob er es tut, weiß ich noch nicht. Ich nehme es aber an. Er muss möglichst bald kommen, damit in der Arbeit keine Unterbrechung stattfindet. Es tut mir leid, dass ich diese Dinge nicht persönlich mit Ihnen besprechen konnte. Seit meiner Rückkehr von Hardehausen waren Sie nicht zu erreichen. Nunmehr bleibe ich längere Zeit fort, weil ich in die Schweiz und zu verschiedenen Wallfahrten reise. Sobald ich zurückkomme, werden wir endgültige Richtlinien festsetzen.“ (Diözesanarchiv Osnabrück, Generalia 06-36-46-82, Schreiben Kallers an Büttner vom 11. Juni 1947)

Die Promotoren Königsteins

191

Das Ringen um die Selbständigkeit, die Spannungen mit der Leitung und damit die Spannungen zum RKA bringt ein Brief Ramatschis an Kaller vom 13. Februar 1947 auf den Punkt. „Die letzte Besprechung über die Angelegenheiten des Seminars und Konviktes in Königstein hat die alten Bedenken von neuem wieder aufleben lassen. Die plötzliche Änderung der in der vorletzten Sitzung beschlossenen Planung erregt die Befürchtung, dass die räumliche und sonstige Selbständigkeit des Seminars wieder in Frage gestellt werden könnte. Darum halte ich es für meine Pflicht, noch einmal die dringende Bitte auszusprechen, dass dem Seminar die volle Selbständigkeit gewährt wird, dass alle Räume des zweiten und dritten Stockwerkes, mit Ausnahme des Magazinraumes für das Opus, dem Seminar zur Verfügung stehen, auch alle bisher als Wohnung benützten Zimmer beider Stockwerke. Ferner, dass wir mit zu Rate gezogen werden bei der Auswahl, Gestaltung und Umänderung der Seminarräume (Kapelle u.a.). Es geht auch nicht an, dass unter dem Gesichtspunkt der Übergangszeit die Verfügung und Entscheidung über alles beansprucht wird. Wenn wir mit der Selbständigkeit bis zur endgültigen Fertigstellung aller Einrichtungen warten sollen, dann wird das Seminar nie zu seinem notwendigen Eigenleben kommen. Alle das Seminar selber betreffenden Dinge u.a. auch die Frage der Aufnahmen gehören lediglich vor das Forum des Bischofs und der Seminaroberen. Nicht Freude an der Kritik oder mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit lassen mich diese Zeilen schreiben, sondern die ernste Verantwortung, die mir wieder durch das bedeutungsvolle Wort seiner Eminenz des Hochwürdigsten Kardinals von Köln, der doch gewiss als Fachmann für Fragen eines Priesterseminares angesehen werden kann, zum Bewusstsein gebracht wurde: „Was würde es auch nützen, wenn wir die äußeren Einrichtungen für die Heranbildung unserer Theologen aus dem Osten hätten, die Ausbildung selber aber unter starker Behinderung stünde und nicht das leisten würde, was sie soll und was von ihr erwartet wird.““67 Gleichsam kondensiert erscheinen hier die Vorbehalte der schlesischen Geistlichkeit gegenüber Büttner, von denen Janko in seinem Rückblick an die Anfänge von Königstein in Auseinandersetzung mit dem Buch von Maria Labonté spricht.68 Büttner habe sich wohl zu stark in die Erziehung der Theologen eingemischt. „Das Verhältnis zwischen Ramatschi und Büttner war wohl von Anfang an eher zurückhaltend bis kühl. Das Gleiche gilt auch von den anderen schlesischen Herren (Kleineidam69, Puzik, Krzoska70). Mir gegenüber als dem Präfekten des Schülerkonvikts war Büttner immer sehr freundlich, ein Zug, der ihn

67 68 69 70

RKA D XI.11b, Ramatschi an Kaller am 13. Februar 1947. Die Erinnerungen Jankos umfassen 11 S. masch. Janko berichtet auf S. 4 seiner Erinnerungen auch von einem Zwischenfall zwischen Büttner und Ramatschi. Erich Kleineidam (1905 – 2005); vgl. Nachweise zu den Dozenten auf S. 450. Josef Krzoska, geb. 1903 in Deutsch Piekar/OS, 1924 – 1928 Theologiestudium in Breslau und München, 1929 Priesterweihe. Zwischen 1929 und 1946 in verschiedenen kirchlichen Funktionen, u.a. 1934 – 1942 Präfekt im Knabenkonvikt zu Glogau und 1943 – 1946 Pfarrer in Streelen. 1939 kam er wegen staatsfeindlicher Jugendarbeit vor ein Sondergericht, wurde aber wegen des Kriegsausbruchs amnestiert. 1946 Ausweisung. Er starb 1990.

192

Abschnitt III

überhaupt auszeichnete. In der Auseinandersetzung betreffend Priesterseminar und Schule bekannte ich mich aber offen zur Meinung von Kindermann mit den anderen Geistlichen des Oberhauses.“ Man wollte sich in Seminar- und Hochschulangelegenheiten bzw. in den Vorstufen der Hochschule im philosophischen Studium nicht vom Ideengeber und Initiator des Königsteiner Unternehmens Albert Büttner hineinreden lassen. Das schweißte offensichtlich die Schlesier und Kindermann zusammen – so jedenfalls Janko in seinem Rückblick. Er sprach von Gegensätzen zwischen Büttner einerseits und Kindermann in Übereinstimmung mit Ramatschi und den übrigen Geistlichen im Oberhaus andererseits.71 Janko vermutete, es sei die Präferenz Büttners für ein katholisches Gymnasium in Frankfurter Raum gewesen, die seine Pläne für Königstein bestimmt hatten, wohingegen die schlesischen Geistlichen und Kindermann, die aus der Priesterbildung kamen, den Gedanken der Hochschule und des Priesterseminars in den Vordergrund rückten und sich damit auch nicht mit der Vorläufigkeit des philosophischen Studiums auf Dauer abfinden konnten, denn es war ja zunächst nur an ein viersemestriges, einmaliges Unternehmen im Philosophiestudium gedacht. Die weitere Zukunft war offen.

2.1.

Landsmannschaften, Ämter, Einflussnahmen

Auseinandersetzungen um die Ämter in Königstein hatte es von Anfang an gegeben. So intervenierte etwa der Schlesier Johannes Kaps72 bereits Ende Juni 1946 mit dem Hinweis auf die Stimmung im schlesischen Priesterkreisen, die Vorbehalte anmeldeten, weil das geplante ostdeutsche Zentralseminar in Königstein vom sudetendeutschen Prof. Kindermann als Regens geleitet werden sollte, obwohl doch etwa 180 Theologen aus Schlesien und Ermland 45 Sudetendeutschen im Studium gegenüberstanden. Kaps sah sich als Beauftragen der Erzdiözese Breslau; in dieser Mission bat er um Aufklärung über den gegenwärtigen Stand der Seminarfrage. Intention war, dass der vormalige Breslauer Regens Ramatschi in diesem Amt in Königstein verbleiben sollte. Auch für das zentrale Knabenseminar in Königstein machte Kaps schlesi-

71

72

Vgl. Anton JANKO, Erinnerungen an die Anfänge von Königstein verbunden mit Anmerkungen zum Buch von Maria Labonté: Albert Büttner – ein Leben für Glaube und Kirche in der Fremde. Mainz 1975, S. 3 (Manuskript für Augustinus Kurt Huber im Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien; künftig zitiert als ‚Erinnerungen an die Anfänge von Königstein’). Johannes Kaps (1906 – 1959), Jurist und Theologe, berichtete in mehreren Publikationen über die Situation in Schlesien bei und nach Kriegsende, berichtete darüber am 10. Oktober 1945 in einer Privataudienz auch Papst Pius XII.; er war Leiter des Kirchenbuchamtes in München und Mitbegründer der Eichendorff-Gilden. Joseph GOTTSCHALK, Johannes Kaps, in: GOTTSCHALK, Priesterbilder, Bd. 5, S. 221-225.

Die Promotoren Königsteins

193

sche Vorschläge.73 Zu diesen Platzkämpfen bemerkte Büttner: „Ihre Bemerkung vom 28. Juni hat mich eigentlich sehr traurig gemacht. Ist wirklich das die wichtigste Frage, ob ein Sudetendeutscher oder ein Schlesier Regens wird? Über diese Frage ist bis jetzt noch nichts bestimmt. Ich selbst maße mir in keiner Weise zu, darüber zu befinden. Das ist einzig und allein Sache der kirchlichen Autorität. Herr Prof. Kindermann ist für den Gedanken des Seminars sehr begeistert und auch bereit, mitzuarbeiten. Er würde sicher bereit sein, Regens zu werden, aber ebenso sicher ist, dass er bereit ist, das Amt einem Schlesier zu überlassen. Ich habe absichtlich wenig über die Gründung vorher geredet. Mein Gedanke war der, wenn die Gründung gelungen wäre, sie gleichsam als Geschenk des einheimischen Klerus an die ausgewiesenen Theologen und schließlich auch dem ausgewiesenen Klerus zu machen. Ich war so fest überzeugt, dass der ausgewiesene Klerus und Theologenschaft sich darüber freuen würde, dass ich gar nicht auf den Gedanken kam, es könnten gerade aus diesen Kreisen Schwierigkeiten und Gegnerschaften kommen. Ich musste auch deshalb recht vorsichtig sein, um das geplante Haus überhaupt zu bekommen. Dass es wegen seiner günstigen Lage und seiner sonstigen Eigenschaften sehr umworben ist und von vielen Stellen, u.a. auch von der Inneren Mission, in Anspruch genommen werden sollte. Ich habe das Haus nunmehr für den geplanten Zweck in sicheren Händen. Mag die Bischofskonferenz nun endgültig entscheiden.“74 Ähnliche Verwerfungen scheint es auch in der Personalplanung für das Gymnasium gegeben zu haben, warnte doch Ramatschi in einem Schreiben an Kaller, dass zu viele einheimische Lehrkräfte angestellt werden, vor allem, dass Büttner plane, den Direktor nicht aus den Reihen der vertriebenen Lehrkräfte zu nehmen, sondern einen Einheimischen zur Leitung zu bestellen. Ramatschi dachte wohl, in Kaller einen Verbündeten zu finden, um die Lösung im Sinne der Vertriebenen gestalten zu können. „Ich möchte nur zu bedenken geben, dass es doch eigenartig wirken müsste, wenn in einem Gymnasium, das grundsätzlich nur Schüler aus dem Osten aufnimmt, in dem ganz gewiss die größere Zahl der Lehrkräfte ebenfalls aus dem Osten seien, ausgerechnet der Leiter ein Herr aus dem Westen ist. Zumal er dem Alter nach jünger sein dürfte als die meisten Kollegen. Das müsste auf die Lehrkräfte, die nicht bloß Stellung, Hab und Gut, sondern auch die Heimat verloren haben, doch einen sehr peinlichen Eindruck machen. Darum bitte ich dringend, dass dem Charakter der Anstalt auch darin Rechnung getragen wird, dass an seine Spitze ein Herr aus dem Osten gestellt wird. Ich halte es auch für notwendig, dass die Bestellung der Lehrkräfte des Gymnasiums ebenso wie die der Dozenten des Seminars in gemeinsamer Beratung festgelegt wird.“75 Zu welcher Position Kaller sich in der Frage der Leitung durchgerungen hat, ist nicht festgehalten. In der Frage der Weiterbeschäftigung von Dr. Triller, auch wenn der sich mit der Bezahlung unzufrieden gezeigt hatte, notierte Kaller

73

74 75

RKA D XI.8b, Schreiben von Johannes Kaps, dem Beauftragten des erzbischöflichen Ordinariats Breslau-Görlitz, für die westlichen Gebiete an Albert Büttner am 28. Juni 1946 und am 10. Juli 1946. RKA D XI.8b, Brief Büttners an Kapps vom 16. Juli 1946, 2 S. masch., Zitat S. 2. RKA D XI.12, Schreiben Ramatschis an Kaller vom 13. Februar 1947.

194

Abschnitt III

freilich am Rande des Schreibens und mit diesem Notat gab er den Brief auch an Büttner weiter, dass er für die Beibehaltung Trillers als Lehrer in Königstein votiere. Das ist nicht verwunderlich, war Triller doch der Ehemann der Archivarin des ermländischen Bistums. Die verschiedenen Intentionen und unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen zwischen Kaller und Büttner, dann auch zwischen Kaller, Büttner und Kindermann mussten zwangsläufig immer wieder zu Schwierigkeiten, Enttäuschungen und Verwerfungen führen – nicht nur im Verhältnis von Büttner und Kaller, sondern auch im Hinblick auf die Erwartungen, die einzelne Mitarbeiter in Königstein hegten. So war offensichtlich etwa Studienrat Dr. Schwarz aus Oberstdorf an die St. Albert-Schule nach Königstein gekommen, weil ihm von Kaller zugesichert wurde, er könne am Priesterseminar in Königstein philosophische Vorlesungen halten. Diese Zusicherung war nach Kallers Tod hinfällig geworden, wie aus einer Aktennotiz von Dr. Schwarz im Juni 1948 hervorgeht. Auch bezüglich der Versorgung wurden die Vereinbarungen, die seinerzeit zwischen der Kirchlichen Hilfsstelle und den Lehrkräften der St. AlbertSchule geschlossen worden waren, als nicht mehr bindend hingestellt. Es bestehe keine Rechtskontinuität zwischen dem Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. und der Kirchlichen Hilfsstelle.76 Offensichtlich haben sich die Bischöfe in den Spannungen, die sich zwischen den Geistlichen, den Professoren und der Konviktsleitung in Königstein und Büttner aufbauten, auf die Seite Königsteins geschlagen. Das registrierte auch Kaller Anfang Juni 1947, der trotz seines gespannten Verhältnisses zu Büttner unterstrich, er könne und wolle von sich aus nichts dazu beitragen, um Büttner zu veranlassen, das von ihm gegründete Werk zu verlassen. Weiter unterstrich Kaller, dass er aber vor einigen Tagen bei einer Bischofskonferenz in Hardehausen war, an der auch die meisten Mitglieder des Königsteiner Seminarrates teilgenommen hatten. An Generalvikar Wosnitza schrieb er dazu: „Ich war besonders eingeladen worden, um über meine Aufgaben zu referieren. Im Laufe des Gesprächs kam der Wille zum Ausdruck, Monsignore Büttner eine andere Aufgabe zu übertragen. Sonach bin ich frei und wende mich nun mit der Bitte an Sie, ob Sie mir zur Seite treten wollen. Das Nähere über Ihre Stellung, über Ihre Rechte und über Ihre Pflichten können wir noch umrahmen.“77 Hier wird also sehr schnell eine andere Figur auf das Schachbrett geschoben, die sich vernachlässigt fühlte und die die Spannungen zwischen dem Projekt in Königstein und der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt und der Caritas immer wieder unterstrichen hat. Von den Bischöfen hielt wohl Dirichs von Limburg zu Büttner, seinem alten Freund, aber er konnte sich nicht gegenüber seinen Kollegen durchsetzen und Büttner in der Stellung als Leiter von Königstein halten.

76 77

RKA D XI.13b. Kaller am 6. Juni 1947 an Generalvikar Wosnitza AEM, Briefwechsel Kaller.

Die Promotoren Königsteins

2.2.

195

Ein Trägerverein soll die Zuständigkeitsprobleme lösen

Nachdem am 6. Juli 1947 Bischof Kaller gestorben war, drängte der Protektor für die Flüchtlingsseelsorge, der Kölner Erzbischof, Kardinal Frings mit einem Schreiben an den Regens des Königsteiner Priesterseminars, Prälat Ramatschi, auf die Bildung eines eingetragenen Vereins als Träger von Königstein. Der Vorstand dieses Vereins solle vom Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz ernannt werden.78 Das bedeutete eine Herauslösung Königsteins aus dem Zuständigkeitsbereich der Kirchlichen Hilfsstelle. Daher sollte die Sorge für die Deutschen aus Südosteuropa und die wissenschaftliche Behandlung des Flüchtlingsproblems als Aufgabenbereich bei der Hilfsstelle verbleiben. Außerdem wünschte der Kölner Kardinal mit eben diesem Schreiben, dass der philosophische Kurs nur noch bis Ostern 1948 weitergeführt werden solle. Ab diesem Zeitpunkt sollten nur noch das Konvikt und das Gymnasium bestehen. Das Priesterreferat, das Kaller vom Papst als Aufgabe übertragen bekommen hatte, sollte Kindermann in der bisherigen Weise weiterführen. Weiter vorangebracht wurden die Planungen für den Trägerverein auf einer Sitzung nach der Beerdigung Kallers, an der Büttner, der Regens von Königstein, Ramatschi, und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Frings, teilnahmen. Es wurde die Frage der Weiterverwaltung des Königsteiner Institutes eingehend besprochen. Büttner vertrat die Auffassung, dass Berning als Protektor der Kirchlichen Hilfsstelle auch das Protektorat über die Institute in Königstein habe. Außerdem habe der Kölner Kardinal gegenüber Ramatschi unterstrichen, dass das Opus Confraternitatis eine Abteilung der Kirchlichen Hilfsstelle sei und als solche weitergeführt werden solle, falls die Fuldaer Bischofskonferenz nichts anderes bestimme. Nach dem Tod Kallers drängte die Etablierung des Trägervereins. Der Kölner Kardinal berief für den 4. Dezember 1947 in Köln-Hohenlind eine Gründungsversammlung des Albertus Magnus-Kolleg Königstein e.V. ein. Anwesend waren Kardinal Frings, der Limburger Bischof Dr. Dirichs, Prälat Hartz, Prälat Monse, Propst Kather79 für die Ermländer, Prälat Büttner und Prof. Kindermann, außerdem der Geistliche Rat Lamay aus Limburg. Dort wurde der Satzungsentwurf für den Verein besprochen und diskutiert und dann längere Zeit über die Bestellung des Leiters beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen war insofern eine Überraschung, als Büttner gehofft hatte, selbst zum Leiter dieses Vereins und damit des Albertus-Magnus-Kollegs in Königstein berufen zu werden. Bestimmt aber wurde Prof. Kindermann aus Königstein.80 Dieses überraschende Ergebnis kann wohl nicht nur auf Spannungen zwischen Kindermann und Büttner zurückgeführt werden. Zwar sei es, so zumindest ein Gedächtnisprotokoll der Besprechung vor der Kölner Fahrt aus der Feder Kindermanns, der Wunsch der Königsteiner gewesen, dass für den Fall, dass Prälat Büttner von den 78 79 80

Eine Abschrift dieses Schreibens in RKA D XI.3. Arthur Kather (1883 – 1957); vgl. Alfred PENKERT, Höhere Mächte haben entschieden. Berlin 2008, S. 297-350. Vgl. Bestand Königstein Nr. 795, Niederschrift der Sitzung, 1 S. masch.

196

Abschnitt III

Bischöfen zum Leiter vorgeschlagen werden sollte, die Königsteiner zwar einverstanden sind, dann aber festgesetzt werden müsse, dass die Internatsleiter die Herren im Haus seien. Ansonsten würde kein Geistlicher seinen Posten behalten, wenn diese Hoheit nicht respektiert werde. Für den Fall, dass Büttner von den Bischöfen nicht vorgeschlagen werde, solle Kindermann ihn von Königstein aus auch nicht vorschlagen. Für den Fall, dass Kindermann damit die Königsteiner Stimmung zutreffend wiedergab, bedeutete das, dass die Königsteiner, so auch die Schlesier und Ermländer in Königstein, zu diesem Zeitpunkt Büttner nicht zum Leiter der Königsteiner Einrichtungen bestimmt haben wollten.

2.3.

Büttners Vorstellungen für die zentralen Organe der Vertriebenenbetreuung

Nach dem Tode Kallers tauchte die Frage auf, ob die Kirchliche Hilfsstelle unter dem Dach des Raphaelsvereins arbeiten solle, wie bisher überlegt worden war, oder ob sie in ihrem alten Programm, wie es der Bischofskonferenz 1946 vorgelegt worden war, weiterarbeiten solle. Wäre das Konzept Büttners so durchgeführt worden, dann wäre in der Tat der Bischof von Osnabrück der Protektor der Vertriebenenseelsorge geworden, dem die Beobachtung der besonderen Bedürfnisse der Seelsorge an Flüchtlingen und Ausgewiesenen zugesprochen wurde, der für eine Übergangszeit die notwendige Sonderbetreuung der Flüchtlinge und Ausgewiesenen begleitet hätte, die Vertretung der Flüchtlingsseelsorge vor den Deutschen Zentralbehörden, den Militärregierungen etc. übernommen, die Verbindung mit dem Hl. Stuhl gepflegt hätte und die Koordinierung der Flüchtlingsseelsorge mit der ordentlichen Seelsorge geleistet hätte. Büttner schlug vor, dass der Protektor, also der Osnabrücker Bischof, einen Rat berufen solle, dessen Vorsitz er führe. Dieser Rat sollte aus Vertretern der Volksgruppen, soweit als möglich auch aus Ordinarien der Heimatdiözesen, bestehen. Die Mitglieder des Rates sollten die spezifischen Bedürfnisse und Schwierigkeiten der von ihnen vertretenen Volksgruppen vorlegen und die Richtlinien für die Flüchtlingsseelsorge mit dem Sonderbeauftragten beraten. Büttner stellte damit Mitte Juli 1946 dem Osnabrücker Bischof das Grundkonzept des Katholischen Flüchtlingsrates vor. Schließlich sollte die Kirchliche Hilfsstelle, und damit deren Leiter Büttner das Organ des Protektors zur Durchführung der praktischen Seelsorgshilfe sein. Folgende Arbeitsgebiete sollte diese Hilfsstelle umfassen: das Priesterreferat, die Sorge um die Theologen und den Priesternachwuchs, das Opus Confraternitatis, das Schrifttum, Presse und Rundfunk, die volkssoziale Arbeit und die Volksgruppenarbeit. D.h. alle Aufgabenbereiche Königsteins und der Kirchlichen Hilfsstelle in München sollten unter der Leitung der Kirchlichen Hilfsstelle in Frankfurt, also unter Büttners Leitung zusammengeführt werden bzw. bleiben.

Die Promotoren Königsteins

2.4.

197

Der Seminarrat für Königstein

Die Fuldaer Bischofskonferenz setzte für Königstein einen Seminarrat ein. Auf der Tagung dieses Rates in Königstein am 4. Februar 1947 besichtigten die Mitglieder ein Hauptgebäude des Komplexes Königstein und beschlossen, dass außer dem Realgymnasium, für das bereits die staatliche Genehmigung erteilt worden war, verbunden mit dem Konvikt, ein philosophischer Kurs mit vier Semestern eingerichtet werden solle. Dieser Kurs sollte in Verbindung mit der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt St. Georgen in Frankfurt/M. durchgeführt werden. Bereits bei dieser Sitzung wurde beschlossen, dass der juristische Träger der Königsteiner Einrichtungen ein eingeschriebener Verein sein solle. „Zur Finanzierung steht zur Verfügung: ein Beitrag von Reichsmark 190.000, der für die geplante Einrichtung als Geschenk bereits im Mai 1946 zur Verfügung gestellt wurde. Ferner soll der Betrag von Reichsmark 120.000 für die Einrichtung des Konvikts und der von Reichsmark 30.000 für den philosophischen Kurs vom deutschen Episkopat bereitgestellt werden. Die weiteren notwendigen Mittel sollten durch Gaben von Verbänden, insbesondere des Werkes der Hl. Kindheit, des Ludwig-Missionsvereins, der Kirchlichen Hilfsstelle u.a. erbeten werden. Weitere Mittel werden durch Patenschaften der Gläubigen für einzelne Schüler durch gelegentliche Sammlungen und freiwillige Spenden erhofft. Als Name für die gesamte Einrichtung wurde „Haus Königstein“ bestimmt.“81 Der Seminarrat entschied, dass der philosophische Lehrgang in Königstein am 20. Mai 1947 mit den Vorlesungen beginnen sollte. Im Namen dieses Rates bat Kaller den Rektor der Lehranstalt St. Georgen in Frankfurt um die Ernennung eines Studienpräfekten, der die Verbindung von Königstein zu St. Georgen herstellen sollte und zwar in einer Weise, die den Jesuiten geeignet erschien. Gleichzeitig schlug er vier Professoren für den Lehrbetrieb in Königstein vor, nämlich: Prof. Jakob Barion, Professor für Philosophie in Braunsberg, dann Prof. Dr. Erich Kleineidam, den früheren Hochschulprofessor am Priesterseminar in Weidenau für Philosophie und Fundamentaltheologie, dann Prof. Dr. Kindermann, früher Regens des Priesterseminars in Prag für Kirchengeschichte und Monsignore Dr. Ramatschi, den früheren Privatdozenten in Breslau und Regens des dortigen Priesterseminars.

2.5.

Enttäuschung über eine kurze Übergangslösung

Am 13. März 1947 hatte Ramatschi einen Brief an Kardinal Frings geschrieben, in dem er seine Verwunderung zum Ausdruck brachte, dass für die Theologen nur ein philosophisches Studium eingerichtet werden sollte, zumal doch, auch wenn das Studium der Theologen in den ersten Semestern deutlich einen philosophischen Schwerpunkt hatte, es immer Studium der Theologie hieß. Ramatschi wandte sich offensicht-

81

RKA D XI.8d, Bericht über die Tagung des Seminarrates in Königstein am 03 u. 04. Februar 1947, 3 S. Maschinenschrift, Zitat S. 2f.

198

Abschnitt III

lich indirekt gegen die Vorsichtsmaßnahme von Frings und anderen westdeutschen Bischöfen, die Königstein nur eine kurze, vorübergehende Phase zur Ausbildung der Theologen zugestehen wollten und deswegen unter der Leitung der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt nur einen philosophischen Kurs einrichten wollten, zumindest für die Anfangsphase, in der große Unsicherheit herrschte. Große Unsicherheit bestand hinsichtlich der Möglichkeit, wie ein solches Extra-Ordinariat an Studienort und Studienmöglichkeit finanziert werden sollte. Ramatschi brachte in seinem Schreiben indirekt zum Ausdruck, dass eine solche Kurzvariante nicht den Erwartungen der Geistlichen und der Theologiestudenten aus dem Osten entsprach. Ihm schwebte wohl als klares Ziel ein volles Theologiestudium vor Augen. Dessen Leiter sollte ein Schlesier sein. Da er die Möglichkeit, diesen umfassenden Plan zu realisieren, deutlich in Frage gestellt sah, stellte Ramatschi seinen Posten in Königstein und damit seine Mitarbeit in Königstein zur Disposition, indem er Frings anbot, in die Seelsorge zu gehen, vor allem in die Seelsorge der nord- oder mitteldeutschen Diaspora, wo zunehmend und dringlicher Seelsorger benötigt würden. Von diesem Plan wollte Frings ihn in seinem Antwortschreiben vom 24. März 1947 ganz klar abbringen, da er doch andere Fähigkeiten einzubringen habe. Frings habe auch bereits in Bonn vorgefühlt, ob Ramatschi nicht dort eine Professur bekommen könne. Er versuchte, Ramatschi die abwägende, vorsichtige, zögernde Haltung der westdeutschen Bischöfe zu plausibilisieren, die sich ganz bewusst vorerst nur für den philosophischen Kurs entschieden hätten, da es in der gegenwärtigen Situation völlig unklar sei, wie eine solche Einrichtung finanziert werden könne.82

2.6.

Die Resignation Büttners

Büttner hatte mit einem Schreiben an den Verwaltungsrat in Königstein vom 6. Dezember 1947 den Vorsitz niedergelegt, nachdem am 4. Dezember der Verein Albertus-Magnus-Kolleg gegründet und Kindermann als Leiter bestimmt worden war. „Da Prof. Kindermann in absehbarer Zeit auch offiziell die Leitung von Königstein übernehmen wird, halte ich es für angebracht, wenn ich schon jetzt den Vorsitz im Verwaltungsrat niederlege und damit Herrn Prof. Kindermann die Gelegenheit gebe, die Angelegenheiten von Königstein so zu regeln, wie es seinen Plänen entspricht. Obwohl bis zur Eintragung des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg Königstein die Kirchliche Hilfsstelle Träger bleibt, delegiere ich Herrn Prof. Kindermann für die Leitung des Kollegs, soweit sie bisher von mir ausgeübt wurde. Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung wird sobald als möglich erfolgen. Es wird festgestellt, was von dem in Königstein vorhandenen Mobiliar Eigentum der Kirchlichen Hilfsstelle ist und diese Aufstellung sobald als möglich überreicht werden. Für die Übergangszeit wird 82

Vgl. dazu HAEK CR II 25.20b,8, „Allgemeines“, betreffend die Vertriebenen. Der Brief Ramatschi an Frings vom 13. März 1947, das Antwortschreiben von Frings an Ramatschi vom 24. März 1947.

Die Promotoren Königsteins

199

von der Kirchlichen Hilfsstelle ein Betriebskredit zur Verfügung gestellt. Der bis 31.12.1947 bereits verbrauchte Betriebskredit wird eine Höhe von 150.000 RM erreichen. Sollten bis zum 31.12.1947 weitere Gelder dem Kolleg noch nicht zugeflossen sein, kann der Kredit um etwa 50.000 RM erhöht werden. Bis dahin ist zu hoffen, dass Gelder, die für das Kolleg bestimmt sind, eingegangen sind. Es ist zu empfehlen, sofort ein Bankkonto Albertus-Magnus-Kolleg einzurichten, für das Herr Prof. Kindermann zeichnungsberechtigt ist.“83 Der Bischof von Limburg kommentierte den Schritt Büttners so: „Da erhalte ich Deinen Brief und den Durchschlag Deines Briefes an Herrn Prof. Kindermann. Dass ich nicht wenig darüber erschrocken bin, kannst Du Dir vorstellen, denn Dein Brief ist doch ehrlich gesagt nichts anderes, als das Zuschlagen der Tür nach der Neuregelung, der Abbruch einer guten und gedeihlichen Zusammenarbeit im Interesse Deines Werkes in die kommende Zeit hinein. Das tut mir herzlich leid! Ich verstehe die Schwierigkeit Deiner Situation voll und ganz. Es war mir nicht leicht, bei der Besprechung in Köln in dieser Richtung zu entscheiden, aber ich glaubte nach Rücksprache mit dem Herrn Kardinal und nach Überlegung aller Gründe für und wider so entscheiden zu müssen im Interesse des Ganzen. Damit solltest Du nicht desavouiert werden, sondern ich wollte eine Übergangszeit schaffen, in der sich die Dinge klären sollten durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Dir und mir auf der einen Seite und den Herren aus dem Osten auf der anderen Seite. Ich wollte Dir niemals mein Vertrauen entziehen, wollte aber auch in dieser Lage die Spannung, die nun einmal durch persönliche Dinge besteht, aufheben und eine günstigere Gesamtlage schaffen. Es tut mir sehr leid, dass Du hier das Persönliche vor das Sachliche stellst. Du hast doch gemerkt, dass es Prof. Kindermann selbst nicht lieb ist, diese Lösung als Last auf sich zu nehmen und dass er selbst Deiner Hilfe bedarf und darum gebeten hat. So ergibt sich doch ganz ungezwungen Deine Weiterarbeit bis zu einer Lösung in einem glücklicheren Zeitpunkt. Wir sprachen auch noch darüber, dass wenigstens noch ein halbes Jahr ins Land gehen könnte, bis eine endgültige Übertragung der Verantwortung an den neuen Leiter des Albertus-Magnus-Kollegs e.V. vollzogen werden kann. Wenn Du dieser Lage nun Rechnung getragen hättest, dann wäre es doch für Dich und die Sache viel besser gewesen. Wenn Du jetzt aus persönlicher Überreiztheit, und ich kann Deine Verärgerung aus den dummen Gerüchten, die herumlaufen, wohl verstehen, einen Kurzschluss vollziehst, so ist doch weder Dir noch der Sache Königstein geholfen. Ist es denn nicht möglich, diese unsachliche Entscheidung zu revidieren?“84 Dirichs wollte Büttner eine goldene Brücke bauen, appellierte daran, an die Sache zu denken und sich in einer günstigeren Zukunft in persönlicher Selbstlosigkeit von dem Werk in Königstein zu trennen. Die goldene Brücke bestand darin, dass er ihn bat, bei seinem Besuch in der kommenden Woche in Königstein ihn zu begleiten und dort den ganzen Komplex mit den dazu notwendigen Herren, die Büttner ja besser kenne als Dirichs, zu besprechen. Er bot Büttner auch

83 84

Diözesanarchiv Limburg, 16A/1. Ferdinand Dirichs am 11. Dezember 1947 an Büttner, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1.

200

Abschnitt III

zuvor eine persönliche Aussprache in Frankfurt an. Aber sein Heimatbischof konnte diesen nicht umstimmen, die Entscheidung des Rücktritts zu revidieren.

2.7.

Der Versuch einer Einordnung im Rückblick

Im Februar 1981 äußerte sich der ehemalige Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein, Dr. Anton Janko85, in einer ausführlichen Aufzeichnung seiner Erinnerungen an die ersten Jahre von Königstein gegenüber der Schilderung von Maria Labonté hinsichtlich der Anfänge der Königsteiner Anstalten, des Mitwirkens Maximilian Kallers und Büttners Stellung in diesem Kontext:86 Die Autorin sei zwar bestrebt gewesen, objektiv zu schreiben, doch seien seine Erinnerungen nicht in allen Punkten mit der Auffassung von Labonté identisch.87 Janko war nach einer kurzen Kaplanszeit im Bistum Mainz nach seiner Vertreibung im Juni 1946, wohl auf Vorschlag Kindermanns, vom Vertriebenenbischof Kaller zum Präfekten für das Schülerkonvikt, das Ostern 1947 eröffnet wurde, berufen worden. Kindermann gehörte in dieser Zeit nicht zum Leitungsgremium von Schule und Konvikt. Er war von Bischof Kaller mit Aufbau und Leitung des Priesterreferates betraut worden, das die ostvertriebenen Priester sammeln und betreuen sollte. Er trug zu dieser Zeit für die Königsteiner Häuser noch keine Verantwortung, sondern war intensiv und extensiv seelsorgerlich tätig; vor allem an Sonntagen hielt er Gottesdienste für Vertriebene in den verstreuten hessischen Diasporagemeinden.88 Auch Janko bestätigte Büttners Initiative für die Sammlung der Theologen der deutschen Ostgebiete, die bereits auf die Zeit 1945/46 zurückgehe. Deutliche Belege dafür sind ihm der Brief Pius‘ XII. und die Verhandlungen mit dem hessischen Staatsministerium, die Labonté dokumentiert. Diese Initiative sei in der Folgezeit allein Kindermann zugesprochen worden.

85

86 87 88

Anton Janko, 1909 in Muckenbrunn im Kreis Iglau geboren, studierte 1930 bis 1939 in Rom Philosophie, Theologie und Bibelwissenschaft. 1935 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Während des Zweiten Weltkriegs in der Pfarrseelsorge wurde er am 25. April 1947 von Kaller als Präfekt an das Schülerkonvikt in Königstein berufen. Von der Gründung der Hochschule bis zu ihrer Sistierung lehrte Janko Altes Testament, zuerst als Lehrbeauftragter, dann als Dozent und seit dem 1. September 1957 als Professor für alttestamentliche Exegese und biblische Sprachen. Vom 1. September 1977 bis 1. September 1978 leitete er das AMK kommissarisch. „Er verstand es meisterhaft, als Professor und Priester bei seinen Studenten die Liebe für die Heilige Schrift und die hebräische Sprache zu wecken. Seine enge Verbundenheit mit dem Königsteiner Werk zeigt seine Beliebtheit bei den zahlreichen Pilgern, die er auf den Pilgerfahrten von Königstein aus nach Rom, Lourdes, Fatima, Mariazell begleitete. Besonders seine Wallfahrten ins Heilige Land sind bei den Pilgern noch in lebhafter Erinnerung.“ Gestorben ist Janko am 26. August 2000. Vgl. Institut für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien, Dossier Kindermann. Vgl. ebd., 1. Janko in Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 3-2000, S. 19. Vgl. ebd., S. 2.

Die Promotoren Königsteins

201

Zusammen mit dem Lehrerkollegium der St. Albert Schule habe Büttner den Plan eines großen katholischen Gymnasiums für den Frankfurter Raum verfolgt, während er den philosophisch-theologischen Kurs auslaufen lassen wollte. Das Bistum Limburg sei dem Plan offensichtlich wohlwollend gegenübergestanden. Kindermann und die „schlesischen Herren“ hätten hingegen verständlicherweise eine gegenteilige Position eingenommen. Sie setzten sich vehement für ein Priesterseminar mit Hochschule ein. Das Schülerkonvikt sollte bestehen bleiben; man wollte eine Rekrutierungsstätte für den Priesternachwuchs. Der Vorrang sollte aber eindeutig dem Priesterseminar eingeräumt werden.89 Nach Büttners Ausscheiden aus der Leitung der Königsteiner Anstalten sei diese Auffassung von Kindermann den deutschen Bischöfen gegenüber immer wieder verfochten worden. Diese Entwicklung sieht Janko als Grund dafür, dass in späterer Zeit Büttner als unbestrittenes Verdienst zuerkannt wurde, dass er für die Königsteiner Werke die dortigen Kasernen erworben, nicht aber, dass er ein eigenes Priesterseminar für Osttheologen in Königstein intendiert und dafür den Grund gelegt habe. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen haben laut Janko zwischen Büttner und Kindermann – dieser in Übereinstimmung mit den schlesischen Herren – mehr und mehr das gegenseitige Vertrauen zerstört und zu einer gewissen Gereiztheit geführt. 90 Das Verhältnis Kindermanns zu Büttner sei anfangs ohne Zweifel freundschaftlich gewesen. Die Meinungsverschiedenheiten um die Zielsetzung Königsteins habe diese Freundschaft aber getrübt bis hin zu deren Bruch, nachdem Kindermann die Leitung der Königsteiner Anstalten übernommen hatte. Das Verhältnis Kindermanns zu den schlesischen Leitungsfiguren in Königstein bezeichnet Janko als aufrichtig und gut,91 während der Mitarbeiter des apostolischen Nuntius, Pater Ivo Zeiger, ein Freund Büttners, Kindermann gegenüber eher zurückhaltend, wenn nicht leicht ablehnend gewesen sei.

89 90

91

Vgl. ebd., S. 3. Welche aufschlussreichen Skurrilitäten die Gereiztheit annehmen konnte, zeigt ein Beispiel, das Janko anführt: „Prälat Büttner machte damals u.a. den Vorschlag, im Speisesaal der Theologen (im OH) sollte mit den Theologen zusammen die gesamte Hausgemeinschaft, also neben den Schülern auch alle Angestellten männlichen und weiblichen Geschlechts gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen. Das schiene ihm schon aus erzieherischen Gesichtspunkten sinnvoll und gut. Darauf antwortete Regens Ramatschi sehr gereizt: 'Herr Prälat, von Theologenerziehung verstehen Sie einen Dreck', stand auf und verließ das Zimmer. Die Sitzung war jäh zu Ende, sie war zugleich die letzte.“ Eine Szene vom Beginn des Wintersemesters 1947/48, die nicht zuletzt ein bezeichnendes Licht auf das differierende Verständnis von Kleruserziehung und das Selbstverständnis des Königsteiner Leitungspersonals wirft. (Dossier Kindermann, S. 4). Ebd., S. 4.

202

Abschnitt III

3.

Adolf Kindermann

Nicht allein das Grab Kindermanns in unmittelbarer Nachbarschaft zum ersten Vertriebenenbischof Maximilian Kaller, sondern auch die Gedenkschrift „Weihbischof Dr. Adolf Kindermann. Leben, Werk und Wirken“,92 wie auch die bisher publizierten kurzen biographischen Skizzen wollen die zentrale Position Adolf Kindermanns für die bundesdeutsche Vertriebenenseelsorge zum Ausdruck bringen und ihn als einen „Vater der Vertriebenen“, der den entwurzelten ostdeutschen Katholiken ein Begegnungs-, Studien- und Wallfahrtszentrum verliehen hat, würdigen.93 Mit seinen Initiativen für die zahlreichen und vielfältigen Einrichtungen und Foren zur Vertriebenenseelsorge und für die Begegnungen (vor allem der vertriebenen) Katholiken mit den Kirchen im Ostblock war Kindermann ohne Zweifel ein zentraler Initiator und Träger der Vertriebenenseelsorge; als solcher soll er hier vorgestellt werden – nicht nur mit den Daten zu seinem Lebenslauf, sondern mit seinen grundlegenden Ansichten und Anliegen und einigen markanten Stimmen zur Einordnung und Bewertung seiner Arbeit. Wenn in diesem Kapitel die Grundgedanken und Ziele Kindermanns, die er in seinen unzähligen Vorträgen und vielen Zeitschriftenbeiträgen entfaltet hat, analysiert werden, dann sind damit durchgängige Perspektiven vorgetragen, die das Wirken Kindermanns in Königstein, das im äußeren Verlauf in den folgenden Abschnitten und Kapiteln weiter ausgeführt wird, motivierten und prägten.

3.1.

Ein wohlwollendes Andenken – das traditionelle Bild und biographische Eckdaten

Rudolf Mattausch, Lehrer am Gymnasium, zeitweise stellvertretender Direktor und Mitarbeiter Augustinus Hubers im Institut für Kirchengeschichte, stellte in seiner Kurzbiographie Kindermanns den sudetendeutschen Prälaten von Königstein in einen weiten und berühmten familiären Horizont94: Er griff bis auf den geadelten Bischof von Leitmeritz, Ferdinand Kindermann, den Schulreformer und Schulorganisator unter Kaiserin Maria Theresia zurück.95 Die Brücken wurden bis zu einem eindeuti-

92

93 94

95

SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, KÖNIGSTEIN/TS. (Hg.), Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, dargestellt von Mitbrüdern, Mitarbeitern und Freunden (= Schriftenreihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Königstein). Königstein/Ts. 1976, S. 22. Vgl. dazu BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? S. 113-160. Rudolf MATTAUSCH, Adolf Kindermann, der sudetendeutsche Prälat von Königstein, in: Sudetenland, Vierteljahresschrift für Kunst, Literatur, Wissenschaft und Volkstum 7 (1965), S. 8183. Ferdinand Kindermann (1740 – 1801). Kurt A. HUBER, Ferdinand Kindermann, in: Erwin GATZ, Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 – 1803. Ein biographisches Lexikon. Berlin

Die Promotoren Königsteins

203

gen Vertreter aufklärerischen Geistes geschlagen, es sind gleichzeitig Brücken in die soziale und volksreligiöse Herkunft. Kindermann kam wie sein bedeutender Namensvetter aus einer bäuerlichen Familie. Am 8. August 1899 in Neugrafenwalde bei Schluckenau geboren, war er ein typischer Vertreter des sogenannten böhmischen Niederlandes, eine besondere Variante des katholischen Milieus, wie aus der Charakterisierung, die Karl Braunstein96 skizzierte, hervorgeht. Schluckenau, Rumburg und Warnsdorf bilden die nördlichste Spitze Böhmens. Sie sind eine typische Grenzlandschaft: Offen für Außenkontakte und Brückenfunktionen, von außen Impulse aufnehmend, von Tendenzen, die den böhmischen Katholizismus prägten, allenfalls marginal berührt. Sie blieben von mancher geistigen Entwicklung des böhmisch-sudetendeutschen Raumes unberührt. Die Leute lebten in einer anmutigen Landschaft, meist als Landwirte oder Weber. Mattausch ordnete Kindermann aufgrund dieser Herkunft kritische Wachheit und bäuerlich gesunde Beständigkeit zu.97 Das Jahr war reich und tief von der Volksfrömmigkeit strukturiert.98 Das Wallfahren, das sich speziell auf den Marienerscheinungsort Philippsdorf bezog, und die Feier von Heiligenfesten, wobei besonders das Annafest von Bedeutung war, sind ein Indiz entweder für Relikte oder für Reaktionen auf die aufklärerischen

96 97 98

1990, S. 224-226. – Eduard WINTER, Ferdinand Kindermann Ritter von Schulstein (1740/1801), der Organisator der Volksschule und Volkswohlfahrt Böhmens. Ein Lebensbild nach archivalischen Quellen. Augsburg 1926. Siehe zu Braunstein S. 447 in den Nachweisen der Dozenten. Vgl. Mattausch, in: Sudetenland, S. 81. Diese beschreibt Karl Braunstein in seinem Beitrag über Kindermann, den Bischof des böhmischen Niederlandes folgendermaßen: „Die meisten waren Bauern oder Weber. Herzhaft feierten sie die Kirchenjahre mit. In Vorfreude stapften sie durch den Schnee zur frühzeitigen Rorate, um mit dem „Sieh es wird der Herr sich nahn“ die Adventsmesse zu beginnen. Dann wurden Weihnachtskrippen – mitunter über die halbe Stube – aufgebaut. Bei den Fastenpredigten wechselten die Nachbarsgeistlichen untereinander ab. Nach der Auferstehungsfeier am „Heiligen Grab“ sangen die Osterreiter die Osterbotschaft durch die Gemeinden und trugen als Herolde Gottes die österliche Zuversicht bis ins letzte Haus: Gott zerstört sein Werk nicht, er vollendet es! In den Herzen leuchtete das dreifache „Lumen Christi“ auf: Nicht die Sünde, sondern die Gnade, nicht das Leid, sondern die Freude, nicht der Tod, sondern das Leben hat das letzte Wort. Unvergesslich schließlich unsere Fronleichnamsprozessionen – wie wir da z.B. in Hainspach mit den historischen Zunftfahnen durch die Lindenallee zogen und mit den Bläsern das „O Engel Gottes, eilt hernieder“ anstimmten! Das Annafest auf dem Annaberg und Mariä Himmelfahrt zu Wölmsdorf wurden eine ganze Oktav lang mit Früh- und Abendgottesdienst und jeweiliger Predigt begangen. Wiederum weitete die das Irdische sprengende Zielrichtung der echten christlichen Hoffnung das katholische Herz. Wie viele endlich hielten Rast, holten sich Lossprechung, Trost und Kraft im Kapuzinerkloster zu Rumburg und – die letzten Jahrzehnte – im Wallfahrtsort der „Helferin der Christen“ zu Philippsdorf, dessen neuerbaute Basilika die beim Volke beliebten Redemptoristenpatres betreuten. Wortgewaltige Prediger standen nicht nur sonn- und festtags auf der schlichten Kanzel der dicht gefüllten Kirche.“ (Karl Braunstein: Adolf Kindermann – Ein Bischof des böhmischen Niederlandes, in: FS Kindermann, S. 48-53; 48.)

204

Abschnitt III

Maßnahmen. Die zentralen kirchlichen Feste des Jahres strukturierten weit über den engeren kirchlichen Raum hinaus das gemeindliche, private und Vereinsleben. In diesem katholisch volksfrommen Milieu wuchsen zahlreiche Priesterberufe heran. Braunstein hob die acht Geistlichen des Niederlandes heraus, die neben Kindermann nach der Vertreibung in Königstein vor allem in der Lehre wirkten; auch Braunstein selbst gehörte als Kirchenrechtler und damit Nachfolger Kindermanns erst auf dem Lehrstuhl für Kirchenrecht, später auch in der Leitung des Königsteiner Trägervereins Albertus-Magnus-Kolleg e.V. (AMK), dazu. Nicht ohne Stolz erwähnte Braunstein die acht Priester des böhmischen Niederlandes, die die Bischofswürde erlangten. In die Reihe der bischöflichen Vorgänger suchte er denn auch Kindermann thematisch einzuordnen: Der unüberwindliche Vorsehungsglaube und vor allem die Überzeugung von der Bedeutung des Naturrechts, habe ihn mit Wenzel Frind99 verbunden. Persönlich seien die ‚Niederland’bischöfe anspruchslos gewesen, und längst vor dem Zweiten Vatikanum habe Kindermann das Amt als Dienst aufgefasst. Geistige Gewecktheit, Tätigkeitsdrang und kirchliche Verbundenheit bescheinigte Braunstein in Übereinstimmung mit Augustinus Kurt Huber den „Niederländern“. Zentrales Charakteristikum war schließlich die enge Verbundenheit mit der Kirche, die sich bei Kindermann in den zahlreichen Predigten über die Mutter Kirche manifestierte. Kindermanns Marienverehrung war sehr ausgeprägt, exemplarisch fassbar an besonderen Ereignissen. Zum 100. Jahrestag der Errichtung der Wallfahrt in Philippsdorf wallfahrtete er 1966 nach Maria Zell. Königstein selbst machte er mit der „Mutter der Vertriebenen“, einer Statue, die die Kollegskirche seit 1952 schmückt, zum Wallfahrtsort.100 Der erste Julisonntag wurde als Königsteiner Wallfahrtstag etabliert. Neben der Wallfahrt zeichnete sich die Marienverehrung vor allem durch die zahlreichen Maiandachten aus, wie Kindermann sie nicht zuletzt durch die Jesuitenschule in Maria Schein gewohnt war. Für die Wahl des Priesterberufes schrieb Kindermann seiner Mutter großen Einfluss zu. Er sah sich geradezu bestätigt, in der Konstatierung der Mutterfreude, wie sie schöner nicht gedacht werden könne, wenn sich die Mutter beim täglichen Empfang der Eucharistie geradezu königlich gefühlt habe. „Am 15. August lasen wir in der Zeitung (Prager Tagblatt) meine Ernennung zum ao. Universitätsprofessor. Wie sich doch die Mutter freute! Da stiegen ihr wohl die Bilder der Jugend im Geiste auf, wie ihre Kinder alle noch klein waren, wie sie alle großgezogen, zu guten Menschen ge-

99

100

Vgl. Robert A. KANN, „Frind, Wenzel Anton“, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 615 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd137507844.html, aufgesucht am 14.10.2013. Zur Schutzmantelmadonna und der Marienwallfahrt nach Königstein vgl. Rudolf GRULICH, Ein Jubiläum in Königstein – 50 Jahre Mutter der Vertriebenen, in: Mitteilungen des Sudetendeutsches Priesterwerkes 2/2002, S. 5-6. – DERS., Maria – Königin des Ostens. Wallfahrten zu marianischen Pilgerorten Osteuropas. München 2011, S. 19-23.

Die Promotoren Königsteins

205

macht hatte und wie nun wieder alle die Ihren an ihr, der Mutter, hingen, sie liebten und verehrten.“101 Eine enge Mutterbindung Kindermanns und seine Faszination an der Frömmigkeit der Mutter belegt der Auszug aus dem Tagebuch zu seiner Zeit als Weihbischof, der in dem Erinnerungsband „Leben, Werk und Wirken“ abgedruckt ist.102 Der häufige Empfang der Eucharistie, der tägliche Besuch der Frühmesse in der Krankenhauskapelle, ein ausführliches Morgengebet vor der Mutter-Gottes-Statue und eine bewundernswerte Ergebenheit gegenüber Gott dem Herrn – dies unterstrich Kindermann als Grundzüge der Frömmigkeit seiner Mutter. Selbst als Kindermann zu seiner Eröffnungsvorlesung nach Prag fuhr, nahm er gleich wieder den Nachmittagszug, um zu seiner schwächer gewordenen Mutter heimzukommen. „Die Mutter hing innigst an mir. Wir waren auch ein Herz und eine Seele. Es ruht ein mächtiger Segen auf einer Familie und besonders auf einer Mutter, die dem Herrn einen Priester schenkt.“103 Als frühe prägende indirekte Erfahrungen, die er über seine Eltern erzählt bekam, gehörte der Rumburger Katholikentag, ein wichtiges Ereignis in den Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Kirche und der nationalliberalen Los-von-RomBewegung. „Von hier waren aber auch jene starken Impulse katholischer Gemeinschaftsbildung und festen Zusammenschlusses ausgegangen, an denen der junge Theologe aus dem Niederlande einen besonderen Anteil haben sollte.“104 Für diese neue Bewusstmachung des Katholischen dürfte Kindermann die erste Prägung auf dem Jesuitengymnasium in Maria Schein erhalten haben, wo er 1919 die Matura erworben hatte.

3.2.

Studienzeit und erste Tätigkeit als Priester und Professor

Mindestens so deutlich, wie die distanzierte Sicht der böhmischen Verhältnisse, die Kindermann laut Mattausch in Rom gewonnen haben soll, hat sich wohl auch die Kindlichkeit gegenüber der Mutterkirche in Rom verstärkt bzw. ausgebildet. Von 1920 bis 1924 studierte er an der internationalen Missionshochschule der Propaganda Fide in Rom. Mattausch war es wichtig, auf junge Professoren und Kommilitonen Kindermanns hinzuweisen, die später wichtige Posten an der Kurie erhalten haben, so die Kardinäle Tardini105, Ruffini106 und Ottaviani107. Letzteren scheint Kindermann

101 102 103 104 105 106

Ebd., S. 104. Vgl. FS Kindermann, Krankheit und Tod der Mutter Kindermann aus dem Tagebuch des Weihbischofs, S. 104-108. Ebd., S. 105. MATTAUSCH, S. 81. Vgl. zu Tardini Carlo F. CASULA, Domenico Tardini (1888 – 1961). L'azione della Santa Sede nella crisi fra le due guerre. Ed. Studium. Rom 1988. Vgl. zu Ruffini Angelo ROMANO, Ernesto Ruffini. Caltanissetta 2002.

206

Abschnitt III

besonders geschätzt zu haben, was Vorvermutungen über seine Ausrichtung durchaus zulässt. Ottaviani war ein streng konservativer, strukturhöriger, traditionell denkender Theologe an der Spitze des Sacrum Officium, der über die Reinheit der katholischen Lehre wachte. Das Studium an der Propaganda-Universität war streng auf die neuthomistische Philosophie und Theologie fixiert. Nüchtern hielt Augustinus Kurt Huber fest, dass die Berührung mit modernen Gedankengängen sich vor allem in polemischer Auseinandersetzung, in der Verteidigung der kirchlichen Lehre und Überlieferung vollzogen habe. Es sei um Systemwissen, um klare Begriffe und Definitionen gegangen, wohingegen der praktischen Theologie, dem Bibelstudium und der Kirchengeschichte wenig Raum gewährt wurde. 108 Der zweite Studienaufenthalt Kindermanns in Rom (1928 – 1931) war dem weltlichen und kirchlichen Recht gewidmet, das er an der Lateranhochschule hörte. 1933 erlangte Kindermann die Advokatur an der römischen Rota und der Apostolischen Signatur, der höchsten Appellationsinstanz. Gleichzeitig lernte Kindermann in seiner Romzeit wohl sehr gut Tschechisch und Italienisch und entwickelte eine ausgeprägte Liebe zur Ewigen Stadt. Er sei, so Augustinus Kurt Huber, in Rom verliebt gewesen. Man könne es nicht anders nennen. Deswegen war er auch im Lauf seines Lebens wiederholt in der Ewigen Stadt und selbst von der schweren Krankheit gezeichnet, hat er gegen allen medizinischen Rat noch ein Jahr vor seinem Tod einen Flug nach Rom erzwungen. Das Erlebnis der Ewigen Stadt und des Papsttums hat ihn tief geprägt.109 Huber unterstrich vor allem die positiven Folgen: Jeglicher Provinzialismus war ihm unbehaglich wegen der Enge und Begrenztheit, da er den ganzen Erdkreis irgendwie als Heimat empfunden habe; sein Blick sei seit seinem Romaufenthalt immer ins Universale gegangen.110 Dennoch bezog sich Kindermann immer wieder sehr

107 108 109 110

Vgl. zu Alfredo Ottaviani (1890 – 1979) E. CAVATERRA, Il prefetto del Sant’Offizio. Mailand 1990. Augustinus Kurt HUBER, Adolf Kindermann: Studium, akademische Laufbahn und Wissenschaft von, in: FS Kindermann, S. 25-30. Vgl. HUBER, in: FS Kindermann, S. 27. Aufschlussreich ist ein Hinweis Hubers im zweiten Gedenkartikel, den er zum 65. Geburtstag Kindermanns geschrieben hat, wo er relativ ausführlich auf das Romstudium Kindermanns zu sprechen kommt. Er setzt sich mit dem gängigen Urteil auseinander, dass man dem Romstudium deutscher Kleriker nicht immer vorurteilslos gegenübergestanden sei, da es von den Nöten und Problemen des eigenen Volkstums und der engeren Heimat zu weit entfernt habe. Huber kann diesem angeblichen Vorurteil nicht zustimmen. Er lehnt es aber auch nicht völlig ab. Er wendet es insofern ins Positive, als er zum Ausdruck bringt, dass jedes Auslandsstudium eine Distanz zum Eigenen mit sich bringe, und zwar nicht nur in räumlicher Hinsicht. Das sei sogar die Intention eines Auslandsstudiums. Der Distanzgewinn durch die römischen Studien sei bei Professor Kindermann besonders günstig gewesen. „Oft mit größerer Klarheit und Treffsicherheit als andere erkennen solche ‚Römer‘ die Gefahrenstellen und Nöte ihres Volkes und ihrer Heimat. Es wäre dem Sudetendeutschtum bekömmlicher gewesen, wenn nach 1918 dem Auslandsstudium mehr Bedeutung beigemessen worden wäre. So erfuhr z.B. die Offenheit für universale menschheitliche Bezüge der Zwischenkriegszeit nicht die gebührende Wertschätzung.“ (Bohemia, 5 (1964), S. 489) Provinzialismus sei Kindermann immer suspekt gewesen. Gerade für Königstein sei es bezeichnend, dass der Leiter immer weltweite Kontakte unterhalten konnte.

Die Promotoren Königsteins

207

deutlich auf die provinziell engere Heimat, mit der er sich engstens verbunden wusste, mit deren Vertretern er sich zuhauf umgab. Eine weitere Konsequenz des Romaufenthaltes nannte Huber en passant, nämlich dass für Kindermann alles, was von Rom kam, unantastbar, für Kritik unzugänglich blieb. Erst im letzten Jahrzehnt seines Lebens hätten sich Zeichen der Ungeduld gezeigt, als der Vatikan gegenüber den kommunistischen Ländern die harte Linie der Piuspäpste verließ und eine diplomatischere Politik trieb. Diese tastenden Versuche der Aussöhnungspolitik haben bei Kindermann Zeichen der Ungeduld hervorgerufen. „Endgültig in die Heimat zurückgekehrt, empfand der ‚Römer‘ den nationalen Kampf als lästig und kleinkariert. Erst die Vertreibung – dieser ungeheuerliche Rechtsbruch – hat ihn in der Tiefe zum Nationalen geführt, ohne ihm die Freude an der Universalität der Menschheit und an der Vielfalt der Völker, zumal der slawischen Nachbarn, zu nehmen.“111 Am 5. April 1924 wurde Kindermann zum Priester geweiht. Er hatte inzwischen in Rom den theologischen Doktorgrad erworben und kehrte danach in die Heimat zurück, war Seelsorger im Duxer Industriegebiet, ein Aufgabenbereich, der in sozialer, nationaler und konfessioneller Hinsicht eine ganze Reihe von Schwierigkeiten bot. Während seines zweiten Studienaufenthaltes in Rom war er Kaplan an der deutschen Nationalkirche in Rom, an der Anima. Nach seiner Rückkehr in die Leitmeritzer Diözese wurde er Religionsprofessor in Aussig, hielt in der Zeit auch Vorlesungen am Priesterseminar in Leitmeritz und bereitete seine Habilitation im Kirchenrecht an der Prager Universität vor, die 1933 mit der Arbeit über „Das landesfürstliche Ernennungsrecht“ durchgeführt wurde.112 1937 wurde Kindermann zum außerordentlichen Professor für Kirchenrecht in Prag ernannt. 1940 wurde er Prodekan der theologischen Fakultät der deutschen Karls-Universität in Prag und Gründer und Leiter des deutschen Theologenkonviktes in Prag. Gerade in den letzten Jahren der tschechoslowakischen Republik hatte sich Kindermann intensiv mit dem Verhältnis von Kirche und Staat auseinandergesetzt, etwa in einem Vortrag auf dem internationalen Juristenkongress 1934 in Rom.113 Nach dem sogenannten Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich 1938 entwarf Kindermann sehr schnell in einer anonym veröffentlichten Schrift „Kirche im Sudetenland“ eine Neuorganisation der Kirche und Seelsorge in den Sudetenländern entsprechend den neuen politischen und verwaltungstechnischen Verhältnissen.114 Nach dem Scheitern der gemeinsamen tschechisch-deutschen Priestererziehung im Prager Seminar stand Kindermann am Beginn des Erbes des Nationalitätenhaders. Der Hausgemeinschaft der deutschen Theologiestudenten war nur eine kurze Dauer vergönnt gewesen.115 Wiederholt verfolgte und verhörte die Gestapo ihren Leiter,

111 112 113 114 115

Ebd., S. 27. Warnsdorf 1934. De statu ecclesiastico-civili in Republica Cecoslovacia, Rom 1937. Kirche im Sudetenland, S. 1939. Aus einer Umfrage P. Paulus Sladeks unter den ehemaligen Theologen des deutschen Priesterseminars in Prag für das Gedenkbuch „Kindermann“ die Antwort von Heinrich Bruckner,

208

Abschnitt III

Würzburg vom 8. September 1975: „Ich habe Dr. Kindermann als Regens nur kurze Zeit erlebt (zwischen Arbeitsdienst und Luftwaffe, Oktober 39 und Juli 40). Der erste Eindruck war: ein Mann, der tief in der Arbeit steckte; nervös, wenig Zeit; korrekt, eher streng und unpersönlich. Wenn man ihn aber dann in seinen Konferenzen für die Theologen erlebte, merkte man sehr bald, dass er ein frommer Mann war. In der Theologie wurde ein umfassendes Wissen erkennbar, eine streng kirchliche Gesinnung, aufgeschlossen für die Fragen der Zeit, kritisch gegenüber Überholtem. Der Maßstab kam aus dem zutiefst seelsorglichen Grundanliegen. Ich habe mich einige Male mit ihm persönlich ausgesprochen, dafür hatte er einfach Zeit; er nahm sie sich einfach auf Kosten der Nachtruhe oder Erholung. Er hörte einem aufmerksam zu, ging auf die Probleme des Einzelnen ein, ohne jede Schablone. Da erlebte ich den grundgütigen Menschen, dem man alles anvertrauen konnte, der Rat wusste, auf den man sich verlassen konnte. Er diktierte eine Entscheidung nicht auf, aber von seiner kraftvollen Persönlichkeit ging so viel Ausstrahlung über, dass von daher sich Probleme sicher lösten. So ein Seelsorger wie er, wollte man werden. Wir hatten selbstverständlich eine feste Ordnung, aber an die hielt man sich aus Einsicht. Ich kann mich erinnern, dass es besonders wohltuend war, dass man uns sehr großes Vertrauen schenkte, uns alle Freiheit gewährte. Ich kann mich an keine Kontrollen erinnern … Für sein deutsches und besonders sudetendeutsches Volk setzte er sich voll ein. Die Hauptsorge allerdings galt den seelsorglichen Belangen. Jeder Nationalismus aber war ihm fremd. Schon darum musste er den Nationalsozialismus entschieden ablehnen.“ Die Antwort von Rudolf Knotek an Sladek am 19.8.1975: Knotek spricht von der festen Überzeugung Kindermanns, dass Gott ihn zu einer besonderen Aufgabe berufen habe. Seinen Eindruck Kindermanns charakterisiert er so: „Nach der Entlassung der deutschen Theologiestudenten aus dem erzbischöflichen Seminar war er d e r V a t e r d e r T h e o l o g e n geworden. Väterlich-verständnisvoll, an besondere disziplinäre Schwierigkeiten oder Entlassungen könnte ich mich nicht erinnern. Er bedauerte es, dass die deutschen Theologen politisch ungeschult gelassen wurden.“ Aus einem Schreiben Augustinus Kurt Hubers an Sladek vom 22. Oktober 1975: „Ich stelle ja nirgends in Abrede, dass die Schischkower Hausgemeinschaft unter Kindermann eine wunderbare Sache gewesen ist. Die Studenten haben Kindermann von seiner besten Seite erlebt. Sie können und dürfen daher nur Positives berichten. Ich leugne (und unterdrücke) auch nicht seine seltenen Gaben und dergleichen. Nur sah ich (damals schon!) Symptome für weniger Beeindruckendes. Den Fragebogen werde ich nicht verbrennen: ein künftiger Historiker wird, wenn er wirklich Wissenschaftler ist, den kritischen Äußerungen eines Menschen, der Jahrzehnte lang in allernächster Nähe Kindermanns gelebt hat, und der sich in seinen wissenschaftlichen Äußerungen durch ein ausgewogenes Urteil ausgewiesen hat … gewiss Rechnung tragen. Ich fürchte daher nicht, dass auf mich kein gutes Licht fallen wird. Der Historiker spürt schon heute die Relativität des Kindermannschen Werkes – gegen den Strom der Laudationswelle, der bis auf weiteres die Stunde gehört und gehören soll. Ungefragt äußere ich mich nicht darüber. Alles das steht heute nicht zur Frage. Das Volksbuch soll – wie ich schon einmal schrieb – ein Dokument der Verehrung und Dankbarkeit sein.“ Vorausgegangen war ein Schreiben Sladeks an Huber vom 13. Oktober 1975. Dort schrieb Sladek: „Dein Urteil über den Kindermann des Theologenkonvikts ist meiner Meinung nach zu scharf, zu sehr gesehen im Lichte von Königstein. Kindermann hat offensichtlich gewisse negative Neigungen (zum alleine alles selber tun usw.) im Lauf der Jahre auf Kosten seiner menschlichen Qualitäten übersteigert. Die Aussagen der Mitbrüder über Kindermann als Rektor sind so positiv, dass ich das auch darstellen musste, zumal auch mir die Situation damals und die Stimmung im Theologenkonvikt wieder lebendig geworden sind. Es war unter den Theologen eine wunderbare Gemeinschaft, die sichtlich auch auf Kindermann positiv wirkte. Auch in unserem kleinen Kreis war es doch sehr schön und erfreulich, trotz der Zurückhaltung Kindermanns. Ich

Die Promotoren Königsteins

209

nämlich Adolf Kindermann. 1945 wurde er durch die Russen verhaftet und mehrere Monate interniert. Im unmittelbaren Anschluss half er den Prager Deutschen auf karitativer und seelsorgerlicher Ebene. „Damals reifte in ihm ein fester Plan, aus den Trümmern des Alten etwas Neues in Deutschland zu schaffen, eine neue Stätte der Priestererziehung, die für die aus der Heimat Vertriebenen und für die alte Heimat wirksam werden sollte.“116

3.3.

Nachkriegszeit: erste Initiativen

Für die Nachkriegszeit verwies Mattausch vor allem auf die Leistungen Kindermanns in Königstein: Kindermann habe mit Albert Büttner und Maximilian Kaller am Anfang dieses Sammelpunktes ostdeutscher Theologen und Theologiestudenten gestanden und nach dem frühen Tod des Vertriebenenbischofs neuen Schwung durch seine planende Initiative verliehen.117 Der zweite wichtige Komplex von Tätigkeiten und Einfluss Kindermanns, der angesprochen und herausgehoben wurde, war seine Freundschaft zu Pater Werenfried van Straaten und seiner Ostpriesterhilfe, die in den Königsteiner Anstalten eine Heimat fand. Das wissenschaftliche Interesse Kindermanns blieb bei alledem in der Nachkriegszeit erhalten, zumindest im Hinblick auf die Wissenschaftsorganisation, wie sein Einsatz für die philosophisch-theologische Hochschule in Königstein, seine dortige Lehrtätigkeit und die verschiedenen wissenschaftlichen Institute, die in Königstein im Laufe der Jahre geschaffen wurden, bezeugten. Inhaltlich stand die Nachkriegszeit für Kindermann in einer heftigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, für die man in Königstein die Katholiken wachrütteln und die Theologen entsprechend ausrüsten wollte, nicht zuletzt in den jährlich stattfindenden Kongressen ‚Kirche in Not’. Die Bedeutung der Frömmigkeit, vor allem der Heiligenverehrung, für das bleibende Selbstverständnis der Heimatvertriebenen zeigte sich an Kindermanns engagiertem, unermüdlichen und oft bei ihm charakteristisch ungeduldigen Einsatz für die Seligsprechung des aus dem Böhmerwald stammenden Bischofs von Philadelphia, Johann Nepomuk Neumann. Das würdigende Fazit Mattauschs: „Der Bauernsohn aus dem nordböhmischen Niederland, der letzte Prodekan und einzige überlebende Professor der Theologischen Fakultät der deutschen Karls-Universität zu Prag, der römische Prälat Pius' XII., den

116 117

möchte Dir daher den Fragebogen wieder zurücksenden, damit Du ihn verbrennst. Ich will nicht, dass er in einem Archiv erhalten bleibt und dann nur auf Dich kein gutes Licht wirft.“ – Die Rückläufe der Umfrage Sladeks im Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien. Haus Königstein Nidda, Bestand Sladek (eine Sammlung, die Huber angelegt hat, die aber nicht weiter geordnet und verzeichnet ist) MATTAUSCH, S. 82. Vgl. ebd., S. 82.

210

Abschnitt III

Johannes XXIII.118 zum Protonotar ernannte und damit mit der höchsten kirchlichen Würde unter dem Bischofsamt auszeichnete, hat die Komplexität der Kirche in dieser Welt mit dem Schicksal der Vertreibung aus der Heimat als einen weltweiten Anruf erkannt und darauf auf seine Weise die Antwort gegeben.“119

3.4.

Charakterisierung durch Franz Lorenz

Das bisher ausführlichste Lebensbild von Weihbischof Adolf Kindermann zeichnete Franz Lorenz.120 Der Hinweis auf die Schwerpunktsetzungen dieser Würdigung möge genügen; gleichzeitig ergibt sich damit ein Ausblick auf die zentralen Themen Kindermanns. Lorenz121 schlug, ähnlich wie Mattausch, Brücken zum Schulreformer Kindermann, und zwar werden sowohl der Name wie auch die „Ritterschaft“ zweifelhafte Brücken für diese Eloge. Adolf Kindermann attestierte er angeborenes Rittertum gegenüber verfolgten, bedrängten und geschundenen Menschen.122 Er sei ein Kämpfer gewesen. Seine Waffen waren das Recht, das er gegen die millionenfache Verletzung der Menschenrechte eingesetzt habe. Bezeichnend ist darüber hinaus, dass Lorenz ausführlich auf die Lehrer in Rom hinwies, auch hier Tardini, Ruffini, Ottaviani, die später als Bischöfe und Kardinäle in die Leitung der Kirche berufen wurden – die

118 119

120 121

122

Johannes XXIII. (1881 – 1963), Papst von 1958 – 1963. MATTAUSCH, S. 83. – Zwei weitere würdigende Skizzen zu Kindermann hat Augustinus Kurt Huber, der langjährige Leiter des Instituts für Kirchengeschichte in Königstein, entworfen. Augustinus Kurt HUBER, Prälat Professor Dr.Dr. Adolf Kindermann, in: Bohemia, Jahrbuch des Collegium Carolinum 1 (1960), S. 385-387, und Bohemia 5 (1964), S. 489f.) Sie lehnen sich inhaltlich und in der Wertung sehr stark an die Skizze Mattauschs an. An zusätzlichen Aspekten führt Huber an, dass Kindermann in seiner Zeit als Religionsprofessor an der Realschule in Aussig gemeinsam mit dem Soziologen Walter Simon den Bund der „Klausener“, eine Vereinigung christlicher Akademiker gegründet habe mit dem Ziel, die Bildung zu vertiefen, um für die Auseinandersetzung in den Zeitfragen zu wappnen.(Vgl. Bohemia 1 (1960), S. 386). Als ein Indiz für die Sorge Kindermanns um die Probleme und Nöte der Heimat wertet Huber zudem, dass Kindermann die Herausgeberschaft des sudetendeutschen „Katholischen Kirchenblatts“ übernommen hatte. Der Einsatz Kindermanns in Königstein für die wissenschaftliche Behandlung der kirchlich-kulturellen Überlieferung der alten Heimat wird ebenso gewürdigt, wie die Förderung der Untersuchungen über das Heimatrecht als Naturrecht. „Die sudetendeutschen Katholiken, die keinen kirchlichen Jurisdiktionsträger mitgebracht hatten, sehen in Königstein und seinem Leiter in besonderer Weise ihren kirchlichen Mittelpunkt.“(Bohemia 1 (1960), S. 387). Diese Zuspitzung hin auf Kindermann stimmt so freilich nicht, denn mit dem Prager Weihbischof Remiger ist durchaus ein kirchlicher Jurisdiktionsträger vertrieben worden. Franz LORENZ, Weihbischof Adolf Kindermann. Ein Lebensbild, in: Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, S. 12-24. Franz Lorenz, geb. 1901 in Peiperz/Sudetenland, promovierte 1926 mit einer Arbeit über Aufklärung und Romantik in Böhmen an der Universität Prag und war nach der Vertreibung als Mitarbeiter zahlreicher Zeitschriften publizistisch tätig. U.a. war er Chefredakteur von 'Echo der Zeit'. Im Auftrag der AKVO gab er 1980 Dokumente zur kirchlichen Vertriebenenarbeit heraus. Vgl. LORENZ, Lebensbild, S. 12.

Die Promotoren Königsteins

211

Verbindungen mit Rom versuchte Kindermann auch später immer wieder für seine Pläne für Königstein zu aktivieren. Die letzte Phase der Prager Zeit Adolf Kindermanns bezeichnete Lorenz als eine apokalyptische, die er in Anknüpfung an den heiligen Augustinus mit dem Untergang des römischen Weltreiches parallelisierte: Wie seinerzeit aus der civitas terrena ein Teufelsstaat geworden sei, weil die Menschen von Hassgier besessen waren und sich an die Stelle Gottes setzten und gegen Menschen wüteten, so sei es auch im Prag des Jahres 1945 gewesen. In diesem unmenschlichen Gewühl und Gewüte habe sich Adolf Kindermann in seinem caritativen und vor allem priesterlichen Einsatz in unvergesslicher Weise bewährt. Die zupackende Art Kindermanns in den frühen Stadien Königsteins imponierte dem 1901 im sudetendeutschen Peiperz geborenen Lorenz. Dass Kindermann, ohne nach Amt und Kompetenzen zu fragen, zugegriffen habe beim Aufbau der Ostmission, der Seelsorge in der deutschen Diaspora, der Priesterbildung und beim Schaffen einer Heimat für die vertriebenen Priester unterstrich er. Einen besonderen Beistand, Freund und Mitstreiter habe Kindermann im deutsch-amerikanischen Bischof Alois Joseph Muench, der von Pius XII. 1946 zum apostolischen Visitator in Deutschland berufen worden war, erhalten.123 Muench selbst stammte über seine Großeltern aus dem Böhmerwald. Er hatte bei der Kommandozentrale der amerikanischen Besatzungsbehörde für Kindermann die Erlaubnis erwirkt, nach Prag zu fahren und dort die 10.000 Bände umfassende Bücherei des Prager deutschen Theologenkonvikts nach Königstein zu überführen.124 Eine weitere wichtige Stütze erwuchs Kindermann in seinem Freund, dem Prämonstratenserpater Werenfried van Straaten125 und in der von ihm geleiteten Kapellenwagenmission und Ostpriesterhilfe.

123 124 125

Zu Muench vgl. Elisabeth HERBRICH (Bearb.), Alois Kardinal Muench. Ein Lebensbild. Königstein 1969 (= Schriftenreihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes XII). Vgl. LORENZ, Lebensbild, S. 17. Philipp van Straaten wurde am 17. Januar 1913 in den Niederlanden geboren. 1932 begann er an der Universität Utrecht das Studium der klassischen Philologie. Soziale Fragen motivierten ihn 1934 zum Eintritt in die Prämonstratenserabtei Tongerlo. Er nahm den Namen Werenfried an. 1940 wurde er zum Priester geweiht – Belgien war bereits von den deutschen Truppen besetzt. 1947 hörte er eine Rundfunkansprache über die Situation im Nachkriegsdeutschland, die ihn elektrisierte. Er wollte zum einen die Kenntnis über die Notsituation verbreiten helfen und zum anderen selbst aktiv Hand anlegen, um die Not lindern zu helfen. Mit diesem Impetus kam er 1948 nach Königstein. 1964 trennte er das Hilfswerk ‚Kirche in Not’ von der Abtei Tongerlo, verlegte die Zentrale nach Rom und unterstellte sich dem Generalabt der Prämonstratenser in Rom. Ganz neue Wirkmöglichkeiten taten sich für Pater Werenfried van Straaten, den Speckpater, nach 1989 auf. ‚Kirche in Not’ unterstützte verfolgte und bedrohte Christen in über 140 Ländern. Kurz nach der Feier seines 90. Geburtstages am 17. Januar 2003 im Limburger Dom starb Werenfried van Straaten am 31. Januar 2003. Er ist auf dem Friedhof in Königstein begraben. Eine wissenschaftliche Würdigung van Straatens steht bislang aus; die jüngste Publikation von Markus TRAUTMANN, Mit Glaubensglut und Feuereifer. Werenfried van Straaten und Johannes Leppich. Zwei charismatische Gestalten im deutschen Nachkriegskatholizismus. Vallen-

212

Abschnitt III

Kindermann habe sich besonders um die kirchenrechtliche Eingliederung der Vertriebenen, vor allem des Vertriebenenklerus verdient gemacht. Kirchliche Eingliederung gehe freilich noch darüber hinaus, es müsse das ganze leidgeprüfte Volk integriert werden. Einen wichtigen Schritt auf dieses umfassende Ziel hin sei die Bestellung Kindermanns zum Bischof gewesen, sah sich doch damit die stärkste Gruppe unter den deutschen Heimatvertriebenen, nämlich die Sudetendeutschen, als eine Großgemeinde und Großfamilie bestätigt. Vor allem seine seelsorgerliche Tätigkeit in den Predigten auf den Großveranstaltungen wie auf dem sudetendeutschen Tag hob Lorenz hervor. „Einheimische, die keine Vorstellung davon haben, wie einmal der Los-von-Rom-Liberalismus des 19. Jahrhunderts zu Entfremdungen im Sudetendeutschtum geführt hat, vermögen kaum zu würdigen, dass dieser Bischof in der sudetendeutschen Landsmannschaft als Autorität geachtet und verehrt wurde.“126 Trotz aller irdischen Sorgen und allen irdischen Wagens und Organisierens habe Kindermann in Königstein immer wieder auf das Transzendente, über den Menschen Hinausgreifende verwiesen.127 Er habe beigetragen zur Selbstfindung und Eingliederung der Vertriebenen und sah dann die Zeit gekommen, das Schicksal der Vertreibung metaphysisch als Heilsgeschichte zu deuten: „Er legte dar, wie nationalistischer Absolutismus, liberalistischer und marxistischer Materialismus über „Los-von-Rom“ zum „Los-vom-Menschen“ geführt haben. Jetzt kann der Mensch nur durch Heimkehr zu Gott gerettet werden. Menschenrechte durch Anerkennung einer von Gott geordneten Natur.“128 Kindermann wurde am 6. November 1959 von Kardinal Frings zum Sprecher für die sudetendeutschen Priester und zum Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und die sudetendeutschen kirchlichen Fragen bestellt. Am 22. Juni 1962 wurde er zum Apostolischen Protonotar ernannt. Damit wollte der Papst auch Kindermanns Schaffen in den Königsteiner Einrichtungen würdigen. Am 11. Juli 1966 wurde Adolf Kindermann von Papst Paul VI.129 zum Weihbischof von Hildesheim bestellt, der Hildesheimer Bischof als Vertriebenenbischof hatte großzügig dieses Modell möglich gemacht und den Sudetendeutschen so eine späte Genugtuung verschafft; der neue Hildesheimer Weihbischof sollte aber seinen Sitz in Königstein behalten und weiter seine Aufgaben als Leiter dieser Anstalt wahrnehmen.130

126 127 128 129 130

dar 2009, verfolgt Intentionen der Pastoral. – Werenfried van Straaten, Ein Bettler für Gott. Autobiographische Aufzeichnungen und ausgewählte Gedanken des Speckpaters. München 1991. LORENZ, S. 20. Vgl. ebd., S. 22. Ebd. Paul VI. (1897 – 1978), Papst von 1963 bis 1978; vgl. http://www.kathpedia.com/index.php? title= Paul VI., aufgesucht am 13.8.2013. Stefan Kruschina brachte einen würdigenden Artikel im Publikationsorgan des sudetendeutschen Priesterwerks anlässlich der Bischofserhebung Kindermanns. (Stefan KRUSCHINA, Contra spem in spe, in: Sudetendeutsches Priesterwerk, Königstein/Ts., November 1966, S. 91-94). Er

Die Promotoren Königsteins

213

1970 wurde Kindermann in einer schweren Operation ein Gehirntumor entfernt. 1971 und 1972 stürzte er sich noch einmal voll in seine Arbeit, bis er immer deutlicher von seiner Krankheit gezeichnet wurde. Kindermann starb am 24. Oktober 1974. Die kirchliche Integration der sudetendeutschen Vertriebenen vollzog sich – so die Argumentation von Lorenz – in der Hinordnung auf und Begeisterung für die Identifikationsfigur Bischof. Durch die Aufnahme Kindermanns in den deutschen Episkopat wurden die sudetendeutschen Katholiken nicht nur anerkannt, sondern dies sei ein wesentlicher Schritt der Integration in den westdeutschen Katholizismus gewesen. Die Integrationsleistung des Bischofs, durch dessen Einordnung in die kirchliche

beginnt den Artikel mit einer weit ausholenden Auslegung des Wahlspruches „Gegen alle Hoffnung auf die Hoffnung (vertrauen)“ in der Lebensgeschichte Kindermanns, der immer wieder motiviert durch die Hoffnung, wo die Lage selbst vielfach hoffnungslos erschien, zum Durchhalten, zum Weitermachen animierte, auch wenn manche Realisten daran Anstoß genommen hätten. Kruschina stellt darüber hinaus die Tatsache heraus, dass damit eine schon fast verloren geglaubte Hoffnung in Erfüllung gegangen war, nämlich dass die Sudetendeutschen wieder einen Bischof bekommen hatten. „Dankbar aber sind wir alle auch dafür, dass der neue Bischof – laut päpstlichem Dekret – seinen Wohnsitz weiterhin in Königstein haben wird und dass sein bisheriges Wirken und sein Einsatz im Dienste der Heimatvertriebenen für Recht und Gerechtigkeit keine Schwächung, vielmehr eine besondere Hervorhebung erfährt. Damit ist von allerhöchster kirchlicher Stelle ganz deutlich dokumentiert, dass die Problematik der Vertreibung und die Fragen der Heimatvertriebenen von der Kirche nicht als gelöst, die Menschen aus dem Osten etwa infolge wirtschaftlich materieller Vorgänge nicht als ‚eingegliedert‘ angesehen werden.“ (Ebd., S. 91) Man spekuliere zwar nicht mehr unmittelbar auf eine Rückkehr in die Heimat, aber die Klärung der Fragen der Heimatvertriebenen sei durch den Fortgang der Zeit nicht einfacher, sondern viel schwieriger geworden. Die bisherigen Intentionen und Ausrichtungen der kirchlichen Arbeit seien gerade durch die Berufung des Leiters der Königsteiner Anstalten von höchster kirchlicher Stelle bestätigt worden. Auch wenn führende Politiker des Ostens immer wieder polemisierten und ihnen die Arbeit, das Wirken Kindermanns in Königstein ein großer Stein des Anstoßes sei, müsse auch künftig eine versöhnende, ausgleichende, helfende und zu einer menschlich brüderlichen Begegnung zwischen Ost und West führende Haltung intendiert werden. Freilich wird durch diese versöhnliche Haltung nicht der klare Rechtsanspruch der Heimatvertriebenen aufgegeben; gerade im Hinblick auf die Zukunft dürfe Unrecht nicht akzeptiert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses würdigenden Artikels ist die Deutung der bischöflichen Insignien, die Aussagen ihrer Symbolik, auch der Hinweis darauf, dass all die verschiedenen Gruppen der Vertriebenen ihren Beitrag in Zusammenarbeit geleistet haben. „Dieses in den sichtbaren Zeichen der bischöflichen Würde zum Ausdruck gebrachte Zusammenstehen aller Gruppen der Heimatvertriebenen ist ein Zeichen echter Gemeinschaft, dass jede dieser einzelnen Gruppen sich bewusst hineinstellt in die von mitmenschlich brüderlicher, christlicher Verantwortung getragene Sorge für die Vertriebenen, für die Völker in der östlichen Heimat und damit für Friede und Freiheit aller; ein Zeichen auch dafür, dass in keiner dieser Gruppe Radikalismus oder Rachegefühle aufkommen konnten, sondern dass sich alle ihrer dienenden und helfenden Verpflichtung bewusst geblieben sind. Diese Gemeinschaft zeugt aber auch davon, dass es unter den Heimatvertriebenen trotz mancher Verschiedenheit in den Meinungen im Grunde keine Gegensätze gibt und damit auch keine unüberbrückbaren Gegensätze zu den Völkern im Osten, in der alten Heimat, das alle um die völkerverbindende Kraft helfender Leibe wissen: Wenn das nicht ein ganz starkes Zeichen der Hoffnung ist!“ (Ebd., S. 94)

214

Abschnitt III

Hierarchie, konnte sogar – so Lorenz in seiner Begeisterung – Verluste auf dem religiösen Terrain, Säkularisierungsphänomene, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, wieder rückgängig machen. Wichtig scheint darüber hinaus zu sein, dass Lorenz die politische Ausrichtung Kindermanns hervorkehrte, wusste er doch, dass die Zukunft der Heimatvertriebenen nur auf der politischen Ebene mitgelöst werden konnte, dass es in dieser Frage letztlich keinen politikfreien Raum gab.131 Die Lebensbilder, die alle von Mitgliedern des Königsteiner Lehrkörpers, großteils noch zu Lebzeiten Kindermanns gezeichnet wurden, weisen grundlegende Parallelen auf. Sie prägten die Breitenwahrnehmung dieser zentralen Figur der Vertriebenenseelsorge, sie drücken Erwartungen aus, akzentuieren Bedeutungszuweisungen, transportieren etwas von der Stimmung in Königstein. Auch die Photos gleichen sich: Kindermann mit dem Bischofskreuz steht am Beginn des Gedächtnisbuches, das ihm seine Mitbrüder, Mitarbeiter und Freunde gewidmet haben. Ein robuster Kopf, alles andere als weltfremd, ein leichtes Lächeln, zurückhaltend, verhalten, nicht durch Schüchternheit oder Scheu, eher durch Strenge. Es soll gewisse Distanz schaffen. Es steckt ein Wille zum Herrschen dahinter, der verdeckt wird. Der Blick ist kühl, durchdringend, das rechte Auge halb zugekniffen. Auch damit schafft er Abstand. Kindermann erscheint als ein kühler Organisator. Er ist um das Heil der Menschen besorgt, aber um das Heil, wie es in seinen Ideen und Plänen vorkommt.

3.5.

Kindermanns Engagement und Erfahrungen vor Flucht und Vertreibung

Mit den römischen Prägungen, dem kurialen Freundeskreis, den rechtlichen und organisatorischen Fähigkeiten haben die Würdigungen bereits wichtige Aspekte herausgestellt. Im folgenden Kapitel soll Kindermanns pastorale Schwerpunktsetzung in wichtigen bzw. extremen Handlungsfeldern untersucht werden. Man mag Eduard Winter132 in seinen Erinnerungen der Parteilichkeit zeihen, die Einschätzung Kindermanns in der gemeinsamen Zeit als Professoren an der theologischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag, die er aus seinen Tagebuchaufzeichnungen zitierte, erscheinen nicht ohne fundamentum in persona.133 So notierte er zum ersten Mal für den 14. Oktober 1937 ein Gespräch bei einem Abendessen im Kreis der deutschen Theologieprofessoren, wo er u.a. mit Kindermann und Czer-

131 132

133

Vgl. LORENZ, Lebensbild, S. 20. Zu Winter vgl. Ines LUFT, Eduard Winter zwischen Gott, Kirche und Karriere: vom charismatischen Führer des katholischen Staffelstein zum schulbildenden Osteuropahistoriker der DDR. Leipzig 2008. Eduard WINTER, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses. Nach Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Dokumenten und Erinnerungen, Band 1. Berlin 1981, vor allem S. 98-123.

Die Promotoren Königsteins

215

mak134 ins Gespräch kam. Übereinstimmung konstatierte Winter bezüglich der Sorge um die Weiterentwicklung in der Kirche. Den Dissens macht er am gesteigerten Optimismus Kindermanns und Czermaks fest, während Winters Einschätzung dahin ging, dass die Kirche immer mehr den Aufgaben und Fragen der Zeit hinterher hinke. „Dies zeigt sich jedenfalls in ihrer Einstellung zu der zentralistisch-bürokratischpolitischen Verholzung in der römisch-katholischen Kirche, die es nicht mehr erlaubt, sich geistigen Bewegungen rasch anzupassen und sie in der Tiefe zu überwinden.“135 Als Aufgaben formulierte Winter eine innigere Verknüpfung mit Christus, eine größere Selbständigkeit der Volkskirche, die in enger Verbindung mit dem Volk anzustreben sei, und weniger politisches als religiöses Bemühen. Gerade in diesem Punkt war Winter eindeutig anderer Meinung als der Großteil des sudetendeutschen Katholizismus, der sich in der Christlich-sozialen oder in der Gewerkschaftsbewegung engagierte. In dieser Grundfrage des Katholizismus in Deutschböhmen differierte er auch von der Position Kindermanns oder der von Hans Schütz.136 Das Volkstum wollte Winter hervorgehoben wissen; daher insistierte er auch bei Kindermann am 21. April 1938 bei einem Mittagessen im Bohemicum, dieser solle die Studien von Wenzel Frind über Volk und Kirche fortsetzen und ein Buch über Volkstum und Codex Iuris Canonici schreiben. „Es gilt, ernstes Christentum einfach, schlicht christlich zu leben; ein Christentum der Liebe und des Dienstes am Menschen ist notwendig.“137 Rückblickend formulierte Winter, dass ihm das Klerikal-Kirchliche immer, obwohl er Priester geworden war, fremd geblieben sei.138 Gerade im August 1938 habe er sich intensiv mit seinem Kollegen Kindermann über die institutionelle Rechtskirche auseinandergesetzt. Kindermann sei die Kirche als Institution, die von der römischen Kurie dirigiert werde, schon qua Fach nahe gestanden; Winter wird wohl einige Einwände gerade auch wegen des Versagens der römisch-katholischen Kirche dem Nationalsozialismus gegenüber im Reichskonkordat von 1933 angesprochen haben. Er bezeichnete die öffentliche Diskussion, die auf diesem Staffelstein-Bundestag geführt wurde, zwar als freundschaftlich, sie habe aber zu keiner Annäherung der Standpunkte geführt. Es war aus Winters Sicht ein Abschiedsgespräch, charakteristisch und entscheidend für die Lebenswege beider.139 Für den 28. Oktober 1938, den 20. Gründungstag der tsche134

135 136

137 138 139

Theodor Czermak (1882 – 1948) war Professor für Fundamentaltheologie in Prag. Theodor CZERMAK, Über die deutsche nationale Bewegung aus katholischer Sicht (1938), in: AKBMS VIII 2003, S. 95-105, dort eine Einleitung von Augustinus Kurt Huber auf den Seiten 95-99, die Czermak charakterisiert. Vgl. auch Emil VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland 1938 bis 1945. Eine Dokumentation. Königstein 2003 (= Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien XVI), S. 44. Winter, Mein Leben, S. 98. Hans Schütz (1901 – 1982), vgl. Rudolf OHLBAUM, Hans Schütz, in: ACKERMANN-GEMEINDE (Hg.), Hans Schütz – Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit. München 1982, S. 13-25 (= Schriftenreihe der Ackermann-Gemeinde Heft 32). Ebd., S. 104. Vgl. ebd., S. 109. Vgl. ebd., S. 109.

216

Abschnitt III

choslowakischen Republik, notierte Winter endlose Gespräche mit den geistlichen Mitbrüdern Grüner140, Kindermann und Diessl141. Er stieß auf eine tiefe Ängstlichkeit, die ihn zu der Überzeugung brachte, dass man mit der Geistlichkeit nichts machen könne. Das Gespräch drehte sich hauptsächlich um innerklerikale Sorgen. Winters Vorgehen hingegen ging in die Richtung, kleine Gefolgschaften zu bilden, die langsam vergrößert werden sollten und von unten her revolutionieren müssten. Er wollte gegen einen Katholizismus vorgehen, wie er gegenwärtig vor ihnen stehe. Sein Ziel war es, das Christentum in kleinen Kreisen in engster Verbindung mit dem Volk zu pflegen, aber ohne Rücksicht auf die päpstliche Kurie. Wegen seiner Anschauungen und Positionen konnte Winter mit Professor Kindermann nicht klar kommen. Kindermann sah er als einen Kirchenrechtler, der in Rom geschult wurde, was beider Anschauungen in eine entgegengesetzte Richtung trieb. So bekam Winter auch keine Hilfe von Kindermann, als seine Stellung an der Prager theologischen Fakultät immer schwieriger wurde.142

3.6.

Vorschläge zur Neugliederung der Bistümer nach 1938

Die Kindermann spätestens seit den dreißiger Jahren vorrangig bewegende Sorge war die der notorischen Unterversorgung im sudetendeutschen Katholizismus mit Geistlichen. Die Sorge prägte bereits seine Zustandsbeschreibung des Katholizismus aus dem Jahr 1939. Diese weit ausholende, ja oberflächliche Zustandsbeschreibung, ist die Grundlage, der Argumentationskontext für seine Vorschläge der Bistumsneugliederungen nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich nach dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938. Kindermann bemühte dort für die Situationsanalyse und Charakterisierung des sudetendeutschen Katholizismus die bekannten Klischees, die von der tiefen Verwundung in der Hussitenzeit bis hin zur intensiven Prägung durch Aufklärung und Josephinismus und die Gefahr des Liberalismus im 19. Jahrhundert reichen.143 Kindermann teilte die breite Begeisterung für den Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich. Er glaubte an die Erneuerung von Volk und Religion. Er glaubte, dass sich mit einer Verbesserung der religiösen Situation, die er auch durch eine Neustrukturierung der Bistümer grundlegen wollte, die historischen Traumata überwinden ließen. „Später suchte man die religiöse

140 141 142

143

Josef Grüner, (1883 – 1943) war Domkapitular in Prag. Wilhelm Maria Diessl (1888 – 1957) war letzter Dekan der Theologischen Fakultät der deutschen Universität Prag. VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland, S. 47. „11. April. Bitterkeit ist mir im Herzen aufgestiegen beim Gedanken, dass ich von Prof. Kindermann nicht einmal zum Wohnen in das Seminar für deutsche Theologen in Prag aufgenommen werde, damit er sich beim Erzbischof ja nicht durch mich kompromittiert. Dabei ist er doch sicher ein lieber und edler Mensch und Priester. Das beste Zeichen, wie hartherzig diese römisch-kirchliche Erziehung macht.“ (Ebd., S. 123) Vgl. dazu Adolf KINDERMANN, Kirche im Sudetenland, 1939 (im Selbstverlag in Prag erschienen).

Die Promotoren Königsteins

217

Frage nicht mehr so sehr durch äußeren Druck, sondern vielmehr durch religiöse und seelsorgliche Maßnahmen zu lösen (neue Bistümer, Gliederung in Vikariate). Aber der entsetzliche Priestermangel, der im Lande herrschte, wirkte überall hemmend und hindernd. Priesternot war gleichsam als chronischer Fehler im Sudetenlande immer daheim, bis herauf in unsere Tage. Zu manchen Zeiten wurde zwar der Mangel durch fremde Priester beseitigt, aber es war das gewöhnlich nicht zum Segen der Seelsorge.“144 Diesem Trauma des Klerusdefizits, dessen Ursachen Kindermann bis in die Phase der spätmittelalterlichen böhmischen Reformbewegungen bis zur Zeit des Hussitismus zurückführte, stellte sich die Verurteilung der Aufklärung und des Josephinismus an die Seite: „Liberal war die Gesetzgebung, liberal ein Teil des Klerus, liberal eben der ganze Geist seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis in unsere Tage. Ein religiös trostloses Bild. Die liberale Religion hatte kein Rückgrat und keine Knochen. Der Gemeinschaftsgedanke, wie er wunderbar im Opfer und um das Opfer zum Ausdrucke kommt, ging bei vielen verloren. Damit oft auch die objektive männliche Frömmigkeit. Der liberale Christ suchte sein Verhältnis zu Gott für sich allein zu lösen und fand nicht mehr in die Gemeinschaft vor Gott.“145 Die Affinitäten zu nationalsozialistischem Gedankengut, wie Gemeinschaftsgedanke, Opfer, das Gemeinschaft stiftet, die objektive männliche Frömmigkeit, die Abwertung der Gottesbeziehung des Einzelnen lassen sich nicht überhören und sind keineswegs nur die Farben, mit denen Kindermann das Bild des sudetendeutschen Katholizismus malt, sondern sie sind letztlich auch die tieferen Motive für Kindermanns Wirken in Königstein, für sein Ringen um Priester für die sogenannte sudetendeutsche Volksgruppe und vermutlich auch für seine Konzeption der Priesterbildung. Man liest in der Einführung zu den Gedanken des Kirchenrechtlers die Begeisterung des Anfangs146, die man für 1933 noch eher verstehen mag, die aber offensichtlich die Katholiken in Österreich im März 1938 ebenso ergriff, wie dann eine Vielzahl von Katholiken, auch von Amtsträgern im Sudetenland im Herbst 1938. Und dies 144 145 146

Ebd., S. 17. Ebd., S. 20. „Mit dem Aufstieg des Deutschen Reiches stieg auch das Volksbewusstsein der Sudetendeutschen. Eine neue Volksgemeinschaft entstand unter der Führung Konrad Henleins und schart die weitesten Kreise der Sudeten um sich. Der Großteil der Katholiken stand bereits im Lager der neuen Volksgemeinschaft, als die letzten politischen Sondergruppen fielen. Und als die Endphasen des Befreiungskampfes anbrachen, war das Sudetendeutschtum geeinigt. Wie eine Mauer stand es da. Das Volk hinter seinen Führern und mitten im Volke und mit dem Volke auch seine Priester. Sie haben in ihrer erdrückenden Mehrheit mit dem Volke mitgekämpft und mitgelitten. Kaum je einmal zuvor stand das Sudetendeutschtum so geeint vor aller Welt da. Kirche und Volkstum haben hier zurzeit der größten Not engste Gemeinschaft gehalten. Haben einander geholfen und ermuntert. Sie sollen beieinander bleiben. Aber vertieft müssen sie werden und jedes muss sich nach seiner Art auf seine große Aufgabe besinnen. Religiöse Vertiefung unter Berücksichtigung der völkischen Eigenart! Das ist der Ruf der Stunde für die Kirche in den Sudeten.“ Ebd., S. 22f. Zu Henlein: Konrad Henlein (1898 – 1945) gründete 1933 die Sudetendeutsche Heimatfront, dann Sudetendeutsche Partei. Vgl. Ralf GEBEL, „Heim ins Reich!“: Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938 – 1945). München 1999.

218

Abschnitt III

obwohl es davor bereits die klaren Signale Hitlers gegeben hatte, vom Röhm-Putsch über die Nürnberger Gesetze bis hin zu den Devisenprozessen gegen die Geistlichen. Bereits 1939, als Kindermann als junger Professor an der Prager theologischen Fakultät die Aufgabe zugefallen war, für die sudetendeutschen Theologiestudenten ein Konvikt zu eröffnen und zu leiten, habe der Aktivist in Kindermann den Gelehrten verdrängt. Der Wissenschaftler habe das Gebiet der Forschung immer mehr verlassen und sei zum Seelsorger, zum praktischen Unternehmer, zum Initiator geworden.147

3.7.

Das Prager Theologenkonvikt

Kindermanns Einsatz für ein Theologenkonvikt eröffnet einen weiteren Blick auf seine Anliegen und Interessen: Schwierigkeiten in der Ausbildung der sudetendeutschen Priester hatten sich durch den sogenannten Anschluss der sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich Ende September 1938 insofern ergeben, als der Großteil der sudetendeutschen Gebiete – eine Ausnahme bildeten nur das Bistum Leitmeritz und die zur Breslauer Erzdiözese gehörenden Gebiete in Sudeten-Schlesien – von ihrer Diözesanverwaltung, die im tschechischen Bereich lag, getrennt wurden. Die neu entstandene Staatsgrenze zwischen dem sudetendeutschen Gebiet und dem tschechischen Gebiet war für den Personenverkehr fast unüberwindbar. Daher wurde es für die deutschsprachigen Theologen schwierig, ihr Studium weiterhin in Prag zu absolvieren. Nachhaltig diskutiert wurde der Plan, die Deutsche Universität in Prag nach Reichenberg zu verlegen, ein Plan, der durch die weiterführenden gewalttätigen politischen Entwicklungen nie das Stadium der Realisierung erreichen sollte. In dieser zugespitzten Situation – etwa die Hälfte der Studierenden wechselte das Berufsziel – setzte sich Kindermann für die beim Fach verbliebenen Reste der deutschen Theologen ein.148 „Nach der Einkehr des Sudetenlandes ins große Mutterreich musste auch das Theologiestudium neu geregelt werden. Da die Deutsche Universität und mit ihr die Theologische Fakultät in Prag verblieben, andererseits aber ein Unterbringen der deutschen Theologen im erzbischöflichen Priesterseminar nicht mehr möglich war, so ergab sich die dringende Notwendigkeit, die deutschen Theologen anderwärts in einem eigenen Hause zu sammeln. Diese Notwendigkeit wurde umso drängender, je mehr sich die Reihen der Theologen in den letzten Monaten lichteten.“149 So lautete die knappe Skizze Kindermanns zur Begründung dieser Sondersituation der deutschen Theologenausbildung in Prag nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Dritte Reich und der Zerschlagung der Resttschechoslowakei im Frühjahr 1939. Ende

147 148 149

HUBER, Adolf Kindermann. Studium, akademische Laufbahn und Wissenschaft, S. 28f. Paulus SLADEK, Adolf Kindermann – Rektor des Prager Theologenkonvikts, in: Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, S. 38-47, hier S. 38. So Kindermann in einem Schreiben an den Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland, also an Prälaten Albert Büttner. Das Schreiben ist undatiert, stammt aus dem Jahr 1939-RKAD XXII 2cc.

Die Promotoren Königsteins

219

1938 war klar, dass die deutschen Theologen der Prager Erzdiözese nicht länger im erzbischöflichen Priesterseminar wohnen konnten, dass aber die Vorlesungen weiterhin an der Deutschen Universität in Prag stattfinden konnten. Vom Prager Kardinal Kašpar150 bekam Kindermann den Auftrag, ein geeignetes Haus zu suchen. Kindermanns Wahl fiel auf das Gebäude der Kreuzschwestern von Eger, die in Prag in der Dworschakgasse 22 ein Wohnheim für berufstätige Frauen und Mädchen eingerichtet hatten. Das wurde umgewidmet für ein Theologenkonvikt. Am 7. Januar 1939 begannen die Vorlesungen an der Fakultät und nahmen die ersten Theologiestudenten Wohnung bei den Kreuzschwestern in Prag Zizkov. Am Ende des Semesters waren bereits 88 Studierende dort zusammengekommen. Kindermann hatte die Leitung und die Verantwortung für das Konvikt. Er kümmerte sich zunächst als Rektor auch selbst um die Gestaltung des religiösen Lebens. Anfang Mai 1939 gelang es Kindermann, den Jesuiten Alois Maier als Spiritual zu gewinnen. Im Herbst 1939 kam für diese Aufgabe auch noch Pater Dr. Augustinus Kurt Huber vom Prämonstratenserstift Tepl hinzu, der das Amt des Vizerektors übernahm. „Von den ersten Tagen an hatte Kindermann die in den Priesterseminarien übliche Ordnung des gemeinsamen religiösen Lebens eingeführt. Er feierte, später abwechselnd, mit dem Spiritual und Vizerektor, mit den Theologen täglich die Heilige Messe und gab ihnen dreimal in der Woche die Puncta für die Betrachtung. Der Theologengottesdienst am Sonntag war auch für die deutschen Katholiken der Nachbarschaft, denen Kindermann auch regelmäßig Beichtgelegenheit gab, zugänglich. Die Theologen nahmen außerdem noch oft am Akademischen Gottesdienst in der Salvatorkirche teil, den der Lehrbeauftragte für Dogmatik, Pater Dr. Paulus Sladek OSA, der bis 1942 im Konvikt wohnte, als Akademischer Prediger hielt.“151 Kindermann hatte bereits hier einen Auftrag des Bischofs sofort angenommen und umgesetzt, ohne sich vorher um den langwierigen Prozess der kirchlichen Anerkennung zu kümmern. Der Prager Kardinal war der Meinung, dafür sei Rom zuständig, da es sich um ein überdiözesanes Seminar handle. Die Ausgangslage wird später in Königstein ähnlich sein. Das Seminar galt es nun zu einem Konvikt umzugestalten und vor allen Dingen lag Kindermann daran, eine entsprechende Bibliothek aufzubauen, die er dann ja auch 1946 nach Königstein transferieren konnte und die den Grundstock für die Königsteiner Bibliothek bilden sollte.

150

151

Vgl. zu Kašpar Eduard WINTER, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses. Nach Tagebuch, Aufzeichnungen, Briefen, Dokumenten und Erinnerungen. Band 1. Berlin 1981, S. 82-89. – Rene KÜPPER, Kirchen und Religion in der zweiten Tschechoslowakischen Republik, in: Martin SCHULZE WESSEL / Martin ZÜCKERT (Hg.), Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert. München 2009, S. 299-316. Pater Paulus Sladek in seinem reflektierenden Rückblick auf Adolf Kindermann, in: Weihbischof Dr. Adolf Kindermann. Leben, Werk und Wirken, S. 40.

220

Abschnitt III

Das Konvikt war aus der Situation geboren, ohne dass es offensichtlich konkrete Pläne für die Zukunft gegeben hätte.152 In diesem ersten Jahr studierten im Prager Konvikt 95 deutsche Theologen, auch zwei aus der Slowakei. So berichtete Kindermann dem RKA bei einem Besuch in Berlin am 26. Oktober 1939.153 Da das Seminar Ende Oktober 1939 kanonisch anerkannt wurde als ein erzbischöfliches, katholisches deutsches Seminar in Prag, konnten auch Theologen aus anderen Diözesen als Gäste zugelassen werden. Die Kreuzschwestern von Eger hatten ein Wohnheim für berufstätige Frauen und Mädchen eingerichtet, das sie jetzt angesichts der Notlage bereitwillig zu einem Theologenkonvikt umfunktionieren ließen. „Es war von vornherein klar, dass Professor Kindermann die Leitung und die Verantwortung, damit aber auch eine unübersehbare Arbeitslast zur Sicherung und Erhaltung des neuen Theologenkonviktes übernehmen musste. In den ersten Monaten kümmerte sich der neue Rektor selber um die Gestaltung des religiösen Lebens im Konvikt.“154 Ausdrücklich wies Pater Paulus Sladek, der bis 1942 selbst im Konvikt wohnte und als akademischer Prediger an der Salvatorkirche tätig war, darauf hin, dass die Andachten und Gottesdienste nach den Anregungen von Pius Parsch155, also nach den Vorgaben der volksliturgischen Bewegung gestaltet wurden. Dadurch waren Liturgie und Frömmigkeitsübungen stark von denen der tschechischen Theologen unterschieden, die viel stärker gefühlsbetont Gottesdienst feierten. Die Aufzeichnungen Kindermanns über das Konvikt deutscher Theologen in Prag zeugen von der nationalen Begeisterung, die dort herrschte: die Studenten hörten die Reden des ‚Führers’ am Radio; auch Schikanen gegen die Theologen konnten die nationale Euphorie nicht trüben. Ebenso dürfte Kindermann in dieser Zeit ein sehr deutsch-bewusster Priester gewesen sein.156 Pastorale Notwendigkeiten hätten, so Sladek weiter, im Vordergrund von Kindermanns Überlegungen gestanden, nicht nationale Machtinteressen.157

152

153 154 155

156

157

Vgl. dazu Kindermann an Büttner am 05. Juni 1939, wo er formuliert, dass ihn und seine Mitarbeiter die Pläne der Zukunft bzgl. Konvikt und Fakultät stark beschäftigten, ein klares Bild aber bis heute noch nicht gemacht werden könne. RKA D XXII 2cc. Die entsprechende Aktennotiz in RKA D XXII 2cc. Ebd., S. 39. Zu Pius Parsch (1884 – 1954), durch dessen praxisbezogene Werke die Liturgische Bewegung in weite Kreise der Gläubigen weit über den deutschsprachigen Raum hinaus wirken konnte vgl. Norbert HÖSLINGER / Theodor MAAS-EWERD, Mit sanfter Zähigkeit. Pius Parsch und die biblisch-liturgische Erneuerung. Klosterneuburg 1979. Die Aufzeichnungen über das Konvikt im Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien im Haus Königstein in Nidda. Der erste Teil der Aufzeichnungen (18 Seiten masch.) dürfte erst in Königstein verfasst worden sein, der zweite Teil dürfte in Prag entstanden sein; ein Teil davon ist auch von Studenten geschrieben. In der Festschrift für Bernhard Panzram bereitet Kindermann seine Erinnerungen an die letzten Prager Wochen, die er zum Teil zusammen mit Bernhard Panzram verlebt hat, auf. Es sind stolze Erinnerungen an eine kurze gemeinsame Dozententätigkeit an der ältesten Universität diesseits der Alpen. Mehrmals weist Kindermann darauf hin, dass Panzram es gewesen sei, der am 5. Mai 1945 die letzte deutsche Vorlesung an der theologischen Fakultät gehalten habe, kurz be-

Die Promotoren Königsteins

221

Paulus Sladek gehörte nach eigenen Aussagen zum engeren Kreis im Prager Theologenkonvikt, mit dem der Rektor die Schwierigkeiten und Sorgen um die Sicherung und Zukunft des Theologenkonviktes regelmäßig bei Tisch besprach.158 Er verschwieg nicht, dass Kindermann trotz der brüderlichen Atmosphäre des kleinen Kreises kritische Äußerungen über schwierige kirchliche oder politische Fragen unterließ. Das habe seiner Eigenart entsprochen. Dass keiner von dieser kleinen Gemeinschaft den verbrecherischen Charakter Hitlers durchschaut habe, liege an dem grenzenlosen Vertrauen des Auslandsdeutschen, „dass doch im deutschen Vaterland nur Männer zur Regierung kommen könnten, denen es in erster Linie um das Wohl des deutschen Volkes und um Gerechtigkeit und Frieden in der Welt ginge“.159 Seine eigenen Erfah-

158 159

vor die Revolution ausgebrochen sei, wie er die Ereignisse Anfang Mai in Prag deute und kurz bevor das Haus, in dem Dozenten und Studenten der theologischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag wohnten, vom Mob der Straße gestürmt worden sei. Kindermann bringt anschließend eine kurze Replik auf die würde- und wechselvolle Geschichte der Prager Universität. Am ausführlichsten geht er dabei auf die national bedingten Auseinandersetzungen nach dem Zerfall der Donaumonarchie 1918 ein und würdigt vor allem die Haltung des damaligen Rektors der deutschen Universität, des Kirchenhistorikers Professor Naegle, der am 29. Oktober 1918 eigens den akademischen Rat zusammengerufen und verkündet hatte, dass die deutsche Universität in Prag am Ideal des geistigen Zusammenhanges des gesamten deutschen Volkes festhalten wolle. Das Jahr 1938 behandelt Kindermann unter der generellen politischen Lage, die sich im tschechoslowakischen Staat zusehends verschärft habe und wo die Einschätzung und Haltung der Menschen vor allem durch äußere Eindrücke gesteuert wurden, nämlich durch die wirtschaftliche Blüte jenseits der Grenzen im Deutschen Reich einerseits und die große Arbeitslosigkeit unter den Sudetendeutschen andererseits. „Es war einleuchtend, dass die äußeren Tatbestände vom Volke zunächst gesehen wurden, ohne genügend Kenntnis von den anderen geistigen und religiösen Notständen im Reiche zu haben und zu nehmen. So wurde der Nationalsozialismus in seinen letzten Grundhaltungen auf sudetendeutscher Seite nicht oder viel zu wenig erkannt.“ Um die Entwicklung der religiösen Lage in der ersten Tschechoslowakischen Republik zu charakterisieren, rekurriert Kindermann ausführlich auf das Verhältnis der Priesterzahlen zwischen den Tschechen und den Deutschen. Wichtig ist es für ihn, fast ist es ihm ein Triumph, dass die Zahl der deutschen Priesteramtskandidaten sich im Laufe der 20er und 30er Jahre so erhöht, dass sie die Zahl der tschechischsprachigen Priesteramtskandidaten deutlich überschreitet, obwohl zwei Drittel der tschechoslowakischen Katholiken Tschechen und nur ein Drittel Deutsche sind. Nach einer ausführlichen Schilderung der eigenen Erlebnisse in der sogenannten Mairevolution 1945 schlägt Kindermann versöhnliche Töne an. Es sei ein Gefühl von Sehnsucht und Trauer, das ihn befalle, wenn er auf die Prager Jahre zurückblicke. Unvergessen seien ihm Geschichte und Kultur Prags, auch die Tatsache, dass es unter den Tschechen viele gute Menschen gegeben habe. Die Prager Jahre hätten ihn mitten unter einem anderen Volk lebend für das ganze Leben bereichert, ihn für die künftige Zeit mitgeformt und ermahnt, wie segensreich eine echte slawisch-deutsche Partnerschaft für den mitteleuropäischen Raum für beide Seiten sein könnte. (Adolf Kindermann. Das Prager Intermezzo, in: Ulrich Mosiek / Hartmut Zapp (Hg.): Ius et salus animarum. Festschrift für Bernhard Panzram, Freiburg 1972, S. 11-24, Zitat S. 12f.). Zu August Naegle (1869 – 1932, Kirchenhistoriker in Prag) vgl. Anton LANDERSDORFER, Naegle, August, in: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18. Berlin 1997, S. 706. Vgl. ebd., S. 43. Ebd.

222

Abschnitt III

rungen mit der Gestapo deutete er eher als Willkürakte einzelner Menschen, denn als eine wesentliche Verhaltensform des Regimes. Mit den zum Militär eingezogenen Theologiestudenten hielt Kindermann über Rundbriefe, persönliche Schreiben und Paketsendungen engen Kontakt. Neben diesen Rundbriefen versuchte er auch, seinen ehemaligen Studenten Unterrichtsmaterial zur Theologie zu schicken, eine Art Fernstudium zu pflegen. Zwischen 1939 und 1942 gab er das Prager Kirchenblatt für die deutschen Katholiken Innerböhmens heraus.160 Das Prager Kirchenblatt etablierte sich offensichtlich relativ rasch, konnte es doch im vierten Quartal 1939 bereits eine Auflage von 5.000 Stück mit etwa 4.000 festen Abnehmern vorweisen. Zu der Zeit war auch noch die Lieferung des Kirchenblattes in die Slowakei geplant, wobei offensichtlich noch nicht klar war, wie dies erfolgen könnte. Man schickte aber wohl 1.200 Stück dort hin. Adolf Kindermann konnte bei seinem Wirken in Königstein beinahe nahtlos anknüpfen an seine Tätigkeiten und Erfahrungen in seinem Prager Aufgabenbereich von 1938/39 bis 1945/46: Es waren nicht nur die Erfahrungen, es waren auch die Begleiter, die Kindermann treu blieben: Schon das Konvikt in Prag für die deutschen Theologiestudierenden wurde von Prälat Büttner vom RKA über all die Jahre hinweg finanziell und ideell unterstützt. Dazu kamen reiche Büchergaben, die über das Bonifatiuswerk für das Theologenkonvikt in Prag geschickt worden waren und dort zum Aufbau einer theologischen Fachbibliothek einen wesentlichen Grundstock bildeten. Büttner unterstützte auch das zweite Aufgabengebiet Kindermanns in der Prager Zeit, nämlich die Etablierung des Prager Kirchenblattes. Beide Tätigkeitsfelder, die Priesterausbildung und die katholische Pressetätigkeit, werden Kindermanns Einsatz für die Vertriebenen nach 1946 wiederum entscheidend prägen: Am Anfang von Königstein stand die Sorge um Studium und geistliche Ausbildung der Theologen und das Presseapostolat mit den ‚Königsteiner Rufen’, mit dem ‚Königsteiner Jahrbüchlein’ und speziell, als Leiter des Priesterreferates, die Seelsorge an den Priestern mit den ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten’ bzw. dann speziell mit den ‚Mitteilungen für die sudetendeutschen Priester’. Freilich wurden diese Presseorgane nicht nur für die Seelsorge geschaffen, sondern dienten auch der Einwerbung von Spenden, einem zentralen Baustein für den Haushalt Königsteins. Nicht nur mit den Gebäuden und den Institutionen, Organisationen, Vereinen, Veranstaltungen in Königstein wurde eine heimatliche Ersatzwelt geschaffen, sondern für breitere Kreise im Land wurde gerade auch vermittels der Publikationsorgane, durch deren Inhalte, durch die Informationen über die Entwicklung der Heimat, über die vertriebenen Priester etc. ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufgebaut und über die Jahre hinweg erhalten.

160

Vgl. ebd., S. 46. – Das Katholische Kirchenblatt diente ab dem 8. April 1939 als Informationsblatt für die deutschen Katholiken des Protektorates. Mit dem 31. Januar 1942 musste es sein Erscheinen einstellen. Zum Geburtstag Hitlers am 20. April 1940 hatte es aus dem Katholischen Feldgesangbuch ein in nationalsozialistischer Färbung formuliertes Gebet für Führer, Volk und Wehrmacht abgedruckt. Die Ausgaben des Kirchenblattes von 1935 bis 1942 sind gesammelt im Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien im Haus Königstein in Nidda.

Die Promotoren Königsteins

223

Kindermann wollte wohl nicht nur die Theologenausbildung, nicht nur das Presseapostolat in Prag konzentrieren, sondern auch eine Begegnungsstätte schaffen im Haus des Konviktes – auch dies eine Idee, die er in Königstein dann mit dem Haus der Begegnung erneut realisieren wollte und konnte. Wiederholt dachte Kindermann an Räume für die deutsche Seelsorge, für Exerzitien, Konferenzen, schlicht an eine Zentrale der deutschen kirchlichen Arbeit im Protektorat und auch an eine Absteige, eine Einkehr für Reisende. „Das Haus eigne sich bestens als Mittelpunkt des deutschen kirchlichen Lebens.“ So eine Aktennotiz einer Besprechung mit Kindermann im RKA am 20. Dezember 1939.161 Rechtzeitig vor Weihnachten versäumte Kindermann auch nicht, seinem Geldgeber Wünsche zu übermitteln. „Es ist mir dieser Wunsch heuer ein großes Herzensbedürfnis, waren es ja gerade Sie und Ihre Institution, die uns in diesem Jahre stets treuer Freund und Helfer blieb, auch dann, wenn fast alle an uns irre werden wollten. Dafür haben Sie gerade an der Jahreswende herzinnigen Dank. Sie mögen wissen, dass Sie einen ganz wesentlichen Anteil hatten an der Priestererziehung und der Sorge um den deutschen Priesternachwuchs für fast mehr als eine Million deutscher Katholiken im Grenzlande, und dass ist doch viel und wirkt beruhigend. Bleiben Sie uns auch weiterhin recht gewogen. Es sollen aber diese Wünsche nicht bloß des Konviktes und der amtlichen Angelegenheiten wegen ausgesprochen sein, ich möchte sie Ihnen auch gesagt haben als persönlicher Freund und Konfrater in Christo. Freunde in der heutigen Zeit sind wertvoll und nicht mit Geld zu bezahlen. So schüttle ich Ihnen als Freund in Dankbarkeit die Hand und wünsche Ihnen alles Beste.“162 Die noch nicht klaren Pläne wurden im Jahr 1940 im Gedankenaustausch zwischen Kindermann und Büttner konkretisiert. Man wollte in Prag ein Zentralseminar errichten für deutsche Theologiestudierende vom Baltikum bis zum Südosten. Damit war das Vorbild für Königstein noch griffiger geworden. Zum Jahresende 1940 rechnete Kindermann auch ganz konkret mit den volksdeutschen Theologen, die nach Prag kamen und die mittlerweile die durch den Kriegseinsatz der Prager Theologiestudenten gelichteten Reihen im Seminar wieder auffüllen sollten. Kindermann hoffte, dass etwa 14 oder gar mehr Studierende am 10. Januar 1941 in Prag eintreffen könnten. Für sie würde ein Übergangskurs gehalten werden. Je nachdem, wie der Stand ihrer Studien ist, müssten sie vorbereitet werden, bevor sie in den ordentlichen Lehrbetrieb in Prag integriert werden könnten.163 Aber es ging nicht ohne Schwierigkeiten, denn am 3. Februar 1941 schrieb Kindermann nach Berlin an Büttner: „Möchte Sie nur bitten, dahin zu wirken, dass die besprochenen Volksdeutschen doch noch zu uns kämen, wenn es irgendwie möglich wäre. Wir sind nach Ostern ohne Hörer. Heute rückten wiederum zehn ein. Die anderen werden geweiht und gehen nach Hause bzw. rückten auch ein. Es bleiben dann nur die Ukrainer. Da würde also eine Auffüllung von der Seite der Volksdeutschen her sehr gut tun.“164 161 162 163 164

RKA D XXII 2cc. RKA D XXII 2cc. Kindermann in einem Brief an Büttner am 16. Dezember 1940. RKA D XXII 2cc. Kindermann an Büttner am 03. Februar 1941. RKA D XXII 2cc.

224

Abschnitt III

Der Plan ließ sich freilich rein pragmatisch nicht klären. Es bedurfte grundsätzlicher Erwägungen, und es bedurfte einer Eingabe an staatliche Stellen. Letztlich war es trotz vieler Gespräche sowohl Kindermanns wie Büttners mit den zuständigen staatlichen Stellen nicht gelungen, vom Reichskirchenministerium das Placet erhalten für diese Regionen übergreifende Lösung in Prag. So formulierte Kindermann in seinem Weihnachtsbrief an Büttner: „Es war ein hartes Jahr (1941) mit viel Sorgen und Problemen. Sie haben uns aber wesentlich geholfen und hatten immer ein bereites Ohr und eine noch bereitere Hand für uns. So sage ich Ihnen nun innigen Dank und kleide ihn ein in die Gebete, die tagtäglich von den Unsrigen bei der Mittagsbesuchung für unsere Wohltäter gesprochen werden. Und zu diesen gehören Sie ja in erster Linie. Die Bilanz dieses Jahres ist eben kriegsmäßig. Wir haben noch 22 Studenten im Hause, davon einen Deutschen und einen Volksdeutschen. An die 90 fast stehen draußen im Dienste des Vaterlandes. Acht davon starben in diesem Jahre den Heldentod. Wohl eine Zahl, die relativ gemessen kein anderes Seminar im ganzen großdeutschen Reiche aufzuweisen hat. Die Haltung unserer lieben Gefallenen war ganz einzig und fast beneidenswert. Wenn wir im Konvikte nichts anderes erzielt hätten, als eine letzte Festigung unserer jungen Leute, bevor sie hinauszogen fürs Vaterland, es wäre genug gewesen. Die anderen, die draußen stehen, halten sich im großen Ganzen recht gut. Dass über manchen eine Krise kommt, ist nur allzu leicht begreiflich, ja fast gut.“165 Bis einschließlich 1941 konnte die Prager Kirchenzeitung erscheinen. Der Seminarbetrieb ging letztlich bis in die letzten Kriegswochen weiter, eingeschränkt nur in der Zahl der Studierenden. Die Begründung für eine eigenständige theologische Fakultät für die deutschen Studierenden in Prag zielte darauf, dass sich mit der politischen Abspaltung des deutschen Gebietsanteiles vom Prager Erzbistum das Verhältnis zwischen der deutschen theologischen Fakultät und dem Prager erzbischöflichen Stuhl grundlegend verschoben habe. Die deutsche theologische Fakultät habe ihren Charakter als Dienerin diözesaner Ziele abgestreift und sei wieder stärker zur freien Pflegestätte kirchlicher Wissenschaft geworden. „In dieser Rückkehr zur Tradition des Stifters liegt für sie, wie für die gesamte Prager Deutsche Universität ein Höchstmaß nationaler Verpflichtung eingeschlossen. Der Dienst an der Wissenschaft kann in unseren Tagen weniger denn je reiner Selbstzweck sein. Er muss sich dem höheren Ziele des Dienstes am Volke, der Förderung seines leiblichen und geistigen Wohles einordnen. Damit ist für die Deutsche Theologische Fakultät eine neue Existenzbasis gegeben und erwachsen ihr für die Zukunft eine Reihe von Sonderaufgaben, denen sie nur bei ungeschmälertem Weiterbestand am bisherigen Wirkungsort und bei intensivem innerem und äußerem Weiterausbau voll gerecht zu werden vermag.“166 Die dringendste Sonderaufgabe liege in der Heranbildung volkseigener und volksbewusster Priester für die Zwecke des deutschen Inlandskatholizismus. „Eine nicht minder wichtige Sonderaufgabe für

165 166

Kindermann an Büttner 13. Dezember 1941. RKA D XXII 2cc. Eine Denkschrift der Deutschen Theologischen Fakultät in Prag. RKA D XXII 2bee.

Die Promotoren Königsteins

225

die Deutsche Theologische Fakultät ergibt sich sodann aus ihrem Verhältnis zum Klerus der befreiten Gebiete. Die Frequenzausweise aus diesen Gebieten bezeugen für die letzten 20 Jahre eine Steigerung der Besucherzahl fast um das Vierfache. Diese Orientierung nach Prag, welche auch durch die neue Grenzführung keine nennenswerte Einbuße erlitten hat, gründet in dem doppelten Verlangen der Hörerschaft nach vertiefter wissenschaftlicher Ausbildung und einer völkisch ausgerichteten, ihrer jeweiligen Eigenart Rechnung tragenden Erziehung.“167 Kurz wird eine vierte Sonderaufgabe gestreift und dort das weit ausholende Ziel der Einbeziehung der Theologiestudenten aus dem Südosten Europas angeschnitten. Die Prager Deutsche Theologische Fakultät solle tätig mitwirken bei der Herstellung engerer und herzlicherer Beziehung zwischen der deutschen Nation und den Völkern des europäischen Südostens.168 In einem Memorandum an das Reichskirchenministerium bzw. an den Staatssekretär Frank169 in Berlin liest sich die Begründung für das deutsche Konvikt in Prag mit weit ausgreifendem Einzugsbereich so: „ Die politische Neugestaltung Mitteleuropas, welche in ihrem Ablauf auf die Zurückführung der Deutschen Universität in Prag in den unmittelbaren Besitz des ostdeutschen Reiches mit sich brachte, hat damit zugleich diese älteste Hochburg deutschen Geistes über den Bereich des rein wissenschaftlichen heraus vor einer Reihe nationaler und völkischer Sonderaufgaben gestellt, deren Zielsetzung teils den seit jeher von ihr beherrschten Sudetenraum, teils die demselben im Osten und Süden vorgelagerten Länder und Völker umfasst. An dieser nationalen Mission ist auch die Prager Deutsche Theologische Fakultät in beträchtlichem Maß beteiligt.“170 Angesichts deren Adressaten ist verständlich, dass die große Bedeutung herausgestrichen wird, die die Heranbildung eines volkseigenen und volksbewussten Klerus habe. Leider seien sowohl in der Slowakei wie in Ungarn und in Rumänien – und damit ist der Blick wieder gen Südosten gerichtet – die derzeitigen Verhältnisse nicht günstig. „Der gänzliche Mangel deutscher Seminare nötigt die deutschen Theologen, ihre Ausbildung an nichtdeutschen Lehranstalten und aus der Hand nicht deutscher Professoren zu suchen. Dies bedeutet für sie nach der geistigen Seite hin in der Regel einen empfindlichen Ausfall fachlich beruflichen Wissens, da die meisten dieser Lehranstalten, sei es was Studienbetrieb anbelangt nur in höchst unzulänglichem Maße ausgerüstet sind, nach der seelischen Seite hin aber das fast völlige Ausscheiden einer volksbewussten Erziehung. Hier kann einzig der Besuch

167 168 169

170

Die dringendste Sonderaufgabe liege in der Heranbildung von volkseigenen und volksbewussten Priestern für die Zwecke des Deutschen Inlandskatholizismus. RKA D XXII 2bee, Denkschrift der Deutschen Theologischen Fakultät in Prag am 09. Dezember 1938, vier Seiten masch., Zitat S. 4. Karl Hermann Frank (1898 – 1946), nationalsozialistischer Politiker, 1939 Staatssekretär beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, 1943 dort deutscher Staatsminister. Verantwortlich für die Massaker von Lidice und Ležáky wurde er 1946 in Prag zum Tode verurteilt; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Hermann_Frank, aufgesucht am 17.9.2013. Memorandum undatiert, vermutlich aber Juni bzw. Juli 1940 in RKA D XXII 2bee, sechs Seiten masch., Zitat S. 1.

226

Abschnitt III

einer wissenschaftlich hoch stehenden, national eingestellten Fakultät wirksam Wandel schaffen.“171 Das sollte das ausschlaggebende, überzeugende Argument sein, das für die Prager Deutsche Theologische Fakultät und damit auch für das Priesterseminar in Prag sprach: Prag liege zentral im Hinblick auf den Nordosten und den Südosten.

3.8.

Die Bedeutung der Religion in der Volkstumsarbeit der Zwischenkriegszeit

Zur Vorgeschichte der Initiative Kindermanns und nicht zuletzt des Verhältnisses von Büttner und Kindermann ist ohne Zweifel die Frage nach dem religiösen Faktor und nach der Wissenschaft in der sogenannten Volkstumsarbeit in der Zwischenkriegszeit zu bedenken. Die eigene Identität empfand man als eine an den Rand gedrängte, für die man kämpfen musste, die man in einer engen Verbindung von „völkisch“ als Ersatz für den nicht erhaltenen Nationalstaat und „religiös“ erneuern wollte. Für diese religiöse Erneuerung waren charismatische, begeisternde Priestergestalten notwendig, die selbstverständlich, sollten sie in dieser engen Verquickung der eigenen religiösen und völkischen Erneuerung dienen können, auch aus der eigenen, ethnischen Gruppe kommen sollten. Man brauchte für die Sudetendeutschen, die in der Zwischenkriegszeit in vielen Gemeinden von tschechischen Pfarrern betreut wurden, entsprechend viele junge Kleriker von den Sudetendeutschen. Diese Kleriker sollten das kulturelle und wissenschaftliche Leben der Volksgruppe entscheidend mitprägen können. Diese Intentionen und die Initiativen dafür wurden, nachdem die Deutschen im Südosten und auch in der ersten Tschechoslowakischen Republik nach dem Zerfall der Donaumonarchie 1918 in die Minderheitenposition geraten waren, kirchlicherseits entscheidend unterstützt durch den Reichsverband für das katholische Auslandsdeutschtum. Daher ist die Verbindung Kindermann-Büttner vor 1945 in mehrfacher Hinsicht höchst aufschlussreich. Ota Konrád wies jüngst in seinem Beitrag über die Zusammenarbeit zwischen der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Universität Prag von 1935 bis 1938 zu Recht darauf hin, dass die Kontakte, die die Deutsche Universität Prag in der Zwischenkriegszeit mit Deutschland unterhielt, bisher systematisch noch nicht analysiert wurden. Das gilt auch für die Priesterausbildung in Seminar und Fakultät nach der Trennung in ein Tschechisches und ein Deutsches Priesterseminar 1939. Wie die Kooperation und Stützung der deutschen Wissenschaftler in Prag durch die reichsdeutschen Forschungseinrichtungen das Thema der Untersuchungen Konráds ist, so wäre es wichtig, die theologische Forschung in ihrer Positionierung zum neuen Staat der ersten Tschechoslowakischen Republik, zur eigenen Volksgruppe und dann zu den Deutschen im Reich zu untersuchen. Denn auch für sie

171

Memorandum S. 4.

Die Promotoren Königsteins

227

gilt, was Hermann Aubin172, der Historiker an der Universität Breslau, angesichts der Reichenberger Hochschulwoche 1935 geschrieben hat: Kulturarbeit bei den Sudetendeutschen stehe unter zwei einander entgegenlaufenden Bedingungen. Es gehe darum, das Bewusstsein der Gemeinschaft mit allen Deutschen, also mit den Deutschen im Reich zu stärken, auf der anderen Seite aber auch die Sudetendeutschen in ihrer Gruppenidentität zu stärken. Zwei Zielrichtungen, die einander durchaus entgegenlaufen könnten.173 Die deutsche Theologie außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches hatte mit Kindermann einen wichtigen Förderer im RKA erhalten. Insofern leistete das RKA den katholischen Beitrag zur sogenannten Volkstumsarbeit in der Weimarer Republik.174 „Mit Volkstumsarbeit wurden seinerzeit Aktivitäten bezeichnet, die heute nur noch dem speziell Kundigen etwas von dem politischen und emotionellen Gehalt assoziieren lassen, der in der deutschen Öffentlichkeit der Zwischenkriegszeit mit diesem Begriff verbunden war. Das Thema Grenze und Auslandsdeutschtum erlangte nach 1918 fast einen Rang, den im Kaiserreich die Kolonial- oder die Flottenpolitik eingenommen hatte.“175

3.9.

Die Kooperation von Kindermann und Sladek

In der bisher umfangreichsten Biographie zu Pater Paulus Sladek von Rudolf Ohlbaum176 wird die Zusammenarbeit Sladeks mit Kindermann in Prag nur kurz gestreift, nicht näher charakterisiert. Ohlbaum spricht lediglich davon, dass Sladek die Bemühungen Kindermanns, nach dem Anschluss der sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich 1938 die deutschen Theologiestudenten, die bislang im für Tschechen 172

173

174

175 176

Hermann Aubin (1885 – 1969) in Reichenberg, Nordböhmen geborener Historiker, der die Ostforschung in der Zwischenkriegszeit und im Nationalsozialismus entscheidend mitgeprägt hat. Aubin war von 1929 bis 1945 Professor an der Universität Breslau. Nach dem Krieg war er von 1946 bis 1954 Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg. Vgl. Ferdinand SEIBT, Hermann Aubin. Eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag. In: Sudetendeutscher Kulturalmanach 6 [1965], S. 172-175. – Ferdinand SEIBT, Ostkunde und Ostforschung mit neuen Zielen, in: Horst GLASSL / Franz OLBERT (Hg.), Gräben und Brücken. Berichte und Beiträge zur Geschichte und Gegenwart Ostmitteleuropas. Festschrift für Ernst Nittner zum 65. Geburtstag. München 1980. – Hans-Erich VOLKMANN, Hermann Aubin, in: Ingo HAAR / Michael FAHLBUSCH (Hg), Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 58–62. Vgl. Eduard MÜHLE (Hg.), Briefe des Ostforschers Hermann Aubin aus den Jahren 1910 – 1968. Marburg 2008, S. 214-217 – Ota KONRÁD, Ex Germaniae lux? Die Zusammenarbeit zwischen der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Universität Prag 1935 – 1938, in Bohemia 50 (2010), S. 273-300. Vgl. zu dieser Volkstumsarbeit Gerhard WEIDENFELLER, „Volkstumsarbeit“ in der Weimarer Republik, zur Struktur und Ideologie einer Bewegung, in: Essener Unikate 6/7 (1995), S. 143149. WEIDENFELLER, „Volkstumsarbeit“, S. 143. Pater Paulus Sladek – sein Weg und Wirken, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 445-534.

228

Abschnitt III

und Deutsche gemeinsamen Priesterseminar in Prag Dejwitz studiert hatten, in einem überdiözesanen Deutschen Theologenkonvikt unterzubringen, unterstützt habe.177 Sladek hatte bis 1941, als er Pfarradministrator bei St. Thomas in Prag wurde, im Deutschen Theologenkonvikt gewohnt, wenn er wöchentlich für zwei Tage zu den Vorlesungen nach Prag kam. Die deutschen Theologen, die in Prag studiert hatten, wurden von ihrem bisherigen dortigen Regens, Monsignore Beran, dem späteren Prager Kardinal angehalten, sich an einer Reichsdeutschen Hochschule einzuschreiben, da es nach der Trennung des Priesterseminars unklar war, wann an der Prager Deutschen Theologischen Fakultät die Vorlesungen wieder beginnen würden. Für die Theologen bedeutete das eine höchst unsichere Situation, denn wer in ein österreichisches oder ein bayerisches Priesterseminar eintrat, hatte die Perspektive vor Augen, nach der Priesterweihe oder mit der Priesterweihe in die entsprechende Diözese inkardiniert zu werden, also dort Seelsorger zu werden und nicht für das Sudetenland zur Verfügung zu stehen. „Die Prager Theologen waren besonders verunsichert, weil sie doch weiterhin an der Deutschen Theologischen Fakultät Prag weiterstudieren wollten. Wobei damals viel von einer Verlegung der Deutschen Universität nach Reichenberg gesprochen wurde. Es ist begreiflich, dass in dieser Zeit der Ungewissheit über die Weiterführung des Theologiestudiums und angesichts verlockender Stellenangebote etwa die Hälfte der sudetendeutschen Theologen den Priesterberuf aufgab. In dieser Situation war es für Prof. Kindermann, wie er selbst sagt, auch ohne besonderen kirchlichen Auftrag „ein Gebot des Gewissens, die letzten Reste der deutschen Theologen aufzufangen“.“178 In diesem Rückblick auf Kindermann als den Rektor des Prager Theologenkonvikts brachte Sladek auch seine eigene Aufgaben in dieser Zeit in Prag mit ein und machte damit auch direkt und indirekt Aussagen über sein Verhältnis zu Kindermann zwischen 1938 und 1946. Am 29. Juni 1939 konnte der Prager Kardinal neben den tschechischen Diakonen auch zehn Diakonen aus dem Deutschen Theologenkonvikt die Priesterweihe im Prager Veitsdom spenden. Sladek bezeichnete die ersten zwei Jahre trotz aller Umbrüche und Übergänge als die Blütezeit des neuen Theologenkonviktes. Es war eine große Zahl von Theologen aus verschiedenen Diözesen und Ordensgemeinschaften im Kloster der Kreuzschwestern. Viele kamen aus der Jugendbewegung, aus dem Bund Staffelstein oder dem Quickborn und prägten den Geist des Hauses in ihrer Kameradschaftlichkeit sehr stark mit.179 „Sie hatten auch den Selbstbehauptungskampf ihrer Volksgruppe gegen einen Staat, der sich als Tschechoslowakischer Nationalstaat verstand und die nichttschechischen Volksgruppen höchstens als „Untermieter“ wertete, bewusst miterlebt. Nach

177 178

179

Pater Paulus Sladek – sein Weg und Wirken, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 450. So Pater Paulus Sladek in seinem reflektierenden Rückblick auf Adolf Kindermann, in: SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, S. 38-47, Zitat S. 38f. „Einmal war eine verhältnismäßig große Zahl der Theologen aus verschiedenen Diözesen und Ordensgemeinschaften da. Ein Teil von ihnen war im Staffelstein oder Quickborn gewesen. Sie nahmen jetzt Einfluss auf die Gemeinschaft im Geist der dort erlebten Kameradschaftlichkeit.“ SLADEK, Kindermann, S. 41.

Die Promotoren Königsteins

229

dem Anschluss ihrer Heimat an das Reich, wollten sie auch unter dem Nationalsozialismus beweisen, dass sich die Treue zum Glauben und zur Kirche sehr wohl mit der Treue zum eigenen Volk verbinden lasse. Angesichts der Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus, die sie sehr bald auch am eigenen Leibe durch eine diffamierende Behandlung seitens der Gaustudentenführung verspürten, bekannten sie sich bewusst und voller Begeisterung zu der Aufgabe, Christus im deutschen Volke zu verkündigen. In diesem Geiste schreckten sie auch dann als Soldaten nicht vor dem letzten Einsatz im Dienst für Heimat und Volk, wie sie es damals sahen, zurück. In dieser Gesinnung wussten sie sich mit Kindermann einig.“180 Sladek unterstrich in dieser Skizze des Rektors Kindermann, dass er Vertrauen schenkte und Vertrauen erntete. Die Priester berichteten, dass sie Kindermann als idealen Regens, als einen väterlichen, verständnisvollen Freund erlebt hatten, der sich für ein persönliches Gespräch mit den Theologen immer Zeit genommen habe. Er habe klare Forderungen gestellt und die jungen Theologen für Kirche und Priestertum begeistern können. Wichtiger aber als die Liebe zum eigenen Volk sei die Unbedingtheit bewussten religiösen Strebens gewesen. Das komme vor allem in den Soldatenbriefen Kindermanns an seine ehemaligen Studenten zum Ausdruck.181 Sladek unterstrich in seinem Rückblick, dass Kindermann seine Bemühungen, seine Schwierigkeiten und Sorgen nicht zuletzt auf der Suche nach der Möglichkeit, ein Haus in der Dworschakgasse kaufen zu können – was dann letztlich scheiterte –, mit seinen Mitbrüdern, dem Spiritual, dem Vizerektor und ihm, Pater Sladek, besprochen habe. Trotz der brüderlichen Atmosphäre des kleinen Kreises habe sich Kindermann „seiner Eigenart entsprechend“ in dieser Runde mit kritischen Äußerungen über heikle kirchliche oder politische Fragen zurückgehalten.182 Wenn er auch seine eigenen Erfahrungen mit der Gestapo machen musste, so führte er diese doch nicht auf eine Methode des Regimes zurück, sondern deutete sie als Willkürakte Einzelner. Sladek unterstreicht, dass Kindermann, nachdem Sladek, Pater Huber und Pater Maier 1941/42 das Konvikt verlassen mussten, immer mehr in eine Isolierung hineingeriet.

180 181

182

SLADEK, Kindermann, S. 41. „Als Rektor des Theologenkonviktes schenkte Kindermann Vertrauen und erntete auch Vertrauen. Bis heute berichten die Priester, die damals im Prager Konvikt studiert hatten, dass sie Kindermann als idealen Regens, als einen väterlichen verständnisvollen Freund, der sich für ein persönliches Gespräch mit den Theologen immer Zeit nahm und als seeleneifrigen frommen Priester erlebt hatten, der, wenn notwendig, auch klare Forderungen stellte und die jungen Theologen für Kirche und Priestertum begeistern konnte. In seinem ganzen Reden und Tun verspürten sie seine starke Verbundenheit mit der Kirche und mit Rom, aber auch mit dem eigenen Volke.“ SLADEK, Kindermann, S. 42. Die ‚nationale Erneuerung’ stieß in diesen Jahren sicher nicht allein bei Sladek auf gewisse Sympathien. Das zeigt nicht zuletzt das Memorandum des Philosophielehrers an der Prager deutschen theologischen Fakultät Theodor Czermak von 1938. Im Hintergrund stand die Erregung in Fakultät und Kirche im Juni 1938, weil die Theologiestudenten am 3. Mai geschlossen die Aufnahme in Henleins Sudetendeutscher Partei beantragt hatten. Rom hatte daraufhin den Aufschub der Priesterweihe der sudetendeutschen Kandidaten verfügt. Vgl. CZERMAK, Über die deutsche nationale Bewegung, S. 95-105.

230

Abschnitt III

3.10. Glaubensleben und pastorale Praxis während der Internierung 1945 Neben den Bedrängnissen durch die Gestapo und dann durch die Tschechen ab Anfang Mai 1945 kam auf Kindermann eine neue schwierige Aufgabe zu: Bis September 1945 wohnte er im Theresianum auf der Kleinseite Prags, einem Internierungslager für deutsche Priester und Schwestern. Nachdem er entlassen worden war und in seine Wohnung zurückkehren konnte, wurde er durch eine internierte Rot-Kreuz-Schwester mit dem Schicksal der Abertausenden von Deutschen, die im Prager Stadion unter freiem Himmel zusammengepfercht waren, konfrontiert. Kindermann stellte sich dieser Aufgabe, den Schwerkranken und Sterbenden, den von Krankheit, Hunger und Willkür Geplagten materiell und seelsorgerlich beizustehen. Die eigene Internierung führte Kindermann nach dem Ausweis seiner Notizen in seinem Tagebuch zu einer konzentrierten Glaubenshaltung, zum Versuch der ausgewogenen Sicht auch gegenüber den Peinigern. Er erwähnte z.B., dass sich auch tschechische Menschen für ihn und die Schwester Oberin eingesetzt hätten.183 Er versuchte seine Frömmigkeitspraxis als Orientierungsrahmen beizubehalten, vor allem die tägliche Heilige Messe zu lesen. Auch in der Lagerumgebung konnte die kirchliche Liturgie die entsprechende Feierlichkeit verbreiten. Sie schaffte ein heimeliges Beisammensein. Dass viele zur Kommunion gingen, vermerkte Kindermann mit Genugtuung und fügte gleich die Frage an, ob sie es daheim auch getan hätten, um daraus die Folgerung zu ziehen, dass der Herr die Menschen manchmal durch ein Dunkel führen müsse, damit sie erwachten und sich wieder nach dem wahren Licht sehnten. Schöner habe er die Weihnachtstage kaum gefeiert, als im Lager in Prag, notierte er am 28. Dezember 1945. Die Konzentration auf das Wesentliche begrüßte er; er zeigte Genugtuung, dass die Kirche in dieser Situation als einzige noch helfen könne und dass die Lagerinsassen auf dieses Angebot quasi angewiesen seien. In der Skizze seiner Lagerseelsorge spricht er viel vom liturgischen Leben und von der Sakramentenspendung. Wichtig war ihm, das Wort Gottes in der Muttersprache zu lesen und zu künden. Das mag sich weniger gegen die Praxis der lateinischen Liturgie, als vielmehr gegen das Verbot einer deutschsprachigen Gottesdienstfeier durch die Tschechen gerichtet haben.184 Im Mittelpunkt stand der Einsatz tradierter Mittel und die Erhaltung herkömmlicher Wertordnungen. Es waren wenig persönliche Gespräche, von denen er berichtete, vielmehr die sakramental institutionalisierte Form der Beichtgespräche. Diese so ganz anheimelnde, bisweilen auf die dingliche Ebene reichende Dimension der Religiosität zeigte sich auch bei einem Abschiedsgottesdienst im Lager: Kindermann gefiel es offensichtlich, dass die Menschen zu ihm kamen um ein kleines Andenken, um ein Heiligenbildchen, das sie wie eine Reliquie ehren und als Erinnerung mitnehmen wollten. „Ein Erinnerungszeichen wollten sie haben für die kom-

183 184

Vgl. SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, S. 59-72, hier S. 59. Vgl. ebd., S. 66.

Die Promotoren Königsteins

231

menden Wochen und Monate. Es waren große Exerzitien, eine Zeit, da man Erkenntnisse gewinnt, die sonst nie im Leben gekommen wären.“185 Im Internierungslager waren ihm das Gebet und die Auslegung der Schrift sehr wichtig. Er predigte zum Teil täglich: Die Sühne und die verzeihende Liebe waren zentrale Themen.186 Je einschneidender die Maßnahmen wurden, je weniger Verkehr zur Außenwelt blieb, um so inniger wurde die Konzentration auf das Gebet, die Stütze, die er in der Ergebenheit in Gottes Willen suchte – nach dem Motto: „Je größer das Leid, um so näher Gott“.187 So predigte er in der letzten Juniwoche 1945 und im Juli über die Hoffnung, über Gestalten des Glaubens, über den Willen Gottes, der die Richtschnur menschlichen Handelns sei, über Christus und den irdischen Besitz, am 22. Juli über den Widerstand der Juden und den Abfall des Abendlandes, über die Verhärtung des deutschen Volkes und schließlich über die Hilfe des sakramentalen Christus.188 Sein Fazit notierte er am 22. September 1945, als er wieder in seine Wohnung zurückkehren konnte. „Glückliche Tage, stille Einsamkeit, die hinter uns liegen! Ich habe sie lieb gewonnen. Man ist innerlich wieder auf das Wesentliche gestoßen worden. Quid prodest homini ...? Restlose Hingabe an den Willen Gottes – kompromisslos ohne zu handeln und zu feilschen. – Auch in aussichtsloser Lage und auch dann und gerade dann, wenn man einmal so ganz zertreten wird.“189 Das Herz-Jesu-Bild gab ihm Trost, Zuversicht und Mut. Das offene Herz Jesu, das ihn im Angesicht seines im Wesentlichen unversehrt gebliebenen Heimes und Besitzes zurief, dass nichts nötig sei, außer dass das Herz in Ordnung ist. Kindermann spürte die Einsamkeit nach dem Lagerleben mit den anderen Geistlichen und den Schwestern. Mit dem Schicksal des heiligen Johannes Nepomuk wusste er sich in den letzten Stunden in Prag verbunden, des Heiligen, der den Deutschen in Böhmen soviel Identität spendete und der in der Schicksalsgemeinschaft des Verfolgtseins, des Bedrängtwerdens und Standhaltens Mut und Orientierung geben konnte. Kindermanns Fazit über diese Epoche, sein geistlicher Ertrag dieser Zeit läuft hin auf das Kreuz, das in Zukunft mehr betrachtet werden müsse. Es gehöre viel stärker in das Leben hinein, als wir es wahrhaben wollen.190 In seinen Tagebucheinträgen über die Lagermonate in Prag zeigt sich sehr deutlich Kindermanns Genugtuung und Freude über den religiösen Aufbruch, den er bei vielen Lagerinsassen miterleben konnte. Er reflektierte freilich an keiner Stelle, dass es ein

185 186

187 188 189 190

Ebd., S. 69. „Zur Vorbereitung auf das Herz-Jesu-Fest hielten wir ein Triduum. Ich predigte über den ersten Teil des Epheserbriefes, also das Christusgeheimnis, Jesus in der sühnenden Liebe, wir mit unserer Sühne; sodann über unsere apostolische Aufgabe als Christen und abschließend am 3. Sonntag nach Pfingsten über die verzeihende Liebe Jesu (Parabel vom verlorenen Sohne). ... Wie der Vater verzeiht, so verzeihen auch wir, das Christlichste der christlichen Liebe. ...“ (Ebd., S. 62) Vgl. dazu ebd., S. 63. Vgl. ebd., S. 63. Ebd., S. 64. Vgl. ebd., S. 64.

232

Abschnitt III

erzwungener religiöser Aufbruch war, eine Situation, die ob ihrer Außergewöhnlichkeit auch andere als nur herkömmliche Mittel erforderte; ein Aufbruch, der vielleicht auch nur vorübergehend anhielt. Voll Erstaunen trug er am 24. Dezember 1945 ein, dass mehr Männer als Frauen zur Weihnachtsbeichte gekommen seien, also der Trend der religiösen Praxis der Kirche eigentlich umgekehrt sei. Unmittelbar darauf folgte das fest gefügte Bild vom jeweiligen Stand: „Es ist doch etwas Wundersames, wenn der Mann sich zum Herrn bekehrt! Etwas so Ehrliches und Kerniges!“191 Wie eng Kindermann im Rahmen der eigenen Konfession dachte, zeigt ein Eintrag von Ende Februar 1946: Ein 20-jähriger evangelischer Junge, an Tuberkulose erkrankt, kurz vor dem Sterben. Er liegt mit zwei Katholiken auf dem Zimmer, die bei Kindermann wiederholt kommuniziert haben, mit denen Kindermann nach der Kommunion gemeinsam gebetet hat. Das mag in dem jungen Mann das Verlangen geweckt haben, katholisch zu werden. Dieser Fall wurde zum Auslöser, die Leere der evangelischen Christen und die Fülle des Angebotes der katholischen Kirche zu unterstreichen.192 So ist signifikant, dass Kindermann beim Reflektieren des Lebens in den Lagern nicht die Einzelschicksale im Auge hatte, sondern das Bedauern zum Ausdruck brachte, dass sich die christlichen Ansichten von Familie auflösten; das Lagersystem zersetze die Familie.193 Wichtig wurde ihm, den Menschen nahezubringen, dass sie sich in Gottes Ordnung fügen, dass sie das Leid als einen Stachel zum Wachwerden begreifen und vor allem dass sie Hass und Rache begraben, dass sie einen Schlusspunkt unter das kontinuierliche Prinzip der Vergeltung setzen sollten.194 Die Gesinnung und Haltung Jesu Christi zu verkünden, sei die wichtigste Aufgabe im Lager. Nicht zuletzt in Kindermanns Weihnachtsschreiben aus den ersten Jahren in Königstein an Paula Schetka, seine Mitarbeiterin aus der Prager Zeit – dort hatte sie bereits in der Redaktion des Kirchenblattes gearbeitet – zeigt sich auch die Stimmung, in der sich Kindermann und sicher nicht er allein befand: Er war angekommen in Westdeutschland und schuf sich dort eine Eigenwelt. Die Resignation, die sich bei vielen Vertriebenen nach 1947 zunehmend breit machte und erst mit Beginn der fünfziger Jahre wieder einer besseren Stimmung wich, wird greifbar. Sie ist auch bei Kindermann 1948 deutlich herauszuhören. Die Frage muss offen bleiben, wie weit sie

191 192

193 194

Lagermonate in Prag. Aus dem Tagebuch des Weihbischofs, in: Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, S. 65-72, hier S. 65. „Immer wieder wollte er einen Priester haben; vielleicht einen katholischen. Er erklärte der Schwester: „Schade, dass ich nicht katholisch bin.“ Der evangelische Pastor war an diesem Abend im Hause; er kam zu ihm, redete mit ihm. Der Junge aber wollte beten. So machte die Schwester den Pastor darauf aufmerksam; und so beteten sie dann gemeinsam das Vater unser. Was ist es doch Wunderbares um den katholischen Glauben, wenn es zum Sterben kommt, ist die Mutter Kirche da mit all ihrer Fülle. Gerade im Sterben spürt man die Leere der evangelischen Christen. Es ist alles so kalt. Christi Fülle ist in der katholischen Kirche ... Wo immer sie in ihrer Fülle und aus ihrer Fülle wirkt, zieht sie an, beglückt, getröstet.“ (Ebd., S. 67) Vgl. ebd., S. 67. Vgl. ebd., S. 69.

Die Promotoren Königsteins

233

nach 1950 zu einem Aufbruch in die neue Situation hinein geführt hat, bzw. wie weit sie Motor der Abschottung, der Gettoisierung war. Einen Eindruck, den man in Königstein nie ganz von der Hand weisen kann.195

3.11. Kindermann und die Vertriebenenseelsorge196 Im Amtlichen Statistischen Jahrbuch der katholischen Kirche Deutschlands hatte Kindermann 1951 den Beitrag über die Heimatvertriebenen unter dem religiös seelsorgerlichen Aspekt übernommen.197 Dort charakterisierte er die Situation der Vertriebenen und entsprechend die Aufgaben der Vertriebenenseelsorge so: Die religiöse Haltung der Heimatvertriebenen werde in erster Linie durch den Verlust der natürlichen Geborgenheit des Lebens und durch das Ringen um den notwendigen Lebensraum in der neuen Heimat geprägt; sie werde von den materiellen Grundbedürfnissen mitbestimmt, daher kam Kindermann zunächst auf die Nahrungsnot, die Wohnraumnot und die Arbeitsnot zu sprechen. Das Problem der vielen Menschen, die noch in Lagern lebten, und die entsprechenden moralischen Auswirkungen, die die Seelsorger hier sahen, werden ebenso breit verhandelt, wie der relativ hohe Prozentsatz der Arbeitslosen unter den Heimatvertriebenen. Es fällt auf, dass Kindermann sehr früh die weit reichenden Folgen der

195

196

197

Vgl. dazu noch einmal den Weihnachtsbrief Kindermanns an Schetka vom 24.12.1948, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand G, Geschäftsführung, S. 962. Da ist zwar der Appell zum Durchhalten zu spüren, aber man meint, es sei eher seelsorgerliche Pflicht, wenn er schreibt, nicht mutlos und verzagt zu sein, ein Mut, den er auch sich selber zuspricht, wenn er gleich im nächsten Satz formuliert: „Vielleicht haben wir alle schon am längsten Weihnachten gefeiert und ist unser ewiges Weihnachten nahe.“ Es ist also deutlich, die Resignation an der gegenwärtigen Situation zu spüren. Zu Kindermann vgl. auch den würdigenden Artikel von Michael HIRSCHFELD, Ein Anwalt der Vertriebenen. Der Gründer der Königsteiner Anstalten wurde vor 100 Jahren geboren. In Königsteiner Jahrbuch, 1999, S. 122-123. Adolf KINDERMANN, Die Heimatvertriebenen, religiös seelsorglich gesehen, in: Franz GROHNER (Hg.), Kirchliches Handbuch. Amtliches Statistisches Jahrbuch der katholischen Kirche Deutschlands. Köln 1951, S. 203-218. – Kindermann steigt ein mit einer Reflexion der Begriffe Flüchtlinge und Heimatvertriebene, zitiert aus dem Potsdamer Abkommen den entscheidenden Passus, diskutiert die ordnungsgemäße und humane Überführung der deutschen Bevölkerung im Osten und bringt eine Statistik der Ostvertriebenen. Ein zweiter Abschnitt des Artikels ist der religiösen Lage der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen gewidmet, vor allen Dingen den sechs Millionen Vertriebenen, die der katholischen Kirche angehören. Kindermann verweist hier vor allem auf die nordostdeutschen Katholiken aus den Bistümern Ermland, Danzig, Berlin, Kulm und der freien Prälatur Schneidemühl, die durch Krieg und die Nachkriegsereignisse die wohl am schwersten betroffene Gruppe gewesen sei. Gleichzeitig hält er fest, dass eine spätere Geschichtsschreibung „diese für die Kirche glorreiche und durch viel Martyrerblut gesegnete Zeit einmal eingehender würdigen müsse(n)“. (Ebd., S. 207) Kindermann kommt in den folgenden Absätzen vor allem auf die zahlenmäßigen Verluste der einzelnen Volksgruppen zu sprechen und geht dann noch kurz auf die Situation des Vertriebenenklerus ein. Bezeichnend für ihn ist, dass er hier die Tragik der Austreibung so recht offenbar werden sieht.

234

Abschnitt III

Entwurzelung der Vertriebenen sah und sie als viel schlimmer bezeichnete, als man allgemein annehme. Durch die Entwurzelung verliere der Heimatvertriebene den natürlichen Halt.198 Diese Gefährdung werde durch die Erfahrung in der Aufnahme verschärft. Die Vertriebenen seien nicht in ein aufnahmefähiges, menschenarmes, fruchtbares, nicht zerstörtes Land gekommen, so dass nach den Wochen der Ausweisung eine zweite, nicht weniger schwere Phase einsetzte, nämlich im Aufnahmebereich eine neue Lebensexistenz zu erringen.199 Die vielfachen Nöte, mit denen die Heimatvertriebenen konfrontiert waren, ließen sie nur schwer eine neue Heimat finden. Die Folgen der Entwurzelung durch die Vertreibung seien viel schlimmer als man allgemein annehme. Der Heimatvertriebene habe den natürlichen Halt verloren und sei damit in seiner Glaubenstreue verletzbar, anfälliger geworden. Kindermann war der Überzeugung, dass die Entwurzelung leichter überwunden worden wäre, wenn die Vertriebenen in ein „aufnahmefähiges“, nicht bereits überbevölkertes Land gekommen wären, das zudem durch den Krieg stark zerstört worden war.200 Die fehlende natürliche Basis, wie Kindermann die Heimat bezeichnete, sei nicht ohne Einfluss auf die religiöse Haltung des Flüchtlings, setze doch die Gnade die Natur voraus. Wenn die natürlichen Gegebenheiten zusammenbrechen, stürze nicht selten auch das religiöse Leben zusammen. Bei vielen Heimatvertriebenen schätzte er diese Gefahr als sehr groß ein. Das religiöse Leben, das für einfache Verhältnisse gerade noch ausreiche, sei der außerordentlichen Belastung dieser Vertreibungssituation nicht gewachsen. Daher bestehe große Gefahr, dass viele an Gott, der Kirche, an den Priestern und am Menschen irre würden.201202 Problematisch war die Aufnahme sowohl im katholischen Land wie auch in der Diaspora.203 Die Stabilisierung der konfessionellen Identität in der Diaspora war Kin198 199

200

201 202 203

KINDERMANN, Die Heimatvertriebenen, S. 210. KINDERMANN, Die Heimatvertriebenen, S. 210: „Der Anfang war umso schwerer, als die Austreibung, Ausgeraubte, wie eine Handvoll Sand verstreute, vor allem aber seelisch kranke Menschen in völlig fremde und unbekannte Verhältnisse brachte. Anstelle dessen, was man ihnen in der alten Heimat geraubt hatte, stellte sich nun die mannigfachste Not bei ihnen ein: Die Enge des Lebensraumes, die Wohnraumnot, Ernährungsschwierigkeiten, die Existenznot, die Not des Arbeitsplatzes, die Umstellung in der Arbeit, die Not des Ausweichberufes. Dazu kam oft noch die seelische Not des Getrenntseins und der Vereinsamung. Alle diese Sorgen und noch andere mehr umgaben wie eine Gespensterschar den Heimatvertriebenen, als er mit seiner kargen Habe endlich in sein Ziel eingewiesen wurde.“ Neben der Nahrungs- und der Arbeitsnot sei vor allem die Wohnungsnot ein zentrales Problem des sozialen Lebens geworden. Die Enge des Raumes wirke sich im verbliebenen Westdeutschland am furchtbarsten aus, denn sie erdrücke den Menschen und das Gute in ihm, löse letzte Bindungen auf und lasse jede Hemmung schwinden. „Die Bewohner dieser Lager sind vielfach mit Gott und auch mit den Menschen zerfallen. Sie sind bereits in eine letzte Verlorenheit versunken. Sie bauen sich ihr Leben nach ihren eigenen Regeln auf.“ Ebd., S. 211. Vgl. ebd., S. 212. Ebd., S. 67f. „Das Kernproblem des Flüchtlings in dem katholischen Land ist die Begegnung. Es ist nicht böser Wille, wenn sie nur schwer gelingt. Die abwartende, zurückhaltende, ja nicht selten ableh-

Die Promotoren Königsteins

235

dermann verständlicherweise ein zentrales Anliegen. Dafür fehlten 2.000 Kirchen; über 250 Seelsorgestellen in der Diaspora waren wegen Priestermangels nicht besetzt. Kindermann veranschaulichte das folgendermaßen: Es handle sich dabei um ein Gebiet mit rund 6.000 Städten und Dörfern, also ein Land etwa von der Größe Bayerns. Die Eingliederung der Vertriebenen verlaufe weder in den rein katholischen Gebieten noch in der Diaspora reibungs- und problemlos.204 Der Heimatvertriebene in der Diaspora aber habe es noch schwerer als der Flüchtling im katholischen Land, denn dort fehle das katholische Milieu. Dort fehlten Kirche und Priester, dort fehlte die katholische Luft. Da der Großteil der Flüchtlinge nicht diasporareif sei, da sie kaum Berührung mit Andersgläubigen hatten, seien sie besonders gefährdet; gerade die Sudetendeutschen seien davon betroffen205. Die Kirche habe in den ersten Jahren der Austreibung allein die ganze Problematik des Flüchtlings getragen. Flüchtlingstage und Wallfahrten hätten sich zu einem tiefen religiösen Erlebnis gestaltet, seien ein Versuch gewesen, das harte Schicksal aus dem Glauben heraus zu deuten und zu tragen, ein Stück neue Heimat zu geben.206 Kindermann idealisierte diese Phase: „Eine wunderschöne Parallele zu der stürmischen Zeit des Frühmittelalters, da oft auch die Bischöfe ex jure devolutivo alle Sorgen, auch die irdischen, in die Hände nahmen. In letzter Zeit allerdings versuchen die Heimatvertriebenen wieder mehr selbständig zu werden.“207 Zeichen für dieses Selbständigwerden waren für Kindermann der Zusammenschluss der Vertriebenen in Landesverbänden und in Landsmannschaften, was zwar eine natürliche Entwicklung sei, vom religiösen Aspekt her aber nicht ohne Besorgnis gesehen werden könne. Kindermann wähnte offensichtlich die Exklusivität der Bindung an die Kirche dadurch gefährdet.

204

205

206 207

nende Haltung des Einheimischen wirkt auf den überempfindlichen, nach Enttäuschungen mit übertriebenen Hoffnungen und Erwartungen kommenden Flüchtling nicht bindend, sondern vielmehr trennend. Hier kann nur wirkliches Christentum auf beiden Seiten die Kluft überbrücken. Ein weites Feld nachgehender Seelsorge tut sich da für den Geistlichen auf. Einer noch größeren Belastung ist der Heimatvertriebene in der Diaspora ausgesetzt. Hier fehlt das katholische Milieu, sozusagen die katholische Luft. Hier fehlen Kirche und Priester. Der Großteil der Flüchtlinge ist nicht diasporareif.“ (S. 213) Erschwerend komme für die Heimatvertriebenen dazu, dass sie oftmals in eine unreligiöse Umgebung gekommen seien. Aber auch in katholischen Gegenden verlaufe die Eingliederung nicht konfliktfrei. Interessant ist, wie Kindermann das katholische Milieu charakterisierte, an welchen Charakteristika er es fest machte: Diejenigen, die um den Kirchturm lebten, denen die Kirche im Ort selbstverständlich war, wo der Seelsorger da war, wenn man ihn brauchte, reflektierten nicht weiter über den Glauben. Sie waren selbstverständlich in das Kirchenjahr eingebettet, lebten die religiösen Bräuche, so wie man sie von den Eltern übernommen hatte, waren Glied einer großen Pfarrfamilie, Werte, die für selbstverständlich gehalten wurden. In der Diaspora aber, wo es beschwerlicher sei, das Christentum zu leben, gewöhne man sich langsam an den Sonntag ohne heilige Messe. Für Kindermann war dies offensichtlich der Indikator für praktiziertes Christentum. Seine Argumentation bewegt sich ganz in überkommenen amtskirchlichen Schemata. Vgl. ebd., S. 217. Ebd.

236

Abschnitt III

Neben dem Appell, die religiöse Identität zu wahren208, ja die Identität durch die Religiosität zu wahren, mahnte er die Landsleute, auch den leidenden Brüdern in der sowjetisch besetzten Zone und den in der Heimat verbliebenen Deutschen zu helfen. Und er hielt deutlich fest, dass sie sich auch mit den tschechischen und slowakischen Brüdern verbunden fühlen sollten. Die Deutschen hatten die Heimat verloren, die Tschechen und Slowaken die Freiheit. Kindermann mochte nicht entscheiden, welcher Verlust schwerer wog. Die Priesternot der Heimatvertriebenen in der Diaspora trieb Kindermann auch auf der theoretischen, reflektierenden Ebene um; es war das grundlegende Problem, das den Königsteiner Anstalten den Sinn gab. Sie sollten Priester heranbilden, die einmal dorthin gehen, wo die Not am größten ist, wie Kindermann in dem Beitrag für das „Kirchliche Handbuch“ einmal mehr formulierte.209

3.12. ‚Passiver Widerstand’ – das Rückrufsrecht des Heimatbischofs Zu einer ähnlichen Einschätzung war Kindermann bereits auf der Konferenz der heimatlosen Priester vom 5. bis 7. August 1947 in Eichstätt gekommen; dort referierte er über die kirchenrechtliche Lage des heimatvertriebenen Priesters. Er unterstrich das schreiende Unrecht, das dem deutschen Volk angetan worden sei durch die Vertreibung, wandte sich gegen die Kollektivschuldthese und hob hervor, dass die Vertriebenen nur der Gewalt gewichen seien, daher riet er zum passiven Widerstand, den er realisiert sah ein einem engen Bezug zur Heimat.210

208

209 210

In einem Grußwort an die Mitglieder der Ackermann-Gemeinde kam Kindermann auf seinen Lieblingsgedankengang zu sprechen: die Bewährung aus dem Glauben, der bei den Sudetendeutschen in der Vergangenheit vielen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Die Vertreibung habe vieles zusammenbrechen lassen, etwa die blühende Wirtschaft, den materiellen Wohlstand und den Humanismus. Es hätte sich gezeigt, dass diese nicht imstande seien, letzte Belastungsproben auszuhalten. Das könne nur der lebendige Glaube bewirken. Deswegen appellierte er an seine Landsleute, sie sollten nicht mit liberalen Tendenzen taktieren, wie es da und dort bereits wieder spürbar werde. Die Stelle im 2. Korintherbrief 9, 2, ein Lob des Paulus für die Gemeinde in Korinth, dass ihr Eifer für viele ein Ansporn gewesen sei, veranlasste Kindermann zu einer Reflexion über die Situation der ersten Christen in ihrer Gemeinschaft und in der Diasporasituation. Sie waren apostolisch tätig, sie fühlten sich verantwortlich für ihre Brüder und Schwestern. Diese Haltung, diese Sorge um die Gemeinde sollten auch die Sudetendeutschen an den Tag legen; Kindermann setzte die frühchristliche Gemeinde mit der Volksgruppe der Sudetendeutschen gleich, er nationalisierte gewissermaßen diese frühchristliche Gemeinschaft. „Auch in der neuen Bleibe haben wir ähnliche Aufgaben zu erfüllen. Die Glaubwürdigkeit der Anliegen unserer Volksgruppe muss erwiesen werden. Auf der unverrückbaren Basis christlicher Grundsätze haben wir unser Heimatproblem und alle anderen Fragen, die damit zusammenhängen, zu behandeln, zu durchdenken, zu diskutieren und einer möglichen Lösung zuzuführen. KINDERMANN, Die Heimatvertriebenen, S. 215. BENDEL, Quellen zur Vertriebenenseelsorge – Teil I, Manuskript S. 24-31, dort heißt es auf S. 25: „Darum nicht mit der alten Heimat brechen. Es ist manchmal für den Augenblick bequemer, so zu tun, aber ist es nicht gleichsam ein stiller Protest unsererseits, wenn wir von uns aus nichts

Die Promotoren Königsteins

237

Kindermann sah es als seine Aufgabe, für den Schwebezustand die Rechtsnormen zu skizzieren. Eine schwierige Lage, weil der Kodex Normalfälle, Normalverhältnisse regelt. Eine Grundentscheidung, ein Grundsatz dieses passiven Widerstandes war: der heimatvertriebene Priester bleibt seiner Heimatdiözese weiterhin inkardiniert. Das war in den Augen Kindermanns rechtlich ganz klar. Daran sollten die Priester nach seiner Einschätzung auch nicht rütteln. Sie sollten Friedensverträge abwarten und dann würden sicherlich auch neue Weisungen aus Rom kommen. D.h. die Priester konnten auch keine neuen Benefizien übernehmen, weil sie rechtlich im Besitz der alten bzw. ihrer Herkunftspfarreien blieben. Das hatte für die pensionsberechtigten Kleriker die Konsequenz, dass sie keine Pensionen bekamen, sondern nur Alterszuschüsse. Auch über die persönliche Lebensführung der vertriebenen Priester sollte der Heimatbischof ein wenn auch entferntes Aufsichtsrecht behalten. Schließlich behielt der Heimatbischof als bedeutendes und klarstes Recht das Rückrufrecht für seine Priester. D.h. der Heimatbischof konnte seine Priester, auch die vertriebenen, jederzeit zurückrufen, wenn diesen die Heimkehr zuzumuten war. In Konsequenz der Grundthese vom passiven Widerstand gegen das Faktum der Heimatvertreibung sprach Kindermann auch dort, wo das Gesetz keine Regelungen vorsah, wie etwa dass Bischof und Klerus vertrieben waren, dem Heimatbischof das Aufsichtsrecht und das Rückrufsrecht zu. Sollten sich Heimatbischof und Aufnahmebischof bzgl. eines Rückrufs nicht einig sein, dann sprach er dem Heimatbischof das stärkere Recht zu.211 Zumindest indirekt appellierte Kindermann dafür, auch die Rechte des vertriebenen Bischofs, also eines zusätzlich geschaffenen Amtes zu akzeptieren. Er sah vor allem die Rechte derjenigen Heimatordinarien, die nicht oder nur schwer zu erreichen waren, also der Bischöfe aus dem Südosten bzw. der Tschechoslowakei oder des Bistums Kattowitz auf den Sonderbeauftragten übergegangen. Dessen drängendste Aufgabe werde es künftig sein, die Priester gemäß den Anforderungen der Situation zu verteilen. Viele der vertriebenen Priester im besten Alter seien auf Kaplanstellen in Seelsorgebezirken eingesetzt, wo sie kaum mit Vertriebenen zu tun hatten. „Wir können es vor Gott und vor unseren Landsleuten, die eine Prüfung sondergleichen zu bestehen haben, niemals verantworten, wenn wir sie noch länger der Arbeit unter den Vertriebenen entzogen sehen. Hier gilt der Grundsatz ohne jede Einschränkung: der Vertriebenenpriester zunächst und vor allem für die vertriebenen Glaubensbrüder und Glaubensschwestern. Wenn wir heute manche Dinge mit besonderer Schärfe und Deutlichkeit sagen müssen, so soll das nur aus der ernsten Verantwortung heraus sein,

211

unternehmen, sondern uns einfach drängen lassen. Viele rechtliche Bande mit der alten Heimat bestehen weiter. Sollen wir sie lösen? Wir würden unseren Landsleuten dadurch weiteren Mut nehmen, darum nicht resignieren. Auch die alten Amtstitel bleiben uns und es wäre ein Unrecht, sie uns zu nehmen. Dieser Zustand wird so lange dauern, bis unsere Verhältnisse geregelt werden. D.h. man wird mit dem passiven Widerstand aufhören müssen, wenn es hoffnungslos ist, zum alten Recht zu kommen. Es müsste also erst einmal Friede werden. Bis dorthin sind wir in einem Schwebezustand…“ Manuskript S. 24 bis 31, S. 26.

238

Abschnitt III

die wir Priester und vor allem die bischöflichen Oberhirten für das Seelenheil der Ärmsten unter den Armen – und das sind doch die, die Haus und Heimat einbüßten – haben. Hier ist wirklich kein anderes Gesetz und kein anderer Grund, der uns so eindringlich werden lässt, als jener, für den wir uns ja selbst auch mit dem Einsatz unseres Lebens zu opfern haben: nämlich ‚salus animarum – suprema lex‘. Ungezählte Kinder in der Diaspora haben seit Jahren keinen rechten Religionsunterricht mehr, Tausende sterben, ohne den Empfang der Heiligen Sakramente. Nicht vielleicht, weil die Gläubigen nicht wollen, nein, weil kein Priester da ist.“212 Eine weitere Konsequenz, die sich aus dem Appell ergab, den Rechtsstatus zu wahren, zog Kindermann gegen Ende seiner Ausführungen, wenn er auf das Rechtsverhältnis des heimatvertriebenen Priesters zu den ehemaligen Pfarrkindern zu sprechen kam und dieses unterstrich: es bestehe zu Recht, solange der Pfarrer auf seine alte Pfarrei nicht resigniert habe. Daher sei es auch wünschenswert, dass der Pfarrer mit seinen ehemaligen Pfarrkindern Verbindung unterhalte. Im wilden Durcheinander der Dinge werde der alte Heimatpfarrer mit seinen Worten und Gebeten ein starker Halt und großer Trost sein können.213 „Unsere derzeitige kirchenrechtliche Lage ist die eines Schwebezustandes, den wir augenblicklich nicht ändern können. Wir können auch seine Härten nicht bannen. Diese Härten liegen vor allem darin, dass wir keine definitiven Stellen einnehmen dürfen. Es müssten aber diese Härten soweit als möglich auf andere Art gemildert werden, z.B. durch großzügiges Entgegenkommen von Seiten der einheimischen Geistlichen, durch ganz feine psychologische Behandlung, durch die Möglichkeit selbständiger Arbeit, was allerdings in der Diaspora am leichtesten der Fall ist, durch Ausgleichung an den Gehalt des einheimischen Priesters …“214

3.13. Sorge um den Priesternachwuchs Kindermann als eigens für die sudetendeutschen Heimatvertriebenen bestellter Seelsorger, als Integrationsfigur für die Katholiken dieser Volksgruppe, richtete seine Sorge in erster Linie, ja fast ausschließlich auf die Sorge um die Seelsorger, um den Priesternachwuchs aus der eigenen Volksgruppe. Bezeichnend für Kindermanns kontinuierliches Anliegen ist sein Weihnachtsbrief im Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 1967. Kindermann war zu dieser Zeit seit einem guten Jahr Weihbischof mit dem besonderen Auftrag des Papstes, für die Heimatvertriebenen aus der Tschechoslowakei Sorge zu tragen. Darauf rekurrierte Kindermann gleich zu Beginn seines Schreibens. Die Ausführungen für seine Landsleute kreisten zunächst in einem kurzen Abschnitt ganz allgemein um die Kraft aus dem Glauben, die nötig sei, um das Schicksal der Vertreibung ertragen zu können.

212 213 214

Manuskript S. 24 bis 31, S. 29. Manuskript S. 24 bis 31, S. 31. Manuskript S. 24 bis 31, S. 31.

Die Promotoren Königsteins

239

Gerade die Krippe des Erlösers habe in den schwersten Jahren Kraft und Trost gegeben. Wenngleich es viele Anliegen gäbe, die die Vertriebenen betreffen, widmet er sich zentral der Sorge um den sudetendeutschen Priesternachwuchs, das Thema, das er auch sonst fast exklusiv vertritt. Einbrüche in der Entwicklung der Priesterzahlen hätten der Anschluss des Sudetengebietes an das nationalsozialistische Deutsche Reich und die Vertreibung gebracht.215 Diese gelte es wieder aufzuholen. Kindermann machte deutlich, dass die Priesterfrage eine Frage auf Leben und Tod sei, und zwar nicht allein für die Kirche, sondern ebenso für die sudetendeutsche Volksgruppe. Wenn die Sudetendeutschen ihre Volksgruppe erhalten wollten, dann sei eine ausreichende Versorgung mit Priestern unerlässlich, vor allem wenn sie einmal heimkehren dürften. Ohne Priester stürben die Sudetendeutschen in ihrer Eigenart innerlich.216 Jeder Priester sei eine geistige Frucht der Volksgruppe, ein Zeichen religiösen Lebens. Der Baum aber, der keine Früchte mehr bringt, d.h. die Volksgruppe, die keine Priester mehr hervorbringt, der sollte umgehauen und ins Feuer geworfen werden. An dieser Stelle kommt deutlich Kindermanns Klerozentrismus zum Durchbruch. Er meint, dass gerade die Heimatvertriebenen in ihrer Dankbarkeit dafür, dass sie die dunklen Stunden überstanden, im Glauben an Gott und im Vertrauen auf die weise Führung Gottes bestärkt sein müssten. Der Ausdruck dieses Vertrauens müsste eine ansteigende Priesterzahl sein. „Der Glaube, den uns der Heimatpriester immer wieder stärkte, hat uns damals über Wasser gehalten. So sollten wir dankbar sein, jetzt, da wir das Leben sozusagen noch einmal anfangen und wenn du schon wieder ein wenig Boden unter den Füßen hast, so hilf mit, auf dass es Priester und genügend Priester gebe in unserer Volksgruppe.“217

3.14. Bau von katholischen Gotteshäusern Eine weitere wichtige Sorge bedeutete ihm der Bau von katholischen Gotteshäusern in der Diaspora. Es müsse mit einer angemessenen Ausstattung dieser Gotteshäuser, mit dem Aufbau von katholischen Anstalten und Schwesternhäusern wieder eine katholische Luft geschaffen werden, damit die Menschen in der Diaspora die besondere Bewährungsprobe bestehen könnten. Gerade dort nämlich komme es zu einer Scheidung der Geister, gerade dort würden die Katholiken zur Entscheidung gedrängt. „Die Guten unter unseren Landsleuten sind noch besser geworden. Unter den aktiven Laien der Diaspora finden sich nicht wenige Sudetendeutsche. Sie sind von Natur aus wendig, bescheiden, zäh, opferbereit. Wenn sie recht angegangen werden, können sie Säulen der Gemeinden werden.“218 215 216 217 218

Adolf KINDERMANN, Kirche in Not, hg. vom Sudetendeutschen Priesterwerk, Königstein/Ts. 1951. Vgl. dazu S. 34. Ebd., S. 37. Ebd., S. 41.

240

Abschnitt III

Kindermann präsentierte eine detaillierte Zahlenreihe, wie viele Neupriester die sudetendeutschen Vertriebenen haben müssten, damit eine angemessene Verteilung der Seelsorger gegeben wäre und auch in Zukunft garantiert werden könnte.219 Die Seelsorge ist eindeutig klerikerzentriert. Wenn eine genügend große Anzahl an Seelsorgern vorhanden sei, könne auch sonst nichts im Argen liegen. „Auch der Missionsgedanke hat Auftrieb erhalten. Wir haben derzeit in allen Erdteilen Sudetendeutsche in der Missions- und Seelsorgearbeit, manche sogar in führender Stellung. Auch in Europa sind sudetendeutsche Priester fast in allen Ländern tätig. Ein erhebendes Bild apostolischen Einsatzes.“ Nach dem stolzen Verweis auf die Statistik, nach den tröstlichen Nachrichten formulierte er düstere Zukunftsaussichten und bat seine Landsleute mitzuhelfen, dass genügend Priesternachwuchs vorhanden sei. Eigens wies er auf das sudetendeutsche Priesterwerk hin, das finanziell und ideell jungen Männern aus der Volksgruppe in jeder Weise beistehen wolle, damit kein Priesterberuf verloren gehe. Gerade das Priesterseminar in Königstein sei sich der Verantwortung für die alte Heimat und zudem für die verfolgte Kirche im Osten bewusst. Kindermann erwähnte lobend die Opferkraft der Heimatvertriebenen, mit deren Hilfe ein Gymnasium für den Nachwuchs gebaut wurde. „Der religiöse Geist einer Volksgruppe äußert sich auch in der Zahl ihrer Priester- und Schwesternberufe. Darf ich euch bitten, dieses unser gemeinsames Anliegen dem göttlichen Kinde in der Krippe zu empfehlen.“ In seinem Grußwort an die Jahrestagung der Ackermann-Gemeinde 1963220 verwies Kindermann einmal mehr auf die Priesterzahl und auf das Bemühen der sudetendeutschen Mitbrüder, die priesterliche Verantwortung wachzuhalten, die sie für die alte Heimat haben. Im Umfeld des Konzils und vor den organisierten katholischen Laien der Sudetendeutschen kommt ein Hinweis, dass die Kirche nicht nur aus Bischöfen und Priestern bestehe, da sie ja das Volk Gottes sei; doch bleibt er marginal. „Und so sind wir dankbar und froh, wenn die große Verantwortung für das Reich Gottes unter uns Sudetendeutschen auch von aufrechten Männern und Frauen mitgetragen wird. Wenn unsere Sorgen euere Sorgen werden, unsere Bemühungen die eueren und wenn wir miteinander wetteifern im heiligen Ringen um die Seelen unserer Landsleute.“221

3.15. Die Aufgaben der Seelsorger Die Weihnachts- und Osterbriefe an seine geistlichen Mitbrüder, die Kindermann als Sprecher für die sudetendeutschen Priester und Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenzen für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und die sudetendeutschen kirchlichen Fragen formulierte – er hatte 1960 dieses Amt übernommen – bildeten

219 220 221

Königsteiner Spiegel, S. 2. Sudetendeutsches Priesterwerk Königstein/Ts., November 1963, Heft 3 und 4, S. 65-69. Ebd., S. 66.

Die Promotoren Königsteins

241

neben den Treffen der Vertriebenenseelsorger, auf denen Kindermann häufig referierte oder die er zumindest durch seine Teilnahme würdigte, die hauptsächliche Plattform der Kommunikation, Ermahnung und Ermunterung der Seelsorger. Den ersten Rundbrief verschickte er Ostern 1961. Erbaulich war sein Einstieg mit dem Hinweis auf die Ostergnade und die Osterfreude, darauf, dass die Seelsorger der Heimatvertriebenen immer wieder die österliche Erneuerung im Herrn bräuchten, die Befreiung aus ihrer Verzagtheit, denn die Not der Vertriebenen sei vielgestaltig. Er fächerte sie dreifach auf: Sie sind ausgestoßen aus der jahrhundertealten Heimat, zerstreut in alle Welt und den Strömungen der Zeit ausgeliefert. „Wenn ich die Hauptsorgen für die nächste Zukunft in wenige Worte zusammenfasse, dann sind es folgende: Kontakt mit allen sudetendeutschen Mitbrüdern; vermehrte Sorge für unseren Priesternachwuchs, der sich missionarisch verpflichtet fühlt; mit vereinten Kräften, mit Gebet und Einsatz ‚unseren Herrn Jesus Christus‘ lebendig zu erhalten in den Herzen unserer Landsleute; verpflichtende Sorge für die Kirche in unserer alten Heimat.“222 Kindermann wollte vor allem mit seinen Mitbrüdern persönlichen Kontakt halten. Die Gläubigen kamen in seinen Seelsorgsschreiben in erster Linie als Opfernde für den Priesternachwuchs in den Blick. Kindermann verwies schmerzlich auf die Mitbrüder in der alten Heimat, mit denen er keinen Kontakt aufnehmen könne, obwohl deren Lage schlimm sei. In der Bundesrepublik hingegen sei es ihm gelungen, seine Mitbrüder innerhalb eines Jahres in fast allen Diözesen zu Tagungen zusammenzurufen. Er unterstrich, dass die meisten der Mitbrüder sich noch als der sudetendeutschen Priestergruppe zugehörig fühlten und mit innerer Anteilnahme dabei seien.223 Kindermann war der Überzeugung, dass die vorbereiteten Priesterkataloge die Zusammengehörigkeit der sudetendeutschen Priestergruppe neu bestärken würden. Im zweiten Aufgabenbereich, der Sorge für den Priesternachwuchs, verwies er auf die steigende Zahl der Theologen. Wichtig war ihm die alljährliche Theologentagung in St. Johann in Degerndorf am Inn. Die Religionslehrer, besonders in der gymnasialen Oberstufe, sollten die Schüler, für die ein Theologiestudium in Frage käme, direkt ansprechen. „Das Werk Königstein, das gerade wir Sudetendeutsche so sehr gefördert haben, sollten wir auch in erster Linie füllen.“224

222 223

224

Kindermann an die heimatvertriebenen sudetendeutschen Priester am 25. März 1961, Institut für Kirchengeschichte Böhmen, Mähren und Schlesien in Königstein, Dossier Kindermann. „Gottlob! Das gilt auch von unseren jungen Priestern. Abseits Stehende gilt es zu gewinnen. Wichtig ist unsere alljährliche Sommertagung in Königstein.“ Auch die Möglichkeit für Geistliche in St. Johann in Degerndorf am Inn, Erholung zu finden oder Exerzitien dort zu machen, sieht er als eine wichtige Aufgabe an, ebenso die vorbereiteten Kataloge, die Priesterverzeichnisse. – Vgl. ebd., Weihnachten 1962, als Fazit seines ersten Amtsjahres. „Auch unser Königsteiner Gymnasium sei nicht vergessen. Jungen zwischen 10 und 14 Jahren können hier ihre Studien beginnen. Wir müssten doch die Elite der alten Heimat finden, die ihren Kindern eine gediegene Internatserziehung schenken möchte. Macht auf Königstein in eueren Pfarrbriefen und überhaupt im Verkehr mit den alten Pfarrangehörigen aufmerksam. Schaut auf euere Ministranten, ob man nicht manchen nach Königstein schicken könnte. (Ebd.)

242

Abschnitt III

Unter den sudetendeutschen kirchlichen Belangen, dem dritten Aufgabensektor, rangierte für Kindermann an erster Stelle die bevorstehende Seligsprechung des Bischofs Neumann. Er verweist auf die Liste der 100.000 Unterschriften, die er nach Rom gebracht habe, um für die Seligsprechung zu votieren. Diese Unterschriftensammlung habe gezeigt, wie viel religiöse Kräfte in der Volksgruppe noch da seien und wie sie sichtbar werden könnten, wenn sie sich mit einem Gedanken an die Heimat verbinden. Er weist hin auf die Seligsprechung am 23. Juni 1963 und auf die damit zusammenhängende Pilgerfahrt, die ein säkularer Höhepunkt des sudetendeutschen Katholizismus werden könne. Wiederholt bemühte Kindermann in seinen Aufrufen im sudetendeutschen Priesterwerk Königstein/Taunus die Integrationsfigur des dann seliggesprochenen Bischofs von Philadelphia, Johann Nepomuk Neumann.225 Neumann wurde zur zentralen Identifikations- und Integrationsfigur als einer, der aus seiner Böhmerwaldheimat ausgewandert war und in der Fremde Großes aufgebaut hatte, als einer, der es als eine besondere Aufgabe der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten sah, katholische Schulen zu gründen, um die Kinder im entsprechenden Sinn erziehen zu können. Gerade dieses Schulapostolat, damit verbunden das Bemühen, in Königstein das dortige Gymnasium auszubauen, wofür natürlich zahlreiche Spenden der Heimatvertriebenen benötigt wurden, imponierte Kindermann. „Der selige Johann Nepomuk Neumann hat als Missionar bald erkannt, dass er den Einwanderern, die gleich uns die Heimat verloren hatten und neu anfangen mussten, nichts Kostbareres geben kann als eine gute Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder. In seinem Geiste wollen wir die neue Schule und das Schülerkonvikt weiterführen. Unser besonderes Augenmerk gilt nach wie vor den Jungen, die Priester werden wollen. Was ihr also für die Schule gebt, das gebt ihr für die Jugend, das gebt ihr auch für den Priesternachwuchs.“226 Die Gottesdienste an sudetendeutschen Wallfahrts- und an den Heimattagen wurden Kindermann ein wichtiges Medium der Betreuung der Gläubigen. Die Vertriebenenseelsorger sollten nicht müde werden, die erfolgreich eingeführten Wallfahrten fortzuführen, seien sie doch wichtige Äußerungen kirchlichen Eigenlebens. Schließlich warb er um Unterstützung für die Ackermann-Gemeinde und die ‚Junge Aktion‘, nähmen doch beide maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der sudetendeutschen Volksgruppe und des deutschen Volkes insgesamt.

225 226

Vgl. beispielsweise sudetendeutsches Priesterwerk Königstein/Ts., November 1963, Heft 3 und 4, S. 64. Sudetendeutsches Priesterwerk Königstein/Ts., November 1963, Heft 3 und 4, S. 64.

Die Promotoren Königsteins

243

3.16. Aufklärung und Dechristianisierung im sudetendeutschen Katholizismus227 Die Situation der Katholiken in der Diaspora und in einer weltanschaulich feindlich gesinnten Umgebung war für Kindermann ein zentrales Anliegen. Sehr grundsätzlich forschte er in diesem Kontext nach den Gründen dieser Situation, nach den geistigen Wurzeln und dem Kontext des Kommunismus. Die Deutung orientierte sich am Abstiegsschema des Abendlandes, der Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber der Kirche: In traditioneller katholischer Sichtweise228 sieht er diese mit der Reformation einsetzen; ein wichtiger Fixpunkt waren die Aufklärung, dann das 19. Jahrhundert, als viele Arbeitermassen von Gott abfielen. Das führte schließlich zum ‚Los vom Menschen‘ und zum ‚Flüchtling des 20. Jahrhunderts‘, der die typische Erscheinung der letzten Station auf diesem Irrweg sei. „Der säkularisierte Mensch hat nicht nur die Sicht auf die ewigen Werte verloren, er orientiert sich schon gar nicht mehr an der Kirche. Er hat sich eine eigene Weltanschauung zurechtgelegt, eine Weltanschauung, die über die Materie des rein Sichtbaren und Greifbaren nicht mehr hinausreicht. Dadurch hat er der äußeren Not den Weg vorbereitet. Was neu dazu kommt ist der Umstand, dass er in seiner verweltlichten Haltung mündig geworden ist und gegen Christentum und Kirche Front bezieht. So wird der säkularisierte Mensch zu einer besonderen äußeren Not der Kirche.“229 Die Heimatvertriebenen trugen in den Augen Kindermanns eine dreifache Narbe bolschewistischer Spuren an sich. Sie waren entwurzelt, verproletarisiert und in der Menschenwürde zutiefst verletzt. Im Bolschewismus werden letztlich religiöse und christliche Werte abgelehnt, nämlich die abendländische Familie, das Recht auf Eigentum und der Mensch als Gottes Geschöpf und als Erlöster.230 Die Verfolgung der Kirche nahm er vor allem in der Verfolgung des Klerus und damit in der Behinderung

227

228

229 230

Vgl. KINDERMANN, Kirche in Not. – Kindermann hat 1951 eine Broschüre publiziert, die einen Vortrag, den er auf der Ackermann-Tagung in Königstein gehalten hat, wiedergibt. Es ging dort vor allem um die Situation des Priesternachwuchses. Aufschlussreich ist das hier im Rückgriff auf Augustinus skizzierte Kirchenbild: die Kirche ist der fortlebende Christus, der Großchristus, in dem Gott Mensch geworden ist, in dem Gott die Knechtsgestalt angenommen hat und sich entäußert hat bis zum Tod am Kreuz. Deswegen sei auch die Kirche immer in Not, die in jeder Zeit anders sei, die differenziert für jedes Land, für jede Volksgruppe, für jeden Christen gesehen werden müsse. Nach diesen Präliminarien kommt er zur Not der Kirche der Gegenwart, will hier vor allem den abendländischen Raum berücksichtigen und sieht eine innere und eine äußere Not. Die innere Not ist die Gefahr der Entchristlichung, die Loslösung des Menschen vom christlichen Gedankengut, die Untreue und Undankbarkeit zu den ewigen Werten, die vor allem das Abendland begründet hätten und ihm aufgetragen waren. Vgl. das Proömium zur Konstitution „Die Filius“ des I. Vatikanum. – Rainer BENDEL / Lydia BENDEL-MAIDL, Christliche Mystik als Zugangsweise zu Nietzsche. Joseph Bernhart und Theodor Steinbüchel im Vergleich, in: Ulrich WILLERS (Hg.), Theodizee im Zeichen des Dionysos. Nietzsches Fragen jenseits von Moral und Religion. Münster 2002, S. 131-159. Ebd., S. 6. Vgl. S. 7.

244

Abschnitt III

der Seelsorge und im Klostersturm wahr. Älteste Abteien beklagt er weiter, die sogar Joseph II. – für ihn ein massives Feindbild in der Geschichte – stehen ließ, wurden durch den Kommunismus wüst und leer.231 Die besondere Gefährdung des sudetendeutschen Katholizismus hat nach Kindermann Tradition im Liberalismus des 19. Jahrhunderts, im Sturm des Altkatholizismus und in der Los-von-Rom-Bewegung um die Jahrhundertwende.232 Qualitativ freilich trage der sudetendeutsche Katholizismus das Erbe des böhmisch-mährischen Raumes. Das gemilderte Staatskirchentum des Liberalismus habe er nie überwunden. Kindermann hatte gehofft, dass die Ausweisung zur Überwindung beigetragen habe.233 In dieser Deuteperspektive konnte er die Ausweisung sogar als Gnade und als einen Anruf Gottes interpretieren.234 „Das Staatskirchentum, das fast 1 1/2 Jahrhunderte über uns herrschte, hat uns eingeschläfert und entkräftet. Wir sind stärker ethisch, als sakramental geformt, eine Folge jansenistischer Einflüsse bei uns. Der Sudetendeutsche ist weniger kirchlich – und das seit der Gegenreformation, aber doch religiös.“235 Weil er weniger kirchlich sei, sei er auch weniger formal geprägt und stärker mit einer subjektiven Frömmigkeit ausgestattet. Diese Tendenz bewertete Kindermann eher negativ. Religion sei nicht reine Verstandesangelegenheit für den Sudetendeutschen, sondern auch Herzenssache, manchmal sogar zuviel Herzenssache. Neben der Diasporanot war für Kindermann vor allem die Priesternot eine logische Konsequenz aus der Geschichte des böhmischen Katholizismus.236 Als Blütezeit hingegen interpretierte er den Barock, die letzte große religiöse Bewegung im sudetendeutschen Raum.

231 232 233

234 235 236

Vgl. ebd., S. 9. Vgl. ebd., S. 14. Diese Stunde der Entwurzelung und der Vertreibung, der Bedrängnis aber bedeutet nach Kindermann auch Gnade, da sie viele wieder zu Gott empor gerissen und zur Besinnung gebracht habe. Sie hätten sich an ihre Taufverpflichtung erinnert, und zwar sowohl im Osten Europas, wie auch bei den Vertriebenen. Kindermann referiert, dass viele Flüchtlingspriester ihm berichten, dass das Volk im Exil religiös wacher lebt als daheim. „In dieser Stunde der Not und der Gnade sind auch wir Sudetendeutsche von Gott angerufen. Wir sind zunächst einmal mit hineingezogen in die tragischen Auseinandersetzungen dieser Jahre. Das bedeutet fürs erste entsetzliche Not. Die Spuren des Bolschewismus tragen wir ganz besonders deutlich an uns: Entwurzelt, verproletarisiert, innerlich menschlich wund. Entwurzelung ist nicht nur Verlust der Heimat, sondern wir sind zerrissen wie kaum eine Volksgruppe. In alle Zonen und Gegenden sind wir zerstreut. ... in andere Sitten und Gebräuche hineingestellt ... aus dem österreichischen Raum in den Reichsdeutschen ... aus den geschlossenen katholischen Gebieten in die Tragik der Diaspora.“ (Ebd., S. 12f.) Ebd. Ebd. Sie hat ihre Wurzeln in den Hussitenstürmen, die Kindermann selbstverständlich nur negativ sehen kann. Ein zweiter Einbruch in die Zahl der Priester passiert in der Reformation, ein dritter dann unter Maria Theresia durch die Aufklärung. Das Sudetengebiet sei ein klassisches Land der Aufklärung geworden. Die Zeit des Josephinismus sei keine Zeit religiöser Blüte und Größe gewesen, hätten doch die josephinischen Generalseminare nicht den guten Hirten herangebildet, sondern den Beamten. (Ebd., S. 17-19)

Die Promotoren Königsteins

245

Der Geist der Aufklärung habe sich in den Sudetenländern bis zum Revolutionsjahr 1848 halten können. Eine Mitschuld an dieser Entwicklung gab Kindermann Bernard Bolzano237, der eine eigene böhmische Aufklärung geschaffen habe, deren Anhänger auch Professoren in den Priesterseminaren angehörten. Weil der sudetendeutsche Bereich so lange vom Nachwirken dieser negativen Tendenzen und Entwicklungen gezeichnet war, habe es deutlich mehr tschechischen Priesternachwuchs gegeben als deutschen.238 Der Liberalismus der Mitte des 19. Jahrhunderts habe die religiösen Kräfte im Sudetenland weiter ausgehöhlt.239 „Der Gemeinschaftsgedanke, wie er wunderbar im Opfer und um das Opfer zum Ausdruck kommt, ging bei vielen verloren.“240 Diese negativen Bewegungen von außen wären nach Kindermanns Ansicht für die Kirche nicht so schädlich gewesen, wenn das sudetendeutsche Volk mehr Priester gehabt hätte, die, im Volk stehend, die Zeichen der Zeit verstanden und sich dagegen gewehrt hätten. Dass es sie nicht gab, habe der Josephinismus mit seiner verheerenden Wirkung zu verantworten. Er habe die Seelsorge zerfressen und den Seelsorger zum Polizeibeamten erniedrigt. Die eigentliche Seelsorge sei dem Priester leider allzu oft fremd geblieben.241 Eine neue kurze Blüte machte Kindermann in den 20er und Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts aus, eine Folge vor allem der intensiven katholischen Jugendarbeit und der Staffelsteinbewegung.242

3.17. Kommunismus und Vertreibung als Folge der Säkularisierung des Abendlandes Kindermann plädierte im Abschnitt, der die innere Not der Kirche verhandelte, für eine differenzierte Sicht des Kommunismus. Er wandte sich gegen eine pauschale Angstmache vor der roten Gefahr, trug aber mit der Vehemenz, mit der er die kommunistische Ideologie sezierte, zu eben diesem Effekt selbst bei. Kindermann instru-

237

238

239 240 241 242

Bernardus Placidus Johann Nepomuk Bolzano (1781 –1848), katholischer Priester, Philosoph und Mathematiker. – Peter DEMETZ, Bernard Bolzano - Sprachtheorie und Nationalitätenkonflikt, in: DERS., Böhmen böhmisch. Wien 2006. – Edgar MOSCHER, Bernard Bolzanos geistiges Erbe für das 21. Jahrhundert. Wien 1999. – Bernard BOLZANO, Paradoxien des Unendlichen. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Christian Tapp. (Philosophische Bibliothek, Bd. 630). Hamburg 2012. Hier fragt er eigenartigerweise nicht, ob ein verminderter aufklärerischer Einfluss dafür verantwortlich sei, sondern hier sucht er die Ursachen für den höheren tschechischen Priesternachwuchs in einem nationalen Denken. Die Tschechen hätten auf dem Weg über das Priestertum ihren Einfluss auf die Massen und das Volk geltend machen wollen. Sie hätten das Priestertum gewählt, weil sie sonst Staatsstellungen nicht erreichen konnten. (Ebd., S. 22) Vgl. ebd., S. 22. Ebd., S. 22f. Vgl. ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 30.

246

Abschnitt III

mentalisierte zweitens die Suche nach den Ursachen des Kommunismus für eine negative Wertung der Entwicklung innerhalb der westlichen Gesellschaft. Der äußeren Not des Kommunismus, der die Welt in Atem halte und Westeuropa immer stärker bedrohe, den Christen unter kommunistischer Herrschaft zu schaffen mache, sei eine innere Not vorausgegangen, nämlich die der Verweltlichung und Entchristlichung. Das christliche Gedankengut sei dem Abendland wie keinem anderen Teil der Welt zu treuen Händen gegeben gewesen, der abendländische Mensch aber habe sich vom Christentum losgelöst. „Es ist der Weg und die Haltung des verlorenen Sohnes, welcher der Geborgenheit des Vaterhauses den Rücken kehrt und sich seine eigene Bleibe zimmert. Wir kennen diesen Weg mit den schmerzlichen Stationen ‚Los von der Kirche‘, ‚Los von Christus‘, dem dann im vorigen Jahrhundert das ‚Los von Gott‘ folgte. Dieser Abstieg muss aber schließlich zu einem ‚Los vom Menschen‘ führen, denn mit dem Loslassen des Göttlichen musste auch der Mensch scheitern. Auf den Straßen des 20. Jahrhunderts treffen wir die Massenerscheinung des ‚Flüchtlings‘.“243

3.18. Die Sorge für die Katholiken hinter dem Eisernen Vorhang Damit war Kindermann bei einem für ihn wichtigen Gedankengang angelangt, nämlich Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg weniger in einer politischen Ursachenkette mit dem Nationalsozialismus und dem von Deutschen ausgehenden Krieg zu sehen, als vielmehr in einer Argumentationskette mit der Säkularisierung des Menschenbildes in Westeuropa und der daraus folgenden bolschewistischen Revolution und Entwicklung in Osteuropa. An dieser inneren Not des verweltlichten Menschen und des verweltlichten Christen seien alle mit schuld. Kindermann formulierte allgemein mit ‚wir’. Er nahm sich wohl selber nicht aus; das verdient, festgehalten zu werden. Er machte die Schuld nicht einseitig auf der weltlichen Seite fest, sondern suchte sie auch bei einzelnen Christen. Sie haben dazu beigetragen, dass der säkularisierte Mensch die Sicht auf die ewigen Werte verloren hat, sich nicht mehr an ihnen orientiert, dass er sich eine Weltanschauung zurechtgelegt hat, die über die Materie, über das rein Sichtbare und Greifbare nicht hinausreiche. Das letzte Ergebnis des Abfalls des abendländischen Menschen von der Kirche, von Christus und von Gott sei der Kommunismus. Gemeint sind wohl die Christen, die von der Kirche abgefallen sind, nicht ein Versagen der Kirche als Abstraktum oder Institution oder, wie er sie hier auch verstehen mag, als eine Verwalterin des depositum fidei, die durch die Art und Weise dieses Verwaltens mit dazu beigetragen hätte, die Entwicklung in Osteuropa heraufzuführen. Der apostolische Geist der Christen im Westen sei zu gering gewesen. Viele Führer des Kommunismus hätten schließlich in Westeuropa studiert, wären in ihrer Jugend Katholiken, Christen gewesen.

243

Ebd., S. 115.

Die Promotoren Königsteins

247

„Wir Flüchtlinge und Vertriebene haben nur allzu oft unsere Sendung vernachlässigt und vergessen. Es ist doch heute offenkundig und unwidersprochen, dass unser Kreuzweg der Flucht mit den Ereignissen im Osten zusammen hängt. Sind wir nicht gleichsam als Boten und Zeugen entlassen worden in die freie Welt, auf dass wir hier Zeugnis geben von dem, was drüben hinter dem eisernen Vorhang geschieht. Haben wir genügend und klar Zeugnis gegeben vom Kreuz unserer Brüder in der Verfolgung? Oder haben wir leider nicht allzu oft diese unsere Brüder in schwerer Not vergessen und uns vom Zeitgeiste, der zur Materie drängt, einnehmen lassen?“244 Der Westen und vor allem die Christen des Westens hätten sich geistig nicht ausreichend mit dem Kommunismus auseinandergesetzt. Der Kommunismus sei zweifelsohne eine Frage an die Christenheit, die diese wohl nicht ehrlich genug zu beantworten versucht habe. Das Schlimme an der Lage im Westen, die größte Not der Kirche, sei der Verfall des christlichen Geistes, der Missklang zwischen Lehre und Leben.245

3.19. Christentum und Kommunismus Zum siebten Kongress der ‚Kirche in Not‘, der dem Thema ‚Was ist Wahrheit‘ gewidmet war und vom 23. bis 26. Juli 1959 in Königstein stattfand, sprach Kindermann ein Schlusswort über das Verhältnis der westlichen, speziell der heimatvertriebenen Katholiken zur sogenannten ‚Kirche in Not’, also zu den Christen, vor allem katholischen Christen in kommunistisch regierten Staaten.246 Kindermann fragte in seinem resümierenden Statement nach der äußeren und inneren Not der Kirche.247

244 245

246 247

Ebd., S. 116. Vgl. ebd., S. 117. – Er zitiert hier eine Gruppe Jesuiten, die in der Slowakei in den Kerker geworfen wurden und dort ein Schuldbekenntnis formuliert haben, in der Hinsicht, dass sie den Kommunismus unterschätzt hätten, dass sie nicht einig genug in der Abwehr gewesen seien, die Arbeit zu wenig geordnet hätten, vor allem dass der Wille zur Einheit gefehlt habe. Dass sie die Gläubigen nicht auf die schweren Prüfungen, die kommen konnten, erzogen haben, dass sie die Laien nicht zu Aposteln herangebildet haben nach dem Motto jeder Christ ein Apostel und dass sie die Nächstenliebe nicht genügend ernst genommen hätten. Dieses Schuldbekenntnis der Jesuiten treffe im Kern genau das Versagen der Kirche im Westen. (Vgl. ebd., S. 118.) Adolf KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, in: OSTPRIESTERHILFE (Hg.), Kirche in Not VII, Was ist Wahrheit. Limburg 1960, S. 105-124. In dem Abschnitt über die äußere Not der Kirche ging es ihm vorrangig um Zahlenmaterial, um die Masse an Menschen, die bereits unter kommunistischen Regimen leben mussten und um das Verhältnis der kommunistischen Staaten zur Religion. Die Unterdrückungs- und Martyrersituation der Kirchen in den Ostblockstaaten kommt hier vorrangig in den Blick. Die Vorwürfe, die der Kommunismus gegenüber der Religion vorbringt, die Etappen, in denen er sie ausschalten will, werden angesprochen. Interessant sind die Merkmale, zum Teil gar Strukturelemente, die er in Christentum und Kommunismus parallel findet, weshalb er den Kommunismus auch als ein Pseudochristentum bezeichnet: „Der Kommunismus ist ein Christentum, aber umgestülpt wie ein Handschuh, ein Christentum ohne Christus, ja ohne Gott. An seine Stelle ist der als Materie sich fühlende Mensch getreten, der für sich göttliche Verehrung beansprucht.“ Ebd., S. 112.

248

Abschnitt III

Von kirchlichen Strukturelementen über dogmatische Grundmuster, wie Messianismus oder Eschatologie, bis hin zu notwendigen Formalprinzipien, nämlich der Kirche als Auslegerin der heiligen Schriften, machte er im Kommunismus Parallelen aus; ebenso auf dem Felde der Frömmigkeitsäußerungen, Wallfahrten, Prozessionen, in der Katechese bis hinein in die Ethik. Kindermann wollte damit anzeigen, wie viel der Kommunismus vom Christentum adaptiert habe. Er räumte ein Stück weit die Mitverantwortlichkeit, ja Mitschuld der westlichen Christenheit ein, war doch der Kommunismus als Idee in Westeuropa geboren worden. Er zeigte aber interessanterweise auch, und das wurde ihm bei der ganzen Aufstellung nicht bewusst, viele mentale und strukturelle Parallelen zwischen dem als unmenschlich gebrandmarkten, totalitär die Gesellschaft und den Menschen in seinen Lebensäußerungen erfassenden Kommunismus und der katholischen Kirche auf. Freilich musste er zu dem Fazit kommen, das Christentum und die marxistischsowjetische Pseudokirche der Gottlosen stünden einander gegenüber wie Feuer und Wasser. „Die Bejahung der einen verlangt die restlose Verneinung der anderen. Es gibt keine Berührungspunkte. Hier der fortlebende Christus in der Kirche – dort eine Pseudokirche ohne Christus und Gott, gestützt auf eine Machtfülle, wie sie die Welt noch nie gesehen hat.“248

3.20. Die Haltung der Christen zu den Menschen im kommunistischen Machtbereich Auf dem Hintergrund der fundamentalen weltanschaulichen Auseinandersetzung zwischen dem kommunistischen Ostblock und dem abendländisch-christlichen Westen appellierte Kindermann, die christliche Bekehrungsforderung ernst zu nehmen und immer wieder von neuem zu vollziehen. Das Christsein müsse ernst genommen, Gott in den Mittelpunkt des Daseins gesetzt werden. Er argumentierte extensiv mit der Botschaft von Fatima: Der Bekehrung Russlands müsse die Bekehrung der Christen im Westen vorausgehen. Die Christen im Westen müssten sich zu einer Armee des Gebetes vereinigen, müssten soviel wie möglich an Informationen über die ‚Kirche in Not‘ sammeln und müssten vor allem so weit wie möglich auch die Schwestern und Brüder im Osten unterstützen. „Und sollten wir nicht vielleicht auch hie und da einen heroischen Grad von Liebe versuchen? Es heißt eines der Werke der geistigen Barmherzigkeit: Denen, die mir Unrecht getan, gern verzeihen. Manche Spannungen unter uns und unseren Völkern müssten wir mit Liebe überschütten und so aus der Kraft Gottes überwinden, und zwar ohne jeden Hintergedanken und jede Nebenabsicht.“249 Stefan Kruschina unterstrich in einem würdigenden Artikel anlässlich der Bischofserhebung Kindermanns 1966, dass es diesem nicht nur um eine materielle und

248 249

Ebd., S. 114. KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 123.

Die Promotoren Königsteins

249

technisch wirtschaftliche, sondern um eine geistige, verständnisvolle Hilfe für die Menschen in den ehemaligen Heimatgebieten der Vertriebenen gehe. Die Vertriebenen seien hier besonders gefordert, weil sie aufgrund der früheren Nachbarschaft am ehesten befähigt seien, die Nöte dieser ihrer Nachbarn zu verstehen. Diese Empathie und nicht das Aufkommen von Rachegelüsten, die Brüderlichkeit auch in der eigenen Gesellschaft und nicht Radikalismus seien Früchte des Wirkens der Kirche, zu dem die Königsteiner Werke einen gehörigen Anteil beigetragen hätten.250 Kruschina beschäftigte sich besonders ausführlich damit, dass die Heimatvertriebenen nicht zu Extremisten geworden seien und damit die ursprüngliche Rechnung des Bolschewismus, dass sie als Sprengkörper der Gesellschaft dem Kommunismus zuarbeiten könnten, nicht aufgegangen sei. Den dauerhaften Ausgleich mit dem Osten könne nur eine kontinuierliche Arbeit, die klar Recht und Gerechtigkeit einfordert, bringen – dies sei in erster Linie Aufgabe der Vertriebenen, allen voran der Vertriebenenseelsorge und eines Bischofs in der Vertriebenenseelsorge.251 Junge Studenten und Priester mit einem missionarischen Herzen müssten gesucht und vorbereitet werden für den Tag, an dem sie im kommunistischen Osten zur Missionierung eingesetzt werden könnten.252

3.21. Religion und Eingliederung Gewissermaßen ein Fazit der Arbeit der Vertriebenenseelsorge zog Kindermann zu einem Zeitpunkt, der von den politischen Ereignissen her als ein tiefer Einschnitt in der Situation der Vertriebenen erfahren wurde, nämlich angesichts der Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel Anfang der 70er Jahre. Kindermann blickte zurück auf die Fortschritte der Eingliederung der Vertriebenen. Kriterien waren ihm, dass sie Arbeit, eine bessere Wohnung und mehr Verständnis unter den Menschen gefunden haben. Freilich lasse auch zu Beginn des Jahres 1971 die gesellschaftliche und kirchliche Eingliederung in manchen Punkten noch zu wünschen übrig.253 Die Wunde, das Unrecht der Vertreibung, könne nur geheilt werden, wenn beide Seiten aufeinander zu-

250 251

252 253

Vgl. KRUSCHINA, Contra spem in spe, S. 92f. „Aber nicht blinde Verzichtlerei (selbst wenn sie gut gemeint wäre) kann einen Ausgleich mit den Völkern des Ostens bringen, weil dadurch nur das Unrecht zementiert und neues Unrecht für die Zukunft herausgefordert würde; vielmehr ist es die geduldige, aber ausdauernde Arbeit besonders der Heimatvertriebenen und ihrer Werke an der Spitze wohl des Werkes in Königstein, und damit auch der neue Bischof, welche mit ihrer klaren Forderung nach Recht und Gerechtigkeit, aber auch mit ihrer echt brüderlichen Hilfsbereitschaft und Hilfstat die beste Voraussetzung schaffen helfen, für eine echte Begegnung der Völker aus Ost und West in Liebe und Friede. Ob es da nicht angemessen wäre, dass diese Arbeit der Heimatvertriebenen auch im öffentlichen Bereich anerkannt und gefördert wird, wie dies im kirchlichen Bereich jetzt durch die bischöfliche Berufung erfolgt ist?“ (Ebd., S. 93) Vgl. ebd., S. 123f. Sudetendeutsches Priesterwerk Königstein/Ts., März 1971, Heft 1, S. 1.

250

Abschnitt III

gehen und durch eine freie Vereinbarung miteinander einig werden. Kindermann unterstrich, dass die Sudetendeutschen eine echte Aussöhnung mit den Völkern des Ostens wollten. Kritisch stand er aber der neuen Politik gegenüber. Sie sei ein einseitig gesprochenes Machtwort, das nicht zu einer echten Versöhnung führe. Durch die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie sei die Heimat der Vertriebenen mit einem Federstrich aufgegeben worden; dadurch habe der Kommunismus seine Ziele erreicht. 25 Jahre nach der Vertreibung stellte Kindermann in einem Weihnachtsgruß seinen Landsleuten die Parallele zwischen dem menschgewordenen Gott, der in der Herberge keinen Platz mehr fand, und den Heimatvertriebenen in der Situation ihrer Vertreibung erneut vor Augen – ein bei Vertriebenenpriestern beliebter theologischer Argumentationsgang. Vieles Schöne und Kostbare war verloren gegangen: Vaterhaus, Heimat, Kirche, Elterngrab, oft auch die Familie in alle Windrichtungen verstreut. Da hätten sich die Gläubigen beim Kind in der Krippe tief verstanden gefühlt. Maria und Josef wurden zu Vorbildern, weil sie ihr tiefes Ja zu diesen so ganz absonderlichen Dingen sprechen. Dort, wo die Gläubigen das Ja zu ihrer Lage in der Vertreibung gesprochen hätten, sei auch in ihnen der Weihnachtsfriede eingekehrt, den Gott den Menschen schenkt. „Bei völliger menschlicher Hoffnungslosigkeit wurde unser Vertrauen und unser Hoffen auf den Herrn der starke Halt für die dunkle Zeit, die uns umgab.“254 Die Nöte seien in den letzten 25 Jahren vielfach kleiner und anders geworden. Der Wohlstand übe seine Anziehungskraft aus, und doch sollten sich die vertriebenen Familien des Erlebnis der Vertreibung erinnern, es nicht gänzlich aus dem Gedächtnis streichen, da es ein Verlust für das ganze deutsche Volk sei, wenn die Vertreibung spurlos vorbeigegangen wäre.

3.22. Kirche und Volksgruppe Die Frage nach der Einheit der sudetendeutschen Volksgruppe beschäftigte Kindermann in seiner Ansprache zum Sudetendeutschen Tag 1972 in Stuttgart. Es ist bezeichnend, dass er von einer Einheit der sudetendeutschen Volksgruppe sprach und dass er diese gar metaphysisch bzw. theologisch begründete. Der Schöpfergeist Gottes habe die sudetendeutsche Volksgruppe zusammengeführt. Sie sei durch eine von Gott selbst gesetzte Naturordnung bedingt und geprägt durch all die charakteristischen Elemente, die Heimat ausmachen, wie Gegend, Heimatboden, besondere geistige Anlagen, Fleiß, Tatkraft und die Geschichte. In dieser Einheit und Volksgemeinschaft hielten die Sudetendeutschen ihre Ansprüche aufrecht, in aller Ruhe und Friedlichkeit zwar, aber doch mit Nachdruck. Es war ihm darum zu tun, die Einheit der Volksgruppe zu erhalten, solange das möglich sei, und gleichzeitig den Auftrag, den Gott in die Völker gelegt hat, wahrzunehmen, nämlich dass die Völker zusammen

254

Sudetendeutsches Priesterwerk, Königstein/Ts., November 1971, S. 105.

Die Promotoren Königsteins

251

gehen und zusammen stehen müssen, wenn sie ihrer Bestimmung und Würde gemäß leben wollen.255 Kindermann appellierte am Pfingstfest, die Wirkung des Geistes ernst zu nehmen, der völkerverbindende Einheit schafft und trotzdem den einzelnen Völkern die Identität lässt. Er bewertete die Sonderveranstaltungen für die Vertriebenen als eine Sonderseelsorge, die nicht die reguläre Seelsorge in den Pfarrgemeinden ersetzen soll, die eine Gelegenheit geben will, vor allem auf den Wallfahrten und bei den Gottesdiensten anlässlich der Treffen der Heimatvertriebenen, in der gewohnten Weise zu beten und zu singen und auch ein Wort zu den Anliegen und Problemen der Vertriebenen zu sagen und zu hören. Mit dieser Zielsetzung habe die Vertriebenenseelsorge durch viele Jahre hindurch wesentlich dazu beigetragen, dass die Vertriebenen nicht den Mut verloren hätten, sondern in Geduld und Gottergebenheit ihr Kreuz getragen und nicht zum Sprengstoff für die Allgemeinheit geworden seien. „Die Vertriebenenseelsorge hat so ohne viel Lärm und Aufsehen dem Gemeinwohl eines hart geprüften Volkes gedient.“256 Nach der Neuregelung der Bistumsgrenzen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die seit 1945 unter polnischer Verwaltung standen, prangerte Kindermann das übereilte Vorgehen Roms in dieser Frage an und klagte vor allem, dass mit dieser Neuregelung mit keinem Wort das Unrecht erwähnt worden sei, das in der Vertreibung der Millionen Deutschen liege.257

3.23. Die theologische Einordnung der Vertreibung: Deutung der und Umgang mit der Vertreibungssituation Anlässlich des Todes von Weihbischof Kindermann wurde ein Gedenkblatt herausgegeben, sein geistliches Vermächtnis, in dem Franz Lorenz zentrale Charakteristika des

255

256 257

„Darum liegt es schon in der Schöpfungsordnung, dass wir Deutsche und Tschechen, die wir 1000 Jahre miteinander gegangen sind und sicherlich mehr gute und glückliche Tage erlebten als dunkle und böse, Wege und Mittel finden, um zueinander zu kommen und wieder miteinander zu gehen. Dafür muss der Boden bereitet werden und da müssen die im Wege stehenden Hindernisse nicht bloß zugedeckt und verschleiert, sondern wirklich beseitigt werden mit Geduld und Ausdauer.“ Sudetendeutsches Priesterwerk, Juni 1972, S. 49f. Adolf KINDERMANN, Nach der kirchlichen Neuregelung im Osten, in: Sudetendeutsches Priesterwerk, Oktober 1972, S. 73-80, hier S. 73. „Diese einmalige Verletzung der Menschenrechte wird durch keinen Grenzvertrag genügend beantwortet. Es ist die Frage, welcher Seite ein größeres Opfer zugemutet wird: Den vielen Millionen Vertriebenen oder den Mängeln der seelsorglichen Betreuung für die Polen in diesen Gebieten. Dazu lastet immer noch der Vorwurf auf den Verantwortlichen, für die Seelsorge jenseits der Oder/Neiße, dass man den 100.000en von deutschen Katholiken die primitivsten Menschenrechte, wie Gebrauch der Muttersprache usw., vorenthält. Viele von unseren Heimatvertriebenen werden auch dieses neue Opfer in Geduld und Ergebung zu tragen wissen, aber es besteht die Gefahr, dass doch nicht wenige ihr großes Vertrauen auf den Heiligen Stuhl verlieren.“ Ebd., S. 80.

252

Abschnitt III

Wirkens Kindermanns als Vertriebenenseelsorger in enger Anlehnung an dessen Schrifttum, über weite Strecken in ausführlicher Zitation, herausstellte. Zentrales und fundamentales Thema war Kindermanns Deutung und Beurteilung der Etappen des Schicksalsablaufs der Heimatvertriebenen in der neuen Gesellschaft: Die erste Epoche bezeichnet Kindermann als die caritative Phase, in der es um das nackte Überleben, um Nahrung, Arbeit und Unterkunft ging. Die zweite Epoche war geprägt von den Bemühungen um Eingliederung auf wirtschaftlicher, kulturell-gesellschaftlicher und kirchlicher Ebene: Während es wirtschaftlich sehr schnell gelang, die Vertriebenen zu integrieren, sei es gesellschaftlich und kirchlich langsamer gegangen. Einer der Gründe dafür war der Rückkehrwille der Heimatvertriebenen. Es werde noch vieles geschehen müssen, um auch die gesellschaftliche und kirchliche Integration zu realisieren. In einer dritten Phase der Vertreibungsbewältigung hätten die Vertriebenen ihre Sorge verstärkt auf die gegenwärtige Entwicklung in der alten Heimat gerichtet; deren Not, vorrangig die Bedrängnisse des Glaubens, rückte in das Blickfeld.258 Die vierte Phase bezeichnete Kindermann als die metaphysische Epoche. Dabei ging es um das Thema ‚Erkenntnis des Vertriebenenschicksals als Heilsgeschichte‘: Viele, die ihre Religion nur mehr gewohnheitsmäßig gelebt hatten, wurden aufgerüttelt und fühlten sich in ihrem Gewissen unmittelbar vor Gott gestellt. Viele Heimatvertriebene, aus alten Bindungen herausgerissen, hätten im geheimen die Vorstellung eines Gottesreiches in Gerechtigkeit und Liebe in sich getragen. Neben der periodisierenden Deutung des Vertriebenenschicksals wurde von Lorenz als ein zweiter Themenkreis das Kirchenbild markiert: Die pilgernde Kirche in Gebet und Buße tritt als Identifikationsgröße in den Vordergrund. Heimatvertriebene lebten aus der Erfahrung, dass es keine perfekte Gesellschaft gibt. Kein Wunder, dass Kindermann begeistert war von der Idee des Wallfahrtens und Königstein mit einer modernen Herberge für die Pilger ausbauen wollte.259 Ein dritter Themenkreis in dieser metaphysischen Deutung war der Zusammenhang von Glaube und Wagnis. Der Glaube, der die Ausrichtung des Seins auf Gott hin meint, und die Hoffnung, die wichtig ist für den pilgernden Menschen im Vertrauen auf Gottes Güte, können letztlich in der Vertreibungssituation allein helfen. Als letzten das Handeln Kindermanns bestimmenden Themenkreis arbeitete Lorenz die Gestalt des Priesters heraus: In ihm sah Kindermann den Bürgen für die

258

259

„Diese dritte Phase, wie sie Kindermann sah, führte über das einzelne Vertriebenenschicksal hinaus in die großen Zusammenhänge, die welthistorischen Verstrickungen und Ballungen, an deren Macht seelisch-geistige und sittlich-moralische Grundforderungen abzuprallen scheinen. Zwei große Themenkreise traten im Konzept Kindermanns hervor: Die Selbstdarstellung der ‚Kirche in Not‘ und die Kritik der ‚Entspannungspolitik‘ samt dem Ruf zur Versöhnung. Ebd., S. 6. Vgl. ebd., S. 11.

Die Promotoren Königsteins

253

Wahrung der Transzendenz, für den Lebensquell des Glaubens in Gesellschaft und Volk.260 Beim Leiter der Königsteiner Einrichtungen wurde deutlich, wie charakteristisch für sein Wirken, seinen Einsatz, seine Zielsetzungen, für die Formulierungen der Aufgaben, die Wahl der Schwerpunkte der Arbeit, für die Art wie Priester in ihrer Seelsorgearbeit begleitet wurden, wie das Studium und das Leben der Theologen in Hochschule und Seminar gestaltet wurde, der Erfahrungshintergrund war, die Prägungen, die er durch sein Studium, vor allem aber durch das religiöse Leben in seiner Herkunftsregion erhalten hatte. Die Mehrzahl der Leiter und Lehrer, die Königstein prägten, kamen aus dem schlesischen und aus dem sudetendeutschen Katholizismus. Aus der Vielfalt des religiösen Lebens in diesen heterogenen Regionen seien einige charakteristische Aufbrüche und Umbrüche herausgegriffen:

260

„Für die Priester dieser geschichtsträchtigen Landschaft (i.a.: Das böhmische Niederland) war es kein Problem, Transzendenz des Glaubens mit sozialem Engagement zu verbinden. Das ist die Quintessenz seines Vermächtnisses: Für die Heimkehr des Ostens zu den Quellen des Heils bedarf es vor allem der Priester“. Ebd., S. 15. – Diese aufeinanderfolgenden und ineinandergreifenden Epochen der Integration der Vertriebenen greift der Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl in seinem Rückblick auf die kirchliche Vertriebenenarbeit in einer Broschüre der deutschen Bischofskonferenz zur Neuordnung der Vertriebenenseelsorge Ende Januar 1990 wieder auf.

254

Abschnitt III

Exkurs: Religiöser und geistiger Hintergrund: „Schlesischer“ und „sudetendeutscher“ Katholizismus261 „Überdenkt man noch einmal die Ursprünge des Quickborn, wäre zunächst darauf hinzuweisen, dass er im deutschen Osten entstanden ist. Seine Menschen suchen in der Mystik den Urgrund der Dinge, sind mitgeprägt von der Innerlichkeit als slawischem Erbe. Sie kennen Toleranz, auch im Religiösen, und besitzen als Bewohner einer Grenzregion ein waches Gefühl für geistige und politische Bewegungen. Wären später nicht das kritische und revolutionäre Erbgut des deutschen Westens und die römische Klarheit hinzugekommen, Quickborn hätte zu einer schwärmerischen Bewegung werden können.“262 In diesem Zitat aus Binkowskis autobiographischem Rückblick ist deutlich das Gemüthafte des schlesischen Katholizismus angesprochen. Es war in der Tat ein zentrales Charakteristikum. Das zeigt sich in den Wallfahrten, die vor allem auch als eine Reaktion auf aufklärerische Impulse zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine Blütephase erlebten und als ein wichtiges Erbgut der vertriebenen katholischen Schlesier in den gesamtdeutschen Katholizismus eingebracht wurden. Das Gemüthafte des schlesischen Katholizismus zeigt sich in den Liedern, zeigt sich auch etwa in der Maiandacht, die ihre Wurzeln wiederum im schlesischen Katholizismus des 19. Jahrhunderts hat. Das Gemüthafte wird intensiviert im Mystischen bis hin zum Schwärmerischen und wird dann als Gefahr wahrgenommen. Es gab in der Tat sehr viele „Bewegungen“ im schlesischen Katholizismus, auch hin zum Sektiererischen. Dieses Phänomen manifestiert sich ganz deutlich im Jahrhundert der Reformation, lässt sich aber auch im 19. Jahrhundert nachvollziehen, etwa wenn man an den Deutschkatholizismus des Johannes Ronge denkt oder auch an den Erfolg des Altkatholizismus im schlesischen Raum. Vielleicht trägt auch die sprichwörtliche schlesische Toleranz dazu bei, dass sich diese kleinen Gruppen entsprechend entwickeln und halten können. Die Schlesier sind Bewohner einer Grenzregion, nicht nur im geographischen, auch im sprachlichen, im kulturellen Sinn. Das Breslauer Rituale kennt eine lange Tradition der Mehrsprachigkeit in der Sakramentenspendung. Auf die Muttersprache in der Religionsausübung wurde immer ein großer Wert gelegt. Als „Grenzler“ haben die Schlesier ein waches Gefühl für geistige und politische Bewegungen. Gab es in diesem Grenz- und Brückenraum mit diesen vielfältigen kul-

261

262

Rainer BENDEL, Zwischen „Finsternis“ und Aufbruch. Der oberschlesische Katholizismus und das Bistum Breslau im 19. und 20. Jahrhundert, in: Oberschlesisches Jahrbuch 16/17 (2000/2001), S. 49-71. Johannes BINKOWSKI, Jugend als Wegbereiter. Der Quickborn von 1909 bis 1945. Stuttgart und Aalen 1981, S. 58. Vgl. Rolf TERHEYDEN, Beruf und Berufung. Zweite Festschrift für Johannes Binkowski. Mainz 1988.

Die Promotoren Königsteins

255

turellen, nationalen Einflüssen so etwas wie ein Milieu, wie einen abgeschlossenen und sich abschließenden Raum katholischer religiöser Praxis? Es mag diese Milieus gegeben haben, etwa im oberschlesischen Katholizismus. Aber sie prägten nicht allein und vorrangig das Bild des schlesischen Katholizismus. Der ist in der Tat offen und aufbruchsbereit. Er ist auch urban. Er kennt die Impulse, die aus konfessionell gemischten Gebieten immer wieder kommen, und er ist sensibel für bestimmte pastorale Konsequenzen, die in einem mehrsprachigen Bistum notwendig sind. Aus dieser Buntheit, aus dieser Vielfalt heraus sind die Impulse zu verstehen: 1) Für das 19. Jahrhundert zentral war die Abstinenzbewegung, erwachsen aus einer typischen schlesischen, spezifisch oberschlesischen Notlage, dem unkontrollierten Branntweingebrauch. In den sozialen Notständen auf dem Land, vor allem aber in den rasch expandierenden Industriestätten mit dem entsprechenden Arbeiterproletariat gehörten der Hungertyphus und die Branntweinpest zu den verbreiteten sozialen Notständen. Bischof Melchior von Diepenbrock ging in einem eigenen Hirtenbrief gegen den übermäßigen Branntweingenuss vor. Eine breite Resonanz und auch nachhaltigen Erfolg konnte Johannes Fietzek, Pfarrer aus Deutsch-Piekar, verbuchen, der 1844 einen religiös motivierten Mäßigkeitsverein gründete. Fietzek weitete seine Arbeit sehr rasch auf ganz Oberschlesien aus. Der Mäßigkeitsverein hatte innerhalb kürzester Zeit eine halbe Million Mitglieder. Die Bewegung breitete sich über die Bistumsgrenzen hinaus in den Olmützer und Krakauer Bereich hinein aus. Papst Gregor XVI263. erhob die Mäßigkeitsvereine zu einer kirchlichen Bruderschaft und der Breslauer Bischof schrieb bereits zwei Jahre nach der Gründung des ersten Mäßigkeitsvereins, nämlich am 7. Juli 1846, dass dieser Verein Wunder wirke. 2) Vielfältiger sozialer Notlagen haben sich neue Orden und Kongregationen angenommen, vor allem weibliche Orden. Die Grauen Schwestern, die von Neisse ausgingen, haben Richtungweisendes vollbracht in der Pflege hilfloser Kranker. Ihr Beginn ist auf den 27. März 1842 zu datieren. Krankenpflege, Essensausteilung an Arme, Kinderheime und Kindertagesstätten waren die Hauptarbeitsfelder. In den 100 Jahren bis 1945 hatte die Kongregation ca. 500 Niederlassungen gegründet, davon 121 in der Provinz Niederschlesien und 76 in Oberschlesien. Nicht nur in ganz Deutschland und Polen, sondern auch in den skandinavischen Ländern, Italien und in den Vereinigten Staaten wirkten sie caritativ. 3) Die liturgische Bewegung: Wie weit das Bemühen um eine bewusste und aktive Teilnahme der Gläubigen an den Gottesdienstfeiern in Schlesien verbreitet war, zeigt nicht zuletzt ein Blick in die Sammelbände ‚Schlesische Kirche in Lebensbildern’ bzw. in die ‚Schlesischen Priesterbilder’.264 Führende Vertreter der liturgischen Bewegung wollten, indem sie die Liturgie verständlich machten und die aktive Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst förderten, nicht nur die Liturgie erneuern und das Glaubensleben der einzelnen vertiefen, sondern auch ein neues Bewusstsein für die 263 264

Gregor XVI. (1765 – 1846), Papst von 1831 bis 1846. http://www.orden-online.de/wissen/g/ gregor-xvi, aufgesucht am 12.8.2013. Vgl. GOTTSCHALK, Priesterbilder, Bd. 5.

256

Abschnitt III

Kirche schaffen. Romano Guardini brachte es in dem viel zitierten Satz seines Vortrags von 1921 auf die Formel ‚Die Kirche erwacht in den Seelen’.265 Die Kirche sollte nicht länger nur als ein äußeres Gefüge, das Halt, Orientierung, Schutz und Führung gewährt und als ein prachtvoller Bau wahrgenommen werden, sondern als der eigentliche Inhalt des religiösen Lebens. Das religiöse Leben, das man als individualistisch verengt und gemeinschaftslos charakterisierte, sollte Gemeinschaft wieder stärker erfahrbar und erlebbar machen. So wird die Liturgie zu einem Auslöser für eine tiefer gehende Erneuerungsbewegung in der Kirche. Ihre Motive und Anliegen sprengen bei weitem den engeren Bereich des liturgischen Vollzuges der Kirche.266 Eine den vielfältigen Strömungen und Anliegen gerecht werdende Überblicksdarstellung über die liturgische Bewegung fehlt bislang.267 Die liturgische Bewegung ist bereits von ihren Ursprüngen her vielfältig ausgelegt, hat sie doch Wurzeln einerseits in verschiedenen Bestrebungen der Aufklärung (allen voran Anton Gottfried Steiner), wie auch in der Romantik. Die restaurativen Wurzeln und die verschiedenartigen Träger und Promotoren der liturgischen Bewegung tragen zu ihrer Heterogenität bei. Dass das gesellschaftliche Umfeld, die Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg ein besonders fruchtbarer Boden für ihre Ideen waren, ist Konsens. Die geistige Heimatlosigkeit vieler Soldaten, die Phänomenologie, die verstärkte Zuwendung zu religiösem Leben, etc. haben den Anliegen der liturgischen Bewegung frischen Wind gegeben. Dass die liturgische Bewegung in ihrer Zielsetzung und damit auch in der Bestimmung ihrer Aufgaben ganz unterschiedlich verstanden wurde, zeigen die beiden Protagonisten Ildefons Herwegen268 und Romano Guardini. Herwegen wollte keine Veränderung der Liturgie, sondern forderte die Mitfeier der Laien an der bestehenden Liturgie, um diese Liturgie intensiv zu erfahren, zu verstehen und zu leben. Guardini hingegen plädierte für eine Änderung der Liturgie – die Laien sollten aktiv am Gottesdienst teilnehmen können. Wenn man den Glauben aus der Liturgie erneuern wollte und die liturgische Bewegung zu einer echten Volksbewegung machen wollte, dann, so Guardini und später auch Pius Parsch, musste man die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Eucharistiefeier ermöglichen. Guardini, von 1923 bis 1939 mit einem Lehrstuhl für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung an der Berliner Universität betraut, wünschte eine deutliche Widerspiegelung der „Wirklichkeit des profanen Lebens“ in der Liturgie. Auch die

265 266 267 268

Romano GUARDINI, Vom Sinn der Kirche, 1. Auflage. Mainz 1922. Vgl. dazu Arno SCHILSON, Die liturgische Bewegung, in: Clemens RICHTER / Arno SCHILSON (Hg.), Den Glauben feiern. Mainz 1989, S. 11f. Vgl. dazu auch SCHILSON, S. 12. Ildefons Herwegen (* 27. November 1874 in (Köln-)Junkersdorf als Peter Herwegen; † 2. September 1946 in Maria Laach) war ein deutscher Benediktinermönch, Historiker und Liturgiker. Marcel ALBERT, Ildefons Herwegen, in: Sebastian CÜPPERS (Hg.), Kölner Theologen. Von Rupert von Deutz bis Wilhelm Nyssen. Köln 2004, S. 356-387.

Die Promotoren Königsteins

257

Frömmigkeit des einzelnen Gläubigen musste ihren Raum finden können, nicht allein „Antike und südliche Klarheit“ durften die liturgischen Formen prägen.269 Offensichtlich hat die liturgische Intensivierung und Erneuerung viele Schlesier auch in den Zeiten der Vertreibung begleitet und in ihrem Schicksal getragen. So lässt sich in einem Beitrag des Grafen Ballestrem, des langjährigen Vorsitzenden des Vereins der katholischen Edelleute Schlesiens270, den er im Grüssauer Gedenkbuch 1949 publizierte, lesen,271 dass die liturgische Bewegung im schlesischen katholischen Adel durch die Grüssauer Tätigkeit verankert worden sei und in der Zeit des Leides, des Exils und der Not helfe, über vieles hinwegzukommen. Der unentbehrliche Schott, die deutsche Übersetzung der lateinischen Messtexte, habe den Flüchtling begleitet und helfe, die Leiden der Zeit zu mildern und zu ertragen.272

Die Situation an der Universität in Breslau Wichtige Impulse gingen auch von der Katholisch-Theologischen Fakultät in Breslau aus. Diese Fakultät mag im 19. Jahrhundert kein Ruhmesblatt der schlesischen Kirche gewesen sein, wie es Erich Kleineidam in seiner Fakultätsgeschichte herausgearbeitet hat. Sie erlebte ihre Blütephase an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts konnte sie vielfältige Impulse in das theologische Denken des deutschen Katholizismus einbringen, insbesondere die Breslauer kirchenhistorische Schule, im wesentlichen zurückgehend auf Max Sdralek und seine Rezeption historisch kritischen Arbeitens in der Kirchengeschichte.273 Zu nennen sind Joseph Wittig274, Franz Xaver Seppelt275, Felix Haase276 und in der nächsten Genera-

269

270

271 272 273

274 275 276

So Guardinis Deutung seines Bruchs mit dem Laacher Abt Ildefons Herwegen in einem Gespräch mit Erich Görner 1934 – dazu Hanna-Barbara GERL, Romano Guardini 1885 – 1968. Leben und Werk. Mainz 1985, S. 129. Zu Carl Wolfgang Graf von Ballestrem vgl. VEREINIGUNG KATHOLISCHER EDELLEUTE SCHLESIENS (Hg.), „100 Jahre Vereinigung Katholischer Edelleute Schlesiens 1890 – 1990“. Limburg/Lahn, 1993. Vgl. Grüssauer Gedenkbuch. Stuttgart 1949 (= Die Dominsel, Band 2). Vgl. Grüssauer Gedenkbuch, S. 154. Zu Sdralek vgl. Rainer BENDEL, Max Sdralek als Begründer der Breslauer kirchenhistorischen Schule, in: ASKG 55 (1997), S. 11-38. – Rainer BENDEL, Max Sdraleks Perspektiven für die Breslauer kirchenhistorische Schule und ihre Wirkungen, in: Jan HARASIMOWICZ (Hg.), Die Universität Breslau in der europäischen Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Wroclaw 2013. Zu Joseph Wittig (1879 – 1949) vgl. Joachim KÖHLER, Joseph Wittig. In: Schlesische Lebensbilder, Bd. VIII, S. 255-262. Vgl. Rainer BENDEL, „Maßvoller Konservatismus“ zwischen Bistums- und Papstgeschichte: Franz Xaver Seppelt (1883 – 1956), in: ASKG 56 (1998), S. 27-58. Vgl. Rainer BENDEL, Felix Haase, in: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 87-92. – Rainer BENDEL, Theologe oder Religionswissenschaftler? Felix Haase (1882 – 1965) – ein umstrittener Schüler von Max Sdralek, in: ASKG 57, 1999, S. 33-66.

258

Abschnitt III

tion auch Hubert Jedin277, nicht zu vergessen der weit über die schlesischen Grenzen hinaus bekanntgewordene Berthold Altaner278. Sdralek war aber nicht nur im engeren wissenschaftlichen Bereich schulbildend. Ihm war es ein zentrales Anliegen, die wissenschaftliche Bildung für den Klerus zu stärken als eine unabdingbare Notwendigkeit und wichtige Quelle für das pastorale Wirken: „Wer einen Einblick getan hat in die Kirchengeschichte, in das Leben der Persönlichkeiten, die der Kirche zum Segen gewesen sind oder ihr tiefe Wunden geschlagen haben, der bleibt vor vielen Fehlern in der Beurteilung der Menschen und der Welt bewahrt.“ Die Kenntnis der Kirchengeschichte bewahre vor Missgriffen in kirchenpolitischen Fragen, schärfe das Auge, um den sich ständig ändernden Zeitverhältnissen entgegen kommend neue Seelsorgemittel zu gewinnen. Die Kirche muss ihre Tätigkeit den Erfordernissen der jeweiligen Zeit anpassen, muss also in ihrer Seelsorge flexibel sein, braucht die Fortentwicklung im Prozess der Geschichte. Schließlich könne als eine Frucht des Kirchengeschichtsstudiums die Notwendigkeit der Toleranz gegenüber Personen auch anderer Glaubensüberzeugung und nicht zuletzt eine Ausprägung der Liebe zu Kirche und Vaterland wahrgenommen werden. Mit dem Fundamentaltheologen und Apologetiker Ernst Commer279 kam ein Vertreter der strengen neuscholastischen Richtung nach Breslau, der durch sein Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie und dessen Mitarbeiterstab weite Netze knüpfte. Die Enge dieser neuscholastischen Entwicklung von innen aufzubrechen, versuchte der Philosophiehistoriker Clemens Baeumker durch seine historischen Mittelalterforschungen, indem er durch seine Arbeiten die scheinbar monolithische Geschlossenheit des Mittelalters sprengte und die Vielfalt des geistigen Lebens mittelalterlicher Philosophie und Theologie unterstrich.280 Damit wurden auch die Argumente, die sich unter Berufung auf die mittelalterliche Geschlossenheit, das Ziel einer einheitlichen Theologie im 19. und 20. Jahrhundert gesetzt hatten, ad absurdum geführt. Nicht nur Kirchengeschichte und Philosophie wurden durch die Ergründung der Tradition des eigenen Faches und durch den Austausch mit anderen Wissenschaften auf die Augenhöhe mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen der Zeit gebracht, auch in der Exegese wurden große Anstrengungen unternommen, die Ergebnisse der protestantischen Bibelwissenschaft zu rezipieren, nicht zuletzt durch den Alttesta-

277

278 279 280

Vgl. Heribert SMOLINSKY (Hg.), Die Erforschung der Kirchengeschichte. Leben, Werk und Bedeutung von Hubert Jedin (1900 – 1980) (= Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, Bd. 61). Münster 2001 Zu Altaner vgl. Günter J. ZIEBERTZ, Berthold Altaner (1885 – 1964), Leben und Werk eines schlesischen Kirchenhistorikers. Köln, Weimar, Wien 1997. Lydia BENDEL-MAIDL, „Historische“ Theologie – ängstlich selektiert und apologetisch systematisiert: Der Ansatz Ernst Commers (1847 – 1928), in: ASKG 56 (1998), S. 83-122. Lydia BENDEL-MAIDL, Beginn einer historisch-kritischen Philosophiegeschichtsforschung in Breslau: Clemens Baeumker, in: ASKG 55 (1997), S. 39-68.

Die Promotoren Königsteins

259

mentler Johannes Nikel281 und den Exegeten des Neuen Testamentes, Aloys Schäfer, der sein Fach bis 1903 an der Breslauer Fakultät vertrat282: Schäfer pflegte die Einleitungswissenschaft in das NT intensiv, also die historische Dimension seines Faches. Er setzte sich in seiner Publikation „Der Klerus und die soziale Frage“ auch mit praktischen, die engen Grenzen seines Faches übersteigenden Fragen auseinander. Überhaupt wird er als ein Exeget gesehen, der mit seinen Kommentaren nicht nur den Studierenden, sondern gerade den Priestern eine Orientierung an die Hand geben wollte. Er schrieb für die Praxis. Wenn Eugenio Pacelli283 als Berliner Nuntius meinte, an der Breslauer Fakultät dieser Jahre habe man nur eine mangelhafte Ausbildung erhalten können, kann dieses Urteil nur damit erklärt werden, dass der spätere Papst als Zögling der römischen Studienanstalten allein diese für fähig hielt, künftige Bischöfe zu bilden. In seinen Informationen zu den einzelnen Diözesanbischöfen Deutschlands formulierte er über Kaller als dem Apostolischen Administrator von Schneidemühl: „Obwohl seine philosophisch-theologische und kirchenrechtliche Bildung, da er seine Studien einzig an der theologischen Fakultät Breslau betrieb, an den Mängeln dieser Ausbildung leidet, gleicht er dies dennoch durch seine Frömmigkeit, seinen Eifer, seine tiefe Ergebenheit gegenüber dem Hl. Stuhl und der Nuntiatur aus...“284 Die Folgen des Ersten Weltkrieges zeitigten nachhaltige Wirkungen für den Katholizismus in den böhmischen Ländern. Die Erschütterung über den Untergang der Herrschaft der Apostolischen Majestät von Gottes Gnaden war allerorten greifbar. Die Minderheitensituation für die Deutschen in den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie erforderte eine neue Grundlegung: Man musste sich behaupten. Nach der Dekadenz, religiös in der Los-von-Rom-Bewegung festgemacht, folgte die Neubesinnung, die Neuorientierung aus den Trümmern. Der Dechristianisierung wollte man mit der religiösen und völkischen Erneuerung entgegenwirken; man sah sie als eine Möglichkeit und Gelegenheit zur katholischen Renaissance.285

281

282 283 284 285

Johannes Nikel (1863 – 1924), 1900 Prof. für alttestamentliche Exegese in Breslau. Vgl. Erich KLEINEIDAM, Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau 1811 – 1945. Köln 1961, S. 143f. Ingrid PETERSEN, Der Neutestamentler Aloys Schäfer (1853 – 1914), in: ASKG 57 (1999), S. 19-32. Eugenio Pacelli (1876 – 1958), als Pius XII. Papst von 1939 bis 1958; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Pacelli, aufgesucht am 13.8.2013. Eugenio PACELLI, Die Lage der Kirche in Deutschland 1929. Bearbeitet von Hubert WOLF und Klaus UNTERBURGER. Paderborn u.a. 2006, S. 255. Vgl. etwa Miroslav KUNSTÁT, Widerspruch von Tradition und Moderne? Prolegomena zum Verhältnis von sudetendeutscher Identität und Katholizismus im 20. Jahrhundert, in: Martin ZÜCKERT / Laura HÖLZLWIMMER (Hg.), Religion in den böhmischen Ländern 1938 – 1948. Diktatur, Krieg und Gesellschaftswandel als Herausforderungen für religiöses Leben und kirchliche Organisation. München 2007, S. 49-71. – Jaroslav ŠEBEK, Nationalisierende Tendenzen im konfessionellen Bereich. Beispiele aus dem katholischen Milieu der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in: ebd., S. 31-47.

260

Abschnitt III

Beides erforderte das Sammeln der Kräfte. „Religiöse und völkische Erneuerung“, die in der CSR auch eine soziale sein musste; Seelsorge wollte einen sozialen und ideologischen Beistand geben in der Krise. Freilich gab es in diesen Fragen deutliche Meinungsverschiedenheiten zwischen unterschiedlichen katholischen Gruppierungen, Strömungen, Initiativen. Die Lösungsversuche fanden unterschiedliche Ausdrucksformen: Die gesellschaftliche Lage in den Industrieregionen des Sudetenlandes weckte das Engagement der christlichen Gewerkschaftsbewegung: gerechte Löhne für die im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts neu entstandene Arbeiterklasse, Arbeitszeitbeschränkung, Kampf gegen Kinderarbeit, Vorsorge für Krankheit, Alter und Invalidität, Sorge um angemessene Wohnverhältnisse und vieles mehr waren zentrale Aufgaben der Arbeitervereine und Gewerkschaften. Eigene christliche Gewerkschaften hatten sich im Deutschen Reich 1894 und in Österreich 1903 etabliert. Sie wollten dem antikirchlichen Zug der freien Gewerkschaften, der daraus resultierte, dass diese die Kirche zu stark mit den herrschenden Klassen der Gesellschaft verbündet sahen, entgegentreten. So führte praktisch auch die soziale Bewegung christlicher Ausprägung in Österreich einen Kampf in zwei Richtungen, nämlich gegen den Wirtschaftsund Kulturliberalismus und gegen die aufstrebende Sozialdemokratie.286 Böhmen, Mähren und Schlesien hatte 1910 10 Millionen Einwohner, also etwa 1/5 der Einwohnerschaft von Österreich/Ungarn. Gleichzeitig aber waren in diesen Ländern 1914 75 % der Industrien angesiedelt. Diese Regionen waren hoch industrialisiert und hier wiederum vor allem die deutsch besiedelten Gebiete dieser drei Länder; dort befand sich 80 % des Industriepotentials. Neben Belgien und dem Ruhrgebiet waren die deutsch besiedelten Regionen in Böhmen, Mähren und Schlesien das dichteste Industriegebiet Europas.287 1918 bedeutete auch für die christlichen Gewerkschaften in Böhmen, Mähren und Schlesien einen neuen Anfang.288 Eine grundlegende Stabilisierung und entscheidende Impulse empfing die christliche Gewerkschaftsbewegung auf dem zweiten Ver-

286

287 288

Vgl. zu diesem Hintergrund ganz kurz Erwin MACHUNZE, Die christlichen Gewerkschaften, in: Otfried PUSTEJOWSKY / Horst GLASSL (Hg.), Ein Leben – drei Epochen. Festschrift für Hans Schütz zum 70. Geburtstag. München 1971, S. 324-340, hier vor allem S. 324f. Vgl. dazu MACHUNZE, Die christlichen Gewerkschaften, S. 327f. „Es gab keinen Mittelpunkt. Karlsbad, Reichenberg, Zwittau, Freiwaldau, Troppau, alles lag soweit auseinander. Wo war der Vorort? Die Heimkehrer und die wenigen Daheimgebliebenen zusammen mit den tapferen Frauen rührten sich. Da und dort gab es zu jener Zeit auch Geistliche, die sich beim Aufbau der Organisation als Berater und Helfer einfanden. Es würde sich lohnen, einmal einen Katalog dieser Männer und Frauen aufzustellen. Zunächst gab es fünf Kernpunkte für die Sammlung christlicher Gewerkschafter. Reichenberg mit Adolf Röttig, Schluckenau mit Stefan Kratzer, Hohenelbe mit dem damals jüngsten führenden Mitarbeiter Josef Renner, Wigstadtl mit Franz Scholz und Zwittau mit Johann Domes und Anton Pohl. Freilich stehen diese Orte und diese Namen für viele andere. Aber dort bildeten sich wirkliche Kristallisationskerne. Die Schwierigkeit bestand darin, dass zunächst niemand entschied, wer zusammenfasst und wer das zusammengefasste führt.“ MACHUNZE, Christliche Gewerkschaften, S. 331.

Die Promotoren Königsteins

261

bandstag vom 8. bis 10. September 1920 in Grulich. Dort gelang es, die Spannungen zwischen dem böhmischen und dem mährischen Textilarbeiterverband zu überwinden und eine Verständigung herbeizuführen. Man einigte sich auf den gemeinsamen Sitz in Zwittau, die künftige Zentrale des Verbandes, und auf den erst 22-jährigen Nordböhmen Hans Schütz als Verbandsvorsitzenden. Der dritte Verbandstag des Verbandes christlicher Arbeiter und Arbeiterinnen aus der Textil-, Putz- und Bekleidungsindustrie, wie der christliche Textilarbeiterverband jetzt offiziell hieß, fand Pfingsten 1924 in Freiwaldau statt. Hier zeigte es sich, dass es innerhalb der zurückliegenden zwei Jahre gelungen war, den Verband zu konsolidieren und prospektiv zu arbeiten. Es wurden Leitsätze für die christliche Gewerkschaftsarbeit beschlossen, das später sogenannte Freiwaldauer Programm. Der erste Kongress des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften fand wiederum an Pfingsten 1925 in Zwittau statt. Bei der Kundgebung am Samstagabend auf dem Sportplatz wurden mehr als 5.000 Besucher gezählt. Der Abgeordnete der Christlich-Sozialen Volkspartei, Robert Schälzky289, und Hans Schütz referierten grundsätzlich und über die konkrete Sozialpolitik in der Tschechoslowakei. Gleichzeitig gelang es auf dieser Tagung, die Branchenverbände und Interessensgemeinschaften zum Verband christlicher Fabrik- und Bauarbeiter zusammenzuschließen. Der Vorsitzende des Textilarbeiterverbandes Hans Schütz wurde zum Vorsitzenden des Gesamtverbandes Christlicher Gewerkschaften in der CSR gewählt.290 1938 zählte der Gesamtverband christlicher Gewerkschaften 50.900 Mitglieder. Den christlichen Gewerkschaften gelang es in der ersten tschechoslowakischen Republik, einen bedeutenden Einfluss auf die sozialpolitische Entwicklung zu nehmen. Die christlichen Gewerkschaften waren eine Arbeitsgemeinschaft der deutschen christlich-sozialen Volkspartei und als solche gehalten, die Parteipolitik und Programmatik der DCV in ihren Wirkungskreisen zu vertreten. Die Gewerkschaften hatten die Möglichkeit, Anfragen und Anträge an die Parteiorgane zu richten. Ihre Aufgabe war es, an in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Problemen mitzuarbeiten und für die DCV die Arbeiterschaft zu rekrutieren. Hans Schütz war als Vorsitzender des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften gleichzeitig auch in die Christlich-Soziale Reichsparteileitung gewählt worden. Die Deutsche Christlich-Soziale Volkspartei in der CSR hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg grundlegend erneuert, wurde quasi für den böhmisch-mährischen Raum neu gegründet. Sie gab sich ein neues Parteiprogramm, das vor allem von dem Prager

289 290

Bernhard DEMEL, Schälzky, Robert, in: ÖBL 1815 – 1950. Band 10. Wien 1994, S. 26. „Nun waren Berufsverbände und Gesamtverband organisatorisch halbwegs in Ordnung. Der Sitz des Gesamtverbandes wurde bei dieser Tagung von Reichenberg nach Zwittau verlegt. In Zwittau hatten nun neben dem Gesamtverband auch noch der Tabakarbeiterverband, der neu gegründete Fabrik- und Bauarbeiterverband und der Textilarbeiterverband ihren Sitz.“ MACHUNZE, Christliche Gewerkschaften, S. 333.

262

Abschnitt III

Theologen und Sozialethiker Karl Hilgenreiner291 und dem Juristen Robert MayrHarting ausgearbeitet worden war. Die Partei stand in der Tradition der christlichsozialen Bewegung in Österreich. Dieses Erbe hieß, sich für die Not des städtischen Mittelstandes einzusetzen, hieß verstärktes kommunalpolitisches Engagement, aber auch antisemitischer Einschlag und Orientierung am Ständeideal des Freiherrn von Vogelsang. Das Parteiprogramm von Mayr-Harting und Hilgenreiner wollte Basis für eine Politik sein, die ein einträchtiges Zusammenleben aller Völker, Konfessionen und Berufsstände im Staat förderte. Die DCV wollte bewusst eine Volkspartei sein, d.h. sich um einen Ausgleich der widerstrebenden Interessen der verschiedenen Stände in der Politik bemühen.292 Bei aller Offenheit und allem Ausgleichsbemühen erklärte sie sich aber als eine nationale deutsche Partei, die in erster Linie die Interessen der Sudetendeutschen vertreten und die volle politische Gleichberechtigung und eine gesicherte Selbstverwaltung für diese Volksgruppe erreichen wollte. Die DCV bekannte sich zur demokratischen Republik und zum allgemeinen Verhältniswahlrecht. Die Freiheit der Kirche und ein einträchtiges Zusammenwirken von Kirche und Staat gehörten zum Grundbestandteil des Parteiprogramms. Hilgenreiner hatte sich bereits 1917 für die Demokratie in den österreichischen Ländern eingesetzt, in enger Anlehnung an die österreichische Mai-Thronrede von 1917. Freilich überging er dabei auch nicht die Schwachstellen der Demokratie und warnte davor, in dieser Verfassungsform ein Heilmittel gegen alle öffentlichen Schäden zu sehen. Ohne eine religiöse Bindung der einzelnen Menschen hielt er ein Gelingen der Demokratie als Staatsform für nicht möglich. Auch als man 1929 die Krise des Parlamentarismus in der ersten tschechoslowakischen Republik beschwor, lehnte es Hilgenreiner ab, die demokratische Staatsform gänzlich in Frage zu stellen. Er forderte vielmehr die Erziehung der Bürger zu aufrichtigen Demokraten und zum notwendigen Verantwortungsgefühl.293

291 292

293

Vgl. Lydia BENDEL-MAIDL, „Christlicher Sozialismus“ zwischen Kaiserreich und Republik. Aus dem Werk Karl Hilgenreiners, in: Europäische Kulturzeitschrift Sudetenland 1998, S. 415-442. In einem Bericht von Friedrich Stolberg über das neue Programm der christlich-sozialen Volkspartei wird positiv auf das Grundsatzprogramm der Partei aus dem Jahr 1919 abgehoben, wonach es Aufgabe dieser Partei ist, aus allen Schichten der Bevölkerung die zusammenzufassen, die die nationalen Interessen schützen, die christlichen Kulturgüter erhalten und die soziale Gerechtigkeit und den Schutz der sozial Schwachen sichern wollen. Stolberg unterstreicht aber gleichzeitig, dass diese erste Fassung sehr viel aus den Erfahrungen der alten österreichischen Partei und aus dem reichsdeutschen Zentrum schöpfe. Es sei das Programm einer Partei der Mitte, jeden Radikalismus ablehnend, das auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse stehe. „Die Partei wird manchmal missverständlich als katholische Partei bezeichnet. Die Bezeichnung als katholische Partei ist offenbar irrig. Denn weder die Parteigrundsätze, noch die Parteiordnung enthalten irgendeinen Punkt, der Nichtkatholiken von der Partei ausschließen würde. Der Katholizismus als solcher ist auch nicht geeignet als Grundlage einer Parteibildung; denn jede politische Partei muss den Weg der Kompromisse beschreiten. Der Katholizismus aber ist grundsätzlich kompromisslos.“ Friedrich STOLBERG, Das neue Programm der christlich-sozialen Volkspartei, in: Volk und Glaube, S. 59. In dieser Hinsicht freilich ist Hilgenreiner pessimistisch. Bei rein diesseits orientierten Bürgern könne man kein Verantwortungsbewusstsein vor Gott erwarten. Hier fordert er die Erweckung

Die Promotoren Königsteins

263

In den sozialen Forderungen der Gegenwart sah Hilgenreiner eine Chance für eine Neuentdeckung elementarer christlicher Forderungen durch die Kirche, Forderungen, die man, solange man im Hofdienst der Fürsten stand, übersehen hatte.294 Wie im 19. Jahrhundert Bischof von Ketteler295 in seinen berühmten Adventspredigten im Mainzer Dom die Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Rückgriff auf die Lehre des Thomas von Aquin unterstrichen hatte, so brachte auch Hilgenreiner diese Grundsatzentscheidung in das Programm der DCV ein.296 Die DCV stützte sich in ihrer Arbeit auf die christlichen Organisationen wie den Deutschen Katholikenrat, den Volksbund deutscher Katholiken, den Katholischen Frauenbund und die katholische Jugendbewegung ebenso wie selbstverständlich auf die Christlichen Gewerkschaften. Diese Organisationen waren quasi Arbeitsgemeinschaften der DCV, die das Gedankengut der Partei jeweils in ihren Wirkungskreisen verfochten, die die Mitglieder für die Partei rekrutierten und Lösungsvorschläge für die jeweils den eigenen Arbeitsbereich betreffenden Probleme erarbeiteten. Wie prägend die sozialen Aufgaben für christliche Politiker in der ersten Tschechoslowakei waren, zeigt nicht zuletzt die breite Palette an entsprechenden Beiträgen in der Festschrift für Hans Schütz.297 Die Gestaltung der Sozialpolitik in der ersten tschechoslowakischen Republik von der Gesetzgebung bis zur Gewerkschaftsarbeit und zur konkreten sozialen Absicherung der Arbeiter bildete einen wichtigen Erfahrungsraum für diejenigen Politiker in der Bundesrepublik Deutschland, die aus den Vertriebenenkreisen vor allem der Sudetendeutschen kamen, die eng kooperiert hatten mit den christlichen Politikern und der Christlich-Sozialen Volkspartei, den Christlichen Gewerkschaften, den Kirchen und nicht zuletzt mit dem Deutschen Orden. Das macht der Beitrag von Richard Hackenberg deutlich, der letztlich indirekt auch den eigenen geistigen Hintergrund, den Erfahrungsraum ausleuchtet, der für Hackenberg und seine soziale Initiative mit der Leitung des Wohnheimes in Frankfurt, wie auch

294 295 296

297

eines Staatsgefühles, das in der Republik sicherlich nüchterner sein werde als in der Monarchie, aber auch dort nicht vernachlässigt werden dürfe. Gerade in mehrnationalen Staaten sei dies eine grundsätzliche Aufgabe einer klugen Staatsführung. Der Staatspatriotismus soll also nach Möglichkeit über die nationalen Differenzen hinweghelfen. Vgl. Katholiken-Korrespondenz 1, 1920, S. 227. Vgl. Karl BREHMER, Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811 – 1877) – Arbeiterbischof und Sozialethiker. Auf den Spuren einer zeitlosen Modernität. Regensburg 2009. Das Gemeinwohl ist das oberste Ziel und als solches setzt es dem Recht des einzelnen auf Privateigentum eine unbedingte Grenze. Eigentum an Produktionsmitteln hält Hilgenreiner für ökonomisch sinnvoller als Vergemeinschaftung. Die wirtschaftlich Selbständigen müssten vermehrt werden, das Interesse des Arbeiters an seiner Arbeit und am Unternehmen gefördert werden. Hilgenreiner denkt hier in der Industrie daran, den Arbeitern Anteil an der Unternehmensleitung und Gewinnbeteiligung einzuräumen. Mit den sozialen Reformen sollten neue soziale Gesetze geschaffen werden, die aber nicht Selbstzweck sind, sondern immer den sozialen Menschen zum Ziel haben. GLASSL / PUSTEJOVSKY, Ein Leben – drei Epochen.

264

Abschnitt III

als hessischer Landespolitiker wichtig wurde.298 Ein Gefahren dräuendes Bild gebrauchte P. Paulus Sladek299 für einen Beitrag in ‚Volk und Glaube‘ 1936 über die religiöse Erneuerung im Sudetendeutschtum, wenn er von den „an den Bergwänden hängenden Lawinen“ sprach.300 Sladek stellte eine Kluft zwischen Volk und Kirche fest, da das Volk die Kirche nicht mehr verstehe, ja die Meinung verbreitet sei, dass die Kirche geradezu im Gegensatz zum völkischen Daseinskampf stehe. Sladek mel-

298 299

300

Richard HACKENBERG, Der Deutsche Orden und die katholisch-soziale Bewegung, in: GLASSL / PUSTEJOVSKY, Ein Leben – drei Epochen, S. 341-357. Der am 28. Januar 1908 in Triebnitz bei Lobositz im Bezirk Leitmeritz an der tschechischdeutschen Sprachgrenze geborene Fritz Sladek hat 1922 am nordböhmischen Gautag des Staffelstein auf der Ruine Tollenstein teilgenommen und war beim Bundestag 1924 in Schwoika bereits Gruppenführer. 1926 hatte er auch die Reifeprüfung an der Realschule in Böhmisch-Leipa mit Auszeichnung abgelegt. Staffelstein ist die geistige Heimat, der Motivationshintergrund für die Wahl des Priestertums und den Ordenseintritt. In den Klöstern der Augustinereremiten in Prag und Böhmisch-Leipa sollten Mittelpunkte für die religiöse Erneuerung aufgebaut werden. So trat auch Fritz Sladek im Oktober 1926 als Frater Paulus bei den Augustinern ein und kehrte nach dem Noviziat in Münnerstadt in Franken 1927 nach St. Thomas auf der Prager Kleinseite zurück. Von 1927 bis 1932 studierte er an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag Theologie, u.a. auch beim Dogmatiker Michael Schmaus. Im Juni 1931 im Veitsdom in Prag zum Priester geweiht, wirkte er ein Jahr als Kaplan in Böhmisch-Leipa und war daraufhin bis 1943 im Prager Augustinerkloster Klerikermagister und Brüderpräfekt. 1933 promovierte er mit einer Arbeit über den Prager Theologen der Aufklärungszeit Kosmas Schmalfus bei Professor August Naegle, dem Kirchenhistoriker, der Pater Paulus als seinen Nachfolger wünschte; dieser wurde dann aber Eduard Winter. Nachdem Schmaus 1932 einem Ruf nach Münster gefolgt war, konnte Pater Paulus Sladek ab dem Wintersemester 1934/35 die Dogmatik an der Prager Universität vertreten. Von Schmaus wurde Sladek an die scholastische Theologie herangeführt, vor allem seine Studien über Thomas von Aquin, u.a. die Habilitationsschrift „Gott und Welt nach dem Sentenzenkommentar des Heiligen Thomas von Aquin“ sind in diesem Kontext entstanden. Mit der Habilitation 1939 hatte er den Weg für eine akademische Laufbahn geebnet. Seit 1934 war Sladek akademischer Prediger an der Salvatorkirche in Prag. In dieser Funktion und als Lehrbeauftragter für Dogmatik unterstützte er Adolf Kindermann in dem Bemühen, ein zentrales deutsches Theologenkonvikt zu errichten, nachdem die Theologiestudenten nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich 1938 aus dem gemeinsamen Priesterseminar in Prag ausziehen mussten. 1934 wurde Paulus Sladek darüber hinaus zum Geistlichen Beirat des Bundes Staffelstein bestellt. Fragen und Themen der Jugendseelsorge griff Sladek auch auf der Reflexionsebene auf, in seiner Tätigkeit als Redakteur der Beilage zum „Verbandsblatt der deutschen katholischen Geistlichkeit“, dem „Werkblatt für Jugendseelsorge“. Das Ausmaß seiner seelsorgerlichen Aktivitäten und seine Jugendarbeit machte Pater Paulus Sladek für die Nationalsozialisten verdächtig. Er meldete sich freiwillig zur Wehrmacht und wurde im März 1943 einberufen. Bis Ende April 1945 war er als Sanitäter tätig. Zu Kosmas Schmalfus vgl. Augustinus Kurt HUBER, Kosmas Schmalfus (1730 – 1811) – ein Prager Augustinertheologe der Aufklärungszeit. In: Cornelius P. MAYER / W. ECKERMANN, Scientia Augustiniana FS Adolar Zumkeller. Würzburg 1975, S. 469-511. Vgl. Paulus SLADEK (unter dem Pseudonym Franz GÄRTNER veröffentlicht): Die Lawinen hängen an den Bergwänden. Religiöse Erneuerung aus gläubig-schöpferischer Idee im Sudetendeutschtum, in: Volk und Glaube?; nachgewiesen in Königstein, Institut für Kirchengeschichte Böhmen, Mähren, Schlesien, Dossier Seelsorge.

Die Promotoren Königsteins

265

dete also deutliche Defizite in der Wahrnehmung dieser scheinbaren Primäraufgabe der Sudetendeutschen an. Andererseits aber ließe sich im Volk, vor allem in der Jugend, ein aufrichtiges Verlangen nach religiösen Kräften ausmachen. Die Formen der Seelsorge und des Gottesdienstes wären nicht mehr kompatibel mit diesen Ansprüchen. Die Folgen waren nach Sladek gefährlich und deutlich. Ältere religiös-suchende Menschen fielen in vielfältige Sektiererei, die jüngeren ließen sich von einem unklaren Deutschen Christentum oder einer Deutschgläubigkeit Rosenbergscher Art faszinieren. Die Bedrohung für die sudetendeutsche Kirche wurde offensichtlich nach Sladek dadurch intensiviert, dass sie unterhalb einer ruhigen Oberfläche rumorte. Nach außen schiene alles beim Alten zu sein, während doch eine stille Los-von-Rom-Bewegung durch das Land ginge.301 Die Entfremdung von Kirche und Volk wurde nach Sladek zuerst durch die Antiquiertheit der Formen des kirchlichen Lebens verursacht. Die letzten Jahrzehnte hätten eine Unmenge wertlosen und sentimentalen Tand in Lied und Ausstattung in die Gotteshäuser gebracht, der den heroischen Kern des Christentums verdeckte. Das Volk hätte in der gleichen Zeit bedeutende innere und äußere Umwandlungen erfahren durch Industrialisierung, Weltkrieg und völkischen Aufbruch. In diesem Umbruch fehlten die neuen Formen gottesdienstlicher Gestaltung, die Predigten, die den neuen Geist aus christlichem Glauben religiös zu prägen vermochten. Sehr optimistisch taxierte Sladek die volksliturgische Arbeit, aber sie wäre noch weit davon entfernt, eine ‚Bewegung‘ zu sein. In erster Linie die Jugend sei Vorreiter einer gedanklichen Neuorientierung, die wegführte vom Individualismus und Liberalismus und hinzielte auf eine ganzheitliche Betrachtung des Lebens, auf die Hochschätzung der Gemeinschaft, auf die Verbindung zu metaphysischen und religiösen Wirklichkeiten.302

301

302

„Eine Erschütterung, ein äußerer Konflikt – und welches Widerstreits müssen wir nicht gewärtig sein! – kann die Last lösen und Verderben und Verwüstung schaffen. Kirchliche Kreise scheinen sich des Ernstes der Situation kaum bewusst, zumindest geschieht nichts Durchgreifendes, das Unheil zu verhindern – wenn dies überhaupt noch in Menschenhand liegt.“ Voraussetzung für die Überwindung der Gefahren ist eine klare Erkenntnis der vorhandenen Mängel. Es sei nicht berechtigt und auch nicht sinnvoll, die kulturkämpferische Haltung gewisser nationaler Kreise nur zu verdammen, solange die Katholiken durch Untätigkeit oder Unfähigkeit ihren Beitrag leisteten zum Versiegen der religiösen Kräfte im Volk. Das sichere Bewusstsein, die Wahrheit zu lehren, sei nicht hinreichend, wenn die Wahrheit nicht gelebt werde. „Während nun nach dem Krieg nur einige wenige aus dem Erlebnis der geistig-sittlichen Not des Volkes und jenem eben geschilderten Gemeinschaftserleben zu einer lebendigeren Erfassung des überlieferten katholischen Glaubens gelangten und dadurch Begründer einer fruchtbaren Einheit von Glaube und Volkstum wurden, die noch heute in katholischen Bünden weiter lebt, gerieten die sogenannten nationalen Kreise der jungen Generation, die vom Elternhaus her meist nur ein liberalisiertes, innerlich ausgehöhltes Christentum kannten, aus ihrem Streben nach Wahrhaftigkeit und Echtheit in vielen Fällen nur zu einem Gegensatz zu dem Christentum ihrer nächsten Umgebung, nicht aber zu einer tieferen und lebendigeren Erfassung der religiösen Glaubenswelt und der kirchlichen Lebensgemeinschaft.“ Paulus SLADEK, Und unsere Jugend? in: Katholiken-Korrespondenz 28 (1934), S. 147-168, hier 148f.

266

Abschnitt III

In dem von Heinrich Donat herausgegebenen Überblickswerk über die deutschen Katholiken in der tschechoslowakischen Republik verfasste Sladek den Überblick über die katholischen Jugendbünde.303 Die Jugendorganisationen, die in ihren Wurzeln auf die Vorkriegszeit zurückgingen – eine Ausnahme war der 1920 am MariaScheiner-Katholikentag ins Leben gerufene Studentenbund ‚Staffelstein‘ – verzeichneten in den ersten Nachkriegsjahren breiten Zulauf – als Gegentendenz gegen eine in der Diktion Sladeks sozialistische Welle.304 Sladek sprach von einer Revolution der Jugend, die man Jugendbewegung genannt habe. Sie habe sich mittlerweile gesammelt und gestrafft zu einer Erziehung in den Bünden, in denen nicht mehr künstlerischer Individualismus maßgebend gewesen sei, sondern die Einordnung und der selbstlose Dienst am Ganzen.305 Als Ziele dieser Jugendbewegung bezeichnete Sladek die Umgestaltung der bisherigen alten Formen des Vereinskatholizismus und deren Erfüllung mit neuen Inhalten. Dadurch könnten dem kommenden Volksaufbau wertvollste Dienste aus katholischer Glaubenskraft heraus geleistet werden. Die positive Würdigung der zeitgenössischen Bewegungen führte Sladek schließlich zu dem Appell, die apologetische Tendenz abzulegen, die Ghettomentalität gerade in der Seelsorge zu überwinden – also die Affinitäten religiöser und volklicher Erneuerung zu betonen.

303

304 305

Heinrich DONAT, Die deutschen Katholiken in der tschechoslowakischen Republik. Eine Sammlung von Beiträgen zur geistigen und religiösen Lage des Katholizismus und des Deutschtums: Warnsdorf 1934, S. 258-266. Vgl. NITTNER, Staffelstein. Vgl. DONAT, Die deutschen Katholiken, S. 259.

ABSCHNITT IV: ETAPPEN DER ENTWICKLUNG KÖNIGSTEINS

1.

Erste Phase des Aufbaus 1946/47

Nachdem sich auch die Diözesanvertriebenenseelsorger-Konferenz Anfang August 1946 in Eichstätt für die Errichtung des Konviktes in Königstein eingesetzt1 und sich die Fuldaer Bischofskonferenz für das Projekt Königstein entschieden hatte, konnte Büttner an die Konkretisierung des Planes gehen. Eine erste notwendige Maßnahme war, Schwestern zur Führung der Ökonomie zu finden. Büttner dachte zunächst an Deutsch-Ordensschwestern aus Troppau.2 Parallel dazu hatten die Sondierungen Bischof Kallers stattgefunden, der spätestens seit der Beauftragung durch den Papst als Oberhirte für die Vertriebenen den Plan Königstein mittrug und die Vorbereitungen mitverfolgte. Er schrieb an die ermländischen Katharinerinnen und wünschte, dass sie in Königstein ihre Tätigkeit aufnehmen. Mit dem 15. November 1946, dem Gedenktag des Hl. Albertus Magnus, wurde das Priesterseminar in Königstein eröffnet. Am 3. Dezember 1946 wurde der Mietvertrag zwischen dem Finanzamt Frankfurt und der Kirchlichen Hilfsstelle, vertreten durch Monsignore Albert Büttner, unterzeichnet.

1

2

Wie drängend Büttner die Aufgabe der Kirche in der Nachkriegssituation und besonders angesichts der Not der Vertriebenen und Flüchtlinge sah, formulierte er im Schlusswort einer Tagung von über 100 heimatvertriebenen deutschen Seelsorgern, die vom 6. bis 8. August 1946 in Eichstätt stattfand. Viele Menschen erwarteten in dieser Not von der Kirche Hilfe. Das sei eine große und herrliche Stunde für die Kirche und den Priester – beinahe ein freudiger Ausruf, der fremd anmutet, klingt er doch nach einer gewissen Freude über die Notlage vieler Gläubigen, die der eigenen Sache Nutzen und Vorteil bringt. Es handle sich um eine Stunde von ungeheurer Verantwortung, könne doch die Kirche in dieser Krise sehr viel für das Reich Gottes gewinnen, aber auch sehr viel zerstören, wenn sie den Ruf nicht höre. „Unsere Herzen müssten größer sein. Wir müssten noch mehr Verständnis, noch mehr Liebe in uns haben, noch mehr Kraft des Herzens und der Nerven, um in dieser Zeit der Ernte für Christus und sein Reich nicht zu versagen. Das Wort Gottes wird beim Nächsten nicht wirken, wenn er nicht fühlt, dass es aus einem guten Menschenherzen kommt. Die Menschen müssen zuerst dem Menschen begegnen, damit sie dann auch den Priester finden können.“ Es spricht für ein teilweise reflektiertes und aufgeschlosseneres Konzept von Seelsorge, wenn Büttner den Menschen voranstellt und nicht den Priester in den Mittelpunkt rückt. KZG Bonn. RKA D XI.14, ein Schreiben Büttners an die Provinzoberin der DeutschOrdensschwestern in Passau vom 8. September 1946.

268

Abschnitt IV

Mit etwa zehn Lehrerinnen und Lehrern nahm die St. Albertus-Schule am 8. Januar 1947 den Unterricht auf. Dort wurden diejenigen zum Abitur geführt, die bisher die Hochschulreife noch nicht erwerben konnten. Der Reifeprüfungslehrgang für die Gymnasiasten, die, vor dem Kriegsdienst den Reifevermerk erlangt hatten und nunmehr, aus ihrer Heimat vertrieben, die Reifeprüfung nachholen wollten, um sich dem Studium der Theologie zu widmen, gliederte sich in zwei Kurse: Ein erster halbjähriger war konzipiert für die Schüler, die aus der 8. Klasse entlassen worden waren, um dann in den Krieg zu ziehen, ein zweiter für solche, die aus der 7. Klasse mit Reifevermerk entlassen worden waren. Jeder der beiden Kurse teilte sich in einen realgymnasialen und einen gymnasialen Zug – je nach Vorbildung der Kursteilnehmer. Für die Teilnehmer des realgymnasialen Zuges wurden besondere Stunden für Latein und Griechisch eingerichtet, da diese beiden Sprachen für das Studium der Theologie gebraucht wurden. Als Lehrer waren vorgesehen: Monsignore Dr. Paul Ramatschi, früher Regens und Dozent des Priesterseminars in Breslau, dann Studienrat Brix für Latein und Griechisch. Er war Flüchtling aus dem Sudetenland. Studienrat August Jobst für Englisch und Französisch, Studienrat Schwarz aus Oberstdorf für Deutsch, Geschichte und Philosophische Propädeutik, Studienrat Ricken für Mathematik, Physik und Chemie und (die) Studienassessorin Gertrud Reichel aus Ostpreußen für Erdkunde. Gemeinschaftskunde wollte Prof. Kindermann übernehmen. Der zweite Schritt nach diesem Reifeprüfungslehrgang sollte die Einrichtung einer höheren Schule für vertriebene Gymnasiasten sein, die die Absicht haben, Theologie zu studieren. Mit Schreiben vom 16. November 1946 an das Großhessische Staatsministerium für Kultus und Unterricht wurde um die Genehmigung gebeten, mit dem Aufbau einer solchen Anstalt beginnen und die Klassen Untersekunda und Obersekunda einrichten zu dürfen. Für beide Klassen liege eine genügende Anzahl von Anmeldungen vor. Zunächst sollten die oberen Klassen eingerichtet werden, weil für diese die größte Notwendigkeit bestünde, um Kriegsteilnehmern, die bereits viele Jahre verloren hatten, die Möglichkeit zum Besuch öffentlicher Schulen zu geben. Alle Schüler des Reifeprüfungslehrgangs und auch die der folgenden höheren Schule sollten in einem Konvikt unter geistlicher Leitung erzogen werden. Als Regens war Paul Ramatschi ernannt, zum Präfekten wurde Pfarrer Krzoska berufen.3 Die Zahl der Schüler für den Reifeprüfungslehrgang betrug 1946 59, von denen 13 am Halbjahreskurs und 32 am Ganzjahreskurs teilnahmen; 14 wurden auf eine Sonderreifeprüfung vorbereitet.4 Die Unsicherheit und das pragmatische Vorgehen generierten manche Unzulänglichkeit. So beklagten die Lehrer der St. Albertschule im Juni 1947, dass sie zwar schon seit Monaten ihren Dienst versahen, aber noch keine Dienstverträge abgeschlossen worden seien. Es sei ihnen zwar zugesichert worden, dass sie sowohl hin-

3 4

KZG Bonn. RKA D XI.4, Schreiben an das Großhessische Staatsministerium für Kultus und Unterricht Wiesbaden vom 16. November 1946, 3. S. masch. KZG Bonn. RKA D XI.12, Schreiben Büttners an das Hessische Kultus- und Unterrichtsministerium vom 5. Dezember 1946.

Etappen der Entwicklung Königsteins

269

sichtlich des Gehaltes wie auch der Altersversorgung den Berufskollegen an den öffentlichen höheren Schulen gleichgestellt werden sollten. Nur unter dieser Voraussetzung hätten sie ihre Arbeitskraft der Anstalt zur Verfügung gestellt, zumal sie beamtete Stellen aufgegeben oder ausgeschlagen hatten. Diese Zusagen sollten nun auch eingehalten werden.5 Wie schwierig diese Anfänge waren, nicht nur im Hinblick auf den Erwerb der Räumlichkeiten, auf die Gewinnung von Lehrkräften und auf die Finanzierung der Projekte, sondern gerade auch auf die Konstitution der Schüler und Studierenden, zeigt ein ärztlicher Bericht über den Ernährungs- und Gesundheitszustand der Studenten vom August 1947. Nach diesem Bericht sind alle im Priesterseminar und Konvikt wohnenden 214 Studenten und Schüler untersucht worden. Nur 7% der 212 Studenten, nämlich 15, waren ausreichend ernährt. 18,6% waren schlecht ernährt und etwa drei Viertel weit unterernährt. Vor allen Dingen die Jugendlichen unter 18 Jahren waren sehr schlecht ernährt, bedeutend schlechter als die älteren. Die Unterernährung hatte weitere gesundheitliche Auswirkungen, zum Teil bis hin zu erheblichen Blutdruckstörungen und erhöhter Anfälligkeit für Infektionskrankheiten.6

1.1.

Suche nach einer Regelung für die Verwaltung Königsteins

Noch im Juli 1947 war bis zur endgültigen (rechtlichen) Festlegung als Rechtsträger der Häuser in Königstein die Kirchliche Hilfsstelle unter Albert Büttner festgelegt worden. Die Kompetenz zur inneren geistigen Ausrichtung der Häuser wurde dem Regens in Verbindung mit den Hausoberen zugesprochen, die Verwaltung war Büttner in gemeinsamer Beratung mit dem neu (?) errichteten Beirat, in dem alle wichtigen Fragen besprochen werden sollten, vorbehalten. Der Beirat setzte sich zusammen aus Büttner, Regens Ramatschi, Prof. Kindermann, dem Subregens Krzoska, Prof. Kleineidam als Rektor und Direktor Janko. Alle zwei Wochen sollten Besprechungen stattfinden, die Büttner einberufen und leiten sollte. Wurde in strittigen Themen keine Einigung gefunden, sollte der Protektor der Kirchlichen Hilfsstelle, Bischof Berning von Osnabrück, als Schiedsstelle fungieren. Als „wichtigere Fragen“, die der gemeinsamen Beratung unterlagen, galten die Anstellung und Entlassung des Personals, die Planung, der Ausbau und die Verteilung der Räume, Gehalts-, Lohn- und Unterstützungsfragen sowie die Aufstellung des Etats.7 Einen guten Monat später, am 22. August 1947, richtete Frings ein Schreiben an Ramatschi als dem Senior der in Königstein tätigen Herren, in dem er den Plan skizzierte, einen Trägerverein für Königstein zu bilden und der Kirchlichen Hilfsstelle die Sorge für die Deutschen aus Südosteuropa und die wissenschaftliche Behandlung des

5 6

7

KZG Bonn. RKA D XI.12, Schreiben der Schulleitung an Bischof Kaller vom 6. Juni 1947. KZG Bonn. RKA D XI.3, ärztlicher Bericht über den Ernährungs- und Gesundheitszustand der Studenten und Schüler des Priesterseminars und des Albertus-Magnus-Kolleg in Königstein/Ts., vom 5. August 1947, 2 S. masch. KZG 3089, Schreiben an Kardinal Frings von Köln vom 11. Juli 1947.

270

Abschnitt IV

Flüchtlingsproblems zuzusprechen.8 Bis zur Gründung des Vereins sollte für die Verwaltung des Hauses die Vereinbarung gelten, die am Begräbnistag von Kaller getroffen worden war, also die im Brief an Frings skizzierten Regelungen. Ein früherer Versuch, die Verwaltung der Institute in Königstein zu regeln, datiert vom 9. Mai 1947. Dort wurde bereits die Initiierung eines e.V. ins Auge gefasst, dessen Mitgliederzahl niedrig gehalten werden sollte. Als Mitglieder waren vorgesehen der Königsteiner Bürgermeister Faßbender, der Königsteiner Pfarrer, ein Jurist, ein angesehener Bürger Königsteins, ein Vertreter der Schule, des Konvikts, der Hochschule und des Seminars. Mit diesem Verein sollten die äußeren Rechtsverhältnisse für die Königsteiner Einrichtungen, also das Gymnasium, das Knabenkonvikt, die Theologische Hochschule mit Theologenkonvikt – dieses war also im Mai 1947 bereits geplant, obwohl nur ein philosophischer Kurs zugelassen war – geregelt werden; das innere Leben sollte ein Seminarrat regeln. Bis zur Errichtung des Vereins sollte die Kirchliche Hilfsstelle nach außen Träger der Einrichtung Königstein bleiben, vertreten durch den bisherigen Leiter Albert Büttner. Der Seminarrat hatte beschlossen, dass Bischof Kaller die Oberleitung der Einrichtungen haben sollte. Zu klären war jedoch noch, ob die Verwaltungsgeschäfte allein von Bischof Kaller geleitet werden sollten oder von dem Königstein nach außen hin noch vertretenden Leiter der Kirchlichen Hilfsstelle Büttner unter Begrenzung seiner Kompetenz. Es sollte eine Verwaltungsordnung ausgearbeitet werden, die man rückwirkend zum 1. Mai 1947 in Kraft setzen wollte.9 Für die Hausverwaltung war nach der Errichtung des eingetragenen Vereins ein Ökonom vorgesehen, der eine Bürokraft als Unterstützung bekommen sollte. Um die Durchführung der anstehenden baulichen Veränderungen in dem großen Komplex überwachen und leiten zu können, werde eine zusätzliche Kraft gebraucht. Dieser Aufgabenbereich könne nicht dem Ökonom zugeschlagen werden. Bereits im Mai 1947 bestand die Konviktsleitung in Königstein aus dem Regens, dem Präfekten und dem Direktor Janko. Drei Professoren waren an der Philosophischen Hochschule tätig, dazu der Spiritual und 15 Lehrkräfte an der Schule. Die Verwaltung trugen drei Personen; Außerdem gab es zwölf Schwestern, acht Hausgehilfinnen und acht Handwerker und Arbeiter. Quasi die Ausgangslage skizzierte die Tagung des Seminarrates in Königstein vom 4. Februar 1947. Dort wurde nach ausführlichen Besprechungen zwischen dem Kardinal von Köln, dem Erzbischof von Paderborn Dr. Lorenz Jaeger, dem Bischof von Osnabrück Dr. Wilhelm Berning, dem Bischof von Speyer Dr. Josef Wendel, dem Bischof von Ermland Maximilian Kaller, und einem Vertreter des Bischofs von Limburg, nämlich dem Domkapitular Lamay sowie Albert Büttner beschlossen: „…außer dem Realgymnasium, für das bereits die staatliche Genehmigung erteilt ist, verbunden mit Konvikt, einen philosophischen Kurs von vier Semestern einzurichten. Dieser Kurs soll in Verbindung mit der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt St. Georgen in Frankfurt/M. durchgeführt werden… Es ist geplant, drei Professoren 8 9

Vgl. auch Chronik der Hochschule, S. 26. Eine Gesprächsunterlage vom 9. Mai 1947 in KZG 3089.

Etappen der Entwicklung Königsteins

271

Lehrauftrag zu erteilen. Ein größerer Teil des zweiten großen Hauses soll für caritative Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Die nähere Bestimmung über die Art der caritativen Einrichtung, die hauptsächlich Heimatverwiesene aufnehmen soll, soll in Gemeinschaft mit den Caritasdirektoren des Landes Hessen getroffen werden.“10 Bereits bei dieser Besprechung wurde festgelegt, dass der juristische Träger der gesamten Einrichtungen ein e.V. sein sollte, dessen Satzungen den Zweck und die Auflösungsbedingungen enthalten sollten. Finanziert werden sollte die geplante Einrichtung durch ein bereits vorhandenes Geschenk in Höhe von 190.000 RM; 12.000 RM sollte der Episkopat für die Einrichtung des Konvikts und 30.000 RM für den philosophischen Kurs zur Verfügung stellen. Die weiteren notwendigen Mittel sollten Verbände, vor allem das Werk der Hl. Kindheit, der Ludwig-Missionsverein und die Kirchliche Hilfsstelle bereitstellen. Auch hoffte man auf gelegentliche Sammlungen und freiwillige Spenden. Als Name für die gesamte Einrichtung wurde „Haus Königstein“ gefunden. Die Oberleitung der gesamten Einrichtung wurde ausdrücklich in die Hände des Sonderbeauftragten des Hl. Vaters gelegt, also Bischof Kaller übergeben, der seinerseits die Funktionen der Mitarbeiter bestimmen sollte. Fast zeitgleich scheint sich der Eindruck der Lehrer am Gymnasium verfestigt zu haben, dass sie gegenüber Priesterseminar und theologischem Studium hintangestellt würden. Sie formulierten Anfragen und Vorschläge zur Zukunft der St.-AlbertSchule. Am Beginn stand die Klage, dass die erhoffte und gewünschte enge wissenschaftliche und persönliche Zusammenarbeit zwischen der Lehrerschaft des Gymnasiums und des Realgymnasiums mit dem Lehrkörper der philosophisch-theologischen Hochschule sich nicht verwirklicht habe. Die Leitung der Königsteiner Gesamtanstalt durch einen Angehörigen des Priesterseminars habe sich nicht bewährt, da so die Erfordernisse der Schule nicht erkannt würden und die Tätigkeit und Entwicklung der Schule schwer gehemmt werde. So wünschten die Lehrer als Gesamtleiter eine neutrale Persönlichkeit, die weder dem Seminar noch der Schule angehöre. Die Schule müsse innerhalb des gesamten Komplexes Königstein eine selbständige Stellung erhalten. Als Weg in diese Richtung sah die Lehrerschaft die Ausarbeitung einer jeweils eigenen Dienstanweisung für Seminare und Schule. Sie forderte, dass die Stellung des Konvikts und der Konviktsleiter entsprechend geklärt und eine moderne Konviktserziehung gesichert werde. Bei der Einstellung von Lehrkräften solle der Schulleiter den Ausschlag geben. Von ihm solle der Vorschlag kommen, dann würden die Lehrkräfte durch die Vertreter des Unterhaltsträgers eingestellt. Außerdem solle der Schulleiter zu allen Sitzungen des Unterhaltsträgers hinzugezogen werden. Zusätzliche Lehr- und Lernmittel sollten angeschafft werden, ohne die die Schule ein Torso bliebe. Auch das ein Dauerthema, ein Dauermanko der Schule. Zur Schaffung einer engeren Verbindung mit der Elternschaft und um die Öffentlichkeitsarbeit auszudehnen, sollten ein Prospekt und Jahresberichte herausgegeben werden.11

10 11

Bericht über die Tagung des Seminarrates in Königstein, 4. Februar 1947, in KZG 3089, drei S. masch., Zitat S. 2. Diözesanarchiv Limburg, 16A/1.

272

Abschnitt IV

Im November 1947 konnte Kindermann festhalten, dass innerhalb eines Jahres 49 Schüler in Königstein die Abiturprüfung abgelegt hatten. Bei der ersten Prüfung hatten alle Schüler bestanden, bei der zweiten am 7. und 8. November 1947, bei der sich 31 Schüler der Prüfung unterzogen, hatten ebenfalls alle das Examen bestanden. 3 davon mit Auszeichnung, 14 mit „gut“. Am 15. November 1947 wurden 15 Schüler vom Rektor in St. Georgen für das erste philosophische Semester immatrikuliert. 405 Menschen lernten und arbeiteten zu diesem Zeitpunkt in Königstein. 220 Schüler, 12 Studienräte bzw. Assessoren, 62 Hörer in beiden philosophischen Semestern, dazu Angestellte der Kirchlichen Hilfsstelle, Schwestern etc. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits günstig entwickelt. „Die Gesamtentwicklung, sowohl des Werkes in Königstein als auch der Kirchlichen Hilfsstelle bedarf allerdings einer schnellen und endgültigen Klärung. Seit Beginn machte sich die Unklarheit bzgl. der genauen Zweckbestimmung der Häuser in Königstein sehr hemmend und störend bemerkbar. Es ist unmöglich, die baulichen Veränderungen und die Einteilung der Räume vorzunehmen, wenn nicht endgültige Klarheit besteht. Zwar hat die hochwürdigste Bischofskonferenz von 1947 bestimmt, dass die Häuser in Königstein ab Ostern 1948 nur noch für Konvikt und Gymnasium Verwendung finden sollen. Aus verschiedenen Mitteilungen scheint sich jedoch zu ergeben, dass die Bestimmung doch noch keine endgültige sei. Aber es ist völlig unmöglich, Dispositionen über die Einrichtung der beiden Häuser, für die Umbauten zur Einrichtung von Klassenräumen und die Wohnungen zu treffen, wenn nicht klar ist, was werden soll. Die ständige Unsicherheit, der provisorische Charakter mancher Einrichtungen, der dadurch bedingt ist, verursachen eine Unruhe, die eine gute Entwicklung ständig hemmt…“12 Die Verbindung zur Hochschule in St. Georgen blieb auch nach der Trennung, nachdem Königstein die Eigenständigkeit erlangt hatte. Die Treffen des Königsteiner Lehrpersonals mit den Frankfurter Professoren gehörte ebenso zum Semesterablauf wie es selbstverständlich war, dass Königstein an außerordentlichen Ereignissen in Frankfurt Anteil nahm.13

1.2.

Unsicherheit der Rechtslage

Bereits am 1. Oktober 1947 sollte eine neue Rechtspersönlichkeit errichtet sein, welche die Trägerschaft der Institute in Königstein übernehmen sollte. Bis zur Errichtung dieser Rechtspersönlichkeit musste die Kirchliche Hilfsstelle die Trägerschaft weiterhin übernehmen. Für die Verwaltung wurde eine Kommission bestimmt. Eine längere Fortdauer dieser provisorischen Regelung würde nicht nur zu immer neuen Schwierigkeiten in der Regelung der laufenden Angelegenheiten, sondern auch auf die Dauer

12 13

Ebd. So vermerkt die Königsteiner Hochschulchronik, dass der Rektor, Kindermann und einige Professoren an der Festakademie zum 25-jährigen Bestehen der Hochschule St. Georgen am 8. November 1951 teilgenommen hatten. Chronik der Hochschule, S. 14.

Etappen der Entwicklung Königsteins

273

die Gesamtentwicklung des Institutes hemmen, wenn nicht sogar gefährden, so der Leiter der Hilfsstelle, Albert Büttner. Es sei ein auf die Dauer nicht tragbarer Zustand, dass die Kirchliche Hilfsstelle und ihr Leiter alle rechtliche Verantwortung nach außen, z.B. dem Finanzministerium gegenüber bzgl. des Gesamtkomplexes und dem Kultusministerium gegenüber bzgl. der Schule, trägt, andererseits ihre Kompetenzen in der Verwaltung ungeklärt und gehemmt bleiben,.

1.3.

Klarheit in der Finanzierung

Es war mit Kaller vereinbart worden, dass ab 1. Mai 1947 die Kirchliche Hilfsstelle für Königstein keine Geldmittel mehr aufzuwenden brauche. „In der Anlage überreiche ich eine Aufstellung der Aufwendungen und Einnahmen vom 1. Mai bis 31. Oktober 1947. Daraus ist ersichtlich, dass bis zum 31. Oktober die Kirchliche Hilfsstelle bereits wieder einen Betrag von fast RM 60.000 zur Verfügung stellen musste, der sich bis Ende des Jahres um schätzungsweise weitere RM 80.000 erhöhen wird. Es müsste dafür gesorgt werden, dass die für Königstein vorgesehenen Mittel nun tatsächlich auch greifbar werden. Für schnellsten Eingang von Mitteln, von den in Aussicht gestellten Beträgen (Zuschuss der Bischofskonferenz, Zuschuss der Missionswerke in Aachen usw.) müsste dringend gesorgt werden.“14 Dieses Schreiben Büttners war einer der Auslöser für die Konferenz in Köln-Hohenlind am 4. Dezember 1947, bei der die Leitung Königsteins an Kindermann übertragen wurde und ein eigener Verein als Träger der Anstalten ins Leben gerufen wurde.15 Dieser e.V. wurde am 13. Februar 1948 vom Hessischen Ministerium genehmigt. Am 17. Februar 1948 wurde der Verein beim Amtsgericht Königstein eingetragen. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass besonders im Hinblick auf die Anstellungsbedingungen und Verträge der Lehrer im Gymnasium und Realgymnasium keine Rechtsnachfolge des e.V. gegenüber der Kirchlichen Hilfsstelle gegeben sei., Kindermann legte großen Wert darauf, dass der e.V. nicht Rechtsnachfolger der Kirchlichen Hilfsstelle sei – mit dem Hauptargument, dass strikte Sparmaßnahmen notwendig seien, da Königstein von Spenden lebte und damit den Spendern verpflichtet sei. Die Zusage Büttners, dass die Studienräte wie Lehrer an höheren Schulen in Hessen besoldet würden, konnte damit umgangen werden. Die Initiativen Kindermanns bei Frings für die Kontinuität in der Priesterausbildung zeigten erste Erfolge: Während die Bischofskonferenz 1947 beschlossen hatte, das Albertus-Magnus-Kolleg auf das Gymnasialkonvikt zu beschränken und das große Seminar, sprich das Konvikt, für die Theologiestudenten abzubauen, wollte Frings

14 15

Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, Brief Büttners vom 20. November 1947 an Kardinal Frings in Köln, vier S. masch., Zitat S. 3f. Dem Verein gehörten an: Kardinal Frings, Bischof Dirichs, Kapitelsvikar Piontek für das Erzbistum Breslau, Prälat Hartz für die Freie Prälatur Schneidemühl, Großdechant Monse für die Grafschaft Glatz, Kapitularvikar Kather von Ermland, Msgr. Büttner von der Hilfsstelle in Frankfurt und Kindermann. – Vgl. dazu auch Chronik der Hochschule, S. 29.

274

Abschnitt IV

1948 dem Wunsch Kindermanns, der Königsteiner Professoren und auch der ostvertriebenen Priester nachgeben. Diese hatten auf der Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorger in Königstein am 24. Februar eine Resolution verabschiedet16, dass wenigstens der philosophische Kurs in Königstein ermöglicht werden solle und man damit dem Wunsch der heimatvertriebenen Priester zumindest teilweise entgegenkomme. Auch eine Anfrage an den Episkopat ergab die Zustimmung der meisten Ordinarien. Allerdings müsste dafür die Aufnahme der Königsteiner Theologiestudenten als Gasthörer an anderen theologischen Hochschulen Deutschlands zur Vollendung ihres Theologiestudiums ermöglicht werden. Gleichzeitig wurde auf die finanzielle Lage Königsteins verwiesen, die so schwierig sei, dass jeder weitere Ausbau im Augenblick unmöglich erscheine, ja überlegt werden müsse, ob es nicht besser sei, die philosophischen Semester auch noch in das Gaststudium an anderen Seminaren einzubauen. Für die Zulassung des philosophischen Studiums in Königstein aber spreche, dass die wenigen Dozenten für diese Arbeit schon in Königstein vorhanden seien und die Kosten nicht zu hoch erschienen. Deutlich sieht man in dieser Phase das Ringen um die eigentliche Ausrichtung und damit die Konkretisierung der Aufgabe Königsteins. So wurde gefordert, dass der Charakter des Diasporaseminars noch stärker unterstrichen werden müsse gegenüber einem exklusiven Ostseminar. „Wichtig erscheint mir das Zusammenwirken von Priestern aus Ost und West und auch von Studienräten von Ost und West in den Königsteiner Anstalten, damit der ganzen Realität des späteren Einsatzes dieser Theologen Rechnung getragen wird und nicht durch eine zu einseitige heimwehbetonte Atmosphäre die zukünftigen Priester verbogen werden.“17

16 17

Kleineidam hielt in der Hochschulchronik für diese Konferenz heftige Auseinandersetzungen fest, ohne Gründe oder Hintergründe zu nennen. Chronik der Hochschule, S. 30. Zweiseitiges Votum bzgl. Albertus-Magnus-Kolleg Königstein, nicht gezeichnet, Diözesanarchiv Limburg, 16 a/1, Zitat S. 2.

Etappen der Entwicklung Königsteins

2.

275

Die Bischöfe und der Ausbau Königsteins

Voten der Bischöfe Kardinal Frings hatte seine Mitbrüder im Bischofsamt um ein Votum zu Königstein gebeten. Die bereits zitierte Äußerung von Franz Hartz war eine Antwort. Das Schreiben datiert auf den 27. Februar 1948.18 Auslöser war das Votum der Flüchtlingsseelsorger in Königstein, die sich am 23./24. Februar 1948 für das Große Seminar in Königstein eingesetzt hatten. Sie bezeichneten es als Kernstück der Königsteiner Anlagen, für das sich Kaller mit seiner ganzen Liebe eingesetzt habe und als (die) Stätte, an der die östliche Kultur und Frömmigkeit besondere Pflege gefunden habe. Die Flüchtlingsseelsorger sahen die finanzielle Seite nicht als das große Problem, da das Große Seminar gegenüber einem vergrößerten Konvikt kaum Mehrkosten entstehen lasse. Frings brachte sein und auch Dirichs Votum bereits in der Umfrage deutlich zum Ausdruck, indem er unterstrich, dass er sich den Gedanken der Vertriebenenseelsorger nicht verschließen wolle, sondern für die Erhaltung des Königsteiner Großen Seminars eintrete. Der Hildesheimer Bischof Machens antwortete Frings in dieser Angelegenheit am 13. März 1948.19 Er votierte gegen die Fortexistenz des Großen Seminars, also des Priesterseminars, und damit auch des Philosophischen und Theologischen Studiums in Königstein mit dem Argument, dass er für seine Diasporadiözese darin einen irreparablen Schaden sehe. Denn solange die Aufnahme von Theologen in Königstein möglich war, meldete sich kaum einer derjenigen Ostdeutschen, die im Bereich der Diözese Hildesheim wohnten und Theologie studieren wollten, beim Ortsordinarius. Machens fühlte sich uninformiert. Er wusste überhaupt nicht, wer aus seiner Diözese Theologie studieren wollte. Freilich sah er einen Vorteil darin, dass die ostdeutschen Theologen mit der Fortführung Königsteins von den süddeutschen Diözesen in größerer Zahl ferngehalten werden könnten, aber der Nachteil im Hinblick auf die Diasporabistümer überwog in seinen Augen deutlich. Wer also hatte das Recht zu entscheiden? Der Herkunftsordinarius oder der Ortsordinarius? Letztlich ging es um die Frage, ob die ordentliche Seelsorge oder eine

18

19

Das Schreiben Frings an die Bischöfe vom 27. Februar 1948 mit der Bitte um ein Votum bzgl. Königsteins ist abgedruckt in den Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 124f., Dokument 27. Machens an Frings, 13. März 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 154-156, Dokument 39.

276

Abschnitt IV

außerordentliche das letzte Wort haben. Machens Position votierte eindeutig für die Stärkung des Ortsordinarius des Aufnahmegebietes. Auch Bischof Berning von Osnabrück, der sich über Büttner und die Hilfsstelle in Frankfurt sicher Verdienste im Aufbau der Vertriebenenbetreuung und auch im Erwerb Königsteins erworben hatte, votierte für das Diözesanprinzip. Er wollte, dass die Abiturienten von Königstein möglichst bald Verbindung mit der Diözese bekommen, in der sie dann später auch unter den Vertriebenen als Priester wirken sollten. Sie sollten im Priesterseminar des Aufnahmebistums der Vertriebenen, also in den Diasporadiözesen, ihre Ausbildung haben. „Wenn die Theologen vier Jahre in Königstein bleiben und dann erst in das Priesterseminar der Diözese eintreten, für die sie sich entscheiden, bleiben die vier Jahre des Großen Seminars für die Einfügung in die Diaspora wertlos.“20 Berning fügte als Bedenken die Finanzierung einer vollen Theologischen Hochschule in Königstein hinzu, wollte aber seine Ablehnung nicht grundsätzlich verstanden wissen: mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, dass die Gesamtkonferenz zustimmt, werde auch er sich einverstanden erklären, dass vorläufig bis Ostern 1949 der Philosophische Kurs in Königstein weitergeführt werde. Es sei dann auf der Konferenz in Fulda zu entscheiden, ob zu Ostern 1949 noch ein Theologischer Kurs aufgebaut werden soll. Dass gerade Berning eine Affinität zum weiten Aufgabenbereich der Vertriebenenseelsorge aufwies, war nicht zuletzt seiner Eigenschaft als Protektor des RKA zu verdanken. Darauf spielte er auch an, als er auf die Einladung der südostdeutschen Priester, am Treffen in Königstein vom 7. bis 9. Januar 1948 teilzunehmen, antwortete: „Es wäre mir eine besondere Freude gewesen, in Eurer Mitte zu weilen; denn als der vom Heiligen Vater ernannte Protektor der Seelsorge der deutschen Katholiken im Südosten Europas habe ich auf mehreren Reisen Eure Heimat mit ihrer landschaftlichen Schönheit, mit ihrer wechselvollen Geschichte, mit ihren seelsorglichen Bedürfnissen und Schwierigkeiten kennen– und lieben gelernt.“21 Berning unterstrich, dass er die Spezifika, auch die spezifischen größeren Schwierigkeiten der Deutschen aus dem Südosten kenne und schätze, weil sie mit dem katholischen Glauben auch die Werte der deutschen Kultur der Vorfahren bewahrten. Daher sei es notwendig, dass ihnen eine besondere Sorge zuteil werde. Er unterstrich, dass er bei der Fuldaer Bischofskonferenz beantragt und diese dementsprechend beschlossen habe, die Kirchliche Hilfsstelle solle sich in erster Linie der Brüder und Schwestern aus dem Südosten annehmen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Sie soll Euch im kirchlichen Auftrag helfen, unter Berücksichtigung Eurer Vergangenheit und unter Wahrung Eurer Sitten und Gebräuche Euch Wegweiser und Wegbereiter in eine neue Zukunft zu sein. Darum ist es notwendig, dass alle für die Südostdeutschen tätigen Beratungsstellen, die von anderen Organisationen schon eingerichtet sind, sich in die Arbeit der Kirchlichen Hilfsstelle eingliedern, damit eine planmäßige und einheitliche Betreuung der Südostdeutschen erfolgen

20 21

Berning an Frings am 12. März 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 149f., Dokument 36, Zitat 149. Berning an die Teilnehmer der Tagung der südostdeutschen Priester in Königstein am 3. Januar 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 64f., Dokument 2, Zitat S. 64.

Etappen der Entwicklung Königsteins

277

kann. Es wird sicherlich im Interesse der Sache von allen Beteiligten in gemeinsamer Überlegung die beste Lösung dafür gefunden werden.“22 Der Paderborner Erzbischof Jaeger war qua Amt des Vorsitzenden des Diasporakommissariates kontinuierlich darum bemüht, einen Finanzausgleich zwischen den Süddeutschen und den Diasporabistümern herbeizuführen. Auf die Frage Frings nach dem Großen Seminar in Königstein antwortete der Paderborner Erzbischof Jaeger mit dem Argument, dass dieses in die Russische Zone hineingehöre. Er befürchtete die Abschnürung des Ostens vom übrigen Deutschland bereits im März 1948 und sah den zentralen Aufgabenbereich eines solchen Sonderseminars vor allem in der Sowjetischen Besatzungszone. In den Westzonen sei die Sonderausbildung nicht nötig.23 Im Übrigen wies auch Jaeger auf die finanziellen Schwierigkeiten eines Seminars in Königstein hin, vor allem nach der Währungsreform. Er wollte das Seminar nur unterstützen, wenn dadurch die Errichtung der Theologischen Fakultät an der Universität Frankfurt ermöglicht werde, die er für das katholische Deutschland für sehr wünschenswert hielt. Als 1948 Frings die Bischöfe nach der Meinung zu Königstein fragte, zeichnete sich deutlich eine Achse der Zustimmung im Süden ab. Faulhaber gab ein sehr positives Votum, auch der Bischof von Rottenburg, Sproll, wohingegen gerade die betroffenen Diasporadiözesen wie Hildesheim, Paderborn, Osnabrück gegen eine Etablierung eines Philosophisch-Theologischen Studiums in Königstein votierten, ebenso Mainz und Fulda.24

22 23 24

Berning an die Teilnehmer der Tagung der südostdeutschen Priester in Königstein am 3. Januar 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 65. Jaeger an Frings am 11. März 1948 in Akten Deutscher Bischöfe 1948 – 1949, S. 148, Dokument 35. HAEK CR II 25.20d,2.

278

Abschnitt IV

3.

Eine ernste Gefahr für die Königsteiner Initiativen

Ein entscheidender Schritt der Konsolidierung war der Kauf der Königsteiner Anstalten 1952. Doch zuvor drohte der Verlust an die Besatzungsmacht. Dramatisch war die zweite Hälfte des Jahres 1950 verlaufen, nachdem im Sommer zwei deutsche Bauingenieure auf Veranlassung der Amerikaner die Kasernen in Königstein kontrolliert hatten, um zu sondieren, ob sie für die Bedürfnisse der Besatzungsmacht in Frage kämen. Am 17. Oktober rief die Frau des Königsteiner Bürgermeisters Kindermann an und teilte ihm offiziell mit, dass in den nächsten Tagen zwei amerikanische Offiziere mit der Frage kämen , welche Zeit Kindermann brauche, um eine Räumung in Königstein durchzuführen. Tags darauf fuhr Kindermann mit Kleineidam zum Vertriebenenminister Lukaschek nach Bonn zu einem Gespräch, dann zu Kardinal Frings nach Köln, der sich in einem Schreiben für Königstein einsetzte.25 Auch Bischof Kempf26 von Limburg wurde eingeschaltet. Am darauffolgenden Tag, am Donnerstag, den 19. Oktober, fuhren Kleineidam und Kindermann ins Hauptquartier der Amerikaner nach Heidelberg, um ihr Anliegen vorzubringen.27 Am 2. November suchten sie das Finanzministerium in Wiesbaden auf, wo Ersatzraum angeboten wurde. Gesprochen wurde von Kasernen in Fulda. Am 8. November besichtigten sie mit einer Kommission Adolfseck.28 Auch der Nuntius wurde eingeschaltet. Der Königsteiner Bürgermeister wandte sich mit einem Schreiben an Bundeskanzler Konrad Adenauer und setzte sich für Königstein ein. Die Königsteiner Stadtvertretung hatte sich geschlossen hinter diesen Schritt des Bürgermeisters gestellt. Der Bundeskanzler intervenierte daraufhin in Bad Homburg und erfuhr, dass man zunächst von den Häusern in Königstein absehen wolle. Für die Verteidigung Königsteins hatte Kindermann zehn Punkte zusammengestellt, die quasi die ideologische Begründung abgeben sollten und die seine Argumente für Königstein knapp zusammenfassen. Dies war erstens der Verweis auf die Hochschule und das Gymnasium mit zehn Professoren, 13 Studienräten und ungefähr 400 Studenten und Schülern. Jeder Dritte von ihnen komme aus der Ostzone. Alle seien sie Heimatvertriebene und Flüchtlinge, die nicht wieder in eine ungewisse Zukunft geworfen werden könnten. Im dritten Punkt folgte der Hinweis, dass die Königsteiner Anstalten zum größten Teil mit Opfergeldern von Flüchtlingen und Vertriebenen aufgebaut und erhalten würden. Königstein sei viertens die Ausbildungsstätte für den größten Teil der katholischen Theologen aus der Ostzone und fünftens das Vaterhaus

25 26 27 28

Vgl. Dokument Nr. 17 im Anhang. Vgl. zu Kempf Herman H. SCHWEDT, Wilhelm Kempf (1906 – 1982), in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 319-321. Vgl. dazu Protokoll Kindermanns in KZG Bonn, Akten Bischofszimmer 16/208. Vgl. Dokumente Nr. 18 und 19 im Anhang.

Etappen der Entwicklung Königsteins

279

der Heimatvertriebenen, von dem aus seit Jahren die 2.800 heimatvertriebenen Priester in allen Besatzungszonen betreut würden. Durch diese Priester, die Multiplikatoren, würden einige Millionen Heimatvertriebene betreut. Schließlich das sechste Argument, dass Königstein für den geistigen Widerstand der Ostzone arbeite. „Denn dort ist ja der Klerus, der heute noch am meisten tut und tun kann, die Menschen gegen den Kommunismus zu stärken. Diese Priester werden aber gerade von Königstein gehalten und gefördert. Es kommt alles darauf an, die Menschen in Deutschland und vor allem in der Ostzone innerlich stark und immun zu halten gegen das Gift des Bolschewismus. In diesem Bestreben hat Königstein seit Jahren größte Bedeutung.“29 Das zehnte Argument greift diesen Punkt noch einmal auf und bezeichnet Königstein als eine Division geistigen Widerstands im Kampf gegen den Bolschewismus. „Man möge sich deshalb reiflichst überlegen, an Königstein zu rühren. Eine solche Aktion würde sehr unangenehme psychologische Wirkungen zur Folge haben und gerade das vereiteln, was man erzielten möchte: die Menschen im Kampf gegen den Kommunismus zu stärken.“30 Schließlich wird in den verbleibenden Punkten an die Königsteiner Rufe, ein monatlich erscheinendes Blatt mit 100.000 Abnehmern, erinnert, die diese Intentionen aufgreifen und in die Breite transportieren... Königstein sei darüber hinaus ein Treffpunkt für viele Freunde und Vertriebene geworden mit entsprechender Reputation auch im Ausland: in Amerika, vor allem aber in Belgien und Holland. Am 4. Januar 1951 hatte das Hessische Finanzministerium ein Schreiben des hohen US-Kommissars für Deutschland erhalten, dass in den Unterbringungsplänen der Amerikaner die erforderlichen Veränderungen vorgenommen worden seien, die es gestatteten, unbegrenzt auf die Kaserne in Königstein zu verzichten.31 In würdigem Rahmen mit Bischöfen und mit dem Bundesvertriebenenminister wurde der vollzogene Kauf gefeiert. Auch Exzellenz Muench war als Vertreter des Papstes bei der Feier anwesend. Kindermann gab in seiner Ansprache einen Rückblick auf die Vorgeschichte. Er bezeichnete den Eigentumserwerb der Königsteiner Anstalten als einen Markstein in der Hausgeschichte.32 Er blickte zurück auf die problematischen Punkte der Entwicklung des Hauses, auf die Lebensmittelknappheit am Anfang, den Weggang von Regens Ramatschi und Spiritual Puzik 1948 im Frühjahr nach Neuzelle. Kindermann sprach von einer ernsten Erschütterung. Er bedauerte die fehlende Unterstützung für das Priesterseminar durch die Bischofskonferenz in Fulda 1947 – es wurde nur noch ein Semester konzediert. Die Währungsreform im Juni 1948 warf mit aller Vehemenz die Frage auf, wie es weitergehen sollte bei der ausgedehnten Belegschaft. Dazu kam

29 30 31 32

Die Sammlung der zehn Argumente auf einem Blatt masch. in KZG, Bischofszimmer 16/208 undatiert. Die Sammlung der zehn Argumente auf einem Blatt masch. in KZG, Bischofszimmer 16/208 undatiert. Schreiben des hohen US-Kommissars am 4. Januar 1951 an das Hessische Finanzministerium. Vgl. Dokument Nr. 20 im Anhang. KZG Akten Bischofszimmer, 11/203, Notizen Kindermanns für die Festansprache.

280

Abschnitt IV

Ende 1950 die Bedrohung von Seiten der Besatzungsmacht. Das war schließlich der Auslöser (dafür), dass Kindermann Anfang 1951 mit den Kaufverhandlungen begann. In der Generalversammlung des e.V. im Januar 1951 wurde Kindermann beauftragt, die Vorverhandlungen zu führen, die sich über ein ganzes Jahr hinzogen. Am 3. Januar 1952 beschloss der e.V. auf der Grundlage des Angebots des Hessischen Finanzministers, den Kauf zu tätigen. Am 8. August 1952 beschloss das Hessische Kabinett einstimmig den Verkauf. Am 8. Oktober stimmte der Landtag zu. Dankbar erwähnte Kindermann all die Wohltäter, die den Kauf erst ermöglicht hätten: Die vielen Vertriebenen, die gespendet bzw. die Zeitschrift gekauft hätten, die Ostpriesterhilfe Hollands und Belgiens, den Nuntius, der für päpstliche Hilfe gesorgt habe, die amerikanischen Katholiken und schließlich einen unbekannten Wohltäter. Vermutlich spielte er damit auf den Inhaber des Bekleidungshauses Brenninkmeyer33 an, der ihm für den Kauf der Königsteiner Anstalten eine Summe von 150.000,- DM zur Verfügung gestellt hatte. „Nun haben wir durch den Kauf ein wenig festen Boden unter den Füßen. Es ist sicherlich gut so für unsere weitere Planung. So werden unsere Häuser noch besser dienen können der Kirche und dem Vaterlande und vor allem der Not der Heimatvertriebenen. Es möge uns aber nicht den inneren Schwung nehmen, den wir in unserer Ungesichertheit hatten […] Wir wollen wach bleiben.“34

33

34

Brenninkmeyer ist die deutsche und Brenninkmeijer die holländische Schreibweise des Familiennamens. Ursprünglich wird er Brenninkmeyer geschrieben. Gisa ORTWEIN, Governance in Netzwerken der Bekleidungsindustrie; Eine strukturationstheoretische Betrachtung am Beispiel des Bekleidungsunternehmens C & A, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2009. KZG Akten Bischofszimmer, 11/203, Notizen Kindermanns für die Festansprache.

Etappen der Entwicklung Königsteins

4.

281

Der Aderlass nach Erfurt

Die erste Phase der Konsolidierung – nachdem es Kindermann und seinen Mitstreitern im sogenannten Oberhaus, also in Hochschule und Priesterseminar, gelungen war, das Philosophisch-Theologische Studium zu etablieren und nicht nur den einmaligen philosophischen Kurs durchführen zu können – war sehr schnell „überschattet“ vom Aderlass, den der Transfer des Regens und einiger namhafter Dozenten von Königstein nach Erfurt bzw. Neuzelle bedeutete. Es handelte sich ja nicht nur um einen Aderlass im Bereich des Lehrkörpers, sondern auch bei den Studenten. Man sah in Königstein die Notwendigkeit, für die DDR eine eigene philosophischtheologische Bildungsmöglichkeit zu etablieren, aber man musste diesen Schritt auch fürchten, ging er doch an die eigene Existenz, an die eigene Berechtigung. Selbstverständlich kamen sofort die entsprechenden Fragen aus dem Kreis der Bischöfe, wofür denn nach 1952 eine Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein noch notwendig wäre.35 Offen war demnach die Situation in Königstein 1952. Zum einen konnte Kindermann aus der Feder des Prälaten Hartz als Beauftragten der Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge lesen, wie wichtig der Beitrag Königsteins für die Vertriebenenseelsorger in der DDR war. Von einer Konferenz mit 90 Priestern in Berlin kommend, bat Hartz, Königstein und die Ostpriesterhilfe, die Unterstützung für die Seelsorger in der DDR im kommenden Winter 1952/53 nicht auszusetzen. Die Aussichten seien ungünstig. Eine große Lebensmittelknappheit drohe, der Treibstoff für Autos und Motorräder sei fast völlig gesperrt.36 Offen war ebenfalls die Situation für das theologische Studium in der DDR und damit auch die Zukunft der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein. Wie würde sie es verkraften können, wenn eine größere Zahl von Theologiestudierenden in die DDR geht, um dort zu studieren, (dort) ins Priesterseminar und (dort) in die Seelsorge zu gehen? Erfurt habe zwar mit den ersten Semestern begonnen, so Hartz, und habe noch einige Räume zur Verfügung, aber falls das Vollstudium eingerichtet werden sollte und falls damit eine größere Zahl von Theologen von Königstein nach Erfurt gehen solle, fehle es erheblich an Raum. Deswegen seine beruhigende Mahnung an Königstein: „Fangen wir zunächst mal an und warten die Entwicklung ab.“ Dazu müssten auch die Erinnerungen (teils Spekulationen) von Anton Janko in seinem Rückblick für Augustinus Kurt Huber berücksichtigt werden, der sich nicht

35

36

Vgl. für das Philosophisch-Theologische Studium und die Katholisch-Theologische Hochschule in Erfurt Josef PILVOUSEK, Theologische Ausbildung und gesellschaftliche Umbrüche. 50 Jahre Katholische Theologische Hochschule und Priesterausbildung in Erfurt. Leipzig 2002 (= Erfurter Theologische Studien 82). Franz Hartz an Kindermann am 3.11.1952 in KZG-Bestand Janssen, 2674, 1 S. masch.

282

Abschnitt IV

nur der Rolle Büttners in Königstein und den Auseinandersetzungen Kindermann/ Büttner widmete: „Bis zum Weggang von Regens Kleineidam in den sowjetisch besetzten Teil Deutschlands gab es keine eigene theologische Lehranstalt zur Heranbildung von Priestern, außer dem Pastoraljahr als Vorbereitung auf den Empfang der Weihen in Neuzelle und der Huysburg. Der größte Teil von Theologen, deren Eltern, durchwegs Ostvertriebene, drüben wohnten und deren Söhne einmal dort als Seelsorger wirken wollten, studierte in Königstein. Bischof Huhn von Görlitz ist Alt-Königsteiner aus jener Zeit37. Schon 1951 zeigte sich, dass es zu einer Verschärfung und zu einem totalen Stop der Erteilung von Zuzugsgenehmigungen für Priester und Priesteramtskandidaten seitens der Behörden von drüben kommen wird. Diese Situation zwang geradezu zur Errichtung einer eigenen Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in der sowjetisch besetzten Zone. Die deutschen Bischöfe baten nun Regens Kleineidam, der Breslauer Diözesan war und als solcher Kapitelvikar Dr. Piontek unterstellt war, sich als Regens und Rektor für die drüben einzurichtende Theologische Lehranstalt zur Verfügung zu stellen, wozu er sich auch bereit erklärte. Wir erfuhren von Kleineidams Entschluss erst nach dem Wintersemester 1951/52, als die Studenten bereits in Ferien gefahren waren, so dass es für ihn gar keine offizielle Verabschiedung von Königstein gab.“38 Diese Situation nährte die Gerüchte: Kleineidam, der seit Beginn des ersten philosophisch-theologischen Kurses in Königstein, also von den ersten Tagen an, Philosophie gelesen hatte und nach dem Weggang von Ramatschi nach Neuzelle 1948 dessen Nachfolger als Regens wurde, der seit Bestehen der Hochschule deren erster Rektor war, der bei den Bischöfen wie auch den anderen theologischen Fakultäten und Hochschulen anerkannt war, verließ sang- und klanglos Königstein. Das musste Spekulationen über ein gespanntes Verhältnis zu Kindermann Nahrung geben. Dazu bemerkte Janko, dass Kleineidams Verhältnis zu Kindermann vielleicht etwas zurückhaltend, aber aus seiner Warte korrekt gewesen sei. Kleineidam habe zu schweigen verstanden, aber dort, wo es Not tat, wo es um Belange von Seminar und Hochschule ging, habe er auch offen und ehrlich mit Nachdruck und Bestimmtheit Kindermann gegenüber die entsprechenden Interessen vertreten. Janko bescheinigte Kindermann, dass er sich in die internen Angelegenheiten des Priesterseminars und der Hochschule nicht eingemischt habe, wenn Janko auch immer wieder unterstrich, dass der Leiter der Königsteiner Einrichtungen für die finanzielle Basis sorgte. „Dass Kleineidam von Königstein schied, empfand gerade er (e.A. Kindermann) als echten Verlust, den er bedauerte, aber hinnehmen musste. Kindermann wusste sehr wohl, dass jeder Wechsel in Königstein, im Seminar oder an der Hochschule, eine Verunsicherung, wenn nicht Erschütterung nach sich zog, zumal, wenn es sich um Personen mit hoher Verantwortung handelte wie im Fall von Kleineidam.“39

37 38 39

GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 243-244. Anton Janko, Erinnerungen an die Anfänge von Königstein, S. 8. Anton JANKO, Erinnerungen an die Anfänge von Königstein, S. 8.

Etappen der Entwicklung Königsteins

283

Erich Kleineidam war zum ersteno Regens und Rektor der Erfurter Neugründung berufen und übernahm auch dort den Lehrstuhl für Philosophie. Janko bestritt, dass er je den Eindruck gewonnen hätte, Kleineidam habe im Lauf der Zeit eine Königstein gegenüber ablehnende Haltung entwickelt. Er unterstrich vielmehr das Gegenteil. Kleineidam habe stets mit Interesse den Fortgang der Hochschule und des Seminars in Königstein verfolgt und die Sistierung mit dem Wintersemester 1977/78 bedauert. Der Eindruck dieser Ablehnung durch Kleineidam war wohl vor allem deswegen entstanden, weil Kleineidam nach 1951/51 keine offizielle Verbindung mit Königstein bzw. mit Kindermann unterhielt. „Ein weiterer Grund für die Verdächtigung mag darin zu suchen sein, dass Kleineidam nach seinem Weggang nie wieder nach Königstein kam, wenn er zu kurzen Besuchen in der Bundesrepublik weilte. Auch Ramatschi und Puzik blieben fern. Sie klammerten Königstein bewusst aus ihrem Besuchsprogramm aus. Sie taten es aus Gründen der Vorsicht. Königstein als ‚Vaterhaus der Vertriebenen’ und Tagungsort der Kongresse ‚Kirche in Not’ galt nun einmal drüben als Zentrum von Revanchisten.“40

40

Diözesanarchiv Limburg, 16 A/1, Bericht über die Visitation der Anstalten in Königstein, 4 S. masch.

284

Abschnitt IV

5.

5.1.

Ein Dauerbrenner: Die Zielsetzung des Königsteiner Priesterseminars

Vorbehalte der westdeutschen Bischöfe

Die weiteren 50er-Jahre waren gekennzeichnet zum einen durch Fragen nach der Existenzberechtigung und der Ausrichtung der Hochschule und zum anderen durch das ungeduldige Drängen Kindermanns zum weiteren Ausbau. Auf der Zusammenkunft im März 1953 berieten die westdeutschen Bischöfe bereits über die Zukunft der Königsteiner Anstalten vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Berlin und der DDR, vor allem der Ausbildungsstätte in Erfurt, aus der sich (wichtige) erhebliche Rückwirkungen für die Königsteiner Anstalten ergaben. Deswegen bildete das Conveniat eine eigene Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Institute. Als Mitglieder für diese Kommission wurden vorgeschlagen: die Bischöfe bzw. Erzbischöfe von Köln, Paderborn, Mainz und Limburg.41 Dort formulierten die westdeutschen Bischöfe ihre Vorbehalte gegen neue Pläne Kindermanns (mit dem Seminar) bzgl. des Seminars in Königstein. Es hieß, die Bischöfe hätten aus verschiedenen Gründen die größten Bedenken gegen die neuen Pläne von Herrn Prälat Kindermann, das Königsteiner Priesterseminar zu einem päpstlichen Zentralseminar nach Art des römischen Russicum zu gestalten. Die Bedenken der Bischöfe sollten durch Kardinal Frings in Rom angemeldet werden.42 1953 legte die Bischofskommission für die Königsteiner Anstalten ein Memorandum vor, das der neuen Situation Rechnung tragen wollte, die durch die Errichtung des Philosophisch-Theologischen Studiums in Erfurt und dem Transfer einer Reihe von Professoren und vieler Studenten von Königstein nach Erfurt entstanden war.. Die Bischöfe hielten in diesem Kontext das Argument, in Königstein sollten die Studenten für eine künftige Ostmission vorbereitet werden, für utopisch.43 Die westdeutschen Bischöfe befassten sich auf ihrem Conveniat vom 15. bis 17. März 1954 erneut mit Königstein und der Ostpriesterhilfe. Dort war es vor allem das Bonifatius-Werk, das sich gegen Predigten und Formulierungen von Pater Werenfried und Prof. Kindermann wandte. Die Bischöfe wollten Königstein ersuchen, sich strikt an die Vereinbarung mit dem Bonifatius-Verein vom 17. Februar 1953 zu halten. Pater Werenfried und Kindermann sollten alle Aktionen und Formulierungen vermeiden, die geeignet waren, die Stellung der Kirche in der Ostzone und die dortige Seel41 42 43

Protokoll der westdeutschen Bischöfe vom 2. bis 4. März 1953, Punkt 7 „Königsteiner Anstalten“, HAEK CR II 2.19,12. Vgl. HAEK CR II 2.19,12. Vgl. dazu HAEK CR II 25.20d,4.

Etappen der Entwicklung Königsteins

285

sorge zu gefährden. Im Übrigen steckte dieses Argument sowohl hinter der zeitlichen Befristung des Philosophischen Kurses für die Theologen wie auch in der Weisung an Pater Werenfried und Kindermann in Bezug auf Diaspora und offensiver Seelsorge gegenüber dem Osten. Man wollte die ordentlichen Strukturen der Seelsorge stärken und nach Möglichkeit zumindest keine dauernden außerordentlichen Strukturen schaffen. Das bedeutet, dass der etablierte Bonifatius-Verein natürlich in allen Fragen der Diaspora Vorrang haben musste vor einer Ostpriesterhilfe und den Initiativen Kindermanns.44 Die Königsteiner Anstalten waren ein Dauerbrenner in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre bei den Treffen der westdeutschen Bischöfe. So bat Kardinal Frings in seiner Eigenschaft als Hoher Protektor für das Flüchtlingswesen die Bischöfe von Berlin, Fulda, Limburg, Paderborn und Würzburg, eine eigene Kommission zu bilden unter dem Vorsitz von Erzbischof Dr. Jaeger von Paderborn und eine Denkschrift über die Königsteiner Anstalten für den Episkopat auszuarbeiten.45

5.2.

Aus römischer Perspektive

Die Beurteilung der Entwicklung in Königstein 1953 aus römischer Perspektive Man unterstrich in Rom die Position der Bischöfe, dass Konvikt und Schule in Königstein immer gebilligt gewesen wären und eine große Bedeutung gehabt hätten. Gegenüber dem Priesterseminar waren die Bischöfe sehr zurückhaltend. Dies wurde wohl zustimmend konstatiert, zumal Königstein eben den vorzüglichen Regens an das Priesterseminar in Erfurt abgegeben hatte. Das Seminar habe den Vorteil, dass hier Ostdeutsche durch Ostdeutsche erzogen würden, gerade angesichts der Erfahrung, dass die ostdeutschen Theologen sich in den Priesterseminaren des Westens nicht ganz wohl fühlten und die dortigen Direktoren darüber klagten, dass sie die ostdeutschen Alumnen wegen ihrer anderen Mentalität nur schwer verstehen könnten. Es wurde unterstrichen, dass das Priesterseminar in Königstein ein bemerkenswertes Niveau sichere. Anerkannt wurden die großen Verdienste durch die Sammlung von Adressen der ostvertriebenen Priester und durch deren Betreuung, gleichzeitig wurde aber das Ziel der Eingliederung der Ostvertriebenen in die bestehenden Diözesen unterstrichen. Freilich wurde konzediert, dass dies nicht auf dem direktesten Wege zu erreichen sei, sondern dass man dafür sorgen müsse, dass auch die alten Erinnerungen an die Heimat, die alten Lieder und Gebräuche gepflegt werden. Auch die Ostpriesterhilfe solle erhalten und gefördert werden. Sie sei ein sehr verdienstliches Werk. Sie habe vor allem das Verdienst, durch den Krieg entstandenen

44 45

Vgl. das Protokoll der Beratungen der westdeutschen Bischöfe vom 15. – 17. März 1954, HAEK CR II 2.19,13. Vgl. das Protokoll der Beratungen der westdeutschen Bischöfe vom 15. – 17. März 1954, HAEK CR II 2.19,13.

286

Abschnitt IV

Hass zwischen den Völkern abgebaut und Brücken christlicher Liebe geschaffen zu haben. Freilich sollte der antikommunistische Bezug weniger betont werden, stattdessen der religiöse Aspekt stärker unterstrichen. So sollten unnötige Schwierigkeiten für das Wirken in der Ostzone vermieden werden. Die Ostpriesterhilfe solle, was Kirchenbauten, Errichtung von Stützpunkten und anderes angeht, im Einvernehmen mit den betreffenden Ordinariaten und nicht zuletzt in enger Zusammenarbeit mit dem Bonifatiusverein vorgehen. Man wollte hier deutlich die Konkurrenz zum Bonifatiusverein vermeiden, da in der Vergangenheit niemand mehr für die Diaspora geleistet habe als dieser und auch niemand einen besseren Überblick über die dortige Situation und die dortigen Bedürfnisse habe.46

5.3.

Diskussionen der Mitgliederversammlung 1954

Die drängende Frage der Mitgliederversammlung von 1954 war die Existenzberechtigung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königsteins, die Befürchtung der Bischöfe, es könne sich ein Clericus vagus entwickeln und damit Königstein der Eingliederung hinderlich werden. Der Vorschlag von Frings sah vor, bereits geweihte Priester in etwa zweijährigen Kursen in Königstein in die Ostprobleme einzuführen. Die Entgegnungen waren eher ideologischer Natur. „An die wohlgemeinten Ausführungen seiner Eminenz schließt sich eine eingehende Aussprache an. Dabei wird besonders darauf hingewiesen, dass man für den Osten und die Stunde seiner Missionierung nicht zu sehr wissenschaftlich gebildete Spezialisten brauche, sondern vielmehr Menschen mit starkem Opfergeist. Diese müssten aber durch längere Zeit dahin geformt werden. Auch sei die politische Lage der Sowjetzone (so) zu? unsicher, um die jetzigen Gegebenheiten als dauernd zu bezeichnen, was allgemein bejaht wird. Die Heranbildung von Theologen für den Osten ist den opferwilligen Völkern der Vertriebenen ein selbstverständliches Anliegen geworden. Sie bringen deshalb dafür auch ganz erstaunliche Opfer, und dieser Opfergeist könnte aber bei einer Änderung kaum aufrechterhalten werden.“47 Geplant wurde für 1954, die Straßen und Häuser zu überholen, das Gelände einzuzäunen und zumindest die Festhalle im Rohbau zu erstellen. Die Kosten dafür wurden auf 600.000,- DM geschätzt, wobei Kindermann hoffte, diese Summe (mit)durch 100.000,- DM aus der Ostpriesterhilfe, 100.000,- DM Staatszuschüssen, 50.000,- DM Erlös aus dem Jahrbüchlein, 50.000,- DM vom Sudetendeutschen Priesterwerk und 100.000,- DM aus Spenden zusammenzubringen. Ein weiterer Wunsch der Bischöfe war, die Etats der einzelnen Königsteiner Institutionen getrennt zu verwalten. Auch das stieß auf massive Vorbehalte Kindermanns. Er argumentierte, seine Schwungkraft werde gelähmt, wenn er das Geld nur herbeizubringen habe, in der Verwendung aber nicht frei sei. Außerdem seien die Leiter der 46 47

Abschrift einer Stellungnahme aus Rom vom 30. Januar 1953 in KZG 821, 2 S. masch. Bericht über die Ordentliche Mitgliederversammlung am 11. Februar 1954, 5 S. masch., Zitat S. 3, KZG Akten Bischofszimmer 13/205.

Etappen der Entwicklung Königsteins

287

Häuser, also des Priesterseminars und der Albert-Schule, froh, wenn sie nichts mit der Gesamtverwaltung zu tun hätten. Der Limburger Bischof wünschte, die einzelnen Häuser stärker zu verselbständigen. Das würde sie auch zur Mitverantwortung heranziehen und dem Ganzen dienen. Gleichsam typisch für die Situation in Königstein waren die Planungen. Der Leiter, Prälat Kindermann, trug vor, dass das Jahr 1955 die letzten Gewaltanstrengungen bringen solle, um die Königsteiner Anstalten ihrer Vollendung entgegenzuführen. Er fasste den 15. September für die Einweihung des Hauses der Begegnung ins Auge. Man wolle noch ein Stück Wiese hinzukaufen, um das Areal abzurunden. Die Notkirche müsse renoviert werden, im Führerhaus die Heizung angeschlossen werden; Priesterseminar wie Unterhaus erforderten Überholungsarbeiten. Es sollte sich aber in den darauf folgenden Jahren zeigen, dass, sobald eine Maßnahme halbwegs abgeschlossen war, bereits das nächste Projekt in Angriff genommen wurde, so dass die enorme finanzielle Belastung durch die reiche Bau- und Sanierungstätigkeit sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Königsteins zieht.

5.4.

Königstein als Hindernis für die Integration?

Ganz klar wurden die Vorbehalte und Bedenken formuliert in einer Aktennotiz zu einer Besprechung mit den Professoren des Königsteiner Priesterseminars im Ordinariat in Limburg, an der Kindermann nicht teilgenommen hatte. Die Besprechung fand am 14. Mai 1954 statt.48 Dort heißt es ausdrücklich als Ausgangspunkt, das Seminar störe oder verhindere auf künstliche Weise den organisch sich vollziehenden Prozess einer neuen echten Beheimatung der nachwachsenden jungen Theologen aus den Kreisen der Heimatvertriebenen. Durch Königstein werde eine künstlich hervorgerufene und gleichsam anerzogene Heimatlosigkeit produziert. Mangelnde seelische Verwurzelung sei ein auf Dauer ungesunder und Gefahr bringender Zustand. Auf diesem Hintergrund war es schwierig, hinreichend überzeugende Gründe für die Fortexistenz des Kollegiums zu finden. Die Königsteiner Professoren antworteten darauf: Man sei sich darüber klar, dass das Seminar nur eine interimistische Bedeutung habe und dass die Stunde komme, wo es aufgegeben werden müsse, aber diese Stunde sehe man noch nicht kommen. Das Seminar sei vorerst noch notwendig, weil noch Priester nötig seien, die das Schicksal der schwer empfundenen Heimatlosigkeit der Vertriebenen mittragen und mit ihnen mitleiden könnten. Der Großteil der erwachsenen Heimatvertriebenen sei noch nicht echt verwurzelt in der westlichen neuen Heimat und werde es nie ganz werden. Hier trafen die unterschiedlichen Einschätzungen und Perspektiven aufeinander: Die Einheimischen, die die Integration als weitgehend abgeschlossen betrachteten und die Vertriebenen, die allenfalls einen gewissen Prozentsatz als weitgehend integriert be48

Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Anstalten, Schreiben an die Plenarkonferenz des deutschen Episkopates vom 1. September 1954, Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, Anlage 2. Vgl. Dokument Nr. 21 im Anhang.

288

Abschnitt IV

trachteten, aber das Aufgabenfeld auch entsprechend ausgedehnt markierten. Allein das Bewusstsein, ein eigenes Priesterseminar zu besitzen, sei für die heimatvertriebenen Katholiken wichtig.

5.5.

Eine Stellungnahme der Bischofskommission 1954

So schnell freilich konnten offensichtlich die Dinge nicht geklärt und geregelt werden. So legte die Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Anstalten am 1. September 1954 erneut eine Stellungnahme für die Plenarkonferenz vor. Sie forderte dort erneut, dass die Verantwortung für die wirtschaftliche Führung und Verwaltung der Königsteiner Anstalten von einem eigens zu bildenden Kuratorium übernommen werden solle und dass die einzelnen Zweige der Königsteiner Anstalten, also das Priesterseminar, die Schule, das Priesterreferat etc., getrennte Etats aufstellen und diese auch einzeln verwalten sollten. Die Weiterexistenz des Königsteiner Priesterseminars solle man für die Dauer von drei Jahren zugestehen, danach aber das Problem neu erörtern. Die Frage nach der Existenzberechtigung von Priesterseminar und Hochschule wurde also in der Schwebe gehalten. Außerdem sprach sich die Konferenz gegen eine grundsätzliche Internationalisierung des Königsteiner Priesterseminars aus – ein Herzenswunsch Kindermanns, der zusätzlich zu den Vertriebenen Studenten aus Indien und Afrika aufnehmen wollte. Manches hatte sich offensichtlich in den letzten zwei Jahren gebessert. So etwa die Situation an der St. Albert-Schule, die sich erfreulich entwickelt habe. Die neue Leitung der Anstalt habe sich bewährt, die Gebäude seien erweitert worden. Es mangele allerdings noch an der Konsolidierung des Lehrkörpers. „Inzwischen scheint aber auch hierin bereits der richtige Weg beschritten, so dass auf längere Sicht auch diese Frage wohl gelöst werden kann.“49 Das grundlegende Problem aber war nach wie vor die Konzentration der Leitungsaufgaben auf Kindermann. Für das Priesterseminar hatte sich die Situation zusätzlich dadurch grundsätzlich verändert, dass durch die Gründung des Priesterseminars in Erfurt die Aufgaben für die Diözesen in der Ostzone dort übernommen wurden. Damit hatte sich auch die ursprüngliche Zielsetzung gewandelt. Es konnten auch keine Theologen aus den Gebieten jenseits des Eisernen Vorhanges mehr nach Königstein kommen und keine Neupriester, also Theologen, die in Königstein studiert hatten, in die DDR geschickt werden. „Im Übrigen gilt von den in Westdeutschland befindlichen künftigen Theologen aus ostvertriebenen Familien, dass sie bereits als Kinder in die westdeutschen Diözesen gekommen sind und dort weitgehend ihre Heimat gefunden haben. Aus diesem Grunde ist an sich viel natürlicher, dass sie ihre Ausbildung im Rahmen der betreffenden westdeutschen Diözesen erhalten.“50

49

50

Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Anstalten, Schreiben an die Plenarkonferenz des deutschen Episkopates vom 1. September 1954, Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, Anlage 1 zur Problematik der Königsteiner Anstalten. Ebd.

Etappen der Entwicklung Königsteins

289

In den Augen dieser von den Bischöfen eingesetzten Kommission war die ursprüngliche Zielsetzung für das Königsteiner Priesterseminar weggefallen. Nun sahen sich die Bischöfe mit einer neuen Ausrichtung konfrontiert , die die Weiterexistenz rechtfertigen sollte, nämlich mit dem Gedanken, Königstein zu einem zentralen Missionsseminar für die Ostgebiete zu machen, verbunden mit einem Forschungsinstitut für die Fragen der Ostkirche. „Hierzu ist zu sagen: das Anliegen, besondere Kräfte für eine kommende Ostmission rechtzeitig und fachgemäß zu schulen und für einen sofortigen Einsatz bereitzustellen, ist als solches zweifellos ernst zu nehmen. Jedoch bestehen erhebliche Bedenken, ob dieses Ziel auf dem von Herrn Prälat Kindermann geplanten Weg erstrebt werden soll.“51 Denn, so die Begründung der Kommission, fehlten für ein Forschungsinstitut bisher alle Voraussetzungen. Forschungsaufgaben würden von den entsprechenden Instituten in Rom, also dem Institutum Orientale und dem Russicum übernommen, wo auch entsprechende Wissenschaftler zur Verfügung stünden. Bislang habe sich Königstein in keiner Weise von einem sonstigen Priesterseminar unterschieden. Das Professorenkollegium sei mehr oder weniger provisorisch und bei dem viel zu geringen akademischen theologischen Nachwuchs werde es auf Dauer kaum mit qualifizierten Lehrkräften besetzt werden können. Schon jetzt zeige sich ein empfindlicher Mangel. Zum Gedanken der Internationalisierung – man wollte zu den vertriebenen Theologen zunächst vor allem Theologiestudenten aus Holland, Belgien und Frankreich für den Gedanken der Ostmission und damit für das Studium in Königstein gewinnen – äußerte die Kommission Bedenken hinsichtlich der Frage, wessen Jurisdiktion diese bunt zusammengewürfelten Theologen unterstehen sollten. Aber auch grundsätzlich konnten diese neuen Aufgaben die Kommission der Bischofskonferenz nicht wirklich überzeugen. Die an sich anerkennenswerte Aufgabe der Schulung für die kommende Ostmission lasse sich auch dadurch erreichen, dass man in Königstein Spezialschulungen für bereits geweihte Priester einrichtet. Damit könnten das Theologiestudium und damit das Priesterseminar entfallen.

51

Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Anstalten, Schreiben an die Plenarkonferenz des deutschen Episkopates vom 1. September 1954, Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, S. 2.

290

Abschnitt IV

6.

6.1.

Klärung der Leitungs- und Verwaltungsstruktur

Die Problematik der Dominanz Kindermanns

Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, waren Hochschule und Priesterseminar in den ersten Aufbaujahren permanent aus unterschiedlichen Richtungen und Gründen in Frage gestellt. In dieser Unsicherheit stellte sich die Aufgabe, eine effiziente Verwaltungsstruktur zu schaffen und die juristische Form des Priesterreferates zu klären. Nicht zuletzt dieser Aufgaben nahm sich eine Visitation der Anstalten in Königstein an, die am 15. Februar 1952 vorgenommen wurde. Faktisch hatten sich die einzelnen Initiativen und Organisationen so entwickelt, dass an der Spitze aller Königsteiner Unternehmungen als Träger ein e.V. stand, dessen Vorsitzender Prälat Kindermann war. Darin sahen die Diözese Limburg genauso wie der Hohe Protektor für das Flüchtlingswesen, Kardinal Frings, das Grundproblem. „Die Lage der Königsteiner Anstalten ist heute so, dass die gesamte Unternehmung mit Prälat K. steht und fällt. Vor allen Dingen ist er es, der die ganzen Anstalten finanziell durch seine umfassende Tätigkeit trägt. Prälat K. ist eine starke Persönlichkeit. Neben ihm ist bis jetzt kein zweiter Mann maßgeblich in der ganzen Einrichtung tätig. Das wird ein bedenklicher Zustand, wenn einmal Prälat K. durch irgendein Ereignis ausfallen würde.“52 Damit war die eine Gefahr dieser auf Kindermann zugespitzten Leitungssituation benannt, die andere war sein Charakter, den Kleineidam als Regens des Priesterkonviktes folgendermaßen beschrieb: Kindermann könne neben sich kaum einen anderen ertragen.53 Ziel war es also, eine transparentere und auf mehreren Schultern verteilte Leitungsstruktur für Königstein zu finden und die Befugnisse der einzelnen Leiter der verschiedenen Abteilungen gegeneinander abzugrenzen, denn die Dominanz Kindermanns ließ die übrigen Herren nicht leicht zu einem selbständigen Arbeiten kommen. „Dieser Zustand war mit ein Grund dafür, dass in den letzten Zeiten ein größerer Personalwechsel an den Anstalten zu beobachten war.“54 Daher forderte die Visitation, dass jeder einzelne Abteilungsleiter zu Beginn des neuen Jahres einen eigenen Etat aufstelle, der Kindermann vorgelegt werden müsse. Innerhalb des genehmigten Kontingents aber sei dann der betreffende Ressortleiter selbständig, so dass es nicht nötig sei, wegen einzelner Posten Kindermann anzugehen. Auch die übrigen Kompetenzen der Abteilungsleiter sollten in einer klaren Ab-

52 53 54

Diözesanarchiv Limburg, 16 A/1, Bericht über die Visitation der Anstalten in Königstein, 4 S. masch. Zitat S. 1. Ebd. Ebd.

Etappen der Entwicklung Königsteins

291

grenzung festgelegt werden. Bis vor kurzem sei besonders die Position des Leiters des Gymnasiums durch Kindermann sehr stark zurückgedrängt worden. Daher legten die Visitatoren dem Prälaten nahe, den Leiter des Gymnasiums in den schulischen Angelegenheiten selbständig wirken zu lassen, nicht zuletzt in Bezug auf die Kommunikation mit den Schulaufsichtsbehörden des Ministeriums, in Bezug auf den Vorschlag und die Auswahl der Lehrkräfte, auf den Schriftverkehr mit Schülern und Eltern und auf den internen Betrieb der Schule. „Bezüglich der Aufnahme von Schülern muss eine Willenseinigung herbeigeführt werden zwischen dem Leiter des Gymnasiums und dem Leiter des Internates, die dann diesen Vorschlag dem Prälaten K. unterbreiteten, der vor allem über die Pensionsgeldermäßigungen entscheidet und auch im Falle der Meinungsverschiedenheit den Ausschlag gibt. Das gleiche gilt bei etwaiger Entlassung eines Schülers. Eine Berufungsstelle für alle ist der Schuldezernent des Bischofs von Limburg. Der seit kurzem eingesetzte neue kommissarische Leiter des Gymnasiums, Dr. Weißkopf (ein Priester), hat sich anscheinend bis jetzt eine bessere Position als seine Vorgänger (Laie) erringen können, vor allen Dingen gegenüber dem Internatsleiter.“55 Die Visitatoren hatten auch eine längere Unterredung mit Dr. Weißkopf, der von sich aus den Eindruck erweckte, dass er maßgeblichen Einfluss bei der Leitung des Internates erreichen wollte. So mussten die Visitatoren auch ihm vorschlagen, dass jeder Leiter einer Abteilung in seinem Bezirk selbständig sei. Der Leiter der Schule sollte also für die Schule und der Präfekt für das Internat zuständig sein. Dadurch würden Unstimmigkeiten am ehesten vermieden. Darüber hinaus sei es aus pädagogischen Gründen für den Schüler wünschenswert, dass er nicht dauernd die Augen seines Lehrers und Schulvorgesetzten über sich weiß. Ähnliche Kompetenzschwierigkeiten scheint es zunächst zwischen Kindermann und Kleineidam in der Absprache der Aufgaben des Regens und des Leiters der Theologischen Hochschule gegeben zu haben. In den Augen der Visitatoren aber hatte sich Kleineidam eine zufrieden stellende Position gesichert. Breiten Raum nahm die Frage ein, wie die sogenannten ‚Fuldaer Beschlüsse’ durchzuführen seien. Der Bischof von Limburg trug sie vor und erläuterte die Wünsche der Bischofskonferenz, ein Kuratorium zu bestellen. Freilich musste die bei Kindermann den Verdacht erregen, dass seine bisherigen Verwaltungsleistungen nicht genügten, wohingegen die Bischöfe darauf abzielten, die bisher provisorische Form der Wirtschaftsführung, die Pragmatik, die zwangsläufig in der Verwaltungsstruktur steckte, zu systematisieren und auf eine breitere Basis zu stellen. „Es dürfe nicht alles nur ‚auf zwei Augen’ ruhen. Es handle sich um ein Objekt mit Millionenwerten. Es dürfe das keine Kränkung für Herrn Prälat Kindermann sein, der als Motor des Ganzen erhalten bleiben soll. Eminenz Frings erwähnt den schweren Autounfall von Prälat Kindermann, der nahe lege, Vorkehrungen zu treffen, dass auch andere als nur Herr Prälat Kindermann in der Gesamtführung des e.V. und der Königsteiner Unter-

55

Ebd., S. 2.

292

Abschnitt IV

nehmungen eingeweiht seien.“56 Typisch war die Entgegnung Kindermanns: Auch zur Zeit seines Unfalls sei das Haus ohne Schulden gewesen. Er könne jederzeit abberufen werden, langfristige Renditen seien nicht vorhanden. Sehr persönlich und emotional wurde er, als er auf seine Verbindungen und Befähigungen, die er in das Königsteiner Werk investiert habe, hinwies und auf die Unmöglichkeit, dieses Engagement übertragen zu können. Ein Verwalter allein genüge nicht. Es bedürfe nicht nur des ganzen, sondern des totalen Einsatzes. In späteren Jahren formulierte Kindermann, man müsse brennen für Königstein, und er vermisse dieses Engagement bei seinen Kollegen im Leitungsteam. So überzeugt von seinem Einsatz und seinen Fähigkeiten in Königstein war Kindermann, dass er sich für unersetzlich hielt. Die Leistungen von Königstein seien nur durch heroischen Einsatz möglich geworden und in ihrer Art einzigartig. Wenn man Königstein auf normale Bahnen bringen wolle, werde es versiegen,57 so Kindermann über seinen Einsatz und seine Aufgabe und Stellung in Königstein. Der Leiter unterstrich, dass die Jahresbilanz 1954 durch den Vertreter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Solidaris in drei bis vier Tagen fertig geworden sei – sogar in der Abwesenheit Kindermanns. Er selbst habe mit dem Vertreter der Solidaris nur wenige Minuten sprechen müssen. So klar laufe die Verwaltung von Königstein. Wirklich weitergebracht werden könne etwas nur, wenn jemand treibe, der brenne. Von daher sei für ihn die Frage entscheidend, ob das Kuratorium ihn fördern oder hindern werde. Nun war es die Aufgabe des Limburger Bischofs und von Kardinal Frings, zu beschwichtigen, die Verdienste Kindermanns zu würdigen und gleichzeitig für eine Verbreiterung der Verantwortung zu plädieren. Der Kölner Kardinal brachte das Argument in die Diskussion, dass der e.V. keinen eigentlichen Vorstand habe, sondern einen einzigen Leiter, nämlich Prälat Kindermann. „Exzellenz Dr. Kempf schlägt, um allgemeine Befürchtungen und Auseinandersetzungen zu vermeiden, im Einzelnen vor, dass außer dem Leiter des e.V. auch die Leiter des Priesterseminars und der Albert-Schule, außerdem ein ausgezeichneter Fachmann, etwa der Frankfurter Bankdirektor Dr. Bach, als Berater hinzugezogen werden.“58 Im Hintergrund des Drängens nach einer Neuordnung der Wirtschaftsführung, der Verwaltung und der Abgrenzung der Zuständigkeiten in Königstein stand eine Gefahr, die man aus dem Verkehrsunfall Kindermanns 1953 sich ergeben sah, die aber auch leitende Geistliche in Königstein während der Abwesenheit Kindermanns sehen mussten. Diese zeigte sich auch in einer Aktennotiz des Limburger Bischofs Wilhelm Kempf vom 2. Juni 1955, in der er die Gedanken des Gespräches mit Regens Pie-

56

57 58

Bericht über die Ordentliche Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. in Köln-Hohenlind am 27. Januar 1955, 8 S. masch. Protokoll, Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, S. 4. Bericht über die Ordentliche Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. in Köln-Hohenlind am 27. Januar 1955. Bericht über die Ordentliche Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. in Köln-Hohenlind am 27. Januar 1955.

Etappen der Entwicklung Königsteins

293

korz59 festhielt, das er am Tag zuvor bei einer Jugendseelsorgerkonferenz in Königstein geführt hatte. „Die Zeit der Abwesenheit des Herrn Prälaten Kindermann in Amerika habe für sämtliche im Hause leitenden Persönlichkeiten eine unwürdige Situation gegenüber der ‚Generalvikarin’ des Herrn Prälaten ergeben. Die Dame sei die Einzige, welche de facto wirtschaftlich regiere.“ So das Bild, das Bischof Kempf von Limburg vom Königsteiner Regens erhalten hatte.60 In diesem Gespräch erfuhr der Bischof auch, dass der Verwalter Königsteins sehr unzufrieden sei und außerdem über die Art der Rechnungsführung in Gewissensbedrängnis komme. In Königstein stehe es finanziell nicht gut, deswegen suche er eine andere Tätigkeit. Mit dem Verwalter war Heinzdieter Schleupner61 gemeint, mit dem sich der Bischof am 28. Juni 1955 besprach. Das Ergebnis glich den Eindrücken und bisher gewonnenen Erkenntnissen, dass eine ganze Anzahl von Einrichtungen in Königstein von Kindermann verwaltet und diese Verwaltung nicht übersichtlich geführt werde.62 Die Zuständigkeiten und Arbeitsbereiche der diversen Einrichtungen seien nicht klar abgegrenzt.63 Ebenso unklar blieben die Arbeitsverhältnisse der zahlrei-

59

60 61

62 63

Edmund Piekorz (1899 – 1979) war von 1935 bis 1945 Stiftspropst und Pfarrer in Lauban gewesen; Stiftspropst bei den Magdalenerinnen blieb er auch nach 1945 und suchte mit dem Konvent eine neue Bleibe von 1945 bis 1947 in Rotthalmünster, von 1947 bis 1952 in Simbach/Inn; von 1952 bis 1979 war er Stiftspropst in Seyboldsdorf/Vilsbiburg. Von 1954 bis 1957 war er Regens des Priesterseminars in Königstein. Für seine Laubaner hatte er nach der Vertreibung einen konfessionell übergreifenden Gemeindebrief geschaffen. Paul MAI, Edmund Piekorz, in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 187-190. – Piekorz war im Sommer 1956 angeblich aus gesundheitlichen Gründen von seinem Regentenamt zurückgetreten. „… tiefer Sehende glaubten in der Krankheit eine Folge vieler unerquicklicher Auseinandersetzungen um eine normale Ordnung und um Abgrenzung der Verantwortung sehen zu können.“ (Chronik der Hochschule, S. 63.) Dem Bischof von Limburg gelang es, Piekorz umzustimmen, so dass dieser „trotz schwerster Bedenken unverzüglich wieder in seine nicht leichte Verantwortung eingetreten ist.“ (ebd.) Aktennotiz in Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, 1 S. Maschinenschrift vom 2. Juni 1955. Heinzdieter Schleupner, 1923 in Breslau geboren, 1940 Abitur am Matthiasgymnasium, vom 3. Juni 1947 bis 1972 Verwaltungsdirektor beim Albertus-Magnus-Kolleg, wechselte dann in das Ordinariat des Bistums Limburg, war 1971 bis 1983 Finanzdezernent im Ordinariat in Limburg, 1984 bis 1995 Referent des Vertriebenenbischofs für die Königsteiner Anstalten und von 1989 bis 1995 Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Bischof Neumann-Schule GmbH. Vgl. Dokument Nr. 22 im Anhang. „Dr. Piekorz fügt hinzu, dass der Geist unter den Studenten und im Professorenkollegium gut sei. Dieser Umstand habe ihn bewogen, nach Ablauf einer Probezeit sich zum Regens vorschlagen zu lassen. Andererseits sei das Amt des Regens mit dem Amt des Leiters des e.V. in wechselseitigen Abhängigkeiten verflochten, so dass er es nicht für zweckdienlich erachte, wenn der Regens in die Geschäftsführung und Verantwortung des e.V. hineingezogen würde.“ Deswegen wollte Piekorz auch nicht länger als delegierter Vertreter des Kapitelvikars Piontek fungieren. In die aktuelle Sitzung aber war er von Piontek delegiert worden, deswegen fügte Piekorz die Kautele hinzu, in Fragen der Wirtschaftsführung des Vereins halte er sich für inkompetent. Er wolle sich in der aktuellen Sitzung auf die Wahrung der Interessen des Priesterseminars beschränken. „Auf eine Frage von Herrn Kapitularvikar Prälat Kather antwortet der Regens, dass er damit nicht die geringste Kritik an den Berichten des Herrn Prälaten Dr. Kindermann üben wolle; aber in Geldsachen könne man über Zweckmäßigkeit verschiedene Meinungen haben. Solche Mei-

294

Abschnitt IV

chen, bei den einzelnen Stellen tätigen Angestellten, bei manchen war auch die Bezahlung unzureichend. Auch aus diesem Gespräch ergab sich, dass eine Neuordnung der Verwaltung in Königstein notwendig war, zudem auch eine Überprüfung, ob bei den Beschäftigten die sozialen Mindestforderungen erfüllt waren. Als erster notwendiger Schritt zur Sanierung wurde die Einsetzung eines Kuratoriums ins Auge gefasst, dessen erste Aufgabe es sein müsse, ein klares Bild der in Königstein vorhandenen Verhältnisse zu erarbeiten, um dann Verbesserungsvorschläge zu machen. Als Mitglieder des Kuratoriums wurden in Aussicht genommen: Kindermann, Zischek, Ordinariatsrat Demandt64 in Würzburg, Domkapitular Karell65 von Limburg und Dr. Dickerhoff aus Limburg für die wirtschaftlichen Fragen. Mit beratender Stimme sollten hinzugezogen werden: der Regens und der Leiter der Schule, Dr. Weißkopf.66

6.2.

Modifikation der Satzung

Mit dem 22. August 1955 legte die Bischofskommission für die Königsteiner Anstalten und deren Verwaltung eine in den entsprechenden Punkten modifizierte Satzung vor, vor allem der § 9 der Satzung des e. V. Albertus-Magnus-Kolleg wurde geändert in dem Sinne, dass es nicht mehr nur einen Leiter, der vom Limburger Bischof im Einverständnis mit dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz berufen wird, gibt, sondern einen Vorstand im Sinne eines Verwaltungsrates, der drei Personen umfassen sollte, von denen einer Leiter ist. Der Leiter und die beiden übrigen Vorstandsmitglieder sollten vom Bischof von Limburg weiterhin im Einverständnis mit dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz bestellt und abberufen werden.

64

65

66

nungsverschiedenheiten zwischen dem Leiter des e.V. und dem Regens seien für alle Interessen schädlich und darum unbedingt zu vermeiden. Auf eine Frage von Exzellenz Dr. Kempf sagt der Regens, dass die eben vorgetragene Ansicht sich zunächst naturgemäß auf den bisherigen Zustand beziehe.“ Alois Demandt wurde am 24. November 1893 in Berlin geboren, 1922 von Kardinal Bertram zum Priester geweiht, war Gründer und Präses des Katholischen Kaufmännischen Vereins, seit 1933 Geistlicher Direktor am Mutterhaus und Krankenhaus der Elisabethinerinnen in Breslau, 1935 Erzbischöflicher Ordinariatsrat, vertrat die Interessen der Ordensgenossenschaften der Erzdiözese Breslau in den finanzrechtlichen Auseinandersetzungen der Zeit des Nationalsozialismus. 1950 beauftragte ihn Kapitelsvikar Piontek als Kommissarischen Treuhänder für die Vermögenswerte der Erzdiözese Breslau. Dazu übernahm er die Interessenvertretung für die ostvertriebenen Ordensgesellschaften im Westen beim Hauptamt für Soforthilfe. Er war also Finanzspezialist und als solcher gefragt in der Leitung der Königsteiner Anstalten. In Bad Kissingen betreute er den Neubau des Mutterhauses der Elisabethinerinnen. Er starb am 25. Juli 1967. Heinrich Karell, geb. 1905. Priesterweihe 1931 in Limburg. Seit 1951 Domkapitular. 1955 zum Offizial ernannt. Er war Personalreferent in Limburg; zeitweise hielt er auch Gastvorlesungen in Königstein. Gestorben 1975. DA Limburg Priesterkartei. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg. Mainz 1983, S. 475. Vgl. dazu den Bericht über die Besprechung Bischof Kempfs mit Schleupner vom 28. Juni 1955, 2 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/2.

Etappen der Entwicklung Königsteins

295

Rechtsverbindlichkeit wird nur durch die Unterschrift des Leiters und die Mitunterzeichnung mindestens eines weiteren Vorstandsmitgliedes erreicht. Zweitens wurde die Neuregelung der Geschäftsordnung des Vereins gefordert.67 Im Zuge dieser Neuordnung beschloss das Professorenkollegium am 4. November 1955, dass der neuen Geschäftsordnung ein Hochschulstatut beigefügt werden solle, damit die Freiheit und Selbständigkeit der Hochschule gesichert bleiben. Der Lehrkörper verpflichtete sich, in absehbarer Zeit einen Statusentwurf zu erarbeiten und den zuständigen kirchlichen Stellen zur Genehmigung und zur Einfügung in die neu zu erlassende Geschäftsordnung vorzulegen. Das Professorenkollegium wollte bis zum Inkrafttreten des neuen Statuts die Vorschläge für die Neubesetzung der Rektorenamtes und der Lehrstühle den zuständigen kirchlichen Stellen vorlegen im Einvernehmen mit dem Vorstand des Albertus-Magnus-Kolleg e. V. Das bestätigte die bisherige Praxis. Drittens wurde gefordert, dass der Vorstand des Vereins der Professorenversammlung einen Voranschlag der Hochschule für das Haushaltsjahr 1956 zur Stellungnahme vorlegen solle. Der Plan solle alle die Hochschule betreffenden Rechnungsposten und auch nur solche enthalten. D. h. es wurde eindeutig die Mitverantwortung und Mitsprache beim Haushaltsplan für die Hochschule eingefordert. Um schließlich, viertens, den Fortbestand der Hochschule zu sichern, müsse den Lehrkräften, gerade den Neuzuberufenden, ein Gehalt geboten werden, das gleichartigen Stellungen an anderen Hochschulen oder in sonstigen kirchlichen Diensten entspreche. Man dürfe eine besondere Opferbereitschaft der Dozenten und Professoren in Ansatz bringen, aber der Lehrkörper beantrage beim Vorstand die Ausarbeitung einer neuen Gehaltsordnung im Einvernehmen mit den Antragstellern.68

6.3.

Langwierige Durchführung der Verwaltungsreform

Die Durchführung der vorgesehenen Schritte war langwierig und nicht immer leicht. So traf sich am 15. November 1955 die Studienkommission für die Königsteiner Anstalten. Bereits zwei Monate vorher am 15. September 1955 hatte sich eine außerordentliche Hauptversammlung des Vereins des Kollegs mit der Stellungnahme zu den Beschlüssen der Fuldaer Bischofskonferenz vom 22. August 1955 befasst. Hier ging es vor allem um Schaffung eines Verwaltungsrates, also um die Neuordnung des Vorstandes. Der Kölner Kardinal unterstrich, dass diese Forderungen und Punkte nichts Neues bedeuteten, dass schon die letzte Generalversammlung festgestellt habe, dass die Königsteiner Angelegenheiten so wie sie sich in die Größe entwickelt hätten, nicht weiterhin auf einer Schulter nur ruhen könnten. Einmal mehr versuchte Kindermann seine Position zu verteidigen: „Es war ein großer Vorteil, dass die Initiative in Königstein ohne jede Hemmung erfolgen konnte. Wäre von Anfang an ein Verwal-

67 68

Diözesanarchiv Limburg, 16a/2. Beschluss des Professorenkollegiums vom 4. November 1955, Diözesanarchiv Limburg, 16a/2.

296

Abschnitt IV

tungsrat da gewesen, wäre nichts geschehen.“ Er habe zum Beispiel bei Herausgabe der Königsteiner Rufe oder der Jahrbüchlein die Mitbrüder im Hause um Rat gefragt, die jedoch immer dagegen waren. Er habe dann trotzdem gewagt und Erfolg gehabt. Die Fehlbeträge des Jahresetats könnten nur aus immer wieder neuen Ideen hervorgehen, bei denen ein Verwaltungsrat nur hinderlich sein könne. Andererseits seien die Sicherungswünsche des H. H. Bischofs von Limburg auch wieder durchaus verständlich. Er wolle sich nicht dagegen sträuben. Allerdings müssten die Herren, die im Verwaltungsrat mitarbeiten, von der Idee Königsteins erfüllt sein, sonst könne eine Erschwerung der Arbeit eintreten, die sich schädlich auswirke. „Ich selbst hänge nicht an einem Posten. Ich würde gern jemand anders an meine Stelle treten lassen. Wenn der Verwaltungsrat mir die Flügel stutzt, geht Königstein langsam zu Grunde.“69 Bei dieser Einstellung Kindermanns mussten der Kölner Kardinal wie auch Vertreter des Ordinariates in Limburg ausführliche Überzeugungsarbeit leisten. Sie unterstrichen, dass der Wunsch nach einer breiteren Aufstellung des Vorstandes nichts mit Misstrauen gegen Kindermann zu tun hätte und man auch dessen bisherige Verdienste in keiner Weise schmälern und beeinträchtigen wolle. Kindermanns Reaktion schwankte zwischen Widersprüchen. Einerseits wolle er Ratgeber akzeptieren – so habe er das schlesische Priesterwerk gebeten, ihm einen Fachmann in Finanz- und Wirtschaftsfragen zu benennen, woraufhin vom schlesischen Priesterwerk Ordinariatsrat Demandt genannt wurde, mit dem Kindermann durchaus zu kooperieren bereit war. Andere Reaktionen zeugten hingegen davon, dass er sich missverstanden fühlte, zutiefst verletzt war und sich durch die gewünschten Maßnahmen in seinem Ehrgefühl gekränkt sah: „Ich habe mich innerlich von Königstein gelöst. In Amerika habe ich bis über meine Kräfte hinaus mich aufgerieben. Ich habe ungeheuer Schweres hier zu leisten gehabt.“70 Schließlich wurde einmal mehr darauf hingewiesen, dass in Königstein auf engem Raum so viele Anstalten bestünden, wie sonst in einer ganzen Diözese. Ein Bistum müsse auch die nötigen Sicherungen in die Verwaltung einbauen. Nach einer langen Aussprache schritt Frings zur Abstimmung. Die von der Fuldaer Bischofskonferenz vorgeschlagene Änderung des § 9 der Satzung wurde von der Mitgliederversammlung einstimmig beschlossen. Vorstand wurde also ein Verwaltungsrat aus drei Personen, von denen einer Leiter war. Neben Kindermann sollten Ordinariatsrat Demandt und Monsignore Zischek in den Verwaltungsrat aufgenommen werden. Für Ordinariatsrat Demandt folgte später Prof. Dr. Franz Scholz dem Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs nach.71 69

70 71

Kindermann in: Protokoll über die außerordentliche Hauptversammlung des Vereins AlbertusMagnus-Kolleg Königstein e.V. vom 15. September 1955 zu Königstein/Ts., 7 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, Zitat S. 2. Protokoll über die außerordentliche Hauptversammlung des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. vom 15. September 1955, Zitat S. 4. Zum Verhältnis Kindermanns zu Kempf ist anzumerken: Kindermann versuchte, wo möglich die Zuständigkeit des Belegenheitsbistums großzügig zu Gunsten Königsteins auszulegen. Ein Grund ist nicht zuletzt im Naturell der beiden Hauptagenten Kindermann und Bischof Kempf zu suchen. Kindermann kam als Kirchenrechtler nicht aus der Pastoral einer liturgisch sehr fort-

Etappen der Entwicklung Königsteins

6.4.

297

Transparenz durch klarere Zuordnung der Aufgaben

Die Studienkommission für die Königsteiner Anstalten hatte sich intensiv mit der Neustrukturierung befasst, nicht zuletzt um Probleme mit dem Finanzamt zu vermeiden. Wichtige Beratungspunkte waren Steuerfragen und die Beratung einer neuen Fassung der Geschäftsordnung für das Albertus-Magnus-Kolleg. Zu den Steuerfragen berichtete Ordinariatsrat Demandt über seine Recherchen. Er hatte u.a. einen Oberregierungsrat, Dr. Fichtner, konsultiert, der auch zur Sitzung der Studienkommission kam und die Entwicklung der steuerlichen Verhältnisse der Königsteiner Anstalten erläuterte. Er betonte, dass die Königsteiner Anstalten bislang von der Steuerbehörde großzügig behandelt worden seien und wohl auch weiter so behandelt würden. Der Oberregierungsrat empfahl, die Königsteiner Rufe steuerlich nicht dem AlbertusMagnus-Kolleg, sondern dem neu zu schaffenden Verein des Priesterreferates einzugliedern. Die Geschäftsordnung für den Verein sah vor, dass die Leiter der Einrichtungen des e.V., also von Priesterseminar, Schule und Schülerkonvikt, jeweils in ihrem Bereich selbständig sind. Sie wurden durch den Bischof von Limburg auf Vorschlag des Vorstandes im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz ernannt und abberufen. Die Aufgaben des Vorstands wurden ebenso geregelt wie die Ernennung und Abberufung der Mitarbeiter der Einrichtungen des Vereins, also der Regenten, des Spirituals, der Professoren etc. Ausdrücklich wurde vermerkt, dass die Hochschule sich nach ihrer eigenen Grundordnung verwalten solle. Daraufhin wurde

schrittlich praktizierenden Arbeitergemeinde wie Kempf. Der ehemalige Limburger Weihbischof Walther Kampe würdigte in einem Festvortrag zum 75. Geburtstag des Bischofs Wilhelm Kempf als einen fortschrittlichen Konservativen, der die Zeichen der Zeit als Aufgaben der Seelsorge verstand und die Strukturen entsprechend anzupassen versuchte. Dazu gehörte die Unterstützung und Etablierung synodaler Strukturen in der Diözese und eine „großzügige Vertrauensvorgabe“ des Bischofs gegenüber seinen Mitarbeitern und dem Klerus. Als ein Bischof des Dialogs wurde er wiederholt charakterisiert. All diese Hinweise führen zu der Einschätzung, dass Kempf und Kindermann hinsichtlich ihres Naturells, ihrer Arbeitsweise, der Einbeziehung ihrer Mitarbeiter sehr verschieden waren. Aufschlussreich erscheint die Nichtnennung Königsteins in dem weiten Panorama der Aufgaben Kempfs in seinen 33 Jahren als Bischof von Limburg, das Kampe in seiner Würdigung zeichnete. Die Aufgabe der kirchlichen Integration der Vertriebenen erscheint hauptsächlich im Kontext der Frage nach notwendigen neuen Strukturen, nach Gemeindegründungen und Kirchenbau, nach der Wiederherstellung der zerstörten Strukturen der Seelsorge (KAMPE, Ein Leben, S. 32f.). Man würde dort die Erwähnung der Errichtung eines Priesterseminars und einer Hochschule für die Vertriebenen erwarten; die Erwartung erfüllt sich nicht. Auch in seinem erinnernden Rückblick zu seinem 80. Geburtstag erwähnte Kampe Königstein nicht. Herman H. SCHWEDT, Kampe, Walther. In: BBKL, Band 17 (2000), Sp. 755-759. – Walther KAMPE, Ein Leben für die Kirche. Festrede zum 75. Geburtstag von Dr. Wilhelm Kempf, 1949 – 1981 Bischof von Limburg. Frankfurt am Main 1981. – Walther KAMPE, Achtzig Jahre – und noch immer da!. Erinnerungen zum 31. Mai 1989. Als Manuskript gedruckt. Limburg 1989.

298

Abschnitt IV

auch diese Grundordnung ausgearbeitet. Der Vorstand sollte in der Regel monatlich zusammentreten.72 Es gab sehr wohl Pläne zur betrieblichen Neuordnung in Königstein, die den Vereinszweck des Albertus-Magnus-Kollegs in keiner Weise antasten wollten, nämlich heimatvertriebenen, jungen Katholiken die Möglichkeit zu geben, Priester zu werden.73 An erster Stelle wurde vorgeschlagen, das Priesterwerk, also die Betreuung der heimatvertriebenen Priester, aus dem Priesterreferat herauszulösen und in den Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. einzugliedern. Desgleichen sollten die Königsteiner Rufe als Zeitschrift des Albertus-Magnus-Kollegs angesehen werden und den Priesternachwuchs fördern. Mit der Eingliederung des Priesterwerkes wollte man einen dreistufigen Aufbau des Albertus-Magnus-Kollegs erreichen, nämlich a) auf der unteren Ebene sollte der schulische Unterbau für den Priesternachwuchs stehen, dann zweitens das Priesterseminar für die Priesterausbildung und schließlich drittens das Priesterwerk für die Betreuung der Priester. Neben der Eingliederung der ‚Königsteiner Rufe’ in das AMK wurde vorgeschlagen, einen Untertitel zu wählen, etwa: ‚Monatsschrift zur Förderung des Königsteiner Priesternachwuchses’, damit offenkundig bleibe, dass der Bezieherpreis als Spendenbetrag vorgesehen war und so auch gegenüber dem Finanzamt deklariert werden konnte. Zusätzlich zu dieser klareren Strukturierung, nicht zuletzt auch um die Gemeinnützigkeit des Vereins und seines Publikationsorgans zu unterstreichen, wurde darauf gedrängt, durch neue klärende Aufgabenverteilung eindeutige Zuständigkeiten in den Arbeitsbereichen zu schaffen und damit auch klar zu sehen, welcher Bedarf an Arbeitskräften wirklich bestehe. Im Hintergrund dieser Forderung stand wohl die Vermutung, dass die 22 Angestellten, die das Priesterreferat und die Königsteiner Rufe beschäftigten, wobei drei dem Priesterreferat und 19 den Königsteiner Rufen zugedacht waren, zu viel seien.

72

73

Wie sehr diese Konsolidierungs-, Stabilisierungs- und Klärungsprozesse Kindermann zu schaffen machten, zeigt ein Schreiben Kindermanns an den Kölner Kardinal Frings vom 7. April 1956, in dem er berichtete, dass er von der letzten Mitgliederversammlung, also am 16. Februar 1956, recht (g)bedrückt nach Königstein zurückgekehrt sei. „Die monatelangen Verhandlungen bzgl. der Neuordnung von Königstein nähern sich dem Ende. Es ergibt sich die Notwendigkeit, das Priesterreferat, das bisher neben seinen speziellen Aufgaben den Löwenanteil der Lasten des Albertus-Magnus-Kollegs getragen hat, rechtlich besser zu verankern. Nach deutschem Recht wird es voraussichtlich ein e.V. sein, der wahrscheinlich den Namen „Vaterhaus der Vertriebenen“ tragen wird. Er soll im Anschluss an die Hauptversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein im Mai gegründet werden. Für die Fortführung der Arbeit des Priesterreferates im Rahmen des neu zu gründenden e.V. ist meiner Meinung nach ein neuer kirchlicher Auftrag nötig. Dieses Anliegen erlaube ich mir nun Eurer Eminenz zu unterbreiten.“ (Schreiben Kindermanns an Frings vom 7. April 1956, 4 S. masch., KZG Akten Bischofszimmer 13/205, Zitat S. 1). Vgl. zu den Vorschlägen KZG, Akten Bischofszimmer, 11/202, Prüfungsbericht, 33 S. masch., die Vorschläge zur betrieblichen Neuordnung, ab S. 23.

Etappen der Entwicklung Königsteins

299

Die Prüfer verbanden damit die Hoffnung, dass mit dieser aufgabenmäßigen Zusammenfassung beim AMK die buchhalterischen Überschneidungen behoben werden könnten. Wenn daneben gefordert wurde, dass auf den AMK e.V. die zentralen Aufgaben des Priesterreferats übergehen sollten, also auch die Herausgabe der ‚Mitteilungen für heimatvertriebene Priester aus dem Osten’, die ‚Königsteiner Blätter’ und die Verzeichnisse der deutschen Vertriebenenpriester aus dem Osten, dann blieben letztlich keine genuinen Aufgabe des Priesterreferates mehr übrig. Angepeilt wurde also eine Überführung des Priesterreferates in den AMK, denn die Betreuung der heimatvertriebenen Priester bei entsprechenden Tagungen und Konferenzen war durchaus dem Priesterwerk zuzuordnen, das ebenfalls in das AMK eingegliedert werden sollte. „Der mit Wirkung vom 1.7.1957 neu zu gründende e.V. soll alle anderen Aufgaben, die nicht der Aufgabenstellung der gemeinnützigen Zweckrichtung des AMK und der Ostpriesterhilfe entsprechen übernehmen. Dazu gehört in erster Linie die: Zusammenarbeit mit der Ostakademie Durchführung der Tagungen, Kongresse, Exerzitienkurse usw. Durchführung der Wallfahrten Organisation und Durchführung des Wirtschaftsbetriebes.“74 Nun sollten freilich die beiden Vereine sinnvoll zusammenarbeiten können. Deswegen wurde zwar eine scharfe Abgrenzung der Aufgabengebiete empfohlen, aber doch die gleiche Personenzusammensetzung für die Hauptmitgliederversammlung und den Verwaltungsrat angestrebt. Gleichzeitig sollte der neue e. V eine voll auslastungsfähige eigene Geschäftsführung erhalten, weil seine Aufgabengebiete einer Intensivierung bedürften und er ökonomisch wirtschaften müsse–. Die Geschäftsführer der beiden Vereine dürften also in keinem Fall identisch sein. Konkret wurde wegen ihrer bisherigen verdienstvollen Tätigkeit und ihrer intensiven Kenntnis der Aufgabenstellung Paula Schetka als Geschäftsführerin vorgeschlagen. Aus diesen steuertechnischen Überlegungen und Notwendigkeiten erwuchs so der neue Verein „Haus der Begegnung Königstein e.V.“ Auch über die Bezeichnung wurde diskutiert. „Die ursprünglich gewählte Bezeichnung „Vaterhaus der Heimatvertriebenen“ dürfte wenig geeignet sein, die Anerkennung bei den zuständigen Organisationen der Heimatvertriebenen zu finden. Auch ist die Bezeichnung insofern irreführend als der neue e.V. als Dachorganisation der Königsteiner Anstalten angesehen werden könnte. Letztlich müsste in jedem Fall der in dieser Bezeichnung zum Ausdruck kommende politische Hintergrund vermieden werden. Die Bezeichnung als „Christliches Kulturwerk Königstein“ trifft jedoch die Mehrzweckrichtung des neuen e.V. auch nicht in allen Punkten. Ob mit dem Wirtschaftsbetrieb ein Kulturwerk verbunden ist, sei dahingestellt. Vielmehr wäre aus der wohl in jedem Falle zutreffenden Aufgabenstellung heraus die Bezeichnung „Haus der Begegnung Königstein e.V.“ als angebracht zu bezeichnen. Diese Bezeichnung legt sich weder nur nach der Seite der Heimatvertriebenen noch in politischer oder kultureller Hinsicht fest.“75 74 75

Prüfungsbericht, S. 26. Prüfungsbericht, S. 27.

300

Abschnitt IV

Im Kontext der Klärung der Zuständigkeit und der Aufgabenbeschreibung des Priesterreferates, die auch in diesem Zusammenhang erneut angemahnt wurde, wies der Kölner Kardinal auf die eigentlichen Zwecke des e.V. hin, nämlich für den Priesternachwuchs zu sorgen und nicht Tagungen zu veranstalten. Darin war klar der Wunsch formuliert, das Haus der Begegnung einem eigenen e.V. zu übertragen und aus dem Albertus-Magnus-Kolleg herauszulösen. Dagegen sträubte sich Kindermann zunächst mit seiner Ansicht, dass bei einer solchen Trennung aller Zusammenhänge das Ganze sich ad absurdum führe.

6.5.

Schwierige Meinungsbildung im Vorstand

Die Konsolidierung, insoweit sie die klare Aufgabenumschreibung, Zuständigkeitsbegrenzung, Leitungs- und Verwaltungsstruktur betraf, war offensichtlich ein langwieriger, schmerzlicher Prozess. Das wird deutlich durch die Bemühungen des Limburger Ordinariates in verschiedenen Gesprächen mit Königsteiner Leitungspersonen und ebenso durch die schwierige Meinungsbildung im Vorstand, vor allen Dingen zwischen Kindermann und Demandt, nachdem ein Vorstand des e.V. eingesetzt worden war. Schwierigkeiten ergaben sich wohl nicht zuletzt auch aus Kindermanns Auswahl der leitenden Persönlichkeiten. Das zeigte sich nicht zuletzt an seiner „Generalvikarin“, Paula Schetka. In einer Aktennotiz des Ordinariates Limburg heißt es, sie sei das Alter Ego Kindermanns. Sie bestimme, welche Priester nach Königstein kommen dürfen und welche nicht. Sie solle aus der Verwaltung ausscheiden.76 Mehrmals besprach sich der Bischof von Limburg oder seine Vertreter mit Regens Piekorz bzw. mit Kanonikus Weißkopf77, dem Schulleiter, und auch mit Verwalter Schleupner, immer mit dem Ziel, die inneren Verhältnisse zu klären. Die Schwierigkeiten wurden an den unterschiedlichen Einrichtungen und ihren unklaren Abgrenzungen festgemacht, an den sozialen Problemen, den mehrfach genannten unzureichenden Löhnen – ausdrücklich wurde von Hungerlöhnen gesprochen – an verspäteten Nachzahlungen und peinlichen Auseinandersetzungen um die Besoldung, die bis zu Klagen vor dem Arbeitsgericht führten. Bereits 1951 forderte Limburg einen neuen Aufbau eines qualifizierten Lehrkörpers der Albertus-Schule.78 Beklagt wurde darüber hinaus die untragbare Überlastung der Schwestern durch die vielen Kurse und Tagungen, die ihnen nicht einmal in den Ferien eine Verschnaufpause ermöglichte und durch die ungenügende berufliche Fortbildung der eingestellten Lehrlinge. „Das Verhältnis der Leitung der Königsteiner Anstalten zu der Schwesternschaft scheint auch hier und da Schwierigkeiten zu bereiten. Die Zahl der weiblichen Ange76 77 78

Aktennotiz, Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, 2 S. masch., hier S. 1. In HAEK CR II 25.20d,3 der Lebenslauf für Joseph Weißkopf. HAEK CR II 25.20d,3.

Etappen der Entwicklung Königsteins

301

stellten ist recht groß. Prälat K. nannte etwa 80. Davon sind allein in dem Priesterreferat über 20 angestellt. Die eigentliche Verwaltung der verschiedenen Anstalten ist eine überaus große Aufgabe. Es wurde dem Prälat K. empfohlen, einen eigenen Verwaltungsdirektor für diese Aufgabe zu bestellen, der auch ihn erheblich entlasten kann und manche Aufgaben, etwa dem Personal gegenüber, durchführen mag, die ihm besser wohl erspart bleiben.“79 Daneben wurden aber auch persönliche Probleme Kindermanns angeführt, nämlich sein (strukturelles)grundsätzliches Misstrauen gegen andere, vor allem wenn sie andere Meinungen vertraten als er. Er sei beratungsunfähig, erwarte von niemandem wirkliche Hilfe und meine daher, alles selbst tun zu müssen. Er zeige einen bedenklich zunehmenden Zustand der Übermüdung, der sich in gelegentlich akut werdendem Erinnerungsschwund äußere. Unberechenbar sei er in seinen Planungen und Entschließungen. Plötzlich tauchten Ideen auf, die ebenso plötzlich wieder fallengelassen würden. „Die Kombination von Unberechenbarkeit und fehlender Beratung bringt die Menschen seiner Umgebung in höchst schwierige Situationen: man weiß nie, was ist oder werden wird; der Erinnerungsschwund dehnt die Unsicherheit sogar auf die Vergangenheit aus.“80 Spannungen gebe es vor allem mit den Leitern der einzelnen Abteilungen. Für den Umgang im Vorstand scheint der Ton bezeichnend, den Ordinariatsrat Demandt in seinem Schreiben an Kindermann vom 15. Juli 1956 anschlug. Zu Beginn hielt Demandt sachlich-nüchtern fest, dass er zwar mit Poststempel, aber ohne Anschreiben, ohne Absender, ohne (Kopfbezeichnung)Briefkopf, ohne Datum und ohne Unterschrift ein Schreiben zugesandt bekommen habe, das den Entwurf eines Protokolls über die letzte Vorstandssitzung darstellt. Er kommentierte das nicht weiter, bemerkte dazu lediglich/aber, dass die Einladung zu dieser Sitzung keinerlei Angabe einer Tagesordnung enthalten habe. Man habe sich also auf die Sitzung nicht vorbereiten können. Demandt bemängelte weiter, und wünschte das auch protokollarisch festgehalten, dass er als Vorstandsmitglied in keiner Weise mit den Instandsetzungsarbeiten befasst wurde, die ja ein Finanzvolumen von immerhin ca. 370.000,- DM umfassten. Er habe nur die bereits vergebenen Arbeiten zur Kenntnis nehmen sollen. „In wichtigen Dingen vor fertige Tatsachen gestellt zu werden, liebe ich nicht und lehne auch die Verantwortung dafür ab. Insoweit verliert die Vorstandsitzung vom 9. Juli 1956 ihren Sinn. Seit der letzten Vorstandssitzung am 17. April 1956 hätte sich sicher Zeit gefunden, die Vergebungsarbeiten zu besprechen.“81 Ein weiterer gewichtiger Einwand Demandts betraf den Ausbau des Kellers zur Waschküche, die Demandt als einen unzumutbaren Arbeitsplatz bezeichnete und seinerseits vorschlug, die Wäscherei auf einen danebengelegenen freien Platz zu bauen. Sollte diesbezüglich im Vorstand keine Einigung erzielt werden, wünschte Demandt, die Entscheidung dem Bischof von Limburg zu unterbreiten.

79 80 81

Bericht über die Visitation, S. 3f. Aktennotiz, Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, 2 S. masch., hier S. 2. Schreiben Demandts an Kindermann vom 15. Juli 1956, 4 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, Zitat S. 2.

302

Abschnitt IV

Die Wäscherei wurde schließlich nach den Plänen Kindermanns gebaut. Was blieb Demandt übrig, als sich direkt an den Bischof zu wenden und seine immer größer werdenden Sorgen und Bedenken wegen Königstein zu formulieren. Demandt wünschte eine Dienstordnung und einen Geschäftsführer, was Kindermann verzögerte. „Herr Prälat Kindermann spürt wohl ganz genau, welche Auswirkung diese Dienstordnung haben würde. Auf die übrigen Punkte des Protokolls über die Sitzung am 6. August 1956, die ich weder für sachlich berechtigt noch für vertretbar halte, möchte ich hier nicht näher eingehen. Nach den Erfahrungen der letzten elf Monate kann hier wohl nur eine starke Einwirkung der kirchlichen Autorität helfen bzw. größeren Schaden verhüten. Herr Prälat Kindermann hat, wie bekannt, immer wieder erklärt, wenn es nicht nach seinen Ideen ginge und er durch einen Vorstand eingeengt wird, dann stellt er seine Tätigkeit ein und wären die priesterlichen Anstalten in sechs Wochen erledigt. Wohl hängt er an seinem Werk, aber er treibt ein Vabanquespiel. Ich weiß nicht, ob er sich überhaupt noch umstellen kann. Von Anfang an hatte er nie ernstlich daran gedacht, die durch Schaffung eines Vorstandes gegebene Verwaltungsnorm zu beachten, sondern versucht, nach wie vor fertige Tatsachen zu schaffen.“82 Demandt resignierte und bat den Bischof, seine Amtsniederlegung dem Registergericht in Königstein zuzusenden und dem Restvorstand davon Kenntnis zu geben.

6.6.

Das Ringen um die Eigenständigkeit der einzelnen Einrichtungen

Die Situation war angespannt im Sommer 1956, nicht nur im Vorstand, sondern auch zwischen den Leitern der einzelnen Anstalten. Wohl in diesem Kontext bat auch Regens Dr. Piekorz den Bischof von Limburg, resignieren zu dürfen. Kempf gab dieser Bitte nicht statt, gab aber seinerseits Kindermann zu bedenken dass aus der derzeitigen Situation heraus (möglicherweise) eine Auflassung des Priesterseminars in Königstein gefordert sei. In einem Gespräch mit Kindermann begründete er diese vor allem mit dem Blick auf das Professorenkollegium, das leistungsmäßig überfordert sei. Der eine, weil er gesundheitlich labil sei, der andere, weil er die Altersgrenze erreicht habe, ein Dritter, weil er Doppelbelastungen habe, zwei, weil sie sich andernorts habilitierten und schließlich seien die kommenden Theologen praktisch schon stark in der neuen Heimat verwurzelt. Sie würden im Prozess der örtlichen Verwurzelung durch die Ausbildung in Königstein künstlich gestört. Das Wachhalten des Interesses für die Problematik und Thematik des Ostens könne auch auf andere Weise erfolgen. Kempf fasste ins Auge, diese Thematik nicht nur mit Kindermann, sondern möglichst bald auch mit Professor Bitterlich83 zu besprechen.84 Piekorz war erst 1954

82 83

Demandt an Bischof Kempf am 18. August 1956, Brief, 2 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, Zitat S. 1f. Adalbert Bitterlich, geb. 1895. Priesterweihe 1920. Nach kurzer Kaplanstätigkeit von 1921 bis 1925 Domprediger in Leitmeritz. 1925 bis 1945 Dompfarrer und Offizial in Leitmeritz, daneben 1938 bis 1945 Professor für Moral und Kirchenrecht am Bischöflichen Seminar in Leitmeritz. 1945 bis 46 Organisator der Flüchtlingsseelsorge in Wien. Promotion 1931 in Prag mit einer

Etappen der Entwicklung Königsteins

303

mit dem Regentenamt betraut worden, nachdem sein Vorgänger Fröhlich aus gesundheitlichen Gründen sein Amt zur Verfügung gestellt hatte.85

6.7.

Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitglieder – ein Beispiel

Die forsche, vorstoßende, zupackende Art Kindermanns, die nicht viel Raum ließ für tiefen Geist, weil nach seiner Ansicht kaum jemand so für Königstein „brennen“ konnte wie er selber, stieß bei der Mitgliederversammlung am 16. Februar 1956 doch deutlich an ihre Grenzen. So vermerkte das Protokoll, dass Kindermann mit einer ganzen Reihe von weit ausspannenden Zukunftsplänen in die Sitzung gekommen sei und die Mitglieder mit diesen Vorhaben konfrontiert habe.86 Wer nun gemeint hatte, dies sei in der Tat das Ende der ausholenden Pläne, der wurde im nächsten Satz bereits eines besseren belehrt, denn da präsentierte Kindermann den Wunsch, ein neues Schulgebäude zu errichten. Das werde kaum zu umgehen sein. Es müsse zwölf bis 23 Klassen umfassen können, etwa 450 Schüler aufnehmen; die Kosten schätzte Kindermann auf etwa 800.000,- DM. Die Finanzierung meinte er, vollständig oder mindestens zur Hälfte auf dem Weg eines billigen Kredites gestalten zu können, sei doch das Grundvermögen des Vereins bisher erst zu 19 % belastet. Lange Wartezeiten konnte und wollte Kindermann auf keinen Fall in Kauf nehmen. Man müsse noch in diesem Frühjahr mit dem Bau beginnen, solange die Wirtschaft floriere. Die Einweihung könnte dann zum 15. November 1956 zum Gedenktag des zehnjährigen Bestehens der Königsteiner Anstalten durchgeführt werden. Natürlich tauchten bei solchen Plänen die Fragen auf

84 85

86

Arbeit über biblische Drachengestalten. Die Habilitation beschäftigte sich 1936 mit der Eugenik in historischer, moral-, pastoraltheologischer Sicht. Seit 1950 Professor für Pastoraltheologie in Königstein. Gestorben 1972. Der Sudetendeutsche Klerus in der Vertreibung nach dem Stand vom 15.9.1963. Königstein/Ts. 1963, S. 48. VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland, S. 37. KZG 3330 und 3331. Vgl. dazu zwei Aktennotizen über ein Gespräch am 8. September 1956 zwischen Kempf und Kindermann in Diözesanarchiv Limburg, 16A/3. Schreiben Kindermanns an Kardinal Frings von Köln am 16. Mai 1954: „Herr Regens Fröhlich hatte vor allem in der letzten Zeit, wohl aufgrund seiner Krankheit, bei den Theologen keine glückliche Hand. So hat wohl der liebe Gott selber eine Wendung herbeigeführt“ (KZG 821). „Das letzte Stück Wiese müsse gekauft werden für 15.000,- DM. Zu den Kosten des Dingweges müssten die Anrainer und damit auch der e.V. Kosten beitragen mit etwa 25.000,- DM. Eine Stiege zur Kirche würde 12.000,- DM kosten, ein kleiner Glockenturm etwa 1.000,- DM. Die Straßen im Kollegsgelände in Ordnung zu bringen, erforderte 78.000,- DM. Von den 120.000,DM, die für eine Instandsetzung des Schülerkonvikts und der St. Albert-Schule erforderlich seien, müssten in diesem Jahr mindestens 80.000,- DM verausgabt werden. Die Herrichtung der Wäscherei würde 24.000,- DM kosten, das sogenannte Führerhaus an die vorhandene Zentralheizung anzuschließen, erforderte 58.000,- DM, die Herrichtung des Sportplatzes 28.000,- DM, die man aus dem Hessentoto zu erhalten hoffte. Zusammen wären für diese Dinge etwa 250.000,- bis 300.000,- DM erforderlich. Damit wäre dann die letzte Periode der Renovierungen abgeschlossen.“ Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, S. 15.

304

Abschnitt IV

a) welche Rolle den Mitgliedern hier überhaupt noch zugewiesen wurde – sie hatten letztlich ja gar keine andere Wahl, als mit Ja zu stimmen, b) welche Mitsprachemöglichkeit Kindermanns Kollegen im Vorstand hatten und c) wie nahe Kindermann an der Realität plante, wenn er am 16. Februar ein Vorhaben präsentierte, das Mitte der fünfziger Jahre ein Finanzvolumen von etwa 1 Mio. DM umfasste und das bis zum 15. November 1956, also nur ein dreiviertel Jahr später bereits eingeweiht werden sollte. Am Ende der Präsentation dieses überraschenden Planes – hier hat der Protokollant, Regens Piekorz, in seiner kritischen Einstellung zu Kindermann die Atmosphäre gut eingefangen – stand wiederum die Versicherung, dass mit diesem Plan, der für die Erziehung der Jugend zukunftsweisend sei, ein Abschluss aller Planungen erreicht sei.. Der Limburger Bischof als Aufsichtsbehörde wies jedoch lapidar auf die Grenzen hin, indem er erklärte, die Frage eines Schulneubaues halte er für nicht spruchreif. In seiner Begründung verwies er auf die zeitliche Begrenzung der Existenz der Hochschule und des Priesterseminars, die 1954 zunächst für drei Jahre eingerichtet waren. Also musste im Folgejahr 1957 das Thema Hochschule erneut erörtert werden. Sollte die Hochschule dann eingestellt werden, ergäben sich genügend Räume für die Schule. Kindermann hatte für diesen Fall freilich andere Pläne für die Gebäude der Hochschule des Priesterseminars. Er bezeichnete sie als besonders geeignet zum Zweck von Tagungen. Ein Vorhaben, das Kempf nicht überzeugte, denn Tagungen seien nur in kleinerem Rahmen von höchstens 30 bis 40 Personen ergiebig und fruchtbar. Außerdem wünschte der Bischof, dass zu Protokoll genommen wurde, dass die Königsteiner Tagungen mit dem Bildungswerk der katholischen Aktion Limburg koordiniert würden. Man wollte also keine Alleingänge Königsteins. Zunächst sei, so der Bischof wiederholt, die Hochschulfrage zu klären, dann könne man einen Schulneubau in Erwägung ziehen. Schließlich verschob man auch die Frage der baulichen Verbesserungen, d.h. die Mittelaufnahme von etwa 300.000,- DM, auf die nächste Sitzung.

Etappen der Entwicklung Königsteins

7.

305

Erste Anzeichen für eine drohende finanzielle Schieflage

Ein resümierender Überblick Kindermanns im Jahr 1964 bezeichnete die Königsteiner Anstalten als konsolidiert, nicht zuletzt durch die im Jahre 1958 durchgeführte rechtliche Neuordnung der Anstalten in drei verschiedene e.V., dem „AlbertusMagnus-Kolleg Königstein e.V.“ als dem eigentlichen Träger der Anstalten, dem „Haus der Begegnung Königstein e.V.“ und dem „Deutsche Ostpriesterhilfe Königstein e.V.“ Diese drei eingetragenen Vereine versuchten die beiden Seiten der Grundintention, nämlich das Aufgreifen und die Beantwortung des Flüchtlingsproblems und das sogenannte Ostanliegen, nicht zu vergessen Kindermann stand den beiden Vereinen Albertus-Magnus-Kolleg und Haus der Begegnung vor. Doch wuchs bei der diözesanen Aufsichtsbehörde, dem Limburger Bischof, der Eindruck, dass die Vorliebe Kindermanns dem Haus der Begegnung und nicht dem Kolleg galt. Der Bischof war besorgt, dass künftig nicht mehr die Sorge für den Priesternachwuchs, sondern das Haus der Begegnung mit seinen Veranstaltungen, dem Kongress ‚Kirche in Not’ und damit vor allem die antikommunistische Propaganda an erster Stelle stehen würde.87 Wo in finanzieller Hinsicht die Defizite produziert wurden, wurde bereits Mitte der sechziger Jahre deutlich: Da waren zum einen die Hochschule und das Theologenkonvikt, das mit etwa 50 Theologiestudenten keineswegs ausgelastet war. Das Unternehmen wies eine Unterdeckung von rd. DM 300.000,- auf, die beinahe ganz durch Spenden aufgewogen werden musste; dabei wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass mit der Rückläufigkeit der Spenden in Zukunft zu rechnen sei. Die Königsteiner Rufe warfen bereits Mitte der sechziger Jahre kaum noch Gewinne ab. Die Bezieherzahl war erheblich zurückgegangen, vor allem durch den Tod derjenigen Bezieher, die als vertriebene Flüchtlinge bereits im vorgerückten Alter waren. „Alles in allem gilt es jetzt, den Bestand zu erhalten und gut zu verwalten. Zweifelsohne wird auch das Haus der Begegnung bei wirtschaftlichem Rückgang gewisse Auswirkungen verspüren… Neue Planungen könnten allerdings nicht mehr verantwortet werden. Gespräche über eine neue Ladenstraße oder ein Bürohaus sollten nicht als zu

87

Vgl. einen entsprechenden Brief des Bischofs von Limburg an Kindermann vom 10. September 1959, Diözesanarchiv Limburg, 16A/5 „Ich glaube feststellen zu müssen, dass das persönliche Interesse von Ew. Gnaden sich sensim sine sensu von dem e.V. Albertus-Magnus-Kolleg Königstein auf den e.V. Haus der Begegnung verlagert. Demgegenüber möchte ich Sie ebenso herzlich wie dringend bitten, unbedingt daran festzuhalten, dass der e.V. Albertus-MagnusKolleg nach wie vor den unbestrittenen Vorrang vor allen anderen Königsteiner Institutionen halten muss. Die erstaunliche Opferbereitschaft der Heimatvertriebenen und ihrer Priester gilt dem Priesterseminar und der Albertus-Schule, nicht dem Haus der Begegnung. Unter dem Sammelnamen Königstein ist dieser Akzent der Sorge für den Priesternachwuchs entscheidend und ausschlaggebend.“

306

Abschnitt IV

ernst genommen werden. Schließlich bedürften solche Planungen der Zustimmung der Organe, in denen die bischöfliche Instanz entsprechend vertreten ist.“88 Auch die Schule war auf Zuschüsse angewiesen. Wegen absehbarer Finanzprobleme schaltete Limburg 1966 das Referat für Anstaltswesen der Konferenz der Caritas-Verbände in Hessen zur Überprüfung der Jahresrechnung von 1965 und der (V)Kostenvoranschläge 1966 ein. Die Schwerpunkte der Prüfung lagen auf dem Verlust von 175.000,- DM im Jahr 1965 beim AMK. Hier wurde vor allem beanstandet, dass der Pensionspreis für Schülerkonvikt und Schulgebühr bis zum 31. Dezember 1965 nur DM 180,- betrug. Erst ab 1. Januar 1966 wurde die Summe auf DM 240,erhöht. Wäre diese Erhöhung früher vorgenommen worden, hätte sich für 1965 lediglich ein Verlust von etwa 60.000,- DM ergeben. Dabei ist freilich die prozentual hohe Anhebung des Pensionspreises nicht zu übersehen. Kindermann hatte die Erhöhung wohl bis zuletzt hinausgeschoben, damit die Schule auch allen sozialen Anforderungen gerecht werden könne. Die Caritasprüfung hingegen unterstreicht, dass der kostengerechtere Preis nach der Erhöhung von keinem der Elternteile beanstandet worden sei und auch bei kirchlichen Schulen nur kostendeckende Gesichtspunkte angewendet werden könnten.89 Das zweite Augenmerk wurde auf den Schulneubau gelegt. Zu diesem Punkt wurde angemerkt, dass es wichtig sei, künftig stärker auch um externe Schüler zu werben. Bis dato hatte wohl Kindermann Widerstand gegen diese (in Caritasaugen)aus Sicht der Caritas richtige Entwicklung geleistet. Die Einbeziehung der externen Schüler sollte nicht zuletzt einer besseren wirtschaftlichen Ausnutzung der Schule dienen. Schließlich wurde sehr klar die Existenz des Priesterseminars in Frage gestellt. Kindermann könne nicht auf der einen Seite ein völlig defizitär arbeitendes Priesterseminar weiter bestehen lassen und sich gleichzeitig für einen sozialen Internatspreis der Schule einsetzen. Das Priesterseminar sei bis auf 50 Seminaristen zusammengeschrumpft. Lediglich 14 davon kämen aus Vertriebenenkreisen. Man müsse auf die Dauer gesehen diese Fragestellung einer wirtschaftlich günstigeren Lösung zuführen. Vorgeschlagen wurde eine Koppelung mit St. Georgen.

88

89

Der Diplomkaufmann und Diplomvolkswirt Dr. Karl Humbert aus Offenbach an die Finanzabteilung des bischöflichen Ordinariats Limburg am 22. März 1967, nachdem er um eine Stellungnahme der Abschlussrechnung 1966 und zum Voranschlag 1967 gebeten worden war, 2 S. masch., Zitat S. 2, Diözesanarchiv Limburg, 16A/6. Diözesanarchiv Limburg, 16A/6.

Etappen der Entwicklung Königsteins

8.

307

Turbulenzen in den ausgehenden sechziger Jahren

Sorge und Angst spiegelten sich in dem Wunsch von Dr. Reiß90 wider, den er am Ende der Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 31. Juli 1969 in Königstein an Weihbischof Kindermann richtete. Nach der Versicherung, dass die sudetendeutschen Priester dem Weihbischof die Treue halten wollen, ihn nicht im Stich lassen werden, auch finanziell nicht, unterstreicht er, dass sie in Königstein die Erwartung setzten, dass im Konvikt Zucht und Ordnung herrschen solle. Es müsse gebetet und in der Schule gelernt werden. Kindermann gab die Versicherung, so merkt es das Protokoll an, dass das auch sein Wunsch und Wille sei. Dieses Schlaglicht ist kein singuläres Aufflackern, sondern beleuchtet die Ängste, Sorgen und Intentionen des Königsteiner Führungspersonals in den 68er Unruhen.91 Kindermanns Sorge über die unruhige Situation betraf nicht nur seine Tätigkeit in Königstein, sondern auch sein Amt als Weihbischof und damit als besonders Beauftragter für die sudetendeutscher Katholiken. So unterstrich er in seinem Dreijahresbericht an den Papst, dass die heimatvertriebenen Deutschen aus der ČSSR untereinander sehr zusammenhalten, sie aber unter den Heimatverbliebenen leben. Damit lasse es sich nicht vermeiden, dass sie nicht nur das Gute, sondern auch „die verschiedenen Krisen und Unruhen, die derzeit das tägliche Leben in Deutschland erschüttern“, miterleben und davon beeinflusst werden, teils sogar mehr als die Heimatverbliebenen, da ihnen mit der Heimat der feste Halt genommen sei, und die neue Heimat ihnen diese Stabilität noch nicht geben könne.92 Die Konsolidierung wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, wenn er mit dem Begriff „Neue Heimat“ operiert und auch hinweist auf die Tatsache, dass der Geist der Bereitschaft zur Verständigung und Versöhnung von Anfang an bei den katholischen Vertriebenen da gewesen und mit den Jahren immer stärker geworden sei. Er äußere sich vor allem in den vielen persönlichen Kontakten, in den gegenseitigen Besuchen und in der großen Hilfsbereitschaft gegenüber der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang. Auch die große Anteilnahme der Vertriebenen an der Invasion der

90

91 92

Karl Reiß, geboren 1910 in Altzedlisch im Egerland, schloss seine theologischen Studien in Prag mit dem Doktorat ab, wurde Sekretär des Generalvikars Karl Bock im Generalvikariat für den deutschen Teil der Erzdiözese Prag, nach der Vertreibung Pfarrer in Heilig Kreuz in Offenbach und Vertriebenenseelsorger im Bistum Mainz. Er war seit der Gründung des Sudetendeutschen Priesterwerkes 1947 dessen 2. Vorsitzender, also Stellvertreter Kindermanns. 1974 wurde er zum 1. Vorsitzenden des SPW gewählt und am 17. November zum Sprecher der sudetendeutschen Priester und Beauftragten der Bischofskonferenz für die Sudetendeutschen ernannt. Er starb am 17. April 1985. – Friedrich BERGER, Zum Tode des Vorsitzenden unseres Priesterwerkes, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 1985, Heft 2, S. 2-6. Vgl. dazu DAR AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. DAR AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk, Bericht Kindermann an den Papst vom 1. März 1969, 4 S. masch., Zitat S. 2.

308

Abschnitt IV

Warschauer Paktstaaten in der Tschechoslowakei war in den Augen Kindermanns ein Indiz für die Konsolidierung der Lage. Die Konsolidierung sei allerdings dort in der Krise, wo die tatsächlichen oder vermeintlichen Probleme der Vertriebenen verdrängt werden.93 Eine echte Versöhnung könne nur durch freie Partner erfolgen, die sich vom christlichen Geist leiten lassen. Positiv würdigte Kindermann einen Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen und hob hervor, dass auch die Sudetendeutschen Versöhnung mit den tschechischen Brüdern wollten. Man habe alle sich bietenden Gelegenheiten ausgenutzt, um die Bereitschaft zur Versöhnung im Kontakt mit dem Nachbarvolk zum Ausdruck zu bringen.94 Der Briefwechsel zwischen den deutschen und polnischen Bischöfen wurde grundsätzlich weitgehend begrüßt. Es wurde die offizielle Einsetzung einer Studienkommission mit dem Auftrag gefordert, die mit der Problematik zusammenhängenden Fragen zu erforschen, z.B. bzgl. Begegnung, Wiedergutmachung, Gerechtigkeit, Ausgleich. Es sollte eine Studienkommission eingesetzt werden, die die geschichtlichen Zusammenhänge für die einzelnen östlichen Länder Polen, Böhmen, Mähren und Ungarn erforscht. Es ging vor allem um das Geschichtsbild, nicht zuletzt ausgelöst durch das Geschichtsbild, das hinter den Ausführungen zur polnischen Kirchengeschichte im Hinblick auf das Jubiläum der 1.000-Jahr-Feier der polnischen Kirche 1966 stand. Neben diesen historischen Forschungsaufträgen sollte die Hilfe für die Mitbrüder in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn gepflegt werden. Die Priesterbildung sollte in diese Richtung ausgebaut werden. Es dürften nicht nur einzelne Gruppen sich dieser Kernaufgaben der Kirche in Deutschland annehmen, sondern die gesamte Kirche müsse sich der Erkenntnis aufschließen, dass sie Pflicht und Verant93

94

„Dennoch sind die durch die Vertreibung entstandenen Wunden noch nicht geheilt. Sie werden auch kaum heilen, wenn man die Verständigung und Versöhnung durch die These von der normativen Kraft der Fakten erwartet. Das völlige Totschweigen der Ereignisse im Jahre 1945/46, vor allem auch im kirchlichen Raum, fördert nicht die Versöhnung.“ (DAR AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk, Bericht Kindermann an den Papst vom 1. März 1969, 4 S. masch., Zitat S. 3). Einen ähnlichen Situationsbericht gab Kindermann in der erweiterten Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes im Februar 1969 ab. Dort bezeichnete das Jahr 1968 als ein Jahr der Unruhe, des Bangens und des Unfriedens mit dem Verweis auf Israel, Biafra. Die innere Unruhe in Theologie und Kirche, die er festmachte am Essener Katholikentag, an der Enzyklika humane vitae sowie an der Angelegenheit Halbfass. All diese turbulenten Vorgänge haben die sudetendeutschen Probleme zurückgedrängt. Im Vergleich aber sei es in der sudetendeutschen Volksgruppe immer noch verhältnismäßig ruhig. (Verhandlungsschrift im DAR AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Das Protokoll datiert auf den 21. Februar 1969 und ist die Niederschrift der Verhandlungen des erweiterten Vorstands vom 20. und 21. Februar 1969.) Kindermann an seine Mitbrüder im Geistlichen Amt Ende Januar 1966, 3 S. masch., S. 2: „Wir haben von maßgebender kirchlicher Seite ein positives Echo erhalten. Wir konnten uns deshalb vom Altare her hinter die Parole stellen: „Versöhnung: Ja, Verzicht: Nein“. Wir können die normative Kraft der Fakten nicht anerkennen. Sie heilt die geschlagenen Wunden nicht. Eine echte Versöhnung kann schließlich nur durch freie Partner erfolgen, die sich vom christlichen Geiste leiten lassen. Wir spüren alle, dass es jetzt langsam um letzte Entscheidungen geht. Die solche Entscheidungen vorzubereiten zu verantworten haben, brauchen unser Gebet. Wir wollen daran denken.“ (2) DAR AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk.

Etappen der Entwicklung Königsteins

309

wortung gegenüber den östlichen Nachbarvölkern hat.95 Die diözesanen Bindungen und Ordnungen aus dem Osten sollten wiederbelebt werden als Auftrag und Ansatzmöglichkeiten für die Zukunft. Fast gleichzeitig zu diesen Umbrüchen und Unruhen entstand in Königstein die Notwendigkeit, weitere Kreise aufzutun, aus denen man Theologiestudenten gewinnen konnte. In der Bedrängnis der immer weiter zurückgehenden Studentenzahlen traf man sich am 11. September 1967 im Priesterseminar in Königstein mit dem Provinzial der Franziskaner aus Bosnien, Herzegowina und Kroatien und verhandelte über die Aufnahme je einer Gruppe von Klerikern aus den Ordensprovinzen des Franziskanerordens Bosnien, Herzegowina und Kroatien in das Königsteiner Priesterseminar. Aus der Provinz Bosnien sollten sechs, aus der Provinz Herzegowina und der Provinz Kroatien je fünf Kleriker geschickt werden, die verschiedenen Studiensemestern angehörten; sie sollten bereits Kenntnisse in der deutschen Sprache besitzen und besondere Fähigkeiten für die entsprechende Thematik haben. Diese Umbruchsatmosphäre wird in der Selbstwahrnehmung des Jahresberichtes 1967 allenfalls im letzten Satz angedeutet, wo darauf hingewiesen wird, dass der Arbeitskreis für Natur- und Völkerrecht sich besonders in den letzten Wochen mit dem Bensberger Memorandum beschäftigt habe.

95

DAR AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk, einseitig masch., Vorschläge für Fulda vom 25.9.66, vermutlich aus der Maschine von Kruschina. „Erschließung von einer Erkenntnis von Pflicht und Verantwortung besonders der Kirche in Deutschland, für die Kirche unter den östlichen Nachbarvölkern; es kann nicht weiterhin als ein (mehr oder weniger fragwürdig gemachtes) Hobby einiger Gruppen hingestellt werden, sondern soll als ein Gesamtauftrag der Kirche in Deutschland gesehen werden, wenn wir uns der Verantwortung für die Zukunft nicht entziehen und die Verantwortung der Kirche in Deutschland für die Nachbarn nicht in Frage stellen wollen. Daher auch die Notwendigkeit der Konfrontierung mit dieser Problematik in den deutschen Seminaren sowie die besondere Ausbildung wenigstens einiger Priester in jeder Diözese im Hinblick auf diese Aufgaben.“

310

Abschnitt IV

9.

Die neue Ostpolitik

Massive Unruhe kam in die Diskussion um die Ostpolitik der Bundesregierung durch die EKD-Denkschrift über die Vertreibung. Davon blieb Königstein keineswegs unberührt. Für die Deutsche Bischofskonferenz im Herbst 1966 wurde unter Federführung des Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen ein Memorandum über die gegenwärtige Situation der Heimatvertriebenen und die entsprechenden pastoralen Aufgaben ausgearbeitet.96 Die EKD-Denkschrift rief unter den Vertriebenen, jedenfalls unter den organisierten, eine besondere Unruhe hervor. In der auf diese Denkschrift sich entzündenden Diskussion in Funk, Fernsehen und Presse wurden „...in zum Teil verärgernden und verletzenden Sendungen und Äußerungen zu wiederholten Malen in politischen oder sozialpolitischen Fragen die Heimatvertriebenen des Chauvinismus, Revanchismus, der Unbelehrbarkeit beschuldigt oder sie für die festgefahrene gesamtdeutsche und osteuropäische Politik haftbar gemacht. Durch vorzeitige Verzichterklärung auf die Gebiete jenseits der Oder-Neiße und Forderungen nach Verzicht der Sudetendeutschen auf ihre Heimat wurden die Heimatvertriebenen sehr gereizt und sind weit empfindsamer geworden, als sie es je in den vergangenen Jahren waren. Die überaus gespannte und kritische Situation macht offenbar, dass auch heute noch eine politische Radikalisierung möglich ist.“97 Es wird festgehalten, dass die Denkschrift der EKD eine radikale Ablehnung in evangelisch-kirchlichen Kreisen gefunden habe – ebenso bei den Landsmannschaften der Vertriebenen. Auch alle katholischen Vertriebenengremien lehnten sie ab. Als eine positive Konsequenz der Auseinandersetzung über die Denkschrift wurde die intensivierte Zusammenarbeit auf der ökumenischen Ebene gesehen. Es habe sich eine bessere Verbindung von katholischen und evangelischen Vertriebenenkreisen angebahnt. Auch die Kontakte zu den Landsmannschaften seien im Zuge dieser Auseinandersetzungen während etwa zwei Jahren reger geworden. Nie zuvor habe die Katholische Kirche und ihre Vertriebenenarbeit eine solche Würdigung bei den Landsmannschaften erfahren und nie sei der Einfluss so groß gewesen wie in dieser Zeit. „Wir stehen offensichtlich an einem gewissen Wendepunkt. Die soziale Eingliederung der Heimatvertriebenen ist weithin gelungen und in gewissem Maße abgeschlossen. Darum treten zur Zeit Diskussionen über die materiellen Anliegen weit in den Hintergrund. Dafür ist aber die geistige Auseinandersetzung viel stärker nach vorne gekommen. Sie wird auch die kommende Zeit bestimmen. Umso wichtiger ist es, dass die Kirche dabei bleibt und mitspricht in der Klärung der Probleme aus ethischer Sicht und Verantwortung.“98

96 97 98

6 S. masch., Archiv des Bistums Passau, OA, Nachlass Bischof Simon Konrad 359. 6 S. masch., Archiv des Bistums Passau, OA, Nachlass Bischof Simon Konrad 359, S. 1. 6 S. masch., Archiv des Bistums Passau, OA, Nachlass Bischof Simon Konrad 359, S. 2f.

Etappen der Entwicklung Königsteins

311

Der gesteigerte Zuspruch und Zulauf zur katholischen Vertriebenenseelsorge im Kontext dieser öffentlichen Debatten wurde dazu benutzt, davor zu warnen, Bemühungen für die Vertriebenenseelsorge zurückzufahren. Janssen sprach von seelsorgerlicher Unklugheit und von einem großen Verlust an religiöser Substanz, wenn man sie vernachlässigen oder abbauen wollte. Der Zuspruch zeige sich auch in den Wallfahrten und auf den Treffen der Landsmannschaften, bei denen Höhepunkte ganz ohne Zweifel die katholischen Gottesdienste seien, die meist besser besucht würden als die politischen Großkundgebungen. Ausdrücklich verwies er auf die Gottesdienste bei den Treffen der Sudetendeutschen. Mit deutlichen Worten warnte Janssen vor dem Rückzug. Ein solcher wäre unverantwortlich, denn man würde dann diese Hunderttausende allein der Führung politischer, oft sozialistischer oder gar zur Radikalisierung neigender Leute überlassen. Auch sei in politischen Kreisen die Besorgnis sehr groß, dass viele Heimatvertriebene in neu aufkommende rechtsradikale Parteibildungen abgedrängt werden – wie es die Zunahme der Stimmen für die NPD in vielen Landtagen in diesen Jahren belegt. Die Diskussion über die EKD-Denkschrift, wenn sie auch an manchen Stellen unsachlich geführt worden sei, habe gezeigt, dass die Vertriebenenproblematik noch nicht gelöst ist. Es sei deutlich sichtbar geworden, wie viele Wunden aufgerissen wurden, wie viele Menschen zutiefst verletzt sich zur Wehr setzten. Katholische Organisationen dürften sich nicht mit Pauschalzuweisungen und Vorwürfen begnügen, etwa Vertriebene als die ewig Gestrigen, die Unbelehrbaren und die Versöhnungshemmenden zu bezeichnen. Um sich in der öffentlichen Diskussion deutlicher, schneller und wirksamer positionieren zu können, beschlossen die katholischen Organisationen, Diözesangemeinschaften und Vertriebenenwerke, sich in ihrer Führung zu einer strafferen Arbeitsgemeinschaft zusammenzuschließen, nämlich der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Vertriebenenorganisationen, und damit eine einheitliche Vertretung gegenüber den staatlichen und kommunalen Behörden, den Vertriebenenverbänden und Landsmannschaften zu erreichen.99 Auch der katholische Flüchtlingsrat unter der damaligen Leitung von Staatssekretär Dr. Nahm sollte als Beratungsforum für die Bischofskonferenz aktionsfähiger, vor allem jünger gemacht werden. Der Rat sei in den letzten Jahren überaltert und kaum noch aktiv gewesen.

Stefan Kruschina zur neuen Ostpolitik Auch der Regens des Priesterseminars und spätere Leiter des AMK Stefan Kruschina beteiligte sich mit einem Beitrag zur neuen Ostpolitik der Brandt-Scheel-Regierung und der vom Vatikan vollzogenen Neuordnung der Diözesangrenzen inklusive der Errichtung neuer Diözesen in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße an der Debatte. Es wurde ein Vakuum empfunden, weil die Spitzen der Vertriebenenseelsorge sich mit Äußerungen sehr zurückhielten, ein Vorgang, der bei den Heimatvertriebe99

Vgl. dazu auch Matthias LEMPART, Der Breslauer Domvikar und Jugendseelsorger Gerhard Moschner als Organisator der vertriebenen katholischen Schlesier. Ostfildern 2001, S. 96-107.

312

Abschnitt IV

nen Verwirrung und Unsicherheit auslöste. Von daher sah sich Kruschina genötigt, zur kirchlichen Neuordnung der Gebiete jenseits von Oder und Neiße ein offenes Wort in ernster Sache zu formulieren.100 Die Argumente dieses offenen Wortes sind signifikant und symptomatisch. Der Warschauer Vertrag, mit dem die Gebiete jenseits der Oder und Neiße Ausland geworden sind, wird als zwielichtig bezeichnet, schillernd zwischen Gewaltverzicht und Grenzvertrag denn die Unantastbarkeit der polnischen Westgrenze sei mit diesem Vertrag garantiert. Daran ändere weder der Friedensvertragsvorbehalt noch die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 1972 etwas. Die Enttäuschung der katholischen Vertriebenen entspringe nicht zuletzt der Tatsache, dass der Vatikan sich in seinem Vorgehen, die Diözesanverhältnisse in diesen Gebieten neu zu ordnen, von polnischer Seite seit Jahren habe unter massiven Druck setzen lassen und( dann) alte vatikanische Gepflogenheiten über Bord geworfen habe, nämlich echte Friedensgrenzen abzuwarten und dann erst neue Umschreibungen von Diözesangrenzen vorzunehmen. Entgegen vielfachen Beteuerungen habe die vatikanische Diplomatie die Neuordnung nicht allmählich und im Kontakt mit allen Beteiligten vorgenommen, sondern unerwartet schnell. Der Vatikan erklärte, dass die Neuordnung erfolgt sei, um für die neun Millionen polnischer Katholiken in den jetzt polnischen Gebieten die Seelsorge zu sichern. So formulierte Kruschina ganz deutlich, dass der Unmut der Heimatvertriebenen, ihrer Verbände und Sprecher sich gegen die Methoden vatikanischer Ostpolitik wende. Die Absicht, die Situation der Kirche in den Ostblockstaaten zu verbessern, sei an sich gerecht. Die Frage aber sei, ob man sich deswegen zu weitgehenden Konzessionen und zur Anpassung bereit erklären müsse, denn genau diese Politik habe weder in der Tschechoslowakei noch in Ungarn noch in Jugoslawien gefruchtet. Es stehe nun zu befürchten, dass es in Polen nicht anders verlaufen werde. „Solche Vorleistungspolitik hat bisher im staatlichen und kirchlichen Bereich eher zu einer Stärkung der bolschewistischen Vormachtstellung und zur Festigung von Verhältnissen geführt, die durch Macht und Diktat geschaffen worden sind. Solche Politik beruht auf einer Fehleinschätzung der östlichen Verhandlungspartner. Die katholischen Heimatvertriebenen wünschen trotz leidvoller Vergangenheit der Kirche Polens, die heute eine Kirche unter dem Kreuz ist, jede Stärkung und Erleichterung und sind zu echter Versöhnung mit dem polnischen Volk immer bereit.“101 Aber auch die katholischen Heimatvertriebenen sähen die Defizite hauptsächlich in der Vorgehensweise: Die Deutsche Bischofskonferenz, der Flüchtlingsbischof, die Ostordinarien und der katholische Flüchtlingsrat seien zu spät über die Vorgänge informiert und die Gründe der Veränderungen zu wenig interpretiert worden. Zudem sei die religiöse Obhutspflicht der Kirche gegenüber den in den Ostgebieten verbliebenen deutschen Katholiken zu wenig wahrgenommen worden. „Die katholischen Heimatvertriebenen bedauern, dass bei allen Erklärungen kein Wort gesagt wurde zum Verbrechen der Vertreibung der Deutschen aus diesen Gebieten. Immer wieder 100 101

2 S. masch., DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina. 2 S. masch., DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, S. 1.

Etappen der Entwicklung Königsteins

313

muss festgestellt werden, wie Politiker und öffentliche Meinung über das Unrecht der Vertreibung und die Verletzung der Menschenrechte gleichgültig hinweggehen oder es totschweigen.“102 Es ist bezeichnend, dass auch die Ökumene in diesem Kontext eine Rolle spielte, wurde doch eigens bedauert, dass bei diesen Vorgängen der vatikanischen Ostpolitik kein klärendes Wort zu den heimatvertriebenen evangelischen Christen aus diesen Gebieten gesagt wurde, die zu allen persönlichen Verlusten nun auch den Verlust ihrer Kirche hinnehmen mussten, weil die Kirchen ihrer Herkunftsorte damit katholisiert wurden. Jedenfalls haben diese Vorgänge in den Augen Kruschinas die Notwendigkeit der Sonderseelsorge an den Vertriebenen im Westen nochmals deutlicher unterstrichen. So sei es nur konsequent, dass aus den bisherigen Kapitelsvikaren der früheren Ostdiözesen Apostolische Visitatoren bzw. an deren Stelle diese bestellt wurden.

102

2 S. masch., DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, S. 2, Punkt 7.

314

Abschnitt IV

10. Neue Modelle der Seminarerziehung im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils Zu den Umbrüchen der sechziger Jahre gehörten für Königstein keineswegs nur die nachhaltige Diskussion um die EKD-Denkschrift und der sich anbahnende Studentenprotest, sondern auch die verschiedenen Themenfelder, die im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgeworfen worden waren – vorrangig die Frage um die Form der Priesterausbildung. In diesem Kontext ist eine Denkschrift von Stefan Kruschina zu lesen, der seine Erwägungen zur damaligen Form der Priesterausbildung an den Paderborner Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger adressierte.103 Grundsätzlich war für Kruschina die Forderung nach einer harmonischen Einheit, nach einem unbedingten Zusammenklang zwischen theologisch-wissenschaftlicher und geistlicher Bildung und Ausbildung der Priesteramtskandidaten fundamental. Grundoption müsse dabei der Primat der Seelsorge sein, und zwar für alle Kandidaten, auch für diejenigen, die später für Sonderaufgaben eingesetzt werden. Auch diejenigen, die später in der Pfarrseelsorge wirken sollten, müssten eine vollgültige theologisch-wissenschaftliche Ausbildung erfahren. So der Pastoraltheologe von Königstein, der dies natürlich dementsprechend auch für den Studienbetrieb an der eigenen Institution(forderte und) als selbstverständlich voraussetzte. Kruschina sprach sich gegen eine scharfe zeitliche Trennung zwischen wissenschaftlicher Ausbildung in den eher profanwissenschaftlich orientierten Fächern, z.B. der reinen Philosophie und der eigentlichen Theologie, auf der einen Seite und der geistig-asketischen Bildung auf der anderen Seite aus. Der Priesterkandidat brauche die Erfahrung der Welt und ihrer Gegebenheiten, aber ebenso brauche er zur gleichen Zeit und möglichst in der gleichen Intensität das Bewusstsein und die Erfahrung, wie auch die Verantwortung für das Heil.104 Entscheidend seien das zeitliche Nebeneinander und Miteinander der philosophischen und theologischen Vorlesungen in der Priesterausbildung und der vorgeschlagene theologische Grundkurs. In der philosophisch-theologischen Hochschule in Königstein sei diese Gleichzeitigkeit in Anlehnung an die Erfahrungen in den verschiedenen priesterlich-theologischen Bildungsstätten des Ostens bisher weithin schon gegeben. Bereits beginnend mit dem ersten Semester waren neben Vorlesungen aus den verschiedenen Teilgebieten der Philosophie auch Einführungsvorlesungen über ausgewählte Kapitel der Aszetik und der Fundamentaltheologie etc. gehalten worden. Geplant war nun, diese noch zu erweitern durch Vorlesungen in der Liturgiewissenschaft und sehr bald sollten im Studienverlauf Vorlesungen in Kirchengeschichte und Einführungsvorlesungen in den 103 104

Schreiben Kruschinas vom 9. April 1966 an Lorenz Kardinal Jaeger, 6 S. masch., DAR, AKZ.8/1991 Nachlass Kruschina. Ebd., S. 2.

Etappen der Entwicklung Königsteins

315

Bibelwissenschaften folgen. Obwohl man auch in diesem Punkt gute Erfahrungen aus dem Osten mitgebracht hatte, fehlten bisher weitere Philosophie-Vorlesungen in den höheren Semestern, und zwar aus dem praktischen Grund, dass das Abschlussexamen in Philosophie bereits nach dem vierten Semester abgelegt wurde. Eine gewisse Kompensation entdeckte Kruschina in den Vorlesungen über Fragen der Ostphilosophie. Als besondere Ergänzung der theologisch-wissenschaftlichen Ausbildung wurden Vorlesungen in Aszetik gehalten. Auch in dem Memorandum unterstrich Kruschina die Besonderheit des Königsteiner Seminars und der Hochschule in der theologisch-wissenschaftlichen wie auch der seelsorgerlich-missionarischen Ausrichtung auf Themen im Osten, wobei nicht der Rückblick auf die östliche Vergangenheit ausschlaggebend war, sondern die Fokussierung auf die missionarische Bedeutung der Probleme als Aufgabe für die Zukunft.105 Für die Anerkennung bzw. Zulassung forderte Kruschina eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit, die im Anschluss auch den Weg zu einer späteren Promotion eröffnen könnte. Er verlangte eine Steigerung der wissenschaftlichen Fähigkeiten und Erkenntnisse, die – spezifisch für Königstein ausgelegt – von der Forderung nach einer gesteigerten missionarischen Bereitschaft und Verantwortlichkeit begleitet sein sollten, die sich sowohl in der wachsenden seelsorgerlichen Interessiertheit wie auch in der größeren Selbstdisziplin äußern müsste. In dieser Umbruchszeit Mitte der sechziger Jahre und in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wurde sehr viel reflektiert über Priesterbildung und -ausbildung und die Neuorientierung der Seminarerziehung. In diesem Kontext findet sich im Nachlass Kruschinas eine Reihe von Gedanken zur Neuorientierung der Seminarerziehung von Klaus Radtke. Die Grundfragen beschäftigen sich damit, welches besondere geistliche Gepräge der Priester in der aktuellen Zeit brauche, welcher Priestertyp von der Zeit gefordert werde und zweitens wie die Situation des jungen Menschen aussieht, der als Priesterkandidat in das Seminar eintritt, welche Voraussetzungen er mitbringen müsse. Die zweite Frage wurde mit den gängigen pauschalen Vorurteilen und Verdächtigungen pessimistischer Zeitdiagnostiker beantwortet: Der junge Mensch (komme mit keinem) habe zunächst keinen fest fundierten Glauben, selbst die Kenntnis wichtiger Glaubenswahrheiten sei häufig kaum vorhanden und die allgemeine Verweichlichung und Bequemlichkeit der seinerzeitigen Generation komme hinzu.106 Das Bildungsni-

105

106

Konkret wird auf folgende Veranstaltungen in den Vorlesungsverzeichnissen hingewiesen: Philosophie des Ostens, Entwicklungsgesetze der Gesellschaft im historischen Materialismus, ein Seminar Antireligiöse Publikationen im Ostblock, dann im Kontext der Kirchengeschichte die Diözesankunde der Sudetenländer, Diözesankunde Schlesiens, Diözesankunde in Nordostdeutschlands, Einführung in die Byzantinische Liturgie, Liturgie und Ikonographie der Hochfeste des byzantinischen Ritus, ekklesiologische und dogmatische Probleme in der Orthodoxen Theologie, Strukturen der Ostkirchen und ihre Entstehung und Sprachkurse in slawischen Sprachen. Klaus RADTKE, Gedanken zur Neuorientierung der Seminarerziehung, Februar 1966 in DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, 8 S. masch.

316

Abschnitt IV

veau sei gesunken, die Autoritätsfeindlichkeit gestiegen etc. Alle diese Defizite müsse die Seminarerziehung auszugleichen versuchen. Wie sollte man nun dieses Ziel erreichen? Nach Radtke, indem man möglichst viele Parallelen zur Familie herstellt – echtes Familienleben in einer überschaubaren Gemeinschaft, wo sich alle Beteiligten gegenseitig erziehen, präziser: die Geschwister untereinander und die Eltern die Kinder. Von daher entsteht schnell die Forderung, dass auch die Seminargemeinschaft in Königstein in kleinere familiäre Gemeinschaften unterteilt werden sollte. Angestrebt wurde damit eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. „Unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die geistliche Betreuung würde die Seminargemeinschaft in drei Gruppen zu untergliedern sein. Diese Dreiteilung legen auch die natürlichen Wohnverhältnisse des Hauses nahe, die unsere Gemeinschaft ohnehin in drei in sich abgeschlossene Wohngemeinschaften unterteilt.“107 Zusammengefasst werden sollten also das erste bis dritte Semester in der Wohnung im zweiten Stock, das vierte bis siebte Semester in der Wohnung im dritten Stock auf der Nordseite und schließlich das achte bis zehnte Semester in der Wohnung im dritten Stock auf der Südseite. Der Lebensraum jeder dieser drei Familien sollte möglichst geschlossen bleiben, gegebenenfalls auch räumlich abgetrennt. Die Familien sollten einen geistlichen Betreuer erhalten, der sich im Geiste wahrer Brüderlichkeit als ein erfahrener Konfrater, Freund, um das geistliche Wachstum der Familie und jedes einzelnen Familienmitgliedes sorgen sollte. So sollte ein Teil der bisher gängigen abendlichen Aszetikvorlesungen ersetzt werden durch ein Conveniat, wo die echte Bruderliebe und auch die correctio fraterna gefördert werden könnten. Dieses Conveniat müsse das Zusammensein der Familie bedeuten, also auch gesellschaftliche und gemeinschaftsbildende Funktionen erfüllen. Der geistliche Betreuer (werde)solle darüber hinaus auch häufig das persönliche Gespräch suchen, auch selbst initiativ werden und nicht warten, bis er aufgesucht wird. Die geringe Zahl der ihm Anvertrauten müsse ein besonderes Einfühlungsvermögen für die Einzelnen ermöglichen. Hauptziel der ersten Stufe der ersten Familie müsse es sein, den Glauben zu vertiefen und lebendig zu machen, teils durch entsprechende Vorlesungen an der Hochschule, vor allem in der Fundamentaltheologie und den anderen Einführungswissenschaften, teils durch Begleitung und Anleitung zur Schriftlesung, teils auch durch eine Art Supervision. Die zweite Familie würde das vierte bis siebte Semester umfassen. Sie habe einige grundsätzliche Probleme zu bewältigen, nämlich vor allem, die Brüche, die das Außenstudium mit sich bringe, zu integrieren. Konkret sollte das bedeuten, dass sich der Student im vierten Semester verhältnismäßig fest im Seminar eingelebt und die Seminarordnung zur persönlichen Lebensordnung gemacht habe. Dann kommt die Unterbrechung im fünften und sechsten Semester. Die Studenten des siebten Semesters sind gerade von den Außenstudien zurückgekehrt, oft mit Erfahrungen, die es schwer für sie machten, die auf der Seminarordnung aufgebaute Lebensform durchzuhalten. Sie

107

Ebd., S. 2.

Etappen der Entwicklung Königsteins

317

mussten sich von den Äußerlichkeiten der Seminarordnung trennen und hätten sich weitgehend eine persönliche Lebensordnung aufgebaut, die nun bei der Rückkehr wieder in die Hausordnung integriert werden müsse. Daher müsse es Ziel dieser Familie sein, zum einen das vierte Semester wirksam auf das Außenstudium vorzubereiten und zum anderen das siebte Semester in der Verarbeitung der Erfahrungen im Außenstudium zu begleiten. „Wenn sie dann mit dem achten Semester in die neue Familie eintreten, sollte der Aufruhr in ihrem Inneren, den das Außenstudium hervorgerufen hat, weitgehend abgeklungen sein. Das Ziel dieser Entwicklungsphase könnte etwa umschrieben werden als Integration der geistlichen Hilfsmittel und einer geistlichen Tagesordnung in das eigene Leben entsprechend der jeweiligen persönlichen Eigenart.“108 Die dritte Familie werde gebildet von im Glauben gefestigten Theologen, durchdrungen von die Idee der Nachfolge Christi und dem Anspruch des christlichen Apostolates. Eine Zeit der Bewährung wurde sie genannt; kritische Selbstprüfung sei dafür erforderlich, der geistliche Vater werde immer mehr zum erfahrenen Konfrater. Er wirke auf eine Vertiefung der Frömmigkeit hin. Im Vordergrund müsse die spezielle priesterliche Frömmigkeit stehen. Die Bedeutung des Priestertums werde in dieser Phase immer stärker erarbeitet und in das Leben integriert. Parallel dazu würden Veranstaltungen an der Hochschule, die Pastoralvorlesung, die Liturgievorlesung, angeboten, die entsprechend im geistlichen Leben ausgewertet werden sollten. „Gegen eine Trennung der Seminargemeinschaft in drei Familien könnte leicht eingewandt werden, dass dadurch die gute Gemeinschaft, als die gerade unser Seminar immer bezeichnet wird, zerbrochen würde.“109 Dieses Gegenargument behandelte Radtke folgendermaßen: Die Qualität der Seminargemeinschaft sei aktuell, also Mitte der sechziger Jahre, nicht mehr die, die sie noch vor wenigen Jahren gewesen war. Das brüderliche Zusammenstehen gehe immer stärker zurück. Wirkliche Kontakte bildeten sich nur noch in kleineren Gruppen auf der Basis weniger Studenten, die zum Teil exklusive Tendenz aufwiesen. Dieser Separierung sollte durch die Familien entgegengewirkt werden. Die engere Bindung in kleinere Gemeinschaften sollte zu einer fortschreitenden Selbstbindung durch die Erkenntnis des Ziels führen. Die Motivation komme also stärker vom Einzelnen und damit ließe sich die strenge Hausordnung zumindest teilweise und schrittweise abbauen. Ausschreitungen seien wegen der engen persönlichen Beziehung zum Geistlichen Vater weniger zu befürchten als bei der derzeitigen Methode: also Einsicht statt Vorschrift sollte das künftige Motto lauten. Wie weit konnte Königstein solche Entwicklungen und Neuakzentuierungen aufgreifen? „Die Hauptaufgabe in der Verwirklichung dieses vorgeschlagenen Weges fällt den geistlichen Betreuern zu. Da eine Trennung des forum externum vom forum internum eine rein logische, aber keineswegs eine tatsächlich vollziehbare ist, fällt ihnen neben der oben ausgeführten geistlichen Leitung auch die Aufgabe des Disziplinarvorgesetzten zu. Ihre Stellung entspricht ganz der des natürlichen Erziehers in der

108 109

Ebd., S. 5. Ebd., S. 6.

318

Abschnitt IV

Familie.“110 Mit dem ausführlichen Plan wurde das neue Bild des Erziehers mit veränderten Methoden gezeichnet, das so offensichtlich nicht praktiziert wurde – bis dahin. Dieses Prinzip schwächte eindeutig die Stellung des Regens, der im neuen Kontext viel stärker zentrale Aufgaben des Koordinators übernehmen sollte, ggf. auch die geistliche Betreuung einer Familie. Das Amt des Spirituals in seinem bisherigen Umfang würde entfallen. Die geistlichen Väter der jeweiligen Familie sollten engste Beziehungen untereinander pflegen und ihre Ausbildungskonzeption abstimmen, um eine konsequent homogene Linie in der geistlichen Bildung zu gewährleisten. Auf welche Reaktionen mussten solche Vorschläge bei der autoritären Leitung stoßen, die Königstein vom Gymnasium über das Konvikt bis hin zum Alumnat und zur Gesamtleitung unter Kindermann prägte? Ein Beispiel sind die markanten Notizen, die Stefan Kruschina nach einem Gespräch mit Kindermann formulierte. Kruschina reagierte auf die neu vorgeschlagene Hausordnung, die er nicht unterschreiben könne, weil ihr jede Übersicht über das Verhalten des Einzelnen fehle. Sollten diese Forderungen angenommen werden, dann sei jede wirkliche Ordnung und Leistung in Frage gestellt. Die reifliche Überlegung des Einzelnen sei keinerlei Gewähr auch nur für ein annähernd charaktervolles Verhalten. Noch viel weniger für ein den Voraussetzungen des Seminars und der Vorbereitung auf den Priesterstand entsprechendes Verhalten, wo doch gerade in der aktuellen Zeit mit dem Wort ein bodenloser Unfug getrieben werde. Noch einmal und stärker unterstrich er: „Ich kann und werde diese Ordnung nicht unterschreiben. Sollte sie eingeführt werden, dann ohne mich.“ Er schloss mit der Drohung, mit Ende des Semesters das Amt des Regens niederzulegen und die Wohnung im Seminargebäude zu räumen. Auch die weitere Wahrnehmung der Aufgaben des Dozenten stellte Kruschina in Frage.111 Zur Debatte stand der Vorschlag einer neuen Hausordnung, die am 11. November 1968 von den Senioren der jeweiligen Semester in einer gemeinsamen Konferenz mit Kindermann und den Professoren Janko und Kroker sowie den Dozenten Reinelt und Hampel aufgestellt worden waren. Bei der Abfassung der Hausordnung, so die Niederschrift, ließen sich alle Beteiligten von der Überlegung leiten, dass ein Zusammenleben in einer Gemeinschaft durchaus einer Ordnung bedürfe, diese Ordnung aber die besonderen Gegebenheiten und Zeitumstände weitgehend berücksichtigen müsse. Die Hausordnung zeichne sich also durch eine gewisse Flexibilität aus. Freilich stelle sie damit an den Einzelnen höchste Anforderungen bzgl. Rücksichtnahme, Mit- und Eigenverantwortung. Gerade in diesem Punkt stellte Kruschina die Fähigkeit der Alumnen in Frage. Ein zweiter Punkt hielt die Erfordernisse der Rücksichtnahme aufeinander fest, z.B. pünktliches Erscheinen zu gemeinsamen Veranstaltungen. Die Aufgaben, die die Gemeinschaft an den Einzelnen stellt, sollten pünktlich und gewissenhaft erfüllt werden, bestimmte Zeiten der Ruhe eingehalten werden etc.112

110 111 112

Ebd., S. 8. DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, 1 S. masch., Gesprächsnotiz vom 6. Januar 1969. DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina.

Etappen der Entwicklung Königsteins

319

11. Weitere Verschärfung der prekären Finanzlage zu Beginn der 70er-Jahre Zukunftspläne konnten nicht zuletzt deswegen nicht realisiert werden, weil die Finanzmittel ständig fehlten. Ein großer Teil der Kräfte wurde pragmatisch für das nötigste Stopfen der Löcher verwendet. Notwendige Investitionen und Maßnahmen zur Bestandserhaltung wurden nicht selten wegen der fehlenden Mittel verschoben. Dem Albertus-Magnus-Kolleg wurde in einem Prüfungsbericht der Konferenz der Caritasverbände von 1970 bereits Krisenanfälligkeit attestiert. Es war 1969 ein Verlust von 300.000,- DM zu verzeichnen, der zur Hälfte durch den Zuschuss der Diözese gedeckt wurde. Für die kommenden Jahre wurde ein weiterer Rückgang der Spenden prognostiziert, die bei Aufrechterhaltung des Priesterseminars voll von diesem aufgezehrt werden würden (in Anspruch genommen werden müssten). Das Fazit musste also lauten, dass das AMK in den späteren Jahren ohne laufende Zuschüsse nicht auskommen werde, wenn es nicht gelinge, im Gymnasium die Klassenfrequenz zu erhöhen. Man könne nicht uferlos das Schulgeld erhöhen, da der Sozialcharakter der Schule darunter leide. Der eine Risikofaktor war demnach die Schule, der zweite das Priesterseminar. Die Seminaristen seien auf 40 Ausländer abgesunken, so das Hauptargument für die deutliche Formulierung der Frage, ob das Priesterseminar auf Dauer zu halten sei. Die Spenden von 240.000,- DM würden für das Priesterseminar voll aufgebraucht. Von daher rührte der unüberhörbare Vorschlag, interne Planungen baldmöglichst anzusetzen, um eine in die Zukunft weisende, tragfähige Konzeption zu entwickeln. Hier wurde von einer Verwendung des Priesterseminars als Studentenwohnheim oder als Altenheim gesprochen. „Eine längere Hinausschiebung dürfte auf die Dauer nicht mehr zu verantworten sein.“ Doch der Vorlesungsbetrieb der Hochschule wurde noch über sieben Jahre hinweg aufrechterhalten. Positiv präsentierte Kindermann 1969 den Anstieg der Hörerzahl an der Philosophisch-Theologischen Hochschule, nicht zuletzt durch den Zuzug von 18 Kroaten. Das Seminar habe damit seine Eigennote als missionarisches Seminar für den Osten unterstreichen können.113 Wenn auch Kindermann einen Anstieg der Hörer begrüßte, so wies doch das Gutachten der Konferenz der Caritasverbände über die Wirtschaftlichkeit mit Recht darauf hin, dass ein derartiges Priesterseminar wie die Philosophisch-Theologische Hochschule schlecht ausgenützt würden. Bei etwa 50 Theologiestudenten entfielen in den Jahren 1966/67 nur noch 2,5 Seminaristen auf einen Professor. Das veränderte sich zwar im Sommersemester 1968 mit einem Anwachsen der Theologiestudentenzahl auf 80, der Anstieg aber war weitgehend dem Zugang jugoslawischer Studenten zuzurechnen. Damit veränderte sich der Charakter der Phi113

Jahresbericht 1967 vom 20. April 1967 bis 29. März 1968, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, 2 S. masch.

320

Abschnitt IV

losophisch-Theologischen Hochschule in Königstein von einem Priesterseminar der Vertriebenen zu einem Seminar der Ausländerkirche. Kindermann bezeichnete dies als missionarischen Zug. Kindermann hatte sich auch 1972 mit der prekären finanziellen Lage des AlbertusMagnus-Kollegs Königstein plagen müssen. Er bezeichnete sie in einem Brandbrief an das Bischöfliche Ordinariat in Limburg am 11. August 1972 als ernsthaft gefährdet. Das Jahr 1971 schloss mit einem Fehlbetrag von 56.000 DM. So errechnete Kindermann nicht zuletzt mit Blick auf den Einzugsbereich der Bischof-Neumann-Schule einen Finanzbedarf für 1972 von 423.000 DM.114 So erbat Kindermann in der von ihm selbst als ernst bezeichneten Lage von der Diözese Limburg einen Zuschuss von über 400.000,- DM.115 Die Probleme waren aus dem Rückgang der Zeitschriftenauflagen, und damit auch der Spenden, erwachsen. Dies wurde auch auf der Ordentlichen Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kolleg e.V. am 19. Juni 1972 angesprochen.116 Die Hochschule brauchte nicht zuletzt deshalb große Summen, weil sie deutlich unterbelegt war. Das Ordinariat reagierte zurückhaltend. Es sicherte mit Schreiben vom 29. August 1972 einen Zuschuss zu den Betriebskosten der Bischof-NeumannSchule durcheine Abschlagszahlung in Höhe von 100.000;- DM zu. In welcher Höhe weitere Zahlungen für das laufende Jahr 1972 möglich seien, hänge zum einen davon ab, was der Diözesanhaushalt noch an Mitteln hergeben könne, zum anderen aber auch von einer Überprüfung und Weiterentwicklung der finanziellen Situation der Bischof-Neumann-Schule.117 Bereits in der Mitgliederversammlung von 1970 wies die Finanzkalkulation einen Fehlbetrag von über 147.000,- DM aus. Gleichzeitig wurde angemahnt, das Professorengehalt zumindest an die Pfarrbesoldung anzugleichen. 1970 zählte die Hochschule insgesamt 47 Studenten, davon waren 38 im Haus, vier außerhalb, vier im Außensemester und einer beurlaubt. Dazu kam eine Gasthörerin. Kruschina brachte im Januar 1974 einen kommentierenden Bericht zur allgemeinen Finanzlage in Königstein heraus, wohl um seine Einschätzung beim Antritt des Vorstandsamtes zu dokumentieren und die Lücken und Mängel der Ära Kindermann aufzuzeigen. Er wies auf ausgeglichene Etatposten wie die Schule hin die in Wirklichkeit nicht so günstig ausfielen, wie sie projektiert waren. Dies führte er auf Gehaltserhöhungen, nicht berücksichtigte Weihnachtszulagen, eine nicht vorgesehene Nachzahlung für (die) Jahreswochenstunden etc zurück. Er wies darauf hin, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk ein Darlehen zum Bau der Schule in Höhe von fast 1 Mio. DM zur Verfügung gestellt hatte, das im Etat der Schule aber nicht aufgeführt

114 115 116 117

Kindermann an das Bischöfliche Ordinariat vom 11. August 1972, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1. Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, Brief vom 11. August 1972, Kindermann an das Bischöfliche Ordinariat. Das Protokoll Diözesanarchiv Limburg, 16A/1 vom 19. Juni 1972. Ordinariat an den Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs e.V., Diözesanarchiv Limburg, 16A/1 vom 29. August 1972.

Etappen der Entwicklung Königsteins

321

wurde. Auch die Zinsschuld sei nicht aufgeführt worden, die nach Einschätzung Kruschinas bereits auf die Hunderttausend zuging. Andererseits seien aus Mitteln der Diözese Limburg 10.000,- DM für die Renovierung der Kollegskirche zur Verfügung gestellt worden, die Renovierungsarbeiten aber etatmäßig nicht erfasst worden.118 Zwei zentrale Kritikpunkte in der Stellungnahme Kruschinas betrafen die Lehrstühle: zum einen beklagte er viel zu geringe Sachmittel für die einzelnen Lehrstühle: Pro Lehrstuhl standen nur 200,- DM pro Jahr für Fachliteratur und Zeitschriften zur Verfügung. Kruschina selbst musste jedes Jahr mehrere Tausend DM aus eigenen Mitteln für die notwendige Fachliteratur aufwenden. Der zweite Kritikpunkt bezog sich auf die Besoldung der Professoren, die bis Ende 1970 nach Vereinbarung besoldet waren, wobei die Höhe nicht einheitlich war. Sie lag ca. 30 bis 40 % unter dem durchschnittlichen Gehalt der Pfarrer, wie Kruschina selbst bei Antritt des Regensamtes noch erfahren habe. Erst mit Beginn des Jahres 1971 wurde bei Kindermann die Zustimmung zur Angleichung an das Pfarrergehalt erreicht – eine Regelung, wie sie auch 1974 weitgehend noch bestand. Dabei erfolgte die Berechnung nach der Limburger Tabelle der Pfarrerbesoldung. Diese besagte, dass auf diejenigen Herren, die im Hause wohnten und verpflegt wurden, der Satz der Geistlichen ohne eigenen Haushalt und auf diejenigen, die auswärts wohnten und einen eigenen Haushalt führten, die allgemeine Tabelle angewendet wurde. Ungeklärt war bei einigen jedoch nach wie vor die Frage der Altersversorgung.

118

Vgl. diesen Bericht im Umfang von 3 S. Maschinenschrift, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3299.

322

Abschnitt IV

12. Blockaden in den letzten Jahren unter Kindermanns Leitung 1969-1974

12.1. Finanzielle Engpässe und Missstände Zugespitzt hatte sich die bedrängende, konfliktive Situation in Königstein in den letzten fünf Jahren Kindermanns, also etwa zwischen 1969 und 1974. Kindermann war nach Aussage vieler Stimmen kommunikationsunfähig in der Leitung des AMK und des HdB. Die Vorstandsmitglieder wurden nicht informiert, geschweige denn in Entscheidungen miteinbezogen. Es wurde kein ordentlicher Haushalt mehr aufgestellt. Der Umgangston wurde zunehmend ruppig und verletzend. Kindermann war bereits von seiner Krankheit gezeichnet, sein traditionell autoritärer Führungsstil wurde dabei immer diktatorischer. Misstrauen, unbegründete Verdächtigungen, tatsächliche oder eingebildete Verletzungen und einsame Alleingänge, höchstens abgesprochen mit der „Generalvikarin“ Paula Schetka, vergifteten die Atmosphäre. Unter diesen Vorzeichen war es weder möglich, die Finanzen in Ordnung zu bringen noch, die Atmosphäre in Hochschule und Priesterseminar oder gar an Schule und Konvikt zu verbessern.119 Die Vorstandsmitglieder bedauerten, dass es

119

Ein Beispiel für die Äußerung des lange aufgestauten Unmutes ist der Bericht über die erweiterte Vorstandssitzung vom Herbst 1973. Da heißt es unter dem Tagesordnungspunkt 2: „Dass Dr. Reiß den Tätigkeitsbericht nur unter Protest vortrug, ist sehr bezeichnend für die gesamte Lage. Er erklärte: „Ich finde es ungebührlich, einen Bericht vorzutragen, an dessen Zustandekommen ich nicht mitwirken konnte.“ Der Tätigkeitsbericht ist äußerst „mager“. Wenn unsere Gemeinschaft nicht mehr zustande bringt, als dort erwähnt wurde, ist sehr viel nicht in Ordnung…“ (DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, Bericht über die erweiterte Vorstandssitzung (Herbst 1973), 5 S. masch., Zitat S. 1). – Aber nicht nur Reiß klagte, auch Kruschina. Das wird deutlich unter TOP 5: „Dr. Kruschina trug einen Bericht über die Art und Weise der Zusammenarbeit im Vorstand und in der Leitung des SPW vor. Er wies darauf hin, dass vor zwei Jahren bei der Wahl des Vorstandes (5. August 1971) bereits verschiedene Schwierigkeiten sichtbar geworden waren. Dass der Leiter dem neu gewählten Vorstand vierzehntägige Sitzungen in Aussicht gestellt hatte. In Wirklichkeit war seither eine einzige richtige Vorstandssitzung am 10. bis 11. Februar 1972; zweimal waren sogenannte „erweiterte Vorstandssitzungen“, wobei freilich an der zweiten Sitzung niemand vom eigentlichen Vorstand teilnehmen konnte, weil die Mitteilung zu spät erfolgte und weil der Termin mit alljährlichen Semesterprüfungen an der Hochschule zusammenfiel; zu der am 23. Juli 1973 angesetzten Sitzung wurden die Vorstandsmitglieder Dr. Janko und Dr. Kruschina erst genau fünf Minuten vor dem angesetzten Termin fernmündlich eingeladen (in Schneidhain und Seelenberg). Dr. Reiß war schon gegen 12.00 Uhr eingeladen worden; es lag keine Tagesordnung vor und für die gleiche Zeit war bereits seit längerer Zeit die Vorstandssitzung und die Mitgliederversammlung des Instituts angesetzt und musste daher gehalten werden! Bei dieser Vorstandssitzung erhielten die Vorstandsmitglieder trotz wiederhol-

Etappen der Entwicklung Königsteins

323

schon lange kein sachliches Gespräch mit dem Leiter mehr gegeben habe. Der Leiter vermeide das Zusammentreffen und belege seine Mitarbeiter im Vorstand mit Schimpfworten, so klagten sie. Bezeichnend ist aber auch, dass die Mitgliederversammlung nicht bereit war, hier eine Lösung herbeizuführen. Offensichtlich wollte man die Autorität des Gründers und Leiters nicht angreifen, denn Kruschina bat um eine Stellungnahme, wie in dieser Atmosphäre die Zusammenarbeit weitergehen solle. Das Protokoll vermerkt hier: „Die folgende Diskussion ergab keine Antwort.“ Zweifelsohne musste sich hier besonders nachteilig auswirken, dass Kindermann in unterschiedlichsten Gremien, Organisationen und Vereinen an führender Stelle tätig war. So war auch die Atmosphäre im Sudetendeutschen Priesterwerk entsprechend angespannt bis vergiftet.120

120

ter bohrender Fragen keinerlei Angaben über das Finanzgebaren, den Kassastand oder den Voranschlag; sie wurden mit unwillig gegebenen allgemeinen Bemerkungen abgefertigt, ohne Nennung irgendeiner Zahl.“ – Die Vorstandsmitglieder hatten mehrere Male (am 30. März 1973 und am 6. Mai 1973) schriftlich um die Einberufung einer Vorstandssitzung gebeten, weil wichtige Anliegen zu behandeln waren (Sudetendeutscher Tag in München, Hauptversammlung); ein Programm für diese Sitzung war schriftlich vorgeschlagen. Sie erhielten weder eine Antwort, noch wurde eine Sitzung anberaumt. – Die Vorstandsmitglieder wurden bei der Vergabe von Studienbeihilfen weder gefragt, noch informiert – trotz mehrmaligem Drängen und Nachfragen. Die Vergabe von Beihilfen an Schüler erfolgte gegen begründete Gutachten (Ablehnungen) des Konviktsdirektors Siewek – der ebenfalls keine Antwort erhielt. – Dr. Kruschina fragte an, warum bei der Vergabe von Räumen in unserem Haus in Königstein („Führerhaus“) an eine Getränkefirma die Vorstandsmitglieder weder gefragt, noch informiert wurden (dazu ist zu bemerken, dass in diesem Falle im Kaufvertrag die Zustimmung des Vorstandes, des AMK hätte eingeholt werden müssen – was ebenfalls nicht erfolgte). Ebenso wurde der Vorstand nicht gefragt oder informiert über die Neueinrichtung eines Sitzungssaales in diesem Hause – von welcher der Leiter vorher dem Plenum berichtet hatte: „davon wusste niemand etwas…“ Als besonders gravierendes Ereignis berichtete Dr. Kruschina über die Vorgänge beim Sudetendeutschen Tag in München. Dr. Reiß und Dr. Kruschina trafen den Herrn Weihbischof nach einer Veranstaltung im Vorsaal der Bayernhalle. Nach der Begrüßung fragte Dr. Reiß: „Herr Weihbischof, meinen Sie nicht, dass es gut wäre, wenn wir heute Nachmittag zu einer kurzen Besprechung über den Verlauf des morgigen Gottesdienstes zusammenkommen könnten?“ Daraufhin schrie der Weihbischof die beiden in einer Lautstärke an, dass trotz des Lärms der Tausende von Menschen, sich ein großer Kreis erschreckt zuwandte und zuhörte: „Ihr seid die Intriganten, die gegen mich arbeiten und mir überall Schwierigkeiten machen. Von Euch kommen die vielen anonymen Briefe.“ – Nach der Vorstandssitzung am 23. Juli wurde versucht, im persönlichen Gespräch diese Angelegenheiten zu bereinigen. Vor allem aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Herrn Weihbischofs. Ohne Erfolg, denn es gab nur eine Wiederholung der Vorwürfe gegen die beiden. (Erweiterte Vorstandssitzung vom Herbst 1973, S. 3f.). „Gegen Ende der Priestertagung am Donnerstag, den 26. 7. abends war im Programm vorgesehen: „Feier mit unseren Jubilaren“. Der Herr Weihbischof begann mit einer breiten Werbung für die Buchhandlung. Anfänglich mit der Begründung, der Reingewinn falle dem Priesterhilfswerk zu, dann stellte er fest, die Buchhandlung erbringe keinen Reingewinn, aber durch die hohe Miete unterstütze sie das Hilfswerk. Richtig ist: von der Buchhandlung wird kein Pfennig an Miete an das AMK gezahlt. Anschließend folgte eine Werbung für die Romwallfahrt im September – durch dreiviertel Stunden. So bald einer der Anwesenden auch nur hustete, unterbrach der Leiter und fixierte den „Übeltäter“ mit finsteren Blicken. Es war eine grausame Stimmung. Alle saßen mit gesenkten Köpfen da. Als einer der Anwesenden nach mehr als dreiviertel Stunden wagte,

324

Abschnitt IV

Ebenso desolat war die Situation im Haus der Begegnung. Es wurde beklagt, dass die Plätze nicht ausreichten für Tagungsgäste, dass das Frühstück morgens nicht gerichtet sei, dass die Organisation der Zimmerbelegung nicht gelang, dass die Mitarbeiter nicht fristgerecht entlohnt würden und dem Leiter von den ihn umgebenden Damen vorgegaukelt wurde, dass alles normal und er voll leistungsfähig sei. Signale, wie (der Abgang)das Ausscheiden des Verwalters Heinzdieter Schleupner, wurden nicht ernst genommen. Vorstandskollegen, wie etwa Reiß, mahnten das schlechte Klima an, beklagten sich über die Alleingänge des Weihbischofs und seine Behandlung der Mitarbeiter, machten Vorschläge für Verbesserungen und Veränderungen in Königstein. Die Jahrestagungen müssten neue Zielsetzungen und Formen bekommen. Eine engere Zusammenarbeit mit Laienorganisationen, die nicht nur als Rivalen angesehen werden dürften, wurde gewünscht, um die Zukunft des Werkes Königstein zu planen und Kindermanns Schwerpunktsetzungen zu modifizieren.121 Nach den Erlebnissen vor und beim Gottesdienst am Sudetendeutschen Tag in München an Pfingsten 1973 wurde Reiß in seiner Kritik an Kindermann noch deutlicher.122

121

122

nach der vor ihm stehenden Weinflasche zu greifen, um etwas nachzugießen, schrie ihn der Weihbischof an: „Zum Fressen und Saufen bist Du gekommen? Schau, dass Du hinauskommst! Hinaus mit Dir!“ Daraufhin stand Dr. Kruschina auf und sagte zu dem Betroffenen: „Du bleibst bitte hier bei uns. Du hast die gleichen Rechte wie alle anderen auch.“ Nun schrie der Weihbischof Dr. Kruschina an: „Schon wieder ein Ungehorsam von Dir!“ – Daraufhin erklärte Dr. Kruschina: „Der Mitbruder hat die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Es ist eine schwere Zumutung für uns alle, dass wir uns dreiviertel Stunden dieses leere Geschwätz anhören müssen und dass wir dabei noch wie geprügelte Schulbuben dasitzen sollen. Uns reicht es gründlich!“ Dann brach der Weihbischof mit dem Vortrag ab und es folgte die Ehrung der Jubilare. Die Stimmung braucht wohl nicht eigens geschildert werden.“ (Erweiterte Vorstandssitzung vom Herbst 1973, S. 4f.). Vgl. dazu wiederum beispielsweise einen Brief von Monsignore Dr. Karl Reiß vom 6. Februar 1973 an Kindermann, DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, 2 S. masch. „Es wäre höchste Zeit, Ihr großes Werk Königstein neu zu überdenken und für die Zukunft zu sichern. Viele können und wollen Ihnen nicht folgen, wenn Sie unter Hintanstellung des AKM, der Schule des Konvikts und des Seminars die Hauptkraft und einen wesentlichen Teil der Mittel dem Haus der Begegnung zuwenden. Alle, die an Ihrem Werk mitgearbeitet haben, haben ein Interesse daran, dass es erhalten bleibt und nicht zerfällt, wenn Ihre Energie einmal nicht präsent sein wird. Und noch manches wäre zu sagen. Dies aber habe ich Ihnen aus dem gegebenen Anlass geschrieben, weil leider zu einer sachlichen Aussprache schon lange keine Gelegenheit war. Sie können mich auch diesmal wieder tadeln, wie Sie es in letzter Zeit in Verkennung meiner Absichten öfter getan haben. Denken Sie daran, dass ich in 26 Jahren einer Ihrer treuesten Mitarbeiter war und wie ich mich für Ihre Person und Ihren Auftrag eingesetzt habe und was ich für Königstein gesammelt und gepredigt habe. In nachkonziliarer Zeit muss auch ein Bischof die ehrliche Kritik eines Mitbruders ertragen und darf sie nicht mit verletzenden Emotionen einfach zurückweisen.“ (ebd., S. 2). Vgl. DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, Brief Reiß an Kindermann vom 15. Juni 1973, 3 S. masch. Der Brief wurde in Abschrift auch an Kruschina und Zischek geschickt, ebenso wie an Abt Virgil Kinzel in Rohr. „Für den Gottesdienst war vorgesehen, lt. Programm die Zeit von 09.30 Uhr bis 10.30 Uhr. Lt. Programm sollte um 10.45 Uhr die Hauptkundgebung beginnen. Diese Zeit konnte deshalb nicht eingehalten werden, weil Ihre Predigt nach Angaben von Dr.

Etappen der Entwicklung Königsteins

325

Die Unzufriedenheit in der Schule spitzte sich so zu, dass sie über einen Zeitungsartikel der Frankfurter Rundschau einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde.123 Die Schüler waren verärgert über das sich immer weiter verschlechternde Essen. Speisepläne, die für die folgende Woche ausgearbeitet worden waren, wurden nicht eingehalten. Moniert wurden Schäden am Haus und am Inventar, nicht zuletzt nach dem Brand im Schülerkonvikt im November 1973. Im Winter waren teilweise die Heizungen abgestellt worden. Duschen konnte man nur außer Haus im Schwimmbad. Für die Oberstufen-Schüler gab es im Gegensatz zu Unter- und Mittelstufen-Schülern keine neuen Betten. Fragen tauchten auf, wofür das Geld ausgegeben werde. Außerdem verlangten sie ein Mitspracherecht im Internat.

123

Kruschina 38 Minuten und Kanonikus Zischek 41 Minuten dauerte. Damit brachten Sie den ganzen Gottesdienst und die Kundgebung unter Zeitdruck. Sie reden bei vielen Gelegenheiten immer wieder von diesem Gottesdienst als dem größten Gottesdienst der Bundesrepublik. Das stimmt. Der größte Gottesdienst sollte aber auch ein würdiger Gottesdienst sein. Dazu meine Kritik: Bei der Verteilung der Lesungen unmittelbar vor dem Gottesdienst erklärte sich Kruschina bereit, das Evangelium zu verkünden. Ihre Antwort: „Das geht Dich nichts an. Das ist Sache des Bischofs.“… Zur Predigt: Die Länge der Predigt war für die Tausende von Teilnehmern eine Überforderung. Zum Inhalt: An Pfingsten und bei diesem jährlichen Anlass erwarten die Gottesdienstteilnehmer eine pfingstliche und wegweisende Predigt ihres Bischofs und nicht eine Feld-, Wald- und Wiesenpredigt aus böhmischen Gauen und Stämmen von den schon alljährlich apostrophierten böhmischen, mährischen Heiligen und aus tausend Jahren böhmischer Kirchengeschichte. Den einzelnen Ruf eines Zuhörers: „Schluss machen!“ haben Sie wohl überhört. Zur Konzelebration: Den zweiten Messkanon haben Sie in solcher Hast gebetet, dass die zwölf Konzelebranten außer den Wandlungsgebeten nicht mitbeten konnten. Hunderte von Gläubigen konnten die Heilige Kommunion nicht empfangen, weil dazu die Zeit fehlte. Durch solche Rücksichtslosigkeit bringen Sie diejenigen in der Führung der sudetendeutschen Landsmannschaft in Verlegenheit, die uns gut gesonnen sind und die nach deren eigenen Worten beim Gottesdienst wie auf glühenden Kohlen saßen. Sie bestärken die Kreise, denen der Gottesdienst längst ein Dorn im Auge ist, denn das ist eine Ihrer Selbsttäuschungen, wenn Sie immer wieder behaupten, alle in der Führung des SL wären uns gut gesonnen… Wir wollen Sie nicht anklagen, sondern haben nur viel Mitleid, wie Sie in Ihrem heutigen Zustand Ihr eigenes Image und das Bild eines Bischofs überhaupt zerstören. So in der Weite unserer Volksgruppe, wo diese Vorgänge nicht durch unsere Schuld nicht verborgen bleiben. Sie müssen es Ihren eigenen Verhaltungsweisen zuschreiben, wenn Sie in Königstein selbst bei den Schülern und beim Personal an Achtung verlieren, weil der Bischof, der einmal Vater Bischof genannt werden wollte, schimpfend und brüllend durch die Anstalten geht. Mit diesen Worten zitiere ich Königsteiner Aussagen. Es ist Ihre Sache, wie Sie selbst Ihre nächsten Mitarbeiterinnen behandeln, die die besten Jahre an Ihrer Seite in letzter Treue bei allen Gelegenheiten, bei Tag und Nacht ausgehalten haben. Mit Sorge schauen wir alle in die Zukunft von Königstein. Diese Sorge teilen auch, und das weiß ich aus sicherer Quelle, die deutschen Bischöfe. Ich habe nie gegen Sie, aber immer für Sie gearbeitet und werde es auch weiter tun.“ Zu Kinzel: Virgil Kinzel (* 1. Sep. 1910 Komorau, Bez. Troppau, † 15. Dez. 1998 Mallersdorf), 2. Abt von Braunau in Rohr 1969 – 1988. Kinzel, Virgil, in: Biographia Benedictina (Benedictine Biography), Version vom 15.7.2012, URL: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Kinzel,_Virgil. Frankfurter Rundschau vom 27. März 1974, S. 12. Da schlug der geohrfeigte Oberprimaner zurück. Schlagabtausch im Albertus-Magnus-Kolleg symbolisiert schlechtes Verhältnis zwischen Schülern und Internatsleitung.

326

Abschnitt IV

Es waren die Abiturienten, die mit einer Flugblattaktion an die Öffentlichkeit gingen, weil sie nicht mehr Gefahr liefen von der Schule verwiesen zu werden. In der Schülerzeitung erschien ein zweiseitiger Artikel mit dem Titel „Vorsicht Brücke hört mit!“. Die Redaktion merkte eigens an, dass er erst nach der Durchsicht des Manuskripts durch den Direktor eingefügt worden sei und damit voll auf die Verantwortung der Schüler gehe. Die Schüler hatten berechtigte Bedenken gehabt, dass dieser Artikel der Zensur zum Opfer fallen könnte. Dabei waren die angesprochenen Punkte und die Wünsche, die geäußert werden, harmlos. Als vor allem störend empfunden hatten die Jungen die strikte Ausrichtung im Konvikt auf den Priesterberuf. Es werde zwar immer wieder unterstrichen, dass jeder die Freiheit habe, sein Berufsziel zu wählen, aber die Atmosphäre sei doch so, dass man wisse, dass diese Freiheit so nicht gegeben sei. Schließlich forderten sie eine Revision der Vorschriften und Verbote vor allem für die Oberstufe. Sie sprachen von albernen und peniblen Verboten und meinten damit vor allen Dingen das totale Fernsehverbot und das Verbot, die Stadt zu besuchen. Man wollte die Konviktisten vom „Draußen“ fernhalten, um keine Gefährdung des Priesterberufes aufkommen zu lassen. Entsprechend gab es auch keine Kooperationsmöglichkeiten mit den Schülerinnen der Ursulinen. Das Landesjugendamt Hessen schließlich hätte es gerne gesehen, wenn wegen des Mangels an pädagogischen Fachkräften das Konvikt, wie teils geplant, 1976 geschlossen worden wäre.124

12.2. Vorsichtige Versuche für einen Wechsel in der Leitung Zu den Umwälzungen am Gymnasium, die sich aufgrund veränderter demografischer Verhältnisse und aufgrund der Veränderung der Schullandschaft in Hessen einstellten, kam Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre zunehmend das gesundheitliche Problem des Leiters der Königsteiner Einrichtungen und das kontinuierliche Anwachsen der Defizite der Hochschule und später auch im Haus der Begegnung. Weiterhin musste die Hochschule mit kontinuierlich rückläufigen Hörerzahlen und damit um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Auch die Herausforderungen, mit dem chronischen Mangel an Arbeitskräften und der schlechten Organisation der vorhandenen Arbeitskräfte einhergingen, bestanden fort.

124

Schreiben des Landesjugendamtes Hessen an das Albertus-Magnus-Kolleg vom 28.10.1975 „In der Tat zeigt die Entwicklung der Einrichtung Tendenzen auf, die mich einen solchen Entschluss (Anmerkung des Autors: das Konvikt zu schließen) begrüßen lassen würden. Ich habe nicht den Eindruck, dass im derzeitigen Schwebezustand nachdrückliches Gewicht auf die Suche nach pädagogischen Fachkräften gelegt wird. Immerhin ist das leibliche, geistige und seelische Wohl von 15 Minderjährigen zwischen zehn und 15 Jahren jetzt sicherzustellen. Nachdem nun auch die Krankenschwester, Frau Albert, am 30.6.1975 ausgeschieden ist – wie ich erst jetzt der Meldung entnehme – und Herr Siewek durch bevorstehende Operation und nur verschobene Kündigung kaum mehr im Erziehungsdienst tätig sein wird, halte ich die alleinige pädagogische Betreuung durch einen im Lehramt beschäftigten Pfarrer für nicht vertretbar.“

Etappen der Entwicklung Königsteins

327

Diese Probleme wurden in einem Schreiben des damaligen Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz, Josef Homeyer125, an die Mitglieder des Arbeitsausschusses für die Königsteiner Anstalten auf den Punkt gebracht. Die Schwierigkeiten hatten zur Berufung einer eigenen Kommission seitens der Deutschen Bischofskonferenz zur Erarbeitung eines Vorschlags hinsichtlich der Zukunft der Königsteiner Anstalten geführt. Im Bischöflichen Ordinariat in Limburg wurde außerdem auf Wunsch des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz eine ausführliche Übersicht über die Entstehung und Entwicklung der Königsteiner Anstalten zusammengestellt 126 Aus einer Aktennotiz des Limburger Bischofs127 geht hervor, dass selbst der von der Deutschen Bischofskonferenz für die Betreuung der Vertriebenen beauftragte Hildesheimer Bischof Janssen Anfang 1973 den Limburger Bischof ersuchte, sich mit den zuständigen Herren, vor allen Dingen Schleupner und Karell, aufgrund der Aktenlage einen Überblick über die Strukturen der Königsteiner Anstalten zu verschaffen. Zu diesem Zeitpunkt wurde es immer drängender, die Nachfolge Kindermanns zu klären. Man tastete allerdings sehr vorsichtig und wollte offensichtlich Kindermann den Rücktritt nicht direkt nahe legen. Der Rektor der Hochschule, Anton Janko, und der Bischof-Neumann-Schule, Borucki, ebenso wie Fräulein Schetka, hatten Bischof Janssen ersucht, die Nachfolgefrage aufzuwerfen, weil die Entwicklung der Königsteiner Verhältnisse einen Rücktritt von Weihbischof Kindermann als Vorsitzenden des AMK notwendig machten. Janssen ging sehr vorsichtig vor. Er sprach mit allen Vorstandsmitgliedern als Privatpersonen, um zu hören, welche Vorschläge sie bzgl. eines Nachfolgers machen könnten, dann erst suchte er das Gespräch mit Kindermann selbst mit der Frage ob dieser bereit wäre, sich ablösen zu lassen. Schließlich sollte eine Gesamtinformation an Döpfner gehen mit der Bitte, den Bischof von Limburg zu veranlassen, als zuständige Aufsichtsbehörde aktiv zu werden. Dann erst sollte der Bischof von Limburg den

125 126

127

Josef Homeyer, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 267f. Während Kindermanns Krankheit berichtete Bischof Janssen von Hildesheim am 8. April 1974 bei der zweiten Sitzung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz über die Situation in Königstein. Als Konsequenz beauftragte der Ständige Rat das Sekretariat der Bischofskonferenz, einen Bericht über die Situation in den verschiedenen Königsteiner Einrichtungen zu verfassen und einen Vorschlag für die Zukunft dieser Einrichtungen zu erarbeiten. Das Sekretariat sollte dabei mit den Einrichtungen in Königstein Kontakt aufnehmen und kooperieren. Der Sekretär der Bischofskonferenz führte daraufhin ein Gespräch mit den zuständigen Referenten im bischöflichen Ordinariat Limburg und bat diese um eine Ausarbeitung über Entstehung, Entwicklung und Situation der Königsteiner Anstalten. So kamen die knappen 30 Seiten zur Entstehung und Entwicklung der Königsteiner Anstalten vom Juni 1976 zusammen. Eine Kommission des Bischöflichen Ordinariates Limburg, bestehend aus Weihbischof Kampe, den Ordinariatsräten Böckenförde, Lehmkuhl, Marx und Schleupner, hatten den Bericht und ein entsprechendes Votum erstellt. Zu Böckenförde: Werner Böckenförde, geb. 1928. Priesterweihe 1957 in Paderborn. 1971 bis 1981 Persönlicher Referent von Bischof Wilhelm Kempf. Von 1972 bis 1993 Leiter der Rechtsabteilung ‚Kirchliches Recht’ im bischöflichen Ordinariat Limburg. 1976 Domkapitular in Limburg. Gest. 2003. DA Limburg Priesterkartei. Vom 24. Januar 1973, Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, einseitig masch.

328

Abschnitt IV

Vorstand des AMK offiziell zu einer Sitzung einladen, die sich mit der Nachfolge für Weihbischof Kindermann im Vorsitz des AMK befassen und sich über folgende Themen beraten sollte: die Weiterexistenz oder Auflösung der Hochschule, die Weiterführung der Albertus-Schule und des Konviktes gemäß den Limburger Vorstellungen einer Verbindung mit der Ursulinenanstalt und die Struktur und den Betrieb des Hauses der Begegnung. Der Bischof von Limburg schickte seine Antwort am 28. September 1973 an den Sekretär der Bischofskonferenz mit der Bitte, die Lösung der anstehenden Probleme voranzutreiben. „Aufgrund des Beschlusses des Ständigen Rates wie auch der Vollversammlung des Verbandes wird seitens des Sekretariates im Sinne des Votums des Bischofs von Limburg empfohlen, eine Kommission zur Erarbeitung geeigneter Vorschläge für die Lösung der genannten Probleme zu beauftragen. Als Mitglieder der Kommission werden folgende Herren vorgeschlagen: Prälat Bechthold, Prälat Gertz, Prälat Homeyer, Herr Scheifele, Herr Dr. Marx, Herr Hackenberg, Herr Prof. Dr. Kruschina, Herr Präsident Stingl128.“129 Auch die Berichterstatter des Bistums Limburg, die um Sachlichkeit und Zurückhaltung bemüht waren, unterstrichen, dass in Königstein Missstände bestünden, denen unbedingt abgeholfen werden müsse. Allein die Tatsache, dass die Vorstände der beiden Trägervereine Albertus-Magnus-Kolleg und Haus der Begegnung nicht in der Lage waren, die unbedingt erforderliche Vereinbarung über ein Mietverhältnis zustandezubringen, zeige, dass die Kooperation zwischen den Einrichtungen in Königstein nicht funktioniere. Hinzu kamen Engführungen und überholte Bestimmungen in den Satzungen, die zum Teil den Geschäftsgang behinderten, etwa, dass bei jeder rechtsverbindlichen Handlung der Leiter mitwirken muss und nicht vertreten werden kann. – Ein Zugeständnis seinerzeit an Kindermann, damit dieser der Erweiterung des Vorstandes auf drei Personen zustimmte. – Dadurch war die Handlungsfähigkeit des Vorstandes sehr stark eingeschränkt; Arbeitsverträge beim Verein Haus der Begegnung wurden nicht, wie notwendig, von zwei Vorstandsmitgliedern sondern nur vom Leiter und dem Geschäftsführer, der dazu gar nicht berechtigt war, unterzeichnet. Beim Verein Haus der Begegnung standen verschiedene arbeitsrechtliche Streitigkeiten an, weil möglicherweise der größte Teil der Mitarbeiter keine oder nur unzureichende Arbeitsverträge hatte. Zudem fühlte sich das Ordinariat in Limburg als Aufsichtsbehörde in mehreren Fällen übergangen, so bei der Gründung des Institutum Bohemicum oder auch bei der Berufung eines neuen Direktors an die Bischof-Neumann-Schule und der Ernennung eines neuen Leiters für das Schülerkonvikt.130

128

129 130

Zu Josef Stingl (1919 – 2004) vgl. Rudolf VIERHAUS / Ludolf HERBST (Hg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949 – 2002. Band 2, N–Z. München 2002, S. 847-848. Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, S. 3. Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, dem Bericht über die Situation der Königsteiner Anstalten beigefügter Kommentar im Umfang von vier masch. Seiten. Dort heißt es auf S. 3: „Seit mehre-

Etappen der Entwicklung Königsteins

329

Offensichtlich konnte Kruschina die unter Kindermanns Leitung in der Endphase zugespitzte Situation, die Unzufriedenheit bei den Arbeitern in Königstein, unklare Kompetenzen etc. nicht entschärfen und klären. Vielmehr spricht auch der Kommentar von den aktuellen Problemen in Königstein, zu denen eine latente Unzufriedenheit und Unsicherheit bei den Mitarbeitern der Königsteiner Einrichtungen komme. Limburg wies entschieden darauf hin, dass die Königsteiner Probleme nicht durch ein energisches Einschreiten des Ordinariates Limburg oder des Bischofs von Limburg allein gelöst werden können, da jede energische Maßnahme aus Limburg in der Öffentlichkeit als gezielte Aktion der Diözese gegen die heimatvertriebenen Katholiken missdeutet werde.131 Erschwerend komme hinzu, dass die kirchliche Aufsicht geteilt sei. Das Sudetendeutsche Priesterwerk unterstand der Aufsicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, die Ostakademie und die Ostpriesterhilfe unterstanden keiner kirchlichen Aufsicht, obwohl sie von der Öffentlichkeit eindeutig zu den Einrichtungen der katholischen Kirche gerechnet wurden. „Das Bistum Limburg ist aus den vorstehend angedeuteten Gründen nicht in der Lage, die anstehenden Probleme zu lösen. Eine Verlagerung der Verantwortlichkeit auf eine höhere Ebene wird schon seit Jahren von Königstein angestrebt und würde deshalb von dort aus gut aufgenommen werden.“132

131 132

ren Monaten amtieren ein neuer Direktor an der Bischof Neumann-Schule und ein neuer Leiter für das Schülerkonvikt, ohne dass davon seitens des Vorstandes dem Ordinariat Kenntnis gegeben worden wäre, obwohl die Ernennung beider Direktoren dem Bischof von Limburg vorbehalten ist. Gerüchteweise verlautet, dass der im Bericht erwähnte Geschäftsführer der Ostakademie, Herr Hoffmann, habe ausscheiden müssen. Eine offizielle Nachricht darüber ist aus Königstein nicht nach Limburg gekommen. Offensichtlich erinnert man sich in Königstein der Kirchlichen Aufsichtsbehörde nur dann, wenn ein Antrag auf finanzielle Zuwendung o. ä. gestellt werden soll.“ Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, S. 3, „Entsprechende Äußerungen bei begründeter Ablehnung von Wünschen und finanzielle Unterstützung sind uns hinreichend bekannt geworden.“ Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, S. 4.

330

Abschnitt IV

13. Die Nachfolge Kindermanns

13.1. Neustart oder Kontinuität mit Stefan Kruschina? Eine resignierte bis beinahe distanzierte Haltung gegenüber Königstein spricht aus dem Begrüßungsschreiben, das Stefan Kruschina an seine lieben Alt-Königsteiner Freunde beim Amtsantritt schickte.133 Es mag aber den Nachfolger Kindermanns in der Schwellensituation, in der Königstein stand, charakterisieren: Deutlich sind Selbstmitleid und Resignation herauszuhören, da er bislang als stellvertretender Vorsitzender nur wenig bewirken konnte. Es hatte viele Situationen gegeben, in denen er sich als Mährer benachteiligt gefühlt hatte; er suchte ununterbrochen Anerkennung und war Neuerungen kaum zugetan. Fast krankhaft muss man den Provinzialismus Kruschinas bezeichnen, wenn er innerhalb der Gruppe der sudetendeutschen Priester eine tiefe Kluft zwischen mährischen und böhmischen Priestern herbeiredete.134 Kruschina erwog offensichtlich, ein eigenes mährisches Priesterwerk zu gründen – 30 Jahre nach der Vertreibung.135 Zudem hatte er von Manipulationen der Vorstandswahl des Sudetendeutschen Priesterwerkes auf der Hauptversammlung 1974 gesprochen. Weiterhin bemängelte er fehlende Informationen über Vorgänge im Priesterwerk. In dem Schreiben von Reiß an Kruschina zeigt sich auch, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk jedenfalls nach Kindermanns Tod keinesfalls mehr mit den Einrichtungen in Königstein identifiziert werden durfte.136

133

134 135 136

DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, Antrittsbrief an die Alt-Königsteiner Freunde bei der Übernahme des Regentenamtes, 3 S. masch., S. 1: „Ich wurde schon gefragt: „Was erwartest oder versprichst Du Dir von diesem Wechsel?“ Um es gleich zu sagen: persönlich verspreche ich mir gar nichts davon. Ich habe manches drangeben müssen: eine Pfarrgemeinde, in die ich mich gut eingewöhnt und eingelebt hatte. In der viel Schönes aufgebrochen war und in der noch viele Hoffnungen lockten – eine Reihe von lockenden „Nebenaufgaben“ – die Leitung eines großen und wichtigen Internates und die Zusammenarbeit mit einer lebendigen Gemeinschaft von Mitbrüder.… – Mein Weggehen hat viele Verstimmungen ausgelöst…“ Nur so ist letztlich die Auseinandersetzung zwischen Kruschina und Reiß von 1975 zu verstehen. Vgl. Schreiben von Reiß an Kruschina vom 21. Oktober 1975, 1 S. Maschinenschrift, DAR, Nachlass Kruschina. „Über Mangel an Informationen müsste eher ich mich beklagen als dritter Vorsitzender des AMK, denn von all Deinen Verhandlungen und Entscheidungen erfahre ich nur sporadisch, und wenn ich ausdrücklich um etwas frage. So sehr wir die Übergangsschwierigkeiten nach dem Tod des Weihbischofs gemeistert haben, krankt die Königsteiner Arbeit an gegenseitigem Kontaktmangel. Öftere und ehrliche, auch von mir gewünschte Aussprachen aller Verantwortlichen,

Etappen der Entwicklung Königsteins

331

Kruschina hoffte, dass er nicht nur einen Beitrag zur Liquidierung des Königsteiner Seminars leisten müsse, denn das hätte die Aufgabe der bisherigen Position nicht gerechtfertigt. Auch wenn Königstein seit seinem Bestehen eine immer wieder in ihrer Sicherheit gefährdete Institution gewesen sei, so hoffte er doch, dass sich Königstein trotz all der Anfechtungen und Infragestellungen weiter ausbauen ließe, war doch inzwischen im März 1966 die weitere Existenzberechtigung und Bedeutung des Königsteiner Seminars durch die Deutsche Bischofskonferenz anerkannt worden. Die allgemeine Stimmung sei aufgeschlossener geworden gegenüber Königstein, wie Kruschina auch aus seiner eigenen vor-Königsteiner Erfahrung berichtete. Der gute Geist, die herzliche Gemeinschaft, die Aufgeschlossenheit, die geistige Weite des Seminars würden gerühmt. Eine Reihe von Vorschlägen, die zur Reform des theologischen Studiums gemacht wurden, sei hier schon längst verwirklicht aufgrund der Erfahrungen, die aus den verschiedenen Seminaren des Ostens mitgebracht worden waren. Dennoch bestünden auch noch genügend offene Aufgaben, wie etwa die Schaffung einer lebendigeren und engeren Bindung zwischen Alt-Königsteinern und den aktuellen Studenten.

Suche nach einer Neuordnung 1977 Die Notwendigkeit der Neuordnung sah man 1977 in Königstein sehr wohl. Man wusste, dass die Hochschule nicht mehr zu halten war, vielleicht mit Ausnahme von Kruschina, der dies wohl bis zuletzt anzweifelte. Man wusste auch, dass, wenn das bisherige Herzstück von Königstein schließt, ein neuer tragender Mittelpunkt gefunden werden sollte. Von daher war(en die Sondierungen) die Suche nach neuen Aufgabenbereichen (die zentralen Themen) das zentrale Thema des Jahres 1977/78. Man wollte, das war unbestritten, eine neue Aufgabe für den Priesternachwuchs in das neue Konzept aufnehmen Man sah aber auch relativ schnell die begrenzten Möglichkeiten für eine Neukonzeption, da sich eine ganze Reihe bestehender Initiativen und Vereine weigerte, sich mit dem Albertus-Magnus-Kolleg (AMK) e.V. zusammenzuschließen. So wurde klar, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk seine Selbständigkeit behalten wollte und damit auch das angegliederte Institut für Kirchengeschichte von Böhmen, Mähren und Schlesien. Ebenso stellte sich Pater Werenfried van Straaten auf den Standpunkt, dass die Ostpriesterhilfe selbständig bleiben soll, und auch die Ostakademie wollte als selbständiger e.V. bestehen bleiben. Für den Zusammenschluss bzw. die geplante Neuordnung standen damit nur mehr der AMK e.V. und der HdB e.V. zur Verfügung. Erschwert wurde die Situation durch die Suche eines neuen Vorstandes, nachdem Kruschina am 7. Juni 1977 seinen Entschluss erklärt hatte, die Leitung niederzulegen und dies nochmals in der Jahreshauptversammlung am 5. Juli 1977 zum Ausdruck gebracht hatte. Dort war Prälat Reiß für die Interimsleitung vorgeschlagen worden,

würden viele Schwierigkeiten aus dem Weg räumen und das Königsteiner Klima verbessern. Gewisse Entscheidungen können in Königstein nicht mehr rückgängig gemacht werden.“

332

Abschnitt IV

dieser aber lehnte in einer Sitzung vom 26. August 1977 wegen seiner vielen anderweitigen Verpflichtungen das Amt des Leiters ab.137 So wurde Dr. Janko im Einvernehmen mit dem Bischof von Hildesheim und der Deutschen Bischofskonferenz vorgeschlagen. Janko wurde einstimmig gewählt. Er nahm das Amt an, aber mit der ausdrücklichen Betonung der Vorläufigkeit, bis man einen neuen Leiter gefunden habe.138 Die neuen Ideen und Konzepte, die man entwarf, spiegelte § 3 seines Entwurfs für eine Satzung eines einheitlichen Rechtsträgers der Königsteiner Anstalten wider: Dort wurde formuliert, dass der Verein als katholischer Träger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, wissenschaftliche und kirchliche Zwecke verfolge – und sich schwerpunktmäßig der Erforschung der Geschichte einschließlich der Zeitgeschichte Ostmitteleuropas, Südosteuropas und Osteuropas sowie der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit den Strömungen des Marxismus widmen sollte. Weiterhin wollte er Begegnungs- und Bildungsstätte für die katholischen Heimatvertriebenen sowie für alle an den Problemen Ostmitteleuropas, Südosteuropas und Osteuropas Interessierten sein. Von Königstein sollten Hilfsmaßnahmen für die Kirche in den Herkunftsländern der deutschen Heimatvertriebenen ausgehen, ebenso sollten Schulungen katholischer Führungskräfte im Hinblick auf die besonderen Probleme des Ostens geleistet werden. Religiöse Unterweisung, Einkehrtage, Exerzitien sowie Wallfahrten sollten angeboten werden, ebenso philosophisch-theologische Forschung und Lehre. Man wollte ein Gymnasium, die Bischof-Neumann-Schule, ebenso unterhalten wie ein Schülerkonvikt. Das Priesterreferat sollte weiterhin die heimatvertriebenen Priester betreuen sowie Priesterberufe materiell und ideell fördern, weiterhin legte man den Schwerpunkt auf junge Menschen aus heimatvertriebenen und ausgesiedelten Familien. Daneben stand die Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen und Flüchtlinge und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Sinne des § 96 Bundesvertriebenengesetz und die Herausgabe einschlägigen Schrifttums und zeitgeschichtlicher Publikationen auf dem Programm. All dies war ein ehrgeiziges und weit gestecktes Aufgabenfeld.139

137

138 139

Die Würdigung Bischof Heinrich Maria Janssens für Prälat Reiß aus dem Beileidschreiben an Pfarrer Berger unterstrich eine wesentliche Problematik Reiß‘: „Mehr als 25 Jahre habe ich in der Zusammenarbeit mit ihm als Vertriebenenbischof erfahren, dass es nicht immer leicht war, mit ihm gleichen Schritt zu halten. Ich glaube von ihm sagen zu können: er war ein großartiger Vorarbeiter, nicht immer ein leichter Mitarbeiter! Aber ich darf auch sagen: das Motiv all seiner Arbeit war immer, das Gottesreich unter den Vertriebenen zu festigen und Würde und Recht der Vertriebenen zu wahren.“ Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Juni 1985, S. 9. Vgl. dazu den Tätigkeitsbericht des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. für 1977, Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, 4 S. masch. Vgl. dazu Entwurf einer Satzung eines einheitlichen Rechtsträgers der Königsteiner Anstalten, Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, 7 S. masch.

Etappen der Entwicklung Königsteins

333

13.2. Absage, weil der Neuanfang versäumt war Bereits 1976 suchte Kruschina nach einem Nachfolger in der Leitung des AlbertusMagnus-Kollegs. Er hatte dabei Josef Maday140 angefragt. Dieser begründete seine Absage damit, dass er sich das Amt aufgrund seiner Fähigkeiten wie auch wegen seiner gesundheitlichen Situation nicht zutraue. Er habe nie Interesse dafür gehabt. In diesem Kontext verwies er auch auf Chancen, die nicht rechtzeitig ergriffen worden seien. Er habe 1969 einen Brief an Weihbischof Kindermann geschickt mit der Bitte, die darin fixierten Vorschläge der Mitgliederversammlung des Vereins vorzulegen. Er hatte dort seine Ansichten zum Gesamtkomplex des Albertus-MagnusKollegs und des Hauses der Begegnung dargelegt. Bitter vermerkte Maday, dass dieser Brief weder 1969 noch später der Mitgliederversammlung zur Kenntnis gegeben wurde. Maday hatte damals nach einem eigenen Krankenhausaufenthalt den Weihbischof dazu gemahnt, „rechtzeitig sein Haus zu bestellen, solange man geistig und körperlich noch dazu in der Lage ist“. Er verwies Kindermann darauf, dass letztlich nur die Deutsche Bischofskonferenz personell und finanziell in der Lage sei, das Gesamtobjekt zu übernehmen. Das Haus müsse als eine Aufgabe des Gesamtkatholizismus der Bundesrepublik und auch als ein Angebot an diesen verstanden werden. Viele Männer des Aufbaus der Anstalten der Vertriebenenseelsorge seien unterdessen verstorben oder aus dem Verein ausgeschieden, ohne dass entsprechender Ersatz nachgewachsen sei. Das müsse man zur Kenntnis nehmen und die angemessenen Konsequenzen daraus ziehen. Ganz nüchtern konstatierte Maday bereits 1969, dass außer der Schule in keinem Bereich die nötige Kraft und Konzeption für die Zukunft vorhanden sei. Jeder verlasse sich darauf, der Leiter werde schon dafür sorgen, dass das „Wagerl weiter läuft“. Dabei sei es grundfalsch, die Spenden der Vertriebenen über Bausteine, Rufe usw. zum Stopfen von Löchern zu verwenden, die letztlich gar nicht mehr die primären Anliegen Königsteins sind.141 Nach (der) Sistierung der Hochschule war der Spendeneingang in Königstein in den ersten drei Monaten des Jahres 1978 um 30 % und in den letzten fünf Monaten um 25 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.142

140 141

142

Vgl. zu Josef Maday PRIESTERREFERAT KÖNIGSTEIN (Hg.): 7. Königsteiner Schematismus. Königstein 1978, S. 97 (Künftig zitiert als PRIESTERREFERAT, 7. Königsteiner Schematismus). Vgl. dazu einen Brief von Josef Maday an Stefan Kruschina vom 28. Juni 1976, DAR Rottenburg, Nachlass Kruschina. „Nun überschneiden sich natürlich Gedanken von damals mit Erkenntnissen von heute. Grundansicht war damals wie heute: Wir können auf uns allein gestellt Seminar und Hochschule nicht halten. Sie sind aber Herzstück des AMK, also muss für das ganze AMK eine der Lage angepasste Lösung gesucht und gefunden werden. Ob Du den Stein damit ins Rollen bringst, indem Du dem Limburger Bischof schlicht erklärst: Ich sehe mich außerstande, die Sache weiterzuführen oder Vorverhandlungen mit der Bischofkonferenz führst, weiß ich nicht. Meiner Zustimmung zu einer Lösung in dieser Richtung kannst Du sicher sein. Ebenso klar ist mir, dass eine solche Lösung auch das HdB irgendwie einschließen würde.“ Vgl. das Protokoll der Jahreshauptversammlung 1978 des AMK e.V. und des HdB in Königstein e.V. DAR, Nachlass Kruschina.

334

Abschnitt IV

Kruschina grollte lange wegen der Schließung der Hochschule.143 Er hatte am 23. November 1979 in einem lapidaren Satz an das Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. die Bitte ausgedrückt, ihn aus der Liste der Vereinsmitglieder in Königstein zu streichen.144 Als nächsten Kandidaten für das Vorstandsamt hatte man Friedrich Berger145 in Ettlingen ins Auge gefasst, der als Gymnasiallehrer durchaus dazu bereit gewesen wäre, allerdings eine Reihe von Fragen vorab geklärt haben wollte. Dazu gehörte auch seine finanzielle Absicherung, die zu leisten sich der neue Verein nicht im Stande sah, weil er selbst seine eigene künftige Finanzentwicklung nicht abschätzen konnte. Konsequenz war, dass Janko Berger absagen musste.146

Die Nachfolge Kindermanns als Sprecher der Priester der sudetendeutschen Volksgruppe trat Karl Reiß an. Reiß, Pfarrer von Heiligkreuz in Offenbach/Waldheim und Diözesanvertriebenenseelsorger im Bistum Mainz, wurde am 17. November 1975 vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Julius Kardinal Döpfner, als Nachfolger Kindermanns zum Sprecher der Sudetendeutschen Priester und zum Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die sudetendeutschen kirchlichen Fragen bestellt. Reiß war für dieses Amt prädestiniert, weil er zwei Jahre zuvor zum Leiter des Sudetendeutschen Priesterwerkes gewählt worden war. Er hatte sich jedoch wohl Hoffnungen gemacht, auch im Bischofsamt Kindermann nachfolgen zu können. Dies wurde aber von vielen abgelehnt, weil man nicht länger einen sudetendeutschen Weihbischof für die sudetendeutschen Angelegenheiten wollte.

143

144 145

146

Es geht nicht zuletzt aus einem Brief des Bischofs von Hildesheim, Heinrich Maria Janssen, an Kruschina vom 5. Januar 1980 hervor. „Es tut mir leid, dass Ihre Erinnerung an Königstein mit Bitterkeit überlagert ist. Auch ich habe das Aufhören des Seminars schmerzlich empfunden, wusste aber den Fragenden und Überlegenden keine überzeugende Form vorzuschlagen, die ein weiteres Durchhalten des Seminars gerechtfertigt hätte. Dass durch den Ausfall des Seminars in Königstein wesentliches sich verändern würde, habe auch ich befürchtet und spüre es auch, wenn ich gelegentlich in Königstein bin. Aber es gibt im Bereich der Vertriebenenseelsorge Situationen, die nach einer Veränderung fragen und die nicht einfach auch über 35 Jahre sinnvoll durchgehalten werden können. Das war auch so etwa beim Aufhören der Kapellenwagentätigkeit und dem Einsatz der Ostpriesterhilfe in unserer Diaspora… Viel schlimmer als die Auflösung der einen oder anderen Abteilung in Königstein halte ich, dass immer noch so viel Spannungen, Unfrieden, Misstrauen und Verdächtigungen der einen gegenüber dem anderen spürbar sind. In solchem Klima kann wenig Gutes wachsen. Wenn man die Einzelnen darauf anspricht, will es niemand gewesen sein. Insgesamt aber empfinde ich es furchtbar und muss auch annehmen, dass viel Mühen und Arbeiten wenig Frucht bringt, weil eine solche Gesinnung eben vieles unfruchtbar macht.“ Vgl. DAR, Nachlass Kruschina. Pfarrer Friedrich Alfred Berger (1941 – 2005), Vorsitzender des Sudetendeutschen Priesterwerkes nach dem Tod von Prälat Reiß 1985 bis 1993, vgl. den Nachruf in Sudetendeutsches Priesterwerk Mitteilungen 1 (2005), S. 29. Vgl. dazu einen Brief Jankos an Berger am 5. Mai 1978, KZG Bonn. Archiv Königstein, Akten Bischofszimmer, 2.194.

Etappen der Entwicklung Königsteins

335

Die Aufgaben des Sprechers der sudetendeutschen Priester und des Beauftragten für die sudetendeutschen kirchlichen Fragen erstreckte sich auf die Leitung des Sudetendeutschen Priesterwerkes, in dem 1976 noch mehr als 1.000 heimatvertriebene sudetendeutsche Priester zusammengefasst waren, darunter auch 62 Missionare in der Weltmission. Diesem Sudetendeutschen Priesterwerk hatten sich die karpatendeutschen Priester und die deutschen Priester aus dem Donauraum angeschlossen.147 Als zweite Aufgabe sah Reiß (?) es an, für Priesternachwuchs in der Volksgruppe zu sorgen und ihn zu unterstützen. Er wollte Theologen, also Priesteramtskandidaten, Theologie-Studierende an der Hochschule in Königstein und in Diözesanseminaren unterstützen, ebenso wie Theologen in den Ostländern – Kroaten, Tschechen, Slowaken und Ungarn. Stolz verzeichnete Reiß die bis dahin aus den Königsteiner Anstalten hervorgegangenen 70 sudetendeutschen Neupriester. Ein dritter Aufgabenbereich des Sonderbeauftragten war die besondere pastorale Sorge der Heimatvertriebenen als Ergänzung zur ordentlichen Seelsorge. Dazu gehörten die Gottesdienste bei den großen Treffen wie dem Sudetendeutschen Tag, aber auch bei weiteren, etwa 100 Heimattreffen sowie bei Sonderwallfahrten der Heimatvertriebenen. Auch der Bereich „Sorge für die Kirche in Not“ gehörte zu seinen Aufgaben. Die sudetendeutschen Priester sahen sich auch ihren Herkunftsdiözesen nach wie vor verpflichtet. Die Kirche in der Tschechoslowakei aber war am stärksten Kirche in Not und Kirche des Schweigens im Bereich der kommunistischen Länder. Bischöfe und Priester wurden an der Ausübung ihres Dienstes massiv gehindert. Der Priesternachwuchs war kontingentiert, Religionsunterricht so gut wie unmöglich gemacht. So wollten der Beauftragte und das Sudetendeutsche Priesterwerk – Reiß identifizierte die beiden Aufgabenbereiche – die materielle Not der Kirche und des Klerus lindern helfen. Man wollte für die Kirche in der Not Stimme sein in der freien Welt. Positiv gestimmt blickte Reiß auf die anstehenden Aufgaben.148

147

148

Vgl. zu diesen Angaben ein Rundschreiben von Reiß vom 12. Januar 1976 an die Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe der Deutschen Bischofskonferenz, DAR, Nachlass Kruschina, 4 S. masch. Sein Fazit lautete: „Der Zusammenhalt ist gut. Mit unseren Landsleuten treffen wir uns bei vielen Wallfahrten und Heimattreffen. Unsere Stellung in der Landsmannschaft ist gut. Die Laiengemeinschaft der Ackermanngemeinde ist die geistig-tragende Kraft der Volksgruppe. Trotz fortschreitender allgemeiner Integrierung ist der Zusammenhalt der Landsleute auch heute noch sehr eng. Die Erlebnisgeneration ist weithin nicht mehr, aber es ist eine neue Gesinnungsgemeinschaft herangewachsen. Trotz allen erlittenen Unrechts und bei aller Treue zur verlorenen Heimat sind unsere Landsleute keine Revanchisten, sondern Botschafter des Friedens und der Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen.“ Reiß an seine Mitbrüder am 12. Oktober 1976, DAR, Nachlass Kruschina.

336

Abschnitt IV

14. Wiederholte Mahnungen zu Reflexion, Standortbestimmung und Neuausrichtung von 1967 bis 1984 Auch in den Phasen der Stagnation, der Spannungen und Auseinandersetzungen sowie der wachsenden finanziellen Engpässe wuchsen Überlegungen für die weitere Zukunft Königsteins. Zu den fundiertesten Vorschlägen und Konzepten gehören Gedanken, die Prof. Josef Rabas formulierte149.

14.1. Memorandum von Josef Rabas von 1967 Rabas war all die Jahre hindurch ein kritischer Begleiter Königsteins gewesen. Er propagierte eine Aufgabenstellung und Orientierung Königsteins, die nicht ins Ghetto führt, sondern mitten hinein in die Aufgaben des deutschen Katholizismus. Als zentrale Aufgabe sah er das Gespräch und die Versöhnung mit den Völkern Ostmittelund Osteuropas an und begründete diese Einschätzung in einem Memorandum von 1967 mit dem Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen und dessen Echo in der Gesellschaft. „Die Bemühungen, die von heimatvertriebenen Katholiken ausgehen, den beiden Gesinnungsgemeinschaften der Eichendorff-Gilde für die Schlesier und der Ackermann-Gemeinde für die Sudetendeutschen, fanden im westdeutschen Gesamtkatholizismus ebenso geringen Widerhall wie die beiden katholischen Arbeitsstellen ‚Nord’ und ‚Süd’. Sie blieben mehr oder weniger ‚Rufer in der Wüste’. Wird aber der Blick auf die Aufgaben gelenkt, die sich dem westdeutschen Katholizismus seinen slawischen Nachbarn und demgegenüber, was sich aus dieser Nachbarschaft aufdrängt, ergeben, so kann ‚Königstein’ nicht außer Betracht bleiben. Hier wurde in den beiden Jahrzehnten nach Kriegsende ein Aufgabengebiet aufgegriffen, das sich durch die Katastrophe des verlorenen Krieges ergeben hatte. Seine Einrichtungen, Erfahrungen und Potenzen sollten vom westdeutschen Katholizismus für die Arbeit, die ihm für die Zukunft zukommt, genutzt werden, wozu jedoch eine Überprüfung auf beiden Seiten, in ‚Königstein’ wie im westdeutschen Gesamtkatholizismus, nötig ist.“150

149

150

Josef Rabas, 1908 in Saaz geboren, 1934 in Rom zum Priester geweiht, Religionslehrer in Aussig und Leitmeritz, Sekretär des Bischofs von Leitmeritz, Anton Weber. Nach der Vertreibung wirkte er als Religionslehrer in Ansbach und Bayreuth, dann als Professor für Pastoraltheologie in Würzburg. Nach seiner Emeritierung leitete er das Büro der Ackermann-Gemeinde in Rom. Ehrenkanonikus der Kathedrale St. Stephan in Leitmeritz. Er starb am 23. August 2003. – VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland, S. 154f. Josef RABAS, Konzeption „Königstein“. Zu einer Aufgabe des deutschen Katholizismus. Ein Memorandum von 1967 im Umfang von 13 Maschinenschriftseiten, Zitat 1 a, Archiv der Ackermann-Gemeinde München.

Etappen der Entwicklung Königsteins

337

Mit großem Respekt würdigte Rabas die ursprünglichen Anliegen und die Entstehung Königsteins.151 Die Königsteiner Anstalten seien im Verlauf der beiden Nachkriegsjahrzehnte ein Kristallisator katholischer Vertriebenenarbeit geworden, so Rabas. Der unvoreingenommene Beobachter müsse dem Königsteiner Werk Bewunderung zollen.152 Freilich dürften verdienstvolle Leistungen in der Vergangenheit nicht als Ruhepolster und als Garantie vor einem künftigen Verfall angesehen werden. Letzterer könne nur abgewehrt werden, wenn die Zukunft mutig und weit blickend angesteuert werde. Diese Zukunftsvision und diesen Mut forderte Rabas 1967 ein.153 Man musste sich der Frage und Aufgabe stellen, ob und welche Zukunft Königstein haben sollte. Rabas warnte vor einem Rückzug ins Ghetto.154 Er argumentierte im Kontext und mit 151

152

153

154

„Königstein ist herausgewachsen aus der Not der Nachkriegsjahre und erhielt von daher eine innere Struktur, die es auch in der Gegenwart noch nicht leugnen kann. Der unmittelbare Anlass kam von den Alumnen und Studenten der Theologie, die nach Kriegsdienst und Gefangenschaft nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten oder sehr bald mit ihren Angehörigen als Vertriebene nach Deutschland geschleust wurden und hier nun Aufnahme in einem Priesterseminar suchten; diese zu sammeln und ihrem Berufsziel zuzuführen, war erst der Anlass für die Gründung von Königstein. Dann wuchs die Aufgabe heran, für die vertriebenen Priester aus dem Osten und Südosten zu sorgen und sich ihrer, wenn auch nur aus der Distanz, anzunehmen… Pater Werenfried van Straaten hat hier in Königstein mit seiner Ostpriesterhilfe eine Zentrale für Deutschland geschaffen, von der aus materielle Hilfe im großen Ausmaß ins Land kam; auch die Kappellenwagenmission geht von Königstein aus; vorübergehend wurde von hier aus auch die Arbeit des Bauordens geleitet. Sehr bald führte die Besinnung auf die geistige Wurzel der gesamten Vertriebenennot dazu, sich der Aufklärungsarbeit in der West-Ost-Problematik zu widmen; die Ostakademie wurde dafür äußerer Rahmen und geistiges Stimulans.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 2. „Die Ernennung des langjährigen ‚Hausvaters’ von Königstein, Prälat Dr. Adolf Kindermann, zum Weihbischof von Hildesheim als dem Beauftragten für die Seelsorge unter den katholischen deutschen Heimatvertriebenen aus der ČSSR mit dem Sitz in Königstein darf als eine sichtbare Anerkennung durch den Heiligen Stuhl angesehen werden. Wobei auch des für Königstein so verdienstvollen Bischofs Kaller und des ersten Initiators von Königstein, Prälat Dr. Büttner, gedacht werden muss.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 3. „Wenn nun 20 Jahre nach dem ersten, aus der Not der Zeit begonnenen Anfang die gesamte Arbeit, die hier geleistet oder von da aus angeregt und inspiriert worden ist, überblickt wird, muss festgehalten werden, dass ‚Königstein’ mit seinen Einrichtungen viel materielle, geistige und geistliche Hilfe in die Millionen katholischer Heimatvertriebener hineingetragen hat und dass ihm auch für die vor uns liegende Zeit Aufgaben zufallen, die innerhalb des westdeutschen Gesamtkatholizismus nirgendwo besser betreut wären, als gerade hier.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 3. „Doch welche Aufgabe sieht Königstein für den Weg der vor ihm liegt? Hat Königstein überhaupt eine Zukunft und damit auch eine Daseinsberechtigung in unserer voranstürmenden Gegenwart? Wie bei allen zeitgebundenen Einrichtungen liegt auch hier eine Gefahr darin, dass Königstein von einer stets wiederkehrenden und sich selbst beschönigenden Selbstrechtfertigung lebt innerhalb einer, in seinem Bereich künstlich konservierten Welt, die außerhalb seiner Mauern überwunden und vergangen ist. Wird nicht Königstein wie ein Petrefakt wohl bewundert und bei festlichen Hausereignissen mit wohlklingenden und gern gehörten Worten bedacht, während es sonst nur ein Lächeln ob solchen Verharrens in der Vergangenheit erregt?“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 3.

338

Abschnitt IV

den Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem mit der Pastoralkonstitution ‚Gaudium et spes’, Königstein müsse in der gegenwärtigen Welt ankommen und dort seine Aufgabe suchen. Eine weltoffene Betrachtung müsse die Aufgaben formulieren und zwar hinsichtlich der Stellung dem Osten gegenüber wie auch innerhalb des westdeutschen Katholizismus.155 Die weit reichenden und drängenden Formulierungen bzgl. der Reflexion künftiger Aufgaben legen nahe, dass Rabas Kindermann diese Aufgabe nicht mehr zutraute. Er sah die bisherige Entwicklung in eine Ghetto-Mentalität münden. Es fehlte die Kraft, noch intensiver als bis dato zu einer dialogischen Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen der Ost-West-Problematik zu kommen. Rabas argumentierte jedoch, dass diese Diskussion dann so im binnenkirchlichen Raum geführt werden müsste, dass der ganze westdeutsche Katholizismus dafür gewonnen werden kann und nicht nur ein spezifisches Segment.156 Königstein werde nicht den Dialog, der langsam und mühsam in Gang gekommen sei, auf episkopaler Ebene ersetzen können sondern müsse den auf höherer Ebene aufgenommenen Dialog in den weiten Raum des Kirchenvolkes hineintragen und perpetuieren. Königstein solle einen Dialog des westdeutschen Episkopats mit den Bischöfen der ČSSR anbahnen, ähnlich wie ihn die polnischen und die deutschen Bischöfe am Rand des Zweiten Vatikanischen Konzils geführt haben. Auch Laien, führende Männer und Frauen des polnischen und tschechischen Katholizismus sollten mit Vertretern des deutschen kirchlichen Lebens zusammengeführt werden. Rabas strebte also ein Dialogforum auf den unterschiedlichsten Ebenen als konkrete Aufgabe für Königstein an.157 Auch die spannungsgeladenen und schwierigen

155

156

157

„Erst aus einer Analyse der Zeit und der Strömungen und der Bestrebungen auch innerhalb der Kirche und der Gesellschaft kann ‚Königsteins’ Dienst abgeleitet werden, den es den Heimatvertriebenen als den zuerst und zutiefst Betroffenen und ‚Königstein’ in besonderer Weise Anvertrauten, aber auch dem westdeutschen Gesamtkatholizismus, in dessen Schoß ‚Königstein’ seinen Ort erhalten muss, zu bieten hat. RABAS, Konzeption „Königstein“, Zitat S. 3 b. „Die Struktur des Dialogs setzt voraus, dass Königstein bereit, befähigt und gewillt ist, in ehrlich-offener wie auch selbstkritischer Weise den „Osten“ zu sehen und ihnen seinen Menschen anzuführen, mit ihnen zu sprechen. Dass die Menschen auch wirklich aus dem Osten kommen sollten, bedarf keiner weiteren Begründung.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, Zitat S. 3 b und 4. „Es scheint nicht länger vertretbar zu sein, solche Bemühungen nur deshalb hinauszuschieben, weil unsere Gesprächspartner vielleicht auf lange Zeit zunächst nur aus den Reihen der polnischen Pax-Bewegung und der tschechischen Friedenspriester kommen. Es geht nicht an, dass die verschiedensten Gruppen unseres Volkes Kontakte mit entsprechenden Gruppen des Nachbarlandes, etwa der ČSSR auf dem Gebiet der Wirtschaft, des Sports, des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens, der Gewerkschaften und der Jugendverbände hergestellt haben, dass jedoch der katholische Klerus von diesseits und jenseits der Grenzen, von persönlichen Verbindungen abgesehen, noch nicht zueinander gefunden hat. Es ist schwer, darin auf unserer Seite vielleicht den Ausdruck kirchlicher Haltung zu sehen. Es ist aber ebenso unverständlich, wenn unsere priesterlichen Mitbrüder von drüben für solche Gespräche die Zeit noch nicht reif haben wollen, und deshalb solchen Versuchen gegenüber sich noch ablehnend verhalten.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 4.

Etappen der Entwicklung Königsteins

339

Fragen sollten in diesem Dialog nicht ausgespart werden. Man dürfe sich nicht entmutigen lassen, auch wenn eine befriedigende Lösung nicht gleich gefunden werden könne, -Aber es sollte im Rahmen des gemeinsamen Glaubens und der einen Kirche wenigstens zu einem offenen Gespräch darüber und zum ehrlichen Ringen um einen echten, von nationalistischen Ressentiments freien Ausgleich kommen. Rabas warnte davor, Aufgaben utopisch zu formulieren.158 Gerade die Heimatvertriebenen seien, weil sie mit den Menschen im Osten in Nachbarschaft verbunden waren, über Jahrhunderte hinweg die geborenen Brückenbauer zwischen West und Ost.159 Nicht nur die Inhalte müssten neu bedacht und formuliert werden, sondern auch die Formen und Methoden. Es hätten sich in der zwanzigjährigen Arbeit in Königstein Formen entwickelt, die in der Gegenwart einer kritischen Überprüfung bedürften. Diese Überprüfung müsse dem Haus der Begegnung160 ebenso gelten wie dem Gymnasium und Internat. „Es soll den Schulen in Königstein auch nicht ein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie willige und geeignete Jungen für den priesterlichen Dienst in der Kirche heranbilden wollen. Was jedoch hier von Anfang an einer Korrektur bedürfte, ist das Ansinnen an die dort aufzunehmenden Jungen, dass sie sich dabei dem Osten missionarisch verantwortlich fühlen sollten. Das ist nicht nur eine unvertretbare pädagogische Überforderung der Jungen, sondern auch eine sowohl illusorische wie unkluge Zielsetzung, die dem Anliegen Königstein zur Fruchtlosigkeit, wenigsten auf der Seite unse-

158

159

160

„Damit will keineswegs Königstein eine Aufgabe aufgebürdet werden, die es allein zu leisten nicht vermag und auch nicht soll; das gilt insbesondere von einem Dialog mit der im Osten herrschenden Ideologie; hierzu sind andere Gremien berufener, die zum Teil bereits diese Arbeit übernommen haben. Aber von Königstein könnte in verantwortungsbewusster Dienstbereitschaft eine breite Wirkung in die Gliederungen des westdeutschen Katholizismus hinein ausgehen.“ Also eine Multiplikatorfunktion, die er Königstein hier zuspricht. RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 5. „Für die so dringend nötige Brücke zu unseren Nachbarn wird es neben einer forschenden und nach wissenschaftlichen Maßstäben sichtenden Vorarbeit, insbesondere einer Bewusstseinsbildung bedürfen. Während für die wissenschaftliche Forschung andere lokalisierende Zentren bereits bestehen, die dafür in personaler und materialer Hinsicht besser und auch reichlicher ausgestattet sind, wenn auch anerkannt werden muss, dass die heimatvertriebenen Priester sich in diese Ostforschung eingeschaltet haben, bleibt Königstein die Breitenwirkung in den kirchlichen Raum hinein. Damit wird aber ein Beitrag geleistet zur Dienstfähigkeit und Dienstbereitschaft der deutschen Katholiken der Welt in ihrer so drängenden Situation der Ost-West-Spannung, die uns alle umfasst. Es wäre von Königstein viel getan, wenn es in breiteste Kreise des westdeutschen Gesamtkatholizismus das Bewusstsein hineintrüge, von der einstigen christlichen Verbundenheit zwischen Ost und West, in deren Rahmen Gemeinsamkeiten und Bindungen entstanden sind, wohl auch Trennendes sich entwickelt hat.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 6. „Das Haus der Begegnung dient wohl auch Zusammenkünften, die inhaltlich nicht dem gewidmet sind, was hier als ureigenstes Anliegen angesehen wird. Doch soll dem nicht entgegengetreten werden; es wird auch damit ein Stück der Präsens der Kirche in der Welt aktuiert, wenn so der Diskussion über menschliche Fragen gedient wird, insofern diese allgemein ethische oder andere berechtigte Interessen verfolgen, die vertretbar und zulässig sind.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 7).

340

Abschnitt IV

rer slawischen Nachbarn, verhelfen muss.“161 Ausführlich setzte Rabas sich mit dem Priesterreferat auseinander. Wie verschiedentlich die Bischöfe fragte auch er, welche Aufgaben das Priesterreferat überhaupt ausführe und welche sinnvoll seien. Auch die Aufgabe einer vollständigen Eingliederung der Heimatvertriebenen in die Aufnahmediözesen sei zu lösen. Man müsse nüchtern prüfen, ob sich beim heimatvertriebenen Klerus innerhalb der westdeutschen Diözesen eine kirchliche, gesellschaftliche Deklassierung vollzogen habe. Das Priesterreferat müsse auch in der postkonziliaren Arbeit eine entsprechende Stellung einnehmen, vor allem im Hinblick auf die Laien.162 Schließlich formulierte Rabas auch für das Priesterreferat die Aufgabe, Brücken zu schlagen. Es sollte Alumni und Theologiestudenten aus Polen und der ČSSR ein Studium an den deutschen theologischen Fakultäten anbieten und auch Deutschen, sofern die sprachlichen Voraussetzungen gegeben waren, den Weg für ein Freisemester an einer polnischen oder tschechoslowakischen Hochschule bahnen. Ausschließlich positiv würdigte Rabas die Arbeit der Ostakademie.163 In punkto philosophisch-theologischer Hochschule fiel Rabas der Rat zunächst schwer, trotzdem vertrat er auch hier eine klare Position und fragte sich, ob eine eigene Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein mit dem ihr zugeordneten Priesterseminar gegenwärtig und künftig noch eine Daseinsberechtigung habe. Die Hochschule habe seinerzeit ohne Zweifel eine wichtige Rolle gespielt für die aus Not, Krieg und Gefangenschaft heimgekehrten Theologiestudenten. In dieser Situation habe Königstein geholfen, wie eine andere westdeutsche Institution nicht hätte helfen können.164

161 162

163

164

RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 7. „Die Heimatvertriebenen stellen einen nicht übersehbaren Faktor im westdeutschen Katholizismus dar, der auch in der Laienvertretung der einzelnen Diözesen und des Gesamtkatholizismus als solcher zum Ausdruck kommen sollte.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 8). „Die Ostakademie, die nun auf ein zehnjähriges Wirken zurückblicken darf, hat sich in besonderer Weise der Ost-West-Thematik verschrieben. Ihr geht es um „eine geistige Auseinandersetzung mit dem dialektischen und historischen Materialismus… Im philosophischen, religiöstheologischen, pädagogischen und gesellschaftlichen Bereich“, um die „metapolitischen Kräfte“. Hier ist eine Fortführung ihrer Arbeit zu wünschen; zu überlegen bliebe nur, ob und ihr Wirkungskreis noch erweitert werden könnte. Insbesondere auf der untersten Ebene der katholischen Erwachsenenbildung. Und sollten nicht in ganz besonderer Weise gerade von ihr die Alumnen unserer Priesterseminare in die gesamte Ost-West-Problematik eingeführt werden?“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 9. „Der deutsche Katholizismus sollte es nicht an Dankbarkeit für diese christliche und menschliche Tat fehlen lassen! Und wird die Frage nach der Zukunft und damit auch nach der weiteren Existenz von Hochschule und Priesterseminar in Königstein gestellt, darf die innere Struktur des Hauses, der Geist seiner Bewohner, der wissenschaftliche Ernst, der dort geleisteten Arbeit nicht in leisester Andeutung in Zweifel gezogen werden; über aller „Frag-Würdigkeit“ steht die Anerkennung und Hochschätzung für jene Priester, die dort unter weniger günstigen Bedingungen als etwa an einer staatlichen Fakultät oder kirchlichen Hochschule mit ihren weit größeren Mitteln sich der Priesterbildung gewidmet haben. Und der äußerlich messbare Erfolg dieser Arbeit spricht für sich und für die dort geleistete Arbeit. Bis 1966 sind von Königstein der Kirche 325 Priester geschenkt worden; nur wenige Diözesaneinrichtungen dieser Art können mit einer gleichen Zahl aufwarten.“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 9f.

Etappen der Entwicklung Königsteins

341

Aber für die künftigen Aufgaben dürfe nicht länger die Heimkehrfähigkeit und die Ostmission als orientierende Zielsetzung formuliert werden.165 Die Kongresse ‚Kirche in Not’ würdigte Rabas ebenfalls, formulierte aber auch zu diesem Aufgabensektor kritische Anmerkungen. Man dürfe nicht nur die Kirche östlich von uns in Not sehen, sondern müsse auch die andere Perspektive, die andere Seite zum Ausdruck bringen. Er forderte einen Kongress ‚Kirche in Not und in Zuversicht’, auf dem Vertreter der Kirche des Ostens auch über die Kirche des Westens sprechen. Diese Foren sollten dialogischer werden.166 Rabas befürchtete eine Ghettosituation darin, dass ein Weihbischof für die vertriebenen Katholiken in Königstein zuständig war. Daher warnte er davor, nach dem Tode Kindermanns diese Lösung weiterzuführen. Er setzte sich massiv für einen Vertriebenenpriester als Weihbischof in einer Diözese, nicht aber in Königstein ein – nicht zuletzt deswegen, weil Königstein hinter dem Eisernen Vorhang wie ein rotes Tuch gewirkt habe. Es gebe in der westdeutschen Kirche eine allgemeine Distanz zu Königstein. Auch das Hildesheimer Domkapitel habe bei der Nuntiatur nicht wenige Argumente gegen die Lösung Kindermann–Königstein ins Feld geführt.

14.2. „Das ganze Konzept Königstein nüchtern und sachlich neu zu bedenken“ – Ein weiterer Vorschlag: 1975 Im April 1975 konzipierte Rabas nochmals Gedanken zu einer Neukonzeption für Königstein nach dem Tod Kindermanns.167 Ohne Umschweife formulierte er acht

165

166

167

„Und ist es zu verantworten, jungen idealen Menschen ein Ziel vor Augen zu stellen, das – sich bis auf Weiteres und menschlichem Ermessen für die nahe Zukunft – eine Utopie bleiben muss?“ RABAS, Konzeption „Königstein“, S. 10. Freilich habe sich in allerhöchster Zeit ein Wandel der inneren Begründung und der eigenen Zielsetzung in Königstein angedeutet, gerade in der Folge des Briefwechsels zwischen den deutschen und polnischen Bischöfen, wird von der Notwendigkeit einer positiv gestalteten deutsch-slawischen Nachbarschaft gesprochen. Rabas aber fragte an, ob darin die gewandelte Denkweise in Königstein zum Ausdruck komme. (S. 10 a) „Diese Kongresse, deren Bedeutungen der Vergangenheit nicht übersehen werden kann, erhielten so nicht nur eine größere Fülle, in dem beide Positionen deutlicher heraustreten, sondern auch den Zug zu einer von keiner Seite bemängelten Objektivität. Pragmatische Feststellungen allein helfen nicht weiter; nur der Dialog führt heute in die Zukunft und der hat bisher diesen Kongressen in Königstein gefehlt – dem müsste jedoch nicht so sein.“ (S. 12) „Der Tod des „Hausvaters“ von Königstein, des Hildesheimer Weihbischofs Dr. Adolf Kindermann, des Mitbegründers und Ausgestalters des „Vaterhauses der Vertriebenen“ mit seinen Gliederungen macht es nicht leichter, Gedanken zu eine Neukonzeption für Königstein vorzulegen, weil dies als eine Pietätlosigkeit dem Verstorbenen gegenüber abqualifiziert werden könnte. Und doch – auch das muss offen und deutlich gesagt werden – wäre es falsch, die schon lange bestehende Aufgabe noch länger hinauszuschieben. Das ganze Konzept Königstein nüchtern und sachlich neu zu bedenken, um ihm eine Aufgabe aufzuweisen, die von der Gegenwart gefordert und ebenso in die Zukunft ausgerichtet ist. Das Werk Königstein verdient es, davor bewahrt zu bleiben, an innerer Konzeptionslosigkeit abzusterben; aber zugleich muss gesagt wer-

342

Abschnitt IV

Jahre nach seinem ersten Votum, dass Priesterseminar und Philosophisch-Theologische Hochschule keine Daseinsberechtigung mehr hätten. Sie seien aufzulösen, denn alle, die dort jetzt studieren, könnten auch anderswo zum Priesterseminar geführt werden. Die Franziskaner aus Jugoslawien, die in Königstein studieren, könnten an der ordenseigenen Hochschule in Münster ihr Studium fortführen, wenn sie ihre Studien in der Bundesrepublik absolvieren sollten. Das Gymnasium mit Konvikt könne fortbestehen, sei jedoch aus dem Konzept Königstein herauszunehmen. Es müsse ein neuer Träger gefunden werden. Ein katholisches Gymnasium könnte gerade in Hessen durchaus Modellcharakter haben, aber diese Aufgabe könne nicht ein heimatvertriebener Träger übernehmen. Damit könne man auch das Albertus-Magnus-Kolleg als eingetragenen Verein auflösen, denn wenn Seminar, Hochschule, Gymnasium und Internat wegfallen, sei auch die Daseinsberechtigung dieses e.V. hinfällig, da auch das Priesterreferat schon lange keine Aufgabe mehr habe. Die Ostakademie und das Institutum Balticum sollten als selbstständige und unabhängige Einrichtungen dem Haus der Begegnung zugeordnet werden. Dort sollte auch das Sudetendeutsche, das Nordostdeutsche und das Schlesische Priesterwerk, so weit sie sich überhaupt noch mit Königstein verbunden wissen, beheimatet bleiben. Das Institut für die Geschichte der Sudetenländer hatte sich in das Sudetendeutschen Priesterwerk integriert, so dass also letztlich das Haus der Begegnung in Königstein bestehen bleiben konnte. Dafür wurde von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Kunzmann168, Nittner169 und Rabas am 19. April 1975 bei einer Besprechung in Ettal ein Entwurf skizziert.170 Darin wollten sie die bisherigen Aufgaben weiterentwickeln, in die Zukunft weisende Anliegen formulieren und Aufgaben finden, die bisher von keiner anderen Institution erledigt wurden. Selbstverständnis und Zielsetzung lagen darin, das Haus der Begegnung zur Stätte von Information, Bildung, Weiterbildung und Begegnung zu machen. Dies blieb sehr allgemein. Die Information sollte sich in erster Linie auf die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft der deutsch-slawischen Nachbarschaft aus kirchlicher Sicht beziehen. Dazu gehörten die Darstellung von Phasen des gelungenen wie des misslungenen Zusammenlebens und von Einsichten in Ursachen und Anlässe von Konflikten. Es sollten Fragen des Rechts und der Auftrag zur Versöhnung und Verzeihung verhandelt werden. Ziel sei eine umfassende zuverlässige Information über das kirchliche Leben und über die gesellschaftlichen, politischen, ideellen Kontexte und Kräfte, die hinter den kirchenfeindlichen und innerkirchlichen Bestrebungen

168 169

170

den, dass es nicht angeht, ein Werk mit einer nicht mehr gegebenen Sinnerfüllung künstlich am Leben erhalten zu wollen.“ Rabas Überlegungen zu einer Neukonzeption für Königstein, wohl an Kunzmann und Homeyer gerichtet, 3 S. masch. Adolf Kunzmann, langjähriger Generalsekretär der Ackermann-Gemeinde. Ernst Nittner (1915 – 1997), sudetendeutscher Historiker. Hermann AUBIN / Horst GLASSL / Franz OLBERT et. al., Kontinuität und Wandel: Gedanken zur Erziehung und Bildung in der Bundeswehr, Festschrift zum 65. Geburtstag von Ernst Nittner, 1980. Der Entwurf von 5 S. masch.

Etappen der Entwicklung Königsteins

343

stünden. Diese Information zielte vor allen Dingen auf Multiplikatorenkreise, sollte also weitergegeben werden in Weiterbildung und Fortbildung. Entsprechend wurden als Adressaten der Veranstaltungen des Hauses der Begegnung vor allem Klerus, Lehrer, Erzieher sowie in der Jugendarbeit Tätige benannt. Als besonderes Aufgabengebiet des Hauses der Begegnung wurde die Arbeit an der Revision des Geschichtsbildes mit kritischer Sicht auf eigene und fremde Leitbilder formuliert. In diesem Kontext wurde auch die Zusammenarbeit mit der Ostakademie gefordert. Es sollte Begegnung stattfinden mit dem Ziel der Verständigung, des Ausgleichs und der Versöhnung, zur Diskussion kontroverser Fragen aus den unterschiedlichen kirchlichen Bereichen mit Exulanten, aber auch mit Vertretern der Völker Ostmitteleuropas, mit Vertretern des Sozialismus, und mit Vertretern der Kirche der sogenannten Dritten Welt. Die Begegnung der Generationen sollte ebenso gefördert wie das Selbstverständnis geschärft und gesellschaftliche Fragen reflektiert werden. Auch die Methodik sollte den modernen Erkenntnissen angepasst werden. Vor allem Gruppenarbeit und kürzere Tagungen wurden gefordert. Neben der Geschäftsführung und dem Sekretariat wurde eine Studienleitung für das Haus der Begegnung verlangt, die als das wichtigste Organ angesehen wurde, da sie die Arbeit im Haus der Begegnung sorgfältig geistig und religiös durchdringen sollte. Dafür war ein akademischer Direktor vorgesehen. Er sollte die wichtigsten Tagungen leiten, die langfristige Planung übernehmen und einen Jahresplan aufstellen. Außerdem sollte im Haus der Begegnung eine Handbibliothek eingerichtet (aufgebaut) werden. Unter diesen Vorzeichen, die freilich noch sehr allgemein blieben und vielleicht auch deswegen relativ wenig Wirkung zeitigten, ließe sich nach Ansicht der drei Autoren das Haus der Begegnung in Königstein erhalten, , wenn auch mehr als ein katholisches Bildungszentrum –für die drei Diözesen im Großraum Frankfurt. Etwa zeitgleich stand in den drei Diözesen die dann gemeinsam verwirklichte Rabanus Maurus-Akademie zur Diskussion. In genau diese Überlegungen wollte man Königstein einbinden. Das Institutum Sinicum und das katholische Zentrum für Sozialforschung hatten in der Einschätzung Rabas mit dem Anliegen Königsteins nichts zu tun. Sie sollten von Königstein getrennt und nach Möglichkeit und Notwendigkeit andernorts beheimatet werden. Auch der deutsche Zweig der internationalen Ostpriesterhilfe sollte ausgegliedert werden.

14.3. Antrag des HdB bei der Deutschen Bischofskonferenz 1977 Es gab ebenfalls Überlegungen für ein Pastoralwerk Königstein, das fünf Abteilungen umfassen sollte. Die erste Abteilung: ein kirchliches Zentralinstitut für Mittelost- und Südosteuropa, die zweite Abteilung: das Bischof-Neumann-Gymnasium mit dem Internat, die dritte Abteilung: das Königsteiner Priesterwerk für Mittelost- und Südosteuropa als Unterstützungsfonds für den Priesternachwuchs, eingegliedert die Redaktion der Königsteiner Rufe, die vierte Abteilung: das Haus der Begegnung, die Tagungsleitung, das Wallfahrtsreferat, die Redaktion des Königsteiner Jahrbuchs und

344

Abschnitt IV

die Buchhandlung, und eine fünfte Abteilung: Wirtschaft und Verwaltung mit Sekretariat, Buchhaltung und Abrechnungsstelle. Die erste Abteilung, das kirchliche Zentralinstitut für Mittelost- und Südosteuropa, sollte ein katholisches, außeruniversitäres Institut zur Erforschung der Entwicklung von Gesellschaft, Kirche, Politik und Kultur in den Ostblockstaaten inklusive der DDR sein. Als Leiter vorgesehen war Dr. Wilfried Weber171. Er wollte ein kirchliches Zentralarchiv für Zeit- und Kirchengeschichte in den entsprechenden Territorien schaffen, ein Dokumentationszentrum über die Lage der Kirche und den Stand der Kirchen- und Kulturpolitik, ein Forschungsinstitut für Kirchengeschichte in diesen Ländern sowie ein Redaktionsbüro zur Herausgabe eines innerkirchlichen Nachrichtendienstes. Als Leiter für dieses Zentralarchiv wie für die zeit- und kirchengeschichtliche Stelle war Joachim Köhler vorgesehen, neben ihm Rudolf Grulich für DDR, ČSSR, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien sowie ein noch zu benennender Vertreter für das Baltikum und Wolfgang Grycz für Polen.172 Daneben sollte eine Studienkommission für marxistische Philosophie sowie Atheismus und Christentum in der kommunistisch regierten Welt eingerichtet werden, deren Leiter Dr. Wilfried Weber werden sollte. Diese Kommission sollte ein systematisches Studium der zeitgenössischen marxistischen Philosophen und Literaten gewährleisten, Tagungen zur Begegnung mit den Vertretern dieser Kreise, der emigrierten marxistischen Philosophen, veranstalten und die „Königsteiner Studien“ mit diesem Themenschwerpunkt fortsetzen. Dazu kam als ein dritter Bereich: die Ostakademie. Das Königsteiner Priesterwerk, die dritte Abteilung des Planes, sollte die Tätigkeit der Arbeitsstellen Süd und Nord für Heimatvertriebene sowie die Priesterwerke der heimatvertriebenen landsmannschaftlichen Gruppen fördern, indem es junge Katholiken aus den Herkunftsgebieten der Vertriebenen, die Priester werden wollten, unterstützte. Weiterhin sollte es Geistlichen theologische Sonderausbildungen ermöglichen.

171 172

Weber war ein Alt-Königsteiner, vormaliger Mitgestalter der Signa, er erhielt im Sommersemester 1976 einen Lehrauftrag in Religionspädagogik. Chronik der Hochschule, S. 164. Im entsprechenden Antrag des Hauses der Begegnung bei der Deutschen Bischofskonferenz, eine Arbeitsstelle für Zeitgeschichtliche Studien und Dokumentation im Rahmen der Neustrukturierung von Albertus-Magnus-Kolleg und Haus der Begegnung zu schaffen heißt es zur Begründung: „Die Arbeitsstelle für Zeitgeschichtliche Studien und Dokumentation, im Folgenden kurz Arbeitsstelle genannt, soll nach Ländern in mehrere Referate gegliedert eine empfindliche Lücke füllen. Es fehlt im Raum der Bundesrepublik Deutschland ein von katholischer Seite getragenes und der Lage der Gläubigen in totalitär regierten Ländern gewidmetes, nach wissenschaftlichen Prinzipien arbeitendes Forschungs- und Dokumentationszentrum, das die Probleme von Kirche und Gläubigen in diesen Ländern kontinuierlich verfolgt, die Trends dieser Entwicklungen feststellt und dokumentiert und kirchliche Stellen, die Medien sowie andere Multiplikatoren über die Entwicklung der Situation sachgerecht und aktuell informiert.“ – Der Antrag vom 6. November 1977 umfasst fünf Seiten Maschinenschrift.

Etappen der Entwicklung Königsteins

345

14.4. Vorstellungen der Bischofskonferenz 1977/78 Keine eigenen Vorschläge, sondern letztlich nur die Vorgaben der Kommission, die zur Neukonzeption Königsteins von der Bischofskonferenz eingesetzt worden war, legte Karl Reiß, Sprecher der sudetendeutschen Priester und Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die sudetendeutschen kirchlichen Fragen, in einem Rundschreiben an die Bischöfe vom 28. November 1977 vor. Reiß legte einen Rechenschaftsbericht über seine Aufgaben in der Vertriebenenseelsorge vor und musste in diesem Kontext auch die Neugestaltung der Königsteiner Anstalten ansprechen. Als Vorstandsmitglied des Albertus-Magnus-Kollegs war er in der Kommission für die Neugestaltung tätig. Die beiden Vereine Haus der Begegnung und Albertus-Magnus-Kolleg sollten in einen zusammengeführt und gleichzeitig die Geschäftsführungen zusammengelegt werden. Ein geistlicher Leiter für das Gesamtwerk sollte durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz bestellt werden. Die inhaltliche Arbeit sollte in erster Linie ein zu errichtendes Ostinstitut übernehmen. Es sollte die Lücke füllen, die nach der Sistierung der Hochschule 1978 entstanden war. In diesem Institut sollten die Einrichtungen, die schon in Königstein bestanden, und solche, die mit gleicher oder ähnlicher Zielsetzung anderswo angesiedelt waren – sie werden nicht ausdrücklich genannt – zur Kooperation gebracht werden. Inhaltlich sollte das Flüchtlingsproblem erforscht, die geistige Auseinandersetzung mit dem Marxismus geführt, Ostgeschichte und Ostkirche untersucht bzw. dokumentiert und die ‚Kirche in Not’ in ihren Aufgaben weitergeführt werden. Freilich war sich Reiß bewusst, dass diese sehr vage gehaltenen Pläne nur dann verwirklicht werden konnten, wenn die Deutsche Bischofskonferenz bereit war, zur wirtschaftlichen Sicherung der Königsteiner Anstalten entsprechend beizutragen, zumal damit gerechnet werden musste, dass Königstein in Zukunft immer weniger aus der Opferkraft der Heimatvertriebenen werde leben können. „Ein neu geordnetes Königstein soll natürlich weiterhin Zentrum und geistige Heimat der Heimatvertriebenen sein. Es soll aber auch allen offen stehen, die nicht das komfortabelste, aber ein angenehmes Tagungszentrum von beachtlicher Dimension suchen.“173 So wurde etwa zeitgleich mit der Sistierung der Hochschule auch die Zusammenlegung der beiden Vereine Albertus-Magnus-Kolleg und HdB e.V. diskutiert. Man suchte einen neuen künftigen Rechtsträger. Ministerialdirigent a.D., Dr. Erich von Hoffmann, führendes Mitglied der Ackermann-Gemeinde, machte nach Vorstellungen des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz den Vorschlag, fünf der Königsteiner Vereine im AMK e.V. aufgehen zu lassen, wobei letztlich die Neuordnung des Verhältnisses von AMK und HdB im Fokus stand. Man erkannte sehr schnell, dass die Ostakademie eine von der Öffentlichen Hand initiierte und überwiegend aus deren Mitteln finanzierte Einrichtung war, so dass man diesen e.V. nicht einfach förmlich auflösen konnte. Sie war auch nur zu einem Teil in

173

Brief Reiß vom 28. November 1977, 4 S. masch., Zitat S. 4.

346

Abschnitt IV

Königstein tätig. Diesen wollte sie auch künftig dort belassen und somit auch das Haus der Begegnung mit Kursen belegen. Die Ostakademie war auch bereit, mit dem künftigen katholischen ostkundlichen Institut, dessen Gründung ins Auge gefasst war, zu kooperieren. Ähnlich verhielt es sich beim Trägerverein des Institutes für Kirchengeschichte von Böhmen, Mähren und Schlesien, das als Einrichtung des Sudetendeutschen Priesterwerkes unabhängig war. Vergleichbar war ebenfalls die Situation beim Institut für Ostdeutsche Kultur- und Kirchengeschichte. Bezüglich des Katholischen Instituts für Sozialforschung und Flüchtlingsfragen wurde festgestellt, dass es seit langem keine Tätigkeit mehr entfaltet habe und dass im Vereinsregister noch immer Weihbischof Kindermann als Vorsitzender eingetragen sei, so dass hier überhaupt die Existenz zu überprüfen sei.174 Man votierte für einen schrittweisen Zusammenschluss der beiden Trägervereine, indem man dem künftigen Vorstand fünf Sitze zubilligte. Beide e.V. sollten ihre Vorstände von drei auf fünf Sitze erweitern und vereinbaren, dass die beiden neuen Sitze personengleich besetzt würden. Auch sollten beide Vorstände ihre Geschäftsführer beauftragen, wöchentlich zu einer Dienstbesprechung zusammenzukommen und das Ergebnis schriftlich festzuhalten. Einmal monatlich sollte zu diesen Dienstbesprechungen ein Vorstandsmitglied des AMK und des HdB dazukommen. So wollte man eine gemeinsame Geschäftsführung vorbereiten. Auch sollten beide Vereine prüfen, ob es nicht möglich sei, generell eine Doppelmitgliedschaft einzuführen, d.h., alle Mitglieder des einen müssten in den jeweils anderen Verein aufgenommen werden. So käme man sehr schnell zu einer gemeinsamen Mitgliederversammlung. „Besonders dringlich erschien den Teilnehmern der Besprechung die Frage zu klären, ob die ‚Königsteiner Rufe’ (herausgegeben vom AMK) und der ‚Digest des Ostens’ (herausgegeben vom HdB) nicht ab 1. Januar 1978 schon zusammengelegt werden können.“175 Das Modell des Hauses der Begegnung sah vor, eine Arbeitsstelle für zeitgeschichtliche Studien und Dokumentation einzurichten. Diese sollte eine Abteilung des geplanten Katholischen Ostkundlichen Institutes in Königstein werden und geographisch in mehrere Referate gegliedert sein: von einem Referat für Polen über je eines für Jugoslawien, die Sowjetunion, das Baltikum, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und die DDR bis hin zu einem Referat für die Chinesische Volksrepublik. Man glaubte, damit eine empfindliche Lücke an Information in der Bundesrepublik Deutschland schließen zu können. Ein von katholischer Seite getragenes, nach wissenschaftlichen Prinzipien arbeitendes Forschungs- und Dokumentationszentrum

174

175

Vgl. dazu das Ergebnisprotokoll über die Besprechung in Königstein am 26. August 1977 betreffend die künftige Struktur der Königsteiner Anstalten, an der von Seiten des AlbertusMagnus-Kollegs Prälat Breis, Pfarrer Maday und Monsignore Lieball teilgenommen hatten. Von Seiten des Hauses der Begegnung beteiligten sich Richard Hackenberg, Prof. Reinelt und Dr. Erich von Hoffmann. Das Protokoll umfasst 3 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194. KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194, S. 3.

Etappen der Entwicklung Königsteins

347

sollte die Probleme von Kirche und Gläubigen in den genannten Ländern kontinuierlich verfolgen, Entwicklungen feststellen und dokumentieren und kirchliche Stellen und Medien sachgerecht und aktuell informieren.176 Die Leiter der Referate sollten nicht nur das Verhältnis von Kirche, Staat und Partei analysieren, sondern auch die innerkirchliche Entwicklung infolge von Urbanisierung, Industrialisierung und Atheisierung des gesellschaftlichen Lebens. Sie sollten religionssoziologische Untersuchungen ebenso auswerten wie die weitere Entwicklung von Laiengruppierungen katholischer Christen und ihren Beitrag zum kirchlichen, kulturellen und sozialen Leben beobachten. Wo sie vorhanden war, sollte auch die christliche Literatur berücksichtigt werden und die Rezeption westeuropäischer Theologie in dem entsprechenden ostmitteleuropäischen oder südosteuropäischen Land untersucht werden. Ebenso sollten ökumenische Fragen Berücksichtigung finden. Um die Dimensionen dieses Institutes abzudecken, wurden 14 ausreichend große Räume für erforderlich gehalten. Man wollte acht Abteilungsleiter einsetzen, je einen für die genannten Referate, und fünf Mitarbeiter. Die für die einzelnen Referate Verantwortlichen sollten über gute Sprachkenntnisse des jeweiligen Fachgebietes verfügen sowie einen Hochschulabschluss in einem entsprechenden Fach und ansehnliche Kenntnisse über das betreffende Land und seine Kultur mit dem Schwerpunkt Kirche und Religion vorweisen.

14.5. Rabas 1980 Konzepte, Pläne und Vorschläge für eine Weiterentwicklung zumindest einiger Königsteiner Einrichtung gab es also durchaus und sogar bereits zu der Zeit, als Kindermann noch die Einrichtungen leitete. Realisiert wurde davon nichts. Man griff auch nach dem Tode Kindermanns keinen dieser Pläne auf. Man schleppte die bisherigen Arbeitsbereiche so weiter. So konnte dann auch Rabas Ende 1980 noch an Kruschina schreiben: „Von Königstein gäbe es sehr viel zu sagen, nur nichts Gutes! Im Sommer habe ich mit einem der deutsche Bischöfe ganz offen darüber gesprochen: über die Schulden – das wohl geringste Übel, das sich beheben ließe, wenn…; dann insbesondere über das, was ich die eigentliche Sendung und Aufgabe Königsteins nenne: die Sorge um die Kirche im Osten, zu der wir in besonderer Weise verpflichtet sind, weil von dort stammend und als inkardinierte Priester noch ganz besonders mit ihr verbunden. Und gerade diese Aufgabe wird vernachlässigt. Jetzt, wenn man von der geschichtlichen Arbeit Hubers absieht. Ich habe da schon 1978 meine großen Bedenken geäußert, als Dr. Weber ein neues Institut übernehmen sollte… Meine großen Bedenken betreffen jedoch die derzeitige Arbeit des neuen Institutes und Krokers. Ich habe ihn schriftlich gebeten, mir drei Fragen zu beantworten. Im Sommer sagte mir der

176

Vgl. Antrag des Hauses der Begegnung bei der Deutschen Bischofskonferenz zur Förderung einer Arbeitsstelle für Zeitgeschichtliche Studien und Dokumentation vom 6. November 1977. Der Antrag umfasst 4 S. masch. und einem Anhang von 1 S. zu den vorläufigen Kostenberechnungen, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194.

348

Abschnitt IV

Bischof: „Legen Sie ein Konzept vor, was gemacht und beibehalten und was gestrichen werden soll und kann“ – die Antwort hat mich mehr als enttäuscht. Zunächst keine konkreten Antworten und dann ein Sammelsurium von Vorhaben bis hin zu den Nord-Süd-Spannungen und Ost-West-Spannungen und selbstverständlich auch China und das in sechs Abteilungen… Meine Bitte, was gerade für die Kirche des Ostens, das ist doch zunächst in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, gearbeitet wurde: Fehlanzeige.“177 Die Pläne Krokers waren zu weit gespannt, als dass sie hätten überzeugen und realisiert werden können. Verschärft wurde die Situation durch das schlechte Verhältnis zwischen Kroker und Braunstein, also innerhalb der Leitung Königsteins.178 Problematisch sieht Rabas freilich auch Reiß in der Führung in Königstein. Der Bazillus der Königsteiner Krankheit, nämlich die Profilierungspsychose, sei immer noch virulent.179 Seit 1978 bestand sich in Königstein das Katholische Institut für Ostkunde, KIO, dessen Zielsetzung Rabas bereits drei Jahre später intensiv kritisierte. Von den Ansprüchen her müsste es ein Mammutinstitut sein, dazu fehlten aber die finanziellen Mittel und auch die für ein solches Institut tätigen Fachleute.180 Sehr ausführlich setzte Rabas sich mit dem Kirchlich-Katholischen Institut für Ostkunde und den geplanten Abteilungen und deren Zuständigkeitsbereichen auseinander. Die Konzepte waren surreal, weil überdimensioniert.181 Denn wie sollte ein solches Institut Forschung und Lehre betreiben auf den Gebieten von Geschichte und Zeitgeschichte Osteuropas, Ostmitteleuropas und Südosteuropas, der Geschichte des Kulturgutes der Vertriebenen und dabei die Probleme der Vertreibung, der Ost-West-Spannung und des Nord-

177 178

179 180

181

Rabas an Kruschina am 28.12.1980, 2 S. masch. „Bei der Besprechung mit dem erwähnten Bischof habe ich auch das miserable Verhältnis Braunstein-Kroker angesprochen und offen meine Meinung gesagt: auch bei einem neuen Leiter wird es nicht anders sein, denn der Sprecher will immer sprechen, aber auch dort, wo er nicht an der Spitze steht.“ Rabas an Kruschina am 28.12.1980, 2 S. masch. „Eine Aufzählung von sechs Abteilungen, eine russische ist später noch eigens genannt, ist daher weder sachlich berechtigt, noch weckt sie Vertrauen zu diesem Institut bei dem, der die Wirklichkeit kennt. Nur eine gediegene Arbeitsleistung überzeugt. Ihre Ermöglichung zu besprechen könnte Aufgabe einer Arbeitstagung interessierter Fachleute sein.“ Rabas in einer Stellungnahme in Rom am 19. März 1981. Die Stellungnahme umfasst 9 S. masch., Zitat S. 9. Allein die Aufteilung, die Abteilungen kritisierte er als unreflektiert, denn es wird dort eine böhmische Abteilung genannt, wobei nicht weiter ausgeführt wird, was unter böhmisch verstanden wird. Ob das identisch ist mit tschechisch oder mit deutsch-böhmisch oder ob der Raum Böhmen gemeint ist. Daneben wird pauschal eine slawische Abteilung genannt neben einer polnischen, südosteuropäischen. „Was dann jedoch dazu als Konkretisierung angeführt wird… legt ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Konzept vor, weil es so in und von Königstein nie realisiert werden kann und wird. Hier werden potemkinsche Dörfer aufgebaut, reine Fassaden ohne Rückhalt. Wer ein solches Konzept zu Gesicht bekommt, muss staunen, von diesem Mammutinstitut noch nichts gehört zu haben oder er würde es lächelnd beiseite legen.“ Rabas in einer Stellungnahme in Rom am 19. März 1981. Die Stellungnahme umfasst 9 S. masch., Zitat S. 6.

Etappen der Entwicklung Königsteins

349

Süd-Konfliktes generell aufgreifen. In Forschung und Lehre sollten Strömungen des Marxismus und des Eurokommunismus einbezogen werden, die Philosophie der Ideologien sollte vorgetragen werden sowie Möglichkeiten des Dialogs und Probleme der Menschenrechte. Rabas folgerte aus diesem Anspruch, dass ein riesiger wissenschaftlicher Apparat für ein solches Mammutinstitut notwendig wäre.182 Ebenso fragte er, ob es verantwortlich sei, ein solches Vorhaben mit den Spenden der Gläubigen zu finanzieren. Solche Vorhaben seien nicht Aufgabe Königsteins. Es fehle (damit) bei Prof. Kroker die Erkenntnis, dass mit solchen Plänen in der wissenschaftlichen Welt keine ernste Resonanz erzeugt werden könne. Außerdem liege von diesem kirchlichen Institut an tatsächlichen Forschungsergebnissen so gut wie nichts vor. Rabas sah das KIO als Konkurrenzunternehmen der seit vielen Jahren in Königstein tätigen Ostakademie, zudem stünden die Themenschwerpunkte des KIO in keinem sachlichen Zusammenhang zu den Aufgaben Königsteins.183

14.6. Ein neuer Anfang in überschaubarem Rahmen Rabas machte im März 1984 Weihbischof Pieschl einen Vorschlag zur Lösung der seinerzeitigen Hauptschwierigkeiten in Königstein. Er bat das bischöfliche Ordinariat in Limburg, für die geistlich-seelsorgerliche Arbeit einen geeigneten jüngeren Priester als Kuraten und Leiter des Werkes in Königstein freizustellen. Dieser Priester solle Herr des Hauses sein und Limburg gegenüber verantwortlich sein. Ihm sollte ein geeigneter Laie als wissenschaftlicher Referent zur Seite gestellt werden, der die gesamten Arbeiten, die sich aus der (im Werk Königstein vorhandenen) kirchlichen Ostproblematik ergeben, leiten sollte. Dem wissenschaftlichen Referenten sollte ein möglichst kleines Kuratorium als Beratungsgremium beigeordnet werden, das alle Sachaufgaben vorbesprechen, planen und kritisch begleiten sollte. Zum wissenschaftlichen Referenten sollte Grycz ernannt werden, der Polonist war und schon viele Jahre in Königstein arbeitete, so dass keine zusätzliche Kraft besoldet werden musste. Auch war er als 182 183

Rabas in einer Stellungnahme in Rom am 19. März 1981. Die Stellungnahme umfasst 9 S. masch., Zitat S. 7. „Als Resümee sei gesagt: das KIO hat sich in seinem Konzept ein Kleid geschneidert, das einige Nummern zu groß ausgefallen ist, daher nur lächeln lässt; es entspricht ihm dieses Kleid auch nicht als eine Einrichtung von Königstein mit anderen Aufgaben, denen sich auch das KIO einzufügen hat; es ist in seiner Tätigkeit gespeist von den Interessen des Sinologen und greift auf, was sich ihm gerade anbietet, um sich zu betätigen. Nicht aber, um eine wichtige vorgegebene Aufgabe zu erfüllen. Gefragt werden muss auch, wie es verantwortet werden kann, dass dieses KIO aus Spenden heimatvertriebener Katholiken finanziert werden kann; nach glaubwürdiger Mitteilung aus Königstein selbst hat das KIO im Jahre 1979 120.000 DM verbraucht. Die Beschäftigung mit China ist für das KIO nur am Rande vertretbar, wenn es dort überhaupt vertretbar ist. Im Jahre 1979 erscheint es jedoch neben zufällig sich bietenden Möglichkeiten als ein Hauptanliegen des Leiters des KIO geworden zu sein.“ (Rabas in einer Stellungnahme in Rom am 19. März 1981. Die Stellungnahme umfasst 9 S. masch., Zitat S. 8f.) Rabas wünschte sich den Schwerpunkt von China hin auf die Bedeutung der slawischen Völker für Europa verlagert. In diesem Punkt sollte Königstein Pionierarbeit leisten.

350

Abschnitt IV

Mitarbeiter für seine Teamfähigkeit bekannt. Die „Königsteiner Studien“ sollten eine Neukonzeption erhalten im Kontext der kirchlich-geistigen Ostproblematik, die laut Rabas in den vorangegangenen Jahren überhaupt nicht wahrgenommen worden sei. Rabas unterbreitete den Vorschlag, dass die Ackermann-Gemeinde an diesen „Königsteiner Studien“, die künftig quartalsweise erscheinen sollten, mitarbeiten könnte. Redaktion und Herausgabe dieser Zeitschrift sollten in Königstein verbleiben. Außerdem sollte eine stärkere Mitträgerschaft und Mitsorge durch die landsmannschaftlichen Priestergruppen wieder stärker angestrebt werden. Die schlesischen und ermländischen Priester kämen nämlich nur noch zu ihrer jährlichen Priestertagung nach Königstein, pflegten aber sonst keine Verbindung mehr.184

14.7. Suche nach einem Leiter und einem Konzept 1977 An den Sondierungen für die Nachfolge in der Leitung des Albertus-Magnus-Kollegs nach dem Ausscheiden von Stefan Kruschina 1977 beteiligte sich auch Pater Jaksch SJ185. Jaksch wusste um die Problematik, dass er vom Orden nur freigegeben würde, wenn zumindest die Konturen einer Neukonzeption Königsteins feststünden. Jaksch war selbst bereit, bei dieser Planung beratend mitzuwirken, fühlte sich aber mit der Materie zu wenig vertraut, um allein die wesentlichen Konturen festzulegen.186 Ganz nüchtern stellte er auch fest, dass er neben der Aufgabe als Leiter und vielleicht auch spirituellen Aufgaben in Königstein nicht auch noch die Gestaltung des geplanten Ostkunde-Institutes übernehmen könne. Dafür war offensichtlich an eine Kooperation mit Dr. Weber gedacht, der seine Bereitschaft signalisiert hatte, unter gewissen Bedingungen die Leitung des geplanten Ostkundeinstitutes zu übernehmen. Jaksch hätte sich dann auch einverstanden erklärt, dass Weber zusätzlich zur Institutsarbeit die Lateinamerikaabteilung von Fidei Donum leiten und seine Habilitation im Rahmen der Institutspublikationen veröffentlichen konnte. Auch der damalige Regens, Herr Schroeter, sollte zu einer Mitarbeit in Betracht gezogen werden. Jaksch sollte einen halben Lehrauftrag an der Bischof-Neumann-Schule und eine Aufgabe in der ostkirchlichen Öffentlichkeitsarbeit im Haus der Begegnung bekommen. Bekanntlich wurde Pater Jaksch dann vom Provinzialoberen der Jesuiten in Stuttgart gehalten. Er hatte somit nicht mehr die Möglichkeit, ein Amt in Königstein anzutreten. 187 184

185

186 187

Rabas am 25. März 1984 an Weihbischof Pieschl, Brief eine Seite masch., Exposé zu Königstein, Vorschlag zu einer Lösung der derzeitigen Hauptschwierigkeit, ebenfalls eine Seite masch. Pater Josef Jaksch, geb. 1915 in Niemes/Nordböhmen, 1939 in Leitmeritz zum Priester geweiht, 1948 in Pullach in die Gesellschaft Jesu eingetreten, hat von 1961 bis 1982 den Stuttgarter Caritasverband aufgebaut. Er starb 2008. Die entsprechenden Unterlagen in KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194. Als Nachweis zur Absage Pater Jaksch vgl. Schreiben des Leiters der Oberdeutschen Provinz SJ an Prof. Janko vom 20. Dezember 1977, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194.

Etappen der Entwicklung Königsteins

351

14.8. Zurückhaltung der Bischofskonferenz Die Überlegungen zu einer Institutsgründung wurden kritisch begleitet vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, das keine zusätzlichen Gelder für die Unterstützung eines solchen Institutes zur Verfügung stellen wollten. Der Sekretär, Prälat Homeyer, war der Ansicht, dass sich die bestehenden Institute weiterhin aus ihren bisherigen Quellen finanzieren könnten. Außerdem erschien ihm fraglich, ob es angesichts des Plans der Ackermann-Gemeinde, ein eigenes Ostinstitut aufzubauen, und mit der Verlegung des Instituts für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte nach Regensburg noch notwendig sei, eine zusätzliche Einrichtung in Königstein zu schaffen. Intern wurden die Planungen erschwert durch die Uneinigkeit zwischen dem Haus der Begegnung und dem Albertus-Magnus-Kolleg bezüglich der Struktur des Institutes. Das Haus der Begegnung hatte einen Plan vorgelegt, der einen Finanzbedarf von rund 1 Mio. DM pro Jahr vorsah und der als völlig unrealistisch abgelehnt wurde.188 Es bestand offensichtlich Befremden beim Sekretariat der Bischofskonferenz, dass Königstein ein volles Jahr Zeit gehabt hatte, um eigene Pläne und Initiativen zu entwickeln, aber praktisch nichts Entscheidendes auf den Weg gebracht hatte. Weder war die Person des neuen Leiters inzwischen bekannt, noch war man sich über die Zusammenlegung oder getrennte Weiterführung von HdB und AMK und einem gemeinsamen Vorstand einig. Offensichtlich war, jedenfalls Anfang 1978, klar, dass die Bischofskonferenz keine zusätzlichen Gelder für Gebäuderenovierungen in Königstein zur Verfügung stellen wollte. Man war eher geneigt, die 1978 noch gewährten Geldmittel in Zukunft zu kürzen, da durch die Sistierung der Hochschule viele finanzielle Belastungen weggefallen waren Entscheidende Voraussetzung für eine künftige Förderung war die rasche Wahl eines neuen Leiters des Gesamtwerkes HdB und AMK. Offensichtlich konnte man sich durchaus ein wie auch immer an die Kommission Zehn „Kirche und Welt“ angebundenes Institut in Königstein vorstellen, nur sollte es sich von der ausschließlichen Zuordnung auf Vertriebenenfragen, aus dem Ghetto der Vertriebenenbetreuung lösen.189 Man wollte die Vertriebenenproblematik innerhalb des Gesamtkomplexes ‚Menschenrechte‘ behandeln und hätte es gerne gesehen, wenn die Auseinandersetzung mit dem Marxismus einen wichtigen Baustein der Arbeit des Institutes gebildet hätte.

188

189

Vgl. dazu das Protokoll eines Gespräches von Dr. Weber mit Prälat Homeyer und Herrn Panholzer am 20. Februar 1978, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194, 2 S. masch. „Diese fehlende Einheit in Königstein und die mangelnde Unterstützung durch alle Vertriebenengruppen lasse die Frage unbeantwortet, ob hinter der Fassade überhaupt noch genügend Substanz da sei.“ (KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194, S. 1). „Der Name des Instituts soll an der Geschichte Königsteins anknüpfen, aber nicht unmittelbar den vorbelasteten Begriff „Vertriebene“ enthalten. Zudem sollte der Name flexibel genug sein, Neues aufzunehmen und Erledigtes zu streichen, ohne dass eine Namensänderung nötig wäre.“ (KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194, S. 2).

352

Abschnitt IV

14.9. Wie weit tragen die Verdienste der Vergangenheit? Es gab – wie geschildert – immer wieder Ansätze, nach dem Rücktritt Kruschinas und der Sistierung der Hochschule 1977/78 eine tragfähige Zukunftsperspektive für die Königsteiner Einrichtungen zu finden. Das erwarteten allein bereits die Geldgeber, nicht zuletzt der Verband der Deutschen Diözesen. Der überzeugende Wurf war jedoch nicht dabei. Man hob die Bedeutung Königsteins als Wallfahrtsort für die Vertriebenen hervor, besonders die Kollegskirche. Sie war bekannt durch die Gebetsstunde für die verfolgte Kirche bei den jährlichen Kongressen ‚Kirche in Not’, die eine gewisse vertraute Atmosphäre und Heimat schaffte und war Ersatzstätte für oftmals verwahrloste Gnadenorte, Wallfahrtsorte in manchen Gegenden des Ostens.190 Man erinnerte daran, dass die Schlesier in Erinnerung an die verlorene Gnadenstätte auf dem St. Annaberg hierher pilgerten, dass Katholiken aus dem Erzgebirge und Ermländer kamen und dass die sakralen Räume, auch die Hauskapellen in Königstein, zahllosen Exerzitien dienten. Dabei war freilich auch ein gerüttelt Maß an Übertreibung im Spiel.191 Man verwies auf die Verdienste von Priesterseminar und PhilosophischTheologischer Hochschule, die in dreißig Jahren fast 420 Neupriester ausgebildet hatten, von denen eine ganze Reihe auch in der DDR ihren Dienst tat, und bot quasi als Weiterführung, als gleichwertigen Ersatz das neu gegründete Katholische Institut für Ostkunde an, das, so Braunstein und Grycz 1980, seine wissenschaftliche Arbeit aufgenommen habe. Weiter verwies man auf das Priesterreferat, das alle heimatvertriebenen Priester aus dem Osten betreute und zur Kontaktstelle von etwa 4.000 Geistlichen wurde, die ihre Heimatdiözesen verloren hatten. Diese Tätigkeit wurde auch nach der Sistierung der Hochschule weitergeführt. Jährlich versammelten sich in Königstein das schlesische, das sudetendeutsche und das ermländische Priesterwerk zu ihren Tagungen. Schließlich schmückte man sich mit der Bischof-Neumann-Schule und verwies auf die hohe Besucherzahl von über 800 Jungen, ohne darauf hinzuweisen, dass der Großteil mittlerweile aus einheimischen Familien der Umgebung kam. „Aus ihr sind zahlreiche Persönlichkeiten hervorgegangen, die heute als Priester oder Laien führende Aufgaben in Kirche und Gesellschaft wahrnehmen. Unter ihnen Bischöfe, Generalvikare,... sowie Professoren verschiedener Fakultäten. Soll diese Schule als katholisches humanistisches Gymnasium in Hessen konkurrenzfähig bleiben, so ist ein Erweiterungsbau unumgänglich, der uns vor immense finanzielle Probleme stellt.“192 Auch das Internat wurde trotz großer Schwierigkeiten weitergeführt.

190

191 192

Zur Entstehung, den Künstlerinnen und Künstlern und zur identifikatorischen Funktion der Kunstwerke in der Kollegskirche vgl. Manfred COLLOSEUS, Die Schutzmantelmadonna der Vertriebenen in Königstein. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis 21 (2013), S. 52-57. Vgl. etwa ein Schreiben von Braunstein und Grycz vom 19. Februar 1980 an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz. Diözesanarchiv Limburg, 16A/3. Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, S. 2.

Etappen der Entwicklung Königsteins

353

Das Haus der Begegnung wurde als bundesweite und internationale Tagungsstätte hervorgehoben, das 1979 über 400 Veranstaltungen aufwies – überwiegend Tagungen in eigener Verantwortung, Begegnungen katholischer Organisationen, Treffen von Vertriebenen, Spätheimkehrern etc. Dabei wusste man zu diesem Zeitpunkt bereits um die Problematik der fehlenden kontinuierlichen Belegung des Hauses und auch um die vielen Fremdveranstaltungen, die mit der ursprünglichen Zielsetzung des Hauses der Begegnung nichts zu tun hatten. Schließlich wurde die wesentliche Bedeutung der Informationsarbeit, also der Publikationen von Königstein, unterstrichen. Sie umfasste Informationen und Berichte, den Kongressband ‚Kirche in Not’, den Informationsdienst „Religion und Atheismus in der UDSSR“, der monatlich in einer Auflage von 1.200 deutschen und 600 russischen Exemplaren gedruckt wurde, das Jahrbuch der Acta Baltica und die Chronik der Litauischen Katholischen Kirche in deutscher Übersetzung. Das Katholische Institut für Ostkunde veröffentlichte ein- bis zweimal jährlich die „Königsteiner Studien“, das „Königsteiner Jahrbuch“, das die Verbindung zu breiten Schichten der Vertriebenen aufrechterhielt und nicht zuletzt die „Königsteiner Rufe“ als volkstümliche Zweimonatsschrift, die 1980 noch in einer Auflage von 22.000 Exemplaren erschienen. Die „Königsteiner Studien“ waren 1981 letztmals erschienen. 1983 wurde ein Versuch gemacht, sie neu zu beleben. Ihr Anliegen, Vertriebenenprobleme und Fragen des Ostens in wissenschaftlich fundierter Form zu behandeln, sollte verstärkt aufgegriffen werden. Sie sollten durch die „Informationen und Berichte“ ergänzt werden, die seit 1958 als Monatsschrift, bis 1977 unter der Bezeichnung „Digest des Ostens“, erschienen waren. Ihre Funktion war es, zu dokumentieren, darzustellen, sachlich zu kommentieren und die Situation von Kirche und Staat in den Ländern des Ostens zu beleuchten. Somit sollte der feste Bezieherkreis von ca. 4.300 Adressen, den die „Informationen und Berichte“ 1983 noch hatten, genutzt werden. Diese so neu zusammengefügte Publikation sollte quartalsweise erscheinen und aus zwei Teilen bestehen. Teil A sollte Beiträge zur Situation der Kirche im Osten sowie zur Vertriebenenproblematik in Form von Analysen, Trenddarstellungen, wissenschaftlichen Disputationen mit dem Marxismus-Leninismus enthalten. Teil B sollte die aktuelle Situationsbeschreibung und Dokumentation beinhalten. Gedacht war an ein Organ mit etwa 100 Seiten Umfang. Es sollten Fachleute gewonnen werden, die sich zur kontinuierlichen Mitarbeit verpflichteten. Genannt wurden konkret die Professoren Nittner und Rabas. Ein wissenschaftlicher Beirat sollte dem Redakteur zur Seite stehen und aktiv mitarbeiten. So wollte man das Ansehen des Hauses der Begegnung wieder herstellen.193

193

Vgl. zwei Seiten Exposé für eine Neugestaltung der Zeitschriften „Königsteiner Studien/Informationen und Berichte“ in KZG 12.

354

Abschnitt IV

14.10. Notwendige strukturelle Neuordnung Als äußerst diffizil erwies sich die Zusammenführung der beiden Vereine Haus der Begegnung e.V. und Albertus-Magnus-Kolleg in Königstein e.V. Die Deutsche Bischofskonferenz wünschte eine Auflösung des Vereins Haus der Begegnung bis 31. Dezember 1979. Diesem Wunsch wollte die Mitgliederversammlung des Vereins am 27. Juni 1979 nicht folgen, weil ein Teil der Mitglieder der Meinung war, dass die Frist als Auflösungstermin zu kurz sei, die Überleitung benötige einen längeren Zeitraum. So kam auch die notwendige Dreiviertelmehrheit für einen entsprechenden Auflösungsbeschluss auf dieser Versammlung nicht zustande. Auch ein späterer Termin, der 31. Dezember 1980, wurde als Auflösungstermin abgelehnt. Von den zehn anwesenden Vereinsmitgliedern stimmten sieben mit Ja, zwei mit Nein und ein Mitglied enthielt sich der Stimme. Die erforderliche Dreiviertelmehrheit kam also nicht zustande. Demnach also hätte der Verein auf unbestimmte Zeit weiter bestehen müssen. Die vorgesehene Neuordnung in Königstein wäre somit verhindert, der Beschluss des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz vom 20. November 1978 nicht umgesetzt worden. In dieser angespannten Situation, in der die Stimmung gedrückt und von einem schwarzen Tag in der Vereinsgeschichte die Rede war, kam man in einem zweiten Anlauf, nämlich am Nachmittag des Sitzungstages, doch noch zu einer Kompromisslösung. Diese sah nun vor, den Verein mit Ablauf des 30. Juni 1980 aufzulösen. Entsprechend wurde das Bischöfliche Ordinariat Limburg informiert. Angesichts der schwierigen Situation im Verein sah das Ordinariat die Notwendigkeit, diesen Kompromissbeschluss zu akzeptieren und der Satzungsänderung des AMK e.V. zuzustimmen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, der Neuordnung der Verhältnisse in Königstein im Wege zu stehen.194 Ein Gegner der von der Bischofskonferenz bzw. der eingesetzten Kommission oktroyierten Fusion der beiden Verbände war ohne Zweifel der Leiter des Hauses der Begegnung, Richard Hackenberg. Er warf der Bischofskonferenz vor, dass sie nicht bereit war, Zuschüsse für Institution und Personalkosten zu gewähren, sondern allenfalls einzelne Veranstaltungen bezuschussen wollte; damit konnte das finanzielle Problem nicht grundsätzlich geregelt werden.195 Hackenberg war ohne Zweifel eine

194 195

Vgl. eine entsprechende Aktennotiz zur Mitgliederversammlung Haus der Begegnung e.V. Königstein, Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, 2 S. masch. Vgl. ein Schreiben Hackenbergs vom 5. Dezember 1978, in dem er eine Mitteilung des Sudetendeutschen Archivs vom Januar/Februar 1979 korrigieren wollte, nach der die bisherigen beiden Trägervereine der Königsteiner Anstalten sich zu einem einzigen eingetragenen Verein zusammengeschlossen hätten, eine neue Satzung in Kraft trete und die Deutsche Bischofskonferenz, der Ortsbischof und der Flüchtlingsbischof rechtlich eingebunden worden seien. Dadurch ergebe sich, so die Notiz in den Mitteilungen des Sudetendeutschen Archivs, die wirtschaftliche Sicherstellung des ganzen Werkes, soweit es aus der Opferkraft seiner Freunde und Gönner nicht mehr gesichert werden könne. Dagegen wandte sich Hackenberg vehement. Er wisse nichts von einem Zusammenschluss der beiden bisherigen Trägervereine und der wirtschaftlichen Sicherstellung des ganzen Werkes; auch die rechtliche Einbindung der Deutschen Bischofskonferenz, sei

Etappen der Entwicklung Königsteins

355

Leitungspersönlichkeit im Sinne von Kindermann und mit ähnlichem Zuschnitt wie Kruschina, eher autoritär ausgerichtet denn ein Teamplayer. Wenn er unterstrich, dass die Spannungen, wie sie vor der Amtsübernahme durch Prof. Braunstein bestanden, nun beseitigt und die einheitliche Repräsentanz und Geschäftsführung gewährleistet seien, ist dies ein Indiz dafür, dass Hackenberg mit Kruschina nicht zusammenarbeiten konnte. Nun aber sei die Zusammenarbeit von AMK und HdB harmonisch und sehr fruchtbar.

Karl Braunstein als neuer Leiter des AMK e.V. vor den alten Problemen Auf der Jahreshauptversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs und der gemeinsamen Sitzung von AMK und HdB am 26. Juni 1978 wurde Prof. Braunstein mit 14 Jaund einer Nein-Stimme zum Leiter des Albertus-Magnus-Kollegs und damit zum Nachfolger von Dr. Anton Janko bestellt und als geistlicher Direktor des gemeinsamen e.V. AMK-HdB in Aussicht genommen.196 Karl Braunstein, geb. am 1. April 1920 in Hainspach, hatte noch in Leitmeritz Theologie studiert. Das Studium setzte er nach seiner Flucht in Regensburg fort und erhielt dort am 29. Juni 1948 seine Priesterweihe. 1941 studierte er an der Gregoriana in Rom weiter. Hinter dieser Initiative stand Prälat Kindermann. Braunstein war dort Sekretär des Bischofs Alois Hudal197. Er schrieb seine Doktorarbeit in Rom und übernahm nach seiner Rückkehr nach Königstein Kirchenrechtsvorlesungen von Kindermann. Gleichzeitig war er Redakteur des Expulsus. 1957 übernahm er die Seelsorgstelle von Seelenberg. 1959 wurde er Dozent, 1963 außerordentlicher Professor und 1966 ordentlicher Professor für Kirchenrecht. Vor allem das Thema „Vertreibung im

196 197

mehr als fraglich. Man solle dadurch nicht die potentiellen Spender täuschen. „Gelegentlich der Anwesenheit von Bischof Janssen in Königstein am 23. November d. J. hatte ich ihm meine große Enttäuschung über Verlauf und Ergebnis der letzten Sitzung des Arbeitskreises der Ständigen Konferenz der Bischofskonferenz mitgeteilt. Ich habe es bedauert, dass die Bischofskonferenz keine Zusage gegeben hat, die Königsteiner Arbeit finanziell zu sichern. Meine Frage, wie die finanzielle Lücke geschlossen werden soll und welche Vorteile eine Auflösung des HdB e.V. gegenwärtig bringt, wurde nicht beantwortet. Stattdessen wurde das Wort Liquidation und Auflösung des öfteren in die Debatte geworfen. Eine Auflösung des HdB e.V. hätte einen Verlust von einem Spendenaufkommen von jährlich etwa 600.000 bis 700.000 DM zur Folge. Ein Ersatz dafür ist nicht in Sicht. Die Folgen, die ein Wegfalls dieses Spendenaufkommens zeitigen würde, sind nicht schwer zu erraten. Ich habe Bischof Janssen gesagt, dass ich das Teilerbe von Bischof Kindermann übernommen habe in der Absicht, dasselbe weiterzuführen, zu intensivieren, aber nicht um es einzustellen und aufzulösen. Wenn aufgelöst werden soll, muss aktenkundig gemacht werden, auf wessen Veranlassung die Auflösung erfolgt. Initiativen zur Auflösung halte ich im gegenwärtigen Zeitpunkt für verderblich und unverantwortlich. Diesbezügliche Absichten wurden immer erörtert unter dem Aspekt der finanziellen Förderung durch die Bischofskonferenz. Durch das Ausbleiben derselben ist eine völlig neue Situation entstanden.“ (Das Schreiben umfasst drei Seiten in Maschinenschrift, Zitat S. 2). Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, Protokoll der Jahreshauptversammlung, TOP 6 auf S. 4. Das Protokoll umfasst acht Seiten masch. Markus LANGER, Alois Hudal. Bischof zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Versuch einer Biographie. Wien 1995.

356

Abschnitt IV

Licht des Naturrechts, des Kirchenrechts und des Völkerrechtes“ bildete den Schwerpunkt seiner Publikationen. Nach eigener Aussage befasste er sich gern mit Literaturgeschichte, klassischer Musik, Oper und Theater. Braunstein war Synodalrichter des Offizialats in Limburg und Sekretär der Deutschen CIC Revisionsunterkommission unter Kindermanns Vorsitz.198 In der genannten Jahreshauptversammlung stellte Karl Reiß völlig überraschend für alle Mitglieder seinen Rückzug aus dem Vorstand zur Disposition. Eine Verjüngung sollte angestrebt werden, so sein Argument, und er sei als Sprecher der sudetendeutschen Priester und als Pfarrer von Heiligkreuz in Offenbach so sehr in Anspruch genommen, dass er sein Vorstandsamt niederlegen wolle. Diesem Wunsch entsprach die Mitgliederversammlung nicht. Eine ganze Reihe von Herren, z.B. Prof. Otto, Dr. von Hoffmann und Hackenberg, waren der Ansicht, dass man in der derzeitigen Situation neuerliche Veränderungen in Königstein vermeiden müsse. Auch Braunstein bat Reiß zumindest zum gegebenen Zeitpunkt nicht aus dem Vorstand auszuscheiden. Reiß war vom 21. November 1973 bis Ende Juni 1980 Mitglied im Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein, bzw. seit Juni 1978 im fünfköpfigen gemeinsamen Vorstand des Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. Der Auslöser für seinen späteren Rückzug aus dem Vorstand im Juni 1980 war, so seine Begründung im Schreiben an die Bischöfe von Köln, Limburg und Hildesheim, die desolate finanzielle Situation im Haus der Begegnung. Reiß, der zuvor Vorstandsmitglied des Albertus-Magnus-Kollegs gewesen war, bedauerte, dass damit „ein gesunder Partner mit einem schwerkranken Patienten zusammengelegt“ werden sollte.199 Die wirtschaftliche Lage des Hauses, so der Zentralpunkt der Begründung seines Rückzuges, sei so kritisch geworden, dass das ganze Werk Königstein schwer gefährdet sei. Reiß meinte, dass allein die baldmöglichste finanzielle Sanierungsaktion durch das Belegenheitsbistum, also durch Limburg und den Verband der Diözesen Deutschlands, den Bankrott abwenden könne. Es müsse eine starke Persönlichkeit

198 199

Zu Braunstein vgl. Signa, Semesterrundbrief WS 1967/68, S. 7f. Das Schreiben vom 1. September 1980 in Diözesanarchiv Limburg, 16A bei Akte 1980 bis 1983, 3 S. masch. „Ich sehe keine Möglichkeit einer fruchtbaren Zusammenarbeit in diesem fünfgliedrigen Vorstand, da ich in diesem Vorstand immer wieder auf den Widerstand gewisser Mitglieder stoße, die meine wohlgemeinten Aktivitäten als Eigenmächtigkeiten ansehen und meinen, sie könnten mit mir nicht zusammenarbeiten. Es ist richtig, dass ich seit Dezember 1979, als ich die schwierige wirtschaftliche Situation des Hauses der Begegnung erkannte, vier dringende Mahnschreiben an die Mitglieder des Vorstandes richtete, in denen ich den Ernst der Lage aufzeigte, auf bestehende Missstände hinwies und die Unentschlossenheit des Vorstandes tadelte. Ich machte konkrete Vorschläge, welche Maßnahmen unverzüglich ergriffen werden müssten. Es ist kaum etwas geschehen… Die größten Schwierigkeiten bestehen in meinem Verhältnis zum Leiter des Albertus-Magnus-Kolleg-Haus der Begegnung, Prälat Dr. Braunstein, der mehrmals erklärt hat: er könne mit mir nicht zusammenarbeiten und wolle nicht Befehlsempfänger eines Vorstandsmitgliedes sein.“ (Schreiben vom 1. September 1980 in Diözesanarchiv Limburg, 16A bei Akte 1980 bis 1983, 3 S. masch., S. 2) Reiß hielt Braunstein für eine Fehlbesetzung, an der er bedauerlicherweise selbst mitgewirkt habe. Braunstein sei es in den zurückliegenden zwei Jahren nicht gelungen, die ihm gestellten Aufgaben in den Griff zu bekommen.

Etappen der Entwicklung Königsteins

357

bestellt werden, die die Verwaltung in den Griff bekommt und die Sanierungsaktion beginnt. Ansonsten stünden die Königsteiner Anstalten in größter Gefahr. Auf der Mitgliederversammlung am 19. Mai 1981 wurde die Neuwahl eines Vorstandsmitgliedes notwendig, weil Prälat Reiß auf eigenen Wunsch nun aus dem Vorstand ausschied. Laut Protokoll bedauerte der Vorsitzende Prof. Braunstein dies, da er mit Prälat Reiß einen erfahrenen Mitarbeiter im Vorstand verliere. Nachfolger für Reiß wurde Dr. Wolfgang Klemp. Hackenberg sah darin eine unzulässige Schwerpunktverlagerung in der Königsteiner Arbeit vom Kongress ‚Kirche in Not’, der eigentlichen Aufgabe des Hauses der Begegnung, hin zur Arbeit der Schule.200 Nun war es keineswegs so, dass allein Reiß die desolate finanzielle Situation im Haus der Begegnung Königstein gesehen hätte. Das Bischöfliche Ordinariat Limburg, v.a. das Dezernat Finanzen, hatte sich ebenfalls mit ihr beschäftigt und eine Sonderprüfung des Rechnungswesens des Hauses der Begegnung durchgeführt. Allein im Jahr 1979 wurde ein Verlust von über 800.000 DM eingefahren. Auch die Prüfgesellschaft Solidaris hatte eine Vielzahl von Beanstandungen im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 1979 erhoben. Ein Problem war offensichtlich das Finanzgebaren und die Rechnungsführung des Geschäftsführers. Man ging im März 1980 davon aus, dass man einen neuen Geschäftsführer suchen musste. Im Ordinariat in Limburg wurde überlegt, ob eine eigene Prüfungsgesellschaft eingesetzt werden sollte, da Solidaris, vom Verein in Königstein beauftragt, sich mit dem Auftraggeber solidarisiert haben könnte. Auch der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge, Heinrich Maria Janssen, machte sich große Sorgen wegen des im Jahr 1979 erwirtschafteten Defizites. Vor allen Dingen beschäftigte ihn die Frage, wie dieses gedeckt werden sollte. Janssen schlug den Verkauf von Häusern, zum Teil Wohnungen von Angestellten, vor. Freilich dürfe man sich dann nicht in Sicherheit wiegen, denn es würden weitere Schulden im laufenden Jahr entstehen, wenn nicht grundsätzliche Probleme geklärt würden. Daher formulierte Janssen den Vorschlag, das Sudetendeutsche Priesterwerk stärker als bisher in die Finanzierung von Königstein einzubinden, da die Aufgaben Königsteins dem Auftrag und den Zielsetzungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes doch näher liegen müssten als die Spenden für den Heiligen Vater oder die Entwicklungshilfe, die das Priesterwerk leiste. Schließlich sei

200

Protokoll der Mitgliederversammlung des gemeinsamen Vereins des Albertus-Magnus-Kollegs und des Hauses der Begegnung vom 19. Mai 1981, 12 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/4. Dort heißt es auf S. 3: „Herr Hackenberg erklärt, dass er seine eigentliche Aufgabe immer im Haus der Begegnung mit Schwerpunkt Kongress gesehen hat. Er ist auch bereit sich noch um den diesjährigen Kongress zu kümmern. Schwerpunkt der Königsteiner Arbeit wird, meint Herr Hackenberg, mehr und mehr die Schule. Er ist kein Gegner der Schule, aber die Folgekosten hierfür können nicht von den Heimatvertriebenen aufgebracht werden. Das Bischöfliche Ordinariat hätte sich stärker an den Kosten beteiligen müssen. Er hält die neue finanzielle Belastung nicht für vertretbar. Sein Entschluss ändert aber nichts an seiner weiteren Sorge und an seinen Bemühungen um das Königsteiner Werk. Er ist bereit – auch auf bischöflichen Wunsch hin – weiterhin im Vorstand zu verbleiben.“

358

Abschnitt IV

auch an personelle Einsparungen oder an die Reduktion der Arbeiten in Königstein zu denken.201

Prüfung und Unterstützung durch den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) Die Stellungnahme zum Jahresabschluss 1978 brachte einen Stein ins Rollen.202 Auch in der Sitzung des Vorstandes in Königstein am 7. März 1980 wurde die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses 1978 festgestellt und dabei die Unvollständigkeit und mangelnde Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ebenso beanstandet wie die Unverständlichkeit verschiedener wirtschaftlicher Dispositionen. Der Vorstand beschloss in dieser Sitzung, den Verband der Diözesen Deutschlands um fachmännische Beratung zu bitten. Der Verwaltungsrat des VDD beschloss in seiner Sitzung vom 21. Oktober 1980, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich mit der wirtschaftlichen Situation des Vereins in Königstein befassen sollte. Diese Arbeitsgruppe, die sich am 25. November 1980 zu ihrer ersten Sitzung in Königstein traf, mahnte zunächst eine sofortige Reduzierung der überhöhten Personalausgaben an. Die Geschäftsführung des Vereins AMK/HdB sollte in Verbindung mit dem Prüfungsamt des VDD dafür einen Stellenplan mit Stellenbeschreibung erarbeiten.203 Doppelarbeiten sollten abgebaut werden, die verschiedenen Karteien für Spender und Bezieher von Veröffentlichungen zusammengefasst werden und die bis dato noch manuell geführten Karteien auf EDV umgestellt werden. Verwaltungswege sollten verkürzt, Arbeitsabläufe rationalisiert werden, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Berichtspflichten schriftlich für alle Mitarbeiter festgelegt sein. Ein neuer Stellenplan wurde erstellt, der 57 Stellen anstatt der bisher 97 vorsah, ohne den Lehrkörper der Bischof-Neumann-Schule zu berücksichtigen. Damit wollte man ca. 480.000 DM pro Jahr einsparen.

201 202

203

Schreiben Janssens vom 11. August 1980 an Homeyer, Diözesanarchiv Limburg, 16A, bei Akte 1980 bis 1983. „Im November 1979 hatte der Vorstand des Haus der Begegnung Königstein e.V. das Bischöfliche Ordinariat um seine Stellungnahme zum Jahresabschluss 1978 gebeten, da diese für die Mitgliederversammlung benötigt wurden. Da diese Bilanz dem BO einige Unklarheiten zu enthalten schien, nahmen mit Zustimmung des Vorstandes einige Mitarbeiter des Ordinariates vom 12. bis 14. November 1979 Einblick in die Buchhaltung und in den Wirtschaftsbetrieb. Am 19. November 1979 erhielt ich einen Bericht über das Ergebnis dieser Untersuchungen. Es wurde festgestellt, dass statt eines Gewinnes von DM 204.000 ein Fehlbetrag von rd. DM 170.000 erwirtschaftet wurde. Diese Feststellung beruhte im Wesentlichen darauf, dass die Solidaris aufgrund der Angaben des Geschäftsführers ein Sparbuch als Guthaben bilanziert hatte, welches in Wirklichkeit nur ein Darlehen der Frau Bartetzko war. Im Zusammenhang damit wurden wir noch auf eine Anzahl von Mängeln in der Buchhaltung und im Wirtschaftsbetrieb aufmerksam.“ Bericht über die wirtschaftliche Situation der Königsteiner Einrichtungen vom 17. März 1981, Diözesanarchiv Limburg, 16A bei Akte 1980 bis 1982. Dazu eine Aufschreibung, Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein, im Umfang von 9 S. masch. in Diözesanarchiv Limburg, 16A bei Akte 1980 bis 1982.

Etappen der Entwicklung Königsteins

359

Letztlich stellte die Arbeitsgruppe Forderungen nach einer geregelten Verwaltung und Aufsicht, etwa dass Überstunden abzubauen seien, dass die Hausarbeiter über die geleisteten Arbeiten Raportzettel zu erstellen hätten, dass eine Kostenstellenrechnung eingeführt werden müsse, damit die Defizite an der sachlich richtigen Kostenstelle ausgewiesen würden. Der Wohnraum für die Mitarbeiter müsse gegen ortsübliche Mietpreise überlassen werden und für die Mahlzeiten müsse der echte Wert verlangt werden.204 Es wurde deutlich auf den Ernst einer klaren Verwaltung hingewiesen. Zuschüsse und Spenden müssten sorgsam für den Vereinszweck eingesetzt werden und dürften nicht im Sumpf der Verwaltung versickern. Weiter schlug die Arbeitsgruppe vor, dass zur Ablösung der hohen Schulden Immobilien verwertet werden sollten. So wurde das Haus St. Georg an die Katholische Kirchengemeinde St. Michael in Frankfurt/Zossenheim zum Preis von 1,2 Mio. DM verkauft. Ebenso war man bemüht, das Grundstück an der Bundesstraße 8 wie auch ein Grundstück am Hainerbergweg zu verkaufen. Mit einer Verringerung des Bettenangebotes205 – man strebte 70 Betten an – sollten das Personal und die Energiekosten reduziert werden. Eine Reduktion der Personalkosten war zum Teil bereits erfolgt, trotzdem sprach die Kommission von zwölf Mehrfachbesetzungen im Bereich Allgemeine Verwaltung. Der neue Verwalter, Rankers, beabsichtigte, 1982 durch Kündigungen und Änderungskündigungen 350.000 DM an Personalkosten einsparen zu können.206 Das Internat sollte nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung des Vereins vom 19. Mai 1981 nach dem Schul-

204

205

206

„Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtsituation und der notwendigen Höhe der Zuwendung des VDD bleibt zu bedenken, dass die Bezuschussung von Aktivitäten, die sich in der Bereitstellung von Tagungsräumen und von Unterkunft und Verpflegung für Dritte erschöpfen würden, nicht zu rechtfertigen wäre. Eigene Aktivitäten bedeuten aber Investition sowohl im Personal- wie im Sachbereich. Die dem AMK/HdB e.V. zufließenden Spenden und Zuschüsse sind in erster Linie für die Aufgaben und Zwecke des Vereins einzusetzen. Die Kosten der reinen Administration sind so gering wie möglich zu halten. Hierzu ist erforderlich, immer wieder die Arbeitsabläufe im reinen Verwaltungsbereich daraufhin durchzuforsten, ob Doppelarbeiten oder Arbeiten auf die ohne Schaden für das Ganze verzichtet werden kann, vorliegen, ob Verwaltungswege verkürzt werden können.“ Aufschreibung, Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein, im Umfang von 9 S. masch. in Diözesanarchiv Limburg 16A, bei Akte 1980 bis 1982, S. 6f. Die Bilanz für das erste Halbjahr 1980 wies erneut einen Verlust von 482.000 DM aus. Ein auswärtiges Gutachten zur wirtschaftlichen Lage des Vereins wurde eingeholt; es kam zu dem Ergebnis, dass die vorhandenen Betten nur noch zu 39 % ausgelastet waren. Daher lautete ein Hauptvorschlag, den Umfang des Tagungsbetriebes im Haus der Begegnung zu reduzieren. Die Finanzlage der Schule wurde als ausgeglichen festgestellt. Ein Defizitfaktor war das Internat; der Verein überlegte, ob unter diesen Umständen das Internat künftig weitergeführt werden könne. Die Entwicklung setzte sich auch 1981 fort. Hier weist die Rechnung einen Verlust von 437.000 DM aus. Hinzu kommt, dass der Verband der Diözesen Deutschlands noch einen zusätzlichen Zuschuss von 300.000 DM gegeben hätte. Um diese Summe müsste eigentlich der Verlustbetrag erhöht werden. Vor allem die Bereiche Allgemeine Verwaltung und Institute erwirtschafteten hohe Verluste. Vgl. Bericht über die Situation der Königsteiner Anstalten, 5 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A bei Akte 1980 bis 1983, der Bericht datiert auf den 7. Oktober 1981.

360

Abschnitt IV

jahr 1981/82 geschlossen werden. Im Herbst 1981 waren noch 17 Schüler im Internat untergebracht. Angesichts der Umbrüche und der desolaten Finanzlage war die Schüllermann Wirtschafts- und Beratungs-GmbH beauftragt worden, ein Gutachten anzufertigen und Sanierungsmaßnahmen vorzuschlagen.207

Bericht der Arbeitsgruppe Königstein von 1982 In ihrer Sitzung vom 26. April 1982 stellte die Arbeitsgruppe Königstein fest, dass die von ihr geforderten Maßnahmen zur Sanierung inzwischen weitgehend verwirklicht worden seien.208 Jedoch wurde noch eine effektive Haushaltsüberwachung eingefordert; die für die einzelnen Aktivitäten Verantwortlichen müssten bei der Haushaltsüberwachung beteiligt werden. Es sei wichtig, dass diejenigen Instandhaltungsmaßnahmen wieder durchgeführt werden, die wegen der desolaten wirtschaftlichen Lage in den vergangenen Jahren unterblieben waren. Die Heizungsanlage im Oberhaus sei zu erneuern und als dringlichste Maßnahme die Dachreparatur des Oberhauses vorzunehmen. Weil die Maßnahmen zur Reduzierung des Personals nicht die notwendigen Kostenreduktionen mit sich gebracht hatten, schlug die Kommission auch den Verkauf weiteren Grundbesitzes vor und eine weitere Stellenkürzung auf maximal 50 Planstellen. Bemängelt wurde auch, dass der Kongress-Saal durch eigene Veranstaltungen nicht annähernd ausgelastet werden könne, da er praktisch nur für den Kongress ‚Kirche in Not‘ benötigt werde. Es wurde die Empfehlung formuliert, den Kongress-Saal an die Stadt Königstein zu verpachten mit der Auflage, dass er für den Kongress ‚Kirche in Not’ jeweils angemietet werden könne. Das Gymnasium habe mit dem ursprünglichen Auftrag der Königsteiner Anstalten nur noch bedingt zu tun, daher wurde als dritte Maßnahme zur Gesundung der Finanzen vorgeschlagen, dass das Gymnasium vom Belegenheitsbistum übernommen wird. Ähnlich wie beim Kongress-Saal wurde auch bezüglich des Tagungshauses festgestellt, dass ihre Ausleistung unzureichend sei, da eigene Veranstaltungen des 207

208

Nicht weiter überraschend war, dass als größte und bedrohlichste Verlustquelle des Hauses der Begegnung die Beherbergungsstätte ausgemacht wurde, da die Übernachtungskapazität im ersten Halbjahr 1980 nur zu 39 % ausgelastet gewesen sei. Es müsse also so rasch wie möglich eine Verkleinerung dieses Teilbereiches angestrebt werden. Zudem wurde auch von diesem Gutachter der Verkauf von Immobilien empfohlen, um zumindest die Verbindlichkeiten teilweise ablösen zu können. Als ein erster Schritt wurde der Verkauf von Grundstücken am Hainerbergweg und an der Sodener Straße, also an der Bundesstraße 8, ins Auge gefasst, dann dachte man an eine Veräußerung des Hauses Werenfried. Der Erlös sollte zur Errichtung eines kleinen rentableren Hauses Werenfried an anderer Stelle eingesetzt werden. Dies sei bereits ein früherer Plan von Kindermann gewesen. Das Haus St. Georg sollte in Eigentumswohnungen umgebaut werden. Ebenso dachte man in fernerer Zukunft an die Umwandlung von St. Michael in Eigentumswohnungen. Die Finanzknappheit diktierte also diese materiellen Maßnahmen, ohne dass dabei die ideelle Konzeption Königsteins sich bereits klar herausgeschält hätte. Das gab auch Monsignore Kubek zu bedenken, man solle sich doch bei diesen Sanierungsberatungen vor allem erst einmal über die künftigen Aktivitäten Königsteins klar werden. Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung vom 24. November 1980, S. 8. Zu Josef Kubek, Diözesanvertriebenenseelsorger in Limburg, vgl. PRIESTERREFERAT, 7. Königsteiner Schematismus, S. 85. Vgl. das Protokoll, 4 S. masch. in Diözesanarchiv Limburg, 16A bei Akte 1980 bis 1982.

Etappen der Entwicklung Königsteins

361

AKM/HdB selten seien. Außerdem sei auch die Belegung durch Dritte in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. So seien in den ersten fünf Monaten des Jahres 1982 nur 6.200 Übernachtungen angefallen, davon zwei Drittel durch Fremde. Daraus resultierte der grundsätzliche Vorwurf, dass die nicht unerheblichen Spenden für Königstein vor allem für den Erhalt von Grundstücken und Gebäuden benötigt würden, diese Liegenschaften jedoch in erheblichem Umfang von Dritten genutzt würden, die mit der Kirche oder dem kirchlichen Auftrag nichts oder nur wenig zu tun haben – geschweige denn mit dem spezifischen Auftrag Königsteins Dazu der Bericht wörtlich: „Es bleibt die Frage, wie lange dies den Spendern gegenüber verantwortet werden kann.“209 Zweifel meldete der Bericht nicht nur im Hinblick auf die Spenden, sondern auch auf die Zuschüsse durch den VDD an, die nicht für einen reinen Beherbergungsbetrieb verwendet werden dürften. Ein solches Vorgehen lasse sich nicht rechtfertigen: „Seit dem Anlaufen der ausschließlich die Finanzen betreffenden Sanierungsmaßnahmen ist eine Verstärkung der satzungsgemäßen Aktivitäten des Vereins nicht feststellbar. Zusätzliche ideelle oder höhere materielle Beiträge der Mitglieder, Freunde, Förderer oder der verschiedenen Gruppierungen von Heimatvertriebenen sind bisher ausgeblieben. Erforderlich wird auch sein, dass die Apostolischen Visitatoren für Priester und Gläubige aus den Vertreibungsgebieten und die Verbände und Gruppierungen der Heimatvertriebenen mit Wort und Tat die Königsteiner Anstalten mehr als in den letzten Jahren fördern.“210 Versorgung der Mitarbeiter – Leitung des Personals Die Frage nach einer angemessenen Versorgung der Mitarbeiter begleitete die Entwicklung der Königsteiner Einrichtungen wie ein Kontinuum: Trotz der Konsolidierung der Eigentumsverhältnisse durch den Kauf der Königsteiner Anlagen und trotz der fortschreitenden Reparatur- und Umbaumaßnahmen blieben die ganzen fünfziger Jahre hinweg die Fragen der Besoldung der Angestellten, deren klarer Aufgabenbeschreibung und Altersvorsorge offen. So richtete Pater Donatus am 20. Februar 1956 – inzwischen vier Jahre als Spiritual des Internats, also des Gymnasiums, tätig211 – ein ausführliches Schreiben an Kindermann, in dem er ihm den Wunsch seines Ordensoberen übermittelte, die Krankenversicherung zu regeln und eine „kleine angekündigte Gehaltserhöhung“ bald vorzunehmen.212 – „Mir ist bekannt, dass dem neuen Herrn Präfekten, Hochwürden Pater Robert (einem sehr schätzenswerten Priester) schon

209 210 211

212

Aus dem Auszug aus dem Bericht der Arbeitsgruppe vom 8. April 1981, S. 12. Aus dem Auszug aus dem Bericht der Arbeitsgruppe vom 8. April 1981, S. 13. P. Donatus (Gerhard) Kawaletz OFM, geb. 1911 in Hindenburg/OS. 1933 Eintritt bei den Franziskanern in Neisse. 1940 Priesterweihe in Breslau. 1952 bis 1959 Spiritual des Königsteiner Schülerkonviktes. In dieser Funktion Reise nach Holland vom Dezember 1952 bis Januar 1953. In den Königsteiner Rufen erschienen seine Reiseeindrücke aus Holland. Seit 1. März 1961 Spiritual am Priesterseminar in Hildesheim; seit 1972 bis 1986 Schwesternseelsorger und Krankenhausseelsorger. Gestorben 2010 in Dortmund. Für die Daten danke ich Herrn Dr. Thomas Scharf-Wrede, Diözesanarchiv Hildesheim. KZG Bonn. Akten Bischofszimmer, 11/203, Schreiben an Kindermann vom 20. Februar 1956, 2 S. masch., Zitat S. 1.

362

Abschnitt IV

nach vier Wochen Hiersein in Königstein eine Summe von 50 + 200 DM ausgezahlt worden ist. Außerdem haben Sie, hochwürdigster Herr Prälat, dem Prior des Pater Robert in Aussicht gestellt, dass Sie ihn bei der Errichtung einer neuen Abtei in baulicher Hinsicht behilflich sein wollen. Sie haben also Ihre Hilfe angeboten für ein Kloster, das erst im Begriff stand, einen Ihrer Patres nach Königstein zu schicken. Sie werden also auch verstehen, dass es unangenehm wirken würde, wenn Sie im Falle meiner Ordensprovinz die Erledigung des Anliegens eines Oberen zu lange hinauszögern wollten. Wenn Sie sich im Falle der schlesischen Franziskanerprovinz kühler zeigen wollten, obwohl ich schon vier Jahre lang in Königstein Dienst tue, können Sie mich bitte auch verstehen, wenn ich alle Mühe habe, ein Gefühl der Verdemütigung durch Sie und eine Unterbewertung meiner Arbeit als Spiritual durch Sie, kaum unterdrücken zu können, wenn Sie dem noch neuen Präfekten schon nach vier Wochen mehr Gehalt geben lassen, als mir nach vier Jahren und zwar die hohe Summe von 70,- DM mehr. Verstehen Sie bitte recht, es soll alles dem guten Pater und seinem Not leidenden Kloster gegönnt sein, aber es fällt mir nur schwer, hier die Gerechtigkeit aufzuspüren. Es drängt sich einem zu sehr der Gedanke von zweierlei Maß auf.“213 Missstimmung wuchs, weil der Tarif offensichtlich willkürlich von Kindermann festgesetzt worden war. Pater Donatus beklagte darüber hinaus, dass der Präfekt des Knabenkonvikts einen Zuschuss zu seinem Gehalt beziehe, weil er seine betagten Eltern unterstütze. In der Personalführung der Königsteiner Anstalten ist nach Kindermanns Tod zu beobachten, dass lange kaum klare Zuständigkeiten der Arbeitsbereiche festgelegt wurden, so dass die Arbeitskräfte je nach saisonalem Bedarf in den unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden konnten. Man achtete mitunter bei länger angestellten Mitarbeitern sehr auf den sozialen Aspekt, zum Teil über Gebühr, wie jedenfalls die Wirtschaftsprüfer feststellten. Es gab zahlreiches ausländisches Personal, das – zum Teil offensichtlich – den zugestandenen Jahresurlaub deutlich überschritt, so dass hier ein erhebliches Defizit entstand, dessen Beseitigung immer wieder angemahnt wurde, was für die Geschäftsführer nur schwer anzugehen war. Es nimmt auch nicht Wunder, dass klare Zuständigkeitsbereiche für die einzelnen Angestellten gefordert wurden und eine Professionalisierung angemahnt wurde. Es gab viele Überschneidungen, die hätten abgestellt werden müssen. Ein zweiter Problemfaktor in der Königsteiner Verwaltung scheinen die Geschäftsführer bzw. die Zusammenarbeit der Geschäftsführer mit dem Vorstand214 gewesen zu sein. Teilweise fehlte die nötige Abstimmung zwischen Geschäftsführer 213 214

Vgl. zu den Vorschlägen KZG, Akten Bischofszimmer, 11/202, Prüfungsbericht, 33 S. masch., die Vorschläge zur betrieblichen Neuordnung, S. 1f. Im September 1981 taucht auf der Vorstandssitzung als Geschäftsführer Herr Rankers auf, wobei Huber, der vorher so stark für seine Herkulesarbeit in der Finanzierung gelobt worden war, hier nicht mehr erscheint. Huber hatte, so zumindest die Einschätzung von Reiß, sein Amt wegen der schwierigen Zusammenarbeit mit dem Vorstand, sprich mit Braunstein, niedergelegt. Gegenüber Braunstein habe Huber unterstrichen, dass er sich dieser Schwerstarbeit nicht gewachsen fühle, nicht mehr der Jüngste und Gesündeste sei und zu viele finanzielle Probleme auf sich zukommen sehe.

Etappen der Entwicklung Königsteins

363

und Vorstand. So gab es im Januar 1985 – wohl wegen Verzögerungen durch den Geschäftsführer – einen Liquiditätsengpass und verspätete Gehaltszahlungen. Diese Probleme wurden z.B. zwischen Geschäftsführer und Vorstand nicht rechtzeitig besprochen.215 Auch der häufige Geschäftsführerwechsel mag in der prekären finanziellen Situation einer kontinuierlichen Stabilisierung der Finanzen nicht gedient haben. Klare Zuständigkeiten und eindeutige Beschreibungen der einzelnen Arbeitsplätze wurden dadurch ebenso erschwert wie eine Anleitung des häufig wechselnden Personals.216 1983 wurde Heinz Dieter Schleupner, langjähriger Geschäftsführer Königsteins, zum Referenten des Vertriebenenbischofs des Limburger Weihbischofs, Gerhard Pieschl, für die Angelegenheiten der Königsteiner Einrichtungen ernannt/gewählt (?).

215

216

„Der Vorsitzende und die anderen Vorstandsmitglieder nehmen dies zum Anlass, den Geschäftsführer auf die noch immer nicht zufriedenstellend wahrgenommene Informationspflicht dem Vorsitzenden gegenüber nachdrücklich hinzuweisen. Der Geschäftsführer antwortet, er habe dies vergessen. Der Vorsitzende fragt, ob der Geschäftsführer auch anlässlich seiner Silberhochzeit vergessen habe, um die Erlaubnis für die Benutzung von Küche und Speisesaal und Beschäftigung des Dienstpersonals außerhalb der Dienstzeit sowie den Einsatz von nicht hauseigenen Personen in der Küche zu fragen. Der Geschäftsführer bedauert, dass er das versäumt hat. Der Vorsitzende weist eingehend darauf hin, dass Herrn Rankers nur die Erlaubnis für die Benutzung von Räumen im Unterhaus auf seine Bitte hin erteilt wurde und von Speisesaal und Küche nie die Rede war. Der Vorstand hatte unter TOP 3b ausführlich über das Geschäftsgebaren des Geschäftsführers gesprochen. Prälat Schwalke weist den Geschäftsführer eindringlich auf den Ernst seiner Situation hin und bezieht sich dabei auf die bereits in früheren Sitzungen notwendig gewordenen Ermahnungen. Der Geschäftsführer wird eindringlich darauf hingewiesen, dass für seine weitere Tätigkeit die Herstellung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Vorstand unabdingbar sei.“ (Protokoll der Vorstandssitzung vom 16. Januar 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 6e auf S. 5). Das Arbeitsverhältnis mit Geschäftsführer Rankers wurde zum 31. März 1986 aufgelöst. (Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Oktober 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7.41.) Ab dem 1. April 1986 kam mit Anton Heide ein neuer Verwaltungsleiter. (Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. April 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 6.) Geschäftsführer Rankers hatte beispielsweise bei der Restaurierung der Hausmeisterwohnung eigenmächtig gehandelt. Dann wurde ihm eigenmächtige Handlungsweise in der Vermietungsangelegenheit des „Hauses der Begegnung“ mit dem Deutschen Roten Kreuz vorgeworfen und eine Verwarnung in der Sache ausgesprochen. Rankers hatte im HdB dem DRK vier Räume zu einer pauschalen Miete von DM 300,- monatlich überlassen. Der Vorstand bezifferte den Ausfall auf 4.122,- DM pro Jahr. Der Geschäftsführer hatte das allein entschieden, ohne den Vorstand darüber zu informieren. Rankers sprach sein Bedauern aus und versicherte dem Vorstand seine uneingeschränkte Loyalität. Offensichtlich waren auch verschiedenartige Arbeiten liegen geblieben, die er möglichst bald erledigen sollte, wie der Vorstand unterstrich, nämlich den Bau des Parkplatzes und den Abbruch von drei Häuschen zu veranlassen, die Änderungskündigungen für Lehrer an der Bischof Neumann-Schule vorzunehmen und dem Schulleiter exaktes Zahlenmaterial zu übermitteln. In der Vorstandssitzung am 17. Dezember 1984 kamen das Verhalten und die Tätigkeit des Geschäftsführers erneut auf die Tagesordnung. Die Vorstandsmitglieder, es waren alle fünf anwesend, waren sich einig, an Rankers eine weitere Ermahnung auszusprechen. Das Protokoll vermerkt keine Begründung dafür. Vgl. dazu Protokoll der Vorstandssitzung vom 16. Januar 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 3b auf S. 2.

364

Abschnitt IV

Schleupner, 1923 in Breslau geboren, hatte 1940 das Abitur am Matthias-Gymnasium in Breslau abgelegt. Er war seit 3. Juni 1947 in der Verwaltung in Königstein eingesetzt.217 Auf der Vorstandssitzung am 15. November 1983 wurde beschlossen, Schleupner als Referenten des Vertriebenenbischofs künftig zu allen Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen einzuladen.218 Es ist zu beobachten, dass Pieschl mit seinem Amtsantritt als Vertriebenenbischof die Aufsicht in Königstein konsequenter wahrgenommen hat und klarer geregelt und festgesetzt hat, was von ihm geprüft werden müsse. Er brachte auch grundsätzliche Fragen aufs Tapet – wie etwa in der Mitgliederversammlung am 22. März 1983, als er die die Königsteiner Anstalten tragenden Vereinsmitgliedern fragte, wie es mit dem Konzept der Vertriebenenarbeit bestellt sei, ob eine solche Vertriebenenarbeit noch eine Basis brauche, die Königstein heißt, und was Einzelne bereit seien, auf diesem Feld zu tun.219

217 218 219

Lebenslauf in HAEK CR II 25.20d,3. Protokoll der Vorstandssitzung vom 15. November 1983, Diözesanarchiv Limburg, 16A/5. Diözesanarchiv Limburg, 16A/5, Protokoll der Mitgliederversammlung vom 22. März 1983. Dort heißt es auf S. 5f. als Antwort auf die von Pieschl aufgeworfenen Fragen: „Zu 1.: die Vertriebenenarbeit ist 40 Jahre nach der Vertreibung auf keinen Fall unnötig geworden. Sie hat sich gewandelt. Es ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, die stellvertretend wahrgenommen werden muss. Zu 2.: Königstein ist ein Markenname für Vertriebenenarbeit. Es wäre schlecht, wenn dieser Markenname nicht mehr da wäre. Königstein ist eine stationäre Basis, für die wir kämpfen müssten. Zu 3.: Weihbischof Pieschl wäre dankbar, wenn er auf seine dritte Frage aus dieser Versammlung Antworten erhalten würde, damit er am folgenden Tag in Bonn eine klare Willensbildung der Mitgliederversammlung vortragen kann.“ Bezeichnend ist nun, dass auf keine der Fragen wirklich eine substantielle Antwort gegeben wird, die konzeptionelle Überlegungen grundsätzlicher Art erkennen ließe. Man bekennt sich zur Bischof Neumann-Schule als einem zentralen und unverzichtbaren Bestand des Königsteiner Werkes und tritt zu diesem Zeitpunkt noch vehement Spekulationen entgegen, sie könne oder solle in die Trägerschaft des Bistums Limburg überführt werden. Sie stehe am Anfang der Königsteiner Anstalten und stehe auch aktuell noch im Zentrum, so das klare Bekenntnis. „Man müsse über Absichtserklärungen hinauskommen, wenn man mit dem VD verhandeln wolle, erklärt Herr Prälat Dr. Klemp. Die klare Frage an die Bischofskonferenz ist, ob die Bereitschaft besteht, Königstein als eine Institution anzuerkennen, die eine gesamtkirchliche Aufgabe wahrnimmt und auch die Finanzierung zu übernehmen, wenn die Mittel fehlen.“ (S. 6) Geklagt wird nicht zuletzt von Prälat Schwalke, dass zwar ein Konzept vorliege, aber keine Möglichkeit zur Realisierung eines solchen Konzeptes gesehen werde, weil man keine Personalstellen entsprechend besetzen kann.

Etappen der Entwicklung Königsteins

365

Ein erneuter Wechsel im Vorsitz: Karl Kindermann220 Braunstein war zum 1. April 1983 aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des Vorstandsvorsitzenden des AKM/HdB Königstein e.V. zurückgetreten. Er blieb Mitglied des AMK/HdB, schied aber aus dem Vorstand aus. Es musste also erneut ein Vorstandsvorsitzender gefunden werden. Die Mitgliederversammlung vom 22. März 1983 schlug Prälat Dr. Klemp vor. Dieser hatte sich grundsätzlich bereit erklärt, den Vorsitz zu übernehmen, wollte diese Aufgabe jedoch nur unter der Bedingung erfüllen, dass das Konzept für die weitere Arbeit des Königsteiner Werkes in einer Sondersitzung konkretisiert würde. Hier verfügte er wohl über einen sehr klaren und nüchternen Blick. Ein Problem waren in seinen Augen die vielen Institute. Diesbezüglich wünschte er sich ein konzentrierteres Arbeiten. Es müsse geklärt werden, inwieweit die Vertriebenen bereit seien, das Tagungshaus in Königstein wieder mehr zu belegen und schließlich war seine letzte Bedingung, dass der VDD hinter dem e.V. stehen müsse. Der stellvertretende Vorsitzende Kroker war sehr dankbar für diese grundsätzliche Bereitschaft Klemps, den Vorstandsvorsitz zu übernehmen. Er bat um eine baldige Zusage, da er sich selbst gesundheitlich nicht in der Lage sah, die Geschäfte für längere Zeit zu führen. Braunstein wurde am 10. Mai 1983 offiziell verabschiedet. Die Vorstandsmitglieder hatten im Jahre 1982 gemeinsam ein neues Konzept für die Entwicklung des AKM/HdB bis zum Jahr 1990 erarbeitet und es dem Vertriebenenbischof und Direktor Scheifele vom Prüfungsamt des Verbands der Diözesen Deutschlands vorgelegt. Offensichtlich hatte Klemp – damit war er sehr weitsichtig im Vorstand – dieses Konzept für konkret, präzise und aussichtsreich erachtet. Ebenfalls mahnte er die Heterogenität der Institute in Königstein an, obwohl in der Vorstandssitzung vom 22. Juli 1982 der Zusammenschluss aller im AMK/HdB bestehender Institute zu einem einzigen Institut mit Einzelsektionen beschlossen worden war. Dieser Zusammenschluss betraf die Institute Balticum, Bohemicum, die Informationsund Öffentlichkeitsarbeit, das Königsteiner Forum, die „Königsteiner Rufe“, die „Königsteiner Studien“, das Institutum Sinicum und Spiritualität und Wallfahrten.221 Klemp fand sich letztendlichoffensichtlich doch nicht bereit, das Amt des Vorstandsvorsitzenden zu übernehmen. Nach längerer Sondierung fand Weihbischof

220

221

Karl Kindermann wurde am 23. Dezember 1930 in Nordböhmen geboren und landete nach der Vertreibung in Mecklenburg. Nach der Flucht in den Westen studierte er Theologie und wurde am 9. Dezember 1958 im Hohen Dom zu Limburg zum Priester geweiht. Seit 1983 Diözesanvertriebenenseelsorger im Bistum Limburg und Vertreter der drei hessischen Bistümer im Landesvertriebenenbeirat; seit 1994 Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde im Bistum sowie seit 1983 Mitglied im katholischen Flüchtlingsrat und ab 1984 deren Geschäftsführer; ab 1979 Klinikseelsorger in Wiesbaden. Von 1984 bis 1994 war Kindermann Leiter des Albert-Magnus-Kollegs in Königstein zusätzlich zu seinem Amt als Klinikseelsorger. In diesen „Königsteiner Jahren“ leitete er 12 der internationalen Kongresse „Kirche in Not“ und führte Sprachkurse für jugendliche Spätaussiedler durch. Vgl. dazu den Tätigkeitsbericht 1982, Diözesanarchiv Limburg, 16A/5. Der Bericht datiert auf den 16. März 1983 und umfasst 6 S. masch.

366

Abschnitt IV

Pieschl in Pfarrer Karl Kindermann222 den nächsten Vorsitzenden des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung. Karl Kindermann wurde auf der 52. Sitzung des Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz am 25. Juni 1984 in seinem Amt bestellt.223

Der ökonomische Negativtrend als Königsteins treuer Begleiter224 Es gibt zahlreiche Beispiele und wiederholt warnende Stimmen dafür, dass eine ökonomische Schieflage bestand: Mit einem ergänzenden, korrigierenden Schreiben vom 14. Mai 1984 zum Protokoll der Mitgliederversammlung vom 9. April 1984 formu-

222

223

224

Karl Kindermann, 1930 in Königswalde im Kreis Schluckenau geboren, kam nach der Vertreibung nach Mecklenburg. Studium in Königstein. 1958 wurde er in Limburg zum Priester geweiht. Er war Kur- und Krankenhausseelsorger, als er 1984 zum Vorsitzenden des AMK gewählt wurde. Zum 75. Geburtstag Karl Kindermanns erschien in den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 1“ (2006), ein Artikel zur Würdigung auch des Vorsitzenden des AlbertusMagnus-Kollegs seit 1984. Dabei heißt es: „Dieses schwere Amt versah er neben seiner Aufgabe als Diözesanvertriebenenseelsorger im Bistum Limburg und Geistlicher Beirat der Ackermanngemeinde. 1995 verzichtete er auf eine weitere Amtszeit als Leiter des Albertus-MagnusKollegs, da bereits klar war, dass die Diözese Limburg die Vertriebenenarbeit in Königstein beenden wollte.“ Vgl. Schreiben des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz an das Albertus-MagnusKolleg/Haus der Begegnung Königstein vom 9. Juli 1984. KZG Bonn, Archiv Königstein, Nr. 1022. So hieß es auch im Prüfungsbericht der Solidaris Treuhand vom März 1985 über die wirtschaftliche Situation des Vereins „Anhand der Prüfungsergebnisse der letzten Jahre kann aufgezeigt werden, in welchem Umfang sich die wirtschaftliche Situation des Vereins verschlechtert hat. Diese – wirtschaftlich – negative Gesamtentwicklung ist eingetreten, obwohl der sicher nicht unwesentliche Bereich „Schule“ als „finanziell sich tragend“ eingestuft werden kann. Die Liquiditätslage des Vereins gibt zu großer Besorgnis Anlass. Folge dieser Situation ist eine weitergehende Aufzehrung des Vereinsvermögens, insbesondere auch wegen der zunehmend anfallenden Zinsbelastung. Bei Fortschreibung des für die letzten Jahre zu konstatierenden Trends ist eine – in einigen Jahren auftretende – Überschuldung des Vereins – wenn nicht Unterstützung durch Dritte erfolgt – nicht mehr auszuschließen. Es steht uns als Abschlussprüfer nicht zu, vereinsinterne Entscheidungsprozesse, konzeptionelle Überlegungen des Vorstandes oder Ziele des Vereins zu beeinflussen. Unsere Aufgabe ist es jedoch, auf wirtschaftliche Entwicklungen zu verweisen, die den Bestand des Vereins gefährden können. Unabhängig von der gegebenen Situation verfügt der Verein noch über sogenannte „stille Reserven“, Vermögenswerte, die – aus Sicht des Außenstehenden – nicht unbedingt für die Umsetzung der Vereinszwecke benötigt werden. Eine Veräußerung dieser Werte könnte den Verein wirtschaftlich entscheidend stärken und die Wahrnehmung der Aufgaben des Vereins dauerhaft sichern. Sollte dieser Weg der Sanierung nicht beschritten werden können und ist auch eine langfristige, verlässliche Stütze durch einen Dritten nicht zu erreichen, erscheint es uns notwendig, dass der Vorstand die einzelnen Tätigkeiten des Vereins gewichtet und in dem Umfang – wie wirtschaftlich erforderlich – auf die Durchführung einiger bedeutender Aufgaben zukünftig verzichtet. Abschließend sei angemerkt, dass eine zügige Entscheidungsfindung wesentlich zur Entschärfung der zurzeit gegebenen Situation beitragen kann.“ (Schreiben der Solidaris Treuhand GmbH an das AlbertusMagnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. vom 29. März 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, 2 S. masch.).

Etappen der Entwicklung Königsteins

367

lierte Prälat Reiß seine Sorgen und Bedenken im Hinblick auf die Entwicklung in Königstein. Er kritisierte eine nach wie vor zu aufwändige Haushaltsführung, etwa wenn die Wohnung des Geschäftsführers ursprünglich für 60.000,- DM renoviert werden sollte, letztendlich aber für 100.000,- DM renoviert wurde. Er klagte über den allmählichen Ausverkauf Königsteins durch den sukzessiven Verkauf einzelner Objekte und Bauparzellen. Er kritisierte, dass die relativ hohen Spendenergebnisse – im Jahr 1983 etwa waren es 1,4 Mio. DM – einfach in den Haushalt eines Geschäftsbetriebes hinein genommen würden, der über Jahre hinweg defizitär sei. Schließlich: „Ich habe klar ausgesprochen, dass ich eine Neuordnung und Rettung von Königstein nicht von der Bestellung eines neuen Leiters, sondern von der Übernahme durch eine starke kirchliche Institution erwarte und habe dabei das Opus Dei genannt.“225 1984 war man – massiv angestoßen durch die Arbeitsgruppe Königstein – nach kontinuierlichen Verlusten im Tagungsbereich und nicht zuletzt im Küchenbetrieb zu der Überlegung gekommen, das Tagungshaus zu schließen oder zu verpachten.226 Der Haushaltsplan für das Jahr 1986 wurde durch Weihbischof Pieschl nicht genehmigt, wie dieser mit einem Schreiben am 9. Mai 1985 zur Kenntnis gab. Mit sehr deutlichen Worten verlangte Pieschl konkrete Schritte, um laufende strukturell bedingte Defizite auffangen zu können. Der Verein könne nicht über Jahre hin Verluste bis zu einer Summe von einer halben Million DM verkraften.227 Diese

225 226

227

Dieses Schreiben im Archiv des Bistums Limburg, 16A/6. Vgl. das Protokoll der Sitzung der vom Verband der Diözesen Deutschland eingesetzten Arbeitsgruppe Königstein am 12. März 1984 in Königstein, 2 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/5. Dort auf S. 3: „Dennoch glaubt Herr Prof. Dr. Dr. Kroker an eine gute Zukunft der Königsteiner Einrichtungen, da es verschiedene Themen gebe, die hier noch aufgearbeitet werden könnten. Von Mitgliedern der Arbeitsgruppe wird jedoch eingewendet, dass diese neuen Aufgaben, selbst bei entsprechender Bezuschussung durch Bundesmittel, nicht zu einer Abdeckung der Verluste im Bereich des Tagungshauses beitragen könnten. Daraufhin wird die Überlegung diskutiert, ob das Tagungshaus künftig geschlossen oder zu einem symbolischen Preis verpachtet werden sollte. Wobei jedoch die Unterhaltung von „Dach und Fach“ bzw. Umbaukosten vom Pächter übernommen werden müssten. Von den Mitgliedern der Kommission werden diese beiden Überlegungen vor allem deshalb begrüßt, weil dadurch ein weiterer Substanzverlust des Vereins durch laufende Verluste des Tagungshauses vermieden werden könnte.“ Vgl. das Schreiben von Weihbischof Pieschl an den Vorstand des Vereins vom 9. Mai 1985, 2 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/7. Dort heißt es: „Ich bitte, den Haushaltsplan 1986 noch einmal zu überprüfen und danach erneut vorzulegen. Aus den Erläuterungen zum Haushaltsplan entnehme ich, dass der Ausgleich des Fehlbetrages durch eine zusätzliche Spendenaktion, durch zusätzliche Mieteinnahmen für das Unterhaus und durch Zurückstellung von vorgesehenen Arbeiten an den Außenanlagen erreicht werden soll. Außerdem wird auf die laufenden Verhandlungen hingewiesen, durch die eine Übernahme des Tagungshauses in eine andere Trägerschaft erreicht werden soll. Diese Hinweise vermögen meine Bedenken jedoch nicht auszuräumen. Die Jahresrechnung 1984 schließt – ohne Berücksichtigung des durch die Liquidation des Vereins HdB-bedingten Aufwandes – mit einem Fehlbetrag von über einer halben Million DM ab. Vor dem Hintergrund der nunmehr bereits fünf Jahre dauerten Sanierungsbemühungen ist das ein besorgniserregendes Ergebnis. Es muss daher auf jede nur mögliche Weise versucht werden, künftig weitere Verluste zu vermeiden. Der mir vorgelegte Haushaltsplan 1986 weist jedoch wiederum einen Fehlbetrag von DM 386.000,- auf. Der Ausgleich soll hauptsächlich

368

Abschnitt IV

konsequente Prüfung war so unter Pieschls Vorgänger, Janssen, nicht geleistet worden. Der Vorstand des Trägervereins erklärte die Situation so: Er habe den Voranschlag für 1986 erst am Tag der Vorstandssitzung, am 11. April 1985, und einen Tag vor der Mitgliederversammlung erhalten. Es habe daher keine Möglichkeit mehr bestanden, wesentliche Änderungen vorzunehmen.228. Verbesserung versprach sich der Vorstand dadurch, dass die einzelnen Abteilungen künftig leichter Gelegenheit haben würden, jeweils für ihren Bereich an der Gestaltung des Haushaltsplans mitzuwirken. Dieser müsste dem Vorstand dann so rechtzeitig vorgelegt werden, dass er mindestens in einer, besser noch in zwei Sitzungen beraten werden kann. Wieder bemühte man sich, im Gespräch mit der Stadtverwaltung Königstein weiter voranzukommen mit der Übernahme des Tagungshauses durch die Stadt. „Als Soforthilfsmaßnahme regt Herr Schleupner die Überprüfung der Essenspreise an. Er verweist darauf, dass im Bischof Kempf-Haus in Naurod bei gleicher Essensqualität höhere Essenspreise gezahlt werden. Die Preise für Unterkunft sind wegen des in unserem Hause wesentlich geringerem Komforts offensichtlich zurzeit nicht steigerungsfähig.“229 Bezüglich der Verhandlungen mit der Stadt Königstein über die Übernahme des Hauses der Begegnung, von der man sich eine entscheidende Entlastung versprach, schwebten dem Vorstand drei mögliche Lösungen vor: Eine große Lösung, die vorsah, den Kongress-Saal, das Gästehaus und das „Haus Michael“ zu verkaufen und den Erlös zur Schuldentilgung, zur Investition und Rücklage für die Ostarbeit zu verwenden. Weiterhin gab es eine kleine Lösung, nach der der Kongress-Saal und das Haus der Begegnung durch einen neuen Träger übernommen werden sollten – durch Kauf, in Erbbau oder Miete. Dabei sollten die Renovations- und Umbaukosten auf den Träger übergehen. Die Minimallösung schließlich sah vor, den Saal mit Nebenräumen an die Stadt Königstein zu vermieten, quasi als Vereinshaus. In diesem Falle hätte der Verein das Tagungshaus im verkleinerten Umfang weitergeführt. Gefordert wurde, dass bei jeder dieser drei Lösungen der Name „Haus der Begegnung“ erhalten und die eigene Nutzung sichergestellt bleibt, also hauseigene Tagungen und der Kongress ‚Kirche in Not’ auch künftig im Haus der Begegnung durchgeführt werden können.230

228 229 230

durch in ihrer Höhe noch nicht feststehende einmalige Einnahmen bzw. durch Hinausschieben doch wohl notwendiger Baumaßnahmen versucht werden. So ist zu befürchten, dass auch der Haushaltsplan 1987 wiederum mit einem Fehlbetrag abschließen wird. M. E. muss versucht werden, durch rigorose Sparmaßnahmen und – wo möglich – Einnahmeerhöhungen bereits für 1986 das Defizit auszugleichen. Das Ergebnis 1984 zeigt, dass der Verein keine weiteren Belastungen verkraften kann. Der schon länger diskutierte Verkauf von Grundstücken bzw. Gebäuden ist ein letztes Mittel zur Tilgung alter Schulden bzw. zur Finanzierung von Investitionen, aber keinesfalls eine vertretbare Methode zur Deckung strukturell bedingter laufender Defizite.“ Vgl. dazu Protokoll der Vorstandssitzung vom 10. Juni 1985, TOP Nr. 4, S. 3 u. 4, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7. Protokoll der Vorstandssitzung, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7. Vgl. dazu Protokoll der Vorstandssitzung vom 10. Juni 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 5, S. 4f.

Etappen der Entwicklung Königsteins

369

„Haus Michael“ sollte verkauft und der Erlös zur Schuldentilgung oder als Rücklage verwendet werden. „Haus Werenfried“ wollte man dann als Tagungshaus renovieren und sanieren. Schwierig war offensichtlich, klar festzustellen, wo man am besten einsparen kann. Da waren zum einen die Personalkosten, zum anderen lag das Defizit im Beherbergungsbereich klar auf der Hand. Daher war bereits 1980 im SchillermannBericht gefordert worden, die Bettenzahl auf 70 zu reduzieren. Trotzdem hielt man auch im Mai 1985 noch 92 Betten vor, davon 26 im „Haus Werenfried“, 38 im „Haus Michael“ und 38 im Haus der Begegnung. Würde man „Haus Werenfried“ schließen, gäbe es noch 76 Betten. Damit würde man sich an die von der Prüfungsgesellschaft und auch vom Arbeitskreis Königstein geforderte Zahl annähern. In diesem Fall blieben in diesem Gebäude noch die Ostakademie, die Institute und die Wohnung der Schwestern bestehen. Somit müsste auch weiterhin der größere Teil des Gebäudes gepflegt und unterhalten werden. Eine effiziente Einsparung an sachlichen und personellen Mitteln würde sich in den Augen des Vorstandes jedoch erst dann ergeben, wenn man, wie es der Arbeitskreis Königstein forderte, das „Haus Werenfried“ als Gesamtes schließen könnte. Der Vorstand überlegte weiter, ob nicht die Umsätze dadurch erhöht werden könnten, dass die Preise für Unterbringung und Verpflegung im Haus unterschiedlich gestaltet werden. Man sollte zwischen satzungskonformen und sonstigen Veranstaltungen unterscheiden. Nicht zuletzt hoffte man, im Küchenbereich Einsparungsmöglichkeiten finden zu können. Etwa, indem Selbstbedienung eingeführt oder Großküchen in Anspruch genommen würden. Bezüglich der Personalkosten für die Vorbereitung der Publikationen, vor allem auch für die „Königsteiner Studien“, plante man mit Mitteln des Bundesinnenministeriums. Man peilte die Summe von 100.000,- DM für wissenschaftliche Arbeiten an. Weiterhin wollte man prüfen, ob nicht die Ostpriesterhilfe die Bezahlung Grulichs ganz oder teilweise weiter übernehmen könnte.231 Der drängende Brief Pieschls fiel in eine Phase zahlreicher geplanter Umbrüche und Unsicherheiten. So sah sich der Vorstand am 18. Oktober 1985 nicht in der Lage, die finanzielle Entwicklung für das Jahr 1986 so vorauszusehen, dass er einen verantwortbaren Haushaltsplan aufstellen könnte. In dieser Umbruchsphase hatte sich der Vorstand in seiner Sitzung vom 18. November 1985 auch dazu entschlossen, an der Bischof-Neumann-Schule die Koedukation einzuführen und mit dem Beginn des Schuljahres 1986/87 auch Mädchen aufzunehmen. Mit Genugtuung nahm(vermerkte) die Arbeitsgruppe Königstein des Verbands der Diözesen Deutschlands den Brief Pieschls zur Kenntnis, hatte doch der Weihbischof eine Reihe zentraler Forderungen, die die Arbeitsgruppe seit einigen Jahren stellte,

231

Vgl. hierzu Überlegungen zum Schreiben seiner Exzellenz, Weihbischof Gerhard Pieschl, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge vom 9. Mai 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, 6 S. masch.

370

Abschnitt IV

aufgenommen und erneut mit Nachdruck vertreten, wie etwa die Verwendung der Erlöse aus der Baustein-Aktion entsprechend den Intentionen der Spender anstatt einer Zuführung zum allgemeinen Haushalt, oder die Reduzierung der Bettenzahl im Tagungshaus.232 Pieschl hatte sich zu diesem Schritt gezwungen gesehen, weil der Verein seinen Haushaltsplan gegenüber dem Ergebnis von 1984 im Wesentlichen unverändert für 1986 fortgeschrieben hatte. Eine zügige Entscheidungsfindung, um die Überschuldung des Vereins abzuwenden, hatte also nicht stattgefunden, hatte doch die Jahresrechnung 1984 mit einem Fehlbetrag von knapp 815.000,- DM abgeschlossen. Zum Jahresende 1985 betrug der Fehlbetrag des Vereins bereits 894.000,- DM.233 Mit Schreiben vom 17. Dezember 1985 wurden, bis dato einmalig, alle Mitglieder des Vereins außerhalb einer Mitgliederversammlung in einem Rundschreiben vom Vorsitzenden über die schwierige Situation informiert.234 Zu den riskanten Unternehmungen gehörten die Umstrukturierung des Tagungshauses und der geplante Verkauf des Unterhauses, die für 1986 große finanzielle Auswirkungen haben könnten. So wurden alle Ausgaben mit Ausnahme von Zahlungen auf gesetzlicher Grundlage von einer besonderen Genehmigung durch den Vorsitzenden abhängig gemacht. Gleichzeitig wurde in dem Rundschreiben informiert, dass der Geschäftsführer gegenwärtig in Urlaub sei und danach nicht mehr beim Verein arbeiten werde. Wer eine geeignete Persönlichkeit für die Geschäftsführung kenne, solle entsprechend darauf hinweisen. Karl Kindermann unterstrich seine Bemühungen, im ersten Jahr der Vorstandschaft die wirtschaftliche Situation so in den Griff zu bekommen, die Finanzen so zu sichern, dass die Erfüllung der Aufgaben des Vereins auch in Zukunft möglich sei. So müsse vor allem das Defizit im Bereich des Tagungshauses abgebaut werden, wobei darauf zu achten sei, dass trotzdem die eigenen Veranstaltungen im Haus der Begegnung durchgeführt werden könnten.235 Auf den Brief des Vorsitzenden vom 17. Dezember 1985 hatten sich einige Mitglieder gemeldet und unterstrichen, dass der Verein mit den drei großen Einrichtungen Bischof-Neumann-Schule, Haus der Begegnung und den Instituten als Träger nicht stark genug für ein so groß und komplex gewordenes Objekt sei. In dieser Richtung äußerte sich auch Dr. von Hoffmann auf der Vorstandssitzung am 3. April

232 233 234 235

Vgl. Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Königstein am 26. Juni 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7. Das Protokoll umfasst 4 S. masch. Vgl. dazu Protokoll der Vorstandssitzung vom 24. Februar 1986, S. 7, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. Vgl. Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. an die Mitglieder des Vereins vom 17. Dezember 1985, 2 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/7. „Aus diesem Grund führen wir Verhandlungen mit der Ostpriesterhilfe über den Verkauf des von ihr bereits zum größten Teil genutzten sogenannten Unterhauses und mit der Stadt Königstein über die künftige Nutzung des Hauses der Begegnung. Die Stadt Königstein braucht dringend Räume für das Vereinsleben.“ (Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. an die Mitglieder des Vereins vom 17. Dezember 1985, 2 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, S. 1).

Etappen der Entwicklung Königsteins

371

1986.236 Hoffmann empfahl die Konzentration auf die wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit des e.V., um damit der satzungsgemäßen Ausrichtung (Satzung § 19) auf die Ostproblematik deutlicher zu entsprechen. Dieser Vorstoß war offensichtlich im Sinne des Vorstandes, der für die Bischof-Neumann-Schule einen eigenen Träger schaffen und das Haus der Begegnung an die Stadt oder an einen anderen Interessenten übertragen wollte. Heinz Dieter Schleupner fragte mit aller Dringlichkeit nach, wie man die bisherigen Verluste ausgleichen wollte. Für 1986 erwartete er eine halbe Mio. DM Verlust. Wenn man die Entwicklung fortschreibe, dann stehe der Vorstand Mitte des Jahres 1987 vor dem Konkurs. Für 1988 wurde lapidar festgestellt, dass der Abschluss ein Defizit von 439.000,DM aufweist. Dieses Defizit sei nahezu ausschließlich durch die Teilbereiche Tagungshaus und Küche bzw. Speisesaal verursacht worden. So lebe der Verein weiterhin von seiner Substanz. Bei Rücklagen von 1,96 Mio. DM seien derartige Verluste allenfalls noch vier Jahre möglich, ohne dass die Bilanz ein negatives Eigenkapital ausweise.237 Trotz dieser Entwicklung gab es gewichtige Stimmen, die vor einem Verkauf des Tagungshauses nachdrücklich warnten, so z.B. Prälat König, der Visitator für die schlesischen Vertriebenen. Er argumentierte, dass der Verein seine Vereinszwecke nicht mehr erfüllen könne, wenn das Tagungshaus geschlossen würde. Der Beschluss der Mitgliederversammlung lautete dann: „Im Hinblick auf die Situation des Vereins und besonders auf den Jahreshaushalt 1987 wird der Vorstand beauftragt, in kürzester Frist Verhandlungen einzuleiten mit dem Vertriebenenbischof, mit seiner Hilfe mit dem Belegenheitsbistum und darüber hinaus mit der Deutschen Bischofskonferenz.“238 Die Überlegungen zur Weiterführung Königsteins wurden im Kontext der grundsätzlichen Neukonzeption der Vertriebenenarbeit, auch der Visitatoren, in einer Mitgliederversammlung am 5. September 1986 fortgesetzt.239 Dabei fällt auf, dass außer den Visitatoren für die Ermländer und für die Schlesier, Prälat Schwalke240 und Prälat König, kein weiterer Visitator anwesend war. Dabei berichtete der Vorsitzende des Vorstandes, dass die gewünschten Gespräche mit dem Bistum Limburg und der Deutschen Bischofskonferenz über die Aufgabenstellung Königsteins noch nicht geführt wurden, weil die künftige Arbeit Königsteins von der Gesamtkonzeption der kirchlichen Vertriebenenarbeit abhänge und die Verhandlungen mit der Stadt Königstein noch nicht zum Abschluss gekommen seien. Die Unterredungen über das Haus der

236 237 238 239 240

Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. April 1986, TOP 3.4.4 auf S. 5, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. Vgl. Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Königstein am 10. Oktober 1989, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11, hier S. 2. Zu diesen Aussagen Protokoll der Mitgliederversammlung vom 25. April 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 11. Protokoll der Mitgliederversammlung , Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. Vgl. zu Schwalke PENKERT, Höhere Mächte haben entschieden, S. 405-440.

372

Abschnitt IV

Begegnung seien an dem Punkt, dass der Königsteiner Bürgermeister Weber in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden und Herrn Schleupner klar machte: „Bei einem Erbbauzins von 0,00 DM und kostenloser Nutzung und Unterhaltung der Straßen und Parkplätze im Gelände sei die Stadt bereit, das Haus der Begegnung zu übernehmen, zu sanieren, nach den Bedürfnissen der Stadt umzubauen und dem Verein eine kostengünstige Nutzung bei vereins- und sitzungsgemäßen Tagungen zuzusichern.“241 Sowohl Dr. von Hoffmann wie Herr Fuchs bedauerten, dass die Gespräche bisher noch nicht geführt worden waren und auch dass die Bischofskonferenz noch nicht über die prekäre Situation informiert und in die Beratungen einbezogen worden war.

Ein möglicher Lösungsweg? Eine Möglichkeit zur Entlastung der angespannten Finanzlage tat sich in einem Gespräch zwischen Pfarrer Kindermann und Pater Werenfried von der Ostpriesterhilfe am 8. Oktober 1985 auf. Darin kam der Wunsch des Speckpaters zur Sprache, zum nächstmöglichen Termin das ganze Unterhaus und die zwei Häuser Hainerbergweg 1 und 3 zu kaufen. Die Ostpriesterhilfe wollte dafür 2,6 Mio. DM zahlen. Im Hintergrund stand der Plan Werenfrieds, einen internationalen Diakonatskurs für sein Werk einzurichten und ggf. auch die sistierte Philosophisch-Theologische Hochschule dafür wieder zu beleben. Der Vorstand strebte einen Preis in Höhe von 3,2 Mio. DM an. Damit sollten alle Verpflichtungen des Vereins gegenüber der Ostpriesterhilfe abgelöst sein und die von der Ostpriesterhilfe gemietete Wohnung im Oberhaus sollte freigegeben werden. Das Grundstück vor den Häusern Hainerbergweg 1 und 3 war als Bauplatz ausgewiesen und müsse deshalb im Kaufpreis entsprechende Berücksichtigung finden. Unter diesen Prämissen ermächtigte der Vorstand den Vorsitzenden, weitere Verhandlungen zu führen.242 Die Vorstandssitzung am 4. August 1986 gab das endgültige Plazet bzgl. des Verkaufs des Unterhauses und zweier Häuser in der Hainerbergstraße an den Verein der Ostpriesterhilfe für 3.200.000,- DM.243

241 242 243

Protokoll der Mitgliederversammlung , Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 4. Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Oktober 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 3 auf S. 2. Vgl. dazu auch die Lageskizze in den zu edierenden Quellen, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8.

Etappen der Entwicklung Königsteins

373

15. Konzeptionelle Perspektiven unter Karl Kindermann 1984 – 1994 Pfarrer Karl Kindermann erläuterte zu Beginn seiner Tätigkeit in einer Vorstandssitzung am 9. Juli 1984 seine Vorstellungen über die Art und Weise seiner Amtsführung als neuer Vorsitzender in Königstein. Darunter waren Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten, nichts Wegweisendes. Substantielle Neuorientierung brachte bestenfalls Prälat Schwalke ins Gespräch ein, indem er sowohl an ein bereits zuvor erarbeitetes, neues Konzept für die Königsteiner Einrichtungen als auch an die Schwerpunkte 'Bildungsarbeit mit Senioren der Heimatvertriebenen', 'Information der Verantwortlichen über die Ostproblematik, über die Rechtslage und über die Hoffnung der Vertriebenen' und schließlich an die Jugendarbeit erinnerte. Die kommende Generation sollte über Geschichte und Kultur ihrer Herkunftsländer unterrichtet werden. Pieschl wies auf das Spezifikum Königsteins hin, immer mehr die Aufgaben des Ostens als Aufgaben des gesamten deutschen Volkes zu sehen. Alles was die deutsche Kirche bewegt, müsse unter dem Gesichtspunkt der besonderen Aufgaben Königsteins betrachtet werden. Kindermann wünschte sich vor allen Dingen, dass Priester ihren Wohnsitz in Königstein nehmen. Er wollte die Kontaktpflege mit den Ehemaligen intensivieren, die Mitarbeiter am Arbeitsplatz besuchen, am Eingang eine Schautafel mit Gebäudegrundriss und Angaben über die geleistete Arbeit anbringen, Kontakte mit den Visitatoren und Diözesanbischöfen herstellen, Verbindung mit Prälat Schätzler und der Deutschen Bischofskonferenz aufnehmen und sie über die Lage Königsteins unterrichten. Er wollte den Kontakt mit dem Vorstand des Bundes der Vertriebenen pflegen.244 Ein fundamentales Handicap der Arbeit Kindermanns war, dass er nicht vollständig für die Arbeit in Königstein freigestellt war, sondern weiterhin Kurseelsorger in Wiesbaden blieb. Kindermann legte Wert darauf, dass das Vorstandssekretariat in Königstein dem Leiter zur Verfügung steht und der Posteingang ausschließlich über das Sekretariat erfolgt. Die Institutsarbeit sollte weiterhin von Prof. Kroker betreut werden. Der Vorsitzende hielt sich freilich bei den Publikationen Mitspracherecht vor. Kindermann wollte selbst die Betreuung der Schule übernehmen, durchaus in der Weise, dass er sich von Fall zu Fall von Prof. Kroker beraten bzw. vertreten lassen werde. Die Verwaltung sollte nach den Weisungen und Vorstellungen des Vorsitzenden geführt werden, der Geschäftsführer sollte unterstützend tätig werden. Außerdem legte Kindermann Wert auf regelmäßige Dienstbesprechungen, die der Geschäftsführer auch mit allen Mitarbeitern führen sollte.

244

Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 16. Juli 1984, Diözesanarchiv Limburg, 16A/6, S. 5.

374

Abschnitt IV

Als Kindermann seine ersten Eindrücke über Königstein in der Sitzung der Arbeitsgruppe Königstein am 10. Oktober 1985 wiedergab, berichtete er von sehr deprimierenden Erfahrungen gerade in der Verwaltung Königsteins. Seine langfristige Aufgabe, so formulierte er, werde es sein, die Verwaltung in Ordnung zu bringen. Er wollte im geistigen Bereich eigene Initiativen entwickeln, neue Zielgruppen ansprechen, z.B. Kreise, die zwar an politischen, geschichtlichen und religiösen Fragen großes Interesse hätten, aber keine Akademiker waren. Fremdtagungen sah er sehr skeptisch. Er wollte stattdessen die eigenen Veranstaltungen fördern. Wieweit ein solcher Plan realisierbar war und ökonomisch durchzuhalten gewesen wäre, braucht hier nicht weiter debattiert werden. Kindermann hatte Zweifel, ob ein solches Konzept mit dem vorhandenen Personal, vor allem mit dem gegenwärtigen Geschäftsführer, zu realisieren sei. Hier zeigten sich also relativ rasch die Spannungslinien. Die Zusammenarbeit mit der Ostpriesterhilfe hatte sich für Kindermann zunächst gut angelassen. Er war auch in die Beratungen mit der Stadt Königstein wegen des Tagungshauses eingeschaltet.245 Der Hinweis auf die Verdienste in der Vergangenheit war ein treuer Begleiter der verschiedenen Phasen Königsteins. Woran es mangelte, waren rechtzeitige beherzte Überlegungen zu künftigen Aufgaben. Ein Grund dafür mag eine einseitige Situationsanalyse gewesen sein: Man hatte sich zunehmend ein Ghetto geschaffen und darin die sich verändernden Aufgaben der Vertriebenenbetreuung nicht mehr mit notwendiger Schärfe wahrgenommen. Ein Beispiel mag dies illustrieren: 1985 machte man sich Gedanken, wie man im Folgejahr das 40-Jahr-Jubiläum gestalten könne. Gedacht war an eine Festschrift, an eine Akademietagung, an eine Festakademie am Albertus-Tag, dem 15. November 1986, die nicht ein feierliches Requiem, sondern den Aufbau des neuen Königstein dokumentieren sollte. Es sollte eine Retrospektive zusammengestellt werden. Gedacht wurde auch an eine Sonderbriefmarke der Bundespost. Eine Arbeitsgruppe sollte diverse Maßnahmen vorbereiten.246 Zum Jubiläum am 15. November 1986 wollte man Prof. Mikat als Festredner zum Thema „40 Jahre Königstein“ gewinnen.247 Die Pläne zeigen einmal mehr, wie man sich gern gesehen hätte und dabei doch in seiner Strahlkraft überschätzte. Die tatsächliche Feier fiel um eine deutliche Dimension bescheidener aus. In der Mitgliederversammlung 1987 wurde die Jubiläumsveranstaltung besprochen und Aspekte zur Planung der künftigen Arbeit zusammengetragen.248 Es wurde ausdrücklich unterstrichen, dass sich die Aufgaben des Vereins gewandelt hätten und

245 246 247 248

Vgl. Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Königstein vom 10. Oktober 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/6. Protokoll der Vorstandssitzung vom 13. März 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 2 auf S. 3. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 24. Februar 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, Protokoll S. 6. Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung vom 18. Mai 1987 im Bistumsarchiv Limburg, 16A/9a.

Etappen der Entwicklung Königsteins

375

dass die künftigen Schwerpunkte auf der wissenschaftlichen Ebene liegen müssten, was die Erweiterung und Vertiefung der Institutsarbeit zur Folge hätte. Demgegenüber unterstrich Hackenberg die Bedeutung der Aufgabe, über das kirchliche und religiöse Leben in den Staaten Ostmittel- und Südosteuropas zu informieren. Entsprechendes Publikationsmaterial und der Kongress ‚Kirche in Not’ sollten die Foren sein, aber sie sollten nicht länger eine spezifische Aufgabe allein der Vertriebenen sein, sondern zu einer Aufgabe in der Gesamtverantwortung der katholischen Kirche in Deutschland erwachsen. Königstein sollte demnach eine Fachstelle für kirchliche Ostfragen werden. Natürlich tauchten hier Befürchtungen bezüglich einer Konkurrenz zur Ostpriesterhilfe auf.249 Mehrere Mitglieder begrüßten die Anregungen Hackenbergs. Es fehle, so deren Argumente, an einer Auskunftsstelle über die Zweite Welt bei der Deutschen Bischofskonferenz. Es wurden bereits Überlegungen angestellt, eine Unterkommission in der Kommission X: Weltkirche vorzuschlagen: „Zusammenfassend stellt Pfarrer Kindermann fest, bei der aufgezeigten Lücke handle es sich um eine ganz spezielle Aufgabe des Königsteiner Werkes AMK/HdB lt. seiner Satzung vom 1.7.1980. Man müsse sich künftig wieder verstärkt auf die satzungsgemäßen Aufgaben konzentrieren und diese intensivieren. Pfarrer Kindermann dankt den Mitgliedern für die Mitüberlegungen bei der Planung künftiger Arbeit des e.V. AMK/HdB und bittet, weitere Gedanken und Anregungen hierzu baldmöglichst schriftlich zu äußern.“250 Eine Neukonzeption und damit auch eine Lösung von bisherigen Aufgaben und Gebäudefragen war in Königstein offensichtlich immer schwierig, sehr umstritten und wurde von manchen Vereinsmitgliedern torpediert. Dies nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die Würdigung, die die Arbeit Königsteins durch Bischof Janssen bei der Eröffnung des 31. Kongresses ‚Kirche in Not’ 1981 erfahren hatte.251 Man meinte, die vergangenen Erfolge zu schmälern, wenn man revidierte und neu konzipierte. Dabei formulierte der Tätigkeitsbericht 1985 durchaus auch Perspektiven – z.B. die Schaffung eines kirchlichen Dokumentationszentrums des Ostens in Königstein mit folgenden Schwerpunktaufgaben: Sammlung ostdeutscher Kirchengeschichte, Vertiefung der Völkerverständigung, Friedensarbeit, Verbreitung des Europagedankens, Integra-

249

250 251

„Auf die Frage bzgl. Überschneidungen mit der Ostpriesterhilfe erklärte Frau Willemsen, die Ostpriesterhilfe bemühe sich nicht nur für die Dritte Welt, sondern auch für die Zweite Welt Interesse zu wecken. Letzteres betrachte sie als ihre spezifische Aufgabe. Frau Willemsen machte auf die Besonderheiten in Bezug auf Diskretion bei Veröffentlichungen aus der Zweiten Welt aufmerksam.“ (Diözesanarchiv Limburg, 16A/9a, S. 6). Diözesanarchiv Limburg, 16A/9a, S. 6. „Königstein ist auf vielfältige Weise zum Zentrum der Flüchtlingshilfe geworden. Königstein war für viele Flüchtlinge Stätte der Beratung und Hilfe und ist durch fast vier Jahrzehnte für manchen Heimatlosen zum Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns geworden. Königstein hat vielen Suchenden den Weg gezeigt, manchem Verzweifelten Mut gemacht, auch ein schweres Leben anzupacken und zu bewältigen. Königstein muss das Vertriebenenzentrum bleiben. Königstein muss gestützt und gestärkt werden, damit es für die Bewältigung der Flüchtlingsfragen bereit und befähigt bleiben kann.“ (Zitiert nach dem Protokoll der Mitgliederversammlung des e.V. vom 25. April 1986, S. 4, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8).

376

Abschnitt IV

tion der Nicht-Deutschen, Kontakte zu Sachkundigen sowie Kontakte zu Landsmannschaften und nicht-katholischen Vertriebenenorganisationen. Solche Zielsetzungen laborierten durchweg an der mangelnden Präzisierung und Konkretisierung. Das Protokoll ging in der Regel relativ schnell über sie hinweg. Konkretere Aufgaben waren scheinbar wichtiger und standen mehr im Vordergrund. Eine Ausnahme bildete allenfalls die Mitgliederversammlung im April 1986 – nicht zuletzt angesichts der stark angespannten Finanzlage. Die Mitglieder waren sich bewusst, dass spätestens Mitte 1987 die Zahlungsunfähigkeit des Vereins drohen könnte. Aber auch hier versäumte man, zu formulieren, wie die möglichen neuen Aufgabenbereiche konkret aussehen könnten, von wem sie angegangen und bewältigt werden sollten und wer sie überprüfen sollte. Insofern war die Anfrage des Dr. von Hoffmann im Hinblick auf §17 und §19 der Satzung ein wichtiger Anstoß für entsprechende Diskussionen.252 Erstmals formulierte die Mitgliederversammlung 1986 Aufgaben für die Mitglieder. Man fragte, wie die Mitglieder stärker in die konkrete Arbeit und die Überlegungen und Planungen einbezogen werden könnten. Es ist zu unterstreichen, dass die neue Satzung des fusionierten Vereins von HdB und AMK eine viel engere Bindung sowohl an den von der Bischofskonferenz beauftragten Bischof für die Vertriebenenfragen wie auch an das Belegenheitsbistum aufwies, als die beiden Satzungen der Einzelvereine vorher. Vice versa zeigten sowohl die Bischofskonferenz als auch das zuständige Bistum Limburg eine deutliche Bereitschaft zur Mitverantwortung in Königstein und bekannten sich ausdrücklich zu Königstein als einer Zentrale für die Vertriebenen, die weiter bestehen sollte.253 So formulierte Dr. von Hoffmann den Wunsch, dass die Deutsche Bischofskonferenz die Trägerschaft für ein Haus für die vertriebenen Ostdeutschen in Königstein übernehmen und die Verwendung des Vermögens zur ursprünglichen und sofortigen Aufgabenerfüllung sicherstellen solle. Offensichtlich war Prälat Rabas diesen Vorschlägen nicht abgeneigt. Er regte die Einsetzung einer sachkundigen Arbeitsgruppe an, in der die Vorschläge Hoffmanns diskutiert und die Ergebnisse der nächsten Mitgliederversammlung vorgelegt werden sollten. Beide sahen offensichtlich die Dringlichkeit, weil bei einem „Weiter so“ in absehbarer Zeit die Substanz aufgebraucht sein würde.254 Eine weitere wichtige, längst überfällige Anregung brachte Prof. Gillesen in die Mitgliederversammlung ein: Er forderte eine deutlichere Verantwortung einzelner

252

253 254

Man beriet die Zuständigkeit und Mitwirkung der Deutschen Bischofskonferenz und des Belegenheitsbistums Limburg, die in der neuen Satzung so viel deutlicher festgeschrieben waren; das Belegenheitsbistum wurde in einem Maß in die Mitverantwortung für Königstein eingebunden, wie es vorher bei den beiden Vereinen AMK und HdB e.V. nie der Fall war. Die Kontrollorgane sollten auch die Zweckbindung des Vermögens stärker im Auge behalten. Dafür war eben die Reflexion der Zwecke anständig. Vgl. zu diesen Aussagen Protokoll der Mitgliederversammlung vom 25. April 1986, TOP 4, vor allem 4a auf S. 5, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. Vgl. zu diesen Aussagen Protokoll der Mitgliederversammlung vom 25. April 1986, TOP 4, vor allem 4a auf S. 5, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8.

Etappen der Entwicklung Königsteins

377

Mitglieder für verschiedene konkrete Aufgaben. Er regte an, Ausschüsse aus der Mitgliederversammlung zu bilden, die für einen bestimmten Sektor schwerpunktmäßig zuständig sein sollten. Dr. von Hoffmann unterstrich, Königstein müsse die Zentralstelle für Ostfragen verkörpern und dürfe nicht nur für Vertriebenenseelsorge und Tagungen zuständig sein, zumal das Haus der Begegnung zu groß sei für einzelne Veranstaltungen und zu klein für die Tagung ‚Kirche in Not’.255 In der Umbruchsphase vor dem Verkauf des „Hauses der Begegnung“ und der Überführung der Bischof-Neumann-Schule in eine neue Trägerschaft wurde folgende Zielsetzung für den Verein formuliert: Führung der ideellen Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Problemen Ostmitteleuropas, Südosteuropas und Osteuropas, Unterstützung, Betreuung und Förderung der Heimatvertriebenen und heimatvertriebenen Priester, Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen und Flüchtlinge, Unterhalt einer Begegnungs- und Bildungsstätte, nämlich des Hauses der Begegnung, und eines Gymnasiums, Publikation von Schrifttum und Publikationen zu Fragen der Heimatvertriebenen und der verfolgten Kirche im Osten.256 Die Zahl der Mitglieder des Trägervereins lag 1988 bei 28. Trotz dieser hochgesteckten Zielen ist auch für 1988 festzustellen, dass die Schwerpunkte der Vorstandstätigkeit auf abzuwickelnden Aufgaben lagen wie der Überführung der Bischof-Neumann-Schule in eine neue Trägerschaft, eine gemeinnützige GmbH und der Übergabe des Tagungshauses an die Stadt Königstein. Bezüglich des „Haus Werenfried“ wurde mit dem gemeinnützigen Siedlungswerk Frankfurt verhandelt. Die Arbeitsgruppe Königstein stellte auf ihrer Sitzung am 10. Oktober 1989 noch einmal die eigenen Aufgaben und Zielsetzungen vor, nämlich die Mitwirkung an der Sanierung des Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. Vorgesehen waren dabei die Verringerung des Personals, der Verkauf des Unterhauses und die Einstellung des Tagungsbetriebs. Die Aktivitäten des Vereins sollten sich damit im Wesentlichen auf den ideellen Bereich konzentrieren – diesen Aufgabensektor wollte auch die Bischofskonferenz weiterhin unterstützen, genauso wie den Kongress ‚Kirche in Not’. Die Bischof Neumann-Schulgesellschaft GmbH sollte den Betrieb zum 1. Januar 1990 übernehmen. Mit Ausnahme des Oberhauses und des Sportplatzes, die die GmbH mietete, wurden wesentliche Teile der für den Schulbetrieb erforderlichen Immobilien auf die GmbH übertragen. Die Arbeitsgruppe drängte vor allen Dingen auf eine kurzfristige Entscheidung bezüglich der Bereiche Tagungshaus, Küche und

255 256

Protokoll der Mitgliederversammlung , Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 5. Tätigkeitsbericht Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. für 1988, S. 3, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11.

378

Abschnitt IV

Speisesaal. Sie sah es als höchst problematisch an, den defizitären Tagungsbetrieb aus Kirchensteuermitteln zu finanzieren. Die Mitglieder des AMK/HdB e.V. wollten die Verhandlungen mit der Stadt Königstein bzgl. der Übernahme des „Hauses der Begegnung“ beenden. Die Verhandlungen hatten sich bereits fünf Jahre zäh hingezogen. Der Vorstand aber wollte weiterverhandeln, da sich nach wie vor einige Stadtväter sehr interessiert zeigten. Der Kompromiss war, dass eine Entscheidung für Ende März 1990 in Aussicht gestellt wurde. Zugleich brachte Pater Werenfried auf der Mitgliederversammlung am 3. Oktober 1989 ein, dass ein religiöses Institut zur Errichtung eines Noviziats in Deutschland ein Haus suche. Er schlug vor das ehemalige Priesterseminar und die Hochschule in Königstein, die dafür geeignet seien und in guter Tradition stünden, zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliederversammlung beschloss, dass der Antrag schriftlich an den Vorstand zu richten sei. Die Mitgliederversammlung 1989 musste auch den Vorstand neu wählen. Bereits in der Vorstandssitzung am 5. Juni 1989 hatte der bisherige Vorsitzende, Pfarrer Karl Kindermann, darauf hingewiesen, dass seine Amtszeit am 15. Juli 1989 nach fünf Jahren zu Ende gehe und er nicht mehr kandidieren wolle. Daraufhin brachten die meisten Anwesenden übereinstimmend zum Ausdruck, dass ein Wechsel im Vorsitz in der gegenwärtigen Situation nicht im Interesse des Vereins sei.257 Trotz seiner fehlenden Bereitschaft wählte die MV vom 3. Oktober 1989 Kindermann zum Vorsitzenden. Dieser nahm die Wahl wegen seiner Doppelbelastung nicht an. Er bat die Mitgliederversammlung, den Vorstand und Weihbischof Pieschl, einen Kandidaten zu suchen, der möglichst im Kolleg und in Königstein anwesend sei, in den Instituten mitarbeite und dessen Gehalt geklärt sei. Auch Prälat Schwalke bat nach zehnjähriger Amtszeit im Vorstand um Entlassung. Nur ein Kandidat, Dr. Franz Jockwig, war bereit, für dessen Nachfolge im Vorstand zu kandidieren. Er wurde gewählt. Mit Schreiben vom 16. Mai 1991 ernannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann258, Pfarrer Karl Kindermann erneut zum Vorsitzenden des Vorstandes des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung e.V., nachdem die Mitgliederversammlung am 12. November 1990 ihn einstimmig wiedergewählt hatte. Lehmann verband mit seiner Ernennung den Dank an den Verein für die großen Verdienste, die er sich in den vergangenen Jahrzehnten um die Eingliederung der Vertriebenen erworben habe. Er habe einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass sich die Vertriebenen in den Pfarrgemeinden und Diözesen der neuen

257 258

Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 5. Juni 1989, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11, S. 5. Karl Lehmann (geb. 1936), seit 1983 Bischof von Mainz. Von 1987 bis 2008 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz; vgl. http://www.kathpedia.com/index.php? title= Karl Lehmann, aufgesucht am 13.8.2013.

Etappen der Entwicklung Königsteins

379

Heimat in das kirchliche Leben eingebracht und es bereichert haben. Gleichzeitig stellte er die Frage, wie angesichts der Entwicklung des Vereins in den letzten Jahren und der wandelnden Aufgabenstellung die Zukunft zu denken sei.259 Kindermann wies in seinem Antwortschreiben in aller Deutlichkeit darauf hin, dass der Verein alleiniger Gesellschafter der Bischof-Neumann-Schule GmbH sei, wie auch als Träger des Institutum Balticum zuständig für die Informationen und Berichte, also den Digest des Ostens, für Veröffentlichungen und Dokumentationen, für die Unterstützung der Kirche im Osten und für die Kongresse, vor allem für den Kongress ‚Kirche in Not’. Kindermann bezeichnete diese Aufgabenstellungen sowohl gegenwartsbezogen als auch zukunftsorientiert, deshalb sei der Vorstand der Meinung, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Fortsetzung und Intensivierung der Aufgaben notwendiger sei denn je und auch von der Kirche in den östlichen Nachbarländern in wachsendem Maß erwartet werde. Die satzungsgemäßen Zwecke des Vereins seien auch deswegen noch lange nicht erfüllt, weil das Informationsdefizit über die Kirche im Osten im Westen sehr groß sei. „Nach wie vor sind wir bereit an diesen Aufgaben der Kirche mitzuwirken, wie einst bei der Eingliederung und Seelsorge der Heimatvertrieben und Flüchtlinge.“260 Die Aufgaben des Vereins wurden im Jahresbericht für 1990 in Übereinstimmung mit einem Beschluss der Bischofskonferenz vom 6. Dezember 1982 in vier Bereiche aufgegliedert: den Kongress ‚Kirche in Not’, die Institute, hier vor allen Dingen das Institutum Balticum und das Institut für Ostkunde, die Wallfahrten nach Königstein die Publikationen, die Königsteiner Rufe, das Jahrbuch, den Digest, den Kongressband, die Acta Baltica und die Chronik der Litauischen Kirche. Weiterhin wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Zentralstelle für die deutschen Katholiken aus Russland ebenso in den Räumen des Albertus-MagnusKollegs lokalisiert sei wie auch die Ostakademie. Beide operierten aber letztlich unabhängig von den Königsteiner Initiativen. Es wurde hervorgehoben, dass Königstein das Zentrum der Vertriebenenarbeit sei. Wie viele der Ansprüche und Selbstbeschreibungen, die man aufstellte, waren auch diese zu hoch gegriffen. Ähnlich ist der Hinweis auf das Archiv des Vertriebenenbischofs in Königstein einzuschätzen: Es wurde

259

260

Vgl. das Schreiben des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz an Pfarrer Karl Kindermann vom 16. Mai 1991, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/18. „Es dürfte daher auch die Frage zu stellen sein, ob der Auftrag des Vereins zu dessen Zwecken er gegründet wurde, nun erfüllt ist und es daher angemessen sein dürfte, über die Auflösung des Vereins nachzudenken. Der Ständige Rat bittet Sie daher als den Vorsitzenden des Vereins des Albertus-MagnusKolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V., nachdem nun auch die Gebäulichkeiten anderen Zweckbestimmungen zugeführt wurden, einen konkreten und realisierbaren Vorschlag dem Ständigen Rat vorzulegen, in welchem Zeitraum der Verein seine Arbeit einstellen kann.“ Schreiben Kindermanns an Lehmann vom 11. September 1991, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12, 2 S. masch., Zitat S. 2.

380

Abschnitt IV

als großes Verdienst und wichtige Aufgabe angeführt, aber es wurde schlicht nicht verwaltet. Ebenso erwarb sich auch die Geschäftsstelle des Katholischen Flüchtlingsrates in Königstein keine großen Verdienste bei der Aufgabenbewältigung des Vereins.261 Die Schwerpunkte der Arbeit lagen im Jahr 1990 auf dem Deutsch-Intensivkurs für jugendliche Aussiedler, der auch die Belegungszahlen des „Hauses der Begegnung“ und damit dessen Bilanz verbessert hatte. Über 15.000 Übernachtungen waren 1990 dem Christlichen Bildungswerk Bad Neustadt/Saale, also dieser Maßnahme, zuzurechnen. Das Albertus-Magnus-Kolleg hatte sich verpflichtet, für jugendliche Aussiedler Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung zu stellen. Die Schüler waren im „Haus Werenfried“ wie im „Haus Michael“ untergebracht. Das „Haus Werenfried“ wurde am 1. April 1991 an das Gemeinnützige Siedlungswerk Frankfurt verkauft. Das Siedlungswerk errichtete dort im Neubau 32 Sozialwohnungen für Senioren. Die Ostakademie zog 1990 ins Oberhaus um. Dadurch erweiterte sie sich sowohl räumlich als auch personell. Die vorangegangenen Verhandlungen . bezüglich eines neuen Mietvertrages waren zäh gewesen. Die Ostakademie strebte 25 Jahre als Mietdauer an, der Verein wollte sich jedoch nicht über einen solch langen Zeitraum binden. Uneinigkeit hatte auch bezüglich der Renovierungskosten und der Zuständigkeit für die notwendigen Baumaßnahmen geherrscht. Die seit 1984 geführten Verhandlungen mit dem Magistrat der Stadt Königstein ebneten 1990 den Weg zu einer Übernahme des Hauses der Begegnung durch die Stadt. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss daraufhin am 28. Februar 1991, das Haus der Begegnung zum Preis von 2.900.000,- DM zu erwerben. Zum 1. Oktober 1991 übernahm die Stadt das Tagungshaus samt Personal und betrieb es weiter wie bisher, d.h. die Kongresse konnten weiterhin dort stattfinden, ebenso die Versammlung der Diözesanvertriebenenseelsorger und die Sitzungen des Katholischen Flüchtlingsrates usw.262

261 262

Tätigkeitsbericht 1990, Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V., 13 S. masch., in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12. Im Arbeitsbericht 1990 auf S. 6 ist auch die Entwicklung der Anzahl der Übernachtungen von 1984 bis 1991 aufgezeichnet. Ebenso auf S. 7 die Tagungen 1990. Dabei wird sehr deutlich, dass die meisten Belegungen auf nicht spezifisch Königsteiner Initiativen zurückzuführen sind, dass zum einen die Ostakademie, zum andern das Deutsche Rote Kreuz, das Christliche Bildungswerk und schließlich DDR-Aus- und Übersiedler, die etwa 80 % der Belegungszahlen ergeben. Ebenfalls in diesem Arbeitsbericht sind die Auflagenhöhen der Publikationen und deren Entwicklung zwischen 1986 und 1991 nachzuvollziehen. Hier zeigt sich zum einen, dass das „Königsteiner Jahrbuch“ von einer Auflage von 80.000 im Jahr 1986 reduziert wurde auf 57.500 im Jahr 1991. Die „Königsteiner Rufe“ gingen um ein Drittel zurück. Von 15.000 1986 auf 10.000 1991. Die Informationen und Berichte weisen eine ähnliche Tendenz auf von 4.100 (1986) auf 2.800 (1991). Der Kongressband ‚Kirche in Not’ wurde 1986 noch mit einer Anzahl 11.000 Exemplaren gedruckt, 1991 wurden nur mehr 8.500 hergestellt. Die „Chronik“ der Litau-

Etappen der Entwicklung Königsteins

381

Auf der Mitgliederversammlung vom 28. November 1991 informierte der Vorstand entsprechend die Mitglieder.263 In dieser Sitzung musste auch eine Satzungsänderung diskutiert werden, da die Bischof-Neumann-Schule und das Haus der Begegnung nicht länger Eigentum des Vereins waren. Allein deswegen wurde eine Namensänderung nötig, weil das Haus der Begegnung nicht länger im Vereinstitel geführt werden konnte. Der Vorstand schlug der Mitgliederversammlung „Albertus-Magnus-Kolleg“ vor. Gleichzeitig bat er die Mitglieder, über eine Transformation der Aufgaben des Vereins zu beraten, weil entsprechende Empfehlungen und Stellungnahmen des VDD vorlagen. Die Mitgliederversammlung sollte, so der Wunsch des Vorstands, eine Satzungskommission bilden. Die Neustrukturierung oder Auflösung des Vereins wurde auf die nächste Mitgliederversammlung verschoben, wohl aber wurde in der Mitgliederversammlung am 28. November 1991 eine Arbeitsgruppe für die künftigen Aufgabenfelder und Zielsetzungen eingesetzt, der die Vorstandsmitglieder und die Herren Fuchs und Dr. Staffa angehörten. Prälat König wurde um Mitarbeit gebeten, lehnte aber ab. Bereits im Juni 1991 hatte sich das Sekretariat des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge über die weitere Entwicklung in Königstein Gedanken gemacht. Als Charakteristikum der Vertriebenenseelsorge wurde angesehen, dass diese sich in ihren Methoden und Strukturen flexibel den jeweiligen Erfordernissen anpasse. Die Vertriebenenseelsorger seien immer bereit gewesen, aufzugeben, was nicht mehr erforderlich war. Das habe sie geistig mobil gemacht. Ein derartiger Einschnitt sei auch 1991 wieder nötig. Zu den künftigen Aufgaben der Vertriebenenseelsorge wurde auch deren Koordination und Konzentration gezählt – dafür sei Königstein ein wichtiges Markenzeichen. Weiterhin sollte dort für den Zusammenhalt der katholischen Heimatvertriebenen gesorgt werden, ebenso für die deutschen Aussiedler, vor allem diejenigen aus Russland. Das Wallfahrtswesen sollte begleitet werden, der Kongress ‚Kirche in Not’ vorbereitet, die Vertriebenenseelsorge dokumentiert, das Vertreibungsgeschehen und seine Bewältigung in Deutschland wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Parallel sollte die Entwicklung in den Ländern Mittel- und Osteuropas beobachtet werden. Als Instrumente hierfür standen die Informationen und Berichte, das Jahrbuch, die „Königsteiner Rufe“, die „Königsteiner Studien“, die Acta Baltica, der Kongress ‚Kirche in Not’ und das Baltische Institut zur Verfügung. Für die verbleibende notwendige Arbeit der Vertriebenenseelsorge müsse eine effiziente Struktur geschaffen werden, was jedoch parallel zur Auflösung des Vereins möglich sei. Auch die Bestimmung in § 19 der Satzung, wonach im Fall der Auflö-

263

ischen Kirche erschien 1991 nicht mehr. Sie war 1986 in einer Auflagenhöhe von 700 erschienen. Sie erschien 1988 letztmals. Lediglich die „Acta Baltica“ konnten sich mit 700 Exemplaren von 1986 bis 1991 unverändert halten. Protokoll der Mitgliederversammlung vom 28. November 1991, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12. Das Protokoll umfasst 5 S. masch. Der Bericht des Vorstandes ist TOP 3 auf S. 2.

382

Abschnitt IV

sung des Vereins das verbleibende Vereinsvermögen an den Bischöflichen Stuhl in Limburg falle, der es mit Zustimmung der Deutschen Bischofskonferenz unmittelbar und ausschließlich für kirchliche Zwecke, nach Möglichkeit im Sinn der bisherigen Vereinszwecke, einzusetzen habe, sei günstig zu regeln, da der Vertriebenenbischof der Weihbischof im Bistum Limburg sei. Weiterhin lautete der Vorschlag, dass im Oberhaus in Königstein drei Institutionen beherbergt werden könnten: Abteilungen des Sekretariats des Vertriebenenbischofs, das Büro des Diözesanvertriebenenseelsorgers des Bistums Limburg und das Büro des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge an den Russlanddeutschen. Die Abteilungen des Sekretariates des Vertriebenenbischofs, so das Konzept weiter, könnten aus den verbleibenden Vereinsmitteln auf Dauer finanziert werden. Das würde bedeuten, dass die Aktivitäten Königsteins – konkret die Aktivitäten des Institutum Balticum und des bisherigen Referats Öffentlichkeitsarbeit unmittelbar dem Vertriebenenbischof zugeordnet und unterstellt wären.264 Die Arbeitsgruppe Königstein hatte die Frage des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vom 16. Mai 1991 nach der Auflösung des Vereins insofern abgewiegelt, als sie keine umgehende Auflösung erwartete. Begründet wurde dieser Aufschub laut einer Aktennotiz des Sekretärs des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge so: Königstein sei zum einen ein Symbol für die katholische Vertriebenenseelsorge, und diese sei aufgrund eines Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz auch weiterhin geboten; zweitens könne der Verein auch nach Veräußerung von Immobilien des Unterhauses, des Tagungshauses und des Hauses Werenfried bei kluger Anlage weiter seine eben reduzierten Aufgaben erfüllen, nachdem er das Tagungshaus und auch die Trägerschaft der Schule abgegeben hatte. Freilich gab es auch den Rat, noch vorhandene Immobilien zu veräußern.265

264

265

Vgl. Sekretariat des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge, Konzept zur weiteren Entwicklung Königstein vom 20. Juni 1991, 3 S. masch. Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12. Freilich riet das Mitglied der Arbeitsgruppe Königstein, Edgar Panholzer vom VDD, zu einer Veräußerung der noch vorhandenen Immobilien. Das Gespräch zwischen Weihbischof Pieschl, Heinz-Dieter Schleupner, Manfred Groth, dem Referenten des Weihbischofs, und Edgar Panholzer, Heinz Rocksloh, Dr. Hans Wendtner, Dr. Gerhard Reichelts und Wilhelm Wiemar ergab auch, dass der Vorschlag von Weihbischof Pieschl, die Arbeit der Königsteiner Vertriebenenseelsorge durch Auflösung des Vereins bei Zweckbindung des Vermögens für die Vertriebenenseelsorge zu transformieren, angesichts der Situation als nicht notwendig erachtet werde. „Insgesamt wurde deutlich, dass aus der Sicht der Arbeitsgruppe Königstein weder aus finanziellen noch anderweitigen Gründen eine Auflösung des Vereins AMK/HdB Königstein e.V. empfohlen wird.“ (Aktennotiz vom 12. November 1991, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12.)

Etappen der Entwicklung Königsteins

383

Zur Würdigung der Vorstandschaft Karl Kindermann: Unter der zehn Jahre währenden Leitung der Königsteiner Anstalten durch Pfarrer Karl Kindermann von 1984 bis 1994 ging zwangsläufig die Initiative immer stärker an den VDD über. Sowohl der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge, der Limburger Weihbischof Gerhard Pieschl, wie auch die Prüfungskommission des VDD fanden zunehmend deutliche Worte bzgl. des finanziellen Spielraumes des AMK/HdB in Königstein.266 In der Dekade Kindermann wurde primär abgewickelt. Es wurde eine Satzungsänderung vollzogen und man besann sich neu auf die Zwecke und Aufgaben. Diese wurden aber nicht real erneuert, sondern man versuchte vielmehr, Herkömmliches so weit und so gut wie möglich fortzuführen. So heißt es etwa unter „Zwecke und Aufgaben“ in § 3 der Satzung Ende der 1980er Jahre: „Der Verein nimmt kirchliche und wissenschaftliche Aufgaben für die heimatvertriebenen Aussiedler und Flüchtlinge wahr. Er unterhält dazu ein wissenschaftliches Institut. Er stellt seine Arbeit dem Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge zur Verfügung. Er unterstützt die Arbeit des

266

So wurde von der VDD zumindest indirekt gerügt, dass der Vorstand den Haushaltsplan für 1991 unter der Prämisse erstellt habe, dass ab 1. Januar 1991 das Tagungshaus nicht mehr vom Verein betrieben werde. Die Mitgliederversammlung aber habe die Weiterführung des Tagungshauses zur nahtlosen Übernahme durch die Stadt Königstein befürwortet. Dadurch wäre die Ergänzung des Haushaltsplanes notwendig geworden, sie erfolgte aber nicht. Vielmehr habe die Mitgliederversammlung, so die Rüge, den vorliegenden Haushalts- und Stellenplan 1991 einstimmig beschlossen und den Vorstand bevollmächtigt, Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen, falls eine Bewirtschaftung des „Hauses der Begegnung“ 1991 unausweichlich würde. Der Vorstand hingegen habe sich ausweislich der Sitzungsniederschriften nicht mehr mit Änderungen und Ergänzungen zum Haushaltsplan 1991 befasst, obwohl das Haus der Begegnung bis zu seiner Übergabe an die Stadt Königstein am 1. Oktober 1991 vom Verein bewirtschaftet wurde. Pieschl habe am 10. Oktober 1991 den Vorstand darauf hingewiesen, dass der Verein für das laufende Jahr keinen genehmigten Haushaltsplan habe, so dass nur unabweisbare und zwingend erforderliche Ausgaben getätigt werden dürften. In der Zeit von Januar bis September 1991 wurde so ein Fehlbetrag von 300.093,- DM erwirtschaftet. Dieser Fehlbetrag wurde aus Einnahmen aus Grundstücksverkäufen aufgebracht. D.h. man lebte von der Substanz. Es müsse darauf gedrängt werden, und das war wohl ein Manko in den vorangegangenen Jahren in Königstein, dass die Einhaltung des Haushaltsplans stetig überwacht wird. D.h. Einnahmen und Ausgaben müssten kontinuierlich kontrolliert werden. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass das Bemühen wirtschaftlich und sparsam zu handeln, nicht für alle Geschäftsvorfälle bestätigt werden könne. Es wurden Grundstücksverkäufe, Hausverkäufe, Abstandszahlungen in größeren Beträgen vorgenommen, ohne dass der Vorstand mit den entsprechenden Angelegenheiten befasst gewesen wäre. Unter ortsüblichem Tarif liegende Mieten, Überbezahlung der Angestellten, pauschale Abfindungen für Überstunden, die nicht entsprechend aufgeschrieben waren, wurden gerügt. So heißt es bereits 1991, die Möglichkeit Haushaltsfehlbeträge durch Einnahmen aus Substanzverkäufen zu decken, sei in Zukunft nur noch beschränkt gegeben. In Zukunft müsse dem Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit größere Beachtung gewidmet werden, so das Gutachten vom Prüfungsamt des Verbands der Diözesen Deutschlands vom 27. Juli 1992, in: Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12.

384

Abschnitt IV

Katholischen Flüchtlingsrates in Deutschland, insbesondere trägt der Verein zur Dokumentation der kirchlichen Lage, zur Förderung der kirchengeschichtlichen Forschung in den Herkunftsländern der deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler sowie der Pflege des Kulturgutes und Brauchtums aus und in diesen Gebieten bei, fördert er die Herausgabe einschlägigen Schrifttums sowie die Durchführung von Seminaren über Vertriebenenseelsorge und Aussiedlerfragen, unterstützt der Verein Gottesdienste, Wallfahrten und Veranstaltungen der Katholischen Heimatvertriebenen und Aussiedler, hält der Verein Verbindung zu kirchlichen und anderen Stellen in den Herkunftsländern der Heimatvertriebenen und Aussiedler, hilft er vor allem den Katholiken unter den dort verbliebenen deutschen Minderheiten, er bereitet den Kongress ‚Kirche in Not’ vor, führt ihn durch und wertet ihn aus. Hierbei arbeitet er mit der Kommission für Weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz zusammen.“267 Kindermann war es gelungen, das Haus der Begegnung zu verkaufen und die Bischof-Neumann-Schule auszugliedern.268 1994 wurde noch unter dem Vorsitz von Kindermann eine Neustrukturierung des Vereins vorgenommen und neue Schwerpunkte der Vorstandsarbeit bedacht, nachdem die Bischof-Neumann-Schule einen anderen Träger bekommen hatte, indem sie zu 75 % an das Bistum Limburg als Mehrheitsgesellschafter übergegangen war, und das Haus der Begegnung verkauft war. Die Arbeitsgruppe Königstein des VDD wurde aufgelöst, nachdem das Albertus-Magnus-Kolleg nicht mehr Träger der BischofNeumann-Schule war.

267 268

§ 3 Zwecke und Aufgaben der Satzung des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V., in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12. Vgl. dazu auch ein würdigendes Schreiben des Beauftragten der DBK für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge an Pfarrer Karl Kindermann vom 16. Dezember 1993, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/12.

Etappen der Entwicklung Königsteins

385

16. Der letzte Vorsitzende als Konkursverwalter? Der neue Vorsitzende, Pater Norbert Schlegel, seit 1. Oktober 1994 Vorsitzender des AMK e.V., musste eine rasche und tiefgründige Ernüchterung erleben. Schlegel war mit Ideen für eine Neugestaltung und Neukonzeption der Vertriebenenarbeit in Königstein angetreten, musste aber sehr bald feststellen, dass die Struktur und die finanziellen Grundlagen dafür nicht mehr gegeben waren. Plötzlich ging es nur noch um die Verwaltung der Gebäude und Liegenschaften und des übernommenen Personals. Die Gebäude waren dermaßen sanierungsbedürftig, dass sie letztlich den finanziellen Spielraum nicht nur schmälerten, sondern überschritten. Hinzu kamen Warnungen vom Dezernat Finanzen des Limburger Ordinariates, das seinerseits verstimmt war, da es sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt habe, dass der Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs auf Ratschläge von Weihbischof Pieschl und dem Limburger Finanzdezernat nicht eingegangen war. Daraufhin hatte das Finanzdezernat sogar die Frage formuliert, ob nicht die Autorität des Bischofs eingesetzt werden müsse, um das AMK zu vernünftigen Beschlüssen zu bringen. Letztlich ging es um den Modus der Auflösung des Vereins und der Bestimmung der Satzung, dass das verbleibende Vermögen an das Belegenheitsbistum falle und zu satzungsgemäßen Zwecken eingesetzt werden solle.269 Diese Bedenken haben beim neuen Vorsitzenden Befremden hervorgerufen, nicht zuletzt weil er sich damit in seiner Amtsführung eingeschränkt sah. Er empfand die Formulierung des ehrenamtlichen Vorstands als Abwertung und die gewünschte enge Abstimmung von Aktionen des Vorstandes mit der Bistumsverwaltung als Bevormundung. „Dass dem Albertus-Magnus-Kolleg kein hauptamtlicher Vorsitzender vorsteht ist ja sicherlich nicht Schuld des derzeitigen Vorsitzenden, sondern hat vielfach andere Gründe, die letztlich auch mit dem Bistum zusammenhängen, das eigentlich in den vergangenen 15 Jahren nie großes Interesse an Königstein zeigte.“270 Schlegel beklagte, dass der ernste Zustand des AMK nicht bereits früher zu entsprechenden Konsequenzen geführt habe und brachte seine Enttäuschung zum Ausdruck.271

269 270

271

Vgl. dazu etwa einen Vermerk des Dezernates Finanzen vom 14. August 1996, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13. Schreiben Pater Norbert Schlegels an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge vom 10. September 1996, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13. „Sehr geehrter Herr Weihbischof, bislang war ich der Meinung, dass das Albertus-MagnusKolleg ein eingeschriebener Verein ist, der einen Vorstand hat und im Einvernehmen mit dem Vertriebenenbischof handlungsfähig ist. Mehr und mehr gewinne ich aber den Eindruck, dass dies, weiß Gott, nicht so ist. Wenn der Vorstand nach seinen Sitzungen und Beschlüssen nur noch mitgeteilt bekommt, was er zu tun hat, dann sollte man, um die Sache zu vereinfachen, doch gleich denen die Vorstandschaft übertragen, die das Sagen haben. Als derzeitiger Vorsit-

386

Abschnitt IV

Zur desolaten Lage der Infrastruktur, die einen Neuansatz und Neuanfang der Arbeit verunmöglichte, kamen das Kompetenzgerangel und die Konkurrenz der Königsteiner Einrichtungen. So beklagte Schlegel, dass er Studienreisen und Wallfahrten ausgeschrieben habe, die ohne Echo geblieben waren, wohingegen das Sudetendeutsche Priesterwerk (SPW) mehrere solcher Fahrten in die alte Heimat organisiert und durchgeführt habe. Die ehrenamtliche Arbeit der letzten Vorsitzenden des Vorstandes und ihr Haupteinsatz außerhalb von Königstein hätten sich sehr nachteilig ausgewirkt:272 Gerade in der Zeit der Wende und des Umbruchs in Osteuropa sei von Königstein aus viel zu wenig passiert. Als der Osten Hochkonjunktur bekam, sei es in Königstein systematisch bergab gegangen. kryptisch merkte Schlegel dazu an: „Hierzu ließe sich einiges sagen“.273 Rasch ging Schlegel auch die Liquidation an. Bereits am 23. April 1995 führte er mit Weihbischof Pieschl und Heinz Dieter Schleupner ein entsprechendes Gespräch. Der Gedanke der Liquidation wurde auch in die Mitgliederversammlung am 12. Juni 1996 eingebracht. Schlegel unterstrich, dass er – auch im Hinblick auf den Jahresabschluss 1995 -, die Liquidation rasch angehen wolle, denn die Zahlungen und Spendeneingänge seien wie überall im Vertriebenenbereich rückläufig. Noch sei die finanzielle

272

273

zender klebe ich nicht an diesem Posten. Im Falle eines Wechsels im Vorstand erwarte ich aber, dass man den Mut hat, der Öffentlichkeit und den noch vorhandenen Gönnern und Wohltätern die volle Wahrheit zu sagen. Es ist nicht mein Verschulden, dass der augenblickliche Zustand des AMK so fragwürdig ist. Hier hätten m. E. schon wesentlich früher kompetente Stellen, die jetzt auch mitsprechen wollen, besser die Weichen stellen müssen. Als ich das Amt des Vorsitzenden im AMK übernahm, ging ich davon aus, dass ein ‚heiliger Rest’ der ursprünglichen Arbeit zu retten sei: Ich habe bereits im Herbst 1994 mit der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Seminar durchgeführt. Doch erwies sich die Situation in Bezug auf Vortragssäle, Unterkunft usw. als so trist, dass mir das Bildungswerk der Konrad-Adenauer-Stiftung mitteilte, unter diesen Umständen sei an weitere Tagungen nicht zu denken.“ (Schreiben Pater Norbert Schlegels an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge vom 10. September 1996 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13). „Schon bald habe ich auf Wallfahrten am Stand des SPW bei den Sudetendeutschen Tagen und anderswo in Erfahrung gebracht, wie schlecht das AMK-Image ist, weil seit dem Weggang von Prälat Braunstein keine Leitung mehr hier war. Das ist schmerzlich für mich und manch andere, aber es muss einmal gesagt werden. Mir selbst tut es leid, dass ich bisher nicht mehr von dem verwirklichen konnte, was ich mir vorgestellt hatte. Hierbei war und ist ohne Zweifel mit Schuld, das ‚Sich-zerteilen-müssen’ in nur ‚ehrenamtlichen’ und pfarreilichen Verpflichtungen einer Großstadtgemeinde. Trotzdem konnte ich für das SPW leisten und durchführen: Tagungen, Hilfsaktionen im Osten, Besucherhilfen und anderes mehr. Der größte Teil, der von Weihbischof Kindermann dem AMK zugedachten Arbeit für den Osten, wird eigentlich nur vom SPW geleistet, obwohl das Sudetendeutsche Priesterwerk personell nur über einen winzigen Bruchteil des AMK-Bestandes verfügt.“ (Schreiben Pater Norbert Schlegels an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge vom 10. September 1996 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13). Schreiben Pater Norbert Schlegels an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge vom 10. September 1996 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13.

Etappen der Entwicklung Königsteins

387

Situation ausgeglichen, aber der Prozess des Niederganges werde sich bei gleich bleibenden Gegebenheiten beschleunigen.274 Personalabbau sei unvermeidlich, es dürfe keine Neubesetzungen von Stellen mehr geben. Schlegel schlug vor, das Institutum Balticum beim Zentralen Institut für Osteuropa in Eichstätt anzusiedeln. Man müsse notfalls auch Entlassungen mit entsprechenden Abfindungen aussprechen. „Die Diskussion ergibt eine Bestätigung der vorgetragenen Zielvorstellungen. Also: Trotz guter Bilanzierung, aber rückläufiger Tendenz würde ohne Modernisierungsmaßnahmen die anstehende Restaurierung (Außenputz, Heizungssanierung, Dachdeckerarbeiten, Kirchenrenovation), die von der Diözese nicht zu erwarten ist, (mit ca. DM 4 Mio.) nicht tragbar sein. Insgesamt ist festzustellen, dass die frühere Ausstrahlung ‚Königstein’ nicht mehr besteht. Das bezeugen die Erträgnisse der versandten und wieder zurückgesandten Schriften.“275 Die Mitgliederversammlung zog das Fazit, dass ein weiterer Fortbestand an der Substanz zehren würde. Daher schlug der Vorsitzende des Vorstandes vor, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk weiterhin die Verbindungen zu den Heimatvertriebenen pflegen solle, dann könne sich der Verein auflösen. Für den 15. November 1996 wurde ein Pontifikalgottesdienst zum fünfzigjährigen Bestehen der Bischof-NeumannSchule ins Auge gefasst, dem wollte sich auch das Albertus-Magnus-Kolleg anschließen. An diesem Tag sollte eine Mitgliederversammlung angesetzt werden, auf der heraus der Verein seine Arbeit einstellen sollte. Bereits zuvor waren die Aufgaben immer schwieriger geworden. Man musste in die Kanalisation des Grundstückes etwa 150.000,- DM investieren und einen Zuschuss von 80.000,- DM zum Kongress ‚Kirche in Not’, den man 1995 bereits nur noch in Kooperation durchführen konnte leisten. Für 1996 war für Fulda als Veranstaltungsort für den Kongress ins Auge gefasst. Dort rechnete man mit noch höheren Kosten. Dazu hieß es im Situationsbericht des Vorsitzenden im Juni 1995, also etwa ein dreiviertel Jahr nach der Übernahme des Vorsitzes durch Pater Norbert Schlegel: „Die Aufgaben, die sich der Verein in der neu bearbeiteten Satzung gestellt hat, werden nicht verwirklicht, so dass die Tätigkeit des Vereins – außer der Herausgabe der Publikationen und der Veranstaltung des Kongresses ‚Kirche in Not’ – sich in der Verwaltung von Gebäude und Grundstücke erschöpft. Dafür aber sind der Personalbestand und der Verwaltungsaufwand zu hoch, der trotzdem derzeit aus verschiedenen Gründen nicht verändert werden kann. Öffentlich sichtbare und anerkannte Aufgaben können weder vom derzeitigen Personalbestand, noch von der finanziellen Situation des Vereins angegangen werden. Aus eben denselben Gründen ist es auch nicht möglich, die Vorstellungen des Vorsitzenden, die er zur Belebung der Tätigkeiten des AMK in

274 275

Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. vom 12. Juni 1996 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13. Schreiben Pater Norbert Schlegels an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge vom 10. September 1996 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, S. 2f.

388

Abschnitt IV

seine Vorstandsarbeit mitbrachte, zu verwirklichen. Der Fortbestand des AMK zehrt so sehr an der finanziellen Substanz des Vereins, dass man rechtzeitig dem Gedanken der Auflösung nahe treten sollte. Die Fünfzigjahrfeier des Bestehens im Jahre 1996 könnte ein willkommener Anlass sein, den geschichtlichen Auftrag des AMK in Königstein/Taunus als beendet anzusehen, zumal die noch bestehenden Aufgaben und Tätigkeiten der katholischen kirchlichen Vertriebenenorganisationen schon seit einigen Jahren an anderen Orten weitergeführt werden.“276 Der darauf folgende Vorstandsbeschluss erteilte dem Vorsitzenden den Auftrag, die Idee der Auflösung und die Gründe dafür der Mitgliederversammlung vorzutragen und die Mitgliederversammlung um ein entsprechendes Votum, eine Ermächtigung zu bitten. Man suchte nach Möglichkeiten einer Fortführung von Aktivitäten des AMK und einer für historische Arbeiten zugänglichen Aufrechterhaltung von Einrichtungen wie dem Archiv. Man dachte daran, bestimmte Aktivitäten dem Sudetendeutschen Priesterwerk zu übergeben, wohl auch das Archiv. Dafür müsste das SPW in Brannenburg geeignete Räumlichkeiten schaffen. Als Ausgleich sollte das Haus auf dem Grundstück des AMK in Königstein verkauft werden können. Deswegen sollte das Grundstück, auf dem das Sudetendeutsche Priesterwerk sein Haus in Form des Erbbaurechts besaß, dem Sudetendeutschen Priesterwerk als Eigentum überlassen werden. Der stellvertretende Vorsitzende, Pater Eduard Kroker, hatte mit Schreiben vom 6. Februar 1995 um die Entbindung vom Amt des stellvertretenden Leiters der Königsteiner Einrichtungen nachgesucht. Der Vorstand entsprach Krokers Gesuch und schlug als dessen Nachfolger der Mitgliederversammlung Pater Reinhardt277 vor.278 Kurz vor Auflösung des Vereins 1996 waren noch folgende Einrichtungen tätig: Zum einen das Institutum Balticum, in dem nach wie vor die Acta Baltica publiziert sowie Vorträge und Seminare gehalten wurden, und zum anderen das Institut für Öffentlichkeitsarbeit, also die Redaktion der Informationen und Berichte, die Vorbereitung und Drucklegung des Kongressberichtes, des Königsteiner Jahrbuchs und der „Königsteiner Rufe“. Wobei die „Königsteiner Rufe“ 1995 nur mehr eine Auflagenhöhe von 7.000 hatten, das „Königsteiner Jahrbuch“ von 40.000, der Kongressband ‚Kirche in Not’ von 7.200. Der Jahresfehlbetrag für 1995 betrug 201.000,- DM. Nach wie vor verfolgte der Verein den Zweck, kirchliche und wissenschaftliche Aufgaben für die heimatvertriebenen Aussiedler und Flüchtlinge wahrzunehmen. Er trug laut Tätigkeitsbericht 1995

276 277 278

Protokoll der Vorstandssitzung des Albertus-Magnus-Kolleg Königstein vom 23. Juni 1995 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, Zitat S. 2. 1990 wurde Pater Eugen Reinhardt SVD in das Amt des Seelsorgers für die Russlanddeutschen berufen – er hatte es bis 2006 inne. Vgl. Schreiben Krokers an Schlegel vom 6. Februar 1995 in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13.

Etappen der Entwicklung Königsteins

389

zur Dokumentation der kirchlichen Lage, zur Förderung der kirchengeschichtlichen Forschung in den Herkunftsländern der deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler sowie zur Pflege des Kulturgutes und Brauchtums aus und in diesen Gebieten bei, förderte die Herausgabe des einschlägigen Schrifttums sowie die Durchführung von Seminaren über Vertriebenenseelsorge. Weiterhin unterstützte er laut Bericht Gottesdienste, Wallfahrten und Veranstaltungen der katholischen Heimatvertriebenen und Aussiedler, hielt Verbindung zu kirchlichen und anderen Stellen in den Herkunftsländern der Heimatvertriebenen und half den Katholiken unter den dort verbliebenen deutschen Minderheiten. Zusätzlich hatte er sich zur Aufgabe gemacht, die Arbeit des Flüchtlingsrates in Deutschland zu unterstützen.279 So wie 1977 Kruschina nach der Rückgabe seines Vorstandsamtes relativ bald den Austritt aus dem Verein erklärt hatte, so hatte sich die Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. auf ihrer Sitzung am 16. Oktober 1996 mit der Austrittserklärung von Pfarrer Karl Kindermann zu beschäftigen. Auch er hatte nach § 8 der Satzung seinen Austritt schriftlich erklärt. Er wollte zu dem Zeitpunkt, als sich der AMK Königstein e.V. auflöste, nicht mehr Mitglied dieses Vereins sein. Die Auflösung war TOP 2 der Sitzung am 16. Oktober. In zwei Mitgliederversammlungen seit dem 23. Juni 1995 war der Auflösungsbeschluss erörtert worden. Man war der Ansicht gewesen, es solle ein rechtzeitiger und ehrenvoller Abschluss der Geschichte des Albertus-Magnus-Kollegs vorgenommen werden. Man wolle das Vereinsvermögen schuldenfrei abgeben.280 Eine große Zahl von Mitgliedern hatte sich zur Auflösungsversammlung eingefunden; unter ihnen Weihbischof Pieschl von Limburg und Herr Hammer von der Rechts-Finanz-Abteilung des Bischöflichen Ordinariats in Limburg waren anwesend. Pater Werenfried van Straaten beantragte, das Oberhaus für die Zwecke seiner Institute kostenlos der Ostpriesterhilfe zu übereignen, bevor sich der Verein auflöse. Denn er habe nicht zuletzt finanziell viel für die Gebäude und den Betrieb des AlbertusMagnus-Kollegs in Königstein geleistet und investiert. Die Ostpriesterhilfe leide großen Platzmangel im Unterhaus; deswegen meinte er, die Übereignung des Oberhauses sei eine gute Lösung, um die Arbeit der Institute der Ostpriesterhilfe in Königstein weiter fortführen zu können. Freilich kamen Zweifel auf, dass die Pläne Pater Werenfrieds, der eine Hochschule in Königstein in sehr theologisch-konservativem Sinne errichten und erhalten wollte, durchgeführt werden könnten. Außerdem merkte der Visitator für die Schlesier, Prälat König, an, dass auch das Schlesische Priesterwerk nicht wenig in die Königsteiner Anstalten investiert hätte und aus diesem Grund gleichfalls Anspruch auf Vermögensteile des Albertus-Magnus-Kollegs hätte. Auch Prälat Rabas vertrat den Standpunkt, dass es genügend gute deutsche Hochschulen

279 280

Vgl. Tätigkeitsbericht 1995, 6 S. masch., in KZG Bonn, Archiv Königstein, Nr. 1022. Vgl. dazu Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, Protokoll der Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein vom 15. November 1996, 6 S. masch.

390

Abschnitt IV

gebe, um Ausbildungswünsche zu verwirklichen – er hielt den Plan Pater Werenfrieds von Anfang an für nicht realisierbar. Freilich gab es eine Reihe von Mitgliedern des AMK, die es erfreulich fanden, dass Pater Werenfried seine Arbeit in erweitertem Umfang in Königstein weiterführen wollte. Sie sahen die Chance, dass damit leer werdende Gebäudeteile einer Nutzung zugeführt würden, die durchaus den in der Vereinssatzung formulierten Zielen nahe kämen. Weil aber Pater Werenfried die Nutzung des Gebäudes durch seine Institute ins Auge gefasst hatte und nicht das Albertus-Magnus-Kolleg weiterführen wollte, verlangte auch diese Weiternutzung durch Pater Werenfried letztlich die Auflösung des Vereins. Die Mitglieder, die diese Pläne favorisierten, kamen zu der Auffassung, der Verein solle sich auflösen und Pater Werenfried dann seine Anliegen mit dem Bischof von Limburg verhandeln, der nach der Vereinssatzung das bleibende Vereinsvermögen unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und kirchliche Zwecke im Sinn der Vereinssatzung verwenden sollte. Dieser Meinung schloss sich auch Weihbischof Pieschl an. Pater Werenfried könne sofort nach dem Rechtsakt der Auflösung durch die Mitgliederversammlung in konkrete Verhandlungen mit dem Bischof von Limburg eintreten. Bei allen Überlegungen und Diskussionen war klar, dass eine weitere Vertagung des Auflösungsbeschlusses und damit ein weitergehender Betrieb des AMK sehr hohe Kosten verursachen würden – eine Entwicklung, die man auch gegenüber den Wohltätern kaum verantworten konnte. Zum damaligen Zeitpunkt gab es also kaum eine Alternative zum Auflösungsbeschluss, um die fünfzigjährige Geschichte des Albertus-Magnus-Kollegs von Königstein ohne Schulden und in Ehren beenden zu können. P. Norbert Schlegel konstatierte:„Die Feier des fünfzigjährigen Bestehens ist deshalb kein schlechter Anlass für diesen Beschluss“.281 Auch Pater Werenfried hatte sich bereiterklärt, für seine Anliegen den ihm aufgezeigten Weg zu gehen. Folgender Beschluss wurde zur Abstimmung gestellt und mit 13 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen: „Die am 15.11.1996 in Königstein/Ts., Bischof Kindermann-Straße 1, im Oberhaus, Hörsaal versammelten und aus beigefügter Anwesenheitsliste ersichtlichen 14 Mitglieder des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. fassen um 16.20 Uhr nachstehenden Beschluss: Die Versammlung wurde vom Vorsitzenden, Herrn Pater Norbert Schlegel, geleitet; Protokollant war Herr Prälat Wolfgang Müller, Neuzelle. Pater Schlegel hat die satzungsgemäße Einberufung und die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung festgestellt. Anwesend waren 14 Mitglieder des Vereins sowie Herr Weihbischof Pieschl, Limburg (nach § 6, Abs. 6 der Satzung). Die Stimmen wurden nach abgegebenen Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen gezählt.

281

Vgl. dazu Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, Protokoll der Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein vom 15. November 1996, S. 4.

Etappen der Entwicklung Königsteins

391

Beschluss-Text: Die Mitgliederversammlung beschließt die Auflösung des Vereins. Abgegebene Stimmen: 13/0/1 Die Mitgliederversammlung bestellt zu Liquidatoren: 1. Frau Birgitt Cohausz282… 2. Herrn Pater Norbert Schlegel … Herr Pater Schlegel erklärte in Anwesenheit der Mitglieder die Annahme seiner Wahl. Die Annahmeerklärung von Frau Cohausz ist schriftlich eingeholt worden. Frau Cohausz ist allein vertretungsbefugt. Pater Norbert Schlegel ist gesamt vertretungsbefugt zusammen mit Frau Cohausz. Die Liquidatoren erhalten den Auftrag, auch die vorhandenen Mitarbeiterverträge in sozialverträglicher Weise zu beenden, soweit nichts anderes geboten ist. Abgegebene Stimmen: 13/0/1. Das nach Abzug der Schulden einschließlich der Versorgungsverpflichtungen verbleibende Vereinsvermögen fällt an den bischöflichen Stuhl in Limburg, der es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und kirchliche Zwecke im Sinne der Satzung zu verwenden hat. Abgegebene Stimmen: 14/0/0.“283

16.1. Schritte der Auflösung Das Diözesanarchiv Limburg sichtete die Buch- und Aktenbestände im AlbertusMagnus-Kolleg Königstein im Januar 1997.284 Die Sichtung der Bibliothek kam zu dem Ergebnis, dass eine inhaltliche Erschließung anhand des vorliegenden Kataloges nicht möglich sei. Die Bibliothek verfüge über vor allem deutsche Literatur, vermutlich über 98 % aus dem 20. Jahrhundert und meist aus dem Bereich Theologie. Über alle Teilbereiche hin verstreut seien Bücher über Geschichte und Regionalkunde enthalten, auch Belletristik und Ratgeberliteratur, Streitschriften und Werke zu Ost- und Mitteleuropa und Politik, besonders aus der Zeit vor 1945. Die Bibliothek war nach Ansicht des Inspizienten Schwedt285 weniger durch eine gezielte Anschaffungspolitik zum seinerzeitigen Bestand gelangt, als vielmehr durch Spenden und Buchnachlässen von Geistlichen. Schwedt schätzte den Bestand auf einen Umfang von etwa 10.000 Bänden. Die Zeitschriften standen im sogenannten Hörsaal, der früher zu Unterrichtsund Lehrzwecken diente und in den letzten Jahren Königsteins wiederholt als Sitzungsraum benutzt wurde. Es waren Zeitschriften aus dem katholisch-theologischen Bereich vorhanden, von den „Stimmen der Zeit“ bis zu liturgiehistorischen Zeitschriften, in der Regel ab 1975 nicht mehr gebunden; gesammelt bis in die achtziger Jahre

282 283 284 285

Birgitt Cohausz, Justitiarin und Caritasdirektorin der Diözese Limburg. Vgl. dazu Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A13, Protokoll der Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein vom 15. November 1996, S. 5f. Der Leiter des Diözesanarchivs, Herr Schwedt, hat einen zehnseitigen Bericht erstellt. Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13. Herman H. Schwedt, Diözesanarchivar i.R., Limburg.

392

Abschnitt IV

hinein. Dazu kamen einige wenige Zeitschriften osteuropäischer Herkunft. Insgesamt ein Bestand von ca. 3.500 Bänden. „Der „Archiv“ genannte Raum befindet sich auf dem gleichen Flur und macht im Unterschied zu den bisher geschilderten Räumen (e. A. Bibliothek und Hörsaal) nicht einen „sauberen“, sondern einen ungepflegten Eindruck. An drei Wänden stehen Bücherregale aus Holz. Zudem gibt es ein Regal im Raum stehend in der Raumhälfte. In den Regalen befinden sich Bücher, Stehordner und Hefte. Außerdem befindet sich hier noch ein Bücherhaufen von ca. fünf lfd. Metern Umfang.“286 Schwedt schätzte, dass dort etwa 1.100 Bücher untergebracht waren. Im gleichen Archivraum befanden sich etwa 40 Stehordner, häufig Sammlungen von Fotos. Weitere Akten lagerten im Bischofszimmer, dazu liturgische Geräte, eine komplette Serie der „Acta Apostolicae Sedis“, ein Satz des hausinternen Digest sowie ein Schrank der Sammlung des päpstlichen Jahrbuches in ca. 15 bis 20 Ausgaben. Wahrscheinlich waren diese vor allem von Adolf Kindermann gesammelt worden, um die Bezeichnung der Diözesen in den Herkunftsgebieten der Vertriebenen mitzuverfolgen. Die Schriftgutbestände, die Archivalien, fanden sich zum einen in den Arbeitsräumen der Buchhaltung. Schwedt schätzte dort 400 Stehordner: „In dem Arbeitsraum der Buchhaltung (Frau Kämpf) ist ein sogenannter Aktenvernichter aufgestellt. In dessen Nähe sah ich zu vernichtendes Aktengut aufgestapelt. Nach meiner Schätzung der Inhalt von ca. 15 Stehordnern. Ich erfuhr, dass Akten vernichtet werden. Die sogenannten Aktendeckel waren bereits vernichtet. Ich empfahl Frau Kämpf vor einer Aktenvernichtung (Kassation) auf jeden Fall den Inhalt des kassierenden Materials (Beschriftung der Aktendeckel) festzuhalten. Eine der dringlichsten Aufgaben der Geschäftsführung ist: die jetzt praktizierte Aktenvernichtung sofort zu stoppen und nur nach der im Bistum Limburg genehmigten Form vorzugehen.“287 Mehrere Kartons mit Akten befanden sich im lange nicht mehr benutzten Büro des Vertriebenenbischofs. Schwedt schätzte 15 lfd. Meter plus etwa acht lfd. Meter in Kartons, die auf dem Boden standen: „Diesem Bericht über den Besuch in Königstein erlaube ich mir einige Empfehlungen anzuschließen. Ich halte es für absolut vordringlich, dass die Archivalien gesichert und fachgerecht verwaltet werden. Dies betrifft nicht nur das hochwichtige sogenannte Vertriebenenbischofsarchiv mit hochsensiblen Akten auch zu Personalfragen, sondern auch die eingesehenen Unterlagen des AMK. Es muss sofort veranlasst werden, dass Aktenvernichtung unterbleibt und eine Kassation nur nach den geltenden Richtlinien des Bistums erfolgt. Hinsichtlich der Buchbestände muss sofort ein Verwalter ernannt werden mit fachlichen Kompetenzen, da offenbar in der Vergangenheit von Seiten der Leitung Maßnahmen zur Umordnung, Einordnung und Bereinigung von Beständen durchgeführt wurden, die von bibliothekstechnischer Seite nur als kontraproduktiv und arbeitserschwerend zu beurteilen sind.“288

286 287 288

Vgl. dazu Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, S. 5. Vgl. dazu Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, S. 6f. Vgl. dazu Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/13, S. 10.

Etappen der Entwicklung Königsteins

393

Trotz des Liquidationsstatus wurden wichtige Aufgaben des Vereins auch 1997 fortgeführt: zunächst nach Möglichkeit die Beendigung der Arbeitsverhältnisse. So weit sie nicht aus Altersgründen gelöst werden konnten, wurden betriebsbedingte Kündigungen zum 30. September ausgesprochen. Die Mitarbeiter hatten ihre Arbeit bereits am 30. Juni 1997 eingestellt. Trotzdem gab es eine Jubiläumsausgabe der „Königsteiner Rufe“. Auch das „Königsteiner Jahrbuch“ und die „Acta Baltica“ erschienen noch. Ab dem 1. Juli 1997 hatte das gemeinnützige Siedlungswerk in Frankfurt die Verwaltung des Oberhauses und der übrigen Liegenschaften übernommen. Die Bibliothek der Philosophisch-Theologischen Hochschule wurde leihweise der Universität in Vilnius in Litauen überlassen. Die Liquidatoren führten zahlreiche Übernahmeverhandlungen zur Herausgeberschaft der „Acta Baltica“, die dann in den „Göttinger Arbeitskreis e.V.“ überging. „Die Kolleg-Kirche steht auf ausdrücklichen Wunsch des Vertriebenenbischofs und des Rechtsnachfolgers des e.V. auch weiterhin für die Vertriebenenseelsorge sowie für die Nutzung durch die Bischof-Neumann-Schule zur Verfügung. Die Veräußerung der übrigen Liegenschaften ist beabsichtigt, konnte bisher – auch in Folge der bestehenden unterschiedlichen Mietverhältnisse – noch nicht realisiert werden. Bis zum heutigen Zeitpunkt war eine umfangreiche Korrespondenz mit Freunden und Förderern, mit Geschäftspartnern sowie Behörden, Rechtsanwälten und Gerichten zu führen.“289 Der Verein hatte in der Jubiläumsveranstaltung am 15. November 1996 seine Auflösung beschlossen und damit das Ende von Königstein. Am 30. Juni 1997 stellte der AMK e.V. seine Betriebstätigkeit ein.

16.2. Der Widerstand Es gab zum Auflösungsbeschluss des AMK e.V. deutliche kritische Stimmen, hauptsächlich von Adolf Hampel und Rudolf Grulich.290 Beide beanstandeten den von ihnen so bezeichneten Ausverkauf Königsteins. Grulich hatte zunächst mit der Ostpriesterhilfe, dann mit dem Sudetendeutschen Priesterwerk zusammengearbeitet und 289 290

So eine Information der Liquidatorin Cohausz vom 26. August 1999 an die Mitglieder des AMK e.V. i. L., in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/18. Über deren Motive müsste noch weiter recherchiert werden. Welche Vorstellungen standen dahinter? Was wollten sie mit der Initiative Königstein angesichts der Finanzlage und angesichts der fortgeschrittenen Integration der Vertriebenen noch erreichen? Zur Vorbereitung des Verkaufs des Oberhauses, dessen Mieter nur schwer zum Auszug zu bewegen waren, führte der Vertriebenenbischof Anfang Mai 2001 ein Gespräch mit den Mietern. Schwierigkeiten bereitete nicht zuletzt Grulich mit dem Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien. Vgl. dazu einen Brief Grulichs an Pieschl vom 8. Mai 2001, in Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/14.

394

Abschnitt IV

wurde von Prälat Reiß seit 1982 gefördert und unterstützt, dann nach dessen Tod am 17. April 1985 von Pfarrer Berger und auch von dessen Nachfolger Pater Norbert Schlegel. Grulich initiierte unter der Ägide Bergers im Sudetendeutschen Priesterwerk den Kalender des Priesterwerkes, rief die Sudetendeutschen Schwesternkongresse ins Leben und brachte die Buchreihe für Kirche und Volksgruppe auf den Weg. Schwierig wurde Grulichs Kooperation mit Karl Kindermann, weil sich, so die Einschätzung Grulichs, Kindermann gegen Kroker nicht durchsetzen konnte. Dabei ist immer wieder festzustellen, dass Grulich den Initiator Königsteins, Weihbischof Kindermann, sehr verehrte. Im Schatten dieser Einschätzung bezeichnete er die Nachfolger Kindermanns nur mehr als Epigonen, die Königstein ruiniert hätten. Grulich übersah dabei wohl den Niedergang, der spätestens seit Mitte der sechziger Jahre einsetzte und der durch Kindermanns Verhalten in dessen letzten Jahren massiv beschleunigt worden war. Daneben überschätzte er eindeutig den aktuellen Wert der Bibliothek, die Kindermann aus Prag retten konnte. In seinem Schreiben an Pieschl vom 8. Mai 2001291 kritisierte Grulich auch die Vernichtung von Bibliothek und Archiv des Katholischen Instituts für Sozialforschung und Flüchtlingsfragen, ebenso die Zerstörung von Bibliothek und Korrespondenz von Weihbischof Ferche, die dieser Königstein vermacht hatte und die sich im ersten Stock im Zimmer 107 des Oberhauses befunden hatte. Das Gleiche sei mit der Bibliothek des Gefangenenseminars von Chartres geschehen. Sie sei als Altpapier verkauft worden. Ebenso seien beim Abriss des Hauses Werenfried die Dokumentation zu den Kapellenwagenmissionen mit Fotos, Tafeln und Plänen der jährlichen Aussendungen zerstört worden. Auseinandersetzungen gab es, nicht zuletzt mit Grulich, um die Lagerung und Deponierung der Königsteiner Archivalien bei der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn. Grulich hatte gehofft, dass der Vertriebenenbischof eine Dependance in den Räumen des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Königstein einrichten und halten werde, in denen dann auch die Bestände des Instituts für Kirchengeschichte von BöhmenMähren-Schlesien – nicht nur das Böhmen und Mähren Betreffende – gesammelt und archiviert werden könnte. Sie hätte – so Grulichs Wunsch – als Archiv für den Vertriebenenbischof und für die Königsteiner Institutionen dienen sollen, so dass zumindest ein dokumentarischer Rest im Königsteiner Areal hätte verbleiben können. In dieses Bemühen, einen solchen Rest in Königstein zu erhalten, bezog Grulich den Verein Denkmalpflege Königstein e.V. ein, dessen Vorsitzender Dr. Loch am 19. November 2006 einen Brief an den Limburger Bischof Franz Kamphaus richtete.292

291 292

Bischöfliches Ordinariat Limburg, 16A/14. Dr. Christoph Loch, Vorsitzender des Vereins Denkmalpflege Königstein an Bischof Kamphaus am 19. November 2006, 2 S. masch. mit Anlagen. Die Anlagen umfassen einen Entwurf und die Kurzfassung des Projektes „Bürgerstiftung Kindermann“ sowie den sehr emotional gehaltenen

Etappen der Entwicklung Königsteins

395

Der Verein für Denkmalpflege wollte das Andenken an die großen Königsteiner Kaller, Kindermann und Werenfried van Straaten wach halten und das Geschichtsbewusstsein in der Stadt für die Arbeit der Königsteiner Vertriebenenseelsorge wecken.293 Er verwies auf die zukunftweisende Architektur des Kirchenbauers Hans Busch294, der das Haus der Begegnung entworfen hatte, auf die zahllosen Veranstaltungen und Kongresse, die dort stattgefunden hatten, und schloss, dass diese Architektur deswegen zu erhalten sei. Dr. Loch formulierte in diesem Schreiben: „All das ist nicht mehr, bis auf die ‚Kirche in Not’ und ein Institut sowie die Kollegkirche ist alles aufgelöst, aufgelassen, verkauft. Die Bauten stehen noch, sind aber entleert oder sprechen eine andere Sprache. ‚Hardtberger Gärten’ heißen die Eigentumswohnungen, die im Oberhaus der früheren Philosophisch-Theologischen Hochschule zum Verkauf angeboten sind. Die Annaberg-Wallfahrt und die Ermländer-Wallfahrer und Besucher suchen verstört nach ihnen Vertrautem.“295 Letztlich ging es vor allem um den Erhalt des Offiziershauses der früheren Kaserne, des sogenannten Kaller-Hauses, das der Vorsitzende des Denkmalvereins fälschlicherweise als Wohnung und Büro Kallers bezeichnete. Jener hatte es jedoch nie bezogen. In diesem Gebäude hatte auch das Institut für Kirchengeschichte von Böhmen, Mähren und Schlesien mit seiner Bibliothek und dem Archiv seinen Sitz. Über dieses Objekt war bereits ein Kaufvertrag mit der Stadt Königstein geschlossen worden. Der Bischof sollte seinen Einfluss geltend machen, um den Kaufvertrag für dieses Haus rückgängig zu machen. Es sollte eine Bürgerstiftung gegründet werden unter dem Namen „Kindermann-Stiftung“, das „Kaller-Haus“, das Haus der Begegnung und die Kollegskirche sollten unter Denkmalschutz gestellt und in ihrer gegenwärtigen Gestalt erhalten, saniert und genutzt werden.296

293

294 295 296

Rückblick ‚Königstein einst und jetzt‘ aus der Feder von Rudolf Grulich, der vier Seiten masch. umfasst. Bischöfliches Ordinariat Limburg, Registratur, 413 AV 18. Zu Kamphaus vgl. Franz Kamphaus, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 321f. „Wir, der Denkmalverein, arbeiten daran, im Sinne der Weckung verschlafenen Geschichtsbewusstseins in der Stadt, das Andenken dieser drei größten Königsteiner, die die Stadt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weit über die Grenzen des Landes, vor allem in Osteuropa, bekannt gemacht haben, zu erhalten und erbitten hierzu Ihre Hilfe.“ (Bischöfliches Ordinariat Limburg, Registratur, 413 AV 18, S. 1). Hans Busch, geb. am 22. 10.1911, gest. am 25.12.1990. Bischöfliches Ordinariat Limburg, Registratur, 413 AV 18, S. 1. „Zwei Schritte sind Voraussetzung: Die Diözese, also Sie, hoch verehrter Herr Bischof Kamphaus, vollziehen nicht den geschlossenen Vertrag mit der Stadt Königstein (oder Sie lassen ihn rückabwickeln), sondern bringen das „Kaller-Haus“ als Zustiftung in die „KindermannStiftung“ ein. Gleichzeitig werden Sie oder ein von Ihnen zu benennender Vertreter der Diözese Limburg „geborenes Mitglied“ im Stiftungskuratorium, dem höchsten Gremium in der Organisation der Stiftung. Im Gegenzug tritt auch die Stadt Königstein in die Stiftung ein, indem sie den ausgehandelten Kaufpreis als Zustiftung ebenso in die „Kindermann-Stiftung“ einbringt, wie die Diözese das Gebäude. Bürgermeister Helm steht hinter diesem Projekt und ist mit dem Vorgehen grundsätzlich einverstanden. Auch die Stadt Königstein erhält dafür eine „geborene

396

Abschnitt IV

Der Zweck, der mit der ‚Bürgerstiftung Kindermann’ verfolgt wurde, war die denkmalgerechte Gestaltung und Verwendung der verbliebenen Gebäude der ehemaligen Königsteiner Anstalten. Damit sollte das Andenken an die großen Initiatoren in Königstein gewahrt und deren Werk gewürdigt werden. Wie wurde die Öffentlichkeit, wie wurden die Spender über die Auflösung informiert? Grulich wies in vielen seiner Beiträge in den ‚Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes’, immer wieder auf den mit der großen Geschichte Königsteins verbundenen aktuellen und zukünftigen Auftrag hin und wollte damit letztlich die Unmöglichkeit, Königstein aufzugeben, unterstreichen. Er reihte sich mit diesen Artikeln ein in die traditionelle Art der Beiträge in den Königsteiner Periodika, von den ‚Königsteiner Rufen’ bis zu den ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester’, die letztlich dazu dienten, das Wohlwollen und die Spendenfreudigkeit der sogenannten Gönner und Wohltäter, vor allem der mit Königstein verbundenen Vertriebenen, zu evozieren bzw. zu pflegen. Insofern sind diese Artikel immer getragen von Euphemie, primär würdigend, nicht analysierend, untersuchend oder in Frage stellend. Sie sind vielmehr monumentalistisch bis hagiographisch, getragen von einem Pathos mit missionarischer Botschaft. Kein Wunder, dass da kein Raum bleibt für Schwierigkeiten oder unterschiedliche Meinungen, die bzgl. der Konzepte möglich sind, geschweige denn überhaupt für konzeptuelle Überlegungen. Die Informationspolitik in den Königsteiner Publikationen muss im Hinblick auf die Schwierigkeiten und das notwendige Ende als zurückhaltend bezeichnet werden. Dieser Eindruck drängt sich sowohl beim Verkauf des Hauses der Begegnung als auch beim Umzug des Sudetendeutschen Priesterwerkes nach Brannenburg auf. Als der Visitator für die Sudetendeutschen seinen Sitz nach Brannenburg verlegte, wurde das in den ‚Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes’ angekündigt, ohne den Hintergrund an Schwierigkeiten, die zu diesem Schritt geführt hatten, weiter auszuleuchten. Die Spannungen und starken Meinungsunterschiede bzgl. der Zukunft Königsteins werden allenfalls in dem Bericht über die Entscheidung des Vereins des Institutes für Kirchengeschichte, Böhmen, Mähren und Schlesien über dessen Verlegung nicht nach München oder Brannenburg, wie zunächst gedacht, sondern nach Nidda, greifbar. Der Eindruck bleibt, dass mancher Schritt zu spät getan wurde, weil eine kritische Begleitung, wie sie allenfalls noch ein Josef Rabas hätte leisten können, fehlte. Man war am Ende sowohl in Bezug auf die Hochschule wie auch mit Bezug auf das Haus der Begegnung und den Gesamtkomplex mehr Getriebener denn mit einem klaren Zukunftskonzept Handelnder.

Mitgliedschaft“ im Stiftungskuratorium.“ (Bischöfliches Ordinariat Limburg, Registratur, 413 AV 18, Brief S. 2).

ABSCHNITT V: PRIESTERAUSBILDUNG

1.

Hochschule und Priesterseminar

„Am 28. April 1949 wurde die Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein eröffnet. Früh um 9 Uhr zelebrierte der H.H. Kapitelsvikar der Diözese Limburg, Prälat Dr. Rauch, das feierliche Hochamt in der Pfarrkirche zu Königstein, als Ordinarius loci und zugleich als Inhaber der päpstlichen Vollmachten über die Flüchtlingspriester.“1 So schnörkellos begann der Rektor der Hochschule als Chronist die Aufzeichnungen über die wichtigsten Ereignisse dieser Hochschule. Erich Kleineidam, der in Erfurt erneut federführend an der Gründung eines philosophisch-theologischen Studiums beteiligt sein sollte, hatte ohne Zweifel Interesse an der Fixierung historischer Ereignisse im Wissenschaftsbetrieb. Am deutlichsten trat dies in seiner Geschichte der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau zu Tage, die er zu deren 950-jährigem Jubiläum schrieb.2 Die vorliegende handschriftliche Chronik der Hochschule mit einem Umfang von 171 zumeist handgeschriebenen Seiten hat bis Seite 44 Kleineidam verfasst, die ersten 20 Seiten in chronologischer Reihenfolge; fast täglich trug er die Ereignisse in Königstein, die die Hochschule betrafen penibel ein, dann mit einem rückblickenden Einschub auf den Philosophischen Kurs in Königstein von 1947 bis 1949. Die Rektoren sahen es nach dem Weggang Kleineidams nach Erfurt als ihre Aufgabe an, die Chronik weiterzuführen, wobei keiner der Nachfolger an die abwägende Sorgfalt Kleineidams heranreichte. Ab 1963 wurde die Chronik von Elisabeth Herbrich, die später auch einen Lehrauftrag für praktische Psychologie an der Hochschule erhielt3, geführt, d.h. Herbrich hat vermutlich die Chronik für die Jahre seit 1963 nach der Sistierung des Lehrbetriebs der Hochschule in den Jahren 1979 bis 1981 auf der Grundlage der Protokollbücher, der Signa, also der Studentenzeitungen, und der Vorlesungsverzeichnisse geschrieben.

1 2 3

Chronik der Hochschule, S.1. Erich KLEINEIDAM, Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau 1811 – 1945. Köln 1961. Die Initiative ging von Studierenden und von Kindermann aus. Herbrich war seit dem Wintersemester 1970/71 Mitglied des Lehrkörpers. Chronik der Hochschule, S. 145. Seit Anfang Dezember 1966 unterrichtete Herbrich an der Bischof-Neumann-Schule und arbeitete für Kindermann (Sichtung und Ordnung seiner Privatbibliothek und Ausarbeitung wissenschaftlicher Vorträge gab sie als Chronistin in der Hochschulchronik (S. 146) an). Herbrich war zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Vergleichende Erziehungswissenschaft in Salzburg gewesen.

398

Abschnitt V

Als Kapitelsvikar Rauch4 am 28. April 1949 den Eröffnungsgottesdienst zelebrierte hatte Königstein als theologischer Studienort bereits eine zwar kurze aber bewegte Vorgeschichte.

1.1.

Das Oberhaus wird für Hochschule und Seminar vorbereitet

Maßgeblichen Anteil an der Erarbeitung einer ersten Konzeption der Arbeit in Königstein hatte der vormalige Breslauer Regens Paul Ramatschi. Zum einen unterbreitete er Kaller einen Vorschlag für die Verwaltung des Konviktes, zum andern erarbeitete er zusammen mit Krzoska ein Konzept für das philosophisch-theologische Studium, die Lehrstühle in diesem Studium und für die entsprechenden Raumerfordernisse.5 Beide Konzepte unterstrichen, dass auf Dauer die Hilfsstelle und das Seminar nicht im gleichen Gebäude untergebracht sein könnten. Als Argument wurde angeführt, dass die zum Studium und zum asketischen Leben nötige Stille damit nicht gewährleistet sei. Vermutlich wünschten Ramatschi und Krzoska die räumliche Trennung auch wegen einer klaren Aufgabenverteilung zwischen der Leitung der Kirchlichen Hilfsstelle und der Leitung des Seminars. Gleichzeitig wiesen sie Kaller auf dringende Fragen hin: Zum einen verlangten sie, dass der volle Unterrichtsbetrieb unbedingt nach Weihnachten (Hier muss wohl 1946 gemeint gewesen sein.) einsetzen solle. Es müsse kontinuierlich unterrichtet werden, da die Schüler sonst befürchteten, ihr erstrebtes Ziel, nämlich die Hochschulreife, nicht erreichen zu können. Die Schüler drängten darauf, dass Lehrkräfte berufen würden, die nicht dem Entnazifizierungsgesetz unterlagen, weil das nicht zuletzt dem Charakter des Hauses besser entspräche. „Die Schickschüler wünschen ferner eine klare Trennung des Unterrichtes in eine gymnasiale und eine reale Form. Sie beklagen sich, dass durch zuviel Arbeitseinsatz, mitunter auch durch zu ungeregelten Arbeitseinsatz, der Unterricht und Studienbetrieb gestört würde.“6 Während die Bischöfe die Oberschule bevorzugten und unter keinen Umständen aufgeben wollten, setzte das Leitungspersonal in Königstein mit der Favorisierung von Hochschule und Seminar andere Schwerpunkte Wie bereits ausgeführt dürfte ein Grund für die Spannungen die unterschiedliche Schwerpunktsetzung zwischen Schule und Seminar gewesen sein. Nachdem Anfang Dezember 1947 die Leitung in Königstein an Kindermann übergegangen war, unternahm dieser in Kooperation mit den anderen Professoren und dem Regens des Priesterseminars einen Vorstoß bei der westdeutschen Bischofskonferenz mit dem Ziel,

4

5 6

Jakob Rauch (1881 – 1956), von 1947 bis 1951 Generalvikar im Bistum Limburg. Vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 325 – Konrad FUCHS, Rauch, Jakob. In: BBKL, Band 20 (2002), Sp. 1200-1202. Vgl. im Anhang die Dokumente 10 bis 12. Zu Ramatschi vgl. Nachweise zu den Dozenten auf S. 453. AEM, Bestand Kaller, Königstein, Vorschläge Ramatschi.

Priesterausbildung

399

das theologische Studium in Königstein, das zunächst auf vier Semester begrenzt worden war, fortzuführen. Am 28. Januar 1948 richtete Kindermann einen entsprechenden Brief an Kardinal Frings in Köln, um das drohende Ende des Königsteiner theologischen Studiums im Sommer 1948 abzuwenden. Er führte zehn Gründe an, die für die Fortführung eines eigenen Priesterseminars mit theologischer Hochschule in Königstein sprachen. An die erste Stelle setzte Kindermann die Erinnerung an die drei theologischen Fakultäten im Osten7 und an vier Priesterseminare mit vielen hunderten Theologen, die durch den Ausgang des Krieges verloren gegangen waren. Der zweite Grund war in seinen Augen die offene Situation der Vertriebenen zu Beginn des Jahres 1948: Es war noch keine politische Entscheidung getroffen über das Schicksal der elf Mio. Heimatvertriebenen aus dem Osten, von denen etwa die Hälfte katholisch waren; das bedeutete für Kindermann, dass man für alle Eventualitäten, auch für die Rückkehr in die angestammte Heimat, Vorsorge treffen musste. Als dritten Grund führte er an, dass die 2.500 heimatvertriebenen Priester in Königstein ein Stück ihrer Heimat, die Fortsetzung alter Traditionen, die Bewahrung der alten Heimat, Kultur sahen. Sie würden es nicht verstehen, wenn der Nachwuchs einen anderen Weg gehen, sprich: sich in die Aufnahmediözesen integrieren müsste. Viertens verwies er auf den Nachholbedarf im Hinblick auf die ungeheure Priesternot, die die Verluste der Kriegs- und Nachkriegszeit hervorgerufen hatten. Diese Lücken könnten nicht in wenigen Jahren gefüllt werden. „Nach den bisherigen Erfahrungen musste festgestellt werden, dass uns Berufe, die wir in Königstein abweisen mussten, anscheinend verloren gingen.“8 Als fünften Grund fügte Kindermann die notwendige Diasporasensibilität der angehenden Theologen an. In die Diaspora kamen die meisten Katholiken. Für die Seelsorge unter diesen Bedingungen müssten die Theologen vorbereitet werden. Die Ausrichtung auf diese Arbeit unter den Heimatvertriebenen sei in einem Priesterseminar für Heimatvertriebene aus dem Osten zu erreichen. Er plädierte unter Punkt sechs für die räumliche und geistige Verbindung von Priesterseminar und Konvikt in Königstein, die eine starke Förderung der Priesterberufe unter den Gymnasiasten befördere. Von staatlicher Seite würde die Errichtung einer eigenen theologischen Hochschule in Königstein keinen Schwierigkeiten begegnen – so das siebte Argument Kindermanns. Daher spräche auch nichts dagegen, sie zu errichten.

7

8

Zu deren unmittelbarer Vorgeschichte vgl. Dominik BURKARD / Wolfgang WEIß (Hg.), Katholische Theologie im Nationalsozialismus. Band 1 und 2, Institutionen und Strukturen. Würzburg 2011, dort v.a. die Beiträge von Jaroslav ŠEBEK zu den theologischen Ausbildungsstätten in Prag, Olmütz und Leitmeritz, Dominik BURKARD über Braunsberg und Rainer BENDEL über Breslau. Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, Schreiben Kindermanns und des Professorenkollegiums Königstein vom 28. Januar 1948 an Josef Kardinal Frings von Köln.

400

Abschnitt V

Schließlich sei am Ende des Theologiestudiums leichter zu entscheiden, welche Fähigkeiten die Theologen mitbrächten, um in der Diaspora eingesetzt werden zu können, als etwa am Anfang des Hochschulstudiums. Unter Punkt neun führte Kindermann an, dass durch die Aufsicht des Bischofs von Limburg die nötige Garantie über den inneren Geist der Aufgenommenen bestehe, also auch in dieser Hinsicht kein Misstrauen angebracht sei. Schließlich vermutete Kindermann, dass das Priesterseminar in Neuzelle, das durch die Fuldaer Bischofskonferenz 1947 beschlossen worden war, auf Dauer gefährdet sein könne, wenn es nicht den nötigen Nachwuchs aus Königstein erhalte. Diese Aspekte brachten das Professorenkollegium Königsteins, der Spiritual, der Subregens und der Präfekt vor, also Kindermann, Kleineidam, Ramatschi, Borchert, Puzik, Krzoska und als Präfekt Janko. Die Initiativen Kindermanns bei Kardinal Frings, dem Hohen Protektor für das Flüchtlingswesen, hatten Erfolg. Während die Bischofskonferenz 1947 beschlossen hatte, das Albertus-Magnus-Kolleg auf das Gymnasialkonvikt zu beschränken und das große Seminar, sprich das Konvikt für die Theologiestudenten abzubauen, wollte Frings 1948 dem Wunsch Kindermanns, der Königsteiner Professoren und auch der ostvertriebenen Priester, die auf der Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorger in Königstein am 24. Februar eine entsprechende Resolution verabschiedet hatten, nachgeben – auch eine Anfrage an den Episkopat ergab die Zustimmung der meisten Ordinarien: Es sollte wenigstens der philosophische Kurs in Königstein ermöglicht werden; damit wollte man dem Wunsch der heimatvertriebenen Priester zumindest teilweise entgegenkommen. Allerdings müsste dafür die Aufnahme der Königsteiner Theologiestudenten als Gasthörer an anderen theologischen Hochschulen Deutschlands zur Vollendung ihres Theologiestudiums ermöglicht werden. Gleichzeitig wurde warnend auf die finanzielle Lage Königsteins verwiesen, die so schwierig sei, dass jeder weitere Ausbau im Augenblick unmöglich erscheine. Es müsse vielmehr überlegt werden, ob es nicht besser sei, die philosophischen Semester in das Gaststudium an anderen Seminaren einzubauen. Für die Zulassung des philosophischen Studiums in Königstein aber spreche, dass die wenigen Dozenten für diese Arbeit schon in Königstein vorhanden seien und die Kosten nicht zu hoch erschienen. Deutlich sah man auch noch das Ringen um die eigentliche Ausrichtung und damit die Konkretisierung der Aufgabe Königsteins in dieser Phase. Der Charakter des Diasporaseminars müsse noch stärker unterstrichen, so die Forderung, nicht ein exklusives Ostseminar angestrebt werden. „Wichtig erscheint mir das Zusammenwirken von Priestern aus Ost und West und auch von Studienräten von Ost und West in den Königsteiner Anstalten, damit der ganzen Realität des späteren Einsatzes dieser Theologen Rechnung getragen wird und nicht durch eine zu einseitige heimwehbetonte Atmosphäre die zukünftigen Priester verbogen werden.“9

9

Zweiseitiges Votum bzgl. Albertus-Magnus-Kolleg Königstein, nicht gezeichnet, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, Zitat S. 2.

Priesterausbildung

401

Sollte die Hochschule die staatliche Anerkennung erlangen, dann wurde die Eröffnungsfeier für den 5. Mai bzw. den 28. April 1948 in Aussicht genommen. Wie sehr die Eröffnung der Philosophisch-Theologischen Hochschule am 28. April 1948 bis zuletzt auf des Messers Schneide stand, zeigt eine Notiz von Professor Janko aus dem Jahre 1980. Dort versuchte der langjährige Professor für das Alte Testament eine Erklärung für die Verzögerung der Eröffnung von über einer Stunde zu geben: Der Kölner Kardinal, der Kapitelsvikar von Limburg, Kindermann und Kleineidam hatten sich vor der Eröffnung zu einer Beratung zurückgezogen. Grund waren offensichtlich Bedenken des Kardinals, ob der Limburger Kapitelsvikar überhaupt eine Philosophisch-Theologische Hochschule gründen konnte – eine genuin bischöfliche Aufgabe. Wie die Argumentation in diesem kleinen Kreis verlief, ist nicht bekannt, das wusste auch Janko nicht zu berichten, wohl aber unterstrich er, dass Kleineidam sich geweigert habe, darüber Näheres auszusagen und Kindermann so argumentiert habe: der verunglückte Limburger Bischof Dirichs wollte die Gründung. Er habe auch die fast einmütige Zustimmung der deutschen Bischöfe zur Errichtung gehabt, so dass der Kapitelsvikar nichts anderes getan habe, als den Willen des verunglückten Bischofs zu vollziehen.

1.2.

Unsicherheit der Rechtslage

Bereits am 1. Oktober 1947 sollte eine neue Rechtspersönlichkeit errichtet sein, welche die Trägerschaft der Institute in Königstein übernehmen würde. Bis zur Errichtung dieser Rechtspersönlichkeit musste die Kirchliche Hilfsstelle die Trägerschaft weiterhin leisten. Für die Verwaltung wurde eine Kommission bestimmt. Eine längere Fortdauer dieser provisorischen Regelung würde nicht nur zu immer neuen Schwierigkeiten in der Regelung der laufenden Angelegenheiten führen, sondern auch aufs Lange betrachtet die Gesamtentwicklung des Institutes hemmen, wenn nicht sogar gefährden. Es wurde als ein auf Dauer nicht tragbarer Zustand gesehen, dass rechtlich die Kirchliche Hilfsstelle und ihr Leiter alle Verantwortung trugen, z.B. den Ministerien gegenüber, andererseits aber ihre Kompetenzen in der Verwaltung ungeklärt und gehemmt blieben. Mit Bischof Kaller war vereinbart worden, dass ab 1. Mai 1947 die Kirchliche Hilfsstelle für Königstein keine Geldmittel mehr aufzuwenden brauche. „In der Anlage überreiche ich eine Aufstellung der Aufwendungen und Einnahmen vom 1. Mai bis 31. Oktober 1947. Daraus ist ersichtlich, dass bis zum 31. Oktober die Kirchliche Hilfsstelle bereits wieder einen Betrag von fast RM 60.000 zur Verfügung stellen musste, der sich bis Ende des Jahres um schätzungsweise weitere RM 80.000 erhöhen wird. Es müsste dafür gesorgt werden, dass die für Königstein vorgesehenen Mittel nun tatsächlich auch greifbar werden. Für schnellsten Eingang von Mitteln, von den

402

Abschnitt V

in Aussicht gestellten Beträgen (Zuschuss der Bischofskonferenz, Zuschuss der Missionswerke in Aachen usw.) müsste dringend gesorgt werden.“10 Dieses Schreiben Büttners war der Auslöser für die Konferenz in Köln-Hohenlind am 4. Dezember 1947, bei der die Leitung Königsteins an Kindermann übertragen wurde und ein eigener Verein als Träger der Anstalten ins Leben gerufen wurde. Dieser e.V. wurde am 13. Februar 1948 vom Hessischen Ministerium genehmigt. Am 17. Februar 1948 wurde der Verein beim Amtsgericht Königstein eingetragen. Ausdrücklich wurde in der Frage der Rechtsnachfolge des e.V. gegenüber der Kirchlichen Hilfsstelle, besonders im Hinblick auf die Anstellungsbedingungen und Verträge der Lehrer im Gymnasium und Realgymnasium, festgehalten – darauf legte Kindermann großen Wert –, dass der e.V. nicht Rechtsnachfolger der Kirchlichen Hilfsstelle sei. Damit konnte eine Zusage Büttners, dass die Studienräte wie Lehrer an höheren Schulen in Hessen besoldet würden, ausgehebelt werden. Kindermann begründete das Vorgehen mit notwendigen scharfen Sparmaßnahmen, weil Königstein von Spenden lebte und damit den Spendern verpflichtet sei. Nach der offiziellen Eröffnung der Hochschule wurden 81 Theologen von Frankfurt St. Georgen, Abteilung Königstein, in die neue Hochschule immatrikuliert, 22 wurden neu aufgenommen.11 Mit Stolz blickte Kindermann im Jahresbericht 1949 auf den 28 April zurück, als die Philosophisch-Theologische Hochschule errichtet wurde. Damit sei ein gewisser Abschluss in der inneren Entwicklung Königsteins erreicht. Die Hörerzahl war bereits auf 160 Theologen angewachsen. Kindermann erwartete für die bevorstehende Zeit einen erheblichen Anstieg der Studentenzahlen. Es konnten ein Spiritual, ein Professor für Moraltheologie, ein Professor für Neues Testament und ein Professor für Dogmatik neu angestellt werden. Am 17. Januar 1950 wurde das Studentenwerk Albert-Magnus-Kolleg Königstein gegründet. Bereits im ersten Jahr wurde umfangreich um- und ausgebaut: Im Oberhaus wurden im dritten Stockwerk acht Zimmer für Professoren vorbereitet, weitere acht Zimmer standen mit Ende des Jahres 1949 im Rohbau fertig und sollten ab Ostern von den Theologen der oberen Semester bezogen werden. Im zweiten Stock des Oberhauses wurde die große Aula ausgebaut, die Bibliothek wurde in einen größeren Raum verlegt. Sie hatte zu dem Zeitpunkt etwa 15.000 Bände. Regale wurden zusätzlich angeschafft. Die Küche wurde ausgebaut, um einen Spülraum und um einen Essraum für das Küchenpersonal ergänzt, die Kapelle der Theologen wurde erweitert und eine neue Sakristei geschaffen. Im Unterhaus wurden eine Wäscherei und ein Bügelzimmer eingerichtet, im Erdgeschoß ein Musikzimmer, eine Bastelstube und ein Gruppenzimmer.

10 11

Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, Brief Büttners vom 20. November 1947 an Kardinal Frings in Köln, vier S. masch., Zitat S. 3f. Chronik Hochschule, S. 2. – Die Mitteilungen des Hessischen Staatsministeriums für Kultus und Unterricht zur Errichtung der Hochschule und zur Anerkennung der Prüfungen finden sich im Anhang als Dokumente Nr. 14 und 15.

Priesterausbildung

403

„Die Krönung der Bautätigkeit bedeutet wohl der Ausbau der früheren Sporthalle zur Notkirche. Mit dem Ausbau wurde das Albertus-Magnus-Kolleg nicht belastet, da die Mittel, wie die Abrechnung zeigt, aus einigen privaten Spenden für diesen Zweck flossen.“12

1.3.

Die personelle Situation

Die Hochschule erlebte in diesen ersten Jahren einen Boom, wenn es auch schwierig war, die Lehrstühle mit geeigneten Professoren zu besetzen. „Regens Dr. Kleineidam berichtet über Fragen der Hochschule. Die Besetzung der Lehrstühle macht, wie auch an den Universitäten, außerordentliche Schwierigkeiten. Noch zu besetzen sind der Lehrstuhl für Dogmatik und Pastoraltheologie. Die Kombination des Amtes des Rektors, Regens und Philosophieprofessors erscheint schwer verantwortbar bei der ständig steigenden Zahl der Theologen. Diese beträgt heute 160 aus 14 verschiedenen Diözesen; den größten Anteil stellen die Breslauer Theologen mit 91; die sechs sudetendeutschen Diözesen haben zusammen 27 Theologen; die Diözese Ermland 20 Theologen. Zu Ostern können außer den 15 Theologen, die von den Universitäten zurückkehren, noch etwa 20 erste Semester aufgenommen werden, dann aber ist der Raum erschöpft.“13 Nach dem Einschnitt der Währungsreform, nach der tiefen Zäsur, die der plötzliche Tod von Bischof Kaller und dann auch von Bischof Dirichs von Limburg bedeutet hatten und nach der Loslösung von der Gründergestalt Büttner war eine erste Konsolidierung gelungen. Die Phase der unklaren Zuständigkeiten war dahingehend überwunden, dass sich letztlich alles auf Kindermann fokussierte und er sich dann auch später als der Vater des Vaterhauses der Vertriebenen in Königstein stilisieren konnte. Es begann eine erste Phase der Beruhigung, gezeichnet freilich nach wie vor von der Unsicherheit, die der zupackende Unternehmer Kindermann im Pachtvertrag begründete: Er wollte möglichst schnell das Eigentum an den Anstalten und am Grundbesitz erwerben, um die jährlichen Pachtausgaben zu vermeiden, aber auch, um Herr im eigenen Hause sein zu können. Kleineidam berichtete als Chronist von den ersten ‚ruhigen Wochen’; die Erschütterung kam freilich bald in der Form eines Briefes aus Görlitz: Kapitelsvikar Piontek wollte in Neuzelle ein Priesterseminar in der Tradition des Breslauer Albertinum errichten und berief dafür Ramatschi und Puzik in den Osten.14 Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten blieben im finanziellen Bereich. Trotz hoher Spendenaufkommen der Vertriebenen war die Finanzlage Königsteins stets sehr angespannt. Teils konnten die Gehälter nicht rechtzeitig bezahlt werden. Die Professoren mussten auf einen Teil des Gehaltes verzichten. Vor allem die Regelung der

12 13 14

KZG Bonn. RKA D XI.6, Bericht Kindermanns für 1949, 2 S. masch., Zitat S. 1. Kindermanns Bericht, S. 3. Chronik der Hochschule, S. 24.

404

Abschnitt V

Altersversorgung, nicht zuletzt der Lehrer des Gymnasiums, zog sich mitunter über Jahre hin. Eine Beruhigung war im Jahr 1949 auch im Hinblick auf die Rechtslage der Hochschule eingetreten. Das Land brauchte keine besondere Anerkennung mehr auszusprechen, sondern musste die Errichtung der kirchlichen philosophischen Hochschule zur Kenntnis nehmen. Das hatte es getan, damit war die staatliche Zustimmung gegeben. Das Aufsichtsrecht über den kirchlichen Träger des Kollegs lag beim Bischof des Territoriums, also beim Bischof von Limburg. Träger der Einrichtung war ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder fast ausschließlich kirchliche Amtsträger waren. Zu diesem Verein gehörten die Ostordinarien von Breslau, Schneidemühl und Glatz, der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenzen, der Bischof von Limburg und als persönliche Mitglieder die beiden Gründergestalten Büttner und Kindermann.

Priesterausbildung

2.

2.1.

405

Das Priesterseminar

Intention und Gründung

Vorarbeiten für ein Priesterseminar in Königstein gab es seit dem Herbst 1946. Bischof Kaller wollte dort die ostvertriebenen Theologen, die aus Vertreibung oder Kriegsgefangenschaft zurückkehrten und ihr Studium wieder aufnehmen wollten, zusammenführen. Konkretisiert werden sollte die Arbeit durch einen Seminarrat, der berufen wurde. Dieser Seminarrat aber fasste im Februar 1947 den Beschluss, lediglich einen Philosophischen Lehrgang für die ersten Semester in Königstein zuzulassen und einzurichten. Diese Meinung mag begründet gewesen sein durch finanzielle Überlegungen, sicher aber auch durch die Sorge, parallele Strukturen zu schaffen. Die Erwägung, dass auch die Osttheologen im Seminar der Diözese ausgebildet werden sollten, wo sie später einmal tätig sein würden, schob sich deutlich in den Vordergrund. In diesem Bemühen sah Kindermann die größte Gefährdung für den Plan Königsteins, so wie er ihn bei Kaller vermutete und wie er ihn selber entwickelt hatte. Kindermann war darüber hinaus der Überzeugung, den Heiligen Vater als Kronzeugen für sein Konzept anführen zu können: „Nach dem Schreiben seiner Heiligkeit vom 6. Mai 1946 sollte ein Priesterseminar und ein Konvikt eröffnet werden „wo deutsche Flüchtlinge aus dem Osten und Südosten, nämlich die zahlreichen Theologiestudenten und jene Mittelschüler, die begründete Anzeichen für einen späteren Priesterberuf geben, in einer ihren Sonderbedürfnissen entsprechenden Umwelt gesammelt werden können, um nach den erduldeten Leiden sich zu erholen, ihre durch Kriegsereignisse unterbrochene Ausbildung wieder aufzunehmen und so in Studium und Gebet sich vorzubereiten auf das schwere Apostolat, das ihrer wartet.“ Beide in diesen Worten gekennzeichnete Aufgaben können durch die jetzige Form in Königstein nicht erfüllt werden, sind aber erst recht nicht in den anderen Seminaren zu erreichen.“15 Man hielt es für ein starkes Votum des Heiligen Vaters, für die besondere seelische Situation der Ostvertriebenen eine geeignete Erziehungs- und Ausbildungsform zu schaffen. Die Königsteiner Theologen, allen voran Kindermann, erinnerten an die Gefahr, in der die vertriebenen Weltpriester und Theologen sich befanden, vor allem diejenigen aus dem Südosten und aus dem Sudetenland, die de facto in keiner heimatlichen Diözese mehr eingewurzelt waren. Dieses Entwurzelt- und Herausgerissensein aus einer festen Ordnung spürten aber die Priesteramtskandidaten noch stärker. Sie hatten nicht nur die äußere Armut, die Sorge um Verwandte, die bedrückende Erinne15

Dreiseitiges Papier für die Fuldaer Bischofskonferenz 1947 über das Priesterseminar in Königstein, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3089. Das Zitat aus den einführenden Überlegungen S. 1.

406

Abschnitt V

rung an die Erlebnisse der Vertreibung zu tragen, sondern auch die innere Heimatlosigkeit. „Das Zusammensein mit alteingesessenen Theologen, die die Aussicht haben, bald in die geordnete Seelsorge ihrer Heimat eingegliedert zu werden, lässt die heimatlosen und faktisch auch diözesanlosen Theologen trotz allen Entgegenkommens der Hausleitung umso deutlicher Heimatlosigkeit und Fremdheit empfinden.“16 Der psychologische, subjektive Aspekt, der als Argument zur Gründung eines eigenständigen Priesterseminars und einer theologischen Bildungsanstalt in Königstein eingesetzt wurde, wurde ergänzt durch einen politischen Gedanken, der aus Kindermanns Haltung des von ihm so genannten passiven Widerstandes erwuchs: Die Kirche dürfe sich nicht dem Verdacht aussetzen, durch eine kirchliche Vorentscheidung die politischen Gewaltmaßnahmen zu begünstigen. Die faktische Integration der Theologen in die bestehenden Priesterseminare der Diözesen wurde also gleichsam als Zustimmung zum Faktum der Vertreibung gedeutet. Kindermann hingegen war es wichtig, dass noch keine endgültige Regelung getroffen wurde, ja sogar einen Titulus Missarum, einen neuen Weihetitel, hatte man für eine Übergangszeit geschaffen. Man hatte den clericus vagus, den man immer vermeiden wollte in der Geschichte der Kirche, als ein gefährliches Provisorium zugelassen, umso mehr aber müsse man Sorge tragen, dass dieser clericus vagus nicht auch zu einer inneren Haltung werde. Um dieser Gefahr vorzubeugen, bedürfe es eines eigenen Priesterseminars, das den heimatlosen Theologen geistige Heimat geben könne, in dem sie eine Erziehung finden, eine gemeinsames Leben führen und dort in ihre besondere Aufgabe und in ihren besonderen Status hineinwachsen könnten. So lautete Kindermanns Interpretation der päpstlichen Formulierung, dass die Theologen in einer ihren Sonderbedürfnissen entsprechenden Umwelt gesammelt werden sollten. Das dritte Argument für ein eigenes Priesterseminar für die vertriebenen Theologen bildete die spezifische Vorbereitung auf die besondere Aufgabe, die diesen Seelsorgern zukommen sollte, nämlich die Seelsorgearbeit in der Diaspora und in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der späteren DDR. Diese Sondersituation erforderte ein Vertrautsein mit der Lage und der Mentalität der Vertriebenen, die vor allem die katholische Bevölkerung in diesen Bereichen stellten und verlangte zudem eine erhebliche Opferbereitschaft. Diasporafähigkeit und Diasporafreudigkeit seien Grundvoraussetzungen für die Diasporaseelsorge. „Wenn die schwierige Frage der „Eingliederung“, die doch nicht Zerstörung von Volkstum, sondern Verschmelzung anstreben muss, in einer Generation wirklich innerlich und äußerlich gelöst werden soll, dann erfordert dies, dass gerade die Osttheologen dafür sehr sorgfältig geschult werden müssen; sie werden ja die Hauptsorge dafür zu tragen haben.“17 Die Königsteiner Professoren, allen voran Kindermann, bezweifelten, dass in den Seminarien der Diasporadiözesen diese Aufgaben befriedigend gelöst werden könnten, geschweige denn in den im geschlossen katholischen Raum liegenden süddeutschen Diözesen. Außerdem werde es schwierig sein, bei einem Theologen, der in

16 17

Ebd., S. 2. Ebd., S. 3.

Priesterausbildung

407

einem süddeutschen Seminar studiert hatte, die Diasporawilligkeit zu erhalten. Dem stünden im Verlaufe des Studiums Bindungen entgegen, die einen starken Anreiz darstellten, für immer in dieser Diözese zu bleiben. Daher formulierten die Professoren den dringlichen Appell an die Fuldaer Bischofskonferenz 1947, für Königstein den theologischen Kurs zu beschließen, an dem die Osttheologen aller Semester teilnehmen könnten, die sich freiwillig dafür meldeten. Im Hinblick auf die Finanzierung argumentierten sie, dass die reinen Lebenskosten für die Theologen anderswo auch aufgebracht werden müssten. Es handle sich bei den Zusatzkosten in erster Linie um die Personalkosten des Lehrkörpers; die Petenten dachten an fünf Dozenten. „Je mehr das Königsteiner Seminar bekannt wird, desto reichlicher dürften auch die Zuwendungen der Gläubigen werden. Es ist auch gar keine Frage, dass durch die enge Verbundenheit von Seminar und Gymnasium bzw. Schülerkonvikt in Königstein die Weckung von Priesterberufen gefördert wird und somit von Jahr zu Jahr ein Anfängerstamm gesichert ist. Ohne Königstein wäre wohl mancher Priesterberuf verloren gegangen. Dass in Königstein im Sommersemester mit 50 Theologen begonnen werden konnte und dass für das Wintersemester, das erst am 15. Oktober anfangen soll, schon jetzt über 30 Neuanmeldungen vorliegen, ist gewiss ein Beweis, dass ein Studium in Königstein wirklichen Bedürfnissen entspricht.“18 Diese spezifischen Bedürfnisse könne auch das geplante Seminar in Neuzelle, das für den Restteil der Breslauer Erzdiözese zuständig sein sollte, nicht erfüllen, weil dort nur eine kleine Zahl – 10 bis 15 – Alumnen des letzten Ausbildungsjahrganges aufgenommen werden konnten. Also könne diese Einrichtung ein Ostseminar im Westen keinesfalls überflüssig machen, sondern das Seminar im Westen sei auf Dauer gesehen eine notwenige Voraussetzung für die Initiative in Neuzelle.

2.2.

Die Regenten

1947-1948 1948-1952 1952 1953-1954 1954-1957 1957-1965 1965-1971 1971-1977 1977

Dr. Paul Ramatschi Dr. Erich Kleineidam GR Josef Engelbert Otto Fröhlich Dr. Edmund Piekorz Msgr. Franz-Georg Ganse Prälat Dr. Stefan Kruschina P. Paul Tilzer, OT Dr. Kunibert Schroeter

Nachweise zu den Regenten Stefan Kruschina, geb. 1912 in Laubendorf bei Zwittau. Studium der Theologie in Olmütz und Prag. Priesterweihe 1938 in Olmütz. 1942 wurde er zum Pfarrer von Lußdorf ernannt. 1943 Promotion

18

Ebd., S. 4.

408

Abschnitt V

zum Dr. theol. in Prag. Nach der Vertreibung fungierte er als Heimatlosenseelsorger auf dem Michaelsberg in der Diözese Rottenburg. 1947 publizierte er ein sehr kasuistisch gehaltenes Handbüchlein zum kirchlichen Eherecht in der Seelsorgepraxis. Kruschina wurde Pfarrer in Wurmlingen und war dort entscheidend an der Restaurierung der Wurmlinger Kapelle beteiligt. Nicht zuletzt um diese Verdienste zu würdigen, wurde er Ehrenbürger von Rottenburg. Weitere Stationen waren: Dekan des Dekanates Rottenburg. Regens des Priesterseminars in Königstein. Vorsitzender des AMK wurde Kruschina nach dem Tod Kindermanns bis zur Sistierung der Hochschule, dann Rückkehr ins Bistum Rottenburg, zuletzt wohnte er in Altingen. Gestorben 1991. Begraben auf dem Friedhof neben der Wurmlinger Kapelle. Nach Missbrauchsvorwürfen aus seiner Tätigkeit als Seelsorger in Wurmlingen wurde ihm 2010 vom Rottenburger Stadtrat die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Valasek, Der Kampf gegen die Priester, S. 106f. Stefan KRUSCHINA, Heimatlosen-Seelsorge auf dem Michaelsberg. Ein Erlebnisbericht, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 7, 1988, S. 217-230. Stefan KRUSCHINA, Das kirchliche Eherecht in der Seelsorgepraxis. Stuttgart-Degerloch 1947. Edmund Piekorz (1899 – 1979) war von 1935 bis 1945 Stiftspropst und Pfarrer in Lauban gewesen; Stiftspropst bei den Magdalenerinnen blieb er auch nach 1945 und suchte mit dem Konvent eine neue Bleibe von 1945 bis 1947 in Rotthalmünster, von 1947 bis 1952 in Simbach/Inn; von 1952 bis 1979 war er Stiftspropst in Seyboldsdorf/Vilsbiburg. Von 1954 bis 1957 war er Regens des Priesterseminars in Königstein. Für seine Laubaner hatte er nach der Vertreibung einen konfessionell übergreifenden Gemeindebrief geschaffen. Paul MAI, Edmund Piekorz, in: GRÖGER u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern, S. 187-190. – Piekorz war im Sommer 1956 angeblich aus gesundheitlichen Gründen von seinem Regentenamt zurückgetreten. „… tiefer Sehende glaubten in der Krankheit eine Folge vieler unerquicklicher Auseinandersetzungen um eine normale Ordnung und um Abgrenzung der Verantwortung sehen zu können.“ (Chronik der Hochschule, S. 63.) Dem Bischof von Limburg gelang es, Piekorz umzustimmen, so dass dieser „trotz schwerster Bedenken unverzüglich wieder in seine nicht leichte Verantwortung eingetreten ist.“ (ebd.) P. Paulus Tilzer OT, geb. 1918 in Nordmähren. 1938 erlangte er in Troppau seine Hochschulreife und trat dort in das Noviziat des Deutschen Ordens ein. Am 1. Oktober 1939 wurde er zur Wehrmacht einberufen, kam 1944 in amerikanische Gefangenschaft und konnte im Wintersemester 1945/46 sein Studium in Bonn beginnen, das er in Eichstätt und Innsbruck fortführte. Die Priesterweihe empfing er 1949 in Mainz. Kaplansjahre folgten von 1950 bis 1955. 1955 war er ein halbes Jahr lang als Kapellenwagenmissionar tätig. Tilzer war von 1969 bis 1977 Regens des Priesterseminars in Königstein. E r war 1977 vom Provinzkapitel des Deutschen Ordens in der Bundesrepublik zum Prior gewählt worden. Gestorben am 17. Februar 1978. – Hohes Amt für den Regens P. Paulus Tilzer, Bericht in der Taunuszeitung am 23. Februar 1977, in Kopie bei der Kommission für Zeitgeschichte Bonn, Bestand Königstein 3166. Dazu auch Signa, Semesterrundbrief der Königsteiner Theologen, WS 1969/70, S. 6.

Priesterausbildung

2.3.

409

Spirituale am Priesterseminar

Bis Frühjahr 1948 1948 1948/49 31. 10. 1949-1961 ab 1.4.1961-1969 1969-1975 1976

Erich Puzik Gerhard Matern Josef Lettau P. Dr. Joseph Loewenich Josef Barton Professor Pater Dr. Josef Thiel SVD Dr. Wilfried Weber

Nachweise zu den Spiritualen: Zu Josef Barton vgl. Übersicht über die Dozenten der Hochschule. Josef Lettau, geb. 1898 in Königsberg. Priesterweihe 1922 in Frauenburg. 1931 von Kaller zum Diözesanjugendpräses ernannt. 1941 Diözesancaritasdirektor. 1946 katholische Heimatlosenfürsorge in Schleswig Holstein. 1947 ernannte ihn Kaller zum Beauftragten für die katholischen Vertriebenen in der britischen Zone. 1948 übernahm er die Leitung der Caritas-Schulungsstätte auf Schloss Vinsebeck. 1950 beim Diözesan-Caritasverband Paderborn. – Altpreußische Biographie. Band 3. Marburg/Lahn 1975, S. 1000. Rainer BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? S. 333-342. Joseph Loewenich O.M.I., geb. 1894 in Grevenbroich am Niederrhein. 1914 – 1921 Studium der Theologie und Philosophie in Hünfeld; 1924 – 1926 Doktorat in Philosophie in Rom. 1926 – 1941 Professor der Philosophie in Hünfeld. In den Folgejahren Seelsorger in Boppard und Bingen. Am 1. November 1949 Spiritual in Königstein. Am 1. April 1961 verließ Loewenich nach fast elfjähriger Tätigkeit Königstein, weil ihn sein Orden auf eine leitende Stelle im neuen Studienhaus nach Mainz berufen hatte. Nachfolger im Amt des Spirituals wurde Pater Josef Barton aus der Erzdiözese Olmütz. Gerhard Matern, 1913 im Ermland geboren, wurde am 15. Dezember 1945 zum Priester geweiht, er kam 1948 als wissenschaftlicher Assistent an die Hochschule in Königstein, half dort auch als Spiritual aus und wurde 1954 zum Dozenten für Kirchengeschichte bestellt; 1959 habilitierte er sich in Freiburg und erhielt dann eine Professur für Kirchengeschichte in Königstein. 1961 ging er als Professor für Pastoral an das Priesterseminar nach Fulda. An der Universität Marburg wurde er Direktor des Instituts für katholische Theologie und war dort in der Ausbildung angehender Religionslehrer tätig. Matern ist 2011 in Fulda gestorben. Erich Puzik (1901 – 1993) war von 1934 bis 1942 Spiritual am Priesterseminar in Breslau, von 1947 bis 1948 in Königstein und von 1948 bis 1967 in Neuzelle. Von 1967 bis 1970 war er Regens des Priesterseminars in Neuzelle. Franz Georg FRIEMEL, Erich Puzik, in: Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 250-256.

410

Abschnitt V

Prof. Dr. Thiel SVD, am 14. November 1908 in Hennersdorf bei Breslau geboren, hat in St. Gabriel bei Wien studiert und wurde 1936 von Kardinal Innitzer19 zum Priester geweiht. Danach ging er in die Chinamission und musste 1954 zurückkehren. 1959 schloss er in München seine Dissertation zum Thema „Der Streit zwischen Buddhisten und Taoisten zur Mongolenzeit“ ab. Von 1959 bis 1966 wirkte er am St. Pius-Kolleg in München. 1966 wechselte er an die Freie Universität nach Berlin. Von dort wurde er als Spiritual an das Priesterseminar nach Königstein berufen. Thiel war bemüht, einen liturgischen Arbeitskreis zu führen, der moderne Formen der Messgestaltung herausarbeiten sollte, denn er verstand das Priesterseminar als einen Ort, an dem entsprechend experimentiert werden sollte. Signa, Semesterrundbrief, WS 1969/70, S. 7.

2.4.

Das Leben im Seminar

Um beispielhaft das Leben im Seminar zu skizzieren, seien die die wichtigsten Ereignisse der Chronik aus dem Wintersemester 1957/58 herausgegriffen: Mit dem 1. Juli 1957 hatte Pfarrer Franz Georg Ganse das Regentenamt im Priesterseminar angetreten.20 In den Semesterferien fanden in Königstein die Tagungen der Priesterwerke statt. Das internationale Theologentreffen, das sich mit dem dialektischen Materialismus auseinandersetzte, folgte unmittelbar. Auch Weihbischof Kampe21 aus Limburg besuchte das Theologentreffen; er zelebrierte eine Pontifikalmesse.

19 20

21

Vgl. zu Innitzer Maximilian LIEBMANN, Kardinal Innitzer und der Anschluss – Kirche und Nationalsozialismus in Österreich 1938. Graz 1982. Franz Georg Ganse, geboren am 13. Juni 1909 in Waldenburg in Schlesien, gestorben als Rektor des Mutterhauses der Franziskanerinnen in Olpe am 27. Oktober 1970, war von 1937 bis 1940 Erzbischöflicher Generalsekretär Kardinal Bertrams gewesen. Von 1957 bis 1965 wirkte er als Regens des Priesterseminars in Königstein. Ganse war an der Hochschule auch für die Einführung in die Diözesankunde zuständig. In den Diözesanblättern legte er einen Grundriss dafür vor, eine Darstellung der kirchlichen Gliederung Schlesiens, der Konfessionen, des Diözesansprengels, der Nachbarsprengel, er behandelte die religiöse Eigenart, das Brauchtum, Seelsorgsprobleme, die Schichtung des Kirchenvolkes, den Klerus; diese Orientierung bot einen gerafften Abriss der Diözesan-Geschichte, einen Überblick über die Diözesan-Einrichtungen, über die Orden, auch über deren Schicksal nach der Vertreibung, über Katholisches Bildungswesen und Verbände, über das Verhältnis von Kirche und Staat, über Gnadenstätten und über markante Persönlichkeiten aus der Diözese. „Die Diözesankunde kann die Diözesangeschichte nicht entbehren, denn die Kenntnis der Entstehung der diözesanen Einrichtungen gehört in ihren Bereich. Am ehesten berührt sich Diözesankunde mit der Diözesangeschichte als Zeitgeschichte. Diözesankunde kann eingehender bei den Problemen der Gegenwart verweilen... Diözesankunde wird man demnach definieren können als Darstellung der Diözese, ihrer Institutionen, ihres Klerus, ihrer Gläubigen (‚Kirchenvolk‘), ihrer kirchlichen Lebensäußerungen und besonderen Probleme; sie wird sich dabei auf die historischen, topographischen, statistischen, rechtlichen, pastoralsoziologischen und volkskundlichen Erkenntnisse stützen.“ Franz Georg GANSE, Grundriss einer schlesischen Diözesankunde, in: Königsteiner Blätter VIII (1962), S. 84-118, Zitat S. 84. Lit.: Alfred SABISCH / Werner MARSCHALL, Franz Georg Ganse, in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 313-316. Zu Walther Kampe (1909 – 1998), Weihbischof in Limburg von 1952 bis 1984 vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 322-324.

Priesterausbildung

411

Allerheiligen war geprägt durch das Gedenken der Verstorbenen, das am Grabe Bischof Kallers auf dem katholischen Friedhof in Königstein gefeiert wurde. Der Regens hielt dazu eine kurze Predigt. Für Mitte November verzeichnete die Chronik den Besuch des Bischofs von Hildesheim, des Vertriebenenbischofs Heinrich Maria Janssen im Priesterseminar. Anlass war die Tagung der Diözesanvertriebenenseelsorger. Dabei wurden wichtige Fragen Königsteins, nicht zuletzt des Priesterseminars besprochen. Dort gab Janssen auch sein Plazet für das zehnsemestrige Studium der für Hildesheim studierenden Königsteiner Theologen. Die Pontifikalmesse durfte dabei nicht fehlen. Vor den Theologen und auch den Schülern der St. Albert-Schule sprach der Bischof zur gesamten Kollegsgemeinschaft. Der Höhepunkt des Jahres, der 15. November, das Fest des Hl. Albertus Magnus, der Tag des Hausfestes, wurde mit einer Pontifikalmesse begangen. Zelebrant war Weihbischof Kampe von Limburg. Eine Festakademie schloss sich an. Der Rektor der Hochschule, Prof. Bitterlich, hielt die Begrüßungsansprache, es folgte eine Gedenkrede auf Kaller, dessen zehnter Todestag am 7. Juli 1957 gewesen war; Vortragender war Dr. Gerhard Matern. Am Nachmittag gab es eine gemütliche Kaffeestunde für die gesamte Hausgemeinschaft. Ein abendliches Beisammensein im großen Saal schloss den Festtag ab. Prälat Kindermann sprach dort über die Anliegen Königsteins; das Unterhaus, sprich das Schülerkonvikt, führte ein Spiel auf. Den Abschluss bildete eine feierliche Segensandacht in der Kollegskirche. Ein weiterer Höhepunkt war der 6. Dezember, der Nikolaustag. Der Nikolaus, so verzeichnete es die Chronik, sorgte für Frohsinn und Heiterkeit. Freilich habe es auch manchen Wink gegeben. Die Oberen des Hauses mussten sich „scherzhafte Apostrophierungen gefallen lassen, die – gut aufgenommen – zu allgemeiner Heiterkeit beitrugen.“22 Auf die festlichen Höhepunkte folgte wieder „die gestrenge Hausordnung des Seminars.“23 Nach den Weihnachtsferien begann der anstrengendste Teil des Wintersemesters. Es kamen die Examina, unterbrochen nur durch zwei festliche Ereignisse: Am 2. Februar wurde das Silberne Priesterjubiläum des Regens gefeiert und am 28. Februar und am 1. und 2. März wurden zum ersten Mal in der Geschichte Königsteins die niederen Weihen gespendet. Die gesamte Theologengemeinschaft und auch die Schüler des Unterhauses, die gesamte Hausgemeinschaft hatte, so die Chronik, die drei Weihetage als Tage besonderer Bedeutung und Festlichkeit erlebt. „So endete ein ereignisreiches Wintersemester. Bis zum Beginn der Vorlesungen am 22.4.58 sind unsere Theologen in den Ferien und werden besonders an den heiligen Ostertagen die Gnade des Erlösers erbitten, um mit dieser Gnade weiter voranzuschreiten auf dem Weg zum ersehnten Ziel.“24

22 23 24

Chronik des Priesterseminars Königstein/Ts. seit dem Wintersemester 1957/58, 3 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113, Zitat S. 2. Ebd., S. 2. Ebd., S. 3.

412

Abschnitt V

Ein zweites Beispiel für den Ablauf des Sommersemesters, der Bericht von 1958. Das Semester eröffnete am 18. April mit den Exerzitien für die beiden Anfangssemester.25 13 Theologen begannen mit ihrem Studium in Königstein. Gleich am ersten Tag des Semesters fand die Aussendung der Kapellenwagen statt. Der Chronist spricht von einem Beispiel, welch vielseitige Anregungen den Königsteiner Theologen geboten werden. „Es war ein feierlicher Moment, als die Wagen dann vom Missionskreuz auf dem Platz zwischen den beiden Seminargebäuden aus in ihre Arbeitsgebiete in der Diaspora fuhren.“26 Dann zog der Alltag ein mit dem Vorlesungsbetrieb: die ernste Arbeit, wie der Chronist formulierte, die wenig nach außen dringe, die aber so unerlässlich sei für die Heranbildung der jungen Menschen zum Priestertum. Freilich, so mit seufzender Feder vermerkt, sei dieses unerlässliche, alltägliche Studium in Königstein nicht immer leicht bei der geradezu idealen landschaftlichen Lage, die die Konzentration durchaus beeinträchtigen könne. Im Mai gestalteten die Theologen in umliegenden Kirchen die Mai-Andacht. Eine kurze Unterbrechung brachten die einwöchigen Pfingstferien. „Aber die meisten unserer Theologen nahmen doch die Gelegenheit wahr, um der Abgeschlossenheit und Strenge des Seminarlebens wenigstens für einige Tage zu entfliehen.“27 Als einen Höhepunkt des Sommersemesters bezeichnete es der Chronist, das Fronleichnamsfest zu feiern, an dem sich die Theologen in der Pfarrkirche beteiligten. Am 8. Juni folgte ein gemeinsamer Ausflug nach Wetzlar. Der 11. Juni brachte den Besuch der Professoren von St. Georgen aus Frankfurt gemäß der Gepflogenheit, dass die Professoren von Frankfurt im Sommersemester nach Königstein kamen, während im Wintersemester die Königsteiner Professoren sich mit den Jesuiten von St. Georgen in Frankfurt trafen. „Auch das politische Geschehen, namentlich in den engeren Grenzen unseres Vaterlandes, muss den Theologen interessieren; soll er doch einmal als Weltpriester zu den Menschen gesandt werden, die in dieser Welt leben und deren Leben auch durch das politische Geschehen nachhaltig geformt und beeinflusst wird. Der 17.6., der Tag der Deutschen Einheit, ein Tag der Mahnung an die leidvolle Geschichte der letzten Jahrzehnte unseres Vaterlandes, vereinte unsere Theologen im Rahmen der Hochschule zu einer Feierstunde, bei der cand. theol. Ansgar Müller die Bedeutung des Geschehens vom 17.6.53 in sorgfältig vorbereiteten Worten würdigte. Dieser Tag hatte auch einen, wenn man das so sagen darf, familiären Anstrich. Es ist der Namenstag unseres H. H. Prälaten Prof. Dr. Kindermann, unseres Hausvaters.“28 Relativ schnell kam dann das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus am 29. Juni 1958, der Termin für das Sommerfest. An diesem Tag wurde zudem das Goldene Priesterjubiläum des Schulleiters der St. Albert-Schule gefeiert. Dazu kam am 2. Juli

25 26 27 28

Bericht über das Sommersemester 1958, 3 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113. Ebd., S. 1. Ebd. Ebd., S. 2.

Priesterausbildung

413

das Silberne Priesterjubiläum des Professors für Neutestamentliche Exegese, Dr. Erhard Lang29, mit einer Festpredigt des Rektors Professor Bitterlich. Der Chronist meinte sich für die vielen Feste des Sommersemesters entschuldigen zu müssen: „Fast dürfte es den Anschein haben, als sei im Sommersemester 1958 etwas viel gefeiert worden, doch dieser Schein trügt. Wie schon vorher erwähnt, fällt das konsequente und beharrliche Studium nicht auf, aber neben der asketischen und charakterlichen Formung, die ja ganz in der Stille vor sich geht und darum in einer Chronik gar nicht erwähnt werden kann, ist das Studium die wichtigste Lebensäußerung in einem Priesterseminar. Was an Arbeit geleistet oder versäumt worden ist, kommt an den Tag durch die Examina. Die schriftlichen Examina fanden statt vom 23. bis 27.6.58, die mündlichen vom 16. bis 18.7.58.“30 Am 16. Juli hielt der Regens die Schlusspuncta; damit war die Kommunität in die Sommerferien entlassen. Erneut folgten mit Ferienbeginn Priestertagungen, das Internationale Theologentreffen, vor allem aber der Kongress ‚Kirche in Not’ – allesamt Zusatzveranstaltungen für die Königsteiner Theologen, die wertvolle und anschauliche Anregungen geben konnten. Selbstverständlich spiegelten sich wichtige weltkirchliche Ereignisse auch im Königsteiner Seminar wider, etwa der Tod Papst Pius’ des XII. und die Wahl seines Nachfolgers, die in der Chronik sehr ausführlich und emotional geschildert werden. Mit dem Rundfunk hielt man sich über den Fortgang der Papstwahl auf dem Laufenden. Regens Ganse als Vertreter des zu dem Zeitpunkt in Amerika weilenden Kindermann teilte die erfolgte Wahl mit und stimmte ein Tedeum an. Der Chronist freute sich, dass Dr. Wenzel als kriegsgefangener Theologe im Lager von Chartres dem damaligen Apostolischen Nuntius in Frankreich, Erzbischof Roncalli, bereits begegnet war und somit den neuen Papst kannte und auch den Königsteiner Theologen eine Aufnahme, ein Bild des neuen Papstes beim Besuch in Chartres herumreichte.31 „Es wird nicht viel Menschen, zumindest nicht in unserem Vaterlande, gegeben haben, die so bald nach der Papstwahl ein Bild des Papstes in ihre Hände bekamen!“32

29

30 31 32

Erhard Lang, 1909 im böhmischen Niederland geboren, 1933 zum Priester geweiht, promovierte 1936 in Prag zum Dr. theol. 1938 ging er an das Päpstliche Bibelinstitut nach Rom. 1944 sollte er die Professur für AT und orientalische Sprachen in Leitmeritz übernehmen. Als Vertriebener kam er in die Diözese Eichstätt. Am 1. September 1957 wurde er zum Professor für neutestamentliche Exegese und biblische Sprachen in Königstein berufen. Er starb am 13. August 1967. – Auch die Wechsel der Rektoren der Philosophisch-Theologischen Hochschule wurden jeweils in den „Mitteilungen“ angezeigt, so etwa in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 1960 die Wahl von Dr. Erhard Lang. Dort auch eine kurze Biographie zu Lang auf S. 102. – Zum Neutestamentler Prof. Dr. Erhard Lang, vgl. den Nachruf von Rudolf GRULICH, Vor 90 Jahren wurde Prof. Dr. Erhard Lang geboren. Ein Bibelwissenschaftler und Sprachgenie, in: Sudetendeutsches Priesterwerk Mitteilungen 1999, Heft 1, S. 8. Bericht über das Sommersemester 1958, 3 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113, S. 3. Über Wenzel war auch die Bibliothek von Chartres nach Königstein gekommen; sie war dort offensichtlich lediglich deponiert, nie ausgepackt, geordnet und benützt worden. Bericht über das Sommersemester 1958, S. 3.

414

Abschnitt V

Solche außerordentlichen Ereignisse und Feierlichkeiten konnten freilich nicht die gewohnte Struktur und den Alltag des Studienbetriebes in Königstein durch- und unterbrechen. Für die Papstkrönung hatte man eigens einen Bildschirm von der Firma Alter in Königstein kostenlos zur Leihe bekommen, davor verfolgten Professoren und Theologen aufmerksam die Krönung am 4. November.33 Derart konnte aber auch nicht die ständig wiederholte Frage nach der Existenzberechtigung Königsteins verdrängt werden.34 Mit einem lachenden und einem weinenden Auge hielt der Chronist für das Sommersemester 1959 die Verabschiedung von Prof. Dr. Scheffczyk fest. Scheffczyk war als Dogmatiker nach Tübingen berufen worden, was man in Königstein einerseits bedauerte, weil der langjährige Subregens und Stellvertreter des Regens ein geschätzter Lehrer der Dogmatik war; andererseits bereitete es Freude zu sehen, dass ein Königsteiner Dozent einen ehrenvollen Ruf erhalten konnte. Ebenso findet sich in diesem Bericht eine Reflexion auf ein Königsteiner Gemeinschaftsbewusstsein: Es wird das zweite Alt-Königsteiner Treffen vom 1. bis 3. Mai 1959 erwähnt. Dort sei so etwas wie ein Königsteiner Zugehörigkeitsgefühl sichtbar geworden.35

33 34

35

Vgl. Bericht über das Wintersemester 1958/59, KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113, S. 1. Ebd., S. 2: „Die Länge der Zeit seit der Vertreibung aus der Heimat bringt es mit sich, dass die Notwendigkeit des Königsteiner Priesterseminars vielfach in Frage gestellt wird; auch mancher heimatvertriebene Theologe stellt sich diese Frage. Da die Erkenntnis immer mehr wächst, dass die Frage der Erhaltung unseres Seminars mehr oder weniger von unserer eigenen Arbeit und Mühe abhängt, wird bei einem Alt-Königsteiner Treffen Anfang Dezember 1958 bei einer anschließend stattfindenden Diözesanvertriebenenseelsorgerkonferenz und auch sonst, z.B. gelegentlich bei der wöchentlichen Exhorte des Regens vor den Theologen, auf die Bedeutung und Notwendigkeit des Königsteiner Seminars hingewiesen, wobei der missionarische Gedanke immer mehr in den Vordergrund tritt. D.h. der Gedanke, dass für den großen Missionsauftrag, der einmal in den jetzt vom Bolschewismus beherrschenden Ländern des Ostens uns gestellt werden wird, Menschen bereitstehen müssen, die in einer Tradition herangebildet sind, für die Königstein verantwortlich zeichnet.“ Der ausführlichen Schilderung dieses Argumentes und dieses Problems im Bericht bei knappen zweieinhalb Seiten über ein ganzes Semester, war eine dreiviertel Seite dem Bericht über den Tod Papst Pius XII. und die Neuwahl Johannes XXIII. gewidmet und eine halbe Seite eben dieser Existenzfrage. Bericht über das Sommersemester 1959, 1 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113.

Priesterausbildung

3.

415

Die spezifische Zielsetzung der Hochschule

Erich Kleineidam, der erste Rektor der Hochschule, hatte die Festrede zur Errichtung der Philosophisch-Theologischen Hochschule am 29. April 1949 gehalten. Er gab in dieser feierlichen Umgebung zum Abschluss einer mehr als zweijährigen wechselvollen Entwicklung das Motto für die Königsteiner Theologie aus. Die Lehrer in Königstein sollten auf die hohen Vorbilder in Prag und Breslau, an der Akademie zu Braunsberg und an den Philosophisch-Theologischen Hochschulen in Leitmeritz und Weidenau blicken. All diese Lehranstalten hatten sich einen Namen errungen, der trotz ihres Untergangs als Institutionen weiterleben werde in der Wissenschaft. In diese Tradition sollte sich Königstein im vollen Bewusstsein dessen stellen, dass die Lehrer dort nicht im Stande sein würden, diese hohe Tradition ungebrochen fortzusetzen. Die theologischen Lehrer sollten lebendige Wahrheit, nicht tote Formeln verkünden. Sie sollten ihre geistige Initiative, alle verfügbaren wissenschaftlichen Hilfsmittel zu einer vertieften Erfassung und zu einer zeitgemäßen Auslegung der Offenbarung einsetzen.36 Die Königsteiner Theologie sollte die wichtigen Anliegen der Zeit aufgreifen. Dazu gehörte zuvorderst das Schicksal des Heimatverlustes.37 Zu diesen aktuellen Aufgaben zählte nach der Ansicht des Philosophen Kleineidam auch die Auseinandersetzung mit der Existentialphilosophie, die er seit den zwanziger Jahren wirksam sah und insofern positiv bewertete, als sie sich zumindest

36

37

Die Rede im Umfang von 6 masch. Seiten befindet sich im Archiv Königstein, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3350. „Beides ist unsere Aufgabe, da wir ja eine Theologische Hochschule sind: dass wir den Wahrheitsbestand der Offenbarung erhalten, ohne dass das Geringste verloren geht, denn er ist die größte Kostbarkeit, die uns anvertraut ist. Und die zweite Aufgabe: dass wir uns durch eigene aktive Geistesarbeit durch Studium und Forschung anstrengen, seine Tragweite immer tiefer zu erfassen, denn der Wahrheitsbestand ist in Worte und Bilder gefasst; diese sind aber keine unveränderlichen Gefäße; sondern sie müssen den Menschen so verkündet werden, dass er sie wirklich hören kann. Wir sollen ja lebendige Wahrheit, nicht tote Formeln verkünden. Hier liegt die eigentliche Aufgabe der Theologie: durch ihre geistige Initiative und den Einsatz aller wissenschaftlichen Hilfsmittel zu einer vertieften Erfassung und einer zeitgemäßen Auslegung vorzudringen. Es gehört zur Verantwortlichkeit des Theologieprofessors, aber nicht minder des Theologiestudenten, sich darum zu bemühen, denn es gibt nicht nur eine schuldhafte Harthörigkeit des Menschen, der die Verkündigung nicht hören will, es gibt auch eine Schuld auf Seiten der Theologen, die sich nicht mühen, die ewige Wahrheit dem Menschen in der Sprache seiner Zeit zu verkünden, dass er sie überhaupt aufnehmen kann. Um dieses geistige Weiterbauen wollen wir auch hier uns mühen.“ „Unser Haus ist aus der Not der Zeit geboren. Die Theologen wie die Professoren, die hier herkommen, kommen aus Liebe zur alten Heimat, aus Verbundenheit mit ihren so unglücklichen enterbten Landsleuten; wir sind von dem Bewusstsein erfüllt, dass wir Priester und Theologen die Verpflichtung haben, ihnen, die alles Irdische verloren haben, das Kostbarste, Ihren Glauben zu erhalten. Dieses Bewusstsein von unersetzlichen Bedeutung der geistigen Güter wird, so hoffen wir, auch den Geist unserer Hochschule befruchten.“

416

Abschnitt V

noch mit der Sinnfrage bzw. der vermeintlichen Sinnlosigkeit des Daseins auseinandersetze. Inzwischen aber, so taxierte er die Gegenwart, sei der innere Verfall des geistigen Lebens weiter fortgeschritten. Eine metaphysische Langeweile sei zu konstatieren. Die letzten geistigen Fragen interessierten nicht mehr.38 In einer positiven Spannung zu diesen destruktiven Positionen stünden die Erfahrungen der Vertriebenen, die die Basis bildeten für Priesterseminar und Hochschule in Königstein. Sie hätten in der Unzulänglichkeit aller menschlichen Verhältnisse die Kraft des Glaubens erfahren.39 Konkret wurden die spezifischen Schwerpunktsetzungen der Königsteiner Dozenten in den Angeboten zu den Ostschwerpunkten, die sich vor allem in Diözesangeschichte und Diözesankunde, teils in einer Einführung in Östliche Liturgie und teils in Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus konkretisierten. In zusätzlichen Vorträgen wurde den Studenten die religiöse Lage in der SBZ nahe gebracht: bereits am 29. April 1949 referierte der Geistliche Rat Polzin aus Berlin über die religiöse Lage der Ostzone, am 20. Mai Prälat Joseph Negwer über die religiöse Aufbauarbeit in Thüringen, eine Woche später berichtete P. Werenfried van Straaten über die flämische Hilfsaktion.40 Dazu kam als weiteres Spezifikum des Königsteiner Studiums, dass ein Teil der theologischen Fächer bereits in den Anfangssemestern mitgelesen wurde. Besonders für die ersten Semester Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre war ein Defizit in den praktischen Fächern festzustellen. Dieses Desiderat musste naturgemäß der Pastoraltheologe und Regens des Priesterseminars in Neuzelle Prälat Ramatschi formulieren. So wies er die Studienleitung der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein mit einem Schreiben vom 4. November 1949 darauf hin, dass ein Vergleich des bis jetzt vorliegenden Plans des Theologischen Studiums in Königstein mit den Studienplänen anderer Hochschulen Fragen aufwerfe im Hinblick auf die Fächer, die in Königstein doziert wurden: Dogmatik, Moraltheologie und Kirchenrecht, wohingegen Liturgik, Pädagogik, Katechetik und Pastoral fehlten.41

38

39

40 41

„Oder bildhaft theologisch gesprochen: Der Mensch glaubt nicht mehr. Weder an einen Himmel noch an eine Hölle; aber auf einmal stellt er fest, dass ihm gewissermaßen der Motor fehlt, um sein menschliches Leben in Fahrt zu halten; er verliert den Sinn seines Lebens, denn nichts treibt ihn mehr und spannt seine Kräfte.“ (S. 5) „Wir haben am eigenen Leibe die unzuverlässigen Mittel und die Unsicherheit aller menschlichen Verhältnisse erfahren; aber wir haben auch die Kraft des Glaubens, der in sich stehenden Wahrheit erfahren, die dem Leben den Sinn erhält, auch wenn alle äußeren Stützen zusammenbrechen und ein Mehr von Leid über das Volk kommt. Wir hoffen, dass in einer Zeit geistiger Uninteressiertheit diese unsere Überzeugung von der Kraft der Wahrheit, die wir erfahren haben, neue Impulse auch für das Studium gibt, damit auch wir von Königstein her mithelfen, eine lebendige, gegenwartsnahe Theologie aufzubauen.“ (S. 5f.) Chronik der Hochschule, S. 2. Ramatschi an die Studienleitung in Königstein am 4. November 1949, 2 S. masch. in KZG 3003. „Wenn auch die mehr praktisch gehaltenen Teile dieser Fächer mit Recht dem Pastoralkursus zuzuweisen sind, dürfte es kaum möglich sein, innerhalb dieses Kurses alle genannten Fächer vollständig in den Studienplan aufzunehmen, besonders, wenn der Pastoralkurs nur ein

Priesterausbildung

417

Machte die innere, dann die europäische Integration die Sondersituation überflüssig? 1955 hatte man mit den verpflichtenden Vorlesungen über die regionale Kirchengeschichte der Herkunftsregionen der Vertriebenen begonnen – alternierend gab es eine Vorlesung über den Nordosten, über Schlesien und das Sudetenland. Dazu wurde auch die jeweilige Diözesankunde behandelt. Die Begründung war, dass die Theologen immer weniger eigene Kenntnisse der Geschichte und der Diözesankunde der Herkunftsheimat mitbrächten. Diese Vorlesungen waren verpflichtend. In der Anfangsphase wurden auch Vortragsredner von außen eingeladen. So berichtete Johannes Kaps, der Leiter des Kirchenbuchamtes, über die Situation 1945 in Schlesien, Franz Monse über die kirchlichen Besonderheiten der Grafschaft Glatz.42 Diese ur-

42

Jahr umfasst. Vor allem ist es unmöglich, das so umfangreich gewordene Stoffgebiet der Liturgik im Seminar in dem nötigen Umfang zu behandeln, da schon die Rubrizistik einen erheblichen Raum beansprucht. Es erscheint darum nicht bloß wünschenswert, sondern notwendig, dass zumindest die Liturgiegeschichte innerhalb des Hochschulstudiums behandelt wird. Ebenso dürfte es kaum möglich sein, den wiederum sehr umfangreich gewordenen Stoff der Religionspädagogik im Rahmen des Pastoralkursus vollständig unterzubringen. Es wäre dringend zu wünschen, mindestens die Allgemeine Pädagogik und Didaktik, wenn möglich auch die Geschichte der Pädagogik, auf der Hochschule zu lesen. In den meisten theologischen Fakultäten und Hochschulen ist sogar ein beträchtlicher Teil der Katechetik in den Studienplan aufgenommen. Als sehr zweckmäßig hat sich eine Vereinbarung zwischen Hochschule und Seminar über die Abgrenzung der durchzunehmenden katechetischen Stoffe erwiesen, so dass Überschneidungen gut vermieden werden konnten. Die Ausbildung für die an Bedeutung immer mehr gewinnende Predigttätigkeit lässt es als dringend notwendig erscheinen, dass in der Hochschulzeit sowohl eine erste Einführung in die Homiletik wie auch während der theologischen Semester verpflichtende Predigtübungen für alle gehalten werden. Das Seminar hätte dann noch genug an Vertiefungsarbeit und letzter Übung zu leisten. Die einzelnen Stoffgebiete der Pastoraltheologie, insbesondere die Sakramentenverwaltung, würden, wenn die oben genannten Wünsche von der Hochschule berücksichtigt werden, auch bei einem nur einjährigen Pastoralkurs bewältigt werden können. Da unser Seminar, wie oben bemerkt, an der Regelung dieser Fragen aufs stärkste interessiert ist, wären wir für eine gründliche Prüfung sehr verbunden. In den bisherigen zwei Jahren unserer Arbeit haben wir feststellen müssen, dass es unmöglich ist, die notwendigen Stoffe in einer wünschenswerten Vollständigkeit und Tiefe zu behandeln, wenn nicht auf der Hochschule schon entsprechend vorgearbeitet ist.“ KZG 3011, vgl. auch ein Schreiben von Regens Piekorz an Prälat Golombek, den Leiter der kirchlichen Hilfsstelle Nord für Heimatvertriebene vom 14. Oktober 1955 „Für das bevorstehende Wintersemester ist getrennt nach den Herkunftsgebieten eine Diözesankunde geplant. Die Schlesier sollen also Näheres erfahren über die Diözesanverhältnisse vor allem von Breslau, aber auch von Glatz, Katscher und Kattowitz. Die Sorge dafür ist mir übertragen worden. Aus den verschiedensten Gründen möchte ich aber nicht über alles selbst sprechen, sondern zu einigen Themen Mitbrüder heranziehen, die dafür besonders befähigt sind. Ich selbst möchte in einer Doppelvorlesung einen Überblick über die gesamte Breslauer Diözesanverwaltung geben. Eine weitere Doppelvorlesung hatte ich für Herrn Konsistorialrat Dr. Kaps in Aussicht genommen, der mir aber leider eine Absage gegeben hat, über die kirchlichen Verhältnisse von 1945/46 zu sprechen. Ich werde wohl oder übel dies aufgrund des von ihm gelieferten Materials tun müssen. Über die Verhältnisse in unserer heutigen Restdiözese Görlitz hat mir bereits Herr Ordinariatsrat Schenke eine Doppelvorlesung für Mitte Januar 1956 zugesagt. Ein besonderes Thema ist noch das Fortleben der Erzdiözese in den Herzen der heimatvertriebenen Schlesier.

418

Abschnitt V

sprüngliche Ostkirchengeschichte, kombiniert mit Diözesankunde und Charakterisierung der Verhältnisse aus eigenem Erleben, vor allem auch der Verhältnisse in der Vertreibung 1945/46 war nach zehn Jahren in Frage gestellt worden. Die spezifische Ausgestaltung der Ostausrichtung wurde unter den betroffenen Professoren bzw. Lehrbeauftragen wiederholt diskutiert. Hatte noch 1966 Augustinus Huber beantragt, die Ostdeutsche Kirchengeschichte prüfungsmäßig den ostkirchlichen Vorlesungen gleichzustellen, also formaliter aufzuwerten, so formulierten die Studenten das Desiderat in Richtung Ostkunde und Ostakzent. Der schlesische Kirchenhistoriker Alfred Sabisch, der von 1962 bis 1969 die Vorlesungen des Lehrauftrags Ostdeutsche Kirchengeschichte Schlesien hielt, gewann dabei den Eindruck, dass diese Art von Vorlesung deutlich modifiziert werden sollte.43 So schrieb Sabisch am 26. Januar 1969, nachdem er zum vierten Mal die Vorlesungen des Lehrauftrags ‚Ostdeutsche Kirchengeschichte mit der Diözesankunde des Bistums Breslau’ beendet hatte, an den Rektor Prof. Dr. Karl Braunstein, dass er den Eindruck habe, zwei Jahrzehnte und mehr seit der Vertreibung würden die bisherigen Spezialvorlesungen zur sudetendeutschen, ermländischen und schlesischen Kirchengeschichte die dafür verpflichteten Hörer nicht mehr in der Intensität ansprechen können wie noch die Hörer der ersten Generation, die aus ihrer Erfahrung und Kenntnis heimatliches Bewusstsein mitgebracht hatten. Der veränderte Adressatenkreis veranlasste Sabisch zu der Anregung, anstelle der bisherigen detaillierten Darlegung der einstigen geschichtlichen und diözesankundlichen Entwicklungen im ehemaligen Vertreibungsgebiet solle künftig im Abstand von zwei Jahren eine auf zwei nacheinander folgende Semester verteilte dreistündige Vorlesung zum Thema ‚Kirchenge-

43

Mit anderen Worten: die kirchliche und seelsorgliche Betreuung der katholischen Schlesier in Westdeutschland durch Eure Arbeitsstelle, die Eichendorffgilde, das Kardinal-Bertram-Werk, das St. Hedwigswerk u.ä. Dafür bist Du wohl am berufensten. Dürfte ich Dich herzlich darum bitten? Ich glaube, Du verstehst diese Aufgabe richtig, wenn Du nicht zu sehr auf Motivation schaust, als vielmehr auf Mitteilung des bereits Geschehenen und dessen, was noch zu geschehen hat… Ich will auch noch versuchen, Herrn Prälat Dr. Monse für eine Doppelvorlesung zu gewinnen, bei der er nicht bloß über die Grafschaft, sondern auch aushelfend über Katscher und Kattowitz sprechen sollte, weil es sich nicht lohnt, über jedes dieser Einzelgebiete noch eine besondere Vorlesung halten zu lassen. Ich hatte auch daran gedacht, Herrn Prälat Dr. Kastner zu bitten, über kirchliche Sonderbräuche Schlesiens eine Doppelvorlesung zu halten.“ Piekorz an Golombek am 14. Oktober 1955, Brief, 2 S. masch. Zu Karl Schenke (1909 – 1984) vgl. GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 307-312 – zu Karl Kastner (1886 – 1957) vgl. GOTTSCHALK, Priesterbilder, Bd. 5, S. 164-166. Aus dem Brief von Huber an den Rektor vom 7. Juli 1966 „Zu wiederholten Malen wurde offiziell die Zweckbestimmung unserer Hochschule in enge Beziehung zu den Nöten unserer Vertreibungsländer und der unmittelbaren östlichen, slawischen Nachbarn gebracht. Die gegenwärtige Prüfungsordnung scheint mir dieser Zielsetzung nicht Rechnung zu tragen. Ich will nicht von vornherein ausschließen, dass die Zielsetzung gewandelt werden könne – unter Umständen auch sollte. Einer solchen Änderung bzw. Schwerpunktverschiebung müsste aber meines Erachtens eine Grundsatzdebatte vorausgehen. Diese Änderung müsste offiziell verlautbart und dürfte nicht via facti gewissermaßen auf kaltem Wege herbeigeführt werden.“ (Huber an den Rektor am 7. Juli 1966, KZG 3011).

Priesterausbildung

419

schichte Ostdeutschlands und des Sudetenlandes im Rahmen der ostmitteleuropäischen historischen Entwicklung‘ mit anschließender Semesterprüfung gehalten werden. Die Vorlesung sollte demnach eingebettet sein und im Zusammenhang mit der kirchengeschichtlichen und politischen Entwicklung in den angrenzenden Nachbarländern Polen, Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei stehen. Vorausgegangen war 1968 die eher formale Veränderung, die ostdeutsche Diözesankunde und die ostdeutsche Kirchengeschichte zusammenzulegen, die Ausrichtung aber, die Grundorientierung blieb offensichtlich gleich.44 1961 visitierte Bischof Michael Keller45 von Münster Königstein Hochschule und Priesterseminar. Keller und der Eichstätter Bischof Joseph Schröffer46 waren auf Vorschlag von Kardinal Frings vom Papst mit der Visitation der Priesterseminare beauftragt worden. Im Zentrum der Visitation in Königstein stand die Frage nach einem zukunftsfähigen Konzept für die Hochschule. Zu diesem Thema hatte auch das „Heimatwerk schlesischer Katholiken“ des Bistums Münster dem Bischof eine Denkschrift vorgelegt, die der AStA der Philosophisch-Theologischen Hochschule im Wintersemester 1959/1960 ausgearbeitet hatte unter dem Titel „Zur Situation der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein“.47 Bereits dort wurde festgehalten, dass die augenblickliche Zielsetzung des Seminars einen weiteren Bestand nicht mehr garantiere, weil eine allgemeine Rückkehr in die Heimat praktisch hinfällig geworden sei. Es werde künftig keine oder kaum mehr Abiturienten geben, die ihr Pflichtgefühl gegenüber der alten Heimat nach Königstein ziehe. Sie seien alle bereits fest verwurzelt in den Aufnahmegebieten. Auch die Bischöfe, Religionslehrer und Pfarrer glaubten, das Anliegen Königsteins nicht länger fördern zu können. Als Lösung sahen die Theologen, Königstein für Theologiestudenten aus allen deutschsprachigen Diözesen zu öffnen, heimatvertriebene wie einheimische. Der Lehrplan sollte eine reguläre theologische Ausbildung garantieren – mit den zusätzlichen Fächern ‚Theologie der Ostländer’, ‚Liturgie des Ostens’, ‚Volkstum und soziale Verhältnisse’, ‚Unionsprobleme’ und vor allem dem dialektischen Materialismus mit seiner Auswirkung in den einzelnen Ländern. Ein Theologe, der dieses Studium absolviert hätte, sollte in seiner Diözese das Verständnis für den Osten wecken und wach halten und die brüderliche Liebe zu den Christen des Ostens fördern, die Reichtümer der Liturgie und Theologie des Ostens für den Westen fruchtbar machen.

44 45 46 47

Vgl. dazu ein Schreiben von Augustinus Huber an den Rektor der Hochschule vom 30. April 1968 in KZG 3011. Zu Michael Keller (1896 – 1961), Bischof von Münster von 1947 bis 1961, vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 408-411. Zu Joseph Schröffer (1903 – 1983), von 1948 bis 1967 Bischof von Eichstätt, vgl. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 156-159. KZG 25 45 „Zur Situation der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein“, 2 S. masch.

420

Abschnitt V

Um diese Ziele zu erreichen, sei es grundsätzlich notwendig, die russische Sprache als wichtigste Sprache der Ostblockstaaten zu lernen, eine gründliche Ausbildung in der Osttheologie und eine theoretische Einführung in die wichtigsten Formen der östlichen Liturgie zu erhalten. Es wurde eine ständig benutzbare Bibliothek gefordert, die die laufenden wichtigsten kommunistischen Zeitungen und Zeitschriften führte sowie die Veröffentlichungen der orthodoxen Kirche. Mit Hilfe von Beiträgen in Zeitschriften, Zeitungen und wissenschaftlichen Publikationen sollte das Anliegen an die breite Öffentlichkeit getragen werden. Ein solches Seminar sollte, zumindest zu einem Teil, von allen deutschsprachigen Diözesen wirtschaftlich getragen werden. Als Bezeichnung wurde „Ostseminar der deutschsprachigen Diözesen“ vorgeschlagen. Eine solche Neuorientierung war aber nicht möglich ohne eine Erweiterung des Professorenkollegiums durch zusätzliche Fachkräfte. Wie so mancher Plan für Königstein landete auch dieser Vorschlag in der Schublade. Welche Fragen beschäftigten die Studierenden im Hinblick auf diese intentionalen Vorgaben? 1958 äußerten sich die Sodalen der Marianischen Kongregation, die sich während des ganzen Sommersemesters 1958 mit grundsätzlich orientierenden Fragen auseinandergesetzt hatten, nachdem am Ende des Wintersemesters eine öffentliche Aussprache mit der ganzen Kommunität des Priesterseminars unter Leitung von Kindermann stattgefunden hatte. So reagierten die Studenten auch auf die Anliegen Kindermanns. Sie informierten ihn über das Ergebnis ihrer Diskussionen, die in manchen Punkten sehr weit auseinander gegangen waren. Folgende Fragen waren gestellt worden: Was verspricht sich ein Abiturient von Königstein? Wo liegen die Gründe für die Nachwuchsschwierigkeiten? Werden wir genügend auf den Tag X vorbereitet? Kann der Ostgedanke im herkömmlichen Sinn noch tragendes Motiv unseres Seminars sein? Die Studenten hatten grundsätzliche Anliegen Kindermanns aufgegriffen und sich ihre Meinungen dazu gebildet. Bei der ersten Frage hatten die Studenten Einzelne, die von außen kamen, befragt, warum sie Königstein als Studienort wählten. Die Antworten scheinen sehr unterschiedlich gewesen zu sein: sie reichten von der Unzufriedenheit im Priesterseminar der eigenen Diözese bis hin zur verlockenden Freiheit, sich die Diözese des späteren Wirkens selbst aussuchen zu können. Ein einigendes Motiv scheint gewesen zu sein, in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten und Schicksalsgenossen zu kommen. Königstein wurde als Seminar für die Diaspora oder Seminar für die Ostzone wahrgenommen. Zur zweiten Frage nach den Gründen für die Nachwuchsschwierigkeiten stellten die Studenten fest, dass für viele potentielle Interessenten außerhalb die Informationsmöglichkeiten nicht ausreichten. Die ‚Königsteiner Rufe’ würden zu allgemein über das Königsteiner Seminar informieren. Jedenfalls reichten diese Informationen nicht, um einen jungen Menschen zu begeistern. Die meisten Priester hätten entweder nur eine sehr vage oder gar keine Vorstellung von Königstein. Viele rieten davon ab,

Priesterausbildung

421

dort zu studieren, auch heimatvertriebene Priester – zum Teil aus Gründen des Lokalpatriotismus, zum Teil, weil sie an der Gründlichkeit der theologischen Ausbildung in Königstein zweifelten. „Hierzu möchten wir bemerken, dass die Erfahrungen unserer Außensemester diesen Zweifel gründlich widerlegen.“48 Der Hauptgrund für die Nachwuchssorgen bestand in den Augen der Studenten in der Tatsache, dass die Vertreibung schon zwölf bis 13 Jahre zurücklag, viele der Landsleute sich im Westen eingelebt und den Gedanken an eine Rückkehr aufgegeben hätten. Königstein habe sich also aufgrund des Integrationsfortschrittes überlebt. Vorstellungen der künftigen Abiturienten über die Heimat wurden immer blasser. Zur dritten Frage, ob die Studenten in Königstein genügend auf die Begegnung mit dem Kommunismus, also auf den Tag X vorbereitet würden, merkten sie an, dass sie zwar einige Vorlesungen über ostdeutsche Kirchengeschichte und Osttheologie hören konnten, das Wesentliche ihnen aber fehlte, nämlich die Vorbereitung auf die Begegnung mit den vom Kommunismus beeinflussten und geprägten Menschen. „Auch wenn unser Blick nur bis an die Grenzen der alten Heimat geht, so müssten wir auch dann für diese Begegnung getröstet sein. Ja, schon die Wiedervereinigung mit der SBZ kann diese mit sich bringen. Ferner ist es nicht unmöglich, dass der Kommunismus auch uns hier im Westen überrollt. Einzelne Vorträge, z.B. bei der Theologentagung, können diese Aufgabe nicht erfüllen und die Privatinitiative reicht erfahrungsgemäß nicht weit.“49 Die Studenten forderten, wie es von manchen westdeutschen Seminaren her bekannt war, Vorlesungen über den dialektischen Materialismus. Diese Vorlesungen sollten durch praktische Seminarübungen vertieft werden. Konnte der Ostgedanke im herkömmlichen Sinn noch tragendes Motiv des Königsteiner Seminars sein? Die Studenten bezeichneten diese Intention als das Kernproblem, zumal doch viele von ihnen an der alten Vorstellung über eine Rückkehr in die Heimat zweifelten – auch das ein deutliches Indiz für die vorangeschrittene Integration der Vertriebenen 13 Jahre nach der Vertreibung.50 Die Studenten wurden sehr deutlich in Bezug auf den Tag X. Sie warnten davor, dieses Bild inhaltlich allein mit der Rückkehr in die deutschen Ostgebiete zu füllen: Denn vertrete Königstein die

48 49 50

Ein dreiseitiger Brief, des Sodalenkreises vom 3. Juli 1958 an Kindermann, in KZG 3298. Ebd., S. 2. „Zu lange Zeit ist schon verstrichen. Unsere Landsleute haben sich im Westen eingelebt. Besonders jene, die für eine spätere Neusiedlung in Frage kämen. Die Alten, die Bauern, die noch im Boden verwurzelt sind, können diese Aufgabe einmal nicht mehr übernehmen. Sie glauben nicht an eine geschlossene Rückkehr der Schlesier, Sudetendeutschen usw.; wir denken vielmehr im besten Falle an eine langsame mühevolle Neubesiedlung. Dieses Problem wird von Jahr zu Jahr schwieriger, zumal da andererseits unsere alte Heimat von ostischen Völkern besiedelt wird. Zeit schafft Recht, man kann nicht Unrecht mit Unrecht vergelten und diese Menschen wieder vertreiben. Auch von diesem Gesichtspunkt her gesehen, käme also eine geschlossene Rückkehr nicht in Betracht. Fallen demnach hier die Schranken, so wird es eine langsame Neubesiedlung sein müssen, die vom ganzen deutschen Volk getragen wird, nicht ausschließlich Verpflichtung der Heimatvertriebenen sein kann. Es müssten also auch Einheimische für den Osten bereit sein.“ (Ein dreiseitiger Brief des Sodalenkreises vom 3. Juli 1958 an Kindermann, in KZG 3298, S. 2f.).

422

Abschnitt V

These, sich allein für diesen Fall rüsten zu müssen, dann werde es unvermeidbar sein, dass man mit dem Vorwurf konfrontiert würde, in Königstein rede man von Religion und meine Politik, meine Kampf für das Deutschtum. So sei es auch gefährlich, sich allzu vorbehaltlos hinter die Konzeption einiger Bundestagsabgeordneten zu stellen, die für den Tag der Rückkehr die Pläne schon ausgearbeitet hätten.51 Vom Tag X dürfe man also nur sprechen, wenn man auch die Möglichkeit einer Ostmission ins Auge fasse, ohne die Rückgabe der deutschen Ostgebiete. Nur dann auch könne der sogenannte Ostgedanke weiterhin tragendes Motiv des Königsteiner Seminars sein. „Wir glauben eher an eine Aufgabe und Sendung Königsteins, die weiter hineinreicht in den Osten; wir müssten unseren Blick weiten, praktisch Missionsseminar für den Osten werden. Etwas Derartiges fehlt in Deutschland. Als Missionsseminar wäre auch der Nachwuchs nicht nur auf die Heimatvertriebenen beschränkt, vielmehr könnten junge Menschen aus ganz Deutschland sich auf dieses Ziel vorbereiten.“52

51

52

Ebd., S. 3. „Diese erwarten von uns kaum, dass wir im Osten vor allem für die religiösen Belange eintreten, sondern dass wir gegen die Polen und Tschechen das Deutschtum stärken. Um diesen Vorwurf zu entgehen, wäre es sicher angebracht, sich auch für den Tag der freien Religionsausübung vorzubereiten.“ Ebd.

Priesterausbildung

4.

423

Eine kontinuierliche Aufgabe: Rechtfertigung der Existenz von Hochschule und Priesterseminar

Eine deutliche Anfrage formulierte der Limburger Bischof Kempf 1954 an die Ausrichtung und damit an die Berechtigung der Königsteiner Philosophisch-Theologischen Hochschule. Zur Aussprache eingeladen war der gesamte Lehrkörper der Hochschule. Kindermann war dabei übersehen worden, weil man ihn für den Leiter in Königstein hielt und nicht auch als Mitglied des Lehrkörpers der Hochschule wahrgenommen hatte. Die grundsätzliche Anfrage richtete sich auf die Zielsetzung, die jungen Priester für den Tag X, also für eine eventuell mögliche Rückkehr in die Heimat, auszubilden. Wurde mit dieser Intention nicht die berechtigte Integration in die Aufnahmediözesen verhindert? Nicht in Zweifel gezogen wurde die Berechtigung des Gymnasiums, das Jungen aus der Diaspora zum Abitur führte; unterstrichen wurde ebenso die Notwendigkeit, eine Ostakademie zu gründen, wo die Theologen in den Ferien jährlich Kurse mitmachen sollten. Auf diesem Hintergrund legte der Bischof den Professoren drei scharfe Fragen vor: „Glauben Sie, dass in Königstein eine künstlich erzeugte Heimatlosigkeit anerzogen wird?“ 2. „Können Sie dafür entsprechende Gründe ins Feld führen?“ und 3. „Wenn ja, wer kann die Verantwortung dafür übernehmen?“53 Auch die beteiligten

53

KZG Bonn. Archiv Königstein, 3350. Die prägnanten Fragen hielt das Protokoll so fest: „Die heranwachsende Generation hat kaum ein Heimatgefühl mehr (sc. für die alte Heimat). – Eine echte Beheimatung ist aber notwendig. Aus diesen Tatsachen ergeben sich bzgl. der Bestrebungen von Königstein folgende Überlegungen: a) Ist es nicht eine ungeheure Verantwortung, wenn die echte Beheimatung der jungen Generation gestört, bewusst verhindert wird durch den Hinweis auf den Tag X, der vielleicht für diese Generation gar nicht und überhaupt niemals kommt, wenn also die junge Priestergeneration bewusst heimatlos gehalten oder gemacht wird? Für die Vertriebenen ist die Heimatlosigkeit Kreuz und Prüfung. Sie können ihr nicht entgehen. Für die neue Generation, die hier heranwächst, kann das nicht in gleicher Weise gesagt werden: Sie kennt das Geschehen nicht mehr aus eigenem Erleben. Sie hat hier schon Wurzeln geschlagen. Sie spricht hessisch und fühlt sich nicht fremd in der Schule, im Gymnasium. Sie könnte also nach dem Abitur natürlicherweise beheimatet werden in der Diözese. Die St. Albert-Schule ist so notwendig, dass darin kein Problem gesehen wird; Sammlung der Jungen aus der Diaspora! Aber wenn sie dann Abitur gemacht haben, wohin sollen sie nun gehen? An wen sich wenden? Wenn sie noch einen Kapitelvikar haben, ist die Frage gelöst. Andere sind im Zweifel, wohin sie sich wenden sollen. Das Beste wäre doch, die Diözese, wo der Betreffende wohnt. Kann man den jungen Menschen hindern, in der Diözese Wurzeln zu fassen? Kann man ihm nun sagen: „Du sollst und darfst hier nicht beheimatet werden. Dein Blick muss auf den Osten gerichtet sein?“ Die Frage: „Sind die Gründe groß und wichtig genug, von einer ganzen Priestergeneration verlangen zu können, dass sie evtl. ein ganzes Leben lang, also immer, heimatlos bleibe? Gewiss verstehe ich, dass Traditionsträger der alten Heimat zu sein ein Anliegen ist und ein berechtigtes, aber das wird bereits in der St. Albert-Schule besorgt. Es könnte weiter durch Grün-

424

Abschnitt V

Limburger Domkapitulare unterstrichen, dass die pure Existenz von Königstein das Gefühl der Beheimatung behindere. An der Aussprache beteiligten sich auf Königsteiner Seite Rektor Groß, die Professoren Janko, Matern, Hadrossek54 und Bitterlich. Dokumentiert ist allein die Argumentation von Bitterlich, die dahin geht, dass das zehnsemestrige Studium in einer bestimmten Diözese das Einleben der angehenden Priester sehr erleichtern könne, aber nicht genüge, dem Priester eine echte Heimat zu geben. Ein Preuße werde in der Diözese München ein Preuße bleiben, auch wenn er zwanzig Semester dort studiere. Die Vertriebenen würden immer eine gewisse Fremdheit empfinden, auch wenn der Theologe sein gesamtes Studium in der Aufnahmediözese absolviere. Zur Beheimatung gehöre mehr als nur das Studium; entscheidend sei, dass der Bischof den Priester wie ein Vater aufnehme, dass der Klerus der Diözese auch im Schlesier oder Sudetendeutschen wirklich den Mitbruder sehe. Bitterlichs Argumentation übersah freilich die grundlegende Annahme des Limburger Bischofs, dass die jüngere Generation sich bereits wesentlich integriert habe (‚Sie spricht hessisch‘). Der Bischof hatte klare Anfragen gestellt, ließ aber angesichts des deutlichen Widerstands der Königsteiner Professoren von einer Entscheidung ab. Das Protokoll vermerkte, er anerkenne die Auffassung der Heimatvertriebenen, dass sie alle im Königsteiner Seminar ihr Diözesanseminar erblickten und dafür größte Opfer zu bringen seien. Die Probleme, so Domkapitular Karell, erledigten sich suo tempore von selbst. Die Zeitspanne freilich sollte noch 24 Jahre betragen. Die Königsteiner Professoren gingen mit der deutlichen Zusage des Bischofs heim: „Sagen Sie Ihren Theologen, sie sollen sich so betrachten, als gehörten sie zu der Diözese. Sie sollen sich auch bereit zeigen, einen höheren Posten anzunehmen. Ich bin bereit, die Königsteiner Theologen, die sich bei mir melden, aufzunehmen. Ich inkardiniere sie, damit sie in meiner Diözese Heimat haben, dass ihr Gehalt, ihre Altersversorgung geregelt sei, aber ich entlasse sie, wenn sie für den Osteinsatz gebraucht werden.“55 Die Haltung des Limburger Ordinariates 1954 mag auch ein Indiz dafür sein, wie relativ rasch man Integration für vollzogen und gelungen hielt – zumindest in kirchlichen Kreisen.56

54 55 56

dung einer Ostakademie vertreten werden: die Theologen sollen in den Ferien jährlich Kurse mitmachen und nach der Priesterweihe etwa zwei oder auch vier Semester besonders geschult werden. Ich würde jenen Theologen oder Neupriestern, die sich für diese Aufgaben interessieren und darum ersuchen, gern die Zeit für den Besuch dieser Akademie frei geben und mit den anderen Bischöfen müsste darüber eine Vereinbarung getroffen werden.“ Besprechung im Ordinariat Limburg am 14. Mai 1954, Protokoll 2 S. masch., Zitat S. 1. Paul Hadrossek (1912 – 1971); vgl. Nachweise zu den Dozenten auf S. 448. Protokoll der Besprechung, S. 2. Der Limburger Kapitularvikar Rauch hatte 1947 angesichts von etwa 100 Studenten in Königstein die in den zwei ersten der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen angeschlossenen Kursen weiter studieren konnten und den Ausschlag gaben, in Königstein eine eigene Hochschule zu errichten, noch die Gründe für die Errichtung einer eigenen PhilosophischTheologischen Hochschule in Königstein sehr ausführlich dargelegt. Da hieß es, dass durch die

Priesterausbildung

425

1957 existierte offensichtlich bei den Schlesiern ein Plan (gemäß einem Schreiben von Prof. Scholz an Regens Piekorz), die Hochschule nach Fulda zu verlegen. Vermutlich war hier an Synergieeffekte gedacht. Kindermann aber wies solche Pläne und Vorhaben entrüstet zurück.57 Wie ein roter Faden begleitete die Frage nach der Daseinsberechtigung eines eigenen Seminars für die Osttheologen die Existenz der Königsteiner Anstalten. Die Argumentation sei an einem Beispiel verdeutlicht, nämlich an der Würdigung Kruschinas bzgl. der Situation des Priesterseminars, die er bei der Mitgliederversammlung des AMK am 28. Juni 1966 vortrug. „Regens Dr. Kruschina nahm Stellung zu der von verschiedenen Seiten gebrauchten Behauptung, die Studenten der Theologie müssten zur besseren Eingliederung und Eingewöhnung in ihre spätere Seelsorgsarbeit in den einzelnen Diözesanseminarien erzogen werden. Er wies darauf hin, dass er sowohl aus der eigenen Erfahrung seiner langjährigen Seelsorgstätigkeit und seiner Mitarbeit in einem Diözesanseminar, wie auch aus häufigen Gesprächen mit Dekanen und Seelsorgern immer wieder festgestellt habe, dass die Theologen, die aus dem Königsteiner Seminar kamen, sich sehr schnell in die jeweilige Seelsorgssituation eingewöhnt hätten, vielfach schneller und leichter als solche, die von Anfang an in den Diözesanseminarien waren. Da er erst vor kurzer Zeit aus einer anderen Diözese nach Königstein gekommen sei, könne er aus seiner eigenen Erfahrung und aus Gesprächen mit anderen Seelsorgern bestätigen, dass die von Königstein kommenden Theologen eine gediegene und umfassende Ausbildung mitbrächten, die sich durchaus mit jener an anderen Anstalten messen könne.“58 Auch der Limburger Domkapitular Prälat Karell wies darauf hin, dass die ursprüngliche Ansicht vieler Bischöfe, das Priesterseminar Königstein werde sich im Lauf der Zeit von innen her auflösen und von seiner Zielsetzung her überflüssig wer-

57 58

Ausweisung den katholischen Theologen aus den Gebieten des Ostens und Südostens ihre Ausbildungsstätten genommen wurden, weil sie die theologischen Fakultäten zu Prag, Breslau und Braunsberg sowie die Philosophisch-Theologische Hochschule zu Leitmeritz und Weidenau verloren hatten. Es sei nicht möglich, alle Theologiestudenten aus vertriebenen Familien an anderen theologischen Ausbildungsstätten Westdeutschlands unterzubringen. Man brauche also eine eigene Sammelstätte für Theologen aus dem Kreis der Heimatvertriebenen. Aber es wurde nicht nur das Argument der Logistik angeführt, sondern auch die inhaltliche Spezifizierung in der Ausbildung dieser Theologen. Sie sollten für besondere Seelsorgsaufgaben später zur Verfügung stehen, nämlich unter den katholischen Heimatvertriebenen in der Diaspora. Dafür brauche es eine spezifische Ausbildung. Wäre die nicht gewährleistet, dann stehe zu befürchten, dass der für die genannte Aufgabe notwendige Priesternachwuchs nicht vorhanden sei. Schließlich verwies Rauch auf die Unterstützung führender Kreise der katholischen Heimatvertriebenen aus allen Zonen, die eine eigene Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein begrüßten, befürworteten und ihre Unterstützung zusagten. KZG Bonn, Archiv Königstein, 3350, Schreiben von Kapitularvikar Rauch betreffend der Errichtung einer kirchlichen PhilosophischTheologischen Hochschule in Königstein, 2 S. masch. So eine kurze Notiz Kindermanns vom 9. September 1957, KZG Bonn. Archiv Königstein, 3350. Protokoll der 19. Ordentlichen Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. am 28. Juni 1966, 4 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/6, Zitat S. 2.

426

Abschnitt V

den, nicht mehr vertreten werde. Man sehe im Episkopat die Existenz des Priesterseminars und der Hochschule Königstein als durchaus berechtigt an. Es stehe von dieser Seite nichts im Weg, dass auch Studenten aus einheimischen Familien in das Königsteiner Seminar einträten. Unterstrichen wurde von Karell, wie auch vom Königsteiner Prof. Matern, der gute Geist, der im Königsteiner Seminar herrsche.

Priesterausbildung

5.

427

Misstrauen der Leitung schmälert die Identifikation des Lehrkörpers mit den Aufgaben Königsteins?

Die Unsicherheit über die Zukunft Königsteins war ein kontinuierlicher Begleiter. Die Unsicherheit resultierte aus der Infragestellung der Philosophisch-Theologischen Hochschule als eigenständige Lehr- und Bildungsanstalt für die Vertriebenen durch die Einheimischen. Eine abwartende, von Ungewissheit geprägte Einstellung der Professoren resultierte aber auch aus dem Führungsstil des Leiters des sogenannten Vaterhauses der Vertriebenen in Königstein, des Prälaten Kindermann. Das zeigte sich zuletzt in sich lange hinziehenden Sondierungen, Überlegungen und auch Auseinandersetzungen zur Klärung der Gehaltsfrage der Professoren. Da manifestierte sich ein tiefes Misstrauen, das der Leiter seinen Mitarbeitern entgegenbrachte. Die Professoren sollten ein besonderes Opfer bringen. Sie sollten nicht das volle Gehalt der vergleichbaren Kirchlichen Hochschule in Fulda beanspruchen, weil sie ja aus Opfermitteln der Vertriebenen besoldet wurden. Sie mussten aber andererseits auch angemessen honoriert werden, sollte nicht Königstein für die Dozenten jegliche Attraktivität verlieren. In diesem Sinne bemühte sich Prof. Scholz als Rektor 1955/56 um eine Erhöhung der Professorengehälter auf 85 % des Satzes, der den Dozenten in Fulda bezahlt wurde. Aber selbst als Rektor konnte Scholz keine detaillierte Einsicht nehmen in die Planungen des Leiters von Königstein. Als er in der Verwaltung Erkundigungen für das kommende Jahr über die Höhe der Hochschulgehälter einzog, wurde er von Kindermann scharf gerügt. Der Rektor sei nicht befugt, bei der Verwaltung Erkundigungen über die Höhe der Hochschulgehälter einzuziehen, so Kindermann in einem Gespräch mit Scholz.59 Scholz fand es wohltuend, dass inzwischen Kindermann nicht mehr alleiniger Vorstand Königsteins war, sondern ein dreiköpfiges Gremium, zu dem auch Domkapitular Zischek gehörte, der den Wünschen der Professoren volles Verständnis entgegenbrachte.60 Scholz war offensichtlich froh, dass er als Rektor einen verständnisvollen Gesprächspartner im Vorstand gefunden hatte.61

59 60

61

Vgl. eine Notiz über die Besprechung von Scholz und Kindermann am 18. Januar 1956, Gesprächsprotokoll, 2 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, 3350. Vgl. Schreiben Zischeks an Scholz vom 14. Dezember 1955, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3350. „Es ist klar, dass es bei den bisherigen Bezügen nicht bleiben kann. Ob wir jedoch sofort den Sprung auf die vorgeschlagene Höhe werden wagen dürfen, wird zum allergrößten Teil von der Gesamtfinanzlage abhängen.“ Schreiben Scholz an Zischek vom 16. Dezember 1955, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3350. „Für mich bedeutet die schnelle und so verständnisvolle Beantwortung, die Sie meinen Schreiben zukommen lassen, wirklich eine recht freudige Überraschung. Schriftlich lassen sich freilich manche Anliegen nur recht dürftig andeuten. Umso mehr freue ich mich, einmal die grundsätzlichen Fragen über Sein und Nichtsein der Hochschule mit Ihnen besprechen zu können (Der Satz ist in der Quelle grammatikalisch falsch). Angesichts der Verwendung der Mittel muss ja immer

428

Abschnitt V

Ausführlich diskutiert wurde die Besoldung der Professoren auf der Jahresversammlung 1956, nachdem Scholz in der Hochschulversammlung entsprechend initiativ geworden war: Sollten die Professoren nach dem Angestelltentarif bezahlt werden oder in Anlehnung an die Besoldungsordnung für die Professoren der Hochschule in Fulda? Kindermann schwankte zwischen den beiden Modellen, tendierte aber zur Fuldaer Ordnung, da er bei der TOA Befürchtung hatte, 13 Monatsgehälter zahlen zu müssen und die Besoldung mit den Preisen gleite. Ordinariatsrat Demandt62 erhob die Stimme für die Professoren und unterstrich, dass den Dozenten vor allem eine klare Grundlage als Ausgangspunkt für die Besoldung wichtig sei. Sie wünschten an der TOA festzuhalten, die ihnen von Anfang an zugesichert worden sei. Man könne nicht eine ursprünglich vereinbarte Grundlage nachträglich und einseitig einfach absprechen. Zudem seien die Gehälter, weil man 30 % als Opfer für Königstein abzöge, nicht ungebührlich hoch. „Prälat Dr. Kindermann glaubte aus Gewissensbedenken nicht mehr auf die Kanzel gehen und für Königstein betteln zu können, wenn solche Gehälter bewilligt würden. Demgegenüber betonte Ordinariatsrat Demandt, dass ein gerechter Arbeitslohn gerade von der Kirche zu zahlen sei und erwartet würde. Das würden gewiss auch alle Spender gern bewilligen. Es handele sich ja nicht um luxuriöse Generaldirektorengehälter. Bei der Hochschule komme nach dem noch nicht verabschiedeten Haushaltsplan eine Erhöhung der Ausgaben von 54.000,- DM auf 82.000,- DM .in Betracht, was im gesamten Rahmen tragbar sei. Die Wohltäter von Königstein würden an normalen Gehältern keinen Anstoß nehmen, eher wohl, wenn man sie durch das Haus der Begegnung führe.“63 Im Verlauf der Diskussion verlegte sich Kindermann immer stärker auf die die TOA ablehnende Position, letztlich mit der Begründung, die Dozenten von Königstein hätten keinen Anspruch auf die TOA, weil nur er selbst Universitätsprofessor sei, die anderen aber nicht. Daraufhin unterstrich Domkapitular Karell von Limburg, dass das bischöfliche Ordinariat Limburg eine höhere Meinung von den Königsteiner Dozenten habe als Dr. Kindermann. Das Ergebnis war ein einstimmiger Beschluss der Versammlung, den Dozenten spätestens

62 63

die Frage nach der Rangordnung der Vereinsaufgaben unausgesprochen mitbeantwortet werden. Die Hochschule hat dabei das selbstverständliche Interesse, dass alle für die Sicherung eines echten Hochschulcharakters erforderlichen Ausgaben vor anderen einen gewissen Vorrang haben. So glaube ich aus § 3 der Satzung schließen zu dürfen. Der Hochschulkonferenz und dem Rektor ist keinerlei Einblick in das Geschäftsgebaren des e.V. gegeben. Das hat sicher auch seine Vorzüge. Umso beruhigender ist für uns das Bewusstsein, im Vorstand ein Organ zu haben, das einen der Gesamtlage entsprechenden, tragbaren Ausgleich der von den verschiedenen Zwecken geforderten Aufwendungen verbirgt. Wir werden in dieser Hinsicht seitens der Dozentenschaft immer nur Vorschläge vorlegen können, die allerdings auch in sich ihr Eigengewicht haben. Wie ich gestern auch Herrn Prälaten Dr. Kindermann sagte, sind diese Vorschläge die Frucht eines langen und mühsamen Studiums und mancher Rücksprache mit Universitätsprofessoren, die es mit Königstein gut meinen, aber doch überzeugt sind, dass eine Hochschule – alle Opferbereitschaft eingerechnet – beim heutigen Mangel an Lehrkräften sich zum Siechtum verurteilt, wenn sie unter dem vorgeschlagenen Satz bleibt.“ Demandt war als Leiter der Versorgungskasse der pensionierten vertriebenen Geistlichen Fachmann für Besoldungsfragen. Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, S. 12.

Priesterausbildung

429

ab 1. April 1956 das Gehalt nach der jeweils geltenden TOA zu bewilligen. Dabei sollte eine mindestens 30 %-ige oder noch höhere Kürzung entsprechend der Wirtschaftslage des e.V. mit jedem einzelnen Dozenten in einer Sondervereinbarung geregelt werden.

430

Abschnitt V

6.

Die Grundordnung der Hochschule64

Trotz der Vorläufigkeit, in der die Hochschule gehalten wurde, gab sich diese eine Grundordnung, die am 20. Februar 1956 unterzeichnet wurde. Die Hochschule sollte gemäß ihren Bestimmungen, die in der Satzung des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg Königstein niedergelegt waren und auch gemäß dem § 1 ihrer Grundordnung dem heimatvertriebenen Priesternachwuchs eine Ausbildung vermitteln, die den besonderen Zeitaufgaben, die auf diesen Priesternachwuchs zukämen, gerecht werden sollte.65 Dafür waren neun ordentliche Lehrstühle eingerichtet worden – für Philosophie, Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte, Altes Testament, Neues Testament, Dogmatik, Moraltheologie, Kirchenrecht und Pastoraltheologie. Für spezielle Bereiche und Einzelaufgaben wurden jeweils Lehraufträge erteilt.66 Das Aufsichtsrecht über die Hochschule kam dem Bischof von Limburg zu – sowohl für die Verwaltung wie für den Lehr- und Studienbetrieb. Nach Vorschlag der Hochschulkonferenz ernannte er den Rektor der Hochschule im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz. Ebenso ernannte und entließ er die ordentlichen Mitglieder des Lehrkörpers. Die Hochschule hatte sich eine Rektoratsverfassung gegeben. Leiter war also ein Rektor, jeweils für ein Jahr gewählt. Der Rektor hatte die Aufgabe, die Hochschule nach außen zu vertreten, für die Einhaltung der Studien- und Prüfungsordnung und der Konferenzbeschlüsse zu sorgen. Er musste jährlich den Etatvoranschlag vorlegen und die Interessen der Hochschule und des Lehrkörpers in den verschiedenen Abteilungen der Königsteiner Einrichtungen wahrnehmen. Innerhalb der Hochschulkonferenz, wo die Angelegenheiten der Hochschule kollegial verwaltet wurden, war der Rektor Primus inter pares, wobei stimmberechtigte Mitglieder der Hochschulkonferenz die ordentlichen Lehrstuhlinhaber waren. Ein nebenamtlich tätiger Lehrbeauftragter war nur mit beratender Stimme an den Sitzungen beteiligt. Die Hochschulkonferenz hatte das Vorschlagsrecht für die Neubesetzung von Lehrstühlen und musste in allen Fragen entscheiden, welche die Satzungen, die Studien- und Prüfungsordnung, die Erteilung von Lehraufträgen, das Vorlesungsverzeichnis, den Etatvorschlag und grundsätzliche Bibliotheksfragen betrafen.67 Wenigstens am Beginn und am Ende des Semesters fanden Hochschulkonferenzen statt.

64 65 66

67

Die Angaben aus KZG Bonn, Archiv Königstein, 3299. Grundordnung für die Philosophisch-Theologische Hochschule Königstein, Taunus. Diözesanarchiv Limburg 16A/3, 8 S. masch. Vgl. die Grundordnung für die Philosophisch-Theologische Hochschule Königstein/Ts., KZG Bonn, Archiv Königstein, Nr. 3382. Die Grundordnung datiert auf den 19. Juni 1956, umfasst 7 S. masch. und ist unter Nr. 23 im Anhang dokumentiert. Vgl. Grundordnung § 10.

Priesterausbildung

431

Die Verhandlungen der Hochschulkonferenzen mussten protokolliert und die Niederschriften jeweils genehmigt werden. Nach § 15 der Grundordnung konnten in den Lehrkörper als Professoren nur Geistliche berufen werden, die ihr Doktorexamen mit gutem Erfolg abgelegt, sich an einer Fakultät habilitiert oder ihre fachliche Eignung durch wissenschaftliche Arbeiten erwiesen hatten. Laien konnten allenfalls einen Lehrauftrag erhalten. Die Glieder des Lehrkörpers sollten nach § 18 in Kongruenz mit § 3 der Satzung des AlbertusMagnus-Kollegs Königstein möglichst aus den Reihen der Heimatvertriebenen kommen. Das Verhältnis der Philosophisch-Theologischen Hochschule zum Trägerverein Albertus-Magnus-Kolleg wurde in den §§ 20 bis 22 geregelt. Dort heißt es, dass die Hochschule zu den Anstalten des Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. gehöre. Der Verein bot die finanzielle und wirtschaftliche Grundlage für die Hochschule. So hatte auch die Satzung des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg im § 3 bei der Angabe der Hauptaufgaben des Vereins an erster Stelle Hochschule und Priesterseminar stehen.68 Im Verein mit der Hochschule diente das Priesterseminar der Heranbildung vor allem des ostdeutschen Priesternachwuchses. So wollte die Grundordnung eine wechselseitige Unterstützung in der Arbeit an diesem gemeinsamen Ziel von Priesterseminar und Hochschule erreichen. Deswegen bestimmte auch der § 22, dass der Regens des Priesterseminars, wenn er nicht zum Lehrkörper der Hochschule gehörte, trotzdem zu allen Sitzungen als stimmberechtigtes Mitglied eingeladen werden sollte. Diese enge Verflechtung hatte ihre Auswirkung auch auf die Studierenden, wenn § 26 vorsah, dass die Entlassung aus dem Priesterseminar auch die Entlassung von der Hochschule zur Folge hatte. Der Lehrplan richtete sich nach den Vorschriften der Apostolischen Konstitution ‚Deus scientiarum dominus‘. Er war auf zehn Semester berechnet, nach den Vorgaben des sogenannten Jaegerplans, wobei in den ersten Semestern schwerpunktmäßig die Sprachen, Kirchengeschichte, ebenso Alttestamentliche und Neutestamentliche Einleitung und Exegese und selbstverständlich die Philosophie und Philosophiegeschichte doziert wurden. Im Hauptstudium dominierten die systematischen Fächer Fundamentaltheologie, Dogmatik, Moraltheologie und Sozialethik. Spezifisch für die Ostausrichtung der Hochschule dienten die Ostmitteleuropäische Kirchengeschichte, die

68

Im § 3 heißt es: „Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinn der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 und zwar will er insbesondere jungen, vor allem heimatvertriebene Katholiken, die Möglichkeit geben, Priester zu werden, indem er eine Philosophisch-Theologische Hochschule mit Theologenkonvikt (Priesterseminar), ein Gymnasium (Bischof Neumann-Schule) mit Schülerkonvikt und eine höhere Schule für Spätberufene unterhält. Weiter will er heimatvertriebene Priester geistig, wie auch nach Möglichkeit caritativ betreuen (Priesterreferat). Außerdem bezweckt der Verein die Herausgabe religiösen Schrifttums. Die Herausgabe von Zeitschriften verfolgt ausschließlich und unmittelbar diese Zwecke.“ (Neufassung der Satzung beschlossen von der Mitgliederversammlung am 22. April 1969, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3382, 3 S. masch., Zitat S. 1). Vgl. Dokument Nr. 32 im Anhang.

432

Abschnitt V

im ersten und zweiten Semester einstündig gehört werden musste, und die Orthodoxe Theologie, die in fünf Semestern, nämlich im ersten und zweiten und vom sechsten bis zum neunten Semester jeweils einstündig zu hören war.69 Freilich wollte man die Verbindung nicht nur zwischen Priesterseminar und Hochschule pflegen, die naturgemäß eine sehr eng kooperative sein musste, sondern auch zwischen dem sogenannten Oberhaus und Unterhaus, also zwischen der BischofNeumann-Schule und der Hochschule sowie dem Priesterseminar. Daher trafen sich die Herren des Kollegiums der Bischof-Neumann-Schule, des Konvikts sowie der Hochschule und des Seminars einmal im Semester zu einem kollegialen Beisammensein, zu einem Abend zum Kennenlernen und zur Aussprache.70

69 70

Die Studienordnung nach dem Jaegerplan ist im Dokumentenanhang als Nr. 24 beigefügt, ebenso eine korrespondierende Prüfungsordnung als Nr. 25. Vgl. etwa das Einladungsschreiben des damaligen Rektors, Prof. Braunstein, am 2. November 1967, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3141. Dort heißt es: „Dieses Treffen bei einem Gläschen Wein möge zu persönlichem Kennen lernen beitragen und uns Gelegenheit geben, unser beiderseitiges Interesse an unseren Anliegen wachzurufen und wach zu halten. Wenn der Vorschlag Ihre Zustimmung findet, wollen wir in Zukunft durch ein Zusammensein an jedem ersten Montag des Semestermonats unsere Verbundenheit pflegen und zum Ausdruck bringen. Auch ist dabei an die Möglichkeit gedacht, bisweilen Sachfragen aus den verschiedensten Fachgebieten auszutauschen.“ Offensichtlich war es nicht ganz einfach, die Kontinuität dieser Veranstaltungen zu halten, denn in einem Schreiben des Rektors vom 7. Januar 1971 hieß es, dass der Oberschulrat, Dr. Borucki, seinen Wunsch nach mehr Austausch und gegenseitiger Information unterstrichen habe.

Priesterausbildung

7.

433

Hochschule und Öffentlichkeit

Wie weit war Königstein mit Hochschule und Priesterseminar und als ein Zentrum der Vertriebenenseelsorge in seiner Randlage in der Öffentlichkeit der Stadt präsent? Studenten und Dozenten nahmen an der jährlichen Fronleichnamsprozession teil; es gab ökumenische Kontakte – trotzdem herrschte in der Wahrnehmung der Presse der Eindruck vor, hier handele es sich um ein deutlich separiertes Viertel. Unterschiedliche Initiativen Königsteiner Dozenten versuchten wiederholt den Eindruck des Gettos zu zerstreuen. So wollte der Moraltheologe Paul Hadrossek mit einer Podiumsveranstaltung am 12. Januar 1971 zum Thema „Mitbestimmung heute“ einen Beitrag zu einer aktuellen gesellschaftlichen Debatte leisten. Diese Veranstaltung war denn auch der Königsteiner Zeitung einen Zweispalter wert.71 Unterstrichen wurde, dass auch einige Interessenten aus der Stadt der Einladung der Hochschule Folge geleistet hätten; viele sachbezogene Fragen aus dem Zuhörerkreis hätten eine rege Diskussion nach den Referaten ergeben. Die Frage nach der Gettoisierung Königsteins, nach der Abkapslung der Hochschule bzw. der Öffnung seit dem Beginn der siebziger Jahre, wurde im „Taunusboten“ vom 25. Februar 1971 thematisiert.72 Auch in diesem Artikel wurde ein neues Verhältnis der Hochschule zur Öffentlichkeit und zur Stadt Königstein konstatiert. Man habe die Öffnung aus dem Getto des Vertriebenenkatholizismus und des Antikommunismus hin zu einer offeneren Diskussion und zu ökumenischer Zusammenarbeit gefunden.73

71 72 73

Mit herkömmlicher Ethik unlösbar. Podiumsgespräch befasste sich mit Problemen der Mitbestimmung am 12. Januar 1971. Der „Taunusbote“ Nr. 47 vom 25. Februar 1971, S. 26, „Die Zeit der Abkapslung ist vorbei. Gewandeltes Bild der Königsteiner Hochschule.“ „Die Philosophisch-Theologische Hochschule Königstein führt am Rande der Stadt ein in sich geschlossenes Eigenleben, das ihr in der Bevölkerung den Ruf eines Vertriebenenghettos eingebracht hat. Dieses Urteil, entstanden aus der speziellen Situation der Hochschule bei ihrer Gründung durch katholische Vertriebene im Sommersemester 1947, hält sich hartnäckig. Die Ausrichtung auf Probleme der Vertriebenen wurde jedoch im Laufe der letzten Jahre abgelöst durch eine weitgesteckte Zielsetzung, die sich der Diskussion des Marxismus ebenso öffnet wie ökumenischer Zusammenarbeit. Gewandelt hat sich auch die Hörerschaft. Seit einigen Jahren werden Laientheologen aufgenommen. Seit Sommer 1970 auch weibliche Hörer. Jede Lehrveranstaltung steht Gasthörern offen – auch nicht katholische Studenten sind immatrikuliert. Prägte bei der Gründung der Hochschule eine betont antikommunistische Haltung das Institut, so steht heute das Ziel im Vordergrund, durch möglichst weite Öffnung zu einer Verständigung mit den Nachbarvölkern im Osten beizutragen, wo immer dies möglich sei … Die Neubestimmung des Standorts der Hochschule wird deutlich im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1971, das in diesen Tagen erschienen ist. Das Bemühen um ökumenische Ausrichtung hat enge Verbindungen zur Lutherischen Hochschule in Oberursel entstehen lassen. Gastvorlesungen von

434

Abschnitt V

Die Selbstwahrnehmung in Königstein differierte von dieser Außenwahrnehmung als Getto der Vertriebenenseelsorge. Bereits in den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils unterstrichen die Königsteiner ihre ökumenische Offenheit, nicht zuletzt beim 16. Kongress ‚Kirche in Not’ 1966.74 Man wähnte sich im Einklang mit der Öffnung auf dem Konzil, sah im Kontext der neuen kirchlichen und auch politischen Hinwendung zum Ostblock eine Entwicklung, in der die Fachleute in Königstein gefragt sein könnten: Nicht zuletzt der damalige Rektor und Philosoph Eduard Kroker hoffte auf eine neue Fundierung des Gespräches mit dem Osten.75 Man spürte auch bei den Eltern, die ihre Kinder ins Internat schickten – und es waren 1966 295 Internatsschüler – ein wachsendes Interesse für die Fragen des Ostens, so unterstrich der damals bereits 15 Jahre amtierende Konviktsdirektor Klinger, dass für die besondere Zielrichtung Königsteins, also die Aufgeschlossenheit für den Osten und den Unterricht in slawischen Sprachen, ein ständig wachsendes Verständnis bei den Eingesessenen wahrzunehmen sei.76

74

75

76

Professoren und gemeinsame Studientage bei den Bildungsstätten tragen zur Intensivierung der bestehenden Beziehungen bei. Die Anpassung an gewandelte Anforderungen findet ihren Ausdruck in Seminarübungen, wie Interpretationen von Texten neomarxistischer Philosophen, Religion und Gesellschaft bei neomarxistischen Autoren. Die Vorlesungen in Soziallehre beschäftigen sich beispielsweise mit Geschichte und Gesellschaft bei Marx und Lenin (e. A., wobei die Behandlung solcher Themen noch keinen Aufbruch aus einer antikommunistischen Haltung signalisieren muss, sondern durchaus auch in apologetischer Weise erfolgen kann.) Die Öffnung der lange Zeit stark von der Umwelt abgekapselten Hochschule für jeden, der ihre Arbeit Interesse entgegenbringt, soll eine Reihe von öffentlichen Abendvorlesungen unterstützen, die ausdrücklich einen weiten Kreis außerhalb der Hochschule ansprechen wollen … Zur Begegnung der Hochschule mit der Bevölkerung der Stadt und der Umgebung gab es bisher nur recht spärlich Gelegenheiten. Die selbst gewählte Abgeschlossenheit soll nun vermehrten Kontakten weichen.“ Vgl. den ausführlichen Jahresbericht 1966 in KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, 6 S. masch., wo ausdrücklich hervorgehoben wird, dass der 16. Kongress ‚Kirche in Not’, der von einem besonderen ökumenischen Gedanken getragen gewesen sei, eine verstärkte Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden habe. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zusätzlich zur Berichterstattung in Fernsehen, Funk und Presse auch zweimal der Osservatore Romano ausführliche Darstellungen über die Königsteiner Arbeit gebracht hat. „Wünsche, Sorgen und Hoffnungen fasst Prof. Kroker unter dem Blickpunkt zusammen, dass mit der Verwirklichung des Konzils das Anliegen der Königsteiner Hochschule in der Sorge um die Menschen in der Bedrohung durch den Atheismus noch vertieftes Verständnis und Förderung von jenen Kreisen erfahren möge, die für die Kirche in Deutschland verantwortlich sind. Prof. Kroker verwies dabei auch auf die Entwicklung in Wirtschaft und Politik mit ihren notwendigerweise zunehmenden, ohne fundierte Kenntnis gar nicht realisierbaren, Kontakten zu den Ostblockländern. Das Gebot des Friedenswillens als das beherrschende Gebot der Stunde mache in der heutigen Situation eine ebenso von menschlicher Bereitschaft, wie von fester Ethik und Glaubensüberzeugung getragene Hinwendung zur Welt des Ostens zur Pflicht im Hinblick auf das Wohl aller Völker.“ (KZG Bonn, Archiv Königstein, S. 2). Vgl. den ausführlichen Jahresbericht 1966, KZG Bonn, Archiv Königstein, S. 3f. Gleichzeitig unterstrich Klinger, dass sich das Internatsleben erfreulich entwickelt habe mit der Umstellung auf die günstigeren Dreibettzimmer. Es konnten durch freiwerdende Räume Spiel-, Lese- und Gesellschaftszimmer eingerichtet werden, auch ein Kinosaal war im Entstehen. Freilich hatte

Priesterausbildung

435

Für die Außenwahrnehmung der Aktivitäten Königsteins sind nicht nur Meldungen und Berichte in den Zeitschriften des Ostblocks, vor allem auch in tschechischen Zeitschriften und Zeitungen anlässlich des jährlich stattfindenden Kongresses ‚Kirche in Not’ aufschlussreich. Sie spiegelt sich auch in der lokalen Presse im Umfeld Königsteins: Sie stellte, wie bereits mehrfach unterstrichen, die Einrichtungen als stark abgeschlossen und abgeschottet vor; gerade in den 60er und 70er Jahren wurde die Tendenz zur Ghettobildung wahrgenommen. Die kämpferische Stoßrichtung wurde nicht nur auf der weltanschaulichen, sondern auch auf der konfessionellen Ebene in der Presse thematisiert – Berichte in niedersächsischen Zeitungen sind dafür Indizien; sie sahen den konfessionellen Frieden durch die Aktivitäten Königsteins gefährdet. Die Ostpriesterhilfe wurde darin als eine Truppe des militanten Katholizismus bezeichnet, Kindermann in eine enge Verbindung zu den Jesuiten gebracht, die Anstalten in Königstein als päpstliche Anstalten bezeichnet – man baute die Angst auf, hier handle es sich um eine militante Rekatholisierung protestantischer Gebiete.77 Die Frage nach der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit war gekoppelt mit der nach der Notwendigkeit einer Hochschule in Königstein auch ein Vierteljahrhundert nach der Vertreibung. Um Studenten zu gewinnen und die Existenz zu plausibilisieren, erwog man manche Kooperationsmöglichkeit. Neue Möglichkeiten und Verbesserungen erhoffte sich Rektor Hadrossek auch durch das geplante Hochschulrahmengesetz der Bundesregierung, von dem ein erster Entwurf am 18. Dezember 1970 dem Deutschen Bundestag vorgelegt worden war. Man versprach sich eine eindeutigere Klärung der künftigen Stellung der Philoso-

77

man in der Schule auch mit der Zulassung von Externen – auch das unterstrich der Jahresbericht von 1966 – nur gute Erfahrungen gemacht. Sie seien gut aufgenommen worden und fühlten sich in der Gemeinschaft der anderen wohl. Hier ist der Übergang von der reinen Internatsschule zur extern-intern-gemischten Schule festzustellen, wobei sich dann sehr schnell die Tendenz zur überwiegend externen Schule zeigen wird. Vgl. dazu: Eintracht unter den christlichen Kirchen und ihre Gegner. Beiträge über die Zusammenarbeit der christlichen Bekenntnisse unter über die Versuche, die Eintracht zu stören, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 2, Februar 1955, S. 21-26. Die Interessen der Berichterstatter werden dort folgendermaßen charakterisiert: „Schon diese Tatsache dürfte genügen, um die Artikel und ihre Tendenz zu charakterisieren. Man will die gemeinsamen Gegner, die christlichen Kirchen voneinander trennen, um dann mit ihnen einzeln ein leichteres Spiel zu haben. Die Angriffe richten sich ausschließlich gegen die katholische Kirche, um so den Eindruck zu erwecken, dass man die Interessen der nichtkatholischen Christen vertritt.“ (21) Gleichzeitig versuchte der Artikel in den „Mitteilungen“, das Verhältnis der Gemeinsamkeit beider Konfessionen in der Vertriebenenbetreuung zu unterstreichen. Das brüderliche Verhältnis müsse umso höher bewertet werden, als beide Kirchen wissen und darauf achten, dass die Toleranz nicht zur religiösen Gleichgültigkeit degenerieren dürfe. Beide Bekenntnisse hätten die Folgerungen aus dem großartigen Gemeinschaftserlebnis im Dritten Reich, als beide Kirchen in gleicher Weise bedroht waren, gezogen. „Durch die Heimatvertriebenen und ihre Zerstreuung ist heute fast ganz Deutschland zur Diaspora für die eine oder andere Konfession geworden. Die Probe auf die Toleranz im guten Sinne aber haben beide Kirchen in dieser Zeit größter seelsorglicher Not vorbildlich bestanden. Umso verwerflicher aber ist jeder Versuch, dieses gute Verhältnis zu vergiften.“ (24).

436

Abschnitt V

phisch-Theologischen Hochschule. Das hieß für Fulda und Königstein vor allem auch eine Konzentration auf die Frage nach einem Verbund dieser Hochschulen mit örtlich nahe liegenden, akademischen Institutionen in Form von Integration oder Kooperation. Hadrossek erhoffte sich für Königstein aus dieser Diskussion um das neue Hochschulrahmengesetz und auch aus der Formulierung dieses Gesetzes manchen Gewinn für Königstein.78

78

Vgl. den Bericht des Rektors für das Jahr 1970/71, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166.

Priesterausbildung

8.

437

Die „Königsteiner Blätter“

Die „Königsteiner Blätter“ wollten als Beilage der „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ ein Forum für wissenschaftlichen Austausch und vertiefende Behandlung von Fragen sein, die die Vertriebenen, die Seelsorge und die Seelsorger betrafen. Mitte der 50er Jahre sah Kindermann die Notwendigkeit für eine Zäsur, für eine Umgestaltung der Mitteilungen, die eine relativ eigenständige wissenschaftlichen Beilage erhielten, ein Publikationsorgan der Dozenten der Königsteiner Hochschule auch. In den „Königsteiner Blättern“ Nr. 1, 1955, gab er einen Rückblick auf die zurückliegende Wegstrecke: „Seit fast acht Jahren erscheinen unsere „Mitteilungen“ für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten. Sie entsprachen einem Gebot der Stunde und waren ein Herzenswunsch des verstorbenen Bischofs Maximilian Kaller, der ihr Entstehen sichtlich förderte, aber ihr Erscheinen nicht mehr erlebte. Es war in den Jahren vor der Währungsreform nicht leicht, mit einer auch noch so bescheidenen Zeitschrift zu beginnen. Die Erlaubnis der Besatzungsbehörde war erforderlich. Vor allem aber war es mit dem nötigen Papier sehr schwierig.“79 Viele Fragen warteten auf Antwort und Klärung, weil sich mit der Vertreibung ein gewaltiger Erdrutsch, eine große Verschiebung ergeben hatte. Die Priester befanden sich, so die Einschätzung Kindermanns, in einer eigenartigen Rechtslage. Bei den meisten waren die persönlichen Verhältnisse sehr schwierig. Sie hatten fast alles verloren. Priestermangel herrschte allenthalben. Daraus erwuchs die Sorge um genügenden Priesternachwuchs. „Von all diesen Nöten und noch anderen dazu, die im Lauf der Zeit auftauchten, wollten die „Mitteilungen“ berichten und sie mittragen helfen. Sie haben es durch acht Jahre getan und möchten diesen priesterlichen Bruderdienst noch weiter tun.“80 Auf der materiellen Ebene sei in den ersten zehn Jahren nach der Vertreibung vieles geschehen. Manches sei auf der Gemeindeebene neu gewachsen. Kirchen sind neu gebaut worden. In den geistigen Auseinandersetzungen aber, so Kindermann, sei man mit den Problemen, die durch die Vertreibung entstanden sind, nicht viel weitergekommen. Der zeitliche Abstand könne in diesem Kontext fruchtbar wirken und eine bessere Einsicht in die Zusammenhänge und Hintergründe der Katastrophe Vertreibung ermöglichen. Daher sollten die Beiträge aus den „Mitteilungen“, die stärker dem theoretischen Anliegen dienen, in einer eigenen wissenschaftlichen Beilage zusammengefasst werden. Kindermann unterstrich, dass damit nichts Neues eingeführt, sondern lediglich der Inhalt der „Mitteilungen“ neu geordnet werde. „Allerdings wird damit zu verstärkter geistiger Mitarbeit aufgerufen, wie auch nunmehr unseren Lesern und Freunden eine größere Möglichkeit geboten werden kann, eigene wissenschaftliche Arbeiten geringeren Umfangs zu veröffentlichen. Die Beilage wird den Namen 79 80

Königsteiner Blätter I (1955), Nr. 1 bis 4, S. 1. Königsteiner Blätter I (1955), Nr. 1 bis 4, S. 1.

438

Abschnitt V

„Königsteiner Blätter“ tragen und vierteljährlich mit den „Mitteilungen“ erscheinen. Sie wird eigens nummeriert und kann deshalb auch getrennt von den „Mitteilungen“ abgegeben werden.“81 Zu diesen grundsätzlichen Klärungen gehörte bereits im ersten Jahrgang ein Beitrag von Paulus Sladek über die Notwendigkeit, ein richtiges Bild vom Menschen zu gewinnen und eine rechte Ordnung zwischen Einzelmensch und Gemeinschaft zu finden. Diesen Impuls griff Anton Krempel im zweiten Jahrgang auf, wo er über den kenternden Gemeinschaftsbegriff reflektierte.82 Sind die Gemeinschaften nur Ordnungseinheiten? Zweckausgerichtet? Dem Wohl der Persönlichkeit verpflichtet? Wie steht der Einzelne zur Gemeinschaft oder geht die Initiative vom Einzelnen aus? Person sein, als in Beziehung zu anderen treten? Damit war Krempel auch bei seinem eigenen Grundthema: Von Thomas von Aquin ausgehend formulierte er das Fazit: „Nein, die Personen ordnet Thomas der Weltordnung zwar ein, aber nicht schlechthin unter: „Der Weltallwert bildet nicht letztes Ziel des Menschen, sondern Gott.“ Insofern nämlich, als „die Personen Gott in besonderer Weise zum Endziel haben“; erkennend und liebend, was nur die Person vermag. So walten die Personen als Bindeglieder zwischen dem vernunftlosen All und Gott. Und sie werden ewig umso leuchtendere Bindeglieder sein, je untertäniger ihnen die verschiedenen Gemeinschaften, denen sie auf Erden angehörten, zu ihrem persönlichen Aufstieg verholfen haben. Dazu sind diese da.“83 In dieser Diskussion zwischen Sladek und Krempel wurde eine grundsätzliche Debatte um den Nationalismus und den Nationalsozialismus und deren Gemeinschaftsverständnisse und Gemeinschaftsideologien geführt. Die Diskussion barg aber auch ein gerüttelt Maß an Sprengstoff für manches Verständnis der Kirche, wurde doch mit dem Schlussplädoyer der Dienstcharakter der Kirche fundamental unterstrichen. Zu diesen grundsätzlichen Fragen gehörte weiter ein Beitrag vom Fundamentaltheologen Ernst Groß, ob Atheismus überhaupt möglich sei.84 Genauso wie eine Reflexion über die Frage, was katholische Weltanschauung sei.85 Zu den Orientierungen, die die „Königsteiner Blätter“ geben wollten, gehörten grundsätzliche Artikel mit Informationen über Fremdes, wie etwa eine Übersicht über Chinas Geschichte und Kultur von Thaddeus Hang.86 Im Fazit verglich Hang China

81 82 83 84 85 86

Königsteiner Blätter I (1955), Nr. 1 bis 4, S. 2. Anton KREMPEL, Der kenternde Gemeinschaftsbegriff – eine philosophische Untersuchung in thomistischer Schau, in: Königsteiner Blätter II (1956), Nr. 1, S. 1-9. Ebd., S. 9. Ernst GROß, Ist Atheismus überhaupt möglich? Ein Beitrag zum Problem des Gotterkennens, in: Königsteiner Blätter II (1956), Nr. 3 bis 4, S. 73-86. Joseph Maria NIELEN, Was heißt und was ist katholische Weltanschauung? Versuch einer Antwort auf die Frage, in: Königsteiner Blätter IV (1958), Nr. 1, S. 1-12. Thaddeus HANG, Chinas Geschichte und Kultur. Eine Übersicht und ein Vergleich, in: Königsteiner Blätter VII (1962), S. 31-54. Vgl. Thaddäus HANG, Die chinesischen Intellektuellen und das Christentum. In: Stimmen der Zeit 165 (1960), Heft 5, S. 321-334.

Priesterausbildung

439

und Europa in der jeweiligen kulturellen Tradition und fand eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Als eine Eigenart der europäischen Geistesentwicklung arbeitete er vor allem die aus Griechenland stammende systematische rationale Denkart heraus,87 wobei bei derartigen Zuweisungen immer übersehen werde, dass wir aus Griechenland sowohl die rationale Denkart wie die Mythologie als Erbe bekommen haben. Aufgrund dieser Tradition wollten die Europäer alles klar definieren und in eine klare Systematik bringen. Eine Vorliebe für die Methodologie des Denkens habe sich daraus entwickelt. „Mit dem Suchen nach den Denkmethoden und nach System dürfte also das Schicksal Europas zusammenhängen: Der systematische Geist kann zum Segen wie auch zum Fluch werden. Dieser Geist hat die Naturwissenschaft hervorgebracht, doch nicht selten auch die Wirklichkeit einer künstlichen Denkkategorie unterworfen, wie etwa Hegel und nach ihm Karl Marx es getan haben. Umso schlimmer für die Wirklichkeit, wenn sie mit einer solchen Denkkategorie nicht übereinstimmt! Die durch das Christentum befruchtete europäische Kultur ist in den modernen Zeiten in säkularisierter Form der ganzen Welt mitgeteilt worden. Die Naturwissenschaft und die Technik sind das, was die Welt von Europa vorbehaltlos übernommen hat. Gerade hier besteht der große Unterschied zwischen den Kulturschöpfungen Chinas und Europas. China hat wohl viele technische Erfindungen vorzuweisen, hat aber keine systematische Naturwissenschaft hervorgebracht; ihm fehlt deshalb die Voraussetzung zur modernen Technik.“88 In der chinesischen Geistesgeschichte sei es weniger um objektive Erkenntnis als um subjektive Bildung, also um eine moralische und ästhetische Formung des Menschen gegangen. Die schöpferische Leistung des chinesischen Geistes erstrecke sich auf Aphorismen und Kommentare, Gedichte und geschichtliche Darstellungen – weniger auf theoretisches, systematisches Wissen, als auf unmittelbare Wirkung auf Leben und Gemüt. Die chinesische Richtung als ein wertvoller Beitrag zu einer vollkommenen Humanität stelle den heutigen Menschen vor eine wichtige Aufgabe, nämlich die unterschiedlichen kulturellen Entwicklungen auf der einen wie auf der anderen Seite als eine Notwendigkeit zur gegenseitiger Ergänzung zu sehen. Ein solcher – exemplarisch herausgegriffener Appell an die Komplementarität zwischen Europa und China, zwischen slawischem Osten Europas und römischgermanischem Westen, zwischen katholischer und orthodoxer Liturgie war ein Standpunkt in Königstein, der immer einen Appell zu Offenheit für den Nachbarn, für das Andere, für die andere Kultur, für die andere Denkart beinhaltete. Es gab immer wieder Gestalten in Königstein wie einen Thaddäus Hang oder einen Anton Krempel, die nicht nur die Systeme westlichen Denkens aufzeigten und damit aufzubrechen versuchten, sondern damit direkt oder indirekt auch die Gefahr katholischen Denkens zur Systematisierung und Gettoisierung, zumindest indirekt, ansprachen und angingen.

87 88

Ebd., S. 52. Ebd., S. 52.

440

Abschnitt V

Die geistesgeschichtliche Entwicklung in Russland im 19. Jahrhundert skizzierte Luigi Peano in einem Beitrag über die Ekklesiologie von Chomjakov.89 Die Auseinandersetzung zwischen christlichem Westlertum und Slawophilentum zeichnete er auf, wobei das Slawophilentum vor allem durch sein Persönlichkeitsverständnis charakterisiert wird. Die Persönlichkeit wird idealisiert, im Bann der kirchlichen Mystik gezeichnet. Letztlich ist es also die Frage nach dem Ort und der Würde der lebendigen Erfahrung in der Ekklesiologie, die in der Auseinandersetzung mit der russischen Ekklesiologie des 19. Jahrhunderts in die Debatte eingebracht wurde. Letztlich wurde auch in diesem Beitrag die Frage nach der Art der Gemeinschaft der Kirche gestellt. Derartige Debatten sind folglich nicht nur im Hintergrund der politisch-ideologischen Auseinandersetzung, sondern auch der Vorbereitung theologischer Schritte auf das Zweite Vatikanische Konzil hin interessant. Durch einen ausführlichen Rezensionsteil waren die „Königsteiner Blätter“ immer auch Diskussionsforum für neuere Literatur gewesen. Ein sehr aussagekräftiges Beispiel ist eine ausführliche Besprechung von Joseph Weißkopf zu einer Festschrift „900 Jahre Leitmeritzer Domkapitel“, die auf tschechisch und deutsch erschienen war, deren vielfältige Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten Weißkopf in seiner ausführlichen und detaillierten Kritik ansprach.90 Die letzten beiden Hefte der Königsteiner Studien bargen noch einige interessante Positionen und Argumente in sich. Nicht nur, weil der letzte Liturgiewissenschaftler in Königstein, Hans-Joachim Schulz, die Liturgie als Interpretationsprinzip der Dogmenentfaltung quasi als Brücke für den Dialog mit der Orthodoxie vorstellte91, sondern auch, weil der Moraltheologe Joachim Piegsa in seinem Beitrag über das christliche Europa und die hl. Hedwig als Vorbild bereits zehn Jahre vor der Wende im Osten Europas und vor dem Zusammenbruch des Ostblocks die geistige Revolution in Osteuropa angebrochen wähnte.92 Anlass der Überlegungen Piegsas die Europawahl im Juni 1979, die erste zu einem von den Bürgern gewählten gemeinsamen Parlament. Sowohl aus der Sowjetunion wie aus der ČSSR führte er Stimmen an, die von einem tiefen geistigen Wandel sprachen, der unvergleichbar sei mit der Situation 1968 in der ČSSR. Trotz dieser Aufbruchsentwicklungen sei der Westen müde und skeptisch geworden und schenke solchen Informationen wenig Glauben. Ein zweiter typischer, sehr wichtiger, umfangreicher Beitrag des letzten Heftes der „Königsteiner Studien“ stammte von Ernst Nittner, der in Referaten bei einer Informations- und Weiterbildungstagung für den Lehrkörper der Bischof-Neumann-Schule

89 90 91 92

Luigi PEANO, Ekklesiologie des russischen Laientheologen A.S. Chomjakov, in: Königsteiner Blätter XI (1966), S. 1-18. Joseph WEIßKOPF, 900 Jahre Leitmeritzer Domkapitel. Stellungnahme zu einer Festschrift, in: Königsteiner Blätter VII (1961), S. 56-63. Hans-Joachim SCHULZ, Die Liturgie als Interpretationsprinzip der Dogmenentfaltung im Dialog mit der Orthodoxie, in: Königsteiner Studien XXV (1979), Heft 1/2, S. 35-46. Joachim PIEGSA, Das christliche Europa unser Ziel. Die Hl. Hedwig unser Vorbild, in: Königsteiner Studien XXV (1979), Heft 1/2, S. 47-53.

Priesterausbildung

441

in Königstein über Inhalte für den ostkundlichen Unterricht nachdachte.93 Im Zentrum stand die Frage, wo im Unterricht das Thema der deutsch-slawischen Nachbarschaft aufgegriffen und eingebracht werden könne. Vor allem die Vertriebenen hatten das starke Motiv, die Geschichte, die Entwicklung der Völker und Staaten Ost- und Ostmitteleuropas stärker als bislang in den Unterricht einzubringen, waren doch die aus dem Osten vertriebenen Deutschen sehr enttäuscht darüber, wie groß im Westen das Unverständnis gegenüber der osteuropäischen Geschichte war. Nittners Grundanliegen war, im Westen Grundlagenkenntnisse über das komplexe Miteinander von West und Ost in der Geschichte seit der Völkerwanderung zu erweitern und in Richtung Polen oder Tschechoslowakei nationalistische Verengungen und Zuspitzungen aufzubrechen, wie etwa die Debatte um den aggressiven Charakter der mittelalterlichen Ostsiedlung. Ein deutlicher Akzent wurde auf die Kulturbegegnung und die Blütephasen, die durch den Austausch über die Sprachgrenzen hinweg erreicht wurde, gelegt. Nicht zuletzt die Themen Vertreibung und Integration müssten im Unterricht einen breiteren Raum einnehmen. Auch dafür legte Nittner breites Material vor. „Die Thematik der Integration ist noch nicht ausreichend aufbereitet. Abgesehen von Lücken in der Forschung haben Rechtfertigungsideologien, apologetische Grundhaltung, aber auch Verdrängung und Unkenntnis hohe Hindernisse aufgerichtet. Dabei geht es um ein bedeutsames Ereignis der deutschen Zeitgeschichte… Die Erforschung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kirchlichen und vor allem der staatlichgesetzgeberischen Integration steht noch am Anfang.“94 „Natürlich treten immer Schwierigkeiten und auch Kontroversen auf, wo sich Wahrheitssuche und menschliches Engagement begegnen, wo emotionale Komponenten des politischen- und des Geschichtsdenkens auf harte Realitäten stoßen… Aber alle Betroffenheit und alle Kontroversen können und dürfen kein Grund dafür sein, dass sich gerade heute des so wichtigen Teils der deutschen und der europäischen Geschichte, wie er durch die deutsch-slawische Nachbarschaft umschrieben ist, durch Desinteresse oder auch sonstigen Gründen zu entledigen!“95 Dass Adolf Hampel seine in Königstein entstandene Dissertation über Tod und Unsterblichkeit in der Lehre Karl Barths in den „Königsteiner Studien“ ausführlich vorstellen konnte96, brachte einen ökumenischen Akzent in Richtung Protestantismus nicht nur in die „Königsteiner Blätter“, sondern durch die Themen, die Hampel in Seminaren und anderen Veranstaltungen in Königstein aufgriff, auch in die theologische Reflexion und in das Leben in Königstein ein. Im Hintergrund stand die Debatte über die Unsterblichkeit der Seele, also eine kontrovers-theologische Fragestellung gegenüber der Betonung der Auferstehung von den Toten bei einer Reihe evangelischer Theologen. Hampel rekonstruierte die Lehre

93 94 95 96

Ernst NITTNER, Die deutsch-slawische Nachbarschaft in europäischer Sicht als ostkundliches Unterrichtsprinzip, in: Königsteiner Studien 28 (1984), S. 5-57. Ebd., S. 49. Ebd., S. 53. Adolf HAMPEL, Tod und Unsterblichkeit in der Lehre Karl Barths, in: Königsteiner Studien 11 (1966), S. 49-77.

442

Abschnitt V

Karl Barths – konzentriert in dem Gedanken, dass es einen unauflöslichen Bund zwischen Gott und Mensch gibt. Das setzt aber beim Menschen ein Subjekt voraus, dass er auch durch den Tod nicht als Partner Gottes ausfällt. Letztlich ist es die Frage nach Rechtfertigung und Erlösung bei Karl Barth, die über den Tod des Menschen entscheidet. Hampels Thema griff die Schwerpunktsetzung Barths auf, die Frage nach dem Anteil des einzelnen Menschen in der Unsterblichkeit, der bei Barth sehr stark reduziert wurde auf die Rechtfertigungstat Gottes. D.h. eine der zentralen Stoßrichtungen Hampels lief auf die Frage nach dem Anteil Gottes im Menschen, nach dem Verhältnis von Mensch und Gott im einzelnen Menschen. Damit war er in eine der zentralen Diskussionen vorgestoßen, an der sich Rahner, Küng und viele andere zeitgenössischen Theologen beteiligten. Die Grundfrage Hampels aber in dieser Untersuchung, ob ewige Erhaltung oder Neuschöpfung, zielte letztlich auf die Frage nach der Rechtgläubigkeit. Freilich unterstrich Hampel den weitenden Mehrwert dieser Barthschen Diskussion: Die Christologie wird aus ihrer Fokussierung auf die Sündentilgung herausgeführt und zu einem die ganze Heilsgeschichte bestimmenden Zentrum erhoben. Auch die Gnade wird nicht mehr nur als ein Superadditum der Natur gesehen – also ein Stockwerk über der Natur – sondern die die Einheit des göttlichen Offenbarungshandelns stärker hervorgehoben.97 Nicht mehr im gewohnten Turnus konnte die Zeitschrift nach der Sistierung der Hochschule erscheinen. Es fehlten die Beiträge und letztlich auch die Zeit der Schriftleitung. 1979 erschienen noch die Festschrift für die Professoren Janko und Scholz zum 70. Geburtstag und dann nochmals eine Nummer 1981. Beide sind verantwortet vom Katholischen Institut für Ostkunde unter der Leitung von Professor Kroker. Die Ausgabe des Jahres 1979 suggerierte – genährt stärker vom Wunsch als von Aussichten auf konkrete Möglichkeiten – noch Kontinuität, wenn der Leiter des AMK, Braunstein, im Grußwort schrieb, dass die Hochschule infolge Hörermangels zwar ihre Lehrtätigkeit nicht ausübe, aber Forschung und Publikation durch das Katholische Institut weiterführe. Auch die Beiträge der Festschrift für die beiden ehemaligen Königsteiner Dozenten Janko und Scholz aus dem Gebiet der Theologie, der Philosophie und des Rechts zeugten von dieser Intention. Nicht zuletzt mit Blick auf die Spendenfreudigkeit der Leserschaft formulierte er, dass die Unterstützung und Förderung der Theologiestudenten durch das Kolleg weitergehe.

97

Ebd., S. 72.

443

Priesterausbildung

9.

Hochschullehrer in der Zeit vom SS 1947 bis WS 1977/7898

Barton, Josef (Lehrbeauftragter für Aszetik und Mystik)

SS 1965 – SS 1968

Bergner, Alois Musiklehrer (Lehrbeauftragter für gregorianischen Choral

WS 62/63 – SS 1964

Bitterlich, Adalbert, Prof. Dr. theol. Päpstl. Hausprälat (Prof. für Pastoraltheologie

WS 50/51 – SS 1966

Borchert, Ernst Prof. Dr. (Prof. für Fundamentaltheologie)

SS 1947 – WS 48/49

Braunstein, Karl, Prof. Dr. SS 1956 – WS 77/78 (Prof. für Kirchenrecht, Kirchliche Rechtsgeschichte, Homiletik) Drewniak, Leander, OSB, Prof. Dr. (Prof. für Dogmatik und Dogmengeschichte)

SS 1955, WS 59/60 – WS 1973/74

Fröhlich, Otto, Regens (Einleitungswissenschaft, Latein)

SS 1954

Ganse, Franz-Georg, Msgr., Regens (Lehrbeauftragter für ostdeutsche Diözesankunde)

SS 1960, SS 1961, SS 1962, SS 1964

Gottschalk, Joseph, Dr., Studienrat (Schlesische Kirchengeschichte)

SS 56 – WS 56/57, WS 58/59

Groß, Ernst, Prof. Dr. (Prof. für Fundamentaltheologie und Philosophie)

SS 1950 – SS 1957

Hadrossek, Paul, Dr. theol., Prof., Akademiedirektor (Prof. für Moraltheologie, Christliche Soziallehre)

WS 53/54 – SS 1954, WS 56/57 – SS 1971

Hampel, Adolf, Dr. theol., Gastprof. (Orientalische Theologie, Philosophie des Ostens, Russische Sprache)

WS 65/66 – SS 1970

Hasenstab, Rudolf, Dr. theol. (Lehrauftrag für Moraltheologie)

SS 1977

Hensler, Joseph, Dr. theol., Gastprofessur (Kirchen- und Kunstgeschichte)

WS 52/53 – WS 53/54

98

KZG 3166. Vgl. Dokument Nr. 27 im Anhang.

444

Abschnitt V

Herbrich, Elisabeth, Dr. theol. (Lehrbeauftragte für Prakt. Psychologie

WS 70/71 – WS 77/78

Huber, Kurt A., OPraem, Dr. theol., Prof. (Kirchengeschichte, Christl. Kunst)

WS 54/55 – WS 77/78

Janko, Anton, Prof. Dr., Msgr. (Prof. für Alttestamentl. Exegese, Biblische Sprachen)

WS 47/48 – SS 1976 SS 1977 – WS 77/78

Kindermann, Adolf, DDDr., Prof., Weihbischof (Prof. für Kirchenrecht)

SS 1947 – SS 1965

Kirchner, Paul, Prof. Dr. (Moraltheologie)

SS 1949

Kleber, Karl-Heinz, Prof. Dr. theol., Dozent (Moraltheologie)

SS 1972 – SS 1976

Kleineidam, Erich, Dr. phil. (Prof. für Philosophie, Regens des Priesterseminars)

SS 1947 – SS 1952

Krempel, Anton, Dr. theol. (Prof. für Philosophie)

WS 1953/54 – SS 1960

Kroker, Eduard M., SVD, Prof., Dr. phil., Dr. jur. utr. (Philosophie)

WS 60/61 – WS 77/78

Kruschina, Stefan, Msgr., Prof. Dr. theol. WS 66/67 – WS 77/78 (Pastoraltheologie, Religionspädagogik, Kerygmatik) Lang, Erhard, Dr. theol., Lic.. bibl. (Prof. für Neutestamentliche Exegese und biblische Sprachen)

WS 57/58 – WS 67/68

Lieball, Josef, Msgr., Prof. Dr. phil. theol. (Lehrauftrag für Christl. Kunst und Ikonographie)

SS 1955 – WS 55/56 WS 56/57 – SS 1959 SS 1975 – SS 1977

Matern, Gerhard, Prof. Dr. theol.habil, Dr. phil. WS 48/49 – SS 1955 (Lehrbeauftragter für Ostdeutsche Kirchengeschichte SS 1956 – WS 60/61 und Diözesankunde) SS 1962, 1963, 1964 SS 1965, 1966, 1967 SS 1968, 1969 Mühl, Josef (Lehrbeauftragter für Kirchenmusik)

SS 1972 – WS 72/73

Müller, Otfrid, Dr. theol. (Dozent für Dogmatik und Dogmengeschichte)

SS 1950 – WS 51/52

Nielen, Josef Maria, Dr. theol. SS 1949 – SS 1957 (Prof. für neutestamentliche Exegese und Patrologie)

445

Priesterausbildung

Nink, Caspar, SJ, Prof. Dr. phil. (Gastprofessur für Philosophiegeschichte)

WS 52/53

Otto, Richard, Prof. Dr. (Neues Testament und Rhetorik)

SS 1948

Peano, Luigi, Dr. theol. (Lehrbeauftragter für Orientalische Theologie und russische Sprache)

WS 54/55 – WS 65/66

Piekorz, Edmund, Dr. jur.can., Regens (Seminar für Ostfragen)

WS 55/56 – SS 1956

Pilhatsch, Franz, Dr. theol., Honorarprofessor, Prälat SS 1968 – WS 1977/78 (Lehrbeauftragter für Missionswissenschaft) Poschmann, Bernhard, Dr., Prof., Prälat (Dogmatik)

SS 1949

Porsch, Felix, CSSp, Dr. theol., Lic. bibl., Dozent (Exegese des Neuen Testaments)

WS 72/73 – WS 77/78

Ramatschi, Paul, Dr., Prälat, Dompropst, Dozent (Homiletik)

SS 1947 – WS 47/48

Reinelt, Heinz, Dr. theol., Lic. bibl., Prof. (Neutestamentliche Exegese, Biblische Sprachen)

SS 1968 – SS 1972

Rock, Martin, Dr. theol., Wiss. Rat und Prof. für SS 1973 – WS 77/78 Sozialethik an der Universität Mainz (Lehrbeauftragter für christl. Soziallehre) Röttges, Ernst H., SJ, Prof. Dr. Für Kirchengeschich- SS 1955/56 te Hochschule St. Georgen (Lehrauftrag für Kirchengeschichte) Sabisch, Alfred, Dr. theol., Msgr., Geistlicher Rat WS 62/63, 63/64 (Lehrbeauftragter für Ostdeutsche Kirchengeschichte WS 64/65, SS 1966 – SS 1969 und Diözesankunde) Schäfer, Philipp, Dr. theol., Prof. (Dogmatik)

SS 1974 – WS 77/78

Scheffczyk, Leo, Dr. theol., Prof. (Dogmatik)

SS 1952 – SS 1959

Schmauch, Hans, Dr. phil., Universitätsprof. (Lehrbeauftragter für Ostdeutsche Kirchengeschichte)

SS 1955 – SS 1957 SS 1959, SS 1960 – SS 1961

Scholz, Franz, Dr. theol., Prof. der Universität Augs- SS 1950 – WS 56/57 burg WS 76/77 (Lehrauftrag für Moraltheologie)

446

Abschnitt V

Scholze, Rudolf, Musikpräfekt (Lehrbeauftragter für gregorianischen Choral)

SS 1954 – WS 61/62

Schroeter, Kunibert, Lic. theol., Lehrbeauftragter (Orthodoxe Theologie, Philosophie des Ostens, Russische Sprache)

WS 70/71 – WS 77/78

Schulz, Hans-Joachim, Dr. theol., Prof. an der Ruhruniversität Bochum (Lehrbeauftragter für Liturgiewissenschaft)

SS 1966 – SS 1977

Sicherl, Martin, Dr. (Biblische Sprachen)

SS 1947 – WS 49/50

Siegmund, Georg, Dr. theol., Dr. phil., Prof. HochWS 71/72 schule Fulda, Msgr. (Lehrauftrag für Moraltheologie) Sitarz, Eugeniusz (Lehrauftrag für Exegese des Alten Testaments)

WS 76/77

Stolte, Manfred, Studienrat i.K. (Lehrbeauftragter für Religionspädagogik)

SS 1969 – SS 1973

Tilzer, Paul OT, Regens (Lehrauftrag für katechet. und homilet. Übungen)

WS 73/74 – WS 76/77

Volpert, Andreas (Lehrbeauftragter für Sprecherziehung, Rhetorik)

SS 1969 – WS 73/74

Weber, Wilfried, Dr. theol. (Lehrauftrag für Religionspädagogik)

SS 1976 – WS 77/78

Wenzel, Paul, Dr. theol., Prof. (Fundamentaltheologie, Philosophie)

WS 57/58 – WS 77/78

Ziesché, Kurt, Dr. theol., Prof., Gastvorl.

WS 49/50, SS 1957

Nachweise zu den Dozenten Josef Franz Barton, geboren am 19. September 1912 in Wagstadt, 1932 bis 1937 Studium in Olmütz, 1937 dort zum Priester geweiht, danach Kaplan in Jägerndorf; im Mitarbeiterstab des Generalvikars; Diözesanrat mit dem Auftrag zur Jugendseelsorge. Seit 1941 Diözesanrat des Erzbischöflichen Seelsorgeamtes in Branitz mit dem Auftrag, die Laienhilfe in der Seelsorge zu organisieren. Nach der Vertreibung u.a. Spiritual der Marienschwestern in Vallendar, gab 1947 bereits Exerzitien für die Vertriebenen in Königstein, seit 1951 engagierte sich der Schönstattpriester in Königstein. Ab 1951 Mitarbeit bei der Kapellenwagenmission, seit 1956 leitete er sie. Gestorben am 31. Dezember 1981. KZG 3219. – Auf Pater Josef Barton, seit 1961 Spiritual am Priesterseminar in Königstein, nahm der Brief des Visitators Norbert Schlegel in den „Mitteilungen 3“ 2002, S. 1f. Bezug. Schlegel weist dort hin auf das Gebetbüchlein „Ausgegossen wie Wasser – lasset uns werden eine heilige Flut“. Josef Barton: Ausgegossen wie Wasser: lasst uns werden eine heilige Flut. Neuwied 1955. 128 Seiten. Das Gebetbüchlein ist in Schönstatt entstanden und richtete sich an die Vertriebenen mit dem Appell, aus ihrer Situation des Ausgegossenseins, der Verstreutheit, Segen werden zu lassen. „Wir mögen nun festhalten, dass die Heimatlosigkeit umso verheerender wirken muss, je mehr sie äußerlich verdeckt bleibt. Wunden, die äußerlich heilen, ohne dass der Fäulnisherd besei-

Priesterausbildung

447

tigt wird, werden lebensgefährlich. Äußere Bereinigung der Heimatlosigkeit ohne innere Beheimatung müsste ähnliche Folgen zeitigen. So Barton in der zweiten Auflage des Gebetbüchleins. KZG 3331. – Vgl. dazu auch Rudolf GRULICH, Schönstatt und der Osten, in: Mitteilungen Haus Königstein Heft 3, 2010, S. 16f. Adalbert Bitterlich (1895 – 1972) Domprediger und Offizial in Leitmeritz, seit 1939 Professor für Moraltheologie und Kirchenrecht in Leitmeritz; seit 1950 Professor für Pastoraltheologie in Königstein. Der Sudetendeutsche Klerus in der Vertreibung, S. 48; VALASEK, Der Kampf gegen die Priester, S. 37. Ernst Borchert wurde von Bischof Kaller im Mai 1947 nach Königstein berufen – ein weiteres Beispiel, dass Kaller in der Auswahl von Mitarbeitern oft keine glückliche Hand hatte. Borchert verkürzte eigenmächtig die Vorlesungszeiten, weil er von Kardinal Faulhaber mit dringenden Arbeiten betraut worden sei – er hatte sich offensichtlich eine Scheinwelt aufgebaut. Regens Kleineidam fuhr eigens zu Kardinal Faulhaber, um die Angelegenheit zu klären. Mit diesem Gespräch und einem Schreiben des Münchner Generalvikars Buchwieser an Kindermann wurden die Vortäuschungen Borcherts offenkundig.99 Der Münchner Generalvikar wies darauf hin, dass er Borchert weder für den Einsatz als Hochschullehrer geeignet noch als Seelsorger würdig erachtete. Borchert wurde nach langen und zähen Gesprächen beurlaubt. Karl Braunstein, geboren 1920, auch er ein böhmischer Niederländer, 1948 in Regensburg zum Priester geweiht, studierte seit 1951 in Rom u.a. Kirchenrecht. 1954 holte ihn Kindermann nach Königstein und übertrug ihm einen Teil seiner kirchenrechtlichen Vorlesungen, 1957 promovierte er zum Doktor des Kirchenrechtes in Rom mit einer Arbeit über die Vertreibung im Lichte des Natur-, Kirchen- und Völkerrechts. Seit 1959 war Braunstein Dozent in Königstein: In einer außerordentlichen Hochschulkonferenz am 14. Juli 1959 wurde seine Ernennung zum Dozenten für Kirchenrecht beschlossen. Kindermann hatte diesen Akt bereits am Ende der vorausgegangenen Sitzung durchsetzen wollen, als ein Teil der Professoren bereits die Sitzung verlassen hatte. Rektor Janko hatte daraufhin eine ao. Sitzung einberufen. Beschlossen wurde, dass Braunstein Kindermann in der Lehre entlasten sollte – als Dozent ohne eigene Stimmberechtigung in der Hochschulkonferenz. Seine Stimme abgeben konnte er dort nur in Vertretung Kindermanns. Zudem hielt das Protokoll fest, dass die Ernennung zum Dozenten keinen Rechtsanspruch auf die Nachfolge in der Inhaberschaft des Lehrstuhls mit sich bringe (Hochschule Protokollbuch, S. 84f.). Seit 1963 war Braunstein Professor für Kirchenrecht in Königstein. Er war seit dem 1. September 1978 Leiter des AlbertusMagnus-Kollegs in Königstein und seit 1986, also nach dem Tod von Prälat Dr. Reiß, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die sudetendeutschen kirchlichen Angelegenheiten. Sein Amt als Leiter des AMK gab er 1984 aus gesundheitlichen Gründen wieder ab. In seinem barocken Verständnis von Amtsführung ging der Kirchenrechtler und mehrfache Rektor der Hochschule in der entscheidenden Übergangsphase nach der Sistierung der Hochschule die notwendigen Aufgaben zur zukunftsfähigen Formulierung der Aufgaben Königsteins nicht entschieden und nachhaltig genug an. – Vgl. Weihbischof Pieschls Ansprache zum Begräbnis von Prof. Dr. Karl Braunstein in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, März 1992, S. 40-43. – Eine Würdigung Braunsteins als Leiter des Albertus-Magnus-Kollegs zu seinem Amtsantritt in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Heft 4 1978, S. 6f. P. Leander (Franz) Drewniak OSB100, geb. 1905 in Lublinitz/OS. 1923 in die Benediktinerabtei Grüssau eingetreten. Priesterweihe 1929. Promotion 1934 in Breslau bei Bernhard Poschmann.

99

Buchwieser an Kindermann am 10.3.1949. KZG 3330. KZG 3304.

100

448

Abschnitt V

Später in der Abtei Wimpfen. Mitglied der Mariologischen Arbeitsgemeinschaft deutscher Theologen. Drewniak wurde am 19. Juli 1963 zum Professor für Dogmatik in Königstein ernannt – als Nachfolger von Leo Scheffczyk, der ihn als Nachfolger vorgeschlagen hatte; in Königstein wurde er als Poschmann-Schüler begrüßt. Er las bis zum Wintersemester 1973/74. Seine Schwerpunkte waren Mariologie und Themen der Reliquienverehrung. Drewniak war bis zu seinem Tod Krankenhausseelsorger im St.-Josef-Krankenhaus in Königstein. Gestorben 1993. Chronik der Hochschule, S. 47. Franz Georg Ganse (1909 – 1970) war am 25. Juni 1957 in Königstein eingetroffen und hatte das Regentenamt am 1. Juli übernommen. Chronik der Hochschule, S. 77. Zu Ganse vgl. Alfred Sabisch – Werner Marschall: Franz Georg Ganse, in: Johannes Gröger u.a. Schlesische Kirche in Lebensbildern Band 6, S. 313-316. – Regens Ganse gab am 26. Juli 1965 in den Schlusspuncta bekannt, dass er aus gesundheitlichen Gründen den Bischof in Limburg gebeten habe, ihn vom Amt des Regens des Königsteiner Priesterseminars zu entpflichten. Ganse wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1965 zum Rektor des Generalmutterhauses der Armen Franziskanerinnen in Olpe in Westfalen ernannt. Trotz monatelanger Suche fand sich kein geeigneter schlesischer Nachfolger. So musste das Prinzip, die Gesamtleitung liege in den Händen Kindermanns, einem Sudetendeutschen, und die Regentie des Priesterseminars liege in der Hand eines Schlesiers, durchbrochen werden. Ein Nachfolger für Ganse wurde gefunden mit Dr. Stefan Kruschina, der allerdings aus dem Sudetenland stammte. – Bericht über das Sommersemester 1965, KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113. Der Bericht umfasst 2 S. maschinenschriftlich. Joseph Gottschalk, geb. 1904 in Militsch. Priesterweihe 1928 in Breslau. 1930 Promotion zum Dr. phil. in Breslau; verschiedene Pfarrstellen in der Erzdiözese Breslau. 1947 – 1962 Religionslehrer in Fulda. 1968 – 1977 Herausgeber des „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“. Gestorben 1996. Joachim KÖHLER, Joseph Gottschalk, in: Michael HIRSCHFELD u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 60-65 (dort weitere Lit.). Ernst Groß, geboren am 9. April 1906 in Pfraumberg, Westböhmen, Studium in Rom, 1931 in Rom zum Priester geweiht. 1932 – 1934 Kaplan in Haida, Assistent an der Fakultät in Prag, 1935 Dozent für Christliche Philosophie und Fundamentaltheologie in Leitmeritz. 1949 übernahm er in Königstein den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie 1957 zwang eine chronische Schlaflosigkeit Groß, die Lehrtätigkeit aufzugeben. Er wurde emeritiert; zusammen mit ihm sein Kollege Nielen, weswegen manche bereits vermuteten, das Professorenkollegium sei bereits in Auflösung. Vgl. Chronik der Hochschule, S. 71. – Groß war von den Studenten ob seiner Fähigkeit, auch moderne Fragestellungen aufzugreifen und verständlich zu machen, beliebt. Sein Elan, sein Widerspruchsgeist und seine Ironie waren bekannt. Besonders harmonierten offensichtlich Groß, Scheffczyk und der Spiritual P. Loewenich. Groß starb am 12. Dezember 1978. Paul Hadrossek, 1912 in Guttentag in Oberschlesien geboren, 1937 in Breslau zum Priester geweiht. Auf Kriegsdienst und Gefangenschaft folgte eine kurze Zeit seelsorgerlicher Tätigkeit im Bistum Eichstätt, dann in Hildesheim. 1949 promovierte er bei Richard Egenter in München mit der Arbeit „Die Bedeutung des Systemgedankens für die Moraltheologie in Deutschland seit der Thomas-Renaissance (München 1950). 1953 begann er seine Lehrtätigkeit in Königstein, zunächst als Vertreter für den Moraltheologen Professor Franz Scholz, 1956 wurde er zum Professor für Moraltheologie und christliche Soziallehre ernannt und gleichzeitig Direktor der Ostakademie. Gestorben am 18. November 1971. Johannes GRÖGER, Paul Hadrossek, in: GRÖGER u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern, S. 323-325. Zu Richard Egenter (1902 – 1981), von 1945 – 1968 Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München: Johannes Gründel u.a. (Hg.), Humanum. Moraltheologie im Dienste des Menschen. Düsseldorf 1972. Adolf Hampel, geb. 1933 in Klein-Herrlitz. Studium der Philosophie und Theologie in Königstein und Rom. Priesterweihe 1959 nach byzantino-slawischem Ritus. Biritualist. 1962 Promotion an der

Priesterausbildung

449

Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom mit der Arbeit ‚Tod und Unsterblichkeit in der evangelischen Theologie der Gegenwart’. 1963 bis 1965 hielt er in Königstein Gastvorlesungen über ökumenische Fragen. 1965 bekam er hier einen Lehrauftrag für orientalische Theologie, Philosophie des Ostens und russische Sprache. In den Semesterferien führte er Studienreisen in östliche Länder. Mit dem 1. Juli 1968 wurde er zum Dozent ernannt. 1969 Professor für Kirchengeschichte und Moraltheologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. In Königstein wirkte er zunächst weiter als Gastprofessor. Adolf HAMPEL, Mein langer Weg nach Moskau. Ausgewählte Erinnerungen. Bad Schussenried 2012. Rudolf Hasenstab, geb. 1932. Priesterweihe 1955 in Würzburg. 1965 wissenschaftlicher Assistent an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Würzburg. 1977 – 1988 Professor für Moraltheologie und Sozialethik in Eichstätt. Elisabeth Herbrich unterrichtete seit Anfang Dezember 1966 an der Bischof-Neumann-Schule und arbeitete für Kindermann (Sichtung und Ordnung seiner Privatbibliothek und Ausarbeitung wissenschaftlicher Vorträge gab sie als Chronistin in der Hochschulchronik (S. 146) an). Herbrich war zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Vergleichende Erziehungswissenschaft in Salzburg gewesen. Zu Kurt Augustinus Huber vgl. das Kapitel über das Institut für Kirchengeschichte BöhmenMähren-Schlesien. Anton Janko (1909 – 2000) war Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein seit dem 1. Juli 1957 bis zu seiner Emeritierung 1976 und dann noch vertretungsweise bis zur Sistierung der Hochschule 1978; davor seit 1949 als Lehrbeauftragter für alttestamentliche Exegese und biblische Sprachen. „Er war kein Freund unsicherer und gewagter Hypothesen, sondern er pflegte das gediegene Wissen und verschenkte die Liebe zur Bibel und damit zur Kirche.“ (Kruschina) Janko wurde nach einer kurzen Kaplanszeit im Bistum Mainz nach seiner Vertreibung im Juni 1946 wohl auf Vorschlag Kindermanns vom Vertriebenenbischof Kaller zum Präfekten für das Schülerkonvikt, das Ostern 1947 eröffnet wurde, berufen. 1952 hatte er bereits Vorlesungen in Erfurt gehalten, er war dort zum Professor für Altes Testament ernannt worden, die staatlichen Stellen aber verweigerten ihm die Einreisegenehmigung. – Janko hatte in Rom u.a. Exegese studiert und am Päpstlichen Bibelinstitut zum lic.bibl. promoviert. Er konnte nach Auskunft seiner früheren Studenten mit dem Vorlesungsstand von Prof. Deissler101 in Freiburg nichts anfangen: Wenn die Studenten mit entsprechenden Thesen oder Fragen aus Freiburg aus dem Freisemester kamen, verwies er darauf, dass er in Rom die Dinge so nicht gelernt habe. Etwa in der Frage der Verfasserschaft der alttestamentlichen Bücher ihrer Einheitlichkeit etc. – Janko engagierte sich sehr in der Betreuung der Bibliothek, leitete zahlreiche Wallfahrten des Hauses der Begegnung nach Lourdes, Fatima und Mariazell. Nachdem Kruschina 1977 die Leitung des AMK abgegeben hatte, übernahm Janko sie kommissarisch bis zur Bestellung seines Nachfolgers Professor Karl Braunstein. Der Sudetendeutsche Klerus in der Vertreibung. Nach dem Stande vom 15. September 1963, hg. im Auftrage des Sprechers der sudetendeutschen Priester vom Sudetendeutschen Priesterwerk, Königstein/Ts. e.V. Königstein 1963, S. 100. Stefan KRUSCHINA, Monsignore Professor Dr. Anton Janko – ein Siebziger. 3 Seiten masch. DAR Akz. 8/1991 Nachlass Kruschina.

101

Zu Alfons Deissler vgl. Rudolf MOSIS / Lothar RUPPERT (Hg.), Der Weg zum Menschen – Zur philosophischen und theologischen Anthropologie. Festschrift zum 75. Geburtstag von Alfons Deissler. Freiburg (1989).

450

Abschnitt V

Joseph Jánosi (1898 – 1965). Ein Trauerfall, Missklänge und ein Abschied bestimmten das Bild des Sommersemesters 1965. Prof. Dr. Joseph Jánosi, der immer noch Vorlesungen in Königstein gehalten hatte, war Opfer eines tragischen Unfalls geworden. Er wurde am 12. Mai 1965 in der Nähe von Karlsruhe beerdigt. Paul Kirchner, geb. 1893 in Niklasdorf. Priesterweihe 1918. 1922 – 1924 Präfekt am fürstbischöflichen Knabenkonvikt in Weidenau. 1924 – 1925 Professor für Moraltheologie, Pädagogik und Soziologie in Weidenau. 1938 – 1945 Direktor am Priesterseminar in Weidenau. 1946 – 1964 Seelsorger in Unter- und Oberhausen im Bistum Augsburg. Gestorben 1977. Alois BRAUNER, Paul Kirchner, in: Johannes GRÖGER u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6, S. 136-138. Karl Heinz Kleber, am 1. Mai 1972 zum Dozenten für Moraltheologie ernannt; kam aus dem Bistum Speyer. 1973 wollte der Limburger Bischof Kleber nicht mehr zum Professor ernennen, da er wünschte und meinte, mit Ablauf des 50. Semesters im Februar 1974 könnte die Hochschule ihren Lehrbetrieb einstellen (Brief Kempfs an den Rektor vom 12.9.1973. KZG 3330). Kleber war später Professor für Moraltheologie an der Universität Passau. Erich Kleineidam (1905 – 2005) war seit 1939 Professor für Philosophie und Vizerektor der Theologischen Lehranstalt in Weidenau, von 1947 – 1948 Professor für Philosophie in Königstein. 1948 – 1952 Regens des Priesterseminars und Rektor der Hochschule in Königstein. Seit 1952 – 1959 Regens des Priesterseminars in Erfurt und Gründungsrektor der dortigen Hochschule von 1952 – 1954; bis 1970 war er dort Professor für Philosophie. Seine Geschichte der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau, die er zum 150. Geburtstag dieser Universität 1961 publizierte, ist bis heute nicht ersetzt. In seiner Königsteiner Zeit entstanden ein Aufsatz zur Eucharistielehre Hugos von St. Viktor und eine Monographie Wissen, Wissenschaft, Theologie bei Bernhard von Clairvaux (1950). Treffend urteilte der Neutestamentler Otto Kuss102 – ein Studienkollege Kleineidams in Breslau, mit dem zusammen er in der Zeit des Nationalsozialismus 1938 den Sammelband ‚Die Kirche und die Welt’ quasi als Positionsbestimmung herausgegeben hatte; davor bereits 1932 ‚Die Kirche in der Zeitenwende’ mit weiteren Auflagen 1936 und 1939 – in seinem autobiographischen Rückblick über Kleineidam: „Kleineidam war stets ohne Wenn und Aber streng kirchlich ausgerichtet, ein ‚Dogmatiker‘ von Geblüt, aber seine ungewöhnlichen, stets ganz unauffällig ins Spiel gebrachten pädagogischen Fähigkeiten zeigten sich immer wieder darin, dass er niemals den Eindruck von Enge und Rückwärtsgewandtheit erweckte, sondern mit wohlwollender Kritik auch für Ansichten Verständnis aufzubringen schien, die mit der seinigen nicht übereinstimmten, sondern ihr gar widersprachen... (Otto KUSS, Dankbarer Abschied. München 1982, S. 45f.) Lit.: Josef PILVOUSEK, Prof. Dr. Dr. h.c. Erich Kleineidam, in ASKG 63 (2005), S. 252-254. Franz Georg FRIEMEL, Erich Kleineidam, in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7. Münster 2006, S. 144-151. Anton Krempel, ein vielseits geschätzter Thomaskenner, in Königstein für Philosophie zuständig, war am 11. März 1960 gestorben und am 15. März 1960 auf dem Friedhof in Zürich/Fluntern begraben worden. An der Beerdigung hatten auch der Rektor Prof. Dr. Janko, Regens Ganse und andere teilgenommen. In zahlreichen einschlägigen Arbeiten wird anerkennend auf seine Studien zur Relationslehre bei Thomas Bezug genommen. In dem voluminösen Grundlagenwerk wollte Krempel ein nach seiner Feststellung in der neuscholastischen theologischen Literatur eher an den Rand gedrängtes und mechanisch behandeltes Themenfeld, nämlich die Relationenlehre, grundsätzlich und ausführlich vorstellen. Wie weit er dabei manche neuscholastische Engführung aufgebro-

102

Otto Kuss (1905 – 1991), Professor für neutestamentliche Exegese. Norbert THIEL, Otto Kuss, in: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 179-184.

Priesterausbildung

451

chen hat und wie manch andere historisch arbeitende Theologen zu einem neuen Verständnis der scholastischen Theologie und vor allem des Thomas von Aquin beigetragen hat, bedürfte einer eigenen Untersuchung. – Anton KREMPEL, La doctrine de la relation chez Saint Thomas. Exposé historique et systématique. Paris 1952. Für die Wirkung solcher historischen Untersuchungen vgl. Lydia BENDEL-MAIDL, Tradition und Innovation. Zur Dialektik von historischer und systematischer Perspektive in der Theologie. Am Beispiel von Transformationen in der Rezeption des Thomas von Aquin im 20. Jahrhundert. Münster 2004. Noch kurz vor seinem Tod hatte Krempel ein Lehrbuch geplant, das unter dem Titel „Gesamtphilosophie in thomistischer Schau“ erscheinen sollte. Chronik der Hochschule, S. 96. – In kirchlichen Kreisen nicht unumstritten war wohl sein Eintreten für die natürliche Zeitwahl in der Ehe, seine Relativierung der Konzentration der Ehezwecklehre auf die Zeugung von Nachkommen. Anton KREMPEL, Zeitwahl in der Ehe. Knaus Ogino Smulders. Kempten 1952 (mir liegt die 16. – 21. Auflage vor). – Der Päpstliche Beauftragte der Caritas Internationalis hatte Königstein auf den Deutsch-Schweizer Krempel aufmerksam gemacht. Kindermann und Kleineidam besuchten Krempel in Zürich und konnten ihn als Dozenten für Königstein gewinnen. Krempel trat mit dem Wintersemester 1953/54 in das Lehrkollegium in Königstein ein. Trotz mehrerer Vorstöße der Königsteiner Hochschulleitung beim Limburger Bischof, Krempel den Professorentitel zu geben, zögerte Kempf mit dem Hinweis, dass erst die Hochschulabschlüsse nostrifiziert werden müssten. Das Argument wirkt im Hinblick auf die vorgelegten Publikationen Krempels und das Echo, das seine Thomas-Studie hervorgerufen hatte, vorgeschoben. Chronik der Hochschule, S. 46. Braunstein, der mit Krempel besonders befreundet war, schrieb ihm den Nachruf in den Königsteiner Blättern 6, 1960, Nr. 1, S. 1-5. Eduard Kroker kam als Nachfolger Krempels im Wintersemester 1960/61 auf Empfehlung von Prof. Gerhard Matern SVD nach Königstein. – Lic. theol. Dr. iur. utr. Dr. phil. Eduard Kroker SVD, geboren am 2. März 1913 stammte aus dem Hultschiner Ländchen. Chronik der Hochschule, S. 104. Kroker war von 1951 – 1960 Professor für Rechts- und Sozialphilosophie an der Nanzan-Universität in Nagoya/Japan. 1960 kam er nach Königstein. 1980 begründete er das ‚Königsteiner Forum’, eine Vortragsreihe mit elf Vorträgen pro Jahr zu den Themenbereichen Philosophie, Ethik, Bildung und Wirtschaft, mit, das er auch bis 2003 leitete. 2003 Ehrenbürger der Stadt Königstein. Gestorben 2007. Vgl. Bericht über das Sommersemester 1960 und Bericht über das Wintersemester 1960/61, jeweils 1 S. maschinenschriftlich, KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113. Erhard Lang, Professor für Neutestamentliche Exegese an der Königsteiner Hochschule vom Sommer 1957 als Nachfolger von Prof. Dr. Josef Maria Nielen bis zum Wintersemester 1966/67. Lang stammte aus dem böhmischen Niederland in St. Georgenthal, Kreis Warnsdorf, am 9. Januar 1909 geboren, hatte er an der Theologischen Hochschule in Leitmeritz studiert. War am 25. Juni 1933 im Dom zu Leitmeritz zum Priester geweiht worden. Am 20. November 1936 fand in der Aula der Deutschen Karls-Universität in Prag die Feier seiner Promotion zum Doktor in Theologie statt. Er hatte mit einer Dissertation über das Magnifikat summa cum laude promoviert. 1936 – 1938 war er Religionslehrer an der Bürgerschule in Komotau, dann wurde er vor 1938 – 1940 zum Weiterstudium an das Päpstliche Bibelinstitut in Rom beurlaubt. Diesen Studienabschnitt schloss er mit dem Lizenziat in der Bibelwissenschaft summa cum laude ab. 1944 wurde er zum Professor auf den Lehrstuhl für Altes Testament und Orientalische Sprachen an der Theologischen Hochschule in Leitmeritz berufen. Nach der Vertreibung im Sommer 1946 war Prof. Lang Seelsorgsgeistlicher an verschiedenen Orten der Eichstätter Diözese und wurde 1953 Spiritual und Studienrat am Gymnasium Gnadenthal in Ingolstadt und 1957 zum Professor für Neues Testament nach Königstein berufen. Sein Königsteiner Kollege, der Professor für Alttestamentliche Exegese, Anton Janko, charakterisierte ihn so: „Bei aller Sachlichkeit und seinem breiten positiven Wissen, das ihn auszeichnete, mit dem er aber nicht prahlte, vermochte er es, in theologische Tiefen zu führen und echte Liebe und Begeisterung für Gottes Wort in den Herzen seiner Zuhörer zu wecken. Selbst trockenen Stoff verstand er, Dank seines gesunden Humors, köstlich zu würzen. Sein bescheidenes Wesen, seine kernige Innerlichkeit und sein lauteres Priesterleben lassen uns erkennen, dass nicht leere Phrase ist,

452

Abschnitt V

sondern Ausdruck ernstlichen Bemühens in seinem Leben zu verwirklichen, was er uns auf seinem Andenkenbildchen an seinen Tod als Ziel und Inhalt seines Lebens und Sterbens nennt: „Christus ist mein Leben, Sterben und mein Gewinn (Phil. 1,21)“. Josef Lieball, geboren 1905 in Kaiserswalde (Diözese Leitmeritz), wurde 1930 in Rom zum Priester geweiht. Bis 1968 wirkte er als kommissarischer Direktor des Marianischen Institutes in Regensburg. Seit 1987 war er im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Augsburg tätig. 1993 ist er in Augsburg gestorben. Vgl. Königsteiner Schematismus 7, 92. Königsteiner Schematismus 8, 69. Katholische Sonntagszeitung für das Bistum Augsburg, 48. Jg., 16./17. Oktober 1993, 18. Die Personalakte im Diözesanarchiv Augsburg unterliegt noch der Sperrfrist. Werke von Lieball: Die Leoninischen Fresen in der Unterkirche von San Clemente in Rom. Eine ikonographische Studie. Selbstverlag 1975; zus. mit Karl REIß, Der Heilige aus dem Böhmerwald – Bischof Johannes Nepomuk Neumann. Limburg 1979; Martin Luthers Madonnenbild. Eine ikonographische und mariologische Studie. Stein am Rhein 1981; Der gerade Weg. Betrachtungen zu Joseph von Führichs Illustrationen zu Nachfolge Christi des Thomas von Kempen. Stein am Rhein 1982; zus. mit Hermann ISEKE, Der gerade Weg. München 1985; Ave Maria Benedicta. Ein Lobpreis in Bildern, Worten und Versen. 1986; Das Leben Mariens. Eigenverlag 1988. Gerhard Matern, 1913 im Ermland geboren, wurde am 15. Dezember 1945 zum Priester geweiht, kam 1948 als wissenschaftlicher Assistent an die Hochschule in Königstein, half dort auch als Spiritual aus, wurde 1954 zum Dozenten für Kirchengeschichte bestellt; 1959 habilitierte er sich in Freiburg und wurde dann zum Professor für Kirchengeschichte in Königstein. 1961 ging er als Professor für Pastoral an das Priesterseminar nach Fulda. An der Universität Marburg wurde er Direktor des Instituts für katholische Theologie und war dort in der Ausbildung angehender Religionslehrer tätig. Matern ist 2011 in Fulda gestorben. Otfried Müller, geb. 1907 in Posen. Priesterweihe 1931. Geheimsekretär bei Kardinal Bertram 1935 – 1937. Studienaufenthalt in Rom 1937/38. 1940 theologische Promotion in Breslau. 1946 – 1950 Assessor am Erzbischöflichen Kommissariat in Magdeburg – dort mit dem Auftrag, die Vertriebenenseelsorge aufzubauen. Dozent für Dogmatik in Königstein 1950 – 1951. 1951/52 Dozent für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Freising. Von 1953 – 1986 Professor für Dogmatik am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt. Gestorben 1986. Lothar ULLRICH, Otfried Müller, in: Johannes GRÖGER u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern, S. 284-288 (dort sind auch seine Schriften verzeichnet und Hinweise auf weitere Lit. zu finden). Josef Maria Nielen103, geb. 1889 in Essen; seit 1925 Studentenpfarrer in Frankfurt. Von 1946 bis 1954 Dozent für katholische Weltanschauung an der Universität Frankfurt/M. Seit dem SS 1949 Professor für neutestamentliche Exegese in Königstein mit Lehrauftrag in Frankfurt/M. Im SS 1957 wurde er emeritiert. Gest. 1967. Fachliche Schwerpunkte: Exegese des Neuen Testamentes und Geschichte des Urchristentums. Publikationen: Gebet und Gottesdienst im Neuen Testament. Eine Studie zur biblischen Liturgie und Ethik. Freiburg 1937; Die religiöse Bedeutung des Alten Testaments, 1934, zweite Auflage 1935; Das Zeichen des Herrn. Sabbat und Sonntag in biblischer und urchristlicher Bezeugung, 1940; Auferstehung des Fleisches nach den Väterzeugnissen, 1941. Kirchenväterbriefe aus dem Alltag. Freiburg 1949; Johann Michael Sailer. Der weise und gütige Erzieher seines Volkes. Mit einer Auswahl aus seinen Schriften. Frankfurt am Main 1949; Gottes Volk und Gottes Sohn. Zum christlichen Verständnis des Alten Testamentes. Frankfurt am Main 1954; Leben aus dem Wort. Gesammelte Aufsätze. Düsseldorf 1963; Christliche Gestalten. Freiburg 1965. Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender. Berlin 1961, S. 1447f.

103

KZG 3153.

Priesterausbildung

453

Richard Otto104, Msgr. Dr. (1902 – 1982), Professor am fb. Priesterseminar Weidenau (Erzdiözese Breslau), bis 1950 gab er den Heimatbrief für Weidenau und Grosskroße heraus, ab 1950 Pfarrer in Wörnitzstein. Augustinus Kurt Huber wies in einem Aufsatz über die Kirche in Mähren-Schlesien im 19. und 20. Jahrhundert darauf hin, dass Otto eine quellenmäßig fundierte Darstellung der Gründung der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Weidenau (1899) vorbereite (Huber, Katholische Kirche und Kultur in Böhmen, S. 139. Anm. 385). Sein Nachlass im Diözesanarchiv Augsburg; ein Nachruf in den Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerks 4 (1982). Luigi Peano105, geb. 1924 in Ozieri/Italien. 1945 – 1949 Studium der Theologie an der Gregoriana; Sonderkurse am Collegium Russicum. 1953 Promotion mit einer Arbeit zum Thema ‚Sintesi storica e filosofica nella ecclesiologia di Khomjakov’. 1953 – 54 Seelsorge in der russischen Diaspora in Linz. November 1954 Aufnahme der Lehrtätigkeit in Königstein mit dem Auftrag für orientalische Theologie und Russisch. Seit 1957 auch an der Ostakademie tätig. Franz Pilhatsch, Msgr., hatte an den Universitäten Würzburg und Fribourg Missionswissenschaft studiert. Seit 1947 Lehrtätigkeit an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg in den Fächern Missionswissenschaft und Religionsgeschichte. Umfassende publikatorische Tätigkeit. Zum 1. März 1969 zum Honorarprofessor für Missionswissenschaft in Königstein ernannt. KZG 3304. Felix Porsch CSSp, geb. 1928 in Danzig-Langfuhr. 1963 – 1968 Dozent für neutestamentliche Exegese in Knechtsteden, Promotion 1970 an der Gregoriana in Rom. 1970 – 1978 Dozent für Exegese NT in St. Georgen und in Königstein. 1978 – 1984 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Katholischen Bibelwerk in Stuttgart. 1984 – 1996 Dozent an der Hochschule der Steyler Missionare in St. Augustin. Gestorben 2001. Bernhard Poschmann, geb. 1878 in Heinrichau im Ermland, 1904 Priesterweihe in Frauenburg. 1907 Promotion in Breslau, 1909 Habilitation für Dogmatik in Braunsberg. 1927 – 1945 Professor für Dogmatik in Breslau. 1946 – 1948 Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Münster. 1949 Lehrstuhlvertretung in Königstein. Frank SOBIECH, Bernhard Poschmann, in: Michael HIRSCHFELD u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 246-249 (dort weitere Lit.). Jüngst erschien Przemyslaw NOWAK, Friede mit der Kirche. Bernhard Poschmann (1878 – 1975) und seine dogmengeschichtlichen Forschungen zum Bußsakrament. Köln, Weimar, Wien 2013. Paul Ramatschi (1898 – 1975) hatte sich 1932 an der Breslauer katholisch-theologischen Fakultät in Pastoraltheologie habilitiert, hatte für Kardinal Bertram ein Gutachten angefertigt, in dem er eine Neustrukturierung, eine Aufteilung des Faches Pastoraltheologie forderte und legte Bischof Kaller bereits 1946 eine erste Skizze zur Gestaltung der Theologenausbildung in Königstein vor, die Kaller auch weitgehend übernahm. Ramatschi kam im November 1946 nach Königstein, er übernahm dort die Leitung des ersten Abiturkurses und die Vorbereitung für die Einrichtung eines Priesterseminars. Bereits im Juni 1947 stellte ihm Kapitelsvikar Ferdinand Piontek eine neue Aufgabe vor: die Errichtung eines Priesterseminars für die sowjetische Besatzungszone in Neuzelle. Von 1948 – 1967 war Ramatschi Regens des Priesterseminars in Neuzelle. Er war für Kindermann in der Gründungsphase Königsteins eine wichtige Stütze gewesen, das unterstrich Kindermann in einem Brief vom 28. August 1948 an Ramatschi in Neuzelle. Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien. Haus Königstein, Nidda. Korrespondenz Kindermann, darunter ein Faszikel ‚Königstein –

104 105

7. Königsteiner Schematismus, 115. KZG 3153.

454

Abschnitt V

Gründungsjahre‘, darin Korrespondenz mit Ramatschi und Puzik. – Von seinen Publikationen einschlägig: Paul RAMATSCHI, Katholische Erziehung, in: Erich KLEINEIDAM / Otto KUSS (Hg.), Die Kirche in der Zeitenwende. Paderborn 1935, S. 285-302, umgearbeitet in Salzburg 31938, S. 371387. Für biographische Angaben: Erich KLEINEIDAM, Paul Ramatschi, in: GRÖGER u.a. (Hg.) Schlesische Kirche in Lebensbildern. Sigmaringen 1992, S. 181-186. Heinz Reinelt, geb. 1925 in Schweidnitz/Schlesien. Nach dem Abitur 1943 Einberufung zur Wehrmacht, russische Kriegsgefangenschaft bis 1948; 1948 – 1952 Studium in Königstein. 1953 Priesterweihe in Freising; Kaplan in München. 1955 – 1958 Studium am Pontificium Institutum Biblicum in Rom, 1957 Lic.bibl. 1958 – 1961 wissenschaftliche Hilfskraft am Exegetischen Seminar der Universität Freiburg bei Professor Deissler, danach Assistent. 1966 Promotion zum Dr. theol. mit der Arbeit ‚Die altorientalische und biblische Weisheit und ihr Einfluss auf den Psalter’.106 Seit 1. März 1968 Dozent für neutestamentliche Exegese und biblische Sprachen in Königstein, er kam anstelle des verstorbenen Prof. Lang an die Hochschule; zum 1. September 1969 zum Professor ernannt. Am 1. April 1972 nach Fulda berufen. Chronik der Hochschule, S. 134. P. Ernst H. Röttges SJ, 1916 – 1975. Ernst H. RÖTTGES, Aus der Augustinus-Forschung des letzten Jahrzehnts. Ein Literaturbericht, in: Theologie und Philosophie 41 (1966), S. 84-91. Ernst H. RÖTTGES, Marcellinus – Marcellus: zur Papstgeschichte der diokletianischen Verfolgungszeit, in: Zeitschrift für katholische Theologie 79 (1957), S. 385-420. Alfred Sabisch, geb. 1906 in Berlin. Priesterweihe 1931. 1933 – 1941 Religionslehrer in Oppeln. 1941 – 1948 Konviktspräfekt in Gleiwitz. 1951 – 1960 Unterarchivar am Erzbischöflichen Diözesanarchiv in Breslau. 1960 – 1977 in der Seelsorge in Duisburg und Bochum. Gottschalk rühmte ihn als den „beste(n) Kenner des 16. Jahrhunderts in Schlesiens Geschichte“. Joseph GOTTSCHALK, Alfred Sabisch, in: Johannes GRÖGER u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6, S. 271-273 (dort weitere Lit.). Philipp Schäfer107, geb. 1934 in Wendelsheim, Krs. Tübingen. 1955 – 1959 Studium der Theologie in Tübingen und Würzburg. 1960 Priesterweihe in Rottenburg. 1963 – 1969 Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen. 1969 Promotion zum Dr. theol. in Tübingen. 1973 Habilitation für Dogmatik in München. 1974 war die Nachfolge von Pater Leander Drewniak in Dogmatik angestanden. Hier hatte Prof. Scheffczyk vermittelt und Schäfer gebeten, den Lehrstuhl für Dogmatik kommissarisch zu verwalten. Nach der Sistierung der Hochschule wechselte Schäfer nach Fulda, dann an die Universität Passau. Er war dort bis 2001 Lehrstuhlinhaber für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät, in den Jahren 1986 und 1987 auch deren Dekan. Er starb 2002. Leo Scheffczyk, geb. 1920 in Beuthen. Studium der Theologie in Breslau, Kriegseinsatz. 1947 in Freising zum Priester geweiht. Subregens bzw. Dozent in Königstein bis 1957. 1959 – 1965 Professor für Dogmatik in Tübingen. 1965 – 1985 Professor für Dogmatik in München. Kardinal 2001. Gestorben 2005. Anton ZIEGENAUS, Leo Scheffczyk, in: Michael HIRSCHFELD u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 296-300 (dort eine Auswahl seiner Schriften und weitere Lit.) Hans Schmauch, 1887 in Danzig geboren, 1966 in St. Augustin gestorben; Gymnasiallehrer, Promotion in Geschichte in Königsberg (Die Besetzung der Bistümer im Deutschordensstaat bis zum Jahre

106 107

KZG 3153. KZG 3155.

Priesterausbildung

455

1410); 1955 gründete er den Historischen Verein für Ermland wieder, dessen Vorsitz er bereits 1937 übernommen hatte. In Königstein hielt er Vorlesungen zur ostdeutschen Kirchengeschichte und Diözesankunde, 1958 – 1961 war er zweiter Vorsitzender des Institutes für ostdeutsche Kirchenund Kulturgeschichte. Leo JUHNKE, Hans Schmauch. Leben und Werk, in: ZGAE 31/32 (1967/68), S. 7-16. Franz Scholz, geb. 1909 in Breslau, dort 1934 zum Priester geweiht. 1940 erfolgte die theologische Promotion ebenfalls in Breslau. 1940 – 1946 Kuratus in Görlitz (Görlitzer Tagebuch 1945/46), 1946 – 1949 Diözesan-Caritasdirektor in Görlitz. Von 1949 – 1956 war er in Königstein für das Fach Moraltheologie verantwortlich. 1955 Habilitation in Freiburg bei Theodor Müncker. Von 1956 – 1972 Professor für Moraltheologie und Christliche Gesellschaftslehre in Fulda, von 1972 – 1976 in Augsburg. Gestorben 1998 in Dieburg. Joachim PIEGSA, Franz Scholz, in: Michael HIRSCHFELD u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 310-313. (dort eine Zusammenstellung der Werke Scholz’ und weitere Lit.) Kunibert Schroeter, geb. 1934 in Braunsberg. 1956 – 1960 Studium der Philosophie und Theologie in Königstein und Freiburg/Br. 1963 Priesterweihe in Osnabrück. 1960/61 und 1968 – 1970 Studium am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom; dort 1969 Lic. theol. Seit dem WS 1970/71 als Lehrbeauftragter für Orthodoxe Theologie, Philosophie des Ostens und Russische Sprache in Königstein; mit diesem Auftrag lehrte er bis zur Sistierung der Hochschule mit Ende des Wintersemesters 1977/78.108 Seit 1994 im Bistum Berlin. Hans Joachim Schulz, geb. 1932 in Berlin. Studium in St. Georgen und Rom (u.a. am Collegium Russicum). Priesterweihe 1956 in Aachen. 1958 Promotion bei Karl Rahner und Josef Andreas Jungmann in Innsbruck. Habilitation 1964 in Münster für Liturgiewissenschaft und Theologie der Ostkirchen. Seit September 1964 in Königstein, wo er am 7. Oktober 1965 zum Professor für Liturgiewissenschaft ernannt und auf den neu errichteten Lehrstuhl für dieses Fach berufen wurde. 1968 – 1978 Professor für Liturgiewissenschaft in Bochum, danach Professor für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens in Würzburg. KZG 3304 – dort aber kein Curriculum vitae vorhanden. Martin Sicherl (1914 – 2009), Altphilologe. Horst-Dieter BLUME, Martin Sicherl †. In: Gnomon 82 (2010), S. 572-575. Georg Siegmund (1903 – 1989), Priesterweihe 1928 in Weidenau. 1934 Dr. theol. in Breslau. Studienrat in Breslau, Neisse, Oppeln und Brieg. 1946 – 1970 Professor für Philosophie in Fulda. Johannes GRÜNDEL, Georg Siegmund, in: Johannes GRÖGER u.a., Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6, S. 234-236 (dort Schriften Siegmunds und Lit.). Andreas Volpert, Dozent für Rhetorik und Sprecherziehung; Freiberufler. Hatte mit Unterbrechungen von 1960 bis 1975 einen Lehrauftrag. KZG 3154 – es liegt kein Curriculum vitae vor. Paul Wenzel wurde 1915 in Breslau geboren, besuchte das Humanistische Gymnasium in Schweidnitz und trat 1935 in das Erzbischöfliche Theologenkonvikt der Erzdiözese Breslau ein. Von 1936 bis 1940 studierte er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom Theologie. 1940 erfolgte die Einberufung zum Militärdienst. Während seiner französischen Kriegsgefangenschaft von 1944 bis 1947 war er Dozent für Philosophie am ‚Seminar für kriegsgefangene Theologen’ in Orleans, dann in Chartres. Aus der Kriegsgefangenschaft kehrte er nach Rom zum Studium zurück; dort wurde er 1948 zum Priester geweiht. An die Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein kam er

108

KZG 3154.

456

Abschnitt V

1957 als Dozent. Von 1962 bis 1978 war er Professor für Philosophie und Fundamentaltheologie, von 1978 bis 1990 Hausgeistlicher bei den Ursulinen in Königstein. Er starb 1997 in FrankfurtNiedereschbach. Wenzel war bekannt für seinen Humor wie für seine Liebe zu den Sprachen des Alten Testaments, um die Schriften im Original lesen zu können. Diözesanarchiv Limburg, Nachruf. KZG 3304. Kurt Ziesché, geb. 1876 in Breslau. Priesterweihe 1900. Er hatte sich 1909 bei Joseph Pohle109 in Breslau für Dogmatik habilitiert und gehörte fortan für fast 25 Jahre dem Lehrkörper der Breslauer Universität als Privatdozent an. Nach der Vertreibung wirkte er als Seelsorger in Frickenhausen, gab in Königstein Exerzitien für die vertriebenen Priester und hielt Gastvorlesungen. Gestorben 1971 in Frickenhausen. KLEINEIDAM, Die katholisch-theologische Fakultät, S. 114f. BENDEL, Die Katholisch-Theologische Fakultät Breslau, S. 9-23.

Die Rektoren der Hochschule Studienjahr SS 1947 Prof. Dr. Erich Kleineidam 1947/48 “ 1948/49 “ 1949/50 “ 1950/51 “ 1951/52 “ 1952/53 Prof. Dr. Ernst Groß (komm.) 1953/54 “

Studienjahr 1962/63 Prof. Dr. Paul Wenzel

1954/55 1955/56 1956/57

1970/71 1971/72 1972/73

1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62

109

“ Prof. Dr. Franz Scholz Prof. Dr. Adalbert Bitterlich “ Prof. Dr. Anton Janko “ Prof. Dr. Erhard Lang “

1963/64 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 1968/69

“ Prof. Dr. Eduard Kroker SVD “ “ SS 68: Prof. Dr. Karl Braunstein Prof. Dr. Karl Braunstein

1969/70

Prof. Dr. Augustinus Kurt Huber OPraem Prof. Dr. Paul Hadrossek Prof. Dr. Anton Janko “

1973/74 1974/75 1975/76 1976/77 WS 1977/78

“ Prof. Dr. Karl Braunstein “ Prof. Dr. Philipp Schäfer “

Joseph Pohle (1852 – 1922), Professor für Dogmatik, von 1897 – 1921 in Breslau. Peter H. GÖRG, Pohle, Joseph. In: BBKL, Band 27 (2007), Sp. 1074-1076.

Priesterausbildung

457

10. Die Studenten

10.1. In den 1940er und 50er Jahren Im November 1947 konnte Kindermann festhalten, dass innerhalb eines Jahres 49 Schüler in Königstein die Abiturprüfung abgelegt hatten. Bei der ersten Prüfung bestanden alle Schüler, bei der zweiten am 7. und 8. November 1947, bei der sich 31 Schüler der Prüfung unterzogen, ebenfalls alle – drei davon mit Auszeichnung, 14 mit Gut. Am 15. November 1947 wurden 15 Schüler vom Rektor in St. Georgen für das erste philosophische Semester immatrikuliert. 405 Menschen lernten und arbeiteten zu diesem Zeitpunkt in Königstein: 220 Schüler, 12 Studienräte bzw. Assessoren, 62 Hörer in beiden philosophischen Semestern, dazu Angestellte der Kirchlichen Hilfsstelle, Schwestern etc. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits günstig entwickelt. Die Theologenzahl betrug am Ende des Jahres 1951 170, davon waren 140 Studenten im Haus. 1951 konnten die ersten Priester geweiht werden, zehn an der Zahl. Davon waren drei Schlesier, zwei Danziger, zwei Ermländer und zwei Sudetendeutsche.110 Für das Oberhaus, also für die Philosophisch-Theologische Hochschule und das Theologenkonvikt, verlief das Jahr 1951 relativ ruhig. Der notwendige Ausbau der Gebäude war bereits 1950 abgeschlossen worden. Es genügten einige kleinere Reparaturen. Die Veränderung im Lehrkörper brachte die Abberufung des Dogmatikers, Prof. Dr. Otfried Müller, mit dem 1. Januar 1952 nach Freising. Den Lehrstuhl versah Subregens Leo Scheffczyk. Eine nachhaltige Veränderung brachte die Abberufung des Regens und Rektors der Hochschule Dr. Erich Kleineidam nach Erfurt 1952. Die Zahl der Studenten betrug am 31. Dezember 1954 98, gegenüber 93 ein Jahr zuvor. 1954 wurden 28 Königsteiner zu Priestern geweiht, gegenüber 36 im Jahr 1953. Nicht nur das rückblickende Bewusstsein und die relativ hohen Studierendenzahlen lassen die fünfziger Jahre als die eigentliche Blütephase der Königsteiner Hochschule und des Priesterseminars erkennen, auch die relativ lange Amtszeit verschiedener Funktionsträger lässt darauf schließen. So konnte z.B. am 31. Oktober 1959 der Spiritual P. Loewenich auf die zehnjährige Tätigkeit im Königsteiner Priesterseminar zurückblicken.111 Aber selbst dieser Erfolg brachte keine Bestandsgarantie, brachte

110 111

Vgl. dazu den Jahresbericht über das Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. von 1951 in KZG-Akten Bischofszimmer 12/204. KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113, Bericht über das Wintersemester 1959/60, 2 S. masch., dort auf S. 1: „Am 31.10. konnte unser H. H. Pater Spiritual Prof. Dr.

458

Abschnitt V

nicht die Sicherheit und Selbstverständlichkeit der künftigen Existenz. So wies der Vertriebenenbischof Janssen von Hildesheim bei seiner Anwesenheit an der Tagung der Diözesanvertriebenenseelsorger vom 23. bis 25. November 1959 darauf hin, dass die Bischöfe das Priesterseminar in Königstein nach wie vor als Provisorium betrachteten und sich nicht in der Lage sähen, das Seminar in seinem Bestand positiv zu fördern und heimatvertriebene Theologiestudenten aus ihren Diözesen nach Königstein zu schicken. Andererseits wird unterstrichen, dass auch kein Bischof den Bestand des Seminars antasten werde. Das Fazit des Berichterstatters: „Diese Eröffnung machte uns klar, dass wir, was die Zukunft von Seminar und Hochschule anlangt, auf uns allein angewiesen sind.“112 Der Rückblick auf zehn Jahre Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein am 28. April 1959 hob die zwischenzeitlich 205 Priesterweihen von Theologen, die in Königstein studierten, hervor. Die Neupriester stammten ihrer Herkunft nach aus den 24 verschiedenen kirchlichen Jurisdiktionsbezirken von Danzig bis Lüttich und von Stuhlweißenburg bis Schneidemühl.113 Im Vordergrund stand in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre das Bemühen, die Akzente in Priesterseminar und Hochschule so zu setzen, dass der Schwund an Studierenden aufgehalten werden konnte, der seit dem Abzug der Studenten aus der DDR immer deutlicher wahrnehmbar wurde. So fragte man im Staatssekretariat des Vatikan nach, wie man dort zu den Plänen eines interdiözesanen und zunehmend sich internationalisierenden Seminars stünde. Die Studienkongregation und das Staatssekretariat machten keine Schwierigkeiten, forderten aber ein Statut, hinter das sich der deutsche Episkopat stellen sollte. Die zweite Schwierigkeit, die immer größer wurde, war im Bereich der Schule des Konviktes die zunehmende Zahl an jüngeren Schülern und damit auch die zunehmende Zahl an Jungen im Alter von zehn, elf Jahren im Internat. So verzeichnete das Protokoll der Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs vom 8. Juni 1959 einen Hilferuf des Präfekten Klinger114, dass für die 245 Schüler, davon 42 in

112 113

114

Loewenich OMI auf eine zehnjährige Tätigkeit in unserem Priesterseminar zurückblicken. Wohl vollzieht sich die Tätigkeit eines Spirituals als für das Forum internum zuständigem Oberen in der Stille, aber als geistlichem Seelenführer obliegt ihm die verantwortungsvolle, aber schöne Aufgabe, die künftigen Priester in das geistliche Leben einzuführen und sie in der so notwendigen priesterlichen Aszese zu unterweisen. In dieser Tätigkeit und als Beichtvater muss er manche Entscheidung fällen, die weittragende Wirkung hat. Durch seine Tätigkeit hat Pater Dr. Loewenich eine besonders enge Verbindung mit seinen Theologen gefunden, auch mit den jungen Priestern, die aus Königstein hervorgegangen sind. Für diese Arbeit sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt.“ Bericht über das Wintersemester 1959/60, S. 1f. Zehn Jahre Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein/Ts., masch., 8 S. bei der KZG, die Übersicht auf der S. 2, die Übersicht über die aktuellen Tätigkeitsorte der neu geweihten Priester, von denen die meisten in den Bistümern Hildesheim (28), Meißen (25) und Limburg (22) tätig waren, ist auf S. 3 zusammengefasst. Anton Klinger, am 26. Dezember 1919 in Rumburg geboren, begann das philosophische Studium in Leitmeritz. Nach Krieg und Vertreibung fand er Aufnahme im Priesterseminar in Regens-

Priesterausbildung

459

der Sexta, 25 in der Quinta und 35 in der Quarta, viel zu wenig Erzieher im Haus seien. Die Aufsichtsmöglichkeit sei so lückenhaft, dass der Zustand kaum verantwortet werden könne.115

10.2. Die 1960er Jahre Im Wintersemester 1961/62 kamen fünf Theologen aus der DDR hinzu, die durch die Ereignisse des Mauerbaus in Berlin am 13. August 1961 veranlasst worden waren, die DDR zu verlassen. Drei von diesen fünf Theologiestudenten blieben in Königstein. Neu kamen im Wintersemester 1961/62 acht Spanier. Man spürt in der Chronik bereits in der ersten Hälfte der 60er Jahre, wie gebangt wurde, dass genügend neue Studenten nach Königstein kamen, wie schwierig es war, die Zahlen zu halten. So heißt es etwa im Bericht für das Wintersemester 1963/64116, dass am 2. Dezember die gesamte Oberprima des Unterhauses, also des Gymnasiums, einen ganzen Tag hindurch am Seminarleben teilgenommen habe. Acht der Oberprimaner hatten sich für das theologische Studium entschieden, aber nur vier wollten in Königstein studieren. Der Kommentar des offensichtlich schlesischen Chronisten dazu lautete, die Heimatverbundenheit der jungen Menschen sei nicht mehr sehr stark. Das Ostanliegen, das doch in Königstein eine besondere Heimstätte besitze, spreche nicht einmal alle aus der ostdeutschen Heimat stammenden jungen Menschen mit der erwarteten Intensität an. Schließlich musste der Chronist für das Sommersemester 1963 festhalten, dass der bisher erstmalige Fall eingetreten war, dass das Königsteiner Seminar nur einen Erststudenten im ersten Semester hatte. 1966 lebten im Königsteiner Priesterseminar 44 Studenten. Acht befanden sich im Außensemester, drei waren beurlaubt. Davon waren 14 Breslauer, vier Glatzer, 16 Sudetendeutsche, sechs Ermländer, ein Danziger, ein Berliner, ein Südostdeutscher, ein Westpreuße, vier aus nicht vertriebenen Familien und sieben Ausländer. Unterstrichen wurde angesichts der Herkunft der Studenten auch 1966 die Aufgabe des Seminars, die Fortführung der großen Zahl der Seminarien im Osten zu symbolisieren und vor allen Dingen das Thema des Ostens auch in der Kirche des Westens lebendig

115

116

burg, am 29. Juni 1949 wurde er zum Priester geweiht. Kaplansstelle in Amberg. 1952 wurde er als Präfekt des Schülerkonviktes nach Königstein berufen. Seit 1959 Konviktsdirektor. 1967 kehrte er in die Seelsorge der Diözese Regensburg zurück. Er starb am 12. März 2004. Wilhelm GEGENFURTNER, Msgr. Anton Klinger, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 2 (2004), S. 28f. – Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg P 5952. Protokoll der Mitgliederversammlung vom 8. Juni 1959, 4 S. masch., hier S. 4, KZG Akten Bischofszimmer 13/205. „Die Jungen der U II im kritischsten Alter können einfach nicht beaufsichtigt werden, dabei ist die Schülerselbstverwaltung bereits voll mit eingebaut. Die innere Führung der Schüler lässt sich bei dieser Lage nicht mehr gewährleisten. Das erklärt, dass sich selbst auch manche Königsteiner Abiturienten, die Theologen werden, nach anderen Seminarien abwerben lassen. Der Ruf nach Erzieherkräften sei hier unüberhörbar.“ KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113, 2 S. masch.

460

Abschnitt V

zu halten. Unterstrichen wurde die besondere Aufgabe der Kirche, auch im Volk das Interesse an den Menschen und dem Schicksal der Kirche im Osten zu wecken und zu pflegen. Da die Studenten der Königsteiner Hochschule den unterschiedlichen Diözesen Deutschlands angehörten, wurden sie aufgrund ihrer besonderen Ausbildung befähigt, diese Aufgabe im weitesten Rahmen wahrzunehmen. Der Rektor der Hochschule, Prof. Kroker, stellte zuvorderst die besondere studienmäßige Ausrichtung der Königsteiner Hochschule heraus. Der Philosophie des Marxismus werde im Interesse eines Dialoges besondere Beachtung geschenkt. Spezifische Fragen des Ostens, der Ostproblematik würden sowohl in der Philosophie, in der Kirchen- und Kunstgeschichte wie auch in Liturgiewissenschaft und der Orientalischen Theologie behandelt. Hinzu kamen Kurse in den slawischen Sprachen. Die Hörerzahl an der Hochschule stieg Ende der 60er Jahre vor allem durch Theologen aus dem Südosten. Die Zahl der aus Königstein hervorgegangenen Neupriester hatte sich mit dem Jahr 1968 auf 362 erhöht. Die Zahl der Seminaristen ging Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre rapide zurück. 1971 lebten im Seminar noch 32 Studenten, davon kamen 18 aus dem Ausland. Nach der Ansicht des Regens wurde damit die Hauptsorge des Seminars sichtbar, denn es müsste mindestens ein Stand von 1:1 erreicht und gehalten werden, um Stätte der Begegnung bleiben zu können. Unsicherheit in der Berufsfindung, die Zölibatsdiskussion, das Ringen um eine zeitgemäße Form der Spiritualität, der Trend zum Laientheologen, beschrieb er als Aufgabenschwierigkeiten und Gründe für diesen Rückgang. Die Suche nach neuen Kontingenten an Studenten führte den Regens und den Rektor vom 29. April bis 8. Mai 1971 zu einer Jugoslawienreise, um die Verbindungen zu den dortigen Ordensoberen der Franziskaner, auch zu den Leitungsgremien der Diözesen, zu vertiefen, hatten doch in den vergangenen Jahren sowohl Provinzialobere wie auch Bischöfe oder Regenten der Priesterseminare Königstein besucht, wo seit einigen Jahren weltliche Priesteramtskandidaten und Angehörige des Franziskanerordens aus Jugoslawien studierten. So unterstrich der Rektor, Prof. Dr. Hadrossek, in der akademischen Feier am 15. November 1971 den Wunsch der Vertiefung der Kontakte mit Jugoslawien und damit der Öffnung Königsteins in den Osten in seinem Jahresbericht und führte die 15 Adressaten des Besuches anlässlich der Jugoslawienreise an. Er unterstrich, dass Regens und Rektor überall mit größter Gastfreundschaft aufgenommen worden waren und dass mehrere Bischöfe und Provinziale bekräftigt hatten, dass sie mit den ehemaligen Studenten Königsteins beste Erfahrungen gemacht hätten. Sie würden gern weitere Studenten nach Königstein entsenden.

10.3. Die Integrationskraft der Königsteiner Ideen für die Studenten Kindermann nahm wiederholt Anlauf, um einen ‚Korpsgeist’ der Königsteiner zu schaffen. Verbindung wurde gehalten während des Studiums, gerade auch zu den Semestern im Außenstudium und zu den Ehemaligen: Regens Piekorz stand mit den Studenten der Freisemester im brieflichen Austausch und schärfte ihnen die Einhal-

Priesterausbildung

461

tung der Regeln, die Betrachtung im Gebet und den Kontakt zum jeweils betreuenden Priester am Studienort ein. Auch zu den Ehemaligen und Freunden des Priesterseminars wurde mit einem Weihnachtsbrief Kontakt gehalten, in dem die Veränderungen und Freuden des jeweiligen Jahres geschildert wurden.117 Regens, Spiritual, Obersenior, zuweilen auch Kindermann selbst, schrieben ihre Grüße und Informationen. Eine Reihe von Zielsetzungen wurde mit Schwerpunkten in den Gedächtnis- und Feiertagen zum Ausdruck und den Studenten nahegebracht. Eine kontinuierliche Zielsetzung, die entsprechend persifliert wurde, lautete: Im Übrigen geschieht alles so, wie es die Kirche immer wieder gemacht hat. Der Kirchenhistoriker Erwin Gatz hat mit Blick auf das Aachener Priesterseminar einige Erfahrungen festgehalten, wie sie auch bei Königsteiner Studenten im Lauf der Jahre zunehmend artikuliert wurden: Die Schwierigkeit, dass die Studenten nicht als junge Erwachsene auf die Aufgaben der Seelsorge hingeführt, sondern in ihrer Bewegungsfreiheit beschnitten wurden. Die schriftlich fixierte Hausordnung wurde gehütet wie der Gral, so dass viele Kräfte der Studenten in die Überlegungen flossen, wie die rigiden Bestimmungen der Ordnung umgangen werden konnten. Auf die Bestimmungen wurde größerer Wert gelegt als auf den Geist. „Wenn ich die Hausordnung heute lese, schwanke ich zwischen Heiterkeit und Zorn. So war z.B. die Ausgehzeit streng reglementiert und alleine auszugehen war nur mit Erlaubnis gestattet.118 Die Studenten hatten Meinungsforschung im Königsteiner Priesterseminar betrieben – auch das ein Phänomen der Auf- und Umbruchszeit. Sie präsentierten die Ergebnisse dieser Umfrage auch in ihrer Hauszeitschrift „Stimulus“. Alle 49 Studenten wurden befragt. Zwei von ihnen hatten die Antworten verweigert. 24 Philosophen und 23 Theologen beteiligten sich. Ihnen wurden neun Fragen vorgelegt – davon eine kleine Auswahl: Warum kamst Du ins Königsteiner Priesterseminar? Bei zehn Kandidaten war es ein Geistlicher, in der Regel ein Heimatvertriebener, der den Anstoß gegeben hatte. Bei sieben spielte der Einfluss von Kindermann eine Rolle. Bei vieren ein Alt-Königsteiner. Daneben wurden genannt die ‚Junge Aktion‘, ein Königsteiner Student etc. Es waren also mehr als 50 %, die aus dem Kontext Königstein heraus angesprochen waren. 13 der Befragten hatten bereits in Königstein ihr Abitur gemacht, also ein knappes Drittel. Die Ausrichtung als Heimatvertriebenense-

117

118

Ein Teil solcher Briefe findet sich in KZG 3298. Ein Beispiel: „Dass es aber nach wie vor fröhlich bei uns zugeht, bewies die Nikolausfeier. Viel Mühe und Geist verwandten unsere Theologen darauf – wie auch Sie einst – um jedem humorvoll durch die Blume und auch ohne Blume zu sagen, was der Kritik am Herzen lag… Aber auch die Liebe zur Heimat wird bei uns nicht nur vorausgesetzt, sondern auch wissenschaftlich untermauert, weil unsere Theologen beim Verlassen der Heimat meistens erst um die zehn Jahre alt waren. In Pflichtvorlesungen erfahren unsere Theologen mit großem Interesse von der Geschichte ihrer Heimatdiözese und von ihrem gegenwärtigen Stand.“ Erwin GATZ, Aus meinem Leben. Regensburg 2010, S. 36.

462

Abschnitt V

minar veranlasste neun Studenten zum Kommen nach Königstein. Nur ein Theologe und ein Philosoph hatten das Ostanliegen als Grund genannt. Die zweite Frage Sind Deine Erwartungen erfüllt worden? richtete sich einmal auf die Hausordnung: Da fanden sich Einschränkungen. Es gab sechs Nein-Stimmen. Nicht ganz zufrieden waren acht. Mit Ja antworteten 18 Seminaristen. Immerhin ein Drittel der Seminaristen gab an, auf mehr Raum zur eigenen Initiative Wert zu legen. Sie wünschten weniger Enge und Zwang, dafür mehr Möglichkeit zur persönlichen Tagesgestaltung. Die Hausordnung wurde als übermäßig streng empfunden und sie verhindere das Gemeinschaftsleben. Ebenso wurde der Vorlesungszwang als einengend beschrieben. Ordnung und Anordnungen waren oft unverständlich und pedantisch, bemängelten immerhin elf Studenten. ‚Mehr Menschlichkeit statt Satzungen und Formalismus‘ brachten sie es auf eine Formel. Außerdem wurde eine zu geringe Zahl kultureller Veranstaltungen oder Vorträge beklagt. Die Erwartungen an die Hochschule waren ursprünglich höher gewesen, als sie erfüllt wurden – bei immerhin 25 Studenten. In den Vorlesungen sollten die Fächer mehr auf das praktische Leben ausgerichtet werden. Sie wurden zum Teil als veraltet empfunden, zu eng und konservativ. Gerade bei den wenigen Zuhörern wünschten sich einige mehr Diskussionen während der Vorlesungen. Der Kontakt zwischen Professoren und Studenten sollte enger sein. Geschätzt wurden vor allem die kleine Gemeinschaft in Königstein und die Landschaft. Bei den Studenten der höheren Semester überwog die Zustimmung bei der Frage: Würdest Du noch mal in Königstein anfangen? Dort standen zwölf Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen gegenüber, bei den Philosophen hingegen, also bei den niedrigeren Semestern, hielten sich Ablehnung und Zustimmung die Waage. Sehr kritisch wurde von den Studenten die Rolle des Seminars im Kontext der Königsteiner Anstalten gesehen. Das Seminar sei nur das Aushängeschild, dessen Rolle nach außen hin größer dargestellt werde, als sie eigentlich sei, um Finanzmittel locken zu können. Vor allem im Vergleich mit dem Haus der Begegnung wurde ihm der zweite oder dritte Rang zugesprochen. Die siebte Frage zielte auf die besondere Bedeutung der Königsteiner Anstalten. Positiv gewürdigt wurde die Tagungsstätte – das Forum der Völkerverständigung, das Zentrum, von dem aus das Bewusstsein für den Osten wach gehalten werde – immerhin von einem knappen Viertel. Aber ebenso gab es ein Viertel kritischer, einschränkender Stimmen, die allenfalls einzelne Institute für besonders bedeutend hielten, die aber an Priesterseminar und Internat durchaus zweifelten. Bezeichnend ist auch, dass Schule und Konvikt von vier Befragten eine besondere Bedeutung zugesprochen würde, wenn es bessere pädagogische Kräfte gäbe. ‚Stimulus’ war wegen der darin enthaltenen Kritik von der Seminar- und Hausleitung heftig angegriffen worden. Der Obersenior versuchte mit einem Schreiben an die Vorgesetzten zu erklären und die Wogen zu glätten. ‚Stimulus’ erschien nur in einer Ausgabe.119

119

KZG 3219.

Priesterausbildung

463

10.4. Feiern im Leben der Hochschule – das Beispiel 1955 Am 13. Juni wurde ein Tag der Heimat in froher Besinnung begangen unter Beteiligung des Prälaten Golombek, des Leiters der Arbeitsstelle Nord, sowie des Bibliotheksrats der Universitätsbibliothek Münster, Dr. Samulski120. Auch Staatssekretär Nahm war anwesend. Eine Stunde der Landsmannschaften prägte den Abend. Fasching wurde unter dem Motto ‚Remilitarisierung’ gefeiert.121 Alte Waffengattungen vieler Nationen versammelten sich auf dem Kasernenhof. Die Studenten ließen das ehemalige Kasernenleben in den Gebäuden wieder auferstehen. Am 15. Juni wurde das Sommerfest mit einer Dampferfahrt zum rheinischen Wallfahrtsort Bornhofen gefeiert. Zu Beginn der Sommersemesterferien trafen sich, wie ebenfalls alljährlich, die heimatvertriebenen Priester. Anfang August wurde eine Theologentagung veranstaltet, an der 180 Theologiestudenten, davon 90 Ausländer, u.a. Franzosen, Spanier und Italiener teilnahmen. Gerade die Theologentagungen sah man als eine willkommene Plattform, um die eigenen Anliegen weit hinauszutragen. Dazu gehörte auch die entsprechende Geschichtsdeutung der jüngeren Zeit, die die Vertreibung als eine Folge des Bolschewismus darstellte und in einem engen Konnex mit der Christenverfolgung des Bolschewismus sah.122 Deswegen sollten auch die Theologen der Internationalen Tagung ausgerichtet werden auf das missionarische Anliegen in Richtung Osten, denn je länger die Christen- und Kirchenverfolgungen im Osten dauere, umso größer werde das Missionsfeld sein, dass sich dereinst auftue in einer Stunde, die Gott allein wisse. So sei Königstein keineswegs nur rückwärts in die Vergangenheit, also dem Vertreibungsgeschehen zugewandt, sondern sehr wohl auf die Zukunft ausgerichtet.123 In dieser Auseinandersetzung verharrte man auch in den Jahren des Konzils.124 120 121 122

123

124

Zu Robert Samulski (1908 – 1990) vgl. Johannes GRÖGER, Robert Samulski, in: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 283-287. Von daher muss der Brief Weihnachten 1955 verfasst sein. „Je länger wir hier sind und je mehr sich unsere Arbeit ausweitete, umso mehr wurde uns klar, dass sich Probleme auftun, die erstmalig und bis dahin in solchem Umfang und Gewicht unbekannt auf die Kirche des Westens zukommen. Mit der Zeit nämlich, sind uns die tieferen Zusammenhänge des gesamten Flüchtlingsproblems klar geworden, insbesondere die ursächlichen Zusammenhänge von Heimatvertreibung mit der Christenverfolgung des Bolschewismus. So kam zum Vertriebenenproblem das hinzu, was wir das Ostanliegen oder die Ostausrichtung nennen. Wir verstehen darunter die Aufgabe, die freie Welt immer wieder an diese genannten Zusammenhänge zu erinnern, sie also über den Bolschewismus aufzuklären. So sind in Königstein allmählich auch noch andere Einrichtungen entstanden.“ Aus der Begrüßung des Regens zum 12. Internationalen Theologentreffen, 3 S. masch., Zitat S. 1f. KZG 3298. Vgl. KZG 3298: „Ich muss aber noch etwas sagen: Wir schauen bei unserer Arbeit keineswegs zurück, schreiten also nicht dem Blick in die Vergangenheit weiter, wie man es bisweilen von uns annimmt. Wir sind auch keine Fantasten, die nur in eine imaginäre Zukunft schauen. Vielmehr sind die Probleme, die uns auf diesen Berg hier haben steigen lassen, sehr gegenwartsnahe.“ Die eben zitierte Einführungsrede stammt aus der Konzilszeit. Jedenfalls wird hingewiesen auf das Schema Kirche und Welt.

464

Abschnitt V

Am 15. November wurde der zehnte Jahrestag der Gründung der Häuser mit Gottesdienst und Festakademie gefeiert, der traditionelle Dies academicus.125

10.5. Die verfasste Studentenschaft, Studentenvertretung Die Studenten gaben sich in den 60er Jahren eine Satzung, um das in der Verfassung der Hochschule gesicherte Mitspracherecht der Studentenschaft in den Hochschulkonferenzen wahrnehmen zu können. Der Allgemeine Studentenausschuss, der AStA, war das Verwaltungsorgan der Studentenschaft. Ihm gehörten an: der AStA-Vorsitzende, der Obersenior, die vom Studentenrat bestätigten Referenten, der Chefredakteur des Semesterrundbriefes „Signa“ und der Philosophen- sowie der Theologensprecher. Der AStA vertrat die Studentenschaft bei der Hochschule und dem Seminar, die Hochschule außerhalb der Hochschule, führte die Beschlüsse des Studentenrates aus und erfüllte jede Aufgabe, die die studentische Selbstverwaltung an ihn stellte. Die Aufgaben des AStA waren in fünf Referate aufgeteilt, das Außen- und Informationsreferat, das Sozialreferat, das Ostreferat, das Kulturreferat und das Finanzreferat. Als Aufgaben formulierte die AStA die Vertretung der fachlichen Belange der Studierenden, die Förderung der internationalen Studentenbeziehungen, die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Selbsthilfe, die Förderung der staatspolitischen Bildung, die Unterstützung der kulturellen und musischen Interessen der Studierenden, die Pflege des Studentensports und die Aufrechterhaltung der Verbindung zu ehemaligen Studenten der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein.126 Mindestens einmal im Semester sollte vom AStA-Vorsitzenden eine Vollversammlung aller Studierenden einberufen werden. Sie wurde auch vom AStAVorsitzenden geleitet. Die Vollversammlung beschloss über alle Angelegenheiten der Studentenschaft und sie setzte verbindliche Richtlinien für die Arbeit des AStA fest.

125

126

Bei all diesen Tagungen unterstrich Kindermann die antikommunistische Intention. So etwa in einer Ansprache zur Eröffnung eines internationalen Theologentreffens. „Wie oft schon so öffnen sich auch in diesem Jahr die Tore Königsteins zum internationalen Theologentreffen. Königstein, vielleicht der größte katholische Tagungsort in der Bundesrepublik, sieht sehr viele Tagungen in seinen Mauern. Besonders nach Schluss des Sommersemesters. Königstein ist der Ort, an dem in besonderer Weise die geistige Auseinandersetzung mit den großen Problemen stattfindet, die uns seit 50 Jahren, seit die Sowjetunion anstand, aufgegeben sind. Wir kennen die grundsätzliche Einstellung des Bolschewismus gegen Gott, Religion, Glauben und Kirche. Wir nehmen sie sehr ernst. Wir kennen auch die seit einiger Zeit immer wieder gestellte Frage, ob und inwieweit eine Koexistenz zwischen Kirche und Bolschewismus möglich ist. Eine Frage, die geradezu die geistige Situation des Abendlandes bezeichnet. Darum steht auch mit Fug und Recht unsere 4. Internationale Theologentagung unter diesem Thema. Wie könnte ferner eine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus möglich sein, wenn nicht auch immer wieder die Priesterfrage angeschnitten wird.“ (KZG 3298). DAR AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, Satzung der Studentenschaft, 14 S. masch., Umschreibung der Aufgaben S. 1f.

Priesterausbildung

465

Sie war diesem gegenüber also weisungsbefugt. Die Vollversammlung wurde als das Wahl- und Kontrollorgan der Studentenschaft gesehen, die Gelegenheit zur Aussprache über alle studentischen Angelegenheiten bot. Sie wählte den AStA-Vorsitzenden und brauchte mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten, um beschlussfähig zu sein. Der Studentenrat setzte sich zusammen aus dem AStA-Vorsitzenden, dem Obersenior als Vertreter der Interessen der Seminarleitung und den Semestersenioren, die von den Studenten der einzelnen Kurse für ein Semester gewählt wurden. Der Studentenrat wurde vom AStA-Vorsitzenden während der Vorlesungsmonate allmonatlich einberufen. Der Studentenrat konnte die Höhe des Semesterbeitrags zu Beginn jedes Semesters festlegen, einen Wahlausschuss zur Wahl des AStA-Vorsitzenden einsetzen, den Chefredakteur der Semesterrundbriefe „Signa“ wählen127, die studentischen Vertreter im Förderungsausschuss und den Vorstand des Studentenwerkes ernennen und die Kandidaten für die Wahl des AStA-Vorsitzenden aufstellen. Seit der ersten Hochschulkonferenz des Wintersemesters 1968/69 durften die Studentenvertreter an der gesamten Hochschulkonferenz teilnehmen, „um ihnen ein wirkliches Mitspracherecht einzuräumen“ – außer in Personalfragen.128 Seit dem Januar 1970 gehörten die Studentenvertreter, die mindestens dem 5. Semester angehören sollten, zu den stimmberechtigten Mitgliedern der Hochschulkonferenzen.129 Auf Anregung der Studentenschaft, so unterstrich Eduard Kroker in seiner Rede zur Übergabe des Rektorates an Karl Braunstein, seien die Studenten zur Teilnahme an den Hochschulkonferenzen zugelassen worden, sei die Podiumsdiskussion zu einer institutionellen Einrichtung in Königstein geworden und seien die Jahresausflüge erwachsen, die Lehrende und Lernende in einer Gemeinschaft zusammenbrachten.

10.6. Der „Studentenprotest“ in Königstein Probleme mit Studenten zeigten sich in Königstein schon vor dem breiteren Studentenprotest der ausgehenden 60er Jahre: Das Sommersemester 1964 wurde als problemreich beschrieben – wegen sieben Diebstählen, die durch die Kriminalpolizei aufgeklärt werden mussten, wie auch wegen einer illegalen Seminarzeitung, die auch außerhalb von Hochschule und Seminar verbreitet worden war und die Leitung des Seminars zu energischen disziplinären Maßnahmen gezwungen hatte.130 Am 29. Juni 1969 fand das alljährliche Sommerfest statt, das, wie der Chronist, vermutlich Regens Ganse, bemerkte, leider nicht ohne Missklang abging. Den Miss-

127

128 129 130

Die „Signa“, die Studentenzeitschrift der sechziger Jahre, brachte viele Berichte über die Lage in der ČSSR und in Jugoslawien, aber auffallend wenig bis keine aus Polen. Im Wintersemester 1969/1970 spürte man das nahe Ende der „Signa“, da fehlten der Atem und die Kraft für die gewohnte Zahl und die Intensität der Berichterstattung und Meinungsbildung. Chronik der Hochschule, S. 136. Chronik der Hochschule, S. 142. Vgl. Dokument Nr. 28 im Anhang. Es zeigt sich dabei dass der Bericht wohl vom Regenten geschrieben wurde. Vgl. Bericht Sommersemester 1964, 2 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Priesterseminar, 3113.

466

Abschnitt V

klang hatten zum einen Darbietungen am Begrüßungsabend durch das Unterhaus ausgelöst. Diese Vorstellungen hatten Missfallen erregt. Auch die Theologen hatten dazu beigetragen. Sie hatten eine Bar eingerichtet, auch das ein Anlass für Beanstandungen. Wie in jedem Jahr versuchte Kindermann am Ende des Sommersemesters 1969 den harmonischen Geist zu unterstreichen: „Auch im vergangenen Jahre war der Zusammenklang aller Königsteiner Einrichtungen gut, so dass das eine Königstein wie all die Jahre auch weiterhin in den Augen der Wohltäter und Förderer voll zur Geltung kam. Auch in diesem Jahre waren unsere Häuser der Tagungsort vieler und wichtiger Konferenzen, Tagungen und Kongresse. Die Welt durchzog unsere Häuser ohne Rücksicht auf Nation, Konfession, soziale und politische Zugehörigkeit. Ein Ort katholischer Offenheit im wahrsten Sinne des Wortes.“131 Getrübt wird dieses Bild allerdings, wenn man die Stimmen der Studenten zur neuen 1968 eingeführten Hausordnung für das Königsteiner Priesterseminar132 vernimmt. Etwa gleichzeitig zum Entstehen des Jahresberichtes wandte sich der Obersenior, Peter Viecha, zum Thema Hausordnung an Weihbischof Kindermann. Grundsätzlich kritisierte der Obersenior die undurchsichtige, verzögerte oder verhinderte Kommunikation. Er sprach von Unmut, der bei den Studenten aufkommen müsste, weil sie sich mit zahlreichen Anregungen und Besprechungen in den Prozess eingebracht hätten, sie immer auch die Notwendigkeit einer Hausordnung eingesehen und unterstrichen hätten, freilich eine Ordnung, die den veränderten Zeitumständen angepasst sein müsse. Während die Studenten annahmen, sie hätten sich kooperativ in den Prozess eingebracht, sprachen sie der Seminarleitung die Ursächlichkeit für die Spannungen im Seminar zu. „Ich habe mich in den vergangenen zwei Semestern besonders darum bemüht, in unserem Seminar eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens wieder herzustellen. Nun, wenige Tage vor Semesterende muss ich mit Bedauern, aber nicht kommentarlos, feststellen, dass mir das nur einseitig, nämlich auf Seiten meiner Kommilitonen gelungen ist. Nachdem ich fünf Jahre aufs Engste mit dem Königsteiner Priesterseminar verbunden war, täte es mir leid, wenn aus Gründen, die nicht unbedingt auf Seiten der deutschen Seminaristen (von den ausländischen will ich in diesem Zusammenhang wegen ihrer finanziellen Abhängigkeit nicht sprechen) zu suchen sind, der Satz Wirklichkeit würde, den ich am 5. Juli 1968 vor der Hochschulkonferenz an den Schluss meiner Ausführungen stellte: „Dabei gebe ich durchaus zu bedenken, dass solch eine Entladung der gesamten Atmosphäre mit Schmerzen und zwar für beide Seiten verbunden sein kann.“133 Auf die Anfrage des Studentensprechers suchte Huber im Austausch mit seinen Kollegen nach Antworten, dabei zeigt sich auch, dass die Kritik in vielen Punkten als

131 132 133

KZG Akten Bischofszimmer 1/193, Tätigkeitsbericht AMK 1968 im Entwurf, 5 S. masch. mit handschriftlichen Notizen, Zitat S. 5. Vgl. Dokumente Nr. 29 und 30 im Anhang. KZG 3224. Peter Viecha an Weihbischof Kindermann am 31. Januar 1969, KZG Akten Bischofszimmer 1/193, 2 S. masch., Zitat S. 2.

Priesterausbildung

467

durchaus berechtigt gesehen wurde. Etwa in punkto des Hauptvorwurfs, dass Anträge wiederholt werden müssten, dass keine klaren Antworten und Entscheidungen erfolgt seien. Huber sprach von einer Neigung, manches Unangenehme vor sich her zu schieben oder gar die Sache versanden zu lassen. Huber wehrte sich nicht gegen die Klagen der Studenten über Professoren, die allem Neuen mit Misstrauen begegneten. Er sprach von einer Negativhaltung, die eine innere Kluft zwischen Lehrer und Hörer kreiere. Eher zustimmend klingt seine Formulierung in punkto Einstellung zu den osteuropäischen Völkern; auch Huber hatte seine Bedenken hinsichtlich der konkreten und aktuellen Schwerpunktsetzungen in Königstein, z.B. konsequent ausschließlich den Rechtsstandpunkt zu unterstreichen und den alten Gegensatz und nicht das Positive und Gemeinsame mit den Völkern Osteuropas zu suchen. Ebenso stellte Huber die beklagte Diskrepanz zwischen der propagierten Ostausrichtung der Hochschule und den Klagen der kroatischen Studenten, dass die Dozenten und Leiter in Königstein die Probleme ihres Herkunftslandes, ihre Mentalität zu wenig kennten, nicht in Abrede. „Was könnten wir hier konkret tun?“ fragte er den Regens. Schließlich merkte er zur resignativen Haltung der Professoren gegenüber der Zukunft der Hochschule an: „Wodurch konnte ein solcher Eindruck entstehen? Ist nicht eine gewisse Resignation auf unserer Seite – falls vorhanden – darauf zurückzuführen, dass von unserem Ostangebot bisher nur ungenügend Gebrauch gemacht wurde. Geringe Nachfrage für „Königstein“ überhaupt? (Im Dezember 1969 forderte der Theologensprecher im Namen des fünften und sechsten Semesters die Aufhebung des obligatorischen Charakters aller ostkundlichen Vorlesungen!)“134 Die Gettomentalität im Vertriebenengetto und im katholisch-römisch-päpstlichen Milieu wurde offensichtlich von Studenten in Königstein als einengend empfunden und im Kontext der 68er Umbrüche aufs Korn genommen.135 Diese besänftigten Wellen des Studentenprotestes, die hier in Königstein anschlugen, wollte der Kirchenhistoriker Augustinus Kurt Huber in seiner Rektoratsrede am 15. November 1969 geschichtlich einordnen, verorten und deuten. Er stellte diese Auseinandersetzungen

134 135

Huber an Regens, 8. Juli 1970, 2 S. masch., KZG 3243, Zitat S. 2. So hieß es etwa in einem auf die Melodie des Kirchenliedes und von dessen Text inspirierten Lied auf den Dogmatiker; Prof. Drewniak, der offensichtlich mehrfach als eine Verlegenheitslösung in der Nachfolge Prof. Scheffczyks empfunden wurde: „Ihr Freunde Gottes, päpstlich rein, die Ihr vereint in Königstein, Leander bläst zum Endgefecht. Für ihn sind alle andern schlecht. Steht fester, schließt Leanders Reih‘n, sein Wille soll der einzge sein. Drum igelt Euch nur feste ein.“ 2. Strophe: „Leander predigt, tobt und schreit und sucht mit allen Leuten Streit. So merkt auch bald der letzte Christ: beschissen seine Lage ist. Steht fester, schließt …“ 3. Strophe: „Er schnüffelt, wittert Häresie, nur bei sich selber sieht er nie, dass er ein Spalter und zerstört durch eitlen, falschen Wahn, betört. Steht fester, schließt …“ Nach einer kurzen Notiz von Prof. Huber waren es Studenten, die diese Spottverse auf Prof. Drewniak an die Tür geheftet hatten. Voll Erleichterung notierte Huber, dass die Sekretärin der Hochschule die Verse noch rechtzeitig entdeckt und entfernt hatte. Ein Vorfall aus dem Wintersemester 1969/70 – KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166.

468

Abschnitt V

unter das Thema „Generationsproblem“ und suchte geistige Generationsprobleme in der Kirche seit der Aufklärung. „Das Generationsproblem mit seinen Spannungen ist als Lebensgesetz immer vorhanden; es wird zum geistigen Erlebnis und gewinnt eine tiefe, ja auch eine leidvolle, Schärfe immer dann, wenn die junge und die ältere Generation in einen Umbruch geistiger und gesellschaftlicher Art hineingeraten. Das Leben der Kirche bildet da keine Ausnahme.“ So konstatierte er weise und wollte wohl suggerieren, die Situation in Königstein sei nicht so außergewöhnlich und damit auch nicht zu dramatisieren.136 Am Beispiel seines Heimatstiftes Tepl in Westböhmen zeigte Augustinus Kurt Huber in seinem Festvortrag, wie auf diesem konkreten Raum des Klosters, der Mönchsgemeinschaft, seit der Aufklärung immer wieder der Wille zu Aufbruch und Neuerung und die Beharrlichkeit, der Wille zum Bewahren und Festhalten aufeinander stießen und für Reibung sorgten. Er erinnerte zuletzt auch an seine eigene Vergangenheit in der katholischen Jugendbewegung, an die Vorstellungen und Ideale und wie viele seiner Coaetanen in der Gegenwart, also nach den Aufbrüchen des Zweiten Vatikanums in Sorge und Angst lebten in Bezug auf die Neuerungen in der Kirche. Aus diesen historischen Kontexten und Erfahrungen und aus der eigenen Erfahrung appellierte Huber an die Studenten der Königsteiner Protestphase, das „Lebensgesetz des spannungsvollen Zueinanders“ anzunehmen und wenigstens im Kleinen, sprich in der Gemeinschaft in Königstein, aus der Geschichte zu lernen – eine Fähigkeit, die Huber größeren Gemeinschaften absprach – und zu sehen, dass jede Zeit des Lebens, der Unruhe und der Impulse von Seiten der Jugend bedürfe, dass die Jugend aber auch akzeptieren müsse, dass sie in einer Tradition stehe.137 „So scheint dies also mit den Generationen zu sein! ... Was allen Konfrontierungen gemeinsam zu sein scheint, ist Folgendes: die Jüngeren werfen den Älteren Unverständnis für die zukunftsgestaltenden Kräfte und Mächte vor; die Unfähigkeit, sich mit dem Neuen auseinanderzusetzen; sie werfen ihnen vor, an erstarrten Formen des Lebens festzuhalten und deren Weitergeltung erzwingen zu wollen; sie glauben, dass

136

Die Rektoratsrede Hubers, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, publiziert auch in Hans WOL(Hg.), Testimonium veritati. Philosophische und theologische Studien zu kirchlichen Fragen der Gegenwart (= Frankfurter Theologische Studien 7). Frankfurt/M. 1971. „Eine Genugtuung aber dürfen die Jugendbewegten heute haben: das Anliegen der liturgischen Bewegung wird von den Bischöfen und von Rom (nach anfänglichem Misstrauen) bejaht und gefördert. Der mystische und zugleich realistische Charakter der Kirche, der Dienstcharakter des Priestertums wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich unterstrichen. Wir Jugendbewegten vermochten uns nicht vorzustellen, dass wir einmal graue Haare haben würden. Nun haben wir sie und viele von uns sind auch noch zu „Bürgern“ geworden mit einem gewissen Ruhebedürfnis und mit der Meinung, dass es nunmehr mit der Wandlung, mit dem Fortschreiten sein Ende haben solle. Dass wir die Welt nicht zu ändern vermocht haben, nehmen die meisten eher humorvoll als bitter zur Kenntnis. Aber es gibt Konfratres, einst Avantgardisten der Bewegung, die mit großer Besorgnis etwa das Eindringen der Volkssprache in die Messfeier oder das offene Eingeständnis einer etwaigen Mitschuld der Kurie an der Glaubensspaltung durch Papst Paul VI. zur Kenntnis nehmen. Diesen ist offenbar eine Welt zusammengebrochen, die gar nicht einmal unsere Welt vor 30 bis 40 Jahren gewesen ist!“

TER 137

Priesterausbildung

469

durch das Festhalten an Ämtern und Positionen durch die Älteren, die einmalige Chance für den Durchbruch des Richtigen und Notwendigen vertan werde. Die Älteren wiederum beklagen sich über die Besserwisserei der Jungen; sie finden sie anmaßend, undankbar, lieblos und intolerant; sie finden, dass ihre Sachkenntnis nicht im geraden Verhältnis zu ihrem Pathos der Weltverbesserung stehe; ihr Reformwille kenne keine Grenzen, sie würden eine allgemeine Auflösung herbeiführen, ihre Liebe zur Kirche sei anzuzweifeln. Von all dem ist einiges gewiss richtig gesehen. Es zeigte sich u.a., dass die junge Generation für das Zukunftsweisende mehr eine Witterung hatte, als dass sie eine überzeugende, auf Sachkenntnis beruhende Argumentation zu bieten vermochte. Die Älteren wiederum verteidigten ihre gewiss größeren Kenntnisse als fertiges, abgeschlossenes System, das für neue Fragestellungen keinen Einlass bot. Aber es gab auch dies: Ältere gaben unumwunden zu, dass das Leben der Unruhe und Impulse von Seiten der Jugend bedürfe und Vertreter der Jugend wussten den Widerspruch von oben als eine Hilfe für ihr eigenes Wachsen und Reifen zu würdigen. Endlich ist zu sagen: „Nichts geht von einer Generation ganz verloren, sei es, dass es positiv oder negativ der Weiterentwicklung dient. Im Letzten gibt es keine „verlorene“ Generation … Es ist seltsam, dass zur selben Zeit da – unter dem Beifall der jungen Generation – die Geschichte, die Geschichtlichkeit wie niemals zuvor in das theologische Denken eingegangen ist, der Wert der Geschichte für das Leben so gering veranschlagt wird. Dabei stünde hier eine Hilfe bereit und zwar in unserem Fall der Appell aus der Vergangenheit an die Älteren, dass sie die eigene Bildungsund Erlebniswelt nicht als Schlusspunkt der Entwicklung begreifen, dass sie zur Kenntnis nehmen, wie es auch in der Kirche eine Abfolge von Leitbildern und Idealen gegeben hat; dann die Lehre für die Jugend, dass wir ohne Überlieferung nicht das wären, was wir sind, was wir wissen und was wir können und schließlich für alle die Erfahrung, dass auf Lieblosigkeit und verletzendem Gebaren in der Kirche kein Segen ruhen kann, seien die Ideale um derentwillen dies geschieht noch so hoch und gut.“138 Wie konstruktiv kritisch die Situation in Königstein von den Studenten bewertet wurde, zeigt nicht zuletzt eine Reflexion über den aktuellen Stand der Ostarbeit, die die AStA-Vorsitzenden im Studentenbrief „Signa“ im Sommersemester 1970 formulierten. Sie schrieben einen Brief an einen Königsteiner im Außensemester, der dort den Kontrast in der Atmosphäre an einer Universität erlebt hatte und sich fragte, ob er angesichts der vielfältigeren Möglichkeiten, die er an einer Universität hatte, wo er selbst in den Spezialfächern und Ausrichtungen Königsteins, nämlich in der Slawistik, ein breiteres und fundierteres Angebot vorfand als in Königstein, wieder zurückkehren solle.139 Mit dem distanzierten Außenblick hat der Königsteiner im Außense-

138 139

Bericht des Rektors für das Jahr 1970/71, KZG Bonn, Archiv Königstein, S. 312f. Rudi und Theo (Rudolf GRULICH und Theo VOLZ), „Ostarbeit heute“, Brief an einen Königsteiner im Außensemester, SIGNA Sommersemester 1970, S. 9f., KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166.

470

Abschnitt V

mester auch eine Enttäuschung erlebt im Hinblick auf die Darstellung der Situation im Ostblock, wie sie in Königstein geboten wird.140 Man sah in der Distanz des Freisemesters, dass es wohltuend sei, nicht in allen Schritten umsorgt zu sein, auch manches Gebot der Kirche, wie z.B. den Zölibat, versah der Student plötzlich mit Fragezeichen.141 Gerade solche Studenten brauche man in Königstein, so die beiden AStA-Vorsitzenden weiter, die mit kritischem Blick die in Königstein vorhandenen Möglichkeiten nutzten – z.B. das Angebot an Zeitschriften und Zeitungen in slawischen Sprachen –, die in entsprechende Arbeitskreise gingen und die ihre Aufgabe kennten, zwischen der Verbitterung und den Vorbehalten der älteren Vertriebenen gegenüber den Polen und Tschechen und der zu offenen Haltung mancher politischer Kreise in der Bundesrepublik eine kritische Mittelposition zu formulieren und einzunehmen.142 Freilich bedauerten sie gleichzeitig, dass in Königstein manches an den früheren Ostschwerpunkten eingeschlafen sei, dass die Russischkurse zurückgingen und bereits seit vier Semestern kein Tschechischunter-

140

141

142

„Deine Bedenken nach dem Außensemester wieder nach Königstein zu kommen, verstehen wir gut, denn so geht es eigentlich beinahe jedem. Du hast gesehen, welche Möglichkeiten Du an einer Universität hast. Gerade was unsere spezielle Ostausrichtung betrifft und wir freuen uns, dass Du das auch genutzt hast, ein wenig in die Slawistik Dich vertieftest und Dich an den Instituten und Bibliotheken Deines Studienortes in dieser Hinsicht umschautest. Kurz, dass Du erfuhrest, dass Dir und Deinen Spezialinteressen im Hinblick auf Osteuropa mehr geboten wird. Wir verstehen auch Deine Enttäuschung, als Du auf Deinen Reisen nach Osteuropa einsehen musstest, wie eigentlich die Wirklichkeit ist. Dass so vieles an Argumenten und Angaben nicht standhält, wenn Du das Land und seine Bewohner selbst siehst und dass viele Kreise in Deutschland noch bei 1945/46 stehen geblieben sind und das Rad der Geschichte dorthin zurückschrauben wollen.“ (Brief an einen Königsteiner im Außensemester, KZG Bonn, Archiv Königstein, S. 9). „Du hast Priester kennengelernt, die dem 1948 beschlagnahmten Kirchengut der ČSSR in keiner Weise nachtrauern und Du hast vor allem in diesen unruhigen Tagen des Gegensatzes zwischen Holland und Rom die bittere Erfahrung machen müssen, dass Du in der Slowakei in mit Rom unierten Priesterfamilien warst und von den dortigen Gläubigen erfuhrst, wie sich der verheiratete Priester und seine Familie treu in der Verfolgung bewährten … Irgendwie hat Dir die Atmosphäre gut getan, dass Du einmal ganz allein Dein Leben bestimmtest und Dir der Schritt von der lebensfernen Theorie des Seminars in den Alltag der Bewährung geglückt ist.“ (Brief an einen Königsteiner im Außensemester, KZG Bonn, Archiv Königstein, S. 9). „Aber wir glauben, dass wir, d.h. dass unsere Generation eine große Chance haben. Wir haben nicht die Verbitterung und die Vorbehalte mancher Älterer gegen Polen und Tschechen, die Du ja immer so heftig beanstandest und wir haben andererseits nicht den naiven Optimismus gewisser politischer Kreise in der Bundesrepublik, die sich am liebsten ohne Gegengabe an den Osten verkaufen würden – und darin zeigt sich vielleicht unsere Aufgabe: in der Mitte zu stehen zwischen denen, die die alte Tradition des deutschen Ostens und seines reichen Kulturschaffens übergehen und zwischen jenen, die noch zu sehr nach rückwärts blicken. Notfalls müssen wir uns von beiden Seiten kritisieren lassen, aber trotzdem müssen wir diesen Weg gehen und die Kontakte zu den Leuten jenseits des früheren „Eisernen Vorhanges“ vertiefen, unsere Nachbarvölker besser kennenlernen und immer mehr Leute dafür interessieren.“ (Brief an einen Königsteiner im Außensemester, S. 10, KZG Bonn, Archiv Königstein).

Priesterausbildung

471

richt mehr stattgefunden habe. D.h. faktisch war an der Hochschule in Königstein keine osteuropäische Sprache mehr Pflichtfach. Zumindest ein Anflug von Unruhe war auch in der Studentenschaft in Königstein zum Ausgang der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre zu spüren. Freilich war er relativ gesehen sehr harmlos. So konnte sich der Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein, Theo Volz, am 12. Juni 1970 in einem kurzen Schreiben an Kindermann wenden, in dem er sich herzlich für die Teilnahme Kindermanns an der Sommerfahrt der Königsteiner Studenten bedankte und gleichzeitig dezidiert darauf hinwies, wie wichtig es sei, dass Kindermann im Gespräch mit den Studenten bleibe. Er bat deshalb den Weihbischof, auch in Zukunft den Kontakt mit den Studenten nicht zu verlieren. Das war offensichtlich ein großes Desiderat. Ein zweites Indiz für das Wahrnehmen der Bewegungen der Zeit ist die Einladung, die der AStA-Vorsitzende Rudolf Grulich am 16. Januar 1970 verschickte für eine Veranstaltung zum Thema „Die Unruhe der Kirche. Segen oder Fluch“. Es handelte sich um eine Podiumsdiskussion mit Prof. Walter Hoeres, Salzburg/Freiburg und dem Frankfurter Studentenpfarrer Winfried Kramny. Diskussionsleiter war Prof. Kroker.143 Die kritische Entwicklung fand ihren zugespitzten Ausdruck in einem Text der Studenten, der zur Hochschulkonferenz am 3. Juli 1970 dem Professorenkollegium und der gesamten Leitung des Hauses vorgelegt wurde. In diesem Text kulminierten Stimmungen, Besorgnisse, Kritik und Anklage der Studenten. Der damalige Sprecher der Studenten, Theo Volz, hatte im Auftrag der Studentenschaft eine Rede gehalten, in der er die Eindrücke und Sorgen formulierte. Mit einem Schreiben vom 11. Juli 1970 hielt er diese Kritikpunkte fest, führte sie weiter aus und differenzierte sie.144 Besonders seit dem Wintersemester 1969/70 war nach den Worten des Studentensprechers unter der Studentenschaft ein großes Unbehagen feststellbar, das sich daran festmachte, dass die Krise der Königsteiner Anstalten nicht mehr zu übersehen war. Aus dem Unbehagen wurde Unruhe, weil die Studenten den Eindruck hatten, es würden keine besonderen Anstrengungen zur Erhaltung der Hochschule unternommen; diese Auffassung bestünde auch im Sommer 1970 noch. Daher wollten die Studenten den jetzigen Zustand der Hochschule einer kritischen Prüfung unterziehen.145 Der erste Kritikpunkt der Studenten zielte auf die spezifische Ausrichtung Königsteins, auf die Ostausrichtung. In diesem Punkt meinten sie eine Diskrepanz zwischen den Ausführungen im Vorlesungsverzeichnis und der tatsächlichen Situation entdecken zu können. Vor allem für das Kirchenrecht und die Philosophie markierten sie in dieser Richtung deutliche Defizite.

143 144

145

Vgl. dazu KZG Bonn, Archiv Königstein, 3175. KZG 3136, Brief des Allgemeinen Studentenausschusses der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein/Ts. an den Rektor (damals Augustin Huber) vom 11. Juli 1970, masch. 11 S. Vgl. Dokument Nr. 31 im Anhang.

472

Abschnitt V

Der zweite Kritikpunkt waren die Sprachkurse. Das Interesse an Sprachkursen habe abgenommen. Zwei Gründe machten die Studenten fest. Zum einen, dass ein großer Teil der Studenten bereits aus slawischen Ländern komme; für die ausländischen Studenten sei es wichtiger, die deutsche Sprache zu lernen. Auch bei den deutschen Studenten sinke das Interesse, weil viele in Folge ihrer Herkunft keine Beziehung mehr zu dem verhältnismäßig kleinen Volk der Tschechen und dessen Sprache hätten. Das Interesse habe auch nachgelassen, weil von Seiten der Professoren eher das Desinteresse gefördert worden sei. Massive Kritik wurde in diesem Kontext am Tschechischkurs von Stefan Kruschina geübt.146 Die Mentalität der ausländischen Studenten würde viel zu wenig berücksichtigt. Professoren wie auch die Herren des Priesterseminars seien dafür viel zu wenig sensibel. Unbedachte, ungewollte Verletzungen zerstörten viel. Auch bemängelten die Studenten, dass die ausländischen Kommilitonen kein ausreichendes Deutsch könnten. Jede andere Universität fordere vor der Immatrikulation den Nachweis einer genügenden Beherrschung der Landessprache. Schließlich sei bei aller Achtung vor der Leistung und vor der Geschichte der vertriebenen Deutschen aus dem Osten der Akzent stärker auf das Miteinander mit den ost- und südosteuropäischen Völkern zu legen. Angefragt wurde also die Grundintention, die mit der Ostausrichtung gewollt war. Der dritte Punkt, den die Studenten aufgriffen, war die ökumenische Orientierung, die im Zusammenhang mit der Ostausrichtung immer wieder betont worden war. Die Studenten unterstrichen, dass das Zusammenleben mit Angehörigen anderer Riten und Gemeinschaften eine Bereicherung bedeute. Auf diesem Hintergrund sei es nicht verständlich, dass man einem türkischen Mitstudenten, einem Jakobiten, die Konversion nahe gelegt hatte. Genauso wenig sei es verständlich, dass ausländischen Studenten finanzielle Unterstützung zugesagt worden war, einige von ihnen aber wochenlang keinen Pfennig Geld bekommen hätten. Daher forderten sie, dass ökumenische Gesinnung nicht nur propagiert, sondern gelebt werden und die ökumenische Ausrichtung sich auch auf die evangelischen Christen beziehen sollte. Die Studenten beklagten darüber hinaus, dass ein angekündigtes ökumenisches Seminar im Sommersemester 1970 ebenfalls nicht gehalten wurde. Der vierte Kritikpunkt der Studenten bezog sich auf die Ausbildung. Der Mehrzahl der Professoren wurde eine den Zeitverhältnissen angepasste Unterweisung konzediert. Das Gesamtkonzept der Ausbildung aber korrespondiere nicht mit dem Wan-

146

Vgl. Stefan Kruschina, KZG 3136, Brief des Allgemeinen Studentenausschusses der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein/Ts. an den Rektor (damals Augustin Huber) vom 11. Juli 1970, masch. 11 S., S. 3: „Nach Aussage von Studenten, die im Wintersemester 1969/70 zum ersten Mal seit drei Jahren wieder am Tschechischkurs von Dr. Kruschina teilgenommen haben, wüssten sie jetzt sehr gut Bescheid über die Situation deutscher Theologiestudenten in Olmütz während der dreißiger Jahre und über Schwierigkeiten, die Pfarrern vor der deutschen Besetzung und nach dem Krieg von Seiten der Tschechen gemacht wurden, hätten jedoch wenig Einblick in die Sprache, in die Kultur und das Leben diese östlichen Nachbarvolkes gewonnen. Im Gegenteil sei durch abfällige Bemerkungen oft ein ungünstiges Bild von den Tschechen entstanden.“

Priesterausbildung

473

del, in dem sich das Leben befinde. Illustriert und untermauert wurde dieser Kritikpunkt zum einen an den Vorlesungen von Prof. Hadrossek, der nach 1956 erschienene Literatur grundsätzlich nicht zitiere. Ein ähnlicher Vorwurf traf Kruschina, der in seinen Vorlesungen zu breite Erzählungen vieler Episoden eingebaut habe und auf der anderen Seite allzu wissenschaftlich lese. Sein Stoff sei mangelhaft gegliedert, er vertrete eine einseitige Sicht, geprägt von der Ängstlichkeit vor der neuen Zeit. Die Ausweitung des Theologiestudiums auf die Laientheologen habe man in Königstein verschlafen. Es gebe Laientheologen, das Angebot aber habe sich nicht verändert. Man bemühe sich auch jetzt erst um eine Anerkennung des Königsteiner Abschlussexamens als Diplomprüfung. Vor allem fehle bei einigen Professoren immer noch das Problembewusstsein für diesen Aufgabensektor. Über mehrere Semester hinweg sei der Wunsch nach einer Psychologievorlesung an Weihbischof Kindermann herangetragen worden. Er habe auch versprochen, sich um eine Fachkraft und um die Regelung der Finanzierung zu kümmern; die in Aussicht genommene Fachkraft aber wusste nichts davon, sie sei nie angesprochen worden. Zur Krise Königsteins merkte der Schreiber an – diese Ausführungen erregten das größte Aufsehen: Wir Studenten haben gesehen, dass sich die Königsteiner Anstalten in einer Krise befinden. Besonders die Hochschule und das Priesterseminar. Wir sind darüber ehrlich besorgt. Wir haben auch gesehen, dass wir allein wenig zur Stabilisierung der Verhältnisse tun können. Gleichzeitig entstand der Eindruck, dass von Hochschulseite wenig Interesse am Weiterbestand dieser Einrichtung vorhanden ist. Unserer abermaligen Anfrage nach Sinn und Bestand der Hochschule Königstein fügten wir somit als Erläuterung unsere negative und unsere positive Kritik bei.“147 Alles in allem brachten die Königsteiner Studenten – verglichen mit den Protesten an anderen Universitäten – eine verspätete und vor allem eine moderate und von der Intention her positive Kritik vor. Diese moderate Form des Vorstoßes der Studenten war in manchen Punkten direkt, aber überall konstruktiv und aus der Distanz des Historikers berechtigt. Vermutlich war es zu diesem Zeitpunkt mehr als berechtigt, dass auch die Studenten einmal ihre Stimmen erhoben und ‚anklagten’, wie Augustinus Kurt Huber formulierte. In seiner Antwort als Rektor bemühte er sich um Verständnis, konnte sich aber nicht von der Kritik an der Kritik freihalten. Jedenfalls bestätigte er ihnen, dass Königstein sich in einer Krise befinde, ansonsten aber blieb er in seiner ersten Antwort sehr oberflächlich bzgl. der Bemühungen der Professoren und der Hochschulleitung, aus dieser Krise herauszukommen. „Der AStA-Vorsitzende hat in der Hochschulkonferenz mit erhobener Stimme folgendes gesagt: ‚Seien Sie versichert, sehr geehrte Herren, dass von vielen Studenten genau zugesehen wird, ob Ihre Worte und Ihre Taten übereinstimmen!’“ – Von den Professoren wurde der Unterton der Drohung nicht überhört;

147

Vgl. Stefan Kruschina, KZG 3136, Brief des Allgemeinen Studentenausschusses der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein/Ts. an den Rektor (damals Augustin Huber) vom 11. Juli 1970, masch. 11 S., S. 10.

474

Abschnitt V

sie waren der Meinung, dass hier eine Entgleisung vorliege, ein Verfall des spirituellen Niveaus. „Wie würden Sie, Kommilitonen, reagieren, wenn Sie von unserer Seite in solchem Tone angesprochen würden? Die gemeinte Sache hätte auch anders ausgedrückt werden können.“148 Der Studentensprecher hatte seine Kritik über die mangelnde Berücksichtigung der Laientheologen auch an den Regens und an Weihbischof Kindermann gerichtet und Kindermann auch persönlich vorgetragen.149 Kritik wurde ebenso an der Spiritualität im Priesterseminar und dadurch nicht zuletzt an den Fähigkeiten des Regens in seinem Amt geübt. Freilich war auch diese Kritik eine positive, flankiert von konkreten Änderungswünschen und entsprechenden Vorschlägen: An der Spitze stand 1971 der Wunsch, die Liturgie im AMK und im Priesterseminar neu zu gestalten.150 Gedacht war an die Etablierung eines liturgischen Arbeitskreises, der den Mut haben sollte, die Liturgie so mitzugestalten, dass sich die Mitglieder der Gemeinschaft mit ihren Anliegen, ihrer Situation darin wiederfinden könnten. Damit nach den Gottesdiensten in der Kollegskirche die Teilnehmer miteinander in Kontakt kommen könnten, wurde eine anschließende Agape vorgeschlagen. Der Regens hielt es nach Ausweis der vorliegenden Quellen nicht für nötig, sich inhaltlich mit den Wünschen auseinanderzusetzen, sondern begründete den Vorstoß mit der für das Priestertum ungeeigneten psychischen Disposition des Petenten.151

10.7. Studienbegleitende Aktivitäten Auch studienbegleitend gingen die Studenten wissenschaftlichen Interessen nach. Es gab sozialpolitische AGs, Arbeitsgemeinschaften zur Gesellschaftsordnung in der Antike oder im Mittelalter, zum Philosophischen Materialismus, zum Historischen Materialismus, zum Kommunistischen Manifest, zur Geschichte der SPD oder zum Bochumer Katholikentag 1949.152 Literarische Arbeitsgemeinschaften beschäftigten sich mit Rainer Maria Rilke153, mit dem religiösen Gehalt der modernen Dichtung, vor allem bei Wolfgang Borchert. Es gab Arbeitsgemeinschaften für die Jugenderziehung in historischer Perspektive, 148 149 150 151

152 153

Brief Hubers an die Studenten vom 12. Juli 1970 in KZG 3136, 4 S. masch., Zitat S. 4. KZG 3317 Schreiben Volz‘ an den Regens vom 2.2. 1971. Einige Gedanken zur Liturgiegestaltung im AMK und im Priesterseminar vier Seiten masch. KZG 3317. Die ‚Unruhe’ der Studenten in Königstein schlug sich vor allem in den Forderungen nach deutlicherer Akzentuierung der Ostausrichtung und der Ökumene nieder: Die Ostausrichtung der Hochschule werde zwar propagiert aber zu wenig realisiert. Krokers Ausweitung des Blickwinkels auf China begrüßten die Studenten; man habe sich der Studenten aus den östlichen Nachbarländern zu wenig angenommen. Protokoll der Hochschulkonferenz vom 3. Juli 1970. Protokollbuch, 278. Diese AGs sind verzeichnet für das Wintersemester 1949/50, KZG 3198. Rainer Maria Rilke (1875 – 1926), Österreicher Schriftsteller; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/ Rainer_Maria_Rilke, aufgesucht am 13.8.2013.

Priesterausbildung

475

über die Jugendbewegung, die Vorkriegsjugend und die Probleme der heutigen Jugend, aber auch in pastoraler Perspektive: etwa das Problem der Kriegsjugend oder ‚Der Junge im Alter von 14 bis 18 Jahren’.

10.8. Studiengebühren Probleme bereiteten in Königstein nicht nur die Aufgabenumschreibung der Bediensteten, deren Bezahlung, Kranken- und Altersversorgung, sondern kontinuierlich auch die erhobenen Gebühren, vor allem wenn sie erhöht werden mussten. Es war jedes Mal schwierig auszutarieren, dass sie adäquat waren zu dem, was geboten werden konnte; zeitweise waren sie zu niedrig eingestuft, so dass man nicht kostendeckend arbeiten konnte. Schließlich war immer wieder auch die willkürliche Festsetzung der Gebühren Stein des Anstoßes. Ein Beispiel ist das Schreiben des späteren Regens Piekorz vom 10. Januar 1957 an den Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs: „Dem Vernehmen nach hat der Vorstand die Absicht oder bereits den Beschluss gefasst, die Studiengebühren bzw. Pensionskosten der Theologen um jährlich 240,- DM zu erhöhen. Das bedeutet eine Erhöhung von monatlich 120,-- DM auf 154,- DM oder um fast 30 %. Als Regens erhebe ich Einspruch gegen diese Absicht oder den Beschluss. Nach der Geschäftsordnung, die der hochwürdigste Bischof von Limburg am 1. Juli 1954 erlassen hat, soll wenigstens einmal im Vierteljahr ein aus den Leitern der verschiedenen Einrichtungen bestehender Kollegausschuss gemeinsame Fragen besprechen. Das ist bisher überhaupt nicht geschehen. Eine vorherige Fühlungnahme mit dem Regens ist aber umso dringlicher, als eine Erhöhung der Studiengebühren und Pensionskosten nicht nur wirtschaftliche Aspekte hat, sondern auch psychologische und pädagogische.“154 Piekorz warnte vor unliebsamen Erörterungen, wenn die Erhöhung im vorgesehenen Umfang von 30 % durchgedrückt würde, weil die Studenten dann den Eindruck hätten, sie sollten mit ihren Studiengebühren zur Finanzierung des Hauses der Begegnung beitragen, das seinerseits mit dem Priesterseminar keinerlei unmittelbare Verbindung hat. Gleichzeitig unterstrich der Regens, dass er selbst nicht dazu in der Lage wäre, eine ungebührliche Erhöhung für die Theologen zu vertreten. Er deutete sogar an, sich öffentlich davon zu distanzieren. „Sollte etwa die Erwartung bestehen, dass das Schlesische Priesterwerk bei den schlesischen Theologen insoweit Beihilfen leistet, als diese nicht selbst oder durch staatliche Beihilfen dazu in der Lage sind, so mache ich als Vorsitzender des Schlesischen Priesterwerkes heute schon darauf aufmerksam, dass das Schlesische Priesterwerk schon mit Rücksicht auf seine Spender jeden Verdacht ausschließen muss, als trüge es seinerseits durch Beihilfen zur Finanzierung des Hauses der Begegnung bei, die nach den Satzungen des Schlesischen Priesterwerkes nicht gefordert werden kann. Sollte der Vorstand glauben, die ernsten Bedenken des Regens nicht berücksichtigen zu können, so werde ich vom Recht der

154

Piekorz an Kindermann vom 10. Januar 1957 in KZG, Akten Bischofszimmer 16/208.

476

Abschnitt V

Geschäftsordnung Gebrauch machen und die Angelegenheit dem hochwürdigsten Herrn Bischof unterbreiten.“155

10.9. Was wurde aus den Studierenden? Kattow itz; 1 Schneidemühl; 3 Indien (Kerala); 4 Berlin; 4 Branitz Olmütz; 5 Breslau Sudetenant.; 9 Danzig; 9 Westl. Ausland; 10 Südostdeutsche; 11 Westdeutsche Diözesen; 19 Breslau; 159

Glatz Prag; 19

Jugoslaw ien; 42 Ermland; 43

Sudetendeutsche (Brünn, Budw eis, Königgrätz, Leitmeritz, Olmütz, Prag); 79

Abb. 1: Herkunft der Neupriester, die in Königstein studierten. (Stand: 1977). Insgesamt: 417. Rückblicke und Erinnerungen sind in einer Gemeinschaft und in einem großen Unternehmen selbstverständlich. Sie werden in der Regel aus einem Zugehörigkeits- und Zusammengehörigkeitsgefühl heraus geschrieben und verstärken normalerweise dieses auch wieder, denn partieller Konsens wird seltener geäußert und noch seltener schriftlich fixiert. Meist ist es eine gewisse Euphorie, die die Feder führt, Verklärung im Rückblick, auch Stolz auf Erfolge. Wie oft werden die 417 Priester genannt, die aus Königstein hervorgegangen sind? Offener oder gänzlicher Dissens ist kaum zu finden. Woran erinnern sich die Alt-Königsteiner? Ein wichtiger Aspekt ist die Zusammensetzung der Alumnen aus verschiedenen Heimatdiözesen und aus dem Ausland. Man hatte von vornherein einen größeren Weitblick. Sie erinnern sich an die Aussendung der Kapellenwagen.156 Es sind ausländische Geistliche und Amtsträger zu Be-

155 156

Piekorz an Kindermann vom 10. Januar 1957 in KZG, Bischofszimmer 16/208. Vgl. etwa Herbert HAUTMANN, Studium in Königstein. Erinnerungen eines Priesters, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 2 (2006), S. 21f.

477

Priesterausbildung

such in Königstein, ein Stück erlebte Weltkirche, an die sich die Studenten erinnern, an orthodoxe Mitstudenten, an die Vielfalt der Riten, die in Königstein, zumindest zeitweise, vertreten waren.157 Es sind die Erinnerungen an die Aufbauarbeiten, an die karge Zeit des Anfangs, an den Kontrast zu den Außensemestern. Das Identifikationsmerkmal Königstein begegnet in vielen Biographien, wenn z.B. bei der Übernahme eines neuen Amtes festgehalten wird: „Er studierte auch in Königstein“ oder „Er studierte zeitweise in Königstein“. Andererseits wurde für die Selbstvergewisserung, für die Reputation Königsteins selbstverständlich immer wieder hingewiesen auf Bischöfe, die aus Königstein hervorgegangen sind, auf Professoren, die in Königstein studiert hatten. Fulda; 8 Essen; 8 Augsburg; 8

Würzburg; 7 Regensburg; 5 Münster; 4 Mainz; 8

Indien; 4 Aachen; 3

Österreich; 3 Passau; 3

Köln; 9 Ostzone / DDR; 69

Ausland (bes. Südamerika, Südafrika); 12

München; 12

Hildesheim; 53 Jugoslawien (Diözesen und Franziskaner Provinzen; 39

Berlin; 13

Bamberg; 15 Ordensgemeinschaften; 16

Limburg; 39

Paderborn; 16 Freiburg; 17

Rottenburg; 18 Osnabrück; 25

Abb. 2: Diözesen, für die die Königsteiner Theologen geweiht wurden. Insgesamt 417 Priester. In der Tat kamen viele der ehemaligen Königsteiner Studenten in Leitungsfunktionen in der Kirche und viele der Königsteiner Absolventen der Schule in führende Positionen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens. Das dokumentiert ein Blick in die Adresslisten der ersten Abiturientenkurse in Königstein 1947, deren Zusammenhalt besonders intensiv war, die sich bis heute regelmäßig treffen. Die Titel und Berufsbezeichnungen reichen vom Dekan über den Professor bis zum Bankdirektor. Auch die Schule weist auf ihre bekannten ehemaligen Schüler hin. Die Liste reicht vom hessischen Justizminister über den Vorstandsvorsitzenden der Commerzbank bis zum Landrat, zum Weihbischof und zu einer ganzen Reihe von Professoren an führenden Hochschulen. Die ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten’ freuten sich 1971 besonders, als der erste Königsteiner zum Bischof geweiht wurde, nämlich

157

HAUTMANN, Studium in Königstein, S. 21f.

478

Abschnitt V

Bernhard Huhn. Er wurde am 11. Dezember 1971 in der Jakobuskirche in Görlitz zum Bischof geweiht und sollte den damaligen Bischof und Kapitelsvikar Gerhard Schaffran158 unterstützen. Huhn hatte eine typische Laufbahn für die Frühphase der Ausbildung in Königstein vorzuweisen. Er hatte 1940 in Liegnitz sein Abitur abgelegt, war in das Breslauer Theologenkonvikt eingetreten, studierte an der Breslauer Universität, wurde im zweiten Semester 1941 zur Wehrmacht eingezogen und kam 1945 in russische Kriegsgefangenschaft bis zum 20. November 1949. Dann schickte ihn der Kapitelsvikar in Görlitz, Ferdinand Piontek, nach Königstein zum Weiterstudium. Er gehörte dort zur ersten Generation der Theologen. Kindermann notierte dazu aus seinen Erinnerungen: „Bernhard Huhn war ungemein gemeinschaftsbildend. Durch Gesang und Theaterspiel sorgte er mit für eine gute Hausatmosphäre, die ja bei einer Ballung von so vielen jungen Menschen sehr wichtig ist. Mit einer aus Königsteiner Theologen gebildeten Spielschar zog Bernhard Huhn durch die Diasporagebiete des Ems- und Frieslandes und spielte das von ihm selbst verfasste Stück „Das eine und das andere Leben“ mit großem Erfolg. Das Stück behandelte zeitnahe Problematik unserer Tage.“159 Die große Königsteiner Familie freue sich über diese Ernennung, so Kindermann ausdrücklich. Es sollten weitere Gelegenheiten zu vergleichbarer Freude folgen. Etwa 1982, als Gerhard Pieschl zum Weihbischof von Limburg berufen wurde. Martin Roos, Bischof von Temeschwar, hatte seine Ausbildung in Königstein erhalten160 und eine der jüngsten Ernennungen eines Königsteiners wurde in den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“, 2008, berichtet:161 Prof. Dr. Gerhard Stanke, Moraltheologe an der Theologischen Fakultät in Fulda, wurde zum Generalvikar in Fulda bestellt.162 Zu Königsteiner Absolventen zählen in ihren Fächern renommierte Professoren wie der Münchner Moraltheologe Johannes Gründel oder der jüngst verstorbene Dogmatiker Kardinal Leo Scheffczyk. Auch der emeritierte Visitator für die Gläubigen aus Branitz, vormals Schuldekan in Stuttgart, Wolfgang Grocholl, absolvierte seine Studien in Königstein. Königstein war sicher ein Beitrag, soziale Barrieren für studierwillige Jugendliche, die die Perspektive Priesterberuf vor Augen hatten, niedriger zu halten bzw. überwinden zu helfen. Helfen wollten dabei die bereits Etablierten, nämlich die Priester, die 158 159 160

161 162

Vgl. Konrad HARTELT, Der Kapitelsvikar des Erzbistums Breslau Gerhard Schaffran und das Erzbischöfliche Amt Görlitz (1963 – 1972). Münster 2009. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1972, S. 28f., Zitat S. 29. Martin Roos, geb. 1942, Bischof von Timisoara. Martin ROOS, Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas., Band I, Regensburg 1998 – Martin ROOS, Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas., Band II, Regensburg 2004 – Martin ROOS, Erbe und Auftrag. Die alte Diözese Csanád. Von den Anfängen bis zum Ende der Türkenzeit.1030 – 1716, Band I. München 2009. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 4 (2008), S. 22f. Gerhard Stanke (*1945 in Thröm in Oberschlesien), seit 2008 Generalvikar des Bistums Fulda; vgl. http://www.bistum-fulda.de/bistum_fulda/bistum/bistumsleitung/generalvikar.php, aufgesucht am 10.8.2013.

Priesterausbildung

479

sich zu landsmannschaftlichen Zusammenschlüssen gruppierten, nicht zuletzt, um ein finanzielles Volumen aufzubauen, das mit Stipendien den bedürftigen Studenten und Schülern unter die Arme greifen konnte. Königstein trug zu einer höheren Mobilität der Vertriebenenjugend bei, die allgemein attestiert wurde.163 Auch die berufliche Integration und die Aufstiegsmöglichkeit der Absolventen in Königstein waren zunächst, wenn man die Hochschule in Betracht zieht, durch die Berufswahl garantiert. Es wurden beste Integrationsvoraussetzungen geschaffen. Zu fragen bleibt bei der Ghettotendenz mancher Intentionen Königsteins, ob man die Ausbildung in Königstein als einen Beitrag zur Desintegration beschreiben will.164

163

164

Karin KLUTH, Die Verarbeitung der Identitäts- und Integrationsprobleme der deutschen Heimatvertriebenen in der zweiten Generation, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 28 (1985), S. 289-317. Vgl. dazu die Argumentation bei WINTERSTEIN, Vertriebener Klerus in Sachsen, vor allem S. 176-199, wo sie besondere Gemeinschaftungsformen für die vertriebenen Katholiken und in den Rundbriefen der Heimatseelsorger über die landsmannschaftlichen Priesterwerke als Elemente von Desintegration subsumiert. Ist die Stärkung der eigenen Herkunftsidentität durch die Pflege von Sonderformen von Andachten, von Wallfahrten, die Erinnerungsgemeinschaft, Heimatgemeinschaft, Heimatgemeinde, die durch Rundbriefe gepflegt und aufrechterhalten wird, ist die Vergemeinschaftungsform Gebetsgemeinschaft der Heimatpriester oder Priesterwerke eher ein Hindernis für die Integration oder kann sie nicht dazu dienen, stabile Integration, die nicht mit Assimilation verwechselt wird, zu garantieren? Die Vergewisserung der eigenen Herkunft wird die Integration dort nicht behindern, wo sie das Engagement in einer neuen Umgebung in einer bestimmten Weise mitprägt. Dass damit die Arbeit und die Gemeinschaft in dieser neuen Umgebung auch einen anderen Charakter annehmen können, als er bisher gepflegt wurde, braucht nicht negativ bewertet werden. Insofern ist die Möglichkeit, sich für die religiöse Identität der Herkunftsgebiete zu interessieren, sie zu studieren, sie weiterentwickeln zu versuchen, die Information und Sensibilität für die Entwicklung in den Herkunftsdiözesen zu unterstützen und damit eine Offenheit zu fördern, nicht per se ein Beitrag zur Verhinderung der Integration.

480

Abschnitt V

11. Die Schwestern als Stütze des Königsteiner Betriebs Selbstverständlich war es, dass in einem Priesterseminar Schwestern Dienst taten und die anfallenden hauswirtschaftlichen Aufgaben übernahmen. Im komplexen Betrieb Königsteins freilich waren ihnen im Lauf der Jahre weiter reichende Aufgaben zugewachsen. Keine geringe war ihr Beitrag zu einer guten, ausgeglichenen Atmosphäre. Entsprechend erinnern sich viele Alt-Königsteiner gern an die Katharinchen. Ein Beispiel ist der emeritierte Vertriebenenbischof Gerhard Pieschl, der in seiner Predigt am 25. November 1999 (dem Katharinentag) im St. Katharinen-Krankenhaus in Frankfurt auf seine Anfänge in Königstein zurückschaute: „Das Kongregationszeichen der Schwestern von der Hl. Katharina, der Jungfrau und Märtyrerin, ist ein stilisiertes Kreuz im Rad. Vor 50 Jahren haben die ermländischen Katharinenschwestern erfahren, wie sehr sie beim Wort ihrer Gründerin „Wie Gott will“ genommen worden sind und auf das Rad vom Untergang Deutschlands Osten in Flucht und Vertreibung geflochten worden sind. In dankbarer Erinnerung an die Katharinen-Schwestern habe ich deshalb als bischöfliche Abzeichen nicht nur Mitra und Stab mitgeführt, sondern einen Pappkoffer und einen Kartoffelsack. Darin waren meine Habseligkeiten 1948 verstaut, als ich an den Kasernen von Königstein anklopfte. Und es ist mir heute eine Pflicht, den Katharinen-Schwestern, die im Unterhaus und Oberhaus Dienst taten, auch im Namen von hunderten von Schülern und Studenten Dank zu sagen für ihren Dienst. Was wäre aus uns ohne die „Katharinchen“, wie sie dort liebevoll genannt wurden, geworden? Immerhin haben die Schwestern mitgesorgt, dass 420 Priester geworden sind, drei Bischöfe (der von Görlitz und der neueste in Temeschwar im Banat und ich selber auch).“165 Zehn der zwölf Schwestern verließen am 2. August 1973 Königstein nach 26 Jahren Tätigkeit.166 Kaller hatte in der ersten Hälfte des Jahres 1946 die Generaloberin der Katharinerinnen um Schwestern für Königstein gebeten. Am 20. September 1946 trafen sieben Schwestern in Königstein ein. Sie kamen gerade zu einem Zeitpunkt bei den Kasernen an, als ein heftiges Gewitter tobte. Eine konstante Erinnerung in der Königsteiner Schwesterngemeinschaft prägten diese Erlebnisse beim Ankommen in den Königsteiner Kasernen: das heftige Gewitter, der Sturm, der die Schwestern arg bedrängt hatte. Zwei von ihnen wurden zu Boden geworfen und kullerten im Matsch den Berg zum Kasernentor herunter. Einer riss der Sturm den Schleier vom Kopf. Diese Erlebnisse waren offensichtlich symptomatisch für die Ankunftssituation in Königstein. Die Schwestern empfanden es jedenfalls so und daher blieben die Bilder in nachhaltiger Erinnerung und wurden immer wieder kolportiert. So bildete das Initi-

165 166

Predigt, 7 S. masch., Zitat S. 3f. Vgl. dazu auch den Bericht in der Taunuszeitung vom 2.8.1973, S. 7 von Ingeborg RIEDEL, „Diese Lücke wird kaum zu schließen sein. Die Katharinen-Schwestern verlassen das AlbertusMagnus-Kolleg.“

Priesterausbildung

481

alerlebnis ein Stück die Identität der Gemeinschaft mit, die selbst noch erwähnt wurde, als die Schwestern 1973 aus Königstein abgezogen wurden. Die Schwestern versahen den Pforten- und Telefondienst. Im Januar 1947 übernahm Schwester Rustika die Großküche für über 100 Personen. Die Chronik der Katharinerinnen vermerkt, dass sie für einen ‚kräftigen Tisch’ gesorgt habe. Büttner überwies im Januar 1947 den Katharinerinnen einen Betrag von 2.625,RM, also ein monatliches Honorar von 45,- RM pro Schwester. Dabei waren alle Schwestern in der AOK angemeldet. Mit Schreiben vom 2. Februar 1948 meldete Kindermann, dass die Schwestern aus der Krankenversicherung abgemeldet würden, weil die AOK die weitere Aufnahme von Ordensschwestern ablehne mit der Begründung, dass für Ordensschwestern die Sozialversicherung nicht zutreffe. Im Krankheitsfall würden sie vom Königsteiner Hausarzt, Dr. Reichert, kostenlos behandelt und sollte der Sonderfall eintreten, dass sie in ein Krankenhaus eingewiesen werden müssten, war Kindermann der Meinung, dass sich in einem Schwesternkrankenhaus die kostenlose Aufnahme möglich machen lassen müsste. Nur selten durfte einmal die eine oder andere Schwester auf Wallfahrten mitfahren, etwa einen Pilgerzug nach Lourdes begleiten. Erst nach mehrfacher Anfrage und Bitten der Provinzialoberin gestattete Kindermann den Schwestern, Kosten für eine jährlich einmalige Fahrt ins Mutterhaus nach Münster von Königstein aus zu übernehmen. Seit dem 1. Januar 1961 zahlten die Königsteiner für die dort tätigen Schwestern monatlich 100,- DM pro Schwester an das Mutterhaus. 1963 bat die Provinzialoberin um eine erneute Anhebung von 25,- DM je Schwester. Die Anfrage beantwortete Schleupner als Geschäftsführer positiv. Die Anhebung der monatlichen Barvergütung war bereits auf der letzten Vorstandssitzung beschlossen worden. Ab 1. April 1964 wurde die Schwesternvergütung auf 150,- DM erhöht, ohne dass zuvor eine entsprechende Bitte durch die Provinzialoberin ausgesprochen wurde. 1964 hatte Schwester Adelberga das Amt der Oberin der Königsteiner Schwesterngemeinschaft von Schwester Luitgardis übernommen. Adelberga war eine der ersten Schwestern, die 1946 ihre Arbeit in Königstein aufgenommen hatten. Ausdrücklich wird erwähnt, dass sie immer auszugleichen suchte und die Sorgen des Hauses in Königstein mit trug, die in den Jahren zuvor oft recht drückend waren.167 Adelberga starb 1973. 1970 begleitete Schwester Friedhilde Kindermann zu seiner Erholung in Locarno. Gerade Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre wird immer wieder um jede einzelne Schwester für Königstein gerungen: Die Provinzialoberin brauchte die Kräfte in Münster oder an anderen Orten. Kindermann wollte sie in Königstein halten, weil auch er sie dort dringend brauchte. Mit dem 27. Juli 1972 wurde der endgültige Abzug der Schwestern aus Königstein angekündigt.168 Auch für die Personalbeschaffung und Personaleinteilung sollte durch

167 168

Chronik S. 98. Die Aufzeichnungen zu Königstein befinden sich in der Chronik auf den Seiten 96-98. Schreiben der Provinzoberin an Kindermann vom 27. Juli 1972: „Wir beabsichtigen, bis Ende nächsten Jahres die in Ihrem Hause tätigen Schwestern nach und nach anderen Aufgabenberei-

482

Abschnitt V

die Verwaltung gesorgt werden und nicht länger durch die Schwester Oberin Adelberga. Sie sollte von dieser Aufgabe entlastet werden. Sehr schwierig gestaltete sich der beabsichtigte Abzug der Sekretärin des Rektors der Hochschule, Schwester Martina, im Sommer 1972. Die Provinzoberin sah es 1973 als nicht mehr verantwortbar an, die Schwestern in der Situation, in der sie sich in Königstein befanden, länger festzuhalten. Die Schwestern konnten aufgrund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Verfassung ihren umfangreichen Aufgaben am Arbeitsplatz Königstein nicht mehr nachkommen. Als Kompromisslösung schlug die Provinzoberin vor, zwei Schwestern in Königstein zu belassen, nämlich eine zur persönlichen Betreuung des Weihbischofs und eine für den Bereich der Sakristei. Die Schwestern waren vor allem im Priesterseminar und im Schülerkonvikt eingesetzt. Kindermann wies darauf hin, dass in beiden Häusern die Zahlen sehr stark gesunken seien, damit doch auch die Aufgabe reduziert. Kindermann schlug als letzten Ausweg vor, die Schwestern „tröpfchenweise“ abzuziehen. Auch dagegen wandte sich die Provinzoberin mit dem Argument, wenn bislang eine einzelne Schwester abgezogen wurde, wurden die Arbeiten auf die anderen verlagert. Es wurden keine Ersatzkräfte eingestellt. Dieses Vorgehen fürchtete sie auch bei einem „Tröpfchenweise-Abzug“ der Schwestern aus Königstein. Daher schrieb sie am 24. Mai noch einmal an Kindermann, dass sie bei ihrem Vorhaben bleibe, die Schwestern am 1. August 1973 gemeinsam abzuziehen. In einem Brandbrief schrieb der Leiter der Bischof-Neumann-Schule, Borucki, am 9. Juni 1973 an die Provinzialoberin: „Die Atmosphäre der Häuser hier wird wesentlich von ihnen geprägt. Der Verlust würde viel mehr bedeuten, als einen Personenwechsel. Das Werk ihres Bischofs Kaller ist gefährdet. Ich sehe natürlich ein, dass die Schwestern nicht weiterhin ihre letzten Kräfte ausgeben können und dürfen, dass Ihre Verantwortung Ihnen auferlegt, auch für ihr leibliches Wohl zu sorgen. Diejenigen, die alt und krank sind, im Dienste Königstein verzehrt sind, werden abgezogen werden abgezogen müssen. Die anderen werden nur unter der Bedingung bleiben können, dass sie ausreichende zusätzliche Hilfskräfte erhalten und der Orden angemessen entschädigt wird. Hierauf werden Sie wohl antworten, dass sei nicht zu erreichen. Aber die Situation hier steht vor Veränderungen. Der Repräsentant ist ein kranker, alter Mann. Jeder Eingeweihte sieht, dass es so nicht weitergehen kann. Ein baldiger einschneidender Wechsel ist mit Sicherheit zu erwarten. Gewisse Schritte sind unternommen. Dann aber steht die ganze Zukunft des Werkes, zu dem Bischof Kaller Grundsteine gelegt hat, in Gefahr und es gilt für uns alle, die wir uns dem Werk verpflichtet fühlen, es bei der Neuordnung hinüberzuretten. Wenn die Schwestern jetzt schon gehen, kann das mit entscheidend dazu beitragen, dass die Rettung nicht gelingt.“

chen zuzuführen, soweit sie dafür altersmäßig noch geeignet sind. Für die älteren Schwestern wird in unseren Häusern gesorgt. Bitte haben Sie Verständnis für diesen auch für uns nicht leichten Schritt.“

Priesterausbildung

483

Auch eine Intervention Janssens und Pater Werenfried van Straatens im Herbst 1973 konnte den Beschluss der Provinzoberin, die letzten beiden in Königstein verbliebenen Schwestern, die mit der Pflege Kindermanns betraut waren, abzuziehen, nicht mehr revidieren. Schwester Friedhilde war offensichtlich auch mit der Ordnung des Nachlasses von Weihbischof Kindermann betraut. Sie schlug daher vor, erst mit Januar 1975 aus Königstein abgezogen zu werden, weil sie bis dahin Zeit für diese Tätigkeit brauche. Die Tagesordnung der Königsteiner Kommunität der Katharinen-Schwestern 5.00 Uhr Aufstehen 5.25 Uhr Laudes 6.15 Uhr Hl. Messe 8.00 Uhr Frühstück, dann Hausarbeit 12.30 Uhr Mittagessen, danach eine halbe Stunde Erholung 13.30 Uhr Sext Bis 15.00 Uhr Freizeit, dann wieder Hausarbeit. 17.00 Uhr Vesper 18.30 Uhr Abendessen, danach Erholung 19.30 Uhr Betrachtung, Gewissenserforschung und Komplet. Die Lücke, die die Katharinchen in Königstein hinterließen, war nur schwierig zu schließen: Nach längeren Verhandlungen war es Kruschina gelungen, polnische Schwestern der St. Josephs-Kongregation für Königstein zu gewinnen. Die Generaloberin der St. Josef-Schwestern kündigte zum 30. September 1990 den Bestellungsvertrag für die beiden Schwestern, Donata, die für Kirche und Kapellen zuständig war und für Benedikta, die die Rezeption und Telefonzentrale verwaltet hatte. Beide Aufgabenbereiche mussten von weltlichen Kräften übernommen werden.169 So konnte dem Seelsorger für die katholischen Russlanddeutschen, Pater Eugen Reinhardt, für sein Büro und seine Wohnung, die ehemalige Schwesternwohnung angeboten werden.

169

Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Oktober 1990. 3.1, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11.

484

Abschnitt V

12. Die Institute Zur Sicherung der Einflussbereiche der Vertriebenen trugen nicht nur die Politik und nicht nur die Landsmannschaften in ihrer Vertretung der Herkunftsgruppen der Vertriebenen bei, sondern auch die Forschungsarbeit über die Deutschen im Osten. Auch auf diesem Sektor etablierte und konsolidierte sich in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre die Arbeit.170 Es entstand eine Reihe von Einrichtungen oder sie lebten wieder auf. An dieser Entwicklung wollten sich die vertriebenen Seelsorger und wollte sich Königstein beteiligen. So berichtete Kindermann auf der Tagung der Diözesanvertriebenenseelsorger am 19. und 20. Oktober 1953 von verschiedenen Tagungen, an denen er selbst teilgenommen hatte. Sein Fazit war die Anregung, in Königstein eine „Soziologisch-moralische Arbeitsgemeinschaft“ zusammenzurufen und dieser vor allem den Auftrag zuzuweisen, das Recht auf die Heimat zu untersuchen.“171 Handele es sich doch beim Heimatrecht zweifelsohne um ein Menschenrecht, zu dem Ethik und Theologie etwas zu sagen hätten. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die schlesische Priestergruppe 1951 die Schaffung einer ostdeutschen Akademie angeregt habe, die Prof. Scholz übertragen wurde. Inzwischen sei ein Jahr vergangen und praktisch nichts geschehen. Man wollte also, dass der Gedanke Fahrt aufnehme. Die Sudetendeutschen erwogen, sich mit einer eigenen Abteilung dieser ostdeutschen Akademie anzuschließen. Die Schwierigkeit war wohl zu diesem Zeitpunkt, dass sowohl bei den Schlesiern wie bei den Sudetendeutschen die entsprechenden Fachleute fehlten. Man wollte einer derartigen ostdeutschen Akademie die Überwachung des gesamten Schrifttums über Ostdeutschland als Aufgabe zuweisen, die Förderung von Publikationen über den deutschen Osten und die Abhaltung von Kursen und Vorträgen. „Auch bei den Sudetendeutschen gibt es Personalschwierigkeiten. Wir haben zur Zeit den Kirchenrechtler Dr. Matzke aus Olmütz, der zu Hause schon viel Heimatforschung betrieb, für die Mitarbeit gewonnen. Wir wollen alles religiöse Schrifttum der Heimat zusammentragen. Es wird sich vor allem erst einmal um eine Sammeltätigkeit handeln. Als erstes will Dr. Matzke ein Buch schreiben über die Barocksäulen in der alten Heimat. Wir sollten auch ein kirchliches Handbuch herausgeben. Prälat Engelbert stellt Prälat Go-

170

171

Zur Ostforschung in der jungen Bundesrepublik vgl. Corinna R. Unger: Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1945 – 1975. Stuttgart 2007. (= Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1). – Dazu: Stefan Guth: Rezension zu: Corinna R. Unger: Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1945 – 1975. Stuttgart 2007, in: H-Soz-u-Kult, 08.04.2008, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-2-022, aufgesucht am 14.10.2013. Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 11.

Priesterausbildung

485

lombek als den geistigen Anreger dieser Akademien vor. Die Schlesier hatten vor drei Jahren einen Arbeitskreis für ostdeutsche Kultur, an dem sich etwa 120 bis 130 Priester beteiligt haben. Aus diesem Kreise sollte die Akademie herauswachsen. Ein Etat lautend auf 24.000 DM wurde dem Minister Lukaschek vorgelegt. Man wollte eine hauptamtliche Kraft gewinnen. Dieses Ansuchen blieb aber ohne jede Erledigung.“172 Es fehlten also offensichtlich konkrete Möglichkeiten zur Realisierung dieses Gedankens. Kindermann empfahl in der Situation, dass die beiden Priesterwerke die Akademie ideell und vor allem mit finanziellen Beihilfen unterstützen sollten. Die Räume seien in Königstein bereits vorhanden, die Arbeit könne in dieser Hinsicht jeden Tag beginnen. Ausgangspunkt für die Entwicklung einiger Fachinstitute war demnach der Impuls, eine ostdeutsche Akademie ins Leben zu rufen. Bereits auf der Mitgliederversammlung am 27. Januar 1955 wurde der Plan der ostdeutschen Akademie vorgestellt und diskutiert, kritische Fragen kamen nicht zuletzt vom Kölner Kardinal. Kindermann antwortete mit den bekannten Argumenten: Es sei Aufgabe der ostdeutschen Akademie, das katholische Kulturgut des Ostens zu sammeln und zu sichern, nicht zuletzt in konfessioneller Hinsicht gegenüber protestantischen oder ungläubigen Versuchen, die die Geschichte entweder erst mit der Reformation beginnen lassen wollten, so die Einschätzung Kindermanns, oder die religiösen Faktoren der Geschichtsbildung ganz vernachlässigten.173 Es gab in Königstein zahlreiche Initiativen, Forschungsinstitute – spezifisch für den ostmittel- und osteuropäischen Bereich – ins Leben zu rufen. Viele waren pragmatisch, weil man entsprechende Personen hatte oder weil man gerade nach der Sistierung der Hochschule bestimmte Themen fortführen und im wissenschaftlichen Diskurs präsent bleiben wollte. Letztlich sind nur zwei Vorstöße grundsätzlicher Art zu verzeichnen. Der eine ist der bereits angeschnittene, im Wesentlichen von den schlesischen Priestern angeregte Versuch, eine Ostakademie zu gründen. Der zweite ist der Entwurf für eine Königsteiner Akademie für Ostfragen, der im Anschluss an Überlegungen der Bischofskonferenz von 1957 entstand. Vor der Bischofskonferenz wurde angeregt, zur Bearbeitung der auftauchenden Flüchtlingsfragen ein kirchliches Institut für Ostfragen zu errichten.174 Beabsichtigt war, bei dem geplanten wissenschaftlichen Institut alle Landsmannschaften vertreten sein zu lassen und das geplante Institut nach Möglichkeit einer katholischen Universität anzugliedern. Die Bezahlung der Mitarbeiter sollten die ostdeutschen Diözesen bzw. die Priesterwerke der Landsmannschaften übernehmen. Die Unkosten für Büro und Ausstattung des Instituts sollten auf das Konto der Bischofskonferenz gehen.

172 173

174

Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 12. Bericht über die Ordentliche Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. in Köln-Hohenlind am 27. Januar 1955, 8 S. masch. Protokoll, Diözesanarchiv Limburg 16A/2. 2 Diskussion des Jahresberichts 1954. Vgl. Entwurf für eine Königsteiner Akademie für Ostfragen, 5 S. masch., Bestand Janssen, 2563.

486

Abschnitt V

Der Entwurf sah vor, diese Akademie für Ostfragen in Königstein anzusiedeln, da die bereits bestehende Philosophisch-Theologische Hochschule eine entsprechende Ostausrichtung für sich beanspruchte und entsprechende Vorlesungen anbot, auch das Religionssoziologische Institut sowie das Katholische Institut für Sozialforschung und Flüchtlingsfragen wären als Kooperationspartner in Königstein vorgesehen. Eine wissenschaftliche Zeitschrift, nämlich die „Königsteiner Blätter“, existierte bereits, die Akademie sollte die Arbeit der Seelsorge unterstützen. Man wollte die Akademie als eine Art Arbeitsgemeinschaft gliedern. Bereits bestehende Einrichtungen sollten ausgebaut werden, wo möglich sich zusammenschließen und ihre Arbeit koordinieren, ohne dabei die Selbständigkeit zu verlieren. Gedacht war wohl neben dem Institut für Sozialforschung an die Institute für Kirchengeschichte. An der Spitze der Akademie sollte ein Kuratorium stehen, das sich aus dem Verwaltungsrat und dem Forschungsrat, also der Leitung der wissenschaftlichen Arbeit zusammensetzte. Die Akademie sollte der Erforschung der Vergangenheit wie auch der Situation der Gegenwart dienen und entsprechende wissenschaftliche Publikationen eigenständiger Art oder als Zeitschriftenbeiträge vorbereiten. Sie sollte zweitens der Schule und Schulung durch Vorträge, Kurse, Tagungen u.ä. dienen.175 Man dachte an einen Sonderkurs, vor allem für junge Priester, die für entsprechende Ostfragen geschult werden sollten. Dieser Kurs könnte durchaus zwei bis vier Semester dauern. Die Akademie sollte auch breiter publizistisch tätig sein zur Verteidigung der katholischen Interessen und sollte dafür die wissenschaftlichen Grundlagen zur Verfügung stellen, sollte, wo notwendig, korrigierend eingreifen. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, müsste die Akademie folgende Abteilungen umfassen: Eine erste Abteilung Geschichte und Gegenwartskunde des Ostens, die die Kirchengeschichte, Geistesgeschichte und kulturgeschichtliche Grenzwissenschaften berücksichtigte. Geplant waren zwei Unterabteilungen, nämlich die NordostdeutscheSchlesische und die Sudetendeutsche-Südostdeutsche. Ein zweiter Sektor sollte sich mit der Religions- und Pastoralsoziologie beschäftigen, der Soziologie der wandernden Kirche, ein dritter mit kommunistischer Philosophie, Ethik und Pädagogik. Daneben dachte man – und das wollte man wohl einfach eingliedern – an das Institutum Sinicum mit dem Schwerpunkt auf der Situation der Kirche in China, dann an eine Abteilung zur Rechts- und Soziallehre in enger Kooperation mit den Soziologen und schließlich an eine Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, die sich schwerpunktmäßig den Publikationen und der Publizistik widmen sollte. Dabei hatte man zuvorderst die „Königsteiner Blätter“ im Blick, die von der Hochschule in Verbindung mit der neu zu schaffenden Akademie herausgegeben werden sollten. Ebenso der ‚Expulsus’ bzw. der Digest des Ostens der Ostpriesterhilfe und die Veröffentlichungen des Hau-

175

Vgl. Entwurf für eine Königsteiner Akademie für Ostfragen, S. 2.

Priesterausbildung

487

ses der Begegnung, also die Kongressberichte ‚Kirche in Not’, die dann mehr der volkstümlichen und aktuellen Publizistik dienen sollen. Schließlich war ein Sektor für Schulungen, Vorträge und Tagungen geplant; ihm sollte das Haus der Begegnung zur Verfügung stehen. So sollten wohl auch die Foren im Haus der Begegnung entsprechend eingebunden werden. Jede der fünf Abteilungen, also Geschichte, Religionssoziologie, Philosophie, Sinicum und Rechts- und Soziallehre sollten ein besonderes Institut einrichten mit einer speziellen Bibliothek und einem Arbeitsraum. Im Entwurf wurde darauf verwiesen, dass das geschichtliche bereits teilweise eingerichtet sei, das religionssoziologische ebenfalls. Das philosophische Institut bestehe bereits bei der Ostakademie im Rahmen des Bundesjugendplanes, wo Kurse für Jugendliche und Erzieher veranstaltet wurden. Das Institutum Sinicum, das vierte, sei auch bereits eingerichtet. D.h. neu institutionalisiert werden müsste allein das Rechtssoziologische Institut, für das auch neue Arbeitsräume notwendig wären, die aber nur in beschränktem Maß zur Verfügung stünden. Hinsichtlich des Personaltableaus dachte man an zwei Leiter für die Geschichtliche Abteilung, dazu ggf. zwei Assistenten und einige Hilfskräfte. Für das Religionssoziologische Institut dachte man ebenfalls an einen Assistenten und eine Hilfskraft, beim Philosophischen Institut an einen Assistenten für pädagogische Fragen, beim Institutum Sinicum wünschte man sich wohl eine Fortführung der Arbeit, ggf. unterstützt durch eine Hilfskraft. Offen blieb also das Rechtssoziologische Institut, für das ein Professor, ein Assistent und eine Hilfskraft gefordert wurden. Bei zusätzlichen Auslagen, vor allem Personalkosten, dachte man an 100.000,- DM. Man hatte auch einen Adressatenkreis der Akademietätigkeit vor Augen, die Multiplikatoren in der Presse: Man wusste, dass man Einfluss nur gewinnen, halten und erweitern konnte, wenn man im Bereich der Presse entsprechend aufgestellt war. So wollte Pater Paulus Sladek alle Redakteure der katholischen Flüchtlingsblätter zusammenrufen, um Erfahrungen auszutauschen, um zu koordinieren, um eine Art Arbeitsgemeinschaft katholischer Redakteure zu etablieren, so dass der Nachrichtenfluss und die Präsenz der entsprechenden Nachrichten in den etwa 300 Organen der Vertriebenengemeinschaften besser laufen könnte. Realisiert wurde von dem umfangreichen Plan lediglich das, bzw. im Laufe der weiteren Ausdifferenzierung die beiden Institut(e) für Kirchengeschichte.

12.1. Das Institut für Kirchengeschichte Das Institut für Kirchengeschichte ist das Königsteiner Institut mit der längsten Tradition und Lebensdauer. Vermutlich hat es auch den weitesten Adressatenkreis erreicht, wollte es doch mit seinen Publikationen, vor allem mit den Periodika ‚Archiv für schlesische Kirchengeschichte‘, dann ‚Archiv für Kirchengeschichte Böhmen, Mähren, Schlesien‘ (deren erster Band 1967 erschien) und ‚Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde im Ermland‘ vor allem die Multiplikatoren in Erziehung und Seelsorge, sprich die Priester und Lehrer ansprechen.

488

Abschnitt V

Die grundsätzliche Intention war demnach, insofern einen Beitrag zur Seelsorge zu leisten, als man mit Sammlung, Erforschung, Publikation, Dokumentation das Kulturerbe der Verbreitungsgebiete erhalten und weiter pflegen und so Verständnis für das Erbe der katholischen Vertriebenen auch bei den Einheimischen wecken wollte. Zu diesem Zweck motivierte Prälat Kindermann zur Gründung eines entsprechenden Institutes und traf sich darin mit den Zielen des vormaligen Breslauer Archivdirektors Kurt Engelbert176, der bereits in Breslau fünf Bände des ‚Archivs für schlesische Kirchengeschichte‘ herausgegeben hatte, die er dann in seiner Tätigkeit in Hildesheim kontinuierlich fortführte.177 Engelbert hatte in Hildesheim die Leitung der Dombibliothek übernommen und war 1946 Bistumsoffizial geworden. Sein Bruder, Josef Engelbert, vorher Pfarrer in St. Michael in Breslau, war von 1947 bis 1960 Diözesanseelsorger für die Heimatvertriebenen im Bistum Hildesheim. Auch er gehörte zu den Vätern der Initiative des 1951 ins Leben gerufenen Arbeitskreises für Ostdeutsche Kultur und Kirchengeschichte. Hier sollten Fachkenner der schlesischen und der ostdeutschen Kirchengeschichte zusammenkommen, um die historischen Leistungen des Christentums und der Kirche im deutschen Osten, im Vertreibungsgebiet zu erforschen. Der Arbeitskreis stand in einer engen Verbindung mit dem Schlesischen Priesterwerk. 1952 hatte Josef Engelbert den Auftrag bekommen, diesen Arbeitskreis in eine Akademie für Ostdeutsche Kultur und Geschichte in Königstein im Taunus auszubauen, um den katholischen Part in der sich langsam wieder sammelnden und neu gruppierenden, wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte und Kultur der ostdeutschen Gebiete einbringen zu können. Leiter dieser neuen Akademie wurde Dr. Kurt Engelbert, die Geschäftsführung hatte der Königsteiner Dozent Dr. Franz Scholz übernommen. 1954 wurde die Akademie erneut umgewandelt in ein Institut für Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Die Notwendigkeit eines solchen Institutes wurde ausdrücklich in der Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorger vom 12. bis 14. November 1954 – gerade auch gegenüber dem Vertriebenenbischof Döpfner – noch einmal unterstrichen, und zwar von schlesischer wie von sudetendeutscher Seite. Im Rahmen dieser Tagung widmete sich ein engerer Ausschuss der Frage des organisatorischen Aufbaus, auch den wesentlichen Grundbestimmungen eines Statutes. Für den schlesischen und ostpreußischen Anteil nahmen an der Beratung teil: Dr. Kurt Engel-

176 177

Zu Kurt Engelbert vgl. HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 4751. Dr. Kurt Engelbert gab in Breslau die Bände zwei bis sechs (1937 – 1941) heraus und in Hildesheim dann Band sieben bis einschließlich 25 (1949 – 1967). Vgl. für die Entwicklung und Geschichte dieser Initiative und des Institutes Bernhard STASIEWSKI, Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1958 bis 1987. Köln, Wien 1988. Dort vor allem die Seiten 11 bis 13. Neuestens Paul MAI (Hg.), Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1988 – 2010. Köln, Weimar, Wien 2011.

Priesterausbildung

489

bert, Monsignore Golombek, Josef Engelbert und der Dozent Schmauch178. Von sudetendeutscher Seite: Prof. Kindermann, Prof. Matzke, Pater Paulus Sladek, Dr. Huber. Die Wissenschaftlichen Leiter für die beiden Abteilungen waren Schmauch für die Schlesische Abteilung und Huber für die Sudetendeutsche Abteilung. „Der Aufbau der Institutsbibliothek hat begonnen. Verbindung mit anderen Instituten und Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Lebens wurde angebahnt. Zusagen von Mitarbeitern liegen vor. Veröffentlichungen stehen nahe bevor. Für das Archiv konnten zwei wertvolle handschriftliche Nachlässe erworben werden.“179 In der Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 25. März 1954 waren die Statuten des Priesterwerkes verändert worden. Als Ergänzung war hinzugekommen, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk das religiös-kulturelle Erbe der Heimat bewahren wolle. Diese Zielsetzung sollte die Förderung der Ostdeutschen Akademie legitimieren. Dr. Matzke180 hatte über seine Vorstellungen der Arbeit einer solchen Akademie berichtet, die regional aufgeteilt werden sollte, wobei für die einzelnen Regionen jeweils Mitarbeiter gewonnen werden müssten. Katholische Wissenschaftler wollten sich wieder in den langsam sich etablierenden wissenschaftlichen Diskurs über die Herkunftsregionen der Vertriebenen einbringen und bei der Dokumentation des kulturellen Erbes der Vertriebenen mitwirken.181

178

179 180

181

Hans Schmauch, 1887 in Danzig geboren, 1966 in St. Augustin gestorben; Gymnasiallehrer, Promotion in Geschichte in Königsberg (Die Besetzung der Bistümer im Deutschordensstaat bis zum Jahre 1410); 1955 gründete er den Historischen Verein für Ermland wieder, dessen Vorsitz er bereits 1937 übernommen hatte. In Königstein hielt er Vorlesungen zur ostdeutschen Kirchengeschichte und Diözesankunde, 1958 bis 1961 war er zweiter Vorsitzender des Institutes für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte. Leo JUHNKE, Hans Schmauch. Leben und Werk, in: ZGAE 31/32, 1967/68, S. 7-16. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 1, Januar 1955, S. 10. Zu Josef Matzke (1901 – 1979), Professor an der Olmützer theologischen Fakultät und infulierter Propst von St. Mauritz in Olmütz vgl. VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland, S. 125f. (dort weitere Lit.) „Wir müssen hier unbedingt etwas tun, sonst nehmen uns die liberalen Kreise das Heft aus der Hand. Gegenwärtig arbeitet die Akademie an einem Büchlein über die Wallfahrtsorte der alten Heimat, das zum Marianischen Jahr herausgegeben werden soll. Er schlägt vor, dass für jede Diözese ein Referent gefunden wird, der mitarbeitet. Es müsste auch eine Form für die Akademie gefunden werden, ein Institut oder etwas dergleichen. Prälat Kindermann pflichtet dem bei, doch meint er, dass zuerst ein ruhender Pol sein muss, damit sich eine Gemeinschaft bilden kann. Wichtig ist es, das Material aus jeder Pfarrei unserer Heimat zu bekommen. Dazu können unsere Pfarrer mithelfen; weiteres werden wir in den Heimatbriefen finden. Wir müssen ein Sudetendeutsches Archiv schaffen. Eine Aufgabe der Akademie wird es sein, unsere alte Heimat zu registrieren. Es fehlt uns ein sudetendeutsches kirchliches Handbuch. In der folgenden regen Debatte wird die Wichtigkeit dieser Arbeit allgemein betont. Dr. Otto regt an, dass alle Stellen, die sich mit ähnlicher Arbeit befassen, einmal zusammenkommen und ein Gremium bilden. Dr. Reiß bemerkt, dass die Akademie eine Art Korrektiv sein müsste für die anderen Stellen. Das wäre jetzt schon beim Sudetendeutschen Atlas notwendig, der von der kirchlichen Situation unserer Heimat überhaupt nichts sagt. Dr. Hüttel weist darauf hin, dass manches Material aus Österreich zu haben sein wird.“ Vgl. Protokoll über die Vorstandssitzung des Sudetendeutschen

490

Abschnitt V

So sah der ursprüngliche Plan ein für alle ostdeutschen Katholiken bestimmtes historisches Institut vor mit dem Schwerpunkt Kirchengeschichte, Sammlung von kirchlichem Kulturgut, Pflege der mitgebrachten kirchlich-kulturellen Überlieferung der Vertreibungsgebiete durch Publikationen, Präsentationen, durch Tagungen und Vorträge. Das anfänglich weit gespannte und ambitionierte Programm, wenn man vor allem auch an die anvisierte Beteiligung der wissenschaftlichen Erforschung und Dokumentation der Kirchengeschichte der Ostgebiete denkt, geographisch gesehen in der ganzen Bandbreite vom Ermland bis nach Rumänien, konnte künftig nur in Ansätzen verwirklicht werden. Ein Grund mag darin gesehen werden, dass sich das Institut auseinander zu entwickeln begann. Das Institut umfasste zwei Abteilungen, nämlich die Sudetendeutsche und die Ostdeutsche Abteilung für die Schlesier und die Ermländer. Beide Stränge begannen, nicht zuletzt unter der Anregung Kindermanns, im Albertus-MagnusKolleg in Königstein im Taunus ihre Tätigkeit. Aus diesem einen gemeinsamen Institut verselbständigte sich zum einen das Königsteiner Institut für Kirchengeschichte der Sudetenländer, das 1963 ins Vereinsregister eingetragen wurde und unter der Leitung von Prof. Dr. Augustinus Kurt Huber, dem Königsteiner Kirchenhistoriker und Prämonstratenser stand. Zum anderen siedelte das Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte unter der Leitung von Prof. Stasiewski nach Ingelheim und später nach Bonn über und verselbständigte sich, wobei hier eine weitere Ausdifferenzierung in den siebziger und beginnenden achtziger Jahren zu beobachten ist, als sich der Historische Verein des Ermlands und damit auch die Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde des Bistums Ermland mehr und mehr aus dem Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte löste und verselbständigte.182 Die Ostdeutsche Abteilung leitete zunächst Hans Schmauch, Honorarprofessor an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, der die Geschäftsstelle des Instituts, der Ostdeutschen Abteilung also, in seine Privatwohnung nach Ingelheim bei Mainz verlegte, weil ihm die zur Verfügung gestellten Räume in Königstein im Taunus zu klein wurden. Vom rheinland-pfälzischen Innenministerium kam die Anregung an Schmauch, die Ostdeutsche Abteilung der Königsteiner Akademie wegen der günstigeren finanziellen Unterstützung in ein eigenes Institut umzubilden. So kam es zur Gründung am 10. Dezember 1958 in Königstein im Taunus. Es entstand das Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte unter Teilnahme einer Reihe von führenden Geistlichen aus dem Erzbistum Breslau, der freien Prälatur Schneidemühl (Monsignore Wilhelm Volkmann, der Caritasdirektor) und der

182

Priesterwerkes am 25. März 1954 in der Benediktinerabtei in Rohr, Niederbayern, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 2f. Die Zeitschrift des Vereins erscheint seit 1980 nicht mehr unter der Herausgeberschaft des Instituts für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, sondern in alleiniger Verantwortung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Ermlands.

Priesterausbildung

491

Diözese Ermland (hier vor allem der Dozent Matern und Prof. Schmauch).183 Die Arbeit dieses Institutes lief zunächst zögernd an. Es wurde das Archiv für Schlesische Kirchengeschichte jährlich publiziert, ebenso im Zweijahresturnus die Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Ermlands. 1961 wurde die Geschäftsführung des Institutes Bernhard Stasiewski184 übertragen, damit verlagerte sich das Zentrum der Institutsarbeit nach Bonn. Das Institut erhielt einen wissenschaftlichen Beirat, dem etwa 20 Wissenschaftler angehörten. Die Bibliothek wurde an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität nach Bonn überführt. Im März 1964 erschien der erste Band der Schriftenreihe „Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands“. Die erste Nachwuchstagung sowie die späteren wissenschaftlichen Tagungen des Institutes wurden im August 1963 im Bonner Collegium Albertinum durchgeführt. Um den akademischen Nachwuchs für ostdeutsche Themen der Kirchengeschichte zu gewinnen, wurden nicht nur die jährlichen Arbeitstagungen installiert, sondern auch der Kardinal Bertram-Preis bzw. das Kardinal Bertram-Stipendium eingerichtet. Das Schlesische Priesterwerk beschloss auf den Sitzungen seines Beirates im Juli 1962 und im Juli 1963, den Kardinal Bertram-Preis für wissenschaftliche Arbeiten zu stiften, um junge Forscher zu fördern, die sich der schlesischen Kirchengeschichtsforschung zuwenden.185 Das Königsteiner Institut für Kirchen- und Geistesgeschichte der Sudetenländer, seit 1974 unter dem Namen Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-MährenSchlesien e.V. ins Vereinsregister eingetragen, nahm unter dem Vorsitz von Prof. Augustinus Kurt Huber einen anderen Weg. Deutlicher noch als das Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte wurde es durch die Person des Vorsitzenden geprägt (beim Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte war der Vorstand relativ bald auf drei bzw. fünf Personen erweitert worden, die die unterschiedlichen Herkunftsgebiete der Vertriebenen mit ihren Forschungsschwerpunkten in den Vorstand und in die Arbeit des Institutes einbrachten). Die Sudetendeutsche Abteilung verstand sich vor allem als ein Archiv und ein Dokumentationszentrum, das im Bedarfsfalle Auskunft erteilte, und als ein Forschungszentrum, das seine Erträge in erster Linie im Archiv für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien publizierte. Die Fachbibliothek des Institutes umfasste 1980 etwa 6.000 Buchtitel, dazu 21 Zeitschriften und ein Archiv vor allem mit handschriftlichen Nachlässen, Dokumenten, Lebenserinnerungen, Protokollen und Dossiers mit Zeitungsausschnitten etc. Vieles hatte Huber selbst angeregt, indem er die sudetendeutschen Priester zur Aufzeichnung

183

184

185

Die Details und die Satzung des Instituts wie auch die Entwicklung seit der Gründung lassen sich nachvollziehen in STASIEWSKI, Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, und im jüngst publizierten Band von Paul Mai, Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1988 – 2010. Köln, Weimar, Wien 2011. Zu Stasiewski vgl. Stefan SAMERSKI, Bernhard Stasiewski (1905 – 1995), in: HIRSCHFELD et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7, S. 327-331 (dort sind seine wichtigsten Werke und weitere Literatur angeführt). Vgl. STASIEWSKI, Institut, S. 87-104, dort auch ein Überblick über die ausgeschriebenen Themen und deren Bearbeiterinnen und Bearbeiter.

492

Abschnitt V

ihrer Erinnerungen ermunterte oder ihnen Fragen zu konkreten historischen Ereignissen vorlegte und sie ermunterte, Diözesangebet- und Gesangbücher der alten Heimat dem Institut zu überlassen. Auch für das Sudetendeutsche Institut wurde ein Trägerverein geschaffen. Seinen Sitz behielt es bis zur Auflösung der Einrichtungen der Vertriebenenseelsorge in Königstein. Finanziell getragen wurde es in erster Linie vom Sudetendeutschen Priesterwerk und dem Verband der Diözesen Deutschlands.186 Das SPW als Geldgeber schuf auch Abhängigkeiten und zwischendurch bei hohen Druckkosten für Archivbände, wie etwa dem Jubiläumsband zur Mährischen Kirchengeschichte (1777 – 1977), auch Schwierigkeiten wegen der hohen Druckkosten.187 Bereits 1977 gab es Unstimmigkeiten zwischen Huber und Reiß bezüglich der finanziellen Abhängigkeit des Institutes vom Sudetendeutschen Priesterwerk.188 Wegen der Redaktion der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, die Huber quasi mit ‚linker Hand‘, also ehrenamtlich leistete, war es im Dezember 1980

186

187

188

Noch als Nachtrag zum Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte: Werner CHROBAK, 50 Jahre Institut für Ostdeutsche Kirchengeschichte e.V. Das Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Bewahrung des kirchengeschichtlichen und kulturellen Erbes der verlorenen Heimat ehemaliger deutscher Ostgebiete zum Ziel. In: Schlesischer Kulturspiegel, 44 (2009), S. 11. Huber hatte wohl seine Schwierigkeiten mit Braunstein und auch mit Reiß und bat deshalb Kruschina noch 1981, Vorsitzender des Trägervereins zu bleiben – Schreiben Hubers an Kruschina vom 27.1.1981 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina). Huber unterstrich dort gegenüber Kruschina, dass er nicht mit jedem auskommen könne und fügte in Klammern hinzu (Braunstein, Reiß!). Auch sollte nach der Ansicht von Huber der Erste Vorsitzende ein engeres Verhältnis zur Wissenschaft haben, was er offensichtlich Braunstein und Reiß absprach. Bisher sei es immer ein Professor gewesen. Man sollte, so Huber weiter, davon nicht ohne weiteres abgehen. Vgl. Schreiben Hubers an Reiß vom 27.11.1977 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina). Dort heißt es u.a.: „Ich betrachte diesen Zuschuss als Teil des mir zustehenden Gehalts für berufliche Leistung – nicht als Gnadengabe oder Entgegenkommen, für das ich dadurch besonderes Wohlverhalten oder Sonderleistungen meinen Dank abzustatten hätte. Sollte der Vorstand von anderen Überlegungen ausgegangen sein, dann bitte ich Dich dringend mich darüber aufzuklären. Ich müsste dann für meine Zukunft – im Einvernehmen mit meinem Abt – neu disponieren. Ich halte Institutsarbeit und die Redaktion der „Mitteilungen“ für zwei verschiedene Dinge. Den Grund dafür habe ich schon einmal erläutert. Die Institutsarbeit habe ich gegenüber der Mitgliederversammlung des Instituts e.V. zu verantworten. Genauer: Die Geschäftsführung (die wissenschaftliche Tätigkeit wäre vor einem Forschungsrat zu verantworten, der sich aus anerkannten Fachhistorikern (in der Regel Hochschullehrer) zusammensetzt. Ein solcher war von Kindermann vorgesehen. Es kam aber bisher nicht dazu.) Der Geldgeber muss – so ist es in allen vergleichbaren Fällen – sich damit begnügen, dass das Institut seiner Zielsetzung entsprechende Ergebnisse (Veröffentlichungen, Vorträge, Sammlungen) vorweist. Eingriffe, die darüber hinausgehen, sind nur in totalitären Systemen üblich. Ich stelle dankbar fest, dass das SPW bisher solches nicht versucht hat. Ich bin der wissenschaftlichen Aufgabe wegen nach Königstein berufen worden und habe nur unter diesem Aspekt dem Ruf Folge geleistet und den sicheren Platz in Rom aufgegeben. Die Redaktion der „Mitteilungen“ habe ich 1973 nur übernommen, weil sich niemand bereit fand, diese Arbeit zu tun. Sollte sich auch künftig hier niemand finden, bin ich bereit, diese Tätigkeit fortzusetzen.“ Schreiben Hubers an Reiß vom 27.11.1977, S. 2.

Priesterausbildung

493

erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen Reiß und Huber gekommen. Reiß hatte sich enttäuscht geäußert über die Nummer 4/1980 der Mitteilungen, die lediglich einen Umfang von 20 Seiten aufwies, während ansonsten ein Umfang von 32 bis 36 Seiten üblich gewesen war. Auch hier verwies Reiß auf die Unterstützung, die das Institut durch das Sudetendeutsche Priesterwerk erfuhr – in aller Regelmäßigkeit auch dann, wenn es dem Priesterwerk nicht so leicht fiel. Reiß wollte mit solchen Hinweisen Abhängigkeiten herstellen. Zumindest indirekt mahnte er eine sorgfältige, gründliche Redaktion der Mitteilungen an. Das empörte Huber, der in seiner Antwort auch grundsätzliche Kritik übte.189 Huber unterstrich in dieser Auseinandersetzung die Eigenständigkeit des Institutes, was offensichtlich notwendig war.190 Reiß hingegen betonte, dass er die Eigenständigkeit des Institutes immer beachtet habe.191 Die Arbeit des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien konzentrierte sich nach dem Ausweis der Arbeitsberichte auf die Publikation der Archivbände, auf die Mitarbeit des Geschäftsführers Augustinus Kurt Huber in Lexika und mit Vorträgen bei Tagungen und auf die Vorbereitung der Veröffentlichungen

189

190

191

Huber an Reiß am 12. Dezember 1980 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina). Dort heißt es auf S. 2: „In diesen Zusammenhang gehört Folgendes: die Hefte haben Schlagseite in Richtung Hofchronik. Dies ist nicht nur mir aufgefallen, aber es fing schon unter Kindermann so an. Natürlich sollen die Leute erfahren, was der Sprecher fürs Ganze tut und welche Auszeichnungen er erhält; aber müssen deswegen die hohen Schreiben immer im Faksimiledruck veröffentlicht werden? Ich möchte nicht gerne zum Handlanger einer Hofberichterstattung werden; als Professor (sit venia verbo) habe ich Wichtigeres zu tun. Auch kostet mich die Redaktion im Jahr ca. drei Wochen.“ Huber an Reiß am 12. Dezember 1980 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina), S. 3. „4. Dein Brief macht es notwendig, das Verhältnis zwischen SPW und Institut nochmals klar zu umreißen. a) Das Institut ist ein e.V. wie das SPW und als solcher von gleicher rechtlicher „Dignität“. Es ist nicht mein Privatinstitut. b) Die Tatsache, dass es keine eigenen Einkünfte aus sich produziert (die Mitgliedsbeiträge und der Verkaufserlös aus Publikationen ausgenommen) ändert an der Rechtslage nichts. Geld ist gleich Macht ist gleich Recht. Hat gegenüber Kulturinstituten keine Geltung. c) Das SPW kann sich mit Recht als der Hauptgeldgeber des Instituts betrachten. Dies ist sein Ruhm. Die spätere Geschichtsschreibung wird das gewiss gebührend würdigen … g) Es wird kaum ein Institut geben, das billiger arbeitete als das unsrige. Das trifft selbst für die Zeit seit 1978 zu, da ich eine Entschädigung erhalte. Die bisherige Dotation bezeichnet die unterste Grenze des Vertretbaren. Auch wünschbare Anschaffungen für Bibliothek, Archiv u.a. muss verzichtet werden. Dass wir dennoch effizient sind, wundert viele, die Einblick in das Institutswesen haben (mein Nachfolger wird mit seinem vollen Gehalt anders zu Buche schlagen).“ Huber an Reiß, S. 3f. Schreiben von Reiß an Huber vom 29.12.1980 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina). „Deine umfangreichen Ausführungen über das Verhältnis SPW und Institut sind überflüssig, da ich die Satzungen der beiden e.V. sehr wohl kenne und immer danach gehandelt habe. Ich habe die Eigenständigkeit des Institutes immer beachtet und habe Deine wissenschaftliche Arbeit bei vielen Gelegenheiten gewürdigt. Es kann mir aber niemand verwehren, wenn ich darauf hinweise, dass das SPW zur wirtschaftlichen Sicherstellung des Institutes beiträgt. Ich darf mich wohl dessen ein wenig rühmen, dass ich durch sparsame und sinnvolle Planung die finanzielle Situation des SPW auf einige Jahre hinaus sichern konnte, während ein anderer Königsteiner e.V. in der gleichen Zeit herabgewirtschaftet wurde und der Pleite nahe ist.“

494

Abschnitt V

des Instituts für Kirchengeschichte in der Reihe „Monographien und Texteditionen“. Hier sind die beiden ersten Bände bereits 1964 erschienen.192 Ein dritter Band folgte sehr rasch 1965.193 Der Band IV von Kurt Augustinus Huber „Kirche und deutsche Einheit im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur österreichisch-deutschen Kirchengeschichte“ folgte 1966. 1969 erschien Band V von Beda Franz Menzel194, „Abt Franz Stephan Rautenstrauch von Brevnov-Braunau. Herkunft, Umwelt und Wirkungskreis“. Sechs Jahre später folgte das römische Tagebuch des Zisterziensermönches Salesius Mayer.195 Schließlich Band 7 von Rudolf Grulich, „Der Beitrag der böhmischen Länder zur Weltmission des 17. und 18. Jahrhunderts“, der 1981 erschien. Das Institut hat bislang 15 Bände des Archivs für Kirchengeschichte von BöhmenMähren-Schlesien vorgelegt.196 Schwierigkeiten ergaben sich immer wieder bei der Finanzierung der Druckkosten für die umfangreicheren Publikationen, nicht zuletzt für die drei Jubiläumsbände des Archivs. Der erste erschien 1973 als Festschrift zum Tausendjährigen Prager Bistumsjubiläum mit einem Umfang von 348 Seiten. Es dürfte sich damit auf westlicher Seite – in der kommunistischen ČSSR konnte Vergleichbares zu der Zeit nicht erscheinen – um den einzigen gewichtigeren Beitrag zum Bistumsjubiläum handeln. Bereits der übernächste Band 1978, mit einem Jahr Verspätung erschienen, war die Festschrift zum mährischen Bistumsjubiläum 1777 – 1977 mit einem Umfang von 454 Seiten. Mit einem Farbdruck und drei Kartenskizzen waren die Druckkosten für einen Archivband ungewöhnlich hoch. Schließlich erschien mit Band 7 1985 die Festschrift zur 200-Jahrfeier des Bistums Budweis in Böhmen mit einem Umfang von 334 Seiten. Auch bei der Festschrift zum mährischen Bistumsjubiläum dürfte der Archivband die einzige wissenschaftliche Festschrift gewesen sein.197 Die Publikationen, vor allem das Archiv, stießen weitgehend auf positive Resonanz.198 192 193 194 195 196 197 198

Hugo BRÜCKNER, Die Gründung des Bistums Königgrätz. Königstein 1964, und Willy Lorenz: Die Kreuzherren mit dem roten Stern. Königstein 1964. Josef MATZKE, Religiöse Barockdenkmäler im Ostsudetenland. II: Schönhengstgau und Ostmähren. Königstein 1964. Beda Franz Menzel, PRIESTERREFERAT KÖNIGSTEIN (Hg.): 8. Königsteiner Schematismus, S. 75. Klaus SCHATZ, Ein Konzilszeugnis aus der Umgebung des Kardinals Schwarzenberg. Das römische Tagebuch des Salesius Mayer SOCist (1816 bis 1876). Königstein 1964. Band 15 erschien 1999; dann folgte als Band XVI Emil VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland 1938 bis 1945. Eine Dokumentation. Königstein 2003. Vgl. dazu auch das Protokoll der Mitgliederversammlung des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien am 31. Juli 1978 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina). „Rezensionen über die Veröffentlichungen des Instituts in wissenschaftlichen Zeitschriften sind fast durchwegs sehr positiv gehalten, wenngleich sie sich meist auf eine Wiedergabe oder Übersicht über den Inhalt beschränken. Die Linzer theologische Quartalschrift bescheinigte vor kurzem „Fülle und Qualität des Gebotenen“ (3/78). Mit großer Neugierde werden die Veröffentlichungen von den tschechischen Kirchenhistorikern erwartet, nachdem ihnen ein ähnliches Publikationsorgan vorenthalten wird. Prof. Dr. Huber hat den Eindruck, dass man drüben unsere Arbeit auch als Stellvertretung für sie wertet.“ Vgl. dazu auch das Protokoll der Mitgliederversammlung des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien am 31. Juli 1978 in DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina), S. 2.

Priesterausbildung

495

Bis 1972 erhielt das Institut für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien auch Zuwendungen des Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen. Nicht zuletzt deswegen hatte es eine gewisse personelle und ideelle Anlehnung an das Collegium Carolinum in München gesucht. „Das Institut hat sich in Anbetracht der schmalen finanziellen Basis und infolgedessen auch des Mangels an hauptamtlichen Mitarbeitern auf die Stille Forschungsarbeit (mit Publikationen) und Materialiensammlung konzentrieren müssen. Veröffentlichungen populärwissenschaftlichen Charakters übernahm das Sudetendeutsche Priesterwerk.“199 Die personelle Ausstattung erstreckte sich auf einen wissenschaftlichen Leiter, der zugleich die Funktion des Geschäftsführers innehatte und bis zur Sistierung der Hochschule in Königstein dort Professor für Kirchengeschichte war. Er versah die Institutsführung neben- und ehrenamtlich. So formulierte er auch im Jahresbericht für 1976, dass eine Entlastung des wissenschaftlichen Leiters dringend erwünscht sei. Es wurde ein wissenschaftlicher Assistent gefordert. Auch Dr. Rudolf Mattausch, Lehrer am Gymnasium, war 1961 Mitarbeiter und Mithilfe im Institut, als Huber offensichtlich vorübergehend abberufen worden war. Das Protokoll vermerkte jedenfalls die Abberufung von Dr. Huber als schmerzlichen Verlust.200 Von der Gründung des Institutes bis 1988 lag die Geschäftsführung und wissenschaftliche Leitung in den Händen von Kurt Augustinus Huber. Huber, 1912 in Altsattel, im Bezirk Ellbogen in Westböhmen geboren, war Prämonstratenser des Stiftes Tepl, 1935 zum Priester geweiht worden und 1939 Assistent an der Deutschen Universität in Prag. Gleichzeitig war er Vizerektor des Deutschen Theologenkonviktes in Prag, das unter der Leitung Kindermanns stand. Seine Doktorarbeit schrieb Huber bei Eduard Winter. Von 1948 bis 1954 war Huber Assistent des Generalabtes seines Ordens in Rom. Dann kam er als Dozent und seit 1965 als Professor für Kirchengeschichte nach Königstein. Hubers Werk als Kirchenhistoriker, nicht zuletzt in vielen Beiträgen des Archivs zu fassen, zeigt eine beeindruckende wissenschaftliche Breite. Bereits für den ersten Band des Archivs für Kirchengeschichte verfasste er den später vielfach rezipierten Beitrag „Der Sudetendeutsche Katholizismus“. Die inhaltlichen Gliederungspunkte dieses Beitrages zeigten schlaglichtartig die Themen, die den Verfasser sein ganzes Leben beschäftigten: Vom Hussitismus über die Reformation, die Barockkirche und den Josephinismus bis hin zu Fragen des Nationalismus und der Sozialgeschichte des Klerus. Ein erster unbefangener Blick kann den Eindruck erwecken, damit werde einfach die diachrone Breite des Kirchenhistorikers vorgeführt, die Huber in seiner Lehre an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein zu vertreten hatte. Wenn man aber um die Intentionen des Studienortes Königstein und um die Biographie Hubers weiß, wird in den Schwerpunkten jenes Artikels aus dem Jahr 1967 zugleich ein Kern zentraler Motive der wissenschaftlichen Arbeiten Hubers deutlich. 199 200

Tätigkeitsbericht 1976, 4 S. masch., hier S. 2, DAR, AKZ.8/1991 (Nachlass Kruschina). Protokoll Vorstandssitzung am 27./28. Februar 1961, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk.

496

Abschnitt V

Der sudetendeutsche Katholizismus in seinen vielfältigen Strömungen und Traditionen sollte nicht nur als Erbe der Vertriebenen weitergeführt und in den deutschen Katholizismus eingebracht werden. Es galt auch, dieses charakteristische Erbe im Nachkriegsdeutschland plausibel zu machen, denn viele taten den böhmischen Katholizismus in seinen aufgeklärten und liberalen Traditionen, vor allem Nordböhmens, vorschnell als gleichsam unkirchlich ab. Es ging also darum, für diese spezifische Tradition um Verständnis zu werben, den Seelsorgern Argumentationsmaterial an die Hand zu geben und gleichzeitig die Entwicklungen im tschechischen Katholizismus mit nachbarschaftlichem Interesse zu verfolgen. Entsprechend plausibel wird auch die unterschiedliche Tätigkeit Hubers auf der wissenschaftlichen Ebene im Institut für Kirchengeschichte und in den Publikationen für Multiplikatorenkreise, wie in den Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, wo die Erkenntnisse des Forschers argumentativ einem breiteren Kreis zugänglich gemacht werden sollten.201 Dieser Spagat wurde auch unter Hubers Nachfolger, Rudolf Grulich, als Wissenschaftlicher Direktor des Institutes fortgesetzt, wobei hier die Akzentverlagerung auf den Vermittlungscharakter in breite Kreise hinein nicht zu übersehen ist. Nicht zu übersehen ist auch, dass die Reihe A, die Monographien, keine Fortsetzung fand. Beim Königsteiner Institut für Kirchengeschichte waren 1989 Vorstandswahlen notwendig geworden, weil Pater Josef Jaksch SJ sich auf Weisung seines Ordensprovinzials nicht mehr für das Amt des Ersten Vorsitzenden des Trägervereins des Königsteiner Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien e.V. zur Verfügung stellen durfte. Neuer Erster Vorsitzender wurde Pater Dr. Johannes Zeschick OSB, der Abt des Klosters Braunau in Rohr202. Zweiter Vorsitzender wurde wie bisher Pfarrer Friedrich A. Berger vom Sudetendeutschen Priesterwerk und Dritter Vorsitzender Monsignore Ernst Tatarko.203 Bis 2008 hatte das Institut seinen Sitz in Königstein. Es war im letzten Gebäude des Königsteiner Komplexes untergebracht, das noch nicht verkauft war. 2008 musste aber auch das Institut Königstein aufgeben. Es zog in das Haus Königstein in Nidda um.204

201

202

203 204

Vgl. dazu das Vorwort der Herausgeber in Kurt Augustinus HUBER, Katholische Kirche und Kultur in Böhmen – ausgewählte Abhandlungen, hg. von Joachim BAHLCKE und Rudolf GRULICH. Münster 2005 (= Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa, Band 5). Johannes Zeschick, geb. 1932; Abt em. des Benediktinerkonvents Braunau im Kloster Rohr; vgl. Kloster- und Ordenslexikon online: http://www.orden-online.de/wissen/z/zeschickjohannes, aufgesucht am 10.8.2013. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Juni 1989, S. 16f. Von dort erscheinen seit Anfang 2008 jeweils vier Hefte pro Jahr „Mitteilungen Haus Königstein“.

Priesterausbildung

497

12.2. Das Institutum Balticum Das Baltische Institut wurde am 1. Mai 1960 in Königstein gegründet. Es sollte die Zeitgeschichte der baltischen Staaten verfolgen. Die ersten Schritte der Arbeit waren die Kontaktaufnahme mit den verschiedenen Institutionen, die fachlich nahe lagen und die Beschaffung von notwendigen Zeitschriften und Büchern.205 Rasch suchte das Institut Kontakt mit den Seelsorgern und Informationsdienststellen der drei baltischen Staaten, die bei der Beschaffung von Literatur und Informationen behilflich waren. Kontakte wurden auch zum Herder-Institut in Marburg, zum Institut für Ostforschung in Tübingen und zum Baltischen Forschungsinstitut in Bonn gesucht. Thematische Schwerpunkte waren zumindest anfangs die Kirchenverfolgung in den baltischen Staaten und der Blick auf die verschiedenen Konfessionen von den orthodoxen über die evangelischen bis hin zur katholischen Kirche in den baltischen Staaten. Das Institut wollte seinen Arbeitskreis durch freie Mitarbeiter aus allen drei baltischen Ländern erweitern und hoffte auf Unterstützung der Königsteiner Anstalten bei der Beschaffung von Literatur und anderem Material. Man wollte ein Institutsarchiv mit älteren Jahrgängen von einschlägigen Zeitungen und Zeitschriften anlegen und ein Institutjahrbuch herausgeben, in dem alle ausgearbeiteten Themen eines Jahres zusammengefasst und publiziert werden sollten. Es war die Geburtsstunde der „Acta Baltica“, des Periodikums des Institutum Balticum. Die „Acta Baltica“ hatten zunächst Schwerpunktthemen, so etwa der Band 2 über Wirtschaftsfragen, der Band 3 über die Kultur. Die Auflage betrug anfangs 3.000 Exemplare, wobei im Laufe eines Jahres nur 245 Exemplare wirklich verschickt worden waren. Der zweite Band der „Acta Baltica“ wurde demnach auch nur mehr in einer Auflage von 1.200 Exemplaren gedruckt. Das Institutum Balticum sah sich in enger Zusammenarbeit mit den anderen Königsteiner Anstalten, denen es nach Bedarf Angaben über das Baltikum zur Verfügung stellen wollte. Am umfangreichsten war in der Startphase die Zusammenarbeit mit dem „Digest des Ostens“ und auch mit der Ostakademie. Um eine ständige Zusammenarbeit bemühte sich das Institut auch mit der Katholischen Nachrichtenagentur. Ebenso waren Anfragen aus dem Europarat in Straßburg gekommen.206 Das Auf und Ab der Königsteiner Anstalten ist letztlich auch für das Institutum Balticum nicht folgenlos geblieben. Ein bedrohlicher Engpass entstand Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre mit der Fusion der beiden Trägervereine in Königstein. Das Haus der Begegnung war Finanzträger des Institutes, das aber nicht länger in der Lage war, alle Ausgaben, die das Institutum Balticum für seine Arbeit benötigte, zu tragen. Auch die staatlichen Zuwendungen aus dem Innenministerium waren zwischendurch in Frage gestellt worden. So konnten die Acta Baltica Nr. 19 und 20 erst 1981 als Doppelband erscheinen.

205 206

Vgl. zum Baltischen Institut, KZG, Bonn, Archiv Königstein, Baltisches Institut, 1.700. Vgl. dazu den Tätigkeitsbericht des Institutum Balticum für das Jahr vom 1. August 1962 bis 31. Juli 1963, KZG Bonn, Archiv Königstein, Baltisches Institut, 1.700.

498

Abschnitt V

Das Institutum Balticum hatte über all die Jahre hinweg den gleich bleibenden Aufgabenbereich, nämlich die Chronik der Litauischen Kirche zu übersetzen und zum Druck zu geben und die Acta Baltica zu übersetzen und zum Druck zu bringen. Man wartete auf einen neuen Vorstand des Trägervereins und auf eine neue Geschäftsführung, mit der der Leiter des Institutes, Andrivs Namsons, und auch der Beirat sich möglichst schnell wegen der künftigen Finanzierung absprechen sollten. Am 31. Dezember 1984 schied Dr. Namsons auf eigenen Wunsch aus, wie er angab, aus gesundheitlichen Gründen.207 Die Nachfolge in der Leitung des Institutum Balticum übernahm Dr. Ernst Benz, der die Acta Baltica, die Chronik der litauischen Kirche weiterführte und auch ein Forum Balticum, eine interdisziplinäre Veranstaltung für baltische Studien ins Leben rufen wollte. Zu einem breiten Themenspektrum der baltischen Staaten, das von Geschichte über Literaturwissenschaft, Politologie, Wirtschafswissenschaften bis hin zu Volkskunde, Religions- und Musikwissenschaft, Ökologie, Geographie usw. reichte, sollten Aufsätze, Miszellen mit Teilen von Arbeiten oder eigenständige Arbeiten in unregelmäßig erscheinenden Sammelbänden oder als Sonderhefte bei umfangreicheren Beiträgen, wie etwa Dissertationen, erscheinen. Herausgeber sollte das Institutum Balticum werden. Verlegt werden sollte die Reihe in der Verlagsbuchhandlung Mare Balticum in Köln. Als Ansprechpartner bot sich verantwortlich Dr. Ernst Benz, der Leiter des Institutum Balticum an. Etwa zeitgleich wurde die Initiative „Baltische Studientage“ gestartet. Die erste Konferenz fand vom 19. bis 21. November 1993 im Haus Annaberg in Bonn-Bad Godesberg statt. Studierende im Rahmen des Münsteraner Modells aus der ganzen Bundesrepublik, die baltische Sprachen lernten, sollten hier im interdisziplinären Austausch Vorträge aus verschiedenen Fachgebieten hören. Auch Nachwuchswissenschaftler aus dem Baltikum wurden dazu eingeladen. Angemeldet hatten sich dann nicht nur Nachwuchswissenschaftler, sondern auch Etablierte. Die Referate sollten Anfang 1994 in einem ersten Band der Reihe „Forum Balticum“ veröffentlicht werden. Sollte das Forum Balticum zunächst die Acta Baltica ersetzen, war aufgrund des Interesses dann daran gedacht, sie parallel zu den Acta Baltica erscheinen zu lassen.

12.3. Das Institut für Soziologie/Sozialforschung In den Bereich der Arbeit von Akademien und Instituten reihte man in Königstein auch das katholische internationale soziologische Institut für Flüchtlingsfragen (KISIF) ein, das seinen Sitz in Den Haag in den Niederlanden hatte. Diesem Institut wa-

207

Protokoll der Vorstandssitzung vom 7. November 1984, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 6 auf S. 6.

Priesterausbildung

499

ren vier Außenstellen in den Niederlanden zugeordnet, darüber hinaus eine in Königstein und eine in Wien und eine in Neu-Guinea.208 Das Königsteiner Institut wurde am 26. Oktober 1951 gegründet209; sein Rechtsträger war das Katholische Zentrum für Sozialforschung e.V. Es hatte satzungsgemäß die Aufgabe, die soziologische, soziographische und sozialpsychologische Forschung der europäischen Flüchtlingsfragen zu betreiben, vor allem insoweit katholische Interessen daran beteiligt waren. Das Institut sollte Forschungsarbeiten im Auftrag oder in eigener Initiative durchführen, Auskünfte erteilen, publizieren, eine Bibliothek einrichten, den Austausch und Kontakt mit Personen und Instanzen pflegen, die sich mit Flüchtlingsfragen beschäftigen bzw. die soziologische Forschung bestimmen und sich so im Kontext des Faches etablieren. Das Königsteiner Institut wurde anfänglich von Prof. Zeegers aus Holland geleitet, dessen Funktion später Dr. Walter Menges übernahm. Das Institut sollte die veränderte seelsorgerliche Situation durch die religionssoziologischen Änderungen in der Gesellschaft in den Nachkriegsjahren wissenschaftlich fundiert analysieren und in Kooperation mit der Pastoraltheologie entsprechende Strategien entwickeln. So berichtete der Königsteiner Leiter des Institutes Dr. Walter Menges vor den Diözesanseelsorgern: „Wir haben unsere Aufgabe darin gesehen, zunächst einmal im Großen zu untersuchen, welche Veränderungen in der kirchlichen Struktur eingetreten sind und was zu einer Verminderung der bestehenden Mängel getan werden kann… Durch die Zuwanderung der Heimatvertriebenen haben große Gebiete der deutschen Diaspora eine wesentliche Veränderung erfahren. Es wird in einigen Gebieten bereits von der Rekatholisierung gesprochen. Hier liegt für die Kirche eine große Chance… In Anbetracht dieser großen Aufgaben und Gefahren haben wir im KISIF das Schwergewicht unserer Arbeit zunächst auf die norddeutsche Diaspora gelenkt. Vor einem Jahr legten wir den verantwortlichen Stellen einen Entwurf zu einem Stützpunkteplan vor.“210 Walter Menges hat sich mit einigen pastoralsoziologischen Artikeln zur Veränderung der konfessionellen Struktur auf dem Lande und deren Auswirkungen in den ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester’ publizistisch geäußert. So etwa 1957 mit einem Beitrag über die konfessionellen Strukturwandlungen in Hessen und ihre soziologische Bedeutung für die Seelsorge.211 Da wurde viel Selbstverständliches beschrieben, nicht zuletzt die Konsequenzen aus der hohen Fluktuation der neuen Bevölkerung und der Land-Stadtwanderung.212 Menges hatte bereits in den „Mittei-

208 209

210 211 212

Das Katholische Institut für kirchliche Sozialforschung, in: Christ unterwegs 8 (1954), S. 9f. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehörten der Generalabt der Prämonstratenser Noots, Prälat Hartz, Kindermann, Kleineidam, Prof. Zeegers aus Nijmegen, P. Werenfried, P. Coenen und P. van Ackern. Daran wird deutlich, welch hohen Stellenwert man den Aufgaben des Institutes beimaß. Chronik der Hochschule, S. 14. KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., S. 13f. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 8 (1957), S. 81-83 und 92-94. „Aus dieser Situation ergibt sich ein sehr wesentlicher pastoral-soziologischer Tatbestand: In den hessischen Diasporabezirken setzt sich die katholische Bevölkerung heute überwiegend aus

500

Abschnitt V

lungen“ 1956 einen Beitrag über die Vertreibung und ihre sozialen Auswirkungen platziert. Er nannte sie „Soziale Revolution“.213 Der Kern der Revolution liege in der

213

Vertriebenen zusammen, die sich im sozialen Status wesentlich von den eingesessenen, protestantischen Bewohnern unterscheiden und außerdem meistens auch keine katholischen Kerngruppen vorfanden, in die sie sich hätten eingliedern können. Sie mussten vielmehr ihr Gruppengefüge und Kirchenleben in einem der gewohnten heimatlichen Situation völlig fremden, religiösen und sozialen Milieu erst aufbauen und in die aufnehmende Gemeinschaft einbauen, nicht selten gegen große Barrieren, sowohl sozialer als auch geistig-religiöser Art, die teils von Anfang an vorhanden waren oder im Zuge der Konsolidierung des katholischen Kirchen- und Gruppenlebens neu entstanden oder größer wurden. Eine sehr bedeutende Rolle spielt außerdem der Umstand, dass diese Entwicklung sich vollzog und noch vollzieht vor dem Hintergrund einer starken Fluktuation in den eigenen Reihen – insbesondere einer beständigen Abwanderung sehr mobiler und aktiver Kräfte – und eines große Energien und Anstrengungen beanspruchenden Strebens um die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz. Dieser Kampf um den sozialen Wiederaufstieg verdrängte nicht selten viele andere Interessen und frühere Bindungen aus dem Bereich des alltäglichen Lebens.“ (S. 93f.) Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 7 (1956), S. 72f., 85-89, 102104 und 120-122. – Ein Beispiel für die Arbeit, für die Untersuchungen und Interpretationen des KISIF in Königstein ist der bereits erwähnte Aufsatz von MENGES über die Vertreibung und ihre sozialen Auswirkungen, vgl. Fußnote 211. Menges untersuchte die sozialen Folgen. Seine Grundfrage war: Handelte es sich um eine soziale Revolution der Vertreibung? Wobei er die Vertreibung in ihrer soziologischen Bedeutung vor allem darin festmachen wollte, dass in Jahrhunderten gewachsene Zusammengehörigkeiten von Mensch und Landschaft, von sozialen Kontexten zerrissen wurden. Dabei bezog er sich auf das Wörterbuch der Soziologie und die dortige Definition. Drei wesentliche Zielsetzungen sah er in den Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenlaufen. Zum einen war das der Versuch einer Neuordnung der Nationalitätsverhältnisse in Ostmitteleuropa, nachdem – das unterstrich er ausdrücklich – der Versuch Hitlers vorausgegangen war, eine solche Lösung allein aus deutschem Interesse, von deutscher Perspektive her zu verwirklichen. Als zweiten charakteristischen Zug trüge diese Vertreibung mit all ihren Begleitumständen wesentliche Züge des russischen Imperialismus, der sich durch dieses Vorgehen, durch die Vertreibung ein neues Vorwerk gegen den abendländischen Westen schaffen wollte. Gleichzeitig spekulierte die Sowjetunion darauf, mit der Vertreibung den Prozess der revolutionären Umgestaltung nach Mitteleuropa hinein fortsetzen zu können und auch dort Wirtschaft und Gesellschaft nach sowjetischem Muster umgestalten zu können. Es folgte dann eine Statistik der Vertriebenen mit den bekannten Zahlen, bevor Menges in die Untersuchung der Konsequenzen einstieg, der sozialen Folgen der Vertreibung für die Vertriebenen selber. „Im ersten Stadium nach der Vertreibung stellen die Vertriebenen eine Bevölkerungsgruppe dar, die hundertprozentig in einen Prozess der sozialen Entwurzelung, der Proletarisierung im ursprünglichen Sinn des Wortes gestoßen worden ist. Der Sturz ist so tief und die Aussicht auf eine Wiederherstellung des alten sozialen Status in den selbst vom Krieg schwer getroffenen Aufnahmegebieten so gering, dass die Vertreibung nur als eine tragische Episode verstanden werden kann. Die baldige Rückkehr in die Heimat, aus der man ohne irgendeine Frage nach persönlicher Schuld verstoßen wurde, erscheint als die einzige Möglichkeit, dem Chaos und dem drohenden Untergang zu entkommen. Restauration der alten Verhältnisse oder Verelendung – nicht nur der vertriebenen Bevölkerung selbst, sondern mit ihr des ganzen Volkes – scheinen die beiden einzigen Auswege aus dieser Situation zu sein.“ Den Begriff „Eingliederung“ schien Menges sehr konservativ zu gebrauchen. D.h. er verstand unter Eingliederung, dass die Vertriebenen in ihrem herkömmlichen sozialen Gefüge in die Wirtschaft und das Sozialgefüge der Vertreibungsgebiete im Westen eingefügt werden können. Diese radikale Forderung sah er als nicht

Priesterausbildung

501

realisierbar an und folgerte, dass sich daraus ein enormer Substanzverlust vor allem für die landwirtschaftliche und insbesondere die bäuerliche Bevölkerung unter den Vertriebenen ergebe. Menges sah einen sehr unterschiedlichen Eingliederungsstand der Vertriebenen in Stadt und Land. Die Städte und die industriellen Landgebiete wiesen, ihm zufolge, einen höheren Prozentsatz erwerbstätiger Vertriebener auf und auch eine qualitativ bessere berufliche Einfügung, wie auch eine bessere wohnungsmäßige Unterbringung als die ländlichen Gebiete. Die Konsequenzen der Vertreibung für die Aufnahmegebiete der Bundesrepublik machte Menges daran fest, dass es wohl kaum einen Bereich gesellschaftlicher Lebensäußerung in der Bundesrepublik gebe, der nicht durch die Zuwanderung und Eingliederung der Vertriebenen beeinflusst worden sei und noch werde. „Die Eingliederung vollzieht sich ja nicht in einem abgegrenzten Sektor. Sie greift überall und ständig in das gesellschaftliche Leben ein und drückt ihm seine Spuren ein. Sie wirkt dabei kaum einmal revolutionierend im eigentlichen Sinn des Wortes, aber sie wirkt überall mit, bald bestehendes Umgestalten, bald laufende Prozesse beschleunigend oder verzögernd. Und die Eingliederung trifft auch zusammen mit weitgehenden sozialen Umschichtungen im Aufnahmegebiet selbst, die zum Teil durch den Krieg und seine Auswirkungen ausgelöst waren, sich zum Teil aber auch in einer säkularen Entwicklung vollzogen.“ Hier konstatierte er beinahe plötzlich und überraschend laufende Umschichtungsprozesse auch in der Aufnahmebevölkerung. Es fragt sich, warum er dann mit dieser konservativen Eingliederungsvorstellung herangeht. Es ist doch unmöglich, mit den Vertriebenen zu restaurieren, was sich bereits im Umbruch befindet. Dazu gehörte eben nicht nur die regionale Mobilität, sondern auch die soziale Mobilität. Eine zweite Anfrage an Menges muss dahingehen, dass er der provokanten Frage in die Überlegungen zu den Auswirkungen der Vertreibung auf die Bundesrepublik einstieg, nämlich, dass sich in der Mitte der fünfziger Jahre das Schwergewicht politischen Handelns auf die Frage fokussiert habe, wie die Sozialreform zu gestalten sei. Sie sei das innenpolitische Thema Nummer eins. Menges vermisste mit dieser Schwerpunktsetzung eine adäquate Betrachtung der Aufgaben, die das Vertriebenenproblem mit sich brachte. Er war überrascht, dass das Vertriebenenproblem nicht mehr das innen- und sozialpolitische Thema Nummer eins war. Verkannte er aber dabei nicht, dass die Debatte um die Sozialreform gerade auch von den Vertriebenen entscheidend mit angestoßen worden war, und dass eine Sozialreform genauso gut die Vertriebenen mitbedachte und mitbedenken musste wie die Einheimischen. Die Wanderungsvorgänge durch die Vertriebenen führten nach Menges zu Verschiebungen in der Bevölkerungsverteilung und zum Fortschreiten der konfessionellen Vermischung. Auch das waren beileibe keine neuen Erkenntnisse. Die Bedeutung der Verstädterung, der Wanderung vom flachen Land in die Stadt wurde von vielen Zeitgenossen festgestellt und analysiert. Dass gerade die Vertriebenen in ihrer hohen Mobilität, nicht zuletzt wegen der Berufschancen in die Städte drängten, war von Anfang an sichtbar gewesen. Das Nichtgelingen der integralen Form der Eingliederung, wie sie Menges vorschwebte, bezeichnete er als Atomisierung der Vertriebenenbevölkerung, die einem beträchtlichen Ausmaß durch die Wanderungsvorgänge weiter schreite. Die landsmannschaftliche Vermischung sowohl der Vertriebenen, als auch der westdeutschen Gesamtbevölkerung, werde damit verstärkt. Es sei nicht gelungen, die alten Dorfgemeinschaften der Vertriebenen zusammenzuhalten oder wieder zu sammeln. „Für das gesellschaftliche Leben ergab sich bei der Wanderung der Vertriebenen in die Städte, besonders in die Großstädte, in der Regel völlig anders geartete Anpassungsschwierigkeiten, als bei dem ersten Einströmen auf das flache Land. Stießen die Vertriebenen bei ihrer ersten Niederlassung in den kleinen Gemeinden auf vielfältige Formen konventioneller Verhaltensweisen, Anschauungen und Bindungen, die ihre Einfügung in die neue Gemeinschaft erschwerten, so sehen sie sich in der Stadt in eine anonyme Gesellschaft verpflanzt, die zwar die Eingliederungsspannungen nicht wie auf dem flachen Lande kennt, aber den Einzelnen und sei-

502

Abschnitt V

grundsätzlichen sozialen Entwurzelung einer großen Bevölkerungsgruppe. „Im ersten Stadium nach der Vertreibung stellen die Vertriebenen eine Bevölkerungsgruppe dar, die hundertprozentig in einen Prozess der sozialen Entwurzelung, der Proletarisierung im ursprünglichen Sinn des Wortes gestoßen worden ist. Der Sturz ist so tief und die Aussicht auf eine Wiederherstellung des alten, sozialen Status in den selbst vom Krieg schwer getroffenen Aufnahmegebieten so gering, da die Vertreibung nur als eine tragische Episode verstanden werden kann. Die baldige Rückkehr in die Heimat, aus der man ohne irgendeine Frage nach persönlicher Schuld verstoßen wurde, erscheint als die einzige Möglichkeit, dem Chaos und dem drohenden Untergang zu entkommen. Restauration der alten Verhältnisse oder Verelendung – nicht nur der Vertriebenenbevölkerung selbst, sondern mit ihr des ganzen Volkes – scheinen die beiden einzigen Auswege aus dieser Situation zu sein.“214 Ein zweiter Gedankengang griff die Hindernisse der Eingliederung auf, vor allem der ländlichen Bevölkerung. „Wir müssen festhalten, dass infolge der Vertreibung und der Hemmnisse bei der Eingliederung die Vertriebenenbevölkerung in ihrer sozialen Schichtung eine tief greifende Umschichtung erlitten hat.“215 Ein dritter Frageansatz zielte auf die Aufnahmegebiete. Was bedeutete die Vertreibung für die Bundesrepublik? Das Vertriebenenproblem wurde sehr schnell von einem Topthema der Innenpolitik zu einem Topthema der Sozialpolitik. Das innenpolitische Thema Nr. 1 der jungen Bundesrepublik wurde die Sozialreform.216 Es gebe wohl kaum einen Bereich gesellschaftlicher Lebensäußerungen der Bundesrepublik, so Menges, der nicht durch die Zuwanderung und Eingliederung der Vertriebenen beeinflusst worden wäre und noch würde. Die Eingliederung vollziehe sich nicht in einem abgeschlossenen Raum, sondern überall und ständig im gesellschaftlichen Leben. Durch die Zuwanderung der Vertriebenen habe die Mobilität der Bevölkerung eine außerordentliche Steigerung erfahren und zwar sowohl die regionale wie auch die soziale Mobilität, vor allem die Umgruppierung von der landwirtschaftlichen zu nicht-landwirtschaftlicher Bevölkerung. 217 Menges hielt als Fazit fest: „Im Westen hingegen hat man versucht, die sich aus der Vertreibung ergebenden Umschichtungen zu keinem Umsturz auswachsen zu lassen, sondern in herkömmlichen Bahnen zu regeln. Aber längst noch sind nicht alle Auswirkungen der Vertreibung und zwar weder für die Vertriebenen, noch für das Aufnahmegebiet reguliert und befriedigend in einer neuen sozialen Ordnung aufgefangen. Das Vertriebenenproblem hat keinen revolutionären Umsturz verursacht, aber es wirkt noch tief in alle Bereiche hinein.“218

214 215 216 217 218

ner Familie in eine Isolierung stellt. Er findet nicht leicht Anschluss an ein Gemeinschaftsleben und viele Normen und Verhaltensweisen, die bisher seine Beziehungen zur Gemeinschaft und sein privates Leben bestimmt, verlieren ihre Geltung.“ Mitteilungen, S. 73. Mitteilungen, S. 86. Mitteilungen, S. 87. Mitteilungen, S. 88. Mitteilungen, S. 122.

Priesterausbildung

503

Es scheint das klassisch konservative Anliegen gewesen zu sein, die breite bäuerliche Schicht der Vertriebenen möglichst weit zu erhalten, obwohl sich damals, Mitte der fünfziger Jahre, bereits deutlich abzuzeichnen begann, dass die fortschreitende Technisierung in der Landwirtschaft, die ohne Zweifel in diesen Jahren zu erkennen war, den Arbeitskräftebedarf in der Landwirtschaft auch bei den Einheimischen enorm reduzieren werde und so ein Umschichtungsprozess sich abzeichnete. Die Vertriebenen mussten sich also in andere Arbeitsprozesse einfügen und es war vor allem Arbeiterbevölkerung, aus der die Vertriebenen bestanden. Die Zahl der selbständigen Erwerbstätigen unter ihnen war ebenfalls gesunken. Die Masse der Vertriebenen, etwa 75 %, war in unselbständiger Tätigkeit beschäftigt. Insofern musste Menges anerkennen: „Eine Eingliederung bis zu dem Zustand einer annähernden Wiederherstellung des alten sozialen Status bei der Masse der Vertriebenen erscheint für die zurzeit der Vertreibung tragende Generation nicht erreichbar. Und die weiteren Fortschritte der Eingliederung werden zweifelsohne auch wesentlich von den weiteren konjunkturellen Bedingungen unserer wirtschaftlichen Entwicklung bestimmt werden.“219 D.h. als einen wichtigen Integrationsfaktor sah er Mitte der fünfziger Jahre bereits die günstige Konjunktur, die es ermöglicht hatte, den größten Teil der Vertriebenen wieder in den Erwerbsprozess einzubringen, nachdem im ersten Stadium des Eingliederungsprozesses bereits ein beträchtlicher Teil der Vertriebenen in die Lücken eingetreten gewesen sei, die der Krieg im Aufnahmegebiet aufgerissen hatte. D.h. die Veränderung durch den Eingliederungsprozess der Vertriebenen war zunächst sehr stark eine soziale Veränderung auf der Seite der Vertriebenen, gleichzeitig aber wurden Prozesse in Gang gesetzt, eine erhöhte Mobilität war nämlich festzustellen, noch einmal mit einem deutlich höheren Prozentsatz bei den Vertriebenen als bei den Einheimischen, die zu einer Umschichtung der Gesamtbevölkerung beitragen werde. Menges ging in diesem Beitrag sehr stark beschreibend vor, dokumentierend auch. Es sind keine sehr tiefgründigen Analysen und Folgerungen, die er vorlegt. Vor allem scheinen sie immer unter dem führenden Interesse angelegt, sowohl die Analysen wie die Wertung der Ergebnisse, ob sich dadurch die gewohnte religiöse Praxis und damit Stabilität erhalten ließ bzw. was zu Veränderungen führte. Denn „wenn man sich diese Wanderungsziffern (gemeint ist die Land-Stadt-Wanderung) einmal in einem Kartogramm mit den einzelnen Städten graphisch darstellt, wird sehr deutlich, in welchem Maße gerade die katholische Zuwanderung in das Industrierevier eine Zuwanderung von Vertriebenen ist.“220 Das Institut untersuchte die Entwicklung und Verteilung der katholischen Bevölkerung, die Wanderungsbewegungen, die wirtschaftlichen Verhältnisse, auch die Entwicklungspläne der zivilen Behörden und die gegebenen Verhältnisse in der Seelsorge. Menges kristallisierte aus den entsprechenden Erkenntnissen die Frage heraus: „Sind wir in der Lage, den Priestern und Katholiken in der Diaspora moralische und

219 220

MENGES, Die Vertreibung und ihre sozialen Auswirkungen, S. 86. MENGES, Die Vertreibung und ihre sozialen Auswirkungen, S. 104.

504

Abschnitt V

materielle Hilfe zu geben, ihre schwere Position zu erleichtern und die seelsorgerlichen Nöte zu mindern?“221 Die Erkenntnisse waren offensichtlich nicht spektakulär. Es stellt sich die Frage, ob es dazu eines eigenen Institutes und einer eigenen Forschungsstelle bedurfte. Die Konsequenz aus der Diagnose war: Für die weite Zerstreuung der Katholiken sei eine ausreichende, pfarrgemeindliche Seelsorge nicht möglich. Daher wurde eine außerordentliche, den besonderen Verhältnissen angepasste Seelsorge empfohlen, die die normale pfarrgemeindliche Seelsorge ergänzte. Man sollte Stützpunkte an geeigneten Orten einrichten, von denen aus Ordensgeistliche den überlasteten Diasporapriestern zu Hilfe kommen. Dieser Gedanke habe, so Menges in seinen Ausführungen weiter, bei einer Reihe deutscher und ausländischer Orden und auch bei Bischöfen guten Anklang gefunden. In der Folge untersuchte man, wo die Stützpunkte am besten lokalisiert werden sollten. In Schleswig-Holstein seien die Untersuchungen am weitesten vorangeschritten und die Ergebnisse würden in Kürze den kirchlichen Behörden vorgelegt. Auch für Niedersachsen liefen die Untersuchungen für einen entsprechenden Plan. „Neben diesen Arbeiten für das Stützpunkteprogramm wurde sehr umfangreiches Material über die Mischehe zusammengetragen, das ebenfalls in nächster Zeit ausgewertet wird. Weiters arbeitet das KISIF an Karten, die für die seelsorgerliche Planung von grundlegender Bedeutung sind. Daran sind besonders die Missionsorden interessiert. Schließlich will sich das KISIF auch mit den Anliegen der Pfarrsoziographie beschäftigen. Auf der Missionskonferenz in Frankfurt war sehr großes Interesse für diesen Forschungszweig und es wurde der Wunsch ausgesprochen, mit der einen oder anderen Studie zur Entwicklung der Pfarrsoziographie beizutragen.“222 Das Institut führte im Laufe der Jahre eine Reihe von Studien durch, nicht zuletzt zur Situation in den Diasporagemeinden, die teilweise im Druck erschienen sind, teilweise auch nur im Vervielfältigungsverfahren vorliegen. 1962 organisierte das Institut den VII. Kongress der Internationalen Konferenz für Religionssoziologie. An der Konferenz zum Thema ‚Zugehörigkeit zur Kirche – psychologische und soziologische Aspekte’ nahmen über 200 Religionssoziologen aus aller Welt teil. Getragen wurde das Institut mit seiner Arbeit durch einen Verein, dessen 1. Vorsitzender Weihbischof Kindermann war. Die Finanzierung erfolgte zunächst durch die Ostpriesterhilfe und die Einnahmen aus den durchgeführten Untersuchungen, später dann allein durch die Erlöse der Institutsarbeit und einen Zuschuss vom Haus der Begegnung. Das Institut hatte innerhalb der Königsteiner Anstalten eigene Räume gemietet, verfügte über eine Fachbibliothek und strebte auch immer wieder eine Fühlungnahme mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein an. So konnte der Direktor des Institutes auch Gastvorlesungen über verschiedene Fragen aus seinem Forschungsgebiet halten. Die Anliegen und Arbeiten des Institutes stießen durchaus

221 222

KZG-Bestand Janssen, 2676, S. 14. KZG-Bestand Janssen, 2676, S. 15.

Priesterausbildung

505

auf Interesse in kirchlichen Kreisen, allerdings war es schwierig, auch eine Finanzierung für diese Arbeit zu finden.223

Abb. 3: Veröffentlichungen des Instituts für Soziologie/Sozialforschung, S. 1

223

Vgl. dazu die spärlichen Unterlagen bei der KZG, Archiv Königstein, Akten Bischofszimmer, 1/193.

506

Abschnitt V

Abb. 4: Veröffentlichungen des Instituts für Soziologie/Sozialforschung, S. 2

Priesterausbildung

507

12.4. Das Institutum Sinicum Das Institutum Sinicum wurde 1958 gegründet mit der Aufgabe, die chinesische Kultur der Gegenwart zu studieren: „… die Aufgabe, die geistige Entwicklung der chinesischen Bevölkerung zu studieren, die katholische Öffentlichkeit darüber zu unterrichten und auf geistiger Ebene Wege für eine christliche Zukunft Chinas zu bereiten.“224 Leiter des Institutes war seit 1962 Dr. Johannes Wangwen, der an der Hochschule regelmäßig Gastvorlesungen hielt.225. Für das Institutum Sinicum schrieb Kindermann zum fünfjährigen Bestehen in den „Mitteilungen“ der Februar Nummer 1963, S. 26f. einen Artikel, in dem er vor allem Dr. Taddäus Hang dankte, einem Priester, der in Rom und Mailand studiert und danach die Arbeit im Institutum Sinicum in Königstein übernommen hatte. Hang habe sich vielfältig eingesetzt in den Hauptaufgaben des Instituts, der Dokumentation der religiös-kulturellen Entwicklung Chinas, der Mitarbeit am ‚Expulsus’, später ‚Digest des Ostens’, der Belieferung der Presse und Zeitschriften des In- und Auslandes mit einschlägigen Artikeln. Er habe in vielen Vorträgen über die religiöse Lage in China informiert, zahlreiche Broschüren und Bücher herausgegeben und nicht zuletzt Kontakt gehalten zu chinesischen Studenten. Thaddäus Hang gab in einem Aufsatz zu Beginn der 1960er Jahre einen umfangreichen Überblick über die Situation der Christen und der katholischen Kirche in China – in Rotchina und Formosa226. Er bot zahlreiche und umfangreiche statistische Angaben und skizzierte die Entwicklungen der vorangegangenen Jahrzehnte. Hang bezeichnete die missionarische Situation der Kirche sehr optimistisch als aussichtsreicher als in der Vergangenheit; die Kirche sei missionarischer geworden. Auch für die Situation in Rotchina dürfe man das Vertrauen auf die Zukunft nicht verlieren. Vorrangige Aufgabe müsse sein – wenn auch zunächst in leinen Schritten – das Christentum in die chinesische Kultur einzubringen. Kompatibilitäten entdeckte Hang in manchen Idealen der konfuzianischen Kultur – etwa die ganze Welt als Aufgabe zu sehen und das Streben nach einer harmonischen Gemeinschaft aller Völker. Im Sommer 1962 ging Dr. Hang nach Formosa. Er hatte eine Professur an der Universität in Tainan übernommen, zuvor gab er noch im Pustet-Verlag in München das Buch „Die Katholische Kirche im chinesischen Raum“ heraus, das 1963 erschien.

224 225 226

KINDERMANN, in: Die Königsteiner Anstalten 1964, Sonderheft der Königsteiner Rufe, S. 11. Chronik der Hochschule, S. 125. Thaddäus HANG, Hat das Christentum in China noch eine Chance? In: Priester und Mission 1961/62. Sonderdruck 64 Seiten.

508

Abschnitt V

12.5. Das Institutum Slavicum Das Institut sollte, so Kindermann in seinem Überblick 1964, sich mit den Ereignissen Kirche und Kommunismus in der Tschechoslowakei beschäftigen. Begründet wurde die spezifische Zielsetzung damit, dass in der ČSSR die Christenverfolgung nach China und der Sowjetunion die härtesten Formen angenommen habe und das Land am weitesten in den Westen hineinrage. Das Institut sollte die jeweils neueste Entwicklung registrieren, sich der Zeitgeschichte widmen und die Weltöffentlichkeit über die neuesten Entwicklungen informieren. Dieses Institut blieb eines jener Königsteiner Institute, die nur auf dem Papier bestanden. Es gab einen Briefkopf, wohl aber nie einen Leiter. Das Slavicum hat nie seine Tätigkeit aufgenommen.227

12.6. Die Ostakademie Ein eigenständiger Verein, der nicht im engeren Sinn zu den Königsteiner Anstalten für die Vertriebenenseelsorge gerechnet werden konnte, wurde im zunehmenden Kalten Krieg mit dem Vorrücken des Kommunismus gegründet. Dort ist die Tätigkeit der Ostakademie zu verorten. Sie wurde 1956 errichtet. Auch hier wurde ein Trägerverein geschaffen, in den das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die Königsteiner Anstalten, das Jugendhaus Düsseldorf und die Arbeitsgemeinschaft KatholischSozialer Bildungswerke je zwei bzw. drei Vertreter entsandten. Finanziell getragen wurde die Arbeit vor allem durch die Zuschüsse des Bundesjugendplanes, also aus dem Ministerium für Familien- und Jugendfragen.228 Eine Zweigstelle wurde in Pullach bei München errichtet: die Landesstelle Bayern. Sie veranstaltete Kurse für den bayerischen Bereich in den verschiedenen Tagungshäusern der bayerischen Diözesen. Die bayerische Landesstelle wurde durch den Jesuiten Prof. Dr. Falk, geleitet, die Hauptstelle in Königstein von Akademiedirektor Dr. theol. Paul Hadrossek.

227

228

Weder bei der KZG Bonn, Bestand Königstein, noch im Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien, Haus Königstein in Nidda fanden sich Unterlagen zum Institutum Slavicum. Diözesanarchiv Limburg, 16A/5. „Das Vorrücken des Kommunismus nach dem 2. Weltkrieg machte mehr denn je einerseits die Gefahren, die der Menschheit vom Osten her drohen und andererseits die Notwendigkeit einer systematischen Aufklärungs- und Abwehrarbeit und diese insbesondere unter den Jugendlichen sichtbar. So entschloss man sich, auch im katholischen Raum ein Institut mit dem Ziel der geistigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus zu schaffen.“ (Aus einem Rückblick bzw. Arbeitsbericht auf die ersten sieben Jahre der Existenz der Ostakademie im Dezember 1962. Das Schriftstück umfasst 3 S., masch.).

Priesterausbildung

509

Der zentrale Gründungsanlass für die Ostakademie ist in der Mittelvergabe des Bundesministerium des Innern zu sehen; hier gab es einen Förderschwerpunkt zur Auseinandersetzung mit dem dialektischen Materialismus im VII. Bundesjugendplan. Die Neuerung sah vor, dass die Mittel künftig auf bestimmte einzelne Schulungsstätten konzentriert wurden. Unter dieser Vorgabe einigten sich der Sozialreferent des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Dr. Paulus229, der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Sozialer Bildungswerke, Domvikar Stein, auf das Haus der Begegnung in Königstein für die entsprechenden Kurse im katholischen Raum. Kindermann erklärte sich mit dieser Beauftragung einverstanden und war bereit, die Schulungsarbeit im Rahmen der für diese Mittelvergabe geltenden Richtlinien zu leisten. Ein Kuratorium wurde dafür bestellt, dessen Mitglieder Dr. Paulus, Bad Godesberg, Domvikar Stein aus Limburg, Kindermann und der Bundespräsens Dobler aus Düsseldorf waren. Als Wissenschaftlichen Leiter schlug Kindermann Paul Hadrossek vor. Die Schulungskurse sollten unter dem Titel „Ostakademie Königstein“ laufen.230 In Wochenkursen und Wochenendtagungen sollte in den dialektischen Materialismus eingeführt und seine Widerlegung vorgeführt, d.h. auch die entsprechenden Thematiken des christlichen Welt- und Menschenbildes behandelt werden. Im Rahmen der Ostakademie wurden auch Tagungen zum ‚Heimatrecht‘ durchgeführt; in diesem Kontext wurden vier Bände publiziert. Zielgruppen der Veranstaltungen waren in erster Linie Jugendliche zwischen 17 und 25 Jahren, möglichst aus allen Bildungsschichten, und dann Erzieher, die sich auf in der Regel einwöchigen Lehrgängen mit dem Marxismus und Kommunismus auseinandersetzten. Es wurden auch längere zwei- bis dreiwöchige Lehrgänge durchgeführt. Dafür wurden Dozenten, Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen, auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, aus dem In- und Ausland eingeladen. Das Angebotsspektrum war sehr breit.231

229 230 231

Dr. Josef Paulus (1908 – 1985); vgl. Handbuch des Bistums Trier 22 (1991), S. 614. Vgl. einen Brief des Kuratoriums an Bischof Kempf in Limburg vom 21. August 1956 in Diözesanarchiv Limburg 16A/3, 2 S. masch. „Die Thematik der Akademie, die über das für jeden Hörer notwendige hinaus, möglichst noch an das Berufsinteresse anknüpft, ist entsprechend dem totalitären Angriff des Kommunismus notwendig sehr umfangreich. Einige konkrete Themen mögen das illustrieren: Die beiden Wege – der östliche und der westliche – zum Kommunismus Hegel und Marx. Grundzüge der Sozialgeschichte Russlands im 19. Jahrhundert bis zur großen Oktoberrevolution. Russische Sozialphilosophen des 19. Jahrhunderts. Das Lehrsystem des dialektischen Materialismus. Zur philosophischen Widerlegung des Diamatt. Der homo sovieticus. Soziologie des Kommunismus. Kirche und Kommunismus. Die geistige Entwicklung Russlands seit Stalins Tod. Kommunismus und die Religionen Asiens. Leben und Werk des russischen Erziehers Makarenko. Sowjetpädagogik. Bildungswettlauf und Bildungsansporn zwischen Ost und West. Die sogenannte Moral des Kommunismus. Völkerrecht und Völkergemeinschaft im kommunistischen Rechtssystem. Sozialordnung in Ost und West. Russlands Aufstieg im Zeichen westlicher Orientierung. Die rote Escha-

510

Abschnitt V

In den ersten sieben Jahren hatte die Ostakademie ungefähr 300 Kurse durchgeführt, die von etwa 20.000 Hörern besucht worden waren. Die Teilnehmer an diesen Tagungen kamen keineswegs nur aus dem katholischen Bereich, sondern auch aus dem evangelischen. Auch internationale Studententagungen wurden durchgeführt. Die Ostakademie hatte sich in ihren späteren Jahren in den Augen Grulichs verselbständigt; das rechnete er vor allem Dingen Prof. Kroker negativ an. Sie habe sich von den Vertriebenen und deren Themen distanziert. Im Jahr 2001 wurde sie aufgelöst.

12.7. Das Katholische Institut für Ostkunde Das Katholische Institut für Ostkunde, das 1978 quasi als Ersatz für die Philosophisch-Theologische Hochschule Königsteins nach der Einstellung von deren Lehrbetrieb als Bildungs- und Forschungsinstitut installiert wurde, sollte die Kontakte mit den Katholiken des Ostens, auch mit denen nicht-deutscher Volkszugehörigkeit aufrecht erhalten, die Verbindung mit den Christen im Osten pflegen und vertiefen. Dieses Ziel erwies sich immer stärker nicht nur als Anliegen der Heimatvertriebenen, sondern der ganzen Kirche Deutschlands. So wollte man die Rolle Königsteins in der Gesamtkirche plausibel machen und aus dem spezifischen Charakter, aus der Nische der Vertriebenenseelsorge herauskommen.232 Das Katholische Institut für Ostkunde hatte sechs Abteilungen: die Baltische, Böhmische, Chinesische, Slawische, Südosteuropäische und Polnische. Es wollte durch die Pflege von Forschung und Lehre und der Begegnung mit Vertretern östlicher Nachbarländer Verständnis für die Kirche des Ostens und für die Menschen in den Ländern des Ostblocks mit ihrer spezifischen existentiellen Situation im gesellschaft-

232

tologie. Der Kirchenkampf in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. (KZG Bonn, Archiv Königstein, Akten Bischofszimmer, 1/193, S. 2). Kroker hatte viele hoch fliegende Pläne entwickelt, ohne auf die personalen und vor allem finanziellen Möglichkeiten, resp. Engpässe in Königstein Rücksicht zu nehmen. So musste vieles von den Vorhaben ein Plan auf dem Papier bleiben. Was er verwirklichen konnte, war das Königsteiner Forum, das er mit Bruno Dechamps, dem Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ins Leben rief, um den Königsteiner Instituten über den engeren Kreis hinaus im öffentlichen Leben der Stadt und der Region Beachtung zu verschaffen. Das Königsteiner Forum greift bis heute gesellschaftlich aktuelle Themen auf und beleuchtet sie aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven. Von 1981 bis 1994 wurden folgende Themen aufgegriffen: Deutschland auf dem Weg zu einer multikulturellen Gesellschaft / Information – eine dritte Wirklichkeitsart neben Materie und Geist / Die Deutschen auf der Suche nach ihrer neuen Identität? / Fortschritt – ein Gebot der Humanität? / Europa – ein Weg zum Frieden? / Wertewandel und Lebenssinn / Technik und Bildung / Arbeit – Umwelt – Arbeitslosigkeit / Beiträge zu Fragen der Umwelt und Mitwelt / Gesundheit, des Menschen höchstes Gut? / Ökologie und Ökonomie im Widerstreit / Beiträge zum Problem des Friedens und seiner Sicherung / Ehe und Familie / Anspruchsgesellschaft am Ende? / Kernenergie und Humanität. Dazu erschien jeweils auch eine Publikation.

Priesterausbildung

511

lich-politischen Bereich wecken. Forschung und Studium sollten sich auf die Geschichte einschließlich der Zeitgeschichte Osteuropas, Ostmitteleuropas und Südosteuropas erstrecken, auch auf die Geschichte des Kulturgutes der Heimatvertriebenen und Ausgesiedelten. Schließlich wollte man verschiedenen Strömungen des Marxismus, insbesondere dem Eurokommunismus besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Forschung sollte ihren Niederschlag in Publikationen finden, vornehmlich in den Zeitschriften „Königsteiner Studien“, in den „Acta Baltica“ und in diversen einschlägigen Monographien. Erschienen ist davon so gut wie nichts. Die „Königsteiner Studien“ wurden eingestellt, die „Acta Baltica“ gab es lange vor dem Institut für Ostkunde. Diese weit gespannte Konzeption war dann auch die Angriffsfläche für die Anfragen von Josef Rabas, der die von Kroker eingeschlagene Linie vollständig ablehnte. Rabas unterstrich, dass man ein deutlich profiliertes Konzept erarbeiten müsse, und dass Königstein abstoßen müsse, was nicht eigentliche Aufgabe von Königstein sei. Man solle sich angesichts der Finanzlage auf die besondere begrenzte, aber intensiv aufgenommene Spezialaufgabe besinnen. Als eine zentrale spezifische Aufgabe formulierte Rabas, ein Publikationsorgan zu schaffen, mit dem Königstein sich intensiver mit den Vorgängen in der Kirche jenseits des Eisernen Vorhanges beschäftigte – nicht zuletzt auch mit den zunehmenden Angriffen auf Papst und Kirche. Seine konkret formulierte Frage war, ob sich nicht die „Königsteiner Studien“ dazu als Quartalsschrift nutzen ließen, wenn sie gut ausgebaut wären. Für die Bischof-Neumann-Schule vertrat Rabas die Position, dass sie von den hessischen Diözesen in Trägerschaft übernommen werden solle und als eine pädagogisch und didaktisch moderne Schule geführt werden müsse, der freilich die christliche Grundausrichtung ein ernstes Anliegen bleiben müsse.233 1980 wurde ein gemeinsames Forum des Instituts für Ostkunde und der Stadt Königstein etabliert, bei dem die Stadt offensichtlich hauptsächlich die Kosten getragen und das Institut die Arbeit übernommen hat. Hier stand wohl Kroker im Hintergrund, der der Meinung war, dass ein solches Forum den Königsteiner Anstalten eine Öffentlichkeitswirkung, ein gewisses Prestige bringen könne und somit durchaus auch zur Zielsetzung der Königsteiner Anstalten gezählt werden könne.234 In der Vorstandssitzung am 13. März 1985 wurde erwogen, Dr. Grulich von seiner Arbeit bei der Ostpriesterhilfe für das Institut für Ostkunde zu übernehmen. Vor allem Weihbischof Pieschl unterstützte diesen Plan, versprach er sich doch von dem ausgewiesenen Kenner in der Ostarbeit eine qualitative Verbesserung der Arbeit dieses Institutes und neue Impulse für Königstein überhaupt. Freilich war es zum damaligen Zeitpunkt schwierig zu entscheiden, einen derartig qualifizierten Mitarbeiter einstellen zu können. Zwar waren die Stellen der Leiter der Sektionen Ostkunde und Balticum des Instituts im Stellenplan ausgewiesen, aber im Haushalt 1985 waren dafür keine Mittel bereitgestellt. Grulich stellte aber in Aussicht, dass für 1985 sein Gehalt 233 234

Rabas am 20. März 1981 vermutlich an Weihbischof Pieschl, Diözesanarchiv Limburg, 16A/4. Protokoll der Mitgliederversammlung vom 19. Mai 1981, Diözesanarchiv Limburg, 16A/4. Das Protokoll umfasst 12 S. masch., hier S. 6.

512

Abschnitt V

durch die Ostpriesterhilfe weiter bezahlt werden könnte.235 Außerdem sollten die deutsch-polnische Bischofskommission, der Vorsitzende der Sachkommission 10, also des Referates Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz für die Personalangelegenheit gewonnen werden. Man wollte ihnen in Aussicht stellen, das Königsteiner Institut für Ostkunde wieder gut zu besetzen und seine Dienste auch für die Ostarbeit der Bischöfe zur Verfügung zu stellen. Beschlossen wurde die Einstellung von Dr. Grulich zum Wissenschaftlichen Mitarbeiter im Institut für Ostkunde in der Vorstandssitzung vom 11. April 1985. Sein Tätigkeitsfeld sollte umfassen: die Vorbereitung und Durchführung des Kongresses ‚Kirche in Not’, die Erstellung der Chronik „40 Jahre Königstein“, die Redaktion der „Königsteiner Studien“ als Quartalsschrift, die Mitarbeit im Institutum Balticum und Bohemicum, Öffentlichkeitsarbeit, die Beschäftigung mit den Strömungen des Marxismus-Leninismus, die Ostdeutsche Kirchengeschichte und die Durchführung von Tagungen. Ein dermaßen weit gespanntes Tätigkeitsfeld, im Grunde die Summe der zentralen Tätigkeiten aller immer wieder genannten Institute in Königstein, war letztlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Hier fehlte, was Rabas beim Institut für Ostkunde und beim Konzept Kroker wiederholt angemahnt hatte, die Konzentration auf das Wesentliche und Leistbare. Man wollte mit möglichst wenig Personal alles erreichen und erreichte damit die Verzettelung.236 Die Arbeit des Katholischen Institutes für Ostkunde wurde auch 1987 allein von Prof. Kroker geleitet. Er bedauerte, dass es aus finanziellen Gründen nicht möglich war, einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter anzustellen, um Themen der schlesischen Geschichte aufzuarbeiten, die bereits 1984 ins Auge gefasst worden waren. So waren auch die skizzierten Arbeitsschwerpunkte für die Sektion Ostkunde wie für die Sektion Chinakunde auf Kroker und seine Interessen zugeschnitten.237 235 236 237

Vgl. das Protokoll der Vorstandssitzung vom 13. März 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 1 auf S. 2. Vorstandssitzung Protokoll vom 11. April 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 3a, S. 2. Unter dem Aspekt Ostkunde: „Ich selbst widme mich zweimal im Jahr dem Beuthener Akademie-Kreis. Es sind da 60 bis 80 Lehrer, die sich zu einem losen Verein zusammengeschlossen haben und öfters im Jahre Studientagungen mit religiöser Besinnung abhalten. Ich biete regelmäßig einen ostkundlich ausgerichteten Vortrag mit anschließender Diskussion an und eine Besinnungsstunde mit einer Eucharistiefeier. Im letzten Jahr behandelte ich die Themen „Die Problematik der Gewissensentscheidung und New Age-Bewegung im Licht der christlichen Weltanschauung.““ Für die Sektion Chinakunde, also das Institutum Sinicum, formulierte er als Ergebnis: „Als Leiter des Chinesischen Institutes gehöre ich auch einem ökumenischen und einem katholischen Chinaarbeitskreis an. Beide haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung des Christentums in der Volksrepublik China zu beobachten, publizistisch auszuwerten, Kontakte mit den Vorstehern der einzelnen christlichen Gemeinden dort aufzunehmen und finanziell Hilfestellung zu leisten. Im Interesse dieser Arbeitsgremien bereite ich eine Informationsreise in den Fernen Osten vor. Im Zusammenhang mit der Sektion Chinakunde steht eine Veranstaltung in der Mainzer Universität mit dem Titel: „Einführung in die Chinesische Philosophie“. Sie erfährt ungewöhnlich starken Zuspruch. Eine Arbeit über die ideologische Grundlegung der gegenwärti-

Priesterausbildung

513

Das Institut für Öffentlichkeitsarbeit redigierte die Monatszeitschrift „Digest des Ostens“, bereitete Presseinformationen vor und war für Vorbereitung und Durchführung des Kongresses ‚Kirche in Not’ zuständig. Auch der Zuspruch zu den Wallfahrten nach Königstein, die immer wieder so stark als Tätigkeitsfeld in den Vordergrund gerückt wurden, hielt sich doch in überschaubaren Grenzen, wenn etwa die Annaberg-Wallfahrt von etwa 1.300 Personen besucht wurde und die Königsteiner Wallfahrt im September von etwa 400 Personen.

gen Innen- und Außenpolitik in China ist in Vorbereitung.“ (Diözesanarchiv Limburg, 16A/6, S. 8).

514

Abschnitt V

13. Die Sistierung – Würdigung Die Sistierung hatte eine längere Vorgeschichte. So hieß es in einem Gespräch des Hochschulkollegiums mit dem Limburger Bischof, Dr. Wilhelm Kempf, am 29. Januar 1974 bereits, dass der Bischof zwar die Hochschule nicht auflösen wolle. Er wies aber das AMK auf seine Verantwortung für die Hochschule, für die Zielsetzung und für die Finanzierung hin. Sie werde ihr Weiterbestehen nur dann rechtfertigen können, wenn sie Studenten gewinne. Gleichzeitig erinnerte Kempf an das Jahr 1956 und bezeichnete es als einen Kairos, die Tätigkeit der Hochschule einzustellen. Es wäre damals an der Zeit gewesen, ja eine Forderung der Zeit gewesen, diesen Schritt zu tun.238 Ebenso wurde die Existenz und Fortführung der „Königsteiner Studien“ immer wieder in Frage gestellt, weil sowohl die finanzielle Anspannung zu spüren war wie auch der Mangel an Beiträgen. Das Thema stand auch auf der Tagesordnung der Besprechung vom 29. Januar 1974. Schroeter als Schriftleiter der „Königsteiner Studien“ warf dort die Frage auf, ob die Zeitschrift weitergeführt werden sollte. Diese Frage tauchte drei Jahre später modifiziert in der Besprechung vom 18. Januar 1977 auf, in der die Priesterwerke, sudetendeutsches, schlesisches und ermländisches, um die Finanzierung gebeten wurden, in der aber auch beschlossen wurde, im nächsten Heft der Studien anzukündigen, dass die Publikation in Zukunft nicht mehr regelmäßig erscheinen werde, sondern nur noch dann, wenn genügend Texte mit einschlägigen Themen aus der Feder von Lehrern an der Hochschule vorhanden seien und die Finanzierung gesichert werden könne. Bereits in einer Professorenbesprechung vom 7. November 1972, noch in Anwesenheit von Weihbischof Kindermann, war die prekäre Situation der Hochschule angeschnitten worden. Es gab damals noch 40 Studenten, davon 35 voll immatrikuliert. Von diesen 40 waren 14 Deutsche und 26 Ausländer. In der Situation, als andere Hochschulen in Fakultäten umgewandelt wurden oder mit entsprechenden staatlichen Einrichtungen kooperierten, waren Königstein und Fulda die einzigen kirchlichen Hochschulen, die noch ohne Zusammenschluss mit einer anderen Einrichtung ihren Lehrbetrieb aufrecht erhielten. Man sah in der Diskussion auch, wie hilflos man gegenüber den Entwicklungen der Studierendenzahlen war.239 238

239

Vgl. das Protokoll der Besprechung vom 29. Januar 1974, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3141, 3. S. masch., davon die dokumentieren die Seiten 1 und 2 die Besprechung des Hochschulkollegiums mit dem Bischof. Zur Übersicht des Rektors: „Danach verbleiben nach dem Sommersemester 73 im Ganzen fünf Deutsche, darunter eine Frau. Ein wissenschaftlicher Betrieb mit Seminarübungen wird daher immer schwieriger, wenn überhaupt noch möglich. Diese Aufstellung sieht ab von eventuellen Neuzugängen (in den letzten zwei Jahren hatten wir nur sechs Neuzugänge in die ersten Semester). Zur Beleuchtung der gegenwärtigen Situation der Hochschule muss sodann auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass neben der Hochschule Fulda unsere Königsteiner Hochschule

Priesterausbildung

515

Zur Frage nach der rechtzeitigen Schließung der Hochschule ist die Ansprache von Weihbischof Kampe bei der Feier des 25-jährigen Bestehens der PhilosophischTheologischen Hochschule am 29. Juni 1974 signifikant. Der Limburger Weihbischof unterstrich dort mit etwas Übertreibung und sicher mit der Intention, einen legitimierenden Wink zu geben, die Fähigkeiten Kindermanns, stets das Notwendige und das Mögliche zu erkennen und auch den richtigen Zeitpunkt für eine Maßnahme zu sehen. Er würdigte damit Kindermanns Weitblick, der in einer Zeit, da die meisten noch an Rückkehr in die Heimat dachten, vorausschauend auf das Zusammenleben von Heimatverbliebenen und Heimatvertriebenen hin arbeitete und die Vertriebenenseelsorger dafür in den Dienst stellte. Er würdigte den rechten Zeitpunkt des Kaufes der Königsteiner Anstalten, der Umgestaltung der Bischof-Neumann-Schule von einer reinen Internatsschule zu einem modernen Gymnasium. Er würdigte den rechten Zeitpunkt von Beginn und Ende der Kapellenwagenmission und fragte dann am Geburtstag der Hochschule, in welcher Form und mit welcher Aufgabe sie weitergeführt werden sollte und konnte. Kampe verwies im gleichen Atemzug auf die 120 Studenten, die 1949 immatrikuliert waren und die wenig mehr als 20 Studierenden 1974. Er würdigte, dass Heimatvertriebene jungen Männern aus den Staaten des Ostblocks, an denen die Deutschen nach dem letzten Krieg vieles gut zu machen haben, das Theologiestudium ermöglichten und wünschte für die bevorstehenden Entscheidungen über die Zukunft der Hochschule allen Verantwortlichen klare Erkenntnis und den rechten Entschluss.240

240

die einzige kirchliche Hochschule ohne Zusammenschluss mit einem anderen Hochschulverband ist (Eichstätt und Bamberg sind mit der dortigen PH zu einer Gesamthochschule erweitert worden – St. Georgen unternahm seinerseits Schritte in Wiesbaden).“ Zum Rückgang der Theologiestudenten sagte der Rektor, dass dies eine allgemeine Erscheinung sei und nicht ein Spezifikum oder Charakteristikum von Königstein. Abgesehen von den ständigen Werbungen durch Weihbischof Kindermann um Priesternachwuchs aus den Reihen der Vertriebenen blieben Bemühungen einzelner Professoren im Zusammenwirken mit den Studenten ohne Erfolg. „Angesichts dieser Situation werden Berufungen an unsere Hochschule immer schwieriger. Zu besetzen ist der Lehrstuhl für Neues Testament und in einem Jahr für Dogmatik.“ An diese Ausführungen des Rektors schloss sich eine längere Aussprache an. Weihbischof Kindermann: „Die Sorge um den Priesternachwuchs wird gesehen (handschriftlich ergänzte Prof. Janko als Rektor und Protokollant: Jeder aber von uns müsse sich im Gewissen fragen lassen, ob in dieser Hinsicht von uns genug getan worden sei.) Er fordert einen kleinen Arbeitskreis aus unseren Reihen, der Möglichkeiten aufzeige, wie Priesterkandidaten für Königstein gewonnen werden könnten. Herrn Weihbischof Kindermann bieten sich Prof. Braunstein und Pater Regens an. Pater Spiritual Menzel soll dbzgl. angesprochen werden. (Wiederum handschriftliche Ergänzung des Protokollanten: Auf den Gewissensappell des Herrn Weihbischofs an das Kollegium antwortet der Rektor, es könne nicht dessen Aufgabe sein, ex officio um Priesternachwuchs zu werben; übrigens wurden von einzelnen Herren in Zusammenwirkung mit Studenten (Prof. Reinelt) solche Versuche gestartet; sie blieben ohne Erfolg).“ KZG Bonn, Archiv Königstein, 3141, Professorenbesprechung vom 7. November 1972, Protokoll 2 S. masch. mit handschriftlichen Ergänzungen, Zitat S. 1f. Vgl. Dokument Nr. 26 im Anhang. „Während anfangs nur heimatvertriebene Deutsche hier studierten, sind heute junge Männer aus Staaten des Ostens, die mit Gutheißung ihrer kirchlichen Oberen hierher kamen, in der Überzahl. Es ist bekannt, dass die hohen Kosten der Hochschule schon immer fast ausschließlich

516

Abschnitt V

Der Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs und die Mitgliederversammlung fassten schließlich 1977 den Beschluss, den Lehrbetrieb an der Hochschule mit Ablauf des Wintersemesters 1977/78 einzustellen. Die Abwicklung war vor allem Aufgabe des Rektors. Er war am 6. Juni 1977 im Auftrag des Vorstands des AMK bei Bischof Schick241 in Fulda zu einer längeren Unterredung. Dabei erklärte der Fuldaer Bischof seine Bereitschaft, die Studenten an seine Hochschule und in sein Priesterseminar zu übernehmen. Er bot auch einigen Professoren eine Stelle an der Hochschule in Fulda an, u.a. auch Rektor Schäfer.242 Freilich wurde sowohl in der Hochschulkonferenz wie auch in den Gremien des AMK Stimmung gemacht gegen die Auflösung der Hochschule. Es wurden Stimmen vorgetragen, die die Schließung sehr bedauerten. Das Professorium unterstrich, dass es selbst nur mit großem Bedauern und mit Wehmut die Sistierung befürworte, aber angesichts der bekannten Situation der Hochschule könne man einen anderen Schritt nicht mehr begründen. Im letzten Semester, im Wintersemester 1977/78, wurden manche Fächer nur vertreten, so z.B. das Alte Testament, das weiterhin Prof. Janko im Schichtunterricht übernommen hatte. Die Vorlesungen in Liturgiewissenschaften entfielen, ebenso die für Moraltheologie, weil man den entsprechenden Lehrstuhl nicht mehr besetzen wollte und konnte. Trotz des nahen Endes aber wünschte man sich eine akademische Feier zum Festtag des Albertus Magnus. Prof. Rabas wurde gebeten, einen Vortrag über Bischof Neumann zu halten. Diese Feier sollte gleichzeitig eine Verbindung von der Hochschule zu den geplanten nachfolgenden Institutionen ermöglichen. Man wählte auch im Sommersemester 1977 nochmals den Rektor: Prof. Schäfer wurde wiedergewählt.243 Noch im Wintersemester 1976/77 war der Lehrstuhl für Moraltheologie ausgeschrieben gewesen. Beworben hatten sich Dr. Rudolf Hasenstab und Dr. Gerfried Hunold. Die stimmberechtigten Mitglieder des Professoriums beantragten die Ernennung von Hasenstab zum Dozenten für Moraltheologie. Hunold wurde an die zweite

241 242 243

durch die Spenden eines großen Förderkreises aufgebracht werden. Ich weiß, dass die Leitung der Königsteiner Anstalten ihre Freunde und Förderer stets umfassend über das Leben und die Ereignisse in Königstein unterrichtet. So darf ich annehmen, dass die Spender auch über die Lage der Hochschule informiert sind. Dass deutsche Heimatvertriebene durch ihre Spenden hier in Königstein jungen Männern das Studium der Theologie ermöglichen, die aus Ländern kommen, an denen wir aus der Zeit des letzten Krieges vieles gutzumachen haben, scheint mir ein Zeichen edelster christlicher Gesinnung zu sein. Wir alle, nicht zuletzt diese Förderer, erwarten, dass der hier in Königstein herangebildete Priesternachwuchs nach dem neuesten Stand der Wissenschaft unterrichtet und zur echten Frömmigkeit erzogen wird, damit er befähigt ist, später segensreiche Arbeit zu leisten. Sei es in der eigenen Heimat, sei es bei den Landsleuten in Deutschland, die hier für ihre Familien den Lebensunterhalt verdienen, sei es, um hier in Deutschland fehlende Seelsorger zu ersetzen.“ Ansprache Weihbischof Kampe am 29. Juni 1974, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, 4 S. masch., Zitat S. 3. Schick, Eduard, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 229-231. Vgl. das Protokoll der Hochschulkonferenz vom 28. Juni 1977, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3141. Mit sieben Stimmen, einer Enthaltung und zwei Stimmen, die auf Prorektor Braunstein fielen. Es gab also offensichtlich unterschiedliche Lager im Kollegium der Professoren.

Priesterausbildung

517

Stelle gesetzt. Ebenso gab es ein Verfahren für Besetzung des Lehrstuhls Alttestamentliche Exegese. Hier lagen drei Bewerbungen vor: Dr. Ludger Bange, Dr. Franz Josef Helfmeyer und Dr. Günther Krinetzki. In diesem Fall beantragten die stimmberechtigten Mitglieder die Ernennung von Krinetzki zum Professor für Alttestamentliche Exegese. An zweiter Stelle wurde Helfmeyer gesetzt.244 Noch im Sommer 1976 debattierte die Hochschulkonferenz über einen Entwurf ‚Neue Zugangswege zum priesterlichen Dienst’. Man machte sich also ganz konkrete Gedanken, wie man die Hochschule weiterführen könne, wo ein Bedarfsfeld offen sein könne, auf dem man Priesteramtskandidaten rekrutieren könne. Hier sah man vor allen Dingen die jungen Männer, die kein Abitur wollten, aber beabsichtigten, Theologie zu studieren. So hatte Prof. Schäfer einen Entwurf erarbeitet unter dem Thema „Neue Zugangswege zum priesterlichen Dienst“, der gezielt jungen Menschen ohne Abitur das Theologiestudium ermöglichen sollte. Gegen diesen Entwurf wandten sich im Königsteiner Professorenkollegium vor allem Prof. Wenzel und Prof. Huber, die befürchteten, dass das Niveau einer Hochschule künftig nicht gehalten werden könne, wenn junge Menschen ohne Abitur zum Theologiestudium zugelassen würden. Vor allem wiesen sie darauf hin, dass die altsprachlichen Kenntnisse, die Kenntnisse der biblischen Sprache nicht allein mit Einführungskursen in die Strukturen der biblischen Sprachen, wie es der Entwurf formulierte, erlernt werden könnten. Das war nach den Einschätzungen von Prof. Wenzel entschieden zu wenig. Der Kompromiss sah folgendermaßen aus: An die Stelle von ‚Einführungskurse in die Strukturen der biblischen Sprachen’ wurde die Formulierung gesetzt: ‚Einführungskurse in die biblischen Sprachen’. Bei diesem Verständnis des Entwurfes, so das Protokoll, fand das Papier schließlich allgemeine Billigung.245 In seiner Stellungnahme, abgegeben im Auflösungsprozess der Universität, unterstrich Huber nüchtern, dass die Hochschule in Königstein als Lehranstalt überflüssig geworden sei, da ihr spezielles Lehrangebot, also das ostspezifische Angebot, nicht erwidert worden sei. Huber hielt allein Forschungsinstitute für weiterhin berechtigt. Die künstliche Herbeischaffung von ausländischen Hörern, ohne Rücksicht auf deren intellektuelle Eignung konnte in seinen Augen keine dauerhafte Lösung sein. Huber ging davon aus, dass nur überdurchschnittlich Begabte ins Auslandsstudium gehen sollten und eine allzu nachsichtige Zulassung von einheimischen Bewerbern, also Studenten auch ohne Abitur, würde das Niveau der Königsteiner Hochschule stark absenken. Huber sah bei der Mehrzahl der Hörer kein nennenswertes wissenschaftliches Interesse. Das Niveau werde noch weiter sinken, wenn die Hochschule für den zweiten und dritten Bildungsweg geöffnet wird. Huber bezeichnete dies als eine entmutigende Perspektive.246 Öffentlich freilich wollte er diese Stellungnahme nicht vertreten, nicht zuletzt aus Rücksicht auf die akademische Existenz des einen oder anderen seiner Kollegen, die mit der Hochschule Königstein stand und fiel. Er übte 244 245 246

Vgl. Protokoll der Professorenbesprechung vom 18.1.1977, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3141. Vgl. Protokoll der Hochschulkonferenz vom 1. Juli 1976, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3141. Stellungnahme Hubers, 1 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166.

518

Abschnitt V

nach außen hin Stimmenthaltung, markierte aber ganz klar seine Position für eine Auflösung der Hochschule. Huber gab allein zu bedenken, was offensichtlich Prof. Josef Scharbert247 von der Münchner Universität in die Diskussion gebracht hatte, dass die Hochschule gegebenenfalls zu halten sei als Auffang für den Fall, dass liberale, staatliche Kulturpolitik die theologischen Fakultäten aus den Universitäten hinausdrängen würde. Wie schwer den Professoren die Entscheidung fiel, den Lehrbetrieb der Hochschule zu sistieren, zeigt nicht zuletzt ein Votum mit dem Titel „Angebot“ an die Diözesen der Bundesrepublik Deutschland.248 Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte Königsteins sollte das Verständnis wecken für die Sondersituation und den Sonderweg, den man gesucht hatte. Das Schreiben konzedierte, dass bei den Kindern der Vertriebenen das Interesse an der Heimat ihrer Eltern zwar erwache, sie selber sich aber inzwischen in Westdeutschland eingelebt hätten. Die Folge: die Theologen studierten in den Seminaren der Diözesen, denen sie angehören. Daraus resultierte die geringe Zahl von noch 22 Studenten im Wintersemester 1976/77. Das Votum unterstrich, dass die Professoren die Tatsachen sahen und erkannten, dass ein Weiterführen der Hochschule unter den gegebenen Bedingungen nicht sinnvoll war. Dennoch wollten sie nochmals einige Möglichkeiten aufzeigen und unterstreichen, dass das Studium der Philosophisch-Theologischen Hochschule von den anderen Hochschulen und Fakultäten und den Diözesen in Deutschland voll anerkannt sei, dass die Studienordnung aktuell, weil am Jaegerplan orientiert, sei. Dass die Hochschule und die an ihr abgelegten Examina von der Regierung des Landes Hessen anerkannt würden, dass die Hochschule in Königstein ihren Studierenden Sondervorlesungen über die Geschichte der Kirche im Osten, zur Ostkirchenkunde, zur orthodoxen Theologie und zu den marxistischen Ideologien in Ost und West anbiete. Dass Ordensobere, Bischöfe und Studenten aus Jugoslawien dankbar seien für die Studienmöglichkeiten, die ihnen in Königstein geboten würden und dass in Königstein junge Männer Theologie studiert hatten, die ihr Studium noch ohne Abitur antraten, also das sogenannte Begabtenabitur mit Hilfe der Hochschule ablegten und nicht zuletzt, dass die Heimatvertriebenen – sprich die Spenderinnen und Spender in Hochschule und Priesterseminar – letztlich das Herzstück der Königsteiner Anstalten sähen. Eine Auflösung von Hochschule und Priesterseminar müsste gerade diesen Kreisen eine herbe Enttäuschung bereiten. Auf diesem Hintergrund formulierten die Professoren folgendes Angebot: Hochschule und Priesterseminar sollten als private Anstalt gesehen und gehalten werden, die weder vom Staat noch von einer einzelnen Diözese getragen und deswegen offen für alle Diözesen und Ordensgemeinschaften wäre; dort könnten auch neue Ausbil-

247

248

Josef SCHARBERT,. Theologe, AT-Exeget, * 16. Juni 1919 in Grosse (Sudetenland / Tschechien), † im Mai 1998 in München. Der Sohn von Oskar und Maria Sch. besuchte seit 1925 die örtliche Volksschule, bevor er zum September 1930 an das Gymnasium in Freudenthal wechselte, wo er bis 1938 seine Schulzeit erlebte. Christoph SCHMITT, Scharbert, Josef, in: BBKL, Band 28 (2001), Sp. 1219-1226. 6. S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166.

Priesterausbildung

519

dungsgänge erprobt werden. Ein zweiter Vorzug wurde darin gesehen, dass NichtAbiturienten das Studium der Theologie beginnen und im Verlauf des Studiums die Zulassung zum Hochschulstudium erlangen könnten. Schließlich könnten in Königstein Theologiestudenten anderer Hochschulen einige Semester Spezialstudien zu den Fragen der Kirche im Osten und zum Marxismus absolvieren. „Dieses Angebot können Priesterseminar und Hochschule nur aufrechterhalten, wenn die Bischofskonferenz der vorgelegten Konzeption zustimmt, die Anstalten finanziell unterstützt und wenn Diözesen Studenten nach Königstein schicken. Gleichzeitig wäre dann das Verhältnis von Priesterseminar und Hochschule zur Deutschen Bischofskonferenz zu überprüfen.“249 Die größte Hoffnung setzte man auf den Studiengang derer, die ohne Abitur ihr Studium beginnen sollten – und zwar mit einem Grundkurs in Philosophie, Kirchengeschichte und den biblischen Einleitungswissenschaften. Gleichzeitig sollten sie sich auf die Prüfung zur Zulassung zum Hochschulstudium ohne Reifezeugnis vorbereiten. Der Gedanke war, dass auch die Bischof-Neumann-Schule, wo notwendig, im Einzelunterricht sekundierend eintreten könnte. Wenn sie dann nach etwa zwei Jahren die Prüfung zur Zulassung zum Hochschulstudium abgelegt hätten, könnten sie als ordentliche Studenten an der Hochschule eingeschrieben werden. Die davor bereits erbrachten Studienleistungen könnten anerkannt werden. Sie könnten demnach nach dem dritten Studienjahr bereits die Zwischenprüfung ablegen und in weiteren sechs Semestern nach dem üblichen Studienplan die restlichen Fächer der Theologie studieren. „Dieser Studiengang erspart den Spätberufenen den langen Anmarschweg über das Schulabitur mit berufsfremden Lernfächern. Andererseits ermöglicht die vorgesehene Studiendauer eine gediegene Ausbildung und eine persönliche Auseinandersetzung mit der neueren Theologie und der gegenwärtigen Glaubenssituation. Das Studium der Theologie bildet den ganzen Menschen und verlangt eine Reifung der Persönlichkeit. Daher darf die Studiendauer in der Theologie für Spätberufene nicht zu kurz angesetzt werden. Mit diesem Angebot ermöglicht die Hochschule ihren Studenten eine dem üblichen Studiengang gleichwertige Ausbildung.“250 Die Professoren verwiesen zur Begründung dieses Angebotes darauf, dass es in der Bundesrepublik Deutschland kein anderes Seminar gebe, das den Spätberufenen eine derartige Studienmöglichkeit biete, obwohl der Zweite Bildungsweg zum priesterlichen Dienst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen habe. Die Bereitschaft, den Beruf zu ändern, habe zugenommen. Deshalb müsse auch in Zukunft damit gerechnet werden, dass sich junge Männer erst in späteren Jahren für den priesterlichen Dienst entscheiden. Auch meinten die Professoren, dass es nach dem Ausbau der Gesamtschule noch eine Reihe von Schülern geben werde, die ihre Begabung erst in späteren Jahren entdecken und über den Zweiten Bildungsweg zum priesterlichen Dienst kommen wollen. Sie bezweifelten, dass ein Studiengang für die Spätberufenen an einer der üblichen Hochschulen angegliedert werden könne. So sahen sie die

249 250

Ebd., S. 3f. Ebd., S. 4f.

520

Abschnitt V

Chance für Königstein, wenn sie als Hochschule für Spätberufene weiterhin Studenten aus dem Osten aufnehmen und ausbilden könne – zusätzlich zu den Spätberufenen. So könne in Königstein ein lebendiger Austausch mit der Kirche des Ostens und deren Problemen auch für Theologiestudenten anderer Hochschulen möglich werden. Schließlich verwiesen sie auf die Österreichische Bischofskonferenz, die Schwaz als überdiözesanes Spätberufenenseminar bestätigt hatte, und hofften, dass auch die Deutsche Bischofskonferenz ein ähnliches Institut installieren könnte, was die Zukunft Königsteins sichern würde. Als dieses Angebot geschrieben und abgeschickt wurde, wusste man aber eigentlich, dass es aussichtslos war, weil die Aufgabe, Spätberufenen den Weg zum Priestertum zu ermöglichen, bereits anderweitig gelöst worden war. So kam der Brief vom Vertriebenenbischof Janssen an den Leiter des AMK Kruschina vom 13. März 1977 nicht unvorbereitet. Janssen berichtete dort über den Diskussionsstand im Verband der Diözesen in punkto Königstein.251 Janssen unterstrich, dass alle Bischöfe und Visitatoren grundsätzlich positiv zu Königstein standen und ihren Respekt vor der Leistung Königsteins zum Ausdruck brachten. Konsens sei, dass Königstein als Zentrum der Vertriebenenarbeit erhalten bleiben müsse. Janssen brachte es so auf den Begriff: „Niemand will Königstein „abwürgen“ oder „auflösen“.“252 Es war keine emotionale Entscheidung aus grundsätzlicher Ablehnung, sondern eine nüchterne Einschätzung der Situation, die zu dem Punkt führen musste, Hochschule und Seminar in Königstein könnten so nicht weiter durchgehalten werden. Die Hochschule hatte die ihr einst gestellte Aufgabe großartig erfüllt, aber man musste auch akzeptieren, dass die Aufgabe seit einigen Jahren abgeschlossen war. Eine gleichwertige Aufgabe, so fuhr Janssen fort, stehe nicht mehr an. Es sei wichtig, dass man für Studenten und Professoren eine Lösung finde, wie sie ihre Arbeit fortführen können. Es sei auch wichtig, so vorzugehen, dass die Schließung nicht nach einem Abbau der Vertriebenenarbeit aussehe. Es müssten neue Perspektiven entwickelt werden und ein neues Kernstück der Arbeit in Königstein bestimmt werden.253 Janssen riet, sich

251 252 253

Der Bischof von Hildesheim am 13. März 1977 an Prälat Kruschina, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, 4 S. masch. Ebd., S. 2. „Das ist auch meine Meinung, die auszusprechen ich Ihnen schuldig bin, nachdem ich jahrelang mit Ihnen gesucht habe nach einer vertretbaren Weiterführung der Hochschule. Es wird mir niemand unterstellen können, ich hätte nicht ernsthaft alles versucht, was möglich ist und würde etwas fördern, was Königstein zum Schaden wäre. Bei allem habe ich immer bedacht und vertreten: die Hochschule ist „das Herzstück von Königstein“. Wenn also die Hochschule abschließt, muss für Königstein ein anderes zum tragenden Mittelpunkt werden. Das müsste das Albertus-Magnus-Kolleg sein. Träger des Ganzen sollte es bleiben. Es wurde ausdrücklich gewünscht, das AMK sollte auch Träger der Johannes Neumann-Schule bleiben. Limburg möchte nicht Träger der Schule werden, um nicht den Anschein zu erwecken, das Bistum wolle irgendwen in Königstein übergehen. Die Frage der Weiterexistenz des Konviktes wurde unterschiedlich beurteilt. Während einige meinten, das Konvikt solle kein Kümmerdasein führen, meinten andere, wenn es durchtragbar sei, solle man es – bei guter Führung und Betreuung – langsam

Priesterausbildung

521

intern auf neue Perspektiven zu einigen und in guter Überlegung gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten, wie man in Königstein weitermachen könne. In allen dort bestehenden Werken solle auf eine Straffung und Neuordnung hingearbeitet werden. Schließlich gab er zu bedenken, dass die Sistierung des Hochschulbetriebes weniger ins Gewicht fallen werde, wenn von Königstein selbst ein vertretbares und realisierbares Konzept zur Weiterarbeit vorgelegt werden könne.254 Kruschina begründete seine Hoffnung auf eine mögliche Weiterführung des Lehrbetriebs an Hochschule und Priesterseminar in gewohnter Manier, nicht zuletzt mit einer Anfrage des Provinzials von Zagreb, der um die Aufnahme seines gesamten Theologennachwuchses – es handelte sich um 14 Theologen in unterschiedlichen Semestern – im Königsteiner Seminar gebeten hatte. Diese Studenten sollten im Herbst 1977 nach Königstein kommen.255 Wie selbstverständlich unterstrich Kruschina, dass von Seite Königsteins aus die Zusage gegeben werden konnte, nachdem die Sicherung der Stipendien gelungen war. Dass Kruschina seine Augen vor der tatsächlichen Entwicklung verschloss, zeigt die Selbstverständlichkeit, ja beinahe den Zweckoptimismus, mit der er die dringend notwendigen, aber aus finanziellen Gründen kaum möglichen Renovierungsmaßnahmen – von der Treppe zur Kollegskirche über Reparaturen in der Küche – und die Auseinandersetzungen mit dem Haus der Begegnung wegen anstehender Reparaturen vorbrachte.256

254

255 256

wieder lebensfähig machen in der Trägerschaft des AMK. Auch das „Haus der Begegnung“ solle unbedingt bestehen bleiben. Aber es sollte mehr zu einem kirchlichen Begegnungs- und Bildungszentrum werden unter der geistlichen Leitung eines Direktors und eines weiteren Priesters als Spiritual. Dabei steht für mich die Frage an, ob ein solches Haus mit mehr geistlichem Einschlag eine so große Fülle von Zimmern verkraften kann.“ (Der Bischof von Hildesheim am 13. März 1977 an Prälat Kruschina, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, 4 S. masch., S. 2f.) Janssen wollte auch, dass der Kongress „Kirche in Not“ weitergefördert werde und ein größeres Angebot von Exerzitien und Besinnungstagen, vor allem für den Bereich der Vertriebenen gemacht werden. Ebenso wollte er, dass das Königsteiner Schrifttum und die Ostakademie erhalten bleiben und in Zuordnung zum AMK ihre Arbeit weiter verrichten. Vor allem die Befindlichkeit Kruschinas scheint ihm vor Augen zu stehen, der offensichtlich unbelehrbar trotzig, ja auch depressiv, an einer Fortführung der Hochschule festhielt: „Lieber Herr Prälat! Ich kann mir denken, dass alle diese Überlegungen besonders für Sie schmerzlich sind. Das empfinde nicht nur ich, aber mir scheint, es ist Ihnen nicht damit gedient, dass wir die Augen verschließen vor Dingen, die auf uns zukommen und dass wir es vermeiden, das beim Namen zu nennen, was unvermeidlich gesagt werden muss. Ich denke dabei auch an Ihre Gesundheit, die nicht mehr so sehr belastbar ist. Darum auch möchte ich vermeiden, der Bischofskonferenz oder dem Verband der Diözesen Entscheidungen zuzuschieben, die viel besser von Königstein selbst getroffen werden sollten.“ (Der Bischof von Hildesheim am 13. März 1977 an Prälat Kruschina, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, 4 S. masch., S. 4). So im Protokoll der Vorstandssitzung vom 16. März 1977 in Königstein/Ts., Tagesordnungspunkt 3: Bericht über Hochschule und Seminar, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166. „Vom Haus der Begegnung wird verlangt, dass das Kolleg die Kosten für die Umbauten in den gemieteten Räumen in Höhe von 1,2 Mio. übernimmt. Der Leiter erklärt dazu, dass über diese Frage nur im Zusammenhang mit der Regelung der Mietkosten gesprochen werden kann. Voraussetzung für die evtl. Übernahme wäre eine kostendeckende Mietsumme. Vom Haus der Be-

522

Abschnitt V

Wie ernüchternd, aber eben auch realistisch nüchtern die Sitzung in Königstein ablief, berichtete Prof. Schäfer als Rektor der Hochschule in einem kurzen Schreiben an den Bischof von Hildesheim.257

13.1. Rückblick und Zusammenfassung Kurz vor der Sistierung der Hochschule mit Ablauf des Wintersemesters 1977/78 hielt der Rektor der Hochschule bei der Festakademie der Hochschule, am 15. November 1977 einen rückblickend berichtenden Vortrag, der in grober Skizzierung die wichtigsten Etappen der Entwicklung der Hochschule, ihre Intentionen und Ergebnisse nachzeichnete.258 Als Jüngstem unter den Professoren und als Nicht-Heimatvertriebenem kam Schäfer als Rektor die Aufgabe zu, die Hochschule abzuwickeln. Freilich verwies er ausdrücklich auf die Zustimmung auch seiner Kollegen. Schäfer unterstrich dabei, dass die Gründer einst sicherlich nicht an eine dreißigjährige Dauer dieser Hochschule gedacht hatten, die in der akuten Not Hilfe anbieten sollte, als über 9 Mio. Deutsche aus ihrer Heimat im Osten vertrieben waren und in den oft zerstörten Westen des Landes gekommen waren.259 „Es herrschte bittere Wohnungsnot, der Hunger begleitete die Leute. Unter den annähernd 5 Mio. katholischen Heimatvertriebenen befanden sich viele Schüler und Studenten, die den Priesterberuf anstrebten. Wohin sollten sie gehen, um ihre Studien fortzusetzen? Damals hofften ja die meisten noch, bald wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Die

257

258

259

gegnung wurde bisher eine Regelung der Mietfrage abgelehnt.“ (Der Bischof von Hildesheim am 13. März 1977 an Prälat Kruschina, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166, 4 S. masch., S. 3). „Sie haben sicher schon vom Ergebnis der Sitzung erfahren. Ich teile Ihnen bei aller gebotenen Vertraulichkeit meine Eindrücke mit. Ihr Brief war für uns alle eine Ernüchterung. So verlief die Sitzung sehr ruhig und sachlich. Nachdem Herr Prälat Homeyer auf meine Anfragen mitteilte, dass unser Angebot zu spät kommt und die meisten Diözesen bereits einen anderen Weg gehen war klar, dass wir nicht genügend deutsche Studenten erwarten können. Ohne förmliche Abstimmung oder Entscheidung stellten auch die Herren Prälaten des Vorstandes fest, dass unter diesen Umständen die Hochschule ihre Aufgabe erfüllt hat. Das Gespräch wandte sich dann sehr rasch den kommenden Aufgaben zu. Wir nahmen den Vorschlag von Herr Homeyer an. Zunächst soll mehr Klarheit über die Aufgabe und die Organisation von Königstein ohne Hochschule gewonnen werden.“ Schreiben Schäfers an Bischof Janssen am 19.3.1977, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166. Zur Phase der Sistierung der Hochschule vgl. auch die dreiseitige Chronik der PhilosophischTheologischen Hochschule Königstein vom 1.10.1976 bis 31.3.1978 vom damaligen Rektor, Prof. Dr. Schäfer, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166. Dort auch ausführliche Beilagen zu dieser Chronik, u.a. Stellungnahmen und Änderungsvorschläge unterschiedlicher Professoren. Jeweils am Fest des Hl. Albertus Magnus am 15. November wurde der Bericht über das vergangene Studienjahr, der sogenannte Hochschuljahresbericht, vom Rektor vorgelegt. Dort finden sich auch jeweils die Angaben über die aktuellen Entwicklungen im Lehrkörper. Der Bericht des Rektors bei der Festakademie der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein am 15. November 1977, d.h. der Rückblick im Angesicht der Sistierung findet sich auch in KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166.

Priesterausbildung

523

Konvikte und Seminare im Westen waren teils zerstört oder teils von Lazaretten belegt. Um die Heimkehrer aus Krieg und Gefangenschaft aufnehmen zu können, mussten die westdeutschen Diözesen erst ihre Seminare freibekommen und einrichten. Damals klagte ein Medizinstudent, der oft den Sonntag in meinem Elternhaus verbrachte und seinen hungrigen Magen etwas stillte, dass er in Tübingen Theologen Platz machen und aus dem Wilhelmstift ausziehen müsse.“260 Schäfer wies auf den entsagungsvollen, mühsamen, komplizierten Start hin, auf die Anfänge unter dem Dach der Hochschule von St. Georgen, auf den ersten Philosophischen Kurs für die Theologen aus den Ostgebieten, der ganz unter der Verantwortung des Rektors von St. Georgen stand, der bereits im Sommer 1947 in Königstein das erste Semester eröffnen konnte. Er erinnerte daran, dass bereits in der Startphase wichtige Funktionsträger nach Neuzelle an das Priesterseminar der Erzdiözese Breslau abgegeben werden mussten.261 Schäfer hob hervor, dass die unmittelbar nach dem Krieg herrschenden Zustände zur Gründung der Hochschule drängten, die schließlich am 28. April 1949 offiziell feierlich eröffnet wurde, wenn auch nach dem Gottesdienst die Verantwortlichen sich zu einer letzten Besprechung trafen, die länger dauerte als angenommen, denn Professoren und Studenten und Gäste mussten eineinhalb Stunden im Großen Hörsaal warten und bangen, ob denn die Gründung nun zustande komme oder nicht. Die Studenten von Königstein hätten in den anderen Seminaren nicht aufgenommen werden können. So kam er zu dem Ergebnis, dass die Hochschule in ihren ersten Jahren bitterste Not gewendet habe. Bis 1955 habe sie der Kirche in der Theologenausbildung einen Dienst erwiesen, der den westdeutschen und ostdeutschen Diözesen überaus hilfreich war. Unter dem Rektorat von Prof. Franz Scholz erhielt die Hochschule 1955/56 eine Grundordnung, die der Hochschule im Vergleich zu anderen Institutionen dieser Art ein hohes Maß von Selbstverwaltung und akademischer Frei-

260

261

KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194, der Bericht des Rektors bei der Festakademie der Philosophisch-Theologischen Hochschule Königstein (Taunus) am 15.11.1977, umfasst 7 S. masch., Zitat S. 1. Bereits im Frühjahr 1947 wurde im Unterhaus ein Konvikt eingerichtet, dessen erster Präfekt Dr. Anton Janko war. Schäfer verwies auch darauf, dass bereits seit den ersten Anfängen die Gefährdungen da waren: „Schon nach dem ersten Semester wurde den Herren in Königstein von der Bischofskonferenz mitgeteilt, der Philosophische Kurs müsse mit dem folgenden Wintersemester beendet werden. Eine Umfrage bei den Diözesen ergab, dass ihre Seminare die Studenten von Königstein nicht aufnehmen könnten. Im Dezember wurde eine Verlängerung des Kurses bis Herbst 1948 genehmigt. Im Frühjahr 1948 gehen Regens Ramatschi und Spiritual Puzik in die Ostzone. Sie übernehmen in Neuzelle die Leitung eines Seminars für das Pastoraljahr. Die Zurückbleibenden empfanden das Weggehen der beiden als einen schweren Verlust. Der Bischof von Limburg, Ferdinand Dirichs, erhält im Herbst 1948 den Auftrag, die heimatvertriebenen Seelsorger besser unter den Diözesen zu verteilen, aber es gelingt nicht, Priester in nennenswerter Zahl aus dem Süden in die Diaspora des Nordens zu ziehen. Da setzte sich Bischof Dirichs für den Ausbau Königsteins zum Vollseminar und eigenständigen Hochschule ein. Im November 1948 erreichte er die Zustimmung der Bischöfe. Am Jahresende verunglückte Bischof Dirichs tödlich.“ – KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194, der Bericht des Rektors bei der Festakademie, S. 2f.

524

Abschnitt V

heit gewährte. Scholz hatte bereits im Sommer 1952 auf die Notwendigkeit eines Statutes hingewiesen und Vorarbeiten dafür geleistet; Scholz hatte diesen Schritt als notwendig angesehen, damit die Hochschule zu mehr Unabhängigkeit und einer demokratischeren Leitungsstruktur gelangen könnte.262 Schäfer unterstrich, dass die Hochschule unter den Fakultäten der Universitäten in der Bundesrepublik hohe Anerkennung gefunden habe, ehrenvolle Rufe ergingen in dieser Frühphase an Mitglieder des Professorenkollegiums, Studenten der Hochschule stiegen zu akademischen und kirchlichen Würden auf. „Die Hochschule schien etabliert und konsolidiert, da erreichte sie 1956 die Nachricht, sie solle in etwa drei Jahren aufgehoben werden. Die Verantwortlichen in Königstein konnten bei den Bischöfen für die Gründe zur Weiterführung der Hochschule Gehör finden. Sie verwiesen auf eine immer noch bestehende Fremdheit zwischen den Heimatvertriebenen und den Westdeutschen.“263 Es sei nach wie vor wichtig gewesen, dass das Studium in Königstein die vorhandenen Beziehungen zur ehemaligen Heimat und ihrer Geschichte aufgenommen habe, dabei aber der Beheimatung im Westen nicht im Wege stehen wollte, vielmehr diese Eingliederung förderte. Schäfer bezeichnete die folgenden zehn Jahre von 1955 bis etwa 1967 als zehn ruhige Jahre in Königstein, dabei fiel in dieser Phase die Hörerzahl langsam von 100 auf 50. Das Seminar und die Hochschule hätten in dieser Zeit noch vielen Studenten geholfen, in einer neuen Heimat Wurzeln zu schlagen, ohne den Bezug zur alten Heimat abzuschneiden. Erst in den späten sechziger Jahren hätten die Vertriebenen soweit Heimat gefunden, dass bei der jungen Generation das Bedürfnis nach einem Studium an einer eigenen Hochschule geschwunden sei. „Die Aufgabe den heimatvertriebenen Theologen unter den sich wandelnden Umständen und Bedingungen einen Studienweg zu ermöglichen, sie für den Einsatz in der Kirche in Ost oder West zu bereiten und ihnen zur Verwurzelung in der Kirche zu helfen, war erfüllt.“264 Vielleicht wäre das auch der angemessene Zeitpunkt für die Auflösung der Hochschule gewesen, aber Kindermann hatte neuen Aufgabenbereich auftun können, nämlich die Studenten aus den kroatischen Provinzen der Franziskaner, von denen 42 in Königstein die Priesterweihe empfingen. 750 Studenten hatten in den 30 Jahren des Bestehens der Königsteiner Hochschule dort studiert, 417 von ihnen empfingen die Priesterweihe und verrichteten in verschiedenen Ländern ihren Seelsorgedienst.265 Schäfer gab schließlich noch einen Ausblick auf die künftigen Aufgaben: „Es bleibt die Verbindung mit der verfolgten Kirche in den sozialistischen Ländern des Ostens. Königstein will die ‚Kirche in Not’ nicht vergessen. Die Geschichte der deutschen Katholiken im Osten soll unserem Volk im Gedächtnis bleiben. Der Beitrag, den die Heimatvertriebenen im Aufbau der Kirche in der Bundesrepublik nach dem

262 263 264 265

Chronik der Hochschule, S. 49f. Ebd., S. 4. Ebd., S. 5. Ebd., S. 6.

Priesterausbildung

525

Krieg geleistet haben, soll erkundet und dargestellt werden. Königstein wird auch in den kommenden Jahren Begegnungsstätte der Heimatvertriebenen sein.“266 In der Sitzung der Hochschulkonferenz vom 31. Januar 1978 wurden die letzten Termine festgelegt: der mündlichen Prüfung, des Schlussgottesdienstes am 15. Februar um 17.30 Uhr und des anschließenden gemeinsamen Abendessens. An der Sitzung hatten alle Studentenvertreter und Professoren teilgenommen, außer – bezeichnender Weise? – Prof. Kruschina, der sich entschuldigt hatte. Die eineinhalbstündige Sitzung berichtete über die Situation der Studenten, über den künftigen Studienweg nach der Einstellung des Lehrbetriebs an der Königsteiner Hochschule. Eine längere Diskussion entstand über die Frage, wer in Zukunft den Schriftverkehr der sistierten Hochschule und des Seminars übernehmen solle. Man einigte sich schließlich auf folgende Eingabe an den Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs. Der Träger der Hochschule, das AMK, sollte gebeten wurde zu klären, wer in Zukunft den Schriftverkehr führen solle. Ebenso möge das AMK klären, wem die Akten und die Sachausstattung der Hochschule und des Priesterseminars zu übergeben seien. Man schob also nach längerer Diskussion das Problem einfach weiter.267

13.2. Genügte die Sistierung der Hochschule oder musste dieNeuordnung weiter gehen? a) Die Einschätzung der Situation durch den Vertriebenenbischof Dass 1977 ein Krisenjahr war, hatte der Vertriebenenbischof Janssen Kruschina bereits am 13. März in der Vorbereitung auf ein Gespräch zwischen dem Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Dr. Homeyer, und dem Vorstand des AlbertusMagnus-Kollegs am 16. März 1977 mitgeteilt. Janssen sprach dort auch die Stimmungslage bei den Visitatoren und Bischofskollegen bzgl. Königsteins an. Ausnahmslos alle waren positiv zu Königstein eingestellt. Es müsse als Zentrum der Vertriebenenarbeit erhalten bleiben. Alle vertraten gleichzeitig die Auffassung, dass etwas passieren müsse, vor allem dass Hochschule und Seminar so nicht weiter durchgehalten werden könnten.268 Freilich sollte das in der Form geschehen, dass von den Königsteinern selbst das Signal ausgehe: ‚Wir haben den uns gegebenen Auftrag erfüllt, die Aufgabe ist abgeschlossen. ‘ Wie sollte die Alternative aussehen? Das Albertus-Magnus-Kolleg sollte nach Janssens Vorstellung Träger des Ganzen bleiben, auch Träger der Bischof-NeumannSchule und wenn möglich bei guter Führung und Betreuung auch des Konviktes. Auch das sollte wiederbelebt und weitergeführt werden. Für das Haus der Begegnung wünschte er unbedingt den weiteren Bestand, freilich mit einer Akzentuierung als

266 267 268

Ebd., S. 6. KZG Bonn, Akten Königstein, 3141, Protokoll, eine halbe S. masch. vom 31. Januar 1978. Vgl. Schreiben Janssens an Kruschina vom 13. März 1977, 4 S. masch.

526

Abschnitt V

kirchlicher Begegnungs- und Bildungszentrum unter der geistlichen Leitung eines Direktors und eines weiteren Priesters als Spiritual. Gleichzeitig warf Janssen die Frage auf, ob ein Haus mit einem stärkeren geistlichen Akzent eine so große Fülle von Zimmern verkraften könne. Der Kongress ‚Kirche in Not’ sollte auch weiter gefördert werden, freilich eingebettet in eine Folge von thematisch ähnlich gelagerten Tagungen im Laufe des Jahres. Außerdem wünschte der Vertriebenenbischof ein höheres Angebot von Exerzitien und Besinnungstagen gerade auch für die Vertriebenen; auch die Altenbetreuung könnte in größerem Umfang religiöse Freizeiten anbieten. Schließlich sollten auch – dieses Argument deutet darauf hin, dass es nur um veränderte Akzente ging – das Königsteiner Schrifttum und die Ostakademie erhalten und dem Albertus-Magnus-Kolleg zugeordnet bleiben. Die Veränderungen, die der Plan vorsah, lagen also primär in der Sistierung der Hochschule, der Auflösung des Priesterseminars und in der Reduzierung und der Konzentrierung der Aufgaben des „Hauses der Begegnung“. Etwa einen Monat vorher, am 21. Februar 1977, hatte Janssen durchaus neben der Notwendigkeit, Hochschule und Seminar aufzulösen, noch auf die Auflösung des Konviktes gedrängt, das auch zahlenmäßig auf einen Minimalstand gesunken war und nur schwer aus eigenen Kosten getragen werden könne. Die Bischof-NeumannSchule sollte in die Trägerschaft des Bistums Limburg übergehen, was Janssen etwa einen Monat später im Schreiben an Kruschina ablehnte. Im Februar-Konzept Janssens269 stand die Aufwertung des „Hauses der Begegnung“. Es sollte zum Mittelpunkt der Königsteiner Werke werden. Der Vertriebenenbischof dachte daran, auf Dauer die beiden Dienststellen Süd und Nord für die Vertriebenenseelsorge nach Königstein zu verlegen. Sein Plan war, das Seminar in ein gutes Exerzitienhaus umwandeln, etwa die Hälfte der Bettenplätze abzustoßen, indem man die zusätzlichen Häuser als Wohnungen verkaufte und das eigentliche Haus der Begegnung zur Tagungsstätte, zum Exerzitienhaus und zur Zentrale der gesamten Vertriebenenarbeit machte. Es war von einem geistlichen Direktor die Rede. Die Ostakademie sollte zugeordnet, nicht integriert werden, und die Verbände und Priesterwerke sollten in Königstein ihren lokalen Mittelpunkt haben. Janssen dachte – damit griff er eine Vorstellung Riedels270 auf – an ein Vertriebenenbüro in Königstein, übersah dabei aber die Fakten, dass die Priesterwerke und die Verbände bis dato schon lange nicht mehr in Königstein ihren Mittelpunkt sahen.271

269 270

271

Ein Brief des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge an Clemens Riedel vom 21. Februar 1977, 2 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein 823. Vgl. zu Riedel Gregor PLOCH, Clemens Riedel (1914 – 2003) und die katholischen Vertriebenenorganisationen. Motor oder Hemmschuh des deutsch-polnischen Verständigungsprozesses? Berlin 2011. „Uns geht das vom Flüchtlingsrat nicht in erster Linie an und doch sind wir gerufen, aufmerksam die Dinge zu verfolgen. Ich teile sie Ihnen vertraulich mit. Je nachdem, was in der Bischofskonferenz zum Vorgang kommt, werde ich Sie weiter verständigen, evtl. auch eine Besprechung von Beteiligten zusammenrufen. Herr Dr. Kruschina, Herr Hackenberg und Herr

Priesterausbildung

527

b) Die Position Josef Homeyers In einem ausführlichen Memorandum272 waren schon vorausgehend am 7. Februar 1977 vom Sekretär der Bischofskonferenz mit Entschiedenheit die Probleme Königsteins und mögliche Vorstellungen für dessen Zukunft formuliert worden.273 Die Probleme lagen nach diesem Memorandum im Bereich der Hochschule, des Priesterseminars und des Schülerkonviktes, weil sie ihr Gründungsanliegen nicht mehr verwirklichten. Eine andere sinnvolle Aufgabe konnte für diese Einrichtungen nicht entwickelt werden und sei auch für die Zukunft nicht erkennbar. Daher sei eine Weiterexistenz dieser Einrichtungen nicht verantwortbar. Auch die Bischof-Neumann-Schule erfüllte nach der Einschätzung des Sekretärs der Bischofskonferenz nicht mehr ihren Gründungszweck, sie sei aber als normales freies, katholisches Gymnasium existenzfähig. Die Schule habe mit dem Königsteiner Anliegen nichts mehr zu tun. Daher stelle sich die Frage, ob sie weiterhin zum Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. gehören oder dem Bistum Limburg oder einem anderen freien katholischen Träger übergeben werden sollte. Beim „Haus der Begegnung“ sah Homeyer die Gefahr, dass es zu einer hotelähnlichen Veranstaltungsstätte degenerieren könnte, wenn nicht entscheidende Änderun-

272 273

Stingl sind mit im Arbeitskreis der Bischofskonferenz. Ich bin nicht darin. Ich habe dafür lange Gespräche mit Dr. Homeyer einerseits, Prof. Janko und Prälat Reiß andererseits und Prälat Kruschina, wiederum getrennt, geführt. Ich sage Ihnen eine überaus mühsame und mich sehr belastende Sache, aber es hilft nichts. Wir müssen da durch, um das, was gut ist und lebensfähig zu erhalten und für die Zukunft zu fördern.“ (Ein Brief des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge an Clemens Riedel vom 21. Februar 1977, 2 S. masch., KZG Bonn, Bestand Königstein 823, S. 2). Es umfasst masch. 26 S., datiert auf den 7. Februar 1977. Nach einer ausführlichen Würdigung der Geschichte Königsteins, wobei ausdrücklich Wert gelegt wurde auf die Initiative der deutschen Bischöfe im Hinblick auf Königstein, nämlich dass Bischof Berning im Januar 1946 die Errichtung eines Auffangseminars vorgeschlagen hatte, für das im August 1946 die Fuldaer Bischofskonferenz ihre Zustimmung zur Errichtung einer höheren Schule für Heimatvertriebene gab. 1946 hatte die Fuldaer Bischofskonferenz eine Kommission für den Aufbau der Königsteiner Anstalten berufen, der die Bischöfe Frings, Jaeger, Berning, Wendel, Kaller, Dirichs und Monsignore Büttner angehörten und zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Deutsche Bischofskonferenz durch einmalige Bauzuschüsse und laufende Zuschüsse die Königsteiner Anstalten mit einigen Millionen DM unterstützt habe. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass der Ständige Rat am 8. April 1974 nach einem Bericht des Vertriebenenbischofs über die Situation in Königstein, das Sekretariat der Bischofskonferenz beauftragt hatte, einen Bericht über die Situation der verschiedenen Einrichtungen und einen Vorschlag für die Zukunft zu erarbeiten. Vorgabe war, dass das Sekretariat dabei mit den Einrichtungen in Königstein selbst Kontakt aufnahm und geeignete Fachleute bei der Erstellung des Berichts und der Erarbeitung geeigneter Vorschläge hinzuziehen solle. So hatte der Sekretär der Bischofskonferenz mit dem Vertriebenenbischof, mit dem Fuldaer Bischof, mit dem Limburger Bischof, mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Josef Stingl, mit Herrn Hackenberg als Vorsitzenden der „Haus der Begegnung e.V.“, mit Kruschina, dem Leiter des Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V., jeweils Gespräche geführt. Mit diesem Hintergrund wurde ein Stand der Situation, der Probleme und Aufgaben formuliert. (KZG Bonn, Bestand Königstein 823, S. 1 bis 16).

528

Abschnitt V

gen erfolgten. Etwa, dass Referenten eingestellt werden, die die Veranstaltlungen inhaltlich trügen, dass ein Priester für die seelsorgerliche Arbeit der mannigfachen Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werde. Die Zusammenarbeit zwischen dem HdB und der Ostakademie bedürfe der Klärung. Auch die Institute in Königstein sollten unter dem Dach des HdB zusammengefasst und straffer geführt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit und die mannigfachen Publikationen seien dem Zufall überlassen; auch das müsse klarer koordiniert und geplant werden; es sei darüber hinaus nicht einzusehen, dass etwa das katholische Institut für Sozialforschung einen eigenen e.V. habe, genauso wie das Institut für Kirchengeschichte von Böhmen, Mähren, Schlesien. Es bedurfte nach Homeyers Ansicht einer dringenden Klärung der Rechtsverhältnisse in Königstein: Es müsse die Frage geklärt werden, ob die Königsteiner Anstalten acht verschiedene Rechtsträger brauchten, dann müssten die Mietverhältnisse geklärt werden; darüber hinaus wurden im HdB verschiedene arbeitsrechtliche Unklarheiten ausgemacht. Außerdem wurden die gesundheitlichen Einschränkungen des Leitungspersonals angesprochen: Kruschina war bereits 65 Jahre alt und hatte einen Herzinfarkt überstanden; der Vorsitzende des „Hauses der Begegnung“ sei ebenfalls gesundheitlich labil, das Professorenkollegium der Hochschule völlig überaltert und eine geistig führende Kraft nicht erkennbar. Hinzu kamen Streitigkeiten, Auseinandersetzungen zwischen den mannigfach Verantwortlichen. „Die Königsteiner Anstalten entstammen in ihrem derzeitigen Bestand aus einer Situation und Erwartungshaltung, die heute nicht mehr gegeben ist: Sorge um Priesteramtskandidaten und zukünftigen Priesteramtskandidaten aus Vertriebenenfamilien und Ausbildung von Priestern für die Kirche im Osten. Es erscheint unverantwortlich, die Königsteiner Anstalten in der derzeitigen Konstellation zu belassen. Von den Königsteiner Anstalten und den dort zurzeit Verantwortlichen ist eine Klärung, Änderung und Weiterentwicklung auf eine verantwortbare und sinnvolle gegenwärtige und zukünftige Aufgabenstellung hin kaum zu erwarten. Hier muss die Bischofskonferenz, die Königstein initiiert, protegiert und finanziert hat und schon deswegen dafür verantwortlich ist, tätig werden. Es erscheint nicht verantwortbar, Königstein sich selbst zu überlassen.“274 Auch aus den Gesprächsnotizen Homeyers mit den einzelnen Verantwortlichen in Königstein, die Grundlagen für die konzeptuelle Weiterentwicklung liefern sollten, lassen sich bestenfalls sporadisch Fragmente für eine Klärung der künftigen Aufgaben finden. So etwa bei Pater Werenfried van Straaten, der Hochschule und Seminar bei der derzeitigen Besetzung als völlig sinnlos bezeichnete, zugleich aber auch den Sinn des Hauses der Begegnung anzweifelte, wenn Hochschule und Seminar nicht mehr vorhanden seien, weil das HdB bereits so eine unübersichtliche Veranstaltungsstätte geworden sei, auf die die Professoren der Hochschule keinerlei Einfluss mehr ausübten. Sein Lösungsmodell sah vor, das Priesterseminar völlig neu zu errichten im Sinne eines Entlastungsseminars von Econe, also als ein eindeutig konservativ ausgerichte-

274

Ausführliches Memorandum, es umfasst masch. 26 S., datiert auf den 7. Februar 1977, S. 17.

Priesterausbildung

529

tes Priesterseminar. Diesem Plan sicherte er zwar Unterstützung zu, musste aber andererseits auch konzedieren, dass eine ganze Reihe von Sondierungen und Überlegungen sich im Vorfeld bereits zerschlagen hatte – unter dem Strich kein realisierbarer Vorschlag. Trotz der ungünstigen Diagnosen wurden bleibende Aufgaben für Königstein auch in Homeyers Papier formuliert: Es sollte sein eine Stätte der Begegnung der Heimatvertriebenen, insbesondere der Priesterwerke der verschiedenen heimatvertriebenen Gruppen, ein Zentrum der Besinnung und geistlichen Erneuerung, quasi ein Exerzitienhaus für die Heimatvertriebenen, ein Ort für wissenschaftliche Studien der Kirchengeschichte in den ehemals deutschen Ostgebieten, der kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in den osteuropäischen Ländern und der verschiedenen Erscheinungsformen des Marxismus in Ost und West.275 Königstein sollte weiter eine Bildungstätigkeit entfalten durch allgemeine Studientagungen, Seminare und Spezialtagungen zu kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in osteuropäischen Ländern und sollte Informations- und Öffentlichkeitsarbeit leisten. Dafür sollte das HdB in modifizierter Form bestehen bleiben mit einem Exerzitienhaus und mit der Ostakademie als Bildungsstätte, mit einem ostkundlichen Kolleg, in dem in neuer Ordnung die bisherigen Institute zusammengefasst werden sollten, und als Arbeitsstelle für Informations- und Öffentlichkeitsarbeit. Die bisherigen acht Rechtsträger, sprich eingetragenen Vereine, sollten zusammengeführt werden. Das Institutum Balticum, das Slavicum, Sinicum, Bohemicum sollten in einem ostkundlichen Kolleg fusionieren, dabei sollte deren Aufgabe neu formuliert werden. Homeyer sympathisierte mit dem Vorhaben, auch das katholische Institut für Sozialforschung in dieses Kolleg einzubeziehen, wenn es denn überhaupt noch einen Bezug zu Königstein hatte. Damit musste auch geprüft werden, ob und wie viele hauptamtliche wissenschaftliche Mitarbeiter für eine sachgerechte Arbeit dieses Kollegs erforderlich waren. Er dachte an ein Minimum von wenigstens zwei bis drei wissenschaftlichen Kräften. Die Bischof-Neumann-Schule sollte in die Trägerschaft des Bistums Limburg überführt werden, die Philosophisch-Theologische Hochschule und das Priesterseminar aufgehoben werden, ebenso das Schülerkonvikt. Homeyer plädierte dafür, die Verantwortung der Deutschen Bischofskonferenz für Königstein auch künftig wahrzunehmen.276 Das war ein ausgreifender und beherzter Vorschlag. Das spürte wohl auch Homeyer, formulierte er doch gleich im Anschluss offene Fragen, die einen Teil der

275 276

Memorandum, S. 19. „Die bisherige Entwicklung von Königstein zeigt, dass die Deutsche Bischofskonferenz zwar anfangs Königstein initiiert und gefördert, es aber dann der freien Initiative weithin überlassen hat. So schwer es zu beurteilen ist, ob dies Verhalten richtig war, so schwer dürfte die Entscheidung sein, ob die Deutsche Bischofskonferenz sich nach einer eventuellen Neuordnung stärker in die Verantwortung einschalten soll. Sicherlich kann sich die Deutsche Bischofskonferenz in keinem Fall völlig der Verantwortung entziehen.“ (Memorandum, S. 21).

530

Abschnitt V

Maßnahmen relativierten und einen Ansatz boten für kleine, ja zu kleine Lösungen: Wenn auch er die Bedenken unterstrich, ob Königstein ohne sein „Herzstück“, nämlich Hochschule und Seminar überhaupt noch sinnvoll und tragfähig wäre, spielte er den Zögerern Argumente zu. Er gab zu bedenken, ob das geplante Exerzitienhaus, die Ostakademie und das ostkundliche Kolleg die Arbeit sinnvoll und tragfähig weiterführen könnten, ob die Spenden weiterhin in der gewohnten Höhe eingingen, wenn Hochschule und Seminar wegfielen. In diesem Punkt war Homeyer in gewisser Weise zuversichtlich, weil das Haus der Begegnung ja auch bisher so gut wie ausschließlich aus Spendenmitteln finanziert wurde. Ein dritter Problembereich waren die Professoren, die zum Teil die Altersgrenze bereits erreicht hatten. Wie konnte Königstein neu ausgerichtet werden, wenn ein geistig führender Kopf für die Leitung fehlte? Nicht zuletzt im Gespräch mit Hackenberg wurde eine Reihe von Plänen erwogen, etwa die Vertriebenenstelle Nord-Süd oder den Katholischen Arbeitskreis für Entwicklung und Frieden in Königstein anzusiedeln, genauso die Kommission für zeitgeschichtliche Fragen beim Zentralkomitee. Trotz kritischer Prüfung war auch Homeyer der Ansicht, dass Königstein nicht nur wegen seiner Tradition und nicht nur wegen seiner Aufgabe als geistiges Zentrum für viele Vertriebenen, sondern gerade auch wegen der in Richtung Osten und Kommunismus gerichteten Aufgaben auch künftig erforderlich sei, weil hier Aufgaben abgedeckt werden, die tatsächlich nicht von anderen Einrichtungen der Kirche wahrgenommen werden.277 Schließlich festigte sich die Einschätzung, dass man bald handeln und die Initiative von der Deutschen Bischofskonferenz ausgehen müsse. Der Vertriebenenbischof sollte mit dem Vorstand des AMK sprechen und diesen von der Notwendigkeit der Auflösung der entsprechenden Einrichtungen überzeugen und die entsprechenden Schritte veranlassen. Wenn der Vorstand dazu nicht bereit wäre, müsste auf jeden Fall erreicht werden, dass er ein entsprechendes Memorandum und Votum der Deutschen Bischofskonferenz akzeptierte.

c) Renitenz Stefan Kruschinas Auch in einer Situation, in der es ganz offenkundig war, dass Hochschule und Priesterseminar so nicht länger weiter existieren konnten und sich auch keine Alternative fand, weigerte sich Kruschina, an eine Auflösung oder Sistierung der Hochschule zu denken. Als dies aber vom Verband der Deutschen Diözesen gefordert wurde, vor allem von der für Königstein eingesetzten Kommission, trat Kruschina zurück. Gesundheitliche Probleme, er hatte seit längerem einen Herzschrittmacher, dienten, zumindest nach außen, zur Begründung. Am 27. Juni 1977 reichte Kruschina in einem Schreiben an Bischof Kempf von Limburg die Bitte ein, ihn von den Aufgaben des Vorsitzes im Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. zu entpflichten.278 Kruschina 277 278

Memorandum, S. 24. Diözesanarchiv Limburg, 16A/2 vom 27. Juni 1977, dort heißt es: „Die Aufgaben, für die ich hauptsächlich in Königstein angetreten bin, das Priesterseminar und die Hochschule, können nicht mehr weitergeführt werden. So sehe ich die Voraussetzungen für meine verantwortliche Leitung des Kollegs nicht mehr gegeben, für ein weiteres Wirken in dieser Stellung ist mir der

Priesterausbildung

531

schlug vor, den Apostolischen Protonotar, Dr. Karl Reiß, zum kommissarischen Leiter des Kollegs zu ernennen. Wiederum waren umfangreiche Sondierungen vorausgegangen. So berichtete Homeyer am 18. März 1977 in einer Note über ein Gespräch mit dem Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs in Königstein.279 Noch einmal waren dort mögliche Aufgabenbereiche der Hochschule sondiert worden. Man einigte sich dort im Beisein von Kruschina, der all diesen Veränderungen sehr kritisch gegenüberstand, auf die Sondierung der Möglichkeiten, den AMK e.V. und dem Haus der Begegnung e.V. zusammenzuführen. Man sah die Auflösung der Hochschule und des Priesterseminars als unumgänglich an, da eine Erhöhung der Studentenzahlen nicht zu erwarten sei. Man legte sich darauf fest, dass die nächsten beiden Semester auf jeden Fall noch im Interesse der Studenten durchgeführt werden sollten und dass die Auflösung der Hochschule nach dem Wintersemester 1977/78 zu erwarten sei. Die Studenten sollten unter Wahrung des Besitzstandes an einer anderen Hochschule ihr Studium fortsetzen können. Auch für die Hochschullehrer wollte man tragbare Lösungen finden. Neue Professoren hingegen – zwei Stellen waren zu besetzen – sollten nicht mehr berufen werden. Auch wurde Kruschina gebeten, keinen neuen Regens zu suchen. „Ein wenig auffallend war die Zurückhaltung von Prälat Kruschina an der Diskussion, obschon er keine Einwände erhob und in keinem Fall widersprach, sondern bei den Einzelregelungen den Vorschlägen der übrigen Herren offenbar zustimmte.“280 Erste Grundzüge eines künftigen Konzeptes waren von Homeyer vorgeschlagen worden, wenn er den Wunsch formulierte, dass die unterschiedlichen Institute in Königstein fusionieren und damit Synergieeffekte in der Kooperation entwickeln sollten. Außerdem sollte die Arbeit einem geistlichen Direktor unterstellt werden. So könne das neue Institut in Königstein eine dreifache Aufgabe erfüllen, nämlich die Forschungsarbeit über die Lage der Kirche in den Vertreibungsgebieten in Vergangenheit und Gegenwart und die Forschungsarbeit zum Marxismus und kirchlicher Situation fortführen. Sie könne zweitens die Informationsarbeit durch Vorträge und Kurse intensivieren und so die eigenen Forschungsergebnisse in breitere Schichten tragen. So meinte man, die Arbeiten des Hauses der Begegnung und der Ostakademie weiterführen zu können. Als dritte Säule wurde die geistig-geistliche Formung genannt, d.h. Königstein sollte sich als Exerzitien- und Bildungshaus positionieren, auch wenn, so der Einwand der Vorstandssitzung, es bereits genügend solcher Einrichtungen gebe.

279 280

Sinngehalt entzogen. Da mein gesundheitlicher Zustand die Belastungen, die mit einer Neuorientierung der Arbeiten in Königstein gegeben sind, nicht ohne schwere Gefährdung gestattet, und da bei der Planung der grundsätzlichen Entscheidungen in Königstein vor allem jene beteiligt werden sollten, welche später unter diesen neuen Bedingungen die Verantwortung tragen müssen, bitte ich Sie, hochwürdigster Herr Bischof, mich gemäß § 9 der Satzung des eingeschriebenen Vereins möglichst bald von den Verpflichtungen des Leiters des Kollegs zu entbinden.“ Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, 4 S. masch. Diözesanarchiv Limburg, 16a, Nr. 2, S. 3.

532

Abschnitt V

Der Appell zur Kooperation der unterschiedlichen Königsteiner Einrichtungen stieß freilich nicht auf Euphorie. So betonte Prälat Reiß für das Sudetendeutsche Priesterwerk gleich in der Vorstandssitzung, sich nicht anschließen zu wollen.281

281

„Für die Vorbereitung dieser Zusammenlegung müsste ein eigener Satzungsausschuss gebildet werden, der von den einzelnen bisherigen Einrichtungen beschickt würde und der bis zum Spätherbst dieses Jahres einen neuen Satzungsentwurf vorlegen sollte, damit im kommenden Jahr die neue Arbeit beginnen könne. Prälat Reiß erklärte, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk sich nicht anschließen werde.“ (Protokoll S. 2) Auch Kruschina hatte sofort signalisiert, dass er eine Berufung in eine Satzungskommission ablehne, da er bei den geplanten Gegebenheiten nicht mehr lange in Königstein sein werde. Kruschina konnte sich offensichtlich mit den Plänen der Bischofskonferenz nicht identifizieren.

ABSCHNITT VI: GYMNASIUM UND KONVIKT ALS REKRUTIERUNGSFELD FÜR THEOLOGIESTUDENTEN?

1.

Die Schulleitung – ein Überblick

Kommissarisch leitete zunächst Prälat Dr. Paul Ramatschi, der vormalige Regens des Breslauer Erzbischöflichen Priesterseminars, die Schule, in erster Linie also die Abiturientenkurse. Nach den Osterferien 1947 begann man, ein Realgymnasium mit gymnasialem Nebenzug einzurichten. Es hatte die Klassen Oberprima, Unterprima, Obersekunda und zwei Untersekunden mit insgesamt 165 Schülern. Zum zweiten kommissarischen Abb. 5: Dr. Paul Schulleiter wurde – als Ramatschi Ramatschi sein Amt als Regens des Seminars übernommen hatte – nach der ersten Reifeprüfung am 16. Mai (18 Abiturienten) Studienrat August Jobst berufen. Ihn hatte Büttner ausgesucht, da er ihn aus seiner Kaplanszeit in Lorch kannte. 1951 wurde Studienrat Jobst nach Bad Homburg in den Abb. 6: August Jobst staatlichen Schuldienst versetzt. Sein Nachfolger wurde Dr. Joseph Weißkopf, ein ‚kleiner Mann mit großem Geist’.1 Joseph Weißkopf, 1891 in Herrlich, Kreis Dux geboren, hatte ebenfalls das Gymnasium in Mariaschein besucht und in Rom und Prag Theologie studiert.2 Die Priesterweihe empfing er 1918 im

1 2

Zum Heimgang des Leitmeritzer Domkapitulars Msgr. Dr. Weißkopf, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes Heft 2 1962, S. 44f., Zitat S. 45. Manche Dozenten und Lehrer kannten sich schon vom Schülerkonvikt im Wallfahrtsort Mariaschein her, wo auch Kindermann seine Gymnasialstudien absolviert hatte. Sie hatten dort ihre Kindheit und Jugendzeit in dem weit bekannten von den Jesuiten geleiteten Gymnasium und Internat verbracht; das schuf ein Zusammengehörigkeitsbewusstsein. In Königstein sprach man von der „Mariascheiner Clique“. Die Konventsgebäude entstanden nach 1668. Neben dem Konvent errichteten die Jesuiten 1679 eine Lateinschule. Im Zuge der Josephinischen Reformen wurde der Konvent 1773 aufgelöst und 1779 eine Schule und eine Präparandie für Lehramtsanwärter eingerichtet. 1853 wurde das bischöfliche Gymnasium eröffnet, das 1950 durch den Tschechoslowakischen Staat geschlossen wurde. Es war in der Folge Internierungslager für

534

Abschnitt VI

Veitsdom in Prag. In Prag promovierte er auch zum Dr. theol., danach war er Religionslehrer am Gymnasium in Saaz. 1941 wurde er in das Leitmeritzer Domkapitel berufen. Seit 1942 war er Dozent für Kirchengeschichte an der diözesanen Lehranstalt in Leitmeritz. Nach der Vertreibung war er in der Erzbischöflichen Finanzkammer in München beschäftigt, dann Präfekt im Knabenseminar in Traunstein; von dort wurde er an die Schule nach Königstein als Mathematiklehrer (eingesetzt wurde er faktisch, wo Not am Mann war) berufen. Von 1951 bis 1959 war er Schulleiter. Weißkopf trat 1959 in den Ruhestand. Er starb am 14. April 1962. Abb. 7: Kindermann charakterisierte die 50er Jahre folgenderDr. Joseph Weißkopf maßen: „Die sieben Jahre von 1952 bis 1959 in Königstein waren Jahre des Auf- und Ausbaues. Hatten wir doch 1952 die Häuser käuflich erworben. So konnten wir frei und ungezwungen die Kasernen in Schule und Konvikt umformen. Es war keine leichte Arbeit, da ja auch die innere Struktur der Schule sich im Laufe der Jahre ändern musste… Kanonikus Weißkopf hatte ein erstaunliches Wissen. Er konnte eigentlich in allen Fächern einspringen. Dabei war er stets bescheiden, zurückgezogen, einfach, fromm und ungemein fleißig.“ 1959 übernahm die Schulleitung Abb. 8: Dr. Josef Stroß3, der 1962 aus Dr. Josef Stroß Krankheitsgründen vorzeitig pensioniert werden musste. Auf ihn folgte Dr. Wenzel Weiß4, dem Braunstein nachrühmte, dass er jederzeit eine lateinische oder griechische Ansprache aus dem Stegreif zu halten vermochte. Abb. 9: Weiß war von 1950 bis 1967 Lehrer an der St. AlbertDr. Wenzel Weiß Schule bzw. Bischof-Neumann-Schule für Religionslehre

3 4

tschechische Jesuiten, dann Kaserne. Nachdem die sowjetische Armee 1991 Mariaschein verlassen hatte, richtete das Bistum Leitmeritz zwei Jahre später im ehemaligen Konventsgebäude, das baulich in einem schlechten Zustand ist, wieder ein Gymnasium ein. Joachim BAHLCKE U.A.(Hg.), Handbuch der historischen Stätten Böhmen und Mähren. Stuttgart 1998, S. 366–367. – STADT KRUPKA (Hg.), Druckschrift Bazilika Panny Marie Bolestné, 2006. – Johannes SCHWABSTEDT, Sudetendeutsche Heimat Mittelgebirge. Marburg/Lahn 1954. – Michael HOFFMANN: Mariaschein – Bohosudov. Ein Wallfahrtsort im Dornröschenschlaf. Leipzig, Berlin 2006. Zum neuen Leiter der St. Albert-Schule 1960, Dr. Joseph Stroß, vgl. „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“, Januar 1960, S. 17. Dr. Wenzel Weiß, geboren am 27. Januar 1903, zum Priester geweiht am 2. Juni 1928, gestorben am 10. November 1994. Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg P 5688.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

535

und Latein. Von 1950 bis 1952 war er Konviktsdirektor und von 1962 bis 1967 Schulleiter. Die diözesane Aufsicht in Limburg hatte 1952 darauf gedrängt, dass Weiß von seinem Amt als Leiter des Konviktes entbunden wurde; eigentlich sollte er auch seine Tätigkeit als Lehrer an der Schule beenden. Um die Schulleitung hatte sich dann Dr. Joseph Borucki5 beworben; sie war ihm gern übertragen worden mit dem Argument, Wenzel Weiß werde als Lehrer gebraucht. Offensichtlich schied er aber doch 1967 noch aus dem Schuldienst aus. Borucki leitete die Bischof-Neumann-Schule bis 1975. Borucki, gebürtiger Posener, der bis zur Vertreibung in Grünberg/Schlesien als Altphilologe tätig war, war über seinen engeren Wirkungskreis hinaus mit seiner Publikation über das „Gymnasium in neuerer Zeit“, einem Plädoyer für das humanistische Gymnasium bekannt geworden. Abb. 10: In seiner Amtszeit als Direktor der Bischof-NeumannDr. Joseph Borucki Schule wurde auch evangelischen Schülern der Besuch der Schule erlaubt. Sie wurde damit noch attraktiver für einen näheren Einzugsbereich um Königstein. 1975 folgte auf Borucki der langjährige stellvertretende Leiter der Schule, Studiendirektor Herwig Herrmann, seit 1950 Lehrer für Mathematik, Physik und Chemie an der Schule und daher ganzen Generationen von Schülern bekannt. Braunstein bezeichnete ihn als „väterlichen Mathematiklehrer“.6 1981 wurde Dr. Wolfgang Schmitt, vorher Schulleiter in Wiesbaden, Oberstudiendirektor in Königstein. Unter seiner Leitung wurde 1982 die Schule auch für Mädchen geöffnet.7 Abb. 11: Herwig Schmitt, 1938 in Görlitz geboren, studierte in Mainz Herrmann klassische Philologie und promovierte 1970 mit einer Dissertation aus diesem Bereich in Münster. 1974 wurde er

5

6 7

Joseph Borucki, 1902 geboren in Ostrova, in der damaligen Provinz Posen, die er 1919 verlassen musste. Er ging nach Schlesien. 1949 musste er Schlesien verlassen. Er war Lehrer für Latein, Griechisch, Französisch und Englisch. Daneben waren ihm Russisch und Polnisch vertraute Fremdsprachen. Von 1948 bis 1959 leitete er in Krefeld ein Gymnasium und das dortige Volksbildungswerk. 1959 wurde er Oberschulrat in Düsseldorf, später in Münster. Sein besonderes Interesse galt der Altphilologie, hatte er doch mit einer Arbeit über Seneca zum Dr. phil. promoviert. „Oberschulrat Dr. Borucki tritt heute in den Ruhestand“, in: Münsterischer Stadtanzeiger vom 28.2.1967. Karl Braunstein: Ein neuer Direktor an unserer Schule, in: Königsteiner Jahrbuch 1983, S. 77f. Einen Überblick über die Geschichte der St. Albert-Schule und dann der Bischof NeumannSchule findet sich in den „Königsteiner Rufen“ im Juniheft 1980. Königsteiner Rufe, Juni 1980, S. 8-12 von Eberhard Zwiener, eine Kopie davon in KZG Bonn, Bestand Königstein 1.022.

536

Abschnitt VI

durch den hessischen Kultusminister in die Richtlinienkommission für Griechisch berufen; seit 1978 war er kommissarischer Schulleiter des Abendgymnasiums in Frankfurt. Im Oktober 1979 wurde er als Leiter der altsprachlichen Diltheyschule in Wiesbaden Oberstudiendirektor.

Abb. 12: Dr. Wolfgang Schmitt

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

2.

2.1.

537

Die Anfänge der Schule

Grundlagen und Trägerverein

Mit dem Schreiben des Großhessischen Staatsministeriums vom 28.12.1946 an die Kirchliche Hilfsstelle genehmigte die Landesbehörde nach Überprüfung durch den Minister für politische Befreiung die Beschäftigung für folgende Lehrkräfte: Monsignore Dr. Paul Ramatschi, Präfekt Josef Krzoska, für den Studienrat Eduard Brix, den Studienrat August Jobst, den Studienrat Theodor Ricken, die Studienassessorin Gertrud Reichelts und für Prof. Kindermann. Die fünf Letztgenannten befanden sich zu dem Zeitpunkt noch in der politischen Überprüfung. Der Entscheid stand also unter Vorbehalt. Für Studienrat Schwarz sei ein politischer Fragebogen zur Einleitung der Überprüfung durch Monsignore Albert Büttner nachzureichen.8 Mit der angeführten Liste war ein erster Grundstock an Lehrpersonal gelegt. Der Eröffnung der St. Albertus-Schule, Realgymnasium in Königstein im Taunus, stand nichts mehr im Wege. Büttner hatte diese Schule gedacht für die Kinder der Vertriebenen, als Wegbereitung zum Studium, vor allem zum Studium der Theologie. Er wollte diese Schule als Geschenk der Einheimischen an die Vertriebenen verstanden wissen und sah deswegen die Notwendigkeit zur Initiative bei der Kirchlichen Hilfsstelle. Ein Einheimischer sollte sich darum sorgen, nicht diese Aufgaben allein den Vertriebenen überlassen. Die Namenswahl für die Schule trug den Stempel Büttners, war es doch sein eigener, hoch verehrter Namenspatron Albertus Magnus, den er auch der Schule als verpflichtendes Vorbild hinstellte. Träger dieser St. Albert-Schule war also zunächst die Kirchliche Hilfsstelle in Frankfurt/M., in erster Linie deren Leiter Albert Büttner. Der Träger war für die Einstellung der Mitarbeiter verantwortlich. Er musste die Einrichtungen zur Verfügung stellen, damit der Schulbetrieb überhaupt erst in Gang kommen konnte. Der Leiter der Hilfsstelle war verantwortlich für das pädagogische Konzept. Zusammen mit dem Königsteiner Bürgermeister Hubert Faßbender9, dem Stadtpfarrer Aloys Geis und Prof. Kindermann hatte Büttner die Königsteiner Kasernen für die Kirchliche Hilfsstelle mieten können und damit nicht nur einen Ort gefunden für die akademische Theologenaus- und weiterbildung, sondern auch für eine Schule, die entsprechend interessierten und fähigen Schülern den Weg zum Abitur ebnen half.

8

9

KZG Bonn, Archiv Königstein, 3089, Schreiben des Ministers für Kultus und Unterricht beim Großhessischen Staatsministerium vom 28.12.1946 an Albert Büttner, Kirchliche Hilfsstelle Frankfurt. Vgl. Dokumente Nr. 34 im Anhang. Rudolf KRÖNKE, Menschen und Ereignisse in Königstein. Erfurt 1997.

538

Abschnitt VI

Bereits am 2. Juli 1946 konnte der Kasernenblock 1 in Besitz genommen werden. Die Bischofskonferenz hatte im August 1946 ihre Zustimmung zur Errichtung einer Schule für die Heimatvertriebenen, die ein Theologiestudium beabsichtigten, gegeben. Im September 1946 kamen die Katharinerinnen auf Wunsch Bischof Kallers nach Königstein. Bis in den August 1973 taten sie ihren treuen Dienst in Haus und Küche, in der Krankenpflege und im Empfang. Büttner war es gelungen, den Gründungstag auf den 15. November 1946, den Gedenktag des Heiligen Albertus Magnus, zu legen. Er feierte in der kleinen Hauskapelle ein feierliches Hochamt zur Eröffnung des Königsteiner Werkes. Der Unterricht in zwei Kursen zur Vorbereitung auf die Reifeprüfung begann am 2. Dezember 1946.10 Der erste noch kommissarische Leiter dieser Schule war Prälat Dr. Paul Ramatschi, vormals Regens des Breslauer Priesterseminars und habilitierter Pastoraltheologe. Der Seminarrat beschloss am 4. Februar 1947 den Ausbau der Abiturkurse zu einem Realgymnasium mit Schülerkonvikt. Er sah eine möglichst rasche Gründung eines e.V. als Träger der Schule und des geplanten Theologenkonvikts mit einem Philosophischen Studium von vier Semestern vor. Die letzte Verantwortung, die Oberleitung, wie es auch das päpstliche Dokument formuliert hatte, wurde Bischof Kaller, dem päpstlichen Sonderbeauftragten für die Vertriebenen übertragen. Am 17. März 1947 wurden in einer Lehrerkonferenz mit Kaller Einzelheiten des Ausbaus der Schule besprochen und beschlossen. So plante man, nach den Osterferien das Realgymnasium in Aufbauform mit gymnasialem Nebenzug zu beginnen. 18 Schüler nahmen an der ersten Reifeprüfung am 16. Mai 1947 nach einem halbjährigen Abiturlehrgang teil. Alle 18 bestanden die Prüfung. Bereits im Frühjahr 1947 überreichte Kaller einen Entwurf für den Königsteiner e.V. an den Kölner Erzbischof, Kardinal Frings und berichtete über die Entwicklung von Königstein.11 10 11

Vgl. Dokumente Nr. 35 und 36 im Anhang. „Über die Entwicklung in Königstein nach der Konferenz des Seminarrates im Februar dieses Jahres berichte ich folgendes: 1. Es sind folgende Klassen eingerichtet worden: Oberprima, Unterprima, Obersekunda mit zwei Untersekunden mit zusammen 165 Schülern. 2. Mit dem ersten Semester eines Philosophischen Kurses ist begonnen worden; zu ihm haben sich 47 Studenten gemeldet. Das Haus hat also im Ganzen 212 Schüler und Gymnasiasten (soll wohl heißen Seminaristen), dazu die Präfekten, das Lehrpersonal, die Professoren, Schwestern, das Dienstpersonal, Handwerker und Arbeiter. Im oberen Haus ist in den oberen beiden Stockwerken der Philosophische Kursus untergebracht, wo auch die Professoren wohnen; in dem unteren Stockwerk schlafen die Schüler der Oberprima. Die anderen Räume dieses Stockwerkes sind für Bürozwecke und allgemeine Zwecke bestimmt. Die Räume des unteren Hauses dienen als Konvikt, als Klassen und als Wohnungen für die Studienräte. Der von dem Seminarrat beschlossene Einbau eines caritativen Werkes konnte nicht durchgeführt werden, da wir durch die Studienräte, die zum Teil mit ihren Familien gekommen sind, sehr viel Platz brauchen und noch nicht übersehen können, wie viel Räume für ein caritatives Werk übrig bleiben können. Der Unterhalt beider Anstalten ist gesichert, auch für den Umbau und die Einrichtungskosten sind Gelder vorhanden.“ Kaller an Frings vom Frühjahr 1947. KAM-KMB 1,1431.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

539

Kaller hatte dem Bericht einen Satzungsentwurf für den künftigen Verein beigefügt.12 Er hatte zudem einen Haushaltsplan für Konvikt und Seminar Königstein 1947 beigelegt. Darin veranschlagte er 40.000,- RM für die Miete, 120.000,- für Reparaturen und Umbau und 40.000,- für Neuanschaffungen, also Investitionskosten von 200.000,- RM. Das Konvikt mit 200 Schülern, zehn Studienräten, zehn Schwestern, sechs Hausangestellten, vier Handwerkern und den Regens veranschlagte er auf etwa 223.000,- und das Priesterseminar für 40 Theologen, drei Professoren, fünf Schwestern, sechs Hausangestellte und vier Handwerker, den Regens, den Präfekt und den Spiritual auf 71.000,- RM. Es kamen also insgesamt knapp 500.000,- RM an Ausgaben für 1947 zusammen. Die verschiedenen Intentionen und unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen zwischen Kaller und Büttner, dann auch zwischen Kaller, Büttner und Kindermann mussten zwangsläufig immer wieder zu Schwierigkeiten, Enttäuschungen und Verwerfungen führen – nicht nur im Verhältnis von Büttner und Kaller, sondern auch im Hinblick auf die Erwartungen, die einzelne Mitarbeiter in Königstein hegten. So war offensichtlich Studienrat Dr. Schwarz aus Oberstdorf an die St. Albert-Schule nach Königstein gekommen, weil ihm von Kaller zugesichert wurde, er könne am Priesterseminar in Königstein philosophische Vorlesungen halten. Diese Zusicherung war nach dem Tod Kallers hinfällig geworden, wie aus einer Aktennotiz von Dr. Schwarz im Juni 1948 hervorgeht. Auch bezüglich der Versorgung wurden die Vereinbarungen, die seinerzeit zwischen der Kirchlichen Hilfsstelle und den Lehrkräften der St. Albert-Schule geschlossen worden waren, als nicht mehr bindend hingestellt. Es bestehe keine Rechtskontinuität zwischen dem Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. und der Kirchlichen Hilfsstelle.13 Nachdem die ersten 18 Schüler ihre Reifeprüfung abgelegt hatten, wurde Studienrat August Jobst zum neuen Kommissarischen Leiter der St. Albert-Schule berufen, den der Leiter der Kirchlichen Hilfsstelle von seiner Kaplanszeit in Lorch her sehr gut kannte. Der bisherige Kommissarische Leiter Ramatschi übernahm die Betreuung der Studenten des Philosophischen Kurses, wollte aber auch künftig den Geist beider Häuser, also auch der Schule und des Internates bestimmen.14 Es lässt sich nicht letztlich klären, warum sich die Gründung des Trägervereins verzögerte. Lag die Verschiebung im Interesse Büttners oder war sie in der Tat, wie Schleupner angibt, auf den plötzlichen Tod Kallers am 7. Juli 1947 zurückzuführen? So wurde erst am 4. Dezember 1947, nachdem Kardinal Frings die Initiative ergriffen hatte, der Verein Albertus-Magnus-Kolleg Königstein gegründet.15 Kardinal Frings

12

13 14 15

Dort wird ausdrücklich in § 3 der Zweck unterstrichen, dass katholischen heimatverwiesenen Jungen die Möglichkeit gegeben werden solle, Priester zu werden. Der Verein sollte dem Bischof von Limburg als Ortsordinarius unterstellt werden, der dann auch den Leiter und den Geschäftsführer, also damit den Vorstand des Vereins, ernennt. Die Satzung in ebd. KZG Bonn. RKA D XI.13b. Chronik der Hochschule, S. 33. Vgl. dazu Heinzdieter Schleupner: Die Schulträger der St. Albert- und Bischof NeumannSchule. Manuskript im Diözesanarchiv Limburg, 16A/13, abgedruckt auch in: 50 Jahre Bischof-

540

Abschnitt VI

hatte im August 1947 die Sache noch einmal in der Fuldaer Bischofskonferenz vorgebracht. Er hatte eine einmütige Zustimmung zur Gründung eines eingetragenen Vereins erreicht, aber keine Einigkeit darüber erzielt, ob in Königstein auf Dauer lediglich ein Gymnasium mit Schülerkonvikt oder auch ein Theologisches Studium entstehen sollte. Diese ungeklärte Haltung spiegelt die erste Satzung wieder, in der es heißt: „Der Verein verfolgt den Zweck, heimatvertriebenen jungen Katholiken die Möglichkeit zu geben, Priester zu werden.“ Zum Vorstand des Vereins wurde Prof. Kindermann bestimmt. Die Schule und auch das Philosophische Studium bzw. der Philosophische Kurs hatten einen neuen Träger. An die Stelle der Kirchlichen Hilfsstelle war der Verein Albertus-Magnus-Kolleg Königstein getreten. Bereits am 6. Dezember 1947 übergab Büttner die Leitung der Häuser an Kindermann. Am 17. Februar 1948 erfolgte die Eintragung des Vereins beim Amtsgericht in Königstein. Selbstverständlich mussten in dieser Aufbauphase in diesen ersten Wochen, Monaten und Jahren Schüler wie Studenten Aufräum- und Aufbauarbeit in Königstein leisten, wie an manch anderen Hochschulen auch. Die erste ordentliche Mitgliederversammlung des Trägervereins fand am 24. Juni 1948 statt, also nur vier Tage nach der Währungsreform, die den Trägerverein und damit Königsteiner Einrichtungen in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht hatten. Ein zentraler Ausweg war die Bitte Kindermanns an die vertriebenen Priester und Gläubigen. Man führte eine Großaktion „Bausteine für Königstein“ durch. Kindermann knüpfte an seine publikatorische Tätigkeit der Prager Zeit an zusammen mit seiner damaligen engsten Mitarbeiterin, Paula Schetka. Am 3. November 1948 konnte das erste „Königsteiner Jahrbuch“ erscheinen. 100.000 Exemplare wurden über das Priesterreferat verschickt, sie enthielten die deutliche Bitte, für die Königsteiner Werke zu spenden. „240 Schüler und mehr als 100 Studenten füllen die Königsteiner Häuser – durchwegs Heimatvertriebene. Viele von ihnen können gar nichts zahlen. Der Vater gefallen oder vermisst oder gar noch in Kriegsgefangenschaft. Mutter und Geschwister nur auf die Unterstützung angewiesen. Andere wieder haben ihre Eltern noch in der Ostzone oder in der alten Heimat …“ Dazu kam seit Mai 1949 die Monatszeitschrift „Königsteiner Rufe“, die auch sehr bald eine Auflage von 100.000 erreichten und sehr viele Spenden einbrachten.

2.2.

Eine erste Phase der Konsolidierung

Ende 1948 hatte die St. Albert-Schule in Königstein bereits zehn Klassen mit 230 Schülern, davon 56 aus der sowjetischen Besatzungszone, 113 aus der britischen und

Neumann-Schule – vormals St. Albert-Schule – Königstein/Ts.: Festschrift, hg. von der Schulleitung der Bischof-Neumann-Schule. Königstein 1996, S. 26-43.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

541

63 aus der amerikanischen Zone. 13 Lehrkräfte waren an der Schule angestellt, 37 Schüler hatten ihr Abitur bestanden, 26 von diesen 37 studierten Theologie.16 Die Lage hatte sich in gewisser Weise stabilisiert, weiterführend war ein theologisches Studium eingerichtet worden. Es gab bislang vier Semester mit 105 Theologen, die von fünf Lehrkräften betreut wurden. Der Posten des Spirituals war zu dem Zeitpunkt nur vertretungsweise besetzt.

Schwerpunktsetzungen und gefühlte Marginalisierung Ramatschi und Kindermann waren bereits im Januar 1948 zu einer Unterredung bei Frings, um die Spannungen zwischen Schule und Hausleitung, die Unzufriedenheit in der Schule zu besprechen.17 Fast zeitgleich zur Eröffnung der Hochschule am 29. April 1949 scheint sich der Eindruck der Lehrer am Gymnasium weiter verfestigt zu haben, dass sie gegenüber Priesterseminar und theologischem Studium hintangestellt würden. Sie formulierten eine Anfrage und Vorschläge der St. Albert-Schule zur Zukunft dieser Anstalt. Am Anfang stand die Klage, dass die erhoffte und gewünschte enge wissenschaftliche und persönliche Zusammenarbeit zwischen der Lehrerschaft des Gymnasiums und des Realgymnasiums mit dem Lehrkörper der philosophisch-theologischen Hochschule sich nicht verwirklicht habe. Die Leitung der Königsteiner Gesamtanstalt durch einen Angehörigen des Priesterseminars habe sich nicht bewährt, da auf diese Weise die Erfordernisse der Schule nicht erkannt würden und die Tätigkeit und Entwicklung der Schule schwer gehemmt werde. Folglich wünschten die Lehrer als Gesamtleiter eine neutrale Persönlichkeit, die weder dem Seminar noch der Schule angehörte. Die Schule müsse innerhalb des gesamten Komplexes Königstein eine selbständige Stellung erhalten. Als Weg in diese Richtung formulierte die Lehrerschaft die Ausarbeitung einer getrennten Dienstanweisung für Seminar und Schule. Sie forderten, dass die Stellung des Konvikts und der Konviktsleiter entsprechend geklärt werde und dass eine moderne Konviktserziehung gesichert werde. Bei der Einstellung von Lehrkräften solle der Schulleiter den Ausschlag geben. Von ihm solle der Vorschlag kommen, dann würden die Lehrkräfte durch die Vertreter des Unterhaltsträgers eingestellt. Der Schulleiter solle zu allen Sitzungen des Unterhaltsträgers hinzugezogen werden. Zusätzliche Lehr- und Lernmittel sollten angeschafft werden, ohne die die Schule ein Torso bleibe – auch das ein Dauerthema, ein Dauermanko der Schule. Um eine engere Verbindung mit der Elternschaft zu schaffen und um die Öffentlichkeitsarbeit auszudehnen, sollten ein Prospekt und die Jahresberichte herausgegeben werden.18

16 17 18

KZG Bonn. RKA D XI.6 Bericht über die Mitgliederversammlung des Albertus-MagnusKollegs Königstein e.V. in Köln-Hohenlind am 17. Februar 1949, masch. 6 S., hier: S. 3. Chronik der Hochschule, S. 30. Diözesanarchiv Limburg, 16A/1.

542

Abschnitt VI

Zur Frage nach der Gewichtung von Hochschule und Oberschule ergibt sich ein interessanter Hinweis in der Diskussion um die Regelung der Altersversorgung der Studienräte, die auch 1949 noch die größten Schwierigkeiten machte.19 Man war bereit, aufgrund der relativ begrenzten finanziellen Möglichkeiten, einen Teil des Gymnasiums aufzugeben, die Schüler quasi auszulagern. Der Betrieb in Priesterseminar und Hochschule hatte offensichtlich eindeutig Priorität erhalten gegenüber der Oberschule. Fast ständig wurden Umbauten vorgenommen: So wurden im Oberhaus zwei große Räume zu vier Professorenwohnungen ausgebaut. Wohnhäuser, die von Letten, die darin gewohnt hatten, geräumt worden waren, wurden umgebaut und Studienräten zur Verfügung gestellt. Ein zweites dieser von Letten verlassenen Häuser musste für Arbeiter vermietet, sollte aber im Laufe des Jahres 1949 noch für die Königsteiner Zwecke freigegeben werden. Offen war zu der Zeit die Stelle des Schulleiters. Kindermann suchte einen geeigneten Geistlichen, der zugleich Schul- und Konviktsleiter werden könnte. „Die Versammlung spricht sich für eine allmähliche Reduzierung der Schule aus, die bisher wohl den real- wie den gymnasialen Typ parallel nebeneinander führt. Dadurch verteuert sich die Schule erheblich. Die Versammlung entscheidet sich für den Gymnasialtyp, der einheitlich durchgeführt werden sollte.“20 Die Schule musste sich umstellen durch den Versetzungstermin von Herbst auf Ostern und durch die gleichzeitige Verlängerung der Schulzeit von acht auf neun Jahre. Damit war es der St. Albert-Schule nicht gelungen, Schüler für die U III zu bekommen. Darum beschloss die Mitgliederversammlung, die sieben Schüler, die sich angemeldet hatten, entweder in die nächsthöhere Klasse einzuweisen oder wegen unzureichender Leistungen abzulehnen oder auf andere Konvikte zu verweisen. So konnte diese eine Klasse aufgelöst werden, eine Studienratsstelle wurde damit überflüssig, was in der angespannten finanziellen Lage nur begrüßt wurde. Gekündigt werden sollte nach dem Votum der Mitgliederversammlung Dr. Schwarz. Diesem sollte nahegelegt werden, eine Studienrats- und Religionslehrerstelle, die er vom Ministerium angeboten bekommen hatte, anzunehmen. Gleichzeitig legte Kindermann

19

20

„Die Angelegenheit wäre dringend zu lösen, da die Studienräte aufgrund ihrer Anstellung den Anspruch erheben, wie die staatlichen Studienräte behandelt zu werden. Da die jährlichen Kosten für die Altersversorgung, außer dem hohen Eintrittsgeld, sich auf etwa 15.000 DM belaufen und bereits drei Jahre ausstehen, besteht die Gefahr, dass im Falle eines Prozesses das ganze Institut in Mitleidenschaft gezogen wird. Die einzelnen Möglichkeiten der Versorgung, etwa durch Privatversicherung, werden durchgesprochen. Um die Kosten für die Schule zu verringern, schlug Prälat Kindermann vor, die oberen Klassen abzubauen und nach Bensheim zu verlegen, wo eine staatliche Schule mit einem geistlichen Oberstudiendirektor besteht und gerade jetzt das bischöfliche Konviktsgebäude frei geworden ist. Prälat Kindermann wird beauftragt, die Möglichkeiten umgehend zu untersuchen. Es wird eine Kommission gebildet, bestehend aus Exzellenz Bischof Kempf, Prälat Kindermann, Monsignore Lamay und Regens Kleineidam, die die Frage im Auftrag des e.V. entscheiden sollen.“ KZG Bonn. RKA D XI.6, Bericht über die Mitgliederversammlung 1950, 4 S. masch., Zitat S. 4. KZG Bonn. RKA D XI.6, Bericht über die Mitgliederversammlung, S. 4.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

543

der Versammlung die Frage nach dem Umbau der großen Exerzierhalle zu einer Kapelle und einem Festsaal vor. Am 30. November 1949 wurde durch den Limburger Bischof, Dr. Wilhelm Kempf, die Kollegskirche geweiht. Sie war der gemeinsame Gottesdienstraum für Schüler und Studenten, für die Schule auch Aula, für das Schülerkonvikt Theatersaal und Tagungsraum für die zahlreichen Königsteiner Tagungen, bis 1955 mit dem fünften Kongress ‚Kirche in Not’ der große Saal des ‚Hauses der Begegnung’ für diese Zwecke genutzt werden konnte. Am Gymnasium betrug 1949 die Schülerzahl 227. Diese Schüler verteilten sich auf acht Klassen. Ende 1949 unterrichteten dort 15 Lehrer, davon vier Studienassessoren. Am 16./17. September 1949 bekamen 31 Schüler das Abitur, zehn von ihnen wandten sich dem Theologiestudium zu. Schüler aus der britischen und aus der amerikanischen Zone bildeten zahlenmäßig die stärkste Gruppe mit 100 bzw. 77. Eine deutlich wachsende Tendenz verzeichnete Kindermann für die Schüler aus der russischen Zone, der aktuelle Stand war 35. Gerade unter den Neuanmeldungen war ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz von Schülern aus dem Osten, was für die Königsteiner Anstalt eine zusätzliche Belastung bedeutete, waren doch von diesen Schülern keine Beitragsleistungen zu erwarten. Erwähnenswert, weil für die damalige Situation keineswegs selbstverständlich, ist, dass Kindermann den Gesundheitszustand von Schülern und Studenten zur der Zeit bereits als gut bezeichnen konnte, ebenso den Ernährungszustand. „Trotz der Enge des Raumes, der abnormalen Zusammensetzung der Schüler, der oft tragischen Lage der Familien, aus denen die Jungen kommen, ist der innere Geist wohl nicht schlechter als in anderen Anstalten dieser Art. Die Lage der Häuser, die einerseits in keiner rechten äußeren Geschlossenheit stehen – es fehlte Umfriedung – andererseits in den Augen vieler Einheimischen immer noch das Niemandsland sind, wirkt sich noch ungünstig aus. Manche Übelstände lassen sich sicherlich noch im Laufe der Zeit beheben.“21

Die Sorge um ausreichend gute Lehrer Das Unterhaus, also das Gymnasium mit Schülerkonvikt respektive Internat, erfuhr insofern eine Umwandlung, als die St. Albert-Schule mit Genehmigung des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung in eine gymnasiale Aufbauschule umgewandelt wurde. Königstein konnte also Ostern 1951 mit der Einrichtung einer gymnasialen Aufbauschule beginnen und einen sechsjährigen Zug bis zur Abiturprüfung versuchsweise durchführen. Die endgültige Entscheidung über die Anerkennung als gymnasiale Aufbauschule konnte erst erfolgen, wenn die erste Reifeprüfung abgelegt worden war. Auch 1951 war die Situation der Schule wesentlich durch eine hohe Fluktuation im Lehrkörper bestimmt. Zwei Studienräte verließen die Schule, u.a. der Schulleiter, der am 12. Oktober 1951 eine Stelle am Städtischen Gymnasium Bad Homburg an-

21

Kindermanns Bericht, S. 2.

544

Abschnitt VI

trat. Kommissarischer Leiter wurde am 30. Dezember 1951 der Leitmeritzer Domkapitular Dr. Joseph Weißkopf. Als grundlegende Aufgaben blieben, einen Kern gediegener und beständiger Lehrkräfte zu schaffen und die Altersversorgung der Lehrer am Gymnasium sicherzustellen. Kindermann hoffte auf das Land Hessen, das in diesen Jahren sondierte, einen Weg für die Altersversorgung der Lehrkräfte an Privatschulen zu finden. Der Leiter wollte, solange in dieser Richtung berechtigte Hoffnung bestehe, abwarten. Die Übergangszeit wollte er durch ältere Lehramtsassessoren überbrücken, die der Staat für längere Zeit an der St. Albert-Schule lassen sollte. „Derzeit ist es an unserer Schule so, dass wir eine Reihe sehr guter gediegener, älterer Assessoren bei uns haben, die wir bereits gehaltlich wie Studienräte behandeln und um die wir uns bemühen, dass Wiesbaden sie möglichst lange bei uns belässt. Einen Schaden für weiterhin haben die Herren nicht, weil ihnen alle Dienstjahre an der St. Albert-Schule später angerechnet werden.“22 1951 hatten an der St. Albert-Schule im Frühjahr 36 und am 11. März 1952 sieben Schüler ihr Abitur abgelegt – alle mit Erfolg. Von den 36 Abiturienten hatten sich acht für das Theologiestudium eingeschrieben, von den sieben Abiturienten fünf. Die Schülerzahl betrug mit Beginn des Jahres 1952 210.23

22

23

Protokoll über die außerordentliche Hauptversammlung des Vereins Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. vom 15. September 1955 zu Königstein/Ts., 7 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, Zitat S. 3. Zur Situation im Gymnasium und zu den Lehrern der frühen Phase – aus einem Gespräch mit Prälat Dr. Wolfgang Grocholl: Ich bin zum ersten Mal in Königstein gewesen auf die Vermittlung eines sudentendeutschen Pfarrers hin, der in der nordwürttembergischen Diaspora als Rucksackpriester tätig war. Er kannte Kindermann. Er erkundigte sich, ob ich nicht dort Schüler werden könnte. Denn von Blaufelden nach Crailsheim musste ich sehr viel im Zug sitzen, verlor dadurch auch Zeit und war ja davor schon zwei Jahre ohne Schule gewesen – von Weihnachten 44 bis Herbst 46. Dann kamen wir nach Blaufelden, Kreis Crailsheim. In dieser Zeit war ich Schüler in der Oberschule in Crailsheim. 1948 kam ich nach Königstein bis 1950. Der Konviktsdirektor oder Konviktspräfekt, also der Chef vom Internat, war Josef Krzoska….Er hatte einen Subregens. Das Amt war auch eigentlich einem Vorgesetzten im Priesterseminar vorbehalten. Aber der hieß im Konvikt eben auch Subregens; es war Günther Wydra. Er wurde später Subregens im Priesterseminar. Auch in der Zeit, als ich im Seminar war. Ich bekam den Platz in der Obertertia und verließ Königstein mit der Untersekunda, also mit der Mittleren Reife... Ich habe in Königstein auch die Situation der Internatsschüler miterlebt. Die deswegen eine besondere war, weil man in diesem Hause alle Gliedgemeinschaften der katholischen Jugendorganisationen vorfinden konnte. Also die KJG, die Katholische Jungmänner-Gemeinschaft, wie sie früher dann hieß, dann Bund Neudeutschland, dann die Pfadfinder und die Marianische Kongregation. Für eine von ihnen sollte sich eigentlich jeder entscheiden. Ich kann mich noch erinnern: Es war ein späterer Kaplan in Berlin, der uns als Student mit einer Gruppe betreut, also die Gruppenstunden gestaltet hat. Es war eine schöne Sache. Der hat es verstanden, wie man einen Schrifttext für Jungs auslegt. Der hat Freundlichkeit ausgestrahlt... Ich habe dann auch als Präfekt bei den Pfadfindern die Kuratenführung übernommen. Das bedeutete: In den Pfingstferien gingen wir in den Taunus und machten dort Pfingstlager. Das sind alles Erlebnisse, die haben sicher mehr bewirkt als jedes pädagogische Studium, um nachher Religionslehrer zu sein.“

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

545

Fixierung der Ziele Wohl 1952 oder 1953 gab sich die St. Albert-Schule ein Statut, für das Weißkopf im Einvernehmen mit Kindermann verantwortlich zeichnete.24 Dieses Statut bestimmte als Aufgabe der St. Albert-Schule, den Schülern eine den staatlichen wie kirchlichen Anforderungen entsprechende schulische Ausbildung in den Lehrfächern eines humanistischen Gymnasiums zu geben. Lehrplan und Durchführung des Lehrplans sollten sich nach den für die höheren Schulen der gymnasialen Richtung im Land Hessen geltenden staatlichen Bestimmungen richten. Um den Intentionen entsprechen zu können, müssten die Lehrer und der Leiter der Schule katholisch sein und sollten immer die vom Unterhaltsträger, sprich vom Albertus-Magnus-Kolleg, gesteckten Ziele im Auge behalten. Andererseits gab das Statut der Schule die Sicherheit, dass der Unterhaltsträger nicht in die inneren Schulangelegenheiten eingreifen konnte. Die Schule sollte mit dem Präfekten des Schülerkonviktes, respektive Internats ständige Verbindung halten, damit das gemeinsame Erziehungsziel von Schule und Konvikt erreicht werden konnte. Die politische Großwetterlage bedrohte das Erreichte Die Entwicklung sah also sowohl im Schulbereich wie auch im Studienbereich nach Etablierung aus. Da kam in den sich verschärfenden Ost-West-Spannungen der

24

Bendel: „Herr Grocholl, Sie hatten, weil Sie dann von Königstein wieder ins württembergische Schulsystem wechselten, den direkten Vergleich. Wie schätzen Sie auf dem Hintergrund den Königsteiner Unterricht ein? Sie waren ja noch in der Anfangsphase in Königstein. Da hatte zunächst noch Büttner Lehrer ausgesucht; manche waren mit der Wahl nicht ganz einverstanden. Auch Kindermann hat Bekannte unterzubringen versucht. Hat sich das auf die fachliche Seite im Unterricht ausgewirkt?“ Grocholl: „Für die Obertertia und die Untersekunda muss man sagen, es waren ja Fachkräfte, die froh waren, dass sie eine Anstellung gefunden haben. Und Königstein war froh, dass es jemanden gefunden hat – das geht auf Gegenseitigkeit. Da muss man die Situation im Nachkriegsdeutschland berücksichtigen. Ich hatte in Mathematik einen Lehrer, der war später Dozent in Wiesbaden und das hätte er eigentlich schon eher haben können, bloß kam er da nicht rein. Ich hatte einen Erdkunde- und Biologielehrer – das muss ein Schulfreund meines Vaters gewesen sein. Jaschke war ein herzensguter Mann, der innerhalb einer Stunde die Noten für alle machte, weil er vorher die Schüler ständig beobachtet hatte. Das war eine Disziplin aufgrund der Freundlichkeit. Er hat es also beispielsweise auch fertig gebracht, die letzte Stunde vor den Ferien uns auf die Folter zu spannen – fast. Das muss man aber im Guten sehen. Er hat sich die Klampfe genommen und hat uns die ganze Stunde Lieder vorgesungen. Der konnte auswendig zitieren, dass man sagt: „das möchte ich auch einmal machen.“ Das ist Pädagogik, für meine Begriffe, mehr als alles andere. Natürlich gab es auch den Herrn Triller, der ist zum Teil auch verulkt worden. Immerhin hat er uns den Zugang eröffnet zu entsprechenden Dichtern, über die wir dann – in der Untersekunda – auch Referate halten mussten. Während meiner Präfektenzeit gab es einen Lateinlehrer, das war einer aus der österreichischen Schule, der hat ganz bewusst sich für den Unterricht der Sextaner entschieden, obwohl er Schulleiter und als Altphilologe Fachmann war. Vgl. auch die Dokumente 40 (Broschüre Schülerkonvikt) und 41 (Urfaust – eine Aufführung des Schülerkonvikts) im Anhang. Vgl. Dokument Nr. 37 im Anhang.

546

Abschnitt VI

Wunsch der amerikanischen Soldaten (die Vereinigten Staaten verstärkten angesichts der Berlinblockade des Koreakrieges 1950 ihre Truppen in Europa erheblich), die Königsteiner Kasernen für amerikanische Soldaten zur Verfügung zu stellen. Es sah so aus, als ob die Königsteiner Vertriebeneneinrichtungen in eine Ersatzunterkunft in der Nähe von Fulda umziehen müssten. Kindermann gelang es jedoch, im amerikanischen Hochkommissar John Jay McCloy25 einen Freund für Königstein und mit dem Nuntius Bischof Muench, der ursprünglich als Militärbischof der amerikanischen Truppen nach Deutschland gekommen war, einen Fürsprecher für die Königsteiner Einrichtungen zu gewinnen. So gelang es, die Beschlagnahmung aufzuheben. Künftig war eindeutiges Ziel Kindermanns, die Kasernen zu kaufen. Am 3. November 1952 konnte Kindermann den Kaufvertrag mit dem Land Hessen unterzeichnen. Für eine Million DM gingen die Kasernen in das Eigentum des Albertus-Magnus-Kollegs e.V. über. „Der Kaufvertrag hatte endlich das Mieterdasein beendet. So konnte bald daran gegangen werden, die beiden Hauptgebäude der ehemaligen Kaserne gründlich herzurichten. Im Jahre 1953 wurden die riesigen Dachböden beider Häuser zu Zimmern für die Studenten und zu Schlafsälen für die Schüler umgebaut. So entstanden die vielen kleinen Gauben, die das Dach beleben. Die zahlreichen Kamine, die wegen der Ofenheizung erforderlich waren, wurden abgebrochen, Zentralheizung eingebaut. Geschickte Farbgebung milderte im Inneren den Kasernencharakter.“26 Nach dem Kauf der Kasernen galt es, diese nicht nur auszubauen, sondern auch zusätzlich Grundstücke zu erwerben. Kindermann dachte an einen Neubau, nämlich das Haus der Begegnung. Man brauchte eine Tagungsstätte. Man brauchte, das erwies sich dann im Kontext der Kapellenwagenmission als notwendig, Stellplätze und Unterbringungsmöglichkeit für die 30 Kapellenwagen der Ostpriesterhilfe. Man brauchte langfristig gesehen auch einen Schulneubau. Vor allem musste man dafür sorgen, dass Schule und Schülerkonvikt eigene Räume bekamen. Bis zum Schulneubau in den sechziger Jahren dienten die Klassenräume auch als Studierzimmer und Aufenthaltsräume für die Schüler, die größtenteils im Konvikt lebten. So spielte sich der ganze Tag in ein und demselben Raum ab. Am 27. Februar 1953 konnte Kindermann den Kaufvertrag für die angrenzende Wiese mit dem Bevollmächtigten der alten Frankfurter Bankiers-Familie von Goldschmidt-Rothschild27 unterzeichnen. In den folgenden Jahren absorbierte der Bau der Garagen und des großen Kongress-Saales über den Garagen mit einem Seitenflügel für Gästezimmer, also die Errichtung des Hauses der Begegnung alle Kräfte in Königstein.

25

26 27

John Jay McCloy (1895 – 1989), von 1949 bis 1952 Hoher Kommissar der Bundesrepublik Deutschland. Er residierte auf dem Petersberg bei Bonn. Thomas Alan SCHWARTZ, Die AtlantikBrücke. John McCloy und das Nachkriegsdeutschland. Frankfurt/M., Berlin 1992. Heinzdieter SCHLEUPNER, Die Schulträger. Limburg, 16A/13, S. 10. Vgl. dazu Maximilian von Goldschmidt-Rothschild. In: Neue Deutsche Biographie (NDB), Band 22. Berlin 2005, S. 718.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

547

Die Bautätigkeit und die Ausweitung der Tagungen, die Gründung immer neuer Institute banden nicht nur einen großen Teil der Kräfte, sondern verschlangen erhebliche finanzielle Mittel. Umfangreicher Mittel aber bedurfte auch die Schule, die als Privatschule mit relativ geringen staatlichen Zuwendungen zum größten Teil vom Schulträger finanziert werden musste. Ohne die anhaltende Spendenbereitschaft der Vertriebenen, ohne einige namhaften Großspenden und ohne die Hilfe aus den USA, wo Kindermann in sechs Predigtrundreisen Spenden erbat, wäre der Schulbetrieb und vor allem dann der Neubau der Schule nicht möglich gewesen.

Ungelöste Aufgaben – Visitation Das Belegenheitsbistum sah sich 1952 veranlasst, eine Visitation in Königstein durchzuführen, um einige drängende Aufgaben, deren Lösung Kindermann nicht nachdrücklich genug anging, klären zu helfen. Auslöser waren Klagen über Missstände in der Leitung des Konviktes und die ungeklärte Altersversorgung der Lehrkräfte an der Schule. Die Visitatoren hatten Kindermann vorgeschlagen, für die Schule einige feste Etatstellen anzustreben. Es wurden unterschiedliche Möglichkeiten erörtert, auch die Schwierigkeiten, dass die Altersversorgung der Lehrkräfte in den Jahreshaushalt der Schule eingebaut werden müsse. Man erhoffte sich, damit vom ständigen Wechsel der Lehrpersonen wegzukommen und eine, wenn auch kleine Kerntruppe an Lehrern aufbauen zu können, die sich für die Anstalt verantwortlich wusste. Eine zweite Kernaufgabe der Visitation war die Persönlichkeit des Internatsleiters, Dr. Weiss, der von Kindermann besonders protegiert worden war. Das Protokoll spricht von Misshelligkeiten bei der Führung des Internates durch Dr. Weiss. Daher wurde Kindermann vorgeschlagen, Dr. Weiss abzuberufen. Kindermann ging darauf ein, wollte ihn aber als Lehrer an der Schule erhalten wissen. Die Visitatoren hingegen unterstrichen, dass dies nicht möglich sei. „Er würde in seinem Bericht den betreffenden Bischöfen den Vorschlag machen, dass Herr Dr. Weiss gar nicht mehr an der Anstalt verwendet wird. Schließlich stimmte Prälat K. auch einer solchen Regelung zu. Damit ist ein Hauptanliegen der Visitation erledigt.“28 Eine weitere zentrale Frage im Hinblick auf die Schule war, dass in der öffentlichen Meinung der Eindruck vorherrschte, auf die Schüler werde Druck ausgeübt, sich für den Beruf des Priestertums zu verpflichten. Dem widersprach Kindermann. Die Visitatoren drängten darauf, bei den Aufnahmeformularen und bei der Gewährung von Ermäßigungen in keiner Weise eine schriftliche Erklärung von den Antragstellern zu fordern, die irgendwie eine Verpflichtung für den Priesterberuf enthalte. „Die Führung und Erziehung des Internates stellt angesichts der großen Altersunterschiede der Schüler eine erhebliche Schwierigkeit dar. Es wurde empfohlen bei den älteren Schülern, die mitunter schon weit in die zwanziger Jahre hineinreichen, eine zeitgemäßere Methode der Erziehung anzuwenden.“29

28 29

Bericht über die Visitation, S. 3. Bericht über die Visitation, S. 3.

548

Abschnitt VI

Damit waren die Visitatoren offensichtlich bei einem Kernproblem der Königsteiner Anstalten, denn das betraf nicht nur die Schule und das Internat für die Schüler, sondern auch das theologische Studium und das Priesterseminar, nämlich die Frage der zeitgemäßen Leitung, Begleitung und Erziehung der Studenten und Schüler. Dieses Problem tat sich nicht erst nach 1968 und in der Bildungsdiskussion der siebziger Jahre auf, sondert reicht zurück bis in die Anfänge der Königsteiner Anstalten und hängt wohl sehr intensiv mit Kindermanns Konzept und Stil und mit seiner Personalauswahl zusammen, die nicht selten Annäherungen an ‚Nepotismus30’ aufwies, wenn dabei auch vor allem genehme Bekannte vorrangig mit Aufgaben betraut wurden. Dass die Bischof-Neumann-Schule mit ihrem spezifischen Anliegen nicht nur durch die zunehmende Integration der Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft ihr Selbstverständnis neu bedenken, und dann durch die Schließung der Hochschule 1977 sich diesen Fragen neu zuwenden musste, sondern auch von der Veränderung der Schullandschaft und vom gewandelten sogenannten Zeitgeist in Frage gestellt wurde, zeigt eine kleine Publikation von 1981, in der die Schulleitung und Vertreter der Trägerschaft das Anliegen der Bischof-Neumann-Schule in seinen verschiedenen Facetten aktuell zu plausibilisieren versuchten. So wurde über die katholische Schule in freier Trägerschaft nachgedacht, wie auch über Grundlagen und Ziele einer solchen freien Schule, aber eben auch über katholisch-humanistische Erziehung und ein Plädoyer vorgetragen, dass humanistische Bildung kein Relikt von gestern sei.31

Kindermann schildert die Atmosphäre der Schule in der Frühphase Kindermann war nicht nur Professor an der Hochschule und auf eine große Zahl an Theologiestudenten aus den Abiturjahrgängen bedacht, er war nicht nur Vorsitzender des Trägervereins von Schule und Hochschule, sondern in den ersten Kursen auch als Lehrer für Gemeinschaftskunde an der Schule tätig und als „Hausvater“ in Königstein, als der er sich schon bald stilisierte, für die Atmosphäre im Haus, also in Schule und Konvikt zuständig. Er begrüßte die Schüler nach den Ferien, er versuchte sich ein Bild zu machen von der Stimmung in der Schule, auch von der Not und der Bedürftigkeit der Schüler, um über die Priesterwerke und die Spenderinnen und Spender, die er über die Königsteiner Rufe und das Jahrbüchlein erreichte, nach Möglichkeiten zur Hilfe zu suchen.32 „48 Buben im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren sind Mitte Oktober in die Vorstufe der St. Albert-Schule in Königstein eingetreten. Viele konnten wegen Platzmangel keine Aufnahme finden. In dieser Vorstufe verbleiben sie eineinhalb Jahre, um dann bei gutem Erfolge Ostern 1951 in die Quarta (3. Klasse) aufzusteigen. So versu30 31 32

In diesem Kontext ist auch die Vermietung im Haus der Begegnung an den Getränkemarkt zu sehen. Mieterin war eine Nichte(?) Kindermanns. HAUS DER BEGEGNUNG/ALBERTUS-MAGNUS-KOLLEG KÖNIGSTEIN E.V. (Hg.), Bischof-NeumannSchule, eine Schule in katholischer Trägerschaft. Limburg . Vgl. beispielsweise den Bericht Kindermanns über seine Unterhaltung mit den Jüngsten im Konvikt in Königstein, in: Königsteiner Rufe 1 (Dezember 1949), Heft 8, S. 216-218.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

549

chen wir, der lückenhaften und so ganz verschiedenen Vorbildung unserer neu eintretenden Jungen Rechnung zu tragen. Die Jungen wollen einmal Priester werden. Aus allen deutschen Ländern und Zonen kommen sie: acht aus der Ostzone, zwölf aus der englischen, 25 aus der amerikanischen und drei aus der französischen Zone. Ihre alte Heimat haben acht im Ermland, zwei in Danzig, elf in Schlesien, 23 in den Sudetenländern, drei in den Sprachinseln des Südostens, einer ist Flüchtling aus der Ostzone. So ist also ganz Deutschland vertreten. Ein getreues Abbild der Austreibung; denn wie eine Handvoll Sandes hat man die Millionen aus dem Osten in alle Richtungen des Restvaterlandes verstreut. Es ist Sonntagvormittag. Die Jungen haben eine Stunde Freizeit; ein Theologe liest ihnen gerade etwas vor. Da trete ich mitten unter die junge Schar und plaudere mit ihnen. Spiegeln doch diese 48 Schüler unverblümt und ohne Täuschung die wahre Gegenwartssituation der Millionen von Vertriebenen in Deutschland wieder. Wie sieht nun das Flüchtlingsbild von heute, gesehen an unserer Vorstufe, aus? Von den 48 Buben haben 16 keinen Vater mehr. Also jeder dritte Junge ist ohne väterlichen Erzieher. Drei davon sind Vollwaisen; bei weiteren zweien fehlt die Mutter. „Wie viele Geschwister seid Ihr denn daheim?“, fragte ich die Jungen. „Wir sind ihrer elf“, sagte der Eine. Und der andere: „Wir zehn.“ Ein Dritter: „Wir sieben.“ In vier weiteren Familien je sechs, in sieben Familien je fünf, in 14 Familien je vier, in neun Familien je drei und in weiteren neun Familien je zwei Geschwister. Nur zwei Jungen waren in ihrer Familie das einzige Kind. – Und die Wohnungsverhältnisse dieser Familien, aus denen trotz allem sich noch Priesterberufe melden? Auch danach fragte ich die Buben: in neun Fällen bewohnen die Jungen mit ihren Eltern und Geschwistern einen einzigen Raum. Die Stärke dieser Familien ist verschieden. Nur einmal sind es acht Personen, viermal je vier, zweimal je fünf, in zwei Fällen wohnen sogar je sechs Personen in diesem einen Raum, der ihnen also Küche, Stube, Schlafzimmer, kurz alles sein muss. Zu diesen neun Familien in je einem Raum kommen elf weitere Familien, die neben dem einen Zimmer noch einen kleinen Nebenraum, meistens eine Küche, haben. Auch da ist oft die Bewohnerzahl dieser zwei Räume groß. So wohnen hier in einem Fall acht Leute beisammen, in zwei anderen Familien je sieben, in drei Familien je sechs, in weiteren drei Familien je fünf und schließlich in zwei Familien je vier Personen. Aus diesen Zahlen wird das ganze Grauen der Wohnungsnot unter den Flüchtlingen offenbar. Es ist ein Wunder der Gnade, wenn diese Enge des Lebensraumes nicht alles Höhere im Menschen erstickt. Fünf Jungen hausen noch im Lager, der eine sogar in einem Massenraum mit 64 Personen. Der andere wohnt in einer Baracke, in der 24 Familien in zwei Räumen leben müssen. Wieder ein anderer in einer Baracke mit sechs Räumen und in jedem Raum leben 20 Personen … Ich fragte die Jungen, wer denn von ihnen nicht im eigenen Bette allein schläft, wenn die ganze Familie daheim ist. Da meldeten sich von 48 Jungen 20 … Einer schläft auf dem Strohsack, der jede Nacht auf die Erde ausgebreitet wird und ein Junge muss bereits seit 1947 auf einer Bank die Nacht zubringen. Einer sagte sogar, er schlafe auf Stühlen.“ 33

33

Ebd., S. 216f.

550

Abschnitt VI

3.

3.1.

Der Ausbau der Schule und der Neubau

Vollgymnasium

Seit Ostern 1958 gab es neben dem Aufbauzug ein Vollgymnasium. Der Jahresbericht der St. Albert-Schule für das Schuljahr 1958/59 wies darauf hin, dass die Zahl der Anmeldungen von zehnjährigen Jungen zur Aufnahme in den letzten Jahren immer mehr zugenommen habe. Deswegen habe sich der Träger der Schule mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde dazu entschlossen, neben der Aufbauform, in die Schüler nach Vollendung der 6. Klasse eintraten, einen neunjährigen Zug zu eröffnen. Beide Züge sollten in der Weise durchgeführt werden, dass sie der Klasse 11 zusammengelegt und gemeinsam bis zur Reifeprüfung weitergeführt werden können.34 Damit wurde der Raummangel im sogenannten Unterhaus, in dem die Schule untergebracht war, noch größer. Jedes Jahr brauchte man mindestens einen neuen Schulraum. In Kindermanns Augen konnte nur ein Neubau Abhilfe schaffen. So verfasste er für seine Vorstandskollegen, für die Mitgliederversammlung und für die potentiellen Geldgeber der Bischofskonferenz und staatliche Stellen ein Memorandum zum Schulneubau in Königstein.35 Kindermann erinnerte an die bisherigen Leistungen Königsteins: Bis Mai 1960 waren 229 Priester aus dem Priesterseminar hervorgegangen; die St. Albert-Schule hatte 13 Abiturprüfungen angeboten, in denen 300 Schüler zum Abitur geführt wurden. Alle, die zum Abitur angetreten waren, hatten es auch bestanden. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass, obwohl die Königsteiner Anstalten gekauft, um- und ausgebaut worden waren, derzeit keine zu verzinsenden Schulden mehr auf dem Objekt lasteten. Er rechnete kirchlichen Stellen vor, wie wenig 229 Neupriester die Diözesen gekostet hatten.36

34 35 36

Vgl. Jahresberichte in KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 6/198. Jahresbericht 1958/59, S. 6/7. KZG Bonn, Akten Königstein, Bischofszimmer, 15.207. Das Memorandum umfasst elf Seiten in Maschinenschrift. Memorandum, Punkt 5 auf S. 2 „Die Mittel, die für die Zielsetzung des Albertus-MagnusKollegs bis zum 31.12.1959 aufgebracht wurden, betrugen über 13 Mio. DM. Der überdiözesane Beitrag der Bischofskonferenzen davon 550.000,- DM. Das sind etwas über 4 vom 100. Die Ausbildung der 229 Neupriester, die aus Königstein hervorgegangen sind, erforderte – wenn man für einen Neupriester DM 15.000,- ansetzt, die Summe von nahezu 1,5 Mio. DM. Königstein ist in all den Jahren vor allem durch die große Opferkraft der Heimatvertriebenen aufgebaut und erhalten worden.“

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

3.2.

551

Die Ausrichtung der Schule

Die satzungsgemäße Hinführung der Schüler und Konviktualisten zum Theologiestudium und zum Priesterberuf war in Königstein eng verknüpft mit der Ostausrichtung. Beides wurde wiederholt angefragt und zur Diskussion gestellt. Eltern und Schüler wehrten sich in späteren Jahren nicht selten gegen eine zu eng ausgelegte Verpflichtung hin auf das Berufsziel Priester. Die Träger des Gymnasiums und des Konviktes mahnten wiederholt eine zu lasche Auslegung dieser Satzungsbestimmung an. Ebenso kam die Ostausrichtung immer wieder zur Debatte, die sich primär an der Sprachenfolge entzündete: Wo sollte eine slawische Sprache im Unterrichtsgang der St. Albert-Schule, der Bischof-Neumann-Schule eingebaut sein? Ein Beispiel dieser Diskussion ist das Protokoll einer Lehrerkonferenz wohl aus dem Jahr 1955.37 „Die St. Albert-Internatschule besteht als Humanistisches Vollgymnasium und als Neusprachliches Gymnasium in Aufbauform. Das Vollgymnasium hat neun, das Aufbaugymnasium sieben Klassen. Dritte Fremdsprache in der humanistischen Vollform ist Englisch, zu der in der Oberstufe als Wahlpflichtfach eine slawische Sprache kommt (russisch, polnisch, tschechisch). Die neusprachliche Aufbauform beginnt mit Englisch, nach einem Jahr kommt Latein hinzu und in der Oberstufe als Wahlpflichtfach Griechisch bzw. eine slawische Sprache. Die Vollform vereinigt sich in der Obersekunda in einigen Fächern mit der Aufbauform, um dann mit dem staatlich anerkannten Abitur abzuschließen.“38 Kinder im Alter von zehn Jahren sind demnach in die Vollform aufgenommen worden, also nach vier Klassen Volksschule, und im Alter von zwölf Jahren für die Aufbauform, d.h. nach sechs Klassen Volksschule. Höchstalter für die Aufnahme war 14 Jahre. In allen Zweigen wurden mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde ab der elften Klasse slawische Sprachen, und zwar Russisch, Polnisch und Tschechisch als Wahlpflichtfächer geführt.39 Die Aufbauschule sollte ursprünglich den Schülern mit ausgesprochener Begabung in einer die Konzentration fördernden Atmosphäre in sieben Jahren zum gleichen Ziel führen, wie entsprechende neunstufige Anstalten. Gleichwertige Bildung wurde angezielt.40 Die Aufbauschule brachte für die Schüler von Haus aus bereits eine höhere Belastung gegenüber dem neunjährigen Normalzweig. Dazu kam in Königstein nach Einschätzung der Lehrer, dass die Aufbauschule eine humanistische Ausrichtung hatte. Während vergleichbare Aufbauschulen als erste oder zweite Fremdsprache das verhältnismäßig einfach zu erlernende Englisch anboten, wurden hier Latein und Griechisch gefordert. Zu diesen Belastungen kam die dritte Fremdsprache, die im Bil-

37 38 39

40

KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 13/205. Das Protokoll umfasst 5 S. in Maschinenschrift. Die Königsteiner Anstalten 1964. Sonderheft der Königsteiner Rufe. Die St. Albert-Schule mit Schülerkonvikt, S. 6. Informationsblatt über die Bischof Neumann-Schule des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein, staatlich anerkanntes, privates Gymnasium, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3243, einseitig masch. vom 6. September 1971. Auszug aus dem Protokoll, S. 1.

552

Abschnitt VI

dungsplan der Aufbauschule eigentlich nicht vorgesehen war. Die Schüler der Königsteiner Aufbauschule hatten eine dreifache Belastung zu ertragen. Nun galt es zu entscheiden, wo Tschechisch und Polnisch, die im Schuljahr 1954/55 probeweise eingeführt worden waren, zu platzieren waren. Eine erste Möglichkeit war, sich für eine der beiden genannten Sprachen als zweite Fremdsprache unter gleichzeitiger Beibehaltung des Griechischen als dritter Fremdsprache zu entscheiden. Dabei müsste trotzdem berücksichtigt werden, dass die Albertus-MagnusSchule ihre Schüler für das Theologische Hochschulstudium vorbereiten soll. D.h. die Kenntnis der griechischen Sprache ist eine unerlässliche Voraussetzung. Außerdem wurde auf die Schwierigkeit hingewiesen, ein entsprechendes Lehrbuch für die tschechische Sprache zu bekommen. „Obwohl unsere Anstalt zu den allgemein-bildenden höheren Schulen gehört, soll dabei die Frage nach dem Bildungswert der slawischen Sprachen an sich und im Vergleich zu der griechischen Sprache hier nicht weiter erörtert werden. Aber mit dem Aufgeben Letzterer scheidet unsere Schule doch aus dem engeren Kreis der eigentlichen humanistischen Bildungsanstalten. Die Einführung der beiden slawischen Sprachen als zweiter Fremdsprache würde wohl bedeuten, dass der Kreis unserer Schüler sich für absehbare Zeit auf solche beschränken würde, deren Eltern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten kommen. Doch müsste ein Schulwechsel, der manchmal nicht bloß ratsam wäre, sondern sich vielleicht sogar als zwingend notwendig herausstellen könnte, auf sehr große, zum Teil sogar unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen.“41 Sollten Polnisch oder Tschechisch als dritte Fremdsprache anstelle des bisher gelehrten Englischen eingeführt werden, eine weitere Variante, dann stünde den beiden slawischen Sprachen nur eine beschränkte Unterrichtszeit zur Verfügung, die zwar reichte, um Grundlagen im Englischen zu legen, aber nicht in einer entsprechenden slawischen Sprache. Wenn also schon, so der Tenor der Konferenz, die dritte Fremdsprache beibehalten werde, dann sei es im wohlverstandenen Interesse der Schüler, Englisch beizubehalten, als an dessen Stelle eine slawische Sprache zu setzen. Die Debatte lief demnach auf die Variante drei hinaus, die Bildung slawischer Arbeitsgemeinschaften – auch das eine zusätzliche Belastung der Schüler. Es kämen letztlich nur die überdurchschnittlich Begabten in Betracht, also nur ein ganz geringer Bruchteil der Schüler. Die Arbeitsgemeinschaften beschränkten sich wohl auch auf die Klassen elf und zwölf, weil 13 von zusätzlichen Arbeitsgemeinschaften im Interesse der ungestörten Vorbereitung auf die Reifeprüfung freizuhalten sei. „In diesen zwei Jahren können die Schüler in den auf zwei Wochenstunden beschränkten Arbeitsgemeinschaften kaum über die einfachsten sprachlichen Grundbegriffe der slawischen Sprachen hinauskommen. Soll die dafür aufgewendete Zeit und Mühe wirklich einen Sinn haben, müsste die Hochschule das Begonnene weiterführen und zu einem gewissen Abschluss bringen, dann, aber nur dann, wenn diese Voraussetzung gesi-

41

Auszug aus dem Protokoll, S. 3.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

553

chert ist, könnte das Risiko eines neuerlichen Versuchs der slawischen Arbeitsgemeinschaften gewagt werden.“42 Hohe Ideale wurden an das Schülerkonvikt gelegt. Selbstverständlich sollten vorrangig Kinder aus heimatvertriebenen Familien aufgenommen werden, die das Berufsziel Priester vor Augen hatten und sich gleichzeitig dem Osten missionarisch verantwortlich fühlten. Jungen aus einheimischen katholischen Familien, die dieses grundlegende Ausbildungsziel ebenfalls bejahten, konnten auch Aufnahme finden. Im Zentrum stand der Priester als Erzieherpersönlichkeit, unter dem die Hausordnung zur Lebensordnung werden sollte, „die durch Einpflanzung lebenswertiger Gewohnheiten und Sitten den jugendlichen Charakter für den Lebenskampf rüstet. Dafür freilich muss sie vom religiös-konfessionellen Geiste inspiriert sein.“43 Zentral war daher die tägliche Eucharistiefeier, ergänzt durch die abendliche geistliche Lesung, priesterliche Worte nach dem Abendgebet und das Stillschweigen am Abend. Noch 1971 warb ein Informations- und Werbezettel mit dem besonderen Charakter der Schule, der in ihrer Ostausrichtung liege. Sie wolle die Aufgeschlossenheit und Verantwortung für die Ostgebiete wach halten. Bestenfalls indirekt begegnen Hinweise auf eine kritische Situation im Internat im Kontext der Unruhen von 1968.44 Man sah offensichtlich sehr wohl, dass die pädagogische Betreuung gerade der älteren Schüler nurmehr unzulänglich geleistet werden konnte. Im Gymnasium wurde in den siebziger Jahren wiederholt die Diskussion geführt, ob man lediglich eine alternative Schule für Reiche sein wolle oder ob die Ostausrichtung nach wie vor ein Charakteristikum der Schule sein solle. Fokussiert wurde diese

42 43 44

Auszug aus dem Protokoll, S. 4. Die Königsteiner Anstalten 1964. Sonderheft der Königsteiner Rufe. Die St. Albert-Schule mit Schülerkonvikt, S. 6. Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, Protokoll der 22. Ordentlichen Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. am 22. April 1969, 2 S. masch. Dort heißt es auf S. 2: „Weihbischof Dr. Kindermann berichtete von Überlegungen zu einer Reform des Aufbaugymnasiums, wobei jedoch die besondere Möglichkeit, ältere Jungen (12 bis 14 Jahre) aufzunehmen, unbedingt erhalten bleiben muss. Mehrere Mitglieder wiesen darauf hin, dass niemals der satzungsgemäße Zweck der Bischof Neumann-Schule infolge einer Überfremdung durch ortsansässige Jungen in den Hintergrund treten darf. Über die Situation des Schülerkonvikts berichtete Konviktsdirektor Siewek. Er sprach über die Ereignisse des Monats März (Flugblattaktion). Die Hausordnung hat sich im Großen und Ganzen bewährt und soll deshalb erhalten bleiben. Positive Vorschläge der Schüler werden stets bereitwillig auf ihre Durchführbarkeit untersucht werden. In der Debatte über die geistige Situation der studierenden Jugend konnten die anwesenden Mitglieder zahlreiche wertvolle Hinweise aus ihrer Praxis beisteuern. Besonders wichtig ist eine enge und gute Zusammenarbeit der Erzieher in Schule und Internat zum Wohle der uns anvertrauten Jungen. Das größte Problem des Schülerkonvikts ist der Mangel an Erziehern. Der Leiter berichtete von seinen ständigen Bemühungen um Gewinnung neuer Kräfte. Zur Sicherung eines guten Geistes im Konvikt hält es der Konviktdirektor für erforderlich, den Schülern der Oberstufe im Einverständnis mit den Eltern die Möglichkeit zu geben, das Konvikt zu verlassen und die Schule weiter zu besuchen:“

554

Abschnitt VI

Diskussion nicht zuletzt im abgelehnten Stellvertreter des Direktors, Rudolf Mattausch. Zum regulären Schulbetrieb kamen vom Dezember 1957 bis 1962 Förderkurse für Spätaussiedler, in denen 75 junge Männer zum Abitur geführt wurden. Auch diese Kurse standen in Verbindung mit der St. Albert-Schule. Freilich waren die Kursteilnehmer nicht im Konvikt untergebracht.

4.

Ein Schuljahr

Wie die Chronik der Schule berichtete, kannte das Jahr viele Gedenktage. Als Beispiel sei das Schuljahr 1953/54 herausgegriffen. Die Gedenktage reichten vom 125. Geburtstag von Henri Dunant (8.5.1828 – 30.10.1910), dem Begründer des Roten Kreuzes, am 8. Mai bis zum 125. Todestag von Franz Schubert (31.1.1797 – 19.11.1828) am 19. November. Am 1. Dezember gedachten die Fachlehrer für Geschichte und Sozialkunde in den letzten Unterrichtsstunden im Rahmen von Klassenfeiern der hessischen Verfassung. Schulfrei hatte es am 1. Februar am 70. Geburtstag des Bundespräsidenten Theodor Heuss (geb. am 31. Januar 1884) gegeben. Eine Feierstunde zum Gedenken der Opfer der Berliner Freiheitskundgebung am 17. Juni 1953 gab es ebenso, wie die Besuche des Diözesanbischofs Kempf von Limburg oder der Bischöfe von St. Gallen und von Tournai in Belgien. Selbstverständlich wurde das Stiftungsfest der Schule am Tag des Hl. Albertus Magnus am 15. November gefeiert. Das Schuljahr war strukturiert durch lange Sommerferien von der ersten Julihälfte in der Regel bis Ende August, wobei hier die Sommer- und die Herbstferien zu einer länger dauernden Sommerfreizeit zusammengezogen worden waren. Die Halbjahreszeugnisse wurden am 30. Oktober verteilt. Das Schuljahr begann im April. 1954 war die kirchliche Schlussfeier des Schuljahres am 9. April, am 10. der letzte Unterrichtstag dieses Schuljahres. Feierliche Anlässe des Oberhauses wirkten sich natürlich auch auf das Unterhaus, also auf Schule und Konvikt, aus. So übertrug sich auch die Begeisterung bei der Aussendung der Kapellenwagen im Frühling auf die Schule, oder ein Bischofsbesuch fand auch bei den Schülern seinen Widerhall, ebenso kirchliche Einschnitte. Am 13. Oktober 1958 etwa hielt die Schule ein feierliches Requiem für den verstorbenen Papst Pius XII. Genauso fand ein feierlicher Gottesdienst am 4. November bei der Krönung seines Nachfolgers, Johannes XXIII., statt. Beinahe jeder Jahresbericht vermerkte einen Besuch des Diözesanbischofs.

5.

Herkunft der Schülereltern und Familiensituation

Die Schülerzahl schwankte in den fünfziger Jahren zwischen 200 und 300. Dabei waren die Staatszugehörigkeit und die Religionszugehörigkeit beinahe zu 100%

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

555

selbstverständlich deutsch und römisch-katholisch. Ein knappes Drittel der Schüler kam aus Hessen. Es folgten Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, zu Beginn der fünfziger Jahre auch noch die sowjetische Besatzungszone. 1953/54 kamen nur von acht Schülern die Eltern aus dem Bundesgebiet, hingegen 117 aus dem Sudetenland, 92 aus Schlesien, 37 aus dem ehemaligen Ost- und WestPreußen und 25 aus dem Südosten. Diese Zahlenverhältnisse verschoben sich bereits innerhalb der fünfziger Jahre: Der Jahresbericht von 58/59 weist aus: Eltern von 87 Schülern aus dem Sudetenland, von 56 aus Schlesien, von 23 aus dem ehemaligen Ost- und Westpreußen, von 19 aus dem Südosten und bereits 22 aus dem Bundesgebiet. 1968 stammten noch 55 % der Eltern aus den Ostgebieten. Es war auch deutlich zu sehen, wie sich über die fünfziger Jahre hinweg die Familiensituation veränderte. Im Bericht 1953/54 waren sieben Schüler Vollwaisen. Bei neun Schülern war die Mutter gestorben, bei 92 Schülern der Vater tot oder vermisst. Demgegenüber lebten bei 171 Schülern beide Eltern noch. 1958/59 verzeichnete die Statistik noch vier Vollwaisen, bei drei Schülern war die Mutter tot, bei 59 Schülern der Vater tot oder vermisst, 141 Schüler hatten noch beide Elternteile.45 In der Bischof-Neumann-Schule zeigte sich nach dem Ausweis des Protokolls der 22. ordentlichen Mitgliederversammlung 1968 deutlich die Tendenz, dass die Zahl der Schüler aus Familien von Heimatvertriebenen zurückging. Die Schule wurde 1968 von 149 externen und 195 internen Schülern besucht. Die Jahresberichte der Albertus-Schule bzw. Bischof-Neumann-Schule weisen nicht nur die Veränderungen im Lehrkörper aus, sondern informieren auch über die Bücherei und die Lehrmittelsammlungen, über den Gesundheitszustand der Schüler, über Zuschüsse und Unterstützungen, über die Klassenlektüre und die Aufsätze in Deutsch, die Aufgaben der Reifeprüfung und berichten aus der Chronik der Schule. Die Statistik bietet einen Überblick über den Schülerstand, über die Herkunft der Eltern und ihren derzeitigen Wohnsitz.46

6.

Der Gesundheitszustand der Schüler

Der Jahresbericht 58/59 vermerkte ausdrücklich, dass die Zahl der operativen Behandlungen im Krankenhaus wegen Blindarmentzündung im Berichtsjahr verhältnismäßig gering gewesen sei. Es wird nur von drei Fällen berichtet. Freilich war es beim Spiel- und Sportbetrieb zu ganz wenigen Bein-, Arm- und Fingerbrüchen und einem größeren Unfall, der eine längere Behandlung im Krankenhaus notwendig machte, gekommen. Der Bericht über den Gesundheitszustand der Schüler und Maßnahmen zur körperlichen Ertüchtigung zeigt, dass dieses Thema gerade in den ersten Jahren des Internates ein sehr bedrängendes war. Die Rede war von einer großen Anzahl von Ra45 46

Vgl. Jahresbericht 1958/59, S. 27 und Jahresbericht 1953/54, S. 27. Einige Jahresberichte in KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 6/198.

556

Abschnitt VI

chen- und Mandelerkrankungen, die operative Eingriffe und Krankenhausbehandlung notwendig machten, von einer Grippeepidemie, die ein Drittel der Schüler erfasst hatte, wie etwa an Weihnachten 1952. Im Schuljahr 1952/53 war eine unverhältnismäßig große Anzahl von Blinddarmreizungen und Blinddarmentzündungen zu vermelden. Sieben Schüler mussten zu einer Operation ins Krankenhaus. „Im allgemeinen muss darauf hingewiesen werden, dass ein großer Teil unserer Schüler infolge der mit der Vertreibung und Ausweisung verbundenen körperlichen Strapazen und seelischen Leiden, die sie noch dazu in ihren Kinderjahren erdulden mussten, zu denen noch die großen Ernährungsmängel in den ersten Nachkriegsjahren kommen, sich Krankheiten gegenüber sehr anfällig erweisen. Viele werden trotz der sich später bessernden Ernährungslage und der inzwischen neu gewonnenen seelischen Sicherheit und Geborgenheit an den Folgen der ihnen in früher Kindheit zugefügten Schäden körperlicher und seelischer Art wohl zeitlebens schwer zu tragen haben.“47 1953 war ein Schüler trotz eines operativen Eingriffs an einer zu spät erkannten Blinddarmentzündung gestorben, kurz darauf ein weiterer an den Spätfolgen einer Typhuserkrankung, die er sich in den Wochen der Vertreibung zugezogen hatte.48

7.

Zäsur 1968

1968 wählte die Bischof-Neumann-Schule eine neue Form für ihren Jahresbericht, der primär die statistischen Angaben an die zuständige Schulbehörde liefern sollte. Er wurde jetzt erweitert durch Informationen und Reflexionen zur Zielsetzung der Schule mit Beiträgen über den sich verabschiedenden und den neuen Direktor und auch über den Schutzpatron der Schule Bischof Neumann. Der neue Jahresbericht für die Jahre 1967/1968 umfasste annähernd 70 Seiten.49 Man sah einen neuen Adressatenkreis, nämlich die Eltern, die Schüler und auch die früheren Schüler. Man wollte durch Informationen ein entsprechendes Zusammengehörigkeitsgefühl aufbauen. Man unterstrich die eigenen Spezifika, den Charakter des Gymnasiums als katholische Bekenntnisschule, die aber auch offen war für evangelische Schüler. Deutlich wurde auf die Zielsetzungen verwiesen, die sich aus der Gründungsphase ergaben: eine Schule von Ostdeutschen für die Not der Ostdeutschen und ihren Priesternachwuchs gegründet. Dieses ostdeutsche Erbe solle erhalten bleiben, auch durch die Pflege der slawischen Sprachen. „Wir sind, so viel ich weiß, das einzige Gymnasium in

47 48 49

Einige Jahresberichte in KZB Bonn, Akten Bischofszimmer, 6/198. Bericht über das Schuljahr 1953/54, S. 8. Königsteiner Rufe, März 1954, S. 88 und April 1954, S. 117. Bischof Neumann-Schule, Königstein/Ts., Jahresbericht 1967/68, herausgegeben vom Direktor der Bischof Neumann-Schule, Oberschulrat Dr. J. Borucki, redigiert von Oberstudienrat Dr. R. Mattausch 1968.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

557

Deutschland, das Russisch, Polnisch und Tschechisch treibt, und zwar als Wahlpflichtfach für die Schüler der Oberstufe; Schüler des Aufbaugymnasiums dürfen statt dessen Griechisch wählen.“50 Zur Katholizität und zur Ostausrichtung komme die humanistische Bildungsidee. 51 Acht Studenten hatten nach dem Ausweis des Jahresberichtes 1967/68 als Studienfach Theologie gewählt. Als ein Grund für diese relativ hohe Zahl von Theologiestudenten wird der Religionsunterricht des damaligen Konviktdirektors Anton Klinger angegeben, den er sehr modern gestaltet habe.52 Dokumentiert sind dort Abituraufgaben, auch Berichte über Arbeitsgemeinschaften, z.B. sind eine von Borucki geleitete „Arbeitsgemeinschaft Probleme des Studiums und der Bildung“ oder eine „Arbeitsgemeinschaft Physik“ abgedruckt. Berichte über Studienfahrten finden sich neben Bildern von Kunstwerken der Schüler des Gymnasiums. Ein Verzeichnis des Lehrerkollegiums und der Veränderungen im Lehrerkollegium und der Schüler in den jeweiligen Jahrgangsstufen schließen sich an. Bei den Schülern ist auch die Herkunft der Eltern angegeben.

8.

Schulhausneubau

Kindermann hatte sich am 7. April 1960 mit dem Leiter der Schule, Oberstudiendirektor Dr. Stroß, dem Konviktsdirektor Klinger, dem Architekten Hans Busch und dem Geschäftsführer Schleupner besprochen. Die Runde war zu dem Ergebnis gekommen, dass die St. Albert-Schule und das Schülerkonvikt zu beengt untergebracht waren. 280 Schülern standen zehn Klassenräume zur Verfügung, die zugleich als Studiersäle und Wohnräume dienten. Es gab nur einen Freizeitraum für das Konvikt mit ca. 20 Plätzen. Der augenblickliche Zustand wurde als eine Notlösung bezeichnet, die große Schwierigkeiten für Schule und Konvikt mit sich bringe. Der Schule fehlten schon 1960 ein Zeichensaal, ein Werkraum, eine Schulbücherei, eine Turnhalle. Dem Konvikt fehlten mindestens fünf Freizeiträume. Die Trennung zwischen Lernbereich und Freizeitbereich müsse durchgeführt werden. Der bisherige Zustand sei nicht länger tragbar, „da die Schüler den ganzen Tag über zum Unterricht, Studium, geistlicher Lesung, zur privaten Korrespondenz im gleichen

50 51

52

Jahresbericht 1967/68, S. 8. Jahresbericht 1967/68: Auf S. 9 Informationen über den bisherigen Direktor Dr. Weiß, der den Umzug der Schule in den Neubaukomplex leitete, der Religion, Latein, Griechisch und als Wahlpflichtfach Tschechisch unterrichtet hatte seit 1950 und von 1963 bis 68 Direktor des Gymnasiums war. Ein tabellarischer Lebenslauf zum neuen Direktor Joseph Borucki auf der Seite 10. Jahresbericht 1967/68, S. 14.

558

Abschnitt VI

Raum sich aufhalten müssen. Die Schlafräume sind zum Aufenthalt nicht geeignet und auch aus pädagogischen Gründen nicht vorgesehen.“53 Zusätzlicher Raumbedarf ergebe sich, so Kindermanns Memorandum von 1960 weiter, aus der zwangsläufigen Entwicklung der nächsten Jahre. Die Schule wachse jedes Jahr um eine Klasse. D.h. 1966 würden bereits 16 Klassen bestehen: In der Normalform des Gymnasiums neun Klassen und in der Aufbauform sieben Klassen mit einer Gesamtschülerzahl von 400. Dabei hätte auch das Konvikt eine maximale Belegungsfähigkeit von 300 Betten. Die Runde überlegte, wie dieser Raumbedarf zu befriedigen sei, in welchem Umfang die bereits vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück eine Lösung bieten könnten. Aber auch der zur Verfügung stehende Raum im Priesterseminar wäre zu wenig, selbst nach einer Schließung des Seminars stünden im Seminargebäude nicht genügend Räume zur Verfügung, um den Raumbedarf für Schule und Konvikt zu befriedigen. Außerdem seien dort die Räume für die Verwendung als Klassenräume zu klein. Sie entsprächen auch nicht den Ansprüchen der Schulaufsichtsbehörden. „Eine Gegenüberstellung der möglicherweise im Seminargebäude verfügbaren Fläche mit dem Raumbedarf der St. Albert-Schule zeigt, dass dieser Bedarf nicht einmal zur Hälfte gedeckt werden könnte. Selbst wenn auf die unbedingt notwendige Trennung von Unterrichts- und Studierräumen verzichtet würde und man die bisherigen Unterrichtsräume weiter benutzen wollte, könnten Schule und Konvikt nicht völlig in dem bisherigen Schul/Konvikts- und dem Seminargebäude unterkommen. Sowohl die Schule wie das Konvikt wären außerdem durch die Aufteilung auf zwei Häuser in ihrer Arbeit vor fast unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt … Selbst für den unwahrscheinlichen Fall einer Schließung des Priesterseminars wird daher empfohlen, sich zu einem Neubau zu entschließen und das Seminargebäude ggf. für Tagungszwecke zu verwenden, denen es schon jetzt in den Semesterferien dient.“54 Zu entscheiden war also, nachdem man zu dem Schluss gekommen war, dass gebaut werden müsse, ob es zweckmäßiger war, ein neues Konviktsgebäude zu errichten und in dem bisher gemeinsam von Schule und Konvikt benutzten Haus die vorhandenen Räume zu einem Gymnasium umzubauen oder ob ein neues Schulgebäude gebaut werden sollte. Man kam zu der Überzeugung, dass der Neubau eines Schulgebäudes eindeutig zu präferieren sei, weil damit leichter und kostengünstiger alle Bedürfnisse der St. Albert-Schule erfüllt würden. D.h. die bisher gemeinsam benutzten Gebäude sollten nur noch als Konvikt dienen.55

53 54 55

KZG Bonn, Akten Königstein, Bischofszimmer, 15.207. Das Memorandum umfasst elf Seiten in Maschinenschrift, S. 5. Ebd., S. 8. Ebd., Blatt 9: „Der Neubau eines Konviktsgebäudes und die Herrichtung des bisherigen Schul/Konviktsgebäudes zum Gymnasium verbieten sich aus folgenden Gründen: in dem bisher benutzten Gebäude befinden sich sanitäre Anlagen, Küche und Speisesaal. Diese Anlagen sind erst in den letzten Jahren mit großem und finanziellem Aufwand neu eingerichtet worden. Für den Schulbetrieb sind sie wertlos. Beim Bau eines neuen Konviktgebäudes müssten alle diese Anlagen entweder wieder neu geschaffen werden oder das Konviktsleben würde durch das stän-

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

559

In der Diskussion um den Schulneubau kam als neues Argument vom Leiter der St. Albert-Schule, Dr. Weißkopf, der Hinweis, dass ein Schulneubau insofern nicht notwendig sei, weil es in absehbarer Zeit keine heimatvertriebenen Schüler mehr geben werde, für die staatliche Zuschüsse in Empfang genommen werden könnten. Außerdem sei es nach der Ansicht des Schulleiters im pädagogischen Interesse zweckmäßiger, eine einheitliche Ausrichtung des Lehrkörpers zu erreichen. Weißkopf dachte hier an einen religiösen Orden. Auf dieses Fragezeichen antwortete Domkapitular Karell, dass Limburg zwar großes Interesse an einer höheren katholischen Knabenschule habe, dass aber die Diözese nicht bereit sei, große Zuschüsse für eine Schule zu leisten. Aus dem Vorstand des AMK kam die Forderung, vor der Planung eines Schulneubaues die grundsätzliche Frage nach der weiteren Entwicklung Königsteins zu klären.56 Die Summe für den Schulhausneubau hatte Kindermann im Kontext der ersten entsprechenden Überlegungen im Februar 1956 mit 800.000,- DM angegeben; für die Mitgliederversammlung im Sommer 1956 hatte er den Voranschlag bereits auf eine Million erhöht. Die Skepsis der Mitglieder gegenüber diesem Plan blieb auch bei der Mitgliederversammlung vom 17. Mai 1956. Genehmigt wurde an Sonderausgaben die Summe von höchstens 275.000,- DM, um Unterhaus, Straßen, Führerhaus und Waschküche umbauen und sanieren zu können. In den 1960er Jahren veranschlagte Kindermann für den Neubau mit Einrichtung etwa 2,5 Mio. DM. Er bezeichnete es als unmöglich, diese Summe wie bisher allein mit der Opferkraft der Vertriebenen aufzubringen. Sie wollten zwar wesentlich mithelfen, aber Kindermann brauchte deren Opferkraft auch für die Erhaltung der Anstalten. Er veranschlagte von den Vertriebenen und von amerikanischen Wohltätern eine halbe Million. 1 Mio. erbat er von den Fuldaer Bischofskonferenzen und eine weitere Million erhoffte er sich von staatlichen Stellen, sprich von Hessen und vom Bund,

56

dige Hin- und Herpendeln der Schüler zwischen dem gedachten neuen Wohngebäude und dem Speisesaal, den Duschräumen usw. völlig in Unordnung geraten. Auf dem einzigen zur Verfügung stehenden Bauplatz wird von der Aufsichtsbehörde außerdem nur ein Gebäude in einer sehr aufgelockerten Pavillon ähnlichen Bauweise zugelassen, wie sie für eine moderne Schule durchaus tragbar, für ein Konvikt aber sehr ungeeignet ist.“ In puncto Wirtschaftlichkeit wies Kindermann ausdrücklich darauf hin, dass das AlbertusMagnus-Kolleg Königstein immer Zuschussobjekt gewesen sei und auch bleiben werde. Betriebseinnahmen reichen bei solchen Unternehmungen nicht für Betriebsausgaben. Existenzfähig aber werde es bleiben, so wie es bisher auch war, wenn ausreichend Spenden wie bisher flössen und wenn eine Inanspruchnahme zu einem fremden Zweck ordnungsgemäß vergütet werde. Schließlich legte Kindermann zu dieser Vorstandssitzung auch einen Satzungsentwurf für das Priesterreferat vor, wobei hier einige gravierende Anfragen, vor allem in Bezug auf Gemeinnützigkeit und der Spendenverteilung auf Priesterreferat und Albertus-Magnus-Kolleg geäußert wurden. Auch Demandt formulierte den klaren Hinweis, dass, wenn Neubauten geplant werden, die voraussichtliche Entwicklung von Königstein erst erörtert und geklärt werden müsse. – Vgl. Bemerkungen zur Tagesordnung der am 17. Mai 1956 stattfindenden Mitgliederversammlung von Ordinariatsrat Demandt, 3 S. masch., die Äußerungen zum Satzungsentwurf Priesterreferat auf S. 2, KZG Akten Bischofszimmer 13/205.

560

Abschnitt VI

habe doch die Schule als einzige ostausgerichtete Schule dieser Art in der Bundesrepublik auch für den Staat eine große Bedeutung. Schließlich deutete Kindermann bereits im Kontext der Planungen an, dass die Schule künftig Bischof-Neumann-Schule heißen sollte zum Andenken an den großen Bischof von Philadelphia, den Schulbischof Amerikas, der aus dem Böhmerwald stammte und dessen Seligsprechungsprozess im Gange sei. Ein Entgegenkommen also sowohl den amerikanischen Wohltätern, wie auch den Vertriebenen gegenüber, aus deren Herkunftsgebieten der amerikanische Bischof kam.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

561

Exkurs: Bischof Johann Nepomuk Neumann als Schulbischof57 Johannes Nepomuk Neumann war 1852 zum vierten Bischof von Philadelphia geweiht worden. In seinen acht Bischofsjahren – er war 1860 bereits im Alter von 49 Jahren gestorben – hatte er etwa 80 Kirchen errichten lassen, eine große Zahl davon für deutsche Gemeinden. In Philadelphia hatte er nach dem Motto „Die Sprache rettet den Glauben“ bauen lassen: Man rechnete dort nicht mit einer raschen Assimilierung der Neuzuwanderer. D.h. man musste ihnen Gottesdienst in ihrer Muttersprache anbieten, sollten sie nicht ganz vom Glauben abfallen oder am Gottesdienst nichtkatholischer deutsch sprechender Gemeinden teilnehmen. Zu den Kirchen und den entsprechenden Gemeinden gehörten auch die Schulen. So hatte Bischof Neumann innerhalb seiner acht Jahre als Bischof beinahe 100 neue Pfarrschulen bauen lassen, sie mit Lehrern versorgt und auch regelmäßig visitiert. Dieses Engagement verschaffte ihm schon zu seinen Lebzeiten den Beinamen „Schulbischof“. Freilich konnte die Finanzierung nicht so einfach und so rasch geklärt werden, wie Kindermann sich das erhofft hatte. So konnte erst am 29. Mai 1962 in Anwesenheit des Bischofs von Limburg der Schulneubau endgültig beschlossen werden. Die Summe hatte sich mittlerweile auf 3 Mio. erhöht. Kindermann dachte weiterhin an Spenden von den katholischen Heimatvertriebenen, an Zuschüsse und Darlehen der Priesterwerke, des Bistums Limburg und der Deutschen Bischofskonferenz und an einen Zuschuss aus Bundesmitteln. Wiederum am Fest des Hl. Albertus Magnus am 15. November 1963 konnte der erste Spatenstich vorgenommen werden. Am 29. Juni 1965 erfolgte die Grundsteinlegung der Bischof-Neumann-Schule. Am 15. November 1966 erhielt die jetzt neu als Bischof-Neumann-Schule bezeichnete Schule ihre Weihe. „Das für damalige Verhältnisse sehr großzügig erscheinende Schulgebäude ließ die Enge vergangener Jahre bald vergessen und wirkte anziehend auf die Eltern der Schüler. Es ergab sich wie von selbst, dass externe Schüler aufgenommen wurden. Der Bau der BischofNeumann-Schule war das letzte große Werk der Aufbauphase der Königsteiner Anstalten.“58 1968 wurden die letzten Arbeiten am Schulbau, am Schwimmbad und Gartenarbeiten getätigt. Das Schwimmbad wurde fertig gestellt und am Hausfest am 15. No-

57 58

Augustin REIMANN, Böhmerwaldsohn und Bischof von Philadelphia – Johann Nepomuk Neumann. Königstein/Ts. 1960. SCHLEUPNER, Die Schulträger, Diözesanarchiv Limburg, 16A/13, S. 14. Eine Schilderung des Bauvorganges zur Errichtung der neuen Schule 1963 bis 66 findet sich in der Rede von Dr. Wenzel Weiss, dem Direktor der Schule zur Einweihung. Die Rede ist abgedruckt in der Festschrift „50 Jahre Bischof-Neumann-Schule“, S. 69-72. Vgl. Dokument Nr. 38 im Anhang bzw. ein Modellbild der Schule auf Abb. 31 im Bildteil.

562

Abschnitt VI

vember 1968 eingeweiht. Im Schülerkonvikt war man bedacht, die Räume zu teilen und zu renovieren.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

9.

563

Der Mangel an Finanzen als ständiger Begleiter

In der Mitte der sechziger Jahre standen die laufenden Angelegenheiten mit Bau und Umbau im Vordergrund. Die Bautätigkeit konzentrierte sich 1967 auf die BischofNeumann-Schule mit einem Finanzvolumen von letztlich beinahe 5 Mio. DM. Dieser Betrag wurde aufgebracht durch einen Zuschuss der deutschen Bischöfe in Höhe von 1,8 Mio. DM, durch die Bundesrepublik in 300.000 DM, durch Beiträge des Sudetendeutschen und des Schlesischen Priesterwerkes in Höhe von über 1 Mio. DM und schließlich durch Eigenleistungen in Höhe von 1.365.000 DM, darunter eine Spende von Pater Werenfried van Straaten in Höhe von 30.000 DM.59 Kindermann konzedierte, dass durch den Schulbau die Mittel so stark gebunden waren, dass notwendige Reparaturen an den Häusern in dieser Zeitspanne unberücksichtig bleiben mussten. Die Finanzlage des Albertus-Magnus-Kolleg war bereits in dieser Zeit sehr angespannt – zum einen durch die großen Anstrengungen beim Schulneubau, aber auch beim normalen Jahreshaushalt, nicht zuletzt wegen der geringen Förderung der freien Schulen durch das Land Hessen, bei der nur die Hälfte der Personalkosten vom Land übernommen wurden. Hessen stand damit an letzter Stelle unter allen Ländern der Bundesrepublik. Die Finanzlage des AMK bezeichnete Kindermann im Jahresbericht 1967 als kritisch. Auch dort formulierte er als Hauptgrund die negative Einstellung des Landes Hessen zu den freien Schulen, so dass der Zuschuss des AMK sich auf die Hälfte der Personalkosten und auf alle Sachkosten. Freilich muss auch das Schulgeld in Anschlag gebracht werden. Trotzdem war jährlich etwa eine Viertel Million zuzuschießen. Durch die besondere Lage der freien Schulen in Hessen, so jedenfalls die Interpretation Kindermanns, wurde die Finanzlage des Albertus-Magnus-Kollegs immer kritischer. Auf Dauer, so die Prognose des Leiters, werde es unmöglich sein, durch Wohltäter einen Zuschuss von über DM 200.000 jährlich aufzubringen. Auch ein erhöhtes Schulgeld könne das Defizit nicht auffangen. Deswegen hatte sich Kindermann an das Ordinariat in Limburg gewandt und einen Zuschuss von 50.000 DM jeweils für Schule und Konvikt gebeten. Die Sorge um die ausreichende Finanzierung der Schule blieb ein ständiger Begleiter der Arbeit in Königstein. Lange rangen der Vorsitzende, der Vorstand und der Trägerverein um die Fragen der Besoldung und der Rückstellungen für den Ruhestand. Schreiben, wie das des stellvertretenden Direktors im Jahre 1967, in dem er sich bitter beklagte, dass für seine Verwaltungsarbeit nicht einmal eine Stunde im

59

Die Gesamtkosten gab Kindermann in diesem Jahresbericht von 1967 mit 4.865.000,- DM an, wobei etwa 1,8 Mio. durch einen Zuschuss der deutschen Bischöfe abgedeckt waren und das sudetendeutsche Priesterwerk einen Anteil von 870.000,- DM trug.

564

Abschnitt VI

Monatsgehalt einkalkuliert und vergütet war, waren kein Einzelfall. Der stellvertretende Direktor sah sich veranlasst anzukündigen, dass er nicht mehr länger in der Lage sei, irgendwelche Verwaltungsarbeiten zu übernehmen.60 Erschwerend kam hinzu, dass 1971 die kirchliche Zentrale für katholische freie Schulen und Internate bei der Deutschen Bischofskonferenz die Zuschusszahlungen einstellte und den Vorstand des Trägervereins an das zuständige Bistum verwies. Kindermann wandte sich an den Bischof von Limburg um Hilfe. Der bewilligte einen Betriebskostenzuschuss, machte aber gleichzeitig deutlich, dass Limburg die Voraussetzung für eine weitere Bezuschussung in einer engen Kooperation der BischofNeumann-Schule mit der St. Angela-Schule, der von den Ursulinen getragenen Mädchenschule, wünschte. Es wurde bereits Anfang der siebziger Jahre ein gemeinsamer Träger für die beiden Schulen in Limburg für sinnvoll gehalten. „Die Mitgliederversammlung am 19.6.1972 fasste damals einstimmig folgenden Beschluss: „Wir bejahen den Beitritt zu der geplanten GmbH mit der Bereitschaft zur Kooperation der beiden Schulen in Königstein. Der Vorstand wird ermächtigt, die weiteren Verhandlungen zu führen.“ Es wurden auch Mitglieder für eine Verhandlungskommission bestimmt. Verständlicherweise bestand damals sowohl bei den Schulleitungen und Lehrerkollegien, wie bei den Eltern keine große Neigung zu einer solchen einschneidenden Maßnahme. Als dann durch das hessische Gesetz über die Finanzierung von Ersatzschulen der Staatszuschuss auf 75 % der Personalkosten vergleichbarer öffentlicher Schulen angehoben wurde, verlief die Angelegenheit zunächst im Sande.61

60

61

Schreiben von Dr. Wenzel Weiss an den Direktor der Bischof Neumann-Schule in Königstein vom 18. Oktober 1967, KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 1/193, „Bis zu einer klaren und wirksamen Entscheidung durch den Träger unserer Schule sehe ich mich deshalb – leider! – nicht mehr in der Lage, irgendwelche Verwaltungsarbeiten zu übernehmen. Zu diesem Schritt sehe ich mich umso mehr veranlasst, als seit April 1965 in mein Monatsgehalt auch mein gesamtes Ruhegehalt (rd. 2/3 des Gesamtbetrages!) mit einbezogen wird, wofür ich rechtens auch nicht zu einer einzigen Stunde verpflichtet wäre: von den 24 übernommenen Stunden erteile ich also 16 gratis! Verwechselt man hier nicht Idealismus mit einer Zumutung? Darf ich noch darauf hinweisen, dass ich im Januar 1968 mein 65. Lebensjahr vollende! Ich bitte um Verständnis für meine Situation und will gerne ehest möglich mit dem H. H. Weihbischof die ganze Angelegenheit persönlich und ausführlich besprechen.“ Schleupner, Die Schulträger, Diözesanarchiv Limburg, 16A/13, S. 15.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

565

10. Notwendige Umgestaltungen

10.1. Klagen über Lehrermangel Der Direktor der Schule Dr. Weiß und der Konviktsdirektor Klinger unterstrichen den Lehrermangel an der St. Albert-Schule, die im Jahre 1966 23 Lehrer zählte. Sechs davon waren über 60 Jahre alt und sechs hatten über 30 Wochenstunden zu unterrichten. Es mussten dringend neue Lehrer eingestellt werden. Für das Schuljahr 1967/68 griff man daher gern das Angebot des Oberschulrates Dr. Josef Borucki auf, an der Schule die Direktorenstelle zu übernehmen. Der bisherige Direktor, Dr. Wenzel Weiß, überließ Borucki dieses Amt. Trotzdem fehlten immer noch wenigstens drei Lehrkräfte an der Schule. Der Lehrermangel blieb ein Dauerbrenner.

10.2. Exemplarische Daten zur Entwicklung der Schülerzahlen Von der Gesamtzahl von 302 Schülern waren 286 im Internat, 16 extern. Unterstützt wurden neun Schüler vom ermländischen, 25 vom schlesischen und 25 vom sudetendeutschen Priesterwerk. Zwischen 1954 und 1966 hatten 232 Abiturienten die Schule verlassen, von denen 91 das Theologiestudium wählten. 1966 verließ der 500. Abiturient die St. Albert-Schule. Dabei war eine deutliche Tendenz festzustellen, nämlich die Zunahme der Zahl der einheimischen Schüler. „Die meisten neuen Schüler kommen auf Empfehlung von Eltern, die ihre Jungen schon im Internat haben und zufrieden sind. Eine nicht geringe Anzahl – vor allem einheimische Schüler – kommt auf Anraten des Seelsorgers. Unter den Vertriebenen werden manche Eltern durch das Werben ihres Heimatblattes auf die Studienmöglichkeit in Königstein aufmerksam.“62 Am 15. März 1968 zählte die Bischof-Neumann-Schule 346 Schüler, davon 68 externe, d.h. aus der Umgebung Königsteins. 30 Abiturienten wurden im Mai 1968 gezählt. Davon entschieden sich sechs für das Studium der Theologie. Während 1977 die Hochschule und das Priesterseminar ihrem Ende entgegensahen, erlebte das Gymnasium einen Boom. Für das kommende Schuljahr verzeichnete es im Juni 1977 über 200 Anmeldungen. So wurde in der Vorstandssitzung am 23. Mai 1977 beschlossen, dass vier neue Eingangsklassen eingerichtet und somit 140 Schüler aufgenommen werden sollten. Dafür mussten im Unterhaus zwei weitere

62

Protokoll der 19. Ordentlichen Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein e.V. am 28. Juni 1966, 4 S. masch., Diözesanarchiv Limburg, 16A/6, Zitat S. 4.

566

Abschnitt VI

Klassenräume eingerichtet werden. Gleichzeitig aber stieg die Zahl der Konviktsschüler nur geringfügig. Im Sommer 1977 waren 14 Schüler im Konvikt. Der Vorstand hegte die Hoffnung, dass im Schuljahr 1977/78 die Zahl sich auf etwa 20 erhöhen könnte.63

10.3. Etablierung eines Elternbeirats Den Veränderungen der Zeit geschuldet, wurde ein Elternbeirat ins Leben gerufen, nicht zuletzt auch, weil die Schülerzahl aus der unmittelbaren Umgebung Königsteins zugenommen hatte.

10.4. Kurssystem In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurde das Kurssystem an der Schule eingeführt. D.h. die Jahrgangsstärken mussten größer werden, was zwangsläufig zu einer höheren Schülerzahl führte.

10.5. Profil Gleichzeitig zur Frage nach der Weiterexistenz des Internates, nachdem die Hochschule sistiert war, stellte sich die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung der Schule. Die christliche, humanistische Ausrichtung, die bislang unterstrichen wurde, sollte sie beibehalten werden? War sie die Attraktivität, die den Zustrom der Schüler brachte, oder war das Motiv, wie die Vorsitzende des Schulelternbeirates unterstrich, eher der Protest gegenüber den hessischen Schulverhältnissen, das die Eltern zur Wahl der Privatschule veranlasste?64 Die Sorge eines Teils der Eltern und der überaus engagierten Vorsitzenden des Schulelternbeirates, Gisela Bretz, war es, das Spezifikum der Bischof-Neumann-Schule auch künftig zu erhalten, eine qualitativ hochwertige Schule, sowohl inhaltlich wie personell auch künftig anzubieten, denn nur dafür brächten die Eltern das Opfer des Schulgeldes. Mit Sorge sah man vor allem auf die Klassenstärke, die zwischen 30 und 37 Schülern betrug. Eltern forderten eine Richtgröße von 25. Außerdem sollte der Schulträger darauf achten, dass nur hochqualifiziertes Lehrpersonal eingestellt werde. Ein zweiter Bereich der Sorge war die Raumnot der Schule. Man hatte gehofft, dass man im künftig frei werdenden Oberhaus für die kommenden Jahre die dringend erforderlichen

63 64

Protokoll der Vorstandssitzung vom 23. Mai 1977 und vom 7. Juni 1977, 6 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, 3166. Vgl. dazu ein Schreiben von Gisela Bretz, der Vorsitzenden des Schulelternbeirates an Janko vom 6. Juni 1978, masch. 4 S., KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

567

Räume bekommen werde und damit das Problem zur Zufriedenheit der Eltern lösen könne.

10.6. Hausaufgabenbetreuung 1988 wurde eine Hausaufgabenbetreuung initiiert. So wollte man gerade den Kindern helfen, deren Eltern berufstätig waren oder die aus anderen Gründen nicht in der Lage waren, sich um die schulischen Belange der Kinder ausreichend zu kümmern.

10.7. Kollegiumstage Das Kollegium führte jährlich eine Fortbildungsveranstaltung durch, die sogenannten Kollegiumstage, die sich immer Ostthemen widmeten. 1987 nahm erstmals auch das Kollegium geschlossen am Kongress ‚Kirche in Not’ teil. Am 8. und 9. Juli 1988 war für das Lehrerkollegium eine Fahrt in die DDR organisiert – auch das ein Indiz für das Interesse an der Ostproblematik.

10.8. Kollegiale Leitung Zu diesen strukturellen Überlegungen kam 1977 die Besetzung der Stelle des Stellvertretenden Direktors, um die sich mit allem Nachdruck Rudolf Mattausch, der Altphilologe, Historiker und Germanist, der seit 18 Jahren an der Schule tätig war, bewarb. Mattausch war über die Schulgrenzen hinaus publikatorisch wissenschaftlich tätig. Er war Mitglied des Führungskreises der Ackermann-Gemeinde und Vorstandsmitglied des Institutum Bohemicum. Als solcher schien er für einen Teil der Lehrerschaft Garant für die Ostausrichtung der Schule zu sein. Er kannte sich mit den Fragen der Vertriebenen und den Problemen der Beziehungen zu den slawischen Nachbarn bestens aus. Mattausch versuchte, in verschiedenen Anläufen bei Janko für sich zu werben, schaltete auch die Ackermann-Gemeinde zu diesem Zweck ein. Der Vorsitzende des AMK, Janko, aber favorisierte im Einvernehmen mit dem Leiter der Schule, Herrn Herrmann, als Lösung ein Dreierteam, das nicht gleichzeitig die Vertretung des Schulleiters wahrnehmen sollte, wohl aber ihn in spezifischen Aufgaben entlasten sollte: Frau Helmer wurde als Studienleiterin für das Kurssystem in der Oberstufe bestellt, Herr Bernhard war künftig für den Verwaltungsbereich, also den Tagesablauf, den Stundenplan, Pausenaufsicht, Vertretungsplan u.ä. zuständig, und der Vertrauenslehrer sollte die Belange der Schüler wahrnehmen.65 Der Schullei-

65

Dazu ein umfangreicher Briefwechsel mit Janko; KZG, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194 und das Protokoll der Sitzung des Schulelternbeirates der Bischof Neumann-Schule vom 18. Januar 1978, masch. 3 S.

568

Abschnitt VI

ter sollte also durch drei Oberstudienräte in je einem Teilbereich der Schulleitung entlastet werden, und einer dieser drei Mitarbeiter sollte zur Wahrnehmung seines Fachgebietes in der Schulverwaltung zum Stellvertreter des Schulleiters bestimmt werden.

10.9. Noch einmal: Neubaupläne In diese Situation hinein stießen Pläne zu einem umfangreichen Neubau. Dies beunruhigte die Eltern, denn in der Phase der Planung und des Baues müsste man mit zusätzlichen Belastungen und mit dem vorhandenen Provisorium, nämlich dem Unterricht in drei getrennten Gebäuden, zurechtkommen. Bretz sprach sich in diesem Kontext gegen eine Erweiterung der Schule, wie es der Träger und die Schulleitung vorsahen, auf etwa 1.000 Schüler aus. Das würde die Qualität der Schule deutlich mindern, so deren Befürchtung. Man müsse an eher rückläufige Schülerzahlen denken, damit stelle sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Erweiterungsbaus, zumal die Mittel dringend an anderen Stellen, nämlich an der Ausstattung der naturwissenschaftlichen Einrichtungen der Schule benötigt würden. Viele wichtige Dinge seien nur durch zusätzliche Spenden der Elternschaft anzuschaffen gewesen, so etwa eine Schülerarbeitsbibliothek für die Oberstufe. Auch das einzig moderne Bürogerät der Schule, der Kopierer, werde von der Elternschaft voll finanziert. „Wenn ich in diesem Zusammenhang erneut darauf hinweise, dass das einzige moderne Bürogerät der Schule ein Rank Xerox-Kopierer, der zum Unterrichts- und organisatorischen Ablauf des Schulbetriebes unverzichtbar ist, von der Elternschaft mit jährlich über DM 7.000,- voll finanziert wird, beweist dies wohl am deutlichsten, wie es mit der sachlichen Ausstattung der Schule bestellt ist. Unter diesen Umständen an einen Neubau (Erweiterungsbau) zu denken, der sowohl personell wie sachlich erhebliche Folge- und Unterhaltungskosten verursachen wird, erscheint uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt absolut unrealistisch. Was nun vordringlich zu tun ist: der Schule Bedingungen zu schaffen, in den nächsten Jahren personell, sachlich und räumlich im Vergleich zu öffentlichen Schulen konkurrenzfähig zu bleiben. Wenn dies sichergestellt ist und die Ausrichtung der Schule nicht verändert wird, wenn die gegebenen Möglichkeiten bei der Durchführung der Oberstufenreform in jeder Hinsicht genutzt werden, wird es nicht nötig sein, die Schule im Unter- und Mittelbau aufzublähen, um dadurch die in der Oberstufe notwendige Jahrgangsbreite zu erhalten. Eine Privatschule verliert ihren Charakter, wenn sie unüberschaubar wird. Deshalb hat der Schulelternbeirat bereits vor Jahren eine Gesamtschülerzahl von 700 als Maximum genannt.“66 Der Direktor der Schule hatte unterschiedliche Varianten durchgespielt, um dem Raumproblem zu begegnen, und dem Vorstand des Albertus-Magnus-Kollegs vorgelegt. Eine erste Möglichkeit war, die Bischof-Neumann-Schule aufzustocken, was Herrmann aber aus mehreren Gründen ablehnte, nicht zuletzt, weil der Baulärm durch

66

Schreiben Bretz, S. 4.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

569

mindestens ein Jahr hindurch einen erfolgreichen Unterricht unmöglich mache. Außerdem müsse man sehr lange auf eine Baugenehmigung warten, weil durch das Aufstocken das Landschaftsbild stark verändert werde, genauso wie die bestehenden Außenanlagen zerstört würden. Der Zuwachs von sechs großen und zwei kleinen Klassen sei, so Herrmann weiter, darüber hinaus keine Lösung des Raumproblems. Es bleibe eine Ballung von 800 Schülern auf engem Raum, der für 400 Schüler großzügig gedacht war. Schließlich gab er zu bedenken, dass der Kostenvoranschlag von 1.200.000,- DM für einen Neubau bestimmt überschritten werde. Daher favorisierte er eindeutig den Ausbau des Oberhauses. Dafür sah Herrmann folgende Gründe sprechen: ein leerstehender Raum im Oberhaus wäre unrentabel. Würde er ausgebaut, erhielte die Bischof-NeumannSchule die Möglichkeit, mit großen Anfangsklassen zu arbeiten. Nachmittags könnten die Klassenräume Kursen und Tagungen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Sollte die Schülerzahl einmal absinken, dann könnten diese Räume auch ganztätig für Tagungen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass der Schulbetrieb leidet. Der Ausbau, der Erweiterungsbau für die Bischof-Neumann-Schule war unumgänglich geworden, damit man die derzeitige Gesamtschülerzahl von 1.000 halten konnte. Man wollte sie nicht wesentlich überschreiten, damit man keine Mammutschule würde. Man konnte sie aber auch nicht wesentlich unterschreiten, damit die neue Oberstufenreform auch praktisch angewandt werden konnte. Die Planungen sahen vor, dass mit Beginn des Schuljahres 1982/83 die Schulräume genutzt werden können.

10.10. Die konfessionelle Identität in Gefahr? Einigen Vorstandsmitgliedern des Trägervereins der Schule war es 1981 sehr wichtig, auf die konfessionelle Zusammensetzung der Schülerschaft zu achten und die Konfessionszugehörigkeit als ein grundlegendes Kriterium für die Einstellung von Lehrern zu nehmen – es entsteht der Eindruck, dass die Qualifikation dabei in den Hintergrund trat.67 Im Januar 1981 manifestierte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Vertriebenenorganisationen, Clemens Riedel, in einem Schreiben an Braunstein die Sorge nach der konfessionellen Zusammensetzung der Schüler der BischofNeumann-Schule und griff die wiederholte Frage auf, ob sie ihrem ursprünglichen Auftrag, nämlich den Priesternachwuchs zu bilden, noch gerecht werde, da doch offensichtlich seit Jahren kein Schüler der Neumann-Schule sich zum Priestertum entschlossen habe.68

67 68

Vgl. etwa das Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. September 1981, Diözesanarchiv Limburg, 16A/4, S. 3 und 4. Schreiben Riedels an Braunstein vom 23. Januar 1981 in KZG Bonn, Bestand Königstein, Nr. 1022.

570

Abschnitt VI

1986 nahmen sich der Vorsitzende und der ermländische Visitator, Prälat Schwalke, als Vorstandsmitglied des Religionsunterrichts an der Bischof-Neumann-Schule an und beschlossen, klären zu lassen, ob an der Bischof-Neumann-Schule die unverkürzte Lehre der Katholischen Religion gelehrt werde.69 Diesen Vorstößen musste der Schulleiter seine Wahrnehmung entgegenhalten: Schmidt signalisierte in Richtung Vereinsvorstand seine Informationen, dass die Eltern der Schüler nicht einen religiösen Charakter der Schule in der Intensität wollten, wie ihn der Vorstand gerne sähe.

10.11. Öffnung für die Koedukation Am 16. Juli 1984 hatte Karl Kindermann den Vorsitz im Trägerverein übernommen. Unter seiner Ägide wurden in der Schule die Koedukation eingeführt und ein neuer Träger für die Schule gefunden, nämlich die Bischof Neumann-Schulgesellschaft. Der bisherige Trägerverein hatte die ständig steigenden Kosten für den Unterhalt der Schulgebäude nicht länger tragen können. Die Schulleitung wähnte Mitte der 1980er Jahre den Zenit an Schülerzahlen überschritten. Der Vorstand beschloss, für Lehrer nur noch Teilzeitverträge abzuschließen, um die Möglichkeit zur Reduzierung des Lehrkörpers bei rückläufigen Schülerzahlen offen zu halten. Künftig sollten auch, und das deutet auf die Entspannung der Bewerberlage hin, keine Realschullehrer mehr für das Gymnasium für die BischofNeumann-Schule eingestellt werden.70 Erstmals äußerte Oberstudiendirektor Dr. Schmidt 1985 die Befürchtung, dass die Schule in einigen Jahren nur noch etwa 600 Schüler haben werde, daher votierte er für die Öffnung der Schule für Mädchen und für das Angebot von Englisch als erster Fremdsprache, um neue Attraktivität zu gewinnen und das Sinken der Schülerzahl aufzufangen. In der Vorstandssitzung am 10. Juni 1985 lag eine Petition von 64 Lehrerinnen und Lehrern der Bischof-Neumann-Schule zur Einführung der Koedukation vor. Sie forderten diese zum nächst möglichen Termin. Obwohl die Mitarbeitervertretung der Bischof-Neumann-Schule und auch der Leiter eine Entscheidung in punkto Koedukation für dringend erforderlich hielten, fasste der Vorstand den Beschluss, dass er nicht prinzipiell gegen die Einführung der Koedukation sei, sich jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt außerstande sehe, für den neuen Träger, der angedacht und gewünscht war, vollendete Tatsachen zu schaffen.71 Der neue Direktor Schmitt machte den Vorsitzenden des Trägervereins am 19. März 1985 darauf aufmerksam, dass die Entwicklung der Schülerzahlen an der Bi-

69 70 71

Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. Juni 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 2. Vgl. dazu Protokoll der Vorstandssitzung vom 13. März 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16/A7, TOP 3 auf S. 4. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Oktober 1985, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7, TOP 6, S. 3f.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

571

schof-Neumann-Schule bedenklich sei. 1983 und 1984 wurden nur noch drei Klassen aufgenommen, auch 1985 werde sich diese Entwicklung fortsetzen. Das sei ursprünglich in der Intention von Pfarrer Kindermann gewesen, wirke sich aber, wenn es sich auf Dauer so fortsetze, negativ aus für die Kursphase des Gymnasiums. Für 1993 rechnete Schmitt nur noch einen Stand von etwa 650 Schülern aus, wenn sich der Schulträger nicht für Maßnahmen entscheiden könne, die dem entgegenwirkten. Zudem sei der allgemeine Schülerrückgang in Rechnung zu stellen, der sich bei einem Gymnasium, das nur Jungen aufnehme, mit Latein anfange und religiöse Voraussetzungen berücksichtigen wolle, noch verschärft werde. In dieser Situation empfahl der Schulleiter wohlüberlegte und schnelle Entschlüsse, da die Entwicklung keinen Aufschub dulde. Wohl dachte er zu dem Zeitpunkt an die Aufnahme von Mädchen ins Gymnasium.72 1987 waren bereits 66 Mädchen aufgenommen gegenüber 895 Jungen, also eine Gesamtschülerzahl von 961. Davon waren römisch-katholisch 484, evangelisch 450.73 Im August sollten 115 Schüler auf vier Klassen aufgenommen werden, davon waren etwa ein Drittel Mädchen. Die Schüler wurden von 68 Lehrern in Vollzeit und Teilzeit unterrichtet, davon waren 31 Lehrerinnen, 65 % des Kollegiums war katholisch, 35 % evangelisch und orthodox. Der Schulleiter beurteilte die Koedukation nach zwei Jahren: „Die Aufnahme von Mädchen in die BNS hat sich auch im Berichtszeitraum weiterhin in vieler Hinsicht gegenüber der vorherigen Situation positiv bemerkbar gemacht. Die Lehrkräfte berichten von größerer Lernbereitschaft und von angeglichenem Sozialverhalten. Hinzu kommt die Möglichkeit, viele Unterrichtsstoffe unter Aspekten zu behandeln, die in reinen Jungenklassen auf wenig Echo stießen. Schließlich hat bereits nach zwei Jahren die kulturelle Seite der Schule neue Akzente bekommen. Kunst und Musik erfahren durch die Mitwirkung der Mädchen eine große Bereicherung. Wir haben einen hoffnungsvollen Weg beschritten.“74 Offensichtlich waren die Jahre ab Mitte der achtziger bis Mitte der neunziger für die Schule nicht nur ein Umbruch, weil die Koedukation eingeführt wurde – Mitte der neunziger Jahre hatte die Schule bereits etwa ein Drittel Mädchen –, sondern auch, weil in den Jahren 1991 bis 1993 sehr viele staatliche Beamtenstellen geschaffen wurden, so dass etwa ein Dutzend der Lehrerinnen und Lehrer aus dem Kollegium der Bischof-Neumann-Schule in staatliche Schulen wechselten.

72 73 74

Vgl. das Schreiben im Diözesanarchiv Limburg, 16a, Nr. 7 vom 19.03.1985, Schmitt an Kindermann. Für einen Überblick über die Schülerzahlen und das Lehrerkollegium Stand 1987 – vgl. auch den Tätigkeitsbericht 1987, Diözesanarchiv Limburg, 16A/10. Diözesanarchiv Limburg, 16A/6, S. 7.

572

Abschnitt VI

10.12. Probleme in der Leitungsstruktur: Wunsch nach mehr Mitbeteiligung Wiederholt zeigten sich Spannungen mit dem Träger und dem Leiter des Trägerkollegiums, Pfarrer Karl Kindermann, nicht zuletzt wenn es um demokratische Entscheidungsfindung und Meinungsbildung ging. Der Leiter der Bischof-Neumann-Schule, Dr. Schmidt, wünschte sich 1986 eine stärkere Zuwendung des Vereins zu den Anliegen der Schule. Er schlug die Einrichtung eines Kuratoriums vor, das dem Schulleiter zur Seite stehen und ständig für die Belange der Schule tätig sein sollte. Es sollte perspektivnah arbeiten und für die langfristige Weiterbildung des Kollegiums Modelle sowie Vorschläge für Vorstandsbeschlüsse erarbeiten. Zeitgleich brachte die Mitarbeitervertretung der Schule die Forderung nach einer stärkeren Mitwirkung bei der Bestellung eines Hausmeisters und auch in der Mitgliederversammlung des Vereins zum Ausdruck. Der Vorstand sollte sich am Tag der Mitgliederversammlung und am Kollegiumstag dem gesamten Kollegium zu Frage und Antwort stellen. Ein solches Vorgehen der Mitarbeitervertretung hielt der Vorstand nach Ausweis des Protokolls schlichtweg für nicht angebracht.75 Kindermann hatte mehrfach in Briefen von der Schulleitung, die von gemeinsamen Entscheidungen der Schulleitung, des Lehrerkollegiums und der Elternschaft sprach, unterstrichen, dass die Elternschaft an dieser Schule nicht mit entscheide, sondern der Träger allein die Verantwortung habe. Diese Haltung führte zu Frustration und Verwerfung im Lehrerkollegium.76

75 76

Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. April 1986, TOP 6, Bischof Neumann-Schule, auf der S. 7, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. Vgl. dazu Wolfgang SCHMITT, Kollegium und Schülerschaft im Jahrzehnt des Jubiläums, in: Festschrift „Bischof Neumann-Schule“. Königstein 1996, S. 91f.: „Was speziell das Kollegium der neunziger Jahre angeht, so muss auch erwähnt werden, dass die beschriebene Integrationskraft vorhanden war, obwohl strukturelle Maßnahmen der Geschäftsführung bei einigen Angestellten zeitweise zu verbreiteter Verdrossenheit, ja sogar zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen führten. Man forderte vom Direktor neue Impulse und damit verbundene Transparenz. Durch das umsichtige Vorgehen der Mitarbeitervertretung nahm dieser neue Entwicklungsprozess einen geregelten und behutsamen Verlauf. Er scheint mir zum Wohle der gesamten Schule vor sich gegangen sein. Dabei wurde aber deutlich: das Nebeneinander von erklärtem Willen des Schulträgers in einer privaten Institution und demokratische Verfahrensweisen, die aus dem sonstigen Umfeld zur Gewohnheit geworden sind und bei der jungen Generation unserer Schülerinnen und Schüler täglich eingeübt werden müssen, kann zeitweilig belasten, gelegentlich auch Frustration und Resignation bewirken. Die Mehrheit unseres Kollegiums war aber bisher bereit, sachlich darüber zu diskutieren und seine Aufgaben trotz dieser spezifischen Situation, für die jede Kollegin und jeder Kollege sich freiwillig entschieden hat, gewissenhaft zu erfüllen.“ (91)

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

573

11. Geänderte Strukturen im Trägerverein Handlungsbedarf wurde bereits 1976 bei der Bischof-Neumann-Schule konstatiert, weil sie 630 Schüler zähle und damit durchaus existenzfähig erscheine. Das Verhältnis Heimatvertriebene-Einheimische aber habe sich dem entsprechenden Verhältnis in der Bundesrepublik überhaupt genähert. D.h. die Mehrzahl der Schüler kam aus der Umgebung. Daraus erwuchs die Frage, ob die Schule innerhalb der Königsteiner Anstalten weitergeführt oder ob sie nicht sinnvollerweise vom Bistum Limburg übernommen werden sollte.77 Als 1977 die Hochschule ihren Lehrbetrieb eingestellt hatte, übernahm die frei gewordenen Räume schrittweise die Bischof-Neumann-Schule, die bis 1981 auf 1.063 Schüler angewachsen war. Vorübergehend mussten auch Räume im Unterhaus in Anspruch genommen werden, bis der Umbau des ehemaligen Seminargebäudes vollzogen war. Bereits am 1. September 1975 hatte das Internationale Sekretariat der Ostpriesterhilfe im ehemaligen Konviktsgebäude Büro- und Unterkunftsräume bezogen. 1977 kündigte die Seelsorgestelle für die Russlanddeutschen, die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz die Spätaussiedlerbetreuung übernommen hatte, ihre Tätigkeit auf. Seit 1980 war der Schulträger der fusionierte Verein Albertus Magnus-Kolleg und der Trägerverein Haus der Begegnung Königstein. Die neue Satzung des Trägervereins führte unter den Aufgaben nur mehr ganz neutral den Unterhalt eines Gymnasiums an. Am 17. Juli 1985 bat Pfarrer Kindermann das Bischöfliche Ordinariat in Limburg, das Bistum möge sich beteiligen und einen eigenen Träger für die Bischof-NeumannSchule schaffen. „In den Verhandlungen über diese Frage erfuhr Pfarrer Kindermann durchaus Verständnis bei seinen Verhandlungspartnern, den Finanz- und Schuldezernenten des Bistums, den Herren Dr. Wendtner und Göhring, sowie dem Vertriebenenbischof Gerhard Pieschl. Es wurden aber auch die begrenzten Möglichkeiten des Bistums deutlich.“78 Am 6. Oktober 1986 ermächtigte die Mitgliederversammlung des AMK/HdB e.V. den Vorstand, für die Bischof-Neumann-Schule einen eigenen Träger in Form einer gemeinnützigen GmbH zu gründen, deren einziger Gesellschafter der Verein war. Schulgebäude und die entsprechenden Grundstücke gingen in das Eigentum der gemeinnützigen GmbH über. Die Zustimmung durch den Hessischen Kultusminister erfolgte am 16. September 1988. Am 15. November konnte der Gesellschaftsvertrag

77

78

Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz an die Mitglieder des Arbeitsausschusses vom 13. Dezember 1976 Diözesanarchiv Limburg, 16A/2, 4 S. masch. – Es ist bekannt, dass Bischof Kempf keine Privatschulen in die Trägerschaft des Bistums übernehmen wollte. SCHLEUPNER, Die Schulträger, Diözesanarchiv Limburg, Registratur, 16A/13, S. 18.

574

Abschnitt VI

beurkundet werden. Es wurde eine Geschäftsführerin bestellt.79 Die Geschäftsführerin sollte künftig auch zum TOP Bischof-Neumann-Schule in die Vorstandssitzung des AMK/HdB eingeladen werden. Der Aufsichtsrat der GmbH trat am 25. April 1989 erstmals zusammen. Im Aufsichtsrat saßen der Schuldezernent des Bischöflichen Ordinariats Limburg, Heinz Göhring, der Abteilungsleiter im Finanzdezernat, Gerhard Hammer, vier Mitglieder, die vom Gesellschafter entsandt wurden und ein Mitglied war der Vorsitzende des Schulelternbeirats. Vorsitzender wurde Prälat Dr. Wolfgang Grocholl.80 Am 15. November 1986 wurden nicht nur 40 Jahre Königstein gefeiert, sondern auch 20 Jahre Bischof-Neumann-Schule mit Festgottesdienst und anschließendem Schulfest. Geplant war ein Festgottesdienst mit Kardinal Höffner81, Bischof Kamphaus und Weihbischof Gerhard Pieschl. Im Anschluss an den Festgottesdienst sollte ein Empfang stattfinden. Auf eine Festakademie wollte man verzichten.82 Deutlich reduziert sah das Jubiläumsprogramm für die Schule bereits in der Vorstandssitzung vom 3. September 1986 aus. Zelebrant des Jubiläumsgottesdienstes war Weihbischof Gerhard Pieschl. Für den Vortrag wurde Gerhard Zwiener ins Auge gefasst. Mit dem 1. Januar 1990 übernahm die Bischof Neumann-Schulgesellschaft die Verantwortung für den Betrieb der Schule. Sie wurde damit auch Eigentümer des Schulgrundstücks und der Schulgebäude. Für die Schulräume im Oberhaus und für den Sportplatz wurde ein Mietvertrag abgeschlossen.83 Der Vermieter sicherte auch

79 80

81 82 83

Vgl. dazu das Protokoll der Vorstandssitzung vom 20. Februar 1989, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11, TOP 352, zum Arbeitsvertrag mit Frau Dagmar Giel. Zu Dr. Wolfgang Grocholl: geb. am 31. Oktober 1931, Alt-Königsteiner, während seines Theologiestudiums in Königstein unterstützte er als Präzeptor den Konviktsdirektor Klinger, Assistent bei Scheffczyk, Schuldekan in Stuttgart, seit 1. Januar 1983 Visitator für die Priester und Gläubigen aus dem Generalvikariat Branitz. Vgl. Leobschützer Heimatblatt. Sonderheft zum 60. Geburtstag von Prälat Dr. Grocholl. Joseph Höffner, in: GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 290-295. Protokoll Vorstandssitzung 3. Juni 1986, TOP 8.3, S. 5, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. Der von Pfarrer Kindermann und Prof. Kroker für das AMK/HdB e.V. unterzeichnete, dreiseitige Übertragungsvertrag, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11. Dort beiliegend auch ein Mitarbeiterverzeichnis. War doch in § 4 des Vertrages festgelegt worden, dass bisheriger und künftiger Träger sich darin einig seien, dass die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter auf den künftigen Träger übergehen. Gleichzeitig wurde ein fünfseitiger Mietvertrag abgeschlossen, in dem der Vermieter dem Mieter zu Schulzwecken die entsprechenden Räume im Seminargebäude, also im Oberhaus, Bischof-Kaller-Straße 3, überließ. Der Mietvertrag ebenfalls in Diözesanarchiv Limburg 16a Nr. 11. Dort heißt es zur Mietsache im § 2: „Den südlichen Flur im Erdgeschoß, 1. und 2. Stock, begrenzt jeweils durch die Abschlusstüren zum Treppenhaus mit allen angrenzenden Räumen, ferner im Haupttreppenhaus ein Putzraum, im Erdgeschoß unter der Treppe und im 1. Stock vier Zimmer und eine Toilette. Der Mieter verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass das Haupttreppenhaus nicht von den Schülern als Aufenthaltsraum genutzt wird. Mit vermietet wird der Pausenhof vor dem Oberhaus unter Bezugnahme auf den anliegenden Lageplan, in dem die mitvermietete Fläche schraffiert ist. Dieser Plan wird Bestandteil des Mietvertrages.“ (Diözesanarchiv Limburg, 16A/11, 1).

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

575

zu, dass er einige bei der Begehung am 29. November 1989 festgestellte Altschäden beseitigen lassen wolle, vor allem die Reparatur des Daches, der Dachrinnen und des Fußbodens in einigen Erdgeschoßräumen. Das Bistum Limburg beteiligte sich in der Folgezeit mit erheblichen Zuschüssen an den Betriebskosten und auch am groß angelegten Sanierungsprogramm für die Schulgebäude. Der Aufsichtsrat hatte sich ständig bemüht, das Bistum zum Beitritt zur Schulgesellschaft zu bewegen. Am 3. Juni 1993 trat das Bistum Limburg als Mehrheitsgesellschafter in die Bischof Neumann-Schulgesellschaft ein. Die Mitgliederversammlung des AMK übertrug am 6. April 1994 den Gesellschaftsanteil des Vereins mit Wirkung vom 1.7.1994 auf das Bistum Limburg, das damit Alleingesellschafter wurde. Am 3. Juli 1995 beschloss die Gesellschafterversammlung dann, die Gesellschaft künftig auch für den Betrieb anderer katholischer Schulen zu öffnen. Der Sitz wurde nach Limburg verlegt, der Name St. Hildegard-Gesellschaft mbH gewählt.

12. Zur Statistik der Bischof-Neumann-Schule Sie hatte 1988 81 Abiturienten, 1989 82 und 1990 130. Die Neuaufnahmen: 1988 112, 1989 115. Die Schülerzahlen: 1988 980, 1989 ca. 1.000. Von den 980 Schülern im Jahr 1988 waren 859 Jungen 121 Mädchen. 497 waren katholisch, 465 evangelisch, 18 gehörten einer anderen Konfession an. 70 Lehrkräfte waren im Kollegium tätig. Davon waren 46 römisch-katholisch, 21 evangelisch und 3 orthodox.84

84

Vgl. zu diesen Zahlen Protokoll der Vorstandssitzung vom 21. April 1989, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11, TOP 4.

576

Abschnitt VI

13. Ein Rückblick auf die Atmosphäre der Schule Eberhard Zwiener, von 1947 bis 1954 selbst Schüler an der St. Albert-Schule, seit 1962 dort Lehrer, hielt 1980 zur 700-Jahr-Feier des Albertus Magnus, des Patrons der Schule, einen Rückblick auf die Schulgeschichte. Interessant ist vor allem Zwieners Charakterisierung des Atmosphärischen: „Was zeichnete sie aus, die „alte“ Schule? Vor allem dies: Sie stellte sich dar als kompakte Einheit junger Menschen und Erzieher, die alle das gleiche Schicksal erlitten hatten und das gleiche Ziel verfolgten. Sie war des Weiteren gekennzeichnet durch den ideellen und räumlichen Zusammenhang mit dem Konvikt. Der offizielle Name der alten Schule war St.-Albert-Internatsschule, und sie befand sich in jenem Gebäude, das von Anfang an schlicht Unterhaus genannt wurde und das in den zwanziger Jahren der französischen Besatzungsmacht als Kaserne gedient hatte, später dann als Arbeitsdienstlager und Lazarett benutzt wurde. Versuche, den profanen Namen „Unterhaus“ in den fünfziger Jahren zu ändern, scheiterten daran, dass Schüler und Theologen ihn beharrlich weiter verwendeten. Letztere nämlich wohnten im „Oberhaus“; und ganz gleich, ob man die Bezeichnungen geographisch oder hierarchisch auffasste, zutreffend und einleuchtend waren sie in jedem Fall: Betrat man vom Alten Dingweg (der heutigen Bischof Kaller-Straße) aus das mit einer hohen Mauer umgebene Gelände durch eines der breiten Eisengittertore, so sah man mit einem Blick die beiden imposanten, ungefähr 100 m langen, äußerlich völlig gleichen Häuser; denn die Bäume und Sträucher, die heute die Sicht etwas versperren, gab es auf dem ehemaligen Kasernenhof noch nicht. Und man stellte eben fest: ein Haus liegt oben, eines unten, miteinander verbunden durch ansteigende bzw. abfallende Wege (asphaltiert wurden sie erst sehr viel später) und durch zwei Treppen, zwischen denen ein großer, ebener Platz liegt. Die hierarchische Bedeutung von Unter- und Oberhaus ging einem spätestens dann auf, wenn man als einfältiger Tertianer mit den in jeder Hinsicht überlegenen Theologiestudenten in Berührung kam und sich bewusst wurde, wie weit der Weg nach „oben“ war. Denn – und das war ein wesentliches Charakteristikum der alten Schule – die überwiegende Mehrheit der Schüler war mit dem Ziel nach Königstein gekommen, Priester zu werden, also nach dem Abitur in die Theologische Hochschule, das Oberhaus eben, umzuziehen. Dass die Gründer der Schule … das Gymnasium als Internatsschule konzipiert hatten, war nicht nur Anschauungssache, sondern Notwendigkeit. Denn die allerwenigsten Schüler kamen aus Königstein oder der näheren Umgebung. Vielmehr aus allen Gegenden Deutschlands, von der Insel Fehmarn, wie aus dem Bayerischen Wald, aus Niedersachsen und aus Schwaben, aber auch aus Thüringen, Sachsen und Mecklenburg (denn die Grenze zwischen der Ostzone und den Westzonen konnte damals ohne größere Schwierigkeiten „schwarz“ überschritten werden), sie kamen von überall da her, wohin es die Eltern nach Flucht oder Vertreibung verschlagen hatte, aus kleinen abgelegenen Dörfern meist, wo der Besuch der Höheren Schule unmöglich war. Im Unterhaus in Königstein fanden sie nicht nur die Schule, sondern

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

577

ein neues Zuhause. Was machte es da, dass diese Schule aus kaum möblierten Zimmern bestand, die vormittags als Klassen-, nachmittags und abends als Studier- und Aufenthaltsräume dienen mussten? Was machte es, dass in den Schlafsälen teilweise 40 meist doppelstöckige Eisenbetten standen und jeder Schüler nur einen halben Militärspind zur Verfügung hatte oder die großen Waschräume unbeheizbar waren? Was machte es, dass man manchmal nicht satt wurde und froh war über eine „gestoppelte“ Kartoffel, die vor dem Schlafengehen scheibchenweise auf heißer Ofenplatte geröstet wurde? Daran war man gewöhnt. Millionen ging es genauso, bei den Eltern hatten manche noch nicht einmal ein eigenes Bett gehabt. Durch das gemeinsame Schicksal und das ständige Beisammensein wuchsen die Jungen sehr schnell zu einer Gemeinschaft zusammen, eine Entwicklung, die durch verständnisvolle Lehrer und geistliche Erzieher gefördert wurde … Zu dem guten Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern trug auch bei, dass viele der Lehrer ganz in der Nähe oder gar im Unterhaus selbst wohnten. So zog 1950 der damalige Studienassessor und heutige Direktor der Bischof-Neumann-Schule, Herwig Herrmann, mit seiner Frau in ein bescheidenes Zimmer des ersten Stockes, gegenüber einem Klassenraum. War am Morgen eine Arbeit geschrieben worden, konnte man am Abend an Herrmanns Tür klopfen und nachfragen, wie sie ausgefallen sei. Selbstverständlich war, dass die Lehrer an möglichst allen Veranstaltungen der Schüler teilnahmen. Und es wurde viel veranstaltet, denn passive Freizeitbeschäftigung (Radio, Fernsehen) gab es ja nicht. Da wurde mindestens einmal im Halbjahr ein Klassenfest gefeiert, ein bunter Abend mit selbstgereimten Versen, allerlei Spielen und musikalischen Darbietungen … Die Beziehungen zwischen Ober- und Unterhaus waren überhaupt sehr eng. Gemeinsam leisteten Studenten und Schüler „Arbeitsdienst“, das heißt sie halfen bei allgemeinen Aufräumungsarbeiten in den stark demolierten Gebäuden, besserten Wege aus, transportierten Kartoffeln und Krautköpfe, waren beteiligt beim Umbau der zerstörten Turnhalle in unsere „Hochkirche“ oder beim Neubau der Schneidhainer Pfarrkirche. Schon bald wurden befähigte „Seminaristen“ als Präzeptoren zur Unterstützung der Konviktsleiter eingesetzt. Denn schon im Schuljahr 1951/52 war die Zahl der St.-Albert-Schüler auf fast 200 angestiegen; und alle wohnten – bis auf eine Handvoll Externer – im Internat und wollten betreut sein. Was diese Präzeptoren für die geistige Entwicklung der ihnen anvertrauten Klassen leisteten, kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Der nicht zu große Altersunterschied ließ sie einerseits schnell ein natürlich-kameradschaftliches Verhältnis zu den Jüngeren finden, bewirkte aber auch andererseits, dass das, was sie sagten, eher und selbstverständlicher akzeptiert wurde … Später war für die geistliche Erziehung außerhalb des Schulunterrichts ein eigener Spiritual verantwortlich. Mit dem beliebten Pater Donatus, einem Franziskaner, erhielten die Jungen einen einfühlsamen Seelsorger, mit dem viele noch lange Zeit nach dem Abitur korrespondierten, als Donatus inzwischen Spiritual des Priesterseminars Hildesheim geworden war. Gar nicht hoch genug können auch die Verdienste der aus dem Ermland vertriebenen Katharinenschwestern eingeschätzt werden. In jahrzehntelanger selbstloser Arbeit

578

Abschnitt VI

sorgten sie nicht nur (sowohl im Unter- wie im Oberhaus) für das leibliche Wohlergehen aller, kochten, putzten, pflegten Kranke gesund, machten Pfortendienst, sondern – und das war vielleicht noch entscheidender – formten und prägten die jungen Menschen durch ihr Vorbild. Von morgens bis abends unermüdlich im Einsatz, immer freundlich, aufmunternd und hilfsbereit lebten sie ein Christentum vor, welches in seiner fröhlichen Zuversicht ansteckend wirkte… Aus der kleinen Unterhausschule ist eine große Schule geworden, aus der kompakten Einheit von damals eine vielschichtige, nur noch Eingeweihten durchschaubare Struktur. Geblieben ist der Auftrag, der vor dem Eingang zur Bischof-Neumann-Schule in griechischen Lettern zu lesen ist: Erziehen auf Christus hin. Er eint katholische und evangelische Schüler, er ist der Grundstein, auf den wir immer noch bauen. Und wenn wir das ehrlich meinen, dürfen wir der Fürsprache und des Schutzes der beiden Heiligen Schulmänner, Albertus Magnus und Bischof Johannes Nepomuk Neumann, gewiss sein.“85

85

Eberhard ZWIENER, Von der St. Albert-Schule zur Bischof Neumann-Schule, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester 1980, S. 8-12. Eine Kopie auch in KZG, Bonn, Archiv Königstein, 1022.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

579

14. Das Schülerkonvikt

14.1. Leitung von 1947 bis 1967 Der erste Leiter des Konvikts war Dr. Anton Janko gewesen. Laut Protokoll der Bischofskonferenz von 1947 sollte das Seminarium Maius in Königstein mit Ostern 1948 aufgehoben werden. Begrüßt wurde das Seminarium Minus. Das wollte die Bischofskonferenz aufrechterhalten. Es wurde ein jährlicher Zuschuss von 150.000,RM bewilligt.86 Jankos Nachfolger wurde 1948 Pfarrer Josef Krzoska. 1952 wurde Anton Klinger Präfekt des Konviktes. Er hat das Internat wie kein anderer geprägt und in den folgenden 15 Jahren bis 1967 alle Höhen und Tiefen durchschritten. Das Internat musste für viele heimatvertriebene Schüler zumindest teilweise die Familie ersetzen. Bei zahlreichen Schülern war ein Elternteil gestorben. Schule und Konvikt wurden zum „zu Hause“. Weit verstreut in den ländlichen Regionen hätten sie ohne die Möglichkeit in Königstein kaum den Weg zum Abitur gefunden. Bekleidung und Wäsche mussten die Jungen ebenso mitbringen wie Bettwäsche, Federbett, Katechismus und Schulbibel. Lebensmittel freilich durften nur in Ausnahmefällen, nämlich zu Geburts- und Namenstagen geschickt werden. Wo die Eltern die Gebühr für das Internat nicht aufbringen konnten, bemühten sich die einschlägigen landsmannschaftlichen Priesterwerke, einen Zuschuss beizusteuern.

14.2. Zielsetzung des Konviktes Wie die Schule unterstützte auch das Konvikt die sogenannte Ostausrichtung. Eine slawische Sprache sollten die Schüler wenigstens lernen. So sollte in Königstein eine junge Generation dazu befähigt werden, in missionarischem Eifer das Evangelium gegen die Gottlosigkeit hinter dem Eisernen Vorhang zu halten. D.h., wenn es dort denn möglich würde, es zu verkünden und die Missionierung voranzutragen. Bis zum Neubau der Bischof-Neumann-Schule 1966 bildeten in der AlbertusMagnus-Schule Schule und Internat räumlich und intentional eine Einheit. Die Statuten, die die Eigenart und Zielsetzung des Konviktes zum Ausdruck bringen wollten, unterstrichen, dass Konvikt wie Schule, wie überhaupt die Einrichtungen des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein aus der Not der Vertreibung heraus entstanden waren

86

HAEK CR II 2.19,6.

580

Abschnitt VI

und von der Opferkraft der heimatvertriebenen Katholiken getragen wurden. Entsprechend wurde das Ziel, Priesternachwuchs heranzubilden, unterstrichen. Im Selbstverständnis hieß das: die Schule und das Konvikt waren ein berufsförderndes Konvikt, das Jungen aus katholischen Familien aufnahm, die bereit waren, unter priesterlicher Leitung ein gemeinsames Leben zu führen und sich eine Berufsentscheidung zum Priestertum vorstellen konnten. In einer Beziehung des Vertrauens müsse sich der Glaube im Zusammenleben entfalten. Hilfsbereitschaft, Kameradschaft, Ehrlichkeit, Gehorsam und Zuverlässigkeit wurden unterstrichen, ein weltoffenes, vom Glauben an Gott, von der Liebe zu Christus und der Treue zur Kirche getragenes Leben wurde als Ziel formuliert.87 Dieses Ziel wollte das Konvikt erreichen durch ernstes Studium, intensive Bildungsarbeit, Ordnung und eine straffe Zeiteinteilung sowie Pflege des Sportes, durch die Pflege der Gemeinschaft in kleineren Gruppen, der Klassen-, Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, wie auch durch die vertretenen Gliederungen des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Im Grunde war jeder Konviktler in einem katholischen Verein bzw. einer katholischen Jugendorganisation eingegliedert. Die Konviktler sollten zu Liturgie, Sakrament und Gebet hingeführt und aus der modernen Reizüberflutung herausgenommen werden. Wenn ein Junge erheblich gegen die Ordnung des Konvikts verstieß oder er fortgesetzt zu erkennen gab, dass er die geistige und religiöse Eigenart des Konvikts nicht mehr mittragen konnte oder wollte, wurde ihm das Verlassen des Konviktes nahe gelegt, was gleichzeitig den Abgang von der Schule zur Folge hatte. Wenn aus dem Schülerkonvikt ausgeschiedene Schüler weiter die Schule besuchen wollten, musste darüber, unabhängig von der Kündigung bei der Konviktsleitung, eine besondere Vereinbarung mit dem Direktor der Schule getroffen werden. „Unsere Schüler verhalten sich im Kolleg und außerhalb des Kollegs so, wie es den Erziehungszielen von Konvikt und Schule entspricht. An die Tageseinteilungen haben sie sich gewissenhaft zu halten, in allen Räumen und auf allen Plätzen unseres Kollegs sind sie auf Sauberkeit und Ordnung bedacht und gehen mit den Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen pfleglich um. Beschädigung verpflichtet zu Schadensersatz.“88 Selbstverständlich wurde das rechtzeitige Aufstehen am Morgen von den Schülern genauso erwartet wie das gemeinsame Morgengebet und die Teilnahme an der Eucharistiefeier an den festgesetzten Tagen. Nur an den durch die Haus- und Tagesordnung vorgesehenen Tagen durfte in der Mittagszeit das Kollegsgebäude verlassen werden. Für den Ausgang außerhalb der Mittagszeit war Sondererlaubnis erforderlich. Der Besuch von Gaststätten war nur für Jungen über 18 Jahre in Ausnahmefällen und nach ausdrücklicher Genehmigung der Vorgesetzten vorgesehen. Rauchen war nur den Schülern der Oberstufe gestattet sowie denen, die das 16. Lebensjahr vollendet hatten – und zwar im Rauchsalon. An anderen Orten, so die Satzung, und auf der Straße wurde nicht geraucht. 87 88

Die Statuten für das Schülerkonvikt des Albertus-Magnus-Kollegs sind im Anhang unter der Nr. 39 dokumentiert. Sie umfassen zwei Seiten masch., DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina. Statuten Schülerkonvikt, S. 2.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

581

14.3. Einschnitte in den Jahren 1967/68 Diese kaum veränderten Statuten vom 15. Juli 1968, unterzeichnet vom damaligen Vorstand des Trägervereins, also von Kindermann, Zischek und Hubert Thienel89, sollten die Situation im Internat wieder stabilisieren, nachdem sie gerade in diesen Umbruchsjahren nach dem Weggang des langjährigen Präfekten, Anton Klinger, 1967 sehr turbulent geworden und die Zahlen der Konviktualisten sehr stark zurückgegangen waren. Der damalige Einschnitt war offensichtlich mehrfach begründet: Die gesellschaftlichen Umbrüche mögen ebenso beigetragen haben wie die fortschreitende Integration der Vertriebenen, die ihre Jungen nicht mehr auf eine spezifisch für ihre Situation vorgesehene und auf das Ostthema hin ausgerichtete Schule und in ein entsprechendes Internat schickten. Dazu kam eine allgemeine Krise des Internates in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre überhaupt, nachdem sich die Schuldichte erhöht und die Wohnsituation in den Elternhäusern spürbar verbessert hatte. Verschärft wurde die Lage in Königstein durch die Auseinandersetzung um den Präfekten, wobei die Krise des Konviktes kongruent war mit einer Krise Königsteins überhaupt, weil auch die Zahl der Studierenden im Priesterseminar und in der Hochschule in diesen Jahren sehr stark zurückging.

14.4. Alltag im Konvikt In seinen besten Zeiten, in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, hatte das Schülerkonvikt etwas mehr als 300 Schüler, die im sogenannten Unterhaus ihr Quartier hatten. Nur die in der Nähe wohnenden Schüler konnten einmal im Monat nach Hause fahren. Bei den anderen war Familienbesuch in der Regel nur in den Ferien möglich – und da auch nicht immer, da die Mitgliedschaft in einer katholischen Jugendorganisation für alle selbstverständlich war und hier auch in den Ferien entsprechende Veranstaltungen stattfanden. Alle waren sie entweder in der Pfadfinderschaft, in der Marianischen Kongregation, im Bund Neudeutschland, der Katholischen Jungmännergemeinschaft oder ähnlichen Jugendgruppen. Deren Aktivitäten gestalteten auch den Alltag mit, Gruppenstunden, in denen man Lieder sang, die Benutzung von Wanderkarten erkundete, die Ostkirche kennen lernte oder sich einfach zum Spielen traf. Es gab ein Blasorchester, man spielte Handball und Fußball, man feierte den Fasching und das Sommerfest an Peter und Paul. „Der bunte Abend begann um 19.30 Uhr im großen Saal, der der Schülerschaft großzügig zur Verfügung gestellt wurde. Nach einem Eröffnungslied durch die „Dance-Swing-Combo“ begrüßte der Conferencier die Anwesenden und bat sofort 89

Edeltraut WLOCZYK, Hubert Thienel (1904 – 1987), in: GRÖGER et al., Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6, S. 259-265. Thienel war von 1972 bis 1983 Leiter der Katholischen Arbeitsstelle für Heimatvertriebene (Nord) und Apostolischer Visitator für Priester und Gläubige aus der Erzdiözese Breslau.

582

Abschnitt VI

fünf Damen auf die Bühne, die sich im Tuba blasen üben sollten. Ein Römer fuhr – oh Wunder der Technik – mit schweren, durch Hexameter getarnten Geschützen auf. Ein Boxkampf, wie ihn spannender auch Cassius Clay nicht führen kann, brachte erst die richtige Stimmung. Im Ring standen sich ein Strich und eine Kugel gegenüber, die sich einen zähen und erbitterten Kampf lieferten, der nur durch List und Tücke ein Ende finden konnte. Noch einmal wurde die Stimmung gesteigert, als die Combo „La Bostella“ spielte und der Saal begeistert mitklatschte und -hüpfte. Unser Konviktsdirektor a.D. Anton Klinger betätigte sich wie in den letzten Jahren als Bänkelsänger. Den letzten Beitrag des Abends brachten vier „Doofe“ Musterknaben, die mit Benutzung bekannter Melodien Lehrer und Vorgesetzte aufs Korn nahmen. Der für manche schönste Teil des Tages stand noch bevor. Nach Verlassen des großen Saales durften die Oberstufler noch einmal in die Bar, wo sich bald auch einige Lehrer, AltKönigsteiner und Vorgesetzte einfanden. Der Alkohol verfehlte nicht seine Wirkung. Bald wollten alle singen und schunkeln. Eine Band, zusammengestellt aus einem Schlagzeuger, einem Bassgitarristen und einem Akkordeonspieler trieb die Stimmung immer höher. Alles musterknabenhafte vergessend [Faschingsmotto dieses Jahres: „Alles Muster Knaben“, in Analogie zu AMK, d.h. Albertus-Magnus-Kolleg, Anm. d. Verf.] stiegen die „Barhocker“ auf die Stühle, auf die Tische, sangen minutenlang immer wieder dieselben zwei Wörter, sanken erschöpft auf die Stühle zurück, um dann erneut wieder nach einigen Schlucken, mit singen anzufangen, zu schunkeln und auf die Stühle und Tische zu steigen. Um 24.00 Uhr (Bez. 0.00 Uhr) erlangte „Tokli“ [Anton Klinger, zu dieser Zeit noch Konviktsdirektor, Anm. d. Verf.] seine Macht als Direktor wieder und sorgte dafür, dass wir, obwohl wir nun keine Musterknaben mehr waren, Schluss machten mit unserem Sing-Schunkel-Steig-Kreislauf.“90 So sahen die vergnüglichen Höhepunkte eines Konviktualisten aus. Dazu kamen selbstverständlich Theateraufführungen oder auch ein Skatturnier. Der Alltag war geprägt von Unterricht, Gebet und Gottesdienst. Der Gottesdienst stand am Anfang. Ein Teil der Internatsschüler ministrierte in der Frühe an den Seitenaltären der Kollegskirche den Professoren der Hochschule bis zum Frühstück. Nach dem Gottesdienst herrschte im Internat Silentium religiosum. Die Mahlzeiten gab es im großen Speisesaal im Keller des Unterhauses, wobei an den Tischen der Unterstufenschüler ein Senior aus den höheren Klassen saß und für Ordnung sorgen sollte. Selbstverständlich gab es, wie in jeder vergleichbaren Gesellschaft, eine ganze Reihe von Diensten, wie etwa den Tisch- und Spüldienst, der die Schwestern in ihrer hauswirtschaftlichen Arbeit unterstützen sollte. Vor Unterrichtsbeginn waren 15 Minuten Stillarbeit vorgesehen, um 12.00 Uhr wurde der Angelus gebetet, nach dem Mittagessen gab es Freizeit. Das nachmittägliche Kaffeetrinken, der sogenannte Muckefuck, läutete die Studienphase ein. Die erste Phase sollte Silentium strictissimum verlaufen. Man durfte seinen Studierplatz nicht verlassen. Die zweite Phase war gelockert. Man konnte sich gegenseitig helfen, ein Buch lesen, wenn man die Hausaufgaben schon erledigt hatte. Nach dem Abendessen war eine Zeitspanne für Selbstbe-

90

Aus der Schülerzeitung „Die Brücke“, Heft 30 (1966), S. 4f.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

583

schäftigung, meist für sportliche Betätigung, vorgesehen. Zum Abschluss des Tages fand eine Andacht oder ein gemeinsames Gebet statt. Nachtruhe begann für die Oberstufe um 22.00 Uhr, für die Mittelstufe um 21.30 Uhr und für die Unterstufe um 20.30 Uhr.91

91

Zum Alltag im Schülerkonvikt aus der Sicht eines Präfekten – aus einem Gespräch mit Prälat Dr. Wolfgang Grocholl: „Ich musste morgens beim Wecken da sein. Musste dann die Messe halten und dann gings schon morgens zum Frühstudium. Das war eine halbe bis dreiviertel Stunde vor der Schulzeit, vor der ersten Stunde; da war die Studienaufsicht zu führen. Ich habe dann den Vormittag für mich gehabt, außer wenn ich Unterricht gegeben habe – zunächst in Religion in meiner Klasse. Dann war Mittagessen. Das war auch geregelt. Die Präfekten wechselten sich bei der Mittagessensaufsicht ab. Die anderen speisten im Herrenzimmer. Nach dem Essen war Briefausgabe oder Schlüsselausgabe dann waren zwei Stunden zu gestalten. Ich war mit den Jungs im Taunus wandern, ich war auch im Schwimmbad – durfte sogar mit der Genehmigung des dortigen Schwimmmeisters Freischwimmproben abnehmen. Aber um vier Uhr war Studium bis sechs/halb sieben.“ Da hatte ich Aufsicht bei den Schülern. „In der ersten Zeit war es keine Schwierigkeit, wenn lediglich 30 Jungs in einer Klasse waren. Das baute sich ja von Jahr zu Jahr auf. Ich nahm beim Studium wahr, dass die meisten noch gar nicht wissen, wie sie für die Schule arbeiten müssen. Etwa, dass sie sich sofort hingesetzt haben und Latein gemacht haben oder die Rechenaufgaben. Da hab ich gesagt: „Erst werden Vokabeln gelernt und dann braucht Ihr nicht mehr nachschlagen, wie das Wort in Latein heißt.“ Na ja, das ging in der ersten Zeit nur deswegen, weil ich eben ständig hinter jedem stand, dass er das wirklich getan hat... Dann war die erste Stunde vorbei, die Schüler waren mit den Aufgaben fertig. Was wollen wir in der zweiten Stunde tun? Da musste Lektüre gefunden werden. Dann gab es einen Aufgabenbereich – das musste ich erst allmählich mir selber klar machen: die müssen ja auch in ihrem Studiersaal bzw. Schlafsaal Ordnung haben. Sie mussten also in der letzten halben Stunde, bevor es zum Abendessen ging, Ordnung schaffen. Das hat sich bei jeder Klasse wiederholt... Eine Hauptaufgabe war also, das Studium zu ordnen, den Schülern zu zeigen, wie man lernt. Dann war Abendessen, anschließend war im Winter – das war eine schlimme Zeit, die Schüler konnten nicht nach draußen, weil es regnete oder schneite – eine halbe bis dreiviertel Stunde Toben im Haus. Gerade mit den Mittelstufen von der andern Gymnasialform... Sie mussten zur entsprechenden Zeit auch geistliche Lesung halten. Das war für die Älteren eine Pflichtübung – oder sie haben da noch weiter studiert. Und wie bringt man die Zehn- bis Vierzehnjährigen zur geistigen Lesung? Es geht nicht anders, als wie man es im Bayerischen in der ‚staden‘ Zeit macht, dass man Texte vorliest. Und die Dinge so gestaltet, dass man den Einzelnen anschaut, wenn die entsprechende Zeile grad auf ihn passt... Das waren die Erfahrungen, die mich dazu geführt haben, dass ich gesagt habe: „Wir müssen die Freizeitgestaltung mit den Jungs anders gestalten. Ich bin dazu gekommen, dass ich mit den kleinen Klassen eine Theateraufführung gemacht habe. Das war natürlich nur möglich, weil es nur eine Klasse war. Davon ermuntert (und weil ich das selber als Spaß empfunden habe) habe ich dann weiter gemacht. Ich habe die große Bühne zur Verfügung gehabt im Haus der Begegnung. Unten die Volkswagenlaster und oben war der schöne Saal mit der Bühne. Dort wurde der „Hauptmann von Köpenick“ aufgeführt mit einer Drehbühne. Einer Drehbühne, die wir selber erfunden haben... „Max und Moritz“ haben wir aufgeführt mit Klavierbegleitung und zweien, die gesungen haben. Wenn ich zurück denke, dann muss ich heute noch sagen, da hat mich jemand anders geführt, da bin ich selber nicht drauf gekommen. Bei der Hochzeit meiner Tante in Kuchelna wurde „Max und Moritz“ von zwei Mädchen aufgeführt; das hatte mich begeistert. Ich suchte also das Stück, fuhr nach Frankfurt zu einer Musikalienhandlung und fragte, ob sie

584

Abschnitt VI

14.5. Spannungen zwischen Konviktsleitung und Vorstand In den letzten beiden Jahren der Konviktsleitung durch Anton Klinger nahmen die Spannungen zu, der Vorstand sah mit wachsendem Unmut und Misstrauen einen Zerfall der Disziplin im Konvikt. Klinger wurde vorgehalten, dass er die beiden Präfekten, Hundeck92 und Jochen Schulz, nicht dazu gebracht habe, ihrer Aufgabe als Präfekt wirklich gerecht zu werden.93 Hubert Thienel warf der Konviktleitung vor, dass die Hausordnung überhaupt nicht eingehalten werde, auch während der Nacht kämen ständig Gruppen nach Hause. Thienel wollte entsprechende Informationen vor allem von Dozenten vom Oberhaus erfahren haben. Das Konvikt nehme die Schulpflicht der Jungen nicht ernst. Die Studienzeit werde nicht eingehalten und deswegen sänken auch die Leistungen der Internen gegenüber den Externen. Sowohl Klinger wie Schulz seien abends meist abwesend, obwohl doch die Abwesenheit eines Präfekten zu den Ausnahmen gehören sollte. „Dass ein Zurückgang der Priesterberufe fest-

92

93

das haben. „Ja, ja, hier haben Sie die vier Hefte.“ Dann hab ich das dem Musikpräfekten gezeigt. „Ja, das kann man spielen“. Ich hatte Jungs, die gesungen haben und das Stück wurde auf der Bühne inszeniert. Das ging wunderschön mit den Kleineren und den Mittelstufenklassen... Später kamen die Oberklassen dazu – bis wir dann den Urfaust gespielt haben. Da half uns die Nähe von Frankfurt: Wir hatten einen Kostümverleih ausfindig gemacht, einen Maskenbildner, einen Friseur, den hab ich geholt und wieder zurück gefahren... Und nach dem Urfaust bin ich ja nach München gegangen.“ „Ich hatte also den ganzen Betrieb der beginnenden vollgymnasialen Stufe zu leisten und habe, weil mir das eine Freizeitgestaltung ermöglichte, diese Theateraufführung gemacht.“ P. Wolfgang Hundeck SJ, geb. 1927 in Grottkau/OS. 1943 kam er als Luftwaffenhelfer zur Flak; französische Kriegsgefangenschaft. 1947 machte er sein Notabitur im Kriegsgefangenenseminar in Chartres; noch im selben Jahr trat er in das Noviziat bei den Jesuiten in Pullach ein. Priesterweihe 1958 in Berlin. Seelsorgerliche Tätigkeit in Berlin und Köln, dann Spiritual am Unterhaus in Königstein und Präfekt der Unterstufe, damit für as forum externum und as forum internum gleichzeitig zuständig. Klagen der Eltern über die Ausübung des Präfektenamtes, konkret über Prügelstrafen, Einschüchterung der Internatsschüler und Zynismus (Dazu ein Brief von HansJoachim Schulz an Kindermann vom 28. September 1966. KZG 3304.); die Folge war, dass er als Spiritual und Beichtvater von den Schülern auch kaum mehr akzeptiert wurde. Danach 12 Jahre Seelsorger der Deutschen in Chicago, später Krankenhausseelsorger in Hannover. 2012 in Berlin gestorben. Vgl. Schlesien in Kirche und Welt Nr. 3-4/2012, S. 26. Der Schlesier Hubert Thienel, der spätere Visitator für die Schlesier, fasste in einem Brief vom 7. Juni 1967 die Vorwürfe gegen die Konviktsleitung zusammen. Er formulierte dort u.a.: „Dass Direktor Klinger seine Verdienste hat, ist nicht zu leugnen. Die Verschlechterung des Gesamtklimas im Konvikt besteht seit zwei Jahren. Damals wurden Hundeck und später Schulz eingestellt. Obwohl beide den Anforderungen eines Präfekten nicht gerecht werden, hat sich Klinger nicht gegen sie gestellt, sondern noch ihre Aktionen gedeckt. Z.B. beim Elternsprechtag im September 1966. Damals wollten die Eltern eine Unterschriftenaktion gegen Hundeck einleiten und Klinger wollte zurücktreten, wenn Hundeck entlassen würde. Ebenso unternimmt Direktor Klinger – wie es seine Sache wäre – nichts gegenüber dem Präfekten Schulz. Ihm ist vorzuwerfen, die unwürdige Form seiner Zelebration in der kürzesten Zeit, abendlicher Kneipenbesuch mit Jungen und Eigenmächtigkeiten hinsichtlich der Entlassungen. In dieser ganzen Situation, sowohl bei Hundeck wie bei Schulz, scheint Direktor Klinger das Verhalten beider gedeckt zu haben bzw. zu decken.“

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

585

zustellen ist, kann viele Ursachen haben. Eine scheint allerdings darin zu liegen, dass das Priesterbild in diesem Hause nicht gerade attraktiv ist. Hinzu kommt die auch im Kreise der Jungen geäußerte Animosität gegen das Oberhaus. Sicher sind solche Äußerungen in einem Augenblick von Gereiztheit und Unbeherrschtheit geschehen, aber gerade das gehört ebenfalls zum Bild eines Konviktsdirektors, wie wir ihn brauchen. Dass die Oberen und besonders der Direktor nicht am gemeinsamen Essen der Jungen teilnehmen und auch unterschiedliches Essen erhalten, ist gegenüber anderen Konvikten ungewöhnlich. Dass Konviktsdirektor Klinger die Bedeutung dieser, sicher für den Oberen asketischen Übung nicht einsieht und sie durchsetzt – wie es im Oberhaus ebenfalls geschieht – zeigt, dass seine Pädagogik nicht realistisch genug ist. Konviktsdirektor sein ist sicher eine Tätigkeit, die vom Priester sehr viel verlangt. deshalb erscheint es mir unmöglich, dass ein Konviktsdirektor eine solche Stelle länger als acht bis zehn Jahre innehaben kann.“94 Schulz stellte sein Präfektenamt am 5. November 1967 zur Verfügung und ließ in seinem Schreiben auch seine Enttäuschung anklingen, dass er nicht die Möglichkeit hatte, eine qualifiziertere Form der Teilnahme an der Konviktsleitung zu erhalten. Seine Aufgabe im Konvikt sei wohl vorwiegend in der Erfüllung der Aufsichtspflicht gesehen worden.95

14.6. Neue personelle Situation 1967 In seiner Begrüßung der Schüler nach der Rückkehr aus den großen Ferien und mit Beginn des Schuljahres 1967/68 sprach Kindermann die Veränderungen in Schule und Konvikt an: Die Schule bekam mit Oberschulrat Dr. Joseph Borucki in der Nachfolge von Direktor Dr. Wenzel Weiss einen neuen Direktor, und im Konvikt war Anton Klinger bereits zum Schuljahresbeginn abgelöst worden.96 Kindermann wusste, dass das für Konvikt und Schule ein tiefer Einschnitt war. Er hatte auch gesehen, wie äußerst schwierig es war, einen Nachfolger als Konviktsdirektor zu finden. Er hatte den früheren Präzeptor Dr. Adolf Hampel gewinnen können, diese Aufgabe zumindest vorübergehend zu übernehmen.97

94 95 96

97

Schreiben Thienels vom 7. Juni 1967 an Kindermann, 3 S. masch., KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 1/193, Zitate S. 1 u. 2. Einseitiges Schreiben von Dr. Hans Joachim Schulz am 05.11.1967 an Kindermann, KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 1/193. Thienel berichtet in seinem Brief auch über die negativen Auswirkungen des Privatlebens von Klinger auf die Jungen. Er unterscheide zwischen Jungen aus armen und reichen Familien und pflege mehr Beziehungen zu Jungen der höheren Gesellschaft. D.h. sie fühlten sich nicht gerecht behandelt; das Verhalten Klingers Frauen gegenüber sei auch nicht korrekt. Zumindest sei diese Meinung unter den Jungen verbreitet. „Dazu ist natürlich Ursache ein forciertes Tanzen bei Karneval und sonstigen Anlässen.“ Thienel an Kindermann am 7. Juni 1967, S. 2. Vgl. das Manuskript zur Begrüßungsansprache von Kindermann, KZG Bonn, Akten Bischofszimmer, 1/193 vom 31.8.1967. Dort heißt es zum Thema Konviktsleitung: „ Auch im Konvikt ist in der Leitung eine Änderung eingetreten. Unser langjähriger Konviktsdirektor, Anton Klin-

586

Abschnitt VI

Der Vorstand des Trägervereins sah die Probleme im Konvikt – sie manifestierten sich für ihn in der zurückgehenden Bereitschaft, ein Theologiestudium aufzunehmen und auf der disziplinarischen Ebene. Die Vorstandsmitglieder übersahen dabei aber, dass die Schüler aus einer anderen Gesellschaft kamen als vor 20 Jahren. Es waren nicht mehr Sudetendeutsche und Schlesier, Ermländer und Südostdeutsche, die die stärksten landsmannschaftlichen Gruppen im Konvikt stellten. Seit 1960 nahm die Gruppe der Einheimischen, also der Schüler, deren beide Elternteile nicht aus Vertriebenenkreisen kamen, kontinuierlich zu. Hinzu kamen die wachsende Integration der Heimatvertriebenen und nicht zuletzt die Neuorientierungen im geistigpolitischen, weltanschaulichen Klima, wie sie sich bereits in der Zeit der Großen Koalition und dann vor allem in der Zeit der FDP/SPD-Regierung zeigten. Erziehungsziele, die bislang als Orientierung ausgegeben worden waren, wie die Ostausrichtung und die Hinführung zum Priesterberuf, waren nicht länger selbstverständlich. Kindermann klagte, dass es an Hilfspräfekten fehle, dass die Bemühungen um Erzieherinnen und Erzieher weiter gingen. Das dringendste Anliegen aber sei die Besetzung des Direktorenpostens. Kindermann habe sich bereits monatelang bemüht, aber ohne konkretes Ergebnis.98

14.7. Offener Brief der Konviktsschüler 1969 Im Schülerkonvikt wurde die provisorische Leitung durch Dr. Hampel abgelöst durch Direktor Clemens Siewek.99 Das Internat hatte ein neues Hausstatut und eine Hausordnung bekommen, die die Eltern zur Kenntnis genommen und unterzeichnet hatten.

98

99

ger, hatte um Enthebung von seinem sicherlich nicht leichten Dienste gebeten. Es ist eine ganz seltene und außerordentliche Leistung, dass er durch so viele Jahre diese große Verantwortung getragen hat. Er hat wesentlich am Ausbau unserer Königsteiner Einrichtungen mitgeholfen. Nun war der Vorstand des AMK der Meinung, dem Wunsch des scheidenden Konviktsdirektors nicht während des Schuljahres, sondern schon jetzt am Anfange, stattzugeben. So vollzieht sich der Wechsel leichter für alle Seiten. Direktor Klinger will eine Kur antreten, um seiner angeschlagenen Gesundheit ein wenig nachzuhelfen, bevor er in die Seelsorge seiner Aufnahmediözese Regensburg geht. Wir sind Herrn Direktor Klinger zu tiefstem Danke verpflichtet und wir hoffen, diesen Dank auch noch offiziell in einer Hausfeier später zum Ausdruck bringen zu können.“ Das Anwachsen der externen Schüler kommentierte die Konferenz der Caritasverbände in Hessen, die im Auftrag des Ordinariates die Ergebnisrechnung von 1967 und den Voranschlag von 1968 begutachtete wie folgt: „Der Anteil der einheimischen Schüler wächst weiterhin zusehends; desgleichen der Anteil der in Hessen geborenen Kinder. Auch nimmt der Anteil der Externen laufend zu. In gleichem Umfang mindert sich das Interesse an Internatsplätzen. Dies dürfte u.a. auf die Verbesserung der Wohnverhältnisse und die allmählich bessere Streuung der Schulen zurückzuführen sein.“ (Schreiben der Konferenz der Caritasverbände in Hessen, Referat für Anstaltswesen an die Finanzabteilung des Bischöflichen Ordinariates Limburg vom 8. März 1968, 3 S. masch., Zitat S. 2, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1). Clemens Siewek, geb. 1930 in Breslau, Priesterweihe 1957 für das Bistum Hildesheim. PRIESTERREFERAT KÖNIGSTEIN (Hg.): 8. Königsteiner Schematismus, S. 112.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

587

Trotzdem setzte sich diese Ordnung zum Bedauern Kindermanns nur sehr schwer durch. Nach wie vor fehlten geeignete Erzieher. „Anfang März 1969 unternahmen einige Schüler der Vorstufe eine Aktion, die sich gegen den Weihbischof als den letztlich Verantwortlichen richtete und welche die gegen manche Nöte im Hause erhobenen Anschuldigungen auf die Straße trug.“100 Ein Hilfspräfekt wurde daraufhin entlassen, der neue Internatsleiter Siewek trat einen Erholungsurlaub an. Die Reaktion war, dass man den Oberprimanern freistellte, die letzten Monate vor dem Abitur außerhalb des Konvikts zu verbringen. Man werde in Zukunft energisch durchgreifen müssen, um die Hausordnung durchzusetzen und wahrscheinlich auch die Schülerzahl im Konvikt wesentlich reduzieren. In diesem Kontext ist auch ein offener Brief der Abiturienten von 1969 an die Eltern der Konviktsschüler zu lesen, in dem sie anmahnten, dass für 229 Konviktsschüler nur vier Erzieher zur Verfügung stünden, dass die Frage des Besuches einer Tanzschule immer noch nicht entschieden sei, sondern an die Deutsche Bischofskonferenz in Fulda verwiesen wurde. Die eigentliche Frage also lag tiefer, nämlich wie weit die ausschließliche Orientierung an der Ausbildung des Priesternachwuchses im Internat noch zeitgemäß war und wie weit in der Pädagogik Fortschritte gemacht wurden, die auf eine intensivere Förderung und Betreuung in kleineren Gruppen hinwies. Breiten Widerhall in den Zeitungen fand der Offene Brief der Internatsschüler über die unhaltbaren Zustände am Albertus-Magnus-Kolleg im Frühjahr 1969. Kritik wurde u.a. an der pädagogischen Eignung des Konviktsdirektors Siewek geübt, der nach dem Weggang Klingers gerade einmal ein Jahr im Amt war. Kritik übten die Internatsschüler an der Überwachung der Lektüre des Radio- und Fernsehkonsums. Außerdem seien die Duschzeiten zu gering. Viele Stellungnahmen und Zuschriften beschäftigten sich mit den Einzelheiten dieser Kritik. Der frühere Präfekt im AMK, Jochen Scholz, damals Kaplan in Bingen, erklärte sich mit den ihr Recht fordernden Schülern solidarisch. Er wünschte der Kampagne vollen Erfolg. Und es wurde auch darauf hingewiesen, dass man die Gründe doch tiefer liegend suchen solle, vor allem in den weltanschaulichen Vorgaben, die das Klima im Konvikt beherrschten, vor allem in der Zielsetzung, Priesternachwuchs aus den Reihen der Konviktler zu bekommen.101 Finanzknappheit, Personalprobleme, überholte Erziehungskonzepte, deren Anwendung die Leiter des AMK auch noch vom Konviktspersonal einforderten, nährten die Unzufriedenheit und Empörung vieler Schüler und mancher Eltern. Die Schüler mussten mit der Situation fertig werden, dass sie aus der gewohnten Umgebung herausgerissen waren, im Internat alles, die ganze Zeit durchorganisiert und kein Freiraum und keine freie Zeit für das einzelne Kind vorgesehen war. Die wenigen betreuenden Personen waren oft pädagogisch nicht eigens dafür ausgebildet und mit der Situation und der Arbeit überlastet und überfordert und reagier-

100 101

KZG Akten Bischofszimmer 1/193, Tätigkeitsbericht AMK 1968 im Entwurf, 5 S. masch. mit handschriftlichen Notizen, Zitat S. 4. Eine ausführliche Sammlung nicht datierter Zeitungsausschnitte findet sich in den Unterlagen der Katharinerinnen in Münster.

588

Abschnitt VI

ten in Konfliktsituationen mit rigiden Strafen und Demütigungen. Sie verloren die Kontrolle über ihre Affekte. Da mag sich die Situation in Königstein kaum von der anderer kirchlicher Internate, die in jüngster Zeit ausführlicher untersucht wurden, unterschieden haben.102 Seit November 1969 war Pfarrer Pietschmann103 Präfekt der Mittelstufe, Schwester Magdalena104 Präfektin der Unterstufe. Dabei wurde ausdrücklich konstatiert, dass Oberstufenschüler bei der Aufsicht in Mittel- und Unterstufe mithalfen und die schulischen Hausaufgaben der Unterstufenschüler und der Tertianer prüften und kontrollierten. Trotz alledem seien große Sorgen geblieben und zwar werde oft eine Unehrlichkeit des Elternhauses festgestellt, ein großer Mangel an religiöser Substanz, die die Formung der Konviktschüler in den Augen des Berichterstatters, also Kindermanns, ungemein erschwere. Auch aus vielen Flüchtlingsfamilien kämen Kinder in das Haus, die nur billig das Abitur erwerben wollten, wohingegen seit Jahren auch einheimische Jungen aufgenommen würden, darunter einige, die ausgezeichnet „mittun“.

14.8. Der Weg zur Auflösung des Konvikts Problematisch wurde es für das Schülerkonvikt, das in der Vergangenheit zu Zeiten mehr als 300 Schüler beherbergt hatte, als 1976 nur mehr acht Schüler im Internat wohnten. Sollte das Schülerkonvikt angesichts dieser Zahl noch weiter geführt werden? Nach der Auflösung der Hochschule und des Priesterseminars wurde um das Weiterbestehen des Schülerkonviktes heftig gerungen. Nicht zuletzt stand die Küche der Hochschule den Internatskindern nicht länger zur Verfügung. Man musste also eine gleichwertige Lösung als Ersatz finden. Der Wunsch der Eltern der Konviktskinder ging dahin, dass das Haus der Begegnung die Kinder aufnehmen möge. Bereits bei einem Elternabend am 17. Oktober 1977 hatten die Eltern der Konviktsschüler ihre Sorgen geäußert, dass der Leiter des Konvikts, Herr Weinzierl, das Internat verlassen könnte, nachdem seine Frau im bayerischen Schuldienst eine Beamtenstelle bekommen hatte. Hinzu kam die geringe Zahl der Schüler im Konvikt, für das die Eltern eine besorgte Anfrage an Prof. Janko als Kommissarischen Leiter des Albertus-Magnus-Kollegs richteten, ob das Internat weiterhin Bestand habe. Janko versicherte, dass er versuchen werde, Einblick zu gewinnen und dass bei positiver

102 103 104

Vgl. dazu beispielsweise Bernhard FRINGS / Uwe KAMINSKY, Gehorsam – Ordnung – Religion. Konfessionelle Heimerziehung 1945 – 1975. Münster 2011. Hans Pietschmann, geb. 1928 in Hainspach. Priesterweihe 1955 in Würzburg. PRIESTERREFERAT KÖNIGSTEIN (Hg.): 8. Königsteiner Schematismus, S. 90. Sr. Magdalena gehörte zu den Königsteiner Katharinerinnen, die die Leitung des AMK in den 70er Jahren unbedingt und möglichst lange halten wollten, als die Generaloberin in Münster auf den Abzug der Schwestern aus Königstein drängte.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

589

Entwicklung des Internates das Konvikt bleiben werde. Die Schülerzahl müsse aber doch über die Zahl 20 hinaus anwachsen und gleichzeitig müsse eine gute Führung garantiert sein.105 Gleichzeitig wies Janko darauf hin, dass die Diözese Limburg Internaten sehr skeptisch gegenüber stehe und selbst nur noch zwei Konvikte unterhalte. Das Protokoll hielt fest, dass der damalige Leiter Weinzierl im Kampf um die Probleme des Internates weitgehend resigniert und große Bedenken habe, seine eigene Existenz auf die vielen Wenn und Aber zu gründen. Der Elternsprecher unterstrich daraufhin, dass damit die gleiche Problematik auftauche wie vor einem halben Jahr und die Unsicherheit offensichtlich noch gewachsen sei. Erstmals wollte man eine vertragliche Regelung zwischen Internat und Eltern einführen. In Anlehnung an den Schulvertrag sollte die Zusammenarbeit zwischen Eltern und den Erziehern vertraglich abgesichert werden.106 Die karge Ausstattung der Zimmer im Konvikt kam ebenso zur Sprache wie die Notwendigkeit, ein eigenes Musikzimmer einzurichten. Eine Wunschliste für die einfachsten Bastelutensilien und Spiele aller Art, sowie Jugendbücher, Lexika, kindgemäße Schallplatten etc. wurde zusammengestellt. Dies alles zeigt, wie bedürftig die Ausstattung im Konvikt war. Man lebte in der Ungewissheit, wie lange es weiter bestehen könnte und wollte aus diesem Grund nicht viel investieren. Man konnte es aus finanzieller Hinsicht auch nicht leisten. Noch einmal wandten sich die Elternsprecher am 17. Januar 1978 an Prof. Janko, sich zusammen mit dem Leiter der Schule, Direktor Herrmann, für die Sache des Internats einzusetzen.107 Die Eltern erlebten Janko in seiner Anteilnahme, in seiner Offenheit, in seinem Verständnis für ihre Sorgen und Wünsche, auch für die zeitgemäßen Wünsche und Sorgen der Kinder und brachten diesen Dank über die neue Situation, die neue Atmosphäre auch zum Ausdruck. „Da wir wissen, wie sehr Sie und Herr Direktor Herrmann am Fortbestand des Internats interessiert sind, haben wir alle Hoffnung einer guten Lösung entgegenzusehen. Viele Eltern engagieren sich sehr im Internat, und es erscheint uns wichtig, hier einmal zu erwähnen, dass die Mehrzahl der Kinder im Internat aus intakten Familien kommt und nicht, weil schwer erziehbar, dorthin abgeschoben wurden. Innerhalb von nur einem Jahr ist es uns gelungen, eine Gemeinschaft zu bilden, eine Elternspende ins Leben zu rufen, die bereits seit dem vorletzten Elternabend DM 750,- beträgt. Der gute Wille ist da, die kirchliche Unterweisung ebenfalls und nichts macht uns froher, dass uns Dr. Weber erhalten bleibt. Wir meinen, dass wir mit dieser Mannschaft, Herrn Weinzierl, Herrn Dr. Weber, den Eltern und den Elternsprechern wieder ein gutes Internat auf die Beine bringen können. Wir möchten Ihnen versichern, dass wir jegliche Hilfe anbieten wollen.“108 Der Elternsprecher forderte Mut zur Aufstockung des Internats zu haben bis zur der Zahl,

105 106 107 108

Protokoll zum Konviktselternabend am 17. Oktober 1977, 3 S. masch., KZG 194. Vgl. Protokoll vom 1. Elternabend im Konvikt am 17. Oktober 1977, 3 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194. KZG Bonn, 194, Irmin Vogler am 17. Januar 1978 an Janko, 2 S. masch. KZG Bonn, 194, Irmin Vogler am 17. Januar 1978 an Janko, 2 S. masch., S. 1f.

590

Abschnitt VI

dass es sich finanziell selbst tragen könnte. Janko hatte sich dazu die Randnotiz gemacht, dass 40 bis 45 Schüler dafür notwendig wären. Vorurteile, die offensichtlich gegen das Internat bestanden, jedenfalls in der Wahrnehmung der Eltern, müssten endlich abgebaut werden. 1981 kam der Beschluss, das Internat aufzuheben, das im Jahr zuvor noch 30 Schüler aufgenommen hatte. Man wandte sich gegen eine sofortige Schließung, weil man damit soziale Härtefälle verbunden sah und entschied sich für ein Auslaufen lassen, wobei die Auslaufszeit ein Jahr betragen sollte.109 Unter neuer Leitung, allerdings mit deutlich reduzierter Schülerzahl, wurde das Internat fortgeführt. Es stellte 1982 seinen Betrieb ein. Der letzte Leiter war der Lehrer Herr Schindler.

109

Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung vom 19. Mai 1981, S. 7f.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

591

15. Schülerzeitungen110 Am Anfang einer langen Reihe von Schülerzeitungen stand „Die Brücke“. Die erste wurde 1961 „geschlagen“ und landete gleich einen vollen Erfolg. Beachtlich ist der Umfang der „Brücken“, die mit sechs Ausgaben pro Jahr erschienen, jeweils mit einem Umfang von etwa 50 Seiten. „Die Brücke“ wollte nicht nur ein Informationsorgan für die Schüler der AlbertusMagnus-Schule sein, sondern ein Brückenschlag, ein Informationsorgan auch für die Eltern, die über das Leben der Schule in Königstein – auch dort, wo sie weiter entfernt wohnten – unterrichtet werden sollten. Schulische Themen wurden aufgegriffen, mit Humor gewürzt aufbereitet zu Kurzweil und Unterhaltung der Schüler im Internat, für die es zu der Zeit neben Sport, Spiel und Musik nur wenig an weiterem Unterhaltungsprogramm gab. „Die Brücke“ hatte drittens die pädagogische Intention, die Schüler und Mitschüler in gesellschaftspolitisch relevanten Fragen staatsbürgerlich zu formen. Diese Zielsetzung mag in Verbindung gebracht werden mit der Zusammensetzung der Redaktion. Zur Schülergruppe kam auch der spätere Stellvertretende Direktor, Dr. Rudolf Mattausch, der, wie wir an anderer Stelle sahen, Themen der böhmischen Geschichte, aber auch europapolitische Fragen in unterschiedlichen Foren – u.a. auf den Kongressen ‚Kirche in Not’ – vortrug und zur Diskussion stellte. „Die Brücke“ benachrichtigte in einem Rundschreiben vom 24. Oktober 1967 die Abonnenten über das Ende der Zeitschrift. Mit der Nr. 32 hörte sie auf zu existieren. Fünf Jahre erschien „Die Brücke“ also bis 1967. So markiert auch der Einschnitt in der ersten Schülerzeitung den Umbruch und die Turbulenzen, die in Schule und überhaupt in den Königsteiner Anstalten um diese Zeit zu verzeichnen waren. Eine gemeinsame Schülerzeitung der Bischof-Neumann-Schule und der St. Angela-Schule erschien 1970 bis 1971 unter dem Titel „Child“. „Child“ erschien zweimal im Jahr mit einem Umfang von etwa 30 Seiten, ohne die Fotos, die „Die Brücke“ so charakteristisch gemacht hatten – nicht zuletzt, weil sie im eigenen Labor entwickelt worden waren. An „Child“ spürt man die Veränderung, die in Schule und Konvikt stattgefunden hatte. Es wurden andere Themen aufgegriffen, und sie wurden aus einer veränderten Perspektive dargestellt. Die Wahrnehmung der kirchlich gebundenen Heimatvertriebenen, die „Die Brücke“ geprägt hatte, war jetzt allgemein die Jugendlichen interessierenden Themen gewichen. Es dauerte, bis nach „Child“ wieder eine Schülerzeitung produziert wurde, nämlich „Le Papillon“, deren erste Nummer im März 1979 unter die Schüler verteilt wurde. Sie wuchs aus – den Umfang und die Gestaltung, den Inhalt betreffend – beschei-

110

Zur Geschichte der Schülerzeitungen an der St. Albert-Schule bzw. Bischof Neumann-Schule vgl. Peter DONN, „Le Papillon“ und die Geschichte der Schülerzeitungen. In: Festschrift „Bischof Neumann-Schule“. Königstein 1996, S. 116 bis 121.

592

Abschnitt VI

denen Anfängen von 16 Seiten im Laufe der Zeit auf etwa 40 Seiten, wobei es zwei bis drei Ausgaben pro Jahr gab. „Le Papillon“ erschien auch in den neunziger Jahren noch, allerdings mittlerweile in einem beträchtlich gewachsenen Umfang von etwa 80 Seiten pro Ausgabe. Die Redaktion wurde von den Schülern übernommen, daher ist der Wechsel in Personal und Inhalt signifikant. Hatte Mattausch bei der „Brücke“ noch die Kontinuität gesichert, so fehlte sie jetzt. Trotzdem schaffte es „Le Papillon“ über die Jahre hinweg mit all den Veränderungen immer wieder, interne Entwicklungen und Informationen für die Schüler zu kommunizieren, Unterhaltung zu bieten, vor allem auch mit Rätseln, die Leserinnen und Leser herauszufordern. Konkurrenz bekam „Le Papillon“ erstmals 1983 durch die Zeitung „Tout Le Monde“, wiederum ein Gemeinschaftsprojekt mit der St. Angela-Schule, das aber nach zwei Ausgaben wieder versandete. Ernsthafte Konkurrenz entstand 1992/93 mit dem „Comet“. Mit zwei unterschiedlichen Zeitschriften standen sich auch zwei unterschiedliche Konzepte und Gruppen von Schülern innerhalb der Bischof-NeumannSchule gegenüber. Freilich konnte auch „Comet“ nicht über die zweite Ausgabe hinauskommen, da wegen beleidigender Äußerungen gegen das Lehrerkollegium die Redaktion zur Verantwortung gezogen wurde und die Herausgeber ihre Tätigkeit einstellen mussten. Ganz aufgeben wollte der Rest der Redaktion von „Comet“ das Projekt noch nicht. So erschien 1993 der „Tonic“. Allerdings nur mit einer Ausgabe. Als Schülerzeitung konnte sich also seit 1979 kontinuierlich nur „Le Papillon“ halten, die 1994 und 1995 jeweils den fünften Rang im Wettbewerb „Beste Schülerzeitung Hessens“ erhalten hatte. Teilgenommen hatten etwa 90 Schülerzeitungen.

Gymnasium und Konvikt als Rekrutierungsfeld für Theologiestudenten?

593

16. Die Verbundenheit der ehemaligen Schüler mit Königstein Wie weit hielt Königstein als Identifikationsband auch nach dem Abschied von Königstein? Wer oder was konnte begeistern, Verbundenheit stiften? Im Konfliktfall werden solche Fragen bevorzugt reflektiert; die formulierten Standpunkte schlagen sich dann am ehesten auch in Quellen nieder. Die Schülerzeitschrift „Die Brücke“ wollte kontinuierlich informieren und Brücken schlagen zwischen den Königsteinern und den Alt-Königsteinern. Eine hohe identifikatorische Fähigkeit hatte für zahlreiche Schüler und Studenten das Leitungspersonal. Ein Indiz ist beispielsweise ein Brief von Bischoff an die alten Schulkameraden von Königstein, der nicht zuletzt die dankbare Erinnerung an den langjährigen Konviktsdirektor Anton Klinger unterstrich. Der Brief sollte offensichtlich auch eine Hommage an Klinger sein und ein stückweit die offenen und unterschwelligen Vorwürfe, die ihm von der Leitung Königsteins, offensichtlich vor allem von Kindermann, gemacht wurden, entkräften.111 Ähnlich deutlich wurde der Weggang des früheren Präfekten Jochen Schulz bedauert. Auch er sei bei allen Schülern beliebt gewesen. Im Kontrast dazu steht der Vorwurf, dass er unfähig sei, junge Menschen für das Gute zu begeistern und somit die Erziehungsaufgabe im AMK voll und ganz zu erfüllen.112 Aus dem Schreiben spricht ein tiefes Bedauern, dass zwei engagierte, langjährige Führungspersonen des Konvikts entlassen wurden und verwaltende Gleichgültigkeit, aber eben Gefügigkeit gegenüber der Leitung, Unterwürfigkeit eingesetzt wurde. Die alte Attraktivität, die Geselligkeit, der Korpsgeist, das Potential, das Identifikation mit Königstein ermöglichte, Begeisterung hervorrief und Attraktivität entfaltete, war nicht länger vorhanden.

111

112

Vgl. Brief Egbert Bischoff vom 14. Dezember 1967 an die Alt-Königsteiner, 2 S. masch., KZG Bonn, Archiv Königstein, Bischofszimmer, 2.194. „Tatsache ist, dass seit September dieses Jahres Toni nicht mehr Konviktdirektor ist und jetzt bereits eine Stelle als Kurat in Poxau … bekleidet. Dass ihm dieser plötzliche Abschied sicher nicht leicht gefallen ist, kann sich jeder vorstellen, der sich erinnert, wie Toni sich immer für seine Jungs mit ganzer Energie und Seele eingesetzt hat. Welche Gründe auch immer den Hausvater des AMK bewegt haben mögen zu diesem Schritt, sei dahingestellt. Toni aber mangelnde pädagogische Eigenschaften, Aufsichtsvernachlässigung und eine zu lockere zu „weltliche“ Erziehung vorzuwerfen, heißt, sich die Sache zu einfach zu machen. Wir alle kennen Toni noch als den priesterlichen Freund, den echten Seelsorger, der als Direktor mit seiner Autorität das Konvikt leitete und mit seinem Verständnis für uns Jungen einen jeden von uns ansprach, überzeugte und so manchen von uns zum Theologiestudium führte. Ob ins Oberhaus oder anderswo ist dabei doch nicht entscheidend – oder doch?“ (S. 1). Hier ist zu klären, ob in diesem Wechsel der Konviktsleitung 1967 die Diözese Limburg involviert war oder ob dies eine reine Folge der Entscheidungen Kindermanns war.

594

Abschnitt VI

Eine Jungengemeinschaft brauche keine Theoretiker, formulierte Bischoff, die Satzungen ausarbeiten bzw. nur abschreiben und dann wiederum das Weite suchen, wenn es darum geht, sich im täglichen Leben als Erzieher zu bewähren. Junge Menschen bräuchten vielmehr Priester, vor denen sie Achtung hätten, und Menschen, die die Jungen verstünden. „Soll eine Jungengemeinschaft, wie das AMK, blühen, wie es einmal blühte, so braucht es Praktiker, die handeln und zwar schnell. Eher heute als morgen, denn wer mal wieder in Königstein war, verspürt nichts mehr vom alten Geist, sondern fragt sich, was die jungen Menschen zusammenhält. Etwa Frühstück, Mittag- oder Abendessen, Schlafen und Trinken, reicht das aus? Wo ist die Aktivität unter den Schülern geblieben?“113 Seit dem 11. Juni 1975 gab es einen Förderverein, der bis Mitte der neunziger Jahre aus Beiträgen und Spenden die Schule mit etwa einer halben Million DM unterstützen konnte.114 1989 wurde ein Verein der Ehemaligen der Bischof-Neumann-Schule gegründet. Aus anfänglich zwölf Vereinsmitgliedern wurden in den ersten sieben Jahren des Vereins bereits 600, 600 der 2.000 ehemaligen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums. Der Verein sorgte sich nicht nur um den Zusammenhalt der ehemaligen Schülerinnen und Schüler, sondern um die finanzielle und ideelle Unterstützung der aktuellen Schularbeit durch Betreuung der Oberstufenschüler bei der Berufsberatung oder auch durch die Schaffung eines Weihbischof Kindermann-Stipendiums für Schüler, die sich bereits wissenschaftlich interessierten. Der Verein der Ehemaligen initiierte 1992 ein Forum zum Gedankenaustausch für Ehemalige, für Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur und für mit der Schule Verbundene. Hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Religion wurden zu Vortragsreihen eingeladen, die einen hohen Zuspruch fanden.

113 114

Vgl. Brief Egbert Bischoff, S. 2. Vgl. Stephan Buchmann: Der Verein der Freunde und Förderer der Bischof Neumann-Schule e.V., in: Festschrift „50 Jahre Bischof Neumann-Schule“, S. 86, und Andreas Krebs: Der Verein der Ehemaligen der Bischof Neumann-Schule e.V., in: Festschrift „50 Jahre Bischof NeumannSchule“, S. 87f.

ABSCHNITT VII: INITIATIVEN FÜR DIE SEELSORGE

1.

Die Sorge für die Seelsorger

Das Priesterreferat Kindermann wurde mit dem „Priesterreferat“, der spezifischen Sorge um und für die vertriebenen Priester, nach dem Tod von Bischof Maximilian Kaller im Juli 1947 betraut. Er sah als Hauptaufgabe für das Priesterreferat die Erfassung des Klerus, dessen Verteilung und Betreuung und die Sorge für den Priesternachwuchs. Die Erfassung leistete Kindermann, indem er für die Priester Personalakten anlegte und bis Mitte 1951 bereits drei Priesterverzeichnisse herausgab; damit hatte er bereits einen Stand von 2.934 Priestern erreicht. Die Verteilung konnte er nicht direkt beeinflussen. Er konnte nur appellieren. Die Jurisdiktion lag beim jeweiligen Vertriebenenbischof. Daher sah Kindermann als wichtigsten Auftrag die materielle und geistige Betreuung der heimatvertriebenen Priester. Die materielle Betreuung konzentrierte sich naturgemäß auf die ersten Monate und Jahre nach der Vertreibung. Später bestand sie in der Vermittlung von Stipendien bzw. auch in der Vermittlung von Waren für den Klerus in der DDR. Mit den entsprechenden Periodika schuf Kindermann Bindeglieder zwischen dem Priesterreferat und den heimatvertriebenen Priestern und auch an der Vertriebenenseelsorge interessierten einheimischen Seelsorgern. Die ‚Mitteilungen für den heimatvertriebenen Klerus aus dem Osten‘, 1947 ins Leben gerufen, hatten Mitte 1951 bereits eine Auflage von 8.000 Exemplaren. Die Aufgaben veränderten sich und spitzten sich zu auf die Beschaffung der nötigen finanziellen Grundlage, vor allem mit der Währungsreform im Juni 1948. Damals stand Königstein vor einer ganz neuen Situation. Die Zuschüsse der Diözesen reichten bei weitem nicht aus, die Anstalten lebensfähig zu erhalten. Das Priesterreferat musste einen Aufgabenschwerpunkt auf die Einwerbung entsprechender Mittel legen. „Das war umso leichter möglich, als der Leiter des Albertus-Magnus-Kollegs Königstein und der Leiter des Priesterreferates in ein und derselben Person vereinigt war. Die vom Priesterreferat betreuten Priester konnten wegen ihrer engen Verbindung leichter zur Mitarbeit und Hilfe für die Königsteiner Anstalten herangezogen werden. Je mehr ihnen Königstein Vaterhaus wurde, desto mehr fühlten sie sich und ihre Gemeinden ihm gegenüber verbunden. Nur so war es möglich, die Königsteiner Anstalten über alle Schwierigkeiten der vergange-

596

Abschnitt VII

nen Jahre wirtschaftlich gesund zu erhalten.“1 Kindermann führte dies als eine gewisse Rechtfertigung für seine Ämterkumulation in Königstein an. Auch die weiteren Publikationsorgane, die ‚Königsteiner Rufe’ und das ‚Königsteiner Jahrbüchlein’, die Kontakt zu den vertriebenen Laien halten sollten und besonders Spenden einwarben, sah er als eine Aufgabe des Priesterreferates an.

Struktur und Zuständigkeit Ein problematischer Dauerbrenner war die Frage der juristischen Form des Priesterreferates, das in seinen Aufgaben und in deren Verwirklichung sowohl bei der Verwaltung wie bei der Finanzplanung den Bischöfen zu wenig transparent war. Für Außenstehende blieben sehr lange die Struktur und die Aufgabe des sogenannten Priesterreferates unklar. Der Bischof von Limburg, dem die Aufsicht über Königstein zukam, wünschte eine klare Beschreibung der Aufgaben dieses Priesterreferates. Die Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kolleg e.V. befasste sich am 30. Januar 1950 in ihrer jährlichen Sitzung mit dieser Frage und klärte die Zuständigkeiten so, dass der Beauftragte für die Vertriebenenseelsorge, nämlich Prälat Franz Hartz, für alle jurisdiktionellen Fragen im Hinblick auf die vertriebenen Priester zuständig sei, für die seelsorgerliche und materielle Betreuung der vertriebenen Priester aber das Priesterreferat. Vor allem zwei Initiativen machte Kindermann als Leiter dieses Referates zu seinen Schwerpunkten, nämlich zum einen die Diözesanvertriebenenseelsorgerkonferenzen, die Möglichkeiten der vertriebenen Seelsorger sich zu treffen, sich auszutauschen, sich weiterzubilden, dann die ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester‘, also das Publikationsorgan, in dem ebenfalls Informationen ausgetauscht, geistliche Themen verhandelt und verstorbene Mitglieder des Vertriebenenklerus gewürdigt wurden. Hinzu kam in den ersten Jahren die Verteilung von Spenden, auch von MessStipendien und dann über die landsmannschaftlichen Priesterwerke die Sorge um den Priesternachwuchs, so dass also auch Schule und Hochschule, wie Konvikt und Priesterseminar zumindest indirekt Aufgaben des Priesterreferates waren. Kindermann lag demnach mit seiner Einschätzung nicht falsch, das Priesterreferat sei Herz und Motor der Königsteiner Anstalten. Wie eng die Verflechtung war und wie selbstverständlich Kindermann die unterschiedlichen Institutionen und Initiativen in Königstein in einem Atemzug nannte, zeigt die Anführung der Ostpriesterhilfe im Rahmen der Aufgabenbeschreibung des Priesterreferates: „Allein durch die Ostpriesterhilfe konnte Königstein die materiellen Priesternöte vom Lebensmittelpaket bis zum Volkswagen wesentlich lindern und der seelsorglichen Not tiefster Diaspora durch die Kapellenwagenmission Hilfe bringen.“2

1 2

Zur Frage der juristischen Form des Priesterreferates, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1, 4 S. masch., Zitat S. 2. Ebd., S. 3.

Initiativen für die Seelsorge

597

Schließlich sei die Verbindung mit der Ostpriesterhilfe nicht nur eine Möglichkeit, die materielle Not zu lindern, sondern sie schaffe auch eine lebendige Verbindung zu den Priestern der westlichen Nachbarländer, für die Königstein zu einem Symbol der Verpflichtung des christlichen Westens für den leidenden Osten geworden sei. Im Kontext der Entflechtung und Umstrukturierung der Verwaltung in Königstein wurde auf der Mitgliederversammlung des AMK e.V. 1955 erneut die Struktur des Priesterreferates diskutiert, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die steuerlichen Voraussetzungen und die Haftung der Auftraggeber, also der Bischofskonferenz bzw. des Papstes. In dieser Hinsicht wurde es als günstiger erachtet, das Priesterreferat als eigenständigen Verein selbständig zu führen oder in den Albertus-Magnus-Kolleg-Verein einzugliedern. Freilich wurde auf diesem Forum kein Beschluss gefasst. Die Frage nach dem Priesterreferat, nach seiner Struktur und Stellung, wurde auch von Limburg wiederholt ventiliert, nicht zuletzt auf der Mitgliederversammlung des Kollegs am 16. Februar 1956.3 Kindermann pochte stets darauf, dass Kaller die Sammlung und Zusammenfassung der vertriebenen Priester übertragen worden sei und dieser diese Aufgabe an Kindermann weitergegeben habe. Kardinal Frings kommentierte diese angebliche Tradition so: Es sei ursprünglich nur die Katalogisierung der vertriebenen Priester mit dem Auftrag gemeint gewesen und eine eigentliche Ostpriesterhilfe, nämlich eine echte materielle Hilfe an die Priester, die aus dem Osten vertrieben waren. Frings unterstrich 1956, dass Kindermann später eine Ausweitung dieses Auftrages in eigener Verantwortung vorgenommen habe.4 So sei z.B. die Kapellenwagenmission über den ursprünglichen Auftrag hinausgegangen. Auch die ‚Königsteiner Rufe‘ hätten mit dem Priesterreferat nichts zu tun. Es sei eindeutig, dass die jurisdiktionelle Verantwortung für die vertriebenen Priester der von der Bischofskonferenz beauftragte Bischof, in diesem Fall Döpfner, habe. Die Folgen dieser Entwicklung werden vor allem in steuerlicher Hinsicht als problematisch angesehen. „Dabei könne auch nach einer Form gesucht werden, die die bisherigen drei Divergenzen beseitige: der Verlag soll handelsgerichtlich auf den Namen Dr. Kindermann eingetragen sein, die steuerliche Verantwortung trage der e.V., das Impressum der Königsteiner Rufe laute auf „Priesterreferat“. Diese Divergenzen könnten auch steuerliche Auswirkungen haben. Es werde auch die Steuerpflicht des Priesterreferates nachzuprüfen sein, das den Wirtschaftsbetrieb des neuen „Hauses der Begegnung“ führt und auch weiterhin führen möchte. Schon aus diesen Unklarheiten heraus sei die Jahresrechnung 1955 erst eine vorläufige und der Haushaltsplan 1956 noch nicht genehmigungsreif. Dies sei erst möglich, wenn eindeutig geklärt sei, wer die Trägerschaft und damit die Haftung für die verschiedenen wirtschaftlichen Angelegenheiten habe.“5 Das bischöfliche Ordinariat Limburg wollte also nach den Worten des Bischofs die Verantwortung als kirchliche Aufsichtsbehör-

3 4 5

Diözesanarchiv Limburg, 16A/3. Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, S. 2. Diözesanarchiv Limburg, 16A/3, S. 4.

598

Abschnitt VII

de nur dann weiterhin übernehmen, wenn juristisch und steuerlich alles präzisiert sei. Daher wurde Ordinariatsrat Demandt mit der steuerlichen Prüfung aller Verhältnisse in Königstein beauftragt, einschließlich des Verlages Königsteiner Rufe, der auf Kindermann persönlich eingetragen war – ein Relikt noch aus den Zeiten, da die Alliierten die Zensur ausübten, die Lizenzen vergaben und Verlagslizenzen nur persönlich verlangt werden konnten. Angesichts der Diskussion um die rechtliche und damit auch steuerliche Neuordnung der Bereiche in Königstein, skizzierte Kindermann die Entwicklung und die Aufgaben des Priesterreferates. Wenn man sich die Aufgabenbereiche vor Augen hält, die er hier dem Kölner Kardinal vorstellte, war es das ganze Spektrum der Initiativen Königsteins, die dem Priesterreferat zugesprochen wurden Daher wünschte Kindermann als neuen Auftrag, ausgesprochen durch den Kölner Kardinal, das Priesterreferat solle die materielle und geistige Betreuung der heimatvertriebenen Priester und ihrer Gemeinden, zweitens die Sorge um den Priesternachwuchs vor allem in Königstein, und drittens die Arbeit für den Osten im weiteren Sinn als notwendige Ergänzung der geistigen Betreuung der Priester übertragen bekommen. Kindermann wollte dem Wunsch der kirchlichen Aufsichtsbehörde nach einer klaren Organisationsform des Priesterreferates nachkommen, indem er drei Möglichkeiten einer juristischen Form vorschlug. Zum einen sah er den Weg, das Priesterreferat als eigene Abteilung in den e.V. des Albertus-Magnus-Kollegs einzugliedern. Der zweite Weg wäre, dass das Priesterreferat wie bisher eigenständig arbeitete, auf der Grundlage eines Auftrages, der erneuert und konkret ausgesprochen werden sollte, und zwar vom hohen Protektor, dem das Priesterreferat bisher unterstand und weiterhin unterstehen sollte. Eine dritte Möglichkeit wäre eine eigene Betriebssatzung. Bei der grundsätzlichen Reflexion des Bestandes und der Neukonzeption Königsteins zu Beginn der achtziger Jahre wurden noch einmal kritische Anmerkungen zum Priesterreferat gemacht. Ursprünglich als Erfassungs- und Betreuungsstelle des Vertriebenenklerus entstanden, wurde es nach wie vor als Einrichtung Königsteins angeführt, aber die Frage erhob sich, ob es aktuell noch eine Aufgabe habe, hatten sich doch aufgrund spezifischer landsmannschaftlicher Prägungen die Priesterwerke als eingeschriebene Vereine verselbständigt. Damit habe Königstein an Rückhalt verloren, was zu bedauern sei. In der Folge wurde eine intensivere Anteilnahme der Priesterwerke am Werk Königstein eingefordert.6

Die Sorge um den Priesternachwuchs Die Statistiken des Priesternachwuchses ängstigten Kindermann. Diese Sorge war ein Dauerbrenner. Sein ceterum censeo lautete, man müsse mit entsprechendem Aufrufen und Artikeln in den Zeitschriften, nicht nur für die Vertriebenen, sondern auch für die

6

Umgekehrt sollten die Publikationen der landsmannschaftlichen Priesterwerke, solange diese keine organische Bindung an Königstein hatten und ihren eigenen Wege gingen, nicht als Einrichtungen von Königstein geführt werden.

Initiativen für die Seelsorge

599

Einheimischen, um Priesternachwuchs in den einzelnen Volksgruppen werben, es stürben mehr Priester als neue geweiht würden. Gerade bei den Sudetendeutschen unterstrich Kindermann den Nachholbedarf. Da dieses Problem in den fünfziger und sechziger Jahren nicht geringer wurde, sondern zunahm, trieb Kindermann diese Sorge immer stärker um. So rief er Anfang 1961 eine Arbeitstagung für Priesternachwuchs nach Königstein, an der Vertreter des schlesischen, des ermländischen, des südostdeutschen und sudetendeutschen Priesterwerkes, wie auch des Priesterwerkes der Glatzer und als Vertreter für das Branitzer Gebiet Präfekt Grocholl teilnahmen. Dr. Walter Menges vom KISIF führte von soziologischer Seite die Entwicklungen in der Gesellschaft vor, die zu einer reduzierten Akzeptanz des Klerikers in der Gesellschaft geführt hatten.7 Menges wies auf die Zahlenverhältnisse hin: In der Bundesrepublik waren etwa 1.600 Katholiken einem Pfarrseelsorger zugewiesen. Normal wären nach seiner Ansicht 1.000 Katholiken. D.h., die Bundesrepublik lag mehr als 50 % über der Norm. Nur Österreich und Portugal waren im europäischen Raum schlechter versorgt. Um diesen Idealzustand zu erreichen, müssten im bundesdeutschen Raum 6.500 Theologiestudenten vorhanden sein. Die Statistik wies aber nur 4.000 aus. Die Vertreter der einzelnen Priesterwerke referierten dann über die Entwicklung ihrer jeweiligen Einrichtungen, über den Zahlenstand und ihre Aufgabenbereiche. Schließlich überlegte man sich Werbemaßnahmen, wobei die Ideen keineswegs spektakulär ausfielen: Man wollte zu den anderen Seminaren Kontakt halten. Man wollte über Königstein informieren in Zeitschriften, bei der Kapellenwagenmission und mit einer eigenen Diaserie.8

7

8

Früher war das Theologiestudium auch für Kinder aus einfachen Verhältnissen möglich und gleichzeitig die einzige Chance für einen sozialen Aufstieg. Mit der Ausweitung der Industrialisierung, einer stärkeren Ausbildung einer Mittelschicht, ist diese Singularität abhanden gekommen. Es gibt auch andere anerkannte Berufe, die einen sozialen Aufstieg ermöglichen. Insofern ist Konkurrenz entstanden. Protokoll über die Arbeitstagung für Priesternachwuchs in Königstein am 18. und 19. Januar 1962, 6 S. masch., KZG Bonn. Bestand Königstein 3298.

600

Abschnitt VII

2.

Die Priesterwerke

Die Priesterwerke standen, zumindest anfangs, alle in einer mehr oder weniger engen Verbindung zu Königstein, trafen sich dort regelmäßig und hielten ihre Tagungen ab. Sie förderten die Arbeit in Königstein durch finanzielle Zuwendungen und Kredite und halfen durch Stipendien auch jungen Männern aus mittellosen Familien, das Studium abschließen und den Weg zum Priestertum nehmen zu können. Sie waren ein Forum der Kontaktpflege der Seelsorger aus den einzelnen Herkunftsgebieten, tauschten Informationen in diesen Interessensgemeinschaften aus, halfen religiöse und seelsorgerliche Traditionen zu bewahren und weiterzuentwickeln, ein Stück Heimat zu schaffen für die Seelsorger, die so oft Heimat waren für viele Gläubige. Nicht zuletzt versuchten sie in die Diskussionen in den Landsmannschaften hineinzuwirken. Der Kontakt der Priesterwerke zu Königstein entwickelte sich unterschiedlich intensiv. Am deutlichsten selbstverständlich beim Sudetendeutschen Priesterwerk, dessen Leiter quasi natürlicherweise Prälat und dann Weihbischof Kindermann bis zu seinem Tod 1974 war. Eine enge Verbindung zu Königstein pflegte auch das Südostdeutsche Priesterwerk, das nicht zuletzt durch die Initiative Königsteins und Kindermanns gegründet worden war, hatten doch die südostdeutschen Priester vor der Errichtung eines eigenen Priesterwerkes bei den Sudetendeutschen Zuflucht gefunden. Dass es auch innerhalb der Priesterwerke Spannungen gab und der sudetendeutsche Klerus keine homogene Gruppe war, zeigten – sicherlich auch persönlich motivierte – Spannungen innerhalb des Sudetendeutschen Priesterwerkes, etwa zwischen den böhmischen und den mährischen Priestern, wo sich unter der Leitung von Kruschina die mährischen Priester benachteiligt fühlten.

2.1.

Die Spannweite des Aufgabenfeldes am Beispiel des Sudetendeutschen Priesterwerkes (SPW)

Die ganze Bandbreite der Intentionen und Einsatzgebiete eines Priesterwerkes zeigt exemplarisch das Sudetendeutsche Priesterwerk, das die Kontaktpflege der sudetendeutschen Priester untereinander an die erste Stelle gesetzt hatte. Dazu dienten eine Sommertagung in Königstein, Diözesantagungen in verschiedenen Diözesen, eine Zusammenkunft bei den Priesterexerzitien in St. Johann, die Sudetendeutsche Theologentagung als Nachwuchsförderung, die Sorge um die Bischof-Neumann-Schule in Königstein, das Haus St. Johann in Degerndorf am Inn, das in den fünfziger Jahren als Erholungs-, Exerzitien- und Einkehrort gekauft und umgestaltet worden war, das Königsteiner Institut für Kirchengeschichte, das man wesentlich mittrug, Themen der Ostkunde im Religionsunterricht, die Publikationen, die Sorge um den Priesternachwuchs und nicht zuletzt der Hilfsfonds „Alte Heimat“, um in Notfällen Priestern in

Initiativen für die Seelsorge

601

der ČSSR helfen zu können. Man dachte Mitte der sechziger Jahre auch an Tagungen zusammen mit tschechischen Priestern im Exil. Das Sudetendeutsche Priesterwerk erwuchs aus den Priesterwerken der alten Heimat. Es war bereits 1953 ein e.V., dem 740 Priester, darunter 49 Ordenspriester und 7 südostdeutsche Priester angehörten. Zusätzlich zu den Priestern unterstützten das Sudetendeutsche Priesterwerk 530 Förderer. Zwei Jahre später zählte es 776 Priester als Mitglieder, davon 43 Ordensbrüder.9 Die Satzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes hielt die Zielsetzungen und Aufgabenbereiche konzentriert fest. Dort hieß es, dass die Priester aus den Diözesen Böhmens, Mährens und der Slowakei sowie des Südostens und die Ordenspriester das Sudetendeutsche Priesterwerk bildeten, um sich gegenseitig zu unterstützen und den Priesternachwuchs aus den vertriebenen Familien der genannten Gebiete zu fördern. Das SPW setzte sich zum Ziel, kranken, alten, kurz erholungsbedürftigen Priestern beizustehen, Interesse für den Priesternachwuchs zu wecken, das religiöse und kulturelle Erbe der verlorenen Heimat zu bewahren und zu fördern und Priester und kirchliche Einrichtungen in der verlorenen Heimat zu unterstützen.10 Dieser Zweck sollte erreicht werden, durch Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit über seelsorgerliche und priesterliche Fragen, durch Kontakt mit den Förderern und durch Erhaltung und Ausbau von Häusern und Einrichtungen, die den genannten Zwecken dienten. Ausdrücklich wurde im § 1.3 festgehalten, dass der Sitz des Sudetendeutschen Priesterwerkes Königstein im Taunus sei.11 Trotz der Betonung der Nähe zu Königstein auch nach dem Tode Kindermanns darf nicht übersehen werden, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk unter dem Vorsitz von Prälat Reiß sich nicht in den neuen gemeinsamen Trägerverein für die Königsteiner Anstalten integrieren wollte. Organe des Sudetendeutschen Priesterwerkes waren die Mitgliederversammlung, die Delegiertenkonferenz und der Vorstand. Dabei setzte sich die Delegiertenkonferenz zusammen aus den Vertretern der Herkunftsdiözesen, also je einem Vertreter der sudetendeutschen Diözesen Prag, Leitmeritz, Königgrätz, Budweis, Olmütz, Brünn und dem Sudetenanteil von Breslau, einem Vertreter der Diözesen der Slowakei und einem Vertreter der Diözesen des Südostens. Diese Vertreter wurden auf Vorschlag der Priester der genannten Gebiete vom Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Vertriebenenseelsorge berufen. Die zweite Gruppe der Mitglieder der Delegiertenkonferenz bildeten die Vertreter der Priester aus den genannten Gebieten in den Aufnahmediözesen der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs, ebenso die Ordensoberen und Kongregationen und von der Mitgliederversammlung Zugewählte. Die Aufgaben der Delegiertenkonferenz waren, den Vorstand zu wählen, über unauf-

9 10 11

Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 31. März 1955, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Vgl. dazu die Satzung für das Sudetendeutsche Priesterwerk von 1975, DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina, § 2. Vgl. die Satzung für das Sudetendeutsche Priesterwerk von 1975, DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina.

602

Abschnitt VII

schiebbare Anträge zwischen den Mitgliederversammlungen zu beraten und zu beschließen und so zwischen den Sitzungen die laufenden Aufgaben wahrzunehmen und das Sudetendeutsche Priesterwerk zu vertreten. Der Vorstand bestand aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und zwei Vorstandsmitgliedern. Er war auf drei Jahre gewählt und führte die laufenden Geschäfte im Rahmen der Beschlüsse der Mitgliederversammlung und der Delegiertenkonferenz. Es sollte die Zusammenarbeit zwischen den vertriebenen Priestern und Laien aus den Herkunftsgebieten fördern, vor allen Dingen auch die Zusammenarbeit mit den Königsteiner Anstalten und mit den Vertriebenenverbänden und den Landsmannschaften.12 1954 wurde im Rahmen des Sudetendeutschen Priesterwerkes das Bischof Neumann-Werk getrennt geführt. Dessen Leitung hatte Pfarrer Weiß. Es gab deutliche Bestrebungen, dieses Werk vom Sudetendeutschen Priesterwerk zu trennen, denn Kindermann bat in der Vorstandssitzung am 25. März 1954 dringend, die Einheit der sudetendeutschen Priester zu wahren und das Sudetendeutsche Priesterwerk als die einzige Plattform zu sehen, auf der sich die sudetendeutschen Priester alle zusammenfinden könnten.13 Offensichtlich wurde das Bischof Neumann-Werk vor allem von Vertretern der Diözese Budweis unterstützt und von Laien aus dem Kreis um die Heimatzeitschrift „Glaube und Heimat“.

Ein eigenes Haus für Einkehrtage und zur Erholung Das Haus St. Johann in Brannenburg wurde 1957 vom Sudetendeutschen Priesterwerk erworben und sollte das Ziel und die Sorge um Priesternachwuchs aufgreifen. Einige gedenkende Rückblicke in den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“ charakterisierten das Vorgehen Kindermanns in diesem Kontext. Ein sehr sprechendes Beispiel ist der Festvortrag von Karl Kindermann aus Wiesbaden bei der Feier „50 Jahre Haus St. Johann in Brannenburg“ am 11. Juli 2007. Dort erinnerte er sich an seine Zeit als Theologiestudent in Königstein und an eine Tagung der Sudetendeutschen Priester, bei der Kindermann vom Kauf des Hauses in Brannenburg berichtet habe: Dr. Reiß warf ihm daraufhin vor, er habe sich damit erlaubt, das Sudetendeutsche Priesterwerk in Schulden zu stürzen. Daraufhin habe Kindermann geantwortet: „Wir haben den Vertrag schon unterschrieben und zu bauen angefangen. Im Dezember ist das Richtfest für den Gästetrakt!“14 Diskussion also gab es nur begrenzt, entschieden wurde schnell, eigenwillig, autoritär. Spontan und schnell entscheiden konnte Kindermann ebenso wie andere unwiderruflich mit einer Aufgabe überrumpeln.15 12 13 14 15

Satzung für das Sudetendeutsche Priesterwerk von 1975, § 7. Vgl. das Protokoll der Vorstandssitzung, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Bericht über die Feier Haus St. Johann in Brannenburg, 50 Jahre, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, 3 (2007), S. 5-9, Zitat S. 8. Vgl. etwa die Erinnerungen Herbert HAUTMANNS, Studium in Königstein, S. 23: „In diesem Zusammenhang mit der Ferienarbeit denke ich an eine Begebenheit zurück. Eines Abends kam Prälat Dr. Adolf Kindermann, unser Hausvater, wie wir ihn nannten, der spätere Weihbischof von Hildesheim, mit einem Orgelbuch unter dem Arm in mein Zimmer im Priesterseminar.

Initiativen für die Seelsorge

603

Im Juni 1989 konnte das zuvor renovierte Haus St. Johann in Brannenburg wieder eingeweiht werden. Einjährige Renovierungs- und Umbauarbeiten an der gesamten Anlage, vor allem an der Innenausstattung, die an die Anforderungen der Zeit angepasst wurde, waren vorgenommen worden.16

Unterstützung der Benediktiner in Rohr Das Sudetendeutsche Priesterwerk unterstützte den Konvent der Benediktiner aus Braunau in Rohr, um dort Schule, sprich Gymnasium, und Konvikt auf- und ausbauen zu helfen. Hatte das Priesterwerk zunächst daran gedacht, in Neumarkt ein neues Konvikt zu bauen für Schüler aus sudetendeutschen Kreisen, die damit zum Priesterberuf geführt werden sollten, so erwog es dann, dem Kloster in Rohr zu helfen, damit dieses sich auf die Heranbildung von Priesternachwuchs umstellen könne. Deswegen vergab das Sudetendeutsche Priesterwerk 1954 Rohr ein zinsloses Darlehen von 100.000,- DM und bewegte Pater Werenfried van Straaten, 200.000,- DM dazuzulegen. So konnten bis Ende Februar 1954 300.000,- DM ausbezahlt werden.17 Rohr hatte zu der Zeit 200 Schüler am Gymnasium, davon befanden sich 180 im Internat, 112 von ihnen waren Heimatvertriebene. Pater Beda Menzel, der Leiter von Schule und Konvikt meinte, dass davon 66 Priesterberufe wären. Im Bericht von Pater Beda Menzel wurde die künftige Entwicklung sehr verheißungsvoll skizziert: „Schule und Konvikt bemühen sich, den Ostpriestergedanken an die Jungen heranzubringen. Das zeigt sich schon in der Zusammensetzung der Schüler. Es sind acht rumäniendeutsche Jungen im Haus, ein Tscheche, außerdem elf, die einmal ans Russicum nach Rom gehen wollen. Es wird Gelegenheit gegeben, Russisch zu lernen, die Ostliturgie wird gepflegt.“18 Das Sudetendeutsche Priesterwerk stellte in Aussicht, dass Rohr und Königstein sich schulisch aufeinander abstimmen sollten. In den „Königsteiner Rufen“ sollte auf Rohr hingewiesen werden, auch die „Heimatblätter“ sollten zur Informierung eingeschaltet werden.

16 17

18

„Hautmann, Sie spielen morgen die Schubert-Messe! Ich habe gerade einen Anruf bekommen, dass der vorgesehene Organist verhindert ist. Es kommt eine größere Wallfahrtsgruppe zu uns in die Kollegskirche.“ Ich stotterte heraus: „Aber Herr Prälat, ich kann überhaupt nicht Orgel spielen!“ Darauf die Entgegnung: „Sie spielen Ziehharmonika, wie ich bei so manchen Veranstaltungen sehen konnte. Was senkrecht geht, geht auch waagrecht!“ Er legte das Orgelbuch auf den Tisch und verließ mit „Machen Sie es gut!“ mein Zimmer.“ Vgl. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Juni 1989, S. 1-15. Vgl. Protokoll über die Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 25. März 1954 in der Benediktinerabtei in Rohr, Niederbayern, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Protokoll der Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 25. März 1954, S. 1f.

604

Abschnitt VII

Ein Sprecher für die sudetendeutschen Priester Vor allem Prälat Reiß bemühte sich, einen sudetendeutschen Vertreter bei der Bischofskonferenz zu bekommen.19 Die Anliegen des Sudetendeutschen Priesterwerkes in der Frühphase sind kondensiert in einem Promemoria für Kardinal Frings von 1959, das unter dem Titel stand: „Die religiöse Situation der Sudetendeutschen und ihre Anliegen.“ Die sudetendeutschen Priester wollten damit werben für einen eigenen Sprecher aus ihrer Gruppe, der auch an der Bischofskonferenz teilnehmen sollte. Zur Begründung diente die Stärke der sudetendeutschen Priestergruppe: Mehr als ein Drittel der vertriebenen Priester waren sudetendeutsche. Von 3.000 vertriebenen deutschen Priestern, die in Deutschland lebten, waren fast 1.100 Sudetendeutsche.20 Es wurde auf die Schwierigkeit verwiesen, dass die sudetendeutschen Priester weitgehend noch ihren Herkunftsdiözesen, also den sieben Diözesen in Böhmen und Mähren, inkardiniert waren. Die dortigen Ordinarien hatten also nach wie vor das Weisungsrecht. Das Problem bestand darin, dass diese Ordinarien zumindest teilweise regierungshörig waren. Das Promemoria sprach von ‚Mietlingen’. Die Situation der Kirche in der alten Heimat wurde als äußerst prekär bezeichnet. Die Formulierung lautete „Grausame Christenverfolgung“. Die Priesterseminare waren alle sieben geschlossen. Stattdessen wurde ein zentrales unter staatlichem Einfluss stehendes eröffnet, das alljährlich für die 3.000 Pfarreien des Raumes zehn bis 15 Neupriester hervorbrachte. Es entstand eine prekäre Situation für den Priesternachwuchs, für die sich die sudetendeutschen Priester mitverantwortlich fühlten. Umso dringlicher war das Anliegen, den Plan des kommunistischen Staates, die Kirche durch rasche Reduzierung des Klerus auf ein Minimum herunterzudrücken, zu konterkarieren. „Die religiöse Lage verschlimmert sich von Tag zu Tag. Es besteht von Seiten des kommunistischen Staates der Plan, die Pfarrbezirke zusammenzulegen und die Priesterzahl soweit zu reduzieren, dass für jeden Kreis noch ein Priester übrig bleibt. Böhmen, Mähren zählt an die 150 Kreise. Eine Änderung der Lage von innen heraus ist kaum möglich. Darum richten sich ernstzunehmende Hilferufe von tschechischen Priestern und Laien an uns sudetendeutsche Priester: Bereitet Euch vor. Wir rechnen auf Euch. Vergesst die tschechische Sprache nicht. Befasst Euch mit der Geschichte und Kultur dieses Raumes.“21 Angesichts der bedrohlichen Lage der Kirche in der angestammten Heimat, wie auch angesichts der großen Zahl sudetendeutscher Katholiken in der Vertreibung, etwa 2,5 Mio., sei eine einheitliche Führung und Ausrichtung der sudetendeutschen Priester nötig. Es fehle den Sudetendeutschen als größter katholischer Gruppe unter

19 20 21

Vgl. dazu das Protokoll über die erweiterte Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 17. und 18. Februar 1964, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Promemoria für Kardinal Frings, 1959, Königstein, Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk. Promemoria für Kardinal Frings, 1959, Königstein, Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 2.

Initiativen für die Seelsorge

605

den Heimatvertriebenen der eigene Jurisdiktionsträger, wie ihn andere Diözesen und auch ganz kleine Jurisdiktionsgebiete des Ostens für ihre vertriebenen Katholiken besäßen. Dabei sei gerade die sudetendeutsche Landsmannschaft am straffsten organisiert und zusammengefasst. Auch ihr gegenüber wäre ein gemeinsames kirchliches Vorgehen nötig. Nicht zuletzt dank des Einflusses der Priester konnten die Vertriebenen vor manchem Radikalismus bewahrt werden, so das Promemoria weiter.22 Nicht zuletzt hätten die Sudetendeutschen, auch das ein Spezifikum ihrer Situation, in ihren schwersten Stunden der Vertreibung kein Wort des Trostes und der Aufmunterung von ihren bischöflichen Oberhirten erhalten können, waren sie doch alle, mit Ausnahme der Leitmeritzer, auf gemischtsprachige Diözesen verteilt gewesen. Dieser Sprecher der sudetendeutschen Priester sollte quasi ein anerkanntes Artikulationsorgan der Interessen des Sudetendeutschen Priesterwerkes sein.23 Die Motivation Kindermanns zeigt sich generell in einer Stellungnahme auf der erweiterten Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 2. und 3. März 1959. Kindermann schilderte die Situation des sudetendeutschen Klerus 13 Jahre nach der Vertreibung sehr grundsätzlich und mit einer deutlich pessimistischen Tendenz. Der Klerus stehe in einer Krise und sei in gewissem Sinne gescheitert, nämlich in der Erwartung, dass die Vertriebenen bald wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten. „Wenn wir nur mehr nach rückwärts schauen, haben wir kein Recht mehr, zu bestehen. Wir dürfen aber auch keine solche Pessimisten sein, dass wir alles hinter uns lassen und nichts mehr tun. Gott hat uns scheitern lassen, um uns eine neue Aufgabe für die Zukunft zu zeigen: das ist die missionarische Aufgabe der Kirche im Osten. In dieser Situation aber braucht der sudetendeutsche Klerus eine Führung. Seit längerer Zeit geht der Ruf nach einem kirchlich anerkannten Sprecher.“24 Während das Sudetendeutsche Priesterwerk zunächst lediglich ein moralischer Zusammenschluss war und keine kirchlich anerkannte Vertretung hatte, wurde 1959 der Leiter des Priesterwerkes, Prälat Kindermann, zum Sprecher der Sudetendeutschen Priester und zum Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und die sudetendeutschen kirchlichen Fragen ernannt. Auch dieser Auftrag bedeutete keine Jurisdiktion, aber doch eine Legimitation für das

22 23

24

Promemoria für Kardinal Frings, 1959, Königstein, Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 3. Kindermann formulierte für den Sprecher folgende Aufgaben: Er habe die Interessen des sudetendeutschen Klerus und dessen besondere Anliegen in der Vertreibung zu vertreten, besondere Verantwortung für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und dessen Heimattreue zu übernehmen. Er vertrete die Belange des sudetendeutschen Klerus beim Flüchtlingsbischof. Er solle beratend teilnehmen an den vorbereitenden Besprechungen der Ostordinarien, die den Bischofskonferenzen in der Regel vorausgehen und er solle der Sprecher des sudetendeutschen Klerus der Landsmannschaft gegenüber sein, um gewissen nationalliberalen Kreisen mit mehr Autorität begegnen zu können – Promemoria für Kardinal Frings, 1959, Königstein, Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 4. Protokoll über die erweiterte Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes e.V. am 2. und 4. März 1959 in St. Johann am Wendelstein, Königstein Dossier, Sudetendeutsches Priesterwerk, Zitat S. 1.

606

Abschnitt VII

Eintreten für die Interessen der Sudetendeutschen Priester und des Sudetendeutschen Priesterwerkes. Kindermann fühlte sich als Leiter des Priesterreferates seit 1959, dann als Sprecher für die sudetendeutschen Priester und Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenzen für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und die sudetendeutschen kirchlichen Fragen verantwortlich für den sudetendeutschen Klerus und den Priesternachwuchs. Zum Zusammenhalt der Gruppe gehörte neben den Mitteilungen für den sudetendeutschen Klerus auch die jährliche Tagung, die in der Regel in Königstein abgehalten wurde.25 Als ganz zentrale Aufgabe beschrieb Kindermann die Weckung von Priesterberufen und die Sorge um die Theologiestudenten26, sah er doch das Priesterwerk quasi in einer Ersatzfunktion für einen sudetendeutschen Ordinarius.27

Konkrete Aufgaben Das Engagement für die Sudetendeutschen Tage wurde weitgehend vom Sudetendeutschen Priesterwerk bzw. von dessen Vorstand getragen. Seit Oktober 1962 arbeitete Dr. Adolf Hampel als Assistent im Sudetendeutschen Priesterwerk mit; er sollte sich vor allem der Sorge für den Priesternachwuchs widmen, in erster Linie der Vorbereitung der Sudetendeutschen Theologentagung in St.

25

26

27

„Der Sudetendeutsche Klerus in der Bundesrepublik wird bereits seit mehr als zwölf Jahren einmal im Jahre zu einer großen Tagung zusammengerufen, die in der Regel in Königstein stattfindet. Neben asketischen Vorträgen und einem theologischen Thema werden die aktuellen Fragen des Klerus und die religiösen Anliegen der Volksgruppe behandelt. Es wird auch jedes Mal ein katholischer Politiker eingeladen, damit er den Priestern die nötigen Informationen für den vorkirchlichen und politischen Raum gebe. Da sich die Mehrzahl der Priester in Bayern befindet, wohin auch mehr als 1 Mio. sudetendeutsche Katholiken eingewiesen wurden, halten wir jeweils in der Osterwoche eine Tagung in einer Stadt des südlichen Raumes. Seit fast zehn Jahren trifft sich der sudetendeutsche Klerus aus der Zone im Frühling und Herbst in Westberlin. Unseren Priestern in der Zone stehen wir mit jeder nur irgendwie möglichen Hilfe bei. Sondertagungen für die sudetendeutschen Priester in Österreich finden ebenso regelmäßig im Frühjahr und Herbst in Linz und Wien statt.“ So der Sprecher für die sudetendeutschen Priester und Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenzen über die religiöse Lage der Sudetendeutschen 1960/61, in seinem ersten Jahresbericht in diesem neuen Amt, in: Königstein Dossier, Sudetendeutsches Priesterwerk, 12 S. Maschinenschrift, Zitat S. 4. „Da die Sudetendeutschen keinen eigenen Jurisdiktionsträger in die Vertreibung gebracht hatten, übernahm das Sudetendeutsche Priesterwerk – der moralische Zusammenschluss der sudetendeutschen Priester seit 1949 mit Zustimmung seiner Eminenz Josef Kardinal Frings – die Sorge um den Priesternachwuchs und machte so auch eine Zusammenfassung und gegenseitige Fühlungnahme der sudetendeutschen Theologen und derer, die es werden wollten, möglich.“ (Königstein Dossier, Sudetendeutsches Priesterwerk, 12 S. Maschinenschrift, Zitat S. 5). „Das Sudetendeutsche Priesterwerk, zu dem nicht nur fast alle 1.340 sudetendeutsche Priester der freien Welt gehören, sondern auch etwa 12.000 Laienförderer, sieht es als sein erstes und wichtigstes Anliegen an, durch Gebet und Opfer recht viele Priesterberufe zu wecken und zu betreuen.“ (Königstein Dossier, Sudetendeutsches Priesterwerk, 12 S. Maschinenschrift, Zitat S. 6).

Initiativen für die Seelsorge

607

Johann. 1963 fand dieser Intention gemäß/folgend eine Tagung der Ostakademie und in der Pfingstwoche eine Tagung für Oberschüler statt.28 Für das Königsteiner Institut für Kirchen- und Geistesgeschichte der Sudetenländer beschloss das Sudetendeutsche Priesterwerk 1963, dass das Institut ein eigener e.V., also selbständig werden solle, wobei es weiterhin an seinen Auftrag gebunden bliebe, die religiös-kulturelle Heimatgeschichte zu pflegen. Daneben stellte Augustinus Kurt Huber den Antrag, einen Preis zu stiften zur Förderung wissenschaftlicher Tätigkeit. Es sollte der Johannes von Neumarkt-Preis in Höhe von 1.000,- DM ausgelobt werden für die Bearbeitung eines vom Institut gestellten Themas.

Die Verehrung Bischof Neumanns Die Verehrung von Bischof Neumann war dem Sudetendeutschen Priesterwerk stets ein Anliegen – gerade auch die Vorbereitung der Seligsprechung. Sehr viel Energie wurde verwendet, um eine Bischof Neumann-Frömmigkeit zu entwickeln und auszubauen. Der Schul- und Seelsorgebischof mit den Eltern aus dem Böhmerwald sollte eine Identifikationsfigur sowohl für die Schule in Königstein wie auch für die Frömmigkeit der katholischen sudetendeutschen Vertriebenen werden; dafür wurden auch geeignete Wallfahrten überlegt.29 Tschechische Priester bleiben im Blick Ein weiteres Dauerthema in den Beratungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes war das Verhältnis zu den Tschechen, zu den tschechischen Priestern, auch zu katholischen tschechischen Laien. Man suchte den Kontakt zu den tschechischen Priestern

28 29

Vgl. Protokoll über die Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 24. Juli 1963, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. „Prälat Kindermann berichtet von der Besprechung, die im Februar wegen der Hundertjahrfeier für Bischof Neumann in St. Johann stattfand. Es wurde ein Komitee gebildet … Bischof Neumann soll unter unseren Landsleuten bekannt gemacht werden. Dies soll einerseits in den Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes geschehen, aber auch in den Heimatblättern, „Königsteiner Rufen“ usw. Pater Reimann wird ein volkstümliches Büchlein über diesen großen Sohn des Böhmerwaldes schreiben. Herr Lustig-Prean, Wien schreibt ein größeres Buch über ihn. Das Jahr 1960 wird als Bischof Neumann-Jahr gefeiert werden. Die Eröffnung soll in den ersten Tagen des Jahres in Königstein in einem Festakt geschehen. Eine große Feier ist dann anlässlich des Eucharistischen Kongresses in München geplant, zu der wir auch die Amerikaner einladen wollen, die am Kongress teilnehmen. Eine Krönung des Bischof-Neumann-Jahres wäre die „Bischof-Neumann-Schule“ in Königstein. In der Aussprache wird noch mitgeteilt, dass die Böhmerwald Wallfahrt 1960 ebenfalls unter dem Motto des Bischof-Neumann-Jahres stehen wird. Man sollte das bei allen Vertriebenenwallfahrten ausnützen und mit dem Gedanken des Priesternachwuchses verbinden.“ Protokoll über die erweiterte Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 2. und 3. März 1959, Königstein. Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 2.

608

Abschnitt VII

im Exil und wollte auch, wo nötig und möglich, tschechische Priesteramtsstudenten unterstützen.30

Einflussnahme auf Königstein In Einzelsituationen suchte das Sudetendeutsche Priesterwerk – über den in Personalunion tätigen Leiter hinaus – konkreten Einfluss in Königstein zu nehmen. Eine Debatte entzündete sich im Sudetendeutschen Priesterwerk über die Höhe der Unterstützung des Neubaus der Bischof-Neumann-Schule: Kindermann hatte das Gesamtvolumen der Kosten mit 3 Mio. DM vorgestellt, wovon die Diözese Limburg und die Bischofskonferenz ein Drittel zugesagt hatten, das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen eine halbe Mio. Ebenfalls 500.000,-, versprach Kindermann, werde das Albertus-Magnus-Kolleg in Königstein aufbringen, weitere 500.000,- erwartete er an Spenden. Für das Sudetendeutsche Priesterwerk bedeutete diese Rechnung, einen Kredit von 500.000,- DM bereitzustellen. Dazu bemerkte Reiß, dass er nicht gegen den Schulbau an sich sei, aber Sicherungen wünsche, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk in Königstein seinen Sitz behalten könne und die sudetendeutsche Priester auch dort zusammenkommen könnten, auch wenn Prälat Kindermann nicht mehr in Königstein wäre.31

30

31

„Anschließend daran behandelt Prälat Kindermann das Thema „Die Tschechen und wir“, der Verständigungswille ist im Exil auf beiden Seiten da, auch in der Landsmannschaft. Das tschechische Exil in Amerika ist in einer hoffnungslosen Lage. Die Tschechen, die vor 1931 ausgewandert sind, haben für die Anliegen der anderen kein Verständnis … Prälat Kindermann erklärt noch, dass das SPW bereits 1952 sich bereit erklärt hat, jeden tschechischen Jungen, der Priester werden will, zu unterstützen. Folgende fünf Punkte werden festgehalten: a) Wir müssen Kontakt suchen mit den tschechischen Priestern und Laien. b) Wir müssen alles vermeiden, was das Verhältnis zu den Tschechen erschwert, ohne unsere Rechte aufzugeben. c) Es soll eine tschechisch-deutsche Priesterkonferenz abgehalten werden. Bei dieser Tagung sollen keine politischen, sondern seelsorgliche Fragen besprochen werden. d) Unterstützung aller tschechischen Priesterstudenten. e) Kontakt mit führenden tschechischen Laien. f) Auch tschechische Priester zur Erholung nach St. Johann einladen.“ Protokoll über die erweiterte Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 2. und 3. März 1959 in St. Johann am Wendelstein, S. 2, Königstein Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk. „Dr. Reiß sagt dazu: Er ist nicht gegen den Schulbau und auch nicht gegen unseren Anteil dazu; aber die Sicherungen scheinen ihm ausreichend zu sein. Der Name Bischof Neumann-Schule würde im Albertus-Magnus-Kolleg untergehen und wir würden einen großen Betrag aus unserer Volksgruppe in ein Werk leiten, bei dem wir vielleicht nach 15 Jahren nicht mehr viel zu sagen haben. Es müssten ganz konkrete Sicherungen gegeben werden, dass das Sudetendeutsche Priesterwerk in Königstein seinen Sitz behält und die sudetendeutschen Priester hier zusammenkommen können, auch wenn Prälat Kindermann nicht mehr da wäre. Direktor Klinger bemerkt, dass der Name Bischof Neumann-Schule schon sichtbar wird auf dem Briefpapier der Schule und auf den Zeugnissen der Schüler. Der Betrag, den wir Sudetendeutschen geben, kommt ja auch unserer heranwachsenden Generation zugute. Nach kurzer Debatte stellt Pfarrer Dichtl folgenden Antrag: Die Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes stimmt der Errichtung der Bischof Neumann-Schule in Königstein, die das Ostanliegen wahren möchte, zu und gewährt ein Darlehen von insgesamt DM 500.000,-. Bei größtmöglicher Sicherung der sudetendeutschen Interessen. Die Sicherungen selbst sollen in einem Gremium besprochen wer-

Initiativen für die Seelsorge

609

So wuchs der Wunsch, in Königstein ein eigenes Haus zu haben, der dann realisiert wurde. Man wollte nicht nur viel investiert haben in Königstein und einstens in der Situation sich wieder finden, dort keine Möglichkeit zur Tagung und zur Zusammenkunft mehr zu haben. Sehr konkret wurde die Einflussnahme in der schwierigen Phase im Schülerkonvikt 1967/1968, als Reiß Kindermann versicherte, dass die sudetendeutschen Priester ihm die Treue hielten, ihn nicht im Stich lassen werden, dass sie in Königstein aber auch eine Erwartung setzten, nämlich dass im Königsteiner Konvikt „Zucht und Ordnung herrschten“. Es müsse dort gebetet und in der Schule gelernt werden.32

Vorstandssitzungen Teils wurden Vorstandssitzungen mit Tagungselementen angereichert, wie wir sie von den Priestertagungen oder den Tagungen katholischen Vertriebenenorganisationen her kennen: mit einem grundsätzlichen Referat oder mit einem Bericht über aktuelle Situationen, über Entwicklungen und Fragen, die die Vertriebenenseelsorge oder auch die Kirche im Osten betrafen. Damit wurden immer wieder neu die Aufgaben skizziert. So referierte Hans Schütz in der erweiterten Vorstandssitzung am 2. und 3. März 1959 als Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde und katholischer Politiker über die gegenwärtige politische Situation, über die Berlinkrise und die Situation in der sudetendeutschen Volksgruppe. Er skizzierte also schwerpunktmäßig Situation und Aufgaben der sudetendeutschen Laien von der politischen Seite her und in der Perspektive der Ackermann-Gemeinde – er bat die Priester um ihre Mitarbeit in der Ackermann-Gemeinde, vor allem in der Nachwuchsorganisation, der ‚Jungen Aktion‘. Er bat die sudetendeutschen Geistlichen religiöse Mittelpunkte zu schaffen, wie sie etwa in Königstein und Rohr bestünden, damit die volksgruppenspezifische religiöse Arbeit intensiviert werden könne, und er bat die Geistlichen, sich um den „Volksboten“ als katholisch orientierte Vertriebenenzeitung zu sorgen. Bereits 1959 war die Auflage des „Volksboten“ von einstmals 74.000 auf 34.000 gesunken. Auch die Frage nach einer Laienvertretung als Beratungsgremium für die Priester, der sogenannte Katholikenrat, wurde wiederholt diskutiert, es kam aber zu keinem festen Beschluss. Personelle Spannungen In den Sitzungen des Vorstandes des Sudetendeutschen Priesterwerkes spiegelten sich naturgemäß die unterschiedlichen Meinungen und die Meinungsverschiedenheiten zwischen ausgeprägten Persönlichkeiten wider. Dazu gehörten immer wieder unterschiedliche Einschätzungen und Meinungen zwischen Prof. Rabas und Weihbischof

32

den. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen. Für das Gremium werden vorgeschlagen: der Vorstand des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Monsignore Zischek, Dr. Kruschina, Pfarrer Kubek.“ Protokoll über die Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 24. Juli 1963 in Königstein/Ts., S. 4, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Zu Josef Dichtl (1910 – 1986) vgl. VALASEK, Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland, S. 47. Protokoll über die Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 31. Juli 1969 in Königstein/Ts., 2 S. masch., dort auf S. 2, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk.

610

Abschnitt VII

Kindermann – so etwa über die Teilnahme von Rabas bei einer Friedenskonferenz in Prag.33 1961 wünschte der Sprecher der sudetendeutschen Priester und Vorstand des Sudetendeutschen Priesterwerkes Kindermann vom Erzbischof von München und Freising, Julius Kardinal Döpfner, die Übernahme des Protektorates über die sudetendeutschen Priester. Kindermann argumentierte, dass in Bayern der Großteil der sudetendeutschen Vertriebenen angesiedelt worden sei und auch eine große Zahl sudetendeutscher Priester lebte. Döpfner legte nach dem Ausweis eines Schreibens an den Vertriebenenbischof Janssen „nicht den allergeringsten Wert“ darauf, ein solches Amt zu übernehmen, werde sich aber dazu bereit erklären, wenn es nützlich sein könnte, „das nicht immer ganz leichte Gleichgewicht im Vertriebenensektor“ zu stärken.34 Die Antwort Janssens war diplomatisch gehalten und doch sehr deutlich. Der Kern seiner Botschaft lautete: „Nachdem bereits der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenzen der Hohe Protektor für den Bereich der Vertriebenenseelsorge ist und es einen eigenen Vertriebenenbischof gibt, wäre ein weiterer Protektor für diese Gruppe eine ungute Optik.“35 Dabei wird auch die Enttäuschung Janssens darüber deutlich, dass er bislang nie zu einem Treffen oder zu einer Sitzung der sudetendeutschen Priester und des Sudetendeutschen Priesterwerkes eingeladen worden war.36

33

34 35 36

D.h. einer Zusammenkunft von Friedenspriestern, einer Gruppe von Geistlichen, die das Wohlwollen der kommunistischen Regierung genoss. Kindermann verlangte Aufklärung und Rechtfertigung, waren doch er und Königstein aus den Kreisen der Friedenspriester immer wieder scharf angegriffen worden. Rabas gab als Motiv seiner Teilnahme die Rücksicht auf seinen Bruder an. Er wollte für diesen das Äußerste wagen. Rabas brachte seine Einschätzung zum Ausdruck, dass das wichtigste Anliegen dieser Friedenskonferenz nicht der Angriff gegen Bischof Kindermann gewesen sei, sondern das Verlangen der Friedenspriester, einen Bischof aus ihren eigenen Reihen zu bekommen. Dagegen aber hätten sich vor allem die slowakischen Priester, die treu zur Kirche und zum Papst standen, gewehrt. „Die Frage von Weihbischof Kindermann, warum Plojhar ihm so feindselig gegenüberstehe, beantwortet Dr. Rabas, dass Plojhar sehr ehrgeizig sei und es sich bei ihm wohl um einen Komplex handle, sein Gewissen zu beruhigen. Bischof Kindermann dankt Dr. Rabas für diese Darstellung. Es soll darunter nun ein Punkt gesetzt werden.“ Protokoll über die erweiterte Vorstandssitzung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 6. und 7. März 1967 im Haus St. Johann, S. 2, DAR, AKZ.8/1991, Sudetendeutsches Priesterwerk. Zu Josef Plojhar persönl. Mitteilung von Jaroslav Šebek: Plojhar war Priester deutscher Abstammung (geboren 1902 in Budweis, gestorben 1981 in Prag). Er war Mitglied der Tschechoslowakischen Volkspartei und unterstützte ab 1948 die kommunistische Regierung. 1948-68 war er Gesundheitsminister. Er wurde deshalb als Symbol der katholischen Kollaboration mit den Kommunisten und des Verrates der moralischen Prinzipien empfunden. Hinsichtlich der deutschen Sprachkenntnisse behielt er gute Kontakte zum ostdeutschen katholischen Milieu (CDU in der DDR u.a.). Deshalb konnte er auch in der Propaganda gegen sudetendeutsche kirchliche und politische Kreisen mitwirken. Brief Döpfners an Janssen vom 22.12.1961, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Janssen, 2556. Janssen an Döpfner am 14. Januar 1962, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Janssen, 2556. „Prälat Kindermann hat durch den Tod von Kardinal Tardini einen seiner besten Freunde und Förderer verloren. Er braucht für die großen Unternehmungen, die er immer vorhat, auch gelegentlich eine besondere Unterstützung. Vor allem ist ihm die Sorge um die südostdeutschen

Initiativen für die Seelsorge

611

Janssen kam in diesem Kontext auch auf manche Kooperations- und Abstimmungsschwierigkeit zu sprechen, nicht zuletzt dass die Zuständigkeiten des Vertriebenenbischofs nicht immer von Kindermann respektiert wurden bzw. wohl auch nicht abgestimmt waren. Man hat den Eindruck, dass manche Zuständigkeit erst wirklich unter dem Nachfolger Janssens, also in den Anfangsjahren von Weihbischof Pieschl klar geregelt wurde. Janssen war, das zeigt auch der Ton dieses Briefes, viel zu nachsichtig. Er ging pragmatisch Schritt für Schritt vor. Eine letzte Vorstandssitzung im Sudetendeutschen Priesterwerk zusammen mit Kindermann fand am 26. Juli 1973 statt. Dort gab es bereits offenkundige Spannungen zwischen Kruschina und Kindermann.37 Kruschina hatte als Vorstandsmitglied angefragt, warum sein Antrag vom 18. Juni nicht in die Tagesordnung aufgenommen wurde, in dem er als Verhandlungspunkt gewünscht hatte, über die Zusammenarbeit

37

Priester wirklich ein Herzensanliegen. So hat er das Verlangen, einen „Südprotektor“ zu haben. Wer die Dinge in der Vertriebenenseelsorge so nahe miterlebt, wird das verstehen können. Du weißt wahrscheinlich aus Deiner Erfahrung der Vertriebenenbischofszeit, dass es ohnehin nicht ganz leicht ist, Königstein so einzuordnen, wie man es wünscht … Prälat Kindermann hat zu seinen südostdeutschen Priesterkonferenzen noch nie den Vertriebenenbischof eingeladen. Auch nie einen Termin mitgeteilt. Wenn ich ihn nicht aus den Königsteiner Schriften erfahre, weiß ich eben nicht darum. Bis vor zwei Jahren war es ebenso mit den Diözesanvertriebenenseelsorgern. Deren Konferenzen wurden nie vom Vertriebenenbischof einberufen. Bisweilen erfuhr ich davon acht Tage vorher. Seitdem nun diese Konferenzen wenigstens im Einvernehmen mit mir berufen werden und ich daran auch teilnehme, muss ich doch immer vorher oder nachher eine Konferenz „unter sich“ noch einstecken. Ich weiß aber, dass man nur mit allergrößter Geduld und viel gütigem Verstehen die immer noch zum Teil verbitterten oder unzufriedenen Mitbrüder gewinnen kann. Darum lasse ich ihnen auch diese Dinge gern, ohne darin einen Affront zu sehen. Bei meinen Lagerbesuchen, Wallfahrten und Konferenzen im Süden spüre ich, dass in den süddeutschen Diözesen die Spannungen zwischen Heimatvertriebenen und Einheimischen stärker sind, als im Norden. Das gilt auch für den Klerus. Darum wäre ich Dir schon dankbar, wenn Du Prälat Kindermann etwas sagen würdest. Ein ausgesprochenes Protektorat würde nicht gut sein. Du würdest aber als Vorsitzender der Bayerischen Konferenz in besonderer Weise Dich der Anliegen der Vertriebenenseelsorger annehmen. Vielleicht bist Du auch so gut, bei der einen oder anderen größeren Wallfahrt im süddeutschen Raum die Hl. Messfeier und die Predigt zu übernehmen.“ Janssen an Döpfner am 14. Januar 1962, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Jansen, 2556, S. 1f. „Dr. Kruschina berichtet über Schwierigkeiten im Vorstand und in der Leitung des SPW. Er weist darauf hin, dass sehr lange keine Vorstandssitzung einberufen wurde, trotzdem die Mitglieder des Vorstandes mehrmals schriftlich darum gebeten hatten und dass die letzte Sitzung zu kurzfristig einberufen worden ist. Er erwähnt, dass der Vorstand bei verschiedenen wichtigen Entscheidungen nicht herangezogen und auch nicht informiert worden sei. Vorstandsmitglieder seien öfters vom Leiter des SPW beschimpft worden. Er bittet die Versammlung um Stellungnahme zu den einzelnen Punkten und um Hinweise, wie die Zusammenarbeit in der Zukunft erträglich gestaltet werden könne. In dem folgenden Gespräch wurde festgestellt, dass die von Dr. Kruschina erwähnten Punkte den Tatsachen entsprechen. Es wurde von allen beschlossen und der Vorstand wurde beauftragt, im Herbst eine Sitzung des erweiterten Vorstandes einzuberufen, auf welcher die anstehenden Fragen geklärt und über die weitere Arbeit in der Leitung des SPW entschieden werden soll.“ Protokoll über die Hauptversammlung am 26. Juli 1973, 3 S. masch., Königsteindossiers, Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 3.

612

Abschnitt VII

im Vorstand und in der Leitung des Priesterwerkes zu diskutieren. Der Weihbischof hatte die Nichtberücksichtigung damit begründet, dass das Programm zu diesem Zeitpunkt, also über einen Monat vor der Sitzung, bereits gedruckt gewesen sei.38 Auch in dieser Vorstandssitzung wurde bereits angemahnt, dass noch kein Heft der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes erschienen sei. Kindermann erklärte dies mit seiner Überlastung. Daraufhin brachte Dr. Huber seine Bereitschaft zum Ausdruck, die Redaktion der Hefte zu übernehmen. Nur widerwillig stimmte Kindermann zu. Er enthielt sich der Stimme bei der Abstimmung, die Dr. Huber ansonsten einstimmig beauftragte, die Herausgabe der Hefte zu übernehmen. Kindermann fürchtete, dass damit das Konzept der „Mitteilungen“ ein anderes werde. Er konnte also offensichtlich selbst in der Überlastung und in der Phase fortschreitender Krankheit keine Aufgaben abgeben.39

Neue Leitung ab 1973 Im Oktober 1973 wurde die kommissarische Leitung des Sudetendeutschen Priesterwerkes Prälat Reiß übertragen. Auch hier hatte die Krankheit Kindermanns, wie in den Königsteiner Anstalten, manche Verzögerung der aktuellen Arbeit mitgebracht. So wurde erst gegen Ende des Jahres 1973 die Nr. 1 und 2 der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes ausgeliefert. Reiß unterstrich die engen Beziehungen der sudetendeutschen Priester zu den karpatendeutschen Priestern und brachte die Erwartung zum Ausdruck, dass ein ebenso enges Verhältnis auch zur südostdeutschen Gruppe unter Führung von Prof. Haltmayer40 aufgebaut werden könne. Sein Argument: Es verbinde doch die gemeinsame österreichisch-ungarische Tradition.41 Selbstverständlich votierte Reiß positiv über die Aufgabenteilung, die in Königstein eintrat: Leitung des Priesterwerkes durch Reiß, Leitung des AMK durch Kruschina, Leitung des Hauses der Begegnung durch MdL Richard Hackenberg, dazu Prof. Reinelt und Prof. Braunstein. Der Pfarrer und Oberstudienrat Friedrich Alfred Berger wurde 1986 zum 1. Vorsitzenden des Sudetendeutschen Priesterwerkes gewählt. Auf der Delegiertenkonferenz 1989 standen Vorstandsneuwahlen auf dem Programm. Der Erste Vorsitzende, Pfarrer Friedrich A. Berger, wurde einstimmig wiedergewählt. Der Zweite Vorsitzende, Pfarrer Karl Kindermann, hatte nicht mehr kan-

38 39 40

41

Vgl. Protokoll über die Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes am 26. Juli 1973 in Königstein. 3 S. masch., Königstein Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk. Ein Nachruf auf Grete Fuhrmann in „Mitteilungen“ des Sudetendeutschen Priesterwerkes, 1973, S. 28-30. – Grete Fuhrmann war Sekretärin beim Sudetendeutschen Priesterwerk. Zu Josef Haltmayer vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben?, S. 391-395. – ST. GERHARDSWERK STUTTGART (Hg.), Die katholischen Donauschwaben in der Habsburgermonarchie vom Beginn ihrer Ansiedlung bis zum Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1683 – 1867. Band 1. Teilband 1. Stuttgart 2013, S. 579-582. Rundschreiben von Reiß, 2 S. masch. vom 3. Dezember 1973, Königstein Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk.

Initiativen für die Seelsorge

613

didiert. Die Delegierten wählten Pfarrer Josef Zwickl zum Stellvertreter. Der hatte bisher dem Vorstand als Kassenwart angehört. Schriftführer wurde weiter Pfarrer Leo Seewald, und neu in den Vorstand gewählt wurde Geistlicher Rat, Pater Jordan Fenzl42 OSA. 1988 zählte das Sudetendeutsche Priesterwerk immer noch über 1.000 Priester. Die mitgliederstärksten Bistümer waren Leitmeritz, Prag und Olmütz. Etwa 200 kamen aus den unterschiedlichen Orden und 31 waren karpatendeutsche Priester aus den Diözesen der Slowakei. 180 südostdeutsche Priester aus Ungarn, Rumänien und Jugoslawien waren dem Sudetendeutschen Priesterwerk assoziiert.43 Wie alle Mitteilungen über Veränderungen in Königstein war auch diejenige im Heft 4/1996 gehalten, in der es „In eigener Sache“ um Veränderungen in Königstein ging, nämlich um die Beendigung der Tätigkeit des Albertus-Magnus-Kollegs und um das Ende der „Königsteiner Rufe“.44 Es lässt sich aber auf keinem der Titelblätter der folgenden Jahrgänge eine Veränderung des Titels mit dem Untertitel „Königsteiner Rufe“ finden, wie es ursprünglich geplant worden war, d.h. die Ankündigung wurde schlichtweg nicht eingelöst. Auch nicht, als die Titelseite mit dem Jahrgang 1998 leicht verändert wurde, nämlich „Sudetendeutsches Priesterwerk – Mitteilungen 1“, 1998 und nicht wie bisher „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“. Mit der Intention Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu vertiefen, verlagerte das Sudetendeutsche Priesterwerk das Büro des Vorsitzenden Ende 1999 von Königstein nach Brannenburg. Das Erholungshaus sollte zum Zentrum sudetendeutscher Seelsorge und zu einem Bildungshaus gemacht werden. Pater Norbert Schlegel zog bereits im September 1999 nach Brannenburg und bezeichnete es als Ziel seiner zweiten Amtsperiode, die kirchliche Kultur der Sudetendeutschen mehr als bisher in die Bildungsarbeit der sudetendeutschen Volksgruppe einzubringen. Ausdrücklich wurde auf der Mitgliederversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes unterstrichen, dass es sich um eine Verlegung und um einen Ausbau handle, nicht um eine Beendigung

42

43 44

Jordan Fenzl, geb. 1930, seit 1977 Diözesanvertriebenenseelsorger der Diözese Augsburg; seit 2006 Prior des Zwieseler Konvents der Augustiner. Vgl. Pater Jordan FENZL, Auf der Suche nach Heimat. Günzburg 1989. Vgl. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, März 1988, S. 3f. Unter der Rubrik „In eigener Sache, Veränderungen in Königstein“ heißt es im Heft 4 (1996), S. 2f.: „Am 15. November hat die Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs (AMK) in Königstein beschlossen, die Herausgabe der „Königsteiner Rufe“ einzustellen und auch die Tätigkeit des Albertus-Magnus-Kollegs als eines eingetragenen Vereins zu beenden. Wie schon die Bischof-Neumann-Schule wird auch das Gebäude des AMK von der Diözese Limburg übernommen werden. Dies war ein schmerzlicher, aber notwendiger Entschluss, da die 50 Jahre seit der Vertreibung die Aufgabenstellung in Königstein verändert haben. Das „Sudetendeutsche Priesterwerk“ ist davon nicht berührt, da es stets seine selbständigen, in der Satzung vorgegebenen Aufgaben und Ziele hatte und diese wie bisher weiterführen, ja sogar noch verstärken wird. Deshalb wird ab 1997 die Titelseite der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes den Untertitel „Königsteiner Rufe“ tragen, weil wir uns als Erben von Weihbischof Adolf Kindermann sehen, der Gründer des Albertus-Magnus-Kollegs und des Sudetendeutschen Priesterwerkes und dessen erster langjähriger Vorsitzender war.“

614

Abschnitt VII

der sudetendeutschen kirchlichen Vertriebenenarbeit, so der Bericht über die Jahrestagung des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Nürnberg.45 Für die Rekonstruktion der weiteren Entwicklung des Sudetendeutschen Priesterwerkes im Haus St. Johann in Brannenburg ist hier nicht mehr der Ort, weil das Sudetendeutsche Priesterwerk nur insoweit in die Forschungsperspektive kommt, als es mit Königstein verbunden war. Daher ist auch der Umzug des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen, Mähren, Schlesien, der ursprünglich nach Brannenburg bzw. München geplant war, dann nach Nidda erfolgte und über den in den „Mitteilungen 1“ 2007 berichtet wird, hier nicht weiter zu berücksichtigen und zu kommentieren.46

2.2.

Zum Südostdeutschen Priesterwerk

Die Gründerzeitstimmung in der ersten Hälfte der 1950er Jahre in Königstein zeigte sich auch bei der Studientagung südostdeutscher Priester und Laien, die vom 25. bis 28. August 1952 stattfand. Die Tagungsteilnehmer kamen zu dem Entschluss, dass sich der Kreis um die Gründung eines Priesterwerkes zur Förderung des Priesternachwuchses unter den südostdeutschen Vertriebenen bemühen wolle. Geleitet wurde diese Versammlung von Ludwig Leber aus Stuttgart47 und dem Rektor Hugo Killinger, dem Geistlichen Leiter des Arbeitskreises, dessen Erster Vorsitzender Prof. Hans Diplich war. Der „Arbeitskreis südostdeutscher Katholiken“ hatte seinen Sitz in München in enger Kooperation mit der Arbeitsstelle Süd unter Pater Paulus Sladek. Bis zur Gründung des Priesterwerkes sollte es noch dauern: Die südostdeutschen Priester hatten auf ihrer Tagung am 20. und 21. August 1959 auf der Rottmannshöhe am Starnberger See formell das Südostdeutsche Priesterwerk ins Leben gerufen, das allerdings kein eigener eingetragener Verein, sondern dem Sudetendeutschen Priesterwerk assoziiert wurde. Priester aus der Dobrudscha, von den Bessarabiendeutschen und Siebenbürger Sachsen und die donauschwäbischen Priester bildeten die Gruppe des Südostdeutschen Priesterwerkes. 49 waren an der Gründung beteiligt. Auch sie wollten sich vor allem der gegenseitigen Stärkung, dem gegenseitigen Austausch widmen, den Mangel an Priesternachwuchs ausgleichen helfen durch Förderung entsprechender Schüler und Studenten. „Besorgnis erregende Erscheinungen im religiö-

45 46 47

In den Mitteilungen 3 (1998), S. 3. Umzug Institut für Kirchengeschichte in: Mitteilungen 1 (2007), S. 9f., aus der Feder von Prof. Dr. Bernhard Demel O. T. Vgl. dazu auch Rainer BENDEL, Ludwig Leber und die Caritasflüchtlingshilfe, in: DERS. (Hg.), Die Fremde wird zur Heimat. Integration der Vertriebenen in der Diözese Rottenburg. Berlin 2008, S. 120-132.

Initiativen für die Seelsorge

615

sen Leben“ der Gläubigen wollten sie in ihrer Seelsorge aufgreifen. Eine dieser Erscheinungen seien die häufigen Mischehen der Vertriebenen.48 Der anfängliche Vorstand bestand aus Domkapitular Nischbach49, Professor Josef Haltmayer, dem Studienrat Peter Walper und Pater Wendelin Gruber. Damit sollten Rumänien, Jugoslawien und Ungarn im Vorstand vertreten sein. Mit allem Nachdruck und Pathos erinnerte Nischbach die Mitbrüder an die gemeinsamen Erfahrungen und die gemeinsame Vergangenheit im Habsburger Reich; mit dieser Basis wollte er ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen, das seinen sichtbaren äußeren Ausdruck in der Mitgliedschaft im Südostdeutschen Priesterwerk finden sollte.50 Wie bei den anderen Priesterwerken auch stand die Sorge um den Priesternachwuchs im Mittelpunkt der Anliegen des Priesterwerks.51

48

49 50

51

Schreiben an die Hochwürdigen Herren südostdeutschen Priester in Deutschland und Österreich, gez. von Josef Nischbach, dem Domkapitular von Temeschwar, 4 S. masch. vom 29. September 1959, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Janssen, 2557. Vgl. zu Nischbach BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben?, S. 402-407. Vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben?, S. 402-407. „In uns Priestern loderte das angestammte Volkstum in priesterlich verklärter Weise auf und ließ uns erkennen, dass wir aus der alten Heimat Verpflichtungen mitgebracht haben, deren wir uns aus unserem priesterlichen Berufsethos heraus zu besinnen haben, denn keiner, auch die einheimischen Seelsorger hingezählt, werden unsere Leute besser verstehen, bedienen, aufrichten und trösten können, als wir schwäbischen Priester. Gleich, ob wir aus Jugoslawien, Ungarn oder Rumänien und seinen fern voneinander liegenden Siedlungen kommen. Diese Gemeinsamkeit und der gleiche Priesterberuf sollen und müssen uns zusammenführen in eine Priestergemeinschaft, in ein Werk, das berufen ist, uns donauschwäbische Priester zusammenzubringen. Gemeinsame Fragen gemeinsam zu erörtern und zu lösen, gemeinsame Pläne zu entwerfen, ihre Verwirklichung anzustreben, gemeinsame Nöte beruflicher, organisatorischer und persönlicher Art zu sehen, zu beheben und abzustellen versuchen, gemeinsame berufliche Fortbildung zu betreiben, neue Arbeitsmethoden gemeinsam zu besprechen, anzueignen und nicht zuletzt auch die Nöte des Berufes in brüderlicher Art gemeinsam zu tragen.“ (Schreiben an die Hochwürdigen Herren südostdeutschen Priester in Deutschland und Österreich, gez. von Josef Nischbach, dem Domkapitular von Temeschwar, 4 S. masch. vom 29. September 1959, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Janssen, 2557, S. 2). Solche und andere Beweggründe hätten die donauschwäbischen Priester dazu bewogen, auf ihrer Tagung am 21. August 1959 die Formung eines Südostdeutschen Priesterwerkes durchzuführen und alle 150 donauschwäbischen Priester zum Beitritt zu diesem Priesterwerk anzusprechen. In diesem werbenden Rundschreiben formulierte Nischbach auch gleich die Grundaufgaben des Donauschwäbischen Priesterwerkes des Südostdeutschen Priesterwerkes, die er in zehn Punkten wie folgt zusammenfasste. „1. Berufsständige Zusammenfassung der donauschwäbischen Flüchtlingspriester. 2. Gegenseitige Hilfe in beruflicher, berufskundlicher, wissenschaftlicher und praktischer Art. 3. Gegenseitige soziale, berufsbrüderliche Hilfe im Notfalle, in allfälliger Hilflosigkeit. 4. Betreibung, Aufrechterhaltung und Förderung eines Priesternachwuchses, auch unter der Voraussetzung bedeutender Opfer. 5. Betreibung, Förderung unserer beruflichen Fortbildung durch Tagungen, Kurse und Aussprachekreise. 6. Anregungen, Förderung und Behelf, Besorgung zu theologisch-wissenschaftlichen Arbeiten. Veröffentlichungen der donauschwäbischen Priester. 7. Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen der Heimats- und Flüchtlingspriesterschaft. 8. Pflege der Gemeinschaftsbeziehungen zwischen den Flüchtlingsgläubigen und der donauschwäbischen Priesterschaft, der Verbindung zu den Gläubigen der Heimatge-

616

Abschnitt VII

In Deutschland und Österreich lebten etwa 150 Flüchtlingspriester aus diesen Herkunftsgruppen, die, so Nischbach, kaum etwas voneinander wüssten und die mit den Gläubigen ihrer Herkunftsgemeinden nur unzulängliche und lückenhafte Verbindung hätten und sie deswegen auch nicht seelsorgerlich betreuen könnten. Nach dem Vorbild des Sudetendeutschen und Schlesischen Priesterwerkes sollten die donauschwäbischen Priester sich zusammenschließen und um ähnliche Leistungen bemühen. „Aber wir dürfen uns der Verpflichtung, unseren Landsleuten seelsorgerlich, kulturell und sozial zu helfen, auch dann nicht entziehen, wenn wir örtlich, kirchenrechtlich oder administrativ von ihnen getrennt sind. Die Gläubigen haben das Bedürfnis, mit ihren Seelsorgern aus der alten Heimat in Verbindung zu stehen, hören auf ihre Worte, nehmen bereitschaftlich ihre Weisungen entgegen und wollen die alten, heimatlichen Beziehungen gepflegt wissen.“52 Die Priester planten eine Ergänzung zu der Interessensvertretung durch die landsmannschaftlichen Organisationen, die nicht die religiösen Belange der Gläubigen wahrnehmen könnten. Angesiedelt war das Südostdeutsche Priesterwerk – und damit zeigt sich auch die ledigliche Proforma-Verbindung zum Sudetendeutschen Priesterwerk – beim Gerhardswerk in Stuttgart. Der Bezug zu Königstein blieb also doch eher locker. Mit den „Quartalsbriefen“ wurde auch ein eigenes Mitteilungsblatt herausgegeben.53 Zu Beginn des Jahres 1980 hatte das Südostdeutsche Priesterwerk 240 Mitglieder.54

2.3.

Zum Schlesischen Priesterwerk

Die Kirche und ihre Geistlichen haben das Gesicht Schlesiens mit geprägt und der Heimatdiözese auch nach der Vertreibung die Treue bewahrt – auf diesem ideologischen Hintergrund sah es das Priesterwerk als seine wichtigste Aufgabe an, auf jede nur mögliche Weise dahingehend bei den Priesteramtskandidaten zu wirken, dass sie sich für die Diözese Breslau inkardinieren ließen und in der heimatvertriebenen schlesischen Jugend für den Priesternachwuchs werben. Dies sei die Hauptzielsetzung für

52 53

54

meinde und der gewesenen Heimatpfarre. 9. Verbindungen suchen zu den verschiedenen Verbänden, die den donauschwäbischen Katholizismus fördern, bedienen und aufrechterhalten wollen. 10. Pflege der besten Beziehungen zu den kirchlichen Behörden, Staatsbehörden und landsmannschaftlichen Organisationen.“ Schreiben an die Hochwürdigen Herren südostdeutschen Priester in Deutschland und Österreich, gez. von Josef Nischbach, dem Domkapitular von Temeschwar, 4 S. masch. vom 29. September 1959, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Janssen, 2557, S. 3. Schreiben von Nischbach, S. 1. Vgl. Hermann SCHUSTER / Rudolf FATH, Der Weg des St. Gerhardswerkes e.V. durch die Zeit. Zielsetzung – Ausrichtung und Wirken über 50 Jahre, in: BENDEL, Die Fremde wird zur Heimat, S. 353-383. So die Auskunft von Prälat Haltmayer auf der Delegiertenversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerkes vom 10. bis 12. Februar 1980. Das Protokoll, DAR, AKZ.8/1991, Nachlass Kruschina.

Initiativen für die Seelsorge

617

die Gründung der Gebetsgemeinschaft schlesischer Priester 1946 gewesen, die sich 1946 und 1947 jeweils zu Exerzitien und zum Wiedersehen trafen, weil zu dieser Zeit der politischen Vorzeichen wegen andere Formen der Zusammenkunft nicht möglich waren. Ab 1948 hielten sie jährlich ihre Priestertagung zum Wiedersehen, zu geistlicher Erbauung, zu wissenschaftlicher und pastoraler Fortbildung ab.55 Als man sah, dass der Kapitelsvikar in Görlitz Ferdinand Piontek die Interessen der schlesischen Priester in der Bundesrepublik nicht vertreten konnte und wollte, bestimmten die schlesischen Priester 1952 Josef Engelbert auf der Schlesischen Priestertagung in Königstein zu ihrem Sprecher. Neben der Jahrestagung in Königstein wurden vom Priesterwerk regionale Tagungen schlesischer Priester in verschiedenen Diözesen organisiert und analog Tagungen für schlesische Theologiestudenten zentral und regional gehalten. Zusätzlich zur zentralen Zielsetzung der Förderung des Priesternachwuchses wollte das Priesterwerk theologisch wissenschaftliche Einrichtungen und Veröffentlichungen schlesischer Priester fördern, die Verbundenheit der Priester mit ihrer Heimatdiözese und den Priesteramtskandidaten aufrechterhalten. „Zwischen den vertriebenen schlesischen Priestern und Katholiken soll sich daraus eine Gemeinschaft entwickeln. [5.] Nach Möglichkeit sollen durch das Priesterwerk Verbindungen wahrgenommen werden, die dem Interesse des schlesischen deutschen Katholizismus dienen.“56 Auf der Priestertagung 1953 wurde die Notwendigkeit, die geistigen Kräfte des katholischen Schlesiens zu sammeln und wirksam in der Sammlung und Erforschung des Kulturgutes der Schlesier einzusetzen, als deutliche Aufgabe formuliert. Prälat Dr. Kurt Engelbert aus Hildesheim hatte das Archiv für Schlesische Kirchengeschichte, dessen sechster Band noch 1941 in Breslau erscheinen, aber nicht mehr ausgeliefert werden konnte, im Westen fortgesetzt und wollte einen festen Arbeitskreis, um diese Arbeit auch fern der Heimat fortführen zu können – 1951 etablierte er einen „Arbeitskreis für ostdeutsche Kultur- und Kirchengeschichte“.57 Dieser Arbeitskreis wurde 1952, nach der Ernennung des Sprechers für die schlesischen Priester in ‚Akademie für ostdeutsche Kultur und Geschichte’ umbenannt. Man wollte die katholischen Belange in der wissenschaftlichen Forschung um den Osten stärker zur Geltung bringen. Die Arbeitsgemeinschaft sollte zur Akademie ausgebaut werden, Geschäftsstelle sollte in Königstein sein, zunächst betreut von Dozent Dr. Franz Scholz, einem Königsteiner, die Leitung der Akademie lag bei Kurt Engelbert, dem Herausgeber des ‚Archiv für schlesische Kirchengeschichte’. Ziel war es, die katholischen Wissenschaftler des Ostens, Priester wie Laien, in dieser Akademie zu gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit für die Kultur und Geschichte der Herkunftsregion zu sammeln. „Die Aufgaben der Akademie sollen verwirklicht werden durch Schulungskurse, Vortragsreihen und wissenschaftliche Veröffentlichungen. Leiter der Akademie sollte 55 56 57

Zum Schlesischen Priesterwerk vgl. auch LEMPART, Moschner, S. 94-96. Archiv Apostolische Visitatur Breslau, Rundschreiben 1958, S. 2. Vgl. den Bericht über die „Schlesische Priestertagung“, S. 71f., der Punkt über das Kulturwerk Schlesien auf S. 71.

618

Abschnitt VII

Archivdirektor Prälat Dr. Kurt Engelbert aus Hildesheim sein. Das Publikationsorgan war das ‚Archiv für Schlesische Kirchengeschichte’.58 Die „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ des Jahres 1953 berichteten in der Oktobernummer, dass die Ostdeutsche Akademie am 1. Oktober in neu hergerichteten Räumen des Oberhauses in Königstein ihre Tätigkeit aufnehme. Zwei Abteilungen hatten sich herausgebildet, eine schlesische und eine sudetendeutsche, die mit diesem Zeitpunkt ihre Arbeit aufnehmen wollten. Die schlesische Abteilung leitete Oberstudiendirektor Dr. Gotthard Münch59, die sudetendeutsche Universitätsprofessor Dr. Matzke. Die Anfangstätigkeit werde sich, so der Bericht, vor allem auf die Sichtung des vorhandenen Materials und die Sammlung religiöskulturellen Heimatgutes erstrecken.60 Die Verantwortung wie auch der Aufgabensektor61 wuchsen; daher wurde bei der Priestertagung 1953 angeregt, dem schlesischen Priesterwerk eine rechtliche Basis zu geben, indem man einen eingetragenen Verein gründete. Das sollte während der Diözesanflüchtlingsseelsorgerkonferenz passieren. In Gesamtwestdeutschland befanden sich damals 646 schlesische Priester, die der Königsteiner Regens Piekorz um ihre finanzielle Mithilfe für den schlesischen Priesternachwuchs bat.62 Piekorz war auf der Schlesischen Priestertagung 1954 einstimmig zum Ersten Vorsitzenden des Schlesischen Priesterwerkes gewählt worden in der Nachfolge von Regens Fröhlich, Königstein, der sich aus Gesundheitsrücksichten von Königstein zurückgezogen und auch den Vorsitz des Schlesischen Priesterwerkes niedergelegt hatte.63

58 59 60 61

62

63

Vgl. den Bericht über die „Schlesische Priestertagung“, S. 74. Gotthard Münch (1897 – 1984), Oberstudiendirektor, Heppenheim. Vgl. den kurzen Bericht über die Ostdeutsche Akademie in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 10, Oktober 1953, S. 75. Leo Scheffczyk berichtete über die Etablierung des Schlesischen Priesterwerkes, das in den Nachkriegsjahren eingerichtet wurde, um Theologen das Studium zu erleichtern. Dafür wurden Gelder zur Verfügung gestellt, Zuschüsse, die nicht geschenkt, sondern als Darlehen gegeben wurden. Die Theologen verpflichteten sich im Gegenzug in einer rechtlich sehr losen Form, später einmal nach Möglichkeit einen gleichen Beitrag zurückzuzahlen oder direkt die Ausbildung eines Theologen zu verwenden. Scheffczyk konnte auf gut einlaufende Beiträge verweisen, die Kassenlage war so, dass alle notwendigen Zuschüsse immer geleistet werden konnten. Darüber hinaus unterstützte das Schlesische Priesterwerk auch die schlesischen Schüler in der St. AlbertSchule, hinzu kamen wachsende Aufgaben in der Sorge für Erfurt, das dortige PhilosophischTheologische Studium und Neuzelle, nämlich das Priesterseminar hinzu. Vgl. den Bericht über die Schlesische Priestertagung in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 10, Oktober 1955, S. 142-144, der Bericht über das Priesterwerk S. 144. Dazu den Bericht über die Schlesische Priestertagung in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 9, September 1954, S. 68f.; die kurze Mitteilung über die Generalversammlung des Schlesischen Priesterwerkes und die Wahl des neuen Vorstandes auf S. 69.

Initiativen für die Seelsorge

619

1955 gehörten dem Schlesischen Priesterwerk 250 Priester und 400 Laien an, die durch ihre Spenden den schlesischen Priesternachwuchs unterstützten. Breiter gestreut und intensiviert sollte die Arbeit durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung des schlesischen Priesterwerks vom 19. Juli 1960 in Königstein werden, wonach in den einzelnen Diözesen der Bundesrepublik schlesische Geistliche als Sprecher des Priesterwerkes vor allem zur Intensivierung des Zusammenhalts und zur Nachwuchswerbung und -förderung zu bestellen seien.64 Grulich behauptete in der Erinnerung, dass das Nordostdeutsche und das Schlesische Priesterwerk bereits in den siebziger Jahren mit ihren Visitatoren von Königstein weggezogen seien. Vermutlich war das bereits früher der Fall. Ein Indiz ist der Jahresbericht 1959/60, aus dem deutlich wird, dass die Tagungen in Fulda und Münster gehalten wurden. Auch das Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte war bereits 1961 nach Bonn gezogen. Golombek jedenfalls als Leiter der Kirchlichen Hilfsstelle/Nord und Diözesanvertriebenenseelsorger für die Erzdiözese Köln arbeitete von Köln aus, die Ermländer von Münster, so dass sowohl die Schlesier wie die Nordostdeutschen Königstein nie als den genuinen Sitz ihrer Priesterwerke sahen.65 Dort saß das Sudetendeutsche Priesterwerk mit Kindermann an der Spitze.

64

65

Sie sollen grundsätzlich in ihrer Diözese unter den heimatvertriebenen Priestern aus dem Bistum Breslau um Mitgliedschaft für das schlesische Priesterwerk werben. Sie sollen einmal im Jahr ein schlesisches Priesterkonveniat in ihrer Diözese halten. Sie sollen mit den Theologiestudierenden, den Priesteramtskandidaten, die aus Schlesien stammen, Fühlung aufnehmen und mit ihnen einmal pro Jahr ein Konveniat abhalten. Sie sollen in geeigneter Weise unter Schülern, vor allem Abiturienten, für Theologennachwuchs und für das Studium in Königstein werben. Sie sollen unter schlesischen Laien neue Förderer für das Priesterwerk auftun, guten Kontakt mit dem Diözesanvertriebenenseelsorger halten und wichtige Daten schlesischer Theologen und Priester dem Büro des geschäftsführenden Vorsitzenden melden. So soll die Verbindung mit dem schlesischen Klerus gerade an besonderen Gedenktagen immer wieder sichtbar gemacht werden können. Auf Sonderveranstaltungen für die Vertriebenen, wie Wallfahrten, besondere Gottesdienste, Maiandachten oder ähnliches, solle für das schlesische Priesterwerk nach Möglichkeit in der Predigt geworben werden. Vgl. Apostolische Visitatur Breslau, Schreiben des schlesischen Priesterwerks e.V. Königstein vom 17. Februar 1961 an schlesische Geistliche in den Diözesen der Bundesrepublik, die dort namentlich genannt werden. Der Ermländerrat trat 1952 erstmals in Königstein zu einer Konferenz zusammen. Hier ging es vor allem um die grundsätzliche Frage, ob die Landsmannschaft Ostpreußen der Eigenständigkeit der Ermländer Rechnung tragen werde, so dass man in diesem gemeinsamen Dachverband bleiben könne oder ob man organisatorisch auf der Ebene der Interessensvertretung im politischen Bereich auch noch selbständiger werden wolle. Man entschied sich dafür, die Einheit der ostpreußischen Landsmannschaft zu wahren, d.h. im Verbund zu bleiben. Das Ermland solle in angemessener Weise durch autorisierte Vertreter mit Sitz und Stimme im Vorstand der Landsmannschaft Ostpreußen vertreten sein. In diesem Kontext fand auch eine Tagung der ermländischen Priester statt. Vgl. Bericht in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 10, Oktober 1952, S. 79f.

620

2.4.

Abschnitt VII

Die Glatzer Priestergemeinschaft

Die Tradition der jährlichen Priesterkonferenz, die der Großdechant von Glatz geleitet hatte, nahm Prälat Franz Monse nach der Vertreibung bereits 1946 wieder auf. Die überschaubare Zahl der Priester ermöglichte die ungebundene Ebene der Begegnung, des Austausches und der Besprechung der anstehenden Aufgaben. Im Anschluss an die Vertriebenenwallfahrt wurde jährlich der Priesterkonveniat gehalten. In den 1950er Jahren nahmen daran durchschnittlich 50 Priester teil. Die Wallfahrt führte die Glatzer nach Telgte. So trafen sich auch die Priester nicht in Königstein, sondern in Telgte. Zusätzlich wurde mit Rundschreiben des Großdechanten Kontakt gehalten.66

2.5.

Das Nordostdeutsche Priesterwerk

hatte sich 1948 aus dem bald nach der Vertreibung gegründeten Studienwerk der Diözese Ermland entwickelt; die Priester der Diözese Danzig und der Freien Prälatur Schneidemühl hatten ebenfalls mitgewirkt. Wie bei den anderen Priesterwerken stand die Weckung und Begleitung von Priesterberufen im Vordergrund der Aufgaben. Der künftigen Priestergeneration sollte Kenntnis der eigenen religiösen Tradition mitgegeben, die Verantwortung für das Heimatbistum geweckt werden. Nach Angaben Kindermanns war 1964 Prof. Gerhard Matern67 der Leiter des Priesterwerkes.

66 67

Michael HIRSCHFELD, Prälat Franz Monse. Grossdechant von Glatz. Sigmaringen 1997, S. 139142. Im ausführlich würdigenden Nachruf auf Gerhard Matern, der die vielen Stationen und Tätigkeiten des Verstorbenen anführt, wird dieses Amt nicht genannt. Prof. Gerhard Matern † Abschied von einem väterlichen Freund, in: Ermlandbriefe 4 2011, S. 4. – Dazu auch die Würdigung des Wissenschaftlers: Professor Matern gestorben, in: Unsere ermländische Heimat. Mitteilungsblatt des Historischen Vereins für Ermland 57 (2011), Nr. 4, S. IXf.

Initiativen für die Seelsorge

Abb. 13: Auszug aus dem Jahresbericht, S. 1 (Kommission für Zeitgeschichte Bonn, Bestand Königstein 2554)

621

622

Abschnitt VII

Abb. 14: Auszug aus dem Jahresbericht, S. 2

Initiativen für die Seelsorge

3.

623

Die Ostpriesterhilfe

Nominell gehörte die „Ostpriesterhilfe“ als materielle und seelische Hilfe für die vertriebenen deutschen Priester aus dem Osten zum Aufgabenbereich des Priesterreferates, daher war Kindermann formell bis zu seinem Tod Vorsitzender des Trägervereins der Ostpriesterhilfe. Weil sie sich aber in der Arbeit Pater Werenfried van Straatens in vielem parallel zu den Aufgaben des Priesterreferates und dann rasch weit darüber hinaus entwickelte, ist darauf zu verweisen, dass sie eine sich bald verselbständigende und teilweise parallel laufende Initiative in Königstein war – verbunden mit den Königsteiner Anstalten durch die anfängliche freundschaftliche Kooperation zwischen Kindermann und Pater Werenfried van Straaten. Die Ostpriesterhilfe verdankte sich dem Generalabt der Prämonstratenser, Monsignore Noots68 von der Abtei Tongerlo in Belgien, der beeindruckt von der Not der ostvertriebenen Priester in Deutschland und der Gemeinden in der Diaspora eine Hilfsaktion, ausgehend von seiner Abtei, ins Leben rief. Pater Werenfried van Straaten wurde mit dem Aufbau dieser Hilfe, die dann Ostpriesterhilfe genannt wurde, im Jahre 1948 beauftragt.69 In zahlreichen umfangreichen Besuchsreisen verschaffte sich Pater van Straaten einen Überblick über die Situation in der Diaspora, über die Lage einzelner Flüchtlingsseelsorger, über die Situation in den Lagern und Bunkern und entwickelte aus diesen seinen Eindrücken heraus seinen Plan. Von grundlegender Bedeutung war ihm die Schaffenskraft der Priester zu erhalten, da bei deren Krankheit oder Tod in der Diaspora jedes Mal eine neue Lücke aufgerissen wurde. Die zweite Zielsetzung war, den Seelsorgern Mittel an die Hand zu geben, damit die Glaubensverkündigung nicht allein stehen blieb. Verkündigung und Caritas sollten Hand in Hand gehen. In seinem Predigtzug durch Flandern und Holland predigte Pater Werenfried van Straaten in den ersten drei Jahren des Bestehens der Ostpriesterhilfe vor mehr als 1 Mio. Menschen und sammelte für die Arbeit der Ostpriesterhil-

68

69

Hubert Noots, am 24. Juli 1880 in Flandern geboren, legte mit 24 Jahren seine Profess im Kloster der Prämonstratenser in Tongerlo ab. Er wurde bald Generalprokurator des Ordens und nach 17 Jahren als Prokurator vom Generalkapitel des Ordens zum Generalabt gewählt. Kindermann kannte Noots schon seit den 1930er Jahren aus Rom. Ostern 1948 besuchte er ihn wieder. „Es war ein denkwürdiges Gespräch mit diesem so erfahrenen und klugen Manne… Er war sich auch klar darüber, dass die Millionen zu Unrecht Vertriebener in Deutschland eine große Gefahr für ganz Europa bedeuten. Daher versprach er mir am Ende unseres Gespräches, dass er selber in Belgien für Verständnis und Hilfe werben wollte. Er tat es auch, obwohl er bei den ersten Versuchen keinen Erfolg hatte. Er wurde aber nicht müde und schaltete vor allem sein Heimatkloster Tongerlo ein. Dort war Abt Stalmans tätig, ein hervorragender Mann, und sein Sekretär hieß Werenfried. Diesen schickte er im Herbst 1948 nach Königstein, um an Ort und Stelle zu studieren und zu erkunden, was geschehen müsste. So begann die Ostpriesterhilfe… Ohne Generalabt Noots wäre dieses Werk nicht geworden.“ Adolf Kindermann in seinem Nachruf auf Generalabt Hubert Noots, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 18 (1967), Nr. 9, S. 9f. Vgl. dazu einen knappen Rückblick und ein Würdigungsschreiben des Apostolischen Nuntius vom 10. Juli 1951, KZG Bonn, Archiv Königstein, 3314.

624

Abschnitt VII

fe. Er rief die Kinder in den Klosterschulen zur Hilfe auf. So entstanden etwa 1.200 Patenschaften. Kinder einer Schulklasse, die einen Diasporapriester betreuten, für ihn beteten, mit ihm in schriftliche Verbindung traten und ihm jeden Monat ein Liebesgabenpaket schickten, ließen sich informieren über Leben und Arbeiten des Priesters, berichteten in ihren Familien, in der Schule und in den Gemeinden davon und so wurde diese Hilfsaktion populär. Pater Werenfried sah das auch als besonderes Signum seiner Initiative, dass er zwischen Geber und Empfänger einen persönlichen Kontakt herzustellen versuchte und so die Menschen über alle Grenzen hinweg im Geist der Liebe zusammenführen und ein Versöhnungswerk zwischen den einstigen Kriegsgegnern aufbauen wollte. Wenn Pater Werenfried vor den Bauersfrauen predigte, bat er sie um Speck, den er dann tonnenweise den deutschen Heimatvertriebenen schicken konnte und der zu seinem Namen „Speckpater“ entscheidend beitrug. Wenn er vor Arbeiterfrauen predigte, bat er um Textilien, und alle diese Gaben wurden nach Königstein geschickt und von dort aus verteilt. In Königstein meldeten die heimatvertriebenen Priester ihren Bedarf, so dass das „Vaterhaus der Vertriebenen“ zum Umschlagplatz für die caritative Aktion wurde. Nach Angaben Werenfried van Straatens wurden 1950 durch Königstein 12.400 Patenpakete mit Lebensmitteln im Gesamtgewicht von etwa 90.000 kg weitergeleitet. Etwa 600 Priester bekamen so Kleidung und Wäsche für ihren eigenen Bedarf und an die 70.000 kg Textilien für die Gläubigen. Weil aber die Diaspora nicht nur durch Nahrungs- und Kleidungsmangel charakterisiert war, sondern über Jahre hinweg – bis dann der Kirchenbau ausgeweitet werden konnte – auch einen sakralen Raum entbehrte, wurde die Idee einer Soforthilfe durch rollende Seelsorgskapellen geboren. 1950 startete die Aktion der Kapellenwagen, umgebaute Lastwagen, für den Gottesdienst und für die Verteilung von caritativen Gaben. 1950 fuhren zwei Kapellenwagen durch die Diaspora. 1951 waren es bereits zwölf. Diese fahrenden Kirchen waren ein Geschenk der holländischen Katholiken. Pater Werenfried hatte die Ostpriesterhilfe von seinem belgischen Heimatkloster aus aufgebaut hatte. Der Adressatenkreis seiner Hilfe weitete sich rasch über den Vertriebenenkreis hinaus zu den Geistlichen in den ostmittel- und osteuropäischen Ländern. Seine Ostpriesterhilfe unterstützte die Vertriebenenseelsorge durch Mobilisierung, durch die Kapellenwagenmission und den Bauorden. Die Ostpriesterhilfe als Beitrag zur Völkerverständigung stellte Pater Werenfried im Frühling 1951 der Ackermanngemeinde in München vor. Diese Aufgabe lag vor allem darin, die Priester, die in Deutschland „im Kampf gegen den Stoß vom Osten“ standen, zu unterstützen. „Es ist die Aufgabe der Ostpriesterhilfe, diesen Priestern [die heimatvertriebenen sind gemeint, d. Verf.] die Möglichkeit zu geben, ihr Apostolat zu unterstützen durch die Caritas, die tätige Liebe, denn ohne die Caritas muss die beste Glaubensverkündigung scheitern!“70 Weil Pater Werenfried aber seine Aufgabenbereiche globaler sah als Königstein, weitete sein Hilfswerk 1954 seine Hilfe auf die Flüchtlinge aus allen kommunistischen Ländern aus, ein Jahr später auch auf die arabischen Flüchtlinge in den Lagern 70

An der Front des Abendlandes. Der Speckpater über die Ostpriesterhilfe, in: Christ unterwegs 5 (1951), Nr. 4, S. 1-4, Zitat S. 1.

Initiativen für die Seelsorge

625

in Israel. 1961 half der Speckpater Flüchtlingen aus China, Nord-Korea und Vietnam. 1964 erhielt das Hilfswerk die Anerkennung als „Pium Sodalitium“, es wurde direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt. Werenfried van Straaten wurde Generalmoderator. Er verlegte das Internationale Sekretariat von Tongerlo nach Rom und gründete ein italienisches nationales Sekretariat. Im Juni 1969 wurde das Werk umbenannt in Kirche in Not/Ostpriesterhilfe.71 1975 kehrte Pater Werenfried mit der Zentrale seines Werkes von Rom wieder nach Königstein zurück. Deswegen und vor allem aus archivalischen Gründen sei die Ostpriesterhilfe hier ausgeklammert und nur in ihren wichtigsten Aufgabenbereichen aufgrund ihrer Publikationen knapp skizziert.72 Die Intentionen und Konzeptionen der Ostpriesterhilfe, die wesentlich von Pater Werenfried van Straaten entwickelt wurden, zeigen sich in den Grundzügen in dessen zu Werbezwecken verfasstem Erinnerungsbuch „Sie nennen mich Speckpater“.73 1947 hatte der 34-jährige Prämonstratenser Werenfried van Straaten, der Sekretär seines Abtes in Tongerlo/Belgien, sein Zäsurerlebnis. Er hatte in der Weihnachtsnummer der Abteizeitschrift die Leserschaft der Zeitschrift zur Hilfe für die besiegten Deutschen aufgerufen. Der Erfolg war offensichtlich so überwältigend und bei den kleinen Nachbarvölkern der Deutschen, die als erste im Westen im Krieg überrannt und gedemütigt worden waren, auch überraschend, so dass mit diesem Artikel die Ostpriesterhilfe geboren war. Pragmatisch vorzugehen verstand Pater Werenfried. Die Augenblicke wusste er zu nutzen, ebenso die Gefühle seiner Zuhörer zu lenken. Zwei Grundlagen seiner Arbeit gibt er im einleitenden Kapitel dieser Schrift selbst an: Ein bisschen Diplomatie, die er von seinem Abt gelernt habe, und viel Unterwerfung unter die kirchliche Autorität. Beide Eigenschaften seien ihm in seinem späteren Wirken oft von Nutzen gewesen.74 Eine zentrale Initialzündung für die Ostpriesterhilfe ergab sich aus einem Treffen Kindermanns mit dem Generalabt der Prämonstratenser in Rom, Hubert Noots75, an Ostern 1948, den er noch von seinen eigenen Studienzeiten her kannte. Der Generalabt wandte sich an Abt Stalmans von Tongerlo, der seinen Sekretär im Herbst 1948 nach Königstein schickte und mit einer besonderen Hilfsaktion für die entheimateten Priester beauftragte – sein erstes großes Aktionsfeld.

71 72

73 74 75

Vgl. dazu auch den Überblick in VAN STRAATEN, Ein Bettler für Gott, S. 73-79. Das Archivmaterial der Ostpriesterhilfe ist naturgemäß nicht mit den Königsteiner Akten an die Kommission für Zeitgeschichte übergeben worden, sondern bei der Ostpriesterhilfe verblieben und nicht zusammen mit den von Königstein zur KZG in Bonn transferierten Akten archivalisch erschlossen und entsprechend für die Forschung aufbereitet worden. Eine archivalische Erschließung ist inzwischen begonnen worden. Werenfried VAN STRAATEN, Sie nennen mich Speckpater. Recklinghausen 1961, überarbeitete Neuauflage 1988. Vgl. ebd., S. 7. Eine Arbeit zu Hubert Noots fehlt bislang. Noots war von 1932 bis 1967 Generalabt der Prämonstratenser, griff also nicht nur in der Not der Nachkriegsjahre ein, sondern bestimmte auch die Position der Kirche im Faschismus mit und stand seinem Orden in den Jahren des Konzils vor.

626

Abschnitt VII

Werenfried van Straaten verschweigt nicht die Widerstände, die groß gewesen seien, weil der Ostpriesterhilfe politische Motive unterstellt wurden.76 Es war materielle Nothilfe, die Pater Werenfried als erste Unterstützung leistete, die ihm nicht zuletzt den Namen „Speckpater“ einbrachte, und es war ein Stück Dienst zur Völkerverständigung, besonders in Flandern und in Holland. Offensichtlich verstand er es mit seinem direkten Wort und seiner Diplomatie, die begründete Abneigung, ja den Hass der Flandern und Niederländer, der in den leidvollen Erfahrungen der unmittelbar zurückliegenden Jahre wurzelte, zu überwinden und in Taten großherziger Liebe umzuformen.

3.1.

Geistige Grundlagen und Intentionen

Als ein besonderes Schlüsselerlebnis schilderte Werenfried van Straaten seinen Besuch in Königstein im November 1948. In dieser Beschreibung zeigen sich seine grundsätzlichen Ideen: Er nahm Königstein in den ersten Jahren nach dem Krieg als eine Bastion im Grenzgebiet wahr. Die militärische Tradition dieses Ortes sollte in gewisser Weise für das Reich Christi weitergeführt werden. Er sprach von einem „Ausfalltor zum Reich der Finsternis“.77 Für ihn war es kein Zufall, dass das Priesterseminar der heimatvertriebenen Deutschen in einer alten Kaserne errichtet wurde und die meisten Theologiestudenten, die er 1948 bei seinem ersten Besuch hier antraf, noch in verschlissenen Uniformen gingen. „Auf jeden Fall wurde hier ein Bataillon gedrillt. In der alten Festung Königstein wurde für die Besten der ostdeutschen Jugend zum Sammeln geblasen.“78 Diese markig bis triumphalistisch anmutende militaristische Sprache war ein Grundvorstellungsmuster im Denken Werenfried van Straatens, das von den beiden Grunddaten des Dualismus geprägt war: Das Ziel ist der Sieg für das Reich Gottes, die ständig drohende Gefahr geht vom Reich der Finsternis aus, das er am deutlichsten im Kommunismus der Ostblockstaaten ausgedrückt sah. In diesem Kampf sind die Soldaten das wichtigste; die Soldaten für das Reich Gottes waren nach Werenfried van Straaten die Priester. Daher wird auch seine deutlich priesterzentrierte Sicht der Seelsorge und des Kirchenbildes verständlich. Seine Bildwelt und seine Sprache, sein gewinnendes Zugehen auf Menschen machten ihn zu einem Volksprediger, der die Sprache des Volkes verstand, weil er sie sprach und weil er in diesen Kategorien dachte. Seine Theologie sind letztlich Versatzstücke der Volksfrömmigkeit, deswegen nicht ungefährlich, weil er die Volksfrömmigkeit in seinem ideologischen Sinn instrumentalisierte. Diese wurde bestimmt und drückte sich aus in der Kontinuität kriegerischer Kategorien, nicht nur in der Diktion, sondern auch in der Wahrnehmung und Deutung der Wirklichkeit. Er sah

76 77 78

VAN STRAATEN, Sie nennen mich Speckpater, S. 10. Vgl. ebd., S. 25. Ebd.

Initiativen für die Seelsorge

627

keine Notwendigkeit, sich auch auf dieser Ebene von der unmittelbaren Vergangenheit zu distanzieren. In der schärfsten Kontrastierung zum Kommunismus wollte er das Christentum zu einer Elite Gottes schmieden, die der Elite Satans gegenüber trat. Wenn die Christen nicht die Elite Gottes seien, habe es keinen Sinn, von einem christlichen Europa zu reden. Das Christentum müsse durch die Liebe lebendig gemacht werden, so dass es für die anderen akzeptabel werde. Mit dieser dualistischen Grundkonzeption und der daraus gefolgerten Ethik meinte Werenfried van Straaten seine große Idee gefunden zu haben, die einerseits fesselnd und andererseits einfach genug war, um alle anzusprechen.79 Durch diese Konzeption war die caritative Tätigkeit über das Normalmaß und das Durchschnittsniveau herausgehoben, in ein hohes Ziel gestellt worden, das trotzdem jeder leicht verstehen konnte. Die Attraktivität der Elite müsse den Osten bekehren. Der Osten dürfe nicht getötet, er müsse getauft werden. „Ohne Zweifel ist es der Wille Gottes, für den alle Völker gleich sind, dass wir das Erbe, das er uns anvertraut hat, denen weitergeben, die nach uns kommen. Dieses Erbe ist nicht die europäische Kultur oder die Perfektion der modernen Technik, sondern das Evangelium, die Kirche und die Sakramente.“80 Faszinierend war das grenzüberschreitende, Völker verbindende Denken, das Werenfried van Straaten an den Tag legte und zu seiner Grundprämisse machte, bezeichnend aber ist auch, dass er zwar Konstrukte wie europäische Kultur oder moderne Technik ablehnte, geistliche Konstrukte aber wie die Kirche und die Sakramente als sein hohes Ziel angab. Es sei das Beste und Wertvollste, das wir besitzen, nämlich die unermesslichen Reichtümer des Glaubens und der Gnade. Hier wird genauso ökonomisch und in weltlichen Prozessen gedacht wie in der materialistischen Welt, die er ähnlich wie die kommunistische, wenn auch nicht so intensiv, verteufelte. Der einzelne tritt dort in den Blick, wo er materiell versorgt werden muss, wo es aber um die geistige Ebene geht, dort kommt das Allgemeine, der Überbau als Ziel in den Vordergrund. Das Beunruhigende der Situation der zweiten Hälfte der 40er Jahre machte van Straaten im Verfall des christlichen Geistes fest, weil dadurch das Christentum kompromittiert und unattraktiv gemacht wurde. Allein der lebendige Kontakt und die Begegnung mit Christus können in dieser letzten Stunde retten. Das apokalyptische Element, das sich natürlicherweise aus seiner dualistischen Grundkonzeption und aus dem drohenden Gegenüberstehen des Kommunismus ergibt, kommt deutlich zum Tragen. In dieser Krisis der Apokalypse wollte Werenfried van Straaten die Menschen zu Samaritern formen, die ihren eigenen Hass überwanden, sich heldenhaft selbst verleugneten und über die Wunden von Feinden und Fremden hinneigten.81

79 80 81

Vgl. ebd., S. 39. Ebd., S. 40. Vgl. ebd., S. 43.

628

Abschnitt VII

Mit dieser gedanklichen Grundlegung wollte er die Ostpriesterhilfe zu einer Schule der Liebe machen, die das Wesen des Christentums entdeckt und zu leben lernt und damit nicht nur der Christenheit des Ostens, sondern auch den Völkern des Westens einen wesentlichen Dienst erweist. Die Christen Westeuropas sollten zu einer kleinen Halbinsel in einem unermesslich weiten roten Kontinent, zu einem kleinen Rest in einer geistig verheerten Welt werden. Die Menschen hätten keine Aufgabe für sich selbst, sondern nur eine Berufung für die Zukunft. Damit dürften sie auch nicht versuchen, für sich selbst etwas zu retten, denn alles, was sie bewahren wollten, das bewahrten sie für den Bolschewismus und die Verwüstung auf. Das Feindbild wurde so mächtig gezeichnet, dass es Ängste evozierte und damit aus Angst zum christlichen Liebesdienst motivierte. Denn was die Menschen in Liebe preisgeben, das gehöre in jedem Falle Gott. „Und wenn wir selbst ihm gehören, sind wir vielleicht doch noch imstande, die Mächte der Finsternis zu überwinden, denn die Liebe ist stärker als der Tod!“82

3.2.

Ausstattungen für die Priester

Die zentralen Aufgaben der Kirche in der Nachkriegszeit sprach van Straaten naturgemäß dem Priester zu, der allerdings gerade in der Diaspora mit den weiten Entfernungen und den vielfachen Anfechtungen für die Gläubigen einen übermenschlichen Dienst zu leisten hatte, mussten doch die einzelnen Gemeinden mit einer regelmäßigen Eucharistiefeier und einer regelmäßigen Sakramentenspendung versorgt sein. Eine wichtige Unterstützung der Diasporapriester erfolgte durch die Aktion „Ein Fahrzeug für Gott“: Ab 1950 spendeten die Katholiken Belgiens und Hollands für VW-Käfer, mit denen die Diasporaseelsorger motorisiert werden sollten, um ihre Arbeit zu intensivieren und zu erleichtern. Wiederum sah Werenfried van Straaten in Kindermann einen wichtigen Initiator dieser Aktion, der ihn auf die entsprechende Notlage hingewiesen „und dadurch mich selbst und ganz Westeuropa zu einem liebevolleren und sozialeren Christentum angeregt hat.“83 Werenfried van Straaten zitierte die Alternative, die ihm ein Vertriebenenseelsorger aus der Diaspora skizziert hatte, nämlich dass die Millionen Flüchtlinge unter dem Druck jahrelanger Prüfungen einem gottlosen Radikalismus verfielen oder aber den Glauben ihrer Väter behielten und in diesem Glauben das Leid zur Läuterung, zur Buße für die Fehler ihres Volkes und der anderen machten. Damit letztere Alternative realisiert werden könne, müssten den Vertriebenen die Mittel verschafft werden, um neue katholische Kirchen zu bauen. Die Priester müssten um einen würdigen Gottesdienstraum oftmals kämpfen. Daraus ergaben sich die zentralen Aufgaben der Unterstützung der Seelsorger in der Diaspora in ihrer herkömmlich skizzierten Aufgabe: Nach der Grundversorgung

82 83

Ebd., S. 56. Ebd., S. 86.

Initiativen für die Seelsorge

629

der Seelsorger und der Gläubigen mit materiellen Mitteln musste der Bau von würdigen Gottesdiensträumen geplant werden. Die Kirchenbauten waren die unentbehrlichen Brennpunkte jeglichen religiösen Lebens. Die primitiven Verhältnisse in religiöser Hinsicht waren unzulänglich, ein Lokal oder Tanzsaal als Gottesdienstraum konnte auf längere Sicht nicht tragfähig sein, da die Vertriebenen in solchen Kirchenlokalen nicht heimisch würden.84 Daher ging die Kommunikantenzahl zurück. Die Gläubigen hätten, so der Geistliche weiter, das Vaterland jedes Katholiken verloren, nämlich die Kirche.

3.3.

Festungen für Gott

Eine weitere Aktion der Ostpriesterhilfe, die sich wesentlich der Idee Werenfried van Straatens verdankte, waren die „Festungen für Gott“, eine Reihe geistlicher Stützpunkte, die entlang des eisernen Vorhanges errichtet werden sollten, Klöster, die zum einen vertriebenen Klostergemeinschaften ein neues Zuhause böten, die aber auch als Stätten der Besinnung und Einkehr den Flüchtlingen und Armen zur Verfügung stünden. „Ein geistliches Zentrum für die vereinsamten Priester, die bis 100 km weit in der Umgebung ihre zahlreichen Dörfer betreuen und die einzige Stütze für 10.000 verjagte Katholiken sind. Eine Ausfallbasis für Ordensleute aus Holland und Belgien, die als Samariter und Apostel über die Straßen ziehen werden, um Priestern und Gläubigen in ihrer übermenschlichen Heimsuchung beizustehen. Und außerdem sollten um das Kloster herum ausländische Priester ihren deutschen Mitbrüdern die Bürde der Seelsorge tragen helfen.“85 In Celle, Braunschweig, Hannover, Kiel, Salzgitter, Bebra, Hof, Stuttgart, Salzburg und an anderen Orten waren solche Gottesburgen gegen den Kommunismus vorgesehen. Dadurch sollte der Diasporakirche Stärkung zuwachsen, sollten Stätten des Gebetes gegen den Ungeist des Kommunismus und Rekrutierungsreservate für Seelsorger nach dem Fall des eisernen Vorhanges aufgebaut werden.86 Die Motive für die Gründung des Salzburger Klosters sind in zweifacher Hinsicht interessant. Zum einen wollte Werenfried Schwestern unterschiedlichster Nationalität und Sprache in einer Gemeinschaft zusammenführen mit dem Ziel, sich nach der Beseitigung des Kommunismus für den Dienst in der Slowakei zu rüsten. Zum anderen zeichnete Werenfried van Straaten vom Katholizismus der tschechoslowakischen

84 85 86

Vgl. ebd., S. 93f. Ebd., S. 97. Breiter ausführend schildert Werenfried van Straaten die Einweihung der ersten dieser Gottesburgen, des Klosters in Celle. Auch hier der triumphalistisch militaristische Sprachduktus, der diese Skizze prägt: „Eine Prozession nach der anderen geht mit Weihrauch und Weihwasser um die Mauern des Gotteshauses herum. Mit geweihtem Öl, heiligem Chrysam und allen Sakramentalien, Gebeten und Weihen unserer Mutter, der heiligen Kirche, wird diese Burg Gottes immun gemacht gegen die Macht und Drohung des Bösen, der so deutlich jahrelang versucht hatte, dieses Werk der Liebe zu verhindern und zu zerstören.“ (Ebd., S. 103).

630

Abschnitt VII

Republik der Zwischenkriegszeit folgendes Bild: Er sei geprägt gewesen durch die Los-von-Rom-Bewegung, die wie ein Riss durch die Kirche gelaufen sei und das Salz der Erde schal gemacht hätte. Lauheit und Gleichgültigkeit hätten bei vielen den Sinn für die Sakramente erstickt. Die Schwesterngemeinschaft, die auf Initiative des Bischofs Gross von Leitmeritz 1937 gegründet wurde87, um den Priestern in der Seelsorge aktiv beizustehen und in einer engen eucharistischen Verbindung Buße zu leisten, sollte ein Bollwerk gegen die drohende Entchristlichung der Tschechoslowakei werden. Der Rest dieser nach 1945 ausgewiesenen Schwesterngemeinschaft bildete den Grundstock für das Salzburger Kloster.88 Die Klostergründungen sollten nach Werenfried van Straaten eine Soforthilfe in den Diasporagebieten bringen, vor allem dort, wo die Organisation der Seelsorge noch im Anfangsstadium war und wo zu befürchten stand, dass eine merkliche Abfallbewegung unter den Diasporakatholiken eingesetzt haben könnte, bis ordentliche Versorgungszentren, also Kirchen und Kapellen vollendet wären.89 Exerzitien und Kurse sollten in diesen Klöstern ebenso gehalten werden, wie sie eine Anlaufstelle der Jugendbewegung sein und Krankenstationen, Nähschulen usw. beherbergen sollten. Sie sollten Stützpunkte für eifrige Seelsorger bildeten, die das Diasporagebiet mit Kapellenwagen durchzogen, Volksmissionen abhielten, die Sakramente spendeten und Religionsunterricht hielten.

3.4.

Der Bauorden

Die Ostpriesterhilfe unter Werenfried van Straaten berücksichtigte nicht nur den Bau von Klöstern und Kirchen in Diasporagebieten, in den Aufgabenbereich des Bauordens fiel auch die Errichtung von Wohnungen. Ein wichtiger Grundduktus seines Hilfskonzeptes, der sich in der konkreten Konfrontation mit der Notlage der Betroffenen herausschälte, war die Sorge um die Sittlichkeit und um den Erhalt der Familien, die Werenfried van Straaten vor allem in den Lagern aufs höchste bedroht fand. 90

87

88 89

90

Zur Situation in der Diözese Leitmeritz in der Zwischenkriegszeit: Gisela KABEN, Die kirchliche Lage in der Diözese Leitmeritz zwischen 1916 und 1931. Konkurrenzen, säkulare Tendenzen und nationale Dissoziation in der nordböhmischen Diözese. Hamburg 2009. Zu Bischof Josef Gross (1866 – 1931) vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Gross, aufgesucht am 17.9.2013. Vgl. VAN STRAATEN, Sie nennen mich Speckpater, S. 105f. „Nach unseren Vorstellungen musste in den Gottesburgen ein Klosterleben auf Hochglanz gelebt werden, um in den Gebieten der geistlichen Entscheidung die Anwesenheit der Kirche möglichst intensiv und eindrucksvoll zu machen. Jedes Kloster musste ein geistlicher Mittelpunkt werden für Rucksackpriester und Katholiken aus der ganzen Gegend.“ (Ebd., S. 110). „Mein Gott, was soll aus diesem Volk werden? Finstere, verschlossene, misstrauische Gesichter, ein einsames und endlos trauriges Kind auf einem grauen Rucksack, Mütter mit Säuglingen, misshandelte Jungen aus einem Konzentrationslager und überall, überall Kinder. Und vor dem Eingang des Lagers junge Frauen, noch Mädchen, mit brutalen Blicken und schamlosen Gebär-

Initiativen für die Seelsorge

631

„Die hatten keine Wand! Die wohnten irgendwo in der Mitte einer Baracke ohne Wand, ohne Schutz gegen das brutale Leben bei Tag und Nacht! Da habe ich eingesehen, dass es nutzlos wäre, Klöster und Kirchen zu bauen, wenn die Gläubigen weiterhin in Massenquartieren zusammen hockten, über die man schreiben konnte: 'Hier können die 10 Gebote Gottes nicht mehr gehalten werden.' Ohne anständige Wohnung muss die christliche Familie zugrunde gehen, und ohne christliche Familien wird es nach zwei Generationen in diesen Gegenden keinen Katholizismus mehr geben.“91 Deswegen sei es mindestens so notwendig, wie Kirchen zu bauen und die Priester in der Diaspora zu unterstützen, den Familien einen geschützten Wohnraum zu geben. Der Versuch begann bescheiden im Jahre 1953 in Nienberge bei Münster in Westfalen. Eine Gruppe junger Jesuitenschüler aus Gent in Belgien half Flüchtlingsfamilien beim Bau von Eigenheimen. Bereits im ersten Jahr, also noch 1953, wurden 17 weitere Einsätze mit über 600 Baugesellen aus neun europäischen Ländern durchgeführt. Ein Bauwert von rund 80.000,- DM wurde geschaffen. Die Zeitschrift des Katholischen Siedlerverbandes vermerkte: „Die Einsätze des Bauordens haben sich bei den Siedlergemeinschaften sehr stark gemeinschaftsfördernd und gemeinschaftsbildend ausgewirkt. Der Pfarrer einer Gemeinde, wo der Bauorden den Siedlern half, erklärte, dass dieser Einsatz besser als eine Volksmission gewirkt habe.“92 Die Initiative internationalisierte sich sehr schnell. So halfen im neunten Jahr des Bestehens über 4.500 junge Menschen aus 18 Nationen in Europa, Afrika, Asien und Südamerika beim Bau von Wohnraum und Kirchen. Die meisten Baulager wurden in Deutschland durchgeführt. Von 1953 bis 1963 waren annähernd 800 Einsätze zu verzeichnen. An ihnen nahmen 18.500 in- und ausländische junge Menschen teil. Die Mehrzahl von ihnen stammte aus dem Ausland, die Zahl der deutschen Teilnehmer war eher gering. 1963 waren an 31 Orten 105 Bauordenseinsätze mit 1.100 ausländischen und 350 deutschen Helfern geplant. An 25 Orten waren sie im Siedlungsbau im Einsatz. Zwei Kinderdörfer, drei Klöster und ein Pfarrzentrum standen auf dem Programm. Wohnraum- und Kirchenbau, das waren die Schwerpunkte in Deutschland. In Frankreich lag der Fokus auf dem Bau von Eigenheimen für arme, der Kirche entfremdete Arbeiter. In Italien wurden vor allem katholische Gemeindehäuser und Schulen errichtet, um das kirchliche und pfarrliche Leben allmählich neu gestalten zu können. In Österreich waren es schwerpunktmäßig Jugendheime. Der Bauorden war 195393, mitten in der Expansionsphase Königsteins, entstanden. In den ersten zehn Jahren seines Bestehens hatten sich beinahe 38.000 junge Menschen aus 35 Nationen dem Bauorden zur Verfügung gestellt.

91 92 93

den. Natürlich! Dieses uferlose Leid schreit nach einem Augenblick Betäubung und Rausch. Die Hölle von Bültzen. Schleuse der Verzweiflung“. (Ebd., S. 38). Ebd., S. 112. Zeitschrift des Katholischen Siedlerverbandes, 1953. Für den Bauorden vgl. den ausführlichen Bericht in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 1957, 2, S. 24f., S. 22f.; eine ausführliche Statistik zur Kapellenwagenmission ebd. 1956, 2, S. 24-26. .

632

Abschnitt VII

Im zehnten Jahr seines Bestehens dachte der Bauorden nach über eine bessere Ausbildung der Stammgruppe, also derjenigen Mitarbeiter, die länger Baugesellen blieben, ein Jahr oder noch länger. Man dachte an eine zentrale Vorbereitungsstätte in der flämischen Provinz Limburg, wo 20- bis 30-jährige Menschen, die sich freiwillig zur ein- oder mehrjährigen Mitarbeit im Bauorden verpflichteten, eine gründliche, bauhandwerkliche, religiöse und völkerkundliche Vorbereitung erhalten sollten. Zur Initiative Bauorden hat Pater Werenfried einen entscheidenden Anteil beigetragen. Der Bauorden war als ein eingetragener Verein des bürgerlichen Rechts organisiert mit Sitz in Königstein. Die Hilfe des Bauordens konnte jeder in Anspruch nehmen, ohne Ansehen der Konfession oder der politischen Einstellung. Voraussetzung für die Unterstützung war lediglich, dass Menschen ein Eigenheim in Selbsthilfe bauen wollten und die erforderlichen Mittel allein nicht aufbringen konnten. Der Einsatz des Bauordens lief immer wieder über Königstein. Er lässt sich aber trotzdem nicht ausschließlich in Königstein ansiedeln. Das zeigt nicht zuletzt die Sorge und das regulierende Eingreifen der Katholischen Arbeitsstelle für Heimatvertriebene Süd in München durch Pater Paulus Sladek, als es offensichtlich zwischen dem Bauorden und Pater Werenfried zum Dissens gekommen war. Sladek sprach die Situation in einem Brief an den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Betreuung der Flüchtlinge und Vertriebenen Heinrich Maria Janssen an. Dort ist die Rede von einer Opposition, die im Bauorden gegen Pater Werenfried entstanden sei. Die Sorge kommt zur Sprache, dass damit die Vertriebenenseelsorge, konkret der Vertriebenenbischof die Arbeit von Pater Werenfried nicht mehr im gewohnten Umfang fördern könnte. Offensichtlich war es für die Bereitschaft des Generalabtes der Prämonstratenser nicht unwichtig, wie die Arbeit Werenfrieds auch von den deutschen Bischöfen eingeschätzt wurde.94

94

Paulus Sladek in einem Schreiben an Janssen vom 14. Dezember 1960, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand Janssen, 2562. „Der hochwürdigste Generalabt, der seinerzeit vom Prälaten Kindermann über die Not in Deutschland informiert worden war und selbst seine Mitbrüder in Belgien zu einer Hilfsaktion in Deutschland aufgerufen hatte, wertet die Tätigkeit von Pater Werenfried sehr hoch. Er braucht aber immer wieder auch eine Bestätigung dafür, dass die Tätigkeit von Pater Werenfried auch von den hochwürdigsten Bischöfen der verschiedenen Diözesen anerkannt und für wichtig gehalten wird. Eine solche Unterstreichung der Arbeit der Ostpriesterhilfe scheint gerade jetzt notwendig zu sein, da Pater Werenfried aus dem Bauorden ausgeschieden ist. Es ist doch ungewöhnlich, dass eine Organisation ihren Gründer, der durch Jahre mit seinem Namen und seinen Kollekten den Aufbau und die Tätigkeit dieser Organisation ermöglicht hat, ausbootet. Wenn so etwas möglich ist, dann besteht doch auch die Möglichkeit, dass die Wirksamkeit von Pater Werenfried in der Ostpriesterhilfe beschränkt oder die ganze Ostpriesterhilfe eingestellt werden könnte. Ich hatte vor kurzem Gelegenheit, den Haushaltsplan der Ostpriesterhilfe für dieses Jahr durchzusehen, der einen Gesamtbetrag von 20 Mio. belgischen Franken ausmacht, also über 2 Mio. DM, die allein Pater Werenfried durch seine Predigtreisen und Sammelaktionen zugunsten der verfolgten Kirche aufbringt. Ich konnte dabei feststellen, dass die Förderung der verfolgten Kirche tatsächlich im weltweiten Maßstab erfolgt, so dass ich von neuem aufrichtigen Respekt vor der persönlichen Leistung Pater Werenfrieds erhalten habe. Umso mehr möchte ich Sie bitten, beim hochwürdigsten Herrn Generalabt ein Wort

Initiativen für die Seelsorge

633

Über die Krise des Bauordens und in diesem Kontext über das Verhältnis der Ostpriesterhilfe zu den Königsteiner Anstalten informierte Kindermann 1961 die vertriebenen Priester und die Förderer Königsteins: „Zu den verschiedenen Gerüchten, die in letzter Zeit über den Bauorden durch die Presse gingen, sei Folgendes unseren Mitbrüdern der Klarheit wegen mitgeteilt: Der Bauorden, von Pater Werenfried gegründet, hatte als internationale Einrichtung seinen Sitz in Tongerlo, die deutsche Abteilung in Königstein/Taunus. Er ist in Deutschland als GmbH rechtlich fundiert und hat somit eine unabhängige Basis. Mit den Königsteiner Einrichtungen hat er rechtlich nie etwas zu tun gehabt. Er wurde von der Internationalen Ostpriesterhilfe in Tongerlo gefördert. Die Raumnot in unseren Häusern machte vor drei Jahren die Übersiedlung einiger Einrichtungen – darunter auch der Bauorden – nach dem Grünen Weg 6 in Königstein nötig. Infolge innerer Schwierigkeiten des Bauordens (nicht in Deutschland), musste sich Pater Werenfried auf Wunsch seiner Ordensoberen aus dem Bauorden gänzlich zurückziehen. In diesen Tagen übersiedelt der deutsche Zweig von Königstein nach Worms. Bei dieser Gelegenheit sei auch gesagt, dass sich die Deutsche Ostpriesterhilfe (Ostarbeit, Kapellenwagenmission, Hilfsaktionen) nach wie vor in unseren Häusern in Königstein befindet. Die früher in der Presse durchgegebene Meldung, sie sei nach Köln übersiedelt, gilt nur für die Verbindungsstelle der internationalen Ostpriesterhilfe zur Deutschen Ostpriesterhilfe.“95

95

für die segensreiche Wirksamkeit von Pater Werenfried und der Ostpriesterhilfe überhaupt einzulegen.“ Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 1961, S. 29.

634

Abschnitt VII

Abb. 15: Bauordenlied

Initiativen für die Seelsorge

Abb. 16: Baulager 1955, S. 1

635

636

Abschnitt VII

Abb. 17: Baulager 1955, S. 2

Initiativen für die Seelsorge

Abb. 18: Anschreiben zu den Baulagern 1955

637

638

Abschnitt VII

Abb. 19: Hinweise für zukünftige Baugesellen, 1955

Initiativen für die Seelsorge

3.5.

639

Die Kapellenwagenmission

Ein zentrales Medium zur Unterstützung der vertriebenen Priester in der Diaspora waren die Kapellenwagen, eine Antwort Werenfried van Straatens auf eine Vielzahl von Briefen, die die Situation der Geistlichen in der Diaspora schilderten. Die Briefe der Geistlichen aus der Diaspora ähnelten sich sehr stark: Sie waren geprägt vom Aufschrei aus der fast völligen Überlastung, weil Religionsunterricht, Sorge um Gottesdiensträume, Eucharistiefeier, Sakramentenspendung, ja, alles auf den Priester zentriert war. Lange Fußmärsche oder Wege mit dem Fahrrad bei jedem Wetter, der Mangel an Gütern des täglichen Bedarfs wurden beschrieben. Die Sorge wurde vorgebracht, man könnte eventuell die Würde des Amtes nicht mehr aufrechterhalten, die man so wichtig für die eigene Person einschätzte, und weil man, meist unbewusst, sich darüber hinaus als eine Integrationsfigur für die Vertriebenen wähnte. Im furchtbaren Elend wurde der Priester zum oftmals einzigen Relikt der alten Heimat.96 Zur Unterstützung der Diasporapriester und um die Gemeinden aus dem monotonen Alltag der Gottesdienstfeiern in Wirtshaussälen, Baracken oder Scheunen herauszuholen, setzte sich Werenfried van Straaten für die Kapellenwagenmission ein. Auch hier wurde die Verkündigung, die Feier der Sakramente durch die Liebesgaben unterstützt. Das „mütterliche Mitleid“ der Weltkirche mit der Diasporanot der Vertriebenen sollte darin zum Ausdruck kommen.97 Neben das Motiv der feierlichen Seelsorge für die Vertriebenen trat gleichzeitig ein konfessionell geprägter Triumph: Mit der Kapellenwagenmission geschah die seit der Reformation erste große Manifestation der katholischen Kirche in evangelischen Gebieten; dort, wo seit Jahrhunderten die katholische Kirche kein Gesicht, kein Ansehen mehr hatte, kam es zu neuen Konfrontationen. Dadurch seien zahllose Vorurteile ausgeräumt worden. Es sei eine der Voraussetzungen erfüllt worden, ohne die die Una sancta nicht Wirklichkeit werden könne.98 Man dürfe, so van Straaten, sich nicht das nämliche Versagen leisten wie im 19. Jahrhundert in der sozialen Problematik. Nach der sozialen Dimension stand jetzt die Katholizität der Kirche, die in zwei Weltkriegen verleugnet und vergessen worden sei, zur Disposition.99 Diese Katholizi-

96 97 98 99

Vgl. die Auszüge, die Werenfried van Straaten auf S. 68f. zitiert. Vgl. ebd., S. 63. Vgl. ebd., S. 63. „Der Schrei nach einer größeren Gemeinschaft, die über die Zerrissenheit von Staaten und Nationen hinausragt, wurde von Freimaurern und Sozialisten verstanden. Die Gefahr war nicht imaginär, dass wir den deutlichsten päpstlichen Dokumenten zum Trotz unsere Katholizität wieder vergessen, indem wir uns auf unser Völkchen, unser Ländchen, unser Bistümchen und unser Klösterchen tot starren und die Zeichen der Vorsehung wieder nicht verstehen würden! Ohne Zweifel hat unsere Kapellenwagenmission die Katholizität der Kirche manifestiert und den Beweis geliefert, dass wir das haben, wonach sich die ganze Welt sehnt.“ (S. 64).

640

Abschnitt VII

tät sah der Pater in der Kolonne der Kapellenwagen zum Ausdruck kommen, die über den Sommer hinweg durch die Diaspora zogen und in den einzelnen Gemeinden Volksmissionen hielten. Die Kolonne Gottes sah er auf die Felder der geistlichen Eroberung ausrücken – wieder kommt das militärische Denken in seine Sprachwelt. Die Kapellenwagen mit je zwei Missionaren und einem Chauffeur, der zugleich auch die Aufgaben des Küsters wahrnahm, brachen auf zur Front der Weltkirche, die quer durch Deutschland und durch die westdeutsche Gesellschaft verlief, zum einen gegen den Kommunismus und zum anderen gegen den sich in der deutschen Nachkriegsgesellschaft ausbreitenden Materialismus. In einem Bericht über die Kapellenwagenmission100 zeigten sich die Schwerpunkte dieser volksmissionarischen Arbeit sehr deutlich: Der Standort des Kapellenwagens wurde unter konfessionellen Vorzeichen bestimmt, der alte festungsartige Kirchturm, der heute noch von der katholischen Vergangenheit des Dorfes Zeugnis gibt. Im Zentrum standen die tägliche Feier des Messopfers mit der Predigt, die Hausmission und die Sakramentenspendung. Wichtig war der Hausbesuch bei den katholischen Familien, der Möglichkeit zu Gesprächen bot, der Gaben caritativer Unterstützung mitbrachte, der die Verbundenheit zwischen den Völkern zum Ausdruck bringen sollte, der nicht selten dazu diente, die Menschen bei der Konfession zu halten, nicht zuletzt durch die Beschwörung, die Kinder auch in konfessionsverschiedenen Ehen katholisch zu taufen, keinen konfessionsverschiedenen Ehepartner zu nehmen. Immer wieder begegnete in diesen Gesprächen der drängende Hinweis auf die Beichte und den Sakramentenempfang. Einer Mutter, in gemischtkonfessioneller Ehe verheiratet, machte der Missionar Vorwürfe, weil sie ihr katholisch getauftes Kind während der Schulzeit aus der katholischen Kirche abgemeldet hatte, um diesem Hänseleien und Spott der Mitschüler zu ersparen. Der katholische Glaube stehe an Wert viel höher als das Leben, sie hätte damit letztlich eine größere Sünde begangen, als wenn sie ihr Kind ermordet hätte. Der Missionar skizzierte die Wiederholungssätze seiner Kinderpredigt, die er in katechetischer Manier von den Kindern am Schluss abfragte. Das Festhalten an Jesus wurde gleichgesetzt mit dem Festhalten an der katholischen Konfession. Als Argument gegenüber dem Spott der protestantischen Mitschüler scheint der Missionar den Kindern mit auf den Weg gegeben zu haben, dass Luther ein abgefallener katholischer Priester gewesen sei. Das werde die Protestanten mundtot machen. Eine aufschlussreiche Begegnung skizzierte der Missionar in seinem Erlebnisbericht mit einem Dorfglöckner in einem hessischen Dorf, der die Bekanntmachungen und Neuigkeiten ausrief. Weil der Missionar von den ihn begleitenden Kindern darauf hingewiesen wurde, dass der Glöckner katholisch sei, aber nicht die Kirche besuche, und weil seine Botschaft dahin ging, dass sie den Menschen auch am Sonntagvormittag das Arbeiten erlaubte, sprach ihn der Missionar an. „'Ach was!' entgegnete der

100

Verwahrt in der Registratur der Ostpriesterhilfe in Königstein; die Akten liegen inzwischen bei der ‚Kirche in Not’ in München. Ich zitiere im Folgenden nach meinen Kopien, die in der Zeit entstanden, als die Registratur noch in Königstein war. Der Autor der Quelle ist dem Verfasser bekannt. Der Bericht ist undatiert.

Initiativen für die Seelsorge

641

Glöckner zornig. 'Fahrende Kirche! Eine fahrende Küche wäre mir lieber. Wo war denn euer Gott, als wir von den Bolschewiken getrieben, die Heimat verlassen mussten?! Wo war da Gott? Jetzt brauche ich keinen Gott mehr. Schert euch zum Teufel mit euerer ewigen Beichterei.' Sprachs und ließ mich stehen, dieser riesige Kerl mit der Glocke, die gegen Gottes Verordnung Gesetze ausrief.“ Im Bericht wurde nur anklagend das Abfallen und Versagen festgestellt, die den Glöckner bewegenden Fragen weiter nicht reflektiert. Der Missionar fragte nicht nach den Erfahrungen, die den Schlesier verbittert hatten. Er verstand die Antwort auch nicht als eine Anfrage an seine eigenen Praktiken. Erlebnisse und Erfahrungen bei der Kapellenwagenmission101 wurden auch in einem kleinen Bändchen im Verlag „Christ unterwegs“ unter dem Titel „Im Herrgottsauto auf den Straßen der Diaspora“ veröffentlicht. Das Bändchen hatte einen Umfang von 80 Seiten, war kartoniert und mit einem Schutzumschlag versehen. Der Leitfaden für die Kapellenwagenmission102 wollte einerseits dem Missionar sehr viel Freiraum lassen, damit seine Einzelpersönlichkeit und die jeweilige Situation am Ort entsprechend zum Tragen kommen konnten, er wollte andererseits auch nicht nur Mission für die Vertriebenen, sondern für alle Katholiken der Diaspora sein. Die Vorbereitung dieser Kapellenwagenmission sollte in einer Konferenz geplant werden, bei der sich die Seelsorger eines Bezirkes mit den Missionaren trafen; dort sollten sie auf ihr Aufgabenfeld vorbereitet und eingestimmt werden.103 Eine Kapellenwagenmission an einem Ort sollte mindestens drei volle Tage dauern und nach Möglichkeit auch einen Sonn- und Feiertag umfassen. Unmittelbar vor Beginn der Missionierung der Diasporagemeinden sollte im Pfarrort selbst eine gemeinsame Feierstunde an einem zentral gelegenen Ort abgehalten werden. Das erinnere die Katholiken, die ein Gotteshaus in der eigenen Gemeinde hatten, daran, die anderen nicht zu vergessen. Ein wesentlicher Bestandteil der Kapellenwagenmission war nach Ausweis der Richtlinien der Hausbesuch. Ihm wurde in mancher Hinsicht mehr Bedeutung zugesprochen als der Predigt. „Auch die beste ordentliche Seelsorge konnte oft wirklich nicht bewältigen, was vor allem durch die Vertreibung an zusätzlichen Aufgaben erwachsen ist. Deswegen werden wir uns für die Besuche Zeit lassen. Wir werden viel zuhören, auch wenn wir ermüdet sind von dem gewissen Einerlei, das solche Berichte haben.“ Gerade mit den Männern sei es wichtig, ins Gespräch zu kommen, hätten sie doch nicht selten Voreinstellungen, die dann zusammenbrächen, wenn ein Priester menschlich und verstehend mit ihnen spreche. Die außerordentli-

101

102 103

Darüber hinaus auch: Zur Kapellenwagenmission vgl. Die Vertriebenen in der Diaspora. Aus den Erfahrungen eines Kapellenwagenmissionars, in: Christ unterwegs 11 (1957), Heft Nr. 6, S. 8-10. 6 Seiten Maschinenschrift in der Registratur der Ostpriesterhilfe Königstein. „Bei dieser Konferenz werden aber auch gute Hinweise gegeben werden können, die dem Missionar Land und Leute verständlicher erscheinen lassen. Gerade der Kapellenwagenmissionar erlebt ganz stark den Einfluss des Milieus, in dem die Katholiken leben. Selbstverständlich wird der Missionar sehr dankbar sein für alles, was ihn über die Zusammensetzung der katholischen Gemeinde selbst orientiert.“

642

Abschnitt VII

chen Leistungen der letzten Jahre sollten anerkannt werden, da sich ein anerkennendes Wort oft sehr segensreich auswirke. Der Besuch beim evangelischen Pfarrer wurde empfohlen, damit dieser über den Zweck der Kapellenwagenmission informiert und auch über Fragen der Mischehe gesprochen werden könne. Für den Besuch von sogenannten Mischehen wurde keine einheitliche Regel vorgegeben. Wenn er aber vorgesehen war, dann sollte er wohlwollend und taktvoll geschehen. Der katholische Eheteil, der exkommuniziert war, dürfe nicht verurteilt werden. „Unvermeidlich ist bei der Kapellenwagenmission der Kontakt des Missionars mit den Andersgläubigen. Sie schauen uns an. Wir brauchen oft auch manche Hilfeleistungen. Wir denken daran, dass wir in solchen Begegnungen das Missionswerk der göttlichen Liebe fördern, das durch die Vertreibung in unserer ganzen Diaspora begonnen wurde. Als Hauptertrag kann bisher sicher festgehalten werden: Die Auffassung katholischen Priestertums, Gottesdienstes und Menschentums hat sich wesentlich und nicht zum Schlechten gewandelt.“ Für die Missionspredigt sollte sich der Missionar an die ihm geläufige Predigtweise halten, allenfalls den Bedingungen angemessen etwas schlichter und herzlicher manches sagen, als in einem prunkvollen Gotteshaus. Es sollte vor allem positiv die Größe und Schönheit des katholischen Glaubens herausgestellt werden, ohne die Unterscheidungslehren zu berühren. Wichtig sei daneben die Standespredigt, wo vor allem an die Jugendlichen appelliert werden solle, keine Mischehen einzugehen. Als Ziel und Höhepunkt der Kapellenwagenmission wurden Gottesdienst und Sakramentenempfang angegeben, Beichte und Kommunion seien die Lebensmittel für den katholischen Christen. Die Mission sollte mit einer Feierstunde im Pfarrort abgeschlossen werden, wobei die Aussprache der Missionare mit dem Ortspfarrer entsprechend gewichtet wurde, müsse doch eine solche Volksmission durch eine nachgehende Seelsorge vertieft werden. Die Verteilung der Liebesgaben, die die Kapellenwagen mitführten, war in erster Linie die Aufgabe des ausländischen Missionars, heißt es in einigen zusätzlichen Winken für die Kapellenwagenmissionare.104 Soweit es seine Sprachkenntnisse zuließen, sollte er sich aber auch an der missionarischen Arbeit beteiligen, deren Hauptlast freilich auf den Schultern des deutschen Missionars ruhte. Der deutsche Missionar sollte zudem von den Aufgaben Königsteins erzählen und die Vertriebenen zum Bezug der Zeitschriften auffordern. 1950 war ein erster Versuch mit zwei Kapellenwagen gestartet worden. 1951 wurden von ausländischen Katholiken für Königstein bereits 12 Kapellenwagen zur Verfügung gestellt.105 Bei der Kapellenwagenmission des Sommers 1951 hatten 75 Priester mitgearbeitet, in der Regel Angehörige von Ordensgemeinschaften. Es seien durch die Mission etwa 100.000 heimatvertriebene Katholiken erreicht worden. Der Durchschnitt beim Sakramentenempfang betrug etwa 70 %. „Die Seelsorger, in deren Gebieten die Missionen stattfanden, haben uns auch versichert, dass die Wirkung nachhaltig geblieben ist. Der Kapellenwagen hat aber nicht nur eine seelsorgliche Bedeutung, 104 105

Registratur der Ostpriesterhilfe Königstein, ebenfalls undatiert. Vgl. den Bericht über die Kapellenwagenmission im Sommer 1951 in der Registratur der Ostpriesterhilfe Königstein.

Initiativen für die Seelsorge

643

sondern er hebt auch das Selbstbewusstsein der heimatvertriebenen Katholiken in der Diaspora. Sie werden durch diese Kapellenwagenmission in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Die Kirche kommt ihnen nach. Sie sind nicht vergessen. Sie freuen sich darüber und sind stolz darauf.“ Am 26. Oktober 1951 fand in Königstein eine Abschlusskonferenz statt, an der viele Missionare und die Diözesanflüchtlingsseelsorger teilnahmen. Dort wurde die Missionsarbeit des vergangenen Sommers noch einmal durchgesprochen. Dabei wurde festgehalten, dass der Kapellenwagen eine Einrichtung der außerordentlichen Seelsorge sei, eine Art Soforthilfe, vor allem für die Diaspora, wo Priester und sakraler Raum fehlten. Die Kapellenwagenmission habe gezeigt, dass der vertriebene Katholik in der überwältigenden Mehrheit noch ein Gehör für Gottes Wort und die ewigen Wahrheiten habe. Die religiösen Bedürfnisse seien bei entsprechender Behandlung noch fast überall vorhanden. Immer wieder kam die Rede auf den relativ hohen Durchschnitt der sakramentalen Beteiligung. Bei der Weite des bearbeiteten Raumes und den gegebenen Schwierigkeiten sei der Einsatz des Kapellenwagens unter den modernen Missionsarten die erfolgreichste geworden. Als sehr wirksam hätten sich die Hausbesuche erwiesen. Die individuelle und nachgehende Seelsorge sei der Weg, um an die Menschen von heute heranzukommen. Der Gesamtbericht über die Mission des Jahres 1956 strich wiederum den Erfolg dieser Aktion heraus und wünschte eine Fortsetzung dieser Arbeit, die vor allem in den Lagern und zunehmend an den Stadträndern zu leisten sei. Betont wurde wiederum die Quantität: Es wurden über 100.000 Katholiken in 921 Missionsorten in zehn verschiedenen Diözesen erreicht. Dabei wurden annähernd 8.000 Predigten gehalten. Erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurde der Einsatz der Kapellenwagen zunehmend umstritten.106 Ein Beispiel dafür ist das Antwortschreiben des Eichstätter Domkapitels vom 25. Januar 1968 an das Kapellenwagenwerk der Ostpriesterhilfe:107 Auf die Anfrage des Kapellenwagenwerkes wurde geantwortet, dass man für 1968 keine Kapellenwagenmission im Bistum wünsche. Die Seelsorger anerkannten zwar, dass die Aktion mit dem Kapellenwagen seinerzeit notwendig und erfolgreich gewesen sei, meinten aber, dass diese Zeit vorüber sei. Es seien mittlerweile genügend Seelsorgestellen eingerichtet, neue Kirchen und Gottesdiensträume geschaffen worden, andererseits hätten die Gläubigen aufgrund der deutlichen Zunahme der Mobilität durch organisierte Gottesdienstfahrten die Möglichkeit, zum Gottesdienst zu kommen. Man müsse also die veränderten Bedingungen anerkennen und ein einstmals wichtiges Medium einer anderen Bestimmung zuführen. Vorgeschlagen wurde, die Kapellenwagenmission und die Missionare, die in diesem Aufgabenbereich tätig gewesen sind, bei religiösen Wochen und Triduen einzusetzen, die in einzelnen Pfarreien und Kuratien gehalten würden, also eher für Besinnungstage, Einkehrtage, gebunden an die Pfarrorganisation und -struktur. Der zweite Einsatzbereich, den sich

106

107

Sind sie noch aktuell? Sind sie noch vonnöten? In der Mitte der sechziger Jahre vgl. den Bericht über die Kapellenwagenmission in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1963, S. 65-67. In der Registratur der Ostpriesterhilfe.

644

Abschnitt VII

das Domkapitel von Eichstätt in Rücksprache mit den betroffenen Seelsorgern vorstellen konnte, war der Einsatz der Kapellenwagen in der sogenannten Campingseelsorge. Die gesellschaftlichen Veränderungen zeigten in dieser Bedarfseinschätzung ihre Wirkung: Zum einen hielt man die Integration der Vertriebenen für zumindest fortgeschritten, wenn nicht vollzogen, zum anderen hielt man aufgrund der gewandelten Lebensgewohnheiten neue Seelsorgeinitiativen für nötig. Zumindest verhalten und indirekt wurde ein verändertes Konzept von Seelsorge nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil greifbar; bei diesen Modellen schlug nicht zuletzt die gesteigerte Mobilität zu Buche. Seelsorger wie Gemeindemitglieder waren zunehmend motorisiert und damit viel stärker mobil als bislang. Mit dem zweiten Vorschlag wurde auf ein neues wichtiges Einsatzfeld der Seelsorge hingewiesen, die zunehmende Freizeit und Urlaubsphase der Menschen.

Abb. 20a: Mit dem Kapellenwagen unterwegs, S. 1 (Kommission für Zeitgeschichte Bonn. Bestand Königstein 2548)

Initiativen für die Seelsorge

Abb. 20b: Mit dem Kapellenwagen unterwegs, S. 1-2 (Kommission für Zeitgeschichte Bonn. Bestand Königstein 2548)

645

646

Abschnitt VII

Abb. 20c: Mit dem Kapellenwagen unterwegs, S. 2-3 (Kommission für Zeitgeschichte Bonn. Bestand Königstein 2548)

Initiativen für die Seelsorge

3.6.

647

Konkurrenz in der Diasporaseelsorge

Der Bonifatiusverein als ordentliche Organisation für die Betreuung der Katholiken in der Diaspora und für den Aufbau der Diaspora-Seelsorge, konstatierte eine starke Konkurrenz durch die aggressive Form der Ostpriesterhilfe.108 Die Spannungen kulminierten Anfang 1953 mit den Beschwerden, die Prälat Max Gabriel vom Bonifatius-Verein vorbrachte: Viele Initiativen der Ostpriesterhilfe seien wild und unzweckmäßig, die Argumentation sei militaristisch und für die Seelsorge in der Diaspora der DDR nicht sehr hilfreich. Der Bonifatiusverein109 unterstrich, dass die ordentliche Seelsorge einen unbedingten Vorrang vor allen sonstigen seelsorgerlichen Bemühungen haben müsse.110 Die Besoldung der ordentlichen Diasporaseelsorger müsse also Vorrang vor jeder sonstigen Fürsorge für heimatvertriebene Ostpriester haben. Diese grundsätzliche Forderung richtete sich vor allem auf die Durchführung von Kollekten. Kollekten für die heimatvertriebenen Seelsorger seien allen Kollekten für sonstige Bedürfnisse der Heimatvertriebenen voranzustellen. Die Organisationen, so der zweite Punkt, die der unmittelbaren Förderung der ordentlichen Diasporaseelsorge dienten – dazu wurden der Bonifatiusverein und der Schutzengelverein gezählt – hätten vor allen sonstigen Organisationen und Instituten, die sich weiterer Diasporabedürfnisse annehmen, den Vorzug. In den besonderen kirchlichen Werbeveranstaltungen müsse man diesen Vorzug berücksichtigen. Die zentrale Formulierung findet sich in Punkt 3 eines Exposés des Bonifatiusvereins: „Zu der Verfolgung ihrer Ziele dürfen diese Organisationen nicht behindert oder geschwächt werden durch das ungebührliche Herausheben eines zeitbedingten Sonderanliegens, weil dadurch das Gesamtanliegen im Bewusstsein der Gläubigen allzu leicht in den Hintergrund gedrängt wird. Dieses Hauptanliegen aber ist die allgemeine Förderung der deutschen Diasporaseelsorge unter der betonten Führung des Deutschen Episkopates.“ Offen bleiben muss in diesem Kontext – weil die Quellen dazu keine fundierte Aussage erlauben – ob Pater Werenfried van Straaten auch von Belgien und Holland, von den Diözesen und von seinem Orden die Unterstützung entzogen worden war oder entzogen werden sollte, oder ob dies nur ein Argument, ein Vorwurf, ein Konstrukt des Prälaten Gabriel war. Jedenfalls versuchte der Erzbischof von Paderborn zu vermitteln und den Bonifatius-Verein und die Ostpriesterhilfe zu Absprachen zu bewegen.

108 109 110

HAEK CR II 25.20e,2a. Eine Geschichte des Bonifatiusvereins ist ein Desiderat. Vgl. Handbuch des Bonifatiusvereins. Paderborn 1964. Als Ergänzung zur Diskussion um die Frage ordentliche Seelsorge, außerordentliche Seelsorge in der Vertriebenenbetreuung, vor allem zwischen Ostpriesterhilfe bzw. Königsteiner Anstalten und dem Bonifatiusverein vgl. einen Auszug einem Exposé des Bonifatiusvereins Paderborn betreffend die Ostpriesterhilfe in HAEK CR II 2.19,12/212f.

648

Abschnitt VII

Der Streit hatte sich nicht zuletzt an den sogenannten Gottesburgen entzündet, an denen auch einzelne Kapuziner Kritik übten, die als Konvent in den Gottesburgen vorgesehen waren, wobei Kapuziner, die in der DDR in der Seelsorge eingesetzt waren, sich sehr offen und deutlich an Pater Werenfried gewandt und die antibolschewistische Diktion des Speckpaters angeprangert hatten: sie schade der Seelsorge in der DDR.111 In diesem Kontext muss auch die Kooperation Kindermanns und damit Königsteins mit extremen Kräften, wie etwa Father Emmanuel Reichenberger (siehe Kapitel weiter unten) überdacht werden. Pater Werenfried wollte schließlich nicht mit dem Bonifatiuswerk kooperieren oder enge Absprachen treffen, da sich gerade nach dem zweiten Kongress ‚Kirche in Not’ für ihn ein viel umfänglicherer Tätigkeitsbereich als die deutsche Diaspora abzeichnete, der sich viel weiter in den osteuropäischen Bereich hinein erstreckte.112 Kardinal Frings versuchte, in einem Schreiben vom 30. Januar 1953 auszugleichen, indem er unterstrich, dass er die Ostpriesterhilfe für ein sehr verdienstliches, fast providentiell zu nennendes Werk halte.113 Die Ostpriesterhilfe habe sich vor allen Dingen dadurch Verdienste erworben, dass sie durch den Krieg entstandenen Hass zwischen den Völkern in breiten Schichten abgebaut und Brücken christlicher Liebe geschlagen habe. Sie habe viel Not gelindert und viel Freude vermittelt. Auch Frings unterstrich, dass er es begrüße, wenn der antikommunistische Zug weniger betont und das Religiöse stärker in den Vordergrund gestellt würde. Dann schaffe man sich weniger unnötige Schwierigkeiten für das Wirken in der Ostzone. Im Hinblick auf die Kapellenwagen äußerte er sich abwartend. Im Hinblick auf die Kirchenbauten, auf die Errichtung von Stützpunkten wünschte er ein einvernehmliches Vorgehen mit den zuständigen Ordinariaten und eine enge Zusammenarbeit mit dem Bonifatiusverein. Er unterstrich, dass Konvikt und Schule in Königstein vom Deutschen Episkopat immer gebilligt wurden, man aber gegenüber dem Priesterseminar in bischöflichen Kreisen sehr zurückhaltend war. Für die aktuelle Situation betonte er, dass Königstein den vorzüglichen Regens an das Priesterseminar in Erfurt abgegeben habe, damit also eine neue Situation entstanden sei, zumal auch viele Theologen in die Ostzone gewechselt waren. Er unterstrich als Vorteil des Seminars, dass hier Ostdeutsche durch Ostdeutsche erzogen wurden. Die Erfahrung habe gelehrt, dass die ostdeutschen Theologen sich in den Diözesanhäusern im Süden und Westen nicht ganz wohl fühlen, und die Direktoren klagten darüber, dass sie nur schwer die ostdeutschen Alumnen wegen ihres andersgearteten Volkscharakters verstehen könnten. Außerdem trage das Priesterseminar zu einem bemerkenswerten Niveau in Königstein bei. Schließlich führte er als Argument für Königstein auch die hohe Spendenbereitschaft der Vertriebenen an, so dass sich ihr Vaterhaus praktisch selbst tragen könne. Königstein habe sich außerdem große Verdienste erworben durch die Adressensammlung und die

111 112 113

Vgl. dazu auch HAEK CR II 25.20e,5. Vgl. dazu HAEK CR II 25.20e,4. Das zweiseitige Schreiben ist in HAEK CR II 25.20e,4/26 27.

Initiativen für die Seelsorge

649

Betreuung der ostvertriebenen Priester. Wenn auch das Ziel der Eingliederung die Einfügung der Ostvertriebenen in die Aufnahmediözesen sein müsse, so könne seines Erachtens dies nicht auf dem direktesten Weg erreicht werden. Man müsse dafür sorgen, dass auch die alten Erinnerungen an die Heimat und die alten Gebräuche gepflegt werden könnten. Nach der Einschätzung des Kölner Kardinals tue das Königstein in maßvoller und sehr kluger Weise.

3.7.

Die ‚Kirche in Not’ in der Neustrukturierung der Königsteiner Trägervereine

Auch wenn in der Geschichte Königsteins die Ostpriesterhilfe weitgehend ausgeblendet bleiben soll, muss doch auf die Bedeutung des Miteinanders der zwei prägenden Gestalten Königsteins über die Jahre hinweg, nämlich Adolf Kindermann und Werenfried van Straaten, immer wieder hingewiesen und darauf Rücksicht genommen werden. Die Zusammenarbeit von Kindermann und Pater Werenfried van Straaten illustriert ein Artikel Kindermanns zum 50. Geburtstag des Speckpaters vom 17. Januar 1963.114 Kindermann dankte Pater Werenfried für die Starthilfe, die er Königstein gegeben habe, für die vielen Hilfen, die er den ostvertriebenen Priestern vermittelt habe, für die Kapellenwagen- und Gottesburgen und die finanzielle Unterstützung beim Kauf der Königsteiner Kasernen. Zweitens habe Pater Werenfried van Straaten die katholische Weite nach Königstein gebracht. „Mit Dir haben sich die Tore unserer Häuser weltweit aufgetan. Wir sind über Nacht international wirklich katholisch geworden. Du wurdest ein erster Brückenbauer nach bösen Jahren.“115 Schließlich würdigte Kindermann, dass die Freundestreue Pater Werenfrieds all die Jahre überdauert habe – die Aufbaujahre, die Jahre des Sturmes und Dranges, in denen selbstverständlich auch manchmal Meinungsverschiedenheiten aufgetreten seien. Sie seien aber immer im Geiste brüderlicher Liebe überwunden worden. „Wohl haben sich die Schwerpunkte unserer gemeinsamen Arbeit etwas verlagert. Du, der große Apostel helfender Liebe – uns in Königstein ist mehr die geistige Auseinandersetzung mit dem atheistischen Kommunismus zugefallen. In diesem geistige Kampfe, den ja auch Du spürst, wirst Du uns nicht im Stich lassen.“116 In einem Brief vom 26. Januar 1949 nahm Paula Schetka Bezug auf einen heftigen Disput zwischen Kindermann und Pater Werenfried van Straaten. Schetka konzedierte, dass, sie eingeschlossen, alle drei impulsive und heftige Menschen seien, die danach aber die Eruptionen auch bedauerten.117 Diese Meinungsverschiedenheiten 114

115 116 117

Vgl. den Artikel von Adolf Kindermann zum 17. Januar 1963, zum 50. Geburtstag von Pater Werenfried van Straaten in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Februar 1963, S. 24f. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Februar 1963, S. 25. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Februar 1963, S. 25. Vgl. Brief an Paula Schetka vom 29. Juli 1956 in KZG, Bestand G, Geschäftsordnung, 962.

650

Abschnitt VII

müssten um der Sache willen immer wieder bereinigt werden.118 So wurde wegen der Neuordnung der Vereine und des neuen Zuschnitts der Aufgabenbereiche einerseits und wegen der Veränderung der Aufgaben anderseits eine Satzungsänderung bei der Ostpriesterhilfe gefordert.

3.8.

Der Verein der Ostpriesterhilfe

Gemäß § 3 der bisherigen Satzung verfolgte der Verein der Ostpriesterhilfe den Zweck, den Priestern in der Vertreibung in ihrer Seelsorgearbeit geistige und materielle Hilfe zu leisten, begabten Flüchtlingsjungen den Weg zum Priestertum zu ebnen, Bestrebungen außerordentlicher Seelsorge unter den Vertriebenen zu fördern und die Verantwortung für die Kirche im Osten unter den Vertriebenen und den Völkern des Westens zu wecken. Diese Intentionen überschnitten sich erheblich mit den Zweckrichtungen des AMK e.V. und des neuen Haus der Begegnung e.V. (HdB). Überschneidungen sind in den Aufgabenstellungen, in den Methoden und auch in der Beschaffung der Geldquellen festzumachen. „Die künftige Neuordnung und reibungslose Zusammenarbeit der drei Vereine kann daher nur auf der Grundlage einer unmissverständlichen Zuordnung und klaren Trennung der Haushaltsmittel erfolgen. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass die Spenden und sonstigen Zuwendungen rückläufig sind und bei mangelnder Trennung und Koordinierung die einzelnen Rechtsträger in Schwierigkeiten kommen könnten. Letztlich muss der Bestand und die wirtschaftliche Tragfähigkeit der drei Vereine durch Ordnungsprinzipien zielbewusst gesichert werden.“119 Sehr kritisch ging Kindermann zunächst auf die Vorschläge ein.120 Am 8. März 1954 war ein eigener Verein Ostpriesterhilfe gegründet worden; auch ihm stand Kindermann vor. In erster Linie fungierte er als Rechtsträger für die Kapellenwagenmission; außerdem wirkte er mit bei der Verteilung der Volkswagen an die heimatvertriebenen Priester in der Diaspora. Für seine Arbeit blieb er stets angewiesen auf die Zuwendungen durch die Internationale Ostpriesterhilfe.

118

119 120

„Von Pater Werenfried habe ich gehört, über seine gestrige Unterredung mit Prälat Kindermann und Dir. Ich habe früher auch schon solche Unterredungen miterlebt und Du weißt, dass ich immer die besänftigende Rolle gespielt habe. Ich weiß, dass Du mir dafür dankbar warst. Vielleicht hat das auch alles seinen Nutzen gehabt, denn aus der Zusammenarbeit zwischen Königstein und Tongerlo ist doch auch viel Positives gekommen. Jetzt aber, wo unsere Arbeitsgebiete immer mehr auseinander gehen, ist es vielleicht gut, dass ich nicht mehr (weil mir Streitigkeiten, ob zu Recht oder zu Unrecht, immer ein Gräuel sind) diplomatisch auftreten kann. Wenn schon die Meinungsverschiedenheiten so groß sind, dann hat es keinen Zweck, dass ich mit weiblichen Versöhnungsworten versuche, diese zu vertuscheln. Sie sollen ausgesprochen werden und wenn nötig, ausgefochten bis zur Konsequenz.“ Germaine an Paula Schetka am 22. Januar 1958. Vgl. zu den Vorschlägen KZG, Akten Bischofszimmer, 11/202, Prüfungsbericht, 33 S. masch., die Vorschläge zur betrieblichen Neuordnung, S. 33. Seine Bemerkungen liegen in fünf Seiten masch. zum Bericht über die Prüfung vor.

Initiativen für die Seelsorge

651

Der Verein war nicht dem Aufsichtsrecht des Bischofs von Limburg unterstellt – die Satzung sah es jedenfalls nicht vor. Der Vorsitzende wurde von der Mitgliederversammlung gewählt. Mitgliederversammlungen wurden in den letzten Jahren vor Kindermanns Tod bereits keine mehr gehalten; es ist davon auszugehen, dass die Mitglieder den Verein als erloschen betrachteten. Die beiden ursprünglichen Hauptaufgaben, die Kapellenwagenmission und die Veranstaltung der Kongresse ‚Kirche in Not’ waren weggefallen oder an einen anderen Verein, nämlich den Trägerverein des HdB übergegangen. Zur Hilfe für die Diaspora mit Büchern und Zeitschriften schrieb Kindermann bereits 1966: „Die weitaus größten Hilfeleistungen in verschiedensten Anliegen erfolgten durch Pater Werenfried im Rahmen seiner Hilfsaktionen.“

Prüfung durch die Studienkommission 1955 Am 15. November 1955 traf sich die Studienkommission für die Königsteiner Anstalten. Bei dieser Gelegenheit gab Kindermann einen Überblick über die in Königstein vorhandenen Einrichtungen und Initiativen. Dabei behandelte Kindermann die Ostpriesterhilfe wirtschaftlich als eine Nebenstelle der internationalen Ostpriesterhilfe, rechtlich als Mieter des Albertus-Magnus-Kollegs e.V. Den gleichen Status sprach er der Bauorden GmbH zu. In diesem Zusammenhang wurde die Aufgabenstellung der Ostpriesterhilfe e.V. reflektiert, die von den beiden Vereinen unabhängig weiter bestehen sollte. Der Vorstand dieses Vereins solle sich weiterhin aus Prof. Kindermann, Fräulein Schetka und dem Vertreter der Internationalen Ostpriesterhilfe, Pater Werenfried van Straaten, zusammensetzen. Der Vorstand des AMK und des neuen Vereins Haus der Begegnung sollte mit dem Vorstand der Ostpriesterhilfe zur Vermeidung irgendwelcher Überschneidungen identisch sein. Der Vorschlag ging also dahin, Fräulein Schetka aus dem Vorstand herauszunehmen und sie mit der Geschäftsführung zu betrauen, die sie ja faktisch bereits wahrnahm. Dabei dürfte dieser Vorschlag übersehen haben, dass die zentrale Stellung in der Ostpriesterhilfe Pater Werenfried als Vertreter der Internationalen Ostpriesterhilfe hatte und nicht Kindermann, so dass die Überlegung im Vordergrund stand, ob Werenfried aus dem Vorstand herausgenommen werden sollte, bzw. der Vorstand auf vier Mitglieder, damit Pater Werenfried im Vorstand bleiben kann, reduziert werden sollte. Die Prüfer hielten es für unerlässlich, gleichartige Geschäftsordnungen zu erstellen, die in erster Linie die Durchführung der Aufgaben des Verbandes sicherzustellen hatten. Die Aufgabenstellung sollte genau abgegrenzt sein und Regelungen für Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung und Auslegung der Geschäftsordnung enthalten. Diese Klärung wurde sicherlich aus finanztechnischen Erwägungen vorgenommen, aber wohl auch wegen der Verstimmungen zwischen Kindermann und Pater Werenfried van Straaten, die letztlich auch dazu beigetragen hatten, dass Pater Werenfried sich zwischenzeitlich nach Rom zurückzog. Ohne Zweifel haben auch weltkirchliche Überlegungen bei diesem Schritt, weg von Königstein, eine Rolle gespielt. Zu Verstimmungen kam es nicht zuletzt wegen der Verwendung der Mittel, die die Ostpriesterhilfe aus Belgien nach Königstein überwies, weil Kindermann sie auch

652

Abschnitt VII

für Restaurierungsunternehmungen an den Königsteiner Bauten bzw. auch für das Haus der Begegnung verwenden wollte.

3.9.

Finanzielle Unterstützung Königsteins

Die Ostpriesterhilfe musste immer wieder als finanzielle Feuerwehr in Königstein zur Verfügung stehen. Gerade dann, wenn es aktuelle Liquiditätsprobleme zu beheben galt, konnte die Ostpriesterhilfe ihre Zuschüsse meistens umgehend bereitstellen. Nun kam es 1956 zu einem Dissens zwischen Kindermann und Pater Werenfried über die Verwendung des Zuschusses der Ostpriesterhilfe. Es ging konkret um die 50.000,DM des Jahres 1956 für Königstein. Kindermann wollte, dass die Summe ausdrücklich nicht für Seminar- oder Priesterreferat bestimmt werde, sondern für die Ostaufgaben Königsteins im Rahmen der Ostpriesterhilfe. Werenfried meinte, dass zu diesen Ostaufgaben ganz sicher die Tagungen der Osteuropäer gehörten. Offensichtlich war wegen Renovierungsarbeiten am Unterhaus, also im Schulbereich, Geldknappheit eingetreten und Kindermann wollte den Jahreszuschuss zur Finanzierung der Renovierungsarbeiten im Unterhaus verwenden. Dagegen verwahrte sich Pater Werenfried van Straaten strikt. Man könne es dem Ausland unmöglich zumuten, dass die Ostpriesterhilfe Mittel aufbringe, um das Unterhaus oder ähnliches in Königstein auf Hochglanz zu bringen, so argumentierte er in einem Schreiben an Paula Schetka. Er wolle nicht grundsätzlich die Restauration des Unterhauses oder das Haus der Begegnung kritisieren – was er implizite aber doch tat –, sondern er wolle nur zum Ausdruck bringen, dass die Deutschen diese Objekte aus eigenen Mitteln finanzieren müssten.121 Derartige Zuschüsse könne die Ostpriesterhilfe unmöglich durchsetzen.122 Seit 1957 waren vom Speckpater keine Spenden mehr für Königstein zu erwarten.123 Verstimmt war Pater Werenfried auch darüber, dass in der Küche des Hauses der Begegnung Lebensmittel aus den Ostpriesterhilfespenden eingesetzt wurden. Besucher des Hauses, auch Ärzte, Journalisten etc. bezahlten 8,- DM pro Tag. Mit diesem Satz müssten die tatsächlichen Kosten durch belgische und niederländische Spenden subventioniert werden. Diese Praxis wollte Pater Werenfried nicht länger hinnehmen.

121

122 123

Schreiben Pater Werenfrieds an Paula Schetka, 4 S. handschriftlich, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand G, Geschäftsführung, 962. „Auch wenn ich persönlich einer anderen Meinung wäre, könnte ich derartige Zuschüsse unmöglich durchsetzen, aber ich bin keiner anderen Meinung und stehe auch persönlich auf dem Standpunkt, dass in den heutigen Verhältnissen die Sorge für die fremdsprachigen Osteuropäer den Vorrang haben soll. Dabei kann ich die großen ausländischen Zuschüsse für Kapellenwagenmission, Gottesburgen und Bauordentätigkeit in Deutschland nur deswegen verantworten, weil diese Zuschüsse weitgehend kompensiert werden durch meine persönlichen Kollekten und durch die Lumpenaktion in Deutschland.“ Vgl. Brief an Paula Schetka vom 29. Juli 1956 in KZG, Bestand G, Geschäftsordnung, S. 962. Zu der Information, dass Pater Werenfried die Zuwendungen einstellen wollte: in HAEK, CR II 25.20d,8.

Initiativen für die Seelsorge

653

Im Haus der Begegnung durften keine ausländischen Lebensmittelspenden serviert werden. Mitte der fünfziger Jahre könnten nach Meinung Pater Werenfrieds die Mittel der Ostpriesterhilfe nur mehr fremdsprachigen Osteuropäern zugute kommen. Die großen ausländischen Zuschüsse für die Kapellenwagenmission, die Gottesburgen und die Bauordenstätigkeit in Deutschland könnten nur deswegen verantwortet werden, weil durch die Kollekten in Deutschland halbwegs eine Kompensation möglich sei. D.h. die Ostpriesterhilfe wollte den Zuschuss auf den Beitrag für den Kongress ‚Kirche in Not’ beschränken, höchstens 5.000,- DM. Dabei sollten grundsätzlich die Fremdsprachigen die Priorität haben.

3.10. Neue Situation nach Kindermanns Tod Neu aufgenommen wurde die Vereinstradition durch eine vom zweiten Vorsitzenden, Josef Barton, auf den 2. Juli 1975 einberufene Mitgliederversammlung. Dort wurde beschlossen, dass der Verein Rechtsträger für das Internationale Sekretariat der Ostpriesterhilfe sein solle, die Übersiedlung von Rom nach Königstein hatte dies erfordert. Der Trägerverein konnte fortan als Arbeitgeber der Beschäftigten und als Partner im Mietvertrag mit dem AMK firmieren. Pater Werenfried wurde zum ersten Vorsitzenden, Barton und Hackenberg zu weiteren Mitgliedern des Vorstandes gewählt. Am 23. Oktober beschloss eine weitere Mitgliederversammlung eine Neufassung der Vereinssatzung. Danach sollte der Verein künftig den Namen ‚Kirche in Not/Ostpriesterhilfe e.V.’ führen. Der Verein übernahm keine Verantwortung für die Finanzgebarung der Internationalen Ostpriesterhilfe. Im Fall der Auflösung sollte die Deutsche Bischofskonferenz im Einvernehmen mit „missio“ über das Vermögen verfügen. Der Verein wollte die Kirche in jenen Ländern geistig und materiell unterstützen, in denen sie verfolgt wurde, er wollte bedürftigen Flüchtlingen oder Vertriebenen aus solchen Ländern helfen und jene Werke unterstützen, die solchen Zwecken dienten. Pater Werenfried hatte sich verpflichtet, künftig für alle Unkosten, die dem Verein durch den Betrieb des Internationalen Sekretariates der Ostpriesterhilfe in Königstein entstanden, voll aufzukommen.

3.11. Kann die Internationale Ostpriesterhilfe Königstein übernehmen? Es mag seine Gründe gehabt haben, dass Pater Werenfried van Straaten nach dem Tode Kindermanns wieder nach Königstein kam. Das hatte sicherlich seine Auswirkungen auf die Neuorientierung auch der Königsteiner Anstalten, die vom AMK und HdB getragen wurden. Aber selbst wenn Pater Werenfried in Rom war, waren er und die Ostpriesterhilfe doch nicht ohne nachhaltigen Einfluss auch auf wichtige Ent-

654

Abschnitt VII

scheidungen in Königstein. Das zeigt nicht zuletzt ein Schreiben Kruschinas an Pater Werenfried im Herbst 1973, in dem er diesem die Sorge um den Fortbestand von Priesterseminar und Hochschule vortrug und ihn zur Mitsorge einlud. Kruschina konnte es nicht über das Herz bringen, die Hochschule im 50. Semester aufzugeben. Er unterstrich den besonderen Charakter und die Stellung des Seminars, weil vom Staat nicht abhängig, sondern in der besonderen Zuordnung zu den Bischöfen – eine Position, die auch Werenfried van Straaten teilte und als sehr vorteilhaft ansah. Kruschina unterstrich seine Meinung, dass man es in Limburg und nicht nur dort, wie er formulierte, sehr gerne sehen würde, wenn das Seminar fallen würde, man aber direkt zur Zeit nichts unternehmen könne, weil die Angelegenheit und die Umstände dafür viel zu delikat seien.124 Van Straaten seinerseits hatte als Generalmoderator der ‚Kirche in Not’/Ostpriesterhilfe von Rom aus eine Denkschrift über Königstein an die deutschen Bischöfe gerichtet, die nach seinen Worten das Resultat der in den letzten drei Jahren mit Weihbischof Kindermann geführten Gespräche sei und die Zukunft der Königsteiner Anstalten betreffe. In der Denkschrift führte die Angst die Feder, dass das Erbe Kindermanns nach dessen Tod zerfallen oder das Lebenswerk zweckentfremdet werden könne. Die Denkschrift war nicht uneigennützig abgefasst, formulierte van Straaten doch in Punkt 2, dass bei der Nachfolge in der Leitung der Königsteiner Anstalten der Generalmoderator des Liebeswerkes ‚Kirche in Not’ in einer entscheidenden Weise mitwirken dürfen müsse. In der handschriftlichen Vorversion hatte es noch deutlicher geheißen, dass der geeignete Nachfolger Kindermanns der Generalmoderator des Liebeswerkes sein könne, weil dieser seit 25 Jahren Kindermanns Kampfgefährte, Freund und Helfer war, weil die Ostpriesterhilfe in den schwierigsten Jahren ca. 1 Mio. DM in Königstein investiert habe, in der Kapelle, im Haus Werenfried, im Haus der Begegnung, im Ankauf der Kasernen, und weil die Zielsetzung der Ostpriesterhilfe sich weitgehend mit jener Königsteins decke, auch weil die Zusammenarbeit letztlich nie aufgehört habe, wenn auch jetzt nur noch im Bereich des

124

Kruschina an Pater Werenfried van Straaten am 21. Oktober 1973, KZG Bonn, Archiv Königstein, 790. „Zwar würde man es in Limburg (und nicht nur dort) zu sehr gerne sehen, wenn das Seminar fallen würde – nötigenfalls wird man auch etwas nachhelfen; direkt aber wird man zur Zeit nichts dagegen unternehmen. Dazu sind die Angelegenheit und die Umstände viel zu delikat. Beim Stand der Studentenzahl aber könnten Seminar und Hochschule sehr bald vor die unausweichliche Notwendigkeit einer Selbstauflösung gestellt sein. Einzelne unserer Professoren sind bereits der Meinung, dieser Zeitpunkt sei schon gekommen, umso mehr, als wir in diesem Jahr das 50. Semester der Hochschule begehen können. Aus den deutschen Diözesen ist für absehbare Zeit kaum ein merklicher Zuwachs zu erwarten, selbst wenn die Zahl der Kandidaten etwas steigen dürfte: es stehen ja sämtliche Diözesanseminare fast leer und selbst bei einer Besserung der allgemeinen Lage dürfte wohl zuerst auf die Auffüllung der Diözesanhäuser gedrängt werden. Es ist freilich etwas verwunderlich, dass verschiedene Neugründungen in Angriff genommen werden – mit ein paar Theologen, während ein schon bestehendes Haus dem Aushungern nahe ist. Es ist wohl durchaus wahrscheinlich, dass in einigen Jahren mancher Bischof froh wäre um die Existenz einer solchen Anstalt, heute aber sieht man das wohl noch nicht ein.“

Initiativen für die Seelsorge

655

Kongresses ‚Kirche in Not’ und durch die Zuschüsse für die Ostinstitute, und schließlich weil es in Königstein noch immer eine Ostpriesterhilfe gebe.125 In Punkt 3 der Denkschrift formulierte van Straaten, dass die Theologische Hochschule unter Beibehalt der Ostausrichtung den Priesterkandidaten eine Alternativlösung für die „modernistisch verseuchten Fakultäten“ bieten könne. Anstatt zu diesem Zweck eine neue Anstalt zu errichten und finanzieren, wie es in Österreich, Holland und Frankreich der Fall sei, könnte Königstein für diese konservativen Zwecke ausgebaut werden.126 Auch dürften die Ostinstitute und der Digest des Ostens nicht verschwinden. Sie sollten in die Ostpriesterhilfe eingegliedert und dadurch ihr Fortbestand gesichert werden. „In den nächsten Jahren, wenn die kirchliche Krise abflaut, wird man in Deutschland Kraftquellen kirchlicher Erneuerung brauchen. Eine davon könnte Königstein sein.“127 Dann könnten im Haus der Begegnung Schulungskurse, Einkehrtage, Exerzitien, Kongresse, Tagungen usw. in diesem konservativ erneuernden Sinn gehalten werden. Das Gymnasium könnte in den Augen van Straatens eine Alternative für gläubige Eltern sein, „die ihre Kinder nicht in den von Sex und Marxismus infizierten Schulen verderben lassen wollen“.128 Schließlich fühlte sich der Leiter der Ostpriesterhilfe offensichtlich in Rom nicht mehr wohl. Er sprach von einer ungünstigen politischen Entwicklung und von der Afrikanisierung Italiens, weshalb die Zentralstelle der Ostpriesterhilfe in Rom eine Ausweichmöglichkeit brauche; in diesem Kontext stellte er eine Übersiedlung des Internationalen Büros nach Königstein in Aussicht. Das, meinte er, könnte bei den deutschen Bischöfen seinen deutlich ausgesprochenen Wunsch, die gesamten Königsteiner Anstalten der Ostpriesterhilfe anzuvertrauen, untermauern. Van Straaten kam wieder nach Königstein. Die Königsteiner Anstalten aber erhielt er nicht übertragen. Vielleicht war das eine Kränkung und vielleicht war das auch ein Grund, warum er sich in den 1980er Jahren aus den Kongressen ‚Kirche in Not’ zurückzog. So hatte er sich 1987 für eine schrittweise Trennung der ‚Kirche in Not’ von den Königsteiner Anstalten ausgesprochen, verstehe sich doch das Kirchliche Hilfswerk als eine internationale Hilfsorganisation, in der sich die Schwerpunkte immer stärker in die Länder der Dritten Welt verlegten, wohingegen das Hilfswerk in Königstein viel zu sehr von den Heimatvertriebenen und von der deutschen Problematik geprägt sei. Mehr als vierzig Jahre nach dem Krieg sei die Vertriebenenfrage weitgehend gelöst und eine rein innerdeutsche politische Angelegenheit geworden. 125 126

127 128

Die Denkschrift über Königstein umfasst 2 S. masch., datiert auf den 20. September 1973, Absenderort ist Rom, KZG, Bonn, Archiv Königstein, 790. P. Werenfried dachte wohl auch daran, an einen alten Plan Kindermanns anzuknüpfen, der sich mehrfach aus den Rechtfertigungszwängen der Hochschule gegenüber den Bischöfen in das Modell einer Anstalt päpstlichen Rechtes retten wollte: Seminar und Hochschule in Königstein sollten zu einer römischen Anstalt umgewandelt werden. Nicht nur im rechtlichen Sinne oder im Sinne einer kooperativen Anbindung, sondern auch von der klar konservativen Ausrichtung und der entsprechend gebotenen Theologie her. Vgl. zu diesem Hinweis die Information von Prälat Grocholl in einem Gespräch mit dem Autor. Denkschrift über Königstein, S. 2. Denkschrift über Königstein, S. 2.

656

Abschnitt VII

In Königstein aber spürte Pater Werenfried van Straaten Widerstand gegen eine Verlagerung der Kongresse ins Ausland und gegen eine Internationalisierung des Hilfswerkes. Deshalb preschte er mit dem Plan vor, einen ‚Kirche in Not’-Kongress in Straßburg durchzuführen,129 deshalb hatte er bereits 1987 gefordert, den Kongress am Tag der verfolgten Kirche in Kevelaer abzuhalten. Van Straatens Vorschlag war, das bereits festgelegte Thema beizubehalten, die bewährten Mitarbeiter den Kongress vorbereiten zu lassen, die Ostpriesterhilfe sollte die Kosten übernehmen, den Kongress aber nicht in Königstein, sondern in Kevelaer durchführen. Der Vorstand des Albertus Magnus-Kollegs aber war der Meinung, dass nur er Verfügungsberechtigter hinsichtlich des Kongresstitels und Kongressortes sei. Er war jedenfalls in seiner Vorstandssitzung am 13. Februar 1987 nicht damit einverstanden, den Kongress an einem anderen Ort durchzuführen, und verbot der Ostpriesterhilfe, eine Veranstaltung unter dieser Bezeichnung in Kevelaer oder an einem anderen Ort durchzuführen. Pater Werenfried van Straaten hielt fest, dass er sich dieser Entscheidung gebeugt habe, aber seine Internationalisierungspläne weiterverfolgen werde. Gleichzeitig übernahm er großzügigerweise die Deckungslücke für den Kongress 1987 in Königstein in Höhe von 5.000,- DM. „Unter dem damaligen Namen ‚Ostpriesterhilfe’ war unser Werk in den ersten Nachkriegsjahren in vielerlei Hinsicht durch die Ideen meines lieben Freundes, Prälat (später Weihbischof) Kindermann, inspiriert. Es ist in Königstein groß geworden. Das „Vaterhaus der Vertriebenen“ war jahrelang unser wichtigstes Projekt. Dank der Hilfe unserer ausländischen Wohltäter konnten von Königstein aus Riesenprojekte für die Seelsorge unter den Heimatvertriebenen in Angriff genommen werden. Man könnte auch sagen, dass das Königsteiner Vaterhaus durch unser Werk wesentlich an Bedeutung gewonnen hat. Das alles war gut und richtig, solange es in Königstein noch das Priesterseminar, die Theologische Hochschule und ein auf Priesternachwuchs ausgerichtetes Gymnasium gab. Uns scheint es aber unrichtig, Probleme oder Institutionen künstlich am Leben zu erhalten und ein nationales Projekt wie das Vaterhaus der bereits integrierten Heimatvertriebenen auf gleicher Ebene wie ein universales Werk päpstlichen Rechtes einzustufen und trotz Verschiebung der Gewichte weiterhin die Führung der von uns angefangenen und finanzierten Kongresse zu beanspruchen.“130 Van Straaten meinte, es schade seinem Werk, wenn die Veranstaltung eines wirklich internationalen Kongresses für die Mitarbeiter von ‚Kirche in Not’ in vierzehn Ländern einem deutschen Vaterhaus der Vertriebenen anvertraut werde, weil die Aufgabenstellung dieses internationalen Werkes mit jener des Albertus Magnus-Kollegs schon lange nicht mehr identisch sei. Daher begrüßte er es, dass eine verwirrende Verwechslung zweier verschiedener Vereinigungen jetzt beendet werde.

129

130

Vgl. dazu auch den Leserbrief Pater Werenfried van Straatens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2. Oktober 1987, wo er zur Begründung anführt, dass die notwendige Internationalisierung in Königstein nicht durchführbar sei, weil dort die Infrastruktur veraltet und keine Möglichkeit zur Simultanübersetzung vorhanden war. Vgl. dazu auch den Leserbrief Pater Werenfried van Straatens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2. Oktober 1987.

Initiativen für die Seelsorge

657

Die Generalsekretärin von ‚Kirche in Not’, Antonia Willemsen131, eine Nichte Pater Werenfrieds, listete die Gründe, warum das Werk ‚Kirche in Not’ die Fortsetzung der Kongresse in Königstein für unerwünscht hielt, am 14. Januar 1987 noch einmal eigens auf: Dazu gehörten, dass die Polen, also mehr als die Hälfte der in Osteuropa lebenden Katholiken den Kongress traditionsgemäß mieden. Ein zweiter Grund war, dass Königstein im Osten ein politisches Image hatte: Die Heimatvertriebenen hielten Probleme aus der Vergangenheit künstlich aufrecht. Das Gelände in Königstein sei nicht geeignet für einen tatsächlich internationalen Kongress, da die Infrastruktur veraltet sei. Es könne für ein internationales Werk mit Sekretariaten in zwölf Ländern nicht angehen, dass die Kongresse weiterhin vom AMK organisiert und vorbereitet, also über die Themen entschieden und die Redner eingeladen würden, wohingegen die ‚Kirche in Not’ lediglich das Defizit bezahle. Für die Königsteiner Anstalten sei der Kongress der Höhepunkt des Jahres, eine Fassade, hinter der sich das Jahr über immer weniger verberge. Willemsen verwies auch auf die kontinuierlich sinkenden Teilnehmerzahlen der letzten Jahre.132

3.12. Resümee Auch wenn oft die Arbeit schwer fiel, sahen die Diasporaseelsorger auch Vorzüge in ihrer Situation: Die Armut hatte sie frei gemacht für die Seelsorge der Vertriebenen. Sie wünschten nur einige Güter, um auch die caritative Seelsorge durchführen zu können. Das Fazit Werenfried van Straatens: „Ohne derartige Briefe (e.A. Bettelbriefe der Diasporaseelsorger) wäre es uns wahrscheinlich niemals gelungen, die Verleumdungen und den unglaublichen Widerstand gegen unser Werk zu überwinden. Gott sei Dank war das schlichte Volk noch christlich genug, um während der antideutschen Furie der ersten Nachkriegsjahre wenigstens die Ehrfurcht vor dem Priestertum zu bewahren, erst recht für ein solches Priestertum! Denn die Generation der Rucksackpriester, die jetzt leider den zweifelhaften Segnungen des Wirtschaftswunders fast ganz erlegen ist, war in der Tat ein mächtiges Phänomen im verwüsteten Deutsch-

131

132

Vgl. Vortrag von Antonia Willemsen anlässlich ihres Abschiedsempfangs 2005: http://www.kirche-in-not.de/downloads/willemsen-verabschiedung-vortrag.pdf, aufgesucht am 11.8.2013. Antonia Willemsen, Kongress ‚Kirche in Not’, 1 S. masch. vom 14. Januar 1987, wohl an den Vorstand des AMK gerichtet, Diözesanarchiv Limburg, 16A/9a. Dort heißt es unter Punkt 4: „Das AMK hat für 1987 das Thema „70 Jahre Oktoberrevolution – 70 Jahre Botschaft von Fatima“ bereits festgelegt. Der Termin wurde auf den 3. bis 6. September verschoben. Das gewählte Thema würde für den Kongress in Kevelaer sehr gut passen. Es soll vermieden werden, an zwei Wochenenden hintereinander im September einen Kongress ‚Kirche in Not’ zu veranstalten. Vorschlag an das AMK: Ab 1987 keinen Kongress mehr zu veranstalten. Der Mitarbeiter für den Kongress (Herr Grycz) wird freigestellt, den Kongress mit KIN/OPH in Kevelaer vorzubereiten. 5. Der Name des Kongresses ‚Kirche in Not’ wird nicht mehr für das vom AMK organisierte Treffen der Heimatvertriebenen verwandt.“

658

Abschnitt VII

land.“133 Die Verfallsursachen suchte van Straaten wie Kindermann nur außerhalb der Kirche. Auch sonst zeigen sich klare Übereinstimmungen in Anliegen und Methoden: Einen hohen Stellenwert nehmen Messfeier und Beichte ein, die Rolle des Priesters steht im Mittelpunkt, das Denken ist dualistisch, militaristisch geprägt, nach außen gegen den Kommunismus, in der eigenen Gesellschaft gegenüber den Verführungen des Wirtschaftswachstums: eigenartigerweise werden die Helden von gestern sehr schnell zu Versagern gegenüber den neuen Bedrohungen in der Gesellschaft des Wirtschaftswunders. Nach tiefer liegenden Ursachen fragte Werenfried van Straaten nicht. Die Seelsorgemethoden mögen durchaus situationsgerecht gewesen sein; moderne Mittel, vor allem die aufsehenerregenden Kapellenwagen, wurden eingesetzt, das faszinierte auch die Gläubigen. Die Inhalte, das Menschenbild, das Weltbild waren wie bei Kindermann von der herkömmlichen Theologie formiert. Wenn auch den Kapellenwagenmissionaren der Besuch beim konfessionsverschiedenen Seelsorger eingeschärft wurde, so wurde damit nur das äußere Klima erträglich gestaltet, denn man war aufeinander angewiesen. Zumindest unterschwellig aber lässt sich die Antihaltung gegen die andere Konfession festmachen. Das ideologische Feindbild des Kommunismus, der die letzte Verantwortung auch für das Schicksal der Vertreibung trägt, bestimmte das Weltbild. Misstrauen gegenüber dem Fortschritt auch im Westen lag begründet im Misstrauen gegenüber der Materialisierung. Die Familienideologie wollte in all den äußeren Bedrohungen und gefährlichen gesellschaftlichen Entwicklungen ein Bollwerk erhalten; sie erscheint als ein dem Abendland auf der Mikroebene korrespondierendes Deutungsmodell. Es ist bezeichnend, dass Paula Schetka Adressatin der Verstimmungen zwischen Kindermann und Pater Werenfried war. Sie musste wohl so manches Mal ausgleichend einspringen. Sie musste, wie Kindermann in seinem Weihnachtswunsch 1948 an Schetka formulierte, den Schweiß des Tages und die Sorgen der Nacht mit dem Leiter von Königstein teilen.134 Viel Atmosphärisches wurde bei ihr abgeladen. Auch manche Frustration von Priestern in der Seelsorge, Diaspora und auf dem Land ging bei ihr ein. Manches bittere Wort und manchen Vorwurf musste sie sich anhören und glätten und es kriselte offensichtlich immer stärker zwischen Kindermann und Pater Werenfried. Waren sie sich doch in manchem sehr ähnlich und boten sich so genügend Reibeflächen. Reibungsflächen entstanden nicht zuletzt aus zahlreichen nicht eindeutig geklärten Zuständigkeiten und parallel ablaufender Erledigung von Aufgaben. Ein Beispiel dafür hat Prälat Grocholl in einem Gespräch mit dem Autor angeführt: die Aussendung von Kapellenwagen, die eigentlich der Ostpriesterhilfe zustand, wurde teils auch von Kindermann vorgenommen. 133 VAN STRAATEN, Sie 134 KZG Bonn, Archiv

nennen mich Speckpater, S. 60. Königstein, Bestand G, Geschäftsführung, 962, Königstein 24.12.1948, 1 S. masch., Kindermann an Paula Schetka.

Initiativen für die Seelsorge

659

Gerade in der Reaktion auf die außerordentlichen Seelsorgsmaßnahmen van Straatens in Verbindung mit Königstein lässt sich die zunehmende Integration der Vertriebenen, auch in konfessionsfremden Gebieten in den 50er Jahren mitvollziehen. Sie erfolgte durch Gemeindebildung, Kirchenbau und offensichtlich nicht zuletzt durch wachsenden Wohlstand, der nachhaltige Veränderungen in den Lebensgewohnheiten, allen voran wachsende Mobilität mit sich brachte. Nicht zuletzt aus dem Weihnachtsschreiben Kindermanns an Schetka zeigt sich auch die Stimmung, in der sich Kindermann und sicher nicht er allein befand. Sie waren angekommen in Westdeutschland und sie schufen sich dort eine Eigenwelt. Die Resignation, die sich bei vielen Vertriebenen nach 1947 zunehmend breit machte und erst mit Beginn der fünfziger Jahre wieder einer besseren Stimmung wich, ist auch bei Kindermann 1948 deutlich herauszuhören. Die Frage ist nur, wie weit sie nach 1950 zu einem Aufbruch in die neue Situation hinein geführt hat, bzw. wie weit sie Motor der Abschottung, der Gettoisierung war. Einen Eindruck, den man in Königstein nie ganz von der Hand weisen kann.135

135

Vgl. dazu noch einmal den Weihnachtsbrief Kindermanns an Schetka vom 24.12.1948, KZG Bonn, Archiv Königstein, Bestand G, Geschäftsführung, 962. Da ist zwar der Appell zum Durchhalten zu spüren, aber man meint, es sei eher seelsorgerliche Pflicht, wenn er schreibt, nicht mutlos und verzagt zu sein, ein Mut, den er auch sich selber zuspricht, wie er gleich im nächsten Satz formuliert: „Vielleicht haben wir alle schon am längsten Weihnachten gefeiert und ist unser ewiges Weihnachten nahe.“ Es ist also deutlich, die Resignation an der gegenwärtigen Situation zu spüren.

660

Abschnitt VII

4.

4.1.

Die Begegnung mit dem Osten

Das Haus der Begegnung – die Kongresse ‚Kirche in Not’

Für Kindermann war das Haus der Begegnung das Herz seiner Intentionen in und mit Königstein: Begegnung. Es gab die Begegnungen der Vertriebenen, der Vertriebenen mit den Einheimischen, über P. Werenfried die Verbindung mit der Hilfsbereitschaft im Westen, und in der Hochschule studierten und arbeiteten Studenten aus den weiten Gebieten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer gemeinsam. Nun sollte die Begegnung der deutschen Heimatvertriebenen mit den Völkern aus dem Osten einen Raum finden. Intendiert war eine Begegnungsstätte für die Heimatvertriebenen, für größere Tagungen, primär eine Möglichkeit zur Begegnung der Heimatvertriebenen mit den Völkern aus dem Osten. Ein zentraler Sammelpunkt waren ohne Zweifel die Kongresse ‚Kirche in Not’. Eine kleine Festbroschüre wurde zur Eröffnung des Hauses der Begegnung am 15. September 1955 gedruckt.136 Kindermann referierte dort über die Geschichte der Königsteiner Anstalten und plausibilisierte vorrangig die Intentionen des Hauses der Begegnung. Eine Begegnung der Völker im Zeichen der Liebe, wie sie im Geiste des Speckpaters stand, sollte in dem neuen Bauwerk im Vaterhaus der Heimatvertriebenen in Königstein nicht nur mit den Flamen und Wallonen, mit den Niederländern möglich sein, sondern gerade auch mit den Völkern aus dem Osten. „Im Lauf der Jahre wurden die schrecklichen Dinge, die über uns gekommen waren, in ihren Zusammenhängen klarer. Man erkannte, dass die Vertreibung der Millionen aus ihrer Heimat im Osten nur ein Auftakt, ein Vorspiel war zu einem noch viel gewaltigeren und furchtbareren Geschehen: in die leeren Räume im Osten rückte ein dunkles System nach und begann all überall die Kirche zu verfolgen. Neue Wellen von Flüchtlingen drangen über die Grenzen. Diesmal nicht mehr nur Deutsche allein. Die größte Christenverfolgung, die die Kirche bisher erlebte, setzte ein. Sie tobt auch heute noch.“137

136 137

Haus der Begegnung, Albertus Magnus-Kolleg, Königstein e.V. – Eröffnung am 15. September 1955. Mehrere Exemplare im Stadtarchiv Königstein. Haus der Begegnung, Albertus Magnus-Kolleg, Königstein e.V. – Eröffnung am 15. September 1955. Nicht paginiert

Initiativen für die Seelsorge

4.2.

661

Grundsätzliches Anliegen der Kongresse

Die Motivation und die Intentionen für die Kongresse ‚Kirche in Not’ und damit für das übernationale Begegnungsforum, vor allem mit den Kirchen aus den Ländern des Ostblocks, sind kondensiert in den Ausführungen, die Kindermann 1951 zum Thema ‚Kirche in Not’ auf der Ackermann-Tagung in Königstein vorgetragen hat und die in der Schriftenreihe des sudetendeutschen Priesterwerkes als erstes Heft publiziert wurden.138 Die Ausführungen geben Aufschluss über das Kirchenverständnis Kindermanns, über die Aufgabe der Kirche in der jeweiligen Zeit. Vor allem fällt die Relativierung auf, die Kindermann vornimmt, denn er sieht die Not der Kirche in einer langen Tradition. Die Kirche sei immer in Not, und jede Zeit, die die Kirche durchschreite, habe ihre bestimmte Not. Für die aktuelle Situation wollte er eine innere und eine äußere Not der Kirche der Gegenwart unterscheiden. Die innere Not ist in den Augen Kindermanns die Säkularisierung. „Sie offenbart sich in der Loslösung des Menschen vom christlichen Gedankengut; sie ist die Untreue und Undankbarkeit zu den ewigen Werten, die dem Abendland wie keinem anderen Teil der Welt zu treuen Händen gegeben waren.“139 Es ist das bei den Theologen und kirchlichen Amtsträgern gängige Deutungs- und Verfallsschema, das auch hier begegnet: Kindermann zeichnet den Weg ‚Los von der Kirche‘, der von der Reformation über die Aufklärung, den Abfall der Arbeiter von Gott im 19. Jahrhundert bis hin zum Los vom Menschen im 20. Jahrhundert führt. „Der Flüchtling des 20. Jahrhunderts ist zu Recht die typische Erscheinung dieser hoffentlich letzten Station auf diesem Irrwege. In dieser Periode „Los vom Menschen“ spiegelt sich die Ausweisung mit all ihrer Grausamkeit; dahinein gehören die Millionen und Millionen zertretener und versklavter Menschen, die heute irgendwo in der Welt leben. Die von den anderen, sagen wir auch von uns, auch von den Christen weithin eben hingenommen werden, als eine Tatsache, an der man nichts ändern kann und die man bald wieder vergisst, ja vergessen möchte.“140 Das Ergebnis ist der säkularisierte Mensch, der nicht nur die Sicht auf die ewigen Werte verloren hat, sondern sich auch nicht mehr an der Kirche orientiert. Er hat sich seine eigene Weltanschauung zurechtgelegt, die im Kontingenten bleibt, Dimension des Transzendenten gar nicht mehr in den Blick nimmt. „Was neu dazu kommt, ist der Umstand, dass er mündig geworden ist in seiner verweltlichten Haltung und Front bezieht gegen Christentum und Kirche. So wird der säkularisierte Mensch zu einer besonderen äußeren Not der Kirche.“141 Das zugespitzte Ergebnis dieses abendländischen Abfalls vom Christentum ist in Kindermanns Deutung der Bolschewismus. „Es ist ein Jahrhunderte langer Irrweg, der gegangen wurde vom ersten sich Loslösen von der Kirche und ihren Forderungen bis zu den heutigen Zwangslagern, Arbeitssklaven und Schaupro-

138 139 140 141

Adolf KINDERMANN, Kirche in Not. KINDERMANN, Kirche in Not, S. 5. KINDERMANN, Kirche in Not, S. 5f. KINDERMANN, Kirche in Not, S. 6.

662

Abschnitt VII

zessen, mit eigens dazu präparierten Opfern. Am Ende dieses Abfalls steht also die Katastrophe „Mensch“. Im bolschewistischen System hat der Mensch seine Würde verloren. Er hat keine Bodenständigkeit mehr und Geborgenheit wie in der abendländischen Familie; er ist arm und verproletarisiert; er hat keinen Eigenwert, sondern ist vermasst und wird im Rahmen des Kollektivs eingewertet. Das haben wir Heimatvertriebene ja am eigenen Leibe erlebt. Wir tragen eine dreifache Narbe bolschewistischer Spuren an uns: wir sind entwurzelt, verproletarisiert und in der Menschenwürde verletzt, wenn nicht gar zertreten.“142 Der Gegensatz zwischen dem Osten und dem Westen wurde mit Bolschewismus und abendländischer Werteorientierung, zwischen Masse und abendländischer Familie gezeichnet. Die Grundlagen des Weltbildes wurden in dieser Vorstellung Kindermanns beschrieben, wie sie die Themen und Ausführungen der Kongresse ‚Kirche in Not’ bestimmten. In diesen Kontext waren die Vertriebenen eingetragen, die um ihr Dasein als Familie, um ihr Recht auf Eigentum, ihre Menschenwürde als Gottes Geschöpf ringen und kämpfen mussten. Zum Kampf zugespitzt ist dieser Gegensatz dort, wo sich der Mensch als religiöser Mensch versteht. Der Christ, der das Bewusstsein um die Menschenwürde in Fleisch und Blut habe, der weiß, dass er als Ebenbild Gottes geschaffen ist, ist für jenes System – gemeint ist das bolschewistische – ein Gegner. Die Reaktion des Bolschewismus ist die Verfolgung der Kirche. „Bleiben wir in Europa, im Abendland. Seit den Tagen Kaiser Diokletians haben wir niemals eine solche Christenverfolgung erlebt, wie wir sie heute durchstehen.“143 Riesengroß sei das tägliche Opfer der Bischöfe, wo es überhaupt noch Bischöfe in den Diözesen unter dem Kommunismus gebe, der Klöster, der Priester, der Millionen von Gläubigen im Osten. „Dazu kommt die Ausweisung von 16 Millionen deutscher Menschen. Man kann dieses Geschehen wohl heute schon religiös deuten. Es vollzog sich an Christen, vielleicht auch um Christi Willen. Es ist doch sonderbar, dass überall dort, wo der Deutsche, der das Christentum vor Jahrhunderten in den Osten gebracht hatte und ihm treu geblieben war, seine Heimat verlassen musste, kurze Zeit darauf das antireligiöse System Fuß fasste. Es war vielleicht auch Absicht dieses Systems, durch die Millionen von Vertriebenen im Westen ein Chaos zu schaffen, um eher ans Ziel zu kommen. Bei einem Zusammenbruch Deutschlands wäre eine unausdenkbare Not der abendländischen Kirche eingetreten. Die Kirche wäre ja nicht untergegangen, aber sie wäre in furchtbares Leid gerissen worden. Wir müssen wohl all diese Dinge in engem Zusammenhang sehen: Säkularisierung – Bolschewismus – Ausweisung – Christenverfolgung.“144 Diese Situation der Vertriebenen bezeichnete Kindermann zugleich als Stunde der Not und der Gnade. Die Vertriebenen waren hineingezogen in die tragischen Auseinandersetzungen dieser Jahre. Das brachte entsetzliche Not für sie. Sie trugen in den

142 143 144

KINDERMANN, Kirche in Not, S. 6f. KINDERMANN, Kirche in Not, S. 8. KINDERMANN, Kirche in Not, S. 10f.

Initiativen für die Seelsorge

663

Augen Kindermanns die Spuren des Bolschewismus besonders deutlich. Sie waren entwurzelt, verproletarisiert und innerlich wund. Entwurzelung bedeutete nicht nur den Verlust der Heimat, sondern auch das Zerrissensein als Volksgruppe, das Hineingestreutsein in andere Mentalitäten, Sitten und Bräuche und nicht zuletzt das Geworfensein in die „Tragik der Diaspora“.145 Das Programm und die Intentionen dieser Veranstaltungen reflektierte Kindermann, Mitinitiator der Veranstaltungsreihe, erneut in seinem Resümee zum neunten Kongress ‚Kirche in Not’, der 1959 in Königstein im Haus der Begegnung stattfand. Er erinnerte in diesem Kontext an den ersten Kongress in Hilversum in Holland, wo sich acht Völker zusammengefunden hatten, vor allem in der Furcht vor der weiteren Ausbreitung des Kommunismus.146 Kindermann unterschied dort wieder zwischen einer äußeren und einer inneren Not der Kirche. Die äußere Not der Kirche wurde verursacht durch Konkurrenz zwischen Kommunismus und Religion – der Kommunismus, der nach Kindermann jede Religion und damit auch die Kirche vernichten wollte. Die Katholische Kirche sei, so zitiert er die Sowjetenzyklopädie, dem Kommunismus unter allen Religionsgemeinschaften der Feind Nr. 1.147 Die Angst speiste sich aus der Siegesgewissheit der kommunistischen Machthaber. So hieß es etwa zum 40. Jahrestag der Sowjetrevolution 1957 aus dem Munde Chruschtschows, dass der Sieg des Bolschewismus über die ganze Erde nicht aufzuhalten sei; passend dazu die Parole 1959 bei den Maifeiern in Ostberlin: „Sozialismus in aller Welt“. „Mit der Dynamik, die Welt zu erobern, verbindet der Kommunismus auf religiösem Gebiet die andere Dynamik, die Kirche und jede Religion zu vernichten. Auch hier hat er in manchen Ländern versucht, dieses Ziel mit Gewalt zu erreichen. Die blutig-grausamen Verfolgungen der Christen in Russland nach 1918 und während der Großen Reinigung (Tschiska) Stalins148 1936 berichten davon. Auch sind uns die Blutzeugen nach 1945, besonders in der Ukraine, dem Baltikum und in Albanien noch in frischer Erinnerung. China scheint in unseren

145 146

147 148

KINDERMANN, Kirche in Not, S. 13. Adolf KINDERMANN, „Wir und die Kirche in Not“ in: Kongressband des neunten Kongresses „Kirche in Not“. Königstein 1960, S. 105-124 (Künftig zitiert als KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not). „Der neunte Kongress ‚Kirche in Not’ geht zu Ende. Was soll ich Ihnen als Schlusswort sagen? Das, was uns allen auf dem Herzen brennt, die wir diese Tage wieder miterlebt haben, möchte ich versuchen, in Worte zu kleiden. Eine Antwort versuchen auf die Frage: „Was sollen wir tun Brüder?“ Wir haben vor mehr als acht Jahren den ersten Kongress ‚Kirche in Not’ gehalten. Es war in Hilversum in Holland. Acht Völker hatten sich damals zusammengefunden. Sie betrachteten dieselbe Karte, die später auf allen Kongressen in Königstein, auch auf diesem letzten, vor unseren Augen hing. Der schwarze Hintergrund, die Ausgangsbasis des Kommunismus bis zum Jahre 1944 ist nicht kleiner geworden: die Gebiete, die der Kommunismus in den letzten Jahren an sich gerissen hat, sind gewaltig an Ausdehnung und Einwohnerzahl. Und keiner von uns weiß, welche Überraschungen die nächsten Jahre noch bringen werden.“ (S. 105). KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 106. Josef Wissarionowitsch Stalin (1878 – 1953), von 1927 bis 1953 Diktator der Sowjetunion; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Stalin, aufgesucht am 13.8.2013.

664

Abschnitt VII

Tagen dem vernichtenden Würgarm des Kommunismus ganz besonders ausgeliefert zu sein.“149 Der Kommunismus habe zwar eingesehen, dass man Kirche und Religion nicht mit Gewalt aus den Herzen der Menschen reißen könne und habe deswegen seine Methode, seine Taktik verändert, wobei das Ziel dasselbe geblieben sei. Nunmehr würde die kalte Unterdrückung gewählt, nicht eine Vernichtung auf einen Schlag. Die Kirche wird verunglimpft, schlechtgemacht, in den Gegensatz zu Wissenschaft gerückt, als dem Staat gefährlich und schädlich erklärt, in öffentlichen Schauprozessen diffamiert. Im zweiten Schritt werde die Kirche neutralisiert, also in ihre eigenen Mauern verwiesen. Der Kommunismus nehme der Kirche alle Möglichkeiten und Mittel, außerhalb des Kirchenraums ihre Sendung zu erfüllen. Sie wird in der Öffentlichkeit mundtot gemacht.150 Ein dritter Schritt sei es, diese isolierte, zurückgedrängte Kirche zu spalten. Ein vierter Schritt des Kirchenkampfes bestehe darin, die Gläubigen durch Umerziehung zu Kommunisten zu machen, und fünftens die Hirten von der Herde zu trennen. Nicht zuletzt mit dem Beispiel der Tschechoslowakei verwies Kindermann auf den sechsten Schritt: Der Kommunismus reduziere die Zahl der Priester auf ein Minimum. Durch die drastische Drosselung des Priesternachwuchses werde eine Priesternot geschaffen. Ein siebter Schritt sei der Sturm auf die Jugend. Achtens die Kulturrevolution, die alles beseitigen wolle, was auch nur äußerlich an das Christentum anknüpfe. Schließlich wolle man neuntens die Kirche nationalisieren, um im Endresultat zehntens die Kirche überflüssig gemacht zu haben, wenn der Kommunismus als Ersatzreligion etabliert sei. „All die Stufen der Verfolgung und Bedrückung, wie wir sie nun kurz aufgezeigt haben und wie sie auf jedem Kongress ‚Kirche in Not’ in den Schilderungen der einzelnen Völker vor uns standen, münden schließlich ein in die Pseudoreligion des Kommunismus, in ein Pseudochristentum. Das ist eine letzte sehr wichtige Erkenntnis: wir haben es im Kommunismus nicht mit einer Wissenschaft oder einem Wirtschaftssystem zu tun, sondern mit einer Art Religion, freilich einer verunstalteten und verdrehten. Der Kommunismus ist ein Christentum, aber umgestülpt wie ein Handschuh. Ein Christentum ohne Christus, ja ohne Gott. An seine Stelle ist der als Materie sich fühlende Mensch getreten, der für sich göttliche Verehrung beansprucht.“151 In diesem Weltanschauungskampf stand als Fernziel eine Missionierung, eine Rechristianisierung des marxistischen Ostens vor Augen, als Nahziel soweit wie nur irgend möglich die Unterstützung der verfolgten Kirche, gerade auch der verfolgten Priester hinter dem Eisernen Vorhang. Parallel dazu kam die Auseinandersetzung mit der von Kindermann als innere Not der Kirche bezeichneten Situation im Westen, die letztlich, so die Konstruktion der Kausalität durch Kindermann, die äußere Not der Kirche in den kommunistischen Ländern erst erzeugt habe. „Kirche in Not. Riesengroß ist das Kreuz, das über dem Osten steht. Mehr als 50 Mio. katholischer Brüder und Schwestern tragen seit Jahren dieses Kreuz, und rechnen wir alle auf Christus

149 150 151

KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 106f. KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 108. KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not,, S. 111f.

Initiativen für die Seelsorge

665

Getaufte dazu, dann sind es noch mehr. Verfolgtes Christentum hinter dem Eisernen Vorhang. Und wir hier in der freien Welt, in der wir leben, sagen wir „noch“ leben? Das Kreuz über dem Osten, die äußere Not der Kirche, das Pseudochristentum des Kommunismus ist für uns Christen so tragisch, weil es seinen Ursprung und Ausgang bei uns im christlichen Abendland genommen hat. Eine innere Not ist der äußeren vorausgegangen. Es ist die Not der Verweltlichung und Entchristlichung. Sie offenbart sich in der Loslösung des Menschen vom christlichen Gedankengut, das dem Abendland wie keinem anderen Teile der Welt zu treuen Händen gegeben war. Es ist der Weg und die Haltung des verlorenen Sohnes, welcher der Geborgenheit des Vaterhauses den Rücken kehrt und sich seine eigene Bleibe zimmert.“152 Daraus resultierte die Notwendigkeit der inneren Mission im Westen, die Notwendigkeit, der Verweltlichung entgegenzuwirken, die Kindermann seit dem 19. Jahrhundert forciert sah und die zu einer grundlegenden Zielsetzung und Orientierung der Aufgaben Königsteins wurde. Diese Notwendigkeiten sollten zentrale von Königstein ausgehende oder mit ihm vernetzte Initiativen, wie das Apostolat des gedruckten Wortes, die Kapellenwagenmissionen und die Volksmissionen eines Pater Reimann aufgreifen. Kindermann wies langatmig und ausdrücklich darauf hin, dass die führenden kommunistischen Führer an westlichen Universitäten groß geworden seien, mitten unter den Christen ihren Geist gebildet und ihr Weltbild geformt hätten. „Wir haben sie neben uns liegen lassen, als gingen sie uns nichts an. Wo ist unser apostolischer Geist geblieben? Und unsere Verpflichtung zur sozialen Liebe? Oder haben wir uns nicht vielmehr nach dem Ausspruch des ersten Hassers gerichtet: „Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“ Wir Flüchtlinge und Vertriebene haben nur allzu oft unsere Sendung vernachlässigt und vergessen. Es ist doch heute offenkundig und unwidersprochen, dass unser Kreuzweg der Flucht mit den Ereignissen im Osten zusammenhängt. Sind wir nicht gleichsam als Boten und Zeugen entlassen worden in die freie Welt, auf dass wir hier Zeugnis geben von dem, was drüben hinter dem Eisernen Vorhang geschieht? Haben wir genügend und klar Zeugnis gegeben vom Kreuz unserer Brüder in der Verfolgung? Oder haben wir leider nicht allzu oft diese unsere Brüder in schwerer Not vergessen und uns vom Zeitgeiste, der zur Materie drängt, einnehmen lassen?“153 Kindermann sah, dass der Kommunismus eine ernste Frage an die Christenheit war – eine Konsequenz aus dem Missklang zwischen Lehre und Leben, eine Folge der nicht ernst genug genommenen Nächstenliebe. „Wir haben zwar eine kirchliche Soziallehre, aber wir setzen sie zu wenig in die Tat um, und die soziale Ungerechtigkeit in der Welt ist zweifelsohne eine der Ursachen für den kommunistischen Erfolg.“154 Dem Ausbreitungsdrang des Kommunismus wollte Kindermann die

152 153 154

KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 114f. KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 116. KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 118.

666

Abschnitt VII

apostolische Gesinnung der Priester, aber auch der Laien im Westen entgegensetzen.155

4.3.

Ein großes Tagungshaus: Das Haus der Begegnung (HdB)

Für die immer zahlreicher werdenden Teilnehmer waren die bisherigen Unterbringungsmöglichkeiten im Haus Werenfried zu eng geworden. Weil man keinen Saal hatte, musste man bei größeren Tagungen regelmäßig auf die Kollegskirche ausweichen. Gleichzeitig suchte die Kapellenwagenmission nach einer Unterbringungsmöglichkeit für die Wagen im Winter. Knapp und markant skizzierte Schleupner in einer Zusammenstellung der wichtigen Daten Königsteins für den neuen Schulträger Mitte der 1990er Jahre aus seinem eigenen Erleben der Situation: „Prälat Kindermann erkannte sofort seine Chance. Mit den Garagen als Erdgeschoß sollte ein großer Kongress-Saal mit einem Seitenflügel für Gästezimmer entstehen.“156 Mit dem Haus der Begegnung, das im Rahmen des Kongresses ‚Kirche in Not’ (KiN) bereits 1955 eingeweiht werden konnte, standen 117 Zimmer mit 136 Betten zur Verfügung. „Die Zimmer sind selbstverständlich mit Kalt- und Warmwasser versehen und einfach aber gut eingerichtet“, berichtet und wirbt der Überblick über 20 Jahre Königsteiner Arbeit.157 Die Gründungsversammlung des Trägervereins für das Haus der Begegnung fand am 19. Dezember 1957 statt, ins Vereinsregister wurde er am 30. März 1958 eingetragen. Gründungsmitglieder waren die Herren Kindermann, Ganse (damals Regens),

155

156 157

„Darum ist der Priesternachwuchs unter den Exilvölkern so wichtig. Ja, es werden wohl alle in Europa mithelfen müssen, in dieser Stunde der verfolgten Kirche im Osten, eine möglichst große Zahl von missionarischen Priestern zur Verfügung zu stellen … Hier, meinen wir, liegt auch die Bedeutung dieses Königstein, das Priester mit missionarischer Sendung hervorbringen möchte … Von den 224 bisher geweihten konnten 73 in die Notgebiete jenseits des Eisernen Vorhangs, freilich bisher nur nach Ostdeutschland geschickt werden. Aber auch in anderen Seminaren muss der missionarische Gedanke lebendig sein. Neben den Priester gehört aber auch der missionarische Laie. Seine Arbeit und sein Einsatz werden voraussichtlich von entscheidender Bedeutung sein. Es müssten Mittel und Wege gefunden werden, diese Apostel der Zukunft schon heute zu suchen und auf ihre Mission vorzubereiten … Ein Letztes wäre noch zu sagen: das gilt vor allem uns Deutschen. Die ‚Kirche in Not’ ist im Laufe der Jahre ein bestimmtes Anliegen geworden. Wenn dieser Name fällt, dann denkt man an die Kongresse … An die Völker, die da zusammenkommen. An die Nöte jenseits des Eisernen Vorhangs. Für diese ‚Kirche in Not’ soll ich stets mein Herz öffnen können im Gebet und im Opfer … Im Opfer für die Anliegen, wie wir sie eben genannt haben … Aber vielleicht noch Folgendes wäre gut – und das ist mein letzter Vorschlag … Wir errichten im Geiste eine Opferschale. Sie heißt ‚Kirche in Not’ … Auf diese Opferschale legen wir – und wir wollen das auch in unseren Schriften bekannt geben und dafür werben … Unser Scherflein für die Anliegen der ‚Kirche in Not’ – soweit ein jeder kann …“ (KINDERMANN, Wir und die Kirche in Not, S. 124). Heinzdieter SCHLEUPNER, Die Schulträger der St. Albert- und Bischof-Neumann-Schule, masch. 20 Seiten, Zitat S. 11. Diözesanarchiv Limburg, 16A/13. 20 Jahre Königsteiner Arbeit. Sonderdruck zum 15. November 1966, S. 11.

Initiativen für die Seelsorge

667

Hackenberg (von der Ackermann-Gemeinde), Hadrossek (Ostakademie), Maday, Matern, Menges (KISIF), Putzer. Bis 1974 war Paula Schetka Geschäftsführerin. Der Verein wollte den Gedankenaustausch katholischer Menschen, allen voran der Heimatvertriebenen, fördern und katholische Führungskräfte im Geiste katholischer Weltanschauung schulen. Er unterstand der Aufsicht des Bischofs von Limburg. Nach der Erkrankung Kindermanns wurde am 10. August 1974 Hackenberg zum neuen ersten Vorsitzenden und Kroker zum zweiten Vorsitzenden bestimmt. Der Verein hatte vom AMK das Haus Werenfried und das Haus der Begegnung angemietet; die beiden Gästehäuser St. Michael und St. Georg gehörten ihm im Erbbaurecht. 1975 hatte der Verein elf voll beschäftigte Mitarbeiter und sieben Teilzeitkräfte in den Büros sowie 20 voll beschäftigte und zwei Teilzeitkräfte im Wirtschaftsbetrieb. In enger Zusammenarbeit mit dem Verein, aber mit getrennter Buchhaltung wurde die Buchhandlung ‚Königsteiner Rufe’ als GmbH betrieben, seit 1975 arbeitete Frau Tischer führend in der Buchhandlung mit, ab 1981 betrieb sie diese alleinverantwortlich.158 „Von der Kaserne zum Kolleg“ ist der zweite Beitrag zur Festbroschüre anlässlich der Einweihung des ‚Hauses der Begegnung’ überschrieben. Darin wurden die einzelnen Teile der Königsteiner Anstalten, das Seminargebäude, die St. Albert-Schule, das Haus Werenfried, die Kirche des Albertus Magnus-Kollegs und nicht zuletzt das Haus der Begegnung in ihrer landschaftlichen Einbettung und in ihren Besonderheiten beschrieben. Die leitenden Ideen des Architekten Busch und des Kunstmalers Jupp Jost aus Hattersheim wurden vorgestellt. Jost hatte die Sgraffiti an der Außenwand, den Posaunenengel, der in seinen Dimensionen in die Fensterfläche hineinragte, gemalt. Ein zweiseitiger Artikel von Joseph Weißkopf über die St. Albert-Schule informierte über die Situation der Schule – so wurde das HdB in den Kontext der Königsteiner Anstalten und Intentionen einbezogen.

4.4.

Die künstlerische Einordnung des Gebäudes

Die baukünstlerische Einordnung der Mitte der fünfziger Jahre erbauten Einrichtung war ein zentraler Aspekt des bauhistorischen Gutachtens für das Haus der Begegnung vom März 2008, wurden doch hier die Argumente zusammengetragen, die die Erhaltung der Bausubstanz des Hauses stützen sollten: Hans Busch baute in den fünfziger und sechziger Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg über 20 Kirchen im Bistum Limburg; er plante viele Pfarr- und Gemeindehäuser. Der Sakralbau war sein Arbeitsschwerpunkt. Das bauhistorische Gutachten unterstreicht, dass in seinem bisher erschlossenen Werkverzeichnis nur vereinzelt andere Aufgaben auftreten. Insofern fiel

158

Frau Tischer gehörte zum Königsteiner Urgestein. Bereits vor ihrer Ausweisung aus Prag hatte sie Paula Schetka kennengelernt, auf diesem Weg kam sie im April 1947 nach Königstein. Sie war in der Folgezeit eine rastlose und unermüdliche Mitarbeiterin. Ingrid Sattler an Frau Schmidt am 9. April 1997, 2 Seiten masch. KZG Bonn, Bestand Königstein 1022.

668

Abschnitt VII

das HdB aus dem gewöhnlichen Spektrum des Schaffens des Königsteiner Hausarchitekten Hans Busch heraus. Das Gutachten spricht von Busch als einem Kirchenbaumeister, der den Kirchenbau im Bistum Limburg in der Nachkriegszeit wesentlich mitgeprägt habe.159 Der Zeitgeist der modernen, schnörkellosen Architektur schlage im Haus der Begegnung durch. Er orientiere sich an der zwischen den Weltkriegen entfalteten klassischen Moderne, an die die Sakralarchitektur nach dem Zweiten Weltkrieg angeknüpft habe.160 Hans Busch unterstrich als Grundanliegen der Gestaltung, dass er in die Landschaft eingebettet offene Räume für eine Neubesinnung schaffen wollte. Er wollte von den starren ehemaligen Kasernengebäuden wegkommen und neue selbständige Formen anwenden. Natürlich legten bereits die knappen finanziellen Mittel und die Geschichte und Intentionen der Königsteiner Anstalten eine Sparsamkeit nahe, damit auch eine Sparsamkeit in Stil und Gestaltung; zweckmäßig und preiswert sollte es sein. „Die Beschränktheit der Mittel schlägt sich in der Architektur aber weniger nieder, als es bei diesen Voraussetzungen anzunehmen ist. Wobei die neue Sachlichkeit in der Nachkriegsarchitektur der Tugend der Sparsamkeit ohnehin entgegenkam.“161 Das Baugutachten unterstreicht ausdrücklich, dass die zahlreichen im Nachlass des Architekten erhaltenen Werkszeichnungen zeigen, dass sich Busch im Sinne eines Gesamtkunstwerkes auch um die Details der Ausstattung gekümmert, etwa Treppengeländer selbst skizziert und die Serienteile ausgewählt hatte. Trotzdem ergebe sich bei der Ausstattung ein merkwürdiges Nebeneinander von modernen Formen, wie die Fensterbeschläge und die Griffe der Stahlfenster, und Details, die noch dem Geist der zwanziger Jahre verpflichtet seien, wie die Griffe der Glastüren im Gästehaus, die Wandlampen im Treppenhaus, der Garderobe und andere mobile Ausstattungsstücke. „Der Zeitgeist der fünfziger Jahre, der sich auch in Neuerungen in allen Lebensbereichen spiegelt, zeigt sich in der Architektur auch in der Verwendung der Baumaterialien und gipfelt in der Acella-Decke. Auch in den Kunststoffen der Stühle, der Handläufe, der Resopaltische, der Bakelitschalter offenbart sich der technische Zeitgeist. Nicht zuletzt ist die Verwendung der Fulgurit-Wellplatten der Dachdeckung ein Ausdruck zeitgemäßer und preiswerter Materialverwendung, die an den Rüstungsfeldern der Fenster des Gästehauses sogar ästhetisierend verwendet werden.“162 Dem Architekten wollte das Baugutachten architekturgeschichtliche Bedeutung zumessen. Seine Arbeiten seien repräsentativ für die fünfziger Jahre und für die Entwicklung der Architektur zwischen den beiden Weltkriegen und in den Bedingungen im Kontext, im wiederaufbauenden Deutschland. „Das mitten im Wirtschaftwunderjahrzehnt errichtete HdB ist ein großmaßstäblich gebautes Zeugnis dieser Zeit.“163

159 160 161 162 163

Bauhistorisches Gutachten, März 2008, S. 10. Vgl. zum Haus der Begegnung auch das kleine Büchlein, das zur Sanierung des Hauses der Begegnung von der Stadt Königstein und dem Stadtarchiv herausgegeben wurde. Baugutachten, S. 11. Bernhard Joachim Piegsa, Baugutachten, S. 11. Baugutachten, S. 11.

Initiativen für die Seelsorge

669

1985 trennte sich der Vorstand des Vereins vom langjährigen Architekten der Königsteiner Anstalten. Offensichtlich hatte der seit 1984 amtierende Vorsitzende des Vorstandes, Pfarrer Karl Kindermann, Schwierigkeiten mit dem Architekten.164

4.5.

Die Kongresse ‚Kirche in Not’165

Der erste Kongress ‚Kirche in Not’ fand vom 8. bis 11. Februar 1951 im niederländischen Hilversum zum Thema: ‚Die Lage der Heimatvertriebenen’ statt. Das Thema wurde in folgende Sektionen aufgeteilt und jeweils in einem Vortrag behandelt: religiös: Vortrag von Prof. Dr. Kindermann, Königstein sozial: Vortrag von Pater Dr. Paulus Sladek, München Kirche in Not: Dr. Otfried Müller166, Königstein Was hat Deutschland zur Linderung der Not getan? Bundesminister Dr. Lukaschek, Bonn Was hat die Kirche getan? – Prof. Dr. Kindermann, Königstein Dazu kamen Kurzreferate, die das Bild erweitern und abrunden sollten. So etwa über die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern, über die Lagerseelsorge, über die Arbeit des Bonifatiusvereins, über die Leistungen der Caritas, über das Kirchliche Siedlungswerk, über die Lage der Heimatvertriebenen in Österreich, über die Flüchtlingsjugend und schließlich noch einmal Kindermann über Königstein.167 Eingeladen hatten zu diesem ersten Kongress, zu dem über 100 Teilnehmer aus acht Völkern versammelt waren, die Ostpriesterhilfe und die Katholische Arbeitsgemeinschaft für geistige Erneuerung. Karl-Ernst Hahn, deren Sekretär, Dozent für Deutsche Sprache in Holland, stammte aus Karlsbad; er war 1938 vor den Nazis nach Holland geflohen. Deutsche Teilnehmer an der Tagung waren Prälat Hartz, die Weihbischöfe von Rudloff aus Osnabrück168 und Ferche aus Köln, Kindermann, Sladek und Krahe169

164 165

166

167

168 169

Vgl. dazu Briefwechsel zwischen Vorstand und Architekt, Diözesanarchiv Limburg, 16A/7. Eine Übersicht über die einzelnen Themen der Referate der verschiedenen Kongresse anhand der Inhaltsverzeichnisse der Dokumentationsbände findet sich in Dokumentationsteil 2 (Vgl. S. 1025). Die Dokumentationsbände sind im Literaturverzeichnis unter „Kirche in Not“ zu finden. Otfried Müller, geboren 1907 in Posen, Studium in Breslau und Innsbruck, seit 1950 verwaltete er den Lehrstuhl für Dogmatik in Königstein, 1953 wechselte er an das PhilosophischTheologische Studium in Erfurt. Er starb im April 1986. Königsteiner Rufe 3 (März 1951), Heft 3, S. 87-90. „Wir fuhren nach Hause in der sicheren Überzeugung, dass durch diesen Kongress unseren Heimatvertriebenen neue Freunde gewonnen wurden und dass neue Hilfsquellen sich im Ausland erschließen werden und neue Ströme der Liebe über die Grenzen den Weg zu uns finden.“ (S. 89). Johannes Albert von Rudloff (1897 – 1978), von 1950 bis 1975 Weihbischof in Osnabrück. GATZ, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001, S. 431f. Prälat Dr. Josef Krahe (1904 – 2005), 1948-1960 Lagerpfarrer in Friedland.

670

Abschnitt VII

vom Flüchtlingsdurchgangslager Friedland, ebenso wie der Bundesminister Dr. Lukaschek.170 Der erste Kongress ‚Kirche in Not’ befasste sich vorrangig mit der deutschen Vertriebenenfrage. Der Kongress verabschiedete drei Entschließungen. Die erste sollte das Unrecht der Vertreibung aufgreifen und das Recht eines jeden Menschen auf ein eigenes Vaterland unterstreichen. „Wir beschwören daher die gläubigen Christen auf der ganzen Welt, das geschändete Ebenbild Gottes in den notleidenden heimatlosen Menschen aller Nationen durch Werke der christlichen Liebe wieder herzustellen.“171 Die zweite Entschließung widmete sich der Gefährdung des materiellen und religiösen Lebens der Heimatvertriebenen.172 Die deutschen Katholiken könnten dieses große Problem nicht aus eigener Kraft lösen. Deswegen rief der Kongress die Katholiken Europas dazu auf, tatkräftig bei der Lösung der Vertriebenenfrage und vor allem der Diasporanot mitzuhelfen.173 Die dritte Entschließung begrüßte die bisherige Tätigkeit und die Erfolge der Ostpriesterhilfe, getragen von den flämischen und holländischen Katholiken und appellierte ebenso an die Katholiken Westeuropas, das begonnene Werk durch Gebet und Opfer zu unterstützen. Pater Werenfried van Straaten sprach am letzten Tag des Kongresses über die Ostpriesterhilfe Flanderns und der Niederlande und kündigte die geplante Ausweitung dieser Ostpriesterhilfe auf die übrigen westlichen Länder an. Bereits der erste Kongress ‚Kirche in Not’ verabschiedete eine Entschließung, deren erster Punkt das Menschenrecht auf eine angestammte Heimat unterstrich. Diesen ersten Kongress ‚Kirche in Not’ in Hilversum bezeichnete Pater Werenfried van Straaten als einen notwendigen Appell an das Weltgewissen, als eine Resolution an die Öffentlichkeit. Die Kirche in Westeuropa habe die Pflicht dazu, auf die Nöte der Vertriebenen aufmerksam zu machen. „Meine lieben heimatvertriebenen Brüder und Schwestern! Ich möchte Euch durch diese Worte ein wenig Hoffnung und ein wenig Trost geben, dass Ihr die Überzeugung bekommt, dass Ihr nicht ganz ver-

170 171 172

173

Vgl. dazu den Bericht ‚Kirche in Not’, in: Christ unterwegs 5 (1951), Heft 3, S. 17. Königsteiner Rufe 3 (1951), Heft 3, S. 90. Der zweite Punkt behandelte die schwere Störung des religiösen Lebens der Betroffenen durch die Zertrümmerung der wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Ordnung. Damit sei die Kirche in Deutschland vor gewaltige seelsorgerliche Aufgaben gestellt – gerade in der Diasporasituation. Die deutsche Kirche werde diese Aufgabe allein nicht bewältigen können. Daher adressierte sie die Mahnung an die Katholiken Europas, in dieser Situation einen Anruf Gottes zu werktätiger Hilfe zu erblicken. Schließlich würdigte und begrüßte der Kongress die Initiative und die bisherigen Leistungen der Ostpriesterhilfe, die von flämischen und niederländischen Katholiken geschaffen worden war. „Der Kongress ruft die Katholiken Westeuropas auf, dieses begonnene Werk durch Gebet und Opfer zu unterstützen und im Geiste der Ostpriesterhilfe an der Linderung der Diasporanot mitzuarbeiten.“ Königsteiner Rufe 3 (März 1951), Heft 3, S. 90.

Initiativen für die Seelsorge

671

lassen seid, dass es eine Weltkirche gibt, dass es Christen gibt mit einem Herzen und einem liebenden Mitempfinden und dass Ihr nicht „abgeschrieben“ seid!“174 Der zweite Kongress fand wie alle weiteren bis 1995 in Königstein statt zum Thema ‚Erschütternde Christenverfolgung vor unseren Toren’. Hier wurden bereits 200 Teilnehmer aus 18 Ländern verzeichnet. Der dritte Kongress 1953 widmete sich dem Thema ‚Priesternot’, der vierte 1954 der ‚Verantwortung des Laien in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West’. Die folgenden drei Kongresse befassten sich durchweg mit dem Bolschewismus. 1955 stand der fünfte unter dem Titel ‚Bolschewismus – Ersatzreligion’, der sechste im darauf folgenden Jahr brachte Reflexionen zum ‚Bolschewismus – Koexistenz – Infiltration – Überwindung. Der siebte Kongress ‚Kirche in Not’ vom 28. August bis 1. September 1957 stand unter dem Motto „Nationaler Bolschewismus“. Dazu referierten Dr. Emil Franzel175 aus München zum Thema „Weltstrategie und Weltplanung des Bolschewismus heute“, Prof. Dr. Otto Forst de Battaglia176 aus Wien über „Bolschewismus und Kirche in Polen“, Monsignore Dr. Josef Közi-Horvath aus München über „Ungarns Tragödie“, Dr. Jakob David aus Zürich über „Wege und Irrwege des Nationalismus“, Monsignore Dr. Inigo König177 über den „Leidensweg der Kirche in China“ und Monsignore Prof. Otto Mauer aus Wien über die „Kirche – Ort der Freiheit und Überwinderin des Nationalismus und Kollektivismus“, schließlich der Staatsminister a.D. Adolf Süsterhenn178 über „Europa als Verpflichtung“. Am Kongress hatten 700 ständige Besucher aus 30 Völkern teilgenommen. Eine große Gruppe kam aus Ungarn: eine deutliche Auswirkung der aktuellen Situation ein Jahr nach dem Ungarnaufstand. Wie all die anderen Kongresse auch, wollte auch der siebte einen Überblick über die aktuelle Lage der Kirche des Schweigens, der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang geben und die Christen im Westen dazu aufrufen, die Brüder in der Verfolgung nicht zu vergessen, sondern für sie zu beten und nach Möglichkeit den Kontakt zu halten. Entsprechend wurde auch die Botschaft formuliert, der Zuruf an die ‚Kirche in Not’, dass der Westen sehr wohl um ihre Lage wisse, das Los der Bischöfe hinter dem Eisernen Vorhang kenne, die Entwicklungen in der Kirche mitverfolge und sie zumindest ideell unterstützen möchte. „Und dennoch, Brüder und Schwestern in der Verfolgung, werdet nicht mutlos. Gott lebt und immer noch ist er der Herr der Schöpfung. Wir, die wir bei diesem Kongress versammelt sind, fühlen uns mit Euch verbunden. Wir haben in diesen Tagen für Euch gebetet. Wir werden für Euch weiterbeten, besonders den Rosenkranz und wir wollen all das tun, was die Gottesmutter von Fatima verlangt hat. Ihr seid nicht vergessen. Kein Tag soll verge-

174 175 176 177 178

„An der Front des Abendlandes. Der Speckpater über die Ostpriesterhilfe, in: Christ unterwegs 5 (1951), Nr. 4, S. 4. Emil Franzel (1901 – 1976), sudetendeutscher Historiker. Otto Forst de Battaglia (1889 – 1965), Historiker, Kulturkritiker. Inigo König (1904 – 1964), Salvatorianer, bis 1953 Missionar in China. Adolf Süsterhenn (1905 – 1974), von 1947 bis 1951 Minister für Erziehung, Kultus in Rheinland-Pfalz.

672

Abschnitt VII

hen, ohne dass wir an Euch gedacht, ein besonderes Opfer für Euch gebracht haben. Habt Geduld und haltet aus. Euer Kreuz ist groß und schwer, aber Kreuz verheißt Auferstehung, auf den Karfreitag folgt ein Ostern.“179 Der achte Kongress ‚Kirche in Not’ fand vom 30. Juli bis 3. August 1958 statt. Nach Angaben der Veranstalter war es der bis dato bestbesuchte Kongress, an dem 800 Besucher aus 30 Völkern und Staaten teilnahmen. Viele Jugendliche waren darunter, denn gleichzeitig hatten 80 Jugendliche des „Slawischen Adlers“ in den Königsteiner Anstalten ihr Ferienlager und 170 Theologiestudenten aus zehn Ländern die achte „Internationale Theologentagung“ in Königstein abgehalten. Der Kongress stand unter dem Motto „Kommunismus auf Weltebene“. Dazu referierten Prof. Dr. Franz Gypkens180 aus Frankfurt zum Thema „Ringende Kräfte im heutigen Weltgeschehen“, Pater Jean Thomas aus Paris über die „Weltkirche“, Prof. Karl Stark aus Zürich über den „Kommunismus auf Weltebene“, Prof. Dr. Gerhard Möbus181 aus Koblenz über „Die Jugend als Hoffnung des Weltkommunismus“, Dr. Heinrich Gleisner, der Landeshauptmann aus Linz, über den Beitrag zu einem neuen Europa, Richard Hackenberg aus Frankfurt über „Jugend unter Christi – Banner für ein neues Europa“, der Limburger Weihbischof Walther Kampe sprach das Schlusswort und Pater Werenfried gab die Botschaft von Fatima zu bedenken. Aufgabe und Wirkung des Kongresses spiegelte ein Bericht in „Echo der Zeit“, wo es heißt, dass die Kongresse ‚Kirche in Not’ eine vielfältige Aufgabe hätten. Die Leistung der Veranstalter sei, dass sie diesen unterschiedlichen Anliegen in gleicher Weise gerecht würden. „Die Kongresse sind Fachtagungen für die Probleme des Kommunismus, seiner Ideologie und seines Kirchenkampfes. Sie wollen zugleich mit breiterer Ausstrahlung den Blick schärfen für die Nöte der leidenden Kirche, wollen aufrütteln und auffordern zum Gebet. Sie haben sich drittens zu einem Treffen der Vertriebenen und Verstreuten Exilgruppen entwickelt, bei dem auch die Gemüts- und Volkstumswerte ihren Platz finden und dabei doch die Schranken östlicher Nationalismen fallen. Schließlich wird viertens – und nicht zuletzt – eine jährliche Bilanz der kirchlichen Situation in den kommunistisch beherrschten Ländern vorgetragen.“182 Wie jeder der vorangegangenen Kongress verabschiedete auch der achte eine Entschließung zur ‚Kirche in Not’, die vor allem zu Gebet und Opfer mahnte. Eine wohlwollend kritische Stimme setzte sich 1958 mit dem Kongress ‚Kirche in Not’ auseinander, begrüßte die Begegnungsstätte, die der Kongress für die Völker aus

179 180

181

182

Aus der Botschaft des siebten Kongresses „Kirche in Not“, Königstein 1958, S. 9f. P. Franz Gypkens, von 1957 bis 1960 Provinzial der Weissen Väter, der Missionsgesellschaft der Afrikamissionare, stammt aus Sigmaringen; breite schriftstellerische Tätigkeit zu Missionsthemen. Gerhard Möbus, Politologe, Pädagoge, Bildungssoziologe, * 19.3.1912 in Breslau, † 10.9.1965 in Bad Oldesloe. Lothar BOSSLE, „Möbus, Gerhard“, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 607 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd117080365.html, aufgesucht am 14.10.2013. Zitiert nach dem Tagungsband, dort im Vorwort von Adolf Kindermann, S. 8.

Initiativen für die Seelsorge

673

dem Osten bot, kritisierte aber, dass es in Wahrheit kein Kongress ‚Kirche in Not’, sondern eher „Kirche in der Emigration“ sei.183 Der neunte Kongress ‚Kirche in Not’ vom 23. bis 26. Juli 1959 stand unter dem Leitgedanken „Die Wahrheit und ihre Verfälschung durch den Kommunismus“. Etwa 600 Teilnehmer, wiederum aus etwa 30 Völkern, wurden gezählt. Erneut wurde die Teilnahme von 100 Jugendlichen des „Slawischen Adlers“, einer Jugendgruppe, die sich aus Jugendlichen aus acht Völkern zusammensetzte, berichtet. „Eine eigene Atmosphäre erfüllt diese weltweiten Tagungen. Es sind nicht bloß die Grundsatzreferate, die den einzelnen Tagen ein bestimmtes Gepräge geben. Es sind vor allem auch die Situationsberichte über die Länder in der Verfolgung, die die behandelten Themen in praktischer Auswirkung ergänzen. Dann ist es überhaupt der bereits zur Tradition gewordene Rahmen des Kongresses, der mit Gebet, feierlichen Gottesdiensten und folkloristischen Gemeinschaftsabenden das Ganze umkleidet.“184 Eigens vermerkt wurde auch die bereits zur Tradition gewordene Vertretung durch die „Evangelischen Brüder“ und auch die Teilnahme von Angehörigen der orthodoxen Kirche. Wenn auch jedes Mal ausdrücklich die breite Präsenz der Presse unterstrichen wurde, darf doch die Reichweite der Außenwirkung in Frage gestellt werden. Es waren vor allem die betroffenen Kreise, also die Vertriebenen und die Exilgruppen aus den Ostblockstaaten, die sich hier versammelten und die das Interesse an und die Diskussion in dieser Thematik pflegten. So ist wohl auch der Bericht in der Herderkorrespondenz im September 1959 zu lesen, wenn die Berichterstattung über den neunten Kongress ‚Kirche in Not’ so abschloss: „Königstein ist für die Vertriebenen aller Nationen längst zum allgemein bekannten und unentbehrlichen Forum geworden. Für die Katholiken in Freiheit sollten die Kongresse ein „flammendes Zeichen“ der ‚Kirche in Not’ sein; dieses Zeichen verdient gewiss eine stärkere Beachtung, als es sie bisher in der freien Welt gefunden hat.“185 Zum Thema referierten Prof. Dr. Karl Holzamer186 aus Mainz „Was ist Wahrheit – verstehen wir uns noch?“, Dr. Paul Roth aus Königstein „Sowjetische Propaganda in Ost und West“, Pater Dr. Mario von Galli SJ aus Zürich „Die Wahrheit wird Euch freimachen“. Es folgten Berichte über die religiöse Lage in den Ländern unter kommunistischer Herrschaft – vor allem China, die westliche Tschechoslowakei, Litauen und Mitteldeutschland, sprich DDR. Kindermann hielt sein grundsätzlich reflektierendes Referat über „Wir und die Kirche in Not“, auf dem er die Intention, das Programm und das Anliegen dieser Kongresse vortrug. Die Tagungsbände dokumentierten die Ansprachen. Diese Beiträge haben den Charakter von Essays, Predigten, Besinnungen, Berichten aus eigener Anschauung

183 184 185 186

HAEK CR II 25.20d,8. Aus der Einleitung zum Tagungsband, S. 7. Herderkorrespondenz, September 1959, S. 564. Johannes Karl Holzamer (* 13. Oktober 1906 in Frankfurt/M.; † 22. April 2007 in Mainz) war ein deutscher Philosoph, Pädagoge und Intendant des ZDF. Dieter STOLTE / Richard WISSER (Hg.), Integritas. Geistige Wandlung und menschliche Wirklichkeit. Karl Holzamer gewidmet. Tübingen 1966.

674

Abschnitt VII

oder Zusammenstellungen von Berichten über Situationen in bestimmten Ländern, die der Autor bekommen hatte. Es wurde viel aktuelle Presseliteratur ausgewertet. Man produzierte Ansprachen, Predigten, weltanschauliche Literatur mit propagierendem Unterton. Man setzte sich mit den Hauptschriften der kommunistischen Literatur auseinander, indem man wichtig erscheinende Passagen exzerpierte, sich Zitate suchte, die in den eigenen Argumentationsgang passten und diesen illustrieren und verschärfen halfen. Ein solches Beispiel ist der Beitrag des Königsteiner Dozenten Paul Roth über die sowjetische Propaganda in Ost und West. In diesem Artikel werden Zahlen vorgetragen über die Mitglieder der kommunistischen Partei in der Sowjetunion, über die Presse und ihre Intentionen, über die Erziehung zum Sowjetmenschen und die Schaffung eines neuen Menschenbildes. „Die Weckung von Abscheu, Verachtung, Hass gehört zur sowjetischen Meinungslenkung … Diesem negativen Bild der Kapitalisten wird das erhabene Vorbild des Sowjetbürgers entgegengestellt, der durch seine unermüdliche Arbeit unter Führung der Partei den Kriegstreibern das Handwerk legt. Letztlich mündet so die sowjetische Meinungslenkung immer in dem Appell, mehr zu leisten, mehr zu arbeiten.“187 Ein zweiter Gedankenkreis Roths widmete sich der Meinungslenkung im sowjetischen Machtbereich. Roth führte als erstes die sogenannte mitteldeutsche Bevölkerung an, also die Menschen in der DDR, die Organisationen, die Situation von Presse und Film, schließlich die Sowjetpropaganda im nichtsowjetischen Machtbereich. Dafür griff Roth Indien, vor allem die Provinz Kerala, als Beispiel auf, wo bei den Nationalwahlen 1957 die Kommunisten mehr als 10 % der Stimmen gewonnen hatten. Zum Schluss widmete er sich der Infiltration und Propaganda in der Bundesrepublik. Es war schließlich die Zeit, als sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit dem Verbot der KPD beschäftigte (am 17. August 1956 wurde es ausgesprochen). „Unsere Aufgabe ist es, der Unwahrheit und der Hetze der Kommunisten, die wir in allen Bereichen der kommunistischen Meinungslenkung als Wesensbestandteil gefunden haben, die Wahrheit und die Liebe entgegenzusetzen.“188 Dabei muss man festhalten, dass diese Auseinandersetzung in Wahrheit und Liebe oft auch in sehr militaristischer Diktion geschah. Es war ein Weltanschauungskampf. Der zehnte Kongress ‚Kirche in Not’ vom 3. bis 6. Oktober 1960 in Königstein im Taunus war als Arbeitstagung gedacht gewesen. Der Teilnehmerkreis sollte dafür kleiner gehalten werden. Es hatten sich mehr als 300 Teilnehmer eingefunden aus 25 Völkern, davon aus 14 Völkern hinter dem Eisernen Vorhang. Thema war der Mensch zwischen Ost und West. Wiederum referierte Dr. Paul Roth aus Königstein zum Thema „Gibt es einen Sowjetmenschen?“, Nikolaus Valters aus Wien über „Sowjetische Jugend von heute und morgen“189, Prof. Franz Gypkens aus Frankfurt sprach zum Thema „Der Westen weiß nicht was er will“ und dann folgten Berichte über die religiöse Lage in Ländern unter kommunistischer Herrschaft. Publiziert wur187 188 189

Paul ROTH, Sowjetische Propaganda in Ost und West, im Dokumentationsband von 1959, S. 3151, hier S. 38. Paul ROTH, Sowjetische Propaganda in Ost und West, S. 31-51, hier S. 50. Von ihm erschien 1963 die Studie „Soziologie der sowjetischen Studentenschaft.

Initiativen für die Seelsorge

675

den die Berichte über Ungarn, Böhmen und Mähren, die Slowakei, Rumänien, China und über Afrika. Der elfte Kongress 1962 stand unter dem Titel ‚Religion und Kommunismus’, der zwölfte 1963 widmete sich dem Thema ‚ Unsere Schuld am Kommunismus’. Der 13. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 2. bis 6. August 1963 verlagerte den Schwerpunkt der Thematik weg von Auswirkungen der Weltanschauung des Kommunismus für die Kirche, weg vom kommunistischen Menschenbild im Antagonismus zum christlichen Menschenbild auf die Frage nach der Schuld des Westens am Kommunismus. Dazu gab es ein wissenschaftlich fundiertes Grundsatzreferat von Prof. Dr. Karl Bosl190 aus München über die „Stellung und Aufgabe der Slawenlehrer Kyrill und Method in der römischen Kirchenorganisation zwischen Ost und West“ – quasi eine historische Tiefenschärfung für die Situation der Kirche und das christliche Menschenbild und die Entwicklung dieses Menschenbildes. Prälat Hanssler191, der die Verbindung der katholischen Kirche zur Bundesregierung hielt, referierte über die Frage, ob die Christen eine Mitschuld am Kommunismus trügen, und schließlich der Münchner Ost- und Südosteuropahistoriker Prof. Dr. Georg Stadtmüller192 über die „Schuld der Väter“. Wiederum folgten Berichte über die religiöse Lage in den Ländern kommunistischer Herrschaft.193 Etwa 600 Teilnehmer zählte der Kongress 1963. Wiederum nahmen Vertreter aus 28 Völkern teil, 15 aus dem Osten und 13 aus der freien Welt. Die Teilnehmerzahl aus dem Westen überwog jene aus dem Osten. „In den Hauptvorträgen wurde die Schuld in Vergangenheit und Gegenwart und unsere Verantwortung für die Zukunft aufgezeichnet. Wer da behauptet, dass die Kongresse ‚Kirche in Not’ sich nur im „Antikommunismus“ bewegen oder gar noch negativere Ziele verfolgen, der musste, wenn er guten Willens war, doch endlich vom Gegenteil überzeugt sein. Von Anfang an haben sich die Kongresse ‚Kirche in Not’ stets die Frage gestellt, was wir aus christlicher Verantwortung heraus angesichts der Weltlage zu tun hätten. Dabei kann es für uns gar nicht etwa um „Agitprop“-Fragen gehen. Christliche Verantwortung wächst aus dem Gebet und ist nur aus dem Gebet immer wieder neu zu gewinnen und zu tragen. Dieser Verantwortung, die letzten Endes auch den Gegner nicht als den zu vernichtenden Gegenspieler, sondern als den Heilsbedürftigen und zum Heil berufenen Menschen mit einschließt, galten unsere gemeinsamen Gottesdienste, das Wort Gottes, das dabei verkündet wurde, unsere Feierstun-

190

191

192 193

Karl Bosl (1908 – 1993), Historiker, Inhaber des Lehrstuhls für Bayerische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Karl BOSL (Hg.), Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bde. Stuttgart 1966-1974. Bernhard Hanssler (1907 – 2005), Mitbegründer des Cusanuswerkes, Geistlicher Direktor des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Bernhard HANSSLER, Die Kirche in der Gesellschaft: Der deutsche Katholizismus und seine Organisationen im 19. und 20. Jahrhundert. Paderborn 1961. Rainer HANK, Der Geistliche und die Macht – Bernhard Hanssler. Frankfurt/M. 1997. Georg Stadtmüller (1909 – 1985), Historiker. Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte Osteuropas und Südosteuropas in München. Vom ersten Kongress ‚Kirche in Not’, der 1951 in Hilversum in Holland zum Thema „Vertriebenenproblem“ gehalten wurde, gibt es keinen Dokumentationsband. Ebenso wenig vom vierten Kongress 1954 in Königstein zum Thema „Priesterverfolgung“.

676

Abschnitt VII

den. Noch klarer aber wurde das auf den 13. Kongress durch die behandelten Themen.“194 Die Entschließung des 13. Kongresses ‚Kirche in Not’ zeigt, wie aktuell auf die Situation und damit auch die Veränderungen der Situation in den Staaten des Ostblocks eingegangen wurde. Diese Entschließung würdigte die weltweiten Bemühungen um Entspannung, die auch zu gewissen menschlichen Erleichterungen für die Kirche im Ostblock geführt haben. Ausdrücklich unterstrich sie, dass es zu begrüßen sei, wenn von befugten und verantwortlichen Persönlichkeiten Gespräche zur Linderung der Not für die Kirche des Schweigens eingeleitet wurden. Freilich wurde auch konstatiert, dass diese Gespräche in den meisten Ländern nicht einmal ein Existenzminimum für die Kirche erreicht hätten. „Mit Bedauern weist der Kongress darauf hin, dass in diesen Erleichterungen keine Änderung der Zielsetzung des Kommunismus zu sehen ist. Der Kommunismus will nach wie vor die totale Vernichtung jeder Religion. Die Versäumnisse der Christen in der Vergangenheit, die das Ausbreiten des Kommunismus begünstigt haben, sind ein Anruf an die Menschen der Gegenwart, die Gewissen zu schärften, in ständiger Wachsamkeit und Glaubensfestigkeit. Dem Kommunismus kann nur glaubhaft entgegengearbeitet werden, wenn der Westen seinen Wohlstandsmaterialismus überwindet und in Beseitigung von Hunger, Krankheit, Armut und Unwissenheit in der Welt jene soziale Tat setzt, die das Evangelium fordert.“195 750 Teilnehmer aus 29 Völkern verzeichnete der 14. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 31. Juli bis 4. August 1964 zum Thema „Friedliche Koexistenz“. Auch damit wurde eine aktuelle Diskussion aufgegriffen. Auf politischer Ebene wurde die Auseinandersetzung um den Frieden in der Welt gesucht, die Möglichkeit und den Weg diesen Frieden schaffen und finden zu können. Gleichzeitig sollte die Diskussion innerhalb der Katholischen Kirche in ihrer Bandbreite von der Pax-Christi-Bewegung bis hin zu den Friedenspriestern in den kommunistischen Staaten analysiert werden. Den regimekonformen Friedenspriestern sollte entgegengestellt werden: „Nirgends wurde in so zäher und konsequenter Weise das Wort vom Frieden bewahrt, das der Herr am Vorabend seines Todes zu den Seinen gesprochen wie in der Liturgie. Die Worte vom Frieden, die Gebete um den Frieden und der Friedenskuss in der Liturgie gehen bis in die Zeit der Katakomben zurück. Die Kirche Christi ist eine Kirche des Friedens.“196 Kindermann unterstrich, dass der Kongress alle Bestrebungen um den Frieden, woher immer sie auch kommen, wirklich ernst nehmen wollte. Nach paulinischem Motto sollte alles geprüft und das Gute behalten werden. Das hieß, es sollte Licht in die Verwirrung getragen werden, die nach Ansicht Kindermanns in manchen Kreisen der freien Welt durch ein oberflächliches Verständnis der friedlichen Koexistenz um sich gegriffen hatte.

194 195 196

Publikation des Kongresses, Einführung S. 8. Publikation des Kongresses, die Entschließung ist abgedruckt auf S. 9. Dokumentationsband von 1964, Einführung von Kindermann S. 8.

Initiativen für die Seelsorge

677

Die Ergebnisse, die in der Entschließung des 14. Kongresses ‚Kirche in Not’ in sieben Punkten zusammengefasst wurden, warnten denn auch vor einem oberflächlichen und falschen Verständnis der friedlichen Koexistenz, setze doch wahre Koexistenz voraus, dass die menschlichen Grundrechte ohne Einschränkung geachtet würden. Dies aber sah man im Kommunismus in keiner Weise realisiert: Er verkünde zwar immer wieder die Parole von der friedlichen Koexistenz, missachte aber tatsächlich in allen Ländern des kommunistischen Herrschaftsbereichs die menschlichen Grundrechte. Die Lage der Christenheit habe sich im Lauf der letzten Jahre in keinem dieser Länder gebessert. Im Gegenteil, in manchen sogar bedrohlich verschlechtert.197 Daher unterstrich die Entschließung die Warnung, sich durch die Parole der friedlichen Koexistenz nicht täuschen zu lassen. Der Kommunismus handhabe die friedliche Koexistenz nicht als ein ehrliches Nebeneinander, sondern als einen neuen Weg der Vernichtung der Kirche und des Glaubens, denn der Kommunismus sei in seinem Wesen atheistisch und deshalb mit dem Christentum unvereinbar. Die Zahl der Teilnehmer war 750. Der 15. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 6. bis 10. Oktober 1965 widmete sich dem Thema „Es geht um den Menschen“. Referenten waren Prof. Fleckenstein198 aus Würzburg über „Der Mensch in der freien Welt – seine Chancen und seine Gefährdung“, Paul Roth zu „Der Mensch in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt“ und andere. Dazu kamen wie üblich Berichte über die Situation der Kirche in kommunistisch beherrschten Staaten. Über 500 Teilnehmer werden für diesen im Jahr späten Termin vermerkt. Sie kamen aus 35 Nationen, darunter 15 im kommunistischen Herrschaftsbereich. „Die Mehrzahl der Besucher gehörte den Völkern der freien Welt an, darunter war, wie auch in den vergangenen Jahren die deutsche Gruppe die weitaus stärkste. Auch von daher ist der immer wieder erhobene Vorwurf falsch, als handele sich bei diesen Kongressen um reine Emigrantengruppen, die so etwas wie einen bitteren Beigeschmack haben. Die Hauptvortragenden waren Deutsche, keine Vertriebenen und keine Emigranten. Den Festvortrag am letzten Tag hielt der ehemalige Unterrichtsminister Österreichs und derzeitige Präsident der Stiftung „Pro Oriente“, Dr. Heinrich Drimmel199, aus Wien. Wer die Königsteiner Kongresse miterlebt hat und sich ein waches Auge bewahrte, wird den inneren Wert dieser Veranstaltungen, die nun schon mehr als 15 Jahre mit einer zähen Regelmäßigkeit ablaufen, zu schätzen wissen. Es ist ein Akt echt brüderlicher Liebe, dass wir unsere Brüder und Schwestern, die zudem vom atheistischen Kommunismus verfolgten Völkern gehören, ganz besonders gern in Königstein sehen.“200

197 198 199 200

Die Entschließung ist abgedruckt im Dokumentationsband von 1964, Einführung von Kindermann, S. 9. Heinz Fleckenstein, Professor für Pastoraltheologie in Würzburg. Heinrich Drimmel (1912 – 1991), von 1954 bis 1964 österreichischer Bundesminister für Unterricht. Gilt als Vertreter eines konservativen Katholizismus. Aus der Einführung Kindermanns im Dokumentationsband des 15. Kongresses „Kirche in Not“, Königstein 1966, S. 7-9, Zitat S. 7.

678

Abschnitt VII

Wiederum entsprach das Thema dem Grundduktus ‚Das Verhältnis der Religion zum Kommunismus’. Kindermann griff in seiner Einführung den wiederholt erhobenen Vorwurf auf, deshalb Antikommunismus zu betreiben. Er erwiderte, dass gerade diese Haltung von Anfang an auf den Kongressen verpönt gewesen sei. Es war ständiges Bestreben, nicht schwarz-weiß zu malen und die Übelstände nur auf der Gegenseite zu sehen. „Wir haben uns selber immer wieder die Frage gestellt nach unserer eigenen Schuld und Verschuldung und haben uns ernstlich bemüht, aus brüderlicher Verantwortung heraus eine rechte Antwort auf die erkannten Nöte zu finden und vor allem auch in der Tat zu geben.“201 Der 16. Kongress fand vom 4. bis 7. August 1966 statt. Zwischen 400 und 500 Teilnehmer aus 25 Völkern wurden verzeichnet. Er stand unter dem Motto „Der Dialog“. Man musste sich mittlerweile in nachkonziliarer Zeit auch der Frage stellen, ob die Kongresse überhaupt noch einen Sinn hatten. Die Lage habe sich verändert, so Kindermann in seiner Einführung: Ein Staat nach dem anderen schließe mit der Kirche, wenn auch kein Konkordat, so doch ein Abkommen, auch im Ostblock. Andere meinten, der Kommunismus habe sich gewandelt oder wandle sich. Die atheistische Komponente sei kein wesentlicher Bestandteil, die kommunistischen Länder suchten Kontakt mit der freien Welt. Auswirkungen des Konzils auf den Kongress waren eine größere Rücksicht auf die ökumenische Gestaltung: zum Abschluss des ersten Kongresstages wurde ein Wortgottesdienst gefeiert, der von einer orthodoxen, einer evangelischen und einer katholischen Gruppe gestaltet wurde. Auch ein evangelischer Referent, Prof. Peter Meinhold202, aus Kiel war eingeladen worden, der zum Thema „Die Vertretung der Wahrheit“, den Festvortrag hielt. „Auch von der Thematik her war der Geist des Konzils zu spüren. Es wurde die Religionsfreiheit im Allgemeinen und jene in den kommunistischen Ländern behandelt und von hier aus zu dem nicht leichten Thema des Dialogs mit dem Kommunismus Stellung genommen.“203 Detailthemen bildeten die Religionsfreiheit nach dem Zweiten Vatikanum, die Religionsfreiheit in den Ländern unter kommunistischer Herrschaft, die Möglichkeit eines Dialogs mit den Kommunisten. Die Entschließung gab sich dialogbereit, konstatierte aber bei den kommunistischen Gesprächspartnern ungelöste Aufgaben, weil die grundsätzlichen Voraussetzungen zu einem echten Dialog, nämlich Freiheit der Meinungsäußerung und Liebe zur Wahrheit nicht gegeben seien. Sie nahm den wachsenden Wunsch nach mehr Freiheit in den kommunistischen Ländern wahr, es sei unüberhörbar, aber es bleibe auch weiterhin, das Gebot der Stunde den Brüdern in Not zu helfen.204

201 202 203 204

Aus der Einführung Kindermanns im Dokumentationsband des 15. Kongresses, S. 7-9, Zitat S. 8. Peter Meinhold, Professor für evangelische Theologie an der Universität Kiel. Arbeitete unter anderem über die ökumenische Relevanz des Thomas von Aquin. Aus der Einführung in den Dokumentationsband, Königstein 1966, S. 7f., Zitat S. 8. Die Entschließung ist abgedruckt in der Einführung in den Dokumentationsband, S. 9.

Initiativen für die Seelsorge

679

Erneut wurde das Thema „Friede“ auf dem 17. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 3. bis 6. August 1967 aufgegriffen „Der Friede und die Kirche in Not“ hieß das Thema. 350 ständige Teilnehmer zählte der Kongress. Sie kamen wiederum aus etwa 25 Völkern. Hinzu kamen etwa 100 partielle Teilnehmer. Das Ringen um den Weltfrieden sei zum Hauptanliegen der Zeit geworden, daher habe auch der 17. Kongress dieses Thema erneut aufgegriffen. Lediglich eine gerechte Friedensordnung könne die Not der verfolgten Kirche aufheben. Der Kongress plädierte für eine Gesprächsbereitschaft, die niemanden ausschließe, die die Realitäten kenne und getragen sei von der Liebe zur Wahrheit in der Freiheit der Meinungsäußerung und von der Achtung vor dem Partner. Die Auswirkungen der Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils zeigten sich sehr deutlich in Punkt 4 der Entschließung, wo formuliert wurde, dass der Weg zum Frieden über den innerkirchlichen Dialog führe, über das brüderliche Zusammengehen der christlichen Konfessionen und das friedliche Miteinander der Religionen. Die Versöhnungsbereitschaft und der Abbau von Vorurteilen unter den Völkern wurde eingefordert, ebenso die Haltung, dass niemand die Rechte eines anderen verletze.205 Gleichsam eine konkretisierende Weiterführung brachte der 18. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 1. bis 4. August 1968 zum Thema „Die Menschenrechte“. Etwa 400 Teilnehmer zählte der Kongress, der zeitgleich zum Katholikentag in Essen stattfand. Referenten waren der Moraltheologe Prof. Dr. Johannes Gründel aus Freising, vormals Student und Spiritual in Königstein zum Thema „Der Mensch in der gottgewollten Würde“, der Dominikaner Pater Henri de Riedmatten206 aus Genf zu „Der Mensch selbst hat dieses Bild zerstört“, Prof. Dr. Theodor Veiter207 aus Feldkirch zu „Die Menschenrechtskonventionen“, Prof. Dr. Walter Grotjahn aus Würzburg über „Menschenrechte in kommunistischer Theorie und Praxis“ und Hans Werner Bracht208 aus Bad Godesberg über „Grund- und Menschrechte im Sowjetsystem“. „Es lag nahe, im Jahre der Menschenrechte sich mit diesem Thema zu befassen. Hatte der vorausgegangene 17. Kongress mit seinem Thema „Der Friede und die Kirche in Not“ nach einem sehr guten Verlauf ein nachhaltiges Echo im In- und Ausland gehabt, so war die Behandlung der Menschenrechte eine neuerliche Unterstrei-

205 206 207

208

Die Entschließung ist abgedruckt im Dokumentationsband des 17. Kongresses „Kirche in Not“, Königstein 1968, S. 10. P. Henri de Riedmatten OP (1919 – 1979), vatikanischer Beobachter bei den Genfer UNBehörden. Theodor Veiter (1907 – 1994), österreichischer Völkerrechtler. War Honorarprofessor in Königstein und Innsbruck. Richtete 1981 in Feldkirch eine Forschungsstelle für Nationalitätenrechte und Regionalismus ein. Vertrat eine katholisch-nationale Richtung. Brigitte BEHAL, Kontinuitäten und Diskontinuitäten deutsch-nationaler katholischer Eliten im Zeitraum 1930 – 1965, Dissertation, Universität Wien, Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, 2009. Hans Werner BRACHT (1927 – 2005). Professor für öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht mit deutlich rechten Standpunkten; aus der CDU ausgeschlossen. – Ideologische Grundlagen der sowjetischen Völkerrechtslehre, Köln 1964. Grundprinzipien einer europäischen Friedensordnung, Hannover 1968. Zum Problem der völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Kontinuität Deutschlands nach 1945, 1957.

680

Abschnitt VII

chung der Bemühungen um den Frieden.“209 Kindermann sah gerade dieses Thema mitten in der Tradition der Intention der Kongresse „Kirche der Not“ stehen. Sie wollten die grundlegenden Menschenrechte, das Recht auf menschliche Existenz, auf Freiheit, auf Menschenwürde und das Recht auf Religionsfreiheit herausarbeiten. „Dieses Recht wurde zwar in den Verfassungen vieler Staaten garantiert, wurde und wird aber in der Praxis sehr oft mit Füßen getreten. Hier waren unsere Kongresse viele Jahre hindurch, wenn auch nicht immer von allen gehörte, so aber doch ständige Mahner und Rufer an das Weltgewissen, was uns von Seiten der leidenden und verfolgten Brüder dankbar vermerkt wurde.“210 20 Jahre nach der Menschenrechtserklärung würden die Menschenrechte nicht genügend beachtet, so der Tenor des Kongresses – vor allem in der Dritten Welt, wo Millionen des elementarsten Lebensrechtes entbehrten, nicht ohne Schuld der hoch industrialisierten Staaten. Der Kongress forderte eine internationale Instanz, die eine umsichtige Kontrolle ausüben sollte, um Verletzungen der Menschenrechte besser und schneller an die Öffentlichkeit bringen zu können. Und zu diesen Menschenrechten gehörten auch die Religionsfreiheit und damit auch das Recht der Eltern, ihre Kinder im Glauben zu erziehen.211 Der 19. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 23. bis 27. Juli 1969 widmete sich dem Thema „Die Unruhe in der Welt“. Die Zahl der Teilnehmer hatte sich mittlerweile auf etwa 400 eingependelt, davon etwa die Hälfte Deutsche. Ausdrücklich unterstrich Kindermann, dass unter ihnen die Heimatvertriebenen den kleineren Teil bildeten. Eine rege Beteiligung der jungen Generation aus verschiedenen Völkern verzeichnete der Leiter eigens. Einige von ihnen hatten vorher an der internationalen Theologentagung in Königstein teilgenommen.212 Der Kongress griff die gesellschaftliche Unruhe, gerade auch im Westen, auf. Sie wurde als sein berechtigtes Anliegen bezeichnet, wenn sie aus einem Unbehagen an ungerechten Zuständen gespeist und vom Gefühl der Mitverantwortung getragen werde. Freilich meinte der Kongress nicht primär die Unruhe im Westen, sondern die in den kommunistischen Staaten: Die Suche nach Frieden, die Suche nach Veränderungen. In diesem Kontext sprach Prof. Kroker über die „Menschenrechte in der Volksrepublik China“. Kroker, der lange Jahre in Königstein das Fach Philosophie und Religionsphilosophie vertrat, analysierte die Aussagen der chinesischen Verfassung von 1944 auf ihre Grundprinzipien hin: den Klassenkampf, die Führungsrolle der Partei und den demokratischen Zentralismus. Ausdrücklich wurde erwähnt, dass diese Verfassungsbestimmungen in den Massen des Volkes diskutiert wurden. 150 Mio. hätten an dieser Diskussion mitgewirkt. Die Präambel und die Verfassungsbestimmungen im dritten Kapitel bildeten die Grundlage der Ausführungen Krokers, weil dort die Freiheitsrechte beschrieben waren. Kroker kritisierte vor allem, dass die Grundrechte, die Menschenrechte nicht eingefordert werden könnten und dass sie 209 210 211 212

Aus der Einführung in die Dokumentation der Tagung, Königstein 1968, S. 8. Aus der Einführung in die Dokumentation der Tagung, S. 9. Die Entschließung ist abgedruckt in der Einführung in die Dokumentation der Tagung, S. 10. Aus der Einführung in den Dokumentationsband des 19. Kongresses, Königstein 1969, S. 7.

Initiativen für die Seelsorge

681

letztlich nicht dem konkreten Einzelmenschen zukämen, sondern der Gesellschaftlichkeit im Menschen.213 Das Hauptaugenmerk galt nicht dem Staatsbürger, dessen Recht dem Staat Grenzen setzt, sondern dem Kollektiv, also dem Staat. Kroker formulierte daraus als Fazit, dass in den kommunistischen Staaten die Grundrechte unter einem Verfassungsvorbehalt stünden. So kam er zu dem Ergebnis, dass der Grundrechtskatalog der chinesischen Verfassung eine leere Fassade der Rechtsstaatlichkeit sei. „Brüderlichkeit, Illusion oder Chance“ lautete das Thema des 20. Kongresses ‚Kirche in Not’ vom 29. Juli bis 2. August 1970. Wiederum spricht der Bericht von 400 Teilnehmern aus 26 Völkern.214 Ein markanter Beitrag, die grundlegende Reflexion der Thematik des 20. Kongresses, kam von Prof. Leo Scheffczyk aus München, dem vormaligen Schüler, Studenten und Dozenten Königsteins. Er referierte über die brüderliche Gemeinschaft des Gottesvolkes.215 Scheffczyks Reflexionen unterstrichen die Fundierung der Brüderlichkeit aller Menschen im Geschenk der Gottesliebe. So konnte er die positiven Ansätze in humanistischen Bestrebungen nach Brüderlichkeit durchaus würdigen, sah sie aber als zu

213

214

215

Eduard KROKER, Die Menschenrechte und die Volksrepublik in China, in: Dokumentation des 19. Kongresses „Kirche in Not“, Königstein 1969, S. 70-78. „Die Grundrechte stehen, so möchte man meinen, dem konkreten Einzelmenschen zu, aber in Bezug auf die Gesellschaft ist der konkrete Einzelmensch nur eine Erscheinung niederer Art. Er wird zugunsten der Gesellschaft im hegelschen Sinn aufgehoben. In der kommunistischen Ideologie bedeutet der Mensch nicht das konkrete Individuum, sondern die Gesellschaftlichkeit im Menschen. Das hegelsche konkret Allgemeine, die Grundrechte kommen nicht dem Einzelmenschen zu, sondern der Gattung Mensch und hierin sehen wir auch, warum die Volksrepublik China sich im Einzelfalle über den Menschen, den konkreten Menschen im Interesse der Gattung Mensch hinwegsetzt. Und noch etwas ist bei der Beurteilung der Menschenrechte zu beachten: der Mensch wird nicht als Person anerkannt, d.h. als ein Wesen, dem Seinsautonomie und Wertautonomie zukommt. Er gilt als ein unselbständiger Teil des Kollektivs, der nicht die Freiheit hat, über sich selbst zu bestimmen. Das ist logisch gedacht, da das Bewusstsein nichts anderes ist, als eine Funktion der hochorganisierten Materie Gehirn. Befähigte dieses Bewusstsein den Menschen zum selbstständigen Handeln, zum freien Agieren, so müsste ihm Seinsautonomie zukommen, die von der marxistischen Anthropologie her nicht anerkannt wird.“ (S. 77). Aus der Einführung Kindermanns in den Dokumentationsband des 20. Kongresses, Königstein 1970, S. 7: „Jedes Jahr fragen wir uns, Vertreter der Völker aus dem Osten und dem Westen, sollen wir noch einen solchen Kongress veranstalten? Es ist gewiss in einigen Ländern für die Kirche erträglicher geworden; aber frei ist sie auch da nicht. Wir merken auch in westlichen Kreisen, dass das Interesse und Mitgefühl für die unterdrückte Kirche immer mehr in den Hintergrund rückt. Die Nöte der Dritten Welt, Kriege im Nahen und Fernen Osten, Ungerechtigkeiten, Unruhen und auch Krisen innerhalb der Kirchen verdrängen die Sorge um die Glaubensbrüder hinter Mauer und Eisernem Vorhang. Diese Not dauert eben schon zu lange und man ist ihrer vielfach schon müde geworden. Aber immer wieder werden wir gebeten, uns in unserer Aufklärungsarbeit nicht entmutigen zu lassen, sondern auch weiterhin ein solides und wahrheitsgetreues Sprachrohr zu sein für die Brüder und Schwestern, für die Kirche im Osten.“ (S. 7). Leo SCHEFFCZYK, Die brüderliche Gemeinschaft des Gottesvolkes, im Dokumentationsband, Königstein 1970, S. 11-26.

682

Abschnitt VII

kurz greifend. Scheffczyk sprach bereits in den sechziger Jahren von der Sehnsucht nach dem brüderlichen Dialog als einem Ferment für das Einheitstreben einer sich in planetarischer Weise zusammenschließenden Welt – wir würden heute ‚Globalisierung‘ formulieren. Hier fließe auch der Wunsch nach Demokratisierung von Gesellschaft und Kirche ein, dem als letztes Ziel die brüderliche Einheit der Menschheitsfamilie vorschwebt. Scheffczyk sah auch die Probleme, diese Euphorie der Brüderlichkeit ohne Reflexion und Einschränkung in den kirchlichen Raum zu übernehmen.216 Er mahnte, dass aus dem Wesensverständnis der christlichen Brüderlichkeit sich die Unbegrenztheit und Universalität notgedrungen herleite. Die Brüderlichkeit müsse also auf die ganze Menschheit bezogen werden. „Mit dem Gedanken von der Universalität und der Radikalität der christlichen Liebe in der Bruderschaft der Kirche münden diese Erwägungen ungezwungen in das umfassende Thema dieses Kongresses ein, das darauf zielt, die Brüderlichkeit der Kirche für das Verhältnis zu den christlichen Kirchen des Ostens, wie zur östlichen Welt überhaupt, fruchtbar zu machen.“217 Ihm ging es um den Annäherungsprozess zwischen der Kirche des Westens und den Kirchen des Ostens, die unter dem neu entdeckten Wert der christlichen Brüderlichkeit in einem neuen Licht und in neuer Dringlichkeit erschienen. In dieser Verantwortung der westlichen Kirche für den Osten sei es wichtig, dass die Christen des Westens nicht der Gefahr erlägen, das Paradox der Botschaft Jesu gegenüber der Welt zu vergessen, also auf das Ärgernis Gebende und Anstoß Erregende zu verzichten. Die Kirchen des Ostens hingegen setzten nach Scheffczyk in ihrem Leidensmut ein Zeichen, dass das Evangelium auch die andere Forderung in sich schließe, nämlich die nach dem Loslassen der Welt, nach der Annahme des Misserfolges und nach Untergehen und Sterben in den Augen der Welt. Es lag in der Position Scheffczyks begründet, dass er nachdrücklich warnte, die Grenzen bei der Verwirklichung des Programms der christlichen Brüderlichkeit zu verwischen. Der Verweis auf die Brüderlichkeit dürfe nicht alle Differenzen zwischen den Religionen, den Konfessionen und Weltanschauungen harmonisieren, dann werde man sehr schnell den Schritt ins Illusionäre tun. Liebe und Gemeinschaft dürften nicht auf Kosten der Wahrheit erkauft werden.218

216

217 218

SCHEFFCZYK, Die brüderliche Gemeinschaft des Gottesvolkes, S. 16: „Die Hervorhebung dieses Charakters der Kirche ist freilich nicht ganz unproblematisch, weil sich damit sofort eine Reihe von Fragen ergibt, wie die nach dem Institutionscharakter dieser Kirche, nach der Möglichkeit von Autorität und Amt in ihr, nach der Stellung von Lehrzucht und Disziplin. Überall deutet sich hier die Möglichkeit an, den Gedanken der Brüderlichkeit entweder durch das Institutionelle zu gefährden oder ihn durch das charismatische Moment zu übertreiben. Zu diesen Fragen kann hier nur allgemein gesagt werden, dass die Brüderlichkeit als inneres Lebensprinzip und als der Geist des Ganzen nicht gegen äußere Ordnungen, gegen gestufte Ämter und Dienste spricht. Aber auch diese müssen eben vom Geist und Charisma der Bruderschaft durchweht und getragen sein. Bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass der begründete Gedanke christlicher Brüderlichkeit eine immanente Kritik an allen heutigen Versuchen enthält, die Liebe zu Christus und die Bruderliebe gleich zu setzen oder was dasselbe ist, Gottesliebe und menschliche Bruderliebe miteinander zu identifizieren.“ (S. 16f.). SCHEFFCZYK, Die brüderliche Gemeinschaft des Gottesvolkes, S. 19. Vgl. SCHEFFCZYK, Die brüderliche Gemeinschaft des Gottesvolkes, S. 23.

Initiativen für die Seelsorge

683

Sein Fazit lautete: „Wenn Brüderlichkeit vom Mitmenschen her abzuleiten wäre und so allein eine zwischenmenschliche Wirklichkeit wäre, müsste sie dem anderen tatsächlich jeden Anstoß ersparen und ihr Ziel immer in der restlosen Anpassung an die Wünsche des irdischen Menschen sehen. Weil sie aber hinter sich immer die Forderung Gottes stehen hat, muss sie den Forderungscharakter des christlichen Zeugnisses auch an den anderen weitergeben. Der Christ braucht dabei nicht zu befürchten, mit seinem eindeutigen Zeugnis den anders denkenden Bruder zu verletzen oder ihn zu verlieren. Er darf sogar der Hoffnung leben, dass am Ende nur die in der Wahrheit gehärtete Brüderlichkeit überzeugend wirken wird. Nur so kann sie der Gefahr einer Illusion entgehen und eine Chance sein zur tieferen Einigung der Welt im Geist und in der Wahrheit. Eine Chance, die uns nicht zuletzt durch das Vorbild der christlichen Kirchen des Ostens dargeboten wird.“219 Der 21. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 28. Juli bis 1. August 1971 widmete sich dem Thema „Christentum und Atheismus heute – eine Bilanz“. Die Zahl der Zuhörer war noch einmal zurückgegangen. Es sind etwa 300 Teilnehmer vermerkt. Kindermann notierte dies durchaus auch positiv. Der Kongress hätte sich von einer Massenversammlung zur Beratung von Menschen hin entwickelt, die wirklich an der Problematik interessiert seien, also von der großen Kundgebung zur größeren Tagung. Die Referenten kamen wie gewohnt – oft waren sie Dauerreferenten – aus dem konservativ katholischen Lager: Sie reichten vom Philosophen und Theologen Prof. Dr. Hans Pfeil220 aus Bamberg über Kroker aus Königstein, der zu Religion und Atheismus in Südostasien referierte, bis hin zu Paul Roth, der über Gläubige und Ungläubige in der Sowjetunion vortrug, und Manfred Spieker221, damals noch München, der den Anspruch des Humanismus im westlichen Atheismus bedachte.222 Mit den zunehmenden Jahren mussten sich die Veranstalter, allen voran Kindermann, verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, ob die Kongresse wirklich noch

219 220

221 222

SCHEFFCZYK, Die brüderliche Gemeinschaft des Gottesvolkes, S. 25f. Hans Pfeil (1903 – 1997), Professor für Philosophie an der Universität Bamberg. Thea RANK / Johannes STÖHR (Hg.), Prälat Professor DDr. Hans Pfeil. Ein christlicher Philosoph. Leben und Werk (mit Autobiographie, Bibliographie). Weilheim-Bierbronnen 1998. Manfred Spieker, geb. 1943, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück. „Die Auswahl der Referenten – nach 20 vorausgegangenen Kongressen fast immer über das gleiche Grundthema nicht leicht – war nach allgemeiner Meinung gut gelungen. Prof. Pfeil, selber Berater im Römischen Sekretariat für die Nicht-Glaubenden, gab den großen Aufriss „Das Phänomen des Atheismus heute“. Daran schlossen sich jeweilige Teilsichten in den verschiedenen Kontinenten. Prof. Dr. J. F. Thiel über Afrika, Luis De Boni über Südamerika, Prof. D. Dr. Eduard Kroker über Südostasien. Dazu gab Pater W. Hunger SJ sehr wertvolle Einsichten in das Problem Vietnam. Schließlich behandelte der bereits aus früheren Kongressen bestens bekannte Dr. Paul Roth die Lage der Gläubigen und Ungläubigen in der Sowjetunion. Nach dem letzten Vortrag von Manfred Spieker über den „Anspruch des Humanismus im westlichen Atheismus“ gab es eine halbtägige Podiumsdiskussion, an der sich viele beteiligten und die in den vergangenen Tagen vorgetragenen Sichten durch Fragen und Antworten noch klärten und vertieften.“ (Aus der Einführung von Adolf Kindermann, S. 7f.).

684

Abschnitt VII

aktuell und für eine breitere Öffentlichkeit auch im katholischen Raum relevant waren. Der 22. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 13. bis 16. Juli 1972 stand unter dem Thema „Religionsfreiheit für alle“. Wiederum wurden etwa 300 Personen aus 25 Völkern als Teilnehmer verzeichnet. „Die Thematik wurde in der seit Jahren schon bewährten Art behandelt: Ein grundlegender Vortrag umschrieb das Anliegen. Es folgten zwei weitere Vorträge. Einer über die „Religionsfreiheit unter kommunistischer Herrschaft“ und der andere über die „Religionsfreiheit in der freien Welt“. Wo immer es möglich war und die Zeit es erlaubte, schlossen sich Aussprachen und Meinungsaustausch an.“223 Der 23. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 9. bis 12. August 1973 widmete sich dem Thema „Jugend zwischen Marx und Christus“. 350 Teilnehmer aus 22 Völkern sind vermerkt. Den Dokumentationsband für den 24. Kongress ‚Kirche in Not’ zum Thema „Humanismus, Marxismus, Christentum“ mit Beiträgen von Jörg Splett224, Manfred Spieker, Paul Roth und anderen und einer Meditation über das biblische Menschenbild durch Prof. Janko aus Königstein verantwortete bereits Richard Hackenberg als Leiter des Hauses der Begegnung und als Nachfolger von Kindermann. Der 24. Kongress ‚Kirche in Not’ fand vom 25. bis 28. Juli 1974 wiederum mit etwa 300 Teilnehmern aus 21 Völkern in Königstein statt.225 Der 25. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 24. bis 27. Juli 1975 wies einen Besucherzuwachs aus. Etwa 580 Teilnehmer aus 32 Nationen beteiligten sich am Thema „Aufbruch des Geistes – Grenzen der Gewalt“. Richard Hackenberg hielt in der Einführung zur Dokumentation des 25. Kongresses ausdrücklich fest, dass die Veranstalter und Teilnehmer dieses 25. Kongresses beschlossen hatten, die Reihe fortzusetzen. Es sollte auch künftig ein pluralistisches Meinungsforum geistiger Auseinandersetzung und eine Stätte der Information geboten werden. Auch kontroverse Anschauungen sollten dort ihren Platz finden. So widmete sich der 26. Kongress ‚Kirche in Not’ dem Thema „Massen, Macht und Medien“. Erneut wird von über 500 Teilnehmern aus 30 Nationen berichtet, die sich vom 22. bis 25. Juli 1976 in Königstein trafen. „Der Kongress hatte es sich zur Aufgabe gesetzt, Missbrauch von Sprache und Macht zu untersuchen und zu prüfen,

223 224 225

Aus der Einführung in den Dokumentationsband, Königstein 1972, S. 7. Jörg Splett, geb. 1936, Professor für Philosophische Anthropologie, Religionsphilosophie und Geschichte der Philosophie in Frankfurt/St. Georgen. Aus der Einführung in den Dokumentationsband wird auch ersichtlich, dass erneut die Berechtigung der Fortführung dieser Veranstaltung diskutiert wurde: „Die über 300 Teilnehmer des Kongresses haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Fortführung dieser Veranstaltungen wünschen. Mit ihnen ist sich die Leitung des Hauses der Begegnung darin einig, dass es gerade in einer Zeit allgemeiner Säkularisierung und zunehmender Gleichgültigkeit notwendig ist, den Blick zu schärfen für die ‚Kirche in Not’. Diesem Ziel sollen auch folgende Kongresse dienen. Dem Charakter der Kongresse entsprechend wird dabei die Kirche im Osten im Mittelpunkt der Referate und Diskussionen stehen, was nicht heißt, dass die Not der Kirche im Westen unberücksichtigt bleiben muss.“ (S. 7).

Initiativen für die Seelsorge

685

wo Möglichkeiten und Grenzen der Massenmedien liegen. Darüber hinaus wollte er neueste Informationen über die Lage der Kirche in Ländern vermitteln, in denen die Christen von ihrem formal meist zugebilligten Recht auf Religionsfreiheit nicht oder nur sehr bedingt Gebrauch machen können.“226 Der 27. Kongress ‚Kirche in Not’ widmete sich dem Thema „Ringen um den Menschen: Freiheit in Ost und West“. Er fand vom 28. bis 31. Juli 1977 in Königstein statt und wurde von über 450 Teilnehmern aus 34 Nationen besucht. Der 28. Kongress ‚Kirche in Not’ widmete sich erneut dem Thema „Religionsfreiheit als ein Grundwert menschlicher Existenz“. Der Bonner Moraltheologe Prof. Dr. Franz Böckle227 referierte dort über „Werte und Rechte im Verständnis der Kirche“. Der Mainzer Prof. Dr. Hans Buchheim228 über „Menschenrechte in Geschichte und Gegenwart“, der Würzburger Prof. Dr. Günther Küchenhoff229 sprach über „Religionsfreiheit und staatliche Macht“ und schließlich Pater Werenfried van Straaten über „Die Solidarität mit den verfolgten Christen“. Wie üblich folgten die Berichte über die Lage der Kirche in kommunistisch regierten Ländern. Über 450 Teilnehmer aus 31 Völkern kamen vom 20. bis 23. Juli 1978 zu diesem Kongress nach Königstein. Der 29. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 18. bis 22. Juli 1979 stand unter dem Thema „Christentum – eine Hoffnung für ganz Europa“. 600 Teilnehmer aus 31 Nationen waren in diesen Tagen in Königstein. Der Kongress wollte das Bewusstsein dafür schärfen, dass Europa größer sei als die Europäische Gemeinschaft und nicht am Eisernen Vorhang aufhörte, sondern gerade die östlichen Nachbarn bei den Bemühungen um ein vereintes Europa nicht vergessen werden dürften. Dr. Rudolf Mattausch, Lehrer am Gymnasium in Königstein, zeichnete die „Vision eines christlich geprägten Europas“, Prof. Dr. Georg Strobl230, Darmstadt, widmete sich den „Christen im Osten und ihrem Beitrag für Europa“, Privatdozent Horst Glassl231 aus München sprach über „Kirche und Abwehr des Totalitarismus“, Dr. Herbert Gillessen aus Berlin über die „Bekehrung zum Evangelium“. Zum ersten Mal war dem 29. Kongress ein Jugendtag vorgeschaltet, der am Nachmittag des 18. Juli begann und bis zum Mittag des Folgetages dauerte. Etwa 100 Jugendliche hörten ein Referat über die Sowjetjugend und ihre Haltung zur Religion. Der Kongress mit seinen 600 Teilnehmern formulierte eine Entschließung an das eben vom Volk neu gewählte Europaparlament. Darin wurde gemäß dem Anliegen der Veranstaltung erinnert, Europa in seiner gesamten Dimension zu sehen. Beim Werden Europas habe das Christentum auch im Osten eine prägende Rolle gespielt

226 227 228 229 230 231

Einführung in den Dokumentationsband des 26. Kongresses, Königstein 1976, S. 7. Franz Böckle (1921 – 1991), Professor für Moraltheologie in Bonn. Dewi Maria SUHARJANTO, Franz Böckle. In: BBKL, Band 27 (2007), Sp. 118-143. Hans Buchheim, geb. 1922. Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz. Günther Küchenhoff (1907 – 1983), Rechtswissenschaftler an der Universität Würzburg. Hatte noch 1944 einen Aufsatz über: „Großraumgedanke und völkische Idee im Recht“ verfasst. Georg Strobl (1923 – 2010), Mitbegründer des Deutschen Polen-Institutes in Darmstadt. Horst Glassl, geb. 1934. Professor für Geschichte Südosteuropas in München.

686

Abschnitt VII

mit den christlich verstandenen Werten Humanität, Gerechtigkeit und Freiheit. Aus einer solchen Tradition stelle sich das christlich geprägte Europa jedem Zentralismus und Totalitarismus entgegen. „Deshalb fordert der Kongress die Schaffung eines Europas freier Völker. Jedes Volk und jede Volksgruppe hat seinen Platz in diesem Europa … Die freiheitsliebenden Menschen im Osten leisteten und leisten weiterhin ihren Beitrag für das Werden eines geeinten Europa. Dies ins Bewusstsein zu rücken, ist unsere ständige Aufgabe.“232 Genau zehn Jahre vor der Wende im Osten wurde diese Erklärung verabschiedet. Nicht nur in den ersten Jahren in Königstein war es durchaus üblich, dass Hochschulprofessoren am Gymnasium unterrichteten und Gymnasiallehrer auch Kurse an der Hochschule hielten. Auch später kam es immer wieder vor, dass Lehrer des Gymnasiums als Referenten etwa bei den Kongressen ‚Kirche in Not’ auftraten. Gleich zwei Beispiele finden sich im 29. Kongress, bei dem Dr. Franz Jockwig Meditationen hielt zum ökumenischen Thema „dass alle eins seien“ und Dr. Rudolf Mattausch den Eröffnungsvortrag über die Vision eines christlich geprägten Europa hielt. Mattausch war zeitweise Mitarbeiter von Prof. Huber im Institut für Kirchengeschichte Böhmen, Mähren und Schlesien gewesen. Im Jahr der ersten Direktwahl zum Europaparlament, die gerade bei Jugendlichen auf eher verhaltenes Interesse stieß, referierte Mattausch über die geistigen Grundlagen für künftiges Europa. Der Themenformulierung gemäß handelte es sich vor allem um Bilder, um Identifikationsund Orientierungsmuster, die Mattausch empathisch, teils auch missionarisch vortrug.233 Der Europagedanke spielte für die Vertriebenen eine zentrale Rolle. Insofern ist es wichtig, darauf zu achten, welche Bilder gezeichnet wurden und wie sie eingesetzt wurden. Der Historiker Mattausch schuf mit dicken Linien ein sehr kräftiges Bild. Ganz in der herkömmlichen Diktion sprach er vom machtvollen Erwachen der Slawenwelt, vom leidenschaftlichen Ringen seit dem Revolutionsjahr 1848 um die Ausgestaltung einer übernationalen Völkergemeinschaft, so dass in diesem Raum ein europäisches Bewusstsein entstanden sei, das heute noch als Grundzug in den Völkern der Nachfolgestaaten der Habsburger Monarchie lebendig sei.234 Das pathetische Bild der Hügel, auf denen das Abendland ruhe, ist sehr kaiserlich, königlich, kirchlich eingefärbt. Immerhin aber konzedierte Mattausch die Vielfalt als ein grundlegendes Merkmal dieses Europabildes.235 Wenn er freilich die Vielfalt betonte, dann meinte er doch die europäische, geistige Tradition im Singular – freilich auch hier gleich kon-

232 233

234 235

Dokumentationsband, Königstein 1979, S. 11. Rudolf MATTAUSCH, Vision eines christlich geprägten Europa, in: ‚Kirche in Not’, Dokumentationsband des 29. Kongresses, „Christentum – eine Hoffnung für ganz Europa“, Königstein 1979, S. 13-23. MATTAUSCH, Vision, S. 13. „Der Hügel, auf denen nach Heuss das Abendland ruht, sind mehr geworden: Monte Casino, das Ungarische Gran, der Wiener Kahlenberg, der Prager Hradschin, der Montserrat, der Krakauer Wawel: Säulen sind es von unterschiedlicher Stärke und Tragfähigkeit. Sie tragen Europa, einer ungeheuren Kuppel gleich, weit ausgespannt über die Vielfalt seiner Völker. Nicht Uniformität, sondern Vielfalt ist sein Merkmal.“ MATTAUSCH, Vision, S. 14.

Initiativen für die Seelsorge

687

zedierend, dass Europa nicht nur Geist, sondern auch Ungeist bedeute. Mattausch sympathisierte mit der integrierenden Position vieler Theologen, dass griechische Philosophie, biblische Gotteslehre und römisches Rechts- und Reichsdenken zur Gestalt der abendländischen, europäischen Tradition geführt hätten, zu der substantiell die Klöster, die Schulen, die Universitäten und die großen, wegweisenden Konzilien gehörten. „Das Wesen des christlichen Europa war Einheitlichkeit, nicht nivellierende Einheit. Ratzinger zählte zu Europa die großen geistigen Erträge der nachmittelalterlichen Geschichte, die Reformation, die ausfließende Vielfalt der Konfessionen, die Toleranz, die Gewissensfreiheit, die Menschenrechte, die Aufklärung, den europäischen Verfassungsstaat und die europäische Einigungsidee.“236 Dabei wird freilich übersehen, dass die Homogenität, mit der das Hochmittelalter für Europa gezeichnet wird, durchaus anzufragen ist und damit ein wichtiger Referenzpunkt für ein idealisiertes Europabild bzw. auch für die Verurteilung des Auseinanderbrechens dieser Homogenität mit dem Beginn der Neuzeit, eine durchaus fragwürdige Argumentation ist. Es ist eben mehr eine geschichtsphilosophische Deutung als eine historische, die hier geboten wird, die das ausblendet und marginalisiert, was nicht in die große Linie passt. Bei Mattausch begegnet primär eine moralisierende Argumentation, die an die Bereitschaft zu Kreuz und Opfer appellierte, weil ohne sie Europa kein geistiges Fundament habe. Als Alternative zur christlichen Werteversicherung wurde allein der praktische Materialismus gesehen. Mattausch sympathisierte durchaus mit einer Neuauflage der Romantik, wenn er mit großem Pathos Novalis zitierte, mit seiner Schrift „Die Christenheit oder Europa“ und eine völlige Identität von Europa und Christenheit hergestellt sehen wollte.237 „Wieder und erst recht tut heute die Rückbesinnung auf die Grundwerte, auf den Ursprung Not ... Das Christentum hat einen so gewaltigen Integrationsprozess vollbracht, der eben Europa heißt. Europa seine christlichhumanistische Prägung gegeben hat. Begriffe wie Menschenwürde, Unantastbarkeit der Person, personale Verantwortung, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Gemeinschaft sind ja nicht ursprünglich typisch christliche Werte und Verhaltensmaximen und es besteht auch kein christlicher Monopolanspruch auf sie. Sie können daher auch dem Nichtchristen wertvoll und einsichtig sein. Sie stammen als Leitbilder in ihrer Urform aus vorchristlicher Zeit. Sokrates, Plato, Aristoteles und ihre Schüler haben sie bereits im fünften und vierten vorchristlichem Jahrhundert postuliert als

236 237

MATTAUSCH, Vision, S. 15. MATTAUSCH, Vision, S. 18: „Da alles zu schwanken scheint, stellt sich die Frage, auf welchen geistigen Werten Europa aufgebaut werden kann. Vor knapp 200 Jahren, mitten im Getümmel der Französischen Revolution und des Aufstiegs Napoleons, stellte sie sich einer jungen Generation, die ihre Blicke weg von Aufklärung, Rationalismus und Materialismus hin zu den Grundwerten des mittelalterlichen Europa richtete. Einer von ihnen, der trotz seiner Jugend schon Leiter des Bergwerkwesens im Sächsischen war, ein Naturwissenschaftler also, der regelmäßig zu den Sitzungen und Vorträgen einer um den jungen Jenenser Professor Ritter gescharten naturforschenden Gesellschaft nach Jena kam, an denen auch Goethe teilnahm, hat in einer programmatischen Schrift seine Gedanken über ein neues Europa ausgesprochen, wie es nach den Wirren wieder entstehen müsste, wenn je die Opfer einen Sinn hätten.“

688

Abschnitt VII

ethische Forderungen an den Menschen. Auch der moderne Atheist zehrt unbewusst an diesem geistigen Erbe, wie der Christ es bewusst tut. Was das Christentum diesen Werten hinzugefügt hat, war nicht nur eine neue Motivierung ihres Gewichts, sondern die transzendente Hinwendung auf den Erlösergott, den Schöpfer allen Lebens.“238 Mattausch exemplifizierte diese Gedanken an den drei grundlegenden Werten: Freiheit, Menschlichkeit, Gerechtigkeit. Freiheit in Verantwortung vor Gott ist ein Menschenrecht, über das weder Staat und Gesellschaft frei verfügen können. Dieser Europagedanke mit seinem Prinzip der Freiheit und Subsidiarität wurde gegenübergesetzt dem totalitären Ansatz des osteuropäischen Kommunismus. Das dualistisch gezeichnete Weltbild des Kalten Krieges mochte keine Unschärfen kennen oder dulden. Es schien kaum Grautöne zu vertragen. „Fragen wir nach den Ursachen der Erfolge dieser Ersatzreligion des marxistisch-atheistischen und materialistischen „Fortschritts“ in den letzten Jahrzehnten, dann stoßen wir auf die Tatsache, dass Europa seit der Antike zwei Seelen hat. Die eine ausgerichtet auf Frömmigkeit, Glauben, Gottsuche, Wahrheitssuche, Liebesfähigkeit. Die andere, die im materiellen Genuss den einzigen Lebenszweck sieht. Vom Christentum aus der Antike übernommen, nur scheinbar integriert, brach ihr Wesen in Renaissance und Aufklärung wieder auf. Atheismus, Neuheidentum und Materialismus, Marxismus und Kommunismus sind die Erscheinungsformen seiner Ausprägungen heute. Europa muss wieder zu sich finden, muss seine Seele wieder im Christentum finden, wie Novalis es schon vor zwei Jahrhunderten gesehen hatte.“239 Während Mattauschs Beitrag kaum Originalität aufwies und in der Argumentation einem weltanschaulichen Vortrag glich, waren Jockwigs meditierende Gedanken etwas Aufbrechendes, die konventionellen Gedankengänge durchaus Überschreitendes: Wenn es ihm um die Frage nach Einheit und Gemeinschaft geht, bedenkt er auch das Scheitern und bezieht die Marginalisierten mit ein und kommt damit am Schluss auch sehr stark auf den Stellenwert des Einzelnen. Die abstrakte Größe ‚Christentum’ stellt er dagegen deutlich in Frage: „Wir müssen nach all diesen Überlegungen noch einen Blick auf das Thema des diesjährigen Kongresses werfen: Christentum – eine Hoffnung für ganz Europa. Vielleicht sollte man besser sagen: Der Christ – eine Hoffnung für ganz Europa. Der Christ, der in voller Gemeinschaft mit Christus und seinen Brüdern und Schwestern steht: nur er kann es eigentlich sein, der die große Einheit bei aller Vielfalt der Völker und ihren Eigenarten in Liebe und Freiheit fertig bringen wird. Wir bauen oder zerstören Europa in unseren Familien, in den kleinen Gemeinschaften, in denen wir leben. Ein Europa, das nicht aus dem Geiste Christi von unten her aus den kleinsten Lebensgemeinschaften aufgebaut wird, kann keinen Bestand haben.“240 Der 30. Kongress ‚Kirche in Not’ widmete sich der Verantwortung der westlichen Christen für die verfolgte Kirche. Wiederum kamen über 500 Teilnehmer vom 6. bis 238 239 240

MATTAUSCH, Vision, S. 18f. MATTAUSCH, Vision, S. 23. Franz JOCKWIG, dass alle eins seien, Meditationen im 29. Dokumentationsband „Kirche in Not“, Königstein 1979, S. 138-146, Zitat S. 146.!

Initiativen für die Seelsorge

689

9. August 1980 nach Königstein. „Als die Vorbereitungen für den 30. internationalen Kongress ‚Kirche in Not’ anliefen, da bot sich das Thema „Unsere Verantwortung für die verfolgte Kirche“ geradezu an. Drei Jahrzehnte lang hatten sich Veranstalter und Teilnehmer dieser Kongresse unter den verschiedensten Aspekten immer wieder mit diesem Grundthema befasst: mit der Not der verfolgten Kirche, vor allem in den kommunistisch regierten Ländern Osteuropas. Aus der Verantwortung für die betroffenen Christen hatte man Jahr für Jahr deren Situation untersucht, sie in größere Zusammenhänge gestellt … Sein Ziel war es wiederum insbesondere die Lage der Christen in totalitären Staaten des Ostens zu untersuchen und unsere Verantwortung für diese Gläubigen deutlich zu machen. Aber auch Probleme der Dritten Welt sollten diesmal Berücksichtigung finden.“241 Prof. Braunstein und Richard Hackenberg befassten sich in der Einführung mit der Dauerfrage nach der Berechtigung weiterer Kongresse. „Auch der 30. Kongress ‚Kirche in Not’ bestätigte eine Aussage, die im Hinblick auf diese Veranstaltung gemacht worden ist: „Eine Reihe von 30 Kongressen dieser Art ist eine einzigartige Erscheinung im deutschen und europäischen Katholizismus. Oft wurde der Kongress totgesagt, nicht selten als Letzter dieser Art von Studientagung bezeichnet; es wurde vom „Kongress in Not“ gesprochen. Man wartete auf das Abtreten einer Generation, von der man glaubte, dass sie den Kongress trüge und konnte von Jahr zu Jahr feststellen, dass – allen Unkenrufen zum Trotz – die Zahl der Teilnehmer wuchs und gerade die junge Generation stärker als zuvor vertreten war.“242 Zum 31. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 6. bis 9. August 1981 kamen wiederum 500 Teilnehmer nach Königstein, um das Thema „Flüchtlinge in der Welt – eine Herausforderung für die Kirche zu bedenken“. Die Ursachen des Flüchtlingselends sollten untersucht, die weltweite Dimension dieses Problems bewusst gemacht und gleichzeitig geprüft werden, welchen Dienst die Christen bei der Überwindung dieser Not zu leisten haben. Freilich wurde auch das zweite traditionelle Ziel des Kongresses verfolgt, nämlich über die aktuelle Situation der verfolgten Kirche zu informieren. Eine gewisse Tradition hatte auch der vorgeschaltete Jugendtag bereits bekommen, an dem etwa 70 Angehörige der jungen Generation teilnahmen. Der 31. Kongress hatte sein Thema bewusst gewählt, weil Königstein seine Kompetenz über den eigenen Betroffenheitsrahmen hinaus in die globale Perspektive des Flüchtlingsproblems mit einbringen wollte. So verwies auch Bischof Janssen als Vertriebenenbischof in seinem Eröffnungswort darauf, dass das deutsche Volk ein ungemein großes Vertriebenenproblem gelöst habe. Das sei beispielhaft in der Welt. Er forderte aber auch, dass die deutschen Vertriebenen ihre Erfahrung, ihren Rat, ihren Einfluss und auch ihr Geld zu geben bereit seien, wenn es um die Bewältigung des Flüchtlingselends in der Welt gehe.243 Janssen begrüßte es, dass gerade Königstein, das auf vielfältige Weise zum Zentrum der Flüchtlingshilfe in der Bundesrepublik 241 242 243

Aus dem Vorwort zur Dokumentation des 30. Kongresses, Königstein 1980, S. 7. Aus dem Vorwort zur Dokumentation des Kongresses, S. 10. Heinrich Maria Janssen zur Eröffnung des Kongresses im Dokumentationsband für den 31. Kongress ‚Kirche in Not’ Königstein 1981, S. 15-18.

690

Abschnitt VII

geworden sei, sich dieser Thematik annehme. Königstein sei für viele Flüchtlinge Stätte der Beratung und der Hilfe durch fast vier Jahrzehnte hindurch geworden, zum Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns.244 „Der Schmerz hat keine Nationalität“, unterstrich Pater Werenfried van Straaten in seiner Stellungnahme für den 31. Kongress ‚Kirche in Not’, die er unter das Leitwort „Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe“ stellte.245 Er habe – und darin brachte er seine Haltung und das Motto seines jahrelangen Einsatzes für die ‚Kirche in Not’ zum Ausdruck – die Hälfte seiner Lebensjahre den Flüchtlingen und Verfolgten gewidmet, weil er das Flüchtlingsproblem immer in erster Linie als einen Appell an die christliche, an die religiöse Pflicht empfunden und gedeutet habe. So konnte er auch in der unmittelbaren Nachkriegssituation, ohne Rücksicht auf die Nationalität, als Belgier den Deutschen helfen und in Belgien und in den Niederlanden predigen und um Hilfe für die Vertriebenen in Deutschland bitten.246 Seine drastische, plastische, holzschnittartige Sprache der Verkündigung kam auch in diesem Beitrag zum Vorschein – wie alle seine Beiträge Predigten waren. „Bevor die Kommunisten ihr Paradies mit der Berliner Mauer gegen Ausbrüche sicherten, war die Insel Westberlin der letzte Landeplatz für Hunderttausende, die das „Rote Schiff“ der Deutschen Demokratischen Republik verlassen wollten. Als alle anderen Löcher im Eisernen Vorhang gestopft waren und nur noch der Weg über Westberlin offen blieb, musste diese Stadt durchschnittlich im Jahr eine ¼ Million Flüchtlinge verkraften. Jedes Mal, wenn in der Sowjetzone die Schraube des wirtschaftlichen Druckes oder der politischen und religiösen Verfolgung angezogen wurde, setzte der Flüchtlingsstrom sich in Bewegung, schwoll an, preschte sich durch die Ruinenfelder und drang wie eine Flutwelle durch U-Bahnausgänge, durch Kellerlöcher, Fenster und über Dächer an der Sektorengrenze in Westberlin ein. Die Flüchtlinge wurden per Flugzeug in den Westen evakuiert.“247 Immer wieder brachte er seine eigenen Erfahrungen in drastischen Appellen an die Zuhörer.248 „Müssen wir nicht unruhig werden, ob der grausigen Tatsa-

244

245 246

247 248

„Königstein hat vielen Suchenden einen neuen Weg gezeigt und manchem Verzweifelnden Mut gemacht, auch ein schweres Leben anzupacken und zu bewältigen. Das ist in den zurückliegenden Jahren unterschiedlich mal stärker, mal weniger intensiv geschehen. Es mag auch sein, dass es nur weniger stark in die Öffentlichkeit drang.“ (Heinrich Maria Janssen zur Eröffnung des Kongresses im Dokumentationsband für den 31. Kongress, S. 16 ). Pater Werenfried VAN STRAATEN, Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe, im 31. Dokumentationsband. Königstein 1981, S. 94-103. „Die Königsteiner Anstalten, unser Werk „Ostpriesterhilfe“ und die Kongresse ‚Kirche in Not’ sind entstanden aus der Sorge um die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Mit dem Thema des heutigen Kongresses kommen wir zu den Ursprüngen zurück. Deswegen bin ich dankbar für die Einladung, heute zu Euch zu sprechen über „Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe““ (VAN STRAATEN, Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe, S. 94). VAN STRAATEN, Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe, S. 95f. „Es war im Jahre 1950. Ich stand auf dem Flughafen Tempelhof. Wieder strich ein silberner Vogel über Berlin über die mondänen Luxusviertel der Westsektoren und über die protzige Stalinallee, über die Not der Millionenstadt, die hinter dieser trügerischen Kulisse zum Himmel schrie, über Elfriede und Edeltraut und Hedwig, die dicht bei mir warteten. Drei kleine Flücht-

Initiativen für die Seelsorge

691

che, dass Millionen Menschen in den dunkelsten Stunden ihres Lebens die Liebe Gottes entbehren müssen, weil Millionen anderer Menschen, die die Liebe Gottes spürbar machen müssten, hart und gleichgültig bleiben? Wenn wir uns nicht um diese Verzweifelten kümmern, werden andere es tun. Und Gott wird vielleicht zulassen, dass sie im Zorn unsere Tabernakel zertrümmern und das Ewige Licht in unseren Kirchen auslöschen, weil es für Christus doch gar keinen Sinn hat, in einem stählernen Panzerschrank zu wohnen, wenn er nicht in Herzen und Leben derer wohnen darf, die seinen Namen tragen.“249 In seiner handgreiflichen Anschaulichkeit wurde er mitunter gar apokalyptisch.250 Der 32. Kongress im Jahre 1982 befasste sich mit der ‚Bedrohte(n) Kirche in Ost und West’. „Wo ist Dein Bruder Abel?“ fragte der 33. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 4. bis 7. August 1983. Wiederum wurden über 500 Teilnehmer vermerkt. Die Kongresse der achtziger Jahre zeigen sehr deutlich, dass geographisch der Blick geweitet wurde. Die Dritte Welt kam immer deutlicher mit ihren Themen in die Diskussion. So auch beim 34. Kongress 1984, der ausdrücklich unter das weit gespannte Thema „Osteuropa und Dritte Welt: Modelle für die Kirche von morgen?“ gestellt worden war. Ausdrücklich wird auch erstmals auf die Zusammenarbeit des Albertus-MagnusKolleg/Haus der Begegnung mit dem Liebeswerk Kirche in Not/Ostpriesterhilfe hingewiesen, die beide den Kongress vom 2. bis 5. August 1984 verantworteten. Knappe 500 Teilnehmer hatten sich in Königstein eingefunden. Auch die liturgischen Teile kamen, wie bei all den Kongressen, nicht zu kurz: „Bei den Kongressen wird nicht nur über Probleme berichtet und diskutiert, sondern Gebet und Gottesdienst haben ihren wichtigen Platz darin. Dieser guten Tradition blieb auch der diesjährige Kongress treu. Vorstandsmitglied, Prälat Johannes Schwal-

249 250

linge. Sie sind geboren auf dem blutigen Kreuzweg der Flucht oder im Niemandsland eines Durchgangslagers. Sie haben keinen Vater und auch kein Vaterland … Ich stand in Tempelhof und beobachtete diese Kinder. Waren sie nicht zu jung für die Hölle? Und dennoch kamen sie daraus. Und dennoch waren sie dazu verurteilt, bei uns gleich wieder in der Hölle zu leben. In einem der tausend Auffang-, Durchgangs- und Wohnlager, die der Aussatz Europas waren. Drei kleine Flüchtlinge. Sie trugen Kleider der Ostpriesterhilfe, aber was nutzte das?“ (VAN STRAATEN, Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe, S. 96). VAN STRAATEN, Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe, S. 101f. „Die Kinder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, die Verhungerten, die an Schwindsucht Gestorbenen, die ungeborenen Kinder und die unzähligen Armeen unterernährter Kinder, all diese Kinder sind das Anzeichen unseres Untergangs. Die ganze jahrhundertelange Anhäufung von Sünden und Versäumnissen der Christen wird zu einer Katastrophe führen. Das Schlimmste dabei ist nicht, dass die europäische Kultur zugrunde gehen wird, sondern dass das Christentum und Christus selbst durch die Sünden unserer Väter und durch unsere eigene Selbstsucht so kompromittiert sind, dass es ein Wunder wäre, wenn die besitzlosen Völker dieses Christentum noch schätzen würden. Das ist wiederum die Not Christi.“ (van Straaten, Flüchtlinge – Herausforderung unserer Liebe, im Dokumentationsband, S. 103). Dieser Not zu begegnen, ist nach Werenfried van Straaten die selbstverständliche Aufgabe der Christen. In welchen Dimensionen dies zu geschehen hätte, zeigt er am Beispiel des Hl. Martin, der seinen Mantel teilte. Also die Hälfte, nicht irgendeinen caritativen Bruchteil, forderte er von den Christen für die Armen.

692

Abschnitt VII

ke, Apostolischer Visitator für Priester und Gläubige der Diözese Ermland, hatte einen feierlichen Wortgottesdienst vorbereitet, der die Teilnehmer am Abend des ersten Kongresstages in der Kollegskirche vereinte. Im Rahmen dieses Gottesdienstes sowie in den morgendlichen Eucharistiefeiern der beiden folgenden Tage, die von Weihbischof Pieschl bzw. von Pfarrer Karl Kindermann zelebriert wurden, hielt Prälat Schwalke eindringliche, nachdenklich machende Meditationen … Weihbischof Pieschl, Pater Werenfried van Straaten und Pfarrer Karl Kindermann leiteten am Abend die Gebetsstunde für die verfolgte Kirche, bei der die Teilnehmer der benachteiligten und unterdrückten Christen gedachten.“251 Dazu kam immer an einem der Tage ein Gottesdienst im östlichen Ritus. Ein heißes Eisen griff der 35. Kongress ‚Kirche in Not’ 1985 vor 490 Teilnehmern auf. Er fand vom 8. bis 11. August statt. Thema war „Kirche, Nation, Frieden“. Was kann Kirche im Dienst der Nation leisten? Wie steht sie im Spannungsfeld von Muttersprache und Volk? Der 36. internationale Kongress ‚Kirche in Not’ vom 31. Juli bis 3. August 1986 mit 420 Teilnehmern widmete sich dem Thema „Kirche und Menschenrechte: Solidarität mit den Verfolgten.“ Die Position der Kirche zum Problem der Menschenrechte sollte untersucht, ebenso die Situation der Menschenrechte in den Ostblockstaaten geklärt werden. Auch hier sollte die Entwicklung in der Dritten Welt ins Auge gefasst werden, wenn man sich die Frage stellte, welchen Weg die Kirche angesichts von Menschenrechtsverletzungen in dieser Region gehen müsse. Im Rückblick auf den Kongress 1986 schlug Wolfgang Grycz vor, den Titel ‚Kirche in Not’ zu hinterfragen. Der Vorstand ging auf diesen Vorschlag nicht ein. Es wurde gewünscht, den Jugendtag besser vorzubereiten, und die geringe Beteiligung deutscher Jugendlicher bedauert. Man legte sich pauschal fest, die Situation der Kirchen in den Ländern, in denen sie verfolgt wurde, künftig stärker zu berücksichtigen und eine größere Beteiligung von Organisationen anzustreben.252 „70 Jahre Oktoberrevolution: Bilanz für die Kirchen“, lautete das Thema des 37. Kongresses ‚Kirche in Not’ 1987. Vom 3. bis 6. September fand er statt und vereinte über 400 Teilnehmer. Die sowjetische Kirchenpolitik seit 1917 stand im Mittelpunkt der Referate und Diskussionen.253 Wiederum mehr als 400 Teilnehmer kamen vom 1. bis 4. September 1988 zum 38. internationalen Kongress ‚Kirche in Not’ mit dem Thema „Christen in Osteuropa – Perestroika und Religion“. Man wollte das neue Denken der sowjetischen Parteiführung in den Konsequenzen für die Christen in der UdSSR beleuchten. Gab es eine

251 252 253

Einführung in die Dokumentation, Königstein 1984, S. 9. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 4. August 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8. „Der Kongress sollte die sowjetische Kirchenpolitik seit 1917 nachzeichnen und das Schicksal der Religionsgemeinschaften in der UDSSR untersuchen. Ferner war nach der Bilanz gefragt, welche die Kirchen in anderen osteuropäischen Staaten nach über 40 Jahren marxistischleninistischer Herrschaft zu ziehen haben. Auch sollte gezeigt werden, wie Kommunisten in der Dritten Welt um die Katholiken werben.“ Aus dem Vorwort zur Dokumentation des 37. Kongresses, Königstein 1987, S. 7.

Initiativen für die Seelsorge

693

Hoffnung auf echte Religionsfreiheit? Hatte die Perestroika Auswirkungen auf die Situation der Gläubigen in anderen Ostblockstaaten? Etwa 400 Teilnehmer kamen zum 39. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 31. August bis 3. September 1989 nach Königstein und widmeten sich dem Thema „Christen im Osten: Hoffen auf Europa?“ Referate, Arbeitskreise und Diskussionen zeigten, was in den Ländern des Ostens in Bewegung geraten war, obwohl zum Veranstaltungszeitpunkt, die nur zwei Monate später erfolgenden revolutionären Ereignisse in der DDR, in der Tschechoslowakei, noch gar nicht abzusehen waren. Der Prager katholische Theologe Dr. Josef Zvěřina254 hatte ein Referat geschickt über „Tschechoslowakei – Land im Herzen Europas“. Er selbst konnte in Königstein nicht teilnehmen. Es war ihm nicht möglich gewesen, sein Land zu verlassen. „Auch wir, die ‚Kirche in Not’, sind ein Teil der Christenheit. Auch wir fühlen uns mündig, denn wir sind dazu in harten Prüfungen gereift. Wir erwarten darum, dass das neue Europa unsere Erfahrungen ernst nehmen wird. Wir sind doch auch eine richtige Ortskirche. Allerdings haben wir andere Sorgen um die Bischöfe und um die Theologen als unsere nächsten Schwesterkirchen. Wir erwarten vom neuen Europa große Offenheit – nicht nur für die Dritte Welt, sondern auch für die Zweite und Vierte. Es ist bedauerlich, dass manche Menschen im Westen mehr Gefühl hatten und haben für die schrecklichen Gräueltaten aller Art in aller Welt, als für jene in unserer Welt! Das neue Europa darf dazu nicht schweigen.“255 Im auswertenden Rückblick auf den ersten Kongress ‚Kirche in Not’ nach dem Fall der Mauer, dem 40. Kongress unter dem Thema „Aufbruch im Osten – Herausforderung für die Kirche“ der vom 30. August bis 1. September 1990 in Königstein stattgefunden hatte, dominierte der Eindruck, dass der Kongress auch weiterhin diesen Namen behalten, in Königstein bleiben und die Thematik der Situation der Kirche in Ost-, Südost- und Mitteleuropa behandeln sollte. Er sollte fortgeführt werden in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle „Weltkirche“.256 Der Kongress hatte rund 400 Teilnehmer; der Vorstand konstatierte einen guten Verlauf, wobei sehr nüchtern zu sehen ist, dass die Zahl der Teilnehmer aus den ostmitteleuropäischen und osteuropäischen Ländern sehr niedrig war. Die Mehrzahl waren Mitglieder eines Chores, der eigens dafür engagiert wurde. Man sah offensichtlich die Aufgabe, im Westen einen größeren Interessentenkreis anzusprechen und auch Teilnehmern aus ehemaligen Ostblockländern stärker eine Teilnahme zu ermöglichen als bisher.

254 255

256

Josef Zvěřina (1913 – 1990), Theologe, Historiker. Josef TOMEŠ u.a. (Hg.), Český biografický slovník XX. století: III. díl: Q-Ž. Praha, Litomyšl 1999, S. 576-577. Aus der Einführung in den Dokumentationsband, Königstein 1989, S. 8. Dazu der Beitrag Josef ZVĚŘINA, „Was erwarten wir in der Tschechoslowakei vom neuen Europa?“ Dokumentation, S. 84f. Vgl. dazu das Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Oktober 1990, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11, TOP 3.7 auf S. 4.

694

Abschnitt VII

Gleichzeitig wurde ein eigener Jugendkongress zur Thematik des Hauptkongresses vorgeschlagen. Verstärkt wollte man ehemalige Königsteiner Schüler und Studenten einladen. Auch der 41. internationale Kongress ‚Kirche in Not’ vom 29. bis 31. August 1991 mit über 400 Teilnehmern verfolgte weiterhin die aktuelle Entwicklung in den Ostblockstaaten, wenn er das Thema aufgriff: „Osteuropa im Umbruch – wird die Kirche gebraucht?“. Erstmals wurde der Kongress in enger Kooperation des AlbertusMagnus-Kollegs/Haus der Begegnung mit der Kommission für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführt. Eine ganze Reihe von Bischöfen aus der Tschechoslowakei nahm an diesem Kongress teil. „Nach dem Scheitern des realen Sozialismus in Ostmittel- und Südosteuropa, nach dem Zusammenbruch des ideologischen und ökonomischen Systems im Osten, fragt der Kongress nach den – vor allem psychischen, geistigen und religiösen – Folgen dieser Entwicklung. Er sollte analysieren, welche unterschiedlichen Aufgaben sich für die Kirche in den einzelnen Staaten stellen. Wie sie helfen kann, die eingetretenen Schäden und Spannungen zu überwinden.“257 Zur Thematik referierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, über die Neuevangelisierung Europas in Ost und West, die litauische Ministerpräsidentin a.D. Kazimiera Prunskiene258 über Kirche und nationale Selbstbehauptung am Beispiel des Baltikums, der Prager Parlamentsabgeordnete Jan Sokol stellte die Frage, ob die Kirche in der ČSSR eine gesellschaftliche Kraft sei, der Bischof von Banja Luka, Franjo Komarica259, reflektierte die nationale Selbstbehauptung und die Rolle der Katholischen Kirche bei den Kroaten, der Bischof von Tarnow Jozef Zycinski260 stellte die Frage, ob die Volkskirche in Polen eine Zukunft habe. Dazu kamen, wie gewohnt, die Berichte über die Situation der Kirche in den einzelnen Ländern. Das Fazit formulierte eine günstige Situation und Prognose für die Kirche in der Umbruchsphase. Sie werde gebraucht, auch dort, wo sie keine Volkskirche, sondern nur eine Minderheit darstelle. Sie werde gebraucht in der Suche nach neuer Orientierung im Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Kirche müsse dem Menschen im ehemaligen Ostblock helfen, die Vergangenheit zu bewältigen und für die Zukunft tragfähige Strukturen zu schaffen. Diese Umbruchsituation verlange vom Westen, auch von der Kirche im Westen, eine solidarische Anstrengung bisher unbekannten Ausmaßes, sozial-caritative Hilfe sei notwendig. Es müssten mehr Kontakte geschaf-

257 258 259 260

Aus dem Vorwort zum Dokumentationsband des 41. Kongresses, Königstein 1991, S. 7. Kazimiera Prunskiene, geb. 1943. 1990 – 1991 erste Premierministerin des unabhängigen Litauen. Franjo Komarica (* 3. Februar 1946 in Novakovići, SR Bosnien-Herzegowina, Jugoslawien) ist Bischof des römisch-katholischen Bistums Banja Luka. Jozef Zycinski (1948 – 2011), Professor für Logik und Methodologie, seit 1992 Bischof von Tarnów, seit 1997 Erzbischof von Lublin.

Initiativen für die Seelsorge

695

fen, mehr Information zur Verfügung gestellt werden, und vor allem gelte es, die Menschen im Osten als Partner ernst zu nehmen.261 Der 42. Kongress ‚Kirche in Not’ vom 15. bis 17. Oktober 1992 widmete sich dem Thema „Europas Christen nach der Wende: Wie gehen sie miteinander um?“ Etwa 400 Teilnehmer aus 19 Nationen kamen in Königstein zusammen. Wiederum wurde der Kongress in Kooperation mit der Kommission für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführt. Der 43. Kongress ‚Kirche in Not’ stand unter dem Thema „Krise im Osten Europas: Was tun Christen?“ und griff damit die Thematik der vorangegangenen Kongresse auf. Vom 2. bis 4. September 1993 fanden sich wiederum etwa 400 Teilnehmer – die Zahlen waren erneut leicht rückläufig – in Königstein ein. „Nach dem Ende der Utopien sind die Christen besonders gefordert, Wege zu finden aus Nihilismus und Verzweiflung hin zu neuer Solidarität. Die Kirchen müssen dazu beitragen, die Gesellschaft menschlich zu gestalten. Das muss durch gelebtes Beispiel glaubhaft werden. Bildungsarbeit und Caritas bieten ein Betätigungsfeld, das den Glaubensgemeinschaften in der Vergangenheit vielfach verwehrt war. Die Christen im Westen sind dabei zur Hilfe verpflichtet. Der Kongress würdigt die zahlreichen Beweise der Solidarität bestehender christlicher Werke und Initiativen und begrüßt die neue Aktion deutscher Katholiken „Renovabis“ für die Menschen im Osten. Nur wenn es den Christen gelingt, das Antlitz der Erde zu erneuern, werden sie die gewaltige Kluft zwischen Ost und West überwinden.“262 „Christen, Nationen, Europa“ thematisierte der 44. internationale Kongress ‚Kirche in Not’ 1994. Etwa 350 Teilnehmer aus 17 Völkern kamen vom 1. bis 3. September 1994 in Königstein zusammen. Die neue Situation, die Kirchen in Freiheit, verpflichtete die Christen, enges nationales Denken zu überschreiten und Europa als gemeinsame Heimat aller Völker und Volksgruppen zu begreifen – so die Grundforderung des Kongresses. Der 45. internationale Kongress ‚Kirche in Not’ fand vom 31. August bis 2. September 1995 in Königstein statt zum Thema „Osteuropa – die Christen und der Friede in der Gesellschaft“. Der Kongress mit etwa 320 Teilnehmern wollte analysieren, wo in den postkommunistischen Staaten der Friede bedroht oder gestört war und was die Kirchen, was die Christen dagegen tun könnten, wo sie zur Versöhnung der gesellschaftlichen Gruppen und zum Abbau der Spannungen beitragen könnten. Insofern war es wiederum eine konkretisierende und präzisierende Fortführung der Thematik des 44. Kongresses. Man sah, dass eine rein religiöse Verwirklichung des Evangeliums unter Ausklammerung des politischen, sozialen und kulturellen Raumes der weltlichen Verantwortung des Glaubens nicht gerecht wurde. Der Glaube müsse in alle Bereiche des menschlichen Lebens hineingemengt werden. „Die Kirche soll keine Politik machen, aber sie soll durch ihre Glieder, die sich die nötige gesellschaftliche

261 262

So die Königsteiner Entschließung von 1991, abgedruckt im 41. Dokumentationsband, Königstein 1991, S. 23f. Aus der Königsteiner Entschließung, 93, die Punkte 5 und 6. Die Entschließung ist in der Dokumentation des 43. Kongressbandes, Königstein 1994, auf S. 24/25 abgedruckt, Zitat S. 25.

696

Abschnitt VII

Kompetenz erworben haben, in den Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wirksam werden. Hier haben wir einen doppelten Nachholbedarf, denn zum einen sind wir Christen von einer solchen direkten Mitverantwortung für das gesellschaftliche Leben in den ehemals kommunistischen Staaten aus den oben gesagten Gründen entwöhnt, zum anderen fehlt uns als Christen oftmals die Sachkompetenz dafür, weil ein überzeugter Christ im Kommunismus nicht einmal die untersten Stufen auf der Leiter der Kultur, der Ökonomie und der Politik überwinden konnte. Und doch ist das jetzt ein Gebot der Stunde!“263 Für 1996 war kein Kongress ‚Kirche in Not’ vorgesehen. In diesem Jahr schlossen sich die Königsteiner Träger der Veranstaltung dem Katholischen Kongress in Hildesheim an, planten aber für den September 1997 wieder einen Kongress, wobei hier bereits ein anderer Ort angepeilt wurde, nämlich Freising. Im September 1996 wurde die Epoche der jährlichen Kongresse ‚Kirche in Not’ in Königstein im Taunus als beendet erklärt. Seit 1951 gab es erstmals 1996 diesen Kongress nicht mehr. Es war daran gedacht, mit einem anderen Namen mit erweiterter Themenstellung eine Nachfolgeeinrichtung zu schaffen. War der letzte Kongress der 45. vom 31. August bis 2. September 1995 zum Thema „Osteuropa – die Christen und der Friede in der Gesellschaft“ noch vom Königsteiner Verein Albertus-MagnusKolleg/Haus der Begegnung und der Kommission für weltkirchlichen Aufgaben der Bischofskonferenz gemeinsam veranstaltet worden, so sah sich ab 1996 der Verein, vor allem aus finanziellen Gründen, nicht länger imstande, die Kongresse weiterzuführen. Die Nachfolgeeinrichtung sollte von der Kommission für weltkirchliche Aufgaben und von Renovabis gemeinsam geschultert werden. 1996 veranstaltete das Internationale Kirchliche Hilfswerk ‚Kirche in Not/Ostpriesterhilfe’ einen Kongress vom 26. bis 29. September in Königstein zum Thema „Die Konsequenzen des Kommunismus-Glaube und Kirche in Russland, China, Äthiopien und Cuba“. Auch der Gründer des Hilfswerkes, der Speckpater Werenfried van Straaten, gehörte zu den Rednern dieses Kongresses, zu dem Mitarbeiter des Hilfswerkes aus 15 Ländern und persönlich eingeladene Gäste kamen.264 Unter der Ägide von Pater Norbert Schlegel, seit 1994 für die Kongresse verantwortlich, deutete sich also eine grundlegende Veränderung in der Tradition der Königsteiner Kongresse an. Zum 45. Kongress waren etwa 320 Teilnehmer nach Königstein gekommen.

263 264

Aus der Einführung in die Dokumentation des 45. Kongresses, Königstein 1996, S. 8. Vgl. KZG, Archiv Königstein, Nr. 1022, Meldung der KAN vom 3. September 1996, S. 4.

Initiativen für die Seelsorge

4.6.

697

Kindermanns Nachfolge in der Leitung des Hauses der Begegnung: Richard Hackenberg MdL265

Richard Hackenberg266 gab als Schwerpunkte seiner politischen Arbeit die Ostpolitik, die Sozialpolitik und die Jugendpolitik an. Hackenberg war Bundesführer des Reichsbundes der Deutschen Katholischen Jugend in der CSR gewesen und gehörte zur Gruppe von Politikern, die den Ausgleich mit den Tschechen suchten. Hackenbergs Haltung in der Zwischenkriegszeit hat Daniel Langhans als eine Brücken bauende, versöhnende charakterisiert.267 Hackenberg folgte dem universalen Gedanken des lebendigen Katholizismus und betonte, dass die junge katholische Generation friedvolle Verständigung wolle, weil das Reich Gottes nicht durch Sprach- und Staatsgrenzen getrennt werden könne.268 Richard Hackenberg wurde am 8. Juliin Niederlindewiese im Altvatergebirge geboren. Er war also wie Kindermann ein böhmischer Niederländer. Nach der Grundschule begann er eine fünfjährige Lehr- und Gesellenzeit als Bäcker. Siebzehnjährig wurde er lokaler Obmann des Katholischen Jugendbundes und siedelte 1928, also neunzehnjährig, nach Freudenthal über und begann mit der Tätigkeit in der Jugendbildung als hauptamtlicher Mitarbeiter. 1929 wurde er zum Bundesobmann des

265

266

267

268

Am Ende seines Beitrages für das Gedenkbuch Kindermann formulierte Hackenberg seine Zielsetzung in der Leitung des Hauses der Begegnung in der unmittelbaren Nachfolge Kindermanns: „Jene, die heute sein Werk fortführen, wissen, welche Verantwortung sie damit übernommen haben. Sie werden all ihre Kraft einsetzen, sich dieser Aufgabe würdig zu erweisen und dazu beizutragen, dass das Haus der Begegnung im Sinne von Weihbischof Kindermann weitergeführt und vieles von dem in die Tat umgesetzt wird, was der verstorbene Weihbischof geplant hat, was er aber nicht mehr verwirklichen konnte. Unser Haus wird, wie es seine Absicht war, noch stärker als bisher Strahlungszentrum des geistig-religiösen Lebens, Heimstatt und Ort der Begegnung für viele sein.“ Richard HACKENBERG, Weihbischof Kindermann und das „Haus der Begegnung“, in: Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, S. 79-81, hier S. 81. – Die Fixierung auf angebliche Pläne Kindermanns hat wohl manchen Blick in der Realitätsschärfe getrübt und die Entwicklung zukunftsweisender Konzepte eher beeinträchtigt. Aus dem vorläufigen Findbuch des Archivs der Ackermann-Gemeinde München mit dem Umfang von 107 Seiten beim Stand vom 30. März 2011 wurden folgende Nummern eingesehen: 572, 1135, 1136. Spezifisch die Ackermann-Gemeinde Hessen betreffend ist ein Umfang von 26 Kartons im Findbuch Seite 103 bis 107 verzeichnet. Dort sind die Nummern 1179, 1184 und 1227 thematisch einschlägig. Die Nummer 1179 betrifft die Ackermann-Gemeinde Hessen, Korrespondenz Hackenberg; vor allem in punkto katholische Aktion Limburg und die Aktion „Kirche und Heimat“. Dort sind auch sehr viele Zeitungsartikel abgelegt, biographische Informationen zu Politikern und Personen des öffentlichen Lebens. Es ist eine Art Dossier. Zu Hackenberg und seiner Tätigkeit im Reichsbund der Deutschen Katholischen Jugend in der Tschechoslowakei vgl. LANGHANS, Der Reichsbund der Deutschen Katholischen Jugend in der Tschechoslowakei, dort vor allem auch die Seite 150. Die publizistische Arbeit Hackenbergs in der Zwischenkriegszeit ist zusammengestellt bei Langhans, S. 353f. Es sind vor allem Beiträge in der Zeitschrift „Jugendsturm“ und in der „Arbeiterjugend“.

698

Abschnitt VII

Reichsbundes der Deutschen Katholischen Jugend in der Tschechoslowakei gewählt. Hackenberg setzte seine Arbeit in und für die katholische Jugendbewegung bis zur Einberufung zum Militärdienst im April 1940 fort. Sein Vorgänger in der Leitung des Reichsbundes war Eduard Schlusche269 gewesen. Nachdem Hackenberg aus der jugoslawischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, widmete er sich vor allem der Arbeit an den Vertriebenen und der Lösung ihrer Probleme, baute die Ackermanngemeinde in Hessen mit auf, deren Vorsitzender er über lange Jahre hin war. Von 1974, also nach dem Tode Weihbischof Kindermanns, bis zum Februar 1979 leitete er das Haus der Begegnung in Königstein. 1948 hatte ihn Hans Schütz nach Frankfurt geholt, im Februar 1949 gründete Hackenberg das Jugendwohnheim der Ackermanngemeinde, dessen Leitung er ebenfalls über Jahrzehnte innehatte. Hackenberg war Mitglied der Diözesanversammlung im Bistum Limburg, des Zentralkomitees des Deutschen Katholiken, des Ältestenrats der Katholischen Verbände Deutschlands und der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Vertriebenenorganisationen. Als Nachfolger von Staatssekretär Nahm war er Vorsitzender des Katholischen Flüchtlingsrates, von 1954 bis 1974 Mitglied des Hessischen Landtages, Mitglied des Rundfunkrats beim Hessischen Rundfunk von 1966 bis 1974.270 Als Vorsitzendem der Ackermann-Gemeinde fiel ihm die Programmgestaltung und die Korrespondenz für die Ackermann-Gemeinde in Hessen zu. Nach dem Tod Kindermanns war er verantwortlich für die Gestaltung und Durchführung der Kongresse ‚Kirche in Not’. Zu Dissens und Frustration auf Seiten Hackenbergs kam es zu Beginn der achtziger Jahre mit dem Vorstand, vor allem mit Braunstein und Kroker. Von Braunstein fühlte er sich in seinem Anliegen, die Kongresse ‚Kirche in Not’ weiter auszubauen, zu wenig unterstützt, weil Braunstein sich vor allem für das Gymnasium interessiere – ein Engagement, das Hackenberg nicht mittragen wollte, weil er den Standpunkt vertrat, es gebe genügend katholische Privatschulen in der Bundesrepublik und das Gymnasium in Königstein würde nicht mehr in die ursprüngliche Zielsetzung der Königsteiner Anstalten passen: Dort studierten inzwischen zu gut 50 % evangelische Schüler, eine Tendenz, die mit seiner konfessionalistischen Perspektive nicht vereinbar war. Er sah zu Beginn der achtziger Jahre die Schwierigkeiten im Lehrkörper, die Lagerbildung sehr kritisch. Es gab wohl einige offenere Ansätze, die als nicht mehr katholisch bezeichnet wurden. Hackenberg warnte davor, Spendengelder für Königstein vor allem für den Erweiterungsbau der Schule einzusetzen, weil auch das nicht mehr den ursprünglichen Intentionen Königsteins entspreche und somit eine nicht zweckmäßige Verwendung der Spendengelder zu vermuten sei. Hackenberg stand auf dem Standpunkt, die Schule müsse in eine andere Trägerschaft überführt werden.

269

270

Eduard Schlusche (1894 – 1945); vgl. Otfrid PUSTEJOVSKY, Christlicher Widerstand gegen die NS-Herrschaft in den Böhmischen Ländern. Eine Bestandsaufnahme zu den Verhältnissen im Sudetenland und dem Protektorat Böhmen und Mähren. Berlin 2009, S. 142f. Dazu ein Artikel von Wolfgang Grycz, „Richard Hackenberg – 70 Jahre“, 4 S. masch. in KZG Bonn, 12.

Initiativen für die Seelsorge

699

Er erwartete einen viel höheren Zuschuss für die Baumaßnahmen vom Belegenheitsbistum, mit dem Kindermann bereits nicht genügend Kontakt gepflegt hätte. Daher sei auch die Unterstützung von Limburg für Königstein eher minimalistisch gewesen. Hackenberg unterstützte Rabas in dessen Meinung zum Ostinstitut in Königstein: Kroker gehe es vor allem um die Selbstdarstellung, und Braunstein vermeide die Konfrontation mit Kroker, die Hackenberg durchaus in den Vorstandssitzungen suchte. In einem Brief an Rabas am 18. Dezember 1981 unterstrich Hackenberg, dass die Arbeit in Königstein für ihn sehr unbefriedigend sei, vor allem, weil er nicht der Meinung zustimmen wolle, dass die Schule in Königstein das Wichtigste sei.271 Auch dort formulierte er seine Kritik an Kroker, der nach Hackenbergs Urteil gern an der Arbeit anderer partizipieren wollte und sich selber in den Vordergrund schob. Ein zweiter Fokus des Dissenses war das Verständnis der Kongresse ‚Kirche in Not’, die Kroker offensichtlich akademisch aufgewertet wissen wollte, wohingegen Hackenberg keinen zu akademisch geprägten Kongress wünschte. Die Verstimmung spitzte sich derartig zu, dass Hackenberg in einem Schreiben an Braunstein am 30. April 1981 ankündigte, als Zweiter Vorsitzender des Vereins zurückzutreten, weil die Hauptaufgabe des Vereins im Schulerweiterungsbau liege. Ähnlich äußerte er sich in einem Schreiben an den Vertriebenenbischof Janssen vom 28. März 1981. Er beklagte sich dort, dass er sich vom Vorsitzenden des Öfteren habe den Vorwurf anhören müssen, dass der Vorsitzende einen Stellvertreter brauche, der mit ihm arbeite und ihm nicht Knüppel zwischen die Füße werfe. Auch beklagte Hackenberg dem Bischof gegenüber den Geist der Schule, kritisierte einen Teil der Lehrerschaft. Vor allem die kirchlich Gesinnten wähnten sich vom Vorstand des Trägervereins viel zu wenig unterstützt. Ebenfalls 1981 wollte auch Pater Werenfried den Kongress ‚Kirche in Not’ nicht länger finanziell unterstützen. Er wollte offensichtlich auch die thematische Akzentuierung Osteuropas aufbrechen und stärker Schwerpunkte in Lateinamerika suchen. Pater Werenfried war dann aber nach einem längeren Gespräch mit Hackenberg doch dazu bereit, die Finanzierung wieder zu übernehmen und gestand auch ein, dass die Kongresse ‚Kirche in Not’ in den letzten Jahren besser geworden seien. Hackenberg unterstrich gegenüber Braunstein, dass er für die Vorbereitung der Kongresse Herrn Grycz und die weitere Mitarbeit von Dr. Grulich und Dr. Ghermani brauche.272 Grycz hatte neben seiner Tätigkeit am Digest des Ostens und seiner Mitarbeit im Baltischen Institut das Königsteiner Jahrbuch gestaltet, nachdem es vorher Paula Schetka bis zu ihrem Tod zusammengestellt und redigiert hatte. Nicht zu übersehen ist in den Briefen Hackenbergs hoch ideologisierte Sicht, nicht nur der Außenpolitik im Kontext des Ostwestkonfliktes, sondern auch der Innenpolitik. Diese Sicht wandte er auch sehr stark auf die binnenkirchliche Situation an und wetterte z.B. gegen die kommunistische Unterwanderung bei Pax Christi. 271 272

Der Brief in KZG Bonn Nr. 1184, Korrespondenz Hackenberg, 1979 – 1983. Brief vom 1. Oktober 1981 an Braunstein in Nr. 1184. Zu Dionisie Ghermani (1922 – 2009) vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Dionisie_Ghermani, aufgesucht am 17.9.2013.

700

Abschnitt VII

Hackenbergs theologischen und politischen Konservativismus kann man nicht zuletzt an der vorbereitenden Diskussion für das Thema Kongress ‚Kirche in Not’ für 1982 nachvollziehen. Auf einer Vorstandssitzung am 9. November 1981 wurden erste Themenvorschläge gesammelt und diskutiert. Dazu gehörte wegen der beabsichtigten Stationierung neuer amerikanischer Raketen in Deutschland das viel diskutierte Thema Frieden. Im Hintergrund waren die Friedensdemonstrationen zu sehen. Genau diese Diskussionen wollte Hackenberg nicht weiter entfacht wissen und damit das Thema Frieden ganz von der Tagesordnung bringen.273 Hackenberg sprach von einer Inflation des Wortes Frieden zu Beginn der achtziger Jahre und damit dürfe der Kongress 1982 keinesfalls wiederholen, was schon andere brächten. Er bezweifelte, dass der Kongress zum Friedensthema etwas Neues sagen könne. Diesen Bedenken schloss sich Kroker an. Wolfgang Grycz wies darauf hin, dass die Gefährdung des Friedens auch durch die Nicht-Verwirklichung des Menschenrechts Religionsfreiheit gegeben sei. D.h. die Bedrängnis der Kirche im Osten wäre die Perspektive auf das Thema Frieden gewesen. Diesem Argument konnte Hackenberg insofern etwas abgewinnen, als damit eine Stimme der Kirche hörbar würde, die im Gegensatz zu Pax Christi stehe und so in der Öffentlichkeit nicht zur Sprache komme.

4.7.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Haus der Begegnung

Bereits 1957 beanstandeten die Prüfungen des Rechnungsberichtes der Königsteiner Anstalten die Unterbelegung des Hauses Werenfried und des Hauses der Begegnung. Außerdem wurden die vielen Überschneidungen von Zuständigkeitsbereichen und die Undurchsichtigkeit in der Rechnungsführung der einzelnen Anstalten in Königstein angemahnt. Es müssten klare Satzungen, Geschäftsordnungen und Dienstanweisungen aufgestellt werden.274 Die Konferenz der Caritasverbände hatte 1970 eine Wirtschaftsprüfung vorgenommen und darüber dem Finanzdirektor des Bischöflichen Ordinariates in Limburg berichtet.275 Darin wurde das Jahresergebnis von 1969 für das Haus der Begegnung Königstein als nicht besorgniserregend bezeichnet. „Die Unterdeckung bei dem Baltischen, Slawischen und Chinesischen Institut ist nicht beängstigend. Das sind Spielereien, die von selbst aufhören, wenn das Geld knapper geworden ist. Auf die Wirtschaftlichkeit des Wirtschaftsbetriebes kommt es entscheidend an. Der Status der Gemeinnützigkeit ist sowieso bei diesem Wirtschaftsbetrieb nicht weiter aufrecht zu erhalten. Die nächste Betriebsprüfung wird dies offenbaren. Wenn der Verein diese Konsequenz einsieht, wird alsbald die Umstellung auf eine bessere Wirtschaftlichkeit möglich sein. Auch in den nächsten Jahren sind keine wirtschaftlichen Schwierigkei-

273 274 275

Vgl. das Protokoll der Vorstandssitzung des Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung Königstein e.V. vom 9. November 1981, Diözesanarchiv Limburg, 16A/4, 11 S. masch. Vgl. dazu HAEK CR II 25.20d,7. Schreiben der Konferenz der Caritasverbände in Hessen, Referat für Anstaltswesen an die Finanzverwaltung, Finanzdirektor Lehmkuhl vom 29. Mai 1970, Diözesanarchiv Limburg, 16A/1.

Initiativen für die Seelsorge

701

ten zu befürchten.“276 Dem Gesamtbetrieb wurde Gesundheit bescheinigt. Es komme lediglich auf die richtige Steuerung an. Diese Prognose sollte sich in der zweiten Hälfte bewahrheiten. Die Steuerung war wichtig in den Folgejahren. In der ersten Hälfte lag sie daneben, denn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten tauchten in den Folgejahren in der Tat auf. Für das Haus der Begegnung fragte das Gutachten die Berechtigung der Gemeinnützigkeit nach. Viele Tagungen und Veranstaltungen des Hauses hätten mit dem Charakter und der Zielsetzung von Königstein und auch des Hauses der Begegnung nichts mehr zu tun. Der Tagungsbetrieb trete mit dem Fremdenverkehr in Wettbewerb und zum Teil sogar in unfreundliche Konkurrenz. Daher wurde als dringende Empfehlung ausgesprochen, dass Betriebsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Hauses der Begegnung besser auf die Aufgabenstellung des Hauses abgestellt werden sollten.277 Von der Wirtschaftsprüfung kam 1977 eine deutliche Mahnung an die Herren Vorstandsmitglieder des eingetragenen Vereins Haus der Begegnung, vor allem an Richard Hackenberg in Bezug auf finanzielle Unstimmigkeiten in der Gastronomie, vor allem im Kasino, aber auch im Hinblick auf die Sauberkeit in den Zimmern und Häusern. Angesprochen waren damit in erster Linie die portugiesischen Arbeitskräfte. Die Wirtschaftsprüfer glaubten nicht, dass die Löhne die Ursache für die unzulängliche Arbeit waren, sondern die Kontrolle.278 Wie ernst die Wirtschaftsprüfer die Situation ansahen unterstreicht auch der Schlusssatz, in dem sie formulierten, dass das Jahr 1977 ein Testjahr sein müsse, nicht zuletzt daraufhin, dass der Verwalter durchaus erkannt habe, dass eine Verschuldung einer Existenzgefährdung gleich komme. In der Durchführung des „Kongresses Kirche in Not“ war es 1983 zu Beanstandungen gekommen. Das Personal sei nicht motiviert genug gewesen. Vor allem Richard Hackenberg hatte verschiedene Beanstandungen vorgebracht und wollte dem

276 277 278

Ebd. Diözesanarchiv Limburg, 16A/1. „Herr Hofbauer hat glaubhaft versichert, dass mit der Anzahl von Hilfskräften, die ihm zur Verfügung steht, schwer die Zimmer und die Häuser in Ordnung zu halten sind. Hierbei ist allerdings zu sagen, dass es an einem gezielten Arbeitseinsatz fehlt, dass die ganze Hilfskraftschar schnatternd, pfeifend und singend sich auf ein oder zwei Zimmer stürzt und dadurch natürlich die Arbeitsleistung unrationell vertan wird. Wir bezweifeln auch, dass eine gewisse Sauberkeitskontrolle herrscht, denn Böden und Fenster sind schlicht und einfach gesagt schmutzig. Selbstverständlich kann man uns erwidern, dass für die Gehälter, die ausgeworfen werden, bessere Kräfte nicht zu finden sind. Wir können nicht beurteilen, ob diese Aussage für den Raum Königstein stimmt oder ob es ganz einfach bequemer ist, aus Portugal Hilfswillige abzuwerben und zu beschäftigen. Auch wir haben einen gewissen Einblick in die Gastronomie und wir haben noch nie die Erfahrung gemacht, dass es bei durchaus vergleichbaren Löhnen nicht möglich gewesen wäre, bei ordnungsgemäßer Aufsicht und Anleitung ein Haus sauber und ordentlich zu führen. Wir halten den Mann, dem diese Obliegenheiten anhand gegeben sind, für nicht geeignet und wir haben die Erfahrung gemacht, dass in gastronomischen Betrieben vergleichbarer Größe an der Spitze der dienstbaren Hausgeister eine Hausdame stand, nicht aber ein Mann, der weder von der Küche noch vom ordnungsgemäßen Unterhalt eines Beherbergungsbetriebes eine Ahnung hat.“ (Wirtschaftsprüfer Albert Dittmann an den Vorstand des Vereins Haus der Begegnung am 24. Mai 1977, 3 S. masch., Zitat S. 2).

702

Abschnitt VII

für den Kongress ‚Kirche in Not’ 1984 vorbauen, indem er eine Beschlussvorlage, in die Vorstandssitzung einbrachte, die den Geschäftsführer dazu anhalten sollte, dafür Sorge zu tragen, dass alle, die mit der technischen und verwaltungsmäßigen Vorbereitung und Durchführung des Kongresses zusammenhängenden Probleme gelöst würden. Er wollte den Geschäftsführer auf seine Verantwortung hinweisen, damit das entsprechende Personal eingesetzt, kontrolliert und motiviert werde. Alle Angestellten des Hauses müssten sich der Tragweite dieser Veranstaltung bewusst sein. Der Kongress war das wichtigste Jahresereignis des Hauses und die Teilnehmer des Kongresses sollten das Haus mit dem Gefühl der Zufriedenheit verlassen.279 In der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Weiterführung der Kongresse gab es einen von Antonia Willemsen, der Nichte Werenfrieds und Geschäftsführerin der Ostpriesterhilfe, unterzeichneten Vermerk, der auf Königsteiner Seite zum Gefühl der Brüskierung führte. Der Verein war erbost, dass vor der Anfertigung eines derartigen Vermerks kein Gespräch geführt worden war. Es wurde unterstrichen, dass eine Weiterführung und Neugestaltung der Kongresse ‚Kirche in Not’ nur einvernehmlich erfolgen könne, gehe es doch darum, dass Königstein und auch die Ostpriesterhilfe viel zu verlieren hätten.280 Auch die Kommission „Weltkirche“ hatte sich am 7. April 1988 mit der Zukunft des Kongresses ‚Kirche in Not’ beschäftigt. Mitglieder der Kommission hatten das Engagement für die verfolgte Kirche im Osten begrüßt und wollten diese wichtige Aufgabe auf einer breiteren Basis weitergeführt wissen. Sie hatten eine Prüfung zugesagt, inwieweit eine ideelle personelle und finanzielle Unterstützung des Kongresses durch die Deutsche Bischofskonferenz möglich sei. Am 5. Oktober 1988 wurde in der Sitzung der Kommission „Weltkirche“ beschlossen, dass eine kleine Arbeitsgruppe mit den Weihbischöfen Guggenberger281 und Pieschl und Prälat Alfons Mappes gebildet werden sollte, die möglichst bald konkrete Vorschläge unterbreiten sollten. Diese Arbeitsgruppe entwickelte konkrete Modelle. Zum einen sah man die Möglichkeit, dass der Kongress ‚Kirche in Not’ vom AMK/HdB durchgeführt wurde. Dabei sollte die Zentralstelle „Weltkirche“ bei der Vorbereitung und Durchführung beraten und unterstützen. Ein zweites Modell sah die gemeinsame Trägerschaft der Veranstaltung vor: AMK/HdB und „Weltkirche“ zusammen bildeten ein verantwortliches Gremium für Vorbereitung und Durchführung.

279 280

281

Anlage zum Protokoll der Vorstandssitzung vom 19. Juni 1984, Diözesanarchiv Limburg, 16A/6. Antonia Willemsen begründete eine Initiative, die Kongresse zu verlagern, in einem Rundschreiben der Ostpriesterhife vom Januar 1987 mit folgenden Argumenten: Viele Besucher aus Osteuropa würden durch das negative Image, das Königstein dort habe, von der Teilnahme abgehalten; die technischen Einrichtungen in Königstein genügten den aktuellen Erfordernissen nicht mehr; und zudem sei dieses jährlich einmalige Ereignis nur mehr eine Fassade, die den Verfall Königsteins überdecken solle. Schreiben vom 19. Februar 1987 an Pater Werenfried van Straaten, Diözesanarchiv Limburg, 16A/9a. Vinzenz Guggenberger (1929 – 2012) war Weihbischof in Regensburg.

Initiativen für die Seelsorge

703

Eine dritte Variante skizzierte die Möglichkeit, dass der Kongress ‚Kirche in Not’ in Zukunft in Verantwortung der Zentralstelle „Weltkirche“ veranstaltet werde. Man entschied sich für die gemeinsame Trägerschaft und behielt dieses Modell bei bis zum letzten gemeinsam durchgeführten Kongress ‚Kirche in Not’ 1995.282

4.8.

Die Stadt Königstein und das Haus der Begegnung

Von der Königsteiner Politik wurde das Engagement Königsteins, nicht zuletzt der Internationale „Kongress Kirche in Not“ wiederholt gewürdigt. In der Eröffnungsrede des Bürgermeisters zum 40. Kongress vom 30. August bis 1. September 1990 – die Welt hatte sich zwischen dem 39. und dem 40. Internationalen Kongress ‚Kirche in Not’ grundlegend gewandelt – hob Bürgermeister Antonius Weber den Beitrag der Kongresse ‚Kirche in Not’ zu diesem Wandel hervor. Der Leitspruch von Weihbischof Kindermann „Hoffen wider alle Hoffnung“ habe seine Bestätigung erfahren. Dafür sei die Stadt Königstein zur Dankbarkeit verpflichtet.283 Neue Aufgaben kämen auf die Kongresse zu, neue Aufgaben kämen auf die Vertriebenenarbeit in Königstein zu, so der Bürgermeister weiter. Er würdigte, dass der Kongress in Zusammenarbeit mit der Kommission der Deutschen Bischofskonferenz für weltkirchliche Aufgaben veranstaltet werde. Das mag eine Würdigung der breiteren finanziellen Basis und damit des zukunftsträchtigeren Modells gewesen sein, das mag aber auch die Würdigung einer Weitung des Blickes sein, nicht mehr nur auf Osteuropa gerichtet, sondern global auf die Problemzonen und damit die Aufgaben der Kirche und der Vertriebenen in der Kirche. Direkt sprach Weber auch Veränderungen bei den Königsteiner Anstalten an, die örtlich ihre Auswirkungen haben würden. Die Stadt Königstein sei grundsätzlich zum Dank verpflichtet für das, was bis damals bewirkt, geleistet und erreicht wurde, und sie werde sich auch auf die veränderten Notwendigkeiten und Gegebenheiten einstellen.284

282 283

284

Vgl. dazu ein Schreiben von Pieschl an Karl Kindermann vom 20. Februar 1989 mit Anlagen in KZG, Archiv Königstein, 752. Die Eröffnungsrede von Bürgermeister Antonius Weber, in KZG, Archiv Königstein, Nr. 791. Dort heißt es auf S. 1: „Die Königsteiner Anstalten, die Kongresse ‚Kirche in Not’ waren immer eingebunden in das Bemühen der Heimatvertriebenen und ihrer Verbände wie auch in das der katholischen Kirche. Es ging seit Kriegsende darum, geistige, seelische materielle Not zu lindern. Den Menschen musste geholfen werden, eine neue Heimat zu finden. Das Streben war darauf gerichtet, Aussöhnung, Verständigung über alte und neue Grenzen hinweg zu suchen. Gerade die Themen der bis heute 40 Kongresse beweisen das in eindrucksvoller Weise.“ Vgl. die Eröffnungsrede von Bürgermeister Antonius Weber, in KZG, Archiv Königstein, Nr. 791, S. 3. „Die Dankbarkeit sollte dadurch zum Ausdruck kommen, dass ein wesentlicher Beitrag geleistet wird, damit die Königsteiner Anstalten, der Trägerverein Haus der Begegnung/Albertus-Magnus-Kolleg sich auf veränderte, neue Aufgaben einstellen können. Hier mitzuwirken, liegt auch im wohlverstandenen Interesse der Stadt und ihrer Bürger. Meine Aufgabe sehe ich darin, mich dafür einzusetzen.“

704

Abschnitt VII

Verhandlungen der Stadt mit dem Albertus-Magnus-Kolleg/Haus der Begegnung e.V. über den Verkauf des Hauses der Begegnung hatten sich damals bereits einige Jahre hingezogen. Schon 1988 war die Frage aufgetaucht, ob die Stadt Königstein im Haus der Begegnung eine Stadthalle bekommen könnte. Der Bürgermeister wollte zu diesem Zeitpunkt das Haus der Begegnung als Haus der Bürger und Vereine bzw. als Stadthalle und suchte Rückendeckung bei den Stadtverordneten für die langwierigen Verhandlungen, die er damals auf noch mindestens ein Jahr schätzte. Die Fraktionen im Stadtrat sollten erklären, dass sie das Haus der Begegnung als Bürgerhaus und Vereinshaus mittragen wollten. Schon vom 12. Juni 1985 datiert eine Aktennotiz des Königsteiner Geschäftsführers, Rankers, der mit dem Vorsitzenden vom AMK/HdB, Pfarrer Kindermann, mit Bürgermeister Weber und Stadtrat Gregori verhandelt hatte – wegen der Benennung einer Straße in Königstein nach Weihbischof Kindermann, wegen der Verkehrsneuregelung auf dem Gelände der Königsteiner Anstalten, hauptsächlich aber wegen einer neuen Trägerschaft für das Haus der Begegnung. Die künftigen Möglichkeiten der Verwendung dieses Defizit abwerfenden Gebäudes sollten mit der Stadt weiter besprochen werden. Der Vorsitzende, Pfarrer Kindermann, trug die Meinung des Vorstandes vor, dass der gesamte Bereich des „Hauses der Begegnung“ von der Stadt in ihre Planungen einbezogen werden sollte. Rankers hielt als Ergebnis dieses sondierenden Gespräches fest, dass die Stadt Königstein sehr interessiert sei, eine gemeinsame Lösung mit dem AMK/HdB zu finden. Im Verlauf dieser Verhandlungen führte der Vorsitzende des Vereins am 28. Mai 1986 ein weiteres Gespräch mit Bürgermeister Weber und Stadträten und erklärte dabei von Seiten des Vereins, dass der Verein an einer baldigen Entscheidung der Stadt interessiert sei, da er nicht länger eine gemeinsame Betreibung des „Hauses der Begegnung“ von Stadt und Verein für möglich halte, andererseits aber, wenn kein Betreiber gefunden werde, das Haus der Begegnung 1987 schließen müsse.285 Wie eng die Finanzlage war, zeigt der Vermerk des Protokolls zum Punkt Kaufvertrag bzgl. Unterhaus mit der Ostpriesterhilfe, wo es heißt, dass der Verein nicht mehr in der Lage sei, die satzungsgemäßen Aufgaben, gerade auch die Verselbständigung der Schule und die Schuldentilgung zu tätigen, wenn dieser Verkauf nicht zustande komme. Der Verkauf des Unterhauses an die Ostpriesterhilfe war für den Vorstand zu einer Existenzfrage geworden.286 1989 war als Intermezzo noch einmal die günstige Gelegenheit entstanden, dass das Hessische Sozialministerium 60 bis 70 Plätze für einen Sprachintensivkurs für jugendliche Spätaussiedler suchte, dabei sollten die Jugendlichen wie in einem Internat untergebracht und betreut sein. Dafür bot sich die Infrastruktur des „Hauses der Begegnung“ an. In Kooperation mit dem Christlichen Bildungswerk Bad Neustadt, das ein Sprachkurskonzept entwickelt hatte, wurden 60 bis 75 Internatsplätze mit Verpflegung und Betreuung im Haus der Begegnung bereitgestellt.

285 286

Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. Juni 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 2. Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. Juni 1986, Diözesanarchiv Limburg, 16A/8, S. 3.

Initiativen für die Seelsorge

705

Die Verhandlungen mit der Stadt Königstein bzgl. der Übernahme des „Hauses der Begegnung“ drohten im Mai 1989 zu platzen, da die Stadtverordnetenversammlung den sofortigen Stopp der entsprechenden Verhandlungen des Magistrates forderte. Das Haus der Begegnung sollte nicht als Haus der Bürger und Vereine oder als städtisch geführtes Tagungs- und Kongreßzentrum erworben werden. Die Stadträte erwogen die Erstellung einer Standortanalyse und Kostenuntersuchungen zum Bau eines Hauses für Bürger und Vereine im Bereich der Königsteiner Innenstadt. Daraufhin beschloss der Vorstand des AMK/HdB e.V., den Vorsitzenden zu beauftragen, so schnell wie möglich Verhandlungen mit einem privaten Betreiber für das Haus der Begegnung aufzunehmen.

4.9.

Die Stadt Königstein übernimmt das ‚Haus der Begegnung’

Trotz dieser Bedenken und Hindernisse führten die Verhandlungen mit der Stadt Königstein zu einem positiven Ergebnis. Die Stadtverordnetenversammlung fasste am 8. März 1990 den Beschluss, das Haus der Begegnung zu kaufen, wobei der Kaufpreis 3 Mio. DM nicht überschreiten sollte.287 Beabsichtigt war, einen neuen Träger, sei es einen Verein oder eine GmbH zu gründen, der das Objekt als Tagungs- und Kongreßzentrum weiter betreiben sollte. Der Vorstand des AMK/HdB Königstein e.V. stimmte dem Verkauf grundsätzlich zu, auch der Höhe des Kaufpreises von 3 Mio. DM. Ebenfalls war er bereit, die Parkund Zufahrtswegstrecken kostenlos in den Besitz der Stadt übergehen zu lassen. Die Straße, der Platz sollten den Namen „Bischof Kindermann“ tragen. Der Vorstand wünschte eine Loyalitätsklausel, die in Zusammenarbeit mit dem Bistumsjuristen so formuliert werden sollte, dass sie für beide Seiten akzeptabel und dass ein Weiterverkauf nur mit Bewilligung des Bischofs von Limburg möglich wäre. Die Kaufverhandlungen bzgl. des „Hauses der Begegnung“ mit der Stadt Königstein waren am 18. Oktober soweit gediehen, dass Bürgermeister Weber einen Kaufvertragsentwurf vorgelegt hatte, der allerdings noch keinen Kaufpreis, nicht die erwünschte Loyalitätsklausel, keine Wertsicherungsklausel enthielt und auch nicht die besprochene Übernahme der Mitarbeiter zusicherte. Dieser Vorstandssitzung vorausgegangen war am 20. September 1990 ein Gespräch mit Bürgermeister Weber, das Kroker und Schleupner in Königstein geführt hatten. Bürgermeister Weber hatte bei dieser Gelegenheit seine persönlichen Ansichten zur Übernahme des „Hauses der Begegnung“ durch die Stadt Königstein erläutert, vor allem, dass ein höherer Kaufpreis als 3 Mio. DM auf keinen Fall mehrheitsfähig wäre und dass er für die Wertsicherungsklausel Schwierigkeiten sehe. Der Bürgermeister wünschte Vorschläge für die Loyalitätsklausel, wollte die bestehenden Miet- und Pachtverträge einsehen sowie nähere Angaben über die bestehenden Arbeitsverhältnisse haben. Der Vorstand des

287

Vgl. dazu die Informationen des Vorstandes in Vorstandssitzung am 2. April 1990, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11.

706

Abschnitt VII

Vereins beschloss nun in seiner Sitzung, Vorschläge zur Loyalitätsklausel zu formulieren und die übrigen Wünsche zu erfüllen, gleichzeitig wollte man in einem Begleitbrief darauf drängen, dass die Vorstandsmitglieder und auch Weihbischof Pieschl eine verbindliche Äußerung der Stadt bis Ende 1990 erwarteten, da andere Interessenten auch kaufen wollten. Im Haus der Begegnung waren im letzten Jahr des Eigentums in den Händen des Vereines von Mitte Dezember 1989 bis Sommer 1990 62 Übersiedler, Familien und Einzelpersonen untergebracht worden, in der zweiten Jahreshälfte konnte das Haus dann wieder für Tagungen genutzt werden. Im „Haus Michael“ waren bis 15. Dezember 1990 27 jugendliche Aussiedler untergebracht, die im Haus der Begegnung einen Sprachkurs besuchten. Auf Dauer konnte das Haus der Begegnung nicht gehalten werden. Die Verluste wurden von Jahr zu Jahr größer. Die Hauptsorge war einen geeigneten Käufer zu finden. Aus der Sicht des Trägervereins zogen sich die Verhandlungen mit der Stadt Königstein quälend lange hin. Die Stadt übernahm zum 1. Oktober 1991 das Haus der Begegnung mit seinem ganzen Betrieb. Zunächst wurde der Betrieb des in städtischen Besitz übergegangenen Hauses über die Kur GmbH abgewickelt.288 Bei dem großen Interesse, das die Leitung der Stadt dem Haus der Begegnung entgegenbrachte und auch bei dem Entgegenkommen, das sie beim Erwerb in der Gestaltung des Kaufpreises gezeigt hatte, muss wahrscheinlich berücksichtigt werden, dass der damalige Königsteiner Bürgermeister, Dr. Bertram Huke, Alt-Königsteiner war – er hatte die Bischof-Neumann-Schule besucht. Die Stadt hatte das Personal im Haus der Begegnung, neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Küche, Zimmerservice, Gärtner, Wirtschaftsleiterin übernommen, wollte das Personal ergänzen und das breite Spektrum der Nutzer des Hauses der Begegnung noch einmal ausweiten, so dass zu den alten Kunden, wie etwa der Ostakademie, der Ackermanngemeinde, der EKD, vielen katholischen Organisationen, die Tagungen, Exerzitien etc. im Haus der Begegnung abgehalten hatten, neue Zielgruppen gewonnen werden sollten. Man dachte an Kunden aus den Bereichen Kur und Kultur, Gesellschaften, Raucherentwöhnungsseminare, Firmenseminare, Schulungen etc. Es gab in dieser Richtung keine Denkverbote; erwogen wurden Verkaufsveranstaltungen etc., um das Haus auszulasten und den Betrieb wieder ins Plus zu führen.289 Hätte die Stadt nicht gekauft, dann hätte der Verein das Haus schließen müssen, denn für die anstehende Sanierung war kein Geld vorhanden, nicht einmal für die Deckung der laufenden Verluste bei der Weiterführung des Hauses der Begegnung.290 All diese Hinweise zeigen, dass man mit dem Verkauf jeweils zu spät kam. Das bezieht sich nicht nur auf das Unterhaus, sondern die Problematik wiederholte sich 288 289 290

Die entsprechenden Akten der Stadtverwaltung Königstein sind noch nicht an das Stadtarchiv übergegangen. Vgl. dazu auch einen Artikel von Wolfgang Hettfleisch in der Taunuszeitung vom 13. Juli 1991. Protokoll der Vorstandssitzung am 20. Februar 1989, Diözesanarchiv Limburg, 16A/11.

Initiativen für die Seelsorge

707

beim Haus der Begegnung, das letztlich mindestens 20 Jahre früher hätte verkauft werden müssen, damit der Verein überhaupt noch eine Option gehabt hätte, sich auf die satzungsgemäßen Aufgaben zu konzentrieren – finanziell wie auch personell. So verwundert die Klage Karl Kindermanns als Vorsitzender des Vorstandes nicht, dass er wegen all der vielen Verpflichtungen in Punkto Verkaufsverhandlungen und Schwierigkeiten in der Geschäftsführung und vor allem der Schadensbegrenzung bei den Defiziten keine Kapazität habe, seine Vorstellungen, seine Konzepte zu einer inhaltlichen Neuorientierung Königsteins, die er bei seinem Amtsantritt hatte, zu realisieren. War Königstein zunächst froh, mit dem Haus der Begegnung eine wichtige Einrichtung für Bürger und Gäste in Königstein gefunden, quasi die fehlende Stadthalle erworben zu haben, um die man umliegende Gemeinden zu sehr beneidete und die man selbst entbehrte, so trübte sich die Freude bald ein, weil die angestrebte Nutzungsintensität nicht erreicht bzw. gehalten werden konnte. Königstein war zunächst glücklich, mit dem Haus über ein umfangreiches Raumangebot zu verfügen. Einen großen Saal mit einem Fassungsvermögen von bis zu 800 Personen, daneben zwei Räume mit einer Nutzung bis 120 Personen, Räume für Vorträge, Seminare, für Familien- und Vereinsfeiern, dann auch eine Reihe von Zimmern mit insgesamt 42 Betten. Die Haus-der-Begegnung-Betriebsgesellschaft hatte elf Mitarbeiterinnen und elf Mitarbeiter. Für Großveranstaltungen, für den Kongress der ‚Kirche in Not’ oder den Kongress der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte wurden zusätzliche Aushilfskräfte verpflichtet. Die Freude und anfängliche Begeisterung legte sich aber bald, denn die Nutzungssequenz, die Belegung war 1995 bereits rückläufig. Seminare und Tagungen waren aus Kostengründen an andere Orte verlegt worden. Das bedeutete auch einen Rückgang bei der Vermietung der Nebenräumlichkeiten. Ungebrochen war die Nutzung durch Vereine, Familien und Parteien. Trotzdem blieb die Bilanz für Königstein negativ. In den vier Jahren, in denen die Stadt das Haus der Begegnung besaß, wurden im Schnitt pro Jahr 340.000,- DM Verlust eingefahren. D.h. der Trend hatte sich trotz des geänderten Eigentümers fortgesetzt. Hinzu kommt, dass sehr viele Investitionen anstanden. Wären sie wirklich angegangen worden, dann sähe der defizitäre Saldo noch viel schlechter aus. Die Betriebsgesellschaft des Hauses der Begegnung verwies angesichts der kontrovers diskutierten Zuschüsse von 320.000,- DM etwa für 1996 darauf, dass entsprechende Einrichtungen auch in anderen Stadtteilen, die vor allem von Vereinen und Bürgern genutzt werden, Kosten für den städtischen Haushalt verursachten, also nicht wirtschaftlich gewinnbringend arbeiteten.291

291

Vgl. etwa Königsteiner Woche vom 29. Dezember 1995, ein Artikel, für den das Haus der Begegnung Betriebsgesellschaft GmbH verantwortlich zeichnete unter dem Titel: „Haus der Begegnung – eine wichtige Einrichtung für Bürger und Gäste in Königstein/Ts.“. Dort heißt es: „Gerade dieser Zuschuss wird sehr häufig im politischen Bereich kontrovers diskutiert. Oftmals wird dabei eben nicht daran gedacht, dass auch die entsprechenden Einrichtungen in den Stadtteilen, die ebenfalls hervorragend durch die Vereine und Bürger genutzt werden, Kosten für den

708

Abschnitt VII

Die Übergangsphase dauerte vier Jahre, bis ein neuer Investor gefunden wurde, der Wohnungen, Büros und ein Hotel auf dem Gelände des Hauses der Begegnung und auf dem Sportplatz errichten wollte. Als ein großer Problempunkt in den Verhandlungen erwies sich der Dioxin-verseuchte Sportplatz, der erst entgiftet werden musste. Weil die Stadt das notwendige Volumen für die Sanierung des Areals und der Gebäude nicht aufbringen konnte, sollte das gesamte Areal incl. Sportplatz in die Hände eines privaten Unternehmens gegeben werden. Das Haus der Begegnung mit einer Gesamtfläche von 6.000 m2 sollte mit einem Erbbaurechtsvertrag überschrieben werden. Der künftige Investor sollte das Haus der Begegnung, auch bei dem privaten Betrieb, den Kirchen und Vereinen zur Verfügung stellen. Eine kostenlose Nutzung der einzelnen Räume sollte per Vertrag garantiert werden – z.B., dass der große Saal bis zu 30 mal jährlich von entsprechenden Gruppen genutzt werden konnte. 1995 verkaufte die Stadt die Anlage. Der neue Investor wollte den Bettentrakt am Haus der Begegnung abreißen. An dessen Stelle sollte ein Zwei- bis Drei-Sterne-Hotel mit maximal 200 Betten gebaut werden, darunter eine Tiefgarage mit 240 Stellplätzen. Das Haus der Begegnung selbst, als ein Bau aus den 1950er Jahren denkmalgeschützt, sollte in seiner maroden Bausubstanz mit einem Aufwand von 8 Mio. DM verbessert werden. Auf dem Sportplatz der Bischof-Neumann-Schule sollten nach der Entgiftung Wohnhäuser und Büros entstehen. Der private Investor erfüllte die Auflagen nicht innerhalb der festgesetzten Frist. So erwarb die Stadt Königstein 1999 das Gebäude zurück. Nun stand erneut die umfangreiche Restaurierung an. Zuvor wurde 2008 ein bauhistorisches Gutachten in Auftrag gegeben.292 Das Haus der Begegnung wurde in den vergangenen Jahren im

292

städtischen Haushalt verursachen. Verglichen mit der Größe des Anwesens, Nutzung und der dort wohnenden Bürger dürfte diese Diskussion nicht entstehen oder sie müsste anders geführt werden. Berechnet man die Wirtschaftskraft der Übernachtungen – voraussichtlich über 3.000 in 1995 – hinzu und weiterhin die Bedeutung des Hauses, so ist der Wert der Anlage sehr groß. Bis zum Bau und Übernahme in eine andere Trägerschaft, die aber weiter die Nutzung durch Vereine zulässt, wird durch die Betriebsgesellschaft das Haus umsichtig weitergeführt. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf Instandhaltung und Pflege gelegt und die bevorstehende Sanierung berücksichtigt. Aus Gesprächen mit bisher nutzenden Vereinen ist bekannt, dass diese sich auf einen großen Saal mit entsprechender Ausstattung und Nebenräumlichkeiten freuen. Ab diesem Zeitpunkt wird es auch möglich sein, im Bereich Kultur noch ganz andere Veranstaltungen nach Königstein zu holen, die Bürgern und Gästen das Wohnen und den Aufenthalt noch angenehmer gestalten.“ Der derzeitige Bürgermeister Leonhard Helm beschreibt die zahlreichen Schwierigkeiten der langen Renovierungsphase und schildert, wie seine Faszination für das denkmalgeschützte Gebäude im Laufe des Sanierungsprozesses gewachsen ist – vom Unverständnis für den Wert des Gebäudes („Die Zeit dieses Hauses war abgelaufen“) bis zum ‚Stolz’, „dass zugleich ein Teil bedeutender Geschichte unserer Stadt, ein gutes Stück Nachkriegsarchitektur und ein Zeichen christlichen Glaubens nach 1945 erhalten werden konnten“. Ein Wahrzeichen Königsteins sei wiedererstanden. Leonhard HELM, Das Haus der Begegnung in Königstein. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis 21 (2013), S. 23-29. Zitate S. 23 und 29.

Initiativen für die Seelsorge

709

Auftrag der Stadt saniert. Ein aktueller Prospekt versprach die Eröffnung Anfang 2011, in der zweiten Jahreshälfte 2012 wurde es eröffnet. In dem Prospekt wird die reiche Geschichte des Hauses angesprochen. Es werden auch die architektonischen und gestalterischen Vorzüge und Charakteristika unterstrichen, mit keinem Wort aber wird die Geschichte der Vertriebenen, die mit diesem Hause so eng verbunden ist, erwähnt. Wie umstritten die Übernahme durch die Stadt und die folgende Sanierung in Königstein waren und sind, zeigt folgende Entwicklung: Die „Königsteiner Woche“ vom 5. Mai 2011 meldete auf S. 7 den Rücktritt des CDU-Vorsitzenden Andreas Noack. Das in solchen Situationen häufig angeführte Argument des Generationenwechsels wurde auch bei diesem Schritt angeführt, dabei stand offensichtlich das alte Problem der jüngeren Geschichte Königsteins im Hintergrund, nämlich die Frage nach der Verwendung des Hauses der Begegnung: Noack war zurückgetreten, weil er sich mit dem neuen Kurs der CDU nicht anfreunden konnte, der nicht zuletzt daran festgemacht wurde, dass die CDU zur Sanierung des Hauses der Begegnung Ja gesagt hatte. Noack hatte, wie auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU im Königsteiner Stadtrat, Dr. Philipp Wiesehöfer, aus finanziellen Überlegungen heraus dieses Projekt stets abgelehnt. Die Diskussion um die Möglichkeit einer angemessenen Verwendung durchzieht also die Geschichte des Hauses der Begegnung in den letzten vierzig Jahren. Offensichtlich sind es gerade die alteingesessenen Königsteiner, die derzeit gegen das Haus der Begegnung sind und die es nicht in das aktuelle Stadtleben Königsteins integrieren wollen. Hier spiegelt sich eine alte Situation in Königstein wider: Die Königsteiner Anstalten zur Vertriebenenseelsorge bildeten ein eigenes Quartier am Rande oder außerhalb der Stadt.

4.10. Wahrnehmung in der Öffentlichkeit 1955 hatte Königstein 6.800 Einwohner. Die Hausgemeinschaft der Vertriebenenanstalten umfasste etwa 600 Personen. Es kann also nicht verwundern, dass Nachrichten aus dem Bereich der Vertriebenenarbeit von öffentlichem Interesse waren. So berichtete die „Taunuszeitung“ über Wallfahrten nach Königstein mit etwa 1.000 Teilnehmern, berichtete über die Auslosung der Preise eines Wettbewerbs unter den Lesern der „Königsteiner Rufe“. Sie kündigte es an, wenn ein neues „Königsteiner Jahrbüchlein“ erschien.

Eine Übersicht über die wesentlichen Aspekte des Gutachtens in: Frank Michael SALTENBERDas Haus der Begegnung ist ein hervorragendes Dokument moderner Architektur. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis 21 (2013), S. 30-36. Vgl. Frank Michael SALTENBERGER, Historische Bauforschung, Projekt Königstein, Haus der Begegnung, März 2008, S. 10. – Das Gutachten liegt im Stadtarchiv Königstein. Es hat einen Umfang von 60 Seiten. Sehr viele Aufnahmen sind dort zusammengetragen. Auf zwei Seiten wird auch eine baukünstlerische Einordnung gegeben und die Intentionen des Architekten Hans Busch und die Ästhetik des Hauses der Begegnung werden gewürdigt.

GER,

710

Abschnitt VII

Naturgemäß berichtete sie am 24. April 1954 ausführlich über den Bau einer Kongress- und Festhalle am Dingweg, also über den Bau des Hauses der Begegnung mit der Begründung, dass die 29 Kapellen- und Missionswagen im Winter zuerst in den Niederlanden untergebracht waren, dann in der Frankfurter Messe und als dies nicht länger möglich war, in Königstein im Freien standen. Dadurch waren hohe Schäden durch Witterungseinflüsse entstanden, deshalb musste ein entsprechendes Garagenareal gebaut werden, über dem dann die Kongress-Halle des Hauses der Begegnung entstand. Ausführlich wurde in der „Taunuszeitung“ über die Priestertagungen in Königstein berichtet, über die Festakademie zu ‚300 Jahre Bistum Leitmeritz‘ am 23. Juli 1955, über die Pilgerfahrten der „Königsteiner Rufe“ nach Rom. Es kam immer eine Notiz, wenn bedeutende Persönlichkeiten in die Stadt kamen; auch die Abiturienten der Bischof-Neumann-Schule wurden in der Zeitung aufgeführt. Ebenso wurden die Diskussionen im Stadtrat Anfang Mai 1956 erwähnt, als der Dingweg in die Taunusstraße umbenannt wurde mit 29 Stimmen von den Fraktionen der SPD, der FDP und des GB/BHE. Die sechs Stimmen der CDU votierten für eine Umbenennung in Bischof Kaller-Straße. Die „Taunuszeitung“ berichtete auf ihrer Seite 3, die für die Nachrichten aus Königstein vorgesehen war, die fünfziger Jahre hindurch, teilweise mit umfangreichen Artikeln, extensiv von den Veranstaltungen, den Bauvorgängen im Vertriebenenbereich Königsteins, auch über die Kapellenwagenmission, den Bauorden, die Renovation und Erweiterung der Kollegskirche, die Reisen Kindermanns – und nicht zuletzt über die Rückkehr des „Hausvaters“ von seinen Auslandsreisen.293 Das Interesse ließ aber bereits in den sechziger Jahren deutlich nach und reduzierte sich in den siebziger Jahren auf die wenigen Höhepunkte. Dazu gehörte die verhältnismäßig nicht sehr ausführliche Berichterstattung über Tod und Bestattung von Weihbischof Kindermann.

Im ‚Spiegel’ Zur Außenwirkung Königsteins, zur Wahrnehmung in der überregionalen Presse ist ein ausführlicher Artikel im „Spiegel“ der ersten Augustwoche 1954 anzuführen.294 Darin wurde über die Ostpriesterhilfe mit einer holzschnittartigen Skizzierung des Speckpaters und seiner Sammlungstätigkeit, über die Diasporaarbeit durch die Motorisierung der Diasporapriester, durch die fahrende Kirche im Einsatz, und über die Idee der Gottesfestungen an der Grenze zur DDR berichtet. Vor allem die Konkurrenzsituation zu den evangelischen Gemeinden hatte den „Spiegel“-Autor fasziniert: die konfessionell aufgeladene militärische Sprache wurde vom „Spiegel“ noch zugespitzt. Der Artikel schoss sich nicht zuletzt auf die ‚Intoleranz‘ in der Mischehenfrage ein.

293 294

Beispielsweise erschien am 24. Mai 1955 die ausführliche Mitteilung, dass der Hausvater der Königsteiner Anstalten von einer zehnwöchigen USA-Reise zurückgekehrt war. Spiegel vom 4. August 1954 auf den Seiten 23-27.

Initiativen für die Seelsorge

711

In der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung’ und in der ‚Welt’ Wie eine Offensive in der Öffentlichkeitsarbeit muten die beiden Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen“ und in der „Welt“ 1967 über die Königsteiner Anstalten bzw. die Theologische Hochschule in Königstein an. Anlass mag zum einen die noch nicht lange zurückliegende Bischofsweihe Kindermanns gewesen sein. Zum anderen aber sicher auch eine als notwendig erachtete Werbung, auch ein Stück weit Neuorientierung, um Studenten nach Königstein zu locken. Der Anfang wurde im Januar in der „Frankfurter Allgemeinen“ gemacht mit einem Artikel mit dem Titel „Wo Katholiken die Öffnung nach Osteuropa vorbereiten“.295 Es ist ein grundsätzlicher Informationsartikel über das Werk Weihbischof Kindermanns, über die unterschiedlichen Institute, über die Philosophisch-Theologische Hochschule, das Priesterseminar, das Gymnasium, das Haus der Begegnung, über die Kongresse ‚Kirche in Not’, die Kapellenwagen, die Ostpriesterhilfe etc. Intensiv setzte sich der Autor mit den Vorwürfen im Ostblock auseinander, dass Königstein hinter Monstranz und Weihrauch eine Offensive in den Osten vorbereite. Ebenso wurde auf die Kritiker im Westen eingegangen, denen das Werk Kindermanns als eine Vorbereitung auf den Tag X erschien, „an dem in einem großen „Roll back“ die fahrenden Kirchen in die osteuropäischen Länder einziehen und die Seminaristen Kindermanns die verwaisten Kanzeln besetzen. Vielleicht hat nach dem Krieg in manchem Königsteiner dieser Geist gelebt. Stärker jedoch war vom ersten Tag an, als 1946 in der trostlosen ehemaligen Artilleriekaserne die Arbeit mit den vertriebenen Theologiestudenten begann, der Wille, Leiden und Verbrechen während der Vertreibung nicht mit neuem Hass zu vergelten. Früh schon begann in Königstein die Arbeit an der Öffnung nach Osteuropa, als in breiteren Schichten im deutschen Katholizismus der Osten noch geistige „Tabula Rasa“ war.“ Die Aufgaben, die sich Königstein gesetzt hatte, wurden genannt, von einer in der Bundesrepublik einmaligen Struktur und Funktion der Hochschule gesprochen. Hervorgehoben wurde die fehlende kirchliche Unterstützung; nichtsdestotrotz sei ein stetiger Aufstieg der Hochschule möglich gewesen. „Eine Eigenart der Hochschule besteht darin, dass sie nicht wie die übrigen Ausbildungsstätten der katholischen Priester von einer Diözese oder von einem Orden unterhalten wird, sondern dass ein eingetragener Verein, der seine finanzielle Kraft von Spenden, vor allem von Heimatvertriebenen empfängt, die Hochschule trägt.“ Königstein soll, so unterstrich der Artikel die eigene Zielsetzung der Anstalten, in der gesamten katholischen deutschen Kirche Solidarität für die östlichen Kirchen wecken, zumindest aber wenigstens Kenntnisse von diesen Nachbarn verbreiten. Die Beschäftigung mit der Kultur und der Philosophie des Ostens wurde unterstrichen. Trotz aller Anfeindungen habe Königstein in seinen Zielsetzungen durch die Ernennung Kindermanns zum Weihbischof eine Anerkennung erfahren. „Wichtig erscheint ihnen außerdem, wie das der jetzige Rektor Kroker anstrebt, dass die gesamte deutsche Kirche die Aufgabe dieser Hochschule im Dienst an der Versöhnung mit den östlichen Nachbarn aner-

295

Helmut HERLES, Wo Katholiken die Öffnung nach Osteuropa vorbereiten – das Werk Bischof Kindermanns in Königstein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Dienstag, 24. Januar 1967.

712

Abschnitt VII

kenne. Das bedeutet, dass die Bischofskonferenz neben ermunternden Worten auch Geld gibt. Wer den Königsteiner Studenten bei der Arbeit zugesehen hat, der weiß, dass hier keine Revanchisten gezüchtet werden, dass das Militanteste hier die Reminiszenz an die ehemalige Artilleriekaserne ist.“ Das Signal sollte also offensichtlich nicht zuletzt an die Bischöfe und die Deutsche Bischofskonferenz gehen, Königstein in seinen Zielsetzungen und auch in der Transformation seiner Zielsetzungen zu unterstützen, vor allem finanziell beizustehen. Etwa ein halbes Jahr später erschien am 21. August 1967 der Artikel in der „Welt“ unter dem Titel „Im Dienste des Dialogs. Porträt einer Theologischen Hochschule“. Königstein wurde dort verglichen mit den 13 Philosophisch-Theologischen Hochschulen, die 1967 in Deutschland in katholischer Observanz bestanden, die zum Teil vom Episkopat, zum Teil vom Staat, zum Teil von Orden getragen wurden. Auch hier wurde der Sonderplatz der Königsteiner Hochschule unterstrichen als Schöpfung der wirren Nachkriegsjahre. Es wurde auf die Geschichte Königsteins als Flüchtlingszentrum hingewiesen. Es wurde auf die Ablehnung hingewiesen, die Königstein im Ostblock erfuhr. Aufgehängt an der Geschichte des mysteriösen Todes des ungarischen Exilprofessors Joseph Jánosi, der während einer Reise von Frankfurt nach Freiburg aus dem fahrenden Schnellzug gestürzt war, wurde der ganze Kontext der Verschwörungen in der Ostwestauseinandersetzung angeschlagen. Jánosi als Mitbegründer der ungarischen Arbeiterpartei kurz nach dem Krieg war unmittelbar vor der kommunistischen Machtübernahme im Kofferraum eines Diplomatenwagens aus Ungarn herausgeschmuggelt worden. Er hatte am Sender „Freies Europa“ mitgearbeitet und dann einen Ruf an die Hochschule in Königstein angenommen. Daher wird hier, um die gefährliche Situation auch anzudeuten, auf die Möglichkeit eines politischen Mordes hin argumentiert. Das machte den Kontext und die Geschichte zusätzlich spannend. Ansonsten übernahm auch der Artikel in der „Welt“ vor allem die Angaben zu den Zahlen der bisher geweihten Priester, der Studenten an der Hochschule, zu den Schwerpunktsetzungen und Intentionen der Hochschule, aus den entsprechenden Informationen Königsteins selbst. Die Fremdartigkeit in Königstein sollte zusätzlich Interesse wecken: Jeder Student muss slawische Sprachen lernen. Es wird auf die Liturgieformen der osteuropäischen Länder hingewiesen, und nicht zuletzt gerät der bisherige Leiter der Hochschule, Eduard Kroker, ins Interesse als Sinologe. „Professor Kroker arbeitet mit den Leitern der Königsteiner Institute seit Jahren an einer neuen Zielsetzung für die von ihm geleitete Hochschule. Da die Zahl der heimatvertriebenen oder geflüchteten Studenten naturgemäß ständig zurückgeht, musste sich im Laufe der Zeit eine Akzentverschiebung ergeben. Natürlich steht die Hochschule weiterhin allen Flüchtlingen aus osteuropäischen Ländern offen; zur Zeit studieren an ihr beispielsweise je ein tschechoslowakischer, polnischer, ungarischer und rumänischer Flüchtling … Aber die Lage hat sich inzwischen gewandelt: Spätestens seit dem Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils, in dem der Dialog mit den Ostkirchen besonders herausgestellt und gefordert wurde, konnte das über den Diözesen stehende Seminar in Königstein seine Aufgabe neu formulieren. Der Aufsehen erregende Briefwechsel zwischen den deutschen und polnischen Bischöfen zeigte

Initiativen für die Seelsorge

713

erneut die Dringlichkeit einer Zusammenarbeit diesseits und jenseits des Eisernen Vorhanges.“ Offensichtlich war Kroker ein wichtiger Informant, denn die anderen Protagonisten in Königstein haben nicht unbedingt die Rolle Krokers in der notwendigen Neuorientierung unterstrichen: Kroker wollte die bittere Erfahrung der Vertreibung in eine größere Hilfsbereitschaft der katholischen Christen in Deutschland für die verwandeln, die in der Unfreiheit leben. Es wird vom missionarischen Gedanken in Richtung Osten gesprochen. Man wolle gegen die wachsende Gleichgültigkeit im westdeutschen Katholizismus gegenüber den Christen jenseits des Eisernen Vorhangs angehen. „Die Zeiten, in denen die Erbitterung über die verlorene Heimat überwog, sind vorbei; im Augenblick ist eine aktive Verständigungsbereitschaft geboten, die sich nicht in Phrasen erschöpft, sondern der veränderten Situation von 1967 Rechnung trägt. Die Leiter der Königsteiner Anstalten wollen zu dieser Verständigung beitragen. Auch die Angriffe aus den Reihen deutscher Katholiken sowie östlicher Propagandazentralen werden sie nicht davon abhalten.“ Diese Einschätzung Krokers hatte der Autor des Artikels in seinem Vorspann kommentiert und seine Vorsicht gegenüber diesem Optimismus zum Ausdruck gebracht. Gerhard Reger hatte unterstrichen, dass er skeptischer sei gegenüber den Aussichten für eine Versöhnung, als wie man sie in Königstein erhoffe.

714

Abschnitt VII

5.

Pater Augustin Reimann

Die Kapellenwagen waren eine spezifische Form der Volksmissionen. Die Intensivierung des religiösen Lebens hatte bei den Sudetendeutschen eine Tradition aus der Zwischenkriegszeit. Nicht zuletzt die Kapuziner haben im Sudetenland wachsenden Zulauf bei ihren Volksmissionen verbuchen können. Diese Initiativen wurden auch in der Vertreibung neben den Missionen der Kapellenwagen und nicht zuletzt im geschlossen katholischen Bereich unter den Vertriebenen wieder aufgenommen. Ein herausragendes Beispiel war Pater Augustin Reimann, eng vernetzt mit Königstein, weil mit Kindermann befreundet.296 Für den 25. bis 29. Juli 1949 notierte der Chronist der Hochschule die Tagung der sudetendeutschen Priester mit über 200 Teilnehmern – die Exerzitien hielt P. Augustin Reimann C.SS.R. Reimann hielt oft in Königstein Exerzitien; er ermunterte die Vertriebenenseelsorger, die dort zur Rekreation, zur Reflexion ihrer Arbeit und zur Aussprache über die anstehenden Aufgaben zusammenkamen. Vielen Leserinnen und Lesern war er durch seine Beiträge in den ‚Königsteiner Rufen’ und den ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten’ bekannt. Die Bischof Neumann-Verehrung half Reimann durch sein Buch über den Böhmerwaldheiligen aus dem Redemptoristenorden begründen und vertiefen und unterstützte damit ein zentrales Anliegen Kindermanns. Reimann hatte auch am von Kindermann begründeten Prager Katholischen Kirchenblatt mitgearbeitet; zahlreiche Auslegungen der Sonntagsevangelien steuerte er bei. Cham, München, Frankfurt waren die ersten Stationen seines Wirkens nach der Vertreibung, bis P. Reimann von 1953 bis 1962 das Provinzialat der Wiener Provinz der Redemptoristen übernahm. Von 1962 bis 1967 war er Rektor des Klosters Steterburg in Salzgitter-Thiede. Die letzten drei Jahre lebte er im Konvent in Würzburg, wo er am 15. Januar 1970 starb. In all den Jahren nach der Vertreibung war er nicht nur in verschiedenster Weise für die Vizeprovinz Karlsbad der Redemptoristen tätig297, sondern auch im Sinne des

296

297

Vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? 172-180. – Für die biographischen Daten vgl. Augustin REIMANN, Eines Volksmissionars Weg und Wirken. Eine Gemeinschaftsarbeit (= Schriftenreihe des sudetendeutschen Priesterwerkes, Band XVII). Königstein/Ts. (1971), S. 13-92. Kindermann spricht als Kirchenrechtler ausführlich die Schwierigkeiten der Karlsbader Vizeprovinz in der Vertreibung an. Sollte sie als eine eigenständige bestehen bleiben und damit ihre Mitglieder in den neuen Provinzen keine Mitsprache eingeräumt bekommen oder aber sollte sie, was dann 1969 die Entscheidung Roms war, als juridische Person weiter bestehen, aber für 99 Jahre ruhen, so dass die Mitglieder jenen Provinzen zugeschrieben wurden, in denen sie damals eingegliedert waren. Über dieses Vorgehen waren die Mitglieder naturgemäß geteilter Meinung. Vgl. dazu ebd., S. 10f.

Initiativen für die Seelsorge

715

Volksmissionars für die heimatvertriebene Bevölkerung.298 Diese Aufgaben führten ihn zu einer engen Zusammenarbeit mit Adolf Kindermann.299 Sudetendeutsche Redemptoristen waren an Hausmissionen in größeren deutschen Städten mehrfach beteiligt.300 Reimann verweist in seinem Festschriftbeitrag auf die Volksmissionen nach der Heimatvertreibung, wo sie besonders in den Diasporagebieten notwendig waren. Redemptoristenpatres halfen in diesen Bereichen in der Rucksackseelsorge und in den außerordentlichen Volksmissionen: Diese Vertriebenenmissionen waren durchweg Hausmissionen. Alle Katholiken wurden von den Missionaren aufgesucht und zum Gottesdienst eingeladen. Manche Katholiken, die in der Heimat dem religiösen Leben ferngestanden waren, beteiligten sich jetzt eifrig an den Missionstagen. Die Kirche war ihnen ein Stück Heimat in der Fremde geworden. Es wurden die Kirchenlieder der Heimat gesungen, der Priester sprach die Sprache der Heimat. Er war durch seine eigene Vertreibung in besonderer Weise der Bruder aller

298

299

300

Kindermann schätzte an Pater Reimann, dass er sich sehr schnell und gut in die jeweilige Lage seines Gegenüber hineinversetzen konnte, was ihn sehr freundschaftsfähig machte und zugleich auch ein grundlegender Faktor für seinen Erfolg als Volksmissionar darstellte. „Wie seine Rede einfach und verständlich war, so auch sein ganzes Wesen. Man spürte, dass er es ehrlich meinte. Dazu kamen sein kindlich frommes Gemüt und sein unerschöpflicher Humor. Um diesen war er wirklich zu beneiden. Sein frohes Wesen öffnete ihm im Nu die Herzen. Gerade für uns Priester war er auch darin ein Vorbild. Wir sollen ja frohe Menschen sein!“ Ebd., S. 11. „Es sind viele Ansätze zum Besseren da. Wir haben bei den Missionen die eigentümliche Erfahrung gemacht, dass die Jugend relativ eifriger mittat, als die Erwachsenen. Die Jugend erwacht zur Sehnsucht nach Gott! Die aufstrebende liturgische Bewegung will die Menschen dem eucharistischen Gott näher führen. Der Sakramentenempfang ist beinahe überall in aufsteigender Linie. Wir haben wieder eine junge katholische Intelligenz – und mag ihre Schar auch noch so klein sein – die sich ihrer Führerverantwortung bewusst ist. Wir haben so viele christusbegeisterte Priester.“ (Zitiert nach ebd., S. 9) – Kindermann und Reimann hatten sich auf dem Katholikentag in Prag 1935 kennengelernt. Kindermann hatte den damals bereits renommierten Volksmissionar dann zu einem Klausener Abend nach Aussig eingeladen. Er hatte über ‚den sudetendeutschen Katholiken in Not und Hoffnung‘ gesprochen. Reimann wollte, was die Charakterisierung der Lage des sudetendeutschen Katholizismus anlangt, beide Extrema vermeiden. Er wollte weder in einen Pessimismus, noch in einen blinden Optimismus verfallen. Gerade aus seiner Arbeit in 14 unterschiedlichen Diözesen im Sudetengebiet, im Deutschen Reich und in Österreich sähe er wohl Schatten- wie Lichtseiten im sudetendeutschen Katholizismus. Die Schattenseiten machte er vor allem an religiöser Unwissenheit und am Fehlen der Verbindung mit Gott fest. Die religiöse Unwissenheit gründe vor allem in der mangelnden religiösen Belehrung im Elternhaus, in der Schule, in der Kirche und nicht zuletzt im Versagen der katholischen Presse. Zu seinem Urteil der mangelnden Verbindung mit Gott kam Reimann, weil die Sudetendeutschen zwar die höchste Prozentzahl an Getauften aufwiesen, vielfach aber nur Taufscheinkatholiken seien. Als Volksmissionar könne er aber aufgrund seiner Erfahrungen auch das Licht nicht übersehen. Die von Natur aus christliche Seele sei im Volk der Sudetendeutschen sehr wach. Auch dass die Sudetendeutschen gerne wallfahrten und sich die Maiandachten überall der größten Beliebtheit erfreuen, wertete er sehr positiv. Vor allem sah er die vielen einzelnen, die in gläubiger Existenz die Heiligen des Volkes seien. Den Einsatz der Jugend, das Wachsen und die Wirkung der Liturgischen Bewegung, die Häufigkeit des Sakramentenempfangs wertete er positiv. Vgl. ebd., S. 245.

716

Abschnitt VII

geworden. Früher als es den Landsmannschaften möglich war, verwirklichte die Kirche in ihren Wallfahrten große Gemeinschaftstagungen der Vertriebenen. Oft haben auf diesen Wallfahrten sudetendeutsche Redemptoristen gepredigt.301 Man versuchte in den Missionspredigten stärker christozentrisch und kerygmatisch anzusetzen und die heilige Schrift in den Vordergrund zu rücken.302 Reimanns Ideal des Volksmissionars ist ein volksnaher Prediger, der doch sehr deutlich auf die klerikale Würde bedacht sei. Das zeigt sich nicht zuletzt in seiner Skizze eines Predigers.303

301 302

303

Ebd., S. 246f. „Damit würde dann von selber Christus der Herr und seine Erlösungstat in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden. Dabei sollten freilich die ‚ewigen‘ Wahrheiten nicht verschwiegen werden. Die Predigt über Sünde, Tod und Gericht sollte nicht ausfallen. Die Missionare wollten nicht stumme Hunde sein, die aus Furcht vor dem Zeitgeschmack die Wahrheit von der ewigen Hölle verschweigen oder vertuschen. Aber der Gesamteindruck der missionarischen Verkündigung sollte doch Trostbotschaft und nicht Drohbotschaft sein.“ Ebd., S. 248. Vgl. ebd., S. 101.

Initiativen für die Seelsorge

6.

717

Father Emanuel Reichenberger

Father Emanuel Reichenberger, ein bayerischer Sudetendeutscher in den Vereinigten Staaten, der in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen den Volksbund deutscher Katholiken in der CSR aufgebaut hatte, gab ideologische Schützenhilfe in der Bewältigung der Vertreibungssituation, wollte helfen, den Vertriebenen neues Selbstbewusstsein zu geben und brandmarkte das Unrecht der Vertreibung.304 Reichenberger publizierte 1955 eine Autobiographie, in der er seine Motive reflektierte.305 Seine zentralen Anliegen seien, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich liegen, nicht in der Optik von Wunschträumen oder im Zerrbild der Propaganda. Auf die nüchterne Erkenntnis müsse ein mutiges Bekenntnis folgen, das in der Gegenwart sehr selten geworden sei.306 Reichenberger kämpfte in öffentlichen Auftritten, Predigten und Flugschriften in den unmittelbaren Nachkriegsjahren gegen die schleichende Entchristlichung, bedingt durch den Liberalismus. Wichtig wurde ihm der Kampf gegen die religionslose Schule, der Kampf für die religiöse Untermauerung der Autorität und für die Heiligkeit des Menschenlebens. Unter dem Aspekt der Humanität, der Achtung des Menschenlebens behandelte er die Situation der Potsdam-Vertriebenen und bescheinigte den zuständigen Organisationen, den Besatzungsbehörden und auch den Christen Versagen.307 Reichenberger wollte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in seinen zahlreichen Presseartikeln in den Vereinigten Staaten für das Recht der Deutschen, vor allem der Heimatvertriebenen kämpfen.308 Recht und Gerechtigkeit seien unveräußerlich und ewig gleich. Sie müssten auch für das besiegte Deutschland gelten.309

304 305 306 307 308

309

Vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? 181-189. Emanuel J. REICHENBERGER, Wider Willkür und Machtrausch. Erkenntnisse und Bekenntnisse aus zwei Kontinenten. Graz und Göttingen 1955. Vgl. ebd., S. 4. Vgl. ebd., S. 624. Ein Teil dieser Artikel ist in erweiterter Form zusammengestellt in dem Buch Emanuel J. REICHENBERGER, Europa in Trümmern. Das Ergebnis des Kreuzzuges der Alliierten. Graz, Salzburg, Wien 1950. „Schuf man in Potsdam ein neues Recht? Ein Recht, das den Machthabern im 5. Jahrzehnt des 20. christlichen Jahrhunderts jede Willkür gewährt und den Besiegten jedes Menschenrecht nimmt? Schon mehren sich besonders im amerikanischen Volke die Stimmen, die mit Entsetzen von diesem grauenvollen Nachkriegsgeschehen erzählen und in Wort und Tat das ihre zur Linderung beitragen. Sie wollen sich durch ihr Mitwissen nicht auch zu Mitschuldigen machen.“ Ebd., S. 25.

718

Abschnitt VII

1945 nach Kriegsende habe der von Masaryk310 verkündete tschechische Humanismus, den Beneš weiter gespielt habe, sein wahres Gesicht gezeigt. Beneš habe den Westen verraten und die abendländische Kultur im böhmisch-mährischen Raum an den Osten verschachert.311 Im neuen tschechoslowakischen Staat stünden große Fabriken still, und verödeten ganze Landstriche, wohingegen im modernen KZ Deutschland, wie er das Nachkriegsdeutschland bezeichnete, Millionen Ausgewiesener und Ausgebombter in Lagern und menschenunwürdigen Wohnungen verelendeten. Reichenberger trug eine Masse von Schicksalsschilderungen in diesem Buch zusammen, die nicht eine neue Hasswelle in die Welt tragen wollten, sondern dem unteilbaren Recht zum Durchbruch verhelfen sollten. Die Dokumentation wollte erschüttern und zum Gegensteuern anregen. Er wollte die Welt über das größte Verbrechen gegen den Frieden und die christliche Zeitgeschichte aufklären.312 Die Vertreibungen haben die Christlichkeit Europas, haben das Abendland zerstört, wohl aber in den Augen Reichenbergers nicht die Verbrechen der Nationalsozialisten. Reichenbergers Denken war zum einen geprägt von einem tiefgehenden politischen Bipolarismus zwischen der westlichen Welt und der bolschewistischen Hemisphäre, andererseits stand aber er, der in den Vereinigten Staaten lebte, auch der Politik Amerikas mit einer tiefen Skepsis gegenüber. Er vermutete hinter den westlichen Staatsmännern versteckt und unterschwellig agierende Mächte, weil sie ihren Blick nur darauf fixiert hätten, die Diktatur der Nazis zu zerbrechen und die Welt zu befreien, die sie gleichzeitig dem Kommunismus in den Rachen warfen.313 In dieser Aussichtslosigkeit war für ihn Rom die letzte Zitadelle des Abendlandes.314 Man könnte Reichenbergers Situationsbild als eine eigenwillige abgelegene Position abtun, würde dabei aber übersehen, dass er diese Standpunkte und Forderungen als viel gefragter und gefeierter Versammlungsredner im Nachkriegsdeutschland der späten 40er und vor allem 50er Jahre wiederholt bei Versammlungen der Heimatvertriebenen verbreitete. Tausende Vertriebener hörten ihn dabei. Eng war der Kontakt, den er zu Königstein und Kindermann pflegte. So verwundert es nicht, wenn Königstein wenigstens teilweise und verdachtsweise mit den Interpretamenten Reichenbergers identifiziert wurde und sich damit eine Reihe von Vorwürfen und Feindbildern eintrug.

310

Tomáš Garrigue Masaryk (1850 – 1937); von 1918 – 1935 tschechoslowakischer Staatspräsident. Alain SOUBIGOU, Tomáš Garrigue Masaryk. Praha, Litomyšl 2004. 311 Vgl. S. 26. 312 „Sollte die Menschheit später eine objektive, von Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit inspirierte Geschichtsschreibung erleben, dann wird es dem Historiker Mühe kosten, seinen Zeitgenossen zu erklären, dass diese Barbareien nicht in altersgrauer, kulturloser Zeit, nicht unter Kopfjägern in den Dschungeln Afrikas sich ereigneten, sondern im Herzen des Abendlandes, 2000 Jahre nach der Geburt Christi, in einer Zeit, die sich trotzdem nicht schämt, christlich genannt zu werden.“ Ebd., S. 27. 313 Vgl. ebd., S. 436. 314 Vgl. ebd.

Initiativen für die Seelsorge

7.

7.1.

719

Foren der Vertriebenenbetreuung

Diözesanvertriebenenseelsorgertagungen und ihre Themen

Die Diözesanvertriebenenseelsorgertagungen hatten in Königstein eine lange Tradition, reichten sie doch in die Anfänge Königsteins zurück. Die ersten Tagungen der Jahre 1947 und 1948 waren gezeichnet von der materiellen und psychischen Notlage der Vertriebenen und ihrer Seelsorger, vor allem der vertriebenen Seelsorger in der Diaspora. Da wurden Erfahrungen ausgetauscht, Überlegungen vorgetragen, wie die Situation, auch die rechtliche Stellung der Seelsorger und ihre finanzielle Absicherung verbessert werden konnten. Memoranden wurden verfasst, Eingaben an die Bischofskonferenz zur Sicherung des theologischen Studiums in Königstein wurden formuliert. Die späteren Treffen der Diözesanvertriebenenseelsorger anlässlich der zweimaligen Tagungen pro Jahr wurden dafür genützt, um Entwicklungen und Möglichkeiten der Vertriebenenseelsorge zu besprechen und zu reflektieren. Ein Beispiel ist die Herbsttagung 1953: Sie stand unter dem Thema „Krise der Flüchtlingswallfahrten“. Man nahm einen Umbruch wahr von den großen Wallfahrten der Anfangsjahre, die Zusammenkünfte waren, quasi auch ‚Treffen‘ der Vertriebenen – in einer Zeit, da es noch keine landsmannschaftliche Arbeit gab – zu kleineren Veranstaltungen. Die Wallfahrten kamen wieder stärker zu ihrer ursprünglichen Bestimmung. Sie wurden damit aber auch zahlenmäßig kleiner. Trotzdem wollten die Teilnehmer nicht von einer Krise der Flüchtlingswallfahrt sprechen, da auch die anderen Flüchtlingsveranstaltungen nicht mehr so intensiv besucht wurden wie in den ersten Jahren. Man sah, dass die Eingliederung fortschritt, die ältere Generation wegsterbe oder immobil wurde, den jüngeren schon die Erinnerung an die alte Heimat fehle. Schließlich spiele, so das Resümee der Vertriebenenseelsorger, auch der Wegfall der Reisevergünstigungen eine Rolle. „Im Großen und Ganzen kann man wohl sagen, dass sich ein gewisser Stand von Wallfahrern erhalten hat, und an innerer Tiefe haben diese Tage nur gewonnen. Die Opferbereitschaft ist eher noch gewachsen. Die Menschen bringen oft ungeheure physische Opfer, langen Anfahrtsweg, stundenlanges Ausharren vor dem Beichtstuhl, nüchtern bleiben usw. Die Gebefreudigkeit ist beispiellos. Auf jeden Fall wollen wir an den Wallfahrten festhalten. Sie sind ein ausgezeichnetes Mittel außerordentlicher Seelsorge.“315 Die Diözesanvertriebenenseelsorger reflektierten auf diesen Tagungen grundsätzliche Themen, wie die unterschiedliche Organisationsstruktur der katholischen Ver-

315

KZG Bonn. Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., S. 17.

720

Abschnitt VII

triebenen im Süden und im Norden. Es wurde nach dem Prinzip der Multiplikatoren gefragt, wie es sich vor allen Dingen die Ackermanngemeinde auf die Fahne geschrieben hatte, im Gegensatz zum Kardinal-Bertram-Werk in der Diözese Hildesheim etwa, das unmittelbar nach seiner Gründung einen zahlenmäßig enormen Zulauf verbuchen konnte. Man beschäftigte sich intensiv mit der Situation der Kirche und den Möglichkeiten der Pastoral in der DDR, die man nach wie vor als Sowjetzone bezeichnete, und man bereitete den Katholikentag vor. Wiederum vier Jahre später, am 13. und 14. November 1957 erweiterte sich der Kreis der Teilnehmer entscheidend. Es waren fast alle Diözesanvertriebenenseelsorger anwesend mit zwei Vertretern des Flüchtlingsklerus ihrer Diözesen. Die Leiter der Arbeitsstellen Nord und Süd nahmen teil; fünf Bundestagsabgeordnete aus den Reihen der Vertriebenen waren anwesend, ebenso wie der Flüchtlingsbischof Heinrich Maria Janssen von Hildesheim. Man griff die anstehenden Aufgaben in gewohnter Weise auf, man tauschte sich über das Lagerproblem aus, über die Spätaussiedler, über die leichte Zunahme der Zahl der heimatvertriebenen Priester, die sich im Westen inkardinieren ließen. Wiederum beschäftigte man sich ausführlich mit der politischen Situation nach der Bundestagswahl 1957. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Herbert Czaja griff die entsprechenden Themen in einem politischen Referat auf: Er zeigte sich sehr zufrieden, dass der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) nur etwa 20 % der Flüchtlingsstimmen erringen konnte, wohingegen die Zahl der Wähler aus den Reihen der Vertriebenen, die ihre Stimme der CDU gaben, beachtlich gewachsen sei. Czaja schrieb dies nicht zuletzt der klaren Haltung Adenauers in den Ostfragen zu. Parallel zu den Anliegen Kindermanns und Hadrosseks thematisierte Czaja schwerpunktmäßig Heimatrechtsfragen. „Es muss eine Kraft geweckt werden als Hüterin in Heimatrechtsfragen gegen Ignoranz in mitteleuropäischen Fragen, gegen Abschreibungspolitik und als Mahnerin in allen sozialen Anliegen der Vertriebenen… Unter den konkreten Anliegen nannte Czaja: Überwindung der Lagernot durch Beschleunigung des Wohnungsbaues, worin die Länder etwa eineinhalb Jahre im Rückstand seien; Ergänzung und Abschluss der Gesetzgebung betreffs Eingliederung und Lastenausgleich; Eigentumsbildung; Fragen der Rechtsgleichheit (131er, Spätaussiedler); allgemeines Siedlungswesen und Bauernsiedlungen; Vertretung des Heimatrechtes in Presse und Fraktionen; Heranbildung von Sachkundigen in Ostfragen.“316 Anliegen war wiederum, die Vertriebenenseelsorger für ihre Aufgaben zu sensibilisieren, sich auch mit den aktuellen politischen Problemen zu beschäftigen, mit politischen, staatlichen und entsprechenden Parteistellen engen Kontakt zu suchen. Ein zentrales Anliegen, auch in der Stellungnahme Janssens, war die Situation in den Lagern, die Forderung, dass die Flüchtlingsseelsorger dort ihre Präsenz zeigen sollten. Gleichzeitig appellierte Janssen an die Vertriebenenseelsorger, die einschlägigen Anliegen und Probleme ständig zu thematisieren und vorzubringen, da die Bischöfe 316

Protokoll der 21. Konferenz der Diözesanseelsorger für die Vertriebenen in Königstein/Ts. vom 13. bis 14. November 1957, 7 S. masch., Zitat S. 2, KZG Bonn. Bestand Janssen, 2676.

Initiativen für die Seelsorge

721

die Diözesanlösung des Problems anstrebten, eine außerordentliche Seelsorge aber nach wie vor notwendig sei.317 Es war die Zeit, in der vor allem über die Organisation, über die effiziente Struktur der Vertretung der Interessen der Vertriebenen diskutiert wurde, in der die Frage, ob eine Dachorganisation aller Vertriebenenorganisationen sinnvoll sei, ständig aufgeworfen wurde. Dazu äußerte sich auch vor den versammelten Diözesanvertriebenenseelsorgern der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Ernst Kuntscher318, der dafür plädierte, die Massen der Vertriebenen zu erfassen, weil nicht zuletzt in der Förderung durch den Staat die Masse gezählt werde. Daraufhin entspann sich eine Debatte, ob der katholische Flüchtlingsrat, der von Regierungsseite her als Organisation der Kirche gewertet werde und nicht als Dachorganisation der katholischen Vertriebenenverbände, eine ähnliche Funktion wie eine Dachorganisation übernehmen könne. Sollte also der katholische Flüchtlingsrat ein Beratungsorgan des Episkopates bleiben oder dahingehend umgebaut werden, eine Dachorganisation für die katholische Vertriebenenorganisation zu werden. Dabei zeichnete sich bereits die Tendenz ab, den katholischen Flüchtlingsrat in seiner herkömmlichen Aufgabe und Stellung zu belassen und dafür als Koordinierungs- und Sammelorganisation eine Arbeitsgemeinschaft der katholischen Vertriebenenorganisation zu etablieren. Vor allem Pfarrer Moschner, der Mitarbeiter an der Kirchlichen Hilfsstelle Nord, setzte sich für diesen Gedanken ein. Er sollte dann ja auch Promotor dieser Arbeitsgemeinschaft werden. 1957 wurde auf der Konferenz der Diözesanvertriebenenseelsorger die Jugendfrage aufgeworfen. Dazu ein kleiner Rückblick: 1946 erfolgte der Zusammenschluss der Heimatvertriebenenjugend, 1948 die Gründung der Deutschen Jugend des Ostens (DJO), die sich dann doch weitgehend national bis beinahe extrem rechts orientiert hatte. Es wird bedauert, dass sich die einheimische katholische Jugend zu wenig um die Ostfragen gekümmert habe. Sie habe unter Eingliederung Einschmelzung verstanden, inzwischen aber bejahe der Bund der katholischen Jugend (BDKJ) die Ostanliegen, überlasse die Arbeit aber den landsmannschaftlichen Gliederungen. Die Landsmannschaften hingegen hätten allzu sehr das Sentimentale gepflegt, viel zu wenig die religiöse Kultur vermittelt. „Seit zwei Jahren wurde Verbindung aufgenommen zwischen Katholischem Jugendverband Deutschland und polnischer Jugend. Jetzt ist auch der Bund katholischer Jugend an der Exiljugend interessiert. Der Weltbund der Exiljugend hat in München eine Zentrale gegründet und die Ackermanngemeinde mit der Geschäftsführung betraut. Bundespräses Bokler319 ist sehr daran interessiert. Wenn von Königstein etwas hinsichtlich der Jugend unternommen wird, dann wäre Verbindung mit Bundespräses Bokler und der Zentrale in München aufzunehmen. Bokler ist durch den letzten Kongress ‚Kirche in Not’ in Königstein sehr aufgerüttelt worden und hofft, dass von Königstein aus etwas geschieht. Er und Dr. Schreber stehen hinter

317 318 319

Vgl. KZG Bonn. Bestand Janssen, 2676, S. 3. Ernst Kuntscher (1899 – 1971) kam wie Hans Schütz aus der sudetendeutschen christlichen Gewerkschaftsbewegung, von 1949 bis 1969 war er MdB. Willy Bokler (1909 – 1974), Prälat, war ein katholischer Geistlicher, der sich besonders der Jugendarbeit widmete. Von 1952 bis 1965 war er Bundespräses des BDKJ.

722

Abschnitt VII

dieser Arbeit. Die Arbeit an der Jugend muss einen Sinn haben für den Einzelnen, für das ganze Volk, ja für ganz Europa. Unsere Arbeit muss in einem größeren Rahmen eingeordnet werden.“320 Sowohl in der einheimischen Jugend wie auch bei einem Teil der heimatvertriebenen Geistlichen wurde das mangelnde Interesse für die Ostanliegen bedauernd unterstrichen. Allenfalls die Katastrophe in Ungarn 1956 habe neu die Sensibilität für die Situation der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang wachgerüttelt. Dieser Vertriebenenseelsorgerkonferenz war eine Aussprache mit Bischof Janssen am Vorabend der Konferenz, am 12. November 1957 vorausgegangen. Dort wurde in einem kleinen Kreis, dessen Teilnehmer das Protokoll nicht näher anführt, die Frage nach der aktuellen Bedeutung des Diözesanvertriebenenseelsorgers besprochen. Janssen erklärte sich bereit, sich für die Diözesanflüchtlingsseelsorger einzusetzen. Diese Aufgabe sollte nach Möglichkeit hauptamtlich geleistet werden. Wie überhaupt die Aktualität der Heimatvertriebenenfrage unterstrichen wurde. Das Vertriebenenproblem sollte ein Pflichtthema auf den Dekanatskonferenzen sein. Der Diözesanflüchtlingsseelsorger sollte in der Lagerseelsorge mitverantwortlich sein. Die Lager seien ein neuer Anruf an die Aufgaben des Diözesanflüchtlingsseelsorgers. „Eine längere Aussprache entwickelte sich bei der Frage der Flüchtlingstheologen. Exzellenz Janssen war der Auffassung, dass alle Flüchtlingstheologen zum mindesten nach dem päpstlichen Dekret geweiht werden sollten. Dies sollte vor allem auch auf der Regentenkonferenz vorgetragen werden. Ebenso sollen in diesem Sinn wirken: die Königsteiner Zeitschriften, die Rundbriefe an die Geistlichen, die Priesterwerke und die Heimatbriefe der Pfarrer. Exzellenz Janssen erklärte sich bereit, jene seiner Flüchtlingsstudenten, die in Königstein studieren möchten, dorthin zu schicken. Seinerseits verlangte er, dass sich die Hildesheimer Theologen von Anfang an bei ihm melden.“321 Es ist festzustellen und festzuhalten, dass die Diözesanvertriebenenseelsorger nicht nur zu ihren Konferenzen in Königstein zusammenkommen, von dort versorgt werden wollten, sondern bereits 1952 mit Nachdruck auch Mitsprache einforderten. Der Diözesanvertriebenenseelsorger sollte ständig als Berater auch in Königstein herangezogen werden, nicht zuletzt bei der Arbeit, die Königstein und die Ostpriesterhilfe in der Vertriebenenseelsorge und in Richtung Osten leisteten.322 Zuvorderst wurde nachdrücklich eine intensive Zusammenarbeit der Ostpriesterhilfe und Pater Werenfrieds mit Diözesanvertriebenenseelsorgern gewünscht. Es scheint mehrfach vorgekommen zu sein, dass Werenfried vereinbarte Termine kurzfristig abgesagt, nicht wahrgenommen oder Termine wahrgenommen habe, die mit Vertriebenenseelsorgern nicht abgesprochen waren. Die Notwendigkeit der Ab-

320 321 322

Ausführungen von Pater Paulus Sladek, KZG Bonn. Bestand Janssen, 2676, S. 5. Protokoll der Aussprache mit Exzellenz Janssen am Vorabend der Konferenz der Diözesanseelsorge für die Vertriebenen, 12.11.1957, 1 S. masch., KZG Bonn. Bestand Janssen, 2676. Vgl. dazu Protokoll der elften Diözesanflüchtlingsseelsorgerkonferenz am 13. und 14. November 1952 in Königstein, 17 S. Maschinenschrift, S. 7.

Initiativen für die Seelsorge

723

sprachen betraf nicht zuletzt die Kapellenwagenmission. Auch in diesem Punkt fühlten sich die Vertriebenenseelsorger oft übergangen.323

7.2.

Zu den Publikationen

Die Königsteiner Rufe a) Aufbau Monatlich wurden in den ‚Rufen’ eine Vielzahl und Vielfalt an Beiträgen an die Förderer und Freunde Königsteins, an die Eltern der in Königstein studierenden Jungen und einen weiten Vertriebenenkreis geschickt. Die im Durchschnitt 32 Seiten eines Heftes enthielten erzählende Beiträge, betrachtende Texte, Geschichtsdeutungen, auch Informationen, die die Vertriebenen betrafen, Informationen aus der angestammten Heimat, Bilder aus der Heimat, die vertraute Erinnerungen wecken sollten. Zu Vertriebenenwallfahrten wurde regelmäßig eingeladen, zu den großen Fahrten nach Mariazell, nach Rom, nach Lourdes, auch nach Fatima, aber auch zu den näher liegenden Wallfahrten in den jeweiligen Regionen, zu den Vertriebenenwallfahrten nach Königstein, nach Altötting etc. Belehrende, oft auch moralisierende, leichtere volkstümliche Literatur, Erzählungen, die Büchern entnommen wurden, standen neben Bildbetrachtungen und Bilddeutungen, neben Predigten und Gedanken zu den Hochfesten, oft von Kindermann oder von Pater Augustin Reimann und dazu immer wieder Berichte aus dem Leben Königsteins. Die Rufe wollten Bindeglied sein, eine weite Gemeinschaft bilden von Vertriebenen, die sich Königstein verbunden wussten, dort das ‚Vaterhaus der Vertriebenen‘ sahen. Damit wollte man um Nachwuchs für Königstein werben. Vor allem wollte Kindermann auf diesem Weg auch Spenden einwerben.

323

„Wenn man jetzt ein Statut aufstellt, dann müsste das aber auch gelten – ich bitte zu verzeihen, dass ich das so ganz offen sage – für das Verhältnis Königstein, Priesterreferat zu uns Priestern, die wir Diözesanvertriebenenseelsorger sind. Ich habe so ein Theater erlebt um diese Wagen herum, die Ostpriesterwagen. Nicht wahr, da ist nicht über den Diözesanvertriebenenseelsorger gearbeitet worden, sondern direkt an das Ordinariat geschrieben worden. Es ist in falsche Kanäle gelaufen, denn jeder stürzt sich darauf, wenn er etwas kriegen soll und wir, die sonst den Priestern Lasten auferlegen, dass sie kommen zu Konferenzen, wenn wir ihnen einmal etwas Gutes geben können, dann geht das nicht durch uns, sondern durch eine andere Stelle. Und es ist ja klar, solch ein Verärgern in der Diözese durch Königstein wegen der Wagen ist gekommen. Wenn wir Heimatvertriebenenseelsorger sind, dann müssen wir eine Vertrauensbasis haben und ich meine, sie müssen unsere Stellung draußen stärken. Nicht dass wir erst hintenherum, wir kriegen es ja doch zu hören, aber erst nachdem man fünfmal telefoniert hat und versucht hat zu erfahren, wer das Schreiben bekommen hat. Wenn sie wüssten, wer sich eingeschaltet hat. Und zum Schluss bekam ich noch von der Priesterhilfe persönlich noch einen Wagen überwiesen, den ich gar nicht brauchte.“ Ebd., S. 18.

724

Abschnitt VII

Jedes Heft hatte eine Rubrik „Was uns angeht“, die zum Teil bis zu zwei Seiten der „Königsteiner Rufe“ umfasste. Darin wurden die politischen und rechtlichen Informationen für die Vertriebenen zusammengestellt. Daneben gab es eine Mitteilungsecke, wo einige wenige klassische Anzeigen, Suchanzeigen, Wohnungssuche, Stellengesuche veröffentlicht wurden, wo sehr viele Gebetserhörungen publiziert wurden und wo alle Spender aufgeführt wurden. Die letzte Seite, die hintere Einbandseite, war der Bücherschau vorbehalten, in der neuere Sachliteratur, die den Osten betraf, oder Romane und Erzählungen angezeigt wurden; später wurde teils auch Werbung aufgedruckt. Offen bleibt die Frage, wie stark gerade in den Informationen ‚Was uns angeht‘, also in den vertriebenenspezifischen Berichten über politische und soziale Entwicklungen, Illusionen genährt wurden; so wurden beispielsweise selbst 1954 noch Hoffnungen auf Rückkehr der Sudetendeutschen wach gehalten.324 b) Themen und Anliegen Die erste Nummer des ersten Jahrgangs der „Königsteiner Rufe“ brachte das Programm, das Anliegen dieser Publikation zum Ausdruck. Stark in Gedenken an den Flüchtlingsbischof Maximilian Kaller stehend wollten die „Königsteiner Rufe“ wach halten, stützen und ermuntern.325

324

325

Königsteiner Rufe 1954, S. 156: „Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, dass sich die tschechoslowakische Regierung mit dem Gedanken trägt, die vertriebenen Sudetendeutschen zur Rückkehr in die inzwischen kommunistisch gewordene Tschechoslowakei aufzufordern. In der tschechischen Presse wird ständig auf die Notwendigkeit der Wiederbesiedlung der verlassenen Gebiete hingewiesen, wobei die angebliche „Gleichberechtigung“ der in der Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen mit den Tschechen und Slowaken unterstrichen wird. Man hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Prager Regierung demnächst den vertriebenen Sudetendeutschen das Angebot machen wird, in die Tschechoslowakei zurückzukehren – die Heimatvertriebenen selbst haben den Anspruch auf ihre Heimat nie aufgegeben, aber sie wollen ihre Heimat in Freiheit wieder sehen. Sie wissen, dass es im Bereich des Bolschewismus diese Freiheit nicht gibt. Sie wissen auch, was sie von kommunistischen Versprechungen zu halten haben!“ Königsteiner Rufe 1 (1949), Nr. 1, S. 12, unter der Rubrik „Was sie wollen“: „Königstein im Taunus in der Nähe der alten Stadt Frankfurt gelegen, ist für die Heimatvertriebenen zu einem Begriff geworden. Tod und Leben haben ihn prägen helfen. Da ruht der erste Flüchtlingsbischof Maximilian Kaller im Schatten der Stadtkirche. Nur kurze Zeit war er unter uns, aber er hat uns die Haltung vorgelebt, die wir Christen in dieser namenlosen Heimsuchung der Vertreibung haben sollen. Er hat uns den Glauben an die erlösende Macht des Kreuzes gelehrt und in der Liebe zum Kreuz uns angeeifert. So ist er unser Vorbild und stiller Mahner geworden. Diesen Geist wollte der Verewigte auch in den Königsteiner Anstalten verwirklicht sehen. An die 350 heimatlose Schüler und Studenten streben in Königstein unter Anleitung ihrer Lehrer und Erzieher dem hohen Ziele zu, einmal als Priester Gottes in die ärgste Not des Volkes zu treten und im Geiste des Verewigten zu wirken. Sie werden einmal die lebendigen Rufer von Königstein sein. Groß ist die Priesternot unter den Vertriebenen. Königstein will mithelfen, sie zu bannen. Das ist ein erster Ruf, der durch diese Blätter hinausdringen soll in alle Städte und Dörfer, wo Vertriebene wohnen, hinein in die Familien, um die jungen Menschen aufzufordern, in dieser schweren Stunde sich dem Dienst am Altar zu weihen. Schwer ruht die Flüchtlingsnot auf den Millionen der Vertriebenen. Mit rein menschlicher Kraft ist sie kaum mehr zu ertragen. So wird sie zu ei-

Initiativen für die Seelsorge

725

Intensiv wurde die Papstverehrung gepflegt, Berichte von Wallfahrten und vor allem von Romwallfahrten wurden abgedruckt, reich bebildert in vielen Fortsetzungen. Die Konviktschronik von Königstein berichtete, deutete die Entwicklungen und warb vor allen Dingen um Jungen, die nach Königstein ins Gymnasium und zum Studium kommen und für die die Gläubigen spenden sollten. Immer wieder wurden Heilige als Vorbilder vorgestellt, Legenden eingefügt. Selbstredend wurde in den „Königsteiner Rufen“ ausführlich über die Priesterweihen in Königstein berichtet und gleichzeitig für weiteren Priesternachwuchs geworben. Dazu dienten entsprechende Bilder, Gedichte, betrachtende Texte von Pater Augustin Reimann, dazu dienten Erzählungen, Statistiken über den Rückgang der Priesterweihen in den Ländern hinter dem Stacheldraht.326 Bebildert war das Priesterheft der „Königsteiner Rufe“ u.a. mit markanten Aufnahmen des Priesterseminars in Prag. Pater Paulus Sladek warb für Ordensnach-

326

ner schweren Prüfung in der Glaubenstreue und im Gottvertrauen. Der Großteil unserer Brüder und Schwestern lebt in der Zerstreuung in der Diaspora. Das bedeutet zumeist, kein Gotteshaus in der Nähe, keinen Tabernakel, einen überbürdeten Seelsorger, keine religiöse Atmosphäre – bedeutet oft furchtbare Vereinsamung und Mutlosigkeit. Da wollen die „Königsteiner Rufe“ Euch wach halten, stützen und ermuntern: Haltet aus, vertrauet, habt Glauben! Und schließlich sollen diese Rufe auch zu jenen dringen, die ihre Heimat behalten durften: Erkennet die Stunde, da der Herr Euch in der Liebe prüft! Schon hat sich ein ansehnlicher Kreis von Freunden und Gönnern in helfender Liebe um unsere Anstalten gebildet. Er möge noch weiter in die Tiefe und Weite wachsen. So können die „Königsteiner Rufe“ viele Brücken bauen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen und christlicher Kraft manche Gegensätze und Spannungen überwinden.“ Vgl. etwa Königsteiner Rufe 1954, S. 162-171, dort S. 170: „Eine furchtbare Bilanz. Und nun wissen wir, dass in diesen Ländern etwa 50 Mio. katholischer Brüder und Schwestern leben. Wahrhaftig KIRCHE IN NOT. Einmal wird auch diese Verfolgung ein Ende haben, so wie sie in Mexiko und Spanien ein Ende gefunden hat. Einmal wird es in diesen Ländern wieder möglich sein, das Wort Gottes zu künden, die Kinder im Glauben zu unterweisen und sich als Priester frei zu betätigen, dann werden Tausende und Tausende von Priestern gebraucht; denn die Menschen werden nach ihnen verlangen und rufen. Da werden wir helfen müssen, so wie wir Missionare zu den Schwarzen und Roten und Gelben schicken, werden wir ein Heer von Priestern brauchen, um das der Kirche entfremdete Europa Christus zurückzugewinnen. Auf diese Aufgabe wollen wir uns vorbereiten – jetzt schon vorbereiten. Sind nicht gerade die Vertriebenen, die aus den Ländern kommen, die heute in der Kirchenverfolgung stehen, besonders geeignet, diese Aufgabe in die Hand zu nehmen? Es handelt sich ja nicht um fremde Länder irgendwo auf der Welt, es handelt sich um unseren Heimatboden. Das ist die große Aufgabe Königsteins! Bis jetzt sind 81 Neupriester aus unserer Anstalt hervorgegangen. Sie tun zum Großteil Dienst in der Diaspora, wo die Priesternot recht groß ist und unsere Vertriebenen wohnen – aber später einmal sollen sie das Licht des Glaubens wieder in die Heimat bringen. Von den Priestern, die mit uns vertrieben wurden, sind schon viele gestorben. Eine beachtliche Zahl wird durch Alter und Krankheit außerstande gesetzt, wieder heimzukehren. Wir brauchen für diese Aufgaben junge Menschen mit brennenden Herzen. Es winkt ein großes Ziel – so wenden wir uns an Euch, Ihr Mütter! Kein Junge darf in diesen Beruf hineingezwungen werden. Auch nicht mit sanfter Gewalt. Aber die Mutter kann früh in das Herz ihres Jungen, den Wunsch zum Priestertum hineinpflanzen …“

726

Abschnitt VII

wuchs. Das Priesterseminar in Breslau wurde ebenso vorgestellt wie von Alfons Triller das Priesterseminar in Braunsberg. Festzustellen ist eine sehr starke Marienverehrung und Marienfrömmigkeit sowohl anhand von Mariendarstellungen in der Kunstgeschichte, die informativ und mit betrachtenden Texten vorgestellt wurden, wie auch durch erbauliche Betrachtungen, die zu Marienthemen das ganze Jahr über eingestreut wurden. Die Schmerzensmutter, die sorgende Mutter, das Idealbild der Heiligen Familie, all diese Klischees wurden katechetisch eingesetzt. Bräuche der Heimat wurden erzählt, etwa in der Weihnachtsnummer über Weihnachtskrippen als Ausdruck der Volkskunst.

Abb. 21: Dein Weihnachtsopfer (Königsteiner Rufe, 1954, S. 377)

Initiativen für die Seelsorge

727

Die ganze Bandbreite an Idyll und Erinnerung, an Marienfrömmigkeit, Schmerz über den Heimatverlust, Heimatsehnsucht, Nostalgie, das Beschwören der heimatlichen Gemeinde ist quasi kondensiert im Leitartikel der ersten Nummer des ersten Jahrgangs der „Königsteiner Rufe“ zum Monat Mai 1949.327 Die „Rufe“ enthielten viele katechetisch orientierte Erzählungen, wie auch viele Erzählungen und Kurzgeschichten von Vertreibungsschicksalen. Die Startnummer der „Rufe“ brachte einen Auszug aus Paul Kellers Erzählung über die Mutter. Heimat- und Regionalschriftsteller der heimatlichen Gegenden wurden bevorzugt herangezogen. Ein ausführlicher Bericht über die Eröffnung der Theologischen Hochschule für Heimatvertriebene am 28. April 1949 findet sich im zweiten Heft des ersten Jahrgangs der „Königsteiner Rufe“ vom Juni 1949, S. 26f. Dem gingen zahlreiche Bilder auf S. 24f. voraus. Mit dem Thema „Heimatverlust und neue Heimat finden“ befasste sich das vierte Heft des ersten Jahrgangs vom August 1949. Zum einen wurde betont, dass es berech327

Königsteiner Rufe, 1 (Mai 1949), S. 3. „Ganz deutlich und hell steht in diesen frühlingswarmen Maientagen das Heimatkirchlein vor mir. Es war doch recht gut, dass der 1. Mai stets arbeitsfrei war. Früh schon zogen wir hinaus in die Wälder, die unser Heimatstädtchen umsäumten. An ihren sonnigen Lichtungen, versteckt zwischen buschigem Blätterwerk, kamen schüchtern die ersten Maiglöckchen durch. In den angrenzenden Wiesen leuchteten in ihrem sonnigen Gelb die Himmelsschlüssel und wie Sterne grüßten aus dem satten Grün die weißen Anemonen. Das alles und Büsche von Birken und Lärchenzweigen trugen wir nach Hause, um das Bild der Maienkönigin zu schmücken. Unser alter Pfarrer – wer könnte ihn vergessen – kam am Nachmittag öfters vom Pfarrhaus herüber zur Kirche, um nach uns zu sehen. Er war in Sorge um seine Heiligen, seine Leuchter, seine Vasen und nicht zuletzt auch um das Gold seines barocken Altars, wenn er uns so mit Putzlappen und Seifenwasser hantieren sah. Wenn aber dann am Abend das Gotteshaus bis zum letzten Plätzchen gefüllt war und vom Maialtar ein Strahlen und Leuchten aus unzähligen Lichtern das Dunkel der Kirche durchbrach, die Orgel zum ersten Gruß an die Maienkönigin einsetzte und weiß gekleidete Mädchen dicht gedrängt den Mutter Gottes-Altar umstanden, da konnte kein Herz kalt und gleichgültig bleiben. Dazu war unser Pfarrer ein guter Prediger. Er griff uns in die Seele; er brachte uns Maria ganz nahe. Wer wird nun jetzt den MaiAltar unserer Heimatkirche schmücken? – Wer wird die Bänke unserer Kirche füllen? – Wer wird anstelle unseres alten Pfarrers von der Kanzel sprechen? – Wer die Orgel spielen? Unsere Gemeinschaft ist zerrissen – wir sind zerstreut. Getrennt vom Pfarrer und den Nachbarn. Wir fühlen das. Besonders zu solchen Zeiten. Wir haben mit der Heimat wohl viel verloren. Aber das Wertvollste ist uns geblieben. Unseren Glauben haben wir mit herübergebracht und unsere kindliche Liebe zur Maienkönigin. Die Erinnerung an Vergangenes bleibt, aber sie hemmt uns nicht, sie drängt uns zu gleichem Tun. Vielleicht bist Du aber in der Diaspora. Ihr habt keine Kirche, keinen Maialtar. Ihr habt auch keinen Pfarrer. Müsstet Ihr aber nicht trotzdem Maiandacht halten? Wenigstens an den Samstagen im Kreis der Familie oder aber in der Flüchtlingsgemeinschaft, singt und betet miteinander und wenn Du in katholischer Gegend lebst und die Lieder, die da zu Ehren der Maienkönigin gesungen werden, Dir fremd sind, bleib nicht abseits, vergleiche nicht, wenn die Gestaltung der Maiandacht anders ist und Dir nicht zusagt. Stimm froh ein in das Lob und Danke aus ganzem Herzen, dass Du in einer Gemeinschaft stehst.“ (S. 3f.)

728

Abschnitt VII

tigt sei, um den Verlust der Heimat, des vertrauten Lebensraumes, des sozialen Kontextes, zu trauern und zu klagen. Illustrierend und gleichzeitig plausibilisierend wurde der Vergleich mit dem 136. Psalm gezogen, wo die Israeliten an den Wassern Babylons sitzen und weinen. Dann wurde aber gleichzeitig die Aufgabe unterstrichen, neue Heimat wachsen zu lassen. Sie wachse nur langsam. Man müsse also Geduld haben.328 Ebenfalls bereits 1949 begann die über Jahre hin fortgesetzte Reihe „Das Bild der Heimat“, in der die drei Landsmannschaften der Theologen ostpreußische, schlesische und sudetendeutsche Stadtansichten, Partien, Innenansichten von Kirchen und Domen, aber auch Kunstwerke vorstellten, in einen Kontext brachten und erklärten. Königstein warnte frühzeitig in seinen Rufen vor dem Radikalismus.329 „Es ist eine interessante Erfahrung, dass Menschen dann am ehesten für den Radikalismus anfällig sind, wenn nach einer Zeit schwerer Not allmählich eine Besserung der Verhältnisse einzutreten beginnt. Das mag zunächst widersinnig klingen, lässt sich jedoch anhand solider Beispiele bestätigen. In bitterster Not entwickelt der Mensch eine ungeahnte Widerstandskraft, die ihn in die Lage versetzt, immer wieder auch Schwerstes zu ertragen. lässt jedoch der ärgste Druck nach, dann tritt eine Reaktion ein und es macht sich wohl auch eine begreifliche Ungeduld bemerkbar, die endlich einmal wieder freier atmen und alles Belastende nun am liebsten mit einem Ruck abwerfen möchte.“330 So wurde der Eindruck aktueller Entwicklungen gegen Ende der 1940er Jahre gedeutet. Die aktuelle Entwicklung stellte sich dem Autor so dar, dass mit der beginnenden Besserung der Verhältnisse eine erhöhte Reizbarkeit im deutschen Volk festzustellen sei. Scharfe Töne wurden in unterschiedliche Richtungen laut. Anzeichen einer gewissen Radikalisierung waren nicht zu verkennen – so auch bei den Heimatvertriebenen. „Große Scharen unserer Schicksalsgenossen sind am Ende ihrer Geduld und Tragfähigkeit angelangt. Sie wollen endlich einmal wieder festen Boden unter ihren Füßen wissen und sind in verständlicher oder selbstverständlicher Ungeduld gereizt und für radikale Worte ungemein empfänglich. Soweit sich diese Missstimmung gegen Institutionen und Einzelne richtet, die geben oder handeln könnten, wenn sie nur wollten, ist sie am Platze. Soweit sie gegen Hindernisse anrennt, die lediglich als Folgen des verlorenen Krieges – und er war der größte und furchtbarste in der bisherigen Geschichte! – zu betrachten sind, ist jeder Radikalismus zwecklos. Der Zusammenbruch war nicht minder total als der „totale Krieg“ und es blieb 1945 bekanntlich nicht einmal ein deutsches Staatswesen übrig.“331 Am meisten drückte die Vertriebenen das Wohnungsproblem. Die Arbeitsplatzsituation war unzureichend. Viele warteten noch in Arbeitslosigkeit. So mahnten die Seelsorger zu Geduld und wo möglich zu Veränderung der sozialen Situation und zum aufbauenden Engagement der Vertriebenen.

328 329 330 331

Königsteiner Rufe 1 (1949), S. 67-69. Im 1. Jahrgang 1949, Septembernummer, S. 121-123. Ebd., S. 121. Ebd., S. 122.

Initiativen für die Seelsorge

729

Heilige der Heimat wurden als Brückenbauer, als Identifikations- und Integrationsfiguren vorgestellt, so etwa die Hl. Hedwig, die nicht nur für die Schlesier als Patronin, sondern überhaupt für die Ost- und Sudetendeutschen empfohlen wurde.332 Die „Königsteiner Rufe“ versuchten, das Suchen und die Sehnsucht nach Orten religiöser Erinnerung in Zäsuren, an besonderen Feiertagen aufzufangen. Ein solcher Feiertag war ohne Zweifel Allerheiligen und Allerseelen, an dem die Vertriebenen die Gräber ihrer Angehörigen und damit ein Stück Familiengeschichte und Heimat vermissten. Diese Not wurde ins Wort gehoben, wurde beschrieben, Kompensationsversuche wurden vorgestellt.333 Neue Erinnerungsorte, die geschaffen wurden, wie die Ostlandkreuze der Vertriebenen, wurden beschrieben. Begeistert wurde das Innovatorische der Königsteiner Seelsorge aufgegriffen: Der kindlich begeisterte Autofahrer Kindermann schilderte in den „Königsteiner Rufen“ 1950 unter der Rubrik „Königsteiner Tagebuchblätter“ ausführlich das Ankommen der Kapellenwagen und der Volkswagen für die Diasporaseelsorger. (S. 143-148) Die „Königsteiner Rufe“ beteiligten sich intensiv an der Werbung für Wallfahrten, publizierten Wallfahrtstermine und warben für die Königstein-Wallfahrt zur Mutter der Vertriebenen jeweils am 6. Juli. Ein Forum, eine Stätte der Geborgenheit und des Trostes wurde geschaffen. Ein Ort, wo Schmerz und Sorge artikuliert werden konnten. „Bereits 1946 begannen die Wallfahrten der Heimatvertriebenen. Immer mehr kamen und immer gewaltiger wurden jene marianischen Kundgebungen. Sie haben auch im Jahre 1952, also sechs Jahre nach der Vertreibung, kaum an Innigkeit und Teilnahmefreudigkeit verloren. Sicherlich konnten die Gnadentage der Wallfahrten viel mit dazu beitragen, dass wir diese schweren Jahre nach der Ausweisung so ruhig und geduldig überstanden. Wirklich ein Wunder der Gnade. Durch die Wallfahrten der Heimatvertriebenen sind viele Gnadenorte neu aufgelebt, andere neu entstanden. Am meisten zog es uns zu den Bildern der Schmerzensmutter, weil uns diese in unserem Leide ganz besonders ansprach. Nun aber, nach so vielen Jahren, ist es an der

332 333

Vgl. Joseph GOTTSCHALK, Heilige Hedwig führe uns heim, in: Königsteiner Rufe, 1 (Oktober 1949), Heft 6, S. 131-134. Königsteiner Rufe, 1 (November 1949), Heft 7, S. 163f.: „Am Allerseelentage suchten die Menschen die Grabstätten ihrer Lieben auf. Vielleicht haben wir uns beim Einbruch der Dämmerung auf den nächsten Friedhof geschlichen, gingen wehmutsvoll durch die Reihen der unbekannten Toten. Unser Herz war so schwer und wir suchten Frieden in dem Glanz der vielen kleinen Lichter, die auf den geschmückten Grabhügeln in den Abend hineinbrannten. Wir kämpften tapfer gegen die Bitterkeit, die in unserer Seele aufsteigen wollte, weil es uns nicht gegönnt war, die Grabstätten unserer Lieben zu besuchen. Unsere Gedanken gingen am Allerseelentage in die Heimat. Sie suchten das Grab des Vaters, – der Mutter, – lieber Geschwister, – uns im Tode vorausgegangener Kinder. – Wie stand doch alles so lebendig vor der Seele. Es war ja damals ein schweres Abschiednehmen gewesen. Viele konnten es gar nicht mehr. Ob denn das Kreuz noch steht oder der Stein, der auch unseren Namen trägt? … Ist es da zu wundern, dass die Millionen vertriebener Menschen fern der Heimat ein Zeichen haben möchten, groß und erhaben, weithin sichtbar, dass sie an die Gräber der Lieben in der alten Heimat erinnert? An vielen Orten haben die Heimatvertriebenen ein Kreuz errichtet und geweiht. Ein Mahnmal für die Toten des Krieges, für die Opfer der Vertreibung und für die unzähligen zurückgebliebenen Toten.“ (S. 162).

730

Abschnitt VII

Zeit, das Verhältnis zwischen der Gottesmutter und den Heimatvertriebenen in einem ganz besonderen Bilde darzustellen. Wir haben die Darstellung der Schutzmantelmadonna gewählt. Sie weist am besten darauf hin, was wir Vertriebenen entbehren – das heimatliche Geborgensein. Und wo hätte dieses Bild besser und passender aufgestellt werden können, wenn nicht in Königstein. Königstein hat seit Beginn der schrecklichen Ausweisung entscheidenden Anteil an der Linderung der furchtbaren Flüchtlingsnot. Hier ruhen die sterblichen Überreste des ersten Flüchtlingsbischofs, Maximilian Kaller, dessen Vorbild uns allen unvergesslich bleibt …“334 Zu den Mitarbeitern gehörten in den fünfziger Jahren auch Mitglieder des Lehrkörpers der St. Albert-Schule, wie etwa Alfons Triller mit seinen Informationen zu Bau- und Kunstdenkmälern im Ermland oder auch der Lehrer Blumrich mit seinen Gedanken zu ‚Heimat Europa‘ 1954: Er gab darin eine Deutung der Kapitulation vom 8. Mai 1945 und der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, die ganz im Sog des Abendlandspessimismus seiner Zeit stand und die Verfallskette vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart des zwanzigsten Jahrhunderts zog.335 Dem Philologen ging es dabei nicht um ein historisches Mittelalterbild, sondern um ein idealisiertes, das der Deutung des aktuellen Schicksals diente. Die Vertriebenen allein sind nicht die Vertriebenen, auch die Einheimischen sind Vertriebene, vergleicht man die moderne Gesellschaft mit der mittelalterlichen Gesellschaft, so der Tenor der Argumentation Blumrichs. Am 8. Mai 1945 hätten fünf Jahrhunderte europäische Geschichte ihre furchtbare Erfüllung gefunden. Der stolze Glauben des abendländischen Menschen der Neuzeit sei in dieser Stunde ad absurdum geführt worden. Er hatte sich als Irrglaube erwiesen. „Es gibt so viele Versuche, das schreckliche Geschehen des zwanzigsten Jahrhunderts zu deuten. Eine gültige Erklärung aber gibt uns wohl nur die Einsicht in die geschichtlichen Zusammenhänge. So wenig es in der Geschichte Wunder gibt, so selten weist sie Zufälle auf. Die Unbeständigkeit des Menschen wird in der Folge der Generationen zur geschichtlichen Konsequenz. Wir wissen heute, dass das so oft als finster verschrieene Mittelalter trotz all seiner politischen und gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten eine glückliche, weil unermesslich reiche Epoche war. Reich nicht an materiellen Gütern, sondern an menschlichen und sittlichen Werten. Das eigentliche Glück des Mittelalters aber war die Gemeinschaft aller Menschen, das Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit aller, von dem aufeinander Bezogensein … Wir wissen, dass diese christliche mittelalterliche Gemeinschaft zerbrach an dem Stolz des Menschen, der plötzlich sich selbst in den Mittelpunkt alles Geschehens stellte, der das Wort Gemeinde mit dem Wort Individuum vertauschte und sich damit selbst aus dem größeren Ganzen löste und sich auf das „Unteilbare“ Letzte, das eigene Ich zurückzog. Ist es nicht eine geschichtliche Torheit, die Technik, die wirtschaftlichen oder politischen Verhältnisse für die Katastrophen unserer Tage anzuklagen? Trägt nicht vielmehr der Mensch selbst die Schuld, der sich allein, ohne

334 335

Die Mutter der Vertriebenen, in: Königsteiner Rufe 1952, S. 241f. Dazu Otto Gerhard OEXLE, Das Mittelalter und das Unbehagen an der Moderne. Mittelalterbeschwörung in der Weimarer Republik und danach, in: ders., Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus, Göttingen 1996, S. 137-162.

Initiativen für die Seelsorge

731

Gott und ohne Bruder auf den Weg machte, an dessen Ende die Verzweiflung in der Heimatlosigkeit steht?“336 Der angeblich mit dem Spätmittelalter einsetzende Verfallsprozess, der dann schließlich im Egoismus gipfelt, wird als eine zunehmende Entheimatung gedeutet, an deren Ende eben die Heimatlosigkeit nicht nur der Vertriebenen, sondern auch der Einheimischen steht. Die Aufgabe, die eigentliche geistige, geistliche Aufgabe ist also für die Vertriebenen wie für die Einheimischen die nämliche. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in Gesamteuropa.337 Die politische und soziale Heimatlosigkeit, so Blumrich weiter, habe alle erfasst. Ziel ist letztlich die Rechristianisierung des Abendlandes, das angeblich heile Europa unter dem Zeichen des Kreuzes. In diesem Europa sei aller Heimat.338 Ein zentrales Thema der „Königsteiner Rufe“ war über die Jahre hinweg das Flüchtlingsproblem in seiner rechtlichen Dimension, in seiner weltweiten Dimension und mit den Aufgaben der Integration der Flüchtlinge. Selbstverständlich stand der Fortschritt der eigenen Integration in der bundesrepublikanischen Geschichte im Mittelpunkt des Interesses. Wiederholt berichteten Artikel über das Flüchtlingsgesetz, über das Lastenausgleichsgesetz, die Debatten um das Lastenausgleichsgesetz, die Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren; sie kommentierten und drängten.339

336 337

338

339

BLUMRICH, Heimat Europa, in: Königsteiner Rufe 1954, S. 53f., Zitat S. 53. „Sehen wir uns einmal die sogenannten Einheimischen – im weiteren Sinne einheimisch – näher an! Sie alle sind heimatlos und – sie wissen es nicht. Das ist in Deutschland ebenso wie in Frankreich und England. Das stolze Empire gehört längst der Geschichte an. Die Menschen in England leiden Not, das siegreiche Frankreich wird von einer Krisenkette erschüttert, Italien erschauert immer wieder vor dem Dämon Kommunismus. Das soziale Musterland Schweden erzittert unter den höchsten Selbstmordziffern des ganzen Kontinents, ganz zu schweigen von der Furie des Bolschewismus im Osten.“ BLUMRICH, Heimat Europa, S. 54. „Dieses Europa aber endet nicht an Werra und Elbe. Zu ihm gehört auch Schlesien, das Sudetenland. Zu ihm gehören Ostpreußen und Pommern, aber nicht weil es deutsches Land, sondern weil es Abendland, christliches Abendland ist. Diese Erkenntnis verlangt von uns ein persönliches Verhältnis zu den osteuropäischen Völkern, dessen Grundhaltung das Bewusstsein von der Brüderlichkeit aller Menschen ist – heimatvertrieben sind nur wenige, heimatlos aber sind wir alle und es wird an uns liegen, in Europa Heimat zu finden.“ Blumrich, Heimat Europa, S. 54. Etwa unter der Inforubrik „Was uns angeht“ in: Königsteiner Rufe, 3 (Januar 1951), Heft 1, S. 25-31. Hier vor allem 29f.: „Andere Momente kommen hinzu. Da ist der Lastenausgleich. Seit Jahren ist von ihm die Rede, seit Monaten wird davon gesprochen, dass seine parlamentarische Verhandlung unmittelbar bevorstehe. Man darf die Schwierigkeiten dieses großen sozialen Gesetzes nicht verkennen. Man darf sich aber auch nicht darüber wundern, dass die Geduld der Vertriebenen (wie auch der übrigen Kriegsgeschädigten) am Ende angelangt ist und dass man dem ganzen Lastenausgleich nur mehr mit einem erheblichen Misstrauen entgegensieht. Verschiedene, wenig glückliche Äußerungen verantwortlicher Stellen haben die Dinge nicht gebessert. Die Frage der Versorgung der verdrängten Beamten geht zwar nur einen bestimmten Berufstand und seine Familienangehörigen an, aber in diesem Kreis hat die bisherige, schleppende Behandlung der Versorgungsfrage ungemein viel böses Blut erzeugt. Nehmen wir hinzu, was der einzelne Heimatvertriebene an Wohnungs- und Existenzsorgen zu tragen hat und (wenn auch nicht immer mit Recht) den für die heutige Ordnung verantwortlichen Faktoren vom Bür-

732

Abschnitt VII

germeister bis zu den Regierenden anlastet, dann darf man sich nicht darüber wundern, dass die Vertriebenen in großer Zahl den politischen Parteien ihr Vertrauen versagen und glauben, ihr politisches Geschick selbst in die Hand nehmen zu sollen. So zeugten die Landtagswahlen in den verschiedenen Ländern für eine weitgehende Entfremdung zwischen den Heimatvertriebenen und den politischen Parteien. Die Vertreter der Heimatvertriebenen in den Landtagen – gleichgültig, ob sie im Wege eines BHE oder einer politischen Partei entsandt wurden – haben nun die Aufgabe, die berechtigten Interessen der Heimatvertriebenen mit wachsamen Augen wahrzunehmen und ihre gerechten Forderungen geltend zu machen. Je mehr sie dabei in den Reihen der politischen Parteien Verständnis finden, umso größer ist die Chance derselben, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen.“ (S. 29f.) Im März 1951 wurde das Thema unter derselben Rubrik wieder aufgegriffen unter dem Titel „Der Lastenausgleich – unser Sorgenkind“. Hier wird berichtet, dass mit dem 31. Januar die Gesetzgebung dafür in das entscheidende Stadium eingetreten sei. „Die Situation ist augenblicklich die, dass sich in der Frage des Lastenausgleichs zwei Grundanschauungen gegenüberstehen: die einen treten für einen quotalen, die anderen (zu ihnen zählt die Mehrheit des Bundesrates) für einen sozialen Lastenausgleich ein. Das sind natürlich zunächst nur Worte, denn im letzten muss ja doch jede Form des Lastenausgleichs „sozial“ sein! Worum es geht, ist folgendes: die Anhänger des quotalen Lastenausgleichs wollen bei dessen Durchführung auch die früheren Besitzverhältnisse der Heimatvertriebenen und der übrigen Kriegsgeschädigten berücksichtigt wissen. Die Anhänger des sozialen Lastenausgleichs vertreten den Standpunkt, dass hierfür die erforderlichen Mittel nicht vorhanden seien und dass man sich deshalb damit begnügen müsse, den Bedürftigen eine soziale Beihilfe (Unterhaltshilfe usw.) zu gewähren. Die Sprecher der Vertriebenenorganisationen lehnen sowohl den Regierungsentwurf als auch die Stellungnahme des Bundesrates ab und befürworten ihrerseits einen quotal-sozialen Lastenausgleich. Es wird nun alles darauf ankommen, dass in den nächsten Wochen und Monaten durch ernste Arbeit in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages der Regierungsentwurf derart umgearbeitet und gestaltet wird, dass das Ergebnis für die Vertriebenen und die übrigen Kriegsgeschädigten nicht zu einer Enttäuschung wird. Die psychologischen und sozialen Folgen einer solchen Enttäuschung wären unabsehbar! Eine wirklich gerechte Lösung des Lastenausgleichsproblems ist – abgesehen von allen Geboten der Gerechtigkeit – auch deshalb notwendig, weil das Ausland mit großer Aufmerksamkeit die Anstrengungen verfolgt, die das deutsche Volk aus eigener Kraft zur Lösung des Flüchtlingsproblems unternimmt.“ (S. 91f.) Erneut wurde das Thema aufgegriffen kurz vor der Sommerpause des Parlaments im selben Jahr, als darauf hingewiesen wurde, dass der Leidensweg des Lastenausgleichs noch lange nicht zu Ende sei. „Vor Beginn der Parlamentsferien in Bonn gab es vielmehr wieder einmal ein ziemliches Durcheinander. Da hieß es in den letzten Junitagen, der Lastenausgleichsausschuss des Bundestags wolle ein „dem Lastenausgleich vorgelagertes Schadenfeststellungsgesetz“ ausarbeiten. Dann tauchten beim Bundesrat und beim Bundesjustizministerium Bedenken auf, wieweit ein solches Gesetz verfassungsrechtlich möglich wäre. Der Lastenausgleichsausschuss einigte sich sodann auf die Ausarbeitung eines dem Lastenausgleich „vorgelagerten“ Schadensanmeldegesetzes, wobei das eigentliche Feststellungsgesetz erst im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes erlassen werden sollte. Dieses Schadensanmeldegesetz sollte vom Bundestag sogar noch vor den Ferien verabschiedet werden. Dann beschlossen die Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien, dem Bundestag doch gleich das richtige Schadensfeststellungsgesetz vorzulegen. Das konnte natürlich nicht über Nacht geschehen und so durfte das Schadensfeststellungsgesetz erst nach den Parlamentsferien – d.h. praktisch Mitte September bis Anfang Oktober – im Bundestag verabschiedet werden. – Viele Kreise der Heimatvertriebenen sehen in dieser Entwicklung einen weiteren Beweis für eine „Verzögerungstaktik“ der maßgebenden einheimischen Faktoren. Wir wollen uns diesen schweren Vorwurf nicht ohne weiteres zu eigen machen, müssen aber zugeben, dass dieses ganze Hin und Her sehr wohl dazu angetan ist, das

Initiativen für die Seelsorge

733

Es versteht sich von selbst, dass auf die wirtschaftlichen Leistungen als Integrationsfaktoren und Integrationserfolge hingewiesen wurde – etwa unter dem Titel „In den Händen brachten sie Gold statt Geld“.340 Im 14. Jahrgang der „Königsteiner Rufe“, in der Nr. 1 im Januar 1962, blickte Kindermann auf die bisher erschienenen Hefte der „Königsteiner Rufe“ zurück.341 Spürbar wurde in dem Resümee die Schwerpunktverlagerung in den Aufgaben, die er den „Königsteiner Rufen“ zuwies: auf die Mission für die Kirche hinter dem „Eisernen Vorhang“.342 Sehr ausführlich geschildert und beschrieben wurden nicht nur die Wallfahrten, die Romfahrten der Vertriebenen, der sudetendeutschen Priester, der Vertriebenenseelsorger auch, sondern gerade auch die Seligsprechung des Böhmerwäldlers Johannes Nepomuk Neumann. Diese Installierung eines Patrons, eines Identifikationspunktes für

340 341

342

Vertrauen der Heimatvertriebenen in eine gerechte Regelung des Lastenausgleichs noch mehr zu erschüttern, als dies bisher ohnehin schon der Fall ist … Sicher ist, dass mit etwas mehr Aufgeschlossenheit und Zielklarheit viel Verbitterung, die heute unter den Heimatvertriebenen herrscht, beseitigt oder im Voraus verhindert werden könnte. Diese Überzeugung drängt sich gerade dem auf, der die bisherigen großen Leistungen des deutschen Volkes in der Vertriebenenfrage nicht verkennt oder verkleinert.“ (S. 250-252) Gleichzeitig weist Kindermann auch auf diese Opfer hin, die das deutsche Volk für die Heimatvertriebenen bereits gemacht hätte. Etwa über die Mittel des Hauptamtes für Soforthilfe sind bereits etwa 4,33 Mrd. DM zur Eingliederung im Bundesgebiet aufgebracht worden. Königsteiner Rufe, 12 (Januar 1960), Nr. 1, S. 11. Unter eben diesem Titel in Nr. 1 (1962), S. 11-13. Auflagenzahl Königsteiner Rufe laut Rechnung vom… 14.7.1949 = 70.000 Stück 1958 80.000 Stück 12.4.1950 85.000 „ 2.11.1959 70.000 „ 7.11.1951 86.000 „ 11.11.1960 70.000 „ 3.11.1952 90.000 „ 10.11.1961 65.200 „ 23.9.1953 100.000 „ 9.11.1962 62.000 „ 27.8.1954 90.000 „ 12.11.1963 65.000 „ 1.9.1955 85.000 „ 16.11.1964 60.000 „ 29.8.1956 80.000 „ 18.11.1965 55.000 „ 3.10.1957 80.500 „ Nr. 9/66 51.000 „ Vgl. Königsteiner Rufe, 14 (1962), Nr. 1, S. 13: Die Königsteiner Rufe haben auch heute noch eine Mission zu erfüllen. Wohl hat sich manches unter uns im Laufe der Jahre geändert, manches zum besseren. Gott sei es gedankt! Aber die Tragödie im Osten, zu deren Auftakt unsere Flucht und Vertreibung gehörten, steht in grausig nackter Wirklichkeit vor uns: die Kirche im Osten und damit die Kirche unserer alten Heimat, steht in heroischer Abwehr, ringt mit einer atheistischen Macht, die jeder Religion die Vernichtung angekündigt hat. Die Verfolgung wütet seit Jahren und sucht auf kaltem Wege, ihre Ziele zu erreichen. Man nimmt den Völkern die Priester. Nun hat man noch durch unser Land einen Trennungsstrich durch Betonmauer und breiten Todesstreifen gezogen. Dieser Entwicklung dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Wir sind für unsere Brüder verantwortlich … Wir spüren alle, dass es um letzte Auseinandersetzungen geht. In diese entscheidende Zeit hinein wollen die „Königsteiner Rufe“ rufen. Rufen hinein in recht viele Familien, ob Heimatvertriebene oder Heimatverbliebene, rufen in junge Herzen: Komm Junge nach Königstein, stell Dich dem Reiche Gottes zur Verfügung.“

734

Abschnitt VII

die zerstreuten Böhmerwäldler, ja für die zerstreuten Sudetendeutschen überhaupt, nahm in den „Königsteiner Rufen“ einen breiten Raum ein.343 Wiederholt wurde die Stimmung unter den Vertriebenen beschrieben. Gerade auch Stimmungsänderungen, atmosphärische Trübungen, oft ausgelöst durch die Debatten um den Lastenausgleich, durch die Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens um den Lastenausgleich.344 Kritisch begleitet wurden auch Entwicklungen in der Landsmannschaft.345

343

344

345

Z.B. Königsteiner Rufe, 15 (November 1963), Nr. 11. Dort der chronologische Bericht „Sudetendeutscher Pilger zog zur Seligsprechungsfeier Bischof Johann Nepomuk Neumanns“, S. 324327. Dann ein Bericht über die Bischof Neumann-Schule in Königstein als sichtbares Denkmal für den seligen Bischof Johann Nepomuk Neumann, S. 328f. aus der Feder von Kindermann und schließlich Betrachtungen über die Pilgerfahrt zur Seligsprechung des Böhmerwäldlers Johann Nepomuk Neumann unter dem Titel „Goldener Kern in kristallener Schale“, Königsteiner Rufe, 15 (November 1963), Nr. 11, S. 367-370. Vgl. etwa Königsteiner Rufe, 2 (Juli 1950), Heft 7, S. 217 unter der Rubrik „Was uns angeht“ wird an erster Stelle berichtet, dass die innenpolitische Situation sich in den letzten Wochen unleugbar verschärft habe. Im Lager der Heimatvertriebenen habe eine gereizte Stimmung Platz gegriffen, die die Gefahr der Radikalisierung zeige. Als Ursache dieser Verschärfung wird das langsame Tempo bezeichnet, mit dem gewisse Fragen, die den Heimatvertriebenen besonders am Herzen liegen, zur Lösung geführt werden. Vor allem die endliche Gleichstellung der heimatvertriebenen Beamten „und ganz besonders um das große Werk des Lastenausgleichs. Man muss überdies feststellen, dass von Seiten maßgebender Faktoren (das gilt besonders für den Bundesfinanzminister Dr. Schäffer) in der letzten Zeit Äußerungen gefallen sind, die zwar keinesfalls ein abschließendes Wort bedeuten, gerade in ihrer Unbestimmtheit jedoch dazu angetan waren, unter den Heimatvertriebenen sowie den Kriegs- und Währungsgeschädigten ernste Besorgnisse und Erbitterung hervorzurufen. Dazu kam, dass die amtliche Berichterstattung über angebliche Beschlüsse der Bundesregierung wiederholt so unklar und widerspruchsvoll war, dass niemand erkennen konnte, was die Bundesregierung eigentlich beschlossen habe und wie der Stand der Angelegenheit sei. Sicher ist, dass Bestrebungen am Werke sind, um den von den Heimatvertriebenen und den übrigen Kriegsopfern geforderten Lastenausgleich auf das Niveau einer Wohlfahrtsunterstützung nach Art der „Soforthilfe“ herabzudrücken. Bei allem Verständnis, das auch die Heimatvertriebenen der Notwendigkeit des Schutzes der deutschen Währung und Produktionsfähigkeit entgegenbringen, fordern sie eindeutig einen gerechten Ausgleich der Kriegslasten und nicht etwa nur ein Almosen!“ (S. 217). Zu Fritz Schäffer vgl. Christoph HENZLER, Fritz Schäffer 1945 – 1967, Eine biographische Studie zum ersten bayerischen NachkriegsMinisterpräsidenten und ersten Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland. München 1994 (Dissertation an der Universität München 1991). Vgl. Königsteiner Rufe, 2 (Juli 1950), Heft 7, wiederum unter der Rubrik „Was uns angeht“. Der Bericht vom Sudetendeutschen Treffen in Kempten mit etwa 40.000 Teilnehmern an den Pfingsttagen, wo in einer großen Kundgebung auch Pfarrer Reichenberger gesprochen hatte. Dort war auch die Wahl der Hauptversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Landesverband Bayern angestanden. Die Wahl hatte insofern eine Überraschung gebracht, als zwei Männer des Vorstandes, einer aus christlichen Kreisen, der andere aus sozialistischen, nicht mehr in den Vorstand gewählt wurden. Dazu die Bemerkung: „Man hat also dafür gesorgt, dass man unter sich ist. Nun besteht aber die Sudetendeutsche Volksgruppe aus Menschen verschiedener Richtungen. Wenn also die Sudetendeutsche Landsmannschaft für die ganze Volksgruppe sprechen will, müssen dem Vorstand auch Männer der verschiedenen Richtungen angehören. Wenn es wiederum nur die nationalen Kreise sind, die die Führung unserer Volksgruppe an sich

Initiativen für die Seelsorge

735

Breite Berichterstattung erhielten die Kapellenwagenmission, die Aktion ‚Kirche in Not’ und die Ostpriesterhilfe. Ebenso wurde über den ersten Kongress ‚Kirche in Not’ zum Studium der deutschen Flüchtlingsfrage, der von der katholischen Arbeitsgemeinschaft für geistige Erneuerung und der Ostpriesterhilfe vom 8. bis 11. Februar 1950 auf der Drakenburgh in Holland veranstaltet worden war, ausführlich geschrieben. Selbstverständlich wurde über den katholischen sozialen Wohnungsbau berichtet und auch über die Errichtung von Kirchen und Kapellen in der Diaspora. Z.B. auch über die Grundsteinlegung für die St. Hedwigs-Kirche in Stuttgart-Möhringen.346 Zahlreich sind wie in allen diesen vergleichbaren Zeitschriften die Warnungen vor den Mischehen. Das zweite Heft des vierten Jahrgangs, Februar 1952, brachte einen Überblick über das Schicksal der Ordensschwestern aus dem Osten nach der Vertreibung und in der Integration. Berichtet wurde nicht nur über die Auf- und Ausbauarbeit in Königstein, sondern immer wieder auch von der Mitarbeit der Königsteiner Studenten an dieser Aufbauarbeit und auch von den Arbeitsferien der Königsteiner Theologen.347 Die finanzielle Notlage zwang in den ersten Jahren die Studenten, sich in den Semesterferien Arbeit zu suchen. Manche hatten auch gar nicht die Gelegenheit, nach Hause zu fahren, etwa wenn die Eltern hinter dem Eisernen Vorhang lebten. „Aber es sind nicht nur äußere Gründe, die uns zwingen, uns selbst einen Ferienunterschlupf zu suchen: schon lange hörte man ja den Ruf: „lasst die jungen Theologen einmal in die Fabriken und Schächte, in die Büros und aufs Land spüren, damit sie später die Sorgen und Sünden der arbeitenden Menschen verstehen, damit sie nicht so ‚weltfremd’ sind!““348 Daher suchten auch die Königsteiner Theologiestudenten einen Arbeitsplatz in der Seifenfabrik oder im Bankhaus, im Kohlepott oder in der Autoschlosserei oder sie fuhren mit in den Kapellenwagen und unterstützten die Diasporaseelsorger. Einer schließlich war in der Sozialarbeit tätig in einem großen Erziehungshaus für sozial gefährdete Kinder. Er hatte den Eindruck, dort noch mehr Elend und Armut zu finden, als in den Flüchtlingslagern. „Euch also, meine lieben heimatvertriebenen Landsleute, möchte ich eines nicht verschweigen: unter all diesen – wirklich armen Kindern – waren nur ganz, ganz wenige aus unseren Reihen! Woran das liegt? Ob unsere sozial gefährdeten Kinder den Jugendämtern noch unbekannt sind – oder ob nicht doch das aufopferungsvolle Grenzlandleben und das oft so grauenhafte Erleben der letzten Jahre unsere Jungen und Mädchen tapferer, fester gemacht hat, so dass sie den Gefahren des Lebens in der „neuen Heimat“ nicht so leicht erliegen? Es wäre einmal interessant darüber eine Statistik anzufertigen … Wichtig aber scheint mir eines zu sein: dass wir Studenten wohl alle bereit sind, Euch unseren Landsleuten, die Ihr auf uns wartet, die

346 347 348

reißen, dann werden wir besonders im Ausland wohl wenig Verständnis und Freundschaft finden.“ (S. 219). Königsteiner Rufe, 3 (August 1951), Heft 8, S. 253f. Vgl. dazu beispielsweise Königsteiner Rufe, 3 (Juli 1951), Heft 7, S. 210f. Königsteiner Rufe, 3 (Juli 1951), Heft 7, S. 210.

736

Abschnitt VII

Ihr uns tragt mit Eurem Opfer und Eurem Gebet, Rechenschaft zu geben über unser Tun hier und draußen, weil wir alle versuchen, Auge und Herz weit aufzumachen für die Not um uns, für die Not, aus der heraus der Ruf des Herrn an uns erging, seine Weinbergarbeiter zu werden!“349 Über die diversen Initiativen der Ostpriesterhilfe wurde vielfach berichtet; die Leser sollten sie als eingebettet in die Königsteiner Sorgen für die Vertriebenen und für die Kirche in den Ländern des Ostens wahrnehmen.350 Die Artikel unterstreichen, dass im Vaterhaus der Heimatvertriebenen in Königstein die Ostpriesterhilfe seit Anfang ihrer Tätigkeit ihre deutsche Heimat habe. In Königstein habe sie im Lauf der letzten Jahre viele Anregungen erhalten und sei so in ihrem Wachstum gefördert worden. Sie sei aus der Geschichte Königsteins nicht mehr wegzudenken.351 Für die Leser sind die Ergebnisse interessant: Die Ostpriesterhilfe hatte 1949 ca. 50.000 kg Speck gesammelt und verteilt. Seit dieser Zeit wurden monatlich etwa 4.000 Lebensmittelpakete verschickt. Mehr als 300 vertriebene und geflüchtete Priester unterschiedlichster Nationalität bekamen Ferienaufenthalte vermittelt. 423 Priester wurden mit liturgischen Gewändern, Kelchen und anderen kirchlichen Geräten ausgestattet. 131 Rucksackpriester hatten einen Volkswagen erhalten, 32 Motorräder, 50 Hilfsmotore und 42 hatten Zuschüsse für die Anschaffung eines Fahrzeuges bekommen. 1952 fuhren 14 Kapellenwagen durch die deutsche Diaspora. Sie haben etwa 150.000 katholische Heimatvertriebene missioniert. Katholische Studenten bauten etwa Kirche, Jugendheim und Pfarrhaus in Freiensteinau in Hessen. Gruppen von Studenten, Arbeitslosen und Pfadfindern beteiligten sich am Bau von vier Kirchen. 43 Priestern wurden Bauzuschüsse gewährt. Die Textilsammlung des Frauenverbandes erbrachte 400.000 kg, die durch Königstein über die Flüchtlingspriester den Seelsorgsgemeinden zugeleitet wurden. In Österreich war durch die Ostpriesterhilfe ein Siedlungswerk für die Donauschwaben im Aufbau. An Weihnachten 1951 hatten 16.450 Familien ein Weihnachtspaket durch die Ostpriesterhilfe erhalten. In Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen wurden in der Fastenzeit 42.000 Naschpakete Erstkommunionkindern in Deutschland zugeschickt. Hunderte von Kommunionkleidchen wurden auf diesem Weg in 53 Diasporapfarreien verteilt. 400 deutsche und ungarische Flüchtlingskinder fanden für sechs Monate Aufenthalt in belgischen Familien. Ein besonderes Augenmerk der Betreuung durch die Ostpriesterhilfe wurde auf die Lager gelegt. Das Durchgangslager in Gießen bekam einen ausländischen Seelsorger, der durch die Ostpriesterhilfe auch in der Lage war, materielle Hilfe zu geben. Im Durchgangslager Friedland wurde die Krankenbaracke restauriert. Auch die Lager sind mit Textilien und Lebensmitteln versorgt worden. In verschiedenen Ländern Europas gewährte die Ostpriesterhilfe finanzielle und materielle Unterstützung. Der Bericht sprach von 249 jungen Männern, die sich in Polen, Russen, Ungarn und in

349 350 351

Königsteiner Rufe, 3 (Juli 1951), Heft 7, S. 211. In „Königsteiner Rufe“ 5 (Februar 1953), Nr. 2, ist ein ausführlicher Bericht über die Aktivität der Ostpriesterhilfe des Jahres 1952 abgedruckt. Königsteiner Rufe, 5 (Februar 1953), Nr. 2, S. 56f.

Initiativen für die Seelsorge

737

Deutschland auf das Priestertum vorbereiteten, die von der Ostpriesterhilfe unterstützt wurden. Zum Zweck der Planung in die Zukunft wurde von der Ostpriesterhilfe das Katholische Internationale Soziologische Institut für Flüchtlingsfragen geschaffen, das seinen Sitz in Königstein und eine Nebenstelle in Wien hatte. Dieses Institut arbeitete an einem Stützpunkteplan, der die Gründung von Katholischen Zentren in der Diaspora vorsah. Dieser erste Stützpunkt wurde bereits in Bebra in der Diözese Fulda errichtet. Deutsche und belgische Kapuziner sollten dort in gemeinsamer Arbeit einen großen Seelsorgsbezirk pastorieren und eine Bastion gegen den Kommunismus bilden. So wurde neben der Kirche noch ein Kloster geplant, später ein Exerzitien- und Obdachlosenheim. Dieser Stützpunkt Bebra, vermittelt durch die Ostpriesterhilfe, war das Werk der Diözese Lüttich.352 Korrelierend wurde wiederholt über die Kirche in Flandern und in den Niederlanden berichtet. Es wurde auf die versöhnliche Haltung der Katholikinnen und Katholiken dort hingewiesen, die alle während des Zweiten Weltkriegs unter den Deutschen besonders viel zu leiden hatten und trotzdem unmittelbar nach Kriegsende und in den Folgejahren mit Lebensmitteln, Kleidung und Geld die Ostpriesterhilfe und damit die deutschen Vertriebenen zunächst vorrangig unterstützt hatten. Diese Opfergesinnung wurde immer wieder gewürdigt.353

352

353

„Der Bischof von Lüttich, Monsignore Kerkhofs, hat im vergangenen September ein eigenes Hirtenschreiben herausgegeben, in dem er seine Diözesanen aufruft, für die Errichtung dieses katholischen Stützpunktes zu opfern und er hat Bebra unter den Schutz Mariens, der Magd der Armen, gestellt. (S. 57). Louis-Joseph Kerkhofs (* 15. Februar 1878 in Val-Meer, Riemst; † 31. Dezember 1962 in Lüttich) war ein belgischer Bischof im Bistum Lüttich von 1927 bis 1961. Vgl. Königsteiner Rufe, März 1953, S. 75f. und viele weitere Stellen. Dort heißt es u.a. unter der Überschrift „Kleine Reiseeindrücke aus Holland“, die der Spiritual des Königsteiner Schülerkonvikts, ein Franziskanerpater, verfasst, hatte der in den vorausgegangenen Weihnachtsferien vom niederländischen Präfekten des Konvikts zu einer Reise nach Holland eingeladen worden war. In den „Rufen“ schrieb er über seine Eindrücke in den Niederlanden. „In den „Königsteiner Rufen“ erscheint regelmäßig ein Artikel über das Thema „Das Bild der Heimat“. Darin wird über die Heimat der Ostsudeten und Volksdeutschen berichtet. Ist es da nicht angebracht, auch einmal etwas über ein Land zu schreiben, mit dem die Heimatvertriebenen eng verbunden sind durch vielerlei starke Bande? Ich meine das kleine Land Holland. Man kann nicht von Ostpriesterhilfe, Königsteiner Anstalten, von Kapellenwagenaktion, von internationalen Kongressen ‚Kirche in Not’, von der Aktion „Ein Fahrzeug für Gott!“, von Auslandsfahrten heimatvertriebener Kinder, von Erholungsurlaub heimatvertriebener Priester im Ausland, von der regelmäßig weiterlaufenden Übergabe von Liebesgaben, Paketen an Heimatvertriebene sprechen, ohne dabei auch dieses Landes zu gedenken. Stellen wir uns einmal vor, was es eigentlich heißt: ein Land, das von uns überfallen und in den Krieg hineingezogen worden ist, das 210.000 Todesopfer durch Kriegshandlungen zu beklagen hat, das im weitem Maße überschwemmt und zerstört wurde, das in der Besatzungszeit gehungert und gefroren hat, dieses Volk reicht uns, den ehemaligen Feinden und Bedrückern, die Bruderhand und hilft uns in einem Ausmaße und mit einer Uneigennützigkeit, die an das urchristliche Ideal heranreichen.“ (Königsteiner Rufe, März 1953, S. 75).

738

Abschnitt VII

Königsteiner Jahrbuch Das Königsteiner Jahrbuch ist quasi die Kompaktversion der Königsteiner Rufe. Das Titelblatt war seit den 1970er Jahren in jedem Jahr bestimmt von der Schutzmantelmadonna, der Mutter der Vertriebenen, in der Königsteiner Kirche. Das Kalendarium bot die Heiligenfeste und kirchlichen Gedenktage. Geschichte der Herkunftsgebiete der Vertriebenen und Geschichten bestimmten den Textteil; Geschichten etwa von Inge Kowalsky, der Autorin mit oberschlesischen Wurzeln, die das (Ober-)Schlesien der Vorkriegs- und Kriegszeit erinnert, die einfache, aber glückliche Kinder- und Jugendzeit beschreibt oder von Gerold Effert354, von Karl Springenschmid355 auch (oder im Stile Springenschmids) – dem Salzburger Lehrer, der seit den 1920er Jahren Geschichten schrieb aus dem Alltag, aus der ländlichen Region, dann auch im Geist der Blut-und-Boden-Ideologie – oder von Margarete Kubelka356; dazu waren jeweils hochwertige Bilder von ostdeutschen Kulturstätten, vor allem von religiösen und von Landschaften abgedruckt. Religiöse Stätten und Bräuche wurden beschrieben, das Leben vorbildlicher religiöser Menschen wurde erzählt; an Dichter und Schriftsteller aus dem Osten erinnert. Teils wurden Beiträge aus regionalen kirchlichen Blättern übernommen. Informationen über das Leben und die wichtigsten Veranstaltungen in Königstein durften ebenso wenig fehlen wie Werbung für diese Initiativen, Werbung vor allem für die Teilnahme an Wallfahrten und Aufrufe zum Spenden. Berichte über die Lage der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang sollten den Blick für die verfolgte Kirche offen halten und die Spendenbereitschaft erhöhen. Ein Jahrbuch hatte je einen Umfang knapp unter hundert Seiten. Wenn der jeweilige Herausgeber, Kindermann oder nach dessen Tod der Vorsitzende des Trägervereins des Hauses der Begegnung, Richard Hackenberg oder der Vorsitzende des Vereins AMK/HdB e.V. in der Jahresmitte die Leser anschrieb und auf das baldige Erscheinen des Jahrbuches hinwies, warb er für die Abnahme des Kalenders mit dem Hinweis auf dessen Gehalt: „Sicher wird es Ihnen gefallen. Neben dem ausführlichen Kalendarium bringt es reich bebilderte Beiträge aus Gebieten der alten Heimat, Unterhaltsames und Besinnliches sowie Geschichte zu Schmunzeln. Zahlreiche Leserbriefe bestätigen uns, dass wir vielen Menschen damit Freude bereiten. Denken Sie auch bitte daran, dass Sie durch den Kauf des „Jahrbuches“ unserem Haus helfen, die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen.“357

354

Gerold Effert, geb. 1932 in Bausnitz, gest. 2007 in Fulda – Vgl. KULTURSTIFTUNG DER DEUTVERTRIEBENEN (Hg.), Vertrieben… Literarische Zeugnisse von Flucht und Vertreibung. Bonn 1992, S. 342. Andrea REITERER, Karl Springenschmid: Der Waldgänger. Rechtfertigungsprosa im Biedermeierstil? In: Uwe Baur (Hg.): Macht Literatur Krieg. Österreichische Literatur im Nationalsozialismus. Böhlau, Wien u.a. 1998, S. 307-319. Ein Pseudonym, unter dem die Mutter Friedrich Kröhnkes, die aus dem nordböhmischen Haida stammt, seit 1951 Erzählungen und Geschichten publiziert. Karl Kindermann am 4. Juli 1989; der Text hält sich mit unwesentlichen Veränderungen über die Jahre hindurch und wird ähnlich auch im Editorial des jeweiligen Jahrbuches verwendet.

SCHEN 355

356 357

Initiativen für die Seelsorge

739

Seit 1991 erschienen die Königsteiner Rufe nur mehr vierteljährlich.

Die „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ Die „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ erschienen quasi als Amtsblatt des Priesterreferates – in Kindermanns Verständnis der „Motor“, das Herz der Königsteiner Anstalten. Das Priesterreferat war in den Augen Kindermanns ein Auftrag, den er von Bischof Kaller erhalten hatte. Die „Mitteilungen“ erschienen monatlich in einem Umfang von je acht Seiten, wobei jede Seite zweispaltig war, mit einer breiteren Themenspalte und einer schmäleren Infospalte versehen. Die Themenspalte brachte Puncta meditationis, lange Zeit aus der Feder von Spiritual Erich Puzik. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre schrieb P. Bruno Borucki SJ358 über einen langen Zeitraum hinweg die Puncta. Es folgten Sonntagsgedanken für die jeweiligen Sonntage im Monat, Predigtanregungen; es wurden dort Vorträge dokumentiert oder schwerpunktmäßig zentrale Themen der Vertriebenenintegration bzw. der Vertriebenenseelsorge behandelt, wie beispielsweise ein Beitrag mit grundsätzlichen philosophisch-theologischen, sozialethischen Hintergrundgedanken zum Lastenausgleich. Die Informationsspalte berichtete über Veranstaltungen in Königstein, über die Entwicklungen in den unterschiedlichen Bereichen in Königstein, über die Tätigkeit Pater Werenfried van Straatens und der Ostpriesterhilfe, über Materialien und Vorträge bei den Kirchlichen Hilfsstellen, berichtete von den Tagungen der ostvertriebenen Priester in unterschiedlichen Bistümern und wies auf Priesterjubiläen bzw. Geburtstage von Vertriebenenpriestern hin. Die Neupriester wie auch die verstorbenen Priester wurden über die „Mitteilungen“ publik gemacht. Schließlich wurde auf wichtige Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt hingewiesen. Urlaubsaushilfen und Stellen wurden vermittelt. Selbstverständlich wurden in den „Mitteilungen“ auch die Bausteine für Königstein, ein wichtiger Beitrag zur Finanzierung der Königsteiner Unternehmungen verschickt.359

358 359

PRIESTERREFERAT, 7. Königsteiner Schematismus, S. 13. Vgl. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 4, April 1950, S. 29: „In Kürze werden die neuen Bausteine verschickt. Wir wissen wohl, dass wir Ihnen damit nicht gerade eine Freude bereiten, aber andererseits tragen die Bausteine wesentlich zur Erhaltung von Königstein bei. In Anbetracht der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage haben wir diesmal nur 50-Pfennig-Bausteine gedruckt. Das wird den Verkauf wohl erleichtern. Freilich bedarf es einer doppelten Anstrengung, um annähernd das gleiche Resultat zu erzielen. Der Baustein kommt in Form einer Karte, die noch für Postzwecke verwendet werden kann, so dass dem Spender letztlich nur ein Opfer von 40 Pfennig auferlegt wird. Wir bitten Sie, so gut es geht, in Predigt und Ansprachen auf den Zweck des Bausteins hinzuweisen. Es kommt bei all diesen Dingen doch so sehr auf den guten Willen unserer Mitbrüder an … An vielen Orten haben unsere Mitbrüder mit dem Bau eines eigenen kleinen Gotteshauses begonnen. Es ist dann nur zu verständlich, wenn sie in der Sorge um die Aufbringung der notwendigen Mittel sich jeglichen Aktionen, die von außen her kommen, verschließen. Aber vielleicht kann man doch an einem Tag im Jahr Königsteins und seiner Anliegen gedenken, ohne die Entwicklung im Ort zu schädigen.“

740

Abschnitt VII

Die „Mitteilungen“ waren zudem ein Publikationsorgan für Beratungen, Beschlüsse, Rundschreiben des katholischen Flüchtlingsrates. Im Jahresrückblick auf 1950 im ersten Heft der „Mitteilungen“ 1951, S. 8, erscheint der Hinweis, dass die „Mitteilungen“ 1950 in einer Auflagenhöhe von 8.000 erschienen. D.h. mehr als 4.000 Exemplare gingen auch an einheimische Seelsorger und machten diese mit den Anliegen der Vertriebenen bekannt, wollten Brückenschläge sein. Mit dem Jahrgang 1955 verdoppelte sich der Umfang auf 15 Seiten pro Heft, durchgezählt für das ganze Jahr ergab das zwölf Hefte mit insgesamt 180 Seiten. Ein sprechendes Beispiel für einen Themenschwerpunkt bilden die Ausführungen von Hochschuldozent Dr. Franz Scholz, Königstein, über die sittlichen Grundlagen des Lastenausgleiches von September bis November 1951.360 Scholz hatte dieses Gutachten für einen Vortrag vor den schlesischen Priestern ausgearbeitet. Gleichzeitig war von den schlesischen Priestern bei den deutschen Moraltheologen im Frühjahr 1951 ein Gutachten zum Lastenausgleich erbeten worden, das aber bis Dezember 1951 noch nicht vorlag. Scholz war der Meinung, dass kirchenamtliche Verlautbarungen zu der Thematik noch zu erwarten seien. Ab April 1952 erschienen in den „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ Skizzen für Predigten zum Lastenausgleich. Es handelte sich um Ergebnisse einer Ausschreibung eines Wettbewerbs, die das Priesterreferat in Königstein im Taunus vorgenommen hatte. Die „Mitteilungen“ können als ein Fokus der Informationen über die Ereignisse, Maßnahmen, Gründungen etc. im Bereich der Vertriebenenseelsorge des gesamten Bundesgebietes gesehen werden. Von der Errichtung des Kardinal-Bertram-Werkes in Hildesheim bis zu den Kapellenwagenmissionen bzw. den Vertriebenenseelsorgertagungen auf Diözesanebene finden sich Berichte über alle Veranstaltungen in den unterschiedlichen Heften. Die Hefte für die „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ aus der Mitte der fünfziger Jahre weisen neben den Puncta aus der Feder Puziks und den Predigtgedanken viele inhaltliche Schwerpunktthemen zum Heimatrecht, zu moraltheologischen Fragen, zu liturgischen Themen, etwa der Feier der Karwochenliturgie in der Diaspora auf.361 Sehr viele Priester, die in Königstein in der Hochschule, auch am Gymnasium lehrten und wirkten, schrieben ihre Beiträge für die „Mitteilungen“. Seit 1955 erschienen die „Mitteilungen“ mit zwei gleichrangigen Spalten, wobei zunächst die grundsätzlichen Artikel, die Puncta und die Predigtgedanken kamen und

360

361

„Mitteilungen für heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“, Nr. 9, September 1951 die erste Folge, Seite 70-72. Dann in Nr. 10, Oktober 1951 die zweite Folge, Seite 79f. und die dritte Folge in Nr. 11, November 1951, Seite 85-88. So in den „Mitteilungen“ des Jahres 1957, S. 39-42 etc.

Initiativen für die Seelsorge

741

danach die Informationen folgten, in denen aus den landsmannschaftlich geprägten Priestertagungen ausführlich berichtet wurde.362 Der Kauf der Königsteiner Gebäude, der folgende rasche Um- und Ausbau, die Einweihung des Hauses Werenfried als Kongress- und Tagungszentrum, die Ausweitung der Kapellenwagenmission, die strukturelle Verfestigung von Gebets- und Interessengemeinschaften zu den Priesterwerken – über all diese Anliegen und Initiativen wurde in den Mitteilungen informiert und für sie geworben. Prägende Themen in den Mitteilungen Eine lange Reihe von Puncta, die sich über die Jahrgänge 1958 bis 1961 hin erstreckte, verfasste Pater Paulus Sladek für die „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“. Er schöpfte dabei auch viele Gedanken aus der Tiefenpsychologie und wandte sich bevorzugt Themen der Selbstwahrnehmung, Selbstachtung, Selbsttäuschung, Selbstliebe etc. zu. Die „Mitteilungen“ waren vorrangig in den sechziger Jahren in fortlaufenden Artikeln bemüht, eine Theologie der Vertreibung zu entwickeln. Genauso befragten sie unterschiedliche Religionen – damit bewiesen sie eine Offenheit über den rein katholischen Raum hinaus – darauf, inwieweit sie Religionen der Heimat bzw. Religionen der Fremde seien. Es wurden also die klassischen Topoi der Entheimatung, des Aufbruchs, des Abschiednehmens, des Unbehaustseins, des Wanderns in den unterschiedlichen Religionen aufgenommen und den Lesern in ihrer Bedeutung vorgestellt.

362

Die Hauptveranstaltungen in der vorlesungsfreien Zeit in den Sommerferien waren die Priesterund Theologentagungen aufgegliedert nach den landsmannschaftlichen Herkunftsregionen, also als eine nordostdeutsche, südostdeutsche, schlesische und sudetendeutsche Priestertagung und eine Theologentagung für all diese Landsmannschaften zusammen inklusive jeweils Studenten der Theologie aus den westlichen Nachbarländern von den Niederlanden bis Spanien. Diese Priestertagungen waren das Forum, auf dem die spezifisch landsmannschaftlichen Aufgaben besprochen wurden und angegangen werden sollten und wo auch die entsprechende weitere Struktur und Organisation gefunden wurde. So etwa auf der Sudetendeutschen Priestertagung vom 21. bis 25. Juli 1952, wo erstmals auch die Hauptversammlung des Sudetendeutschen Priesterwerks abgehalten wurde. – Vgl. den Bericht ‚Sudetendeutsche Priestertagung‘ in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 9, September 1952, S. 69f.: „Wie kam es zu diesem Zusammenschluss? Bereits 1948 bildeten die sudetendeutschen Priester eine lose Gebets- und Opfergemeinschaft analog jener der schlesischen Priester. Sie wollten gemeinsam das wichtige Anliegen des Priesternachwuchses der Landsmannschaft tragen. Schon damals fanden sich viele Laien, die sich diesem Priesterkreise anschlossen. Angesichts der immer mehr wachsenden Sorgen um Priesternachwuchs und der Notwendigkeit, alle Kräfte guten Willens zur Mitarbeit und zum Mitopfern aufzurufen, gab der Hohe Protektor des gesamten Flüchtlingswesen, Kardinal Frings, seine Einwilligung, ein eigenes Priesterwerk für die sudetendeutschen Katholiken errichten zu dürfen. Im Oktober 1951 fand in Königstein die gründende Versammlung statt, die sich auf ein Statut einigte, das die Billigung der kirchlichen Obrigkeit und der staatlichen Stellen fand. So wurde das „Sudetendeutsche Priesterwerk“ als eingeschriebener Verein am 20. Juni 1952 eingetragen. Es soll alle sudetendeutschen Priester (1.118) als Mitglieder umfassen.“ (S. 69f.).

742

Abschnitt VII

Ganz kontinuierlich wurde der Gesetzgebungsprozess mit allen Stufen der Novellierungen zum Lastenausgleich von Pfarrer Franz Josef Wohl363 in den „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ begleitet. Jedes Änderungsgesetz zum Lastenausgleich wurde inhaltlich vorgestellt und kommentiert. Bereits der Ausblick ins neue Jahr 1965, zwanzig Jahre nach Kriegsende, wurde für Kindermann ein Rückblick.364 Es war ein Rückblick auch auf die Anfänge der Zeitschrift.365. Selbstverständlich bejahte Kindermann nach wie vor die Notwendigkeit der „Mitteilungen“, denn sie seien erstens eine der wenigen Klammern, die die heimatvertriebenen Priester zusammenhalte, ohne Unterschied in der Herkunftsregion. Sie seien ein Forum, wo ein klärendes Wort zu den grundsätzlichen pastoralen und rechtlichen Fragen der Vertriebenenseelsorge formuliert werde. Sie berichteten über die Sonderseelsorge unter den Heimatvertriebenen und bemühten sich seit Jahren um eine rechte Deutung der Vertreibung. Nachdem keine der Priestergruppen ein eigenes Amtsblatt besitze, berichteten die „Mitteilungen“ quasi als Ersatz über manche personelle Veränderungen, machten auf Jubiläen aufmerksam und sprachen ein Wort der Anteilnahme beim Heimgang von Priestern. Schließlich bildeten sie in den Augen Kindermanns Band und Brücke, die mit Königstein verband.366 Breit war ohne Zweifel der Niederschlag der Diskussionen um das Bensberger Memorandum, um die EKD-Denkschrift und um den Briefwechsel der deutschpolnischen Bischöfe.367 „Wir stehen vor einem neuen Anfang etwa“, heißt der Leitartikel für den Jahrgang 1966 der „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus

363 364 365

366 367

Franz Josef Wohl, gestorben am 2.1.1969, der Verfasser der Artikel zum Lastenausgleich, war Diözesanvertriebenenseelsorger im Bistum Aachen. „Ins neue Jahr 1965“ in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 1 (1965), S. 4-7. „Im Dezember 1947 erschien die erste Nummer der „Mitteilungen“. 17 Jahre sind seit jenen Tagen vergangen. Sind sie heute nach so vielen Jahren noch notwendig? Diese Frage stellen wir uns in Königstein. Sie sei im Folgenden ein wenig beleuchtet. Als wir Ende 1947 endlich nach langen Verhandlungen alle Schwierigkeiten – kein Papier, Erlaubnis von Seiten der Amerikaner, kein Geld, keine rechte Übersicht über unsere Priester usw. – überwunden hatten, waren wir für dieses Band schriftlichen Austausches herzlich froh und dankbar. Neben „Christ unterwegs“ hatte man im katholischen Raum der Heimatvertriebenen kein Organ, das informierte und Brücken zu den Brüdern schlagen konnte. Noch war das allgemeine Verbot, sich zu organisieren, in Geltung. Die „Mitteilungen“ sollten uns über die für uns wichtigen Fragen aufklären. Sie sollten sich unserer persönlichen Lage annehmen, die Schwierigkeiten in der neuen Bleibe aufzeigen und mit überwinden helfen; sie wollten schließlich ein besonderes Augenmerk den Fragen des Priesternachwuchses zuwenden. Ob sie das in den vergangenen Jahren auch immer zur Genüge getan haben?“ („Ins Neue Jahr 1965“, S. 4). „Ins Neue Jahr 1965“, S. 6. Über die EKD-Denkschrift wurde am 15. Februar 1966 auf Hochschulebene ein Podiumsgespräch veranstaltet, an dem Kindermann, Hadrossek und Braunstein als Referenten mitwirkten. Chronik der Hochschule, S. 128 A.

Initiativen für die Seelsorge

743

dem Osten“.368 „Wir stehen also irgendwie im Umbruch begriffen. Wir stehen vor einem neuen Abschnitt in der Geschichte der Völker.“369 Auch im Programm der schlesischen und ermländischen Priestertagung des Jahres 1966 zeigt sich ein deutlicher Niederschlag der Diskussionen um den deutschpolnischen Briefwechsel der Bischöfe.370 Die Zäsur wurde binnenkirchlich durch das Zweite Vatikanische Konzil markiert, gesamtgesellschaftlich durch die Veränderungen in Wissenschaft und Technik. Romano Guardini wurde mit seinem Buch vom Ende der Neuzeit zitiert. Auf die EKDDenkschrift wurde Bezug genommen.371 Kindermann sah jetzt die schwierigste Periode der Vertriebenenseelsorge gekommen, nämlich die Auseinandersetzung mit den rechtlichen, ethischen und theologischen Fragen der Vertreibung. „Es ist wirklich ein neuer Beginn in der Auseinandersetzung mit unseren Anliegen und Fragen, die uns seit so vielen Jahren beschäftigen. Wie wenig die Vergangenheit verkraftet ist, wurde an den heftigen Reaktionen sichtbar, die von so vielen Seiten her erfolgten. Seit Jahren hat es zu keinem strittigen Punkte so viele Artikel, Gegenartikel, Leserzuschriften und Diskussionen gegeben wie zu den genannten Ereignissen der letzten Monate.“372 Gemeint sind zum einen die EKD-Denkschrift, zum anderen der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils.

368 369 370

371

372

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 3-5. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 4. So referierte etwa Prof. Dr. Georg Smolka aus Speyer über „Das polnische und das deutsche Geschichtsbild von Schlesien und der Briefwechsel der polnischen und der deutschen Bischöfe“. Im Bericht heißt es, an dieses Referat habe sich, wie auch an die Referate der anderen Tage, eine lebhafte Aussprache angeschlossen. Der Bericht über die schlesische Priestertagung 1966 in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 125f. Zum Briefwechsel heißt es im Bericht des ermländischen Priestertreffens vom 9. bis 12. August: „Den Briefwechsel zwischen den polnischen und den deutschen Bischöfen würdigte Monsignore Dr. Norda, Münster, ergänzt durch ein Koreferat von Prof. Scholz, der die die psychologische Situation des polnischen Episkopats und Volkes ins Bewusstsein rief. In dem Briefwechsel sei vor allem das religiöse Anliegen zu sehen. Er habe keinerlei politische Ziele verfochten, wie etwa die EKD-Denkschrift. Beide Seiten hätten echten Versöhnungswillen im Sinne der biblischen Botschaft, wie auch im Interesse einer Anbahnung neuer Bindungen zwischen den beiden Völkern bekundet. Für die reale Situation habe es Bedeutung, dass im Brief der polnischen Bischöfe die Übernahme der deutschen Ostgebiete nicht mehr als „historische Notwendigkeit“ erscheine.“ (Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 126f.). Zu Smolka vgl. Christian Handschuh, Georg Smolka. Von der ‚Ostforschung‘ zum ‚Abendland‘. Münster 2003. „Das Zweite Vatikanum ist zu Ende. Die Bischöfe sind heimgekehrt und sprechen nun zu ihren Gläubigen. Auch sie sagen, dass wir jetzt eigentlich erst so recht anfangen müssen, denn nun heißt es von Worten zu Taten gehen. Die großartige geistige Leistung dieses größten Konzils muss nun ins praktische Leben umgesetzt werden. Ein neues und schweres Beginnen. Und wir in der Seelsorgsarbeit unter den Heimatvertriebenen? Gibt es auch da einen neuen Anfang, eine neue Phase? Oder überhaupt noch einen Anfang, da man doch vielfach meint, das sei endlich vorbei.“ (Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 4). Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 4.

744

Abschnitt VII

Dieser Briefwechsel wurde denn auch auf den Folgeseiten in den „Mitteilungen“ dokumentiert.373 Für 1968 wurde eine eigene Beilage zum Thema „Der Friede mit unseren östlichen Nachbarn“ beigefügt. Zum Einstieg verwies Kindermann auf die verschiedenen Phasen der Vertriebenenintegration: zunächst die caritative Phase, als es um das Überleben und das Überlebensnotwendige ging. Die folgende zweite Phase war die wirtschaftliche, die gesellschaftliche und die kirchliche Eingliederung. Seit der EKDDenkschrift und dem Briefwechsel der Bischöfe war die schwierigste Phase angebrochen, nämlich die Bewältigung der ungelösten ethischen und rechtlichen Probleme, die die Vertreibung mit sich gebracht habe. Die Vertriebenenseelsorger konnten nach Ansicht Kindermanns diesen Fragen, Problemen und Themenkreisen nicht ausweichen. Sie mussten sich der Diskussion stellen und für diese Diskussion wollte er mit dem Sonderheft die nötigen Unterlagen und Handreichungen geben.374 Innerhalb des Bensberger Kreises bildete sich eine Polenkommission mit etwa 30 Teilnehmern, die die Aussöhnung Deutschlands mit Polen vorbereiten sollten. Nachdem bekannt geworden war, dass ein Memorandum zum deutsch-polnischen Verhältnis geplant war, wandten sich Heimatvertriebene aus der Pax-Christi-Bewegung an den Eichstätter Bischof Schröffer, dem damaligen Präsidenten der Pax-ChristiBewegung, um einen Dialog zwischen Heimatvertriebenen und den Verantwortlichen des Bensberger Kreises einzuleiten. Am 14. April 1967 fand in Limburg eine erste Aussprache statt. „Aus der dreistündigen Diskussion gingen stark divergierende Meinungen hervor. Die Gedanken über die Vertreibungen und ihre Folgen gingen weit auseinander. Man war jedoch auf beiden Seiten für dieses Gespräch sehr dankbar und wünschte Fortsetzungen der Begegnung. Bei dieser Besprechung war auch klar geworden, dass der Bensberger Kreis vorhatte, in absehbarer Zeit mit konkreten Vorschlägen zum deutsch-polnischen Verhältnis hervorzutreten. Es konnte aber erreicht werden, dass der Kreis sich bereit erklärte, nicht ohne Abstimmung mit den Heimat-

373

374

Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Brüder in „Christi Hirtenamt“, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1966, S. 5-12. Die Antwort der deutschen Bischöfe, S. 13-16. Die erste Argumentationshilfe brachte ausführliche Informationen zum Bensberger Kreis: „Allgemeine Zustimmung und Anerkennung verbunden mit Erleichterung und großer Freude löste der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe aus, der zugleich einen Auftakt zur Verwirklichung der Konzilsbeschlüsse darstellte. Er erfolgte unabhängig von der EKDDenkschrift und tat mit den echt christlichen und mutigen Wendungen von beiden Seiten erste Schritte zur Aussöhnung. Der Anstoß, der gegeben war, wirkte weiter. Die Friedenssehnsucht, das Verlangen nach Ordnung und Ausgleich waren mächtig angeregt. Manches bahnte sich an. Vor Jahresfrist entstand auf katholischer Seite in Anlehnung an die Pax-Christi-Bewegung ein kleiner Zusammenschluss von Einzelpersonen, der sich „Bensberger Kreis“ nannte. Er umfasst etwa 150 Personen, die sich zur Aufgabe setzten, in brennenden Problemen von heute für einen von ihnen vorgetragenen Standpunkt in der Öffentlichkeit zu werben. Der genannte Kreis handelt aus Eigeninitiative und betrachtet sich als unabhängig, also weder einer kirchlichen Instanz, noch der Pax-Christi-Bewegung verpflichtet.“ (Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 2).

Initiativen für die Seelsorge

745

vertriebenen an die Öffentlichkeit zu gehen.“375 Auch in einem zweiten Gespräch am 4. Februar 1968 zwischen Heimatvertriebenen und Bensbergern konnte keine gemeinsame Basis für ein Memorandum gefunden werden. Zuvor hatten bereits die Diözesanvertriebenenseelsorger in Königstein vor einem Polen-Memorandum gewarnt, indem sie auf die verheerenden Wirkungen der EKD-Denkschrift verwiesen. Trotz schwerer Bedenken der Heimatvertriebenen, es war am 27. Februar 1968 nochmals zu Besprechungen gekommen, wurde das Memorandum am 3. März 1968 der Öffentlichkeit übergeben. Die 42. Konferenz der Diözesanvertriebenenseelsorger, die sich am 28./29. März 1968 in Königstein zusammenfand, erklärte zum Polen-Memorandum des Bensberger Kreises, dass sie dialogbereit seien – auf realistischer Basis. Die Vertriebenenseelsorger sahen das Memorandum im Gegensatz zu wesentlichen Verlautbarungen und Maßnahmen des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz. Das Memorandum sei unrealistisch und kein Weg zum Frieden, weil es ethische und rechtliche Prinzipien preisgebe, die unerlässliche Grundlagen eines Friedens bleiben müssen. Das Unrecht der Vertreibung könne nur durch einen Ausgleich nach den Grundsätzen der Menschenrechte und der christlichen Moral geheilt werden. Es ist bezeichnend, dass die Vertriebenenseelsorger sich vor allem auf das Heimatrecht fixierten, zwar ihre Versöhnungsbereitschaft unterstrichen, aber mit keinem Wort auch in der Stellungnahme die Vorgeschichte der Vertreibung erwähnten. „Die Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik waren die Ersten, die sich, obwohl am unmittelbarsten betroffen, bereits vor zwanzig Jahren für die Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn ausgesprochen haben, wobei sie jede Art von Austreibung, auch die der Polen aus den deutschen Ostgebieten, für unzulässig erklärten. Im Bensberger Memorandum ist diese Tatsache unerwähnt geblieben.“376 Die Sondernummer nahm auch einen Beitrag des Rottenburger Domkapitulars, Prälat Prof. Dr. Hufnagel, auf, der ebenfalls auf das Heimatrecht als die entscheidende Frage im Friedensprozess hinwies. Auch ein Arbeitskreis für Natur- und Menschenrechtsfragen mit dem Sitz in Königstein äußerte sich zum Memorandum des Bensberger Kreises.377 Mir erscheint es bezeichnend, dass in Königstein die Diskussion um den rechten Weg zur Aussöhnung und zum Frieden mit dem östlichen Nachbarn auf der rechtlichen Ebene geführt wurde, die moralische Frage weitestgehend in den Hintergrund gerückt wurde. Man besuchte ja auch, wenn man nach Rom fuhr und eine Wallfahrt machte, die deutschen Soldatengräber bei Monte Cassino und keine Gedenkstätten in den Fosse Ardeatine in Rom oder an anderen Orten, wo italienische Zivilisten von deutschen Soldaten erschossen worden waren. Eine zweite Sonderbeilage zu den „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“, aus dem Jahre 1968, griff die Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenverbände vom Gründonnerstag, 11. April 1968 auf, die mit

375 376 377

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 2. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 6. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 10-12.

746

Abschnitt VII

einem Umfang von sechs Seiten „Unser Verhältnis zum polnischen Volk“ zum Thema hatte. Die Argumentation der Enzyklika ‚Pacem in terris‘ von Papst Johannes XXIII., wie auch die Zitate aus den entsprechenden Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem „Die Kirche in der Welt von heute“, sind alle daraufhin bezogen, die Forderung nach Gerechtigkeit zu unterstreichen; in diese Gerechtigkeitsargumentation gehöre die Anerkenntnis des Naturrechts auf Heimat hinein. So argumentierte auch die Erklärung der AKVO: „Der dauerhafte Frieden und ein ehrlicher Ausgleich waren und sind uns zentrale Anliegen. Wir suchen in diesem Bemühen auch die Zusammenarbeit mit unseren westdeutschen Schwestern und Brüdern. Sie klären manche Gefühlsregung, die unsere Sachkunde überlagern könnte. Wir bitten sie aber auch in großem Ernst, bei der Friedensarbeit nicht auf unsere Sachkunde zu verzichten und zur Zukunft unserer angestammten Heimat mit der gleichen Verantwortung Stellung zu nehmen, als wenn es um die Zukunft von München, Köln oder Frankfurt/M. ginge. Wir wissen, dass nach weltgeschichtlichen Katastrophen eine gerechte Ordnung nur schrittweise und in langen Zeiträumen herbeigeführt werden kann. Eine völlige Wiederherstellung des Vorkriegszustandes wird nicht erwartet werden können. In dem jetzigen Zustand Deutschlands und Europas sehen wir jedoch keine tragfähige Lösung.“378 Man pochte auf die Wahrheit bei der Diskussion um die geschichtlichen Gegensätze. Ein Satz wurde eingestreut, der unterstrich, dass die Gerechtigkeit die Deutschen zur Wiedergutmachung für das den Polen zugefügte Unrecht verpflichte.379 Letztlich diente dieser Satz lediglich als Basis dafür, dass die Vertriebenenverbände eine Wiedergutmachung des Unrechts forderten, das dem deutschen Volk widerfahren war. „Die europäischen Völker haben sich in der jüngeren Geschichte einem Kult des Nationalen zugewandt. Ihr Weg führte von einem nur im Diesseits verwurzelten Humanismus zu einem übersteigerten Nationalismus, der nicht selten in Brutalität endete. Nicht nur wir, sondern auch unsere Nachbarn sind dieser Versuchung wiederholt erlegen.“380 Schließlich wurde auch das unermessliche Leid angesprochen, das dem polnischen Volk von einer verbrecherischen deutschen Regierung und den ihr Hörigen zugefügt worden sei. Die Schuld vieler Einzelner bedürfe der Sühne im geordneten Rechtsgang; für das von der deutschen Regierung zugefügte Unrecht sei das deutsche Volk zu einer zumutbaren Wiedergutmachung im Rahmen seiner politischen Haftung verpflichtet. Abgelehnt wurde die Kollektivschuld, die die personale Verantwortung zerstöre. Die Grausamkeiten der Kriegs- und Nachkriegszeiten seien weder durch die Legalisierung von Massenvertreibung zu heilen noch durch irgendwelche ins Leere geworfene Verzichte wieder gut zu machen. Man müsse die Rechtsidee stärken und den übersteigerten Nationalismus auf beiden Seiten überwinden. „Gebietsabtretungen sind nach Kriegen immer wieder vorgekommen. Sie hatten jedoch kaum größere Bevölkerungsverschiebungen zur Folge. Massenvertreibungen wie im

378 379 380

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 2. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 3. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 3.

Initiativen für die Seelsorge

747

20. Jahrhundert hat es noch nie gegeben. Sie sind die jüngste Folge des übersteigerten Nationalismus. Da ein barbarisches Faustrecht nicht legalisiert werden darf, muss der Kreis der Verbrechen an der Menschlichkeit durch eine zumutbare Wiedergutmachung für alle – auch für uns – unterbrochen werden.“381 Es gehe weder um einseitige noch um übersteigerte Rechtspositionen, sondern um unabdingbares, natürliches Recht. Beim Problem der Oder-Neiße-Linie handle es sich nicht allein um eine Annexion, sondern in erster Linie um Fragen der Grund- und Menschenrechte. Man verurteilte also im Letzten nicht den Eingriff in die deutschen Staats- und Hoheitsrechte, sondern gewichtete den Eingriff in die Rechte der Menschen, der Familien und der landschaftsgebundenen Volksgruppen höher. Das Argument wurde dann so fortgeführt, dass man, wenn man veraltete Denk- und Gestaltungsideen, die vor allem auf dem Nationalismus basierten, überwinden könnte, es Ordnungsmöglichkeiten gebe, die nicht auf nationalstaatliche Vorstellungen zurückgriffen. Damit waren die Vertriebenen sehr schnell bei ihrer Europavorstellung. Denn letztlich sei, so die Argumentation der AKVO, die zumutbare Wiedergutmachung des verletzten Rechts auf die Heimat grundsätzlich unabhängig von Grenzregelungen. Sie müsse also nicht automatisch zu neuen Vertreibungen derer, die mittlerweile in den angestammten Gebieten der deutschen Vertriebenen ihre Existenz gefunden haben, führen. Ziel war so eine gemeinsame europäische Aufbauarbeit in den Ländern der Herkunft der Vertriebenen.382 „Die deutschen und die polnischen Katholiken sind besonders dazu berufen, zur Versöhnung und Verständigung zwischen den beiden Völkern beizutragen. Schon jetzt sind sie trotz allem, was heute zwischen ihnen steht, in der Gemeinsamkeit des Glaubens und Denkens miteinander verbunden. Wir wissen um das vielfältige Leid der polnischen Katholiken und seit den Millenniumsfeiern in Tschenstochau auch um ihren Willen zur Versöhnung. Das lässt uns hoffen, dass es uns im Einvernehmen und Zusammenwirken mit ihnen gelingen wird, die Hindernisse abzubauen, die der Versöhnung, der Verständigung und einem dauerhaften Frieden in Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe entgegenstehen. In dem Bemühen, die Grundsätze der christlichen Sozial- und Gesellschaftslehre und die Kräfte unseres Glaubens im Dienst an der zeitlichen Ordnung der Dinge auch anzuwenden, begegnen wir uns mit den polnischen Katholiken, deren Bischöfe im März 1968 in einem gemeinsamen Hirtenschreiben erklärt haben: ‚Umstrittene Probleme sollten nicht mit physischer Gewalt, sondern durch einen echten Dialog geregelt werden.’“383 Die Debatte um die Ostverträge, mehr noch die Neugestaltung der Bistümer in Polen bestimmte das Jahr 1972. Dazu formulierte der Herausgeber der „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ folgende Meinung der Redaktion: „Uns hat die allzu eilige und fast überstürzte Entscheidung Roms überrascht. Dies umso mehr als der Vatikan bisher immer eine gleichlinige, menschenrechtlich verankerte Auffassung vertrat. Dass durch neue Grenzen Verletzungen von Menschenrech381 382 383

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 3. Vgl. dazu die Argumentation in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 5. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Beilage 1968, S. 6.

748

Abschnitt VII

ten nicht genügend beantwortet werden, das ist auch heute noch der Standpunkt Roms. Es wurde das auch zum wiederholten Male betont, dass durch kirchliche Neuordnung das Unrecht der Vertreibung keineswegs gerechtfertigt werde. So stehen also die Verletzungen der Menschenrechte durch die Vertreibung noch ohne eine heilende Antwort im Raume. Davon hätte unseres Erachtens bei der Neuregelung kurz Erwähnung gemacht werden sollen. Ist doch die Zahl der Vertriebenen und Geschädigten aus dem Osten größer, als die der jenseits Oder-Neiße neu Angesiedelten, die dorthin zu gehen sich gar nicht immer freiwillig entschließen konnten. Die deutschen Heimatvertriebenen … hätten deshalb bei der Neuregelung auch gern ein Wort – und wäre es nur in einem Nebensatze – gehört, dass sich inhaltlich an die bisher vertretene Linie ausdrücklich angeschlossen hätte. Es wird eine besondere Anstrengung der Vertriebenenseelsorge brauchen, um das bisher bestandene Vertrauen wieder zu festigen. In weiten Vertriebenenkreisen verbreitet sich die Meinung, dass der atheistische Kommunismus doch Schritt für Schritt seine gesteckten Ziele erreicht … Wir Seelsorger wollen alles tun, um unsere Gläubigen in der Treue und im Vertrauen zum Heiligen Stuhle zu stärken … trotz mancher Bedenken, die sich in letzter Zeit bei wenigen geltend machten.“384 Der Überblick über die Vertriebenenseelsorge Ende 1971 formulierte, dass sich die Vertriebenen auch nach 25 Jahren wegen der häufigen Fehldeutung ihrer Haltung als Fremde im Lande fühlten. Sie spürten gerade jetzt, wie viel noch zu einer wirklichen gesellschaftlichen und auch kirchlichen Eingliederung fehlte. Mehr als früher entstehe unter den Vertriebenen aktuell die Frage, ob auch die Kirche sie verraten werde.385 In der Neuregelung der Bistümer in Polen sahen die Vertriebenen genau diesen Verrat. Sie wollten vor allem erreichen, dass das Kirchenvermögen der Evangelischen in den Gebieten, aus denen die Vertriebenen kamen, nicht automatisch den Katholiken zugesprochen werde, d.h. aus deutscher Hand in polnisches Eigentum übergehen würde. Sie hofften, dass die Deutschen, die in Polen verblieben waren, eine geregelte Seelsorge in deutscher Sprache bekämen und dass bei der Regelung der kirchlichen Verhältnisse in den Ostgebieten die Vertreibung nicht tot geschwiegen werde. Sie erwarteten vor allem auch, dass die Art der unwürdigen und unmenschlichen Aussiedlung angesprochen werde. Nach den „Turbulenzen“ des Jahres 1972 rief Kindermann in der ersten Nummer der „Mitteilungen“ 1973 die Vertriebenenpriester dazu auf, die Seelsorge unter den Vertriebenen neu zu überdenken. Das sei besonders dann eine ernstzunehmende Aufgabe, wenn es Erschütterungen gebe. „Als Ausgangspunkt zu einer neuerlichen Überprüfung dürfte das Referat von Pater Jaksch SJ gute Dienste leisten, das er vor etwa einem Jahr gehalten hat. Leider sind wir nicht früher zu dieser notwendigen Überprüfung gekommen. Wir bitten alle hochwürdigen Mitbrüder, uns im Lauf des Januar 1973 ihre Gedanken und Meinungen mitzuteilen, damit der ganze Fragenkomplex

384 385

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1972, S. 100. Vertriebenenseelsorge Ende 1971. Ein Überblick in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1972, S. 8.

Initiativen für die Seelsorge

749

sehr bald beraten werden kann.“386 Mit den Turbulenzen waren vor allem die „Bensberger Denkschrift“ und die folgende Diskussion als markante Zeichen in der Frage nach dem Stand der Integration der Vertriebenen und damit der Diskussion um die Notwendigkeit und die Art der Vertriebenenseelsorge gemeint. Jaksch sprach von einer neuen, einer zweiten Phase der Sonderseelsorge für die Heimatvertriebenen. Die bisherige Phase sei geprägt gewesen davon, dass das Vertriebenenproblem politisch wie moralisch als widerrechtlich angesehen wurde und man selbstverständlich davon ausging, dass es wieder gut gemacht werden müsse – freilich auf friedlichem Weg und ohne dass anderen Menschen aufs Neue Unrecht geschehe.387 Den Vertriebenen wurde das Recht auf Rückkehr, auf volle Verwirklichung ihres Rechts auf die Heimat zuerkannt. Sie sollten das Volksvermögen wiedererstattet und ein ungestörtes Recht in freier Selbstbestimmung zuerkannt bekommen.388 Man müsse konstatieren und zur Kenntnis nehmen, ohne dies zu bewerten oder gar zu verurteilen, dass mittlerweile in der Kirche andere Fragen, wie etwa die Zölibatsfrage, die Hilfe für die unterentwickelten Völker, weit mehr Interesse fänden und stärker im Vordergrund der Diskussion stünden, als etwa das Vertriebenenproblem. Einen wesentlichen Grund fand Jaksch in der Verschiebung des Akzentes in der theologischen Diskussion vom Rechtsdenken hin zum Wertdenken, auf der Ebene des Kirchenbildes gesprochen von der societas perfecta hin zum wandernden Gottesvolk. Dort das eher statische, auf der anderen Seite das dynamisch-pastoral-missionarische Bild. In diesem Kontext störten Gruppen, die ein bestimmtes Recht erkämpfen wollten, eher. Jaksch wandte sich in diesem Grundsatzartikel gegen den angeblichen Sog des modernen Zeitgeistes, fragte, ob es noch ein Vertriebenenproblem in der Kirche gebe und bejahte diese Frage aus mehreren Gründen: Die Mobilität in der Gesellschaft sei sehr hoch, nicht zuletzt wegen der Heimatvertriebenen. „Ich fürchte, dass außerdem auch die dauernde binnendeutsche Wanderung, an der wohl die Heimatvertriebenen den größeren Anteil haben, den Sinn für das, was Heimat ist, überhaupt – vor allem in der nachwachsenden Generation – stark schädigt.“389 Die Beantwortung wollte er festmachen an der weiteren Frage, ob sich die mittlere und junge Generation noch für die Durchsetzung ihres und des Heimatrechtes ihrer Eltern engagiere. Er stellte eine abnehmende Leidenschaftlichkeit in der Einsatzbereitschaft für die Fragen, vor allem die rechtlichen Fragen der Vertriebenen fest.390 Jaksch sah das Vertrie-

386 387 388 389 390

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Januar 1971, S. 6. Vgl. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Januar 1971, S. 6. Der Artikel von Pater Josef JAKSCH SJ, Das Vertriebenenproblem in der innerkirchlichen Diskussion, in: Mitteilungen, Januar 1971, S. 6-11. Ebd., S. 8. „Denn unsere eigene Jugend in der alten Heimat mit ihren Erlebnissen und Idealen trübt uns den Blick für eine sachgerechte Beurteilung der Haltung der jungen Generation, für die unsere Heimat weithin schon eben nicht mehr ihre Heimat war, so dass sie sich auch nicht mehr so unmittelbar von unserem Problem betroffen fühlen wie wir. Ihre Einsatzbereitschaft zur Lösung unseres Vertriebenenproblems in unserem Sinne ist deshalb nicht gerade leidenschaftlich zu nennen. Aber die meisten dieser Jugendlichen haben sich doch noch sehr an der Landschaft interessiert

750

Abschnitt VII

benenproblem in der Kirche sowohl bei Erwachsenen, verstärkt aber noch bei der Jugend einer Krise zusteuern. Das sei zu beklagen, aber zu verstehen, denn der Abstand zur Vertreibung werde mit jedem Jahr kontinuierlich größer und damit wachse das Vergessen. Wichtig sei, die Öffentlichkeit gut zu informieren. Die katholische Vertriebenenpresse sollte sich konzentrieren, nach Möglichkeit eine gemeinsame Kirchenzeitung für die Angehörigen der deutschen Bistümer des Ostens etablieren.391 Jaksch forderte aktuelle soziologische Untersuchungen. Mangels eines anderen Institutes schlug er das Institut für Kirchliche Sozialforschung in Wien vor. In einer solchen Untersuchung sollten die Motive für die Gleichgültigkeit in der Bevölkerung gegenüber dem Vertriebenenthema untersucht werden. „Aber hätten wir die Initiative zu einem beispielsweise Königsteiner Studienkreis ergriffen, wäre es vielleicht zu keinem Bensberger Kreis gekommen. Wenn wir nicht zu solchen informellen Kontakten mit möglichst vielen für die innerkirchliche, öffentliche Meinung maßgebenden Männern und Frauen kommen (nicht zuletzt auch mit einigen Theologieprofessoren, die Meinung machen), dann werden wir den gegenwärtigen toten Punkt unserer Sonderseelsorge nicht so bald überwinden.“392 Man spürt an diesem Artikel von Pater Jaksch, wie tief die Erschütterung durch die EKD-Denkschrift und das Memorandum des Bensberger Kreises im Bereich der Vertriebenen, nicht zuletzt der Vertriebenen in der Katholischen Kirche, gegangen war. Man wähnte sich mit dem eigenen Bemühen an einem tiefen Krisispunkt angekommen. Die erste Hälfte der siebziger Jahre waren aus den unterschiedlichsten Gründen sehr schwierige Jahre für die Vertriebenenseelsorge. Es waren die Jahre, in denen man sich mit der neuen vatikanischen Ostpolitik auseinandersetzen musste, dann mit der Neuerrichtung von Diözesen in Polen. Nicht umsonst schrieb Heinrich Maria Janssen in seinem Grußwort zum Jahr 1973, die Vertriebenen hätten ein schweres Jahr überstanden. Ob sie es bestanden haben, wisse nur der Herrgott. „Auch der neue Weg, auf den wir uns begeben, steht im Zeichen des Kreuzes. Das sollten wir von allem Anfang an wissen, dann werden auch Enttäuschungen und Fehlschläge uns nicht umwerfen. Wir werden sie als Stationen unseres Weges nehmen.“393 Hinzu kamen die ständig rückläufigen Zahlen der Studenten in Königstein, ein Ergebnis der fortgeschrittenen Integration der Vertriebenen.

391

392 393

gezeigt, in der sie geboren wurden und ihre Eltern groß geworden sind und ihre Familiengräber liegen.“ JAKSCH, Vertriebenenproblem in der innerkirchlichen Diskussion, S. 8. „Mit bloßen Heimatblättern setzt sich eben die Öffentlichkeit heute nicht mehr auseinander. Würde eine solche gemeinsame Kirchenzeitung bei den beschlussfassenden Gremien keinen Anklang finden, sollte überlegt werden, ob nicht in „Publik“ und anderen großen katholischen Zeitungen (um möglichst breite Leserschichten zu erreichen) wenigstens einige Male im Jahr eine eigene Beilage inhaltlich gestaltet werden sollte, die eine vertiefte Kenntnis der Ostfragen im Allgemeinen vermittelt und vor allem die kirchlich-religiöse Seite dieser Fragen.“ JAKSCH, Vertriebenenproblem in der innerkirchlichen Diskussion, S. 9. JAKSCH, Vertriebenenproblem in der innerkirchlichen Diskussion, S. 10f. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 1-3 (1973), S. 1.

Initiativen für die Seelsorge

751

Die Schwierigkeit lag nicht zuletzt in der Krankheit Kindermanns begründet, die auch in den „Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten“ ihren Niederschlag fand. Im Jahr 1973 erschienen die Hefte sehr verspätet und nur sporadisch. Das brachte auch der Herausgeberartikel im Heft 1/1974 unter der Federführung von Stefan Kruschina zum Anliegen von Königstein zum Ausdruck.394 Auch dort, wie in den „Königsteiner Rufen“, war der Hinweis auf die Krankheit Kindermanns und auf die Verzögerungen, die damit in den unterschiedlichsten Unternehmungen in Königstein eingetreten waren, geschaltet. „Durch das Dekret vom 29.11. 1973 bestellte der Herr Bischof Dr. Wilhelm Kempf von Limburg den Satzungen des AMK entsprechend und im Einverständnis mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Monsignore Prof. Dr. Stefan Kruschina zum neuen Leiter des AMK. Als weiteres Vorstandsmitglied bleibt (wie bisher) der Apostolische Visitator, Protonotar Hubert Thienel. Als drittes Vorstandsmitglied wurde Monsignore Dr. Karl Reiß bestellt. Somit besteht nun seit einiger Zeit wieder ein handlungsfähiger Vorstand des AMK. Die Arbeiten und Aufgaben wurden sofort in Angriff genommen. Es wird aber noch geraume Zeit brauchen, bis die einzelnen, bisher liegen gebliebenen Aufgaben bewältigt werden können, bis der neue Vorstand sich einen klaren Einblick in die einzelnen Zusammenhänge verschafft hat; darum bittet auch der neue Vorstand um Ihr Verständnis.“395 Kruschina skizzierte als Ziel der „Mitteilungen“, sie als Verbindungsorgan weiter auszubauen, und bat die Mitbrüder, an diesem Ausbau mitzuhelfen. Sie sollten Nachrichten schicken. Sie sollten auch ihre Wünsche und Vorstellungen mitteilen, wie sie sich eine erfolgreiche und fruchtbare Arbeit für die Zukunft vorstellten. Gleich von Anfang an sprach sich Kruschina mit allem Nachdruck, trotz aller finanziellen Schwierigkeiten, die er deutlich nannte und trotz des allgemeinen Trends rückläufiger Studentenzahlen, da auch kaum ein Seminar bereit war, einen Student nach Königstein abzugeben, um die Ostschwerpunkte in den Mittelpunkt zu stellen, für die Fortführung von Hochschule und Seminar aus, weil sie doch das Herzstück Königsteins seien. Seine Marschroute war, aufgeschlossene junge Menschen auf das wieder so wichtig gewordene Ostanliegen der Hochschule in Königstein hinzuweisen, dann dürften sich durchaus neue Möglichkeiten eröffnen. Diese Strategie, die er von Kindermann aufnahm und fortzuführen versuchte, sollte sich als ein Holzweg erweisen. Er verhinderte, dass neue Konzepte rechtzeitig überlegt wurden. Die Hefte des Jahres 1974, die unter der Federführung von Stefan Kruschina entstanden, begannen allesamt mit einem Papstartikel aus dem Osservatore Romano, einer ausführlichen Würdigung der Jubilare und der verstorbenen Priester und brachten dann Berichte über kirchliche Entwicklung im Osten, über gesellschaftliche, rechtliche, politische und kirchliche Themen in der Bundesrepublik. Noch im Heft für das zweite Quartal 1974, im Heft Nr. 3 der „Mitteilungen“, schrieb Kruschina: „Das

394 395

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 1, Januar 1974, S. 2-4. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 1, Januar 1974, S. 3.

752

Abschnitt VII

regelmäßige Erscheinen der „Mitteilungen“ wurde allgemein als wichtiges Bindeglied für den Zusammenhalt der einzelnen landsmannschaftlichen Gruppen bezeichnet. Dieses Bindeglied sollte unbedingt erhalten bleiben, damit auch die gegenseitige Verbundenheit lebendig bleibt. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, werden die einzelnen Mitteilungen und Nachrichten über Ereignisse, Pläne und Vorgänge in den verschiedenen Gruppen und Diözesen, aber auch über die einzelnen priesterlichen Mitbrüder erbeten.“396 Es war ein Vorschlag der Diözesenvertriebenenseelsorger auf der Vollversammlung in Königstein vom 5. bis 6. Februar 1974 gewesen, in Zukunft die „Mitteilungen“ quartalsweise erscheinen zu lassen. Auch im Heft für das dritte Quartal 1974 rief Kruschina zur Mitarbeit an den „Mitteilungen“ auf. Es werde gewünscht, dass die „Mitteilungen“ zu einem wirklichen Mitteilungsblatt der heimatvertriebenen Priester aus dem Osten ausgebaut werden. Dazu sei es freilich nötig, die Veröffentlichungen und Nachrichten, Berichte und Anzeigen, welche die Priester der einzelnen Heimatdiözesen und landsmannschaftlichen Gruppen betreffen und interessieren, beim Priesterreferat in Königstein zu sammeln. Die Sprecher der verschiedenen landsmannschaftlichen Priestergruppen sollten diese Nachrichten rechtzeitig übermitteln.397 Trotz dieser Bemühungen sind in den Folgejahren keine weiteren Mitteilungen mehr erschienen.

Die „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“ Nach langem Bemühen war Prälat Kindermann 1959 vom Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Frings, zum Sprecher für die sudetendeutschen Priester und zum Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenzen für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und die sudetendeutschen kirchlichen Fragen berufen worden. Diese Zäsur benutzte Kindermann, um die allgemeinen ‚Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten’ zu spezifizieren in einem eigenen Mitteilungsblatt für das mitgliederstärkste der ostdeutschen Priesterwerke, nämlich das Sudetendeutsche Priesterwerk. Zentrales Anliegen war der Priesternachwuchs.398 Die ‚Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes’ waren eine Vereinszeitschrift an die Adresse von Multiplikatoren. Entsprechend waren in der Regel die Themenschwerpunkte je nach den Leitthemen der gesellschaftlichen Diskurse gesetzt.

396 397 398

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 3 (1974), S. 39. Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Nr. 3 (1974), S. 62. Vgl. bereits Heft 1 der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes vom April 1960, wo es heißt, die sudetendeutschen Katholiken stünden nach der Vertreibung vor einem völlig neuen Aufbau des Priesternachwuchses. Angesichts der Zerstreuung der Volksgruppe in alle Windrichtungen war es ein schweres Beginnen. Das Sudetendeutsche Priesterwerk, der Zusammenschluss unserer Priester und opferfreudigen Laien bemüht sich durch Gebet und Opfer, Priester aus unseren Reihen heranzubilden. Jeder sudetendeutsche Katholik gehört in unsere Reihen. Die Zukunft unserer Volksgruppe lebt und stirbt mit den Priestern aus unserer Mitte. Das Sudetendeutsche Priesterwerk in Königstein/Ts. nimmt eine Anmeldung mit Freuden entgegen.“ Deckblatt hinten.

Initiativen für die Seelsorge

753

Einen weiteren Orientierungspunkt bildete der Kalender mit seinen Jubiläen für Heilige, für Bistümer. 399 Zwei Beispiele mögen dies erhellen: 1972 – das Jahr, in dem in Schlesien und im Ermland die Bistumsgrenzen neu bestimmt und Bischöfe eingesetzt wurden – waren die Hefte geprägt von der Frage nach den Motiven für diese Vatikanpolitik gegenüber Polen. Gleichzeitig stimmte man sich bereits 1972 auf die Tausendjahrfeier des Bistums Prag 1973 ein. Dieses Thema mit den entsprechenden Veranstaltungen, Kongressen, Vorträgen, Referaten bestimmte dann auch den ansonsten eher schwachen Jahrgang 1973. Kindermann wollte ein Mitteilungsblatt, das Gemeinschaft stiften und Gemeinschaft erhalten sollte. Einen hohen Stellenwert nahm die Verbundenheit mit dem Papst, ja die Papstverehrung und Papstfrömmigkeit ein.

399

Einige Beispiele zur Illustration: Jahrgang 1959: Heft 6: „In dankbarer Erinnerung an unseren größten Anwalt“ (Persönliche Erinnerungen an den Heiligen Vater Pius XII. / Zum Bischof-Neumann-Jubiläum / Redemptoristenprovinzial von Österreich P. Augustin Reimann 60 Jahre alt / Zum Heimgang unseres Priesterfreundes Monsignore Hacker / Wie ich Priester wurde Jahrgang 1960: Heft 1: Ein neuer Anfang im kirchlichen Bereich der Sudetendeutschen / Eröffnung des Bischof-Neumann-Jahres / Die große Bischof-Neumann-Feier in München / Der sudetendeutsche Klerus / Unsere verstorbenen Priester / Sudetendeutsche Theologentagung vom 2. bis 4. Januar 1960 / Kleine Nachrichten / Sudetendeutsche Theologen – Heft 2: Heilig werden / Für das Leben der Welt / Das Bischof-Neumann-Jahr / Königstein in der Verzerrung und in der Wirklichkeit / Prälat Erzdechant Richard Popp – Jubelpriester / Silbernes Bischofsjubiläum Msgr. Otto Raible / Unsere verstorbenen Priester / Am Grab meines Freundes / Theologieprofessor Dr. Josef Blokscha † / Notizen aus der alten Heimat / Unsere Neupriester / Meine lieben Duppauer / Duppauer Treffen in Würzburg / Chronik – Heft 3/4: Festnummer zum BischofNeumann-Jahr 1960 Jahrgang 1961: Heft 1: Josef Groß, Bischof von Leitmeritz zum Gedenken / Qualis vita – finis ita! / Zum Bischof-Neumann-Jahr / Tagung sudetendeutscher Theologen / Verschiedene Nachrichten / Ein Wort des Dankes an † Josef Kardinal Wendel / Zum Heimgang eines großen Freundes der Sudetendeutschen / Unsere verstorbenen Priester / Kleine Nachrichten / Sudetendeutsche Theologen – Heft 2-3: Gottesdienste am Sudetendeutschen Tag in Köln / Der Seligsprechungsprozess unseres Böhmerwaldsohnes Johann Nep. Neumann / Kleine Nachrichten / Gebetserhörungen unter uns Sudetendeutschen / Zur Unterschriftenaktion schreiben unsere Landsleute / Dem Primas von Böhmen, Erzbischof Josef Beran, zum goldenen Priesterjubiläum / Zur Lage unserer Glaubensbrüder in der Deutschen Sowjetzone / Schweizer Verhältnisse / „Unser Pfarrer Hacker“ / Der selige Johannes Sarkander / Die Diözesen Böhmen-Mährens im päpstlichen Jahrbuch 1961 / Die Größenverhältnisse unserer alten Heimatdiözesen / Unsere verstorbenen Priester / Sudetendeutsche Neupriester / Die Philosophisch-Theologische Hochschule mit Priesterseminar in Königstein / Die St. Albert-Schule mit Schülerkonvikt / Sudetendeutsche Priestertagung in Königstein – Heft 4: Transeamus! Lasst uns nach Bethlehem gehen! / Schickt eure Jungen nach Königstein! / Unser Otto Willmann – Mensch und Erzieher / Zur Seligsprechung unseres Böhmerwaldsohnes Johann Nepomuk Neumann / Erinnerungen aus vergangenen Tagen / Gebetserhörungen auf die Fürbitte Bischof Neumanns / Sudetendeutsche Neupriester / Exerzitien-Kurse / Unsere verstorbenen Priester / Kleine Nachrichten / P. Johannes Kröll OMI. † / P. Samuel Fritz SJ. Nimmt Abschied von Europa / Der Erzbischof von Olmütz †

754

Abschnitt VII

Einladungen zu und Berichte von Tagungen für Theologen, für die sudetendeutschen Priester, die sudetendeutschen Ordensschwestern wurden abgedruckt, statistische Angaben vorgelegt, zu Priesterjubiläen gratuliert. Kontinuierlich wurde die Arbeit in Königstein vorgestellt. Nachrichten aus der alten und aus der neuen Heimat gehörten selbstverständlich zu jedem Heft wie Berichte über Veranstaltungen der sudetendeutschen Priester und sudetendeutschen Katholiken bei Katholikentagen, beim Sudetendeutschen Tag oder beim Eucharistischen Kongress in München 1960. Kontinuierlich berichtete Kindermann selbst über die verfolgte, aber nicht sterbende Kirche in der Tschechoslowakei. Wiederholt und ausführlich wurde von der Situation der Kirche in der ČSSR berichtet, vom Schicksal einzelner Amtsträger und auch vom Schicksal der lokalen Kirchen. Diözesanweise wurden die verfallenden Kirchengebäude aufgeführt. Zunehmend konnte man für eine solche Zeitschrift längere Biographien, wie etwa die von Bischof Nathan oder die Würdigung von Nuntius Kardinal Muench lesen. Es verwundert nicht, dass sich viele Berichte und Würdigungen anhand von Jubiläen mit den entsprechenden Berichten und Würdigungen in den „Königsteiner Rufen“ überschnitten. Ein wichtiges Informationsmedium bildeten die Mitteilungen auch zur Würdigung von Priestern bei Geburtstagsjubiläen oder nach dem Tode.400 Die Mitteilungen erschienen quartalsweise und hatten pro Jahrgang einen Umfang von 70 bis 100 Seiten. 1968 gab es auch eine Nummer fünf zu Weihnachten. Im Jahr 1969 gab es bereits ein Heft 6, d.h. die Mitteilungen kamen zweimonatlich heraus. 1970 war der Gesamtumfang schon wieder auf 80 Seiten reduziert; zwei Doppelnummern waren dabei.401 Wegen der bereits fortgeschrittenen Krankheit von Weihbischof Kindermann waren die „Mitteilungen“ 1973 sehr verspätet und verschlankt. Das sollte sich nach den Worten des Kommissarischen Leiters und dann des Nachfolgers von Weihbischof

400

401

Der Nachfolger von Kruschina in der Leitung des AMK war kommissarisch 1978 Prof. Dr. Anton Janko. Eine Würdigung zu seinem 70. Geburtstag in den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“, Oktober 1979, S. 72-74. Im Heft 1, März 1978 der „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“, eine Würdigung von Franz Lorenz für Pater Paulus Sladek 70 Jahre. Dort eine prägnante Zusammenfassung der wichtigsten Akzente, die Pater Paulus Sladek in seiner Tätigkeit als Vertriebenenseelsorger und Leiter der Kirchlichen Hilfsstelle Süd setzte. Auch der Aspekt soziale Problematik ist entsprechend ausgeführt. In diesem Heft, S. 1619, und in den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“, S. 19-21, eine Würdigung Bischof Heinrich Maria Janssens. Ebenfalls zum 70. Geburtstag aus der Feder von Franz Lorenz. Eine ausführliche Würdigung des langjährigen Spirituals des Königsteiner Priesterseminars, Pater Dr. Joseph Loewenich, aus der Feder von Adolf Kindermann in „Mitteilungen“, Nr. 11, November 1961, S. 101f. „Mitteilungen“, Februar 1957, S. 13f. aus der Feder von Kindermann eine Würdigung von Kardinal Frings zum 70. Geburtstag mit interessanten Details zur Frühgeschichte von Königstein. Die Inhaltsübersicht über die „Mitteilungen“ des Sudetendeutschen Priesterwerkes aus den Jahrgängen von 1959 bis 2009 ist in den Dokumentationsanhang aufgenommen.

Initiativen für die Seelsorge

755

Kindermann in der Leitung des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Monsignore Dr. Karl Reiß, 1974 ändern. Mehrfach sprach er in Artikeln von einer Stagnation, die es zu überwinden gelte durch zusätzliche Begegnungsforen mit den sudetendeutschen Priestern auf der Ebene der einzelnen Bistümer, auch mit neuen Schwerpunktthemen in der Verbandszeitschrift. Die Ehrung der Jubilare und die Würdigung der verstorbenen Priester wurden im Laufe der Jahre immer ausführlicher. Selbstverständlich waren die Reise- und Wallfahrtsberichte, vor allem die Berichte der Romfahrten, nicht nur in den „Königsteiner Rufen“, sondern auch in den „Mitteilungen“ für die Priester abgedruckt. Ebenso gab es Teilabdrucke von Beiträgen im Archiv für Kirchengeschichte Böhmen-MährenSchlesien, die quasi als Werbung für diese Zeitschrift gedacht waren. Es gab kaum ein Heft ohne Werbung um Priesternachwuchs. Vor allem in den letzten Jahren spürte man die Sorge des Herausgebers, Weihbischof Kindermann, der gebetsmühlenartig im Editorial, in Betrachtungen zu den hohen Festtagen und in weiteren Beiträgen, ebenso in eigenen Werbetexten dieses Thema aufgriff. Erklärungen der vertriebenen Seelsorger und des Katholischen Flüchtlingsrates zur deutschen wie zur vatikanischen Ostpolitik wurden oft zuerst in den „Mitteilungen“ abgedruckt. Ebenso ausführliche Hintergrundreflexionen von Pater Paulus Sladek zum Thema Verständigung und Versöhnung mit den tschechischen Nachbarn.402 Ein Beispiel für die Schwerpunkte und das Engagement Kindermanns mag das Heft 6 des Jahrgangs 1972 sein. Kindermann hatte sich noch einmal mit all seiner Kraft nach der ersten Operation für Königstein und für das Sudetendeutsche Priesterwerk eingesetzt. Die Kraft hatte im Folgejahr rapide nachgelassen, weshalb die Hefte 1973 erst im Herbst erscheinen konnten: Auch hier stand am Anfang die Werbung für den Priesternachwuchs; es folgte ein Wort an die sudetendeutschen Landsleute, der Rückblick auf das vergangene Jahr 1972 und der Ausblick in das neue Jahr. „Vieles haben wir heute auf dem Herzen. Neue Sorgen sind zu den alten dazugekommen. Die Unruhe in Welt und Kirche, der Unfriede unter den Völkern, das Fehlen einer echten Versöhnung mit unseren Nachbarn im Osten und vieles mehr. Auch da haben wir doch ein großes Vertrauen zum Herrn, der ja unser Bruder wurde, um bei uns zu sein, uns zu belehren, uns zu helfen. Wir wollen ja unsere Herzen immer wieder bereithalten für eine echte Versöhnung, die nicht allein durch neue Verträge erreicht wird. Beide Seiten müssen in sich gehen, ihre Schuld einsehen, dann aufeinander zugehen, ehrlich bekennen und versuchen, in einem Kompromiss zu echter Verständigung und Versöhnung zu kommen. Man wird zu prüfen haben, wie weit eine zumutbare Wiedergutmachung möglich ist. Die klaffenden Wunden müssen von Grund auf geheilt werden, sonst gibt es keine echte Versöhnung. Möge uns der Heiland der Welt dazu

402

Vgl. beispielsweise Pater Paulus SLADEK, Über die seelische Lage der Vertriebenen heute, in: Mitteilungen März 1971, S. 61-66, im Anschluss daran findet sich ein Interview mit Bischof Heinrich Maria Janssen über die Heimatvertriebenen und die Ostpolitik in: Mitteilungen März 1971, S. 66-68. Unmittelbar daran schließt eine Stellungnahme des Sudetendeutschen Rates und der Sudetendeutschen Landsmannschaft zu den Verhandlungen der Bundesrepublik mit der ČSSR an, S. 69-71.

756

Abschnitt VII

helfen! Liebe Landsleute! Vergessen wir in diesen Tagen nicht auch alle jene, die wir persönlich nicht erreichen. Unser Gebet kennt keine Grenzen, keine Mauer und keinen Stacheldraht.“403 Das vierte Heft des Jahrgangs 1974 war bestimmt vom Tod Kindermanns mit der Todesanzeige, einem ganzseitigen Porträtfoto des Weihbischofs und dem Bericht von Sterben, Totengottesdienst und Beisetzung. Den Übergang in der Leitung des Priesterwerkes und der Königsteiner Anstalten berichtete ein vom Vorstand des Priesterwerkes, Monsignore Dr. Karl Reiß und Prof. Dr. Anton Janko gezeichneter Artikel an der Jahreswende 1974/75: „Seit Juli ist der neu gewählte Vorstand des Priesterwerkes im Amt. Die erste Aufgabe war die Überwindung der Stagnation der zurückliegenden Jahre. Es sind Anzeichen vorhanden, dass dies gelungen ist. Viele haben wieder zur aktiven Mitarbeit zurückgefunden. Der Kreis der Freunde und Förderer hat dem Werk die Treue gehalten. Da die Opferfreudigkeit nicht nachgelassen hat, konnte der Verein allen Verpflichtungen nachkommen, ja diese sogar noch ausweiten. Die Förderung von Priesterberufen und die Unterstützung von Priestern in der Kirche des Schweigens haben den Vorrang. Wir sind bereit, überall dort zu helfen, wo es um wichtige geistige und religiöse Nöte unserer Volksgruppe geht. Notwendige Publikationen und die Arbeit des Institutes für die Kirchengeschichte unserer Heimatländer werden gefördert. Der Kontakt in den Reihen der Mitbrüder in den jetzigen Diözesen soll durch örtliche Konferenzen verstärkt werden … Die meisten der für die einzelnen Diözesen bestellten Kontaktmänner haben ihre Tätigkeit aufgenommen und sind von ihren Bischöfen bestätigt worden. Es liegen uns erste Berichte vor, an wie vielen Wallfahrten und Heimattreffen unsere Priester teilgenommen und die Gottesdienste gestaltet haben. Wenn wir alle zusammenzählen könnten, die an diese Veranstaltungen und Gottesdiensten teilgenommen haben, wären es viele Zehntausende. Trotz fortschreitender Integrierung sind die Zahlen nicht rückläufig. Ein Zeichen, das nicht übersehen werden kann. Das wird auch im neuen Jahr, welches das 30. nach unserer Vertreibung sein wird, nicht anders sein. Deshalb muss unsere Arbeit in der Volksgruppe noch intensiviert werden.“404 Ausführlich wurde die Bischofsweihe von Weihbischof Gerhard Pieschl in den „Mitteilungen“ gewürdigt.405 Noch im ersten Heft der „Mitteilungen“ 1977 wanden sich die Herausgeber um eine Aussage zum Problem der Hochschule und des Priesterseminars. Weiterhin wurde die Hoffnung aufrechterhalten, in Königstein einen außerordentlichen Weg zum Priestertum, vor allem für Spätberufene, anbieten zu können. Sehr weich eingepackt kam dann im zweiten Heft 1977 die Mitteilung über die Veränderungen in Königstein. Breit war der Hinweis auf die Veränderungen in der Situation der Heimatvertriebenen in den vergangenen 30 Jahren. Veränderungen, denen man Rechnung tragen

403 404 405

Weihbischof Adolf Kindermann, „Meine lieben Sudetendeutschen Landsleute“, im Heft 6 (1972), S. 123f. An der Jahreswende 1974/75 in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Heft 4 (Dezember 1974), S. 6f. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Dezember 1977.

Initiativen für die Seelsorge

757

müsse – auch in Königstein. Veränderungen mussten sein, das sah man ein, trotzdem wurde man nicht müde zu betonen, dass man entschlossen sei, das gesamte Werk zu erhalten. Gleichzeitig sprach Reiß vom Zeitpunkt des Generationenwechsels, in dem ernste Überlegungen angestellt werden müssten, wie es weitergehen konnte. In der folgenden Argumentation machte er deutlich, dass die Impulse vom Vertriebenenbischof, von der Deutschen Bischofskonferenz, von einer besonderen Kommission unter der Leitung des Sekretärs der Bischofskonferenz ausgegangen waren. Gleichzeitig folgte der Rekurs, dass niemand wolle, dass das Werk Königstein untergehe. Im Gegenteil, es dürfe zu keinem Abbau der kirchlichen Vertriebenenarbeit kommen. Auch der Verband der Diözesen habe in Aussicht gestellt, zur Erhaltung der Königsteiner Anstalten seinen Beitrag zu leisten. „Unter diesen Voraussetzungen wurden die ersten Verhandlungen … aufgenommen. Dabei ging es zunächst um den Weiterbestand der Philosophisch-Theologischen Hochschule und des Seminars. Tatsache ist, dass die Zahl der deutschen Theologen in der Hochschule sehr klein geworden und dass der Lehrbetrieb mit überwiegend ausländischen Theologen verschiedenster Nationalität sehr schwierig geworden ist. Außerdem muss diesen Theologen das Studium durch Stipendien erst ermöglicht werden. Dazu kommen die allgemeinen Unkosten des Seminars und der Hochschule und des Professorenkollegiums, eine Last, die vom Träger, nämlich dem Albertus-Magnus-Kolleg trotz höchster Opferfreudigkeit auf die Dauer nicht allein getragen werden kann. Ein Versuch, die Hochschule für die Ausbildung von Spätberufenen auszubauen, ist nicht gelungen da ähnliche Anstalten in einzelnen Diözesen bereits bestehen. Tatsache ist ferner, dass die heute aus heimatvertriebenen Familien kommenden Theologen bereits in der neuen Heimat geboren sind und deshalb von Anfang an den Anschluss an die Diözesen ihres jetzigen Wohnortes suchen. Wenn auch sonst in den einzelnen Diözesen die Zahl der Priesterberufe stagniert, ist also für unsere Hochschule mit einem größeren Nachschub von Theologen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. In dieser Situation waren alle an den Beratungen Beteiligten der Auffassung, dass nach Ablauf des Sommersemesters bzw. Wintersemesters 1977/78 der Vorlesungsbetrieb eingestellt werden sollte, ohne die Hochschule rechtlich aufzulösen. Für die verbleibenden Theologen und Professoren muss Sorge getragen werden, dass sie unter Wahrung ihres Rechtsstandes den Anschluss an eine Diözese finden.“406 Ausführlich wurde auf die Leistung der Hochschule in den 30 Jahren ihres Bestehens hingewiesen, auf die 415 Neupriester und in Aussicht gestellt, dass die Lücke, die durch die Sistierung des Vorlesungsbetriebes entstehen wird, durch die Gründung eines Institutes geschlossen werden solle, in dem alle Aktivitäten zusammengeführt würden, die auf wissenschaftliche Forschung und Publikationen, auf Information über die zeitgeschichtlichen Vorgänge in der Kirche des Ostens, auf Vortragstätigkeit und Erwachsenenbildung in diesen Themenbereich ausgerichtet werden sollten.

406

„Veränderungen in Königstein“, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Heft 2, Juni 1977, S. 3-5, Zitat S. 4.

758

Abschnitt VII

Ein Sonderheft der Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes im Umfang von 32 Seiten erschien 1988 aus der Feder von Stefan Kruschina über „Der Engel von Dachau“: ein Lebensbild von Pater Engelmar Unzeitig. Etwa seit Mitte der achtziger Jahre bis 2006 wurden die „Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes“ inhaltlich sehr stark geprägt durch Beiträge von Adolf Hampel und vor allem Rudolf Grulich, der viele gezeichnete Beiträge zur Publikation beisteuerte. Viele nicht gezeichnete Beiträge dürften ebenfalls aus der Feder des Redaktors dieser Zeitschrift in diesen Jahren stammten. Grulich hat hier vor allem lexikographisch zu Jubiläen über Heilige aus dem Osten, über Erinnerungsdaten geschrieben. Im wahrsten Sinn des Wortes ein immenser Beitrag zur Erwachsenenbildung, zur Sammlung von Daten, zur Präsenterhaltung von Wissen. Viele Beiträge und Appelle wollten Rechte und Gerechtigkeit einfordern und verteidigen. Es sind Stellungnahmen, mit denen man meinte, Wirkungen zu erzielen, die Frage aber nie anschnitt, ob der Einfluss und die Reichweite dieses Sprachrohrs dafür ausreichten. Eine ganze Reihe von Artikeln zu Gedenktagen und Jubiläen wurde mit der Zeit redundant. Zu jedem Geburts- und Todesjubiläum wurde ein Artikel zu Weihbischof Remiger oder zu Prälat Popp geschaltet. Die ‚Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes’ der neunziger Jahre waren geprägt von der Entwicklung im neuen tschechoslowakischen, dann tschechischen Staat und den Stellungnahmen von Politikern, Regierung und Kirchen zur Vertreibung. Auch hier markierten meist Artikel aus der Feder von Rudolf Grulich den Diskussionsstand. In den „Mitteilungen 2/3“ 2001, informierte der Visitator und Leiter des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Pater Norbert Schlegel, über die Liquidation in Königstein. „Nicht zuletzt haben noch zwei weitere Bereiche mich stark in Anspruch genommen. Einmal ist es Königstein im Taunus, welches der Ausgangsort aller Vertriebenenseelsorge war. Die Tatsache, dass nach mehr als 50 Jahren Änderungen eingetreten sind, die auch ein Loslassen fordern, mag manchem schwer fallen, muss realistisch gesehen werden. Hierzu werden die zehn Visitatoren ein gemeinsames Wort herausgeben, das in unseren Mitteilungen im Heft 4 seinen Platz haben wird. Zum anderen gilt es jetzt besonders nach der Liquidation der Königsteiner Anstalten den bereits ins Auge gefassten Transfer des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien von Königstein nach Brannenburg vorzubereiten.“407 Es gab allerdings im Heft 4 keinen Brief der Visitatoren – auch nicht im Folgejahr 2002.

407

Mitteilungen 2/3, 2001, S. 1.

ABSCHNITT VIII: FAZIT, EINORDNUNG, AUSBLICK

Königstein wollte Zentrum der katholischen kirchlichen Vertriebenenbetreuung sein; der Anspruch wurde vor allem auf der emotionalen Ebene mit patriarchalen Bildmotiven ausgedrückt: das ‚Vaterhaus’, Kindermann als der Hausvater, der Patriarch gewissermaßen; das sollte Identifikationen erleichtern, Zusammengehörigkeit schaffen, Solidarität aufbauen und erhalten. Fundamental wurden in Königstein die Gründungserzählungen: sie prägten, trugen und engten ein. Man erinnerte das schreckliche Ende des Krieges und den entbehrungsreichen Anfang, die weiteren Vorgänge wurden auf der rechtlichen, auf der strukturellen Ebene thematisiert, selten differenziert auf der psychologischen. Zu den Gründungserzählungen gehört der Verweis auf die vom Papst gewürdigte Lichtgestalt Kaller, die heldenhafte Rettung der Bibliothek des Prager Priesterseminars aus den Wirren der Nachkriegsmonate, aus der „Feindeshand“; sie bildete die nicht nur materielle, sondern auch die geistige Kontinuität, die Kontinuität im Kampf um die Selbstbehauptung. Der kontinuierliche Hinweis auf die Armut des Anfangs wurde nicht zuletzt auch als Instrument zur Disziplinierung eingesetzt. Man hatte sich als Opfer erfahren, aber das wurde ausgegrenzt in der Gesamtgesellschaft, weil sich auch die nicht von der Vertreibung betroffenen Deutschen als vom Nationalsozialismus ausgenützt, missbraucht, geschädigt fühlten – wohl auch weil sich die Vertriebenen nicht ausschließlich in einer Opferrolle wieder finden wollten. Eine zentrale Frage der Vertriebenenseelsorge war: Wie viel Außerordentliches war notwendig und wo wäre es notwendig gewesen? Beginnen wir mit einigen Charakteristika der Atmosphäre des Anfangs.

1.

1.1.

Atmosphärisches

Die Desillusionierung der Rückkehrhoffnungen

In den Nachkriegsmonaten und den ersten Jahren hatten Gerüchte Konjunktur; manche Mär, die von baldiger Rückkehr in die Heimat künden wollte, wurde von den Vertriebenen begierig aufgegriffen und eifrig weitergereicht. Vertriebenenseelsorger stärkten manchen Strohhalm der Hoffnungen auf Rückkehr in die Heimat, etwa wenn sie 1947 entsprechende Forderungen vorlegten. Auch in Königstein wurde in den ersten Jahren eifrig spekuliert, wann die Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren

760

Abschnitt VIII

könnten.1 Der Grundtenor der Vertriebenenseelsorger aber war in der Regel, das Recht auf Heimat zu unterstreichen, die grundsätzliche Möglichkeit auf Rückkehr offen zu halten, gleichzeitig aber vor der Illusion einer baldigen Rückkehr deutlich zu warnen. Die Seelsorger appellierten, die Härte der Situation anzuerkennen, der Tatsache ins Gesicht zu blicken, die da lautete: An eine baldige Rückkehr ist nach menschlichem Ermessen nicht zu denken. Ihr müsst euch auf das Hier und Jetzt einlassen, so schwer euch das auch fallen mag. Zu den Illusionen gesellten sich Hunger und Krankheit, für manchen Schüler und Studenten in Königstein der Verlust eines Elternteils. Zwischen 1946 und 1950 wurden auf Langeoog insgesamt 12.500 Kinder untersucht, die mit einer geschädigten körperlichen und seelischen Verfassung dorthin zur Erholung geschickt worden waren – die sogenannte Langeoog-Studie. Erst im Jahr nach der Währungsreform, also ab 1949, ging es den Kindern dann wesentlich besser. Es war eine sprunghafte, keine langsame Veränderung. Man müsste gerade bei den Krankheits- und Ernährungsberichten in Königstein in den ersten Jahren ähnliche Kriterien anlegen. Wie sah die Versorgungslage zu Hause aus? Was konnte Königstein hier leisten? Wie war die körperliche Konstitution? Wie ging man mit der Situation um? Rein medizinisch? Leider lassen die noch vorhandenen Quellen hier keine differenzierten Antworten zu. Atmosphärisches aber lässt sich aus den Rückblicken der ersten Jahrgänge in Königstein aufzeichnen.

1.2.

Der Korpsgeist der Gründungsphase

Der Schwung des Anfangs schuf Korpsgeist. Gründungssituationen schweißten zusammen. Die Not, die Sorgen, das gemeinsame Schicksal, die Gerüchte und Hoffnungen wie die Enttäuschungen schufen ein ausgeprägtes Gemeinschaftsbewusstsein. Große Aufgaben und Anforderungen, wie der Hungerwinter 1947, konnten nur gemeinsam bewältigt werden. Die prekäre Situation, in die die Vertriebenen und Flüchtlinge in den Besatzungszonen Deutschlands gekommen waren, wurde vielfach dargestellt2 und erzählt.3 Dennoch musste auch in der vorliegenden Arbeit im ersten Kapitel wenigstens kurz und kursorisch an die Ablehnung, an den Hunger, die Rationierungen, die Erschöpfung, an die Mittellosigkeit, bei vielen auch Hoffnungs-, weil

1

2 3

Kleineidam berichtete in der Chronik der Hochschule, dass Kindermann auf 1949 tippte, Ramatschi auf 1950, Puzik auf 1951, der Chronist habe sich nicht entscheiden können. Chronik der Hochschule, S. 30. Beispielsweise jüngst Andreas KOSSERT, Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945. München 2008. Als ein eindringliches Beispiel von vielen die Erzählung der schlesischen Schriftstellerin Monika TAUBITZ, Treibgut. Stuttgart 1983, die auch die bedrängende Notsituation, den Hunger der Jahre 1946 – 1948 aus dem Rückblick auf die eigenen Erfahrungen sehr eindrücklich schildert. Vgl. Rainer BENDEL, Die zweite Hälfte der Heimat. Brücken bauen im Südwesten und in Europa. Gespräche mit Monika Taubitz und Erzbischof Robert Zollitsch. Münster 2012.

Fazit, Einordnung, Ausblick

761

Perspektivlosigkeit erinnert werden, um die Atmosphäre für die Vertriebenenseelsorge, den Kontext, aus dem die Studenten und Schüler Königsteins zunächst kamen, wenigstens anzudeuten. „Noch immer kämpften wir erbittert ums Überleben, um die nötigsten Dinge, die es einem ermöglichen, wie ein Mensch zu essen, wie ein Mensch zu trinken, wie ein Mensch auszusehen und sich wie ein Mensch zu fühlen. Wir lebten von der Hand in den Mund, gingen weiterhin auf erniedrigende und immer erfolglosere Betteltouren, standen im Morgengrauen Schlange, viele Stunden, bevor die Geschäfte geöffnet wurden. Jedes Mal, wenn im Amtlichen Anzeiger der Militärregierung eine neue Zuteilung bekanntgegeben wurde, machten sich Tausende auf den Weg mit Bezugsscheinen, Berechtigungsausweis oder Lebensmittelkarte. Doch niemand besaß mit den begehrten Unterlagen auch die Garantie, die betreffende Ware wirklich zu erhalten... Wie viele standen hier, die ihre Angehörigen verloren hatten, sich in Ungewissheit um ihre Männer und Söhne ängstigten, andere, deren Eltern oder Kinder während eines Bombenangriffs oder bei der Flucht getötet worden waren. Da standen Frauen, krank von den Vergewaltigungen, und Kinder, die dasselbe erduldet hatten, mit unauslöschlichen Spuren des Leidens und der Angst im Gesicht.“4 Ein Beispiel, ein Fokus gleichsam für die Atmosphäre am Beginn Königsteins, für die Erfahrungen und Erwartungen, die die Studenten nach Königstein mitbrachten, wurde mir im Gespräch mit dem Münchener Moraltheologen Professor Johannes Gründel deutlich.5 Zunächst wurde klar, wie wichtig für Gründel der Hintergrund der vorausgegangenen Erfahrungen war. Sein Einsatz im Krieg, seine Erlebnisse zu Kriegsende, die Rückkehr in die Heimat, dann die Vertreibung aus dem Zentrum des Glatzer Kessels, aus Ullersdorf, das geprägt war und bis heute geprägt ist von den Franziskanerinnen von Münster, deren Oberin zu Kriegsende aus der holländischen Familie Brenninkmeyer kam. Am Ende der Vertreibung stand die Notwendigkeit im Umland von Münster eine neue Bleibe zu finden – dabei sprach Gründel sehr bald „von in Münster beheimatet“. Wegen der religiösen Praxis – man ist katholisch, man geht am Sonntag selbstverständlich in die Kirche – wurde die Familie sehr schnell integriert. Sie zog realbildlich gesehen aus einem umgebauten Hühnerstall in die beste Stube des Hauses um. Sie war akzeptiert. Ein zweiter Aspekt, der auffällt und der typisch ist für die Vertreibungssituation, war der Bildungsimpuls, kristallisiert im Ausspruch der Eltern: „Wir können Euch außer Bildung nichts mitgeben.“ Diese Haltung war ein zentrales Motiv dafür, dass Gründel seit dem 15. November 1946 in Königstein war. Hier konnte er das Abitur nachholen und relativ rasch mit dem Studium in der Philosophie beginnen. Bereits im November 1947 machte Gründel sein Abitur. D.h. er gehörte zu den ersten Kursen,

4 5

TAUBITZ, Treibgut, S. 95, 97. Gespräch mit dem Autor am 26. März 2011.

762

Abschnitt VIII

A- und B-Kurs genannt, die in Königstein auf diesem eigens für sie eingerichteten Weg ihr Abitur nachholen konnten. Zu der Zeit war das Unterhaus noch belegt mit Menschen aus unterschiedlichen europäischen Ländern, vor allem mit den DPs („displaced persons“). Diese Sondersituation schuf offensichtlich auch einen ausgeprägten Korpsgeist. Es ist der Zusammenhalt der ersten Generation, die sich dankbar an ihre ersten Lehrkräfte des A- und B-Kurses erinnert. Gründel bezeichnete die Lehrkräfte durchweg als sehr gut. Er erinnerte sich an sein Engagement in Musik, an die Geburtstagsfeier für Kindermann 1949 zu dessen 50. Geburtstag, an die Carepakete, vorrangig an einige Dozenten im Philosophischen Studium, also in den ersten vier Studiensemestern, allen voran an Kleineidam, den Philosophen, dann auch an den Alttestamentler Janko und an Matern, der die Kirchengeschichte dozierte. Seine Freisemester verbrachte Gründel in München. Aus zwei Semestern wurden vier in Fürstenried, im Exerzitienhaus, damals bereits in einer engen Kooperation mit dem Moraltheologen Richard Egenter, der ihm dann auch das Thema für seine spätere Dissertation geben sollte. Im Wintersemester 1953/54, im Dezember 1953, kam Gründel nach Königstein zurück. Er wurde dort Subregens, ging dann aber 1955 für zwei Jahre ans Campo Santo. Er bezeichnete diese Zeit als das eigentliche Eintauchen ins wissenschaftliche Arbeiten. Eigenständig wissenschaftlich zu arbeiten habe er in der Freiheit am Campo Santo gelernt – eine indirekte Aussage über die Anregungen, die er in Königstein erhalten hatte. Die Notlage schweißte zusammen, bildete Gruppenidentität. Auch dieses Phänomen ist vermehrt dokumentiert, etwa im erinnernden Rückblick auf den Hungerwinter 1947. Es sind nicht nur die Trümmer. Es ist auch die bis ans Äußerste gespannte existentielle Notlage, die die Aufbaujahre in Königstein mit geprägt hat. Pater Werenfried van Straaten hat in seinem Buch „Sie nennen mich Speckpater“ diese Situation ein Jahr später – er kam im November 1948 erstmals nach Königstein – skizziert. Die Theologen, die er 1948 in Königstein antraf, gingen oft noch in verschlissenen Uniformen. „Alle diese und die kleinen frischen Jungen, die unter Lebensgefahr über die Zonengrenzen gekommen waren – 350 Seminaristen insgesamt – bevölkerten in jenen Tagen die alte Kaserne, übten sich im geistlichen Kriegsdienst, studierten, beteten, arbeiteten und bereiteten sich auf das Priestertum vor. Sie waren die Priester von morgen. Sie hatten sich ihr Seminar selber bewohnbar gemacht. Sie hatten selbst die harten Stühle und rohen Tische gezimmert. Sie hatten sich selbst mit nackten Oberkörpern in der brennenden Sonne ihre Kapelle gebaut. Wie heilige Narren waren sie gekommen. Sie hatten keine Bücher, keine Kleider, kein Geld und kein Essen. Sie hatten nichts als die Flamme ihrer Berufung … Als Tagesration hatten sie zwei Teller Suppe und morgens und abends ein paar Schnitten Schwarzbrot. Bücher, Lehrmittel, Möbel und Hausgerät gab es nicht.“6 In solchen Schilderungen mag manches über-

6

„Das Haus der Verjagten“ in: Christ unterwegs 16 (1962), Nr. 1, S. 1.

Fazit, Einordnung, Ausblick

763

trieben sein; das gehörte beim Speckpater zum ‚Geschäft’. Bücher gab es jedenfalls aus der Prager Bibliothek, die Kindermann im Sommer 1946 für Königstein gerettet hatte; sie war damals noch halbwegs auf aktuellem Stand. Die enge Versorgungslage prägte nach Auskunft des Chronisten der Hochschule das Sommersemester 1947 deutlich: die Verpflegungsfrage sei in diesem Semester sehr schwierig gewesen, zumal Ende Juni auch die Kartoffeln zu Ende waren.7 Zum Korpsgeist der ersten Kurse gehört auch, dass sie sich regelmäßig trafen und treffen. Blickt man auf die Adressenliste dieser Kursteilnehmer und deren Berufsbezeichnungen, so fällt auf, dass diese Schüler und Abiturienten durchweg Führungspositionen bekleideten: vom katholischen Dekan über viele Schulrektoren bis hin zum Bankdirektor. Es scheint ein intensives Lernen und Arbeiten in diesen ersten Monaten und Jahren in Königstein gewesen zu sein. Gründel spricht dem Lehrpersonal eine beeindruckende Lebenserfahrung zu. Es sei mit den Studenten, die in einer überschaubaren Anzahl da waren, rege im Gespräch gestanden. Alle waren sich ihrer privilegierten Position bewusst. Der Unterricht war geprägt vom Bemühen, ein Stück Geschichte aufzuarbeiten. Dabei war man sich offensichtlich der Vorläufigkeit, zumindest auf der Ebene der Hochschule, immer bewusst. Die Integrationsfigur für die Schlesier in Königstein sei bis zu dessen Transfer nach Erfurt Erich Kleineidam gewesen. Mit seinem Weggang ging ein großes Stück schlesischer Katholizität und Identität in Königstein verloren. Kindermann hatte künftig weniger Gegengewicht – das war nicht nur für die landsmannschaftliche Ausgewogenheit, sondern auch für den Führungsstil von Bedeutung: Von Kindermann, den Gründel als sehr zupackend beschreibt, durfte man sich nicht dominieren lassen. Das Festhalten am einmal Erreichten, die Schwierigkeit, zeitgemäße Modifikationen zu finden, ging, nach Aussage Gründels, vor allem von Kindermann aus. Gründel hat Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre in Königstein einen Ghettocharakter und das konservative Element so stark noch nicht wahrnehmen können. Er sieht vor allem das Bemühen, die eigene Lebenserfahrung, die konkreten Erfahrungen in Krieg und Vertreibung im Unterricht und an Schule und Hochschule mit einzubringen, zu verarbeiten und in diesem Bemühen eher einen Zug des Aufbruchs als des Sich-Abschließens. Dass Königstein in die konservative Ecke, in den konservativen Blickwinkel kam, schreibt er dem Vertriebenenthema zu, das in seinen Augen per se im Verlauf der weiteren Entwicklung in die konservative Ecke rückte.

7

Chronik der Hochschule, S. 25.

764

Abschnitt VIII

2.

2.1.

Zentrale Charakteristika und Probleme

Die ‚Rollenverteilung‘ am Anfang

Eine Konzentration der Pläne und Aufgaben Kindermanns auf die Priestererziehung, die Unterstreichung der Rolle des Priesters für das rechte Weiterbestehen der katholischen Kirche und der Sittlichkeit bei den Vertriebenen, v.a. bei der sudetendeutschen Volksgruppe, hat sich in den bisherigen Ausführungen bereits deutlich abgezeichnet. Kindermann war der festen Überzeugung dass die Volksgruppen letztlich in erster Linie von den Seelsorgern zusammengehalten werden. Er setzte nach der Vertreibung seine intensive Sorge um den Priesternachwuchs der Sudetendeutschen fort. Seinen Einsatz für das Prager Seminar für die Sudetendeutschen widmete er künftig den Königsteiner Anstalten. In der Sorge um den Klerus ergaben sich Interessensaffinitäten mit den Anliegen Albert Büttners. Kindermann war bereits in seiner Prager Zeit mit dem Vorsitzenden des Reichsverbandes für das katholische Deutschtum im Ausland (RKA)8 in engem freundschaftlichem Kontakt gestanden. Eine neue Ebene der Zusammenarbeit oder besser eine Kontinuierung der Intentionen der Prager Arbeit ergab sich für Albert Büttner, dem Leiter des RKA, und Adolf Kindermann 1946 in der Betreuung der vertriebenen Ostpriester und der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge.9 Tief ging der Streit um die Anteile an den Anfängen Königsteins, nicht zuletzt diesen Auseinandersetzungen ist die Schrift Labontés in apologetischer Intention geschuldet. Kaller hatte seine Schwierigkeiten mit Büttner, das war deutlich festzustellen. Aus der Kooperation Kindermanns mit Büttner wurde offensichtlich zunehmend Konkurrenz, die Büttner dort resignieren ließ, wo Kindermann die Führungsrolle zugesprochen wurde, als er zum Vorsitzenden des Trägervereins gewählt wurde. Es fällt auf, dass Kindermann nicht an den Beisetzungsfeierlichkeiten Büttners teilnahm. In seinem Nachruf10 aber würdigte er die Initiativrolle Büttners für Königstein: „Ohne Prälat Büttner hätte es kein Königstein gegeben. Er hat die ersten Geleise gelegt und die Voraussetzungen geschaffen, die später dieses Werk möglich machten.“11 Kin-

8 9 10

11

Reinhard RICHTER, Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. Münster 2000, S. 304. Vgl. Maria LABONTÉ / Albert BÜTTNER, Ein Leben für Glaube und Kirche in der Fremde. Mainz 1978, vor allem S. 91-143. Für die Frühgeschichte Königsteins und die Rolle Albert Büttners vgl. den Nachruf von Adolf Kindermann zum Heimgang Albert Büttners in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, Juni 1967, Nr. 6, S. 3-5. Ebd., S. 4.

Fazit, Einordnung, Ausblick

765

dermann replizierte die lange dauernde Freundschaft zwischen ihm und Büttner und erwähnte dann ausführlich die Initiative Bischof Bernings von Osnabrück, der Weihnachten 1945 sowohl Büttner als auch Kindermann angefragt und aufgefordert habe, sich Gedanken zu machen für ein Auffangseminar für die heimkehrenden Kriegstheologen. Nicht zuletzt der vielen Unwägbarkeiten wegen und wegen der offenen Zuordnungen war es im Triumvirat Büttner, Kaller, Kindermann zu Verstimmungen und Reibungsverlusten gekommen: Noch das Conveniat der westdeutschen Bischöfe vom 3. bis 5. Februar 1948 sah vor, das Opus Confraternitatis bei der Kirchlichen Hilfsstelle zu belassen und trug gleichzeitig dem Bischof von Limburg auf, eine Klärung der Kompetenzen von Hilfsstelle und Königstein vorzunehmen. In diesem Kontext ist auch die offene Frage der Universität in Frankfurt/M. zu sehen. Es waren noch keine Lösungen für die bestehenden Schwierigkeiten gefunden. Man wusste also nicht, welchen Platz die Theologie dort einnehmen konnte. Daher war im Entwurf des Protokolls des Konvents von 1948 noch ein Absatz, die Hochschule in Königstein nicht weiterzuführen. Dieser Absatz ist in der endgültigen Fassung des Protokolls gestrichen. Hier wird keine Aussage mehr getroffen über die Weiterführung der Hochschule in Königstein.12

2.2.

Ergänzende oder parallele Seelsorge

Wir haben wiederholt gesehen, wie die Frage nach der Notwendigkeit einer gesonderten Seelsorge für die Vertriebenen die Gespräche und Debatten zwischen den vertriebenen Priestern und den einheimischen Leitungsorganen bestimmte, auch die Anfragen nach der Berechtigung der weiteren Existenz der Königsteiner Arbeit. Dass es auch bei vertriebenen Geistlichen die Position gab, dass in jedem Fall die ordentliche territorial strukturierte Seelsorge vor Ort nicht nur den Vorrang, sondern weitgehend die alleinige Aufgabe auch in dieser Sondersituation hatte, zeigen viele Optionen und Verfügungen des Kapitelsvikars der Erzdiözese Breslau in Görlitz.13 Die grundsätzliche Auseinandersetzung um wichtige kirchenrechtliche Fragen des Vertriebenenproblems, die ihre Auswirkungen auch auf staatsrechtliche und politi-

12 13

HAEK CR II 2.19,7. HARTELT, Ferdinand Piontek, v.a. S. 311-318, wo Hartelt das Verhältnis Pionteks zu den nicht im deutschen Restteil des Erzbistums sich befindenden schlesischen Geistlichen thematisiert und auch die Vorwürfe aufgreift, Piontek habe sich um die im Westen Deutschlands wirkenden schlesischen Priester nicht gekümmert – er hätte auch deren Sprecher sein oder einen solchen bestimmen sollen. „Piontek wollte auf keinen Fall den aufnehmenden Bischöfen Anlass zu Misstrauen oder Verstimmung geben, wenn er in ihren Diözesen offiziell aufgetreten wäre und die dortigen Breslauer Priester um sich versammelt hätte oder dies durch einen Stellvertreter hätte tun lassen.“ (Ebd., S. 313).

766

Abschnitt VIII

sche Ebenen hatten, führte Kindermann 1956 mit Prof. Theodor Grentrup14 über dessen Ausgabe und Kommentar zur apostolischen Konstitution ‚Exsul Familia’:15 Grentrup hatte zur Rechtsstellung des Vertriebenen hinsichtlich der seelsorgerlichen Betreuung das Territorialprinzip unterstrichen. Die Flüchtlinge haben ihren früheren Wohnsitz verloren, kommen als Personen ohne Wohnsitz in die neue Pfarrei und zu deren Pfarrer, so dass der Pfarrer des Aufnahmesprengels auch der Seelsorger für die Vertriebenen ist. Dieses klassische Argument löste eine heftige Reaktion Kindermanns aus, der von einem grundlegenden Irrtum sprach, dessen folgenschwere Auswirkungen sich gar nicht absehen ließen, wenn die Argumentation Grentrups stimmig wäre.16 Kindermann wehrte sich dagegen, dass die Vertriebenen Wohnsitzlose, also „vagi“ seien. Sie mussten zwar ihren bisherigen Aufenthaltsort verlassen, hatten aber nicht den Willen, diesen aufzugeben. Sie verlieren also nach Kindermanns Argumentation ihren früheren Wohnsitz nicht durch die Vertreibung, auch nicht durch die Flucht, sondern erst dann, wenn sie die Absicht aufgeben, in die alte Heimat zurückzukehren. Kirchenrechtlich wollte Kindermann die Vertriebenen als Fremde bezeichnen – „peregrini“ – die im Osten ihren eigentlichen Wohnsitz hatten, sich aber außerhalb desselben befanden. Seelsorgerlich gesprochen hatten sie auch noch einen zuständigen Pfarrer, nämlich ihren Heimatpfarrer. Die Pfarrer sind in ihre Herkunftsbistümer nach wie vor inkardiniert. „Von der falschen Voraussetzung bzgl. des kirchlichen Rechtsverhältnisses der Vertriebenen zur alten Heimat sind dann auch die weiteren Ausführungen des Verfassers über die Seelsorge unter den Vertriebenen beeinflusst. Er erwähnt mit keinem Wort die noch bestehenden Bande zur alten Pfarrei im Osten und die für die Ostpfarrer daraus sich ergebenden Pflichten für die Gläubigen aus der alten Heimat. Er befasst sich selbstverständlich nur mit der Frage der Eingliederung, da er ja nach seiner Auffassung nicht mehr rückwärts zu blicken braucht.“17 Konsequenterweise wies Kindermann auf die Bedeutung Königsteins hin, nicht nur eine Stätte für heimatlichen Priesternachwuchs zu sein, sondern auch die Priester aus dem Osten seelsorgerlich zu begleiten, sie fortzubilden, ein der Aufgabe gemäßes Bewusstsein zu formen, sie mit den entsprechenden Informationen und Anweisungen zu begleiten. Zu diesem Amtsverständnis gehörte, dass die Vertriebenenseelsorge sich nicht nur als eine Ergänzung und Unterstützung der ordentlichen Territorialseelsorge der Aufnahmediözesen sah, sondern quasi als eine parallele Seelsorge zur kirchlichen Betreuung der Vertriebenen in den Aufnahmepfarreien. Eine konsequente organisatorische Verlängerung dieses Anspruches wäre gerade für die Sudeten- und Südostdeutschen

14 15 16 17

Theodor Grentrup SVD (1878 – 1967), Fachmann für Missionsrecht. Vgl. Georg EVERS, Mission – nichtchristliche Religionen – weltliche Welt. Münster 1974, v.a. S. 9-11. Theodor GRENTRUP, Die apostolische Konstitution Exsul Familia. Zur Auswanderer- und Flüchtlingsfrage. München 1956. Vgl. die Thesen Kindermanns und die Antwort Grentrups in: Haben die Vertriebenen von 1945 ihren früheren Wohnsitz verloren? In: Christ unterwegs 10 (1956), Nr. 7/8, S. 1-6. Vgl. Haben die Vertriebenen von 1945 ihren früheren Wohnsitz verloren? S. 3.

Fazit, Einordnung, Ausblick

767

allenfalls eine Personalprälatur gewesen, in die die Priester ohne zuständigen Oberhirten eingegliedert worden wären. Königstein wollte Zentrum sein für die Vertriebenenseelsorge. Das dokumentierte der Anspruch Kindermanns auf das Priesterreferat. Der Anspruch kam in der gesamten Publikationstätigkeit zum Ausdruck und fand lange Zeit in Priesterkreisen zumindest auch Akzeptanz, denkt man an die zahlreichen einschlägigen Tagungen, die in Königstein stattfanden. Gleichzeitig aber war dieses Zentrum ein Superadditum zur diözesanen Struktur der Vertriebenenseelsorge und zu den von den Bischöfen und Diözesen mitgetragenen Hilfsstellen. Deswegen wurde Königstein nie direkt von einer Diözese oder vom Verband der Diözesen, von der Bischofskonferenz finanziert; von dort wurden lediglich punktuell Zuschüsse gegeben. Dass sich die vertriebenen Priester zumeist nur unter Vorbehalt der Aufnahmediözese zur Verfügung stellten, dürfte eine Ursache für den Vorbehalt der Bischöfe gegenüber Königstein gewesen sein. Die Tatsache, dass sich kein Bistum mit den Aufgaben Königsteins identifizieren wollte, hängt darüber hinaus nicht zuletzt mit dem immensen Finanzvolumen zusammen, das dort gebraucht wurde, war aber letztlich auch eine Konsequenz des Geburtsproblems Königstein, nämlich außerhalb der ordentlichen Strukturen zu stehen, außerhalb einer geregelten diözesanen Zuständigkeit. Königstein war auch keine Einrichtung des Limburger Bistums, sondern nur weil es im Bistum Limburg situiert war, der letztlichen Aufsicht des zuständigen Diözesanbischofs unterstellt. Auf diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, warum Pieschl als Weihbischof in Limburg ausdrücklich keinen Auftrag für Königstein haben wollte. Er hat mit seinem Aufsichtsrecht nur punktuell in die Vorgänge eingegriffen. Ähnliches muss man von Pieschls Vorgänger, dem Hildesheimer Bischof Janssen konstatieren, der sehr wohlwollend zwar, aber doch immer auch mit einer entsprechenden Distanz die Aufgaben in Königstein begleitet hat.

2.3.

Der Sondercharakter Königsteins: Kindermanns Streben nach Unabhängigkeit

Kindermann war in seinem selbstbewussten, traditionellen Katholizismus und in seiner Frömmigkeitspraxis – Heiligenverehrung und Wallfahrten dienten ihm als landsmannschaftliche Identifikationsinstrumente – tief vom heimatlichen, regionalen Katholizismus des böhmischen Niederlandes und von seinen theologischen Studien in Rom geprägt.18 Er dachte, darin durch und durch Kirchenrechtler, in Organisationen und Strukturen, in der überkommenen Schichtung von Klerus und Volk in der Kirche und maß daher der Sicherung des Klerikernachwuchses die fundamentale und zentrale

18

Diese Skizze unterliegt der Einschränkung durch das derzeit noch begrenzt zugängliche Quellenmaterial: ein Teil des Nachlasses Kindermanns ging bei Umzügen innerhalb Königsteins verloren, ein Teil ist noch ungeordnet und deshalb nicht benutzbar – zugänglich sind nur thematische Schwerpunkte, also Auszüge, in den eigens gebildeten Dossiers des Instituts für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien in Königstein.

768

Abschnitt VIII

Bedeutung bei. Als ehemaliger Leiter des Deutschen Priesterseminars in Prag war er fixiert auf die Priesterbildung. In diesem Dienst standen alle seine Nachkriegsaktivitäten, sei es der Königsteiner Komplex vom Gymnasium, eigentlich ein Knabenkonvikt, bis zur Philosophisch-Theologischen Hochschule mit ihren Spezialinstituten oder seien es die Zeitschriften, die vornehmlich den Zweck verfolgten, die Gläubigen um ihre Priester zu scharen und für Priesternachwuchs zu werben. In ihnen manifestieren sich traditionelle Seelsorgsmodelle: sakramentale Versorgung, Volksmission, Wallfahrten und Heiligenverehrung, vor allem die Identifikationsfigur des kanonisierten Böhmerwälder Bischofs Neumann. Es lassen sich, explizit jedenfalls, keine Impulse für einen Aufbruch ausmachen. Kindermann fühlte sich getrieben von seinem Auftrag für die Priesterbildung. Auf diesem Weg brauchte er Unterstützung, die aber wünschte er sich in Unterordnung. Nur mit großem Widerwillen akzeptierte er in den Trägervereinen einen Vorstand. Schwierigkeiten machte er den Bischöfen und ihrem Auftrag zur Aufsicht, vor allem mit der Eingliederung des sogenannten Priesterreferates in das Albertus-MagnusKolleg mit dem Argument, beim Priesterreferat handele es sich um einen eigenen päpstlichen Auftrag, der nicht irgendwohin überführt oder modifiziert werden könne, sondern erneuert werden sollte.19 Vor einer derartigen Erneuerung aber warnten die Bischöfe, weil dadurch das Agieren Kindermanns zunehmend unkontrollierbar geworden wäre. Wo es der bischöflichen Kommission für Königstein um zusätzliche Transparenz ging, wollte Kindermann mit der Berufung auf Rom sein eigenmächtiges Vorgehen weiterhin ummanteln und die Möglichkeit dazu offen halten.20 Im Zuge der Neustrukturierung der Königsteiner Anstalten 1956 – mit dem Ziel die Verwaltungsvorgänge transparenter zu machen und die Zuständigkeitsbereiche abzuklären – sollte ein Verein Vaterhaus für die Heimatvertriebenen geschaffen werden für das Priesterreferat.21 Kindermann wusste auch diesen Plan auszusitzen. In diesem Kontext schlug Kindermann einmal mehr die Idee eines päpstlichen Priesterseminars vor, das er seit 1947 geplant hatte und nun wieder forcieren wollte, um aus der Zuständigkeit der Bischöfe und aus der bischöflichen Aufsicht herauszukommen.

2.4.

Das geforderte Opfer

Königstein hätte ohne die Spenden der heimatvertriebenen Gläubigen nicht über Jahrzehnte existieren können. Dieser Tatsache eingedenk forderte Kindermann von den Mitarbeitern äußerste Bescheidenheit in der Frage der Besoldung. Auch die Mitarbeiter sollten Opfer bringen. Auf diese Haltung spielte Reiß 1979 in seiner Laudatio auf Braunstein anlässlich dessen Ernennung zum päpstlichen Ehrenprälaten an. Braun-

19 20 21

Vgl. dazu HAEK CR II 25.20d,7. HAEK CR II 25.20d,6, ein Schreiben Kindermanns an Frings vom 7. September 1957. HAEK CR II 25.20e,6.

Fazit, Einordnung, Ausblick

769

stein war zu dem Zeitpunkt neu als Leiter der beiden Anstalten Albertus-MagnusKolleg und Haus der Begegnung berufen worden. Reiß übermittelte als Leiter des Sudetendeutschen Priesterwerkes im Namen aller Mitbrüder die Glückwünsche und formulierte dann unüberhörbar seinen Wunsch: „Möge es ihm gelingen, unser wiedervereinigtes Königsteiner Werk unbeschadet in die zweite Generation hinüberzuführen, im Geiste des Gründers mit der gleichen Opferbereitschaft und persönlichen Anspruchslosigkeit. Wenn wir diese Gewissheit haben, werden alle, die für Königstein Verantwortung tragen, ihm in seiner nicht leichten Aufgabe treue Helfer sein.“22 Die Mitarbeit wurde also an eine Bedingung geknüpft und die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass Braunstein als übernächster Nachfolger Kindermanns das Königsteiner Werk nicht unbeschadet in die nächste Generation bringen könnte, dass er dem Geist des Gründers nicht entsprechen könne in punkto Opferbereitschaft und persönlicher Anspruchslosigkeit.

2.5.

Der Sprecher der sudetendeutschen Priester

Kindermann schrieb 1959 ein Promemoria für Kardinal Frings über die religiöse Situation der Sudetendeutschen und ihre Anliegen. Sehr drastisch konturierte er die kirchliche Lage in der Tschechoslowakei, die ihm – mit der deutlichen Reduzierung der Priesterzahlen und dem Plan für jeweils einen Kreis nur noch einen Priester zuzulassen – als Hintergrundfolie diente für Hilferufe, die er von tschechischen Priestern und Laien vernahm an die Adresse der sudetendeutschen Priester: Sie sollten sich vorbereiten, sie sollten die tschechische Sprache nicht vergessen, sich mit der Geschichte und der Kultur dieses Raumes befassen, denn sie würden in Zukunft in diesem Raum gebraucht werden.23 Wegen der Aufgaben an der Seelsorge der vertriebenen sudetendeutschen Katholiken, wie auch angesichts der bedrohlichen Lage der Kirche in der angestammten Heimat sei eine gewisse einheitliche Führung und Ausrichtung der Priester und der Priesteramtsanwärter nötig, fehle doch den Sudetendeutschen als größter katholischer Gruppe unter den Heimatvertriebenen der eigene Jurisdiktionsträger, eine Identifikationsfigur quasi, wie ihn die Schlesier im verstorbenen Kardinal Bertram oder die Ermländer in ihrem Bischof Kaller hatten.

22 23

Reiß, Prof. Dr. Braunstein zum päpstlichen Ehrenprälaten ernannt, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Oktober 1979, S. 63. Königstein. Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk, Promemoria für Kardinal Frings 1959, 4 S. masch. „Derselben Meinung sind auch tschechische Priester, die sich derzeit in Deutschland im Exil befinden. Bei einer sudetendeutschen Priestertagung in Stuttgart (Mai 1958) stellte ein tschechischer Priester die ernste Gewissensfrage, ob hier sudetendeutsche Priester bereit wären, am geistigen Wiederaufbau Böhmens und Mährens mitzuarbeiten, sobald dazu die Möglichkeit sich bietet. Bei meinem Besuch in Amerika habe ich mit tschechischen Priestern und Laien gesprochen, die durchweg auch mit einer sudetendeutschen Hilfe beim religiösen Wiederaufbau der alten Heimat rechnen.“ (Vgl. einen entsprechenden Brief des Bischofs von Limburg an Kindermann vom 10. September 1959, Diözesanarchiv Limburg 16A/5, 2).

770

Abschnitt VIII

Das war ein zentraler Baustein in der begründenden Argumentation für die Arbeit in Königstein und sollte gleichzeitig auch die Grundlage geben für die Forderung, einen kirchlich anerkannten Sprecher für die sudetendeutschen Katholiken zu erhalten, nicht zuletzt quasi als Sprachrohr nach außen und in die anderen Organisationen der vertriebenen Volksgruppe hinein – gedacht war in erster Linie an die Landsmannschaft, auf die man Einfluss nehmen wollte und auch bisher Einfluss genommen und, so die eigene Beurteilung, vor manchem Radikalismus bewahrt hatte. So sollte dieser Sprecher der sudetendeutschen Priester und Katholiken die Interessen des sudetendeutschen Klerus und dessen besondere Anliegen in der Vertreibung vertreten, eine besondere Verantwortung für den Priesternachwuchs und dessen Heimattreue übernehmen, die Belange des sudetendeutschen Klerus beim Flüchtlingsbischof vorbringen, beratend teilnehmen an der vorbereitenden Besprechung der Ostordinarien und Sprecher des Klerus gegenüber der Landsmannschaft und anderen national liberalen Kreisen sein.24 Die Antwort erhielt Kindermann mit einem Schreiben von Kardinal Frings am 6. November 1959. Frings ernannte Kindermann zum Sprecher für die sudetendeutschen Priester und zum Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenzen für den sudetendeutschen Priesternachwuchs und die sudetendeutschen kirchlichen Fragen. In dieser Funktion wandte sich Kindermann am 20. Dezember 1959 erstmals in einem Weihnachtsbrief an seine sudetendeutschen Mitbrüder.

2.6.

Landsmannschaftliche Rivalitäten

Am Anfang versuchte man die Verhältnisse zwischen den Vertriebenengruppen aus den verschiedenen Herkunftsregionen in Königstein auszutarieren. Mit Paul Ramatschi leitete zunächst ein Schlesier den Schülerkonvikt und die Schule, dann das Priesterseminar. Mit Erich Kleineidam führte ein profilierter schlesischer Philosophieprofessor aus Weidenau als Rektor die Hochschule. Die Ermländer waren mit dem Flüchtlingsbischof Kaller und mit Dozenten vertreten. Bereits als Ramatschi und Puzik 1948 nach Neuzelle gingen, verlagerten sich die Gewichte. Mit dem „Aderlass“ im Professorenkollegium der Hochschule und bei den Studenten nach Erfurt 1952 verschob sich das Verhältnis eindeutig zugunsten der Sudetendeutschen. Als für Regens Franz Georg Ganse kein Schlesier mehr als Nachfolger gefunden werden konnte, fiel Kindermanns Wahl auf einen Sudetendeutschen, auf Stefan Kruschina. Aber auch innerhalb der Gruppe der Sudetendeutschen traten Rivalitäten auf – ein Beispiel: Kruschina beklagte, dass die mährischen Priester im Sudetendeutschen Priesterwerk unterrepräsentiert seien. Die ‚böhmischen Niederländer’ oder die ‚Mariascheiner Clique’, Priester die sich bereits als Gymnasiasten im renommierten Konvikt in Maria Schein kennen gelernt hatten und ein Leben lang zusammenhielten,

24

Brief des Bischofs von Limburg an Kindermann vom 10. September 1959, Diözesanarchiv Limburg 16A/5, 2, S. 4.

Fazit, Einordnung, Ausblick

771

gewannen zunehmend Einfluss in Königstein; ein deutliches Beispiel ist das starre Festhalten Kindermanns an Weiß im Schuldienst, obwohl Limburg kontinuierlich und nachdrücklich schwere Bedenken gegen Weiß als Konviktsdirektor vorgebracht und dessen umgehende Ablösung gefordert hatte. Das Sudetendeutsche Priesterwerk finanzierte viele Maßnahmen in Königstein, war von daher auch gegenüber den Gruppen aus den anderen Regionen überproportional involviert. Für den kontinuierlichen stillen Rückzug der Schlesier in den 50er Jahren ist deren Engagement an der ostdeutschen Akademie, am Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte signifikant: Zu Beginn der 1950er Jahre brachten sie die Idee zur Gründung einer solchen Akademie ein, beauftragten auch konkrete Personen. Als die Idee im Institut für Kirchengeschichte konkretisiert war, suchten sie ihren Sitz an einem anderen Ort; ein wichtiger Orientierungspunkt für die Schlesier war die Hilfsstelle Nord in Köln, dann Düsseldorf, dann Münster – der Sprecher der schlesischen Priester war gleichzeitig Leiter der Hilfsstelle. Die Ermländer fanden ihr Zentrum in Westfalen. So war das ‚Vaterhaus’ für viele Gruppen allenfalls noch teilweise Zentrum der Vertriebenenseelsorge.

2.7.

Kindermann – Organisator und Patriarch

Persönlichkeitsstruktur und autokratischer Führungsstil erschwerten die Kooperation in Königstein, verhinderten eine Vielfalt von Initiativen und Konzepten. Es entstand zwar eine Vielzahl von Medien, um den Kontakt mit dem Klerus zu halten, um die – vor allem spendenfreudigen – Gläubigen über die Erfolge und Schwierigkeiten Königsteins zu informieren. Die Konzepte wurden aber trotz der Vielzahl der modernen Medien inhaltlich nicht auf ihre gegenwärtige Tragfähigkeit und Zukunftsoffenheit hin befragt. Kindermanns Amerikafahrten und Kontakte zu Katholiken aus und in Amerika, vermittelt hauptsächlich durch Nuntius Muench, dürfen nicht nur als Fahrten auf den Spuren des seligen, dann heiligen Bischof Neumann gesehen werden, Kindermann nutzte sie, um sein Königsteiner Werk bei amerikanischen Katholiken bekannt zu machen und dabei Spender zu gewinnen; wahrscheinlich dürfen sie auch in den Kontext der Nachkriegssehnsucht nach Exotik und Weltläufigkeit, dem Wunsch nach Orientierung an Amerika eingetragen werden. Persönliche Kontakte wusste Kindermann geschickt für seine Interessen, für seine Werbefeldzüge zu nutzen. Spannungen entstanden zu einer Vielzahl anderer Stellen, die mit der kirchlichen Vertriebenenbetreuung betraut waren, weil Kindermann zumindest unterschwellig die Alleinvertretung der Vertriebenenanliegen beanspruchte. Dies mag auch ein Grund gewesen sein für Verdächtigungen im Umfeld der Gründung der Erfurter theologischen Fakultät. Königstein war eindeutig sudetendeutsch dominiert, das lag in Kindermanns Absicht. Das führte zu Spannungen mit Dozenten aus anderen Landsmannschaften, allen voran der zweitstärksten Gruppe, der Schlesier. Bei der Vielzahl der schlesischen Katholiken in der Diaspora der DDR und den

772

Abschnitt VIII

dort tätigen Priestern wie auch der Breslauer Tradition in Görlitz war die Aufgabe, dort für den Priesternachwuchs und dessen Ausbildung tätig sein zu können, zu verlockend. Dramatische Höhepunkte in den Auseinandersetzungen um die Leitungsstruktur in Königstein gab es viele; ein symptomatischer war ohne Zweifel das Ringen zwischen Scholz und Kindermann um die angemessene Besoldung der Königsteiner Professoren und um die Einführung einer Hochschulordnung. Der Gedanke der akademischen Selbstverwaltung kollidierte mit dem „patriarchalisch-familiären Prinzip“ Kindermanns, wie es der Hochschulchronist bezeichnete.25 Wie höchst emotional Kindermann in diesen Auseinandersetzungen reagierte zeigt seine Drohung, „alles niederzulegen“, wenn die Hochschule auf ihrem Standpunkt verharre; so trat er in der Hochschulkonferenz auf, so verhielt er sich in der Mitgliederversammlung des AMK.26 So verwundert es nicht, dass die Professoren die Grundordnung der Hochschule sehr positiv würdigten. Durch klare Abgrenzungen der Zuständigkeiten seien viele Misshelligkeiten beseitigt worden.27

2.8.

Strukturelles Chaos

Hemmend wirkte sich manche Besetzung von Stellen aus, deren Inhaber organisieren, koordinieren sollten, dafür aber den Einblick und Überblick nicht gewannen oder bald verloren. Erschwerend wirkten sich die vielfältigen Interessenskollisionen, die Doppelnutzungen, die fehlende oder unzureichende Kontrolle von Arbeitsvorgängen oder der Verlust von Eigentum aus. Was ursprünglich Entgegenkommen sein sollte, entwickelte sich oft zu Konkurrenz und Rivalität.28 Es gab keine grundsätzlich geregelte Verwaltung. Unklare Zuständigkeiten, Lücken, Parallelbearbeitung waren häufig die Folge. Es kam zu Verstimmungen, nicht selten wuchs Misstrauen, weil man sich überwacht wähnte. Ein Beispiel dafür ist eine Klage aus der Verwaltung der Ostpriesterhilfe (OPH) vom 22. Dezember 1958 an Paula Schetka, dass ein Teil der für die OPH bestimmten Post über das AMK laufe.29 „Diese Handlungsweise ruft den Eindruck hervor, dass man entweder sich grundsätz25 26

27 28

29

Chronik der Hochschule, S. 55. Chronik der Hochschule, S. 55: „Herr Prälat Dr. Kindermann polemisierte im Zusammenhang mit der Gehaltserhöhung in für uns sehr schmerzvoller Weise gegen seine Königsteiner Mitarbeiter.“ Chronik der Hochschule, S. 60. Ein undatierter Entwurf für eine Vereinbarung zwischen dem AMK und der OPH – wohl von 1958 – bringt in einer erklärenden Einführung im ersten Paragraphen die Verquickung deutlich zum Ausdruck: „In Würdigung der tatkräftigen Unterstützung, die die OPH bei dem Bau des Hauses der Begegnung geleistet hat und wegen der vielfältigen gemeinsamen Aufgaben, Ziele und Interessen ist der AMK e.V. bestrebt, der OPH jederzeit, vor allem aber während des Winters, in den hierfür vorgesehenen Garagen Unterkunft für die Kapellenwagen zu gewähren.“ KZG Bonn 989 OPH Kapellenwagen, 2 Seiten masch., hier S. 1. KZG Bonn 989 OPH, Kapellenwagen.

Fazit, Einordnung, Ausblick

773

lich weigert, die eingegangenen Vereinbarungen zu halten, oder man will sich eine Kontrolle über die OPH-Korrespondenz vorbehalten. Im letzten Falle scheint mir eine dergleiche Kontrolle vollkommen sinnlos, weil sie sich doch nur über einen kleinen Teil der Arbeit unseres Büros ausdehnt. Wie es auch sein mag, gibt diese Handlungsweise einem Misstrauen Ausdruck, das meines Erachtens ganz unberechtigt ist.“30 Wenn der Vorstand der Meinung sei, Kontrolle wäre angebracht und notwendig, dann solle dies regulär in einer Vorstandssitzung festgelegt und die Ausführungsmodalitäten bestimmt werden. Vermisst wurden also regulär von den zuständigen Gremien abgesprochene und festgelegte transparente Vorgänge. Vieles wurde spontan und im Alleingang entschieden, dahinter steckten Rivalitäten und Misstrauen. Der Vorsitzende reagierte unwirsch, wenn Kontrolle und Begrenzung eingefordert wurden – das zeugt letztlich von geringer Professionalität auf der Führungsebene.

2.9.

Die Unfähigkeit, rechtzeitig ein Ende zu setzen

Die Melancholie des Historikers wird in der Beschäftigung mit den vielfachen Initiativen Königsteins aus mehreren Quellen gespeist. Einmal erwächst sie aus der Einsicht, dass Quellen immer Fragmente sind und nur annähernde Erkenntnisse zulassen, sie wird in einer Arbeit über Königstein zusätzlich genährt durch den Verlust vieler Quellen, die im Verlauf der Umstrukturierungen in Königstein und im Prozess der Auflösung nicht beachtet wurden oder verschwanden. Geradezu potenziert aber wird sie im Blick auf die Tragik, die sich aufbaut aus den unterlassenen rechtzeitigen Entscheidungen, auf die fehlenden neu ordnenden Eingriffe zum rechten Zeitpunkt. Dieser ist selbstredend ex post klarer zu sehen, wobei die vielen früh- und rechtzeitigen Warnungen, die Wünsche nach veränderten zukunftsweisenden Konzepten und Aufgaben in und für Königstein nicht übersehen werden können; ausführlich wurde in dieser Arbeit beispielsweise auf die wiederholten Warnungen und Vorschläge von Josef Rabas eingegangen. Sie wurden nicht ausreichend beachtet oder konnten nicht entsprechend umgesetzt werden, weil die Kapazität dafür fehlte, denkt man nur an die beiden letzten Vorsitzenden des Vorstandes, die die Verwaltungsaufgaben und die nötige Neukonzeption auf einer halben Stelle stemmen sollten. Offensichtlich hatten die Professoren der Hochschule im 50. Semester den Eindruck, Seminar und Hochschule hätten die ihnen einst gestellten Aufgaben erfüllt und stünden an einem sinnvollen Ende; die Aufhebung oder Sistierung des Lehrbetriebes sahen sie nüchtern als die entsprechende Konsequenz.31 Der Vorsitzende des Träger-

30 31

KZG 989, Schreiben vom 22.12. 1958, 2 Seiten masch, S. 1f. Vgl. Rundschreiben von Reiß, 2 S. masch. vom 3. Dezember 1973, Königstein. Dossier Sudetendeutsches Priesterwerk, S. 2. Reiß führte dort weiter aus: „Starke Kräfte haben dem widersprochen, denn wir dürfen dem Werk Königstein nicht das Herzstück nehmen. Für die Erhaltung der Hochschule hat sich besonders auch Bischof Janssen eingesetzt, der mir in seinem letzten

774

Abschnitt VIII

vereins aber war nüchterner Argumentation nur schwer zugänglich. Aus Verbitterung zog er sich zurück.

2.10. Königstein – ein ungeliebtes Kind? Dass Königstein, vor allem mit seinen Kongressen ‚Kirche in Not’, in den Staaten des Ostblocks eine negative Presse hatte, verwundert nicht. In der polemischen Auseinandersetzung des Kalten Krieges war es zu eindeutig Partei. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass es Vorbehalte oder Zurückhaltung auch im Westen gab – und das keinesfalls ausschließlich auf der Seite der Linken. Man muss die Frage stellen, warum nach der Wende 1989/90 nicht Königstein mit den neuen Osteuropaaufgaben betraut wurde – Renovabis? Warum trug man von außen keine neuen Konzepte an Königstein heran? Stand es zu dem Zeitpunkt bereits zu abseits? Wegen seiner inhaltlichen Positionierung? Wegen der strukturellen Unzulänglichkeiten? Man darf auch die Zurückhaltung im Ort Königstein selbst nicht übersehen: Es wird aus dem Bestand des Stadtarchivs Königsteins deutlich, dass sich Bürgermeister Faßbender bei Bundeskanzler Adenauer für das Königsteiner Seminar einsetzte, als es 1950 in der Gefahr stand, in Beschlag genommen und als Kaserne wieder verwendet zu werden. Faßbender schrieb dazu ausführlich am 8. November 1950 an Adenauer. Er hatte sich auch am 13. Mai 1946 bereits beim stellvertretenden Ministerpräsidenten Hilpert für die kirchliche Verwendung der ehemaligen RAD-Kaserne eingesetzt. In der Folgezeit aber wurde das Verhältnis reservierter. Jüngst lässt sich festhalten, dass auch umfangreichere aktuelle Werbeprospekte, die durchaus auf die jüngere Geschichte Königsteins eingehen, auch darauf, dass 1949 in der Villa Rothschild in Königstein wesentliche Grundlagen für die Verabschiedung des Grundgesetzes geschaffen wurden, die Geschichte der katholischen Vertriebenenanstalten in Königstein mit keinem Wort erwähnen.

2.11. Die Auflösung P. Norbert Schlegel war als Vorsitzender des Trägervereins der Königsteiner Einrichtungen mit ganz anderen Zielsetzungen und Vorstellungen von seinen Aufgaben angetreten als er sie dann relativ rasch zu lösen hatte. Er wollte Konzepte für eine zu-

Brief schrieb: „Ich habe für den 7.12. ein Gespräch mit den Professoren der Hochschule vereinbart und hoffe, auch da die Herren zu einer endgültigen Bereitschaft zur Weiterführung der Schule bewegen zu können.“ Das Ordinariat Limburg wird diesem Bemühen nicht widersprechen. Auch an uns allen liegt es, für unsere Anstalten und besonders für das Seminar zu werben.“ Reiß ließ dabei aber nicht durchblicken, auf welchem Hintergrund Janssen dieses positive Votum für seinen Einsatz abgab.

Fazit, Einordnung, Ausblick

775

kunftsfähige Weiterführung entwickeln und sah sich rasch in einer Situation, die keine Alternative zur Abwicklung mehr kannte. Damit war er überrascht und überfordert worden. Er fungierte zwar als Vorsitzender des Vereins in Liquidation. Der Prozess aber ging über ihn hinweg. Die Beauftragte des Bistums Limburg, Frau Cohausz, hat die Liquidation finanztechnisch und rechtlich abgewickelt.

776

Abschnitt VIII

3.

3.1.

Theologische und spirituelle Grundlinien in Königstein

Kriegs- und Vertreibungserfahrungen und ihre Deutungen in Königstein

Manche Königsteiner pädagogische Methoden gerieten in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in die Kritik. Schüler und Studenten nahmen die Art und Weise, wie Vertreibungserfahrungen an die nächste Generation vermittelt wurden, nicht mehr einfach hin. Symptomatisch ist der Vorwurf an Kruschina, er komme in seinen Tschechischkursen als Vertreter des Faches Pastoraltheologie und Religionspädagogik und als Regens nicht über den Status von Animositäten hinaus; die Schüler lernten weniger die tschechische Sprache als die negativen Erfahrungen, die Kruschina mit Tschechen in Olmütz angeblich gemacht hatte. Kruschina reflektierte nicht, was er mit seinen Erzählungen weitergab, wohl weil er seine Erfahrungen der und in der Vertreibung nicht verarbeitet, sondern verdrängt oder nur scheinbar sublimiert hatte. Eine Parallele findet man bereits 20 Jahre früher in der Argumentation Leo Scheffczyks in dessen Beitrag über die Theologie und das Kriegserleben, der in die Neuausgabe der ursprünglich für Kardinal Bertram geplanten Festschrift zusätzlich aufgenommen worden war.32 Scheffczyk war zu dieser Zeit Theologiestudent in Königstein; zuvor war er als Theologiestudent im Kriegseinsatz gewesen. Scheffczyk wehrte sich einerseits gegen eine Verherrlichung des Krieges, wie wir sie bei Theologen im Ersten Weltkrieg finden. Und doch ging er in seinem studentisch jugendlichen Übereifer auf eine Ebene martialischer Sprache, wie sie in den Predigten im Ersten Weltkrieg begegnet, die aus der Verherrlichung des Kampfes nicht herauskommt. „Es ist die Überzeugung des gläubigen Menschen, dass der Hauch des überweltlichen Gottes auf den Schlachtfeldern vernehmlicher zu spüren ist als in den Wohnungen der Bürger. Damit gewinnt das Menschheitsereignis des Krieges eine direkt theologische Wertigkeit.“33 32

33

Erich KLEINEIDAM / Otto KUSS / Erich PUZIK (Hg.), Amt und Sendung. Beiträge zu seelsorglichen und religiösen Fragen. Freiburg 1950 – ein Vorgänger war 1942 in Breslau unter dem Titel Sacramentum ordinis. Historische und systematische Beiträge als Festschrift für Kardinal Bertram zum sechzigjährigen Priesterjubiläum erschienen, später wurde ein weiterer Band geplant, der 1944 erscheinen sollte, dann aber wegen der Kriegsereignisse nicht mehr realisiert werden konnte. Erst fünf Jahre später konnte er vorgelegt werden, dann gewidmet „unserer schlesischen Heimat und dem Priesternachwuchs, der in Neuzelle (Mark Brandenburg) und in Königstein im Taunus herangebildet wird“; eingeführt durch ein Geleitwort von Weihbischof Ferche (Zitat aus dem Gleitwort). Leo SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, in: KLEINEIDAM / KUSS / PUZIK, Amt und Sendung, S. 344-377, hier S. 344.

Fazit, Einordnung, Ausblick

777

Paradox klingt bei Scheffczyk das Oszillieren zwischen der metaphysischen Sicherheit und der erkannten Notwendigkeit, dass Theologie die Gegenwart lebendig durchdringen müsse, damit das religiöse Denken in eine neue fruchtbare Verbindung mit dem Leben kommen könne.34 Das Kriegserleben bezeichnete er in seiner von Kampfbegriffen angefüllten Sprache als einen ‚Feuerofen der Bewährung’. Eine doppelte Kampfführung sei nötig gewesen, gegen den äußeren Feind wie auch gegen den gefährlichen Dämon in den eigenen Reihen. „Am Grund dieses Erlebens lagen Leid und Schmerz. Im Ertragen dieses Schmerzes aber kündigte sich eine verwandelnde Kraft an, die das ganze Leben läutern und zu ernsten Konsequenzen verpflichten konnte.“35 Man konnte eine neue, abgründige Spannweite des Daseins durchmessen, der Zustand des bürgerlichen Lebens war an seine Grenzen gekommen. Die alte Welt mit ihren vordergründigen Kulissen war zusammengebrochen. Es gab keinen Weg mehr zurück in sie. Die Krisis aus dem Zusammenbruch als Punkt der Entscheidung nahmen manche Katholiken in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wahr – vergleichbar einer Stimmung nach dem Ersten Weltkrieg.36 „Der religiöse Mensch vor allem wurde sich im Erleben des Zusammenbruches aller Ordnungen klar, dass der Sinn dieses Geschehens für ihn nur in einer tieferen Erfassung seiner Aufgabe und Erhöhung seiner ganzen Existenz liegen konnte.“37 An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, warum auf der Ebene theologischer Argumentation nicht auch der Ordo-Gedanke zumindest in Frage gestellt werden konnte. Ist er wirklich noch ein zugkräftiges Vokabular für Menschen, die Erfahrungen gemacht haben, wie sie Scheffczyk hier beschreibt, oder ist dies gerade für Menschen mit diesem Erfahrungshintergrund wichtig – wo alle menschliche Ordnung zerfällt, sehnt sich der Mensch nach Sicherheit aus einer anderen Ordnung: „So wuchs in der Beunruhigung durch die äußere Gewalt und Dämonie des Irdischen eine Gegenkraft, die aus dem tieferen Wissen um die Gnade und den Bund mit Gott hervorkam. Unter dem Druck dieses Erlebens verdichtete und vereinfachte sich das Weltbild zu jener johanneischen Prägnanz, in der die Urspannung zwischen Licht und Finsternis, Leben und Tod allein bestimmend war und alle Halbheit und Idyllik weichen musste.“38 Es gab offensichtlich nur die heilsame Erschütterung, die das Gespür für eine große Chance wachrüttelte, eine Chance, den Inhalt des Daseins neu aus dem Geschehen herauszuarbeiten. „Sie fühlten oft, wie sie von Gott angerührt und aufgeschreckt waren und wie die alten, selbst gezimmerten Idole nicht mehr zu dem Bilde passten, das ihnen da aus Not und Feuer entgegenblickte. Die Forderung nach einer neuen Wand-

34 35 36

37 38

SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 354. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 354. Rainer BENDEL / Joachim KÖHLER, Bewährte Rezepte oder unkonventionelle Experimente? Zur Seelsorge an Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, in: Joachim KÖHLER / Damian VAN MELIS (Hg.), Siegerin in Trümmern. Die Rolle der katholischen Kirche in der deutschen Nachkriegsgesellschaft (= Konfession und Gesellschaft 15). Stuttgart 1998, S. 199-229. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 355. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 355.

778

Abschnitt VIII

lung des Seins erhob sich gebieterisch vor den Augen aller, die um die Berufung rangen.“39 Scheffczyk nahm die Anfragen sehr wohl wahr. Welche Konsequenzen zog er daraus? Zunächst eine relativierende, nämlich die weise Einsicht, dass der Mensch nicht auf Dauer im Extrem leben kann, sondern sich wieder auf Ebenen des Mittelmaßes zurückziehen muss. Daraus entstehe die Schwierigkeit, dass das revolutionäre Kriegserleben nicht unverfälscht in die Wirklichkeit hineingeformt werden kann. Seine Kraft kann nicht ungebremst umgeleitet werden auf die „Triebräder des Geistes“.40 Im Kriegserleben liege ein Absolutheitsmoment, das die Beteiligten in ernsthafter Mühe herausarbeiten müssten, wenn sie nicht an der Bedeutung dieses Geschehens und der Zeit vorbei leben wollten. Vor allem die Bedeutung des Zeitgeschehens für das Werden der Persönlichkeit müsse ausgewertet werden. „Wenn man bedenkt, dass es den Menschen an sich nicht gibt, sondern immer nur das durch Raum und Zeit einmalig bestimmte Individuum, dann wird man in dem Zeiterleben keine nur unbedeutende Begleiterscheinung des Psychischen mehr sehen. Die Zeit als der flüchtige, ätherische Stoff, der das Leben begrenzt und sich zur Hineinformung des inneren Charakters darbietet, wird so zu einer Determinante der menschlichen Existenz.“41 Die Person sei verpflichtet, so formuliert Scheffczyk die Aufgabe weiter, ihre schicksalhafte Vergangenheit aufzuarbeiten und in das Feld der Gegenwart aufzunehmen. Das Stück Vergangenheit, das der Krieg dem Theologen aufgebürdet habe, verpflichte in einem besonderen Grade zu einer solchen Aufarbeitung. „Die kritische und rückhaltlose Auswertung des Kriegslebens, das in seiner Einmaligkeit nicht ohne Spur am geistigen Leben vorübergegangen sein darf, wird gerade dem werdenden Priester mit dem Gewinn einer neuen Erkenntnis eines tieferen Seins und eines konsequenteren Tuns beschenken können.“42 Aber warum darf sie nicht nur ohne Spur am geistigen Leben vorübergehen? Liegt darin nicht eine Grundproblematik in der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen in Krieg und Vertreibung bei Scheffczyk und vielleicht in Königstein allgemein? Eine erste und verpflichtende Konsequenz aus der Wahrnehmung der jüngsten Geschichte war für Scheffczyk, dass der Krieg die metaphysische Situation unserer Welt aufgehellt habe: Die alte bürgerliche Ordnung war in ihrer Tragfähigkeit in Frage gestellt, ja zerbrochen.43 Es zeigte sich, dass die priesterliche Aufgabe nicht vergleichbar sei mit irgendeinem Amt in der bürgerlichen Welt. Im Kampfgetümmel, das Scheffczyk in diesem Kontext erneut zeichnete, wird der Priester heroisiert. „Damit war das Ideal des seelsorglichen Aktivisten als genauso hinfällig empfunden wie das des feinsinnigen Psychologen, der diesen unterirdischen

39 40 41 42 43

SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 355. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 356. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 356. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 356. Auch das eine verbreitete zeitgenössische Meinung: vgl. BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? 583-585.

Fazit, Einordnung, Ausblick

779

Gewalten nur durch ein tieferes Verstehen und entsprechende Neuformulierung der Glaubenswahrheiten beizukommen gedenkt.“44 Dann scheint sich Scheffczyk wieder zu konterkarieren mit seinem Anspruch, Erfahrungen ernst zu nehmen und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn er sich praktisch aus dieser Welt zurückzieht: „Der Mensch, wie er sich auf jenem Felde zeigte, war fähig, jede Grenze des Dämonischen zu überschreiten. Das einzige Mittel, diesem Vorgang zu begegnen, schien eine Haltung priesterlichen Seins, die gleicherweise alle Grenzen der Weltlichkeit transzendiert und das Ewige in einer neuen Offenbarung real in diese Welt hineinstellt.“45 Es ging nicht mehr um ein Priestertum als einem höheren Stand und mit geistlicher Würde. Es ging nicht mehr um einen nur graduellen Unterschied zur Welt und ihren Ordnungen, sondern es musste eine Höhe über aller Welt erreicht werden. Diese Spannung zwischen Welt und Überwelt wird nach Scheffczyks Erfahrungen und seiner Deutung gleichsam ein Gegensatz. „Die Werte, die der Krieg dem Theologen und dem Priester gab, lassen sich so zuletzt als starke Kräfte der Seinsvertiefung und Charakterbildung ansprechen. Sie schufen nicht nur eine neue tiefe Sicht, sondern formten die geistige Idee zugleich auch in die menschliche Gestalt hinein. Der Priester weiß nun aber, dass in diesem ‚Einformungsprozess’ gerade das Wesen der Aszese liegt.“46 Da scheinen Momente durch, wo das alte Ordo-Denken mit den Natur- und Übernaturschemata durchbrochen wird. „In der Stille nächtlicher Meditationen setzten sich die wirbelnden Eindrücke geklärt und geordnet auf dem Seelengrund ab und alles Erleben schmolz unter der Einwirkung der Besinnlichkeit zu einer festen Form zusammen. In diesem Vorgang ordneten sich die Kräfte, wie von einem Magneten gestrafft, zur Mitte alles Seins und Denkens hin, zu Gott. Durch das Erleben der Ausgesetztheit und Entfernung von der Unrast des äußeren Geschehens wurde die Wirklichkeit der Gottesnähe dem Priester zu einer erfahrbaren Größe. Hier lagen die entscheidenden Augenblicke, in denen die Gotteskraft in die Person umgeformt und die Idee sich in die Existenz übersetzte. Hier auch geschah jene realistische Erschütterung und Ergriffenheit, die den Einzelnen zu einem tieferen Innewerden seiner Selbst führte, weil Gott ihn in der Stille angerufen hatte.“47 Gleichzeitig wird überall immer wieder die Angst spürbar, unterzugehen, auseinander zu brechen, gestört und zerstört zu werden, nicht zuletzt durch die Gemeinschaft der Menschen. Von daher die Einsamkeit als Grundvoraussetzung für die Erkenntnis dieser Zusammenhänge. Der Krieg wird wichtig für den Priester, weil er ihn in die Einsamkeit führt. Nirgends sei die unverfälschte Wiedergabe des göttlichen Lebens echter zu gewinnen gewesen als in den Horizonten des Krieges. Offensichtlich hat Scheffczyk im Hintergrund sehr viel Ernst Jünger48 gelesen, wenn der Krieg zu einer notwendigen Meditation wird. Das Kriegserleben, das für 44 45 46 47 48

SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 358. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 358f. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 364. SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 365. Ernst Jünger (1895 – 1995). dazu jüngst Thomas AMOS, Ernst Jünger. Reinbek 2011.

780

Abschnitt VIII

den Theologen ein großes Gnadengeschehen bedeutet, in dem sein inneres Wesen und seine geistige Gestalt tiefer geprägt werden. Eine Wesensprägung, die sich nur unter der Einwirkung von Leid und Schmerz vollziehen kann. Das Leben des Geistes und der Gnade brauche Katalysatoren, die die geistigen Wirkungen beschleunigen und vertiefen, so Scheffczyk weiter. Die Erfahrung des Todes im Krieg sei das wirkungsvollste solcher belebenden Elemente, durch das die menschliche Existenz von der Realität der Überwelt betroffen und erschüttert wird. Der Mensch, der lange Zeit in dieser Schwerkraft gelebt hat, werde sich ihr nicht mehr entziehen können. Auch für den Priester, der aus dem Raum des Krieges wieder in das gesicherte Leben zurückkehrt, ergibt sich die Möglichkeit, entschiedener auf dieser Welt zu wirken. „Es müsste so sein, dass Menschen, die einmal schon vom Tod berührt und in ihrem Leben abgestorben waren, zu einer höheren Wirkung in der Welt gelangen, weil ihre Aktionen aus gleichsam unterirdischen Erlebnisträumen kommen.“49 Wo bleiben in einer derartigen Argumentation die Kriegsteilnehmer, die angesichts der ‚Feuertaufe‘ in Zweifel und Verzweiflung fielen? Mangelte es denen nur an Gottverbundenheit, Glaubenstiefe und Glaubenssicherheit? Alles wird auf dem Hintergrund eines sinnstiftenden ordo gesehen – hier ist nicht wie etwa bei Joseph Bernhart ein Suchen nach neuen Deutemustern zu spüren, weil die alten radikal angefragt waren (wie etwa in Bernharts Nachkriegsgedanken in ‚Chaos und Dämonie’)50 Bei Scheffczyk finden sich salbungsvolle Worte für den Krieg. Erfahrungen werden a priori auf eine höhere Ebene gehoben, eine vornehme Distanziertheit prägt den Text. Dies alles ermöglicht ein metaphysischer Zugang: Die Dämonie ist das zentrale Erklärungsmuster. Virtuos wird die klassische katholische Deutung der Geschichte als Verfallskontinuität aufgegriffen. Dabei hätte gerade in Königstein in den Anfangsjahren die Frage nach der Integration von belastenden Erfahrungen im Krieg und in der Vertreibung und im Ankommen angesichts der Schüler und Studenten, die man ansprechen und gewinnen wollte, ein zentrales Thema und Anliegen sein müssen. Johannes Gründel macht es im Rückblick als Thema aus, in der schriftlich formulierten Theologie findet sich dazu aber kein Reflex an neuen Kategorien oder Vokabular. Letztlich liegt das Problem darin begründet, dass Scheffczyk den Versuch, seine Erfahrungen zu interpretieren, nur innerhalb seines übernommenen Weltbildes von Natur und Übernatur leisten konnte.51

49 50

51

SCHEFFCZYK, Der Theologe und das Kriegserleben, S. 372. Ein Vergleich mit Joseph BERNHART, Chaos und Dämonie. Von den göttlichen Schatten der Schöpfung. Weißenhorn 1988 (erste Auflage München 1950) könnte hier sehr aufschlussreich sein. Vgl. dazu auch Rainer BENDEL, Lebensbild Joseph Bernhart, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Diözesangeschichte 39 (2005), S. 507-525. DERS., Joseph Bernhart. Die Krisis menschlichen Handelns und der Geschichte, in: Hans-Rüdiger SCHWAB (Hg.), Eigensinn und Bindung. Katholische deutsche Intellektuelle im 20. Jahrhundert. 39 Porträts. Kevelaer 2009, S. 155-174. DERS. / Lydia BENDEL-MAIDL, Geschichte und Theologie in der Krisis, S. 168-181. Dazu vor allem S. 374.

Fazit, Einordnung, Ausblick

781

Eine populäre Version der Deutung und Aufarbeitung von Verlust- und Gewalterfahrungen begegnet in den Publikationen Königsteins: Viele exemplarische Schicksale aus Krieg, Vertreibung und Heimatverlust wurden in erbaulichen Erzählungen in den Königsteiner Jahrbüchern und in den Königsteiner Rufen aufgegriffen und in einen religiösen Deutehorizont gehoben. Sie sollten Mitgefühl und Solidarität wecken und zeigen; sie wollten Mut machen, dass aus tiefem Vertrauen und caritativer Haltung neue Zukunft wachsen kann, Menschen zusammenfinden, Geborgenheit neu wächst, Wunden wenigstens vernarben können und erneut eine Sinnperspektive sich eröffnet. So wollten sie neu einen tragfähigen Grund legen helfen, Zufriedenheit evozieren, neu Heimat wachsen lassen.

782

Abschnitt VIII

Abb. 22: "Heimweg ist überall" (Königsteiner Rufe 1952)

Fazit, Einordnung, Ausblick

Abb. 23: "Heimkehr" (Königsteiner Rufe 1952) uu#

783

784

3.2.

Abschnitt VIII

Katholische Erziehung im Weltanschauungskampf als Fortführung der aus dem Getto agierenden Anti-Haltung der NS-Zeit?

Gedanken zur katholischen Erziehung im und gegen den Nationalsozialismus wurden in Königstein übernommen und in den Kampf des Kalten Krieges einbezogen. Paul Ramatschi hat in seinem Beitrag über katholische Erziehung in dem von Erich Kleineidam und Otto Kuss herausgegebenen Band „Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen“ sehr deutlich gegen die Vereinnahmung der Erziehung durch die Nationalsozialisten Stellung genommen. Er begrüßte es, quasi als eine Captatio benevolentiae, dass Erziehung wieder weltanschaulich gebunden sein dürfe, ja, dass man diese Voraussetzung wünsche, unterstrich aber im gleichen Atemzug, dass katholische Erziehungsauffassung woanders verankert ist als die nationalsozialistische. Er wehrte sich gegen den Vorwurf der Nationalsozialisten, das Wesen der katholischen Erziehung sei gekennzeichnet durch die Verneinung der Erde. Er betonte die Rückbindung katholischer Erziehung an das Absolute, das für den Katholiken allein Gott sei. Das Menschenbild sei durch den Schöpfungsglauben bestimmt und damit dürfe erzieherisches Wirken nichts anderes sein als die Fortsetzung des göttlichen Wollens und Wirkens. Der Erzieher also hat im Namen und Auftrag Gottes zu handeln. Damit wehrte sich Ramatschi gegen die Verabsolutierung aller möglichen Größen, wie Volk, Rasse, Blut etc. Schließlich dürfe der Mensch in dieser Welt als Schöpfung nicht willkürlich agieren – auch nicht in der Erziehung. „Katholische Erziehung bekommt damit einen wesentlich religiösen Charakter; religiös im Sinne des Katholizismus als die durch die übernatürliche Gnadenkraft Gottes getragene, seinsmäßige und vom Menschen willensmäßig bejahte Bindung an den überweltlichen, persönlichen Gott. Schon hieraus ergibt sich die wichtige Feststellung, dass die gesamte Erziehung durch jedwede Beeinträchtigung der religiösen Seite notwendig gestört, wenn nicht gar zerstört werden muss.“52 Ramatschi unterstrich die Familie als Erziehungsträger, hob den Beitrag der Kirche in diesem Prozess hervor, nicht zuletzt in historischer Argumentation: Die Kirche habe sich über eineinhalb Jahrtausende hindurch fast allein der Erziehung der Völker angenommen. Erst an dritter Stelle nennt er den Staat als Erziehungsträger, weil dieser von Gott die Sonderaufgabe erhalten habe, für Wohlergehen und Glück des ganzen Volkes zu sorgen. Die Kirche wisse sich in der Verpflichtung für die Erziehung für Volk und Heimat, Vaterland und Staat. Gleichzeitig aber müsse der Staat die Erziehungsrechte und die Erziehungstätigkeit von Familie und Kirche achten und schützen. Mit Blick auf das Konkordat forderte er das garantierte Recht auf Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an der Schule ein, aber auch auf die Erziehung in Jugendverbänden: „Dieselbe Grundeinstellung tritt zutage in der Frage der Organisatio-

52

Paul RAMATSCHI, Katholische Erziehung, in: Erich KLEINEIDAM / Otto KUSS, Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen, 3. überarbeitete Auflage. Salzburg, Leipzig 1938, S. 371-387, Zitat S. 372.

Fazit, Einordnung, Ausblick

785

nen und Verbände, die ja für den Staat sowohl wie für die Kirche wichtigste Erziehungsformen darstellen. Ganz besonders gilt dies für die Jugendverbände, deren besonderes Arbeitsgebiet die Jugendführung ist, und zwar in der der Jugend artgemäßen Form des bündischen Zusammenschlusses. Neben der Aufgabe, die der Staat der Jugendführung zuweist, im Anschluss an Familie und Schule die Jugend in die Volksgemeinschaft einzugliedern, steht der Kirche das Recht zu, die Jugendlichen auf dem Wege freiwilligen Zusammenschlusses in das Leben ihrer Gemeinschaft einzugliedern.“53 Es genüge nicht, dass die Kirche nur im Rahmen des Gotteshauses ihre Erziehungstätigkeit ausüben kann. Gerade weil ab 1938 das Grundrecht christlicher Eltern, ihre Kinder im Sinne des konfessionellen Christentums zu erziehen, zunehmend bestritten und unmöglich gemacht wurde, müsse die Familie wieder in ihre volle Bedeutung in der Erziehungsarbeit eintreten. Auf den Eltern allein ruhe die Sorge, dass die Kinder von den religiösen Mitteln und den Erziehungsbemühungen der Kirche überhaupt noch erfasst werden können. „So bedeutet katholische Erziehung keinen Verzicht auf Lebensnotwendiges, keine Beeinträchtigung der wirklichen Rechte anderer Gemeinschaften und werthaltiger Lebensgebiete, wohl aber eine Erhöhung, eine Erhebung aus dem Bereiche des rein Natürlichen in das Gebiet der Übernatur. Damit wird katholische Erziehung dem Wesen des Menschen, in dem Natur und Übernatur zur Synthese werden sollen, voll und ganz gerecht.“54 Mit dieser grundsätzlichen Feststellung wandte sich Ramatschi noch einmal gegen die Vorwürfe der Nationalsozialisten gegen das katholische Menschenbild und speziell gegen katholische Erziehungsziele. Mit diesem dezidiert kirchlich orientierten und vom neuscholastisch theologischen Weltbild bestimmten Beitrag zur katholischen Erziehung markierte er eine klare Position in diesem Sammelband, der in der gegenwärtigen Zeitenwende, die um eine neues Weltbild ringe, Selbstbesinnung und kritische Prüfung für den Leser bieten wollte. Neu aufsteigende Kräfte sollten mit Weite und Aufgeschlossenheit geprüft werden, aber in der Verantwortung vor dem der katholischen Kirche anvertrauten Gut. Das Buch wollte keine unfruchtbare Polemik bieten, sondern grundsätzlich zu den Fragen Stellung nehmen, die die Zeit aufwarf.55 Im gleichen Band setzte sich der Mitherausgeber, Erich Kleineidam, mit dem deutschen Gottglauben auseinander.56 Kleineidam befasste sich mit den Wegbereitern des deutschen Gottglaubens, skizzierte den Hintergrund des völkisch-politischen Gedankens in Deutschland von Houston Stewart Chamberlain57 über den Grafen Gobineau bis hin zu Paul de Lagarde und kam zu dem Fazit, dass mit dem Wachsen der völkisch-politischen Bewegung im zwanzigsten Jahrhundert auch die antichristlichen deutsch-religiösen Tendenzen gewachsen seien. Der Grundcharakter des Weltbildes

53 54 55 56 57

RAMATSCHI, Katholische Erziehung, S. 381. RAMATSCHI, Katholische Erziehung, S. 387. RAMATSCHI, Katholische Erziehung, aus der Vorbemerkung, S. 5. Erich KLEINEIDAM, Deutscher Gottglaube, in: Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen, 3. überarbeitete Auflage. Salzburg, Leipzig 1938 (11934), S. 420-472. Houston Stewart Chamberlain (1855 – 1927), engl. Schriftsteller; vgl. http://de.wikipedia.org/ wiki/Houston_Stewart_Chamberlain, aufgesucht am 11.8.2013.

786

Abschnitt VIII

des deutschen Glaubens sei rassisch-biologisch. Die Rasse, das Blut werden zum letzten und höchsten Wert erhoben, zum Ursprung und Maßstab aller anderen Werte.58 Damit wurden aber, nach der Deutung Kleineidams, alle echten personalen Äußerungen des Menschen umgebogen. Es sei zu einer entsetzlichen Verwüstung der menschlichen Persönlichkeit gekommen.59 In einer ausführlichen Analyse mehrerer Positionen des deutschen Gottglaubens, u.a. auch von Rosenbergs Position, kam Kleineidam zu einer an Deutlichkeit nicht überbietbaren Feststellung: „Die völkischreligiöse Bewegung ist nichts anderes als die direkte Fortsetzung der großen Linie, die die Geistesgeschichte der abendländischen Kultur mindestens seit der Aufklärung gegangen ist: fortschreitende Loslösung des Ich von Gott, Zerbrechen der göttlichen Bindungen, Auflösung der Grundlagen der Familie und schließlich damit auch des Staates. Als die Bedrohung des Staates immer größer wurde, rafften sich die gesunden völkischen Kräfte zur Gegenwehr auf und merzten alle liberalen Zersetzungserscheinungen auf staatlichem und politischem Gebiete aus … Das ist sicher der größte Irrtum der völkisch-religiösen Bewegung, dass sie sich ‚religiös’ nennt, aber überhaupt nicht mehr weiß, was Religion eigentlich ist.“60 Als religiöser Inhalt des deutschen Gottglaubens bleibe eine harmlose Stimmungsfrömmigkeit. Das Echte aller Religionen, das Gegenübergestelltsein von Mensch und Gott, das Gewissen, das etwas von Sünde und Schuld weiß, die Verpflichtung, Gott als dem Herrn zu dienen, habe seinen Ernst verloren. Die Rasse ist an die Stelle des entthronten Gottes getreten.

3.3.

Spiritualität in Königstein

Eine Grundlage seiner Theologie und Spiritualität formulierte der erste Königsteiner Rektor und Regens Erich Kleineidam mit seinem Beitrag über die Nachfolge Christi in seinen Untersuchungen zu Bernhard von Clairvaux: Er zeichnete mit Bernhard ein Vorbild der Nachfolge Christi in einem Leben der Demut und des Gehorsams,61 ja auch in der nächsthöheren Stufe, die aber nicht notwendig jeder Christ erreichen muss, des Lebens in der Liebe Christi. Kleineidam arbeitete in dieser Studie als der Dogmatiker, der entsprechend seinem Aufbau der Gedanken – theologische Voraussetzung der Nachfolge, wesentliche Merkmale der Nachfolge, der praktische Weg (vor allem in der Mitfeier des Lebens Jesu im Kirchenjahr), Nachfolge als Geschenk – die Belegstellen aus dem Werk Bernhards, vor allem aus den Predigten zum Kirchenjahr und der Hoheliedauslegung zusammenstellte. Wie soll man auf diesem Hintergrund sein pädagogisches Ziel beschreiben, sein Bemühen charakterisieren: „Die viae Domini werden auch seine Wege werden. Was er in der Mitfeier der Glaubensgeheimnisse im Kirchenjahr, im Gebet und in der Be-

58 59 60 61

Vgl. KLEINEIDAM, Deutscher Gottglaube, S. 423. KLEINEIDAM, Deutscher Gottglaube, S. 431. KLEINEIDAM, Deutscher Gottglaube, S. 454. Erich KLEINEIDAM, Die Nachfolge Christi nach Bernhard von Clairvaux, in: ebd., S. 432-460.

Fazit, Einordnung, Ausblick

787

trachtung geschenkt erhält, wird er auf ethischem Gebiet zu bewähren suchen. Die Nachfolge muss sich bei ihm in ganz konkreter Form in einer Durchheiligung des Lebens auswirken, so dass auch in seinem Leben wirklich Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit herrschen.“62 Erich Puzik, der Spiritual und langjährige Autor der Puncta in den Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten steigt in seinen Überlegungen zum Gebet im Leben des Weltpriesters in die Tiefen des einzelnen. Im Gebet kommt der einzelne in die Tiefen des eigenen Ich, in das innerlichste Gemach, wo er entweder angstvoll die Rätsel des eigenen Ich findet und schnell wieder an die Zerstreuung der Oberfläche strebt oder den Boden seines Ichs, den Seelengrund, Gott. „Er erlebt es, dass ihn nur eine ganz dünne Schicht von dem Urewigen trennt. Würde diese, durch die schon die Herrlichkeit des Vaters hindurchschimmert, hinweggezogen, dann würde die Seele in die Unendlichkeitsfluten des Göttlichen fallen. Noch tiefer in der Seele als das Ich ist also Gott, er ist uns wirklich näher als wir uns selbst. Darum steigt der Mensch gern in dieses innerste Gemach des Herzens, wo er sich von Gott berührt weiß, hinab und verharrt in ruhigem Schweigen, dass der Allmächtige ihn der Anrede würdige.“63 Quasi das Kraftzentrum in der Hektik des Alltags wollte Puzik damit den Priestern und Priesteramtskandidaten vorstellen, einen Punkt, an dem der Glanz des Friedens aufscheinen kann.

62 63

Ebd., S. 458. Erich PUZIK, Das Gebet im Leben des Weltpriesters, in: ebd., S. 38-62, Zitat S. 61.

788

Abschnitt VIII

4.

4.1.

Zentrale politische und gesellschaftliche Themen und Anliegen in Königstein

Der Antikommunismus

Die exklusive Rolle, die Kindermann aufgrund seines Kirchenbildes dem Klerus zumaß, erhielt weiter massives Gewicht durch den Weltanschauungskampf gegenüber dem Kommunismus. Seine Weltsicht war klar durch den Dualismus der Weltanschauungen in Europa geprägt; der Antikommunismus war primäre Triebfeder aller seiner Initiativen – die Gefahr des Kommunismus stachelte seine Aktivität an und prägte sie. Kindermanns Denken war deutlich gegenweltlich geprägt mit klaren Oppositionen. In dieser gespannt konfliktiven Situation, in der der Gegner stärker als bislang außerhalb der eignen Gesellschaft verortet, mit ihm erzieherisch gedroht wird, veränderte sich die Wahrnehmung des Kirche-Welt-Verhältnisses nicht: Kindermann konnte einerseits bei den spätestens seit der Gegenreformation erprobten Mitteln des Kampfes und der Verurteilung bleiben, andererseits hielt er unbeirrt am neuscholastisch geprägten Kirchenbild und dem Stockwerksdenken von Natur und Gnade fest. Ihm gelang es in Königstein auf den Kongressen ‚Kirche in Not‘ eine weltweite antikommunistische Front zu schmieden, indem er Emigranten aus allen kommunistischen Ländern als Referenten einlud. Kindermann wies darauf hin, dass man in Rom gerade diese Tätigkeit der Aufklärung gegenüber dem Kommunismus wärmstens begrüße. Auch Kardinal Frings unterstrich sein großes Interesse daran, dass in Königstein – er verglich es in diesem Punkt mit Löwen – Priester aus ganz Europa für besondere Aufgaben gegenüber dem Kommunismus geschult werden könnten. Frings Vision ging dahin, nach Königstein Priester nach ihrer Priesterweihe zu schicken, die jeweils in ihren Heimatdiözesen inkardiniert blieben, um hier ein oder zwei Jahre in diesen spezifischen Fragen der Ostausrichtung und des Antikommunismus ausgebildet zu werden.64 Die Beobachtung der kirchlichen Situation in den Ostblockstaaten sah Kindermann als eine der zentralen Aufgaben der Institute, der Wissenschaftler in Königstein. Die Priester sind nicht nur Identifikationsfiguren für die Heimatvertriebenen, sie sollten vielmehr die Katholiken zur geschlossenen Abwehrfront zusammenschmieden. Offen bleiben muss dabei die Frage, ob sich diese Einheit erreichen ließ, ob sie

64

Vgl. dazu den Bericht von der Mitgliederversammlung des Albertus-Magnus-Kollegs vom 17. Mai 1946, 4 S. masch., Protokollführer Regens Piekorz in KZG Bonn. Akten Bischofszimmer 13/205, S. 2.

Fazit, Einordnung, Ausblick

789

überhaupt Ziel sein konnte, wenn Kindermann gleichzeitig ein differenziertes Urteil über den Gegner forderte. Lässt sich die differenzierte Auseinandersetzung mit der Realität erreichen, wenn die Gläubigen wirklich in Kindermanns Sinne ‚erzogen‘ werden? Wie ernst nahm Kindermann die Forderung, die Laien zu Aposteln heranzubilden, jeden Christen zu einem Apostel zu machen? War er sich der Sprengkraft bewusst, die in dieser Forderung steckte? War er selbst mit seinem Klerozentrismus bereit, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen? Auch wenn Franz Lorenz Kindermann in der nachrufend verklärenden Perspektive aufbrechende Impulse und eine gewisse Dynamik in der Sicht der Kirche zusprach, dürfen diese Tendenzen keineswegs überbewertet werden, sie greifen allenfalls partiell in der Ermunterung der vertriebenen Gläubigen, in deren Ermahnung zur Intensivierung der Glaubenspraxis, nicht in der Reflexion bisheriger Rollenverteilung in der Kirche. Diese blieb klar klerikerzentriert. Sie greifen nicht in der Verhältnisbestimmung von Kirche und Welt, in der Bewertung der neuzeitlichen geschichtlichen Entwicklungen; diese waren von der undifferenzierten und kritiklosen Übernahme der traditionellen katholischen Dekadenztheorie geprägt.

4.2.

Das Heimatrecht

Neben dem Antikommunismus spielte in Königstein die Diskussion um das Heimatrecht eine zentrale Rolle. Sie wurde teils bis zu dem Punkt zugespitzt, dass man ein eigenes Institut für die Erörterung der Fragen nach dem Heimatrecht beanspruchte.

Die Notwendigkeit nichtterritorialer Seelsorgsprinzipien Bei der Ausrichtung dieser Intentionen nimmt es nicht Wunder, dass die päpstliche Konstitution „Exsul familia“ in einer Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorger 1952 ausführlich diskutiert wurde.65 Kontextualisiert wurde die aktuelle Thematik der Vertriebenenintegration in die lange Tradition des Umgangs mit dem Fremden in der Kirche. Erinnert wurde an die zahlreichen Klöster und Hospize des Mittelalters, die für Pilger und Migranten gegründet worden waren. Als zweite, die spezifische Vertriebenenseelsorge bestätigende Tradition wurde das Recht zur muttersprachlichen Seelsorge angeführt, daraus wurde das Recht der Nationalpfarreien gefolgert, das die Kirche lange nicht zugestehen wollte. „Ich glaube, wir haben einen Anteil an dieser Wendung, weil wir immer wieder auf die natürlichen Gegebenheiten hingewiesen haben, dass man Menschen in der Muttersprache pastorieren muss.“66

65

66

Protokoll der elften Diözesanflüchtlingsseelsorgerkonferenz am 13. und 14. November 1952 in Königstein, 17 S. Maschinenschrift, der Bericht über das Referat zur Konstitution ‚Exsul familia‘ auf den Seiten 2 bis 5. Ebd., S. 2f.

790

Abschnitt VIII

Die Kirche stehe in der aktuellen Zeit an einer großen Wende. Man müsse einsehen, dass mit den territorialen Prinzipien allein nicht mehr auszukommen sei. Die Bischöfe hatten das Problem zwar nach diesen Prinzipien lösen wollen, die Vertriebenen aber hätten sich dagegen gesträubt, weil damit zu viel zerschlagen worden wäre. Es gebe kaum noch rein geschlossen nationale Pfarreien, umso mehr werde man künftig auf das nationale Recht Rücksicht nehmen müssen.67 Begrüßt wurde, dass die päpstliche Konstitution „Exsul familia“ das Thema Auswanderung ausführlich behandelte und Tendenzen zur Assimilation in der aufnehmenden Gesellschaft nicht weiter unterstrich, sondern von eigenen Geistlichen für die Auswanderer sprach. „Bei den Folgerungen wird formuliert: „Die Konstitution spricht ein offenes und warmes Wort für die Seelsorge auf einer vom Naturrecht geforderten Grundlage. Das ist indirekt eine Bestätigung unserer Auffassung und unserer Arbeit. Wir haben uns von Anfang an immer eingesetzt für die psychologische und nicht für die logische und rechtliche Lösung unseres Flüchtlingsproblems. Dass wir heute eine elfte Konferenz halten, ist ein Beweis, dass wir es so gewollt haben. Wir sagten doch, die Vertriebenen brauchen, obwohl sie in geordnete Diözesen und bereits bestehende Pfarreien eingewiesen wurden, eine zusätzliche Seelsorge und Behandlung, weil sie durch ihre Herkunft und ihr Schicksal anders angesprochen werden müssen. Der Unterschied ist nicht so groß wie bei verschiedenen Nationen, aber er ist auch da und muss beachtet werden.“68

Das Heimatrecht basierend auf einer „inclinatio naturalis“ des Menschen Als ein zentrales Thema mit Kontinuität in Königstein behandelte der Moraltheologe Prof. Dr. Franz Scholz am Albertus-Magnus-Fest, am Stiftungsfest der Hochschule 1955 die Frage „Verblasst das Recht auf Heimat?“ Zehn Jahre nach Kriegsende griff Scholz dieses Thema auf – selbstverständlich mit dem Ergebnis, dass er das natürliche Recht des Menschen auf Heimat aufwies. Nicht zuletzt mit der Argumentationshilfe seines Kollegen Krempel, eines vorzüglichen Kenners des Thomas von Aquin, unterstrich er, dass die Heimat im thomanischen Sinn als eine natürliche Neigung, eine „inclinatio naturalis“ des Menschen zu verstehen sei. Die Frage sei, wie es mit dem Recht auf die konkrete Heimat aussieht. „Dieses Recht scheint – ich möchte diese These als Diskussionsgrundlage aufstellen – ebenso wie der moralische Anspruch auf Privatvermögen, auf positiven ‚Erwerbstiteln’ zu beruhen.“69 Das Thema Heimatrecht war drittens das zentrale Thema des Königsteiner Kirchenrechtlers Karl Braunstein, der sich gegen die Argumentation der Kollektivschuld wandte, das Recht auf Heimat aber als Individual- wie als Gruppenrecht auf der Ebene eines Naturrechtsanspruches einforderte. „Die Restitution bleibt, wobei Rückkehr-

67 68 69

Ebd., S. 4. Ebd., S. 5. Franz SCHOLZ, Verblasst das Recht auf Heimat?, Vortrag am Albertus-Magnus-Fest, 1955, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1956, S. 4-10 und 22-23, Zitat: S. 6f.

Fazit, Einordnung, Ausblick

791

ermöglichung und politische Grenzziehung gesonderte Fragen sind. Jedenfalls müssen Grenzen entschärft werden. Wenigstens streckenweise dürfte die Wiedergutmachung praktisch in der Partnerschaft zu suchen sein und nicht einfach Verzicht oder Restauration lauten. In einer Partnerschaft kann auch eine Volksgruppe erhalten bleiben, andererseits rechtens Angesiedelten Berücksichtigung zuteil werden. Diese Partnerschaft (wie sie beispielsweise die sudetendeutsche Ackermanngemeinde anzustreben scheint) müsste freilich auf der Basis gleichberechtigter Nachbarschaft verwirklicht werden – im Rahmen eines geeinten Europa... In der Restitutionsfrage gibt die Rechtsphilosophie den Heimatverwiesenen eine starke Position.“70

Ausblick: Der Lastenausgleich Einen dritten inhaltlichen Schwerpunkt bildete neben dem Antikommunismus und dem Heimatrecht in den fünfziger Jahren der Lastenausgleich. In den Jahren 1960/61 findet sich in jedem Heft der Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten ein Fortsetzungsartikel von Pfarrer Franz Josef Wohl zu Fragen zum Lastenausgleich. Dabei wurden auch sehr praxisnahe Themen angeschnitten.71

4.3.

Vertriebenenseelsorge und politische Situation – ein Plädoyer für eine engere Zusammenarbeit von Pastoral und Politik

Ein Beispiel für dieses Themenfeld sind die Diskussionen nach dem Ausgang der Bundestagswahlen 1953 – sie bilden quasi eine Zwischenbilanz, eine Verortung, eine Schärfung der Aufgaben der Vertriebenenseelsorge: Pater Paulus Sladek brachte in einem Impulsreferat für eine Tagung der Diözesanflüchtlingsseelsorger die Hauptargumente in die Diskussion. Mit Genugtuung hielt Sladek fest, dass bei der Bundestagswahl rund 50 % der Vertriebenen Adenauer gewählt hatten und nur etwa ein Viertel den BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten). Zwei Drittel der Heimatvertriebenen, so Sladeks Fazit, haben sich in Westdeutschland eingelebt. Die Hoffnung auf wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg wurde konkreter. Die tiefsten Stufen des Elends schienen bei den meisten überwunden. „Einen großen Beitrag zum Wahlerfolg der CDU leistete die seelsorgli-

70

71

Karl BRAUNSTEIN, Naturrechtliche Überlegungen zur Wiedergutmachung der Vertreibung, in: Königsteiner Blätter VIII (1962), S. 77-83, Zitat S. 83. – Karl BRAUNSTEIN, Die Vertreibung im Lichte des Kirchenrechtes. Limburg 1958. Karl BRAUNSTEIN, Die Vertreibung im Lichte des Naturrechts. In: Königsteiner Blätter V (1959), 2/3, S. 29-92. Vgl. dazu auch: Rainer BENDEL, Katholische Soziallehre und der Beitrag katholischer Vertriebener zur Sozialpolitik in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland. In: Sebastian HOLZBRECHER / Torsten MÜLLER (Hg.), Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Perspektiven und Beiträge der (mittel-)deutschen Kirchengeschichtsschreibung. FS Josef Pilvousek. Würzburg 2013, S. 409-426. – DERS., Maximilian Kaller. Grundanliegen des Vertriebenenbischofs, in: Thomas FLAMMER / Hans-Jürgen KARP (Hg.), Maximilian Kaller – Bischof der wandernden Kirche. Flucht und Vertreibung – Integration – Brückenbau. Münster 2012, S. 23-54, v.a. S. 38f.

792

Abschnitt VIII

che und erzieherische Tätigkeit der Flüchtlingspriester. Ihre Bemühung, die Vertriebenen aus der Isolierung herauszuführen, sie aus der Verbitterung und Unzufriedenheit herauszuheben, sie nicht in eine Proteststellung gegen die, die vom Schicksal nicht so heimgesucht wurden, hineinkommen zu lassen.“72 Die Vertriebenenseelsorger wollten es spüren, dass man einen Beitrag zum Erfolg geleistet hatte; man wollte in der Erfolgsspur fahren und so auch Akzeptanz gewinnen. Freilich konzedierte Sladek, dass die Vertriebenen zwar nicht primär die CDU, sondern Adenauer gewählt hätten, und versäumte es nicht, zu unterstreichen, dass sich die Vertriebenen bestimmt nicht so entschieden haben, weil ihre Eingliederung schon vollzogen wäre. Sladek wollte dem Argument vorbauen, dass die Heimatvertriebenen wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch, kirchlich eingegliedert seien und somit zusätzliche Bemühungen um die Heimatvertriebenen, zusätzliche und außerordentliche Seelsorge überflüssig wären. Nun war es der Vertriebenenseelsorge, nicht zuletzt Schütz, Kindermann und Sladek wichtig, die Vertriebenen in etablierte Parteien zu integrieren und dort auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen. Daher versteht sich auch die Abneigung, die aus der Situationsanalyse gegenüber dem BHE deutlich wird. Es sei wichtig, dass die Katholiken auch für die Landtagswahlen und die Gemeinderatswahlen attraktive Personen aufstellen können. „Suchen wir nach den überzeugten Katholiken in unseren Reihen, die wir der Öffentlichkeit vorstellen können. Unsere Landsleute werden nur dann öffentliche Funktionen übernehmen können, wenn sie die Zustimmung der einheimischen Bevölkerung für ihre Persönlichkeit und ihre Arbeit gewinnen. Es ist wichtig, dass wir die Wahlen in ihrer Auswirkung sowohl bei kirchlichen als auch politischen Kreisen richtig interpretieren und dass man darauf aufmerksam macht, den Flüchtlingssektor in seiner Gefährlichkeit nicht sich selbst zu überlassen.“73 Sladek wollte diese Aufgabe den Vertriebenenpriestern ans Herz legen, wenn er unterstrich, dass es die Katholiken zu wenig verstünden, die fähigen Menschen aus den eigenen Reihen auf den richtigen Platz zu bringen. Es gebe zu wenig Katholiken in Schlüsselpositionen; das wirke sich auf den politischen Raum aus. Sladeks Situationsanalyse hatte sich vor der Bundestagswahl 1953 noch besorgter angehört: Er bezeichnete etwa ein Drittel der Vertriebenen als eingegliedert in dem Sinn, dass sie wirtschaftlich und gesellschaftlich in die bestehende gesellschaftliche Ordnung eingeordnet seien. Dies seien vor allem die fähigsten Kräfte, diejenigen, die Initiative entwickelt und tatsächlich auch ein gewisses Fundament im Geistigen hatten. „Leider Gottes haben sich gerade von dieser Gruppe die meisten auch von dem Schicksal der Übriggebliebenen, vom Elendshaufen der Vertriebenen abgesondert und auch abgesondert von der Vertretung und dem besonderen Blick, der von den Vertriebenen her auf ihr Schicksal, auf die sozialen Sicherungen, auf die Verteidigung ihres Heimatrechtes, ihrer Volksgruppe geworfen wird. Sie sind sozusagen einhei-

72 73

KZG-Bestand Janssen, 2676, Protokoll der XIII. Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorger in Königstein am 19./20. Oktober 1953, 21 S. masch., Zitat S. 7. KZG-Bestand Janssen, 2676, Protokoll der XIII. Konferenz der Diözesanflüchtlingsseelsorger in Königstein am 19./20. Oktober 1953, 21 S. masch., Zitat S. 8.

Fazit, Einordnung, Ausblick

793

misch geworden. Die restlichen zwei Drittel sind wegen ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil sie noch vielfach Außenseiter der bestehenden Gesellschaft sind, unter der Last dieses wirtschaftlichen und natürlich auch politischen Schicksals nicht unbefangen für ihr politisches Urteil und damit auch für ihre politische Entscheidung.“74 Hervorgehoben hatte Sladek vor der Wahl vor allen Dingen die sozialen Verhältnisse in Deutschland, die in eine höchst akute Krise getreten seien, vor allem im Hinblick auf die Besitzverhältnisse. Ganz grundsätzlich formulierte er, dass die Menschen mit den anderen Menschen nicht mehr in der rechten Weise zusammenleben könnten, und zwar Menschen, die mehr haben, und Menschen, die weniger haben. Daraus entstehe die soziale Frage. „Wobei die akuteste Krise nicht entscheidend davon abhängt, dass die Armut bei den Vertriebenen am schlimmsten ist. Wahrscheinlich sind die Landarbeiter in Süditalien materiell noch viel schlechter gestellt. Es kommt dazu, dass die Heimatvertriebenen ja nicht Arme im gewöhnlichen Sinne sind, sondern arm Gewordene. So dass ihr Vorstellungsbild vom Leben, von ihrem Lebensrecht, von ihrem sozialen und materiellen Niveau bestimmt ist, das sie früher gehabt haben und darum das akuteste Stadium der sozialen Frage. Schicksalsmäßig aus ihrer eigenen Erfahrung, ihrer eigenen materiellen Not und vor allem aus dem Gefühl des sozialen Absturzes heraus, Außenseiter der Gesellschaft zu sein, drängen die Vertriebenen notwendig auf eine Neuordnung der sozialen Verhältnisse hin, daher also auf eine Umwandlung der bestehenden Verhältnisse in Westdeutschland.“75 Gerade in diesem Punkt hatte Sladek die Sorge, dass die CDU nicht die nötige Sensibilität für diese akute Aufgabe entwickeln könne, da die Führungsschicht in der CDU und aus der sich die CDU rekrutierte überwiegend Menschen der einheimischen Bevölkerung waren, die in den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen konsolidiert waren und darum kein Interesse an einer Umwandlung dieser Verhältnisse hatten – im Gegenteil. Das Dilemma also, das Sladek nicht so offen formulierte, vielleicht auch so nicht wahrgenommen hat, bestand darin, dass er vom religiösen, traditionellen Standpunkt her den Konservatismus bevorzugte, im sozialen Bereich aber nicht konservativ sein konnte. „Es kommt dazu, dass die beiden Volksschichten, auf die sich die CDU stützt, vor allem Volksmassen auf dem Lande sind, vor allem also die Bauern, und dass andererseits die Heimatvertriebenen ja zu 70 % in Ortschaften unter 4.000 Einwohnern untergebracht sind, so dass der entgegengesetzte gesellschaftlich-politische Gestaltungswille hier bei Einheimischen und Vertriebenen am schärfsten aufeinander prallt. Von daher die Zurückhaltung oder man kann sagen die Enttäuschung der Heimatvertriebenen gegen die CDU. Von daher die Vorstellung: die CDU ist die Partei der Besitzenden, ist die Partei der Reaktionäre. Mit der können wir ja gar nichts anfangen.“76 Die SPD hingegen, die ihrem Programm nach von vornherein die soziale Reformpartei, die Arbeiterpartei ist, angeblich die Partei der sozial Schwachen, wie Sladek formulierte, war vom Interesse, von der

74 75 76

Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 1. Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 2. Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 2.

794

Abschnitt VIII

Situation her der natürliche Partner für die Vertriebenen, wenn sie eine soziale Umwandlung und Neugestaltung wollten. So gebe es also eine Interessensgleichheit der Vertriebenen mit den programmatischen und parteipolitischen Interessen der SPD – was Sladek so nicht gut heißen konnte. Nun mussten die Vertriebenen die Erfahrung machen, dass sie nur mit Hilfe des Staates eine gewisse Gleichberechtigung, wenigstens eine grundsätzliche, und dann auch eine gewisse Sicherung ihres bloßen Lebens, die Ermöglichung eines Aufstehens erreicht haben. Von daher sei es verständlich, dass sie nicht das Subsidiaritätsprinzip, sondern vor allem die soziale Solidarität, die der Staat gewährleistet, bevorzugten. Auch im Hinblick auf den Europagedanken und auf die Europavorstellung konstatierte Sladek die größeren Affinitäten der Vertriebenen zur SPD als zur CDU. Das politische Konzept der SPD decke sich hier stärker mit der politischen Vorstellungswelt der sogenannten nationalen Kreise, die eine Wiederherstellung des wilhelminischen Deutschland, des Deutschland in den Grenzen von 1937, sich vorstellten. Diesem in den Augen Sladeks nationalstaatlichen, engstirnigen Denken steht der europäische Begriff gegenüber, wie ihn Adenauer pflegte, jedenfalls in der Interpretation Sladeks. Dort hänge die nationale Frage zusammen mit der Überwindung des Nationalstaates, wie sie in der Gegenwart der fünfziger Jahre aktuell sei. Vorrangig sei eine Konföderation in Europa, und dann werde sich auch der nationale Zusammenschluss zwischen West- und Ostdeutschland bewerkstelligen lassen. Ein geeintes Europa stehe für Adenauer notwendig vor einem geeinten Deutschland, beide Ziele aber strebe er an.77 Es ist deutlich festzustellen, dass es Sladek nach der Linderung der ersten Notlage und nach der Etablierung von Strukturen zur Vertriebenenseelsorge um die Markierung und möglichst weite Ausdehnung von Einflussbereichen ging. Das Rennen um

77

„Wie steht es bei der CDU, besser vielleicht bei der Regierung Adenauer mit der Wiedervereinigung – jetzt möchte ich eine ganz persönliche Meinung aussprechen. Ich weiß absolut nicht, ob das richtig ist, was ich jetzt sage – ich bin wirklich überzeugt, dass Dr. Adenauer eine zukunftsträchtige Politik macht. Dass er sich also nicht bestimmen lässt, von Dingen, die gestern waren und die er etwa heute wieder herstellen möchte, sondern er sieht die Einigung Europas wirklich als das entscheidende Ziel an und er weiß auch, dass dies eine Revolution des ganzen europäischen Denkens und Zusammenlebens der westeuropäischen Staaten und Völker bedeutet. Nun habe ich den Eindruck – das ist jetzt die ganz persönliche Meinung – weil ihm dieses Ziel vorschwebt und weil er überzeugt ist, dass das Schicksal nicht bloß des deutschen Volkes, sondern aller europäischen Völker angesichts des Bolschewismus und auch der ungeheuren Macht Amerikas von dem europäischen Zusammenschluss abhängt, darum stellt er dieses Ziel unbedingt an die erste Stelle und sogar vor die Frage der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland und zwar deswegen, weil er sich sagt, Frankreich und vielleicht auch die anderen westeuropäischen Staaten, werden kaum für eine europäische Einigung zu haben sein, wenn dieses Deutschland als ganzes Deutschland in diese Einigung hereinkommt. Wir müssen zuerst die europäische Konföderation herstellen, und wenn wir dann mal alle beisammen sind und keiner mehr ausspringen kann, dann wird auch die Frage der Wiedervereinigung mit der Russenzone gelöst werden können. Also das größere, das entscheidendere Ziel sieht er in Europa, nicht in der Einigung von Ost- und Westdeutschland.“ Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 5.

Fazit, Einordnung, Ausblick

795

die geistige weltanschauliche Ausrichtung und Leitung der Vertriebenen hatte begonnen. Der Blick richtete sich in erster Linie auf die angeblichen zwei Drittel, die noch nicht eingegliedert waren, die als Elendshaufen beschrieben wurden. Betroffen waren vielfach Intellektuelle.78 Bei den Sudetendeutschen und den Südostdeutschen sei die dünne Schicht der politisch aktiven Menschen seit Jahrzehnten im sogenannten Volkstumskampf gestanden, also der Verteidigung des eigenen Arbeitsplatzes, der deutschen Schule, der Rechte der deutschen Ethnie. Dieser Kontext erkläre auch, warum in der führenden Schicht vorwiegend Menschen der rechten, also der nationalen Kräfte tätig seien, Menschen, die zu einseitig auf ein Ziel hin fokussiert seien. Solche Vertreter meinte Sladek im Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) festmachen zu können – Menschen, die sich nach allen Seiten hin völlig offen halten, nur den unbedingten Willen zur Macht herausstellten. Sie wollten unter allen Bedingungen in die Regierung, in die Gestaltungsmacht hineinkommen, Einfluss bekommen. „Diese Führungsschicht der Vertriebenen hat es auch ungeheuer schwer, den anderen Weg zu gehen; denn sie haben ja keine verlässliche Gefolgschaft. Die Vertriebenen sind ja keine geschlossene Gruppe, sondern sie sind ja nur einig im Negativen, in dem, was sie verloren haben. Schon über den nächsten positiven Schritt gibt es und muss es hunderterlei Auffassungen geben, wobei selbstverständlich dazukommt, dass sie aus der Verbitterung, aus dem Leid, aus der Enge des Horizonts – da sie im Dorf sind – und aus dem Gegensatz zu den Einheimischen mit ihrem Dorfhorizont und ebenfalls ihrer Verständnislosigkeit mit Ressentiments gefüllt sind und gefühlsmäßig reagieren, stecken bleiben in der bloßen Forderung an andere.“79 Die Situation wurde in der Einschätzung Sladeks bestimmt von Erfahrungen, die die Vertriebenen machten – gerade auch auf dem Land, wo es schwierig war, in die dörfliche Gesellschaft hineinzuwachsen und mit den eigenen Anliegen in der dörflichen Gemeinschaft Akzeptanz zu finden, weil sich die Eingesessenen gegen den Lastenausgleich sträubten, oft im Verbund mit dem Bürgermeister, nicht selten auch im Verbund mit dem Pfarrer. Dort werde die Frustration steigen und die Bereitschaft bei den Vertriebenen sinken, die etablierten Parteien, die Regierungspartei, die CDU zu wählen. Sladek sprach in dieser Phase von Enttäuschung, Unzufriedenheit, nicht zuletzt mit dem Lastenausgleichsgesetz. Man hatte sich einen gerechten Lastenausgleich gewünscht, den sich die meisten Vertriebenen anders vorgestellt hatten, als ihn dann das Gesetz bewerkstelligen konnte.

78

79

„Die Menschen, welche die Führung über diesen Elendshaufen erstreben, zum Teil sogar wirklich errungen haben, das sind vielfach Menschen aus dem bürgerlichen Lager. Vielfach Intellektuelle, die auf die Art und Weise selber zur Geltung und evtl. auch zu einer Existenz kommen wollen. Und dabei ist weiterhin festzustellen, dass diese Schicht vielfach keine feste weltanschauliche Basis hat, dass es Leute sind, die auch im Dritten Reich in irgendeiner Weise im öffentlichen Leben gestanden haben, weil es ja immer nur eine dünne Gruppe von Menschen gibt, die politisch aktiv sind.“ Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 6. Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 7.

796

Abschnitt VIII

In diesem Kontext musste Sladek auch die katholische Trennung von Religion und Politik bedauern. „Die Katholiken stehen in den letzten Jahrzehnten stark unter der Tendenz, Religion von Politik zu trennen, auch die Einheimischen, auch unsere. Es kommt dazu, dass das nationalsozialistische Regime ein anderes Denken hat hineinbringen wollen in das ganze Volk. Die selbstverständliche Überzeugung, dass ein bewusster Katholik Zentrum wählt, wie das also vorher weithin da war, diese selbstverständliche Überzeugung wurde erschüttert und im Jahre 1945 auch noch weiterhin erschüttert. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, wie skeptische, vielfach katholische Kreise die CDU-Politik bis 1948/49, vielleicht sogar bis 1950 hinein kritisiert haben.“80 Das starke Interesse der heimatvertriebenen Katholiken für die Kulturfragen genüge nicht. Man könne nicht nur Heimat in der Kirche erhalten, man müsse auch vom Katholischen her zu einer klaren, politischen Aktivität vorstoßen. Einfluss wollte man also gerade auch auf die Landsmannschaften gewinnen, nicht zuletzt auf die sudetendeutsche, wo man hinter der autokratischen Führung des Dr. Lodgman von Auen81 zwar nicht eine Kontinuität nationalsozialistischen Gedankengutes, wohl aber ein sehr deutschnational orientiertes Denken wahrnahm und gleichzeitig das Bemühen von der Seite der landsmannschaftlichen Führung her, die Katholiken zu vereinnahmen. Schwierigkeiten erblickte man zur ostpreußischen Landsmannschaft, teils auch zur schlesischen Landsmannschaft hinsichtlich der konfessionellen Zusammensetzung, war doch die ostpreußische Landsmannschaft zu beinahe 100 % evangelisch orientiert, deswegen hatten sich die Ermländer zum Ermlandbund zusammengeschlossen.

4.4.

Ökumene in Königstein

Möglichkeiten zur Beschäftigung und zur Begegnung mit anderen Konfessionen gab es in Königstein häufig. Mit der Orthodoxie kam es zu zahlreichen und regelmäßigen Begegnungen mit ostkirchlichen Amtsträgern auf den Kongressen ‚Kirche in Not’, dort auch mit entsprechender Gestaltung der Liturgie. Die Chronik der Hochschule verzeichnete auch Dies orientales, an denen in orientalischem Ritus zelebriert wurde und eine Schola der Königsteiner Theologen mitwirkte.82 1964 wurde der Universitätsdozent Hans-Joachim Schulz mit einer Spezialvorlesung über byzantinische Liturgie betraut.83 Im gleichen Jahr votierte die Hochschulkonferenz für die Errichtung eines Lehrstuhls für orientalische Theologie zur fundierten und kontinuierlichen wissenschaftli-

80 81

82 83

Vortrag Pater Paulus Sladeks in KZG-Bestand Janssen, 2676, 13 S. masch., Zitat S. 9. Rudolf Lodgman von Auen (1877 – 1962), seit 1950 Erster Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Sudetendeutsches Archiv in München: Rudolf Lodgman von Auen – Ein Leben für Recht und Freiheit und die Selbstbestimmung der Sudetendeutschen. Nürnberg 1984. So vermerkt die Chronik der Hochschule einen solchen Dies orientalis für den 22. Februar 1959, an dem Dr. Peano in byzantinisch slawischem Ritus zelebrierte. Chronik der Hochschule, S. 88. Chronik der Hochschule, S. 124.

Fazit, Einordnung, Ausblick

797

chen Beschäftigung und nicht zuletzt im Blick auf die Unterweisung der Priesteramtskandidaten; der Lehrstuhl sollte mit Dr. Peano besetzt werden.84 Zu den Neuaufbrüchen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in Königstein85 gehörte ein ökumenischer Arbeitskreis, in dessen Rahmen Kindermann als katholischer Bischof in der Immanuel-Kirche in Königstein am 8. Mai 1967 predigte. Angekündigt war dieses Ereignis unter dem Titel „Katholischer Bischof auf evangelischer Kanzel“. Kindermann wollte damit an eine Königsteiner Tradition anknüpfen, die er als eine offene sah. Königstein habe immer die Weite der Ökumene besessen. Der Kontakt zu den Nichtkatholiken anderer Konfession wurde schon lange im Haus der Begegnung gepflegt. Es gab im Sommersemester 1967 ein eigenes Semesterthema in ökumenischer Perspektive, nämlich die Auseinandersetzung mit den Grundgedanken der Theologie Karl Barths, in die Dr. Hampel, der seine Dissertation zu diesem Thema verfasst hatte, einführte.86 Vom 4. bis 8. Juli 1967 fand in Königstein der 3. Ökumenische Kirchentag in Deutschland statt. Er stand unter dem Thema „Taufe“.87 Die Kooperation mit der Theologischen Hochschule in Oberursel zeigte sich nicht zuletzt in zahlreichen Gastvorlesungen des dortigen Hochschulrektors.88

4.5.

Königstein und der Prager Frühling

Die Situation in der ČSSR, in der Kirche der ČSSR, wurde in Königstein, soweit es möglich war und die Kontakte entsprechende Informationen übermitteln konnten, immer aufmerksam verfolgt. Dass die Offenheit des Prager Frühlings rasch wahrgenommen wurde, verwundert demnach nicht. „Als der sogenannte Prager Frühling 84 85

86

87 88

Chronik der Hochschule, S. 125. Dass die zweite Hälfte der sechziger Jahre auch in Königstein eine Reihe von Veränderungen mit sich brachte, kommt in der Ansprache des Rektors, Prof. Kroker, der für drei Jahre lang das Rektorat führte, ebenso zum Ausdruck, wie in verschiedenen Arbeitskreisen, die eingerichtet wurden, wie in den Ausflügen, die die Studenten zusammen mit den Professoren jedes Semester organisierten. Die Beschäftigung mit diesem Themenfeld ist bereits dokumentiert mit dem Beitrag von Adolf HAMPEL, Tod und Unsterblichkeit in der Lehre Karl Barths, in: Königsteiner Blätter XI (1965), S. 49-77. Vgl. dazu Signa, Semesterrundbrief WS 1967/68, S. 27. Dort auch ein Bild des Ankündigungsplakates für die Predigt Kindermanns in der Evangelischen Kirchengemeinde in Königstein. So hielt beispielsweise Prof. Manfred Roensch im Wintersemester 1969/70 eine Vorlesung über die römisch-katholische Kirche nach dem Konzil aus der Sicht eines lutherischen Theologen. Chronik der Hochschule, S. 143. Im Wintersemester 1970/71 las er über die Bedeutung der Eucharistie für das Verhältnis der römisch-katholischen und der lutherischen Kirche (Chronik der Hochschule, S. 147), im Sommersemester 1971 über die Zukunft der christlichen Kirche (ebd., S. 148) und im Wintersemester 1971/72 über das Amt der Kirche heute aus lutherischer Sicht (ebd., S. 149). – Zum theologischen Studium in Oberursel, das zeitlich parallel zu Königstein in Oberursel ausgebaut wurde vgl. Gilberto DA SILVA, Die Lutherische Theologische Hochschule Oberursel, in: Jahrbuch Hochtaunuskreis 19 (2011), S. 69-75.

798

Abschnitt VIII

anbrach, haben wir an unsere sudetendeutsche Priester ein Rundschreiben geschickt, in dem wir sie aufforderten, ihre Aufmerksamkeit mehr als bisher der alten Heimat zuzuwenden. Wir baten u.a. auch unsere Mitbrüder, wenn möglich, tschechische bekannte Priester auf einige Wochen einzuladen, um ihnen ein wenig Erholung zu bieten und um mit ihnen mehr in Kontakt zu kommen, auch wegen besserer Hilfeleistung.“89 Der Berichterstatter unterstrich, dass viele Mitbrüder dieser Aufforderung nachgekommen seien und Priester eingeladen hätten. Als Beweis für die Situation, die Atmosphäre, die Stimmung unter dem Klerus, wurde ein Antwortbrief eines tschechischen Priesters abgedruckt, der den Verfall der Kirchenbauten und die bedrückende Lage, die Verzweiflung des Klerus zum Ausdruck bringt. Das neue Aufatmen nach zwanzigjähriger Verfolgung, Einschüchterung und Angst, die Situation des Prager Frühlings wurde verständlicherweise sehr rasch registriert. Auch der bald darauf wieder einsetzende Winter, der bereits die Nummer 5 der ‚Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes’ vom November 1968 in den ‚Kurznachrichten aus der alten Heimat’ bestimmte.90 Verbesserungen werden dort zwar gemeldet, manche Arbeiterpriester könnten wieder als Seelsorger wirken. Der Numerus Clausus bei der Aufnahme der Theologiestudenten ins Seminar, das Priesterseminar in Leitmeritz als einziges für ganz Böhmen und Mähren, sei gefallen. Daraufhin gab es über hundert Anmeldungen. Auch die Anmeldungen zum Religionsunterricht seien sprunghaft gestiegen. Gleichzeitig aber wird die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass in vielen ehemals deutschen Pfarreien die Gemeinden schwinden, die Kirchen baufällig und reparaturbedürftig sind. „Dazu steht nun der atheistische Kommunismus mit dem Aufgebot ungeheurer Macht im Lande. Neue Angstpsychosen setzen ein. Die Angst, wieder verhaftet zu werden, greift um sich. Unsere Aufgabe: Die alte Heimat dürfen wir in unseren Gebeten nicht vergessen. Dort liegen unsere Toten, die Eltern und Verwandten. Dort steht unsere Heimatkirche, mit uns verbunden durch so viele Ereignisse im Leben.“91 Nicht Schadenfreude solle die Stimmung prägen, sondern die Einsicht, dass das Land mit seinen Leuten bitter bezahle, was vor zwanzig Jahren aus blindem Hass angerichtet worden sei. Die Vertriebenen wurden davor gewarnt, Böses mit Bösem zu vergelten. Vielmehr dominierte der Appell, das Böse durch das Gute zu überwinden. Selbstverständlich wurde auch immer wieder über das Schicksal der Oberhirten in den tschechischen Diözesen berichtet, die ihren Dienst nicht ausüben konnten. Umso erfreuter war man 1968, als am 1. September Bischof Trochta92 von Leitmeritz wieder in seine Diözese zurückkehren konnte. Mit großer Sorge verfolgte man die Verschlechterung der kirchlichen Lage seit dem Einmarsch der russischen Truppen. Berichtet wird von den Fortschritten, etwa dass in Olmütz eine Filiale des Leitmeritzer

89 90 91 92

Zur kirchlichen Lage in unserer Heimat, in: Sudetendeutsches Priesterwerk 4 (1968), S. 86. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 5 (1968), S. 124. Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 5 (1968), S. 124. Štěpán Trochta (1905 – 1974) war seit 1947 Bischof von Leitmeritz. Jaroslav NOVOSAD, Štěpán Trochta. Praha 2001.

Fazit, Einordnung, Ausblick

799

Priesterseminars eröffnet werden konnte, dass die Neuanmeldungen für die Theologie deutlich zugenommen haben, ihnen keine Schwierigkeiten gemacht werden. Es wird von Fronleichnamsprozessionen in der Slowakei berichtet, die sich 1969 zu wahren Triumphkundgebungen entwickelt hätten. Wallfahrten konnten wieder durchgeführt werden. Diese Entwicklungen wurden mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen. Freilich musste man in der ersten Nummer des Jahres 1971 in einer ausführlichen Rubrik ‚Nachrichten aus der alten Heimat’ berichten, dass das Prager Kultusamt erhebliche Beschränkungen des kirchlichen Wirkens verfügt habe. Der Priestermangel sei zunehmend zu spüren, die Theologische Fakultät in Olmütz gehe wieder ihrem Ende entgegen, das Sekretariat der Ordensleute in Prag müsse aufgelöst werden, die ehemals führenden Friedenspriester bekommen wieder ihre Posten und Aufgaben.93 Woher kamen die Nachrichten? Quellen sind nur zum Teil angegeben. Die wenigsten Mitteilungen kommen von Nachrichtenagenturen, wie Kathpress oder KNA. Teils waren Berichte aus tschechischen Zeitschriften die Informationsgrundlage, die meisten Nachrichten aber erfolgen ohne Angabe der Quelle.

93

Nachrichten aus der alten Heimat, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 1 (1971), S. 15-18.

BILDTEIL

Abb. 24: Postkarte des Albert-Magnus-Kollegs

Abb. 25: Sie kamen aus grosser Bedrängnis. Die Verheissung der Apokalypse prägt das Grabmal für Bischof Maximilian Kaller und Weihbischof Adolf Kindermann auf dem Friedhof in Königstein.

802

Bildteil

Abb. 26: Die Katharinchen waren eine zentrale Stütze der Infrastruktur in Königstein. Die Großküche musste täglich für etwa 600 Menschen kochen.

Abb. 27: Die Kollegskirche im Bau: von der Lagerhalle zum Gottesdienstraum

Bildteil

Abb. 28: Ein Blick auf die erste Ausstattung der Kollegskirche

Abb. 29: Der Altarraum und die Schutzmantelmadonna in der Kollegskirche

803

804

Bildteil

Abb. 30: Haus Werenfried als Gästehaus

Abb. 31: Blick in den Speisesaal

Bildteil

Abb. 32: Modell des Hauses der Begegnung

Abb. 33: Haus der Begegnung

805

806

Bildteil

Abb. 34: Der Engel mit Posaune an der Fassade des Hauses der Begegnung sollte aufrütteln und die eschatologische Relevanz der Königsteiner Arbeit unterstreichen.

Abb. 35: Die gemeinschaftlichen Waschräume waren nach Kasernenart einfach ausgestattet.

Bildteil

Abb. 36: Blick in die Kapelle für die Schwestern

Abb. 37: Gottesdienst in der Kollegskirche

807

808

Bildteil

Abb. 38: Die Buchhandlung bot nicht nur geistige Nahrung für die Schüler und Studenten, sondern auch geistliche für die Priester, die zu Tagungen und Einkehrtagen nach Königstein kamen wie auch für die Wallfahrer, die dort auch Devotionalien erwerben konnten.

Abb. 39: Kolleg mit Landschaft und Stadt Königstein und Menschen im Vordergrund

Bildteil

Abb. 40: Unterhaus, in dem bis zum Schulneubau das Gymnasium und Schülerkonvikt untergebracht waren

Abb. 41: Das Oberhaus – Herberge für die Hochschule, das Priesterseminar und die Professoren

809

810

Bildteil

Abb. 42: Bildschirmtext zu einem der Kongresse „Kirche in Not“

Abb. 43: Bildschirmtext zu einem der Kongresse „Kirche in Not“

Bildteil

Abb. 44: Bildschirmtext zu einem der Kongresse „Kirche in Not“

Abb. 45: Schautafeln mit Betrachter während eines Kongresses „Kirche in Not“

811

812

Bildteil

Abb. 46: Blick in den Kongresssaal während eines Vortrags

Abb. 47: Dacharbeiten, um Zimmer für die Studenten zu gewinnen

Bildteil

Abb. 48: Große Bauarbeiten – ein Charakteristikum der Königsteiner Einrichtungen

Abb. 49: Kapellenwagenarmada und VW-Käfer für Priester in der Diaspora

813

814

Bildteil

Abb. 50: Ausklappaltar an einem Kapellenwagen

Abb. 51: Große und kleine Kapellenwagen mit Blick auf das Unterhaus

Bildteil

Abb. 52: Schöner Gesamtüberblick des Geländes

Abb. 53: Sport oder Freizeitgestaltung der Gymnasiasten im Sommer

815

816

Abb. zum

1

Bildteil

54: Artikel und Modell-Abbildung geplanten Neubau des Schulgebäudes, Taunuszeitung, 31.8.19631

Der Zeitungsartikel KZG Bonn, Akten Königstein, Bischofszimmer, 14.2 106.

QUELLEN

Archivalien Kommission für Zeitgeschichte, Bonn (KZG) Reichsverband für das Katholische Deutschtum im Ausland A.IV.5. Reisen und Reiseberichte f) Reise Prälat Dr. Büttner nach dem Protektorat Böhmen und Mähren, Ungarn, Rumänien und Jugoslawien 30.09.-24.10.1940 D. Seelsorgsstellen im Ausland und Volkstumsarbeit XXII Tschechoslowakei und Nachfolgegebiete u.a. Amtsblätter der Erzdiözese Prag 1941 2) Nachfolgegebiete bis Kriegsende cc) Prof. Dr. Kindermann, Prag, 1939-44 D XI Seminar – Konvikt St. Albertus Königstein der Bestand umfasst vier Kartons 1a) Pläne 1b) Korrespondenz mit dem Architekten der erste Brief datiert 26. August 1946 1c) Pläne 1d) Pläne 1e) Pläne 1f) Pläne 1g) Pläne 2a) Theologische Fakultät Februar bis Mai 1946 2b) Theologische Fakultät Juni 1946 bis Februar 1947 3 Seminar und Konvikt. Allgemein. 1946-47 4. Albertus-Magnus-Kolleg. Allgemein. Nov. 1947 – Feb. 1949 5. Seminar und Konvikt. Allgemein 1947 – 49 6. AMK. Allgemein 1948-52 7 AMK. Allgemein 1953/54 8a)Seminar und Konvikt. Verhandlungen mit kirchlichen Stellen. März – Mai 1946 8b) dto Juni – Juli 1946 8c) dto Aug. – Dez. 1946 8d) dto Jan. – Aug. 1947

818

Quellen

9) Verhandlungen mit weltlichen Stellen 1946/47 10a) Finanzangelegenheiten 10b) Finanzministerium Wiesbaden (v.a. Inventarlisten) 11a) Seminar und Konvikt. Professoren und Dozenten- A-Kl 11b) dto Ko-Z 12 Unterricht und Unterrichtskräfte 13a) Studienräte A-O 13b) Studienräte S-Z 14) Seminar und Konvikt. Schwestern 15 Personalangelegenheiten. Lehrkräfte A-z 1946-47 (es geht v.a. um Lohnsteuerkarten) 16) Angestellte, Handwerker, Arbeiter 17a) Lohn- und Gehaltskarten A-R 17b) dto S-Z 17c) dto (Wochenkarten) A-Z 18) Verwaltungsangelegenheiten 1946-48 19) AOK Bad Homburg 20 Nassauische Landesbank Kontoauszüge 21a) Aufstellungen und Bilanzen 21b) Aufstellungen und Bilanzen 1947 21c) dto 22a-d) Inventaraufnahmen und Neuanschaffungen Unter- und Oberhaus 23) Verpflegung/Ernährungslage 24) Portokasse 1946-48

Einrichtungen Königstein Bestand Janssen I. Akten der Vorgänger 2020 umfassend die Jahre 1949-1957 2026 1957-1965 Prälat Dr. Gustav Braun, Würzburg 2027-2028 Vertriebenenseelsorge Bischof Döpfner 2041 Prälat Franz Hartz 1952-1953 2051 dto. 1952-1954 2053 dto. 1945-1949 2054 Bischof Ferdinand Dirichs 2062-2065 Arbeitsstelle Süd 1950er Jahre 2066-2068 Arbeitstelle Nord 1951-1958 2243 Dienststelle 1959 2246 Dienststelle 2671 Korrespondenz Hartz 1949/50 2672 Korrespondenz Hartz 1951-1953

Quellen

819

2673 Katholische Nachrichtenagentur (KNA) Informationsdienst, Kath. Auslandssekretariat, Rumänisch-Katholische Mission etc. 2674 Bauorden Pressemitteilungen u.a. 2675 Korrespondenz mit der Internationalen Katholischen Kommission für Wanderungsfragen (aus dem Amt Braun) 2676 Diözesanvertriebenenseelsorger/Tagungen (aus dem Amt Gustav Braun, Würzburg) 2677 Vertriebene Laien 1946-1953. u.a. Bittgesuche von Vertriebenen 2689 Hedwigswerk Freiburg 2693 Königsteiner Institut. Süd- und ostdeutsche Abteilung 2722 Seminar Königstein 1949-1953 2723 AMK Königstein 2732 Priesterreferat 1947-1958 2733 Ostpriesterhilfe 2734 Ostakademie II. Vertriebenenbischof Janssen 2001 Diözesan-Vertriebenenseelsorger-Konferenzen 1957-1982 2007 Königsteiner Anstalten 1957-1979 2008 Königsteiner Anstalten 1979-1983 2076 Ostpriesterhilfe 2078 Neuordnung der Königsteiner Anstalten 1947-1979 2122 Bensberger Memorandum 1966-1969 III. Dienststelle Franz Ziegler 2399 Arbeitskreis Zentralkomitee deutscher Katholiken Kirche und Heimat 19561962 2401 Katholikentag Stuttgart 2544 Philosophisch-Theologische Hochschule – Lehrkräfte 2545 dto. – Theologen 2546 dto. – Vorlesungsverzeichnis 2547 Priesterseminar – Regens 2548 dto.- Theologen 2549 AMK Gymnasium 2553 Schlesisches Priesterwerk 1961-1968 2554 Schlesisches Priesterwerk. Satzungen von 1957 und 1961 2555 Schlesisches Priesterwerk Jahresberichte 1961-1962 2556 Sudetendeutsches Priesterwerk 1960-1962 2557 Südostdeutsches Priesterwerk 1964-1966 2562 Bauorden 1960-1963 2563 Ostakademie Königstein 1965-1967 2590-2591 Dienststelle. Übergang von Braun an Ziegler 2637 Bischofsweihe Kindermann

820

Quellen

Albertus-Magnus-Kolleg A. Korrespondenz v.a. Redaktion der Zeitschriften B. Bildarchiv C. Akten Bischofszimmer 1.193 liegende Aktenhefter 2.194 liegende Aktenhefte außerhalb der A-Reihe (ganz unterschiedliche Betreffs eines nicht aufgeräumten Schreibtisches) 4. 196 liegende Akten v.a. Abrechnungen, Rechnungsprüfungen, KFR Rechnungsbelege 1974-1976; KFR Geschäftsstelle 1965/66 von Würzburg nach Lorch/Geisenheim (also von Braun zu Nahm Geschäftsführer des KFR seit 1948 Braun; 1977 wurde die Geschäftsstelle nach Königstein verlegt 7.199 liegende Akten (Korrespondenz mit Dr. Norbert Bartel et alia) 6.198 Anstellungsverträge, Privatschulgesetz, Geschäftsordnung, Finanzierung der Bischof-Neumann-Schule, Bettelaktion für BNS 8.200 10 Jahre Phil. theol. Hochschule Königstein 11. 203 liegende Akten diverses darunter umfangreicheres Bündel zum Förderkurs für polnische Spätaussiedler ca. 1959-1962; kleinerer Faszikel zum Studentenwerk, gegründet als e.V. am 17.1. 1950. 12.204 u.a. Landtagsprotokolle in der Kaufsache, Kaufverhandlungen mit dem hessischen Finanzministerium E. Katholischer Flüchtlingsrat G. Geschäftsführung AMK 756 Goldenes Buch: Spender über 1000 DM (teils ab DM 100,- ) sind eingetragen von 1981-1984 755 Korrespondenz Vorsitzender Karl Kindermann 753 Korrespondenz wegen und mit den polnischen Josefsschwestern 1981 bis 1990 752 Schreiben Pieschl: ausschließl. genehmigungspflichtige Sachverhalte 774 Institut für Ostkunde-Korrespondenz nicht umfangreich von 1980 bis 1984; 776 Korrespondenzen, überwiegend mit Spendern; 777 Korrespondenzen alphabetisch, u.a. mit Sudetendte. Landsmannschaft 791 Korrespondenz mit der Stadt Königstein 790 Korrespondenz mit der OPH 795 sämtliche Protokolle der Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen des AMK von 1947 bis 1970 798 Protokolle 1980 bis 1987 796 Protokolle 1971-1978 809 AMK/HdB Arbeitsgruppe Königstein des VDD 1982-92 811 Sanierung der Finanzen, Darlehen, Zuschüsse 1979-83 812 Schriftwechsel mit dem Bistum Limburg 1979

Quellen

821

813 Schriftwechsel mit dem Bistum Limburg 1980 821 Korrespondenz Hackenberg 1977/78 823 Korrespondenz Kindermann vorrangig mit Frings 1005 Korrespondenz 1949-1981 1022 Korrespondenz P. Norbert Schlegel 1025-1032 Korrespondenz mit VDD 1976-1991 1045 Neuordnung der Königsteiner Anstalten 1977-1979 1054 Tod Weihbischof Kindermann 1055 Korrespondenz Kindermann 1950-1969 1105 umfasst zehn Kartons, Teil-NL Lieball1; Exzerpte, Texte für Kunstführungen, Vorlesungsmanuskripte etc. H Buchhandlung J Institutum Balticum 1700 Beiratssitzungen, Tätigkeitsberichte 1960-1995 Bestand Philosophisch-Theologische Hochschule I. Studenten 3016 Signa 1970-1972 3088 Bescheinigungen der Pfarrer, wie sich die Theologiestudenten in den Ferien geführt haben, v.a. für 1951 3089 Briefwechsel aus der Anfangsphase (1947) 3113 Semesterberichte 3150 AStA 1963-1973 3152 dto. 1959-1970 3376 Anträge AStA 1970 3377 AStA 1971-1972 II. Lehrbetrieb 3011 Ostdeutsche Kirchengeschichte 3089 1946-1947 Gründung eines theologischen Kurses 3113 Semesterberichte des Priesterseminars vom WS 57/58 bis SS 1965 3115 Messordnung, Predigtliste, Tagesordnung Priesterseminar 3119 Vorlesungsverzeichnisse komplett 3138 Studien- und Prüfungsordnung 3139 Stundenplan, Vorlesungsplan, Examenstermine 1948-1950

1

Josef Lieball, 1905 in Schluckenau geboren, studierte Philosophie und Theologie in Rom, nach der Vertreibung in Wien, leitete jahrelang die Klemensgemeinde in Österreich. Studium der Kunstgeschichte und Archäologie in Frankfurt und Rom, habilitierte sich in Wien. Kindermann holte ihn als Lehrer am Gymnasium und an der Hochschule nach Königstein.

822

Quellen

3140 dto. 1950-1969 3141 Einladungen, Tagesordnungen der Hochschulkonferenzen, teils auch der Professorenbesprechungen; 3165 bis 3167 Semesterberichte, Hochschulchronik 3219-3228 Obersenior 3240 Protokollbücher 3244 Priesterseminar Anregungen 3272 -3273 Leitlinien für die Priesterausbildung 1967-1976 3344 Handreichungen für die Regenten 3242 Seminar- und Zulassungsarbeiten, va. Kirchenrecht/Braunstein 3243 Korrespondenz Kindermann, Tätigkeitsberichte, Protokolle der Mitgliederversammlungen 1969-1971 3344 Regentenkonferenz, Seniorenkonferenz, Seminarkonferenz (Notizhefter) III. Geschäftsführung 3003 Erfurt, Neuzelle, Schriftverkehr, i.d.R. ist der Regens der Adressat Anfragen wegen Stipendien, Theologenlisten, 1955 Bücher aus der Bibliothek Königstein nach Neuzelle 3141 Hochschul- und Professorenkonferenzen 1950-1978 3166 Chronik Hochschule 3169 Hochschulkonferenzen 1961-1973 3175 Hochschule 1947-77 3240 Protokollbuch WS 1955/56 bis WS 1970/71 3241 Protokollbuch Hochschulkonferenz ab SS 1971 pro Semester zwei Konferenzen bis WS 1977/78 93 Seiten handschriftlich 3298 Generelles. Korrespondenz Regens Ganse (seit 1957 Regens) Mit Schwestern in den Niederlanden von dort Geldspenden zu Weihnachten und Ostern, auch Kleiderspenden; Messgewänder. Die Korrespondenz mit Görlitz lief über Domkapitular Wuttke, Berlin - es geht v.a. um Stipendien aus dem Unterstützungsfond der Erzdiözese Breslau. Im September 1966 warb Regens Kruschina mit Schreiben an die jugoslawischen Bischöfe und Ordensoberen der Franziskaner um Alumnen für Königstein. 3299 Seminar Hochschule allgemein 1973-1981 darin eine vollständige Liste der Königsteiner Priester, Hochschulordnung, Verzeichnis der Rektoren 3314 Vatikanmission Korrespondenz Kindermann-Muench, Kindermann-Bafile meist Glückwunschschreiben, Bitten um Spenden (Kleiderpakete), Messintentionen 3350 Rektoratsordner 1947-1978. Übergabe-Akten, Studienordnung; Hochschulordnung; 3353 Auszüge aus Hochschulkonferenzprotokollen 3422 Hochschulkonferenzprotokolle 3382 Grundordnungen

Quellen

823

Archiv des Deutschen Caritasverbandes Freiburg (ADCV) 379.3 Kirchliche Hilfsstelle Frankfurt/München 379.31 Katholischer Flüchtlingsrat 379.32 Päpstlicher Sonderbeauftragter

Erzbischöfliches Archiv Freiburg G 55.44 Vol. 1

Historisches Archiv des Erzbistums Köln (HAEK) Gen. II 23.23a, 47 Gen. II 23, 29c, 1 Ostpriesterhilfe, Speckpater – u.a. Meldungen der KNA Cabinetts-Registratur II: Flüchtlingsseelsorge, Studium ostdeutscher Theologen und Geistlicher, Ostdeutsche Geistliche CR II 2.19,3 CR II 2.19,6 CR II 2.19,7 CR II 2.19,12 CR II 2.19,13 CR II 16. 34,2 CR II 16.34,3 CR II 16.34,4 CR II 25.20b,6 CR II 25.20b,7 CR II 25.20b,8 CR II 25.20b,9a CR II 25.20b,12 CR II 25.20b,33 Protokolle KFR CR II 25.20d,1 CR II 25.20d,2 Arbeitsbericht Königstein 1949; Frings sondiert die Meinung seiner Amtskollegen zu Königstein CR II 25.20d,3 Studium ostdeutscher Theologen und Geistlicher CR II 25.20d,4 St. Albert-Schule; Memorandum der Bischofskommission für die Königsteiner Anstalten 1953 CR II 25.20d,5 Studium ostdeutscher Theologen 1955-1957 CR II 25.20d,6 Studium ostdeutscher Theologen 1955-1957 CR II 25.20d,7 Studium ostdeutscher Theologen 1957-1959 CR II 25.20d,8 Kirche in Not, Architektenpläne für die Königsteiner Anlagen aus dem Jahr 1947 CR II 25.20e, 2a Ostpriesterhilfe, Bonifatiusverein

824

Quellen

CR II 25.20e, 3 Ostdeutsche Geistliche 1949-1952; u.a. Protokolle der Konferenzen der Diözesanvertriebenenseelsorger CR II 25.20e, 4 Ostdeutsche Geistliche; Arbeitsbericht Königsteins für 1952; Bericht über die Kapellenwagenmission 1952 CR II 25.20e, 5 Ostdeutsche Geistliche 1953-1956 CR II 25.20e, 6 Ostdeutsche Geistliche; Weihnachtsworte Frings‘ an die Heimatvertriebenen CR II 2. 16. 34,4 Einladungen zu KiN; umfangreiches Material zur Situation der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang CR II 2. 16. 34,3 u.a. Predigt Frings‘ in Werl 1953 CR II 18. 146, 1 Prämonstratenser 1952-59 Berichte über Bauorden; Jahresberichte und Prospekte des Bauordens CR II 2. 19,3 gedruckte Protokolle der Plenarkonferenz der Bischöfe 1945-58 CR II 2. 19,6 Protokolle der Bischofskonferenz 1947 CR II 2. 19,12 Protokolle der Bischofskonferenz, Protokolle der Beratungen der westdeutschen Bischöfe CR II 2. 19,13 Protokolle der Bischofskonferenz, Protokolle der Beratungen der westdeutschen Bischöfe Aus der Registratur wurden eingesehen:

Kartons zu Katholische Arbeitsstelle Nord Landsmannschaften Sudetendeutscher Tag Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte Kirchenbuchamt Katholisches Lagerwerk Protokolle Katholischer Flüchtlingsrat

Archiv der Stadt Königstein Dokumentation zur Kollegskirche Dokumentation zur Ostakademie Bestände der Taunuszeitung Dokumentation zum Haus der Begegnung

Diözesanarchiv Limburg Generalia Heimatvertriebene Allgemeines 16 A / 1-5. Dazu die entsprechenden Bestände der Registratur. Teilweise Parallelüberlieferung zum Bestand Königstein; besonders umfangreich seit 1983, als Weihbischof Pieschl mit der Vertriebenenseelsorge beauftragt wurde Diverses aus Bestand Pieschl als Beauftragter für Vertriebenenseelsorge

Quellen

825

Diözesanarchiv Mainz Priesterreferat Königstein, AMK Königstein, Päpstlicher Beauftragter für Flüchtlinge

Archiv der Ackermann-Gemeinde München Benützt habe ich den Bestand über ein vorläufiges Findbuch – Stand 30. März 2011 – im Umfang von 107 Seiten. Nr. 1135 und 1136 Kirche in Not/Ostpriesterhilfe Schriftverkehr, Kongresse KiN, Protokolle Mitgliederversammlungen, v.a. 1980er und 1990er Jahre Nr. 1179 AG Hessen; Korrespondenz Hackenberg Katholische Aktion im Bistum Limburg; Aktion Kirche und Heimat; sehr viele Zeitungsartikel; eine Art Dossier. Nr. 1184 Korrespondenz Hackenberg 1979-1983 Nr. 572 Nachlass Professor Rabas

Archiv der Hanns-Seidel-Stiftung, München Nachlass Hans Schütz Union der Vertriebenen

Archiv Ermlandhaus Folgende Ordner zu Kaller wurden vor der aktuellen Verzeichnung der Archivalien eingesehen: Ordner 1: Ordner 2:

Ordner 3: Ordner 4-7: Ordner 8-9:

Kindheit in Beuthen Seminarzeit Breslau Kaplan in Groß Strehlitz Persönliches Korrespondenz mit Sr. Walfrieda/Fribourg Zeugnis 1942 = Schreiben an Nuntius wg. Nichtarierseelsorge (unterschiedliche Entwürfe) Breslau, Priesterseminar = Kleineidam, Fakultät Pfarrer in Rügen (3 Ordner von Pfr. Gehrmann/ Kopien Chronik) Pfarrer in St. Michael, Berlin (größtenteils Kopien und Auszüge aus Sekundärliteratur, Kath. Kirchenblatt f. Berlin, Germania, Kopie

826

Quellen

Handbuch des Bistums Breslau für 1926, 1928ff; Festschriften St. Michael, Artikel aus dem Petrusblatt, Michaelsbote aus den 1980er etc.) Ordner 10: Prälat in Tütz/Schneidemühl Ordner 11: Kaller in Schneidemühl: Bekanntmachungen/Johannesbote Dazu je ein Ordner Laienzeugnisse und Priesterzeugnisse A1 bis A 25 Korrespondenz Kallers mit Priester und Laien 1945 bis 1947; daraus v.a. A 25/171, Korrespondenz Kaller – Königsteiner Anstalten, 1946 – 1947 A 25/172, Korrespondenz Kaller betr. Königsteiner Anstalten, 1948 A 25/173, Nachlaß Kaller betr. Königsteiner Anstalten, 1946 – 1947 A 31/216, Deutscher Caritasverband Abteilung Flüchtlingshilfe, 1946 – 1948 A 31/221, Kaller / Fittkau - Korrespondenz mit Bonifatiusverein, 1945 – 1948 A 31/222, Kaller / Fittkau - Korrespondenz mit Bonifatiusverein, 1946 – 1948 A 32/225/226, Betr. Notkirchenbau, 1946 A 32/227, Flüchtlingswallfahrten, 1946 – 1947 A 32/228, Betr. Flüchtlings-Gesang- und Gebetbuch, 1946 – 1948 A 35/246, Kaller – Hirtenbriefe, Rundschreiben an den Klerus, Rundfunkansprachen (auch Entwürfe), 1945 – 1947

Archiv der Katharinerinnen, Münster Die Archivalien befinden sich im Mutterhaus der Katharinerinnen. Sie bestehen aus dem Briefwechsel zwischen der Provinzoberin und der Schwesterngemeinschaft in Königstein im Taunus bzw. der Leitung des Albertus-Magnus-Kollegs in Königstein im Taunus vom September 1946 bis zum Dezember 1975. Der Briefwechsel unter der Signatur 1 18/35. In der Chronik sind gerade einmal drei Seiten für Eintragungen über das AlbertusMagnus-Kolleg in Königstein im Taunus bestimmt. Davon nimmt den größten Teil die Erwähnung der Rahmendaten der äußeren Entwicklung Königsteins ein. Die „Fahrende Kirche“ wird ausführlich berücksichtigt.

Archiv des Visitators für die schlesischen Katholiken, Münster Karton Heimatwerk Schlesischer Katholiken Karton Königstein Karton Diözesanvertriebenenseelsorger Karton St. Hedwigswerk Bestand zu Schlesischem Priesterwerk

Quellen

827

Institut für Kirchengeschichte Böhmen – Mähren – Schlesien. Haus Königstein, Nidda Chronik der Hochschule in Ablichtung Prager Kirchenblatt Briefwechsel Kindermann (nur eingeschränkt benutzbar) div. Dossiers

Diözesanarchiv Osnabrück Generalia 06 – 36 – 46 – 82 Korrespondenz Büttner –Berning und Büttner – Kaller im Dissens um Zuständigkeiten in Königstein 06 – 36 – 46 – 83 reiches Unterschriftenmaterial/Eingaben zur Rettung der Kirchlichen Hilfsstelle nach der Währungsreform 1948 – vorgedruckte Formulare zum Sammeln der Unterschriften und zahlreiche handschriftliche Briefe. 06- 36 – 46 – 84 Kollekten in den Diözesen für die Kirchliche Hilfsstelle 1949; Arbeitsbericht, Aufgabenstellung der Kirchlichen Hilfsstelle 1949

Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg Personalakten

Diözesanarchiv Rottenburg (DAR) Akz. 8/1991 Nachlass Kruschina

Archiv für das Bistum Passau OA Varia 1,18f. OA, Nachlass Bischof Simon Konrad 359

LITERATUR

A ABELSHAUSER, Werner: Die langen fünfziger Jahre: Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1966. Düsseldorf 1987. ABMEIER, Hans Ludwig: Hans Lukaschek, in: Johannes GRÖGER u.a. (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6. Sigmaringen 1992, S. 65-69. ACKERMANN, Richard: Gott geht mit uns, auch in die Katastrophe, in: Glaube und Heimat. Zeitschrift der Heimatvertriebenen des Böhmerwaldes 27 (1975), Nr. 12, S. 333335. ACKERMANN, Volker: Integration: Begriff, Leitbilder, Probleme, in: Klaus J. BADE (Hg.), Neue Heimat im Westen: Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler. Münster 1990, S. 1436. ACKERMANN-GEMEINDE U.A. (Hg.): Marienbader Gespräche. Prag 1998. ACKERMANN-GEMEINDE (Hg.): Hans Schütz – Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit. Gewerkschaftler, Sozialpolitiker, Jungaktivist, Vertriebenenpolitiker, Europapolitiker. München 1982. ACKERMANN-GEMEINDE: Weg und Ziel. München 1970. Ackermann-Gemeinde im Jahre 1953. Ein Rechenschaftsbericht, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 5 (1954), Nr. 2, S. 1-4. ADALBERT-STIFTER-VEREIN AUGSBURG E.V. (Hg.): Festschrift 40 Jahre Adalbert-StifterVerein Augsburg e.V. Augsburg 1992. ALBERIGO, Guiseppe (Hg.): Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959 – 1965), Band I, Die katholische Kirche auf dem Weg in ein neues Zeitalter. Die Ankündigung und Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils (Januar 1959 – Oktober 1962). Mainz, Löwen 1997. Deutsche Ausgabe hg. v. Klaus Wittstadt. ALBERT, Marcel: Ildefons Herwegen, in: Sebastian CÜPPERS (Hg.), Kölner Theologen. Von Rupert von Deutz bis Wilhelm Nyssen. Köln 2004, S. 356-387. ALBERTUS-MAGNUS-KOLLEG KÖNIGSTEIN (Hg.): 8. Königsteiner Schematismus. Königstein 1988. ALLHEIT, Peter u.a.: Gebrochene Modernisierung – Der langsame Wandel proletarischer Milieus. Eine empirische Vergleichsstudie ost- und westdeutscher Arbeitermilieus in den 1950er Jahren, 2 Bde. Bremen 1999. ALTERMATT, Urs (Hg.): Moderne als Problem des Katholizismus. Regensburg 1995. ALTERMATT, Urs: Katholizismus: Antimodernismus mit modernen Mitteln? in: Urs ALTERMATT u.a. (Hg.), Moderne als Problem des Katholizismus. Regensburg 1995, S. 33-50. AMMON, Herbert: Politisch-psychologisch brisant. Beim Thema Vertreibung weist die deutsche Zeitgeschichtsschreibung große Defizite auf, in: FAZ 24. August 1998, S. 9. AMOS, Thomas: Ernst Jünger. Reinbek 2011.

Literatur

829

An alle Akademiker in der Ackermann-Gemeinde, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 10 (1959), Nr. 4, S. 5. Arbeit, Leistung, Rekorde. Fragmente über uns, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 6 (1955), Nr. 10, S. 2. ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EICHENDORFFGILDEN (Hg.): Schlesien als Erbe und Aufgabe. Was ist und will die Eichendorffgilde? Grundsätze und Werkmaterial. München o.J. [1952] ARBEITSGEMEINSCHAFT DER KATHOLISCHEN VERTRIEBENENORGANISATIONEN DER DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART (Hg.): Kirche – Heimat. Über 40 Jahre Wallfahrt der Vertriebenen und Aussiedler zum Schönenberg bei Ellwangen. Eine Dokumentation. O.O. 1988. ARBEITSKREIS FÜR KIRCHLICHE ZEITGESCHICHTE MÜNSTER: Katholiken zwischen Tradition und Moderne. Das katholische Milieu als Forschungsaufgabe, in: Westfälische Forschungen 43 (1993), S. 588-645. ARETZ, Jürgen: Herbert Czaja (1914 – bis 1947), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern, Band 9. Münster 1999, S. 290-311. ARNOLD, Franz-Xaver: Fremde in der Heimat – Heimat in der Fremde (Vortrag vor der Eichendorff-Gilde in Stuttgart), in: Christ unterwegs 13 (1959), 1, S. 1ff. ARNOLD, Franz Xaver: Das Schicksal der Heimatvertriebenen und seine Bedeutung für die katholische Seelsorge. Stuttgart 1948. ASCHOFF, Hans Georg: Überlebenshilfe: Flüchtlinge, Vertriebene, Suchdienste, Kriegsgefangene und Internierte, in: Erwin GATZ (Hg.), Caritas und soziale Dienste. Freiburg, Basel, Wien 1997, S. 255-279. Assimilierung oder landsmannschaftliche Gleichberechtigung? in: Christ unterwegs 4 (1950), 11, S. 28. ASSMANN, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 2000. AUBIN, Hermann / GLASSL, Horst / OLBERT, Franz et. al.: Kontinuität und Wandel: Gedanken zur Erziehung und Bildung in der Bundeswehr, Festschrift zum 65. Geburtstag von Ernst Nittner, 1980. Auf dem Weg zu einem neuen Volk. Vortrag auf der Diözesantagung der AckermannGemeinde in Stuttgart, in: Christ unterwegs 8 (1954), 7/8, S. 11-15; 9, S. 7-11. Aus dem Rundschreiben des Generalvikars von Kattowitz an seine Diözesanen, in: Christ unterwegs 1 (1946/47) 3, S. 14.

B BADE, Klaus J.: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18 Jahrhundert bis zur Gegenwart. München 2000. BAHLCKE, Joachim / EBERHARD, Winfried / POLIVKA, Miloslav (Hg.): Historische Stätten. Böhmen und Mähren. Stuttgart 1998. BARTH, Johannes: Die Organisation der Pastoral nach 1945. Das Beispiel Württemberg, in: Friedrich A. BERGER / Rudolf GRULICH (Hg.), Sie kamen aus großer Bedrängnis, das sudetendeutsche Priesterwerk. Königstein 1990. BARTH, Johannes: Versöhnung als Aufgabe, in: Glaube und Heimat. Zeitschrift der Heimatvertriebenen des Böhmerwaldes 27 (1975), Nr. 13, S. 365-369.

830

Literatur

BARTOLOMÄI, Reinhart u.a. (Hg.): Sozialpolitik nach 1945. Geschichte und Analysen. Bonn 1977. BASTIAN, Andrea: Der Heimat-Begriff. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung in verschiedenen Funktionsbereichen der deutschen Sprache. Tübingen 1995. BAUER, Franz J.: Prälat Dr. Franz Wagner – ein Priesterleben in bewegter Zeit. Vortrag vor der Ackermanngemeinde Bamberg am 10. Februar 1996 in: Die Ackermanngemeinde Bamberg gestern und heute. Beiträge zum 50jährigen Bestehen unserer Gemeinschaft, Typoskript, S. 19-26. BAUER, Franz J.: Aufnahme und Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen. Das Beispiel Bayern 1945 – 1950, in: Wolfgang BENZ (Hg.), Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen. Frankfurt/M. 1985, S. 158-172. BAUER, Franz J.: Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik in Bayern 1945 – 1950. Stuttgart 1982. Bauernjugend für die Heimat erhalten! Erster Bauernschullehrgang der AckermannBauernjugend eröffnet, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 6, S. 4. BAUMGARTNER, Alois: Anton Heinen, in: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK)3 Band 4, Freiburg 1995, 1370. BAUSINGER, Hermann: Der herbe Charme des Landes. Gedanken über Baden-Württemberg. Tübingen 2006. BAUSINGER, Hermann: Die bessere Hälfte. Von Badenern und Württembergern. München, Stuttgart, 2. Auflage 2002. BAUSINGER, Hermann: Dorf und Stadt – ein traditioneller Gegensatz. Erscheinungsformen, Herkunft sozialökonomischer Hintergrund und Rückwirkungen einer Ideologie, in: Hans-Georg WEHLING (Hg.), Dorfpolitik, Fachwissenschaftliche Analysen und didaktische Hilfen. Opladen 1978, S. 18-37. BAYER. STATISTISCHES LANDESAMT (Hg.): Beiträge zur Statistik Bayerns Heft 142. Bayerische Diasporasorgen, in: Christ unterwegs 4 (1950), 9, S. 16. Bayerischer Querschnitt, in: Christ unterwegs 4 (1950), 10, S. 27. Bayerns Wohnbauprogramm erfüllt, in: Christ unterwegs 4 (1950), 11, S. 24. BECHER, Peter: Mit den Händen eines Künstlers. Otto Herbert Hajeks Beitrag zur Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen, in: Otto Herbert HAJEK, Ein Leben im öffentlichen Raum, hg. von Johanna STULLE und Martin RUPPS. Stuttgart, Leipzig 2002, S. 32-35. BECK, Ulrich: „Jenseits von Stand und Klasse“? Soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten, in: Reinhard KRECKEL (Hg.), Soziale Ungleichheiten. Göttingen 1983, S. 3574. BEER, Mathias: Religiöse Beheimatung nach 1945. Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Stuttgart-Rot. Stuttgart 2006. BEER, Mathias: Lager als Lebensform in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, in: Jan MOTTE u.a. (Hg.), 50 Jahre Bundesrepublik – 50 Jahre Einwanderung. Nachkriegsgeschichte als Migrationsgeschichte. Frankfurt/M., New York 1999, S. 56-75. BEER, Mathias: Selbsthilfeinitiativen der Flüchtlinge und Vertriebenen. Die Entstehung des Hilfskomitees der Evangelischen Kirche aus Jugoslawien mit Sitz in Stuttgart, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 55 (1996), S. 283-312.

Literatur

831

BEER, Mathias (Hg.): Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im deutschen Südwesten nach 1945. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Sigmaringen 1994. BEER, Mathias: Baden Württemberg ist noch nahezu unbeackert geblieben. Literatur und Quellenlage zur Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen im deutschen Südwesten nach 1945, in: DERS. (Hg.), Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im deutschen Südwesten nach 1945. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Sigmaringen 1994, S. 27-48. BEER, Mathias: Flüchtlinge und Vertriebene im deutschen Südwesten. Eine Übersicht der Archivalien in den staatlichen und kommunalen Archiven des Landes Baden-Württemberg. Sigmaringen 1994. BEER, Mathias: Alte Heimat – Neue Heimat. Das spezifische Verständnis von Kirche und Gemeinschaft bei den Vertriebenen aus Südosteuropa und dessen Auswirkungen auf den Eingliederungsprozeß im deutschen Südwesten, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 36 (1993), S. 244-272. BEER, Mathias / LUTUM-LENGER, Paula (Hg.): Fremde Heimat. Das Lager Schlotwiese nach 1945. Der Katalog zur Ausstellung. Stuttgart, Tübingen 1995. Begegnung auf dem Boden der Kirche, in: Christ unterwegs 6 (1952), 3, S. 3. BEHAL, Brigitte: Kontinuitäten und Diskontinuitäten deutsch-nationaler katholischer Eliten im Zeitraum 1930 – 1965, Dissertation. Universität Wien, Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, 2009. BELLEBAUM, Alfred: Soziologische Grundbegriffe. Stuttgart 91983. BENDEL, Rainer: Reformbewegungen im katholischen Schlesien, in: Rainer BENDEL / Norbert SPANNENBERGER (Hg.), Kirchen und Gruppenbildungsprozesse deutscher Minderheiten in Europa 1918 bis 1933. Wird erscheinen Berlin 2013. BENDEL, Rainer: ‚Religiöse und völkische Erneuerung‘. Ideologische Grundlegung in der theologischen Reflexion, in: Rainer BENDEL / Norbert SPANNENBERGER (Hg.), Kirchen und Gruppenbildungsprozesse deutscher Minderheiten in Europa 1918 bis 1933. Wird erscheinen Berlin 2013. BENDEL, Rainer: Katholische Soziallehre und der Beitrag katholischer Vertriebener zur Sozialpolitik in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland. In: Sebastian HOLZBRECHER / Torsten MÜLLER (Hg.), Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Perspektiven und Beiträge der (mittel-)deutschen Kirchengeschichtsschreibung. FS für Josef Pilvousek. Würzburg 2013, S. 409-426. BENDEL, Rainer: Max Sdraleks Perspektiven für die Breslauer kirchenhistorische Schule und ihre Wirkungen, in: Jan HARASIMOWICZ (Hg.), Die Universität Breslau in der europäischen Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Wroclaw 2013. BENDEL, Rainer: Die zweite Hälfte der Heimat. Brücken bauen im Südwesten und in Europa. Gespräche mit Monika Taubitz und Erzbischof Robert Zollitsch. Münster 2012. BENDEL, Rainer: Maximilian Kaller. Grundanliegen des Vertriebenenbischofs, in: Thomas FLAMMER / Hans-Jürgen KARP (Hg.), Maximilian Kaller – Bischof der wandernden Kirche. Flucht und Vertreibung – Integration – Brückenbau. Münster 2012, S. 23-54. BENDEL, Rainer: Überlegungen für eine künftige Zielsetzung und organisatorische Struktur für die Kirchen- und Kulturgeschichte Ostmitteleuropas, in: Paul MAI (Hg.), Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1988 – 2008. Köln, Weimar, Wien 2011, S. 25-31.

832

Literatur

BENDEL, Rainer: Die Katholisch-Theologische Fakultät Breslau, in: Dominik BURKARD / Wolfgang WEIß (Hg.), Katholische Theologie im Nationalsozialismus. Band 1/2 Institutionen und Strukturen. Würzburg 2011, S. 9-23. BENDEL, Rainer: „... weil Hass und Racheleidenschaft den Menschen innerlich degradieren“. Der Gewaltverzicht der Vertriebenen und die katholische Kirche nach 1945. Zum 60. Jahrestag der Charta der Vertriebenen, in: Sudetenland 52 (2010), S. 386-393. BENDEL, Rainer: Vertriebene – katholische Kirche – Gesellschaft in Bayern 1945 bis 1975. München 2009. BENDEL, Rainer (Hg.): Aufbrüche und Umbrüche. Kirche und Gesellschaft Ostmittel- und Südosteuropas zwischen den Weltkriegen 1918 – 1939. Köln, Weimar, Wien 2008. BENDEL, Rainer (Hg.): Die Fremde wird zur Heimat. Integration der Vertriebenen in der Diözese Rottenburg. Berlin 2008. BENDEL, Rainer: Die Vertriebenenseelsorge und Heinrich Maria Janssen als Vertriebenenbischof, in: Thomas SCHARF-WREDE (Hg.), Heinrich Maria Janssen. Bischof von Hildesheim 1957 – 1982. Regensburg 2008, S. 161-175. BENDEL, Rainer: Heimat in der Religion schafft Identität in der Fremde? In: Sudetenland 50 (2008), S. 386-399. BENDEL, Rainer: Grenzen überschreiten. Martha Krause-Lang in ihrem caritativen und seelsorgerlichen Einsatz für Frauen, in: Lydia BENDEL-MAIDL (Hg.), Katholikinnen im 20. Jahrhundert. Bilder, Rollen, Aufgaben. Berlin 2007, S. 187-199. BENDEL, Rainer: Mit ein paar Habseligkeiten und schwerem Gepäck. Das Erbe von Vertreibung und Integration zwischen individueller Bewältigung und gesellschaftlicher Relevanz, in: Literaturspiegel 46 (2006), S. 30-49. BENDEL, Rainer: Lebensbild Joseph Bernhart, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Diözesangeschichte 39 (2005), S. 507-525. BENDEL, Rainer: Störung im Milieu, Die kirchliche Betreuung der „Umquartierten“ in Altötting als frühes Experiment der Vertriebenenseelsorge, in: Werner CHROBAK / Karl HAUSBERGER (Hg.), Kulturarbeit und Kirche. Festschrift Paul Mai. Regensburg 2005, S. 267-274. BENDEL, Rainer: Die „verlorene Generation“ und die verdrängte Erinnerung, in: ASKG 62 (2004), S. 223-231. BENDEL, Rainer: Aufbruch aus dem Glauben? Katholische Heimatvertriebene in den gesellschaftlichen Transformationen der Nachkriegsjahre 1945 – 1965. Köln, Weimar, Wien 2003. BENDEL, Rainer: Quellen zur Vertriebenenseelsorge – Teil II: Tagung der Flüchtlingsseelsorger in Eichstätt vom 6. bis 8. August 1946, in: ASKG 60 (2002), S. 9-85. BENDEL, Rainer: Hans Schütz und die Sozialpolitik der Vertriebenen. In: Sudetenland 44 (2002), S. 296-303. BENDEL, Rainer: Quellen zur Vertriebenenseelsorge – Teil II: Tagung der Flüchtlingsseelsorger in Eichstätt vom 6. bis 8. August 1946, in: ASKG 60 (2002), S. 9-85. BENDEL, Rainer (Hg.): Quellen zur Vertriebenenseelsorge – Teil I: Tagung ostdeutscher Priester Bayerns in Eichstätt vom 5. bis 7. August 1947, in: ASKG 59 (2001), S. 9123. BENDEL, Rainer: Zwischen „Finsternis“ und Aufbruch. Der oberschlesische Katholizismus und das Bistum Breslau im 19. und 20. Jahrhundert, in: Oberschlesisches Jahrbuch 16/17 (2000/2001), S. 49-71.

Literatur

833

BENDEL, Rainer: 1000 Jahre Bistum Breslau. Überlegungen für eine Diözesangeschichte, in: ASKG 58 (2000), S. 9-25. BENDEL, Rainer: Theologe oder Religionswissenschaftler? Felix Haase (1882 – 1965) – ein umstrittener Schüler von Max Sdralek, in: ASKG 57 (1999), S. 33-66. BENDEL, Rainer: "Maßvoller Konservatismus" zwischen Bistums- und Papstgeschichte: Franz Xaver Seppelt (1883 – 1956), in: ASKG 56 (1998), S. 27-58. BENDEL, Rainer: Max Sdralek als Begründer der Breslauer kirchenhistorischen Schule, in: ASKG 55 (1997), S. 11-38. BENDEL, Rainer: Die Seelsorge im Pontifikat Kardinal Bertrams – ein Blick auf Desiderate in der Forschung, in: ASKG 54 (1996), S. 219-234. BENDEL, Rainer / BENDEL-MAIDL, Lydia: Geschichte und Theologie in der Krisis. „Vergangenheitsbewältigung“ bei Joseph Bernhart und Michael Schmaus, in: Münchner Theologische Zeitschrift 55 (2004), S. 168-181. BENDEL, Rainer / BENDEL-MAIDL, Lydia: Christliche Mystik als Zugangsweise zu Nietzsche. Joseph Bernhart und Theodor Steinbüchel im Vergleich, in: Ulrich WILLERS (Hg.), Theodizee im Zeichen des Dionysos. Nietzsches Fragen jenseits von Moral und Religion. Münster 2002, S. 131-159. BENDEL, Rainer / BENDEL-MAIDL, Lydia / GOLDSCHMIDT, Andreas: Vergangenheitsbewältigung in theologischen Schriften Joseph Bernharts, Romano Guardinis und Alois Winklhofers, in: KZG 13 (2000), S. 138-177. BENDEL, Rainer / JANKER, Stephan M. (Hg.): Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005. BENDEL, Rainer / KÖHLER, Joachim: Bewährte Rezepte oder unkonventionelle Experimente? Zur Seelsorge an Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, in: Joachim KÖHLER / Damian VAN MELIS (Hg.), Siegerin in Trümmern. Die Rolle der katholischen Kirche in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Stuttgart 1998, S. 199-229. BENDEL-MAIDL, Lydia: „Historische“ Theologie - ängstlich selektiert und apologetisch systematisiert: Der Ansatz Ernst Commers, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 56 (1998), S. 83-122. BENDEL-MAIDL, Lydia: Beginn einer historisch-kritischen Philosophiegeschichtsforschung in Breslau: Clemens Baeumker, in: ASKG 55 (1997), S. 39-68. BENDEL-MAIDL, Lydia: Karl Hilgenreiner: „Christlicher Sozialismus“ zwischen Monarchie und Republik, in: Europäische Kulturzeitschrift Sudetenland 40 (1998), S. 415442. BENDEL-MAIDL, Lydia: Tradition und Innovation. Zur Dialektik von historischer und systematischer Perspektive in der Theologie. Am Beispiel von Transformationen in der Rezeption des Thomas von Aquin im 20. Jahrhundert. Münster 2004. BENZ, Wolfgang (Hg.): Neuanfang in Bayern 1945 – 1949. Politik und Gesellschaft in der Nachkriegszeit. München 1988. BERGER, Friedrich: Zum Tode des Vorsitzenden unseres Priesterwerkes, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 2 (1985), S. 2-6. BERGER, Friedrich A. / GRULICH, Rudolf (Hg.): Sie kamen aus großer Bedrängnis. Das sudetendeutsche Priesterwerk. Königstein 1990. BERGER, Peter L. / LUCKMANN, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt/M. 172000. Bericht über Neuausrichtung kultureller Vertriebenenarbeit, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 9 (1958), Nr. 4, S. 2.

834

Literatur

BERND, Rainer: Die Anfänge der Eichendorffgilde – einer bewußt katholischen Vertriebenenorganisation der ersten Stunde. Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des 1. Staatsexamens für das Lehramt an Gymnasien. Theologische Fakultät der Universität Trier 1997. BERNDT, Victricius: Ackermann-Gemeinde als Seelsorgehilfe, in: Klerusblatt 36 (1966), Nr. 18, S. 55f. BERNDT, Victricius: Junge Familie, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 8 (1957), Nr. 3, S. 4. BERNHART, Joseph: Chaos und Dämonie. Von den göttlichen Schatten der Schöpfung. Weißenhorn 1988 (erste Auflage München 1950) Berufliche und soziale Eingliederung in Bayern, in: Christ unterwegs 5 (1951) 3, S. 18. BINKOWSKI, Johannes: Jugend als Wegbereiter. Der Quickborn von 1909 – 1945. Stuttgart, Aalen 1981. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2. Hamm 1990. Friedrich Wilhelm Bautz, ab Band 3 fortgeführt von Traugott Bautz (Hg.). 14 Bände (+ bisher 19 reine Ergänzungsbände), Hamm bzw. Herzberg 1975 – 2012. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949 – 2002. München 2002. BIRKE, Adolf M.: Katholische Kirche und Politik in der Phase des Neubeginns 1945 – 1950, in: Victor CONZEMIUS / Martin GRESCHAT / Hermann KOCHER (Hg.), Die Zeit nach 1945 als Thema kirchlicher Zeitgeschichte. Göttingen 1985. BIRKENFELD, Herbert / HEPACH, Wolf-Dieter: Bewegte Jahre. Gesellschaftlicher Wandel im Alb-Donau-Kreis seit 1945 – eine Sozialgeschichte. Ulm 2002. BIRKMAYR, Hans: Jedes Haus hat seinen Baumeister. Gott aber ist der Baumeister des Weltalls, in: Josef Thalhamer (Hg.), Der soziale Wohnungsbau der katholischen Kirche in Bayern seit 1945. O.O. o.J., S. 39-42. BIRNSTEIN, Uwe: Johannes Rau der Versöhner. Ein Porträt. Berlin 2006. BLASCHKE, Olaf: Die Kolonialisierung der Laienwelt – Priester als Milieumanager und die Kanäle Kleriker Kuratel, in: Olaf BLASCHKE / Frank-Michael KUHLEMANN (Hg.), Religionen im Kaiserreich, Milieus – Mentalitäten – Krisen. Gütersloh 1996, S. 93135. BLASCHKE, Paul: Johannes Blaschke, in: Joseph GOTTSCHALK (Hg.), Schlesische Priesterbilder. Band 5. Aalen 1967, S. 119-122. BLESSING, Werner K.: Kirchenfromm – Volksfromm – Weltfromm: Religiosität im katholischen Bayern des späten 19. Jahrhunderts, in: Wilfried LOTH (Hg.), Deutscher Katholizismus im Umbruch zur Moderne. Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 95-123. BLESSING, Werner K.: Staat und Kirche in der Gesellschaft. Institutionelle Autorität und mentaler Wandel in Bayern während des 19. Jahrhunderts. Göttingen 1982. BLUME, Horst-Dieter: Martin Sicherl †. In: Gnomon Bd. 82 (2010), S. 572-575. Bodenreform in Bayern, in: Christ unterwegs 4 (1950), 11, S. 24. BOSL, Karl (Hg.): Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bde. Stuttgart 1966-1974. BOSSLE, Lothar: Möbus, Gerhard, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 607f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd117080365.html. BOURDIEU, Pierre: Das religiöse Feld. Texte zur Ökonomie des Heilsgeschehens. Konstanz 2000.

Literatur

835

BRACHT, Hans Werner: Grundprinzipien einer europäischen Friedensordnung. Hannover 1968. BRACHT, Hans Werner: Ideologische Grundlagen der sowjetischen Völkerrechtslehre. Köln 1964. BRACHT, Hans Werner: Zum Problem der völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Kontinuität Deutschlands nach 1945, in: Zeitschrift für Ostforschung (ZfO) 6, (1957), S. 293-297. BRANDMÜLLER, Walter (Hg.): Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Band 3: 1802 – 1965. St. Ottilien 1991. BRANDT, Hans Jürgen: Maximilian Kaller (1880 – 1947), in: Wichmann Jahrbuch 44/45 (2004/2005), S. 1-12. BRANDT, Hans Jürgen: Hartz, Franz, in: Erwin GATZ (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001. Berlin 2002, S. 497f. BRANDT, Hans Jürgen: Franz Hartz (1882 – 1953), in: Erwin GATZ (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Berlin 1983, S. 289f. BRANTZEN, Hubertus: Gemeinde als Heimat. Integrierende Seelsorge unter semiotischer Perspektive. Freiburg/Schweiz 1993. BRAUN, Gustav: Der ostvertriebene, deutsche Klerus in kirchenrechtlicher Sicht, in: Bernhard STASIEWSKI (Hg.), Beiträge zur Schlesischen Kirchengeschichte – Gedenkschrift für Kurt Engelbert. Köln 1969, S. 571-584. BRAUN, Gustav: Zur kirchenrechtlichen Lage des heimatvertriebenen Klerus in Deutschland, in: Archiv für Katholisches Kirchenrecht 1951/52, S. 267-277. BRAUN, Hans: Demographische Umschichtungen im deutschen Katholizismus nach 1945, in: Anton Rauscher (Hg.), Kirche und Katholizismus 1945 – 1949. München u.a. 1977, S. 9-25. BRAUNER, Alois: Paul Kirchner, in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6. Sigmaringen 1992, S. 136-138. BRAUNSTEIN, Karl: Ein neuer Direktor an unserer Schule, in: Königsteiner Jahrbuch 1983, S. 77f. BRAUNSTEIN, Karl: Naturrechtliche Überlegungen zur Wiedergutmachung der Vertreibung, in: Königsteiner Blätter VIII (1962), S. 77-83. BRAUNSTEIN Karl: Die Vertreibung im Lichte des Naturrechts. In: Königsteiner Blätter V (1959), 2/3, S. 29-92. BRAUNSTEIN, Karl: Die Vertreibung im Lichte des Kirchenrechtes. Limburg 1958. BRECHER, August: Bischof mitten im Volk. Johannes Joseph van der Velden 1891 – 1954. Aachen 1992. BREHMER, Karl: Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811 – 1877) – Arbeiterbischof und Sozialethiker. Auf den Spuren einer zeitlosen Modernität. Regensburg 2009. BRICHTA, Herbert / PARPLIES, Hans-Günther (Hg.): Gegen den Mahlstrom der Zeit. Ausgewählte Beiträge zur politischen Soziologie und neueren Sozialgeschichte; anlässlich des 70. Geburtstages / Wilfried Schlau. Stuttgart 1990. BROSZAT, Martin: Massendokumentation als Methode zeitgeschichtlicher Forschung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2 (1954), S. 203-213. BRÜCKNER, Hugo: Die Gründung des Bistums Königgrätz. Königstein 1964.

836

Literatur

BRUNNER-DAWIDEK, Barbara / KOTZIAN, Ortfried / REISSER, Willi (Hg.): Die Deutschen aus dem Osten in Augsburg. Augsburg 1998. BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (Hg.): Heimat. Analysen, Themen, Perspektiven. Bonn 1990. BURKARD, Dominik: Joannes Baptista Sproll. Bischof im Widerstand. Stuttgart 2012. BURKARD, Dominik / WEIß, Wolfgang (Hg.): Katholische Theologie im Nationalsozialismus. Band 1/2. Institutionen und Strukturen. Würzburg 2011. BURKE, Peter: Soziologie und Geschichte. Hamburg 1989. BÜTTNER, Albert: Ein Gedenkwort im Rundfunk, in: Karl JANISCH (Hg.), Ferdinand Dirichs. Bischof von Limburg. Frankfurt/M., 1963, S. 83-87.

C CASEY, Steven: The campaign to sell a harsh peace for Germany to the American public, 1944 – 1948. In: History 90 (2005), Nr. 297, S. 62-92. CASULA, Carlo F.: Domenico Tardini (1888 – 1961). L'azione della Santa Sede nella crisi fra le due guerre. Studium. Rom 1988. CAVATERRA, Emilio: Il prefetto del Sant’Offizio: le opere e i giorni del cardinale Ottaviani. Mailand 1990. Christ unterwegs (CU) 1 (1946) – 25 (1970). CHROBAK, Werner: 50 Jahre Institut für Ostdeutsche Kirchengeschichte e.V. Das Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Bewahrung des kirchengeschichtlichen und kulturellen Erbes der verlorenen Heimat ehemaliger deutscher Ostgebiete zum Ziel. In: Schlesischer Kulturspiegel 44 (2009), S. 11. COLLOSEUS, Manfred: Die Schutzmantelmadonna der Vertriebenen in Königstein. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis 21 (2013), S. 52-57. CONNOR, Ian: The churches and the refugee problem in Bavaria 1945 – 49, in: journal of contemporary history 20 (1985), S. 399-421. CONNOR, Ian: The Attitude of the Ecclesiastical and Political Authorities in Bavaria to the Refugee Problem, 1945 – 1950 (Diss. Norwich University). Norwich 1983. CONZEMIUS, Victor: Kirchliche Zeitgeschichte. Ein Rückblick nach 25 Jahren, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 7 (1988), S. 13-26. CZAJA, Christine Maria (Hg.): Herbert Czaja – Anwalt für Menschenrechte. Bonn 2003. CZAJA, Christine Maria: Kindheit, Schulzeit, Studium und erstes politisches Engagement; Krieg, Vertreibung, Neubeginn in Stuttgart und Wirken als Stadtrat, in: Herbert CZAJA, Arbeit für Menschenrechte, hg. von Christine Maria CZAJA. Bonn 2003, S. 21-48. CZAJA, Herbert: Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Mangel an Solidarität mit den Vertriebenen. Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik. Frankfurt/M. 1996. CZERMAK, Theodor: Über die deutsche nationale Bewegung aus katholischer Sicht (1938), in: AKBMS VIII 2003, S. 95-105.

Literatur

837

D DA SILVA,

Gilberto da: Die Lutherische Theologische Hochschule Oberursel, in: Jahrbuch Hochtaunuskreis 19 (2011), S. 69-75. DAMBERG, Wilhelm: Abschied vom Milieu? Katholizismus im Bistum Münster und in den Niederlanden 1945 – 1980. Paderborn u.a. 1997. Das Menschenrecht auf Heimat. Ein Memorandum des Bundeskanzlers an den amerikanischen Präsidenten, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 32, S. 1. Das Recht auf Heimat. Der Apostolische Nuntius, Dr. Aloys Münch vor 10 000 Heimatvertriebenen, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 22, S. 3. Das Vaterhaus der Vertriebenen. In Königstein bereitet sich eine junge Garde zu Einsatz und Arbeit für die Heimat vor (Prälat Dr. Adolf Kindermann), in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 12, S. 3. Das Vertriebenenschicksal aus Sicht der CDU, in: Christ unterwegs 5 (1951), 7, S. 18. Das Wort ist stärker als die Wurfschleuder. Zur Pflege des Schrifttums in der AckermannGemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 4 (1953), Nr. 5, S. 1 und 4. DELLEPOORT, Jan / GREINACHER, Norbert / MENGES, Walter: Die deutsche Priesterfrage. Mainz 1961. DEMEL, Bernhard: Schälzky, Robert, in: ÖBL 1815 – 1950. Band 10. Wien 1994, S. 26. DENZLER, Georg: Widerstand ist nicht das richtige Wort. Katholische Priester und Theologen im Dritten Reich. Zürich 2003. Der ausgeträumte Traum, in: Christ unterwegs 1 (1946/47), Nr. 1/2, S. 2f. Der Deutsche Gewerkschaftsbund zum Lastenausgleich, in: Christ unterwegs 5 (1951), 4, S. 23. Der Flüchtling darf nicht Objekt werden, in: Christ unterwegs 3 (1949), 2, S. 13. Der große Freund und Helfer. Zum 78. Geburtstag von Pius XII., in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 11, S. 2. Der kurze Bericht, das Bekenntnis von Königstein, in: CSU-Korrespondenz 2 (1951), vom 02. August 1951, Nr. 85, S. 2f. Der neue Ackermann. Beiträge aus „Der neue Ackermann“ von 1951 bis 1961, München 1976. Der ostdeutsche Priesternachwuchs hat sein eigenes Dach über dem Kopfe, in: Königsteiner Rufe 1953, Nr. 1, S. 23-26. Der soziale Abstieg der Vertriebenen, in: Christ unterwegs 5 (1951), 7, S. 14. Der sudetendeutsche Kardinal. Zum 50. Priesterjubiläum des Kardinal Erzbischof Dr. Theodor Innitzer, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 31, S. 6. DETTMER, Frauke: Konflikte zwischen Flüchtlingen und Einheimischen nach Ende des 2. Weltkriegs, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 26 (1983), S. 311-324. Dichtung als Kulturvermittlung: Der Schriftsteller Werner Bergengruen. Filderstadt 1997. Die Charta der Heimatvertriebenen 1950, in: Ernst NITTNER (Hg.), Dokumente zur sudetendeutschen Frage 1916 – 1967. München 1967, S. 231. Die Eichstätter Erklärung (Adventsdeklaration) in: Ernst NITTNER (Hg.), Dokumente zur sudetendeutschen Frage 1916 – 1967. München 1967, S. 222. Die Frau in der Flüchtlingsnot. Von der christlichen Bewältigung eines Zeitschicksals, in: Christ unterwegs 2 (1948), Nr. 7, S. 13-16. Die Hoffnung aufrechterhalten. 60 000 Heimatvertriebene jubeln Adenauer zu, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 27, S. 1.

838

Literatur

Die Industriebetriebe der Vertriebenen. Erhöhung der Zahl der Unternehmen und Beschäftigten. Vertriebenenanteil bei 6,1%, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 19, S. 4. Die Konfessionen und die Länder. Zum Strukturwandel in Deutschland, in: Christ unterwegs 4 (1950), 8, S. 13. Die sittlichen Grundlagen des Lastenausgleichs, in: Christ unterwegs 4 (1950), 6, S. 14ff. Die Union der Ausgewiesenen nach dem Reichenhaller Landesparteitag der CSU, in: CSU-Korrespondenz 2, 9. Juli 1951, Nr. 78a, S. 1f. DOERING-MANTEUFFEL, Anselm / KAISER, Jochen Christoph (Hg.): Christentum und politische Verantwortung. Kirchen im Nachkriegsdeutschland. Stuttgart u.a. 1990. DOÉRT, Friedel: Carl Sonnenschein: Seelsorger, theologischer Publizist und sozialpolitischer Aktivist. Münster 2012. DOLA, Kazimierz: Bertram aus der Sicht der polnischen Geschichtsschreibung, in: ASKG 54 (1996), S. 55-70. DONAT, Heinrich: Die deutschen Katholiken in der tschechoslowakischen Republik. Eine Sammlung von Beiträgen zur geistigen und religiösen Lage des Katholizismus und des Deutschtums. Warnsdorf 1934. DONN, Peter: „Le Papillon“ und die Geschichte der Schülerzeitungen. In: Festschrift „Bischof Neumann-Schule“. Königstein 1996, S. 116-121. DÖPFNER, Julius: Meine Fränkischen Jahre, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 39 (1977), S. 7-18. DOSKOCIL, Walter: Zeitnahe Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 6 (1955), Nr. 4, S. 4. DOSKOCIL, Walter: Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 1 (1950), Nr. 3, S. 1f. Dr. Schäffers großes Geheimnis: Der Entwurf für den Lastenausgleich, in: Der Volksbote 2 (1950), Nr. 9, S. 1. Drei Jahre wurde beraten: Das Bundesvertriebenengesetz vor dem Plenum des Bundestages, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 9, S. 1. Dreißig fahrende Kirchen. Werenfried van Straaten in Königstein. Ein großer Tag für die Vertriebenen, in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 20, S. 5. DRÖGE, Kurt: Zur Entwicklung des Hedwigsbildes in den Hedwigskreisen von 1947 bis 1993, in: Eckart GRUNEWALD / Nikolaus GUSSONE (Hg.), Das Bild der Heiligen Hedwig in Mittelalter und Neuzeit. München 1996, S. 225-246. DRÖGE, Kurt: Hedwigskreise, Religiöse Vereinsformen der Nachkriegszeit in Nordwestdeutschland, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 39 (1994), S. 6786. DUBIANSKI, Paulus: Zur religiösen Erfassung und Betreuung der Heimatverwiesenen, in: Christ unterwegs 3 (1949), 12, S. 8. DÜNNINGER, Josef: Die kulturelle Begegnung von Heimatvertriebenen und Eingesessenen, in: Schönere Heimat. Erbe und Gegenwart 41 (1952), S. 93f.

E E., H.: Um die organisatorische Gestalt unserer Jugendarbeit, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 2 (1951), Nr. 10, S. 2. EBERL, Immo (Bearb.): Flucht – Vertreibung – Eingliederung. Baden Württemberg als neue Heimat. Begleitband zur Ausstellung. Sigmaringen 1993.

Literatur

839

EBERT, H.: Ghetto, Angleichung oder Eingliederung. Jugendarbeit unter den Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 4 (1950), 7, S. 3ff. ECKSTAEDT, Anita: Nationalsozialismus in der „zweiten Generation“. Psychoanalyse von Hörigkeitsverhältnissen. Frankfurt/M. 1989. EICHMÜLLER, Andreas: Landwirtschaft und bäuerliche Bevölkerung in Bayern. Ökonomischer und sozialer Wandel 1945 – 1970. Eine vergleichende Untersuchung der Landkreise Erding. Kötzting und Obernburg, München 1997. Eine katholische Zeitung für die Heimatvertriebenen (Volksbote), in: Christ unterwegs 3 (1949), 7, S. 3. EISCH, Katharina: „Doch die Erinnerung, die bleibt mir stets gewiss“. Bilder und Inszenierungen der verschlossenen Böhmerwaldheimat, in: FENDL, Zur Ikonographie des Heimwehs, S. 29-54. ELLIGER, Katharina: Und tief in der Seele das Ferne. Die Geschichte einer Vertreibung aus Schlesien. Reinbek bei Hamburg 2004. ENDERS, Ulrich: Die kirchliche Hilfsstelle München, in: Friedrich PRINZ (Hg.), Integration und Neubeginn. Bd. 1. München 1984, S. 171-186. ENGELBERT, Joseph: Die heutigen Aufgaben des Diözesanvertriebenenseelsorgers. In: Christ unterwegs 1953, S. 10-12. ENGELHARDT, Michael von: Die Bewältigung von Flucht und Vertreibung zum Verhältnis von Lebensgeschichte, Gesellschaftsgeschichte und biographisch-historischer Identität, in: Rudolf ENDRES (Hg.), Bayerns vierter Stamm. Die Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen nach 1945. Köln, Weimar, Wien 1998. ENGELHARDT, Michael von: Biographieverläufe von Heimatvertriebenen des Zweiten Weltkriegs, in: „50 Jahre Flucht und Vertreibung – 50 Jahre Eingliederung in Bayern“: Sonderpublikation des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit anlässlich des Gedenkjahres 1995 (Forschungsstand 1995). München 1995. Erfahrungen über Laiengottesdienst in der fremdnationalen Diaspora im Auslande, in: Christ unterwegs 2 (1948), 7, S. 9. Erfolgreiche Arbeitstagung der UdV. Hans Schütz und MdB Kunze sprechen in Stuttgart über Lastenausgleich und deutsche Außenpolitik, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 6, S. 4. ERIKSON, Erik H.: Einsicht und Verantwortung. Die Rolle des Ethischen in der Psychoanalyse. Stuttgart 1966. ERKER, Paul: Zeitgeschichte als Sozialgeschichte. Forschungsstand und Forschungsdefizite, in: Hans-Georg WEHLING u.a. (Hg.), Geschichte und Gesellschaft 19 (1993), S. 202-238. ERKER, Paul: Vom Heimatvertriebenen zum Neubürger. Sozialgeschichte der Flüchtlinge in einer agrarischen Region Mittelfrankens 1945 bis 1955. Wiesbaden 1988. ERKER, Paul: Revolution des Dorfes? Ländliche Bevölkerung zwischen Flüchtlingszustrom und landwirtschaftlichem Strukturwandel, in: Martin BROSZAT u.a. (Hg.), Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland. München 1988, S. 367-425. Europäisches Konzil in Königstein. Weihe von Kapellenwagen für die Vertriebenen, in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 15, S. 1. Evangelische Diaspora in Bayern, in: Christ unterwegs 3 (1949), 6, S. 14f. EVERS, Georg: Mission – nichtchristliche Religionen – weltliche Welt. Münster 1974

840

Literatur

F F., E.: Fragen an die deutsche Linke. Die Manöver der Opposition verfangen bei den Vertriebenen nicht, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 6, S. 1+2. F., E.: Auch uns leuchtet der Stern! Die fünfte Vertriebenen-Weihnacht fern der Heimat, in: Der Volksbote 2 (1950), Nr. 28/29, S. 2. FAIMBERG, Haydée: Die Ineinanderrückung (Telescoping) der Generationen. Zur Genealogie gewisser Identifizierungen, in: Jahrbuch der Psychoanalyse 20 (1987), S. 114143. FALK, Susanne: Eine Notwendigkeit uns innerlich umzustellen liege nicht vor. Kontinuität und Diskontinuität in der Auseinandersetzung des sauerländischen Gebirgsvereins mit Heimat und Moderne 1918 – 1960, in: Matthias FRESE / Michael PRINZ (Hg.), Politische Zäsuren und gesellschaftlicher Wandel im 20. Jahrhundert. Regionale und vergleichende Perspektiven. Paderborn 1996, S. 401-417. FEIFEL, Erich: Arnold, Franz Xaver, in: Katechetische Blätter 112 (1987), S. 351-354. FENDL, Elisabeth: Beerdigung und Totengedenken in der „neuen Heimat“, in: DIES. (Hg.), Das Gedächtnis der Orte. Sinnstiftung und Erinnerung. Freiburg 2006, S. 81-116. FENDL, Elisabeth: Von der Heimatvertriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung. Volkskundliche Sichtweisen auf die Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, in: Rainer BENDEL / Stephan JANKER (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005, S. 49-62. FENDL, Elisabeth: „Auch die Seele braucht eine Heimat!“ Kirchengebäude in Heimatvertriebenengemeinden als Orte der Identifikation, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 45 (2003), S. 53-80. FENDL, Elisabeth (Hg.): Zur Ikonographie des Heimwehs. Erinnerungskultur von Heimatvertriebenen. Freiburg 2002. FENDT, Sascha (Hg.): Flucht und Vertreibung in der deutschen Literatur. Frankfurt/M. 2001. FENZL, Jordan: Auf der Suche nach Heimat (hg. von der Diözesan-Vertriebenenseelsorge der Diözese Augsburg). Günzburg 1989. Festlicher Tag in Königstein. „Vaterhaus der Vertriebenen“ auf eigenem Grund und Boden, in: Der Volksbote 4 (1954), Nr. 48, S. 4. Feststellungsgesetz. Welche Vermögensverluste der Heimatvertriebenen sind feststellbar? in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 14, S. 1. Festungen für Gott. Wallonische Katholiken unterstützen Ostpriesterhilfe, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 40, S. 4. FICHTEL, Lorenz: Wohnungspolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Darstellung und Analyse des Systems der Wohnungspolitik in der Bundesrepublik. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg. Augsburg 1980. FISCHER, Alfons: Pastoral in Deutschland nach 1945, Band II, Zielgruppen und Zielfelder der Seelsorge 1945 bis 1962. Würzburg 1986. FISCHER, Alfons: Pastoral in Deutschland nach 1945. Band 1. Die „missionarische Bewegung“ 1945 bis 1962. Würzburg 1985. FLAMMER, Thomas: Migration und Milieu. Die Auswirkungen von Migration auf Kirche und Gläubige am Beispiel der Arbeit des „Katholischen Seelsorgedienstes für die

Literatur

841

Wandernde Kirche“ 1934 – 1943, in: Karl-Joseph HUMMEL / Christoph KÖSTERS (Hg.), Kirchen im Krieg. Europa 1939 – 1945. Paderborn u.a. 2007, S. 399-417. Flüchtlingskirche, in: Christ unterwegs 3 (1949), Nr. 6, S. 2. Forderungen des katholischen Flüchtlingsrates zum Lastenausgleich, in: Christ unterwegs 11 (1957), 2, S. 22. FORSTER, Karl: Neuansätze der gesellschaftlichen Präsenz von Kirche und Katholizismus nach 1945, in: Anton RAUSCHER (Hg.), Kirche und Katholizismus 1945 – 1949. München, Paderborn, Wien 1977, S. 109-133. FORSTER, Karl (Hg.): Katholizismus und Kirche. Zum Weg des deutschen Katholizismus nach 1945. Würzburg 1965. FRANTZIOCH, Marion u.a. (Hg.): 40 Jahre Arbeit für Deutschland – die Vertriebenen und Flüchtlinge. Ausstellungskatalog. Frankfurt/M., Berlin 1989. FRANTZIOCH, Marion: Die Vertriebenen. Hemmnisse, Antriebskräfte und Wege ihrer Integration in der Bundesrepublik Deutschland, mit einer kommentierten Bibliographie. Berlin 1987. Frauenarbeit und kulturelle Überlieferung, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 4 (1953), Nr. 5, S. 3. FREIßLER, Gerhard (Red.): Pater Bernhard Tonko – ein Priester unserer Zeit. Hg. von der Klemensgemeinde. Mödling 1983. FRESE, Matthias u.a. (Hg.): Die 1960er Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik. Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Münster 2002. FRESE, Matthias (Hg.): Politische Zäsuren und gesellschaftlicher Wandel im 20. Jahrhundert: regionale und vergleichende Perspektiven. Paderborn 1996. FREUNDESKREIS WERENFRIED-DENKMAL (Hg.): Königstein. Stadt des Aufbaus und der Versöhnung. Festschrift zur Einweihung des Denkmals für Bischof Maximilian Kaller, Bischof Adolf Kindermann, P. Werenfried van Straaten. Nidda 2011. FRIE, Ewald: Brot und Sinn. Katholizismus und Caritas-Arbeit in der Zusammenbruchgesellschaft 1945, in: Historisches Jahrbuch 117 (1997), 1. Halbband, S. 129-146. FRIEDRICHS, Jürgen / JAGODZINSKI, Wolfgang: Theorien sozialer Integration, in: Jürgen FRIEDRICHS / Wolfgang JAGODZINSKI (Hg.), Soziale Integration. Wiesbaden 1999, S. 9-46. FRIESEN, Astrid von: Der lange Abschied. Psychische Spätfolgen für die 2. Generation deutscher Vertriebener. Gießen 2000. FRINGS, Bernhard / KAMINSKY, Uwe: Gehorsam – Ordnung – Religion. Konfessionelle Heimerziehung 1945 – 1975. Münster 2011. FUCHS, Thomas: Macht Euch die Stadt zum Bilde! Über die Modernisierung des ländlichen Raumes. Pfaffenweiler 1996. FUHRICH, Hermann: Der Heimgarten. Studien und Quellen zur katholischen Volksbildungsarbeit. Dülmen o.J. Für den Frieden rüsten. Gespräch mit P. Werenfried van Straaten, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 18, S. 5. Für Frieden und Heimatrecht. Amerikanische Senatoren und Kongressabgeordnete grüßen den Sudetendeutschen Tag, in: Der Volksbote 8 (1956), Nr. 20, S. 3. FÜRSTENBERG, Friedrich: Religionssoziologie. Neuwied 21970. FUSSENEGGER, Gertrud: Verlust und Rückgewinn. Notizen zur Literatur der Vertriebenen, in: Frank-Lothar KROLL (Hg.), Flucht und Vertreibung in der Literatur nach 1945. Berlin 1997, S. 21-30.

842

Literatur

G G., F.: Weihbischof Johann Remiger. Zum Priesterjubiläum, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 21, S. 5. G., R.: Unsere junge Gemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 7 (1956), Nr. 5, S. 5. GABRIEL, Karl: Katholizismus und katholisches Milieu in den 50er Jahren der Bundesrepublik, in: Franz Xaver KAUFMANN / Arnold ZINGERLE (Hg.), Vatikanum II und Modernisierung. Historische, theologische und soziologische Perspektiven. Paderborn u.a. 1996, S. 67-83. GAIDA, Hans-Jürgen: Die offiziellen Organe der ostdeutschen Landsmannschaften. Ein Beitrag zur Publizistik der Heimatvertriebenen in Deutschland. Berlin 1973. GANSE, Franz Georg: Grundriss einer schlesischen Diözesankunde, in: Königsteiner Blätter VIII (1962), S. 84-118. GATZ, Erwin: Aus meinem Leben. Regensburg 2010. GATZ, Erwin (Hg.): Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001. Ein biographisches Lexikon. Berlin 2002. GATZ, Erwin (Hg.): Kirche und Katholizismus seit 1945, Band 2, Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa. Paderborn, München, Wien, Zürich 1999. GATZ, Erwin (Hg.): Kirche und Katholizismus seit 1945, Band 1, Mittel-, West- und Nordeuropa. Paderborn, München, Wien, Zürich 1998. GATZ, Erwin (Hg.): Caritas und soziale Dienste. Freiburg, Basel, Wien 1997. GATZ, Erwin (Hg.): Die Bistümer und ihre Pfarreien. Freiburg, Basel, Wien 1991. GEBEL, Ralf: „Heim ins Reich!“: Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938 – 1945). München 1999. Gebt die Heimat nicht auf! Der Bundeskanzler sprach zu Heimatvertriebenen aus Schlesien. 400 000 beim Bundestreffen in Köln, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 31, S. 1. GEGENFURTNER, Wilhelm: Msgr. Anton Klinger, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 2 (2004), S. 28f. ST. GERHARDSWERK STUTTGART (Hg.): Die katholischen Donauschwaben in der Habsburgermonarchie vom Beginn ihrer Ansiedlung bis zum Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1683 – 1867. Band 1. Teilband 1. Stuttgart 2013. GENERALDIREKTION DER STAATLICHEN ARCHIVE BAYERNS (Hg.): Kardinal Faulhaber und die Flüchtlingsproblematik, in: Kardinal Michael von Faulhaber 1869 – 1952. Eine Ausstellung des Archivs des Erzbistums München und Freising, des bayerischen Hauptstaatsarchivs und des Stadtarchivs München zum 50. Todestag. München 2002, S. 435-443. GERL, Hanna Barbara: Romano Guardini. 1885 – 1968. Leben und Werk. Mainz 1985. GERL-FALKOVITZ, Hanna-Barbara: Romano Guardini: Konturen des Lebens und Spuren des Denkens. Mainz 2005. GERNDT, Helge (Hg.): Stereotypvorstellungen im Alltagsleben: Beiträge zum Themenkreis Fremdbilder – Selbstbilder – Identität; Festschrift für Georg R. Schroubek zum 65. Geburtstag / Münchner Vereinigung für Volkskunde. München 1988. Geschäftsführung des katholischen Lagerdienstes (Hg.): Chronik des katholischen Lagerdienstes 1952 bis 1982. Karlsruhe 1982.

Literatur

843

Gesellschaftliche Neuordnung aus christlichem Geiste. Zur 6. Jahrestagung der Ackermann-Gemeinde in Schwäbisch Gmünd, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 3 (1952), Nr. 8, S. 1 u. 4. Ghetto: Angleichung oder Eingliederung? Jugendarbeit unter den Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 4 (1950), Nr. 7, S. 3-8. GIDDENS, Anthony: Leben in einer posttraditionalen Gesellschaft, in: Ulrich BECK / Anthony GIDDENS / Scott LASH, Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt/M. 1996, S. 113-194. GIDDENS, Anthony: Risiko, Vertrauen und Reflexivität, in: Ulrich BECK / Anthony GIDDENS / Scott LASH (Hg.), Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt/M. 1996, S. 316-337. GIRGENSOHN: Flüchtlingsseelsorge und Territorialpfarrei, in: Christ unterwegs 2 (1948), 4, S. 19f. GLASER, Hermann: Deutsche Kultur. Ein historischer Überblick von 1945 bis zur Gegenwart. München, Wien 1997. GLASSL, Horst / PUSTEJOVSKY, Otfried (Hg.): Ein Leben. Drei Epochen. Festschrift für Hans Schütz. München 1971. Glaube und Heimat, Rundbrief der Böhmerwaldseelsorger an ihre heimatverbannten Pfarrkinder 1 (November 1949) – 24 (1970). GOLDAMMER, Erich: Verlorene Zukunft?, in: Christ unterwegs 1 (1946/47), Nr. 3 vom Februar 1947, S. 9-11. GOTTSCHALK, Joseph: Alfred Sabisch, in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6. Sigmaringen 1992, S. S. 271-273. GOTTSCHALK, Joseph (Hg.): Schlesische Priesterbilder Band 5. Aalen 1967. GOTTSCHALK, Joseph: Johannes Kaps, in: DERS. (Hg.), Schlesische Priesterbilder. Band 5, S. 221-225. GOTTSCHALK, Joseph: Heilige Hedwig führe uns heim, in: Königsteiner Rufe 1 (Oktober 1949), Heft 6, S. 131-134. GRAF, Friedrich Wilhelm: Die nachholende Selbstmodernisierung des Katholizismus? Kritische Anmerkungen zu Karl Gabriels Vorschlag einer interdisziplinären Hermeneutik des Zweiten Vatikanums, in: Peter HÜNERMANN (Hg.), Das II. Vatikanum – christlicher Glaube im Horizont globaler Modernisierung. Einleitungsfragen. Paderborn u.a. 1998, S. 49-65. GREBING, Helga (Hg.): Geschichte der sozialen Ideen, Sozialismus – Katholische Soziallehre – Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch. Essen 2000. GREBING, Helga: Zum Begriff Integration, in: Rainer SCHULZE u.a. (Hg.), Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. Bilanzierung der Forschung und Perspektiven für die künftige Forschungsarbeit. Hildesheim 1987, S. 302-304. GRENTRUP, Theodor: Die apostolische Konstitution Exsul Familia. Zur Auswanderer- und Flüchtlingsfrage. München 1956. GREVERUS, Ina-Maria (Hg.): Kulturkontakt, Kulturkonflikt: zur Erfahrung des Fremden. 26. Dt. Volkskundekongress in Frankfurt vom 28. Sept. – 2. Okt. 1987. Frankfurt/M. 1988. GROCHOLL, Wolfgang: Visitatoren für Branitz. Stuttgart 2012 (im Eigenverlag erschienen).

844

Literatur

GRÖGER, Johannes / KÖHLER, Joachim / MARSCHALL, Werner (Hg.): Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 6. Sigmaringen 1992. GRÖGER, Johannes / TRILLER, Dorothea / HIRSCHFELD, Michael: Münster – ein Sitz katholischer Vertriebenenseelsorge, in: Gesellschaft für Ostdeutsche Kulturarbeit Münster e.V. (Hg.), Neuanfang in Münster. Eingliederung von Flüchtlingen und Vertriebenen in Münster von 1945 bis heute. Münster 1996, S. 357-380. GROSCH, Waldemar: Oskar Golombek (1898 – 1972), in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6. Sigmaringen 1992, S. 176-180. GROß, Ernst: Ist Atheismus überhaupt möglich? Ein Beitrag zum Problem des Gotterkennens, in: Königsteiner Blätter II (1956), Nr. 3 bis 4; S. 73-86. GROSSER, Christiane u.a.: Flüchtlingsfrage – das Zeitproblem. Amerikanische Besatzungspolitik, deutsche Verwaltung und die Flüchtlinge in Württemberg-Baden 1945 – 1949. Mannheim 1993. GROSSER, Thomas: Die Aufnahme der Heimatvertriebenen in Württemberg-Baden und die regionalen Rahmenbedingungen ihrer Integration 1946 – 1956, in: Peter HEUMOS (Hg.), Emigration und Rückwanderung, Vertreibung und Integration in der Geschichte der Tschechoslowakei. München 2001, S. 223-263. GROSSER, Thomas: Die Integration der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland. Annäherungen an die Situation der Sudetendeutschen in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft am Beispiel Bayerns, in: Hans LEMBERG u.a. (Hg.), Im geteilten Europa. Tschechoslowaken und Deutsche und ihre Staaten 1948 – 1989. Essen 1998, S. 41-94. GRUBER, Wendelin: Die Flucht – donauschwäbische Passion. Ditzingen 1994. GRUBER, Wendelin: Missionarische Aufgabe der Heimatvertriebenen. Gedanken zum Tag des Heiligen Gerhards am 24. September, in: Gerhards-Bote 7 (1962), Nr. 9, S. 1f. GRULICH, Rudolf: Maria – Königin des Ostens. Wallfahrten zu marianischen Pilgerorten Osteuropas. München 2011, S. 19-23. GRULICH, Rudolf: Schönstatt und der Osten, in: Mitteilungen Haus Königstein 2010, Heft 3, S. 16f. GRULICH, Rudolf: Eine katholische Kindheit im evangelischen Franken. In: Rudolf GRULICH / Gerhard PIESCHL / Wolfgang STINGL (Hg.), Kirchliche Beheimatung in Franken. Festschrift zur 60. Vertriebenenwallfahrt nach Vierzehnheiligen. Obertshausen 2005, S. 91-102. GRULICH, Rudolf: Ein Jubiläum in Königstein – 50 Jahre Mutter der Vertriebenen, in: Mitteilungen des Sudetendeutsches Priesterwerkes 2/2002, S. 5-6. GRULICH, Rudolf: Vor 90 Jahren wurde Prof. Dr. Erhard Lang geboren. Ein Bibelwissenschaftler und Sprachgenie, in: Sudetendeutsches Priesterwerk Mitteilungen 1999, Heft 1, S. 8. GRULICH, Rudolf / STINGL, Wolfgang: Lebensbilder von Diözesan-Vertriebenenseelsorgern in den fränkischen Diözesen, in: Rudolf GRULICH / Gerhard PIESCHL / Wolfgang STINGL (Hg.), Kirchliche Beheimatung in Franken. Festschrift zur 60. Vertriebenenwallfahrt nach Vierzehnheiligen. Obertshausen 2005, S. 63-90. GRÜNDEL, Johannes: Georg Siegmund, in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6. Sigmaringen 1992, S. 234-236.

Literatur

845

GRÜNDEL, Johannes u.a. (Hg.): Humanum. Moraltheologie im Dienste des Menschen. Düsseldorf 1972. GRUNEWALD, Eckhard / GUSSONE, Nikolaus (Hg.): Das Bild der heiligen Hedwig in Mittelalter und Neuzeit. München 1996. GUARDINI, Romano: Das Ende der Neuzeit. Ein Versuch zur Orientierung. Würzburg 1950. GUARDINI, Romano: Vom Sinn der Kirche, 1. Auflage. Mainz 1922. GUTH, Stefan: Rezension zu: Corinna R. Unger: Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1945 – 1975. Stuttgart 2007, in: H-Soz-u-Kult, 08.04.2008, .

H HAAS, Reimund / RIVINIUS, Karl Josef / SCHEIDGEN, Hermann-Josef (Hg.): Im Gedächtnis der Kirche neu erwachen. Studie zur Geschichte des Christentums in Mittel- und Osteuropa. Festgabe für Gabriel Adriányi zum 65. Geburtstag. Köln 2000. HABEL, Fritz Peter: Historische, politische und soziale Voraussetzungen des Zusammentreffens zwischen Bayern und Sudetendeutschen nach 1945. München 1968. Haben die Vertriebenen von 1945 ihren früheren Wohnsitz verloren? In: Christ unterwegs 10 (1956), Nr. 7/8, S. 1-6. HABERSACK, Michael: Friedrich Dessauer (1881 – 1963): eine politische Biographie des Frankfurter Biophysikers und Reichstagsabgeordneten. Paderborn 2011. HACH, Jürgen: Gesellschaft und Religion in der Bundesrepublik Deutschland. Heidelberg 1980. HACKENBERG, Richard: Weihbischof Kindermann und das „Haus der Begegnung“, in: SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, KÖNIGSTEIN/TS. (Hg.), Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, dargestellt von Mitbrüdern, Mitarbeitern und Freunden (= Schriftenreihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Königstein). Königstein/Ts. 1976, S. 79-81. HACKENBERG, Richard: Der Deutsche Orden und die katholisch-soziale Bewegung, in: Horst GLASSL / Otfrid PUSTEJOVSKY (Hg.), Ein Leben – Drei Epochen. Festschrift für Hans Schütz zum 70. Geburtstag. München 1971, S. 341-357. HAHN, Eva: Die Sudetendeutschen in der deutschen Gesellschaft, in: Hans LEMBERG u.a. (Hg.), Im geteilten Europa, Tschechen, Slowaken und Deutsche und ihre Staaten 1948 – 1989. Essen 1998, S. 111-134. HAHN, Eva: Sudetonemecky problém. Obtízné loucení s minulostí (Das sudetendeutsche Problem. Schwieriger Abschied von der Vergangenheit). Praha 1996. HAJEK, Otto Herbert: Ein Leben im öffentlichen Raum, hg. von Johanna STULLE und Martin RUPPS. Stuttgart, Leipzig 2002. HAJEK, Otto Herbert: Herausfordernde Visionen, in: Eugen GOMRINGER, Kunst stiftet Gemeinschaft, Otto Herbert Hajek „Das Werk und seine Wirkung“. Stuttgart 1993, S. 158-160. HALTMAYER, Josef: Ungarns katholische Kirche und die Nationalitäten 1867 bis 1945 kritisch beleuchtet, in: Gerhards-Bote 18 (1973), S. 51f. und 56. HAMBY, Alonzo: Man of the People: A Life of Harry S. Truman. New York 1995.

846

Literatur

HAMPEL, Adolf: Mein langer Weg nach Moskau. Ausgewählte Erinnerungen. Bad Schussenried 2012. HAMPEL, Adolf: Tod und Unsterblichkeit in der Lehre Karl Barths, in: Königsteiner Blätter XI (1965), S. 49-77. HANDSCHUH, Christian: Georg Smolka. Von der ‚Ostforschung‘ zum ‚Abendland‘. Münster 2003. HANG, Thaddeus: Chinas Geschichte und Kultur. Eine Übersicht und ein Vergleich, in: Königsteiner Blätter VII (1962), S. 31-54. HANG, Thaddäus: Hat das Christentum in China noch eine Chance? In: Priester und Mission 1961/62. Sonderdruck 64 Seiten. HANG, Thaddäus: Die chinesischen Intellektuellen und das Christentum. In: Stimmen der Zeit 165 (1960), Heft 5, S. 321-334. HANIKA, Josef: Volkskundliche Wandlungen durch Heimatverlust und Zwangswanderung. Methodische Forschungsanleitung am Beispiel der deutschen Gegenwart. Salzburg 1957. HANNS-SEIDEL-STIFTUNG (Hg.): Geschichte einer Volkspartei. 50 Jahre CSU 1945 – 1995. München 1995. Hans Schütz rechnet mit den Lakaien der Austreiber ab. Auseinandersetzungen im Bundestag, in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 40, S. 1. HANSSLER, Bernhard: Die Kirche in der Gesellschaft: Der deutsche Katholizismus und seine Organisationen im 19. und 20. Jahrhundert. Paderborn 1961. HARTELT, Konrad: Josef Negwer (1882 – 1964). Der letzte deutsche Generalvikar des Erzbistums Breslau. Münster 2012. HARTELT, Konrad: Der Kapitelsvikar des Erzbistums Breslau Gerhard Schaffran und das Erzbischöfliche Amt Görlitz (1963 – 1972). Münster 2009. HARTELT, Konrad: Ferdinand Piontek (1878 – 1963). Leben und Wirken eines schlesischen Priesters und Bischofs. Köln, Weimar, Wien 2008. HARWARDT, Otto: Prälat Lettau zum Gedächtnis, in: Ermlandbriefe 13 (1960), Nr. 3, S. 3f. HAUNFELDER, Bernd: Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei 1871 – 1933. Biographisches Handbuch und historische Photographien. Düsseldorf 1999. HAUPT, Heinz-Gerhard / KOCKA, Jürgen (Hg.): Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung. Frankfurt 1996. Haus der Begegnung/Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e. V. (Hg.): Bischof-NeumannSchule, eine Schule in katholischer Trägerschaft. Limburg HAUSCHKA, Wenzel: Liebe Landsleute! (Leitartikel) in: Glaube und Heimat 2 (1950), Nr. 1, S. 1f. HAUTMANN, Herbert: Studium in Königstein. Erinnerungen eines Priesters, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 2 (2006), S. 21f. HEERDEGEN, Manfred: Heimat verloren – Zuhause gewonnen. Dokumentation über die Ansiedlung von Flüchtlingen und Vertriebenen im Ostallgäu. Marktoberdorf 1995. HEHL, Ulrich von: Karl Joseph Kardinal Schulte. In: Rheinische Lebensbilder. Band 9. Köln 1982, S. 261-274. HEHL, Ulrich von / HÜRTEN, Heinz (Hg.): Der Katholizismus in der Bundesrepublik Deutschland 1945 – 1980. Eine Bibliographie. Mainz 1983. HEHL, Ulrich von / REPGEN, Konrad (Hg.): Der deutsche Katholizismus nach 1945 in der zeitgeschichtlichen Forschung. Mainz 1988.

Literatur

847

HEIDRICH, Beate: „Die Heimat nicht vergessen ...“. Zur Geschichte und Funktion der Vertriebenenwallfahrt nach Altötting, in: Lenz KRISS-RETTENBECK / Gerda MÖHLER (Hg.), Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert-Stifter-Vereins München. München, Zürich, o.J., S. 513-526. Heimat bewahren – was die Seelsorgsbriefe bedeuten, in: Christ unterwegs 5 (1951), 3, S. 13. Heimat, Volk, Volkstum, in: Christ unterwegs, Monatsschrift für vertriebene Auswanderer, Deutsche im Ausland 12 (1958), Nr. 10, S. 1-6. Heimatabende. Um ihren Sinn und ihre Gestaltung, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 3 (1952), Nr. 9, S. 1f. Heimatlosigkeit: Frucht des völkerzerstörenden Materialismus. Botschaft des Papstes an das deutsche Volk, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 34, S. 1. Heiß umkämpfte Kunst, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 6 (1955), Nr. 10, S. 3. HELBACH, Ulrich: Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Westliche Besatzungszonen 1945 – 1947 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Bd. 54), Paderborn [u. a.] 2011. HELBIG, Louis Ferdinand: Der ungeheure Verlust. Flucht und Vertreibung in der deutschsprachigen Belletristik der Nachkriegszeit. Wiesbaden ²1989. HELBIG, Louis Ferdinand / HOFMANN, Johannes / KRAEMER, Doris (Hg.): Verlorene Heimaten – neue Fremden. Literarische Texte zu Krieg, Flucht, Vertreibung, Nachkriegszeit. Dortmund 1995. HELM, Leonhard: Das Haus der Begegnung in Königstein. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis 21 (2013), S. 23-29. HENZLER, Christoph: Fritz Schäffer 1945 – 1967: Eine biographische Studie zum ersten bayerischen Nachkriegs-Ministerpräsidenten und ersten Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland. München 1994. HERBRICH, E. (Bearb.): Alois Kardinal Muench. Ein Lebensbild. Königsstein im Taunus 1969. HERLES, Helmut: Wo Katholiken die Öffnung nach Osteuropa vorbereiten – das Werk Bischof Kindermanns in Königstein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Dienstag, 24. Januar 1967. HERRMANN, Willi: Landjugendarbeit in der Ackermann-Gemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 9 (1958), Nr. 4, S. 5. HETTLER, Friedrich Hermann: Josef Müller („Ochsensepp“). Mann des Widerstandes und erster CSU-Vorsitzender. München 1991. HETTWER, Norbert: Der Dienst der Diözese Augsburg an der Eingliederung der Heimatverwiesenen vor 30 Jahren, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte e.V. 9 (1975), S. 314-331. HETTWER, Norbert: Treue zur Landespatronin. Neue Aspekte der Hedwigsverehrung in der Vertreibung, in: Schlesischer Katholik 1/2 (1972), abgedruckt in: Franz LORENZ (Hg.): Schicksal – Vertreibung. Aufbruch aus dem Glauben. Dokumente und Selbstzeugnisse vom religiösen, geistigen und kulturellen Ringen. Köln 1980, S. 360-362. HILBEL, Petra: Die seelsorgerische und caritative Betreuung der Flüchtlinge in Hammelburg 1945 – 1950, in: Johannes MERZ (Hg.), Hammelburg – Bausteine zur Pfarrgeschichte. Hammelburg 1988, S. 113-120.

848

Literatur

Hilfsbund karpatendeutscher Katholiken e.V. Stuttgart (Hg.): 1948 bis 1998, 50 Jahre Hilfsbund karpatendeutscher Katholiken. Ohne Ort, ohne Jahr. HILGENREINER, Karl: Lebenserinnerungen, in: AKBMS II (1971), S. 189-329. HILGENREINER, Karl: Neuösterreich, in: Bonifatius-Korrespondenz 10 (1916), S. 5-8, 2936, 52-56, 76-87, 121-127, 157-161, 169-173, 245-249, 279-282; BonifatiusKorrespondenz 11 (1917), S. 158-163, 185-191. HILSCH, Peter: Johannes Hus. Prediger Gottes und Ketzer. Regensburg 1999. HINKEL, Sascha: Adolf Kardinal Bertram: Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Paderborn, München, Wien, Zürich 2010. HIRMKE, Hans: St.-Joseph-Stiftung. Bamberg 1986. HIRSCHFELD, Michael / GRÖGER, Johannes / MARSCHALL, Werner (Hg.): Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7. Münster 2006. HIRSCHFELD, Michael: Klerus als religiöse Kulturträger nach der Vertreibung. Der Beitrag von Glatzer Priestern in Nordwestdeutschland zur Grafschaft der Identitätsbewahrung nach 1945, in: Arno HERZIG (Hg.), Glaciographia nova, Festschrift für Dieter Pohl. Hamburg: 2004, S. 317-336. HIRSCHFELD, Michael: Katholisches Milieu und Vertriebene. Eine Fallstudie am Beispiel des Oldenburger Landes 1945 – 1965. Köln, Weimar, Wien 2002. HIRSCHFELD, Michael / TRAUTMANN, Markus (Hg.): Gelebter Glaube – Hoffen auf Heimat. Katholische Vertriebene im Bistum Münster. Münster 1999. HIRSCHFELD, Michael: Ein Anwalt der Vertriebenen. Der Gründer der Königsteiner Anstalten wurde vor 100 Jahren geboren. In Königsteiner Jahrbuch, 1999, S. 122-123. HIRSCHFELD, Michael: Prälat Franz Monse. Großdechant von Glatz. Sigmaringen 1997. Hirtensorge um die Vertriebenen. Der katholische Flüchtlingsrat an alle Seelsorger, in: Christ unterwegs 4 (1950), 6, S. 13f. HOCKERTS, Hans Günter: Zugänge zur Zeitgeschichte: Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft, in: APUZ B 28 (2001), S. 15-30. HOCKERTS, Hans Günter: Integration der Gesellschaft: Gründungskrise und Sozialpolitik in der frühen Bundesrepublik, in: Zeitschrift für Sozialreform 32 (1986), S. 25-41. HOCKERTS, Hans Günther: Sozialpolitische Entscheidungen im Nachkriegsdeutschland. Alliierte und deutsche Sozialversicherungspolitik 1945 – 1957. Stuttgart 1980. HOFFMANN, Hermann: Im Dienste des Friedens. Lebenserinnerungen eines katholischen Europäers. Stuttgart, Aalen 1970. HOFFMANN, Hermann: Bernhard Strehler (1872 – 1945), in: Joseph GOTTSCHALK (Hg.), Schlesische Priesterbilder. Band 5. Aalen 1967, S. 92-95. HOFFMANN, Hermann: Klemens Neumann (1873 – 1928), in: Joseph GOTTSCHALK (Hg.), Schlesische Priesterbilder. Band 5. Aalen 1967, S. 96-99. HOFFMANN, Johannes (Hg.): Tausend Jahre Benediktiner in den Klöstern Brevnov, Braunau und Rohr. St. Ottilien 1993. HOFFMANN, Michael: Mariaschein – Bohosudov. Ein Wallfahrtsort im Dornröschenschlaf. Leipzig, Berlin 2006. HOFMANN, Lore: Bestand und Erschütterung vertriebenen Familien in der Bewährung, in: Christ unterwegs 5 (1951), Nr. 1, S. 12-16. Hoher Anteil der Vertriebenen in der Wirtschaft Schleswig-Holsteins, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 51, S. 4. HOLTZ, Hans Achim: Die dritte Kraft. Aufbruch zur sozialen Gesellschaft, in: Christ unterwegs 6 (1952), Nr. 2, S. 7-13.

Literatur

849

HOLZAPFEL, Christoph / VOGT, Gabriele: Durch den gemeinsamen Glauben eine neue Heimat finden. Münster 2002. HOLZAPFEL, Christoph: Katholisches Bekenntnis als Mittel zur Integration? Der Beitrag der Bischöfe von Freiburg, Hildesheim und Rottenburg zur Integration der Vertriebenen, in: Christoph HOLZAPFEL / Gabriele VOGT, Durch den gemeinsamen Glauben eine neue Heimat finden. Münster 2002, S. 11-113. HOLZBRECHER, Sebastian: Weihbischof Joseph Ferche (1888 – 1965). Seelsorger zwischen den Fronten. Münster 2007. HÖSLINGER , Norbert / MAAS-EWERD, Theodor: Mit sanfter Zähigkeit. Pius Parsch und die biblisch-liturgische Erneuerung. Klosterneuburg 1979. HOUSWITSCHKA, Herbert und Gunthild: Die Integration der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg. Tirschenreuth 1995. HRADIL, Stefan: Individualisierung, Pluralisierung, Polarisierung: Was ist von Schichten und Klassen geblieben? In: Robert HETTLAGE (Hg.), Die Bundesrepublik Deutschland. Eine historische Bilanz. München 1990, S. 111-138. HRADIL, Stefan: Sozialstruktur in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen und Schichten zu Lagen und Milieus. Opladen 1987. HUBER, Kurt Augustinus: Katholische Kirche und Kultur in Böhmen – ausgewählte Abhandlungen, hg. von Joachim BAHLCKE und Rudolf GRULICH. Münster 2005. HUBER, Augustinus Kurt: Ferdinand Kindermann, in: Erwin GATZ, Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 – 1803. Ein biographisches Lexikon. Berlin 1990, S. 224-226. HUBER, Augustinus Kurt: Die Liturgische Bewegung bei den Sudetendeutschen, in: AKBMS 9 (1988), S. 51-65. HUBER, Augustinus Kurt: Adolf Kindermann: Studium, akademische Laufbahn und Wissenschaft, in: SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, KÖNIGSTEIN/TS. (Hg.), Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, dargestellt von Mitbrüdern, Mitarbeitern und Freunden (= Schriftenreihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Königstein). Königstein/Ts. 1976, S. 25-30. HUBER, Augustinus Kurt: Kosmas Schmalfus (1730 – 1811) – ein Prager Augustinertheologe der Aufklärungszeit. In: Cornelius P. MAYER / W. ECKERMANN, Scientia Augustiniana FS Adolar Zumkeller. Würzburg 1975, S. 469-511. HUBER, Augustinus Kurt: Geistige Generationsprobleme in der Kirche seit der Aufklärung, in: Frankfurter Theologische Studien 7 (1971), S. 305-313. HUBER, Augustinus Kurt: Sudetendeutscher und westdeutscher Katholizismus im Lichte von „Glauben – Danken – Dienen“, in: Christ unterwegs 16 (1962), Nr. 10, S. 1-5. HUBER, Augustinus Kurt: Prälat Professor Dr.Dr. Adolf Kindermann, in: Bohemia, Jahrbuch des Collegium Carolinum 1 (1960), S. 385-387. HUBER, Augustinus K.: Die sudetendeutschen Orden und Klöster nach der Vertreibung, in: Stifter-Jahrbuch V (1957), S. 264-272. HUDOWSKY, Wendelin: Aus den Erfahrungen eines Flüchtlingsseelsorgers, Christ unterwegs 1 (1946/47), 1/2, S. 20. HUFNAGEL, Alfons: Die Heimatvertriebenen und die katholische Kirche, in: Sepp SCHWARZ, (Hg.), Drei Jahrzehnte. Die Heimatvertriebenen in Baden-Württemberg. Berichte – Dokumente – Bilder. Stuttgart 1975, S. 224-230. HUGHES, Michael L.: Lastenausgleich unter Sozialismusverdacht. Amerikanische Besorgnisse 1945 – 1949, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 8 (1991), S. 37-53.

850

Literatur

HUMMEL, Karl Joseph: Der Heilige Stuhl, deutsche und polnische Katholiken 1945 – 1978, in: Archiv für Sozialgeschichte 45 (2005), S. 165-214. HUMMEL, Karl-Joseph: Der Katholizismus in der Bundesrepublik Deutschland 1981 – 1995. Eine Bibliographie. Paderborn u.a. 1997. HUMMEL, Karl-Joseph: Katholische Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Ein Forschungsprojekt der Kommission für Zeitgeschichte, Bonn. In: Rainer BENDEL / Stephan JANKER (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005, S. 201-212. HÜNERMANN, Peter (Hg.): Das Zweite Vatikanum. Christlicher Glaube im Horizont globaler Modernisierung, Einleitungsfragen. Paderborn, München, Wien, Zürich 1998. HÜRTEN, Heinz (Bearb.): Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1945 – 1952. Paderborn 2002. HÜRTEN, Heinz: Deutsche Katholiken 1918 bis 1945. Paderborn u.a. 1992. HÜRTEN, Heinz (Hg.): Katholizismus, staatliche Neuordnung und Demokratie 1945 – 1962. Paderborn 1991. HÜRTEN, Heinz: Beobachtungen zur Situation der katholischen Kirche in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands, in: Kirchliche Zeitgeschichte 2 (1989), S. 203209.

I ILIEN, Albert / JEGGLE, Utz: Leben auf dem Dorf. Zur Sozialgeschichte des Dorfes und zur Sozialpsychologie seiner Bewohner. Opladen 1978. IMHOF, Michael: Die Vertriebenenverbände in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte, Organisation und gesellschaftliche Bedeutung. Marburg 1975. JAKSCH, Johannes: Vom Sterben des Prager Dompropstes Dr. Franz, in: Königsteiner Rufe 1953, Nr. 10, S. 310f. JAKSCH, Josef SJ: Das Vertriebenenproblem in der innerkirchlichen Diskussion, in: Mitteilungen, Januar 1971, S. 6-11. JAKSCH, Josef SJ: Die Heimat als Aufgabe für unsere Jugend, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 5 (1954), Nr. 1, S. 1. JANISCH, Karl (Hg.): Ferdinand Dirichs. Bischof von Limburg. Frankfurt/M., 1963. JANKER, Stephan: Thesen zur Sicherung der Archive der kirchlichen Vertriebenenarbeit, in: Rainer BENDEL / Stephan M. JANKER (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirchen und Gesellschaft? Münster 2005, S. 181-188. JANSSEN, Heinrich Maria: Ein Wort des Dankes, in: KATHOLISCHER FLÜCHTLINGSRAT (Hg.), Bischof H. M. Janssen – 25 Jahre Vertriebenenbischof. Limburg [1982], S. 5963. JANSSEN, Heinrich Maria: Kirche der Heimatlosen, in: DERS., Unterwegs – Heinrich Maria Janssen – 25 Jahre bischöflicher Dienst. Hildesheim 1982, S. 195-201. JOKIEL, Rudolf: St. Hedwig, die Patronin der Schlesier, in: Der Volksbote 1 (1949), Nr. 6, S. 7. JUHNKE, Leo: Hans Schmauch. Leben und Werk, in: ZGAE 31/32 (1967/68), S. 7-16. JUNGNITZ, Joseph: Charakterbilder aus dem Clerus Schlesiens. Breslau 1898.

Literatur

851

K SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, KÖNIGSTEIN/TS. (Hg.), Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, dargestellt von Mitbrüdern, Mitarbeitern und Freunden (= Schriftenreihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Königstein). Königstein/Ts. 1976. KABEN, Gisela: Die kirchliche Lage in der Diözese Leitmeritz zwischen 1916 und 1931. Konkurrenzen, säkulare Tendenzen und nationale Dissoziation in der nordböhmischen Diözese. Hamburg 2009. KAINDL, Dominik: Heimatvertrieben, in: Glaube und Heimat 2 (Mai 1950), Nr. 5, S. 1-3. KALLER, Maximilian: Unser Laienapostolat. Was es ist und wie es sein soll. Leutesdorf am Rhein 1925. KAMPE, Walther: Achtzig Jahre – und noch immer da!. Erinnerungen zum 31. Mai 1989. Als Manuskript gedruckt. Limburg 1989. KAMPE, Walther: Ein Leben für die Kirche. Festrede zum 75. Geburtstag von Dr. Wilhelm Kempf, 1949 – 1981 Bischof von Limburg. Frankfurt am Main 1981. KANN, Robert A.: Frind, Wenzel Anton, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 615 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd137507844.html. KARASEK-LANGER, Alfred: Lebendige Begegnung zwischen Alt- und Neustämmen. Eine volkskundliche Gegenwartsschau, in: Franz LORENZ (Hg.), Schicksal – Vertreibung. Aufbruch aus dem Glauben. Dokumente und Selbstzeugnisse vom religiösen, geistigen und kulturellen Ringen. Köln 1980, S. 209-226. KARASEK-LANGER, Alfred: Neusiedlung in Bayern nach 1945. Einschnitt in unserer Volksgeschichte, in: Jahrbuch für Volkskunde der Heimatvertriebenen. Wels 1957, S. 24-102. KARASEK-LANGER, Alfred: Volkskundliche Wandlungen Deutschlands durch den Vertriebenenzustrom, in: Christ unterwegs 6 (1952), 10, S. 3; 11, S. 6. KARASEK-LANGER, Alfred: Das Vertriebenenproblem drängt die Forschung in neue Bahnen, in: Christ unterwegs 4 (1950), 6, S. 3. KARASEK-LANGER, Alfred: Und wieder grünt der alte Stamm. Das religiöse Brauchtum der Heimatvertriebenen III. Das Herz sucht neue Kultstätten, in: Christ unterwegs 4 (1950), Nr. 5, S. 8-12. KARP, Hans-Jürgen: Zum Stand der historischen Forschung über Maximilian Kaller (1880 – 1947). In: Rainer BENDEL (Hg.), Vertriebene finden Heimat in der Kirche. Integrationsprozesse im geteilten Deutschland in der Nachkriegszeit. Köln, Weimar, Wien 2008, S. 107-117. KASTLER, Martin: Die Integration der Heimatvertriebenen in den fränkischen Diözesen am Beispiel Eichstätts, in: Rainer BENDEL / Stephan M. JANKER (Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster 2005, S. 99116. KATHER, Linus: Der Priester im sozialen Neubau, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 1949, Nr. 10, S. 82-84, und Nr. 11, S. 89-90. KATHOLISCHE ARBEITSSTELLE FÜR HEIMATVERTRIEBENE SÜD (Hg.): St. Elisabeth und das Kreuz der Liebe, in: St. Elisabeth mahnt unsere Zeit. Anregungen zu Predigt und Vortrag für Heimatvertriebene und Einheimische. München 1957, S. 9-12. KATHOLISCHER FLÜCHTLINGSRAT/AMK E.V. (Hg.), Bischof H. M. Janssen. 25 Jahre Vertriebenenbischof. Königstein o.J. [1983].

852

Literatur

KAUFMANN, Franz Xaver: Zur Einführung: Probleme und Wege einer historischen Einschätzung des II. Vatikanischen Konzils, in: Franz Xaver KAUFMANN / Arnold ZINGERLE (Hg.), Vatikanum II und Modernisierung. Historische, theologische und soziologische Perspektiven. Paderborn u.a. 1996, S. 9-34. KAUFMANN, Franz Xaver / ZINGERLE, Arnold (Hg.): Vatikanum II und Modernisierung. Historische, theologische und soziologische Perspektiven. Paderborn u.a. 1996. KEHRER, Günther: Einführung in die Religionssoziologie. Darmstadt 1988. KEIL, Ernst-Edmund (Hg.): Vertrieben ... Literarische Zeugnisse von Flucht und Vertreibung. Eine Auswahl aus Romanen und Erzählungen, Gedichten, Tagebüchern und Zeichnungen der Jahre 1945 bis 1985 und 1992. Bonn 1992. KESSLER, Wolfgang: Ostdeutsches Kulturgut in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch der Sammlungen, Vereinigungen und Einrichtungen mit ihren Beständen. München, London 1989. KESTENBERG, Judith S.: Kinder von Überlebenden der Naziverfolgungen, in: Psyche. ZS für Psychoanalyse und ihre Anwendungen 28 (1974), S. 249-265. KEWITSCH, Paul (Hg.): Hirtenbriefe des Flüchtlingsbischofs Maximilian Kaller. Lippstadt 1951. KINDERMANN Adolf, Nach der kirchlichen Neuregelung im Osten, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Oktober 1972, S. 73-80. KINDERMANN, Adolf: Wir und die Kirche in Not, in: OSTPRIESTERHILFE (Hg.), Kirche in Not VII, Was ist Wahrheit. Limburg 1960, S. 105-124. KINDERMANN, Adolf: Die Weihe der aus den deutschen Ostgebieten vertriebenen Theologen (Osttheologen), in: Königsteiner Blätter I (1956), 10-21. KINDERMANN, Adolf: Was sagen wir unseren Vertriebenen im 10. Jahr der Vertreibung, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten 1955, S. 40-42. KINDERMANN, Adolf: Kirche in Not, hg. vom Sudetendeutschen Priesterwerk, Königstein/Ts. 1951. KINDERMANN, Adolf: Die Heimatvertriebenen, religiös seelsorglich gesehen, in: Franz GROHNER (Hg.), Kirchliches Handbuch. Amtliches Statistisches Jahrbuch der katholischen Kirche Deutschlands. Köln 1951, S. 203-218. KINDERMANN, Adolf: Kirche im Sudetenland, 1939 (im Selbstverlag in Prag erschienen). KIRCHE IN NOT – Dokumentationsbände der Kongresse; der erste Band erschien nicht; Herausgeber für den 2. (1953) bis 23. (1972) sowie den 25. (1974) Kongress war die Ostpriesterhilfe; für den 23. (1973) Kongress die Ostpriesterhilfe und das Haus d. Begegnung e.V., Königstein im Taunus; für den 26. (1975) bis 30. (1980) Kongress das Haus d. Begegnung e.V., Königstein im Taunus; für den 31. (1981) Kongress das Albertus-Magnus-Kolleg; für den 32. (1982) bis 42. (1992) Kongress das AlbertusMagnus-Kolleg und das Haus d. Begegnung e.V., Königstein im Taunus; für den 43. (1993) bis 45. (1995) Kongress das Albertus-Magnus-Kolleg; der Druck war immer Königstein:

- Erschütternde Christenverfolgung vor unseren Toren (2. Kongress, 1953) - Priesternot (3. Kongress, 1954) - Bolschewismus, Ersatzreligion (5. Kongress, 1955) - Bolschewismus, Koexistenz, Infiltration, Überwindung (6. Kongress, 1956) - Nationaler Bolschewismus (7. Kongress, 1957) - Kommunismus auf Weltebene (8. Kongress, 1958)

Literatur

853

- Was ist Wahrheit (9. Kongress, 1959) - Der Mensch zwischen Ost und West (10. Kongress, 1960) - Religion und Kommunismus (11. Kongress, 1961 - Unsere Schuld am Kommunismus (13. Kongress, 1963) - Friedliche Koexistenz (14. Kongress, 1964) - Es geht um den Menschen (15. Kongress, 1965) - Der Dialog (16. Kongress, 1966) - Der Friede und die Kirche in Not (17. Kongress, 1967) - Die Menschenrechte (18. Kongress, 1968) - Die Unruhe in der Welt (19. Kongress 1969) - Brüderlichkeit – Illusion oder Chance? (20. Kongress, 1970) - Christentum und Atheismus heute – eine Bilanz (21. Kongress, 1971) - Religionsfreiheit für alle (22. Kongress, 1972) - Jugend zwischen Marx und Christus (23. Kongress, 1973) - Humanismus, Marxismus, Christentum (24. Kongress, 1974) - Aufbruch des Geistes, Grenzen der Gewalt (25. Kongress, 1975) - Massen, Macht und Medien (26. Kongress, 1976) - Ringen um den Menschen: Freiheit in Ost und West (27. Kongress, 1977) - Religionsfreiheit – ein Grundwert menschlicher Existenz (28. Kongress, 1978) - Christentum, eine Hoffnung für ganz Europa (29. Kongress 1979) - Unsere Verantwortung für die verfolgte Kirche (30. Kongress, 1980) - Flüchtlinge in der Welt, eine Herausforderung für die Kirche (31. Kongress 1981) - Bedrohte Kirche in Ost und West (32. Kongress, 1982) - Wo ist dein Bruder Abel? (33. Kongress, 1983) - Osteuropa und Dritte Welt: Modelle für die Kirche von morgen? (34. Kongress, 1984) - Kirche – Nation – Frieden (35. Kongress, 1985) - Kirche und Menschenrechte – Solidarität mit den Verfolgten (36. Kongress, 1986) - 70 Jahre Oktoberrevolution: Bilanz für die Kirchen (37. Kongress, 1987) - Christen in Osteuropa: Perestrojka und Religion (38. Kongress, 1988) - Christen im Osten: Hoffen auf Europa? (39. Kongress, 1989) - Aufbruch im Osten: Herausforderung für die Kirche (40. Kongress, 1990) - Osteuropa im Umbruch: Wird die Kirche gebraucht? (41. Kongress, 1991) - Europas Christen nach der „Wende": wie gehen sie miteinander um? (42. Kongress, 1992) - Krise im Osten Europas: was tun Christen? (43. Kongress, 1994) - Christen – Nationen – Europa (44. Kongress, 1995) - Osteuropa – die Christen und der Friede in der Gesellschaft (45. Kongress, 1996) KLEIN, Gotthard: Der Volksverein für das katholische Deutschland 1890 – 1933. Geschichte, Bedeutung, Untergang. Paderborn u.a. 1996. KLEINEIDAM, Erich: Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau 1811 – 1945. Köln 1961.

854

Literatur

KLEINEIDAM, Erich / KUSS, Otto / PUZIK, Erich (Hg.): Amt und Sendung. Beiträge zu seelsorglichen und religiösen Fragen. Freiburg 1950. KLEINEIDAM, Erich: Deutscher Gottglaube, in: Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen, 3. überarbeitete Auflage. Salzburg, Leipzig 1938 (11934), S. 420-472. KLEINEIDAM, Erich: Die Nachfolge Christi nach Bernhard von Clairvaux, in: Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen, 3. überarbeitete Auflage. Salzburg, Leipzig 1938 (11934), S. 432-460. KLIER, Ernst: Heimatvertreibung und Christentum, in: Der Egerländer 36 (1985), Nr. 9, S. 4. KLUTH, Karin: Die Verarbeitung der Identitäts- und Integrationsprobleme der deutschen Heimatvertriebenen in der zweiten Generation, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 28 (1985), S. 289-317. KOCK, Erich: Er widerstand. Bernhard Lichtenberg, Dompropst bei St. Hedwig. Berlin 1996. KOENIGSWALD, Harald von (Hg.): Volk von morgen – Gedanken zur Begegnung von Einheimischen und Vertriebenen (Der Wegweiser. Mitteilungsblatt für das Vertriebenenwesen, herausgegeben vom Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen), 1951. KÖHLER, Joachim: Joseph Gottschalk, in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7. Münster 2006, S. 60-65. KÖHLER, Joachim: Ausbruch aus dem katholischen Milieu? Katholikinnen und Katholiken in Württemberg 1918 bis 1933, in: Rainer LÄCHELE / Jörg THIERFELDER (Hg.), Württembergs Protestantismus in der Weimarer Republik. Stuttgart 2003, S. 122-138. KÖHLER, Joachim: Das Bertrambild in der deutschsprachigen Forschung, in: ASKG 54 (1996), S. 9-54. KÖHLER, Joachim: Alfons Maria Härtel, in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6, S. 193-196. KÖHLER, Joachim: Erwin Rosner, in: DERS. (Hg.), Katholiken in Stuttgart und ihre Geschichte. Ostfildern 1990, S. 203f. KÖHLER, Joachim: Alfons Maria Härtel und die Anfänge der Flüchtlings- und Vertriebenenseelsorge im Bistum Rottenburg, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 7 (1988), S. 111-125. KÖHLER, Joachim: Ein Bericht des bischöflichen Kommissars für die Heimatlosenseelsorge in der Diözese Rottenburg Alfons Maria Härtels aus dem Jahre 1949, in: ASKG 45 (1987), S. 221-236. KÖHLER, Joachim / BENDEL, Rainer: Bewährte Rezepte oder unkonventionelle Experimente? Zur Seelsorge an Flüchtlingen und Heimatvertriebenen. Anfragen an die und Impulse für die Katholizismusforschung, in: Joachim KÖHLER / Damian VAN MELIS (Hg.), Siegerin in Trümmern, die Rolle der katholischen Kirche in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Stuttgart, Berlin, Köln 1998, S. 199-228. Königsteiner Schematismus. Vgl. „Ostpriesterverzeichnis“. KONRÁD, Ota: Ex Germaniae lux? Die Zusammenarbeit zwischen der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Universität Prag 1935 – 1938, in Bohemia 50 (2010), S. 273-300. KOOS, Anuschka: Otto Herbert Hajek – Konzeptionen der Raumgestaltung. Köln 2000.

Literatur

855

KORNBICHLER, Thomas (Hg.): Klio und Psyche. Pfaffenweiler 1990. KOSELLECK, Reinhart: Moderne Sozialgeschichte und historische Zeiten, in: Pietro ROSSI (Hg.), Theorie der modernen Geschichtsschreibung. Frankfurt/M. 1987, S. 173-190. KOSSERT, Andreas: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945. München 2008. KÖSTLIN, Konrad: Historiographie, Gedächtnis und Erinnerung, in: Elisabeth Fendl, Zur Ikonographie des Heimwehs. Erinnerungskultur von Heimatvertriebenen. Freiburg 2002, S. 11-28. KÖSTLIN, Konrad / BAUSINGER, Hermann (Hg.): Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur. 22. Dt. Volkskundekongress in Kiel vom 16. bis 21. Juni 1979. Neumünster 1980. KRALLERT-SATTLER, Gertrud: Kommentierte Bibliographie zum Flüchtlings- und Vertriebenenproblem in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und in der Schweiz. München 1989. KRAUSS, Marita: Integration und Akkulturation. Die methodische Annäherung an ein vielschichtiges Phänomen, in: Mathias BEER u.a. (Hg.), Migration und Integration, Aufnahme und Eingliederung im historischen Wandel. Stuttgart 1997 (Stuttgarter Beiträge zur historischen Migrationsforschung 3), S. 11-26. KRAUTWEIN, Joachim: Religiosität und Sozialstruktur. Stuttgart 1972. KRECKER, Lothar: Vertriebenenschicksal. Anruf und Auftrag, in: Koenigswald, Volk von morgen, S. 15-24. KREMPEL, Anton: Der kenternde Gemeinschaftsbegriff – eine philosophische Untersuchung in thomistischer Schau, in: Königsteiner Blätter II (1956), Nr. 1, S. 1-9. KREMPEL, Anton: Zeitwahl in der Ehe. Knaus Ogino Smulders. Kempten 1952. KREMPEL, Anton: La doctrine de la relation chez Saint Thomas. Exposé historique et systématique. Paris 1952. KROLL, Lothar-Frank (Hg.): Flucht und Vertreibung in der Literatur nach 1945. Berlin 1997. KRÖNER, Philipp: Caritas in drei Jahrzehnten. Dargestellt am Diözesan-Caritas-Verband Bamberg. Bamberg 1949. KRONFUSS, Wilhelm: Prälat Prof. Josef Haltmayer – 40 Jahre Priester, in: Gerhards-Bote 21 (1976), S. 70. KRONFUSS, Wilhelm: Prof. Haltmayer, Sprecher katholischer Donauschwaben, in: Gerhards-Bote 19 (1974), S. 20. KRÖNKE, Rudolf: Menschen und Ereignisse in Königstein. Erfurt 1997. KRUMWIEDE, Hans-Walter: Die Charta der Heimatvertriebenen 1950. Baustein für ein neues Europa aus christlichem Geist. [1991]. KRUSCHINA, Stefan: Heimatlosen-Seelsorge auf dem Michaelsberg. Ein Erlebnisbericht, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 7, 1988, S. 217-230 KRUSCHINA, Stefan: Contra spem in spe, in: Sudetendeutsches Priesterwerk, Königstein/Ts., November 1966, S. 91-94. KRUSCHINA, Stefan: Das kirchliche Eherecht in der Seelsorgepraxis. Stuttgart-Degerloch 1947. KUBIN, Franz / RIEBER, Arnulf (Hg.): Von der alten zur neuen Heimat: 40 Jahre Ackermann-Gemeinde in der Stadt Bamberg. Bamberg 1986. KÜHNE, Andrea: Abschottung und Assimilation: Die Flüchtlingspolitik in der Französischen Zone am Beispiel Württemberg-Hohenzollerns, in: Sylvia SCHRAUT / Thomas

856

Literatur

GROSSER (Hg.), Die Flüchtlingsfrage in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Mannheim 1996, S. 193-214. KULTURAMT DER STADT KAUFBEUREN (Hg.): 1946 – 1996 – 50 Jahre Neugablonz. Beiträge zu seiner Geschichte, seinen Menschen, seiner Industrie. Kaufbeuren 1996. KULTURSTIFTUNG DER DEUTSCHEN VERTRIEBENEN (Hg.), Vertrieben… Literarische Zeugnisse von Flucht und Vertreibung. Bonn 1992. Kundgebungen der Treue. Die Heimattreffen sind außerordentlich gut besucht, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 32, S. 8. KUNERT, Andrzej K. (Hg.): Józef Feliks Gawlina Biskup Polowy Polskich Sił Zbrojnych, in: Emigracyjna Rzeczpospolita 1939-1990, Band III. Warszawa 2002. KUNSTÁT, Miroslav: Widerspruch von Tradition und Moderne? Prolegomena zum Verhältnis von sudetendeutscher Identität und Katholizismus im 20. Jahrhundert, in: Martin ZÜCKERT / Laura HÖLZLWIMMER (Hg.), Religion in den böhmischen Ländern 1938 – 1948. Diktatur, Krieg und Gesellschaftswandel als Herausforderungen für religiöses Leben und kirchliche Organisation. München 2007, S. 49-71. KUNTSCHER, Ernst: „...in der Herberge war kein Platz mehr.“ in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 51, S. 3. KUNZMANN, Adolf: Unsere Aktionen für den Osten, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 9 (1958), Nr. 1, S. 1f. KUNZMANN, Adolf / WUMMEL-KORNTNER, Brigitte (Red.): Die sudetendeutschen Heimatbriefe. München 1966. KÜPPER, Rene: Kirchen und Religion in der zweiten Tschechoslowakischen Republik, in: Martin Schulze WESSEL / Martin ZÜCKERT (Hg.), Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert. München 2009, S. 299-316. KÜRSCHNER, Wilfried / LAER, Hermann v. (Hg.): Zwischen Heimat und Fremde: Aussiedler, Ausländer, Asylanten. Cloppenburg 1993. KURZ, Paul Konrad: Unsere Rede von Gott. Sprache und Religion. Münster 2004. KUSS, Otto: Dankbarer Abschied. München 1982.

L LABONTÉ, Maria: Albert Büttner. Ein Leben für Glaube und Kirche in der Fremde. Mainz 1978. LANDERSDORFER, Anton: Naegle, August. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18. Berlin 1997, S. 706. LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG BADEN-WÜRTTEMBERG (Hg.): Der Weg zum Südweststaat. Karlsruhe 1991. LANDGRAF, Arthur Michael: Pflüger im steinigen Acker. Bamberg 1953. LANGER, Markus: Alois Hudal. Bischof zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Versuch einer Biographie. Wien 1995. LANGHANS, Daniel: Der Reichsbund der Deutschen Katholischen Jugend in der Tschechoslowakei, 1918 – 1938. Bonn 1990. LANZINNER, Maximilian / HENKER, Michael: Landesgeschichte und Zeitgeschichte. Forschungsperspektiven zur Geschichte Bayerns nach 1945. Augsburg 1997. Lastenausgleich bis Oktober, in: Christ unterwegs 5 (1951), 7, S. 18. Lastenausgleich durch Bodenabgabe, in: Christ unterwegs 6 (1952), 2, S. 21.

Literatur

857

Lastenausgleich durch Industrieaktien, in: Christ unterwegs 5 (1951), 1, S. 24. Lastenausgleich in der Landwirtschaft, in: Christ unterwegs 4 (1950), 12, S. 24. Lastenausgleich reift heran. Die Grundzüge des Entwurfs, auf den sich das Bundeskabinett einigte, ...die Belastung des Vermögens, die Leibrente und Hausratsentschädigungen, in: Der Volksbote 2 (1950), Nr. 27, S. 1+3. Lastenausgleich und Caritas, in: Christ unterwegs 9 (1955), 11, S. 10. Lastenausgleich und Siedlung, in: Christ unterwegs 2 (1948), Nr. 7, S. 1-4. LAU, Jörg: Vaters Heimat. Meine Strasse: Er kam als Flüchtling und erfüllte sich in der Nordeifel den Traum vom Eigenheim. Der Sohn kehrt zurück, um das Haus zu verkaufen, in: DIE ZEIT Nr. 46, vom 10. November 2005, S. 64. LAUBACHER, Anton: Alfons Baumgärtner, in: Joachim KÖHLER (Hg.), Katholiken in Stuttgart und ihre Geschichte. Ostfildern 1990, S. 181f. LAUBACHER, Anton: Konrad Theiss, in: Joachim KÖHLER (Hg. ), Katholiken in Stuttgart und ihre Geschichte. Ostfildern 1990, S. 208f. LAUBACHER, Anton: Gelebte Caritas. Das Werk der Caritas in der Diözese RottenburgStuttgart. Aalen 1982. LEBER, Ludwig: Und es war gut so, in: Unsere Post 10 (1955), Nr. 2, S. 1. LEBER, Ludwig: Besinnliche Gedanken zum Jahreswechsel, in: Unsere Post 10, Nr. 1 (1955), S. 1. LEBER, Ludwig: Lehren eines Treffens, in: Unsere Post 6 (1951), Nr. 17, S. 1. LEBER, Ludwig: Caritas-Flüchtlingshilfe berichtet im Zeichen landsmannschaftlicher Hilfsbereitschaft, in: Unsere Post 6 (1951), Nr. 1, S. 4. LEBER, Ludwig: Mit neuen Hoffnungen ins Neue Jahr, in: Unsere Post 5 (1950), Nr. 1, S. 1. LEHMANN, Albrecht: Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945 – 1990. München 1993. LEHMANN, Hartmut (Hg.): Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung im neuzeitlichen Europa. Bilanz und Perspektiven der Forschung. Göttingen 1997. LEHMANN, Hartmut: Die Säkularisierung der Religion und die Sakralisierung der Nation im 20. Jahrhundert: Varianten einer komplementären Relation, in: Hans-Christian MANER / Martin SCHULZE-WESSEL (Hg.), Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen 1918 – 1939. Polen – Tschechoslowakei – Ungarn – Rumänien. Stuttgart 2002, S. 13-27. LEIDL, August: Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB 1880-1971, in: Ostbairische Grenzmarken 13 (1971), S. 294-298. Leitsätze zum Lastenausgleich, in: Christ unterwegs 2 (1948), 9, S. 5. LEMBERG, Eugen: Die Ausweisung als Schicksal und Aufgabe, in: Christ unterwegs 2 (1948), 11, S. 1ff. LEMBERG, Eugen / EDDING, Friedrich (Hg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben. 3 Bände. Kiel 1959. LEMBERG, Eugen / KRECKER, Lothar (Hg.): Die Entstehung eines neuen Volkes aus Binnendeutschen und Ostvertriebenen. Untersuchungen zum Strukturwandel von Land und Leuten unter dem Einfluß des Vertriebenenzustroms. Marburg 1950. LEMBERG, Hans (Hg.): Im geteilten Europa: Tschechen, Slowaken und Deutsche und ihre Staaten 1948 – 1989. Essen 1989.

858

Literatur

LEMPART, Matthias: Der Breslauer Domvikar und Jugendseelsorger Gerhard Moschner als Organisator der vertriebenen katholischen Schlesier. Ostfildern 2001. LENGEMANN, Jochen (Präsident des Hessischen Landtags) (Hg.): Das Hessen-Parlament 1946 – 1986. Biographisches Handbuch des Beratenden Landesausschusses, der Verfassungsberatenden Landesversammlung und des Hessischen Landtags (1.-11. Wahlperiode). Frankfurt/M. 1986. LEPSIUS, M. Rainer: Sozialstruktur und soziale Schichtung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Richard LÖWENTHAL / Hans-Peter SCHWARZ (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Stuttgart 1974, S. 263-288. LESCH, Karl-Josef: Die Begegnung mit dem Fremden als Chance ökumenischen Lernens für die christlichen Gemeinden, in: Wilfried KÜRSCHNER (Hg.), Zwischen Heimat und Fremde. Aussiedler, Ausländer, Asylanten. Cloppenburg 1993, S. 99-121. LIEBMANN, Maximilian: Kardinal Innitzer und der Anschluß – Kirche und Nationalsozialismus in Österreich 1938. Graz 1982. LODGMAN VON AUEN, Rudolf: Ein Leben für Recht und Freiheit und die Selbstbestimmung der Sudetendeutschen. Nürnberg 1984. LÖHR, Wolfgang: Der Volksverein für das katholische Deutschland. Mönchengladbach 2009. LORENZ, Franz (Hg.): Schicksal – Vertreibung. Aufbruch aus dem Glauben. Dokumente und Selbstzeugnisse vom religiösen, geistigen und kulturellen Ringen. Köln 1980. LORENZ, Franz: Die katholische Vertriebenenseelsorge, in: Hans Joachim von Merkatz (Hg.), Aus Trümmern wurden Fundamente. Vertriebene / Flüchtlinge / Aussiedler – drei Jahrzehnte Integration. Düsseldorf 1979, S. 247-261. LORENZ, Franz: Hans Schütz, in: Horst GLASSL / Otfrid PUSTEJOVSKY (Hg.), Ein Leben – Drei Epochen. Festschrift für Hans Schütz zum 70. Geburtstag. München 1971, S. 2537. LORENZ, Franz: Die kulturelle Aufgabe der Ackermann-Gemeinde. Einige Gedanken zur Diskussion, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 7 (1956), Nr. 10, S. 1. LORENZ, Franz: Stand und Gesellschaft. Ein Beitrag zur Soziologie der „Eingliederung“, in: Christ unterwegs 7 (1953), 12, S. 13. LORENZ, Franz: Soziale Sicherheit. Was sagen die Heimatvertriebenen dazu? in: Christ unterwegs 5 (1951), 12, S. 3ff. LORENZ, Franz: Städte wachsen in den Städten. Bevölkerungsdruck – Auswanderung – Lenkung, in: Christ unterwegs 5 (1951), 11, S. 3. LORENZ, Franz: Der Sudetendeutsche, von dem die ganze Welt spricht. Zum 200. Geburtstag des Clemens Maria Hofbauer am 26. Dezember, in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 51/52, S. 11. LORENZ, Franz: Weihbischof Adolf Kindermann. Ein Lebensbild, in: SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, KÖNIGSTEIN/TS. (Hg.), Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, dargestellt von Mitbrüdern, Mitarbeitern und Freunden. Königstein/Ts. 1976, S. 12-24. LORENZ, Willy: Die Kreuzherren mit dem roten Stern. Königstein 1964. LOTH, Wilfried: Politischer Katholizismus in Deutschland: Entstehung, Antriebskräfte, Verfall, in: Franz Xaver KAUFMANN / Arnold ZINGERLE (Hg.), Vatikanum II und Modernisierung. Historische, theologische und soziologische Perspektiven. Paderborn u.a. 1996, S. 35-52.

Literatur

859

LUFT, Ines: Eduard Winter zwischen Gott, Kirche und Karriere: vom charismatischen Führer des katholischen Staffelstein zum schulbildenden Osteuropahistoriker der DDR. Leipzig 2008. LUHMANN, Niklas: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/M. 1987. LUHMANN, Niklas: Funktion der Religion. Frankfurt/M. 1982. LÜTTINGER, Paul: Der Mythos der schnellen Integration. Eine empirische Untersuchung zur Integration der Vertriebenen Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland bis 1971, in: ZS für Soziologie 15 (1986), S. 20-36.

M MAAS-EWERD, Theodor: Simon Konrad Landersdorfer – Wegbereiter und Steuermann der Liturgischen Erneuerung im deutschen Sprachgebiet, in: Bibel und Liturgie 45 (1972), S. 42-52. MACHILEK, Franz: Arthur Michael Landgraf (1895 – 1958), in: Alfred WENDEHORST (Hg.), Fränkische Lebensbilder 16 (1996), S. 241-269. MACHUNZE, Erwin: Die christlichen Gewerkschaften, in: Otfried PUSTEJOWSKY / Horst GLASSL (Hg.), Ein Leben – drei Epochen. Festschrift für Hans Schütz zum 70. Geburtstag. München 1971, S. 324-340. MAI, Paul: Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1988 – 2010. Köln, Weimar, Wien 2011. MAI, Paul: Archive der kirchlichen Vertriebenenarbeit: Flüchtlingspastoral in den Archiven der Bistümer der bayerischen Kirchenprovinzen und der Evangelischen Landeskirche, in: Archive in Bayern 2 (2005), S. 79-129. MAI, Paul: Die Entwicklung der Hedwigswallfahrten in Deutschland nach 1945, in: Eckart GRUNEWALD / Nikolaus GUSSONE (Hg.), Das Bild der Heiligen Hedwig in Mittelalter und Neuzeit. München 1996, S. 247-257. MAI, Paul: Schlesierwallfahrten in Süd- und Westdeutschland. Ein Beitrag der Vertriebenen zur Aussöhnung der Völker, in: ASKG 51/52 (1994), S. 77-88. MAI, Paul: Edmund Piekorz (1899 – 1979), in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6. Sigmaringen 1992., S. 187-190. MAI, Richard: Mit ...00 fängt’s an. Ein Mensch erlebt das 20. Jahrhundert. Privatdruck. Starnberg-Söcking 1989. MANER, Hans-Christian / SCHULZE-WESSEL, Martin (Hg.): Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen 1918 – 1939. Polen – Tschechoslowakei – Ungarn – Rumänien. Stuttgart 2002. MARSCHLER, Thomas: Karl Eschweiler 1886 – 1936. Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie. Regensburg 2011. MARSCHLER, Thomas: Karl Eschweiler, in: David BERGER / Jörgen VIJGEN (Hg.), Thomistenlexikon. Bonn 2006, S. 155-160. MATTAUSCH, Rudolf: Vision eines christlich geprägten Europa, in: ‚Kirche in Not’, XXXVII (1979), „Christentum – eine Hoffnung für ganz Europa“, hg. vom Haus der Begegnung. Königstein , S. 13-23.

860

Literatur

MATTAUSCH, Rudolf: Adolf Kindermann, der sudetendeutsche Prälat von Königstein, in: Sudetenland, Vierteljahresschrift für Kunst, Literatur, Wissenschaft und Volkstum 7 (1965), S. 81-83. MATTAUSCH, Rudolf: Die deutsche Literatur in Böhmen, Mähren, und Schlesien als kulturgeschichtliches Problem. Königsteiner Inst. f. Kultur u. Geschichte Ostmitteleuropas. Königstein 1963. MATTAUSCH, Rudolf: Missionsarbeit und Reichspolitik des hl. Gunther. Königsteiner Inst. f. Kultur u. Geschichte Ostmitteleuropas. Königstein 1962. MATTAUSCH, Rudolf: Umbruch in Mitteleuropa. Der Aufbruch des tschechischen Volkes. Ackermann-Gemeinde, Hauptstelle. 1960. MATZKE, Josef: Religiöse Barockdenkmäler im Ostsudetenland. II: Schönhengstgau und Ostmähren“. Königstein 1964. MAURACH, R.: Von Potsdam und Nürnberg zum Vereinten Europa. Gedanken zur Austreibung der ostdeutschen Bevölkerung, in: Christ unterwegs 3 (1949), 6, S. 3; 7, S. 1; 8, S. 11. MEDER, Dietmar: Integration oder Assimilation? Kontinuität oder Neuanfang kirchengemeindlicher Strukturen in der Nachkriegszeit. Eine Feldstudie über den Beitrag der Kirche zur Integration der Heimatvertriebenen vor Ort in der Diözese RottenburgStuttgart. Stuttgart 2000. MEER, August: Charakterbilder aus dem Clerus Schlesiens 1832 – 1881. Breslau 1884. Mein Priestertum und meine Mutter, in: Königsteiner Rufe 1954, Nr. 8, S. 237f. MEINICKE, Wolfgang: Probleme der Integration der Vertriebenen in der Sowjetischen Besatzungszone, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 35 (1992), S. 1-31. MENGES, Walter: Soziale Verhältnisse und kirchliches Verhalten im Limburger Raum. Ergebnisse einer im Auftrage des bischöflichen Ordinariates Limburg anläßlich der Gebietsmission von 1959 durchgeführten pfarrsoziologischen Untersuchung in 40 Pfarreien des Limburger Raumes. Königstein 1959. MENGES, Walter: „Wandernde Kirche“. Konfessionelle und kirchliche Aspekte der westdeutschen Binnenwanderung, in: Christ unterwegs 10 (1956), Heft Nr. 5, S. 3f. MENZEL, Beda: Schicksale der Abtei Braunau in Rohr unter der Regierung des Abtes Dr. Dominik Prokop 1926 – 1969 und deren Auswirkungen. München 1980. MERGEL, Thomas / WELSKOPP, Thomas (Hg.): Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte. München 1997. MERKL, A.: Das Flüchtlingsproblem in volkstumsgeschichtlicher und volkstumsrechtlicher Beleuchtung, in: Christ unterwegs 2 (1948), 4, S. 4ff. MERTENS, Annette: Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Westliche Besatzungszonen 1948 – 1949 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Bd. 55), Paderborn [u. a.] 2010. MEYER, Ulrike / SCHICKLING, Inge (Red.): Erich Schickling. Memmingen [1994]. MEYER-SEVENICH, Maria: Impressionen und Gedanken. Aus dem Alltag eines Vertriebenenministers. Leer (Ostfriesland) 1967. MITSCHERLICH, Alexander: Das Ich und die Vielen. Ein Lesebuch. München 1978. MITSCHERLICH, Alexander und Margarete: Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. München 1967. MORAVICUS: Ein hessisches Dorf unter der Lupe. Drei Jahre nach der Einweisung der Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 4 (1950), S. 1, 7.

Literatur

861

MORSEY, Rudolf: Schreiber, Georg, in: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23. Berlin 2007, S. 529f. MORSEY, Rudolf: Georg Schreiber (1882 – 1963), in: Rudolf MORSEY (Hg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern. Band 2. Münster 2000, S. 177-185. Mosaiksteinchen. Kurze Zeugnisse über die Christenverfolgung in den Zeiten der kommunistischen Totalität und über die Bemühungen der Gläubigen um Freiheit und Wohl ihres Heimatlandes. Hradec Králové 2000. MOSIS, Rudolf / RUPPERT, Lothar (Hg.): Der Weg zum Menschen – Zur philosophischen und theologischen Anthropologie. Festschrift zum 75. Geburtstag von Alfons Deissler. Freiburg 1989. MOSLER, Josef: Zwischen den Parteien. Um die politische Eingliederung der Ostvertriebenen (Anfang), in: Christ unterwegs 3 (1949), 11, S. 9ff. MOßHAMMER, Ottilie: Um unsere Landjugend, in: Trierer Theologische Zeitschrift 1947, S. 201-207. MR: „Die Flüchtlinge sollen sich eingliedern!“, in: Christ unterwegs 4 (1950), 8, S. 1ff. MÜHLE, Eduard (Hg.): Briefe des Ostforschers Hermann Aubin aus den Jahren 1910 – 1968. Marburg 2008. MÜLLER, Dirk H.: Arbeiter – Katholizismus – Staat: Der Volksverein für das katholische Deutschland und die katholischen Arbeiterorganisationen in der Weimarer Republik. Bonn 1996. MÜLLER, Josef: Bis zur letzten Konsequenz. Ein Leben für Frieden und Freiheit. München 1975. MÜLLER, Karl V. / PFEIL, Elisabeth (Hg.): Raum und Gesellschaft. Referate und Ergebnisse der gemeinsamen Tagung der Forschungsausschüsse „Raum und Gesellschaft“. Bremen-Horn 1952. MÜLLER, Winfried: Schulpolitik in Bayern im Spannungsfeld von Kultusbürokratie und Besatzungsmacht 1945 – 1949. München 1995.

N Nachrichten aus der alten Heimat, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes 1 (1971), S. 15-18. Nachruf auf Paul Mikolaschek, in: Oberfranken-Kurier Nr. 6 (Nov./Dez. 1996), S. 6. NAHM, Peter-Paul: Lastenausgleich und Integration der Vertriebenen und Geflüchteten, in: Richard LÖWENTHAL / Hans-Peter SCHWARZ (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Stuttgart 1974, S. 817-842. NAHM, Peter Paul: ...doch das Leben ging weiter. Skizzen zur Lage, Haltung und Leistung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Eingesessenen nach der Stunde Null. Köln, Berlin 1971. NAHM, Peter Paul: Nach zwei Jahrzehnten. Erlebnisberichte über Flucht, Vertreibung und Eingliederung. Wolfenbüttel 1965. NAHM, Peter Paul: Die Heimat lebt von der Treue. Unser Recht auf Heimat ist keine Bedrohung des Friedens, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 35. NAR, Johannes: Kleine Geschichte der Caritas im Bistum Augsburg 1920 – 1960. Zum vierzigsten Bestehen des Diözesan-Caritasverbandes Augsburg. Donauwörth 1960. NECEL, Wojciech: Kardynal August Hlond – Prymas Polski. Poznań 1993.

862

Literatur

NEFF, Dorothee: Der Heimatverlust bei den Flüchtlingen. Ein Beitrag zum Phänomen der Heimat, Diss. Univ. Erlangen 1956. NESNER, Hans-Jörg: Das Metropolitankapitel, in: Georg SCHWAIGER (Hg.), Monachium Sacrum. Festschrift zur 500-Jahr-Feier der Metropolitankirche Zu Unserer Lieben Frau in München, Band 1. München 1994, S. 475-608. Neuausrichtung kultureller Vertriebenenarbeit, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 9 (1958), Nr. 4, S. 2. NEUMANN, Gerald: Die Medien und die Flüchtlingsfrage in Bayern von 1945 – 1953 (Die Entwicklung Bayerns durch die Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge). München 1994. NEUMANN, Klemens: Liederbuch Der Spielmann. Liederbuch für Jugend und Volk. Mainz o.J. NICK, Dagmar: Fluchtlinien. Gedichte seit 1945. München 1978. NIELEN, Joseph Maria: Was heißt und was ist katholische Weltanschauung? Versuch einer Antwort auf die Frage, in: Königsteiner Blätter IV (1958), Nr. 1, S. 1-12. NITTNER, Ernst: Die deutsch-slawische Nachbarschaft in europäischer Sicht als ostkundliches Unterrichtsprinzip, in: Königsteiner Studien 28 (1984), S. 5-57. NITTNER, Ernst: Vertreibung – Eingliederung – Versöhnung. Schicksal und Leistung der katholischen Heimvertriebenen, in: ZENTRALKOMITEE DER DEUTSCHEN KATHOLIKEN (Hg.). Kehrt um und glaubt – erneuert die Welt. 87. Deutscher Katholikentag vom 1. September bis 5. September 1982 in Düsseldorf. Dokumentation Band 2. Paderborn 1982, S. 344-371. NOVOSAD, Jaroslav: Štěpán Trochta. Praha 2001. NOWACK, Alfons: Lebensbilder schlesischer Priester. Breslau 1939. NOWAK, Kurt: Geschichte des Christentums in Deutschland. Religion, Politik und Gesellschaft vom Ende der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. München 1995. NOWAK, Przemyslaw: Friede mit der Kirche. Bernhard Poschmann (1878 – 1975) und seine dogmengeschichtlichen Forschungen zum Busssakrament. Köln, Weimar, Wien 2013.

O O’CONNOR, Ian: Flüchtlinge und die politischen Parteien in Bayern 1945 – 1950, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 38 (1995), S. 133-168. OEXLE, Otto Gerhard: Das Mittelalter und das Unbehagen an der Moderne. Mittelalterbeschwörung in der Weimarer Republik und danach, in: ders., Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus. Göttingen 1996, S. 137-162. OHLBAUM, Rudolf: Der Dichter und Schriftsteller Josef Mühlberger, in: Frank Lothar KROLL (Hg.), Flucht und Vertreibung in der Literatur nach 1945. Berlin 1997, S. 3354. OHLBAUM, Rudolf (Hg.): Paulus Sladek. Not ist Anruf Gottes. Aus Veröffentlichungen, Rundschreiben, Predigten und Briefen. Dokumente zur Geschichte der Vertriebenenseelsorge. München, Königstein 1991. OHLBAUM, Rudolf: P. Paulus Sladek – Weg und Wirken, in: DERS. (Hg.), Paulus Sladek. Not ist Anruf Gottes. Aus Veröffentlichungen, Rundschreiben, Predigten und Briefen. Dokumente zur Geschichte der Vertriebenenseelsorge. München, Königstein 1991, S. 447-534.

Literatur

863

OHLBAUM, Rudolf: Herbert Czaja – ein christlicher Sozial- und Außenpolitiker, in: Frieden durch Menschenrechte. FS zum 70. Geburtstag von Dr. Herbert Czaja. Dülmen/Westfalen 1984, S. 23-30. OHLBAUM, Rudolf: Hans Schütz, in: ACKERMANN-GEMEINDE (Hg.), Hans Schütz – Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit. Gewerkschafter, Sozialpolitiker, Jungaktivist, Vertriebenenpolitiker, Europapolitiker. München 1982, S. 13-25. OHLBAUM, Rudolf: Bayerns vierter Stamm, die Sudetendeutschen. Herkunft, Neubeginn, Persönlichkeiten. München 1980. OLF, Karl: Auch in der Jugend brennt die Liebe zur Heimat. 300 Teilnehmer an der Bundesjugendwoche der Ackermann-Gemeinde, in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 34, S. 6. ORTMANN, Karl (Hg.): Beiträge zur Situation der Caritasarbeit. Anruf und Zeugnis der Liebe. Regensburg 1947. ORTWEIN, Gisa: Governance in Netzwerken der Bekleidungsindustrie; Eine strukturationstheoretische Betrachtung am Beispiel des Bekleidungsunternehmens C & A. Hamburg 2009. OSTPRIESTERVERZEICHNIS (8. Königsteiner Schematismus). Stand: 1.4.1988, hg. von Albertus-Magnus-Kolleg / Haus der Begegnung. Königstein 1988. OSTPRIESTERVERZEICHNIS (7. Königsteiner Schematismus). Stand: 1.9.1978, hg. vom Priesterreferat. Königstein 1978.

P PACELLI, Eugenio: Die Lage der Kirche in Deutschland 1929. Bearbeitet von Hubert WOLF und Klaus UNTERBURGER. Paderborn u.a. 2006. PALECZEK, Rudolf: Die deutschen Budweiser Diözesanen nach 1945, in: AKBMS VII (1985), S. 137-151. PARAISO, Jean-Yves (Hg.): Brief über die Kirche. Die Kontroverse um Ida Friederike Görres. Köln 2005. Passive Treue genügt nicht! Wenzel Jaksch vor der SL Oberbayern in München, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 18, S. 3. PATZEK, Martin: Im Dienste der Jugend – offen dem Anruf der Zeit: Elisabeth Denis und IN VIA – Deutscher Verband katholischer Mädchensozialarbeit. Freiburg Univ. Diss. 1989. PEANO, Luigi: Ekklesiologie des russischen Laientheologen A. S. Chomjakov, in: Königsteiner Blätter XI (1966), S. 1-18. PENKERT, Alfred: Auf den letzten Platz gestellt? Die Eingliederung der geflüchteten und vertriebenen Priester des Bistums Ermland in die Diözesen der vier Besatzungszonen Deutschlands in den Jahren 1945 – 1947. Münster 1999. PENKERT, Alfred: Höhere Mächte haben entschieden. Berlin 2008. PENKERT, Alfred: Sie kamen aus der großen Drangsal. Ostdeutsche – insbesondere ermländische – Flüchtlinge und Heimatvertriebene im Briefwechsel mit Bischof Maximilian Kaller in den Jahren 1945 – 1947. Münster 2004. PENKERT, Alfred: Nachkriegserfahrungen. Ermländische und ostdeutsche Flüchtlinge und Heimatvertriebene im Briefwechsel mit Bischof Maximilian Kaller in den Jahren 1945 bis 1947. Münster 2003. PENKERT, Alfred: Ermland in der Zerstreuung. Die ostpreußischen Katholiken nach ihrer Flucht und Vertreibung aus der Heimat. Ein Abriß der Geschichte des deutschen Bis-

864

Literatur

tums Ermland und seiner Ordinarien in der Zeit nach dem Tod des letzten Bischofs im Jahre 1947 bis zur Auflösung der Apostolischen Visitatur und der Neuordnung der Vertriebenenseelsorge durch die Deutsche Bischofskonferenz ab dem 1. Januar 1999. Münster 2000. PETERS, Bernhard: Die Integration moderner Gesellschaften. Frankfurt/M. 1993. PETERSEN, Ingrid: Der Neutestamentler Aloys Schäfer (1853 – 1914), in: ASKG 57 (1999), S. 19-32. PFEIL, Elisabeth: Fünf Jahre später. Die Eingliederung der Heimatvertriebenen in Bayern bis 1950. Frankfurt/M. 1951. PFEIL, Elisabeth: Der Flüchtling. Gestalt einer Zeitenwende. Hamburg 1948. PFEIL, Elisabeth / BUCHHOLZ, Ernst Wolfgang (Hg.): Eingliederungschancen und Eingliederungserfolge. Regionalstatistische Analysen der Erwerbstätigkeit, Berufsstellung und Behausung der Vertriebenen. Bad Godesberg 1958. PIEGSA, Bernhard Joachim: Die „Ackermann-Gemeinde“ in Bayern, Magisterarbeit an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth 1995, 103 Seiten MS. PIEGSA, Joachim: Das christliche Europa unser Ziel, die Hl. Hedwig unser Vorbild, in: Königsteiner Studien 25 (1979), Heft 1/2, S. 47-53. PIEKORZ, Edmund: Selbsthilfe der Heimatvertriebenen, in: Christ unterwegs 2 (1948), Nr. 3, S. 6-8. PIESCHL, Gerhard: „Vergesst vor allem nicht die Armen und Kranken, die Heimatlosen und Fremden“. Vertreibung – Aufnahme – Heimatsuche. Eindrücke, Erfahrungen, Aufgaben eines Vertriebenenseelsorgers. Hg. von Rainer BENDEL. Berlin 2009. PIESCHL, Gerhard: Entwicklung der Vertriebenenseelsorge in der Katholischen Kirche der Bundesrepublik Deutschland, in: Kirche und Heimat. Die katholische Vertriebenenund Aussiedlerseelsorge in Deutschland. Bonn 1999, S. 11-26. PIESCHL, Gerhard: Kirche und Vertriebenenarbeit heute, in: Sie kamen aus großer Bedrängnis. Königstein 1990, S. 25-52. PIESCHL, Gerhard: Aufbau und Organisation der Vertriebenenseelsorge sowie Probleme der Vertriebenenarbeit im katholischen Bereich, in: Marion FRANTZIOCH u.a. (Hg.), 40 Jahre Arbeit für Deutschland – die Vertriebenen und Flüchtlingen. Frankfurt/M., Berlin 1989, S. 265-273. Pilgerfahrt zur großen Mutter Österreichs. Zum dritten Mal zogen die Heimatvertriebenen nach Maria Zell, in: Katholisches Sonntagsblatt, 28. Juni 1953, S. 480. PILVOUSEK, Josef / PREUß, Elisabeth (Hg.): Aufnahme – Integration – Beheimatung. Flüchtlinge, Vertriebene und die ‚Ankunftsgesellschaft’. Berlin 2009. PILVOUSEK, Josef: Prof. Dr. Dr. h.c. Erich Kleineidam, in ASKG 63 (2005), S. 252-254. PILVOUSEK, Josef: Theologische Ausbildung und gesellschaftliche Umbrüche. 50 Jahre Katholische Theologische Hochschule und Priesterausbildung in Erfurt. Leipzig 2002. PILVOUSEK, Josef: Innenansichten, Von der 'Flüchtlingskirche' zur 'katholischen Kirche in der DDR', in: Kirchen in der SED-Diktatur VI, 2. Frankfurt/M. 1995, S. 1134-1163. PILVOUSEK, Josef: Flüchtlinge, Flucht und die Frage des Bleibens. Überlegungen zu einem traditionellen Problem der Katholiken im Osten Deutschlands, in: Claus-Peter MÄRZ (Hg.), Die ganz alltägliche Freiheit. Christsein zwischen Traum und Wirklichkeit. Leipzig 1993, S. 9-23. PIRKL, Fritz: Hans Schütz – Sozialpolitiker für Deutschland, in: Hans Schütz, Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit, S. 251f. PIUS XII.: Die Bedeutung der Heimat, in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 37, S. 8.

Literatur

865

PLATO, Alexander von / LEH, Almut: „Ein unglaublicher Frühling“. Erfahrene Geschichte im Nachkriegsdeutschland 1945 – 1948. Bonn 1997. PLOCH, Gregor: Clemens Riedel (1914 – 2003) und die katholischen Vertriebenenorganisationen. Motor oder Hemmschuh des deutsch-polnischen Verständigungsprozesses? Berlin 2011. POLLET, I. V. M.: Zwölf Millionen deutscher Flüchtlinge. Religiös-soziologische Studie, in: Christ unterwegs 5 (1951),7, S. 5; 9, S. 8; 10, S. 11. POPP, Richard: Nehmt jede Arbeit an..., in: Christ unterwegs 2 (1948), 3, S. 17. POSCHMANN, Brigitte: Das Ermland im Spannungsfeld von Nationalsozialismus und Katholischer Aktion. Hg. von Rainer BENDEL, in: ZGAE 53 (2009), S. 77-92. PREUß-LAUSITZ, Ulf u.a.: Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschichte seit dem 2. Weltkrieg. Weinheim, Basel 1983. PRIESTER DER FREIEN PRÄLATUR SCHNEIDEMÜHL (Hg.), Prälat Dr. Franz Hartz zum Gedenken am 50. Jahrestage seiner Heiligen Priesterweihe. Hildesheim 1958. PRINZ, Friedrich: Geschichte Böhmens 1848 – 1948. München 1988. PRINZ, Friedrich: Integration von Vertriebenen und Flüchtlingen – Sach- und Methodenprobleme im Forschungsfeld: Das Beispiel Bayern, in: Rainer SCHULZE u.a. (Hg.), Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. Bilanzierung der Forschung und Perspektiven für die künftige Forschungsarbeit. Hildesheim 1987. PRINZ, Friedrich: Böhmen im mittelalterlichen Europa. Frühzeit, Hochmittelalter, Kolonisationsepoche. München 1984; dort v.a. S. 180-208. PRINZ, Friedrich: Gestalten und Wege bayerischer Geschichte. München 1982. PSCHEIDT, Edgar: Als Flüchtling in Bayern. Zwischen Integration, Auswanderung und Rückkehr, in: ZfBLG 53 (1990), S. 103-131. PUSTEJOVSKY, Otfrid: Christlicher Widerstand gegen die NS-Herrschaft in den Böhmischen Ländern. Eine Bestandsaufnahme zu den Verhältnissen im Sudetenland und dem Protektorat Böhmen und Mähren. Berlin 2009. PUZIK, Erich: Zur geistigen Lage und Aszese des heimatvertriebenen Priesters, in: Christ unterwegs 2 (1948), Nr. 5, S. 8ff. und Nr. 6, S. 11ff. PUZIK, Erich: Das Gebet im Leben des Weltpriesters, in: Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen, 3. überarbeitete Auflage. Salzburg, Leipzig 1938 (11934), S. 38-62.

R RABL, Kurt: ‚Echo unserer Arbeit’, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 9 (1958), Nr. 6, S. 6f. RABL, Kurt: Heimat und Freiheit gehören zusammen. Ein weiterer Beitrag zu unserer Diskussion: „Was heißt Recht auf Heimat?“, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 3, S. 3. RAMATSCHI, Paul: Katholische Erziehung, in: Erich KLEINEIDAM / Otto KUSS, Die Kirche in der Zeitenwende. Abhandlungen zu religiösen Zeitfragen, 3. überarbeitete Auflage. Salzburg, Leipzig 1938, S. 371-387. RAUSCHER, Anton (Hg.): Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland 1803 – 1963, Bd. 1. München, Wien 1981. RAUSCHER, Anton: Die katholische Soziallehre im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess der Nachkriegszeit, in: Albrecht LANGER (Hg.), Katholizismus, Wirtschaftsord-

866

Literatur

nung und Sozialpolitik 1945 – 1963. Paderborn, München, Wien, Zürich 1980, S. 1126. Recht auf Heimat – unveräußerlich. Landesvertriebenenausschuss der CDU in Niedersachsen tagte, in: Der Volksbote 8 (1956), Nr. 25, S. 4. Reflexion kultureller Aufgaben für die Ackermann-Gemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 2 (1951), Nr. 7, S. 2. REICHENBERGER, Emanuel J.: Wider Willkür und Machtrausch. Erkenntnisse und Bekenntnisse aus zwei Kontinenten. Graz, Göttingen 1955. REICHENBERGER, Emanuel J.: Europa in Trümmern. Das Ergebnis des Kreuzzuges der Alliierten. Graz, Salzburg, Wien 1950. REICHHOLD, Ludwig: Leopold Kunschak. Karl von Vogelsang-Institut – Politische Akademie. Wien 1988. REICHLING, Gerhard: Die deutschen Vertriebenen in Zahlen. Teil 1 und 2. Bonn 1986 und 1989. REICHLING, Gerhard: Die Heimatvertriebenen im Spiegel der Statistik. Berlin 1958. REICHLING, Gerhard / BETZ, Fritz H.: Die Heimatvertriebenen: Glied oder Außenseiter der deutschen Gemeinschaft? Frankfurt/M. 1949. REIFFERSCHEID, Gerhard: Das Bistum Ermland und das Dritte Reich. Köln, Wien 1975. REIMANN, P. Augustin: Gerechtigkeit und Liebe, Referat auf der Tagung heimatloser Priester am 6. bis 8. August 1946 in Eichstätt. Publiziert in: ASKG 60 (2002), S. 7176. REIMANN, P. Augustin: Böhmerwaldsohn und Bischof von Philadelphia – Johann Nepomuk Neumann. Königstein/Ts. 1960. REIMANN, P. Augustin: Eines Volksmissionars Weg und Wirken. Königstein/Ts. 1971. REIMANN, P. Augustin: Unser Pfarrer Hacker, in: Königsteiner Rufe 13 (1961), Nr. 6, S. 208f. REINHARDT, Michael (Red.): Die Entwicklung Bayerns durch die Integration der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Abschlussbericht der Dokumentationsstelle Bayreuth am Lehrstuhl für Bayrische Landesgeschichte von Prof. Dr. Rudolf Endress an der Universität Bayreuth. Bayreuth 1994. REIS, Claus / DORENBURG, Hermann (Hg.): Selbsthilfe. Ausdruck sozialen Wandels. Sozialpolitisches Programm. Herausforderung für die soziale Arbeit? Frankfurt/M. 1985. REIß, Karl: Prof. Dr. Braunstein zum päpstlichen Ehrenprälaten ernannt, in: Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes, Oktober 1979, S. 63. REITERER, Andrea: Karl Springenschmid: Der Waldgänger. Rechtfertigungsprosa im Biedermeierstil? In: Uwe BAUR (Hg.), Macht Literatur Krieg. Österreichische Literatur im Nationalsozialismus. Böhlau, Wien u. a. 1998, S. 307-319. REMIGER, Johann: Ostergruß an die Vertriebenen, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 15, S. 1. RICHTER, Jana: Eine Schule für Bayern. Die schulpolitischen Auseinandersetzungen um die Einführung der Christlichen Gemeinschaftsschule in Bayern nach 1945. München 1997. RICHTER, Matthias: Die Selbstdarstellung der Ackermann-Gemeinde in ihren Publikationen unter Berücksichtigung ihrer Entstehung und historischen Entwicklung, Magisterarbeit Universität München 1986, 104 Seiten MS. RICHTER, Reinhard: Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. Münster 2000.

Literatur

867

RIECHERT, Karin: Jugendseelsorge in Schlesien in der Zeit des Nationalsozialismus. Dokumente und Erinnerungen, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 53 (1995), S. 9-58. RIEDEL, Gerhard: Neues darf geschehen – Werkauswahl aus 45 Jahren. Augsburg 1997. RIEDEL, Ingeborg: Diese Lücke wird kaum zu schließen sein. Die Katharinen-Schwestern verlassen das Albertus-Magnus-Kolleg. In: Taunuszeitung, 2.8.1973, S. 7. RÖLLI-ALKEMPER, Lukas: Familie im Wiederaufbau. Katholizismus und bürgerliches Familienideal in der Bundesrepublik Deutschland 1945 – 1965. Paderborn u.a. 2000. ROMANO, Angelo: Ernesto Ruffini. Caltanissetta 2002. ROOS, Martin: Erbe und Auftrag. Die alte Diözese Csanád. Von den Anfängen bis zum Ende der Türkenzeit.1030 – 1716, Band I. München 2009. ROOS, Martin: Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas., Band II. Regensburg 2004. ROOS, Martin: Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas., Band I. Regensburg 1998. ROSE, Ambrosius (Hg.): Grüssauer Gedenkbuch. Stuttgart 1949. RÖSSLER, Susanne: Neugablonz. Ein Sonderfall der deutschen Geschichte. Thalhofen 1999. RÖSSLER, Susanne / STÜTZ, Gerhart (Hg.): Neugablonz. Stadtteil der ehemals Freien Reichsstadt Kaufbeuren im Allgäu. Entstehung und Entwicklung. Schwäbisch Gmünd 1986. ROST, Sieghart: 50 Jahre Union der Vertriebenen (UdV) in der CSU. Anmerkungen zur Geschichte der ältesten Arbeitsgemeinschaft der CSU. Typoscript München 1997. RÖTTGES, Ernst H.: Aus der Augustinus-Forschung des letzten Jahrzehnts. Ein Literaturbericht, in: Theologie und Philosophie 41 (1966), S. 84-91. RÖTTGES, Ernst H.: Marcellinus – Marcellus: zur Papstgeschichte der diokletianischen Verfolgungszeit, in: Zeitschrift für katholische Theologie 79 (1957), S. 385-420. RUDLOFF, Wilfried: Im Schatten des Wirtschaftswunders. Soziale Probleme, Randgruppen und Subkulturen 1949 – 1973, in: Thomas SCHLEMMER / Hans WOLLER (Hg.), Bayern im Bund, Band 2, Gesellschaft im Wandel 1949 – 1973. München 2002, S. 347-468. RUDOLPH, Hartmut: Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 – 1972, Bd. 1.2. Göttingen 1984-86.

S SACHER, Paul: Laiengottesdienst, in: Christ unterwegs 6 (1952), 4, S. 15. SALTENBERGER, Frank: Das Haus der Begegnung ist ein hervorragendes Dokument moderner Architektur, in: Jahrbuch Hochtaunuskreis 21 (2013), S. 30-36. SALTENBERGER, Frank Michael: Historische Bauforschung, Projekt Königstein, Haus der Begegnung, März 2008. SALZMANN, Rainer (Bearb.): Die CDU/CSU im Frankfurter Wirtschaftsrat. Protokolle der Unionsfraktion 1947 – 1949. Düsseldorf 1988. SAMERSKI, Stefan: Bernhard Stasiewski (1905 – 1995), in: Michael HIRSCHFELD / JOHANNES GRÖGER / WERNER MARSCHALL (Hg.): Schlesische Kirche in Lebensbildern, Band 7. Münster 2006, S. 327-331. SCHÄFERS, Bernhard (Hg.): Grundbegriffe der Soziologie. Opladen 1995.

868

Literatur

SCHÄFERS, Bernhard: Gesellschaftlicher Wandel in Deutschland. Ein Studienbuch zur Sozialstruktur und Sozialgeschichte der Bundesrepublik. Stuttgart 61995. SCHARF-WREDE, Thomas (Hg.): Heinrich Maria Janssen. Bischof von Hildesheim 1957 – 1982. Regensburg 2008. SCHARF-WREDE, Thomas: Perspektiven und Strategien der Archivsicherung, in: Rainer BENDEL (Hg.), Vertriebene finden Heimat in der Kirche. Integrationsprozesse im geteilten Deutschland nach 1945. Köln, Weimar, Wien 2008. SCHATZ, Klaus: Ein Konzilszeugnis aus der Umgebung des Kardinals Schwarzenberg. Das römische Tagebuch des Salesius Mayer SOCist (1816 bis 1876). Königstein 1964. SCHEEBEN, Matthias Joseph: Natur und Gnade. Mainz 1861. SCHEFFCZYK, Leo: Schmaus, Michael Raphael. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23. Berlin 2007, S. 123f. SCHEFFCZYK, Leo: Der Theologe und das Kriegserleben, in: Erich KLEINEIDAM / Otto KUSS / Erich PUZIK (Hg.), Amt und Sendung. Beiträge zu seelsorglichen und religiösen Fragen. Freiburg 1950, S. 344-377. SCHIEDER, Theodor: Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten als wissenschaftliches Problem, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 8 (1960), S. 1-16. SCHILDT, Axel: Moderne Zeiten, Freizeit, Massenmedien und „Zeitgeist“ in der Bundesrepublik der 50er Jahre. Hamburg 1995. SCHILDT, Axel / SYWOTTEK, Arnold (Hg.): Modernisierung und Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn 1993. SCHILLINGER, Reinhold: Der Entscheidungsprozess beim Lastenausgleich 1945 bis 1952. St. Katharinen 1985. SCHILSON, Arno: Die liturgische Bewegung, in: Clemens RICHTER / Arno SCHILSON (Hg.), Den Glauben feiern. Mainz 1989, S. 11f. SCHINDLER, Karl: Dr. Rudolf Jokiel (1897 – 1976). Von seinem Lebensweg und seiner 20 Jahre langen Kulturarbeit in Oberschlesien, in: Mitteilungen des Beuthener Geschichts- und Museumsvereins, Heft 36/41 (1974/79). Dortmund 1979, S. 161-174. SCHLAU, Wilfried: Die Ostdeutschen. Eine dokumentarische Bilanz 1945 – 1995. München 1996. SCHLAU, Wilfried: Gegen den Mahlstrom der Zeit. Ausgewählte Beiträge zu politischen Soziologie und neueren Sozialgeschichte. Anlässlich des 70. Geburtstages herausgegeben von Herbert Brichta und Hans-Günther Parplies. Stuttgart 1990, S. 159-164. SCHMAUCH, Werner: Die Stimme der Gemeinde, Monatsschrift der bekennenden Kirche, Februar 1949. SCHMERBAUCH, Maik: Prälat Franz Wosnitza (1902 – 1979). Ehemaliger Generalvikar von Kattowitz. Münster 2010. SCHMID-EGGER, Hans / NITTNER, Ernst: Staffelstein. Jugendbewegung und katholische Erneuerung bei den Sudetendeutschen zwischen den großen Kriegen. München 1983. SCHMITT, Wolfgang: Kollegium und Schülerschaft im Jahrzehnt des Jubiläums, in: Festschrift „Bischof Neumann-Schule“. Königstein 1996, S. 91f. SCHNABEL, Thomas / SCHNEIDER, Harald: Die Vertriebenen in Südwestdeutschland, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hg.): Der Weg zum Südweststaat. Karlsruhe 1991, S. 112-131. SCHÖFFLER, Peter (Hg.): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1948 – 1945. Frankfurt/M. ²1999.

Literatur

869

SCHOLZ, Franz: Zwischen Staatsräson und Evangelium. Kardinal Hlond und die Tragödie der ostdeutschen Diözesen. Frankfurt/M. 1988. SCHOLZ, Franz: Verblasst das Recht auf Heimat?, Vortrag am Albertus-Magnus-Fest 1955, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten, 1956, S. 410 und 22-23. SCHOLZ, Franz: Die sittlichen Grundlagen des Lastenausgleichs, in: Christ unterwegs 5 (1951), 10, S. 7. SCHOLZ, Maria: Heimatvertriebene Jugend 10 Jahre nach der Aussiedlung, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 7 (1956), Nr. 4, S. 1f. SCHÖTTLER, Peter (Hg.): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918 – 1945. Frankfurt/M. 21999. SCHRAUT, Sylvia: Make Germans do it – Die Flüchtlingsaufnahme in der amerikanischen Besatzungszone, in: Sylvia SCHRAUT / Thomas GROSSER (Hg.), Die Flüchtlingsfrage in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Mannheim 1996, S. 119-140. SCHRAUT, Sylvia: Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden 1945 – 1949. Amerikanische Besatzungspolitik und demokratischer Wiederaufbau im Konflikt. München 1995. SCHRAUT, Sylvia / GROSSER, Thomas (Hg.): Die Flüchtlingsfrage in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Mannheim 1986. SCHROUBEK, Georg R.: Wallfahrt- und Heimatverlust. Ein Beitrag zur religiösen Volkskunde der Gegenwart. Marburg/Lahn 1968. SCHULZ, Hans-Joachim: Die Liturgie als Interpretationsprinzip der Dogmenentfaltung im Dialog mit der Orthodoxie, in: Königsteiner Studien 25 (1979), Heft 1/2, S. 35-46. Schulleitung der Bischof-Neumann-Schule (Hg.), 50 Jahre Bischof-Neumann-Schule, vormals St.-Albert-Schule Königstein im Taunus – Festschrift. Königstein 1996. SCHULZE, Rainer: Zuwanderung und Modernisierung – Flüchtlinge und Vertriebene im ländlichen Raum, in: Klaus J. BADE (Hg.), Neue Heimat im Westen: Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler. Münster 1990, S. 81-105. SCHUSTER, Hermann / FATH, Rudolf: Der Weg des St. Gerhardswerkes e.V. durch die Zeit. Zielsetzung – Ausrichtung und Wirken über 50 Jahre, in: Rainer BENDEL (Hg.), Die Fremde wird zur Heimat. Integration der Vertriebenen in der Diözese Rottenburg. Berlin 2008, S. 353-383. SCHÜTZ, Hans: Unser Beitrag zur Überwindung der Gesellschaftskrise, in: ACKERMANNGEMEINDE (Hg.), Hans Schütz – Helfer und Wegweiser in schwerer Zeit. Gewerkschaftler, Sozialpolitiker, Jungaktivist, Vertriebenenpolitiker, Europapolitiker. München 1982, S. 171-186. SCHÜTZ, Hans: Die Deutsche Christlichsoziale Volkspartei in der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in: Die Erste Tschechoslowakische Republik als multinationaler Parteienstaat. Vorträge. Göttingen 1979, S. 271-290. SCHÜTZ, Hans: Rentenreform vor dem Abschluss. Das Ergebnis der Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 1, S. 1+7. SCHÜTZ, Hans: Gott ward ein Flüchtling, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 52, S. 1. SCHÜTZ, Hans: Der zerbrochene Beruf, in: Christ unterwegs 1 (1946/47), Nr. 1/2, S. 19. SCHWABSTEDT, Johannes: Sudetendeutsche Heimat Mittelgebirge. Marburg/Lahn 1954. SCHWALBACH, Bruno: Erzbischof Conrad Gröber und die nationalsozialistische Diktatur. Karlsruhe 1986.

870

Literatur

SCHWARTZ, Thomas Alan: Die Atlantik-Brücke. John McCloy und das Nachkriegsdeutschland. Frankfurt/M., Berlin 1992. SCHWARZ, Eberhard / BRAUN, Gustav (Bearb.): Christliches Heimaterbe – Beiträge der Konfessionen zur Kultur- und Heimatpflege der deutschen Ostvertriebenen, hg. vom Evangelischen Ostkirchenausschuss und Katholischen Flüchtlingsrat. Hannover, Würzburg, 1964. SCHWEDT, Herbert: Fremdheit, Chance und Schicksal, in: Ina Maria GREVERUS u.a. (Hg.), Kulturkontakt, Kulturkonflikt. Zur Erfahrung des Fremden. Frankfurt/M. 1987, S. 4957. SCHWINGEL, Markus: Pierre Bourdieu zur Einführung. Hamburg 1998. ŠEBEK, Jaroslav: Sudetendeutscher Katholizismus auf dem Kreuzweg. Politische Aktivitäten der sudetendeutschen Katholiken in der Ersten Tschechoslowakischen Republik in den 30er Jahren. Berlin 2010. ŠEBEK, Jaroslav: Nationalisierende Tendenzen im konfessionellen Bereich. Beispiele aus dem katholischen Milieu der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in: Martin ZÜCKERT / Laura HÖLZLWIMMER (Hg.), Religion in den böhmischen Ländern 1938 – 1948. Diktatur, Krieg und Gesellschaftswandel als Herausforderungen für religiöses Leben und kirchliche Organisation. München 2007, S. 31-47. Seelsorgliche Lage in einer Diasporapfarrei, in: Christ unterwegs 3 (1949), 5, S. 12. SEIBT, Ferdinand: Ostkunde und Ostforschung mit neuen Zielen, in: Horst GLASSL / Franz OLBERT (Hg.), Gräben und Brücken. Berichte und Beiträge zur Geschichte und Gegenwart Ostmitteleuropas. Festschrift für Ernst Nittner zum 65. Geburtstag. München 1980. SEIBT, Ferdinand: Hermann Aubin. Eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag. In: Sudetendeutscher Kulturalmanach 6 [1965], S. 172-175. SIMON, Robert Ernst: Wohnungsbau ist heute in Wahrheit Dombau, Katholische Kirche und Wohnungsbau in Bayern 1945 – 1955. Neustadt a.d. Aisch 1995. SKED, Alan: Der Fall des Hauses Habsburg. Der unzeitige Tod eines Kaiserreiches. Berlin 1993. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Aus der Werkstatt der Kirchlichen Hilfsstelle (München), in: Franz LORENZ (Hg.), Schicksal – Vertreibung. Aufbruch aus dem Glauben. Dokumente und Selbstzeugnisse vom religiösen, geistigen und kulturellen Ringen. Köln 1980, S. 106-109. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Wie kann die Kirche dem Menschen Heimat und Geborgenheit vermitteln? (1978), in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 186-195. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): 1000 Jahre Bistum Prag. Eine Predigt, in: 1000 Jahre Bistum Prag 973 – 1973. München 1974, S. 446-449; wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 278-281; hier: 278. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Versöhnung als christliche Aufgabe, in: Um Frieden und Versöhnung. München 1974; wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 343-348. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Über die Selbsttäuschung (1974), in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 379-383. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Die kirchliche Erneuerungsbewegung bei den Deutschen in der Ersten Republik, in: Ferdinand SEIBT (Hg.), Bohemia Sacra. Das Christentum in Böhmen 973 – 1973. Düsseldorf 1974, S. 175-208.

Literatur

871

SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Rom weckt Zweifel unter den Vertriebenen, in: Volksbote vom 07. Juli 1972, wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 311313; hier: 311. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Thesen zur deutschen Ostpolitik. Ein Brief vom 29. Januar 1972 an politische Freunde, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 307-309. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Heimatverzicht als christliches Opfer? Legalisierung von Unrecht ist kein Weg zum Frieden, in: Rheinischer Merkur, 25. Februar 1972, S. 10; auch in: Mitteilungsblatt der Ackermannn-Gemeinde 23 (1972); wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 407-412. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Brief an den Historiker Golo Mann 1972, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 413-415. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Heimat und Heimaterlebnis im Lichte einer christlichen Tiefenpsychologie, in: Horst GLASSL / Otfried PUSTEJOVSKY (Hg.), Ein Leben. Drei Epochen. Festschrift für Hans Schütz. München 1971, S. 483-512. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Über die seelische Lage der Vertriebenen heute; in: Mitteilungen März 1971, S. 61-66. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Gott will Heimat. Eine Vervielfältigung der kirchlichen Hilfsstelle in München, etwa 1962, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 296-299. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Promemoria „Über die katholischen Arbeitsstellen für die Heimatvertriebenen Süd“ 1958/59, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 181185. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Religiöses Leben unter den Deutschen in Böhmen und Mähren, in: Helmut PREIDEL (Hg.), Die Deutschen in Böhmen und Mähren. Gräfelfing 1952, S. 153-177. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Um Volk, Volkstum und Landsmannschaft, Referat auf einer Tagung der Ackermann-Gemeinde 1951 oder 1952, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 300-303. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Rettung der Heimatvertriebenen – Aufgabe des ganzen Volkes in: Heimatvertriebene und Heimkehrer. Vorträge und Anregungen der VII. überdiözesanen Aussprachekonferenz für Männerseelsorge in Fulda 09. – 12.05.1950. Augsburg 1950, S. 10-22; wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 7384. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Rundschreiben des katholischen Flüchtlingsrates an alle Seelsorger von 1950, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 170-175. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Wir schlagen eine Brücke (1950), in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 257-259. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Sie gehören zu euch! in: Caritasdienst 3 (1950), Nr. 3, S. 10f.; wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 260-264. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Was meinst Du dazu?, in: Christ unterwegs 3 (1949), 4, S. 8. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Die Heimatvertriebenen gegenüber Glauben und Kirche, in: Der Christ in der Not der Zeit. Der 72. Deutsche Katholikentag vom 01. bis 05.09.1948 in Mainz, Paderborn 1949, S. 44f.; ungekürzt in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 43-60. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Heimatvertriebene und Kirche. Gottesdienstbesuch – ein Gradmesser der Frömmigkeit? In: Christlicher Nachrichtendienst. Katholische

872

Literatur

Korrespondenz Ausgabe 43 vom 23. März 1949, wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 61f. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Die Flüchtlingsfrage soziologisch gesehen, in: Stimmen der Zeit 144 (1949), S. 343-358; wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 63-72. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Vertriebenenschicksal als unsere Aufgabe. Vortrag auf dem Diözesan-Ackermann-Tag am 19./20. November 1949 in Fürstenried, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 206-208. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Flüchtlingsnot als Aufgabe. Ein Wort der Mahnung an Einheimische und Heimatvertriebene, in: Christ unterwegs 2 (1948), Nr. 1/2, S. 2-4, und Nr. 4, S. 6-12; wieder abgedr. in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 231-238. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Kirche, Flüchtlingsnot und soziale Frage. Gekürzt abgedruckt in: Frankfurter Hefte 2 (1947), S. 1005-1016; in voller Länge aus dem Archiv der kirchlichen Hilfsstelle Süd München in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 33-41. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Der Andere gehört mit zu dir. Weihnachtsbrief an die Ackermann-Gemeinde 1947, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 204f. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Heimat ist Aufgabe (1947), in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 291-295. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Rundschreiben an die sudetendeutschen Priester 1946/47, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 201-203. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Weihnachtsbrief an die ehemaligen Staffelsteiner, Advent 1945, Hilfsstelle Süd, I/1, in: OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, S. 103-106. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Göttliches und Menschliches in der Kirche. Ein Beitrag zur Frage aus der Sicht des Grenzlandes, in: ThQ 122 (1941), S. 175-190. SLADEK, P. PAULUS (FRIEDRICH): Und unsere Jugend? in: Katholiken-Korrespondenz 28 (1934), S. 147-168; 148f. SMOLINSKY , Heribert (Hg.): Die Erforschung der Kirchengeschichte. Leben, Werk und Bedeutung von Hubert Jedin (1900 – 1980). Münster 2001. SOBIECH, Frank: Bernhard Poschmann, in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 246-249. Sorgen der Vertriebenengemeinden in Bayern, in: Christ unterwegs 4 (1950), 10, S. 24. SOUBIGOU, Alain: Tomáš Garrigue Masaryk. Praha, Litomyšl 2004. STADT KRUPKA (Hg.), Druckschrift Bazilika Panny Marie Bolestné, 2006. STASIEWSKI, Bernhard: Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e. V. 1958 bis 1987. Köln, Wien 1988. STEINBERGER, Karin: Verdammt zum Fröhlichsein. Die Generation der deutschen Kriegskinder. Psychisch haben wir überhaupt nichts erledigt, in: Süddeutsche Zeitung, 8. August 2002, Nr. 182, S. 3. STEINERT, Johannes-Dieter: Flüchtlingsvereinigungen – Flüchtlingsstationen? Zur Rolle organisierter Interessen bei der Flüchtlingsintegration in der frühen Nachkriegszeit, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 33 (1990), S. 55-68. STEINHÜBL, Josef: Mein Leben. Kampf eines katholischen Pfarrers für den Glauben und das Deutschtum in der Slowakei. Stuttgart 1975. STICKLER, Matthias: „Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch.“ Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949 – 1972. Düsseldorf 2004. Stimmungsbilder aus Briefen, in: Christ unterwegs 1 (1946/47), 4/5, S. 18.

Literatur

873

STOLTE, Dieter / WISSER, Richard (Hg.): Integritas. Geistige Wandlung und menschliche Wirklichkeit. Karl Holzamer gewidmet. Tübingen 1966. STORCH, R. (London): Nur schlechte Tschechen können gute Tschechoslowaken sein, in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 48, S. 1+3. STÖVER, Bernd: Die Bundesrepublik Deutschland. Darmstadt 2002. STRAATEN, P. Werenfried van: Ein Bettler für Gott. Autobiographische Aufzeichnungen und ausgewählte Gedanken des Speckpaters. München 1991. STRAATEN, P. Werenfried van: Sie nennen mich Speckpater. Recklinghausen 1961, überarbeitete Neuauflage 1988. STRAATEN, P. Werenfried van: Weihnachten zwischen Ost und West, in: Der Volksbote 3 (1951), Nr. 51/52, S. 1. Der Sudetendeutsche Klerus in der Vertreibung nach dem Stand vom 15.9.1963. Königstein/Ts. 1963. SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK, KÖNIGSTEIN/TS. (Hg.), Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Leben, Werk und Wirken, dargestellt von Mitbrüdern, Mitarbeitern und Freunden (= Schriftenreihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes in Königstein). Königstein/Ts. 1976. SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK (Hg.): Der sudetendeutschen Klerus in der Vertreibung nach dem Stand vom 15. September 1963. Limburg o.J. SUDETENDEUTSCHES PRIESTERWERK / ACKERMANNGEMEINDE (Hg.): Unser Pfarrer Hacker. Zum Gedenken an Monsignore Rudolf Hacker (1895 – 1959), Pfarrer von Zettlitz bei Karlsbad und Diözesan-Vertriebenenseelsorger von Augsburg. Königstein, München 1961. SUHARJANTO, Dewi Maria: Franz Böckle, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 27. Nordhausen 2007, Sp. 118-143. SVASEK, Maruska: Gewähltes Trauma: Die Dynamik der Erinnerten und (wieder-) erfahrenen Emotion, in: FENDL, Zur Ikonographie des Heimwehs, S. 55-78.

T TAUBITZ, Monika: Treibgut. Stuttgart 1983. TENFELDE, Klaus (Hg.): Sozialgeschichte Bayerns, Heft 4. Göttingen 1991. TERHEYDEN, Rolf: Beruf und Berufung. Zweite Festschrift für Johannes Binkowski. Mainz 1988. THANN, Werner: Die ländliche Siedlung in Bayern im Zeitraum 1945 – 1955. Diss. Technische Hochschule München, Fakultät für Landwirtschaft. München 1960. THEISS, Konrad: Die Ausgewiesenen – Deutschlands Schicksalsfrage. Stuttgart 1946. TILLMANN, Paul: Ein priesterliches Leben für Wahrheit und Recht. Erinnerungsskizzen an Dr. Johannes Kaps, in: Schlesisches Priesterjahrbuch 3/4 (1964), S. 110-137. TOMEŠ, Josef u.a. (Hg.): Český biografický slovník XX. století: III. díl: Q–Ž. Praha, Litomyšl 1999, S. 576-577. TRAUTMANN, Markus: Mit Glaubensglut und Feuereifer. Werenfried van Straaten und Johannes Leppich. Zwei charismatische Gestalten im deutschen Nachkriegskatholizismus. Vallendar-Schönstatt 2009. TREFFLER, Guido (Bearb.): Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Regensburg 2006.

874

Literatur

Treu der nie vergessenen Heimat. Der Sudetendeutsche Tag in Stuttgart zeigte den ungebrochenen Lebenswillen einer Volksgruppe, in: Der Volksbote 4 (1952), Nr. 23, S. 3. TRIPPEN, Norbert: Josef Kardinal Frings (1887 – 1978). Band I: Sein Wirken für das Erzbistum Köln und für die Kirche in Deutschland. Paderborn u.a. 22003. TROEGER-WIPPER: Ein Mann der ersten Stunde, in: Johannes BINKOWSKI (Hg.), Begegnungen mit Konrad Theiss. Aalen 1975, S. 47-51. TSCHERNOKOSHEWA, Elka: Das Reine und das Vermischte. Die deutschsprachige Presse über Andere und Anderssein am Beispiel der Sorben. Münster 2000.

U ULLRICH, Lothar: Otfried Müller, in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6, S. 284-288. Um die Zukunft der Sudetendeutschen (Programm der Ackermann-Gemeinde), in: Christ unterwegs 2 (1948), 9, S. 12ff. Um unser bäuerliches Erbe, Aufruf zum 4. Landvolkshochschullehrgang der AckermannGemeinde, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 5 (1954), Nr. 11, S. 3. Unbeugsamer Wille zur Heimat. 500 000 Sudetendeutsche bezeugen in Nürnberg, dass sie die Heimat nie aufgeben werden, in: Der Volksbote 7 (1955), Nr. 23, S. 3+8. Und in Königstein ...., in: Königsteiner Rufe 1 (1949), Nr. 9, S. 118. UNGER, Corinna R.: Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1945 – 1975. Stuttgart 2007. Unser Verhältnis zu Ungarn, in: Unsere Post 6 (1951), Nr. 14, S. 1. Unsere Aktionen, in: Mitteilungsblatt der Ackermann-Gemeinde 10 (1959), Nr. 11, S. 1f. Unsere Jugend vergisst die Heimat nicht. Bundeswoche der Jungen Aktion auf Burg Rothenfels, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 31, S. 3; Unverbrüchliche Treue! Pfingsttreffen der Sudetendeutschen, Pommern und Siebenbürger Sachsen, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 22, S. 1. Unverjährbar! Auf ihren Pfingstkundgebungen forderten die Vertriebenen das Recht auf Heimat, in: Der Volksbote 7 (1955), Nr. 23, S. 1.

V VALASEK, Emil: Der Kampf gegen die Priester im Sudetenland 1938 bis 1945. Eine Dokumentation. Königstein 2003. (= AKBMS XVI (2003), S. 11-236) VASKOVICS, Laszlo A.: Gesellschaftliche Desorganisation und Familienschicksale. Flüchtlings- und Vertriebenenfamilien des 2. Weltkriegs. München 2002. VEREINIGUNG KATHOLISCHER EDELLEUTE SCHLESIENS (Hg.): 100 Jahre Vereinigung Katholischer Edelleute Schlesiens 1890 – 1990. Limburg/Lahn 1993. Vertreibung als Wachstumselement der Kultur? in: Christ unterwegs 7 (1953), 10, S. 1. Vertriebene beeinflussen die Handwerksstruktur – Eingliederung der VertriebenenUnternehmer, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 25, S. 7. Vertriebenenfrage – Bewährungsprobe der Christen, in: Christ unterwegs 4 (1950), 7, S. 18. Vertriebenen-Gesetz angenommen, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 13, S. 2. Vertriebenenseelsorge in der Diözese Mainz (Hg.): 1946 – 1986, 40 Jahre Vertriebenenwallfahrten in der Diözese Mainz, Festschrift anläßlich der 80. Wallfahrt der Heimat-

Literatur

875

vertriebenen zur Schmerzhaften Gottesmutter in Dieburg am 21. September 1986. Darmstadt 1986. Vertriebenen-Wirtschaft auf der Hannover-Messe, in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 20, S. 4. VIERHAUS, Rudolf / HERBST, Ludolf (Hg.): Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949 – 2002. Band 2, N-Z. München 2002, S. 847-848. Vierzehntägiger „Kreuzzug der Nächstenliebe“ des Speckpaters in Bochum, in: Der Volksbote 10 (1958), Nr. 6, S. 2. VOGT, Gabriele: „Die Not ist gross, ist riesengross“ Bischof Dr. Godehard Machens (1934 – 1956) und die Vertriebenenseelsorge im Bistum Hildesheim 1945 – 1953, in: DIES. / Christoph HOLZAPFEL, Durch den gemeinsamen Glauben eine neue Heimat finden. Münster 2002, S. 115-208. VOLK, Ludwig: Akten deutscher Bischöfe. Über die Lage der Kirche 1933 – 1945, VI 1943 – 1945. Mainz 1985. VOLK, Ludwig: Der bayerische Episkopat und der Nationalsozialismus 1930 – 1934. Mainz 1965. VOLKMANN, Hans-Erich: Hermann Aubin, in: Ingo HAAR / Michael FAHLBUSCH (Hg), Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 58–62. Vom Jungarbeiter zum Purpurträger. Der bekannteste lebende Sudetendeutsche, Theodor Kardinal Innitzer, wird 80 Jahre alt, in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 52, S. 10. Von der Gnade durch die Flüchtlinge, in: Christ unterwegs 3 (1949), 12, S. 18. Von meiner Mutter. Wie die Heimat an die Kinder weitergegeben werden sollte, in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 8, S. 8.

W W. Hauschka zum Geleit in Glaube und Heimat, Rundbrief der Böhmerwald-Seelsorger an ihre Heimatverbannten Pfarrkinder 1 (1949), S. 4f.. WACHINGER, Lorenz (Hg.): Joseph Bernhart. Leben und Werk in Selbstzeugnissen. Weißenhorn 1981. WAGNEROVÁ, Alena: 1945 waren sie Kinder. Flucht und Vertreibung im Leben einer Generation. Köln 1990. Wallfahrt der Egerländer 1957 nach Maria Kulm. Das „traditionelle Friedensfest“ (der Kommunisten) war sofort misslungen, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 26, S. 8. WALTER, Leander: Er kannte Gott und die Welt. Ein Lebensbild von Hermann Hoffmann. Leipzig 1992. WAMBACH, Manfred Max: Verbändestaat und Parteienoligopol. Macht und Ohnmacht der Vertriebenenverbände. Stuttgart 1971. Was bringt das Vertriebenen-Gesetz? Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 15, S. 5. Was will Adolf Stalin? Vergesst nicht, dass es auch rote Christenverfolgungen gibt, in: Der Volksbote 5 (1953), Nr. 4, S. 1. WEBER, Georg: Beharrung und Einfügung. Eine empirisch-soziologische Analyse dreier Siedlungen. Köln, Graz 1968. WEBER, Jürgen: Die Bundesrepublik zwischen Stabilität und Krise 1955 – 1963. München 1993.

876

Literatur

WEBER, Matthias: Zum 65. Geburtstag von Prälat Josef Haltmayer, in: Gerhards-Bote 23 (1978), S. 58 f. WEGO, Maria: Ludwig Wolker. Seelsorger und „General“, in: Düsseldorfer Jahrbuch 76 (2006), S. 207-250. WEHLING, Hans-Georg (Hg.): Dorfpolitik. Fachwissenschaftliche Analysen und didaktische Hilfen. Opladen 1978. WEIDENFELLER, Gerhard: „Volkstumsarbeit“ in der Weimarer Republik, zur Struktur und Ideologie einer Bewegung, in: Essener Unikate 6/7 (1995), S. 143-149. WEIGEL, W.: Die Waffe des Rechts. Fortschritte in der Entwicklung des Rechtes auf Selbstbestimmung und Heimat, in: Der Volksbote 8 (1956), Nr. 1, S. 1. WEIGERT, J.: Dorfseelsorge, in: LTHK 1931, Band 3, S. 420f. WEIß, Otto: Alfonso Maria de Liguori. Theologie um der Seelsorge willen, in: Peter WALTER / Martin H. JUNG (Hg.), Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter, Pietismus, Aufklärung. Darmstadt 2003, S. 166-180. WEIßKOPF, Joseph: 900 Jahre Leitmeritzer Domkapitel. Stellungnahme zu einer Festschrift, in: Königsteiner Blätter VII (1961), S. 56-63. WEITLAUFF, Manfred (Hg.): Joseph Bernhart. Tagebücher und Notizen 1935 – 1947. Weißenhorn 1997, S. 225-228. WEITLAUFF, Manfred: Joseph Bernhart (1881 – 1969). Ein Lebensbild, in: Manfred WEITLAUFF / Abraham Peter KUSTERMANN (Hg.), Joseph Bernhart (1881 – 1969). Zwei Reden über Wissen, Bildung und Akademiegedanken. Deutungen zu Leben, Werk und Wirkung. Stuttgart 1995, S. 113-174. WENDEHORST, Alfred: Das Bistum Würzburg 1803 – 1957. Würzburg 1965. WENTZIG, Hermann: Paul Keller. Leben und Werk. München 1954. Wie steht es um die Flüchtlingsjugend? Aus einer Tagung in München, in: Christ unterwegs 1 (1946/47), Nr. 3 vom 01. Februar 1947, S. 12f. Wie steht es um die Flüchtlingsjugend? In: Christ unterwegs 1 (1946/47), 3, S. 12. WIEBEL-FANDERL, Oliva: Religion als Heimat? Zur lebensgeschichtlichen Bedeutung katholischer Glaubenstraditionen. Wien, Köln, Weimar 1993. WINKLER, Heinrich August: Vom Mythos der Volksgemeinschaft, in: Archiv für Sozialgeschichte 17 (1977), S. 484-490. WINKLER, Konrad: Die kulturelle Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge im profanen und kirchlichen Raum. Stand und Mängel der kulturellen Integration, in: Christ unterwegs 15 (1961), Nr. 7/8, S. 1-4. WINTER, Eduard: Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses. Nach Tagebuch, Aufzeichnungen, Briefen, Dokumenten und Erinnerungen. Band 1. Berlin 1981. WINTER, Eduard: Ferdinand Kindermann Ritter von Schulstein (1740/1801), der Organisator der Volksschule und Volkswohlfahrt Böhmens. Ein Lebensbild nach archivalischen Quellen. Augsburg 1926. WINTERSTEIN, Ulrike: Vertriebener Klerus in Sachsen 1945 – 1955. Paderborn u.a. 2010 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe B 118). Wir kommen alle ganz gut aus, in: Christ unterwegs 1 (1946/47), 3, S. 18. Wir verzweifeln nicht. Junge Bauern ohne Land bereiten sich auf ihre Arbeit in der Heimat vor, in: Der Volksbote 6 (1954), Nr. 3, S. 5. Wirtschaftlicher und politischer Faktor. Jahrestagung der Vertriebenen-Wirtschaft Landesverband Bayern, in: Der Volksbote 9 (1957), Nr. 23, S. 4.

Literatur

877

WITTIG, Joseph: Revision des Heimatglaubens, in: Franz LORENZ (Hg.): Schicksal – Vertreibung. Aufbruch aus dem Glauben. Dokumente und Selbstzeugnisse vom religiösen, geistigen und kulturellen Ringen. Köln 1980, S. 164-175. WITTSTADT, Klaus: Julius Döpfner. Sein Weg zu einem Bischof der Weltkirche in Bilddokumenten. Würzburg 2001. WITTSTADT, Klaus: Julius Kardinal Döpfner (1913 – 1976). Anwalt Gottes und der Menschen. München 2001. WLOCZYK, Edeltraud: Hubert Thienel (1904 – 1987), in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 6, S. 259-265. Wohnungsbau drängendste Pflicht, in: Passauer Bistumsblatt 14 (1949), Nr. 31 vom 31. Juli 1949, S. 1. WOLFF, Klaus Dieter: Wandel durch Integration – der Beitrag der Vertriebenen und Flüchtlinge zur Entwicklung Bayerns, in: BAYERISCHE LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNGSARBEIT U.A. (Hg.), 1945 – 1995. 50 Jahre nach Flucht und Vertreibung. Hypotheken und Chancen. München 1995, S. 21-31. WOLFRAM, Theodor: Mager, Alois, in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 651f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd101295863.html. WOLFRUM, Edgar: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948 bis 1990. Darmstadt 1999. WOLLASCH, Hans-Josef: Benedict Kreutz (1879 – 1949), in: Jürgen ARETZ u.a. (Hg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern, Band 5. Mainz 1982, S. 118-133. WOLTER, Hans (Hg.): Testimonium veritati. Philosophische und theologische Studien zu kirchlichen Fragen der Gegenwart. Frankfurt/M. 1971. WORBS, Marcin: Quickborn und Heimgarten als ein kulturell-religiöses Ereignis in Oberschlesien (1909 – 1939). Opole 1999. WORBS, Marcin: Die katholische Jugendbewegung Quickborn und das Volksbildungszentrum Heimgarten, in: Oberschlesisches Jahrbuch 14/15 (1998/1999), S. 163-174. WOSNITZA, Franz, Christlicher Glaube als Lebenshilfe, in: Heinrich von zur Mühlen (Hg.), Bausteine oder Dynamit? Leistung und Förderung der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland. Bielefeld 1974, S. 53-59. WOSNITZA, Franz: Ludwig Skowronek (1859 – 1934), in: Joseph GOTTSCHALK (Hg.), Schlesische Priesterbilder. Band 5. Aalen 1967, S. 69-71.

Z ZABEL, Johann: Pius Parsch. Wegbereiter der liturgischen Erneuerung. Königstein 1970. ZEEGERS, G.H.L. / MENGES, W.: Über den Einfluß der Heimatvertriebenen auf das kirchliche Leben in der Diaspora, in: Christ unterwegs 9 (1955), 3, S. 1ff. ZEITLER, Peter: Neubeginn in Oberfranken. Die Landkreise Kronach und Kulmbach. Kronach 1997. ZERLIK, Otto (Bearb.): Der Zettlitzer Pfarrer Monsignore Rudolf Hacker, Seelsorger, Sozialanwalt, Sorgenbrecher. Nürnberg 1983. ZESCHICK, Johannes: Klöster in Rohr. Geschichte und Gegenwart. Landshut 1986. ZETTL, L.: Aus der Arbeit der jungen Aktion, in: Mitteilungsblatt der AckermannGemeinde 10 (1959), Nr. 2, S. 4.

878

Literatur

ZIEBERTZ, Günter J.: Berthold Altaner (1885 – 1964), Leben und Werk eines schlesischen Kirchenhistorikers. Köln, Weimar, Wien 1997. ZIEGENAUS, Anton: Leo Scheffczyk, in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern. Band 7, S. 296-300. ZIEGERT, Richard (Hg.): Die Kirchen und die Weimarer Republik. Neukirchen-Vluyn 1994. ZIEGLER, Walter (Hg.): Die Vertriebenen vor der Vertreibung. Die Heimatländer der deutschen Vertriebenen im 19. und 20. Jahrhundert: Strukturen, Entwicklungen, Erfahrung (2 Teile). München 1999. ZIEMANN, Benjamin: Der deutsche Katholizismus im späten 19. und im 20. Jahrhundert. Forschungstendenzen auf dem Weg zu sozialgeschichtlicher Fundierung und Erweiterung, in: AfS 40 (2000), S. 402-422. ZIEMANN, Benjamin: Das Ende der Milieukoalition. Differenzierung und Fragmentierung der katholischen Sozialmilieus nach 1945, in: Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 9 (1999), Heft 2, S. 89-101. ZINTL, Reinhard: Institutionen und gesellschaftliche Integration, in: Friedrichs / Jagodzinski, Soziale Integration, S. 179-198. ZISCHKA, Ulrike: Fremde Heimat, Friedhof, in: Elisabeth FENDL (Hg.), Das Gedächtnis der Orte. Sinnstiftung und Erinnerung. Freiburg 2006, S. 31-79. Zum innerkirchlichen Lastenausgleich, in: Christ unterwegs 3 (1949), 3, S. 12. Zum neuen deutschen Ritual. Die Heimatvertriebenen fördern einen geschichtlichen Prozeß, in: Christ unterwegs 4 (1950), 3, S. 15. Zur kirchlichen Lage in unserer Heimat, in: Sudetendeutsches Priesterwerk 4 (1968), S. 86. Zur Psychologie des Flüchtlings, in: Christ unterwegs 7 (1953), 4, S. 3. ZUREK, Robert: Kirche und Versöhnung. Die Kirchen und die deutsch-polnischen Beziehungen 1945 – 1956. Köln, Weimar, Wien 2005. ZWIENER, Eberhard: Von der St. Albert-Schule zur Bischof Neumann-Schule, in: Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester 1980, S. 8-12.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AMK RKA KZG IKGBMS KFR DCV UdV VDD AKVO IWO KANN HdB KIO SPW BHE DJO

Albertus-Magnus-Kolleg Reichsverband für die katholischen Auslandsdeutschen Kommission für Zeitgeschichte Institut für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien Katholischer Flüchtlingsrat Deutscher Caritasverband Union der Vertriebenen Verband der Diözesen Deutschlands Arbeitsgemeinschaft der katholischen Vertriebenenorganisationen Informationsdienst West-Ost Katholische Nachrichtenagentur Haus der Begegnung Katholisches Institut für Ostkunde Sudetendeutsches Priesterwerk Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Deutsche Jugend des Ostens

REGISTER

A Ackern, P. van............................... 499 Adam, Karl.................................... 112 Adenauer, Konrad...99, 278, 774, 791, 794 Altaner, Berthold........................... 258 Andreas Volpert .................... 446, 455 Aubin, Hermann............................ 227 B Baeumker, Clemens...................... 258 Ballestrem, Carl Wolfgang Graf ......... von ............................................ 257 Bange, Ludger............................... 517 Barion, Jakob ................................ 197 Barth, Helga .................................... 80 Barth, Karl..................................... 442 Barton, Josef (Franz).....409, 443, 446, 653 Battaglia, Otto Forst de ................. 671 Beneš, Edvard ............................... 718 Benz, Ernst............................ 161, 498 Berger, Friedrich Alfred........332, 334, 394, 496, 612 Bernd, Rainer ................................ 104 Bernhard von Clairvaux ........ 450, 786 Bernhart, Joseph............................ 780 Berning, Hermann Wilhelm......32, 39, 58, 131, 167, 170-172, 174, 178, 180, 184, 186, 188, 190, 195, 269f., 276, 527 Bertram, Adolf......94, 102f., 147, 294, 452f., 491, 706, 720, 740, 769, 776 Bidault, Georges.............................. 76 Bischoff, Egbert .......................... 593f. Bitterlich, Adalbert........302, 411, 413, 424, 443, 447, 456 Bock, Karl ..................................... 307 Böckenförde, Werner .................... 327 Böckle, Franz ................................ 685

Bokler, Willy .................................721 Bolzano, Bernhard.........................245 Boni, Luis De.................................683 Borchert, Ernst...............400, 443, 447 Borchert, Wolfgang .......................474 Borucki, Bruno ..............................739 Borucki, Joseph.....327, 432, 482, 535, 557, 565, 585 Bosl, Karl.......................................675 Bracht, Hans Werner .....................679 Braun, Gustav..........98, 101, 128, 135, 137-139, 142, 144 Braunstein, Karl....27, 203f., 348, 352, 355-357, 362, 365, 386, 418, 442f., 447, 449, 456, 465, 492, 515f., 534f., 569, 612, 689, 698f., 742, 768, 790 Bretz, Gisela ..........................566, 568 Brix, Eduard ..........................268, 537 Buchheim, Hans ............................685 Busch, Hans...25, 395, 557, 667f., 709 Büttner, Albert.........23, 2-37, 43, 45f., 60f., 97, 115, 124-126, 130, 133, 137, 163, 169-196, 198f., 201, 209, 222-224, 226, 267, 269f., 273, 276, 282, 337, 403f., 481, 527, 533, 537540, 545, 764, 765 C Chamberlain, Houston Stewart......785 Coenen, Thijs.................................499 Cohausz, Birgitt.....................391, 775 Commer, Ernst...............................258 Czaja, Herbert........................164, 720 Czermak, Theodor .................215, 229 D David, Jakob ..................................671 Deissler, Alfons .....................449, 454

Register

Demandt, Alois....294, 296f., 300-302, 428, 559, 598 Denis, Elisabeth .............................. 97 Dessauer, Friedrich ....................... 172 Dichtl, Josef .................................. 608 Diepenbrock, von .......................... 255 Diplich, Hans .......................... 46, 614 Dirichs, Ferdinand......23, 34f., 67, 9799, 129-136, 138, 142, 163, 171, 194f., 199, 273, 275, 401, 403, 523, 527 Domes, Johann.............................. 260 Döpfner, Julius...24, 67, 135, 142-144, 163, 327, 334, 488, 597, 610 Drewniak, Leander........443, 447, 454, 467 Drimmel, Heinrich ........................ 677 E Effert, Gerold ................................ 738 Egenter, Richard.................... 448, 762 Engelbert, Josef. 82, 90, 407, 488, 617 Engelbert, Kurt............ 484, 488f., 617 Eschweiler, Karl............................ 112 F Falk, Hans Peter ............................ 508 Faßbender , Hubert.. 32, 270, 537, 774 Faulhaber, Michael....72, 79, 177, 185, 277, 447 Fenzl, Jordan ................................. 613 Fietzek, Johannes .......................... 255 Fittkau, Gerhard ...................... 58, 170 Fleckenstein, Heinz....................... 677 Frank, Karl Hermann .................... 225 Franz Schubert .............................. 554 Franzel, Emil................................. 671 Frind, Wenzel........................ 204, 215 Frings, Josef........23, 29f., 32, 34f., 37, 39, 73, 78, 94, 99f., 126f., 136, 138, 142, 147, 170f., 185, 190, 195, 197f., 212, 269, 273, 275, 277f., 284-286, 290-292, 296, 298, 399f.,

881 419, 527, 538f., 541, 597, 604, 606, 648, 741, 752, 769f., 788 Fröhlich, Otto . ......303, 407, 443, 618 Fröhling, Friedrich...........................97 G Gabriel, Max............................98, 647 Galen, Clemens August ....................... Graf von ............111, 128, 138, 173 Galli, Mario von ............................673 Ganse, Franz-Georg......407, 410, 413, 443, 448, 450, 465, 666, 770 Gatz, Erwin....................................461 Gawlina, Józef ...............................170 Geis, Aloys ....................................537 Ghermani, Dionisie........................699 Gillessen, Herbert ..........................685 Glassl, Horst ..................................685 Gleisner, Heinrich..........................672 Göhring, Heinz ........................... 573f. Goldschmidt-Rothschild,..................... Maximilian von .........................546 Golombek, Oskar.........9-96, 104, 463, 489, 619 Gottschalk, Joseph.........443, 448, 454 Gregor XVI....................................255 Grentrup, Theodor .........................766 Gröber, Conrad......58, 72, 75-77, 79f., 170f., 545, 574, 583, 599, 658 Grosch, Waldemar.....................94, 95 Groß, Ernst .... 424, 438, 443, 448, 456 Groth, Manfred ..............................382 Grotjahn, Walter ............................679 Gruber, Wendelin ..........................615 Grulich, Rudolf......161, 344, 393-396, 447, 471, 494, 496, 511f., 619, 699, 758 Grüner, Josef..................................216 Grycz, Wolfgang...344, 349, 352, 657, 692, 699f. Guardini, Romano .........108, 256, 743 Guggenberger, Vinzenz .................702 Gypkens, Franz......................672, 674

882 H Haase, Felix................................... 257 Hackenberg, Richard......27, 54f., 263, 328, 346, 354, 356f., 375, 526f., 530, 612, 653, 667, 672, 684, 689, 697-701, 738 Hadrossek, Paul.....424, 433, 435, 443, 448, 456, 460, 473, 508f., 667, 742 Hahn, Karl-Ernst ........................... 669 Haibach, Franz .............................. 106 Haltmayer, Josef.................. 612, 615f. Hammer, Gerhard.................. 389, 574 Hampel, Adolf.......318, 393, 441-443, 448, 585f., 606, 758, 797 Hang, Taddäus .................... 438f., 507 Hanssler, Bernhard........................ 675 Härtel, Alfons............................. 84-90 Hartz, Franz......23f., 34, 67, 95f., 135139, 142f., 145, 163, 195, 273, 275, 281, 499, 596, 669 Hasenstab, Rudolf ......... 443, 449, 516 Hautmann, Herbert........................ 603 Helfmeyer, Franz Josef ................. 517 Henlein, Konrad ............................ 217 Henri Dunant................................. 554 Herbrich, Elisabeth........ 397, 444, 449 Herrmann, Herwig.........535, 567-569, 577, 589 Herwegen, Ildefons ....................... 256 Heuss Theodor ...................... 554, 686 Hilfrich, Antonius ......................... 170 Hilgenreiner, Karl ....................... 262f. Hinz, Ludwig ................................ 98f. Hirschfeld, Michael................... 38, 40 Hlond, Augustyn ........... 113, 115, 162 Hoeres, Walter .............................. 471 Hofbauer, Clemens Maria ............. 701 Hoffmann Hermann ...................... 329 Hoffmann, Erich von..........345f., 356, 370, 372, 376f. Höffner, Joseph ............................. 574 Holzamer, Karl.............................. 673 Holzapfel, Christoph .................. 80-82

Register

Homeyer, Josef...327f., 342, 351, 522, 525, 527, 529-531 Hoppe, Paul ...................................150 Huber, Augustinus Kurt....35, 39, 204, 206, 207, 219, 229, 281, 362, 418, 444, 449, 453, 456, 466-468, 473, 489-495, 517f., 607, 612, 686 Hudal, Alois...................................355 Hufnagel, Alfons ...........................745 Huhn, Bernhard .....................282, 478 Humbert, Karl................................306 Hummel, Karl-Joseph................22, 39 Hunger, W. ....................................683 Hunold, Gerfried............................516 I Innitzer, Theodor ...........................410 J Jaeger, Lorenz...59, 72, 137, 190, 270, 277, 285, 314, 527 Jaekel, Erich ....................................25 Jaksch Josef ... 350, 496, 748, 749, 750 Janko, Anton........27, 35-37, 40, 191f., 200, 201, 269f., 281-283, 318, 322, 327, 332, 334f., 400f., 424, 442, 444, 447, 449-451, 456, 515f., 523, 527, 567, 579, 588f., 684, 754, 756, 762 Janssen, Heinrich Maria....24, 43, 100, 135, 145-150, 152, 161, 163, 310f., 327, 334, 355, 357, 368, 375, 411, 458, 520f., 525f., 610f., 632, 689, 699, 720, 722, 750, 767, 773 Jedin, Hubert..................................258 Jobst, August .........268, 533, 537, 539 Jockwig, Franz.......................378, 686 Johannes von Schüttwa,....................... auch Johannes von Saaz............107 Johannes XXIII......210, 414, 554, 746 Jost, Jupp .......................................667 Jünger, Ernst ..................................779

Register

K Kaas, Ludwig ................................ 133 Kaller, Maximilian........15, 17, 23, 30, 33, 36, 43, 45, 56-58, 60, 63, 67, 74, 76-79, 82, 99, 109-133, 136f., 154, 156, 163, 167-171, 174, 178, 180, 182, 189-191, 193-195, 197, 200, 202, 209, 259, 270, 273, 275, 337, 395, 398, 401, 403, 405, 409, 411, 437, 447, 449, 453, 480, 482, 527, 538f., 576, 595, 597, 710, 724, 730, 739, 759, 764, 765, 769f., 800 Kampe, Walther....174, 297, 327, 410, 411, 515f., 672 Kamphaus, Franz ................ 394f., 574 Kaps, Johannes................ 46, 192, 417 Karell, Karl . 294, 327, 424f., 428, 559 Kastner, Karl ................................. 418 Kather, Arthur ......... 34, 195, 273, 293 Kawaletz, Gerhard (P. Donatus........... OFM) ........................ 361, 362, 577 Keller, Michael.............................. 419 Kempf, Wilhelm......23, 278, 292, 294, 296, 302, 304, 327, 368, 423, 451, 514, 530, 542f., 554, 573, 751 Kerkhofs, Louis-Joseph ................ 737 Ketteler, Wilhelm................................ Emmanuel von.......................... 263 Kilian, Augustinus ........................ 172 Killinger, Hugo ............................. 614 Kindermann, Adolf.......15, 17, 21, 2327, 29, 30, 32-38, 43, 45, 56, 61, 62-69, 95, 98f., 115, 124-126, 136, 144, 148f., 151f., 156, 167, 174, 178, 180f., 185, 190, 192, 194f., 197-216, 218-224, 226f., 229-252, 264, 268f., 272f., 278-284, 286296, 300-308, 318-324, 327f., 333, 334, 337f., 341, 346f., 355, 360362, 386, 392, 394, 395, 397-406, 411-413, 420, 423, 425, 427f., 435, 437, 444, 447, 449, 451, 453, 457, 460f., 464, 466, 471, 473f., 478, 481-485, 488f., 492f., 499, 504,

883 507-509, 514f., 524, 533f., 537, 539-548, 550, 553, 557, 559-561, 563f., 581, 585f., 593, 595-600, 602, 605-611, 613, 619, 623, 628, 632f., 649-652, 654, 656, 658-666, 669, 673, 676, 678, 680, 683f., 697, 699, 703, 710, 714f., 718, 723, 729, 733, 738, 742-744, 748, 751-755, 759f., 762-772, 788f., 792, 797, 800, 821 Kindermann, Ferdinand .........202, 449 Kindermann, Karl.........27, 365f., 370, 372-375, 378f., 383f., 389, 394, 449, 570-574, 602, 612, 692, 704 Kinzel, Virgil.................................325 Kirchner, Paul........................444, 450 Kleber, Karl Heinz.................444, 450 Kleineidam, Erich.....15, 24, 132, 191, 197, 257, 269, 274, 278, 282f., 290f., 397, 400f., 403, 407, 415, 444, 447, 450f., 456, 457, 499, 542, 760, 762f., 770, 784-786 Klemp, Wolfgang ............... 357, 364f. Klinger, Anton.......434, 458, 557, 565, 574, 579, 581f., 584-586, 593, 608 Knecht, Josef .................................172 Knotek, Rudolf ..............................208 Köhler, Joachim.............................344 Komarica, Franjo ...........................694 König, Inigo...................................671 König, Winfried.............371, 381, 389 Konrád, Ota ...................................226 Kowalsky, Inge..............................738 Közi-Horvath, Josef.......................671 Krahe, Josef ...................................669 Kramny, Winfried..........................471 Kratzer, Stefan ..............................260 Krause, Willi....................................94 Krause-Lang, Martha.......................94 Krempel, Anton ...438f., 444, 450, 790 Kreutz, Benedikt......................97, 178 Krinetzki, Günther.........................517 Kroker, Eduard....318, 348f., 365, 367, 373, 388, 394, 434, 442, 444, 451,

884 456, 460, 465, 471, 510-512, 574, 667, 680f., 683, 698-700, 705, 711f., 797 Kruschina, Stefan....27, 40, 212, 248f., 309, 311f., 314, 315, 318, 320f., 323f., 328-331, 333f., 347, 350, 355, 389, 407, 425, 444, 448f., 472f., 483, 492, 520f., 525-527, 528, 530-532, 600, 609, 611f., 654, 751f., 758, 770, 776 Krzoska, Josef.....191, 268f., 398, 400, 537, 544, 579 Kubek, Josef.......................... 360, 609 Kubelka, Margarete....................... 738 Küchenhoff, Günther ..................... 685 Kuntscher, Ernst............................ 721 Kunzmann, Adolf.......................... 342 Kuss, Otto ............................. 450, 784 L Labonté, Maria.....31-34, 36, 173-175, 191, 200 Lagarde, Paul de............................ 786 Lamay, Joseph... 34, 97, 195, 270, 542 Landersdorfer, Simon Konrad......... 85 Lang, Erhard . 413, 444, 451, 454, 456 Langhans, Daniel .......................... 697 Leber, Ludwig............................... 614 Lehmann, Karl ...................... 378, 694 Lettau, Josef ...................... 70, 98, 409 Lichtenberg, Bernhard .................. 111 Lieball, Josef ................. 444, 452, 821 Loch, Christoph............................. 394 Lodgman von Auen, Rudolf.......... 796 Loewenich, Joseph ...... 409, 448, 457f. Lorenz, Franz .......210-214, 251f., 789 Lortz, Joseph ................................. 112 Lukaschek, Hans......98-100, 138, 278, 485, 669f. M Machens, Godehard .. 71, 82, 275, 276 Maday, Josef ......................... 333, 667 Mai, Paul ......................................... 22

Register

Mai, Richard ................. 45, 106, 176f. Maier, Alois...........................219, 229 Mappes, Alfons..............................702 Maria Theresia.......................202, 244 Marx, Wilhelm ....173, 327f., 439, 684 Masaryk, Tomáš Garrigue .............718 Matern, Gerhard....132, 409, 411, 424, 426, 444, 451f., 491, 620, 667, 762 Mattausch, Rudolf....202f., 205, 209f., 495, 554, 567, 591f., 685-687 Matzke, Josef.................484, 489, 618 Mauer, Otto....................................671 Mayr-Harting, Robert ....................262 McCloy, John Jay ..........................546 Meinhold, Peter .............................678 Menges, Walter... 53f., 499-504, 599, 667 Menzel, Beda Franz.......494, 515, 603 Menzel, Josef Joachim...................162 Mikat, Paul ....................................374 Möbus, Gerhard.............................672 Monse, Franz .35, 195, 273, 417f., 620 Moschner, Gerhard.......95, 97f., 104f., 311, 721 Muench, Alois Joseph.......23f., 32, 35, 66, 134, 136, 211, 279, 546, 754, 771 Müller, Ansgar...............................412 Müller, Otfried.......444, 452, 457, 669 Müller, Wolfgang ..........................390 Münch, Gotthard............................618 N Naegle, August ......................221, 264 Nahm, Peter Paul.....99-102, 311, 463, 698 Namsons, Andrivs .........................498 Negwer, Joseph......................169, 416 Neumann, Johann Nepomuk.........209, 242, 561, 607, 734, 768, 771 Nielen, Josef ................444, 448, 451f. Nikel, Johannes..............................259 Nischbach, Josef ......................... 615f. Nittner, Ernst .................342, 353, 440

Register

Noack, Andreas............................. 709 Noots, Hubert................ 499, 623, 625 Norda, Johannes............................ 743 O Ohlbaum, Rudolf........................... 227 Ottaviani, Alfredo ................. 205, 210 Otto, Richard. 356, 445, 453, 489, 671 P Pacelli, Eugenio ...................... 68, 259 Panholzer, Edgar ........................... 382 Panzram, Bernhard........................ 182 Parsch, Pius ........................... 220, 256 Paul VI. ................................. 212, 468 Paulus, Josef.................. 105, 207, 509 Peano, Luigi......... 440, 445, 453, 796f. Penkert, Alfred ...................... 57f., 120 Pfeil, Hans..................................... 683 Piekorz, Edmund.....51, 293, 300, 302, 304, 407f., 425, 445, 460, 475, 618 Pieschl, Gerhard....18, 22, 27, 43, 153, 154-158, 160-162, 164, 253, 349, 363f., 366, 367, 370, 373, 378, 382f., 385f., 389f., 394, 478, 480, 511, 573f., 611, 692, 702, 706, 756, 767 Pietschmann, Hans........................ 588 Pilhatsch, Franz..................... 445, 453 Pilvousek, Josef......................... 38, 40 Piontek, Ferdinand........114, 182, 273, 282, 293f., 403, 453, 478, 617 Pius XII. = Eugenio Pacelli.......68, 72, 75, 78, 114, 124, 127, 132, 150, 168, 180, 192, 211, 414, 554 Plojhar, Josef................................. 610 Pohl, Anton ................................... 260 Pohle, Joseph................................. 456 Popp, Richard................................ 758 Porsch, Felix ......................... 445, 453 Poschmann, Bernhard ... 445, 447, 453 Prunskiene, Kazimiera .................. 694 Püschel, Erich................................ 96f.

885 Puzik, Erich.....52, 191, 279, 283, 400, 403, 409, 523, 739, 760, 770, 787 R Rabas, Josef....336-343, 347-349, 353, 376, 389, 396, 511f., 516, 609f., 699, 773 Rackl, Michael...............................147 Radtke, Klaus ........................ 315-317 Ramatschi, Paul........37, 66, 182, 191193, 195, 197f., 201, 268f., 279, 282f., 398, 400, 403, 407, 416, 445, 453, 523, 533, 537-539, 541, 760, 770, 784 Rau, Johannes ................................161 Rauch, Jakob....................... 397f., 424 Reichel, Gertrud ............................537 Reichelts, Gerhard .................382, 537 Reichenberger, Emmanuel....227, 648, 717f., 734 Reimann, Augustin.....607, 665, 714f., 723, 725 Reinelt, Heinz........318, 346, 445, 454, 515, 612 Reinhardt, Eugen ...................388, 483 Reiß, Karl.......307, 322, 324, 330-332, 334f., 345, 348, 356f., 362, 367, 394, 447, 489, 492f., 527, 531f., 601f., 604, 608f., 612, 751, 755757, 768 Remiger, Johannes Nepomuk... ....210, 758 Renner, Josef .................................260 Ricken, Theodor ....................268, 537 Riedel, Clemens.............................569 Riedmatten, Henri de.....................679 Rilke, Rainer Maria .......................474 Rocksloh, Heinz ............................382 Roensch, Manfred..........................797 Roos, Martin ..................................478 Roth, Paul ................. 673f., 677, 683f. Röttig, Adolf..................................260 Rudloff, Johannes Albert von........669 Ruffini, Ernesto .....................205, 210

886

S Sabisch, Alfred...... 418, 445, 448, 454 Samulski, Robert........................... 463 Schäfer, Aloys............................... 259 Schäfer, Philipp...445, 454, 456, 516f., 522-524 Schäffer, Fritz................................ 734 Schaffran, Gerhard ........................ 478 Schälzky, Robert ........................... 261 Scharbert, Josef ............................. 518 Schätzler, Wilhelm........................ 373 Scheffczyk, Leo.....414, 445, 448, 454, 457, 478, 574, 618, 681f., 776-780 Schenke, Karl ................................ 417 Schetka, Paula.....232, 299f., 322, 327, 540, 649, 651f., 658f., 667, 699, 772 Schick, Eduard .............................. 516 Schlegel, Norbert...27, 385-387, 390f., 394, 446, 613, 696, 758, 774 Schleupner, Heinzdieter........293, 300, 324, 327, 363f., 368, 371f., 382, 386, 481, 539, 557, 666, 705 Schlusche, Eduard......................... 698 Schmalfus, Kosmas....................... 264 Schmauch, Hans.. 445, 454, 489, 490f. Schmaus, Michael.................. 112, 264 Schmitt, Wolfgang ................ 535, 570 Scholz, Franz.........113, 145, 260, 296, 425, 427f., 442, 445, 448, 455, 456, 484, 488, 523, 587, 617, 740, 743, 772, 790 Schreiber, Georg ........................... 173 Schroeter, Kunibert.......350, 407, 446, 455, 514 Schröffer, Joseph................... 419, 744 Schroubek, Georg............................ 85 Schulte, Karl Joseph...................... 172 Schulz, Alfred ................................. 45 Schulz, Hans Joachim...440, 446, 455, 584, 796 Schulz, Jochen..................... 584f., 593

Register

Schütz, Hans.........41, 46, 66, 94, 98f., 106, 108, 149, 176, 215, 261, 263, 609, 698, 721, 792 Schwalke, Johannes....363f., 371, 373, 378, 570, 692 Schwedt, Herman ....................... 391f. Sdralek, Max..................................257 Seewald, Leo .................................613 Seppelt, Franz Xaver .....................257 Sicherl, Martin.......................446, 455 Siegmund, Georg...................446, 455 Siewek, Clemens...........323, 326, 553, 586f. Sladek, P. Paulus (Friedrich) .... 46-50, 92f., 95-97, 104, 106-108, 156, 176f., 180, 219-221, 227, 229, 264266, 438, 487, 489, 614, 632, 669, 725, 741, 755, 791-796 Smolka, Georg...............................743 Sonnenschein, Carl ........................111 Spieker, Manfred ........................ 683f. Splett, Jörg.....................................684 Springenschmid, Karl ....................738 Sproll, Joannes Baptista.....79, 90, 277 Stadtmüller, Georg ........................675 Stalin, Josef....................................663 Stalmans, Emiel.....................623, 625 Stanke, Gerhard .............................478 Stark, Karl..............................672, 724 Stasiewski, Bernhard .............490, 491 Steber, Franz............................... 106f. Stingl, Josef ...........................328, 527 Stohr, Albert ....................................75 Stolberg, Friedrich .........................262 Stonner, Anton...............................184 Straaten, Werenfried van.....15, 24, 27, 44, 209, 211, 331, 337, 389, 395, 416, 483, 528, 563, 603, 623, 625630, 639, 647, 649, 651-657, 659f., 685, 690, 692, 696, 739, 762 Strobl, Georg .................................685 Stroß, Josef ............................534, 557 Süsterhenn, Adolf ..........................671 Swoboda, Heinrich ..................... 110f.

Register

T Tardini, Domenico ........ 205, 210, 610 Tatarko, Ernst................................ 496 Taubitz, Monika ............................ 760 Theiss, Konrad .............................. 98f. Thiel, Josef.......................... 409f., 683 Thienel, Hubert ........... 581, 584f., 751 Thomas von Aquin......263f., 438, 451, 790 Thomas, Jean................................. 672 Tilzer, Paul.......................... 407f., 446 Triller, Alfons........ 193, 545, 726, 730 Triller, Erwin................................... 90 Trochta, Štěpán ............................. 798 Truman, Harry................................. 73 U Ulitzka, Carl.................................... 94 Unzeitig, Engelmar ....................... 758 V Valters, Nikolaus........................... 674 Veiter, Theodor ............................. 679 Viecha, Peter ................................. 466 Vogt, Gabriele............................... 81f. Volkmann, Wilhelm...................... 490 Volz, Theo..................................... 471 W Walper, Peter................................. 615 Wangwen, Johannes...................... 507 Weber, Anton................................ 336 Weber, Antonius ............ 372, 703-705 Weber, Wilfried.....344, 347, 350, 409, 446, 589

887 Weiß, Wenzel......534f., 557, 565, 602, 771 Weißkopf, Joseph....51, 291, 294, 300, 440, 533f., 544f., 559, 667 Wendel, Joseph..............170, 270, 527 Wendtner, Hans .....................382, 573 Wenzel, Paul........413, 446, 455f., 517 Wiemar, Wilhelm ..........................382 Wiesehöfer, Philipp .......................709 Willemsen, Antonia .......375, 657, 702 Winter, Eduard ............214f., 264, 495 Wittig, Joseph ................................257 Wittstadt, Klaus .............................143 Wohl, Franz Joseph.......221, 224, 302, 438, 482, 545, 571, 649, 742, 791 Wolker, Ludwig.............................172 Wopperer, Anton .............................97 Wosnitza, Franz .......97, 170, 190, 194 Z Zeegers, G.H.L. .............................499 Zeiger, Ivo .........32, 37, 113, 179, 201 Zeschick, Johannes ........................496 Ziegler, Franz ........................146, 150 Ziesché, Kurt .........................446, 456 Zischek, Georg........91, 294, 296, 427, 581, 609 Zvěřina, Josef ................................693 Zwickl, Josef..................................613 Zwiener, Eberhard .................535, 576 Zwiener, Gerhard...........................574 Zycinski, Jozef...............................694

DOKUMENTATION

1.

Katholische Morgenfeier am 20. Juli 19471

von Prof. Kindermann, Königstein Wie sonderbar klingt heute Gottes Wort im Gleichnis, das uns Mutter Kirche zur Erwägung gibt. Ein Verwalter hatte unterschlagen. Dem Besitzer kommt es zu Ohren, er kündigt ihm. Da fragt sich nun der Mann, wie weiter. Er überlegt und sinnt, was tut er? Er sucht die Pächter zu gewinnen, indem er ihnen voll Verstehen die Pacht herabsetzt. Da lobte ihn der Herr ob seiner Klugheit. Und Jesus spricht die Nutzanwendung für uns alle aus: Macht Euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie euch, wenn es einmal zu Ende geht, in die ewigen Wohnungen aufnehmen. Das ist in Kürze, was Lukas uns berichtet. Damit weiss ich nichts anzufangen, sagte mir vor Jahren jemand aus dem Volke. Und mancher denkt auch heute nicht anders. Und doch ist vieles so schauen wir nur näher zu – als wäre es herausgenommen – als kleiner Ausschnitt, kurze Episode aus dem Tagesleben unserer Zeit. Geht es nicht heute auch im Hab und Gut, Veraltung und Besitz, um Rechenschaft, Unterschlagung, Schläue und Gerissenheit, Anpassungsfähigkeit, und wie das alles heisst in Sprachschatz dieser Welt. Dieselben Dinge, die der Herr im Evangelium behandelt. Es ist die Frage, die heute mehr denn je Antwort erheischt, die Frage, wie der Mensch, der Christ, denn stehen soll zu irdischem Besitz, zu Geld und Gut. Nicht dass es eine neue Antwort wäre, auf die wir warten. Doch jede Zeit hat ihre eigene Not und ruft den Christen an diese zu meistern. Die Frage nach den Dingen dieser Welt und wie der Mensch zu ihnen stehen soll, ist wirklich brennend nun geworden. Wohl ist das Wort des Herrn: „Die Armen habt ihr allezeit bei euch“ stets wahr geblieben. Nach schweren Kriegen, Heimsuchungen und Seuchen ganz besonders. Doch heute ist die Armut, die Entbehrung ins Unermessliche gewachsen. Armut, Mangel am Lebensnotwendigen ist heute nicht mehr Einzelfall, die Massen sind davon ergriffen worden. Arm sind wir geworden fast über Nacht. Hinter uns steht ein verlorener Krieg, der heilloseste der Menschheitsgeschichte. Er hat Spuren hinterlassen, die Generationen kaum austilgen können. Die grossen Schöpfungen vergangener Jahrhunderte, die Werke [des] Bie-

1

KZG, Bestand RKA D XI.11a.

Dokumentation

889

nenfleisses kleiner Leute liegen wild in Trümmern. Kaum zu zählen sind die trauten Heime, die zerstört und weggefegt ein Bild des Grauens bieten. Dazu kommen mehr denn 12 Millionen Menschen aus dem Osten unseres Vaterlandes. Man hat sie ausgetrieben und verjagt die Kinder mit und ebenso die alten Leute. Arm sind sie geworden denn über allem anderen was zum Leben nötig ist, betrauern sie die alte Heimat und werden eine neue Last all dort, wohin sie kommen. Sie kamen unbeschwert mit irdischen Gütern, sie bargen oft all das, was sie der alten Heimat noch entreissen konnten, in einem Sack. Er konnte alles fassen. Unzählige gibt es heute unter uns, die all das, was sie noch ihr Eigen nennen, gleich jenem alten Philosophen mit sich tragen können. Das ist die Situation von heute. Neben den vielen, die eine gütige Vorsehung vor dem Schicksal des Armseins bewahrt, steht die grosse Zahl der anderen, die kaum des Lebens Notdurft stillen können. So teilt der irdische Besitz, der Mammon, die Menschen heute in zwei grosse Lager. Und beide hält er fest an sich gekettet. Wer von ihm etwas hat, sucht es nur allzuoft krampfhaft festzuhalten und macht sich darum Sorgen. Nicht, dass es Unrecht wäre, irdisches Gut sein Eigen zu nennen, aber der Mensch ist in Gefahr, dem Mammon allzuviel nachzugeben. Denn es ist nichts in der Welt das uns so stark beeindruckt, so an sich fesselt, blendet, wie Geld und Gut. Der Mammon weiss Verstand und auch das Herz zu täuschen, dass beide nicht mehr spüren den Bruder, wie er mit dem Leben ringt. Und nicht nur das. Würde die Geschichte des Mammons und seiner Diener aufgeschrieben, es wäre wohl ein Buch voll von viel Leid und Hass und Schmerz, Missgunst und anderen Lastern jeder Art. Oft ein getreues Abbild dessen, was wenige Verse später uns Lukas berichtet in des Herren Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus. Und man kommt fast selber zu der Annahme, dass im Besitzen etwas nicht ganz in Ordnung ist. Doch auch den Armen hält der Mammon fest. Der Arme von heute war gestern noch an irdischen Schätzen reich gesegnet. Nicht selten wähnte er, dass nichts ihm seine Sicherheit zerstören könnte. Nun ist er über Nacht ganz arm geworden, viel ärmer als früher es Bettler waren, denn die Gesinnung fehlt ihm oft, die rechte, wie er die Armut tragen soll. Er ist voller Neid und Missgunst gegen andere, die noch nicht so sind wie er. So lassen auch den Armen die Dinge dieser Welt nicht los, sie schlagen ihn in ihren Bann. Er begehrt sie, ersehnt sie, oft über die Grenzen des Erlaubten hinaus, und lässt sich bei der Verwirklichung seiner Sehnsucht nur allzuleicht auf unrechte Bahnen drängen. Armut und Reichtum, beide [sind] nicht leicht vor Gottes Augen zu tragen. Denn beide bergen in sich die stete Versuchung, in die Gewalt des ungerechten Mammons zu fallen, wirklich oder wenigstens der inneren Haltung nach. Am leichtesten tut sich der Mensch, der so viel hat, dass er des Lebens Notdurft stillen kann. Wie schön und wahr steht das im Buch der Sprüche, wenn es den Leser beten lehrt: Gib weder Armut mir noch Reichtum. Mein Stücklein Brot lass mich geniessen. Ich möchte sonst verleugnen, würde ich zu satt, und sagen, „Wer ist nur der Herr?“ Und wäre ich arm, dann könnte ich zum Diebe werden und meines Gottes Namen so belasten. Hier ist es deutlich ausgesprochen, wie schwer der Mensch sich tut mit irdischem Besitz. Ob er ihn hat oder auch nicht, er ist von ihm befangen. Also ist doch im Menschen etwas da, was ihn so versagen lässt dem Mammon gegenüber. Er ist von Haus aus kaum imstande, zum Mammon recht zu stehen, auf dass der

890

Dokumentation

höchste Herr, Gott, nicht beiseite käme. Wohl sind die Dinge dieser Welt, auch Hab und Gut, von Gott geschaffen und tragen kleine Mackel an sich mit. Sie sind geschaffen, dass sie ihren Schöpfer loben und hörig seien dem Könige der Schöpfung, dem Menschen. Er soll sich ihrer ja bedienen und sie gebrauchen. Wo immer aber Menschen mit dem Mammon in Berührung kommen, da wird der Mensch nur allzu leicht unsicher. Die Dinge, die ihm Mittel sollen sein zum Ziele, drängen vor und werden selbst das Ziel und selbst der Zweck. Nichts ist verführerischer für den Menschen als der Mammon. Und nun begreifen wir, warum der Herr vom ungerechten Reichtum spricht. Nicht dass der Besitz ein Unrecht wäre, aber dass der Mensch kaum fähig ist – ob seiner sündigen Natur – recht zu besitzen. Das ist ein ernstes Wort für alle, die ihr Christsein ehrlich nehmen. Ernst zunächst für die, die irdisch Gut ihr eigen nennen. Und klarer och wird diese Wahrheit, wenn wir die anderen Worte Jesu lesen, die er vom Reichtum spricht. Und wenn wir nur das eine Wort vor Augen haben, das alle drei Synoptiker uns aufgeschrieben, das Wort des Herrn, wie schwer es für den Reichen sei, den Eintritt in das Himmelreich zu finden. Und da die Jünger ob der ernsten Worte Jesu traurig werden und voll Bestürzung fragen: „Wer kann dann noch selig werden?“ Da sah sie Jesus an und sprach: „Bei den Menschen ist das unmöglich, aber bei Gott ist alles möglich. Ihr könnt nicht zugleich Gott und dem Mammon dienen.“ Wie aber kommt der Mensch aus dieser Situation, wie packt ers an, um nicht dem Mammon zu verfallen? Das kann er nicht allein aus seiner Kraft. Sagt nicht der Herr, dass unmöglich bei den Menschen, möglich bei Gott es ist, den Mammon zu meistern? Also mit der Hilfe Gottes aus einer neuen Kraft heraus, die Gott dem Menschen gibt. Nun ist Gott die Liebe und Jesus Christus die Offenbarung dieser Liebe. Wir Christen sollen aber so gesinnt sein, wie Christus war. Seitdem Jesus in die Welt kam ist die Liebe Masstab für den Christen, für all sein Tun und Lassen. Es kommt in allem auf die Liebe an. Von hierher muss er alles sehn und ordnen. Auch sein Stehen zu den Dingen dieser Welt. Der Christ muss, wenn er diesen Namen unter Ehre tragen will, alles, was er ist und hat, in die Liebe heben und sie allein als Masstab gelten lassen. Nun ahnen wir, was uns der Herr da sagen will: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Reichtum, damit, wenn es mit euch zu Ende geht, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen. – Das heisst nichts anderes als: Auch in der Verwaltung deiner irdischen Habe – und du bist nur Verwalter, merke dirs, – musst du dich von der Liebe leiten lassen. Nicht vom eigenen Vorteil, nicht von Berechnung und von anderen Dingen. Auf die Liebe kommt es an. Du siehst den Bruder neben Dir, er hat nichts mehr, ist arm geworden, die Kinder bleich – nun schau einmal und überlege, ob du noch etwas übrig hast von deiner Habe für den Bruder in der Not. Hilf ihm, gib ihm von dem, was du nicht brauchst. Doch nicht genug. Soll deine Hilfe nicht noch weiter gehen? So weit wohl muss sie heute sein, dass sie umfasst all das, was du entbehren kannst. Dein Helfen muss ein wirklich warmes Sorgen um den Bruder sein, für dessen Wohl du keine Opfer scheuen darfst. Das heisst dir Freunde machen. Du weißt ja doch nicht, wie lange dir der Herr noch die Verwaltung lässt. Mach dir nicht allzugrosse Sorgen um irdisch Gut. Haben wir nicht alle miteinander erleben müssen, gerade in der letzten Zeit, wie leicht uns irdisch Gut entschwindet? Oft über Nacht. In

Dokumentation

891

wenigen Minuten. Warum hat uns der Herr nun alles aus der Hand genommen? Wir wissen nicht den Ratschluss Gottes und kennen seine Wege nicht. Doch das eine ist uns klar geworden: wir alle müssen freier werden in unserer Haltung zu den Dingen dieser Welt. Ja freier und gelöster… lockerer… eben christlicher. Die Zeit, der wir entstammen, glaubte schwer an diese Lockerung. Und langsam nur konnte das Wort des Felsenmannes aus der ewigen Stadt Verständnis finden, auch unter Christen, das Wort der Päpste, die uns seit Jahrzehnten mahnen, Christen zu sein und christlich zu handeln, wenn geht um Hab und Gut, um irdischen Besitz. Heute aber sehen wir klarer: weil unzählige am eigenen Leibe es verspüren. Die irdischen Dinge sind nicht Zweck, sie sind als Hilfe nur gegeben, dem Menschen auf die Pilgerreise. Er sollte sie besitzen als besäss er sie nicht. Woher soll sonst ein Damm erstehen gegen Selbstsucht und Verkrampftheit, wie sie heute überall sich zeigen… wenn nicht die Christen wieder bitter ernst das Wort des Herrn verwirklichen: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon. Warte nicht erst auf zwingende Normen gesetzter Obrigkeiten, tue dein Herz voll Liebe auf… miss alles was du hast am gültigen Masstab der Liebe, so schaffst du dir Freunde, nicht nur für heute und morgen, für eine ganze glückliche Ewigkeit. Diese deine Werke werden einstmals, wie es im Spiel vom Jedermann heisst, deine besten und treuesten Freunde sein, denn sie gehen mit dir bis hart hinan zum Throne des Herrn. Aber auch ihr Armen und Besitzlosen, ihr unbeschwerten Wanderer, müsst eure Haltung zu Besitz, zu Geld und Gut, in die Liebe heben, in die Liebe Christi. Denn auch deine Armut kann verkrampft sein und deine Haltung zu dem ungerechten Mammon ist ja nicht weniger gefährlich und verderblich. Auch du musst innerlich lockerer und freier werden. Die Liebe Christi, die du deinen Brüdern zeigst, auch jenen, die besitzen, wird deine Armut wandeln, sie wird dir zum Segen werden, ja du wirst sogar das tröstliche Empfinden haben, dass dir trotz allem immer wieder das gegeben wird, was du zum Leben brauchst, um so zu sein, wie Gott dich haben möchte. So kommt es eben immer auf die Liebe an: sie überwindet alles, wie der Apostel sagt, auch den Mammon. Wer es fassen kann, der fasse es. Wie wenig diese Dinge von der Welt verstanden sind, das zeigt uns Lukas einige Verse weiter. Dort schildert er den Eindruck, den die Worte Jesu auf die Menge machten. Er sagt: dies alles hörten die geizigen Pharisäer und sie verhöhnten ihn. Also Hohn und Spott. Das wird auch das Echo der Welt sein, wenn der Masstab Christi, die Liebe, an die Dinge dieser Welt, den ungerechten Mammon gelegt wird. Hohn und Spott. Nicht verstehen wollen. Wer dem Mammon verfällt, hat für Christi Worte einfach kein Ohr mehr, der hält die Mahnung des Herrn, sich Freunde zu machen mit irdischen Gütern für töricht und plump. Er lacht und höhnt, sein Herz ist hart geworden, er wird den Weg zum Menschen, zum Bruder in Not, kaum mehr finden, aber er verbaut sich damit auch den Weg zu Gott. Der Mammon wird ihm zur Tragik, er bringt ihn ums Ewige, um das eigene und eigentliche Dasein droben. In diesen Tagen welken die Blumen über dem frischen Grabe des Bischofs der Heimatvertriebenen, Maximilian Kaller. Er hat den Sinn des heutigen Gleichnisses verstanden und in die Tat umgesetzt. Er hatte fürwahr sein Leben und Wirken in die

892

Dokumentation

Liebe gehoben treu seinem Wahlspruch: uns treibt die Liebe zu Christus. Doch ganz gross wird diese Liebe und für uns ein leuchtendes Vorbild, da er, allen Glanzes bar, sich dem grossen Strom der Heimatvertriebenen eingliedern muss. Er trug das Kreuz der Armut als eine Auserwählung Gottes und wollte fürder nicht mehr anders sein als arm. So wird er freier für des anderen Not. An dieser Not wuchs ständig seine Liebe. Und als die Liebe übergross geworden, dafür zu klein sein menschliches Herz – da brach es. Wenn doch auch uns die Liebe Christi drängen möchte!

Dokumentation

2.

893

Iura Antistitum [vor Ende 1947]2

circa sacerdotes ex Germania orientali expulsos. §1

§2 §3

§4

§5 §6 §7

§8

2

Ordinarii archidioecesis Wratislaviensis, dioecesis Warmicensis et Praelaturae nullius Schneidemühlensis facultatem habent, sacerdotes dioecesibus suis incardinatos, qui rebus sic stantibus infra fines herum dioecesium officio aut fungi nequeunt aut non funguntur, obligandi ad officium in alia dioecesi Germaniae suscipiendum iuxta mandatum suum. Iidem Ordinarii eosdem sacerdotes suos revocare possunt, si ad servitium propriae dioecesis sunt necessarii, sed duobus mensibus ante evocationem Ordinarium loci certiorem facient. Unusquisque sacerdos dioecesium praedictarum, qui per unum mensem intra fines aliarum dioecesium Germaniae commoratur quin certo officio ab Ordinario proprio sibi mandato fungatur, obligatur, ut ab Ordinario loci officium oetat atque ut officium ab Ordinario loci ei sive rogatu sive ultro collatum accipiat, si secundum arbitrium ejusdem Ordinarii ad id est aptus. Si Ordinarius loci sacerdoti ejusmodi officium conferre non paratus, Maximilianus Kaller, episcopus Warmiensis a Sancta Sede pro Germanis ex patria expulsis specialiter deputatus, intra mensem certior faciendus est ab Ordinario loci et a sacerdote. Idem episcopus auctoritate apostolica discernit, an sacerdos obligetur, ut ab Ordinario alterius dioecesis officium suscipiat et cujus dioecesis. Sacerdotes dioecesium praedictarum officium, quod in alia dioecesi Germaniae officium suceperunt, nonnisi cum consensu Ordinarii loci dimittere possunt, salvo § 2 et § 7. Idem Ordinarius loci sacerdotes ejusmodi ab officio suscepto ad aliud officium transferre potest, si secundum conscientiam utile judicaverit. Maximilianus Kaller episcopus auctoritate apostolica potestas sacerdotes praedictos, ut per dioeceses et regiones dispertiantur, sicuti necessitates animarum expulsorum exigunt, ab officio in una dioecesi suscepto deobligare necnon obstringere, ut secundum suum mandatum officium in alia dioecesi petant atque suscipiant, sei debet Ordinarium prioris officii duobus mensibus ante deobligationem certiorem facere. Quod de sacerdotibus archidoecesis Wratislaviensis, dioecesis Warmiensis et Praelaturae nullius Schneidemühlensis dictum est, valet etiam de sacerdotibus Bohemiae, Moraviae, Slovaciae, Ungariae et ceterum regionum Europiae Orientalis. HAEK CR II 25.20b.8.

894

Dokumentation

RECHTE DER OBERHIRTEN ÜBER DIE AUS OSTDEUTSCHLAND VERTRIEBENEN PRIESTER §1

§2

§3

§4

§5 §6 §7

§8

Die Ordinarien der Erzdiözese Breslau, der Diözese Ermland und der Freien Prälatur Schneidemühl sind berechtigt, die ihren Diözesen inkardinierten Priester, die infolge der Zeitverhältnisse innerhalb dieser Diözesen ein geistliches Amt nicht wahrnehmen können oder nicht wahrnehmen, zu verpflichten, in einer anderen Diözese Deutschlands ein geistliches Amt gemäß ihrer Weisung zu übernehmen. Dieselben Ordinarien können diese ihre Priester zurückrufen, wenn sie dieselben für den Dienst ihrer eigenen Diözese benötigen. Sie werden jedoch nicht unterlassen, 2 Monate vorher den ordinarius loci von der Absicht der Rückberufung in Kenntnis zu setzen. Jeder Priester einer der genannten Diözesen, der einen Monat lang im Gebiete der anderen Diözesen Deutschlands weilt, ohne ein von dem ordinarius proprius ihm aufgetragenes Amt wahrzunehmen, ist verpflichtet, den ordinarius loci um ein Amt zu bitten und ein ihm vom ordinarius loci – sei es auf Bitten oder aus eigenem Antrieb – übertragenes Amt anzunehmen, wenn er nach dem Urteil des ordinarius loci dafür die nötige Eignung besitzt. Ist der ordinarius loci nicht bereit, einem solchen Priester ein Amt zu übertragen, so ist binnen einem Monat der vom Hl. Stuhl eigens für die heimatvertriebenen Deutschen beauftragte Bischof Maximilian Kaller sowohl von dem ordinarius loci wie von dem Priester zu benachrichtigen. Dieser entscheidet kraft Apostolischer Autorität, ob der Priester von dem Ordinarius einer anderen Diözese ein Amt anzunehmen verpflichtet ist und welcher Diözese. Die Priester der genannten Diözesen, die in einer anderen deutschen Diözese ein geistliches Amt übernommen haben, können dieses nur mit Zustimmung des ordinarius loci aufgeben, unbeschadet der Bestimmungen der §§ 2 und 7. Dieser hat das Recht, ihnen an Stelle des übertragenen Amtes ein anderes durch Versetzung zu übertragen, wenn er es nach gewissenhaftem Urteil für zweckmäßig hält. Um die gerechte Verteilung der genannten Priester gemäß den Bedürfnissen der Seelen der Vertriebenen sicherzustellen, wird Bischof Maximilian Kaller mit der apostolischen Vollmacht ausgestattet, solche Priester von einem in einer Diözese übernommenem Amte zu entbinden und sie zu verpflichten, nach seinen Weisungen ein Amt in einer anderen Diözese zu erbitten und anzunehmen. Er muß jedoch den bisherigen ordinarius loci zwei Monate vorher davon verständigen. Was von den Priestern der Erzdiözese Breslau, der Diözese Ermland und der Freien Prälatur Schneidemühl festgesetzt worden ist, gilt auch für die Priester der Diözesen Böhmens, Mährens, der Slowakei und Ungarns sowie des östlichen Europas.

895

3.

Dokumentation

Arbeitsbericht der Dienststelle des Beauftragten der Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge [ca. 1950]1

1. In erster Linie obliegt die Seelsorge und sonstige kirchliche Betreuung der katholischen Heimatvertriebenen den Bischöfen, in deren Diözesen diese sesshaft geworden sind. Ebenso untersteht jeder heimatvertriebene Geistliche dem Bischof, in dessen Diözese er wohnt bezw. amtlich eingesetzt ist. Der päpstliche Sonderbeauftragte hat die Aufgabe, die seelsorgliche Lage der Heimatvertriebenen in Deutschland insgemein zu beobachten und ihre Belange nötigenfalls durch Vorschläge bei den Diözesanbischöfen nach Möglichkeit zu fördern. Ferner hat er vom Hl. Stuhl besondere Vollmachten zur zweckmässigen Verteilung der heimatvertriebenen Priester über die Diözesen und Besatzungszonen in Deutschland. Ihm steht auf Beschluss der Fuldaer Bischofskonferenz ein Referent zur Seite, Ordinariatsrat Dr. Braun (Breslau). Dass eine derartige zentrale Dienststelle für die Seelsorge der Heimatvertriebenen notwendig ist, ergibt sich aus der Natur der Sache. In der Tat wenden sich die heimatvertriebenen Gläubigen aus allen Diözesen und Zonen häufig an den Päpstlichen Sonderbeauftragten mit der bitte um Unterstützung in bestimmten seelsorglichen Angelegenheiten oder auch mit Gesuchen um caritative Hilfeleistung, um Beistand in Wohnungs-, Berufs-, Umsiedlungsfragen u. dgl. Wie er in den reinen Seelsorgsfragen ständige Fühlung mit den Diözesanbischöfen hat, so verständigt er ich in caritativen Fragen – zumal, da ihm selbst kein Unterstützungsfonds zur Verfügung steht – mit den zuständigen Caritasverbänden und bei anderen Gesuchen mit den zuständigen staatlichen oder Gemeindebehörden, um die einzelnen Anliegen womöglich zu unterstützen. Er steht in enger Verbindung mit dem Kath. Flüchtlingsrat, der sich aus heimatvertriebenen und einheimischen Männern und Frauen aller Berufsstände zusammensetzt, und die geeignet sind, über die Entwicklung es Flüchtlingsproblems jederzeit Aufschluss zu geben und Anregungen für die soziale und religiös-kirchliche Betreuung der Flüchtlinge (Heimatvertriebenen) zu bieten. Der Katholische Flüchtlingsrat, dessen Präsident z.Zt. Bundesminister Dr. Lukaschek ist, kommt in gewissen Zeitabständen beim Päpstlichen Sonderbeauftragten zur Beratung der jeweils aktuellen Flüchtlingsfragen zusammen. Ferner ist der Päpstliche Sonderbeauftragte der Leiter der „Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe“. Zu ihr gehören: der Deutsche Caritasverband, der

1

KZG Bonn, Bestand Janssen, Dienststelle, 2246.

896

Dokumentation

Bonifatiusverein, der St. Raphaelsverein (Auswandererfürsorge), das Priesterreferat in Königstein, die Kirchliche Hilfsstelle in München, die Bischöfliche Hauptstelle der katholischen Jugend in Altenberg, die Arbeitsgemeinschaft für Studienförderung in Recklinghausen und der Katholische Siedlungsdienst. Diese Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft für katholische Flüchtlingshilfe“ kommen je nach Bedarf zusammen, um über den Stand ihrer Arbeit für die Heimatvertriebenen zu berichten und die Arbeiten nach Möglichkeit zu koordinieren. Unter diesen kirchlichen Organisationen sind folgende, spezielle Flüchtlingsorganisationen hervorzuheben, mit welchen er Päpstliche Sonderbeauftragte in ständiger Zusammenarbeit steht: Das Priesterreferat in Königstein/Ts. ist eine schon dem Flüchtlingsbischof Kaller eingerichtete Arbeitsstelle zur geistlichen und wirtschaftlichen Förderung der heimatvertriebenen Priester, die dort auch karteimässig erfasst sind. Die Leitung des Königsteiner Priesterreferats hat Prälat Prof. Dr. Kindermann (Prag), der zugleich dem Albertus-Magnus-Kolleg (Priesterausbildungsanstalten für Flüchtlinge vorsteht. Z.Zt. zählt das Priesterseminar in Königstein 150 Flüchtlingstheologen und das Gymnasium 250 Schüler. Die „Arbeitsgemeinschaft zur Studienförderung heimatvertriebener Schüler und Schülerinnen“ in Recklinghausen unter Leitung von Pfarrer Dr. Tillmann (Breslau) unterhält Internate in Recklinghausen, Rüthen, Xanten und Bensheim für heimatvertriebene höhere Schüler und Schülerinnen. Die Kirchliche Hilfsstelle in München hat die Aufgabe, das Flüchtlingsproblem nach der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Seite zu studieren und u.a. auch mit publizistischen Mitteln an seiner Bewältigung mitzuarbeiten. Sie steht unter Leitung von P. Dr. Paulus Sladek, O.Aug. (Prag) und gibt die Zeitschrift „Christ unterwegs“ heraus. Die katholischen, landsmannschaftlichen Vereinigungen „Eichendorffgilde“ für die Schlesier, „Ackermanngemeinde“ für die Sudetendeutschen, und „Junges Ermland“ dienen der Pflege des religiös-kulturellen Eigengutes der Flüchtlinge in möglichster Harmonisierung mit den entsprechenden Werten der Aufnahmegebiete. Alle diese katholischen Arbeitsstellen in Verbindung mit dem Päpstlichen Sonderbeauftragten haben zum Ziel, die Bewältigung des Flüchtlingsproblemes im Geiste der christlichen Weltanschauung zu fördern. Ihre Entwicklung und Zusammenfassung hat sich allmählich angebahnt und gefestigt und sicher schon segensreich für viele einzelne Heimatvertriebene wie auch für das öffentliche Wohl ausgewirkt.

2. [durchgestrichener Text:] Die kirchenrechtliche Lage in den deutschen Ostgebieten hat sich seit 1945 nicht geändert. [Ende durchgestrichener Text] Die deutschen Bistümer des Ostens sind rechtlich noch von Bestand und werden, soweit sie jenseits der Oder-Neisse-Linie liegen, von Apostolischen Administratoren polnischer Nationalität verwaltet. Für die deutschen Wohngebiete in der Tschechoslowakischen Republik sind wie früher die dortigen tschechoslowakischen Bischöfe zuständig.

Dokumentation

897

Es ist nicht anzunehmen, dass der Hl. Stuhl an dem rechtlichen Bestand der Bistümer des deutschen Ostens eine wesentliche Änderung vornehmen wird, bevor eine politische Entscheidung über diese Gebiete getroffen ist. Dies ist schon dadurch begründet, dass die Deutsche Bundesrepublik und vor allem die Millionen Heimatvertriebener an dem Recht auf Ostdeutschland festhalten und die Hoffnung auf die Ermöglichung einer Rückkehr der Vertriebenen dorthin nicht aufgeben. Jede vorzeitige Beeinträchtigung des Rechtes der Heimatvertriebenen auf ihre alte Heimat müsste schwerwiegende, psychologische und seelsorgliche Rückwirkungen mit sich bringen. Die im April d. Js. von der Staatlichen polnischen Depeschenagentur verbreitete Nachricht, wonach zwischen der polnischen Staatsregierung und der „Kirche“ ein Abkommen geschlossen worden sei, das die Unterschrift von 3 polnischen Bischöfen trage, hat nach einer Verlautbarung des Vatikans dort sehr überrascht,. da dem Hl. Stuhl von den fraglichen Verhandlungen bislang nichts bekannt war. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass das in Warschau unterzeichnete Abkommen weder mit Kenntnis noch mit Billigung des Hl. Stuhles abgeschlossen wurde. Die Veränderung von Bistumsgrenzen ist stets Sache des Hl. Stuhles.

3. Die etwa 12 Millionen Heimatvertriebenen, die die furchtbaren Grausamkeiten der Ausweisung überstanden haben, verteilen sich auf die Herkunftsgebiete wie folgt: a) aus den Gebieten östlich der Oder-Neisse-Linie etwa 8 Millionen, b) aus dem Sudetenland, dem Südosten und anderen Gebieten etwa 4 Millionen. [handschriftliche Ergänzung am Rand:] US Zone: 3300000 Brit. Zone: 3900000 Franz. Zone: 200000 Sowj. Zone + Berlin: 4060000[Ende der Ergänzung] Fast die Hälfte aller deutschen Heimatvertriebenen ist katholisch. Hiervon sind etwa 2,4 Millionen in der U.S.-Zone, 1,2 Millionen in der britischen Zone, 150000 in der französischen Zone und 2 Millionen in der russischen Zone.

4. Die Ausweisung aus der Jahrhunderte alten Heimat und dazu die brutalen und grausamen Umstände, unter denen die erfolgte, brachte für sehr viele Vertriebene eine schwere seelische Belastung mit sich. Diese war umso anhaltender, je länger es dauerte, bis in den Aufnahmegebieten des übrigen Deutschlands eine menschenwürdige Wohnung und Existenz gefunden werden konnte. Dennoch kann man sagen, dass das religiöse Leben der Heimatvertriebenen im ganzen gesehen intakt geblieben ist, nicht zuletzt dank der unermüdlichen Betreuung durch die ca. 2900 Priester, die mit ihnen das gleiche Schicksal teilen mussten und unter ihnen in allen Zonen wirken. Das heimatliche, religiöse Brauchtum, welches einen wesentlichen Bestandteil des Heimatge-

898

Dokumentation

fühls bedeutet, wird von den Vertriebenen lebendig gehalten; andererseits zeigen einheimische kirchliche Stellen hierfür nicht immer ein hinreichendes Entgegenkommen, indem sie von dem Grundsatz ausgehen, dass die wesentlichen Elemente der katholischen Kirche einheitlich sind und die Vertriebenen sich daher in das herkömmliche Gemeindeleben der Aufnahmegebiete einzugliedern haben. An der Lösung dieser Spannung wird unaufhörlich gearbeitet, und es ist mit immer besseren Erfolgen hierin zu rechnen. Das heimatliche, kirchliche Liedgut ist in die offiziellen Diözesangesangsbücher meistens noch nicht aufgenommen. Diesbezügliche Bestrebungen werden aber über kurz oder lang zu einem gewissen Erfolge führen. In den grossen Diasporagebieten Nord- und Mitteldeutschlands, wo die heimatvertriebenen Katholiken eine geschlossene Mehrheit gegenüber den einheimischen Katholiken bilden, ist das religiöse Brauchtum und Liedgut der Heimatvertriebenen bereits vorherrschend.

5. Zur Frage der Auswanderung hat sich der Katholische Flüchtlingsrat auf seiner Tagung vom 1. Februar 1950 in Köln dahin geäussert, dass das Problem der Auswanderung mit grösster Vorsicht zu prüfen und die positiven wie negativen Auswirkungen für den deutschen Lebensraum sorgfältig abzuwägen seien. Nach Berichten aus den Übersee-Ländern fehlt es dort an jeglicher Organisation und Garantie, dass die Auswanderer wirtschaftlich und seelisch eine Existenz finden können. Auch der Vorschlag des amerikanischen Walter-Ausschusses betr. die Auswanderung von 1 Million Deutscher wird daher von den Heimatvertriebenen mit starker Zurückhaltung [durchgestrichener Text:], oder besser gesagt Ablehnung [Ende durchgestrichener Text] beantwortet. Die Auswanderung Einzelner, die in den Übersee-Gebieten Verwandte und damit die Aussicht auf eine baldige Existenzgrundlage haben, erscheint unbedenklich.

6. Zwischen der katholischen und evangelischen Kirche findet in der Bewältigung des Flüchtlingsproblems ein reger Gedankenaustausch statt. Der Päpstliche Beauftragte steht in Verbindung mit dem Evangelischen Ostkirchenausschuss in Hannover, welcher eine ähnliche zentrale Aufgabe für die evangelischen Heimatvertriebenen hat.

7. Die Flüchtlingsjugend ist vom Schicksal der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit besonders schwer betroffen, zumal da von 1 ½ Millionen heimatvertriebener Jugendliche unter 25 Jahren 730000 auf dem flachen Lande leben. Diese Berufsnot muss auf die Dauer sehr demoralisierend wirken und bedarf dringendster, staatlicher Abhilfe. Der Katholische Flüchtlingsrat hat in seiner Sitzung am 8. Mai zu Fulda hierauf besonders hingewiesen. Ansonsten trägt die Flüchtlingsjugend an dem Los der Heimatvertrei-

Dokumentation

899

bung naturgemäss nicht so schwer wie die ältere Generation. Sie hält sich, zumal in den Diasporagebieten, treu an ihre Seelsorger; das gilt besonders auch von der Ostzone. In den geschlosseneren katholischen Gebieten West- und Süddeutschlands bedarf es eines besonderen pastoralen Geschicks seitens der einheimischen Seelsorger, um die Flüchtlingsjugend in den katholischen Jugendorganisationen zu erfassen. Hier macht sich die allgemeine Spannung, wie sie zwischen Einheimischen und Flüchtlingen anhält, auch im kirchlichen Raum bemerkbar. Der schwersten moralischen Belastung unterliegen diejenigen Heimatvertriebenen, welche immer noch und oft schon seit Jahr und Tag in Lagern leben müssen. Besonders Kinder und Jugendliche sind hier schwersten Schädigungen ausgesetzt. Man muß hoffen. dass der gesetzliche Lastenausgleich in Verbindung mit den schon durch die Soforthilfe eingeleiteten Massnahmen für Wohnungsbau und Siedlung auch den schweren Notstand der Flüchtlingslager beseitigen wird.

900

Dokumentation

4.

Tätigkeitsbericht über das Jahr 19641

Dienststelle der Fuldaer Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge in Deutschland Tätigkeitsbericht über das Jahr 1964 1. Die Dienststelle des Vertriebenenbischofs hat als Aufgabe zunächst einmal die Vertretung der katholischen Kirche in den Einrichtungen der Bundesregierung, die sich mit Vertriebenenfragenbeschäftigen, und berät mit die Gesetzesvorlagen und Eingaben. Das geschah bei den Sitzungen des Bundesvertriebenenbeirates am 23. Juni und 21. Dezember. 2. Der Dienststellenleiter arbeitete mit im Vorstand des Arbeitskreises für Ostfragen in Hannover bei der Durchführung der Tagungen, die der Arbeitskreis veranstaltete. (Barsinghäuser Gespräche am 3./4. April und 20./21. November) In weiteren Vorstandssitzungen wurden diese Tagungen mit vorbereitet. 3. Die Dienststelle bereitete vor die Konferenzen der Kapitularvikare und Sprecher der ostdeutschen Diözesen in Verbindung mit dem Vertriebenenbischof. Zwei Konferenzen fanden statt, am 29./30. 4. in Hildesheim, am 30.11./1.12. in KölnHohenlind. 4. In Vertretung des Vertriebenenbischofs nahm der Dienststellenleiter teil an den Beratungen des Katholischen Flüchtlingsrates am 27./'28. April in Paderborn und am 9./10. November in Königstein. 5. Der Dienststellen[leiter] bereitete mit vor den Gottesdienst und die Kundgebung der heimatvertriebenen Katholiken auf dem Stuttgarter Katholikentag und nahm dann daran teil. 6. Es wurden vorbereitet die Gespräche des Herrn Oberkonsistorialrates D. Gülzow, Lübeck, mit dem H. H. Bischof Janssen, die im Hinblick auf die gemeinsamen Aktionen im 20. Jahr der Vertreibung stattfanden. Die 1. Besprechung war am 19. August. 7. In Vertretung des Vertriebenenbischofs nahm der Leiter an der Grundsteinlegung für den Bau der Bischof-Neumann-Schule in Königstein und an der anschließenden E.V.-Sitzung des Albertus-Magnus-Vereins teil, am 28. – 30. Juli. 8. In Vertretung des Vertriebenenbischofs nahm der Dienststellenleiter an den Konferenzen der Diözesanvertriebenenseelsorger im Juni und November in Königstein teil. 1

KZG Bonn 2595.

Dokumentation

901

9. Es wurde vorbereitet das Gespräch des Bundesvorsitzenden der karpatendeutschen Landsmannschaft, Herrn Birkner, mit dem H. H. Bischof wegen personeller Fragen im Vorstand der Landsmannschaft. 10. Der Dienststellenleiter arbeitete mit im „Kuratorium für die Verwaltung des Fonds zur Versorgung der heimatvertriebenen Laien des kirchlichen Dienstes“ und in der „Versorgungskasse der heimatvertriebenen Priester“. Die Sitzungen im Laufe des Jahres fanden statt in Hildesheim, Münster und Bad Kissingen. 11. Die Dienststelle bemühte sich um die Betreuung der aus dem Osten noch kommenden Priester und deren Versorgung und Unterbringung in den westdeutschen Diözesen. (Msgr. Ziegler)

902

Dokumentation

5.

Errichtung eines Seminares für Flüchtlingstheologen1

Die Potsdamer Konferenz hat bestimmt, dass alle Deutsche[n] aus den von Polen und Tschechen besetzten Gebieten auszusiedeln und dem Rumpfreiche zuzuführen sind. Ebenso werden alle Deutschen aus Südosteuropa ins Reich abgeschoben. Etwa 14.000.000 Menschen verlieren dadurch ihre bisherige Heimat; der weitaus grösste Teil von ihnen sind Katholiken. Es kommen also als Ausgewiesene mehr Katholiken ins Reich. als z.B. Katholiken in der CSR oder in Österreich wohnen. Mit den Gläubigen kommen auch die Priester und Theologen, letztere klopfen bereits zum Teil (über 200) an die Pforten der Seminare im Reiche. Der grösste Teil von ihnen steht noch aus. Wo sollen sie alle hin, wo eine Unterkunft, ein Heim, eine Stätte finden, die gerade sie in ihrem Leide aufnimmt und sie bereit formt für noch schwere Tage der Arbeit und Sorge um die Seelen der ihrigen? Sowie der grosse Flüchtlingsstrom nach eigener Betreuung und Seelsorge verlangt, so ist es auch eine ganz dringende Notwendigkeit, diese vom Osten und Südosten kommenden Theologen in einem eigens dafür bereitgestellten Seminar aufzufangen, zu beheimaten und heranzubilden. Denn eine grosse Zahl von Theologen hatte ihre Heimat verloren und damit auch das heimatliche Seminar, das für sie da war. Es geht auf die Dauer nicht gut an, dass diese Theologen verstreut und auseinandergerissen in einzelnen Seminaren des Reiches ihre Studien fortsetzen, denn dort finden sie bei aller Güte und Gastfreundlichkeit doch keine rechte Heimat. Es fehlt ihnen der ruhende Punkt und die innere Ausgeglichenheit. Sie sind wie Kranke neben Gesunden – denn wer die Heimat verlor, ist seelisch wund geworden – sie werden deshalb auch nicht so recht verstanden. In ihrem grossen Leid müssten sie beisammen sein, gemeinsam tragen, gemeinsam beten, sich gegenseitig stützen und trösten. Sie sind ja auch in der Regel bettelarm und ohne jeden Besitz. Oft ohne Verbindung mit Eltern und Verwandten und wenn ja, dann oft mit dem Bewusstsein, dass auch die Eltern schwer tragen, irgendwo im Lager oder bei hilfsbereiten Menschen. sie bringen oft nichts anderes mit als ihren guten Willen, ihre Einsatzfreudigkeit für Christus und die Brüder in Christus und vor allem das Wertvollste, nämlich den inneren Ruf, Priester zu werden für ihre leidenden darbenden armen Landsleute. Diese Theologen bilden eine durch dieselbe Prüfung zusammengeschweisste Familie, die man ohne Schaden nicht zerreissen darf. Gemeinsame Not bindet sie und das gemeinsame Ziel. Sie müssten, sollen sie gut gedeihen, im gastfreundlichen Westen ein Fleckchen haben, ein Heim, ein Haus, eine Stätte, die sie mit ihrem Heimatgeist erfüllen können, mit ihrer Art und ihrem Wesen; gleichsam 1

KZG, Bestand RKA D XI.2a.

Dokumentation

903

eine Oase, ein Stückchen Land aus der alten Heimat, an das sie sich klammern können und wo sie sich heimisch fühlen können. Dies alles drängt zur Errichtung eines eigenen Seminars für Flüchtlingstheologen. Noch klarer tritt die Notwendigkeit eines Flüchtlingsseminares zutage, wenn man die schweren und neuen Aufgaben in Betracht zieht, die [durchgestrichener Text:] den werdenden Flüchtlingspriestern bevorstehen [Ende durchgestrichener Text] diesen Theologen bevorstehen. Sie sollen ja einmal als Priester unter den Ihrigen wirken, also unter Heimatlosen und Besitzlosen in der Fremde. Dazu wird ein ganz neuer Priestergeist vonnöten sein, denn das ist so wie ein Mittelding zwischen normaler Seelsorge und Heilmission. Wenn man die Missionäre für die Heiden eigens vorbereitet und schult, so wird das auch für die oft noch schwere Aufgabe eines Flüchtlingspriesters nötig sein. Der angehende Flüchtlingsseelsorger wird sein Priestertum in heroischster Weise leben und ausüben müssen: selbstlos, arm, bescheiden, eifrig und nimmermüde, fern von aller Bequemlichkeit, mit den einen aufs Tiefste verbunden, selbst durch Leid gegangen und an ihm stark geworden. Das muss er aber schon als Theologe lernen, bessern noch, er muss es leben in sich, er muss es sehen neben sich und um sich. Das ist aber nur in einem eigenen Priesterseminar für Flüchtlingstheologen möglich. Ob dieser so schweren Aufgaben wird man auch an die Eignung, Fähigkeit, Gediegenheit jedes Einzelnen einen besonderen Masstab legen und alles gut überprüfen müssen. Es werden vor allem ganz feste Berufe sein müssen, wie sie [sich] in einem solchen Zentralseminare für Flüchtlingstheologen weit besser zeigen werden als im Rahmen eines normalen Priesterseminares. Dazu kommt noch die Tatsache, dass die noch bestehenden Priesterseminare des Reiches bereits jetzt überfüllt sind, obwohl der Hauptstrom an Theologen erst noch einsetzen wird. Eine Schar von mehr als 8 Millionen Katholiken wird zweifelsohne eine grosse Anzahl von Theologen hervorbringen vor allem in dieser schweren Prüfungszeit, wo ungezählten nur noch die Kirche einzigen Halt und Zuflucht bietet. In Österreich z.B. stehen den Theologen mehr denn 6 Seminare zur Verfügung, obwohl die Zahl der dortigen Katholiken nicht an jene der ins Reich geflüchteten Katholiken heranreicht. Es wird eine der wichtigsten kirchlichen Sorgen in der Betreuung der Flüchtlinge sein müssen, einen hinreichenden eigenständigen Priesternachwuchs zu haben, der wenigstens einigermassen die religiöse Not so vieler Millionen lindern und heilen kann. Dies wäre am besten durch ein eigenes Priesterseminar für Flüchtlingstheologen zu erreichen.

904

Dokumentation

6.

Besitzeinweisung [2. Juli 1946]1

GROSSHESSISCHES STAATSMINISTERIUM DER MINISTER DER FINANZEN

WIESBADEN, den 2. Juli 1946

0 5300/0 5401-STV 12 Betr.: Reichsarbeitsdienstkaserne I und II in Königstein/Ts. Bezug: Antrag der Katholischen Hilfsstelle vom 4. Mai 1946 – MSGR. Albert BÜTTNER Besitzeinweisung Unter Bezugnahme auf meine am 23. Mai 1946 (05401-STV 12) gegebene Zusage auf Überlassung der früheren RAD-Kaserne in Königstein/Ts., bin ich nunmehr im Hinblick auf die Dringlichkeit mit einer sofortigen Besitzeinweisung zunächst in den Kasernenblock I der zuletzt als Reservelazarett genutzten reichseigenen ehemaligen RAD-Kaserne in Königstein/Ts. einverstanden. Die Besitzeinweisung wird zur Einrichtung eines Priesterseminars mit Konvikt für Theologie-Studenten und eines Konvikts für Gymnasiasten aus den Ostgebieten, vorbehaltlich der Zustimmung der Militärregierung, erteilt. Irgendwelche Rechte gegen den Reichsfiskus oder das Land Groß-Hessen dürfen aus dieser vorläufigen Besitzeinweisung nicht hergeleitet werden, falls der Abschluß des auf die Dauer von zunächst 5 Jahren vorgesehenen Pachtvertrages nicht zustande kommen sollte. Da Kasernenblock II noch vorübergehend als Versorgungskrankenhaus für alle verbliebenen Patienten beleg bleibt, kann die pachtweise Überlassung des gesamten Geländes, einschließlich der Nebengebäude, erst nach Freiwerden des Kasernenblocks II, voraussichtlich ab 1. Januar 1947 erfolgen. Hinsichtlich der Überlassung des Lazarettgerätes (Wäsche und Inventarien) wird auf die im Benehmen mit dem Herrn Minister für Arbeit und Wohlfahrt ausgefertigte Übergabeverhandlung vom 7. Juni 1946 Bezug genommen. Hiernach hat sich das Arbeitsministerium Teile der Lazaretteinrichtung und ärztliche Instrumente pp. für die 1

KZG, Bestand RKA D XI.91.

Dokumentation

905

notwendige Errichtung von staatlichen Heimen vorbehalten. Die diesbezüglichen Abmachungen sind mit Herrn Prälat BÜTTNER unter seinem Einverständnis getroffen worden. Der Katholischen Hilfsstelle steht die Möglichkeit offen, im Block II schon jetzt gewisse Räume in gegenseitiger Vereinbarung mit der im Versorgungskrankenhaus verbliebenen Verwaltung vorübergehend für Lagerzwecke zu benutzen. An die Kirchliche Hilfsstelle MSGR. Albert BÜTTNER, Frankfurt/Main-Süd Stresemann-Allee 36

906

Dokumentation

7.

Brief Büttner an Kaller, 30.7.19461

Kirchliche Hilfsstelle Msgr. Albert Büttner

Frankfurt/Main-Süd, 30. Juli 1946 Saarallee 36 – Ruf 64 670

Sr. Exzellenz den Hochwürdigsten Herrn Bischof Dr. Maximilian Kaller Wiedenbrück i./W. Josefshaus Ew. Exzellenz! Soeben erfahre ich, daß der heilige Vater Ew. Exzellenz zum „Flüchtlingsbischof“ ernannt hat. Wenn ich auch noch keine nähere Kenntnis über den Umfang des Auftrages habe, so hoffe ich, dass durch diese Beauftragung die Vorbedingungen für eine planmässige Lösung aller Seelsorgsfragen für die Flüchtlinge und Ausgewiesenen gegeben sind. Von ganzem Herzen beglückwünsche ich Ew. Exzellenz zu diesem zwar unsäglich schweren Amt, das aber in sich trägt die Möglichkeit zu einem bischöflichen Wirken von grösster Fruchtbarkeit im apostolischen Sinne. Es wird Ew. Exzellenz ja an allem fehlen, was das Bischöfliche Amt in normalen Zeiten ab Glanz umgab und auch an Schönem bereicherte. Es wird ein Amt sein, das nur durch Opfer Segen wirken kann. Deshalb darf ich Ew. Exzellenz in aller Ehrfurcht beglückwünschen. Darf ich Ew. Exzellenz nun gleich mit Vorschlägen kommen? Ich bitte dies nicht als Aufdringlichkeit auffassen zu wollen. Ich versichere Sie weiter, dass kein persönliches Interesse bei meinen Vorschlägen mitspricht. Ich habe in dem letzten Jahr die Probleme studiert, die vielfältige Not, besonders die seelische Not kennengelernt. Ich weiss daher, wie gross die Notwendigkeit der Hilfe und wie schier unüberbrückbar die Schwierigkeiten sind. Ich bitte Ew. Exzellenz auch versichert zu sein, dass die Vorschläge nicht darauf hinzielen, dass ich für mich einen Arbeitsbereich suchen möchte. Ich habe zuviel Einblick in die Schwierigkeiten, als dass ich es wage würde, mich in eine Aufgabe hineinzudrängen. Im Gegenteil, wenn ich weiter in der Flüchtlingsseelsorge stehen soll, kann und will ich es nur dann, wenn ein kirchlicher Auftrag mich klar dazu ruft, wenn der Auftrag der Bischöfe mich dazu bestimmt. Ich werde deshalb der Fuldaer Bischofskonferenz die Vorschläge ebenfalls unterbreiten. Meine bisherige Arbeit habe ich mehr oder minder als eine Vorbereitung 1

KZG, Bestand RKA D XI.2b.

Dokumentation

907

für die Planung der Flüchtlingsseelsorge aufgefasst. Die Bischofskonferenz muss entscheiden, welche Gestalt sie annehmen soll. Ich möchte mir aber erlauben, Ew. Exzellenz kurz einen Plan darzulegen. Die Arbeit umfasst folgende Aufgaben: 1. Studium des Flüchtlingsproblems. Hierfür habe ich eine Abteilung in der „Kirchlichen Hilfsstelle eingerichtet, welche Berichte sammelt und auswertet. Die Auswertung geschieht in folgender Weise: a) Bedienung der kirchlichen und weltlichen Presse des In- und Auslandes mit aufklärenden Aufsätzen. Die Arbeit ha begonnen und ist günstig aufgenommen worden. b) Schaffung der literarischen Hilfsmittel: Eine Zeitschrift für Flüchtlinge und Ausgewiesene, Schaffung von Predigtmaterial, Schaffung eines Flüchtlingsgebetsbuches. Diese Dinge sind teils vorbereitet, teils schon erschienen. Mit der endgültigen Herausgabe warte ich nach der Ernennung Ew. Exzellenz auf ihre Billigung. Papier habe ich in recht erheblichen Mengen schon zur Verfügung. c) Sammlung von Lesestoff für Lager und besonders für die Diaspora; eine ganz ansehnliche Menge ist bereits vorhanden. 2. Planung der Flüchtlingsseelsorge. Nach meiner Auffassung ist es notwendig, dass an zentraler Stelle die Namen, Fähigkeiten und besondere Eignung aller Flüchtlingsseelsorger gesammelt werden und von dort aus die Verteilung und Einstellung der Geistlichen auf Grund der Bedürfnisse der Diözese und der Eignung der Geistlichen erfolgt. Von dieser Stelle müssen auch die Hilfsmittel für die Seelsorge beschafft werden und zwar ausser den oben genannten auch alle liturgischen Bedürfnisse Messkoffer usw.) befriedigt werden. Auch hier ist vorgesorgt, Messkoffer sind vorhanden. 3. Vorbereitung und Sammlung der Theologen. Ew. Exzellenz teilte ich den Plan der Gründung eines Seminars für Flüchtlingstheologen bereits mit. Ausser einigen wichtigen psychologischen Momenten scheinen mir folgende Gründe wichtig zu sein: a) Es müssen Theologen herangebildet werden mit besonderer Blickrichtung auf das russische Gebiet, wo keine oder nur geringe Ausbildungsmöglichkeiten vorhanden sind. b) Für die Flüchtlingsdiaspora, d.h. jene protestantischen Gegenden, in die jetzt erst katholische Flüchtlinge hineingekommen sind. c) Für eine künftige Auswanderung. 4. Zur Unterstützung dieser Aufgabe habe ich ein Opus confr. geplant. Der Gedanke ist dem Heiligen Vater vorgelegt worden und muss nun noch der Bischofskonferenz unterbreitet und von ihr gutgeheissen werden mit der Bitte, in priesterlicher Verbundenheit an dem Seelsorgewerk für Flüchtlinge teilzunehmen durch Spenden von allem, was nötig ist, Anzüge, liturgische Hilfsmittel,

908

Dokumentation

Bücher, Stipendien für Theologen. Der Heilige Vater hat als erster der „Kirchlichen Hilfsstelle“ in diesen Tagen eine grosse Hilfe zur Verfügung gestellt in Form von Anzügen, Messkoffern, Stärkungsmitteln usw. Im ganzen sind gestern sechs grosse Lastwagen angekommen. 5. Vorbereitung einer künftigen Auswanderung. Nachdem Ew. Exzellenz nunmehr mit der Leitung der gesamten aufgaben betraut ist, gestatte ich mir folgenden konkreten Vorschlag zu machen: In Königstein sind mir durch das Grosshessische Staatsministerium geeignete Gebäude für Priesterseminar, Wohnung der Professoren zugewiesen worden. In Königstein könnte die Zentrale der Flüchtlingsseelsorge eingerichtet werden, etwa als „Bischöfliche Arbeitsstelle für Flüchtlingsseelsorge“, wenige Minuten von der Vatikanischen Mission in Kronberg, wo soeben Bischof Münch angekommen ist, entfernt, in unmittelbarer Nähe von Frankfurt, von wo aus die beste Bahnverbindung nach allen Teilen Deutschlands ist. Wenn das Priesterseminar Wirklichkeit wird, sind mit den Professoren, die ebenfalls Flüchtlinge sein sollen, wertvolle geistige Hilfskräfte für die Lösung der gesamten Aufgabe vereint. Auch die Theologen können sich bereits an der Arbeit beteiligen und werden damit auch im Studium für die praktische Arbeit erzogen und in apostolischem Eifer für ihre Leidensgenossen erhalten. Die „Kirchliche Hilfsstelle“ mit ihren Mitarbeitern und den bereits geleisteten Vorarbeiten könnte Ew. Exzellenz als Mitarbeiterstab dienen. In kurzen Zügen ist das Obige nur ein Aufriss für die Planung der Arbeit. Ich wäre froh, wenn ich Gelegenheit hätte, Ew. Exzellenz noch vor der Bischofskonferenz zu sprechen und bitte um Mitteilung, ob dies etwa nach dem 12.8. möglich wäre. Wie ich Ew. Exzellenz mitteilte, findet vom 5.-8. August eine Tagung der Flüchtlingsseelsorger in Eichstätt statt, so dass ich in dieser Zeit verhindert bin. Es geht mir bei all diesen Vorschlägen vor allem darum, dass das vielfache Nebeneinander, das bisher herrschte, vermieden wird. Die „Kirchliche Hilfsstelle“ muss in irgend einer Form eingebaut werden in die Arbeit Ew. Exzellenz oder aufgelöst oder in irgend einer Form neugebildet werden. Ich versichere Ew. Exzellenz, dass er mir nicht darauf ankommt, selbst massgebend bei dieser Aufgabe beteiligt zu sein. Ich stehe gern zur Verfügung, gehe aber auch eben so gern in die Ordentliche Seelsorge zurück oder an eine sonstige Arbeit, die mir bestimmt wird. Indem ich Ew. Exzellenz noch einmal meine herzlichsten Segenswünsche ehrerbietigst ausspreche, bin ich in hoher Verehrung Ew. Exzellenz Ergebenster

909

Dokumentation

8.

Vorläufiger Mietvertrag [1946]1

Finanzamt Ffm.-Aussenbezirk - Liegenschaftsverwaltung – 0 4409

Frankfurt/M., 3. Dezember 1946

Zwischen dem Finanzamt Ffm.-Aussenbezirk-Liegenschaftsverwaltung- Frankfurt a/M., Neue Mainzerstrasse 43-45 als Vermieter einerseits und der Kirchlichen Hilfsstelle, vertreten durch Msgr. Albert Büttner Hauptstelle Ffm.-Süd, Stresemann-Alle 36 als Mieter andererseits wird vorbehaltlich der Genehmigung durch den Minister der Finanzen Wiesbaden folgender vorläufiger Mietvertrag abgeschlossen: Ziffer 1)

1

Mietgegenstand: Auf Grund der Besitzeinweisung des Ministers der Finanzen, Wiesbaden vom 2. Juli 1946 werden zum Zwecke der Errichtung eines Priesterseminars mit Konvikt für Theologie-Studenten und eines Konviktes für Gymnasiasten aus den Ostgebieten vorläufig die im nachstehend benannten Gebäude sowie unbebautes Gelände vermietet bezw. verpachtet: 1. Kasernenblock I (Ost) der ehemaligen RAD-Kaserne in Königstein i. Taunus, zwischen Dingweg und Sodener Straße gelegen, 2. Kasernenblock II (West) der gleichen Kaserne, 3. die drei zwischen beiden Blocks liegenden früheren Latrinen- und Brausebad-Gebäude, 4. das zur RAD-Kaserne gehörige unbebaute Gelände, das mit seinem Flächeninhalt sowie der genauen Parzellenangabe nach Vorliegen der Flurkarte sowie des Auszuges aus dem Liegenschaftsbuch der Katasterverwaltung im einzelnen bezeichnet wird. Gebäude und Gelände werden so vermietet bezw. verpachtet, wie sie heute liegen und stehen. Über die weiter zum Kasernenkomplex gehörenden Nebengebäude, Hallen und Schuppen, wie

KZG, Bestand RKA D XI.3.

910

Ziffer 2)

Ziffer 3)

Ziffer 4)

2

Dokumentation

das frühere Desinfektionsgebäude, das ehemalige Lazarettgebäude-spätere Wohngebäude der Truppführer und Verwaltungsschule, die Werkstätten und Gerätehallen, das Arrestgebäude, die auf der Westseite des Geländes liegenden früheren VerwaltungsStabgebäude und die Unteroffizier-Messe kann zur Zeit noch nicht verfügt werden, da sie von Ausländern – Unrra2 – bezw. anderen Mietern bewohnt sind. Die Übergabe wird nach erfolgter Räumung erfolgen. Die Turnhalle wird übergeben, sobald die rechtlichen Besitzverhältnisse geklärt sind. Der Mieter verpflichtet sich, der im Kasernenblock 2 untergebrachten Abwicklungsstelle des Militärlazaretts 706, Königstein, sowie der Dienststelle Fritsch die erforderlichen Räume zur Abwicklung deren Geschäfte zur Verfügung zu stellen. Dem Mieter werden zur Benutzung Möbel- und Einrichtungsgegenstände aus den beiden Kasernenblocks übergeben, die mit der beantragten Gesamtzahl auf einer im Juli 1946 eingereichten Inventarliste im einzelnen verzeichnet sind. Eine diesbezügliche Übergabeverhandlung wird dem Vertrag als Anlage beigefügt. Mietzeit: Der Mietvertrag wird auf zunächst fünf Jahre abgeschlossen. Das Mietverhältnis beginnt am 1. Januar 1947 und endet am 31. Dezember 1951. Eine Verlängerung des Vertrages nach Ablauf wird in Aussicht gestellt, sofern dem gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen. Beide Parteien haben das Recht, den Vertrag am 30. Juni 1951 zum 31. Dezember 1951 zu kündigen. Die Inanspruchnahme der in Ziffer 1) bezeichneten Gebäude sowie des Geländes kann sofort erfolgen. Der Mietzins wird festgestellt, sobald die zuständige Preisbildungsbehörde diesen auf Grund der amtlichen Bestimmungen ermittelt hat. Der Mietpreis ist erstmals am 2. Januar 1947 monatlich im voraus und späterhin jeweils zum ersten eines Monats an die Finanzkasse Ffm.-Aussenbezirk, Frankfurt a/M., Neue Mainerstraße 43-45 – Postscheckkonto 56470 – zu zahlen. Der Mieter übernimmt die laufenden Instandsetzungskosten, die Gebäudeunterhaltungskosten, sowie alle Grundstückslasten. Besondere Vereinbarungen: Der Mieter ist berechtigt an der Mietsache bauliche Veränderungen vorzunehmen. Er ist verpflichtet, über alle Bauvorhaben Pläne einzureichen. Die von dem Mieter gemachten Kapitalaufwendungen werden insoweit zurückvergütet, als sie zur Erhaltung und Verbesserung des Mietge-

United Nations Relief and Rehabilitation Administration (Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen).

Dokumentation

Ziffer 5)

Ziffer 6) Ziffer 7)

Ziffer 8)

Ziffer 9)

Ziffer 10)

911

genstandes für Jedermann dienlich sind. Die Kosten sind durch Vorlage der Rechnungen nachzuweisen. Kosten von Einrichtungen, die lediglich eigenen Zwecken dienen, werden seitens des Vermieters nicht erstattet, es sei denn, daß diese nach Ablauf des Vertrages auf ausdrückliches Verlangen des Vermieters in den Räumen verbleiben müssen. Die Baukosten werden mit der laufenden Miete aufgerechnet. Haftung bei Unfällen: Der Mieter übernimmt die Haftung bei Unfällen, die in den von ihm ermieteten Gebäude und auf dem gepachteten Gelände an Personen und Sachen entstehen können. Bei Beendigung des Mietverhältnisses sind die Räume in unbeschädigtem Zustand zu übergeben. Gemachte Einbauten müssen verbleiben. Untervermietung: Eine Untervermietung von Teilen oder des gesamten in Ziffer 1) genannten Mietgegenstandes ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Vermieters gestattet. Beurkundung: Der Vertrag wird in dreifacher Ausfertigung gefertigt. Eine etwaige Urkundensteuer wird von beiden Parteien je zur Hälfte getragen. Der vorläufige Mietvertrag wird nach Unterzeichnung des endgültigen Vertrages außer Kraft gesetzt. Nebenabreden: Etwaige Nebenabreden habe nur Gültigkeit, wenn sie schriftlich als Anlage zu diesem Mietvertrag hinterlegt werden und von beiden Parteien unterschrieben sind. Gerichtsstand: Erfüllungsort und Gerichtsstand aus diesem Mietvertrage ist für beide Parteien Frankfurt a/M.

Der Vermieter: Finanzamt Ffm.-AußenbezirkLiegenschaftsverwaltung gez. Martin L.S.: Finanzamt-Aussenstelle Frankfurt (Main)

Frankfurt a/M., 2. Dezember 1946 Der Mieter: Kirchliche Hilfsstelle Monsignore Albert Büttner Frankfurt am Main-Süd Stresemann-Allee 36 – Ruf 64670 gez. Albert Büttner

912

Dokumentation

9.

Theologenkonvikt für Ostflüchtlinge [2.9.46]1

Kirchliche Hilfsstelle Msgr. Büttner Frankfurt am Main, den 2.9.1946. Frankfurt am Main Stresemannallee 36 Aktz. C 1/B/Rei. Betr.: Theologenseminar Königstein. Theologenkonvikt für Ostflüchtlinge. Auf Wunsch seiner Exzellenz des Hochwürdigsten Herrn Bischofs von Ermland Maximilian Kaller gebe ich nachstehend eingehenden Bericht über die Entstehung, den jetzigen Zustand und die innere Begründung des Planes in Königstein, ein Konvikt für Theologiesudenten und Gymnasiasten einzurichten.

I. Bereits im Herbst vorigen Jahres wurde die Notwendigkeit erörtert für die ausgewiesenen Theologen ein eigenes Konvikt zu errichten. Man erwartete damals noch, dass die heimkehrenden Theologiestudenten die Diözesanseminare füllen würden, zumal ein nicht unbedeutender Teil der Seminare und Konvikte zerstört, beschädigt oder anderweitig belegt war. Es war damals anzunehmen, dass für die grosse Zahl der ausgewiesenen Theologiestudenten aus den östlichen Gebieten kein Raum mehr sei. Es wurde damals auch vielfach darauf hingewiesen, dass unter den Theologen selbst der begreifliche Wunsch bestünde, nicht auf viele Seminarien verteilt zu werden, sondern in einem für Flüchtlinge errichteten Konvikt gemeinsam eine neue Heimat zu finden. Einen starken Antrieb, den Plan zu verfolgen, erhielt ich dadurch, dass Herr Pater Zeiger, dem ich gelegentlich davon sprach, mir sagte, dass der Heilige Vater den Wunsch geäussert habe, man möge die Flüchtlingstheologen in einem eigenen Konvikt sammeln. Ich berichtete dem hochwürdigsten Protektor der Kirchlichen Hilfsstelle darüber, der mir antwortete, die Errichtung des Seminars für Flüchtlingstheologen sei anzustreben (Brief vom 9.3. 1946).

1

KZG, Bestand RKA D XI.8c

Dokumentation

913

Ich bemühte mich dann, ein geeignetes Haus zu finden und glaubte, Kloster Eberbach im Rheingau sei dafür geeignet. Ich unterrichtete hierüber den hochwürdigsten Bischof von Limburg, der seiner Freude Ausdruck gab, wenn die altehrwürdigen Gebäude für einen solchen Zweck wieder Verwendung fänden. Es ergab sich bei einer Besichtigung, dass die Gebäude von Eberbach völlig ungeeignet waren. Ich wurde dann auf die Gebäude in Königstein aufmerksam gemacht, die früher als RAD-Führerschule gedient hatten. Die Besichtigung ergab, dass die Gebäude wie für eine solche Verwendung geschaffen waren. Der gesamte Komplex bietet hinreichend Raum für ein Theologenkonvikt, ein Gymnasiastenkonvikt, für Wohnungen von Schwestern und Professoren. Es musste ein schneller Entschluss gefasst werden, da viele Interessenten sich um die Gebäude bewarben. Die Innere Mission, die bereits ein sehr grosses Anwesen in Königstein erworben hatte, um ein Knabenkonvikt einzurichten, bewarb sich auch um die RAD-Kaserne. Ferner waren Professoren, die die Gebäude als Heilanstalt benutzen wollten, verschiedene Ministerien, die Regierung von Wiesbaden und die Stadt Frankfurt daran interessiert. Ich glaubte verpflichtet zu sein, eine vorläufige Sicherstellung für den genannten Zweck erstreben zu müssen, die auch bald nach schwierigen Verhandlungen durchgeführt wurde. Da der Heilige Vater selbst den Wunsch geäussert hatte, dass ein Sammelkonvikt für Flüchtlingstheologen errichtet werden solle, lag es sehr nahe, dem Heiligen Vater von dem Plan Kenntnis zu geben. Da sich eine gute Gelegenheit bot, berichtete ich dem Heiligen Vater und erhielt überraschend schnell eine Antwort. Ich bemühte mich dann weiter, den Plan einer konkreten Verwirklichung zuzuführen, um dann, wenn nicht nur der Plan, sondern auch die Möglichkeit ihn zu verwirklichen gegeben war, ihn den hochwürdigsten Herrn Bischöfen zur Entscheidung vorzulegen. Es war also keineswegs meine Absicht, die hochwürdigsten Herrn Bischöfe vor ein „fait accompli“ zu stellen, sondern einen konkreten Plan vorzulegen. Aus verschiedenen Gründen, unter anderem deshalb, um störende Einflüsse anderer Kreise vor einer endgültigen Besitzeinweisung zu verhindern, hielt ich den Plan soweit als möglich geheim. Zu meiner eigenen grössten Überraschung und Bedauern wurde der Plan dann durch den Vatikansender und den Londoner Sender bekanntgegeben, bevor ich die Möglichkeit hatte, ihn der Gesamtheit der deutschen Bischöfe vorzulegen. Ich hatte allerdings bereits der hochwürdigsten Konferenz der bayrischen Bischöfe in Eichstätt und den in Werl und Pützchen versammelten Bischöfen den Vorschlag unterbreitet, freilich ohne eine schriftliche Antwort zu erhalten. Die Antwort des Heiligen Vaters war aber so positiv, dass ich es nicht zu verantworten glaubte, den Plan fallen zu lassen, abgesehen davon, dass ich mich verpflichtet fühlte, weil ich von der Notwendigkeit überzeugt bin, weiter an der Verwirklichung des Plans zu arbeiten. Der Heilige Vater anerkennt den Gedanken, wünscht, dass „das vorsorgliche Beginnen unter grossmütiger Mithilfe guter Menschen möglichst bald zur glücklichen Wirklichkeit wird“, und gewährt für dieses Werk den apostolischen Segen. Der Heilige Vater betet selbst, dass er „diesen Wunsch und Segen durch einen greifbaren Beweis begleiten will, welch hohe Bedeutung Er einem Werk von solcher religiösen und sozialen Tragweite beimisst“ und hat deshalb eine Spende von 3.000 Dollar gemacht. Der Heilige Vater spricht von der sozialen und religiösen Bedeutung. Er anerkennt

914

Dokumentation

offenbar, dass die Notwendigkeit besteht, Priesteramtskandidaten in einer besonderen Weise für die ausgewiesenen Landsleute zu erziehen, offensichtlich in der Erkenntnis, dass das Flüchtlingsproblem zu einem der grössten sozialen Probleme wird, an dessen Lösung der katholische Priester in vorzüglicher Weise beteiligt und deshalb ohne Zweifel auch hinreichend vorgebildet werden muss. Die nächsten Jahre werden eine stark fühlbare Besserung der Lage der Flüchtlinge nicht bringen, da die materiellen Voraussetzungen völlig fehlen. Es wird nicht möglich sein, hinreichend Wohnraum zu schaffen. Ungezählte müssen auf eine ihrer Vorbildung entsprechende Tätigkeit verzichten, ja, die lebensnotwendigsten Dinge an Kleidung, Einrichtungsgegenständen u.s.w. werden nicht in befriedigendem Masse beschafft werden können. Die seelische Belastung und die Gefahr der Radikalisierung von Millionen ist daher nicht nur in der Fantasie eines Pessimisten vorhanden, sondern zeigt sich in drohender Nähe. Die Aufgabe der Kirche ist es, durch den Einsatz der seelischen Hilfsmittel, durch die grösstmögliche Aktivierung der religiösen Kräfte und Zuführung der Gnadenströme der Kirche Millionen von Menschen vor der Verzweiflung zu bewahren. Offenbar anerkennt der Heilige Vater die Notwendigkeit der Errichtung einer theologischen Lehranstalt, in der die Studierenden für diesen besonderen Auftrag geschult werden. Er anerkennt weiter, dass bei den heimatlosen Theologen besondere Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen, wie es ausdrücklich in dem Schreiben Seiner Heiligkeit heisst. Im Einzelnen sollen noch folgende Erwägungen vorgelegt werden: In normalen Verhältnissen ist es im Allgemeinen Grundsatz, dass die Theologiestudenten in der Diözese ihre Ausbildung erhalten, in der sie später einmal wirken sollen, damit sie sich von Anfang an mit den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen ihrer zukünftigen Seelsorgsarbeit bekannt machen. Dieser Grundsatz wäre auch auf die Ostflüchtlinge anzuwenden, wenn man heute schon sagen könnte, in welcher Diözese sie einmal tätig sein sollen. Dies ist aber zur Zeit nicht möglich. Es ist begreiflich, wenn die hochwürdigsten Herrn Bischöfe die Osttheologen in ihre Anstalten aufnehmen wollen, um dadurch dem Mangel an eigenem Priesternachwuchs abzuhelfen. Die Verteilung der Theologen muss aber Rücksicht auf die Gesamtbedürfnisse des kleingewordenen Deutschland nehmen. Zur Zeit studiert ein grosser Teil von Theologen in bayrischen Diözesen. Es wird aber notwendig sein, dass der grössere Teil von ihnen einmal in der Diaspora tätig sein wird, da in der Diaspora der Priestermangel bereits gross ist, und der Bedarf an Seelsorgern sich in viel höherem Masse steigern wird als in katholischen Gegenden. In der Diaspora müssen Seelsorgstellen eingerichtet werden, während in katholischen Gegenden auch die Flüchtlinge von der normalen Seelsorge erfasst werden können und nur in einzelnen Fällen besondere Massnahmen notwendig sind. Es beseht also die Gefahr, dass die Theologen selbst in die Verhältnisse der Diözese, in deren Seminar sie studieren, sich einleben und den begreiflichen Wunsch haben, auch dort einmal tätig sein zu können. Es ist aber nötig, dass die Theologen in der Bereitschaft erzogen werden, ihren Landsleuten zu folgen, insbesondere gilt dies für drei Zwecke:

Dokumentation

915

1. für die Diaspora 2. für die von den Russen besetzten Gebiete und 3. für künftige Auswandererseelsorger Diese Ziele können aber besser in einer eigens hierfür errichteten Anstalt erstrebt werden, als in den einzelnen Diözesan-Seminarien. Es bedarf aller Anstrengungen die nötigen seelsorglichen Kräfte für die Diasporaseelsorge, insbesondere für die neuen, ungeheuren Bedürfnisse zu sammeln. Schon jetzt beweisen das hunderte von Notrufen von Priestern aus der russischen Zone. Es wäre wohl naheliegend für die russische Zone eine eigene Priesterbildungsanstalt, insbesondere für Ostflüchtlinge zu errichten. Dabei entsteht allerdings die Frage, wenn schon in den übrigen Zonen die Errichtung einer solchen Anstalt schwierig ist, wird sie dann nicht in der russischen Zone bereits jetzt schon schwieriger sei und voraussichtlich in der Zukunft noch schwieriger werden? Besteht nicht z.B. die Gefahr, dass bei der immer klarer werdenden Haltung der russischen Besatzungsmacht die jungen Theologen aus ihrem Studium gerissen und etwa in irgend einen Arbeitseinsatz kommen? Auch andere Schwierigkeiten z.B. der Finanzierung dürften in der russischen Zone bei weitem grösser sein. Wenn die Dinge so liegen, erscheint es sinnvoll, dort eine Anstalt zu errichten, wo sie möglich ist. Es ist nicht das erste Mal, dass für ein besonderes Notgebiet in besser geeigneten Verhältnissen eine Priesterbildungsanstalt errichtet wird. Der hochwürdigste Herr Bischof Münch, der Beauftragte des Heiligen Vaters, wies in einem Gespräch darauf hin, dass man zur Zeit der Kirchenverfolgung in Irland Priester in Frankreich und Spanien, während der mexikanischen Verfolgung Priester in Amerika, Spanien u.s.w. ausbilden liess. An der geplanten Bildungsanstalt in Königstein sollen Professoren aus dem Osten tätig sein; sie stehen innerlich naturgemäss den Problemen nahe und wären deshalb auch in besonderer Weise geeignet zur Erziehung diasporafähiger Priester, insbesondere solcher, die einmal in den Ostgebieten tätig sein sollen. Noch sind hunderte von Theologen in Kriegsgefangenschaft. Es ist zu hoffen, dass wenigstens die in den westlichen Ländern noch festgehaltenen Theologen in absehbarer Zeit zurückkehren und dann die vorhandenen Anstalten stärker füllen. Es ist wohl auch notwendig, mit allen Kräften danach zu streben, dass der überall fühlbare Priestermangel behoben wird und die Diözesan-Seminare sich mit Studenten aus dem eigenen Gebiet füllen. Ebenso besteht die Notwendigkeit, mit aller Anstrengung die geeigneten jungen Menschen aus en Flüchtlingsmassen herauszuziehen, die zum Priesterberuf Eignung verspüren. Für diese dürfte eine eigene Bildungsanstalt besondere Anziehungskraft haben. Es darf noch darauf hingewiesen werden, dass bei einem besonders grossen Teil der Flüchtlingstheologen der begreifliche Wunsch besteht, sich in der alten Gemeinschaft wieder zu sammeln und in einem eigenen Haus eine neue Heimat zu finden. Dieser Wunsch besteht vielfach, obwohl die Theologen in den Gastseminarien in freundlichster und bester Weise aufgenommen sind. Es zeigt sich allerdings auch, dass manche von diesen Theologen den Wunsch haben, in dem Seminar, in das sie sich eingelebt haben, zu bleiben, um später einmal in katholischer Gegend eine angenehmere Kaplan- und Pfarrstelle zu finden, als es in der Diaspora der Fall sein würde. Es wäre für das Gesamtproblem der Flüchtlings-

916

Dokumentation

seelsorge nicht wünschenswert, wenn dieser Geist sich auf alle Theologen ausbreiten würde. Die Frage, ob ein Seminar für Flüchtlingstheologen errichtet werden soll oder nicht, dürfte wohl nicht so gestellt werden, ob eine solche Anstalt eine unabdingbare Notwendigkeit sei, sondern die Frage muss wohl lauten: „Auf welche Weise wird am besten für die ungeheuren Aufgaben, die ein Flüchtlingsheer von fast 3 Millionen Katholiken stellt, gesorgt werden“. Der Unterzeichnete glaubt, dass diese Frage mit einem „Ja“ zu einer eigenen Bildungsanstalt für Osttheologen beantwortet werden muss und war deshalb bestrebt, der hochwürdigsten Bischofskonferenz einen Plan vorzulegen, der zugleich die Möglichkeit der Verwirklichung bietet.

II. Die Gebäude in Königstein Den hochwürdigsten Herrn Bischöfen ist eine Ansicht der Gebäude überreicht worden. Das obere, grössere Haus ist bereits geräumt worden und kann nach einigen Renovierungsarbeiten bezogen werden. Es sind darin vorhanden geeigneter Raum für Kapelle, Speisesäle, Hörsäle, Bibliothek, Tagesräume. Alle Räume sind licht und hell, das ganze Haus ist in verhältnismäßig gutem Bauzustand. Nachstehend gebe ich einen Auszug aus dem Inventar, das für beide Gebäude vom grosshessischen Staatsministerium zur Verfügung gestellt wird: 500 1.000 250 300 1000 ferner:

Betten mit Matratzen und doppelten Leinenbezügen, Wolldecken, Spinde, Tische, Stühle, Schreibtische, Regale u.s.w., ausserdem Kücheneinrichtung mit Dampfkessel, Kochtöpfen, Tellern u.s.w.

Bereits in Auftrag gegeben sind: 25 Schreibtische, 50 Tische für Hörsäle, Bücherregale, 300 Essbestecke und verschiedene andere. Für zusätzliche Ernährung stehen Mehl, Fleisch, Zucker, Milch, Fett aus der Spende des Heiligen Vaters zur Verfügung. Eine theologische-philosophische Bibliothek von 10.000 Bänden ist bereits in Königstein untergebracht.

III. Studienbetrieb 1. Grosse Vorteile würde eine Verbindung des Konvikts mit der in Frankfurt geplanten, von weiten Kreisen sehr ersehnten theologischen Fakultät bringen. Dieser

Dokumentation

917

Plan stösst auf grosse Bedenken des hochwürdigsten Bischofs von Limburg. 2. Es könnte erwogen werden, das Seminar in Königstein als Filiale der philosophisch-theologischen Lehranstalt St. Georgen zu errichten, damit die staatliche Anerkennung gesichert ist. 3. Die Anstalt könnte als selbständige Bildungsanstalt errichtet und um die staatliche Anerkennung nachgesucht werden. Bei den Vorschlägen zu 2. und 3. ist allerdings zu befürchten, dass manche Professoren aus dem Osten sich nicht zur Verfügung stellen werden, weil sie lieber an einer theologischen Fakultät dozieren.

IV. Finanzierung Für das Werk wird nicht auf Jahre hinaus ein sicherer Finanzierungsplan aufgestellt werden können, wie das bei den heutigen unsicheren Verhältnissen für kaum eine Anstalt möglich ist. Bei dem grossen Interesse, das der Heilige Vater bekundet hat, ist seine Unterstützung zu erhoffen. Auch der hochwürdigste Herr Bischof Münch hat für die Finanzierung seine Hilfe zugesagt. Die Mittel werden in Zukunft weithin auf dem Wege der Sammlung besonders im Ausland zusammengebracht werden müssen. Vorgeschlagen ist dafür das „Opus Confraternitatis“, über das bereits berichtet wurde. An die einzelnen Diözesen wird die Bitte um Unterstützung gerichtet werden müssen, die ja auch bereits die Lasten für die in den Diözesananstalten untergebrachten Flüchtlingstheologen tragen. Für die Renovierung für etwa ein Jahr sind die Mittel gesichert, wenn keine entscheidenden Währungsänderungen eintreten.

V. Verteilung der Theologen auf das geplante Flüchtlingsseminar und die Diözesananstalten Es müsste ein Schlüssel festgesetzt werden, nach dem – den Bedürfnisses der Diözesen entsprechend – Flüchtlingstheologen in den Diözesan-Seminaren verbleiben, die für die Diaspora und die Ostgebiete in Frage kommenden Teile aber in der geplanten Bildungsanstalt in Königstein studieren. Sollte sich in einigen Jahren erweisen, dass die Anstalt nicht mehr nötig ist, könnten die Gebäude für andere kirchliche Zwecke verwendet werden.

VI. Vorschlag für den Aufbau der Anstalt 1. Es wird vorgeschlagen, ab Oktober Gymnasiasten, die vor dem Abschluss ihrer Studien stehen und Theologie studieren wollen, zu sammeln und durch Privatunterricht auf die Ablegung der Matura vorzubereiten. Es liegen schon jetzt zahlreiche Anfragen vor, sodass wahrscheinlich rund 50 – 70 Mittelschüler der höheren Klassen

918

Dokumentation

gesammelt werden können. Mit ihnen wird der Betrieb eröffnet und die nötigen Vorbereitungsarbeiten für [die] Einrichtung der theologischen Bildungsanstalt getroffen. 2. Die theologische Bildungsanstalt wird mit dem Sommersemester 1947 errichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt können alle Vorbereitungen getroffen sein. Es werden in die theologische Bildungsanstalt übernommen, die bereits in Königstein vorbereiteten Gymnasiasten und die Theologen, die bereits in anderen Seminaren studieren und sich für die Diaspora, für die russisch besetzten Ostgebiete oder für die Auswandererseelsorge vorbereiten werden. In erster Linie kommen jene Theologen infrage, die zwar bereits in theologischen Anstalten studieren, aber keine Aufnahme in das Konvikt fanden, wie das an mehreren Plätzen der Fall ist. Wenn also diese jungen Kandidaten zusammengefasst werden, dürfte die Zahl von 150 – 200 Sudenten erreicht werden. 3. Gleichzeitig wird dann Ostern 1947 mit dem Aufbau eines Knabenkonviktes begonnen. In der Zwischenzeit muss eine Kommission die Vorbereitungen für den Studienbetriebe sowohl an der theologischen Lehranstalt als auch an der Mittelschule treffen.

VII. Schlussbemerkungen Wenn nicht schnellstens mit dem Aufbau begonnen wird und ausgewiesene Studenten das obere Gebäude beziehen, ist mit Sicherheit mit einer baldigen Beschlagnahme der zugesicherten Häuser für andere Zwecke zu rechnen. Es liegen jetzt bereits von der Regierung verschiedene Anfragen vor, warum noch nicht begonnen sei. Die Entscheidung ist nicht mehr länger herauszuschieben, ohne dass Gefahr besteht, dass die Gebäude für kirchliche Zwecke verloren gehen. Es wäre weiter zu bemerken, dass von Seiten des Kultusminister die theologische Bildungsanstalt mit Konvikt durchaus bejaht wird, während von seiner Seite wohl Bedenken zu befürchten sind, wenn nur ausschliesslich ein Knabenkonvikt errichtet werden soll. Dies wurde den Unterzeichneten in einer früheren Besprechung klar mitgeteilt. Ich habe es unterlassen, weitere Verhandlungen zu führen, bevor klare Weisung des hochwürdigsten Episkopats vorliegt.

919

Dokumentation

10. Vorschlag für die Verwaltung des Konviktes

1. Das Konvikt führt ein seinem Zweck und Charakter entsprechendes Eigenleben. Darum nehmen alle im Hause Wohnenden und Beschäftigten auf die Hausordnung des Konviktes Rücksicht. Die Hausordnung ist von dem H.H. Leiter des Päpstl. Hilfswerkes zu genehmigen. 2. Dem Konvikt werden die für seinen Betrieb nötigen Räume und Einrichtungen der früheren RAD-Kaserne in Königstein vom Päpstl. Hilfswerk zur Verfügung gestellt. Die Pacht und die Kosten für die Einrichtung sowie die laufenden Zuschüsse für den Wirtschaftsbetrieb werden durch das Päpstl. Hilfswerk bestritten. Die Zahlung der Gehälter für die Geistlichen und die Lehrkräfte nimmt das Päpstl. Hilfswerk direkt vor. Die Zahlung der Löhne für das Hauspersonal erfolgt durch den Präfekt. 3. Die Bestellung und Anstellung der für das Konvikt und den Lehrbetrieb nötigen Geistlichen, Lehrkräfte und Hausschwestern erfolgt durch den Leiter des Päpstl. Hilfswerkes. Die Einstellung des für das Konvikt benötigten Haus- und Büropersonals erfolgt im Rahmen des Etats durch den Präfekten im Einvernehmen mit dem Regens und der Hausoberin. 4. Die Ausführung der noch erforderlichen Bau- und Ausstattungsarbeiten, die Einstellung, Besoldung und Beaufsichtigung der dazu nötigen Arbeitskräfte erfolgt durch das Päpstl. Hilfswerk bzw. durch seine Beauftragten. Dazu gehören im einzelnen folgende Aufgaben: a) die Arbeitseinteilung aller Bauarbeiter b) An- und Abmeldung bei Polizei, Arbeitsamt, Krankenkasse c) Lohn-Abrechnung und Lohnauszahlung d) Einkauf und Verwaltung aller Baumaterialien 5. Verteilung der Arbeitsgebiete a) Regens aa) Er hat die Gesamtleitung des Konviktes und ist Rektor ecclesiae. bb) Er ist verantwortlich für die Durchführung der Hausordnung. cc) Er hat die Aufnahme und Entlassung der Konviktoristen nach Genehmigung des H.H. Leiters des Päpstl. Hilfswerkes. dd) Er hat in Zusammenarbeit mit dem Präfekt die gesamte Betreuung der Konviktoristen. b) Prof. Dr. Kindermann aa) Er verwaltet die Bücherei.

920

Dokumentation

bb) Er beteiligt sich am Gottesdienst und an der gesamten Erziehungsarbeit an den Konviktoristen. c) Präfekt aa) Er ist Vertreter des Regens und unterstützt ihn in der gesamten Arbeit an den Konviktoristen. bb) Er hat die Hausverwaltung. Dazu gehören im einzelnen folgende Aufgaben: 1. Führung der Hauskasse 2. Einziehung der Pensionsgelder 3. Verrechnung mit den im Hause verpflegten und betreuten Angestellten der Lehranstalt und des Hilfswerkes 4. Zahlung der Gehälter und Löhne an das Hauspersonal, Abführung der sozialen Lasten und Steuern 5. Führung des Inventarverzeichnisses 6. Einkauf und Verwaltung der Lebensmittel, Materialien, Wirtschaftsgüter, wobei ihm das Päpstl. Hilfswerk mit seinen Mitteln und seinem Personal behilflich ist. d) Die Schwestern aa) Die Oberin verfügt im Einvernehmen mit dem Präfekt über den Arbeitseinsatz der Schwestern und des Hauspersonals. bb) Die Schwestern haben die Besorgung der Pforte. cc) Die Schwestern haben die gesamte Haushalts- und Küchenführung und die Sorge für die Wäsche. dd) Im Einvernehmen mit dem Präfekt nimmt die Oberin die Einteilung der zugeteilten Lebensmittel wöchentlich vor.

921

Dokumentation

11. Fragen, die einer möglichst baldigen Klärung zugeführt werden müssen

1. Der volle Unterrichtsbetrieb muss unbedingt nach Weihnachten einsetzen. Mündliche Unterredungen mit den Schülern und selbst eine schriftliche Eingabe lassen deutlich erkennen, dass das Vertrauen der Schüler schon stark erschüttert ist. Sie haben das Gefühl, dass sie das erstrebte Ziel nicht erreichen werden, wenn nicht ein gründlicher Wandel eintritt. Die Schüler weisen darauf hin, dass Lehrkräfte berufen werden sollten, die nicht dem Entnazifizierungsgesetz unterliegen. Das würde auch dem Charakter des Hauses besser entsprechen. Die Schüler wünschen ferner eine klare Trennung des Unterrichts in eine gymnasiale und eine reale Form. Sie beklagen sich, dass durch zuviel Arbeitseinsatz, mitunter auch durch zu ungeregelten Arbeitseinsatz der Unterrichts- und Studienbetrieb gestört würde. 2. Die Frage nach dem Beginn des theologischen Studiums muss geklärt werden. Die Schüler bitten darum, falls der Beginn zum Sommersemester nicht möglich sein sollte, schon jetzt andere Seminarien um Aufnahme zu ersuchen. Daneben kommen viel schriftliche Anfragen. 3. In manchen Kreisen wird noch weiter Propaganda für das Knabenseminar gemacht. Darum müsste zuerst einmal geklärt werden, ob das zweite Haus im Frühjahr zu benützen sein wird oder nicht. Davon hängt es auch ab, ob weitere Klassen aufgebaut werden können. 4. Da sich immer wieder Spätberufene melden, müsste die Frage untersucht werden, ob und inwieweit Königstein für die Ausbildung von Priesterspätberufen in Betracht kommen kann. [handschriftlich] Dr. Ramatschi

922

Dokumentation

12. Ramatschi an Kaller [18.1.1947]

Königstein den 18. 1. 1947 Sr. Exzellenz dem hochwürdigsten Herrn Herrn Bischof Maximilian K a l l e r F r a n k f u r t / Main Euere Exzellenz! Die gehorsamst Unterzeichneten erlauben sich das Augenmerk Euerer Exzellenz auf einige Gesichtspunkte hinzuwenden, die für die Gestaltung des geplanten theologischen Studiums in Königstein von grosser Bedeutung sein dürften. Nach zwei Richtungen vor allem müssen die einzelnen Fragen genau durchdacht werden, nach der personellen und räumlichen Seite. Beides ist wesentlich bedingt von dem Umfang des theologischen Studiums und dem zu Grunde zu legenden Studienplan.

I. Die personelle Seite Folgende Möglichkeiten sind ins Auge zu fassen:

1. philosophischer Kursus nur für Anfänger (Semester 1-4) Für folgende Fächer wären Dozenten notwendig: a) Philosophie b) Fundamentaltheologie c) Kirchengeschichte – Patrologie d) Kirchengeschichte des Ostens e) Altes Testament f) Neues Testament

2. philosophischer und theologischer Kursus für alle Semester (Semester 1-10 oder 1-8) Da die zu erwartenden Theologen aus den verschiedensten Studiengängen kommen, werden zur Vermeidung von Zeitverlusten voraussichtlich in manchen Fächern Doppelvorlesungen notwendig werden. Für folgende Fächer dürften Dozenten erforderlich sein:

Dokumentation

923

a) Philosophie b) Fundamentaltheologie c) Kirchengeschichte – Patrologie – Kirchengeschichte des Ostens d) Altes Testament e) Neues Testament f) Dogmatik g) Moral h) Kirchenrecht i) Pastoral k) Archäologie – Kunstgeschichte insgesamt etwa 10 Dozenten. [handschr. 10 gestrichen, durch 8 ersetzt]

3. volles philosophisches und theologisches Studium und eigentliches Seminar (Pastoralkursus) (Semester 1-12) An Lehrfächern kämen in Frage für das eigentliche Seminar: Dogmatik – Kirchenrecht – Verwaltung der Sakramente – Pastoral – Homiletik – Katechetik – Liturgik – Rubrizistik. Diese Fächer werden von den unter 2 genannten Dozenten und dem Regens und Subregens des Seminars bestritten. [handschr. erg.: 8 + 2 = 10 + 1 (Spiritual)]

4. Nur Priesterseminar (Pastoralkursus) (Semester 11-12 oder 9-12) In Frage kommen die unter 3 schon genannten Fächer, als Dozenten Regens, Subregens, Dozent für Dogmatik und Kirchenrecht.

II. Raumerfordernisse Die Raumerfordernisse sind bedingt durch die Zahl der Studenten und der Dozenten. Wenn pro Jahreskursus eine Durchschnittszahl von 2 Studenten zugrunde gelegt wird, ergeben sich folgende Erfordernisse für die unter I genannten Möglichkeiten:

1. philosophischer Kursus nur für Anfänger a) Hörsäle: 1-2 b) Wohnungen f. d. Hausoberen: 3 (Regens, Subregens, Spiritual) c) Wohnungen für die Dozenten: 6 d) Schlaf- und Studienräume f. d. Studenten: 4

2. philosophischer und theologischer Kursus a) Hörsäle: 3-4 b) Wohnungen f. Hausobere: 3 c) Wohnungen f. Dozenten: 10 [handschr. 10 gestrichen, durch 8 ersetzt] d) Schlaf- und Studienräume f.d. Studenten: 20

924

Dokumentation

3. volles Studium und Seminar a) Hörsäle: 4-5 b) Wohnungen f. Hausobere: 3 c) Wohnungen f.d.. Dozenten: 10 d) Schlaf- und Studienräume f.d. Studenten: 24

4. nur Seminar a) Hörsäle: 1 b) Wohnungen für Hausoberen: 3 c) Wohnungen für Dozenten: 2 d) Schlaf- und Studienräume f. d. Studenten: 6 Wenn den Anforderungen für die Annahme 2 und 3 (volles Studium mit oder ohne Seminar: 125 bezw. 150 Studenten, 10 Dozenten, 3 Hausobere) im Haus I genügt werden soll, ist es nötig, dass der von Ostern bis Herbst noch laufende Reifekursus B sowie die geplanten Klassen des Realgymnasiums und die Wohnungen der Lehrkräfte des Realgymnasiums nach Haus II verlegt werden, und dass als Büroräume für die Kirchliche Hilfsstelle nur die im Mittelbau befindlichen, nicht aber die hinter den Glastüren liegenden Zimmer benutzt werden. Es stünden dann dem Seminar zur Verfügung: Im Erdgeschoss: Speisesaal, ein grösserer Raum dem Speisesaal benachbart als Leseund Musikzimmer die jetzigen Kapellenräume. Im I. Stock: a) 15 Räume ( 6x6 m) als Studier- bezw. Schlafzimmer b) 1 Krankenzimmer (6x6 m) c) 2 gr. Räume, die sich eventuell als 4 Dozentenwohnungen zu je 2 Zimmern einrichten ließen d) 4 kleine Einzelzimmer e) 2 Doppelzimmer Im II. Stock: a.) 8 Räume (6x6 m) als Studier- bezw. Schlafzimmer b) 1 grosser Raum wie unter I. St. c) c) 2 grössere Zimmer als Dozentenwohnung d) Regenswohnung e) Bibliothek f) Bischofswohnung g) Wohnung f. Prof. Dr. Kindermann h) Kapelle und Sakristei Im III. Stock: a) 4 grosse Räume (3 Hörsäle und 1 Raum f. opus confraternitatis) b) 4 Wohnräume Die nötigen Studier- und Schlafräume für die Studenten wären demnach vorhanden. Dagegen würde die Unterbringung der Dozenten auf Schwierigkeiten stossen, zumal es nicht jedem zugemutet kann, sich mit einem Zimmer zu begnügen. Da jetzt sämtliche Zimmer direkt an dem einzigen Korridor liegen, wird sich ‚ wie es die bis-

Dokumentation

925

herigen Erfahrungen schon zeigen, die ganze Unruhe des Hauses für eine intensive geistige Tätigkeit störend und anstrengend auswirken.

III. Die Lage im Haus II Im Haus II werden benötigt für den noch laufenden Reifekursus B. 1. Klassen- und Studienräume: 2-3 2. Schlafräume: 6 Falls vier weitere Klassen eingerichtet werden, sind noch erforderlich 1. Klassen- und Studienräume: 4-5 2. Schlafräume: 10 Diese Räume sind vorhanden, ebenso liesse sich eine Kapelle einrichten. Dagegen fehlt es an den nötigen Wohnräumen a) für etwa 9 Studienräte b) für den Präfekten und Assistenten c) für die Hausschwestern d) für das Hauspersonal Bei der augenblicklichen Inanspruchnahme sind fast sämtliche Raume im Mittelbau für andere Zwecke belegt. Ausserdem muss bedacht werden, dass aus Haus I, wenn es in der oben genannten Weise dem Seminar vorbehalten sein soll, noch manche Büroräume der Kirchlichen Hilfsstelle nach Haus II verlegt werden müssen. Ferner werden unbedingt eine ganze Reihe von Gastzimmern vorgesehen werden müssen, da, wie schon jetzt zu bemerken ist, häufig mit Übernachtungen von Besuchern der Kirchlichen Hilfsstelle zu rechnen ist.

IV. Einige weitere Gesichtspunkte 1. Die Unterbringung von Seminar- und Hilfsstelle im gleichen Gebäude wird leider die Gefahr mit sich bringen, dass es dem Seminar an der zum Studium und aszetischen Leben nötigen Stille fehlt. Es war von jeher das Bestreben eines jeden Priesterseminars, sich in gutem Sinnen gegen den Betrieb der Aussenwelt nach Möglichkeit abzuschliessen. Die Lage und die Aufteilung der einzelnen Räumen – die Zimmer der Hilfsstelle und des opus. confr. liegen gerade in der Mitte – bringen es mit sich, dass die Seminaristen in häufige Berührung mit den Besuchern von Hilfsstelle und opus kommen müssen. Die gleiche Schwierigkeit, vielleicht sogar noch stärker, ergibt sich für das Haus II, da dort noch mehr Räume anderen als Konviktszwecken dienen sollen. 2. Es ist bei der gesamten Situation des Seminars und der starken Inanspruchnahme für andere Zwecke nicht zu umgehen, dass sich das gesamte Leben und Arbeiten der Theologen in starkbesetzten Gemeinschaftsräumen vollziehen muss. Es kann kaum bestritten werden, dass dies für die Intensität und Tiefe des Studiums und

926

3.

4.

5. 6.

Dokumentation

auch des religiösen und aszetischen Lebens eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung bedeutet. Da ergibt sich die Frage, ob ein Herausreissen der Theologen aus Seminarien, wo sie in diesen Belangen weit besser untergebracht sind, zu verantworten ist. Angesichts der ganzen seelischen und sonstigen Lage der ostdeutschen Theologen und im Einblick auf die besondere Erziehungsaufgabe von Königstein, die doch in einer umfassenden und tiefen Einstellung auf die mannigfaltigen Arbeiten in der Sorge an den Vertriebenen Ostdeutschlands besteht, scheint es besonders notwendig zu sein, in erster Linie Dozenten aus dem Osten zu gewinnen. Das gilt in vielleicht noch stärkerem Masse vom Spiritual. Wenn wir bisher fast durchwegs die Beobachtung machen mussten, dass die Geistlichen des Westens die Lage und die Not unserer Gläubigen einfach darum nicht ganz verstehen können, weil sie selber Gleiches nicht durchlebt haben, so gilt das sicher in gleichem Masse auch für die Theologen. Darum müsste versucht werden, einen Spiritual aus dem Osten zu bekommen, der vom gleichen Geschick betroffen ist wie die Theologen. Es ist zu befürchten, dass der weitaus überwiegende Teil der Theologen wie der Gymnasiasten so gut wie nichts zur Bestreitung der Kosten beitragen kann. Darum müsste die Frage, ob die nötigen Mittel zur Deckung der sicher nicht geringen Personalkosten (Dozenten, Studienräte, Hausobere, Hausschwestern, Hauspersonal) und Betriebskosten hinreichend garantiert sind. Es besteht auf Grund der bisherigen Erfahrungen die begründete Befürchtung, dass die sanitären Anlagen bei einer starken Belegung der Häuser nicht ausreichen werden. Eine weitere grosse Sorge bedeutet die Beschaffung des nötigen Geschirrs und der anderen Gebrauchsgegenstände. Schon für die augenblickliche schwache Belegung reicht das Vorhandene nicht aus.

Die Unterzeichneten glauben wegen der grossen Wichtigkeit der Sache auf diese hauptsächlichsten Schwierigkeiten aufmerksam machen zu müssen. Sie bitten gleichzeitig um eine Gelegenheit zu einer mündlichen Besprechung, in der noch manches geklärt werden könnte. Euerer Exzellenz gehorsamste [handschr.] Krzoska

[handschr.] Paul Ramatschi

927

Dokumentation

13. Kaller an Seminarrat für Königstein [3.1. 1947]1

Der Bischof von Ermland (Ostpreußen) J. Nr. 21/47.

(16) Frankfurt/M. Süd 10, den 3. Januar 1947 Böcklinstr. 2

An die Hochwürdigsten Herren Mitglieder des Seminarrates für Königstein 1) Eminenz Dr. Josef Kardinal Frings – Köln 2) Exzellenz Erzbischof Dr. Lorenz Jaeger – Paderborn 3) Exzellenz Bischof Dr. Wilhelm Berning – Osnabrück 4) Exzellenz Bischof Dr. Antonius Hilfrich – Limburg 5) Exzellenz Bischof Dr. Joseph Wendel – Speyer 6) Exzellenz Maximilian Kaller, Bischof von Ermland – Frankfurt/M. 7) Hochwürden Msgr. Albert Bittner – Frankfurt/M. Hochwürdigste Exzellenz Entsprechend dem Beschluß der letzten Fuldaer Bischofskonferenz wurde am 15.11.46 das Seminarium minus mit 65 höheren Schülern, die zu Ostern das Abitur erreichen wollen, eröffnet. Inzwischen ist uns das 2. große Haus übergeben worden. Es ist nunmehr die Möglichkeit vorhanden, das Seminarium majus zu eröffnen. Unverbindliche Vorverhandlungen mit den Patres von St. Georgen in Frankfurt (gemäß den Besprechungen in Fulda) betr. Stellung von Professoren sind eingeleitet, ebenso solche betr. den Studienplan. Nach Beschluß der Fuldaer Bischofskonferenz wurde für die diesbezüglichen Verhandlungen für die Auswahl der Professoren, für die Aufstellung des Studienplanes, für die geistliche Leitung des Seminars ein Seminarrat gebildet. Ich spreche die ergebenste Bitte nach einer Zusammenkunft dieses Seminarrates aus. Ich bitte, diese Zusammenkunft für Königstein festsetzen zu dürfen, da eine örtliche Besichtigung von größter Wichtigkeit sein dürfte. Als Termin erlaube ich mir vorzuschlagen Dienstag, d. 4.2. Anreisetag Montag, d. 3.2., Abreisetag Mittwoch, d. 5.2.

1

Archiv Ermlandhaus Münster, Korrespondenz Kaller – Königsteiner Anstalten 1946-1947, A1 bis A 25 Korrespondenz Kallers mit Priester und Laien 1945 bis 1947, v.a. A 25/171.

928

Dokumentation

Falls einige Herren mit den Zügen nach Frankfurt ankommen, bitte ich um gütige Benachrichtigung des Eintreffens des Zuges, damit für Abholung gesorgt wird. Übernachtungsmöglichkeit, auch für die Chauffeure, ist in Königstein gegeben. Das Mitbringen einiger Lebensmittelkarten ist erwünscht. [handschriftlich] In Ehrerbietung + Maximilian Bischof von Ermland Se. Exzellenz den Hochwürdigsten Herrn Bischof von Osnabrück Herrn Dr. Wilhelm Berning Osnabrück.

929

Dokumentation

14. Hessisches Staatsministerium – Genehmigung der Hochschule [20.4.1949]1

Abschrift Hessisches Staatsministerium Der Minister für Kultus u. Unterricht. XI /1 Z 3/49 – Hochschule Königstein-.

Wiesbaden, den 20.April 1949.

An das Bischöfliche Ordinariat L i m b u r g (Lahn). Betr. Errichtung einer kirchlichen Philosophisch-theologischen Hochschule in Königstein. Bezug: Antrag vom 14.4.1949 Ad Num.O.E.3455. Von der Errichtung einer kirchlichen Philosophisch-theologischen Hochschule in Königstein habe ich Kenntnis genommen. Die an ihr abgeleisteten Studien und abgelegten Prüfungen können erst nach Kenntnisnahme des Lehrplanes und dem Nachweis anerkannt werden, dass die an die Hochschule berufenen Lehrer für die Lehrtätigkeit in dem zu vertretenden Fach eine den Anforderungen der deutschen wissenschaftlichen Hochschulen entsprechende Eignung haben. Die Erteilung einer staatlichen Genehmigung ist gemäss Art. 60 Absatz 3 der Hessischen Verfassung nicht erforderlich. Dabei kann die Anwendbarkeit des Art. 20 des Reichskonkordates vom 20.7.1933 und des Art. 12 des preussischen Konkordates vom 14.6.1929 dahingestellt bleiben. Diese Mitteilung schließt nicht eine etwaige Genehmigung der amerikanischen Militärregierung zur Errichtung der kirchlichen Philosophisch-theologischen Hochschule in Königstein ein. gez. Dr. Stein.

1

KZG Bonn 3175.

930

Dokumentation

15. Hessisches Staatsministerium – Anerkennung der Prüfungen [22.11.1949]1

Abschrift Hessisches Staatsministerium Der Minister f. Kultus u. Unterricht. XI/Kirchl. Hochschule/Dr. S/P-.

Wiesbaden, den 22. November 1949

An das Bischöfliche Ordinariat Limburg – Lahn Betr. Kirchlich philosophische Hochschule in Königstein. Bezug: Dortiges Schreiben vom 7.6.49 – O.E. 4745. – Eine besondere staatliche Anerkennung für die an der Hochschule in Königstein abgelegten Prüfungen ist nicht mehr notwendig, da diese bereits durch die Anerkennung als einer philosophisch-theologischen Hochschule gegeben ist. I.A. gez. Dr. Schnell Vorstehende Abschrift übersenden wir zur gefl. Kenntnisnahme. Limburg, den 28. November 1949 Bischöfliches Ordinariat. gez. Dr. Rauch An den Hochwürdigsten Herrn Prälaten Prof. Dr. Kindermann Königstein

1

KZG Bonn 3175.

931

Dokumentation

16. Die Bitten der ostvertriebenen Priester für die Fuldaer Bischofskonferenz 1950 [14.8.50]1

14.8.1950 Bei den periodisch wiederkehrenden Konferenzen der Diözesanflüchtlingsseelsorger und den verschiedenen landsmannschaftlichen Priestertagungen wurden immer wieder nachstehende Anliegen laut und das Priesterreferat beauftragt, diese Bitten den hochwürdigsten Herren Bischöfen für die Fuldaer Konferenz 1950 vorzutragen. Es sei zunächst ein Wort des wärmsten Dankes gesagt für alle Hilfe, die der Flüchtlingsseelsorge im letzten Jahr zuteil wurde. Dieser Dank gilt vor allem auch für die materielle Hilfe, die dem gemeinsamen Vaterhaus der ostvertriebenen Priester, den Königsteiner Priesternachwuchsanstalten von Seiten der Diözesen geleistet wurde. Folgende Anliegen sind im Laufe des Jahres immer wieder vorgebracht worden: 1. Über die Ausweisung und zum Lastenausgleich möge die Bischofskonferenz ein Wort der Verurteilung und der Stellungnahme sagen. 2. Offene Pfarrstellen mögen auch den heimatvertriebenen Seelsorgern zugänglich sein. 3. Gleichstellung des Ostpriesters mit dem einheimischen Klerus in Bezug auf Gehalt und Altersversorgung. 4. Weihe der Osttheologen 5. Zuschuss der Bischofskonferenz für die Königsteiner Anstalten im Jahre 1951

1. Über die Ausweisung und zum Lastenausgleich möge die Bischofskonferenz ein Wort der Verurteilung und der Stellungnahme sagen. Dies ist bereits wiederholt geschehen, aber angesichts der vielen nichtkirchlichen Stellen und Personen, die zu diesen Fragen sprechen, ist ein Wort der Kirche immer wieder von Bedeutung und Wert. Die Heimatvertriebenen, die noch keine Existenz haben und in Not leben, empfinden jedes Wort, das ihre Lage gerecht beurteilt, als Wohltat. Deshalb ist es notwendig, dass die katholische Kirche immer wieder auf das Unrecht hinweist, das den Heimatvertriebenen durch die Ausweisung geschehen ist, schon auch deshalb, weil u.a. der Weltkirchenrat im In- und Ausland sich zum Sprecher der Heimatvertriebenen macht. Worte der Beruhigung zum Lastenausgleich sind immer wieder heilsam, weil er eine grosse Gefahr für die Begegnung zwischen Einheimischen und Heimatvertriebe-

1

KZG 821.

932

Dokumentation

nen ist. Ein Wort über den Lastenausgleich könnte auch die innere Bereitschaft der zur Abgabe Verpflichteten herstellen, damit sie diesen nicht als ungerechte Last empfinden.

2. Offene Pfarrstellen mögen auch den heimatvertriebenen Seelsorgern zugänglich sein. Diese Bitte scheint uns im Hinblick auf die oft hohe Dienstjahrenzahl unserer heimatvertriebenen Mitbrüder berechtigt. Es ist für den früher selbständig gewesenen Pfarrer oder gar Dekan nicht leicht, in der neuen Aufnahmediözese immer nur als Vikar oder Aushilfspriester zu wirken. Unsere Mitbrüder haben beispiellos durch Jahre diesen Umstand ertragen. Es würde aber das priesterliche Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl steigen, wenn die heimatvertriebenen Priester die Möglichkeit hätten, um jede innerhalb der Diözese ausgeschriebene Stelle einzureichen. Wenn sie auch juridisch gesehen nur als Pfarrverweser die Stelle übernehmen könnten, so würden sie doch nach aussen hin in den Augen ihrer Gläubigen als Pfarrer gelten.

3. Gleichstellung des Ostpriesters mit dem einheimischen Klerus in Bezug auf Gehalt und Altersversorgung. Die Bitte um eine Gehaltsangleichung wird bei unseren Tagungen und Konferenzen immer wieder von den Priestern vorgetragen. Der heimatvertriebene Priester, der keinerlei Vermögenswerte besitzt und grössere Anschaffungen zu machen hat als sein einheimischer Mitbruder, weil er für Wohnungseinrichtung, einen Bücherbestand usw. sorgen muss, glaubt, dass diese seine Bitte berechtigt ist. Noch schwerer leiden die alten Priester unter der verschiedentlichen Behandlung. Sie haben vielfach für eine Haushälterin zu sorgen, die sie durch viele Jahre betreut hat, und kommen infolge des oft sehr niedrigen Satzes in mancher Diözese in Not. Die bei der Bischofskonferenz 1946 von Bischof Kaller aufgestellte Besoldungsordnung für die heimatvertriebenen Priester und die Alten und Kranken unter ihnen stellt heute ein Minimum dar, da sich seit der Währungsreform das Preisgebilde geändert hat. Manchmal werden diese niedrigen Sätze von der Diözese nicht einmal eingehalten.

4. Weihe der Osttheologen Bei der westdeutschen Konferenz in Pützchen haben die hochwürdigsten Herren Bischöfe bestimmt, dass die Königsteiner Theologen, die keinen Ordinarius haben, sich bereits im 4. Semester für eine Diözese entscheiden müssen. Wir möchten nochmals an die in der überreichten Denkschrift (betreffend Königsteiner Theologen ohne erreichbaren Ordinarius) angeführten Gründe erinnern.

Dokumentation

933

5. Zuschuss der Bischofskonferenz für die Königsteiner Anstalten im Jahre 1951 Ohne den Zuschuss, den die hochwürdigsten Herren Bischöfe für das laufende Jahr den Königsteiner Anstalten gewährten, würde das materielle Gleichgewicht unserer Anstalten schwer zu halten sein. Die Zahl der Schüler aus der Ostzone, die so gut wie keine Ausbildungsmöglichkeit bietet, wächst von Monat zu Monat. Ein Drittel der Schüler und Studenten kommt bereits aus der Ostzone. Durch die Verschiedenheit der Währung und den niedrigen Kurs der Ostmark kann zur Deckung der Pensionskosten durch die Familie nichts beigetragen werden. So bleibt uns die Sorge für die Ausbildung dieser jungen Menschen überlassen. Deshalb bitten wir dieses Jahr den Königsteiner Anstalten den jährlichen Zuschuss in gleicher Höhe zu gewähren. Wir müssen Gott danken, dass Er unter den so schwierigen Verhältnissen, wie sie hinter dem eisernen Vorhang sind, so viele Priesterberufe erweckt. Wir haben leider nicht alle Bittsteller aus der Ostzone aufnehmen können. Wir haben vor allem aus finanziellen und räumlichen Gründen auch auf die geplante Spätberufenenabteilung verzichten müssen trotz der Erkenntnis, dass es schade ist um jeden Priesterberuf, der verlorengeht, besonders um jene Priesterberufe, die aus der Ostzone kommen. Gerade die jungen Menschen von drüben werden sich wieder am leichtesten entschliessen, in den grossen Notgebieten der Ostzonendiaspora zu wirken.

934

Dokumentation

17. Archidioecesis Coloniensis [18.10.1950]1

Archidioecesis Coloniensis Köln, 18.10.50 As Papal High Protector for the German Expellee-Problem I urgently require not to sequester the priests-seminary in Koenigstein. This establishment has been erected by great offerings of the expellee-priests and Catholics. The paper „Koenigsteiner Rufe“ published in this house, has 100 000 subscribers. A removal of this establishment seems to be impossible, a dissolution would cause a great alarm among the refugees. Jos. Card. Frings Archbishop from Koeln

1

KZG, Akten Bischofszimmer.

935

Dokumentation

18. Aufstellung des Raumbedarfs des Albertus-Magnus-Kollegs [14.11.1950]1

1. Hochschule und Theologenkonvikt 1 Seminarkapelle 1 Sakristei 1 Schwesternkapelle 1 grosser Hörsaal 2 kleine Hörsäle 1 Bibliothek 1 Präsenzbibliothek 1 Amtszimmer (Regens) 1 Sekretariat (Regens) 2 Seminarräume 1 Krankenzimmer 1 Untersuchungszimmer 1 Wäscheausgabezimmer 2 Teeküchen 1 Esszimmer für Professoren 1 Speisesaal für Theologen 2 Gastzimmer 1 Konferenzzimmer 7 Professorenwohnungen zu je 2 Zimmern, jedes Zimmer 4 Professorenwohnungen zu je 3 Zimmern und einer Küche, jedes Zimmer die Küche 1 Küche 1 Spülküche 1 Raum für Küchengeschirr 1 Abwaschraum

1

KZG, Akten Bischofszimmer.

22 m 3m 10 m 25 m je 10 m 10 m 6,50 m 5m 5m je 9 m 6m 5m 5m je 3 m 6m 28 m je 3,50 m 6m 3,50 m

x x x x x x x x x x x x x x x x x x x

6,50 m 6,50 m 9m 6,50 m 12,50 m 12 m 12 m 4m 4m 10 m 6,50 m 4m 4m 5m 6,50 m 10 m 4,50 m 6,50 m 4,50 m

3,50 m

x

4,50 m

3m 9m

x x

5m 5m 3m

x x x

3,50 m 9m mit Kühlraum elektr. 8m 5m 7m

936

Dokumentation

1 Lebensmittelmagazin 1 Esszimmer für Personal 1 Tagesraum für Personal 1 Pfortenzimmer 1 Schwesternklausur, bestehend aus 9 Zimmern und 1 Waschraum mit Toilette 1 Schwesternrefektorium 5 Hausgehilfinnenzimmer und 1 Waschraum mit Toilette 1 Nähzimmer 1 Paramentenzimmer 1 Musikzimmer 7 Badezimmer und nach der Anzahl der Hausbelegung entsprechende Klosetts (250 Personen) 1 Duschraum mit 20 Duschen Schlafräume für Studenten a) 25 für 2 Personen b) 10 für 4 Personen c) 20 für 5 Personen Waschgelegenheiten für 190 Studenten 2 Sprechzimmer 1 Kartoffel- und 1 Kohlenkeller

14 m 5m 5m 4,5 m 3,50 m

x x x x x

7m 6m 6m 3,50 m 4,50 m

5m 6m 3,50 m 5m 6m 3m 6m

x x x x x x x

6m 6m 4,50 m 6m 6m 4m 6m

10 m

x

10 m

3,50 m 5m 6m

x x x

4,50 m 6m 6m

je 3,50 m je 150 qm

x

4,50 m 900 qm Dachboden

6m 6m 6m 10 m 3m 10 m 10 m je 6 m 6m 5m 5m 40 m

x x x x x x x x x x x x

10 m 8m 8m 6m 10 m 6m 10 m 6m 8m 4m 4m 10 m

10 m 6m

x x

10 m 7m

2. Gymnasium und Schülerkonvikt Klassenräume a) 2 Klassen für je 50 Schüler b) 3 Klassen für je 35 Schüler c) 3 Klassen für je 25 Schüler 1 Physiksaal 1 physikalisches Kabinett 1 Chemiesaal 1 Musiksaal 2 Räume für Sammlungen und Bücher 1 Lehrerzimmer für 15 Lehrkräfte 1 Zimmer für den Anstaltsleiter 1 Schulsekretariat 1 Speisesaal für 280 Schüler Schlafsäle für 280 Schüler a) 8 Schlafsäle für 20 Schüler b) 12 Schlafsäle für 10 Schüler

937

Dokumentation

1 Raum für Kunst- und Werkunterricht 1 Sammlungsraum 2 Musikzimmer 4 Tagesräume 1 Sporthalle oder entsprechende Räume 1 Pfortenzimmer 2 Sprechzimmer 2 Krankenzimmer 1 Isolierzimmer 4 Badezimmer und der Hausbelegung entsprechende Klosetts (300 Personen 1 Küche (mit Kühlraum elektr.) 1 Spülküche 1 Abwaschraum 1 Raum für Küchengeschirr 1 Lebensmittelmagazin 5 Hausgehilfinnenzimmer und 1 Waschraum (mit Toilette) 1 Esszimmer für Personal 1 Tagesraum für Personal 1 Gastzimmer 2 Präfektenzimmer 2 Subregentenzimmer 1 Spiritualzimmer 4 Präzeptorenzimmer 1 Schuhputzraum 1 Wäschekammer 8 Lehrerwohnungen bestehend aus 3 Zimmern und einer Küche 4 Ledigenwohnungen 1 Kohlen- und 1 Kartoffelkeller

10 m 4,50 m je 6 m 8m

x x x x

3,50 m je 3,50 m je 6 m 3,50 m

x x x x

10 m 3,50 m 6m 8m (600 qm) 4,50 m 4,50 m 6m 4,50 m

18 m 12 m 5m 6m 6m je 3,5 m 5m 5m 5m 3,50 m je 3,50 m je 3,50 m 3,50 m je 3,50 m 4m 5m [je] 3,50 m

x x x x x x x x x x x x x x x x x

6m 4m 8m 6m 6m 4,50 m 6m 6m 6m 4,50 m 4,50 m 4,50 m 4,50 m 4,50 m 7m 4m 4m

3m [je] 3,50 m je 150 qm

x x

4m 4,50 m 900 qm Dachboden

6m 3m 6m

x x x

4m 4m 6m

3. Anstaltskirche mit 500 Plätzen und Sakristei 4. Allgemeine Einrichtungen 1 Verwaltungsbüro bestehend aus 1 Zimmer aus 2 Zimmern 1 Esszimmer für die Angestellten

938

Dokumentation

1 Waschküche 1 Bügelzimmer 1 Zimmer für Schmutzwäsche 1 Tischlerei 1 Schlosserei 1 Geräteraum für den Gärtner und Maurer 1 Geräteraum für den Hausmeister 1 Schweinestall für 18 Schweine 1 Hausmeister- und 1 Schlosserwohnung bestehend aus je 3 Zimmern und je 1 Küche 1 Maurerzimmer 1 Weißbinderzimmer 1 Gärtnerzimmer 1 Schlossergesellenzimmer 1 Geschäftsführerzimmer 3 Verwaltungsangestelltenzimmer

8m 8m 3,50 m 10 m 5m 5m 5m 10 m

x x x x x x x x

10 m 10 m 4,50 m 10 m 5m 4m 4m 5m

3,50 m 3m 3,50 m 3,50 m 3,50 m 3,50 m 3,50 m 3,50 m

x x x x x x x x

4,50 m 3,50 m 4,50 m 4,50 m 4,50 m 4,50 m 4,50 m 4,50 m

je 4,50 m je 4,50 m 4,50 m je 6 m je 10 m je 9 m

x x x x x x

3,50 m 3,50 m 3,50 m 6m 10 m 5m

4,50 m 3m 6m 10 m

x x x x

3,50 m 4m 6m 10 m

3m

x

4m

5. Priesterreferat 4 Einzelzimmer 7 Zweibettzimmer 1 Gastzimmer 3 Büroräume 2 grosse Lagerräume 3 Autogaragen

6. Verlag „Königsteiner Rufe“ 1 Wohnraum 1 Büroraum 1 Lagerraum 1 Expeditionsraum für die Königsteiner Rufe

7. Ostpriesterhilfe 1 Büro 500 qm Lagerräume

939

Dokumentation

19. Schreiben an Frau Oberregierungsrat Dr. Schnell [24.11.1950]1

24. 11. 50 An das Hessische Staatsministerium für Kultus und Unterricht z.H. Frau Oberregierungsrat Dr. Schnell (16) Wiesbaden, Postschließfach 290 Sehr geehrte Frau Oberregierungsrat! Für Ihr Schreiben vom 9. November d. J. sage ich Ihnen herzlichen Dank. In der Sache unserer Kasernen ist es nun etwas ruhiger geworden und wir hoffen zuversichtlich, in unseren Räumen, die wir seit Jahren unter Anstrengung aller Kräfte mit dem Scherflein der armen Flüchtlingswitwe aufgebaut haben, bleiben zu dürfen. Wie wir in den letzten Tagen hörten, hat sich ja auch das hessische Kabinett geschlossen hinter unsere Bitte gestellt. So nehmen wir mit viel Zuversicht an, dass die Gefahr vorbei ist. Zu einer Übersiedlung auf Schloss Adolfseck können wir uns bei ruhiger Überlegung nicht entschliessen. Wie soll die mehr als 600 zählende Inwohnerschaft untergebracht werden? Und die entlegene Lage des Schlosses würde unsere Regie um ein Wesentliches vergrössern. Wir aber können eine Mehrbelastung kaum ertragen. Wollen wir also zuversichtlich hoffen, dass die Kasernenfrage geklärt sei. Ihnen aber, sehr geehrte Frau Oberregierungsrat möchte ich für Ihre grosse Güte und Ihr Wohlwollen von Herzen danken. Diesem Wohlwollen empfehlen wir uns auch weiterhin. In aufrichtiger Verehrung Ihr sehr ergebener

1

KZG, Akten Bischofszimmer.

940

Dokumentation

20. Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, Brief vom 6.2.19511

Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen I–5 6940/50II – 484/50 Bonn, den 6. Februar 1951 Bottlerplatz 3 Fernruf 7641/43 An die Königsteiner Anstalten Bad Königstein/Taunus Betr.: Beschlagnahme Ihrer Anstalten für Besatzungszwecke Bezug: Mein Schreiben vom 8.11.1950 Im Nachtrag zu meinem obigen Schreiben darf ich Ihnen heute mitteilen, daß eine Inanspruchnahme des Priesterseminars für Besatzungszwecke nach einer Mitteilung der zuständigen Stelle des Bundeskanzleramtes aller Wahrscheinlichkeit wohl nicht mehr in Betracht kommt. Eine amtliche Anforderung von seiten der HICOG liegt nicht vor. Erlauben Sie mir der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß die segensreiche Tätigkeit Ihrer Anstalten auch weiterhin im vollen Umfang gewährleistet bleibt. Im Auftrage: [handschr.: unleserlich]

1

KZG, Akten Bischofszimmer 16/208.

941

Dokumentation

21. Bischofskommission für die Fragen der Königsteiner Anstalten [1.9.54]1 Fulda, 1. September 1954 Die mit den Fragen der Königsteiner Anstalten befaßte Bischofskommission bezieht sich auf das Memorandum „Zur Problematik der Königsteiner Anstalten“ vom August 1953 (Anlage 1) und auf die Aktennotiz des Bischofs von Limburg vom 29.5.54 (Anlage 2). Aufgrund dieser Unterlagen schlägt sie der Plenarkonferenz die folgende Stellungnahme vor: 1. Die Verantwortung für die wirtschaftliche Führung und Verwaltung der Königsteiner Anstalten soll von einem neu zu bildenden Kuratorium übernommen werden. 2. Für die einzelnen Zweige der Königsteiner Anstalten (Priesterseminar, Albertusschule, Priesterreferat u.s.w.) sind getrennte Etats aufzustellen und einzeln zu verwalten. 3. Mit Bezug auf die in Anlage 2 dargelegten Ausführungen des Königsteiner Professorenkollegiums soll die Frage der Weiterexistenz des Königsteiner Priesterseminars für die Dauer von drei Jahren sistiert werden. Nach Ablauf dieser Zeit ist das Problem neu zu erörtern. 4. Die Konferenz erklärt sich gegen eine grundsätzliche Internationalisierung des Königsteiner Priesterseminars. (Vgl. Anlage 1, S. 2ff.) 5. Die Konferenz wünscht eine klare Lösung und einheitliche Praxis bezüglich Weihetitel und Inkardination der Königsteiner Theologen. gez. Lorenz [Jaeger] Erzbischof von Paderborn. An die Plenarkonferenz des deutschen Episkopates Anlage 1 Zur Problematik der Königsteiner Anstalten. I. Eine Hauptschwierigkeit ist folgende: dass praktisch die Anstalten auf den beiden Augen des Herrn Prälaten Dr. Kindermann stehen. Wenn das Autounglück vom Frühjahr 1955 schlimmere Folgen gehabt hätte, wären die grössten Schwierigkeiten entstanden. Niemand ist da, der den notwendigen Einblick hat. Prälat Kindermann ist bereits auf diesen Punkt hingewiesen worden

1

ABP OA NL Bf. Simon Konrad 359.

942

Dokumentation

II. Die St.-Albert-Schule hat sich sehr erfreulich entwickelt. Herr Canonicus Dr. Weisskopf hat sich in der Leitung der Anstalt bewährt. Die Gebäude sind erweitert worden. – Nur ist eines noch nicht ganz erreicht: die Konsolidierung des Lehrkörpers. Inzwischen scheint aber auch hierin bereits der richtige Weg beschritten, sodass auf längere Sicht auch diese Frage wohl gelöst werden kann. III. Was das Priesterseminar angeht, so scheint es zweckmässig, auch die Professoren einmal zu hören. Es lassen sich auf diese Weise sicherlich beachtliche Gesichtspunkte finden, die zur Abklärung des Endurteils notwendig sind. Auf die folgenden Punkte sei bereits hingewiesen: A) Durch die Gründung des Priesterseminars Erfurt für die Diözesen in der Ostzone fällt die ursprüngliche Zielsetzung des Königsteiner Seminars im wesentlichen weg, zumal neuerdings weder Theologen aus den Gebieten jenseits des eisernen Vorhanges nach Königstein kommen können noch umgekehrt solche, die in Königstein studiert haben, drüben ankommen können. Im übrigen gilt von den in Westdeutschland befindlichen künftigen Theologen aus ostvertriebenen Familien, dass sie bereits als Kinder in die westdeutschen Diözesen gekommen sind und dort weitgehend ihre Heimat gefunden haben. Aus diesem Grunde ist es an sich viel natürlicher, dass sie ihre Ausbildung im Rahmen der betr. westdeutschen Diözesen erhalten. Man könnte und sollte ihnen aber bei der Aufnahme in das Diözesanseminar und bei der Inkardination zusagen, dass sie im Falle einer möglichen Rückkehr in die alte Heimat auf ihren Wunsch hin für ihre ursprünglichen Heimatdiözesen freigegeben würden. B) Nachdem also die ursprüngliche Zielsetzung für das Königsteiner Priesterseminar im Grunde nicht mehr besteht, soll eine neue Zielsetzung seine Weiterexistenz rechtfertigen, und zwar ist es der Gedanke, Königstein zu einer Art zentralem Missionsseminar für die Ostgebiete zu machen, verbunden mit einem Forschungsinstitut für die Fragen der Ostkirche. Hierzu ist zu sagen: Das Anliegen, besondere Kräfte für eine kommende Ostmission rechtzeitig und fachgemäß zu schulen und für einen sofortigen Einsatz bereitzustellen, ist als solches zweifellos ernst zu nehmen. Jedoch bestehen erhebliche Bedenken, ob dieses Ziel auf dem von Herrn Prälat Kindermann geplanten Wege erstrebt werden soll: 1) Für ein Forschungsinstitut fehlen bisher alle Voraussetzungen. Derartige Forschungsaufgaben würden zweckmäßig von dem Pont. Institutum Orientale und Russicum in Rom übernommen, wo eine Anzahl wissenschaftlich geschulter Kräfte zur Verfügung stehen. Bisher unterscheidet sich Königstein in keiner Weise von einem sonstigen Priesterseminar. Es befindet sich dort zur Zeit ein mehr oder weniger provisorisches Kollegium von Theologieprofessoren, das bei dem viel zu geringen akademischen theologischen Nachwuchs auf die Dauer kaum mit qualifizierten akademischen Lehrkräften besetzt werden kann; schon jetzt zeigt sich ein empfindlicher Mangel.

Dokumentation

943

2) Wichtiger aber scheint das folgende grundsätzliche Bedenken: Es ist offensichtlich daran gedacht, daß nicht nur aus den Kreisen der in Westdeutschland befindlichen Ostvertriebenen, sondern auch aus westlichen Ländern (Holland, Belgien, Frankreich u. dgl.) junge Theologen in Königstein für die Ostmission geschult werden sollen. Daher erhebt sich die äußerst wichtige Frage, wessen Jurisdiktion diese bunt zusammengewürfelten Theologen unterstehen sollen. Die folgenden vier Möglichkeiten bieten sich an: a) Die kommenden Ostmissionare bilden eine geschlossene acies ordinata nach Art einer Kongregation unter einem eigenen Superior. Diese Lösung würde die Frage nach der Jurisdiktion klar beantworten, aber eine Reihe neuer Fragen mit sich bringen, welche die jetzige Struktur der Königsteiner Anstalten von Grund auf ändern müßten, b) Die Theologen unterstehen den Bischöfen ihrer Heimatdiözesen. In diesem Fall ist nicht einzusehen, warum Königstein als eigenes Priesterseminar fungieren soll. Es genügte vollständig, daß es besondere Schulungskurse für kommende Ostmissionare einrichtet, während die allgemeine Ausbildung zum Priestertum auf dem gewöhnlichen Wege in der Heimatdiözese geleistet wird, Nach erhaltener Priesterweihe könnte der Bischof geeignete Herren, die Interesse an der Ostmission haben, dort eigens spezialistisch ausbilden lassen, um sie gegebenenfalls für die Ostmission freizugeben. Nur so bliebe der Theologe geistig und seelisch wirklich beheimatet (= nämlich in seiner angestammten Diözese). c) Der einzelne Theologe sucht sich einen Bischof nach seiner Wahl und bittet denselben um Inkardination mit der Zusicherung einer Freigabe, sobald die Ostmission möglich ist. In diesem Fall würde der betr. Bischof vermutlich dringend wünschen, daß der Theologe den allgemeinen Studiengang der betr. Diözese durchläuft, damit er seine Konfratres und die örtlichen seelsorglichen Verhältnisse gründlich kennen lernt und in der betr. Diözese verwurzelt. Andernfalls bleibt er ein Fremder. Niemand aber kann voraussehen, ob dieser Fall nicht für viele der von Königstein erstrebten Ostmissionare der Regelfall sein müßte, weil niemand weiß, ob und wann eine Ostmission möglich sein wird. Ein Königsteiner Priesterseminar für Ostmissionare würde also zur Folge haben, daß viele Priester trotz Inkardination in der Diözese ihrer Wahl Fremde blieben; jedenfalls würde ihnen die Verwurzelung unnötig erschwert. d) Die Königsteiner Theologen werden nirgendwo inkardiniert, sondern unterstellen sich freiwillig irgendeinem Ordinarius, solange der Einsatz in der Ostmission nicht möglich ist. Dieser Fall wird augenscheinlich als der erstrebenswerte von Herrn Prälat Kindermann betrachtet. In Wirklichkeit ist er wohl der ungünstigste von

944

Dokumentation

allen, denn auf diese Weise würde Königstein zu einer wahren Pflanzschule von Priestern, die praktisch „clerici vagi“ sind. Sie empfinden sich irgendwie als unverbunden und im letzten nicht jurisdiktionell verpflichtet; sie entwöhnen sich langsam und unmerklich jeder echten Bindung und opferfordernden Aufgabe und werden so von Tag zu Tag ungeeigneter für jenen heroischen Einsatz in einer kommenden entsagungsreichen Ostmission, derentwegen sie doch nach Königstein gegangen sind. Abschließend ist also zu sagen, daß die neue Zielsetzung eine Weiterexistenz des Königsteiner Priesterseminars kaum hinreichend begründen kann. Das Anliegen einer fachlichen Schulung kommender Ostmissionare ließe sich entweder dadurch erreichen, daß man in Königstein Spezialschulungen für bereits ausgeweihte Priester einrichtet oder auch in der Weise, daß eine Reihe von Orden und Kongregationen sich entschlössen, im Hinblick auf einen kommenden missionarischen Einsatz ihrer Mitglieder schon jetzt das eine oder andere Haus zu einer eigenen Pflanzschule für die kommenden Missionare zu machen. Diese „Häuser der Ostmission“ könnten untereinander und in Gemeinschaft mit Königstein eine Arbeitsgemeinschaft bilden und eine breite Schicht von Ostmissionaren heranschulen, die aber allesamt eine echte jurisdiktionelle Bindung an eine geistliche Obrigkeit und eine persönliche seelische Beheimatung in ihrer Gemeinschaft, bzw. in einer Diözese hätten. August 1953 (Memorandum der mit den Königsteiner Anstalten befaßten Bischofskommission) Anlage 2 Aktennotiz Betr.: Königsteiner Priesterseminar Am 14.5.1954 fand in den Räumen des Bischöfl. Ordinariates Limburg eine Unterredung mit dem gesamten Professorenkollegium des Königsteiner Priesterseminars statt. H.H. Prälat Dr. Kindermann war am Erscheinen verhindert. Das Thema der Besprechung war die innere Begründung einer Weiterexistenz des Priesterseminars. Ausgangspunkt: Das Seminar stört oder verhindert auf künstliche Weise den organisch sich vollziehenden Prozeß einer neuen echten Beheimatung der nachwachsenden jungen Theologen aus den Heimatvertriebenen. Mangelnde seelische Verwurzelung ist auf die Dauer ein ungesunder und gefahrenbringender Zustand. Wurde den heimatvertriebenen Priestern die Entwurzelung als ein Kreuz durch Gottes Fügungen auferlegt und ihnen damit auch die notwendige Kraft zum Kreuztragen zugesichert, so handelt es sich jetzt um eine künstlich hervorgerufene und gleichsam anerzogene Heimatlosigkeit, für die menschliche Verantwortung übernommen werden muß. Frage: Lassen sich Gründe geltend machen, die hinreichen, eine so große Verantwortung tragen zu können?

Dokumentation

945

Antwort des Kollegiums: a) Man ist sich in Königstein darüber klar, daß das Seminar nur eine interemistische Bedeutung hat. Es kommt die Stunde, wo es aufgegeben werden muß. b) Der „Kairos“ hierfür ist aber noch nicht gekommen. Vorerst ist das Seminar noch notwendig aus den folgenden beiden Gründen: 1) Z.Zt. sind noch Priester nötig, die noch mittragen und mitleiden an dem Schicksal schwerempfundener Heimatlosigkeit. Der Großteil der erwachsenen Heimatvertriebenen ist noch nicht echt verwurzelt in der westlichen neuen Heimat und wird es nie ganz werden. Sie brauchen daher noch Seelsorger, die bewußt dieses Kreuz mittragen wollen, 2) Für die heimatvertriebenen Katholiken ist das Bewußtsein, noch immer ein eigenes Priesterseminar zu besitzen („Unser schlesisches, ermländisches, Leitmeritzer, Olmützer .... Seminar“ in Königstein), von unschätzbarer Bedeutung für ihre Standfestigkeit in der Diaspora und ihr religiöses Selbstbewußtsein. Man würde diesen Menschen ein Stück vom Herzen reißen, wenn man ihnen „ihr“ Seminar nehmen wollte. c) Man sieht auch die Bedeutung einer neuen Beheimatung für den nachwachsenden Klerus aus den Heimatvertriebenen. Deshalb hat man Verständnis für den Wunsch der deutschen Bischöfe, die Königsteiner Theologen wie ihre eigenen zu inkardinieren, wenn nur zugesagt bleibt, daß dem einzelnen für den Fall einer späteren Rückkehr in den Osten der Weg dorthin offengehalten und die Möglichkeit einer Umkardinierung zugesagt bleibt. Limburg/L., den 29. 5. 1954 gez. Wilhelm [Kempf], epps. Lbgs [episcopus Limburgensis].

946

Dokumentation

22. Liste Einrichtungen Königstein [vermutl. 1955]1

ad 1.) Philosophisch-theologische Hochschule mit Theologenkonvikt Name, Zweck klar Rechtsträger Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein e.V. Unterbringung Seminargebäude Rektor Dr. Gross [handschr. Gross gestr., Scholz ergänzt] Regens Dr. Piekorz Angestellte 9 Professoren u. Regens Spiritual ½ Schreibkraft 6 Schwestern 10 Mädchen ½ Heizer und Hausmeister Finanzierung: Siehe Voranschlag 1955 ad 2.) St. Albertschule, Hum. Gymnasium, mit Schülerkonvikt Name, Zweck klar Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein e.V. Schulleiter: Dr. Weisskopf 1. Präfekt: Anton Klinger Angestellte: 13 Lehrkräfte 2 Präfekten 1 Spiritual (4 Präzeptoren) ½ Schreibkraft 6 Schwestern 12 Mädchen ½ Heizer und Hausmeister Finanzierung Siehe Voranschlag 1955 3) Verwaltung des Albertus-MagnusKollegs Verwaltungsstelle ist 1

KZG, Akten Bischofszimmer 11/203.

Dokumentation

untergebracht im Wirtschaftsgebäude Geschäftsführer: Angestellte incl. Geschäftsführer: Ausser den unter 1.) und 2.) Genannten sind im AlbertusMagnus-Kolleg noch tätig:

947

Heinzdieter Schleupner 3 3 Tischler 2 Schlosser 2 Gärtner und Heizer 2 Maurer 7 Schwestern 4 Mädchen Siehe Voranschlag 1955

Finanzierung: ad 3.) Priesterreferat Am 24. Juni 1946 hat der Hl. Vater dem Bischof Kaller ein Sonderamt übertragen. Gegenstand der Obsorge: die heimatvertriebenen Priester, die Priesterberufe unter den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, seelsorgliche und caritative Aufgaben, soweit sie notwendig sind. Zur Durchführung dieses Sonderauftrags berief Bischof Kaller Dr. Kindermann und schuf das Priesterreferat. Nach seinem plötzlichen Tode bat Kardinal Frings Dr. Kindermann um die Fortführung der Arbeit im Priesterreferate und am 22. August kam auch bereits die offizielle Weisung für die Weiterführung dieser Stelle durch die Bischofskonferenz. 1949 kam ein anerkennendes Schreiben für das Priesterreferat von der Staatssekretarie (Montini). Das Priesterreferat ist im Bürotrakt des Seminargebäudes untergebracht. Angestellte: 9 Keine TarifBesoldung Finanzierung: Das Priesterreferat ist der Motor für den Albertus-MagnusKolleg-Königstein e.V. Es ist massgeblich bei der Aufbringung der Mittel für denselben beteiligt und behält für sich lediglich, was es an Ausgaben benötigt für die Gehälter, Postspesen, Kanzleibedarf, Unterhaltungskosten für Kraftwagen u.s.w. Zeitschriften a.) Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten. Herausgegeben vom Priesterreferat. Keine eigenen Angestellten, keinen besonderen Arbeitsraum. Erhält sich selbst b.) Königsteiner Rufe Blätter für Heimatvertriebene und Förderer der Königsteiner Anstalten. Illustriertes Monatsblatt.

948

Dokumentation

Eigener Verlag: Dr. Kindermann Einschliesslich Expeditionspersonal 16 Angestellte Untergebracht im Wirtschaftsgebäude Reinertrag floss den Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein e.V. zu. c.) Expulsus Katholischer Informationsdienst für Vertriebenen- und Ostfragen in 6 Sprachen Untergebracht im Seminargebäude, Bürotrakt Angestellte beim Priesterreferat mitgezählt, da kein eigener Rechtsträger Finanzierung: Staatszuschuß Zuschuss der Ostpriesterhilfe Druckkostenbeiträge der Leser d.) Königsteiner Blätter. Wissenschaftliche Beilage für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten. Fallweise Erscheinung Angeschlossen an das Priesterreferat, deshalb keine eigenen Angestellten Druckkosten werden durch Druckkostenbeiträge der Leser gedeckt. ad 4.) Priesterwerke a.) Schlesisches Priesterwerk e.V. Zweck: Förderung schlesischen Priesternachwuchses Hat noch kein Büro Leiter: Dr. Priekorz, Regens Hat noch keine hauptamtliche Kraft Laubaner Werk Erfassung der Laubaner Gläubigen Stark heimatgebunden; untergebracht im Bürotrakt d. Seminars Leiter: Dr. Piekorz, Regens Angestellte: 1 ½ Herausgabe eines Pfarrblattes b.) Sudetendeutsches Priesterwerk e.V. Zweck: Förderung des sudetendeutschen Priesternachwuchses Untergebracht im Bürotrakt des Seminargebäudes Leiter: Dr. Kindermann Angestellte: 2 c.) Ermländisches Priesterwerk e.V. Zweck: Förderung des ermländischen Priesternachwuchses Leiter: Dr. Matern Noch kein Büro Angestellte: 1 ad 5.) Ostpriesterhilfe e.V. Nebenstelle der Internationalen Ostpriesterhilfe in Belgien Hat in Deutschland bisher keine eigene Tätigkeit Wird nur als Basis für die von Belgien geschenkten Kapellenwagen benützt.

Dokumentation

ad 6.)

ad 7.)

ad 8.)

ad 9.) 10.)

949

Die Finanzierung der Kapellenwagen erfolgt durch die beiden Länder: Belgien und Niederlande Hier gibt es nur ein Durchgangskonto Die Gesamtbuchhaltung ist in Belgien bei der Zentrale Leiter der deutschen Stelle: Dr. Kindermann Angestellte: Kraftfahrer 3 Angestellte für den Dienst im Lager, da die Liebesgaben wegen einheitlicher Zollabfertigung nach Königstein gebracht und von hier verschickt werden Lager und 1 dazugehörendes Büro im Verwaltungsgebäude Bauorden GmbH Untergebracht im Anbau des sogenannten Führerhauses Vorsitzender: Staatssekretär Dr. Nahm Geschäftsführer: Fritz Kröger Angestellte: 2 Katholisches Internationales Soziologisches Institut für Flüchtlingsfragen e.V. Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr. Zeegers, Den Haag Leiter: Dr. Kindermann Angestellte: 3 Finanzierung durch Ostpriesterhilfe Belgien Königsteiner Institut für Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas Schlesische Abteilung Angeschlossen an das Schlesische Priesterwerk und von diesem getragen und finanziert Untergebracht im Bürotrakt des Seminargebäudes Wissenschaftlicher Leiter: Dr. Schmauch Sudetendeutsche Abteilung Angeschlossen an das Sudetendeutsche Priesterwerk und von diesem getragen und finanziert Untergebracht im Bürotrakt des Seminargebäudes Wissenschaftlicher Leiter: Dr. Huber 1 Angestellte Zeitschriften Siehe ad 3.) Priesterreferat Buchhandlung Königsteiner Rufe GmbH in Laienhänden Untergebracht im Wirtschaftsgebäude

950

Dokumentation

23. Grundordnung für die Philos.-theol. Hochschule Königstein/Ts. [19.6.1956]

Kapitel I: Aufgabe der Hochschule. § 1. Die Philos.-theol. Hochschule hat gemäß § 3 der Satzungen des Albertus-MagnusKolleg-Königstein E.V. („Der Verein verfolgt den Zweck, heimatvertriebenen jungen Katholiken die Möglichkeit zu geben, Priester zu werden“) die Aufgabe, dem heimatvertriebenen Priesternachwuchs eine seinen besonderen Zeitaufgaben entsprechende Ausbildung zu vermitteln.

Kapitel II: Lehrstühle. § 2. Die Hochschule besitzt neun ordentliche Lehrstühle und zwar je einen für Philosophie, Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte, Altes Testament, Neues Testament, Dogmatik, Moraltheologie, Kirchenrecht und Pastoraltheologie, alle mit Ausrichtung auf die in § 1 genannten besonderen Ziele der Hochschule. Für Einzelfragen, die mit der Zielsetzung zusammenhängen, werden jeweils Lehraufträge erteilt. Neuerrichtung von Lehrstühlen erfolgt auf Vorschlag der Hochschulkonferenz im Einvernehmen mit dem Vorstand des Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein E.V. durch den Bischof von Limburg.

Kapitel III: Leitung der Hochschule. a) Der Ortsordinarius. § 3. Das Aufsichtsrecht über die Philos.-theol. Hochschule hat der Ortsordinarius, der H.H. Bischof von Limburg (kurz "Bischof" genannt). Er beaufsichtigt die Verwal-

Dokumentation

951

tung, den Lehr- und Studienbetrieb der Hochschule. Er ernennt gemäß den kanonischen Normen unter evtl. Beachtung des Preußischen Konkordats, nach Vorschlag der Hochschulkonferenz, im Einvernehmen mit dem Herrn Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz den Rektor der Hochschule. Er ernennt und entläßt unter Berücksichtigung des § 10 die ordentlichen Mitglieder des Lehrkörpers. Die Hochschule nimmt die Regelung ihrer Angelegenheiten unter Wahrung des bischöflichen Aufsichtsrechtes und der Geschäftsordnung des E.V. in akademischer Selbstverwaltung durch die Hochschulkonferenz vor.

b) Der Rektor. § 4. Der Leiter der Hochschule ist der Rektor. § 5. Der Rektor wird vor Ablauf des Amtsjahres des bisherigen Rektors durch die Hochschulkonferenz gewählt und vom Vorstand des E.V. den beiden genannten Bischöfen zur Bestätigung vorgeschlagen. Der Gewählte kann die Kandidatur nur aus triftigen Gründen ablehnen, bezw, um spätere Entbindung von seinem Amte ansuchen. Unmittelbare Wiederwahl kann nur mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen. §6. Das Amtsjahr des Rektors beginnt einen Monat vor Anfang des Wintersemesters und endet am gleichen Tage des folgenden Jahres. Der scheidende Rektor übergibt seinem Nachfolger die Amtsgeschäfte. Die öffentliche Rektoratsübergabe erfolgt in einer akademischen Feier, in welcher der scheidende Rektor einen Bericht über das verflossene Studienjahr erstattet, und sein Amtsnachfolger ein wissenschaftliches Referat hält. §7. Dem Rektor obliegen folgende Aufgaben: 1. Er vertritt die Hochschule nach außen. 2. Er sorgt für die Einhaltung der Statuten, der Studien- und Prüfungsordnung, der Konferenzbeschlüsse. 3. Als Leiter der Hochschulkonferenz ruft er die Sitzungen ein. Er ist geborener Vorsitzender aller Ausschüsse, soweit er sich nicht vertreten läßt. 4. Er legt den jährlichen Hochschuletatvoranschlag vor. 5. Er spricht die Lehrbeauftragungen im Rahmen des Haushaltsplanes aus. 6. Er nimmt alle Interessen der Hochschule und des Lehrkörpers auch innerhalb der verschiedenen Abteilungen des Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein E.V. im Sinne des § 3 der Statuten des E.V. wahr. 7. Er vollzieht die im Namen der Hochschule ausgefertigten Schriftstücke und erstattet die erforderlichen Berichte.

952

Dokumentation

8. Er führt das Hochschulsiegel, verwaltet das Protokollbuch und die Chronik, er immatrikuliert, exmatrikuliert und beurlaubt die Studierenden, spricht die Zulassung zu den Examina aus und präsidiert den Prüfungskommissionen. 9. Der Rektor überreicht jedem neuernannten Mitglied des Lehrkörpers die Statuten der Hochschule und die geltende Geschäftsordnung des E.V.

c) Der Prorektor § 8. 1. Bei Verhinderung des Rektors obliegt die Wahrnehmung der Geschäfte stellvertretend dem Amtsvorgänger, bezw. dessen Vorgänger als Prorektor. 2. Wird das Rektorat zeitiger als drei Monate vor Ablauf der Amtszeit erledigt, kann Neuwahl durch die Hochschulkonferenz stattfinden. Sonst tritt der Prorektor in alle mit dem Rektorat verbundenen Rechte und Pflichten ein. 3. Kann der Rektor sein Amt nicht länger als sechs Monate ausüben, dann gilt es als erledigt.

d) Die Hochschulkonferenz. § 9. Die Hochschule verwaltet ihre Angelegenheiten kollegial durch die Hochschulkonferenz unter Leitung des Rektors als primus inter pares. Stimmberechtigte Mitglieder der Hochschulkonferenz sind die ordentlichen Inhaber der Lehrstühle. Ein von den nebenamtlich tätigen Lehrbeauftragten gewählter Vertreter nimmt mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Die Hinzuziehung weiterer, nicht stimmberechtigter Glieder des Lehrkörpers steht der Hochschulkonferenz frei.

aa) Aufgaben der Hochschulkonferenz. § 10. 1. Der Hochschulkonferenz sind alle Fragen vorzulegen, die die Satzungen, ihre Auslegung, die Studien- und Prüfungsordnung, Erteilung von Lehraufträgen, die Semester- und Ferienordnung, das Vorlesungsverzeichnis, den Etatvorschlag und grundsätzliche Bibliotheksfragen betreffen. 2. Bei der Hochschulkonferenz liegt das Vorschlagsrecht für Neubesetzungen von Lehrstühlen. 3. Die Konferenz kann zur Vorbereitung ihrer Sitzungen unter Berücksichtigung des § 7 Ziff. 3 Fachausschüsse bestellen.

Dokumentation

953

bb) Termin und Art der Einladung. § 11. 1. Die Hochschulkonferenzen finden wenigstens zu Beginn und gegen Ende des Semesters statt. Nach Notwendigkeit oder auf schriftlichen Antrag von wenigstens drei stimmberechtigten Mitgliedern ist die Konferenz außerdem einzuberufen. In den Semesterferien sind Hochschulkonferenzen nur aus sehr dringenden Anlässen einzuberufen. 2. Die Einladung zur Hochschulkonferenz erfolgt wenigstens 48 Stunden vorher in schriftlicher Form unter Angabe des Ortes, des Tages, der Stunde und der Tagesordnung an alle stimmberechtigten Mitglieder. Nachträglich können Gegenstände nicht mehr auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn drei stimmberechtigte Mitglieder dem widersprechen.

cc) Beschlußfähigkeit und Beschlußfassung der Hochschulkonferenz, § 12. 1. Die Hochschulkonferenz ist beschlußfähig, wenn wenigstens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder erschienen ist. Erfolgt nach Beschlußunfähigkeit einer Sitzung ordnungsgemäß eine Einladung zu einer 2. Sitzung unter der gleichen Tagesordnung, so ist dieselbe in jedem Fall beschlußfähig. 2. An Verhandlungen, die das persönliche Interesse eines Mitgliedes betreffen, darf der Betreffende nicht teilnehmen. In solchen Fällen ist geheim abzustimmen. 3. Die Abstimmung (Wahl) erfolgt auf Wunsch von wenigstens drei stimmberechtigten Mitgliedern geheim. Beschlüsse kommen durch einfache Mehrheit zustande. Bei Stimmengleichheit gibt der Rektor den Ausschlag. Bei Wahlen ist im 1. und 2. Wahlgang absolute, im 3. Wahlgang relative Mehrheit erforderlich. 4. Über die Verhandlungen der Hochschulkonferenz ist Protokoll zu führen. Jedes Mitglied kann Aufnahme seiner abweichenden Stellungnahme ins Protokoll verlangen. Die Niederschrift ist von der Hochschulkonferenz zu genehmigen und vom Rektor und Protokollführer zu unterzeichnen. Auszüge aus dem Protokollbuch bestätigt der Rektor auf ihre Richtigkeit. 5. Über die ihrer Natur nach nicht zur Veröffentlichung bestimmten Angelegenheiten haben die Mitglieder der Hochschulkonferenz Amtsverschwiegenheit zu beobachten.

954

Dokumentation

Kapitel IV Der Lehrkörper. § 13. Die Professoren und Dozenten sind Inhaber eines amoviblen kirchlichen Amtes. Berufung und Abberufung steht unter Berücksichtigung des Vorschlagrechtes der Hochschulkonferenz und der Zustimmung des Vorstandes des E.V. dem Bischof zu.

§ 14. Lehrbeauftragungen und Beurlaubungen werden pro Semester vom Rektor der Hochschule erteilt.

§ 15. Als Professoren werden nur solche Geistliche berufen, die ihr Doktorexamen mit gutem Erfolg abgelegt, sich an einer Fakultät habilitiert oder ihre fachliche Eignung durch wissenschaftliche Arbeiten erwiesen haben.

§ 16. Zu Dozenten werden nur solche Geistliche berufen, die das Doktorexamen gut bestanden haben. Ihre wissenschaftliche Qualifikation soll durch ein zusätzliches Gutachten einer Fakultät oder eines Fachprofessors verbürgt sein.

§ 17. Mit einer. Lehrbeauftragung soll tunlichst nur betraut werden, wer durch eine gute Doktorprüfung seine Eignung nachgewiesen hat.

§ 18. Im Sinne des § 3 der Satzung des Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein E.V. und Nr.7 der Geschäftsordnung sollen die Glieder des Lehrkörpers soweit möglich aus den Reihen der Heimatvertriebenen bestimmt werden:

§ 19. Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes ist der Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein E.V., welcher Gehalts- und Pensionsansprüche regelt.

Dokumentation

955

Kapitel V: Das Verhältnis der Philos.-theol. Hochschule zum Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein E.V. und zum Priesterseminar. § 20. Die Philos.-theol. Hochschule gehört zu den Anstalten des Albertus-Magnus-KollegKönigstein E.V., der die finanzielle und wirtschaftliche Grundlage für die Hochschule bietet. Die Philos.-theol. Hochschule ist im Sinne dieses Statuts selbständig.

§ 21. Im Verein mit der Hochschule dient das Priesterseminar der Heranbildung vor allem des ostdeutschen Priesternachwuchses. Beide Einrichtungen werden daher in wechselseitiger Unterstützung an diesem gemeinsamen Ziele arbeiten.

§ 22. Falls der Regens des Priesterseminars nicht zum Lehrkörper der Hochschule gehört, wird er zu allen Sitzungen der Hochschule als stimmberechtigtes Mitglied eingeladen,

Kapitel VI: Verhältnis der Hochschule zur Staatsregierung. § 23. Die Philos.-theol. Hochschule untersteht ausschließlich den Weisungen des Bischofs, der auch den direkten Verkehr mit den Staatsbehörden in allen wesentlichen Fragen (Anstellung von Professoren, Studienordnung u.a.) führt.

Kapitel VII: Die Studierenden. § 24. Vorbedingung für die Immatrikulation an der Philos.-theol. Hochschule und die Aufnahme ins Priesterseminar zu Königstein ist ein zum Studium an einer deutschen Universität berechtigendes Reifezeugnis und die Annahme als Theologe durch einen Ordinarius. Wer die Bedingungen nicht erfüllt, kann nur als Gasthörer zugelassen werden. Über die Zulassung entscheidet der Rektor.

§ 25. Heimatvertriebene Abiturienten, die keinen erreichbaren Heimatbischof haben, dürfen nach Ausweis ihrer Eignung zum Priestertum immatrikuliert werden. Diese Studierenden müssen jedoch spätestens im 4. Semester von einem deutschen Ordinarius als

956

Dokumentation

Theologe angenommen worden sein. (Beschluß der westdeutschen Bischofskonferenz von Pützchen vom 1.3.50, modifiziert und bestätigt durch die Fuldaer Bischofskonferenz 1950). Theologen höherer Semester, die noch von keinem Bischof angenommen sind, dürfen nur mit Genehmigung des Bischofs von Limburg in Königstein studieren.

§ 26. Die Entlassung aus dem Priesterseminar hat die Entlassung von der Hochschule zur Folge.

Kapitel VIII: Studienordnung. § 27. Der Lehrplan richtet sich nach den Vorschriften der Apostolischen Konstitution "Deus scientiarum Dominus" und den ergänzenden Anweisungen der Studienkongregation, wie er an den theologischen Fakultäten und den theologischen Hochschulen Deutschlands üblich ist.

§ 28. Scholastische und historische Methode sind in angemessener Weise miteinander zu verbinden.

§ 29. Studienziel ist die geistige Formung des Priesternachwuchses nach den Grundsätzen christlicher Philosophie und katholischer Theologie als Voraussetzung praktischer Seelsorgstätigkeit.

§ 30. Der Lehrplan ist auf zehn Semester berechnet.

§ 31. Die Philos.-theol. Hochschule verwaltet die im Eigentum des Albertus-MagnusKolleg-Königstein E.V. und des Sudetendeutschen Priesterwerkes stehende Bibliothek.

§ 32. Der Bibliotheksleiter wird von der Hochschulkonferenz gewählt.

§ 33. Die Vertreter der einzelnen Fächer haben die Pflicht, im Rahmen der etatmäßigen Mittel für die Ergänzung der Bibliothek Sorge zu tragen.

Dokumentation

957

§ 34. Für die Benutzung der Bibliothek und den auswärtigen Bücheraustausch ist eine besondere Bibliotheksordnung maßgebend. Der Bischof von Limburg. Die obige Grundordnung für die Philosophisch-Theologische Hochschule Königstein (Taunus) wird hierdurch bis auf weiteres in Kraft gesetzt, Limburg an der Lahn, den 19.6.1956 gez. + Wilhelm, Bischof v. Limburg (Siegel) Für die Ausfertigung: gez. Bergmann, Kanzleidirektor.

958

Dokumentation

24. Studienordnung (nach dem „Jaeger-Plan“)1 Einführung in das wissensch. Arbeiten Ringvorlesung AT – Einleitung NT – Einleitung Kirchengeschichte

1

1. Semester

einstündig

1 4 6 14

1 stdg. 1. bis 4. Semester 1. bis 4. Semester 1. bis 4. Semester

Philosophie Philosophiegeschichte Liturgiewissenschaft AT – Exegese

16 4 6 10

NT – Exegese

10

Fundamentaltheologie

10

Dogmatik

20

Moraltheologie Soziallehre christl. u. marxistisch Kirchenrecht

12 6

1. Semester 2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 2 Sem. 4 stdg. 4 Sem. 4 stdg. 2 Sem. 2 stdg. 3 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 2 Sem. 4 stdg. 4 Sem. 3 stdg. 4 Sem. 3 stdg. 3 Sem. 2 stdg.

Pastoraltheologie Religionspädagogik Kerygmatik (Katech. u. Homil.) Missionswissenschaft Ostmitteleuropäische Kirchengeschichte Orthodoxe Theologie Griechisch (ntl.) Hebräisch Lektüre kirchenlat. Texte Sprecherziehung/Rhetorik 1

KZG Bonn 3382.

10

1. bis 4. Semester 3. bis 4. Semester 7. bis 9. Semester 5. bis 8. Semester 5. bis 8. Semester 5. bis 8. Semester 5. bis 10. Semester 5. bis 8. Semester 8. bis 10. Semester

4 4 4

2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 2 stdg. 2 Sem. 2 stdg.

6. bis 9. Semester 9. bis 10. Semester 2. bis 3. Semester 9. bis 10. Semester

4 2

4 Sem. 1 stdg. 2 Sem. 1 stdg.

5. bis 8. Semester 1. bis 2. Semester

5

5 Sem. 1 stdg.

8 6 1 4

2 Sem. 4 stdg. 2 Sem. 3 stdg. 1 Sem. 1 stdg. 4 Sem. 1 stdg.

1. bis 2. und 6. bis 9. Semester 1. bis 2. Semester 1. bis 2. Semester 1. Semester 2. bis 3. und 6. bis 7. Semester

Dokumentation

959

25. Prüfungsordnung Hochschule

1. Semester 1. u. 2. Semester 2. Semester 3. Semester

4. Semester

5.-7. Semester 7. Semester 8. Semester 9. Semester

10. Semester

8.-10. Semester

Kirchengeschichte (Sem.) und Kirchenlatein (schriftl.) Ostmitteleurop. Kirchengeschichte (mündl.) (und höhere Semester) Griechisch oder Hebräisch Philosophie (Sem.) und Ostkirchenkunde (wenn kein Sprachexamen abgelegt wird Kirchengeschichte (Abschlußexamen – schriftl. u. mündl.); Religionspädagogik (Abschlußexamen – mündl., wahlweise auch schriftl. –, wenn die Voraussetzungen erfüllt, 2 Semester gehört worden sind) ERSTE HAUPTPRÜFUNG: Philosophie (schriftl. u. mündl.), Philosophiegeschichte (mündl.), Kirchengeschichte (Sem.), AT- und NT-Einleitung – schriftl.: AT- oder NT-Einleitung mündl: AT- und NT-Einleitung Semestrale nach freier Wahl (Honnef!) HAUSARBEIT rechtzeitig anmelden Biblicum (Abschlußexamen) – schriftl.: AT oder NT, mündl.: AT und NT Orthodoxe Theologie (mündl.) Kirchenrecht und Liturgiewissenschaft (Abschlußexamen – mündl., wahlweise auch schriftl. –, wenn die Voraussetzungen erfüllt, in Kirchenrecht 4 und in Liturgiewissenschaft 3 Semester gehört worden sind) HAUSARBEIT einreichen! ZWEITE HAUPTPRÜFUNG: Biblicum, Dogmatik, Fundamentaltheologie, Moraltheologie, Christliche Soziallehre, Kirchenrecht, Liturgiewissenschaft, Pastoraltheologie, Religionspädagogik und Kerygmatik (Katech. u. Homil.) – mündl. (soweit noch nicht abgelegt) 5 Klausurarbeiten: Biblicum, Dogmatik, Moraltheologie und 2 wahlweise aus: Fundamentaltheologie, Christliche Soziallehre, Kirchenrecht, Liturgiewissenschaft, Pastoraltheologie, Religionspädagogik und Kerygmatik In jenen Fächern, in welchen keine schriftliche Prüfung abgelegt worden ist, wird mündlich 20 Minuten examiniert. (Prof. Dr. Hadrossek) Rektor

960

Dokumentation

26. Anzahl der Theologiestudenten in den Jahren 1947 – 1978

SS 1947

51

WS 62/63

62

WS 47/48

60

SS 63

59

SS 48

57

WS 63/64

63

WS 48/49

101

SS 64

65

SS 49/

120

WS 64/65

59

WS 49/50

162

SS 65

59

SS 50

173

WS 65/66

54

WS 50/51

178

SS 66

55

SS 51

167

WS 66/67

51

WS 51/52

166

SS 67

48

SS 52

173

WS 67/68

70

WS 52/53

138

SS 68

65

SS 53

126

WS 68/69

68

WS 53/54

105

SS 69

60

SS 54

107

WS 69/70

56

WS 54/55

101

SS 70

47

SS 55

105

WS 70/71

44

WS 55/56

93

SS 71

37

SS 56

91

WS 71/72

35

WS 56/57

91

SS 72

38

SS 57

89

WS 72/73

42

WS 57/58

88

SS 73

41

SS 58

88

WS 73/74

28

WS 58/59

75

S374

24

961

Dokumentation

SS 59

69

WS 74/75

30

WS 59/60

69

SS 75

25

SS 60

69

WS 75/76

27

WS 60/61

62

SS 76

25

SS 61

61

WS 76/77

23

WS 61/62

66

SS 77

21

SS 62

69

WS 77/78

17

einschließlich Gasthörer

962

Dokumentation

27. Dozenten und ihre Fächer Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 47 Kleineidam

WS 47/48 Kleineidam

SS 48 Kleineidam

WS 48/49

Janko Otto

Kindermann

Kindermann

Kindermann

Kindermann / Matern

Borchert

Borchert

Borchert

Borchert

Ramatschi

Ramatschi

Otto Kleineidam

Borchert

Borchert

963

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 49 Kleineidam

WS 49/50 Kleineidam

SS 50 Kleineidam

WS 50/51 Groß / Kleineidam

Janko Nielen Sicherl

Janko Nielen Sicherl

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Matern

Matern

Matern

Matern

Scholz

Scholz

Kirchner Poschmann

Ziesché

Müller

Kindermann

Kindermann

Groß Kindermann

Triller

Triller

Triller

Groß Kindermann Bitterlich

Scholz Scholz

964

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation SS 51 Groß / Kleineidam

WS 51/52 Groß / Kleineidam

SS 52 Groß / Kleineidam

WS 52/53 Groß Nink (g)

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Matern

Matern

Scholz

Scholz

Matern Nielen Scholz

Matern (b) Nielen Scholz

Müller

Müller

Scheffczyk

Scheffczyk

Groß

Groß

Groß

Groß

Kindermann Bitterlich

Kindermann Bitterlich

Kindermann Bitterlich

Kindermann Bitterlich

Triller

Triller

Triller

Hänsler (g) Triller

Scholz

Scholz

Scholz

Scholz

Scholz

Scholz

Scholz

Scholz

965

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 53 Groß

WS 53/54 Groß / Kleineidam

SS 54 Groß / Kleineidam

WS 54/55 Groß

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko/Fröhlich fr

Janko Nielen Janko

Matern (b) Nielen Scholz

Matern Nielen Scholz (b) / Hadrossek (v)

Matern Nielen Scholz (b) / Hadrossek (v)

Matern Nielen Scholz

Scheffczyk

Scheffczyk

Scheffczyk

Scheffczyk

Groß

Groß

Groß

Groß

Kindermann Bitterlich

Kindermann Bitterlich

Kindermann Bitterlich

Kindermann Bitterlich

Hänsler (g) Triller

Hänsler (g) Triller Peano

Scholz

Scholz (b)

Scholz

Scholz (b)

966

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheol. Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation SS 55 Groß / Kleineidam

WS 55/56 Groß / Kleineidam

SS 56 Groß / Kleineidam

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Janko Nielen Janko

Matern

Matern (b) / Röttges (v) Nielen Scholz

Matern

Drewniak / Scheffczyk (b)

Scheffczyk

Scheffczyk

Groß Kindermann

Groß Kindermann

Bitterlich

Bitterlich

Groß Kindermann / Braunstein Bitterlich

Peano

Peano

Peano

Nielen Scholz

Nielen Scholz

WS 56/57 (fehlt)

967

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 57 Groß / Kleineidam

WS 57/58 Kleineidam / Wenzel

SS 58 Kleineidam / Wenzel

WS 58/59 Wenzel / Kleineidam

Janko Nielen Janko

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Matern Nielen Hadrossek

Matern

Matern

Matern

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Scheffczyk / Ziesché (g)

Scheffczyk

Scheffczyk

Scheffczyk

Groß Braunstein

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Lieball Peano (r) Huber

Lieball Peano (r) Huber

Peano

Peano

Lieball Peano (r) Gottschalk / Huber Peano

Bitterlich

Lieball Peano (r) Huber / Schmauch Peano

968

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation

SS 59 Kleineidam / Wenzel

WS 59/60 Kleineidam / Wenzel

SS 60 Kleineidam / Wenzel

WS 60/61 Kroker / Wenzel

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Matern

Matern

Matern

Matern

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Scheffczyk

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Lieball Peano (r) Schmauch

Peano (r) Huber

Peano (r) Schmauch

Peano

Peano

Peano (r) Huber/Schmauch Peano

Peano

969

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 61 Kroker/Wenzel

WS 61/62 Kroker/Wenzel

SS 62 Kroker/Wenzel

WS 62/63 Kroker/Wenzel

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Janko Lang Janko/Lang

Huber

Huber

Huber

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Peano (r) Huber / Schmauch Peano

Peano (r)

Peano (r) Ganse / Huber / Matern Peano

Peano (r) Sabisch

Peano

Peano Jánosi

970

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgesch. Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Ges.lehre u. National.recht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation

SS 63 Kroker / Wenzel

WS 63/64 Kroker / Wenzel

SS 64 Kroker / Wenzel

WS 64/65 Kroker / Wenzel

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Huber

Huber

Huber

Huber

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek Drewniak

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Peano (r) Matern

Peano (r) Sabisch

Peano (r) Sabisch

Peano Jánosi

Peano Jánosi

Peano (r) Ganse / Matern Peano Jánosi

Peano Jánosi

971

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 65 Kroker / Wenzel

WS 65/66 Kroker / Wenzel

SS 66 Kroker / Wenzel

WS 66/67 Kroker / Wenzel

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Huber

Huber

Huber

Huber

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina

Schulz

Schulz

Peano (r) Matern Peano Jánosi Barton

Hadrossek Peano (r)

Peano Hampel Barton

Hadrossek Hampel (r) Matern / Sabisch Hampel Hampel Barton

Hampel (r) Sabisch Hampel Hampel Barton

972

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation

SS 67 Kroker / Wenzel

WS 67/68 Kroker / Wenzel

SS 68 Kroker / Wenzel

WS 68/69 Kroker / Wenzel

Janko Lang Janko / Lang

Janko Lang Janko / Lang

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Huber

Huber

Huber

Huber

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Hadrossek

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Drewniak

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina

Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina

Schulz

Schulz

Schulz

Schulz

Hampel (r) / Kruschina (t) Matern / Sabisch Hampel Hampel Barton Veiter

Hampel (r) / Kruschina (t) Sabisch

Hampel (r) / Kruschina (t) Matern / Sabisch Hampel Hampel Barton Veiter

Hampel (r) / Kruschina (t) Sabisch

Hampel Hampel Barton Veiter

Pilhatsch Pilhatsch

Hampel Hampel Veiter Pilhatsch Pilhatsch

973

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie

SS 69 Kroker / Wenzel

WS 69/70 Kroker / Wenzel

SS 70 Kroker / Wenzel

WS 70/71 Kroker / Wenzel

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Huber

Huber

Huber

Huber

Hadrossek

Hadrossek Hadrossek Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina Braunstein / Kruschina

Hadrossek Hadrossek Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina Braunstein

Hadrossek Hadrossek Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina Braunstein

Schulz Kruschina Huber Hampel (r) / Kruschina (t)

Kruschina Schulz Stolte Huber Hampel (r) / Kruschina (t)

Kruschina Schulz Stolte Huber Schroeter (r) / Kruschina (t)

Hampel Hampel

Hampel Hampel

Schroeter Schroeter

Veiter

Veiter

Veiter

Veiter

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch Pilhatsch Volpert

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich

Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina

Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Schulz

Hampel (r) / Kruschina (t) Matern / Sabisch Hampel Hampel

974

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation

SS 71 Kroker / Wenzel

WS 71/72 Kroker / Wenzel

SS 72 Kroker / Wenzel

WS 72/73 Kroker / Wenzel

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Reinelt Janko / Reinelt

Janko Porsch Janko

Huber

Huber

Huber

Huber

Hadrossek Hadrossek Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Stolte

Siegmund Siegmund Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Bitterlich / Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Stolte (b)

Kleber

Kleber

Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Kruschina

Drewniak Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Kruschina

Braunstein Kruschina Schulz Stolte (b)

Huber Schroeter (r) / Kruschina (t)

Huber Schroeter (r) / Kruschina (t)

Huber Schroeter (r) / Kruschina (t)

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Veiter

Veiter

Veiter

Veiter

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich Mühl

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich Mühl

Kruschina Schulz Kruschina / Stolte Huber Schroeter (r)

975

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 73 Kroker / Wenzel

WS 73/74 Kroker / Wenzel

SS 74 Kroker / Wenzel

WS 74/75 Kroker / Wenzel

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Huber

Huber

Huber

Huber

Kleber Rock Drewniak

Kleber Rock Drewniak

Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Kruschina

Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Kruschina

Kleber Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Kruschina

Kleber Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein / Kindermann Kruschina

Kruschina Schulz Kruschina / Stolte Huber Schroeter (r)

Kruschina Schulz Kruschina

Kruschina Schulz Kruschina

Kruschina Schulz Kruschina

Huber Schroeter (r)

Huber Schroeter (r)

Huber Schroeter (r)

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Veiter

Veiter

Veiter

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch Pilhatsch

Herbrich

Herbrich

Pilhatsch Pilhatsch Volpert Herbrich

976

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

Dokumentation

SS 75 Kroker / Wenzel

WS 75/76 Kroker / Wenzel

SS 76 Kroker / Wenzel

WS 76/77 Kroker / Wenzel

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Huber

Huber

Huber

Huber

Kleber Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Kruschina

Kleber Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Kruschina

Huber / Lieball Schroeter (r)

Huber / Lieball Schroeter (r)

Kleber Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Kruschina / Weber Huber / Lieball Schroeter (r)

Scholz Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Kruschina / Weber Huber / Lieball Schroeter (r)

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Veiter

Veiter

Veiter

Veiter

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch Pilhatsch

Herbrich

Herbrich

Herbrich

Herbrich

977

Dokumentation

Philosophie Philosophiegeschichte AT NT Biblische Sprachen Einleitungswissenschaft Kirchengeschichte Patrologie Moraltheologie Christl. Soziallehre Dogmatik Dogmengeschichte Fundamentaltheologie Kirchenrecht Pastoraltheologie Homiletik Kerygmatik Liturgiewissenschaft Religionspädagogik Christl. Kunstgeschichte Slawistik Diözesankunde Theologie der Ostkirchen Philosophie des Ostens Aszetik und Mystik Gesellschaftslehre u. Nationalitätenrecht Religionsgeschichte Missionswissenschaft Rhetorik Psychologie Kirchenmusik Caritaswissenschaften Soziologie Literaturgeschichte

SS 77 Kroker / Wenzel

WS 77/78 Kroker / Wenzel

Janko Porsch Janko

Janko Porsch Janko

Huber

Huber

Hasenstab Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein Kruschina Braunstein Kruschina Schulz Kruschina / Weber Huber / Lieball Schroeter (r)

Rock Drewniak / Schäfer Drewniak Wenzel Braunstein Kruschina Braunstein Schulz Kruschina / Weber Huber / Lieball Schroeter (r)

Schroeter Schroeter

Schroeter Schroeter

Veiter

Veiter

Pilhatsch Pilhatsch

Pilhatsch

Herbrich

Herbrich

978

Dokumentation

28. 2. Hochschulkonferenz im Wintersemester 1969/70 [28.1.70]1

am 28. Januar 1970, um 15.30 Uhr, Zimmer 202 Anwesend: alle Als Vertreter der Studentenschaft nahmen teil die Herren Grulich, Stanke und Volz P. 2. Nach der Vorbesprechung wurden die Termine für das SS 1970 festgelegt: Semesterbeginn: Mittwoch, 1.4.1970 Vorlesungsbeginn: Dienstag, 14.4.1970 Pfingstferien: Letzter Vorlesungstag: Freitag, 15.5.1970, 12h Wiederbeginn der Vorlesungen: Montag, 25. Mai 1970 Vorlesungsschluß: Montag, 13. Juli 1970, 12h Semesterschluß: Freitag, 31. Juli 1970 Der Hochschulausflug ist für Mittwoch, den 10. VI. in Aussicht genommen. P.3. Zu speziellen Gastvorlesungen werden eingeladen: Frau Dr. Herbrich, Prälat Karell, Prof. Veiter, Msgr. Brzoska und Prof. Thiel P.4. Die Hochschulkonferenz trifft hinsichtlich der Änderung der Grundordnung folgende Einzelbeschließungen: § 1. Die Phil.-Theol. Hochschule hat die Aufgabe, angehenden Priestern und Theologen eine Ausbildung zu vermitteln, welche die religiöskirchlichen Fragen, die sich aus den Folgen des II. Weltkrieges und aus der Nachbarschaft mit den Völkern im Osten (slawischen Völkern) ergeben, in besonderer Weise berücksichtigt. Dadurch führt sie die Traditionen der nach dem Zweiten Weltkrieg dem deutschen Katholizismus verlorengegangenen theologischen Fakultäten und bischöflichen Lehranstalten weiter. – einstimmig ohne Enthaltung angenommen. § 2. wurde in folgender Fassung einhellig ohne Enthaltung der Stimme angenommen, ebenso die geringfügigen Änderungen bzw. Ergänzungen in § 5, § 6 und § 8. § 2 lautet also: Die Hochschule besitzt zehn ordentliche Lehrstühle, und zwar je einen für Philosophie, Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte, Altes Testament, Neues Testament, Dogmatik, Liturgiewissenschaft, Mo1

KZG, Bestand Kö Hochschule, Protokollbuch 262-267.

Dokumentation

§ 5. § 6.

§ 8. § 9.

979

raltheologie (mit Christlicher Soziallehre), Kirchenrecht und Pastoraltheologie (mit Religionspädagogik und Kerygmatik), alle mit Ausrichtung auf die in § 1 genannten besonderen Ziele der Hochschule. … wurde um folgenden Zusatz ergänzt, der in § 8 entfällt: Kann der Rektor sein Amt länger als sechs Monate nicht ausüben, gilt es als erledigt. erfährt eine geringfügige Präzisierung: Die öffentliche Rektoratsübergabe erfolgt in einer akademischen Feier, in welcher der scheidende Rektor einen Bericht über seine Amtszeit erstattet, … ebenso § 8. Die für § 9 Abs. 1 getroffene Neufassung wurde mit 11 Stimmen bei 1 Enthaltung und 3 Gegenstimmen angenommen. Sie lautet: Die Hochschule verwaltet ihre Angelegenheiten kollegial durch die Hochschulkonferenz unter Leitung des Rektors. Stimmberechtigte Mitglieder der Hochschulkonferenz sind die Inhaber der Lehrstühle, die emeritierten Professoren, ein Vertreter der Lehrbeauftragten und drei Vertreter der Studentenschaft. Die für § 9 Abs. 2 getroffene Neufassung wird mit 8 Stimmen und 7 Enthaltungen angenommen. Sie lautet: Die Studentenvertreter beteiligen sich in Angelegenheiten, die allgemeine Fragen des akademischen Lehrbetriebs und studentische Interessen betreffen. Ohne Vertretung der Studentenschaft behandelt die Hochschulkonferenz folgende Materien: Besetzung von Lehrstühlen, Dozenturen, Lehrbeauftragungen, persönliche Angelegenheiten der Mitglieder des Lehrkörpers und direkte Verwaltungs- und Finanzangelegenheiten. Die Studentenvertreter werden jedoch bei der Besetzung von Lehrstühlen und bei der Erteilung von Lehraufträgen gehört. Es gilt der Vorbehalt § 12,5. Die Hinzuziehung weiterer, nicht stimmberechtigter Glieder des Lehrkörpers steht den Hochschulkonferenzen frei.

Prof. Drewniak und Wenzel beantragen, im Protokoll festzuhalten, daß die Studenten den Antrag zwar stellten, in der Abstimmung aber sich der Stimme enthielten. § 11,1 wurde mit 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen in folgender Fassung angenommen: Die Hochschulkonferenzen finden wenigstens zu Beginn und gegen Ende des Semesters statt. Nach Notwendigkeit oder auf schriftlichen Antrag von wenigstens einem Drittel der stimmberechtigten Mitglie-

980

Dokumentation

der ist die Konferenz außerdem einzuberufen. In den Semesterferien sind Hochschulkonferenzen nur aus sehr dringenden Anlässen einzuberufen. § 12,3 wurden mit 14 Stimmen bei 1 Enthaltung in folgender Fassung angeu. 12,4 nommen: Die Abstimmung (Wahl) erfolgt auf Wunsch von wenigstens einem Drittel der stimmberechtigten Mitglieder geheim. … Über die Verhandlungen der Hochschulkonferenz ist gemäß § 9 Protokoll zu führen. … § 21 erfährt folgende Neufassung mit 9 Stimmen bei 5 Enthaltungen (Prof. Kruschina hat für kurze Zeit den Saal verlassen – deshalb die Zahl 14): Hochschule und Priesterseminar unterstützen einander in der Heranbildung des Priesternachwuchses. § 24 hat folgende Neufassung erfahren mit 13 Stimmen bei 1 Enthaltung (Prof. Kruschina war abwesend): Vorbedingung für die Immatrikulation an der Phil.-Theol. Hochschule ist ein zum Studium an einer deutschen Universität berechtigendes Reifezeugnis. … § 25 u. wurden gestrichen mit Zustimmung von 13 Anwesenden und 2 § 26 Stimmenthaltungen. § 27 erhält mit Zustimmung aller Anwesenden folgende Neufassung: Der Lehrplan richtet sich nach den Vorschriften der deutschen Bischofskonferenz für das Studium der kath. Theologie. § 28 u. wurden mit Zustimmung aller Anwesenden gestrichen. § 29 § 30 u. erfahren mit Zustimmung aller folgende Abänderung: § 31 Der Lehrplan für Grund- und Spezialstudium ist auf zehn Semester berechnet.

P. 5

P. 6

Die Phil.-Theol. Hochschule verwaltet die im Eigentum des AlbertusMagnus-Kolleg-Königstein e.V. und der einzelnen Priesterwerke stehende Bibliothek. Mit 8 Stimmen und 3 Stimm-Enthaltungen beschließt die Konferenz die Redaktion der Königsteiner Studien Prof. Thiel zu übergeben. Zugleich empfiehlt sie regelmäßige Redaktionsbesprechungen – vor der Fertigstellung jeder Nummer – abhalten zu lassen. Es folgen die Anträge der Studentenschaft, eingeleitet durch ein Dankeswort des Asta-Vorsitzenden Grulich an die Professoren, daß die Prüfungsordnung in Übereinstimmung mit dem Jägerplan zur Zufriedenheit aller geregelt werden konnte. Die Hochschulkonferenz, die sich für die treue Befolgung des Jaegerplans im

Dokumentation

981

Sinne der von den Studenten ausgearbeiteten Version a ausspricht, übernimmt aus der Version b die Anregung, das Fach Christliche Kunst als fakultatives Fach anzubieten, jedoch sollen die Ostfächer und Missionswissenschaft obligat bleiben. Die Auslegungen des Jägerplans Version a und Version b können im Sekretariat eingesehen werden. Ferner stellt die Studentenschaft den Antrag, Frau Dr. Herbrich zu einer Gastvorlesung über ein psychologisches Thema einzuladen. Auf andere Gastvorlesungen will die Studentenschaft verzichten, weil sie die Gelegenheit, die Vorträge im HdB anzuhören, besser wahrnehmen will, ferner weil auf diese Weise die Hochschule finanziell entlastet werde. Es schließt sich die Frage an, welche Schritte die Leitung der Hochschule zu unternehmen gedenkt, die Studentenzahl zu heben. Der Vorschlag, im Vorlesungsverzeichnis die Bemerkung figurieren zu lassen, die Hochschule stehe auch Laientheologen zum Studium offen, findet allgemeine Billigung. Mit Nachdruck weist die Studentenschaft auf die Dringlichkeit hin der Aufnahme aller Studenten in die Krankenversicherung. Der Sozialreferent Leßmann bringt der Hochschulkonferenz durch den Asta-Vorsitzenden einige diesbezügliche Vorschläge zur Kenntnis. Die Hochschulkonferenz empfiehlt Herrn Leßmann, sich in dieser Angelegenheit mit Herrn Schleupner in Verbindung zu setzen. Schluß der Konferenz: 18,30 Uhr [handschr.] Kroker Protokollführer

[handschr.] Huber Rektor

982

Dokumentation

29. Hausordnung Priesterseminar [1968]1

I. Folgende Hausordnung wurde am 11. November 1968 von den Semestersenioren in einer gemeinsamen Konferenz mit dem Hochwürdigsten Herrn Weihbischof Dr. Kindermann und einigen Herren Professoren erarbeitet. Vor der Kommunität wurden dann die wichtigsten Punkte vom Herrn Weihbischof dargelegt und Gelegenheit zur Diskussion gegeben. – Ihre jetzige Gestalt erhielt die Hausordnung im SS 1969 nach weiteren Besprechungen der Semestersenioren mit Herrn Regens P. Tilzer. Bei der Abfassung der Hausordnung ließen sich alle Beteiligten von der Überlegung leiten, daß ein Zusammenleben in einer Gemeinschaft durchaus einer Ordnung bedarf, wobei diese Ordnung jedoch die besonderen Gegebenheiten und Zeitumstände weitgehend berücksichtigen muß. Die Hausordnung zeichnet sich daher durch eine gewisse Flexibilität aus, erfordert jedoch vom Einzelnen mehr Rücksichtnahme, Eigen- und Mitverantwortung. Die Ausübung der eigenen Freiheit findet dort ihre Grenzen, wo der andere durch mein Handeln in unnötiger Weise gestört wird. Es stellt sich somit für jeden immer die Frage, ob er sein Tun verantworten kann. Selbstkritisch und ehrlich sollte sich jeder dabei über die eigenen Motive Rechenschaft geben, um so zu einer tieferen Erkenntnis seiner selbst und zu verantwortungsbewußtem Handeln zu finden. Da jede Gemeinschaft der Eigeninitiative und der Mitarbeit aller bedarf, muß sich jeder auch für das Ganze verantwortlich fühlen und dies durch sein Engagement zum Ausdruck bringen. Ein Fernbleiben von den Gemeinschaftsveranstaltungen verlangt je nach ihrer Bedeutung eine hinreichende Begründung. Die Mitverantwortung erfordert vom Einzelnen auch den Mut, den anderen in der rechten Weise auf Fehler aufmerksam zu machen, und dies setzt die Bereitschaft voraus, sich selbst auch von anderen korrigieren zu lassen.

II. Werktagsordnung 7.00 7.30 – 8.00 8.15 12.45 (Sa 12.30) 14.30 – 15.30 1

KZG, Akten Bischofszimmer.

Eucharistiefeier Frühstück Vorlesungen Mittagessen, anschließend Adoratio Kaffee

983

Dokumentation

18,30 Abendessen 19,30 Abendgebet und an manchen Tagen Puncta 22.00 Schließung der Seminarpforte Für Betrachtung, Schriftlesung, Geistliche Lesung und Rosenkranz soll sich jeder eine bestimmte Tageszeit festsetzen.

III. Sonntagsordnung 7.40 8.00 9.00 – 9.30 12.00 14.30 – 16.00 18.00 19.25 18.30 22.00

Terz Eucharistiefeier Frühstück Mittagessen, anschließend Adoratio Kaffee Vesper oder Komplet Abendessen Schließung der Seminarpforte

Königstein, den 16. Mai 1969 (Es unterzeichneten) Regens P. Tilzer

Weihbischof Dr. Kindermann

Janzen, Obersenior

IV. Sonderregelungen 1. Gottesdienste a) Abendmesse: Montag und Freitag um 17.45 Uhr b) Byzantinischer Gottesdienst: Montag um 6.30 Uhr c) Komplet: Mittwoch um 19.30 Uhr

2. Puncta a) Pater Spiritual: Montag, Dienstag, Freitag und Samstag b) Pater Regens: Dienstag bzw. Freitag um 19.00 (14-tägig)

3. Abmeldung bei Abwesenheit a) Bei ganz- und mehrtägiger Abwesenheit ist die Erlaubnis des Herrn Regens einzuholen b) Wer nach 20.00 Uhr das Kolleg verlassen will, hat sich beim Obersenior abzumelden

984

Dokumentation

c) Hat jemand vormittags oder nach 16.00 Uhr in der Stadt etwas zu erledigen, dann soll er an seiner Zimmertür eine Notiz hinterlassen d) Kann einer an den Hauptmahlzeiten nicht teilnehmen, so hat er sich auch bei der Küche abzumelden e) Hausschlüssel sind beim Obersenior zu entleihen

4. Ruhe im Haus Außer der selbstverständlichen Rücksichtnahme im ganzen Haus ist in der Zeit von 13.30 bis 14.30 Uhr und nach dem Abendgebet besonders auf Ruhe zu achten. Während der Mittagszeit und ab 21.00 Uhr soll auf den Zimmern nicht mit der Schreibmaschine geschrieben werden. Im allgemeinen ist bis 22.30 Fernsehmöglichkeit gegeben und der Aufenthalt in der KiHi erlaubt.

Dokumentation

30. Tagesordnung des Priesterseminars Königstein/Ts.1

6.00 6,25 7.00 8.15 12.45 ab 13.30 bis 16.00 15.0015.30 ab 16.00 18.00 18.30 20.00

Uhr Wecken Morgengebet in der Kapelle – anschließend Betrachtung in der Kapelle oder auf dem Zimmer Heilige Messe – anschließend Frühstück Beginn der Vorlesungen Mittagessen – anschließend Adoratio im Hause Mittagsruhe (Donnerstag bis 23.00 Uhr) Ausgang Kaffeezeit Studium Angelus domini – Geistliche Lesung Abendessen Abendgebet und Puncta – anschließend Silentium religiosum Di. und Do. frei für approbierte Gruppen und Arbeitskreise

6.40 7.10

An einem Wochentage ist um 18.00 Abendmesse. Dann gilt: Wecken Morgengebet und Betrachtung – das Weitere wie üblich

7.00 7.45 8.00 12.00 bis 15.00 15.00 18.30 19.15 23.00

Wecken Terz in der Kapelle Heilige Messe in der Kollegskirche – anschließend Frühstück Mittagessen Mittagsruhe Kaffee Abendessen Komplet, Betrachtungspunkte (privat) Silentium

1

KZG 3115.

985

986

Dokumentation

31. Rede des AStA-Vorsitzenden bei der Hochschulkonferenz am 3.7.19701

Sehr geehrte Herren ! Obwohl wir diese Anfrage bereits in der Hochschulkonferenz vom 27.1.1970 vorbrachten, hat mich die Studentenschaft erneut beauftragt, dieses Mal eine eindeutige Auskunft über die Lage der Hochschule einzuholen. – Es herrscht Unruhe über den Weiterbestand der Phil.-Theol. Hochschule Königstein unter den Studenten. Noch drückt sich diese Unruhe in Sorge aus. Echte Sorge bedingt aber auch eine kritische Einstellung in negativem und positivem Sinn. Sie und wir sind uns im klaren, daß sich die Phil.-Theol. Hochschule Königstein in einer Krise befindet. Glauben Sie aber bitte nicht, daß wir Studenten durch unsere Kritik destruktiv wirken wollen (und die Auflösung der Hochschule, wie es der AStA in Fulda tat). Wir sind im Gegenteil davon überzeugt, daß die Phil.-Theol. Hochschule Königstein eine Aufgabe hat, die sie nicht abtreten darf. Gestatten Sie bitte, daß ich in aller Kürze eine Erläuterung zu unserer Anfrage gebe und gleichzeitig den jetzigen Zustand der Hochschule einer kritischen Prüfung aus studentischer Sicht unterziehe.

1. Ostausrichtung: Die Ostausrichtung unserer Hochschule wird viel propagiert und nimmt im Vorspann des Vorlesungsverzeichnisses viel Platz ein. Tatsächlich wurden bisher aber nur die Vorlesungen von Prof. Dr. Hampel (1 Stunde Ostkirchenkunde in der phil. Abteilung; 1 Stunde Orientalische Theologie und 1 Stunde Soziallehre in der theol. Abteilung) sowie die einstündige Vorlesung von Prof. Dr. Huber über die Kirchengeschichte im ostmitteleuropäischen Mehrvölkerraum diesen Ansprüchen gerecht. Gelegentliche Hinweise auf Probleme des Ostens in anderen Fächern haben mehr den Grad der Allgemeinbildung. Begrüßt werden muß allerdings, daß vorerst in diesem Semester der Blick etwas auf China ausgeweitet wurde (Gastvorlesungen und Philosophieseminar). Befähigen diese Studien jedoch wirklich " zu einer späteren intensiven Tätigkeit für dieses Anliegen" (Vorlesungsverzeichnis S. 2 / Nr. 2)? Wir geben zu: das Interesse für Sprachkurse usw. ist gering. Muß aber die "Bereitschaft zum Dialog mit unse-

1

KZG 3243.

Dokumentation

987

ren östlichen Nachbarn" (Vvz. S. 2 / Nr. 3) nicht auch durch wenigstens allgemeine Kenntnisse der Sprache, der Geschichte, der Kultur geweckt werden? Und liegt das Desinteresse nur aufseiten der Studenten begründet, wenn Sprachkurse von Professoren „umfunktioniert" werden, um Erlebnisse der eigenen Jugendzeit zum Besten zu geben, wenn dabei abfällige Bemerkungen über ein Volk gemacht werden oder Wenn trotz Interesse der Studenten wegen Überbelastung ein Sprachkurs aufgegeben werden muß? Im nächsten Semester haben wir mehr ost- und südosteuropäische Studenten als Deutsche bei uns. – Können auch Sie als deren Lehrer aufgrund Ihrer Vorkenntnisse diesen Studenten hinsichtlich der Probleme ihrer Völker und Staaten immer das rechte Verständnis entgegenbringen? Niemand von Ihnen oder von den anderen geistlichen Herren wurde für irgendeine Ausländergruppe bestellt, um sich derer spezifischen Probleme anzunehmen. Beinahe alle ausländischen Studenten sind nicht versichert. Es wurden jedoch vonseiten des AMK nur zögernd Versuche unternommen, zum Abschluß einer Krankenversicherung zu kommen. Erst auf studentische Initiative hin kam es zu ersten konkreten Ergebnissen. Obwohl das auch jetzt noch notwendig ist, wird für die ausländischen Studenten kein offizieller Sprachkurs mehr durchgeführt. An dieser Stelle möchten wir jedoch Prof. Dr. Hadrossek danken, der trotz Überlastung in eigener Initiative Sprachunterricht erteilt. Gerade in diesem Ziel der Ostausrichtung hat Königstein seine große Aufgabe. Vieles wird verdorben durch Unkenntnis und durch Stagnieren in einem Stadium der Beziehungen zu den osteuropäischen Völkern, welches seit mehreren Jahren überholt ist. Versäumen wir nicht eine große Chance! Eine Hochschule, die „in ihren Studenten und durch diese im deutschen Klerus und im deutschen Volke das Interesse für die religiös-kulturellen Werte des Ostens wachhalten“ will (Vvz. S. 4 / Nr. 2), ist sehr notwendig; sie muß aber auch ihre Aufgabe erfüllen können.

2. Ökumenische Ausrichtung: Im Zusammenhang mit der Ostausrichtung blicken wir auch auf die Angehörigen anderer Riten und Kirchen im Osten. Das Zusammenleben mit Studenten aus diesen Gemeinschaften bedeutet eine Bereicherung. Aber man sollte diese ausländischen Kommilitonen nicht nur zu Propagandazwecken gebrauchen, sondern ihre Anwesenheit sollte Ansporn zu verstärkten Bemühungen sein. Wenn u.a. diesen Studenten, die zumeist aus armen Ländern kommen, finanzielle Unterstützung zugesagt wird, diese aber erst nach mehrmaliger Intervention und wenn der betreffende Student wochenlang keinen Pfennig Geld mehr hat, gezahlt wird, dann dürfte solches Verhalten keineswegs von „ökumenischer Gesinnung“ (Vvz. S. 2 /Nr. 3) getragen sein.

988

Dokumentation

Unter den vielen Möglichkeiten, eine echte ökumenische Gesinnung zu zeigen, möchte ich nur anführen, daß die Jakobiten in der Türkei und verschiedene katholische Ritengemeinschaften keinerlei eigene Ausbildungsstätten für ihre Priesterstudenten besitzen. Auch hier: eine Aufgabe und eine Berechtigung für Königstein!

3. Ausbildung: Was die Ausbildung betrifft, so möchte ich hier die schon banal wirkende Aussage anführen: „Non scholae, sed vitae discimus“. – Sicher kann man nicht bestreiten, daß unsere Ausbildung auf das Leben hingeordnet ist. Aber, sehr geehrte Herren, vergessen Sie nicht manchesmal darauf, daß das Leben sich wandelt und sich auch in den letzten 25 Jahren gewandelt hat? Seit einigen Semestern studieren bei uns Laientheologen. Ohne Zweifell wird dadurch die Hörerzahl erhöht, aber man muß auch Sorge tragen für ihre Berufsausbildung. Wenn diese Studenten unsere Hochschule verlassen, erwachsen ihnen nicht zuletzt daraus Schwierigkeiten, daß unser Abschlußexamen nicht als Diplomprüfung anerkannt wird. Priesterstudenten und Laientheologen beklagen, daß die Ausbildung oft zu wenig gegenwartsbezogen ist. Manchesmal kann man sich auch des Eindrucks nicht erwehren, daß diesen Anforderungen auch wenig Interesse entgegengebracht wird. So stellte die Studentenschaft bereits mehrmals einen Antrag auf Einführung einer Psychologievorlesung und nur einem Zufall und dem Einsatz von Prof. Dr. Huber ist es zu verdanken, daß ab WS 1970/71 in diesem Fach ein Anfang gemacht wird. Mehrmals wurde ebenfalls bei der Ostakademie und beim „Haus der Begegnung“ vorgesprochen wegen Informationen über Vortragszyklen, die leider bis heute trotz Versprechungen ausblieben. Das Vorlesungsniveau wird ebenfalls in einigen Fächern zu Recht kritisiert. Und hier kann ich mir einigen Herren gegenüber einen Vorwurf nicht ersparen: wir Studenten haben es als beschämend, aber notwendig empfunden, einige der Herren Professoren zu bitten, ihre Vorlesungen zu überarbeiten. Keineswegs befürworten wir auch die Beauftragung fachfremder Herren mit einem vakanten Ordinariat. Wir sind aber gerne bereit, im Interesse der Hochschule ein gutes Niveau anzuerkennen. Doch sollte man auch hier Umsicht walten lassen. Anerkannt muß werden, daß die Herren Professoren Dr. Braunstein und Dr. Kruschina uns die Möglichkeit zum Predigen in ihren Pfarreien geben. Unsere Ausbildung für das Amt des Priesters oder des Theologen darf doch nicht in der Luft hängen, sondern wir müssen organisch schon während der Studienzeit und „gezielt“ mit der Umwelt konfrontiert werden.

Dokumentation

989

4. Anmerkungen zur Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden Ist aber nicht gerade in diesem Punkt der Einübung in den späteren Beruf eine Zusammenarbeit von Priesterseminar und Hochschule gefordert? Beide müssen sich sicherlich in der Aufgabenteilung unterscheiden, aber im Hinblick auf die gemeinsame Heranbildung von Priesterkandidaten müssen sie gemeinsame Sorge tragen. So ist doch wohl die vielzitierte Formel von der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden zu vorstehen. – Seien Sie versichert, sehr geehrte Herren, daß von vielen Studenten genau zugesehen wird, ob Ihre Worte und Ihre Taten übereinstimmen. (Viele richten nach Ihnen unbewußt ihr Priesterbild aus). Auf die Situation der Hochschule angewandt, drückt sich dieses Verhältnis von Lehrenden und Lernenden so aus: Haben Sie noch Interesse an dieser Einrichtung, dann auch wir. Wenn Sie auf den Zusammenbruch dieser Hochschule warten, dann ziehen auch wir die Konsequenzen. Anerkannt wurde besonders der Einsatz einiger Herren, die Aufgaben übernahmen, die von Studentenseite allein nicht bewältigt werden konnten (Prof. Dr. Reinelt – Bibliothek). Und bedanken möchte ich mich hiermit noch einmal bei allen, die unserer Sommerfahrt Interesse entgegenbrachten. Wir sehen jedoch auch bei aller unserer Kritik die Schwierigkeiten: die Krise in der Kirche, die finanzielle Lage der Königsteiner Anstalten, die Unsicherheit der kirchlichen Hochschulen und Theologischen Fakultäten, die geringe Anzahl der Theologiestudenten, bei uns das Übergewicht der ausländischen Kommilitonen usw. Ich persönlich glaube jedoch nicht, daß diese Fakten dazu berechtigen, stehen zu bleiben. Eine Ausbildungsstätte für Theologen kann es sich nicht leisten, an der Zeit vorbeizuleben und auf eine „bessere“ Zeit zu warten; sondern schon hier müssen die zukünftigen Theologen lernen, in die Zeit hineinzuhören und in diese Zeit hinein das Wort Gottes zu verkünden. Pointiert möchte ich also nach diesen Ausführungen, in denen ich versuchte, die Stimmung meiner Kommilitonen in Worte zu fassen, unsere Anfrage so formulieren: Sind Sie, sehr geehrte Herren, der Ansicht, daß unsere Hochschule in der gegenwärtigen Situation für die Zukunft noch eine Chance hat und was gedenken Sie zu tun?

990

Dokumentation

32. Neufassung Satzung Kolleg [22.4.1969]1

„Albertus – Magnus – Kolleg – Königstein e.V.“ Neufassung der Satzung beschlossen von der Mitgliederversammlung am 22. April 1969

§1 Der Verein als Vaterhaus der Vertriebenen führt den Namen „Albertus-MagnusKolleg-Königstein e.V.“. Sein Sitz ist in Königstein im Taunus.

§2 Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr; das erste Jahr läuft von der Eintragung in das Vereinsregister bis zum Schluß des Jahres.

§3 Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dez. 1953, und zwar will er insbesondere jungen, vor allem heimatvertriebenen Katholiken die Möglichkeit geben, Priester zu werden, indem er eine philosophisch-theologische Hochschule mit Theologenkonvikt (Priesterseminar), ein Gymnasium (Bischof-Neumann-Schule) mit Schülerkonvikt und eine höhere Schule für Spätberufene unterhält. Weiter will er heimatvertriebene Priester geistig wie auch nach Möglichkeit caritativ betreuen (Priesterreferat). Ausserdem bezweckt der Verein die Herausgabe religiösen Schrifttums. Die Herausgabe von Zeitschriften verfolgt ausschließlich und unmittelbar diese Zwecke. Etwaige Gewinne dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Sie erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück. Es darf keine Person durch Verwaltungsausgaben,

1

KZG, Akten Bischofszimmer.

Dokumentation

991

die den Zwecken des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.

§4 Der Verein soll in das Vereinsregister eingetragen werden.

§5 Mitglied kann jede natürliche und juristische Person werden, die bereit ist, die Zwecke des Vereins zu verfolgen. Die Aufnahme erfolgt auf schriftlichen Antrag durch die Mitgliederversammlung nach. Anhörung der kirchlichen Aufsichtsbehörde. Der Antrag kann ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden.

§6 Die Mitgliedschaft erlischt 1. durch den Tod des Mitgliedes oder Auflösung; 2. durch Austrittserklärung des Mitgliedes; sie bedarf der schriftlichen Erklärung an den Vorstand; die Erklärung kann vor Beginn eines Vierteljahres zu dessen Ablauf gegeben werden; 3. durch Ausschlußerklärung seitens der Mitgliederversammlung nach Anhörung der kirchlichen Aufsichtsbehörde; sie kann erfolgen a) wenn das Mitglied seine Vereinspflichten nicht erfüllt, b) wenn das Mitglied vorsätzlich das Ansehen oder die Interessen des Vereins verletzt. Die Ausschlußerklärung erfolgt durch schriftlichen Bescheid des Vorstandes. Sie tritt sofort in Wirksamkeit. Gegen den Ausschlußbescheid ist binnen einer Frist von 2 Wochen Berufung an den Herrn Bischof von Limburg zulässig.

§7 Die Mitglieder haben einen Jahresbeitrag zu zahlen, dessen Höhe vom Vorstand mit Genehmigung der Mitgliederversammlung festgesetzt wird.

§8 Wer die Ziele des Vereins fördern will, kann durch schriftliche Vereinbarung mit dem Leiter Förderer werden, wenn er sich zur Zahlung eines jährlichen Beitrages ver-

992

Dokumentation

pflichtet. Die Förderer sind nicht Mitglieder. Das Vertragsverhältnis kann vom Vorstand und von dem Förderer schriftlich zum Schlusse des Jahres gekündigt werden.

§9 Vorstand im Sinne des § 26 des BGB ist ein Verwaltungsrat von drei Personen, von denen einer der Leiter ist. Außerdem gehören dem Vorstand als beratende Mitglieder der jeweilige Regens des Priesterseminars, der jeweilige Direktor der „BischofNeumann-Schule“ und der jeweilige Leiter des Priesterreferates an. Der Leiter und die beiden übrigen Vorstandsmitglieder werden von dem Herrn Bischof von Limburg im Einverständnis mit dem Herrn Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenzen bestellt und abberufen. Für Rechtsverbindlichkeit ist außer der Unterschrift des Leiters die Mitunterzeichnung wenigstens eines weiteren Vorstandsmitgliedes erforderlich. Der genannte Verwaltungsrat ernennt für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vereins im Sinne des § 30 BGB im Einverständnis mit dem Herrn Bischof von Limburg und dem Herrn Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenzen einen Geschäftsführer.

§ 10 Der Verein untersteht der Aufsicht des Herrn Bischofs von Limburg.

§ 11 Die Vereinsgeschäfte werden geführt nach einer Geschäftsordnung, die vom Herrn Bischof von Limburg im Einverständnis mit dem Herrn Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenzen erlassen wird.

§ 12 Alljährlich findet in der ersten Hälfte des Jahres eine ordentliche Mitgliederversammlung statt. Außerdem können Mitgliederversammlungen stattfinden, so oft es die Interessen des Vereins erfordern oder wenn mindestens 7 Mitglieder einen schriftlichen Antrag auf Einberufung der Mitgliederversammlung stellen unter Angabe der Tagesordnung der Versammlung. Die Mitgliederversammlungen sind von dem Vorstand durch schriftliche Einladungen an die einzelnen Mitglieder unter Angabe der Tagesordnung einzuladen. Zwischen der Aufgabe der Einladungsschreiben zur Post und dem Tag der Versammlung muß eine Frist von zwei Wochen liegen.

Dokumentation

993

§ 13 Die Mitgliederversammlung nimmt den vom Vorstand vorzulegenden Jahresbericht und Rechnungsbericht entgegen und kann dazu Stellung nehmen. Außerdem beschließt sie über die Entlastung des Vorstandes, über die Voranschläge, über die Höhe des Jahresbeitrages und über Vorschläge zur Änderung der Satzung.

§ 14 Die Mitgliederversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit der erschienenen und abstimmenden Mitglieder. Zur Änderung von Satzungsbestimmungen, auch über den Zweck des Vereins, muß die Mehrheit 2/3 betragen. Außerdem bedürfen solche Beschlüsse der schriftlichen Genehmigung des Herrn Bischofs von Limburg und des Herrn Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenzen.

§ 15 Über den Verlauf der Mitgliederversammlung und über die von ihr gefaßten Beschlüsse ist eine Niederschrift anzufertigen, die von dem Vorsitzenden und einem Mitglied zu unterzeichnen ist. Die Niederschrift ist in der nächsten Mitgliederversammlung mitzuteilen und gilt als von den Mitgliedern anerkannt, wenn in dieser Versammlung kein Widerspruch erhoben wird. Die Niederschriften sind aufzubewahren und den Mitgliedern auf Wunsch vorzulegen.

§ 16 Bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall seines bisherigen Zweckes fällt das Vermögen des Vereins, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an den Bischöflichen Stuhl von Limburg, der es unmittelbar und ausschließlich für kirchliche Zwecke nach Weisung der Bischofskonferenz in Fulda zu verwenden hat.

994

Dokumentation

33. Königsteiner Blätter – Inhalt

I/1955 Nr. 1-4 Hadrossek, Paul Sladek, P. Paulus (Friedrich) Hosp, P. Eduard Schmauch, Hans

Die Problematik des Rechts auf Heimat Von der Ewigkeit des Volkstums Die Abstammung des hl. Clemens Maria Hofbauer Deutscher oder Pole?

II/1956 Nr. 1 Krempel, A. Kindermann, A. Huber, A. K.

Der kenternde Gemeinschaftsbegriff Die Weihe der aus deutschen Ostgebieten vertriebenen Theologen Begegnungen zwischen Goethe und dem Katholizismus in Böhmen

II/1956 Nr. 2 Hadrossek, Paul Klapper, Joseph Kosler, Alois-Maria Neisner, Winfried

Die Problematik des Rechts auf Heimat Mittelalterliches Geistesleben in Oberschlesien Profil der Dichtung Oberschlesiens Der schlesische Katholizismus im Spiegel polnischer Darstellung

II/1956 Nr. 3 und 4 Groß, Ernst Krempel, A. Scheffczyk, Leo Gottschalk, Joseph Huber, A. K.

Ist Atheismus überhaupt möglich? Was heißt Überzeugung? Zur theologischen Sinndeutung des Verhältnisses von Heilsgeschichte und Weltgeschehen Der geistliche Verwandtenkreis der heiligen Hedwig – ein Band zwischen Ost und West Begegnung zwischen Goethe und dem Katholizismus in Böhmen

Dokumentation

995

III/1957 Nr. 1 und 2 Beumer, Johannes Klapper, Joseph Gottschalk, Joseph Scherzer, P.J.A.

Diaspora. Theologische Erwägungen im Anschluss an den Sprachgebrauch des Wortes Mittelalterliches Geistesleben in Oberschlesien Neueste wissenschaftliche Literatur zur Geschichte des Ostens in deutscher Sprache Eine Grenzstadtpfarre im Umbruch der Zeit

III/1957 Nr. 3 Scheffczyk, Leo Gottschalk, Joseph

Der Beitrag der fränkischen Theologie zur Entwicklung der Lehre von der assumptio corporalis Mariens Der geistliche Verwandtenkreis der heiligen Hedwig – ein Band zwischen Ost und West

III/1957 Nr. 4 Hadrossek, Paul Lorenz, Willy

Die Problematik des Rechts auf Heimat Th. G. Masaryks religiöser Werdegang

IV/1958 Nr. 1-4 Gottschalk, Joseph Ders. Hahn, K.J. Lieball, J. Nielen, J.M. Ders. Plaschka, R.G. Scheffczyk, Leo Siegmund, G.

Ein Exilpole schreibt über Ostmitteleuropa Deutschland und Polen Kolbenheyers theatralisches Spätwerk: "Menschen und Götter" Das Himmelfahrtsfresco in der Unterkirche von S. Clemente in Rom in der Zeit Leos IV. Was heißt und was ist katholische Weltanschauung? Augustinus immer und heute Historie der Revolution. Das Geschichtsbild der Tschechen in der Analyse ihrer Historiker Christus als Mitte der Mariengeheimnisse Der Atheismus Russlands

V/1959 Nr. 1-4 Braunstein, K. Huber. A.L. Janosi, J.

Die Vertreibung im Lichte des Naturrechts Erzherzog Huber von Österreich als Erzbischof von Olmütz Neue Untersuchungen über den dialektischen Materialismus

996 Menges, W. Siegmund, G. Ders. Ders.

Dokumentation

Die Mischehenfrage statistisch und soziologisch gesehen unter besonderer Berücksichtigung der hessischen Verhältnisse Ludwig Feuerbach: Der Umschlag des Idealismus zum Atheismus „Aber Gott war da.“ Zu einem Buch von Ivan Lissner Von den Wurzeln des modernen Atheismus und seiner Überwindung

VI/1960 Nr. 1-4 Braunstein, K. Jánosi, J. Juhász, K. Scholz, F.

Die Vertreibung im Lichte des Kirchenrechts Zur Problematik des Naturrechts Ein ungarischer Kirchenfürst zur Zeit der Renaissance Hat der Mann das letzte Wort in der Ehe?

VII/1961 – Nr. 1 und 2 Scheffczyk, L. v. Rauchhaupt Haug

Natürliches Gotterkennen: Weg oder Irrweg des Geistes Über Göttliches Recht und Naturrecht in der Gegenwart Chinas Geschichte und Kultur

VII/1961 – Nr. 3 Nielen, J.M. Braunstein, K.

Eucharistie in biblischer Auffassung und Darstellung (I. Teil) Ambros Opitz (1846 – 1907)

VII/1961 – Nr. 4 Nielen, J.M. Kroker, E. Juhász, K.

Eucharistie in biblischer Auffassung und Darstellung (II. Teil) Zur Wiederkehr Otto Willmanns Benedikt, Bischof von Tschanad (1307 – 1332)

VIII/1962 – Nr. 1 und 2 Hirt, P. Heitfeld, L. Mattausch, R.

Apriori und Aposteriori in der Formalwirkung der heiligmachenden Gnade Erlebnis der Gehirnwäsche Missionsarbeit und Reichspolitik des hl. Gunther

Dokumentation

997

VIII/1962 – Nr. 3 und 4 Scheffczyk, L. Braunstein, K. Ganse, F.G.

Der endzeitliche Charakter der Eucharistiefeier und seine biblische Begründung Naturrechtliche Überlegungen zur Wiedergutmachung der Vertreibung Grundriß einer schlesischen Diözesankunde

IX/1963 – Nr. 1 Drewniak, L. Juhász, K.

„Gott, der Allmächtige, und seine hochwürdige Mutter E. Christovich (1777 – 1798) und sein Banater Bistum

IX/1963 – Nr. 2 und 3 Nielen, Jos. Ehlen, Peter Mattausch, Rudolf

Christliche Individualität und kirchliche Universalität Der neue kommunistische Mensch Die deutsche Literatur in Böhmen, Mähren und Schlesien als kulturgeschichtliches Problem

IX/1963 – Nr. 4 Steller, Walter Juhász, K.

Slawentheorie und Kolonisationshypothese E. Christovich (1777 – 1798) und sein Banater Bistum (Forts.)

X/1964 – Nr. 1 und 2 Steller, W. Huber, A.K. Juhász, K.

Slawentheorie und Kolonisationshypothese (Schluß) Kirche und deutsche Einheit im 19. Jahrhundert E. Christovich (1777 – 1798) und sein Banater Bistum (Forts.)

X/1964 – Nr. 3 und 4 Drewniak, L. Huber, A.K. Juhász, K.

Virgo clemens – Judicis duri Placatric Kirche und deutsche Einheit im 19. Jahrhundert (Forts.) E. Christovich (1777 – 1798) und sein Banater Bistum (Schluß)

998

Dokumentation

XI/1965 Hampel, A. Huber, A.K. Kroker, E.J.M. Peano, L.

Tod und Unsterblichkeit in der Lehre Karl Barths Kirche und deutsche Einheit im 19. Jahrhundert (Forts.) Das Absolute bei Chuang Tzu Ekklesiologie des russischen Laientheologen A.S. Chomjakov

(XII)/1966 – Nr. 1 Huber, A.K. Braunstein, K.

Kirche und deutsche Einheit im 19. Jahrhundert (Schluß) Vertreibung im Lichte des Völkerrechtes

(XII)/1966 – Nr. 2 Falk, Heinrich Rabas, Josef

Geist aus Materie Ostkundliche Aspekte der Kirchengeschichte im Religionsunterricht an höheren Schulen

(XII)/1966 – Nr. 3 Schulz, Hans-Joachim Möhler, Justin Adalbert

Die wirksame Gegenwart Christi in den bildhaftsymbolischen Handlungen der Eucharistiefeier Das Fehlen des Ehewillens als kanonischer Nichtigkeitsgrund

(XII)/1966 – Nr. 4 Lemberg, Eugen Scholz, Franz Miksch, Ferdinand L.

Der geistige Wandel im Marxismus-Leninismus Ostmitteleuropas Die moraltheologische Bewertung der Zärtlichkeit bei Thomas v. Aquin Zum Ertrag des Mendel-Jubiläums (1865 – 1965)

(XIII)/1967 – Nr. 1 Scheffczyk, Leo Veiter, Theodor

Hoffnungen und Probleme des geschichtlichen Wandels in der Kirche Glaube und Volk bei den Slowenen und Kroaten 1918 – 1930

Dokumentation

999

(XIII)/1967 – Nr. 2 Scheffczyk, Leo Gilen, Leonhard SJ

Die Frage nach dem Menschen in den Geistesströmungen der Gegenwart und die christliche Antwort Persönlichkeitstheorien in der gegenwärtigen Psychologie

(XIII)/1967 – Nr. 3 Manthey, Franz Scholz, Franz

Menschliche Existenz nach Karl Marx Der Kommentar Franz von Vitorias und seines „anónimo sustituto“ zu S. th. [Summa theologiae] II 2, q 154, a 4 über die sittliche Beurteilung der Zärtlichkeiten zwischen Nichtverheirateten

(XIII)/1967 – Nr. 4 Beumer, Johannes SJ Schulz, Hans-Joachim Hirt, Peter C.

Die Suffizienz der Heiligen Schrift nach dem Glaubensverständnis der lutherischen Hochorthodoxie Die Entsprechung liturgischer und dogmatischer Tradition in der Entwicklung der byzantinischen Liturgie Das kommunistische Humanitätsideal im Lichte der natürlichen Prinzipien des christlichen Humanismus

(XIX)/1968 – Nr. 1 Manthey, Josef Rabas, Josef Pawelitzki Richard

Die Religionstheorie von Ernst Bloch Zur Krisis einer Ostkunde im katholischen Religionsunterricht Bewegungen innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland gegenüber den Aussagen der modernen Theologie

(XIX)/1968 – Nr. 2 Borucki, Joseph Schulz, Hans-Joachim Beumer, Johannes SJ

Der deutsche Kanon – eine Übersetzung? Theologische Anmerkungen zur deutschen Kanonübersetzung Die Reformation in Frankfurt am Main nach der zeitgenössischen Chronik des Kanonikus Wolfgang Königstein

1000

Dokumentation

(XIX)/1968 – Nr. 3 Manthey, Franz Schön, Konrad

Der marxistische Humanismus von Adam Schaff Aristoteles und Karl Marx: Zur Lehre vom Wert

(XIX)/1968 – Nr. 4 Gilen, Leonhard SJ Hirt, Peter Reinelt, Heinz Drewniak, Leander OSB Dokumentation

Schichtentheorie und Aufbau der Persönlichkeit Kommunistische und christlich-sittliche Freiheitsauffassung „Selig sind die Friedensmacher, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Mt 5,9) Bischofskonferenzen, Bischofssynode und Bischofsmehrheit – Ein nüchterner Kalkül Zur Kirchenpolitik in der ČSSR

(XV)/1969 – Nr. 1 und 2 Braunstein, Karl Janko, Anton Reinelt, Heinz Borucki, Joseph Thiel, Josef Pilhatsch, Franz Gilen, Leonhard SJ Hadrossek, Paul

Das nordböhmische „Niederland“ – Land der Bischöfe Die Bibel in Böhmen Die Entwicklung der kirchlichen Ämter nach den neutestamentlichen Schriften Prex eucharistica II, lateinisch und deutsch Die Entstehung der atheistischen Weltanschauung im Alten China Die Bantu-Philosophie und ihre missionarische Auswertung Lebensgefühl und Lebensgrundstimmung Zur Analyse unserer gegenwärtigen Gesellschaft

(XV)/1969 – Nr. 3 Huber, Augustinus Hampel, Adolf

Iberische Kulteinflüsse im Barock der böhmischen Länder Die christliche Zukunftserwartung nach der existentialen Interpretation Rudolf Bultmanns

(XV)/1969 – Nr. 4 Manthey, Franz Reinelt, Heinz

Die Anthropologie des tschechischen Philosophen Karel Kosik Prolegomena zur Apokalypse des Johannes

Dokumentation

1001

(XVI)/1970 – Nr. 1 Escribano-Alberca, Igna- Zukunftsbezogene Interpretation der Offenbarung cio Fuhrich, Hermann Der Heimgarten zu Neisse Thiel, Josef Der Sühnegedanke im Archaischen China

(XVI)/1970 – Nr. 2 Grulich, Rudolf Manthey, Franz Thiel, Josef

Die Armenische Kirche in der Ökumenischen Bewegung Die Religionstheorie des polnischen Neo-Marxisten Leszek Kolakowski Berichte über wunderbare Geburt und ihre Kritik im Alten China

(XVI)/1970 – Nr. 3 und 4 Reinelt, Heinz Beumer, Johannes SJ Veiter, Theodor Grulich, Rudolf Thiel, Josef Borucki, Josef

Prolegomena zur Apokalypse des Johannes (Fortsetzung) Das Erste Vatikanische Konzil gegenüber dem Glauben, der Verkündigung und der Theologie von heute Revanchismus und Grenzen in Ostwesteuropa Der Weg der Mazedonischen Literatursprache Der Friedenswillen des chinesischen Volkes (1) Übersetzen liturgischer Texte

(XVII)/1971 – Nr. 1 Scheffczyk, Leo Bolley, Alfons Heydte, Frhr. v. d.

Grundströmungen heutiger Theologie Zur Psychologie der Meditationsmethode „Anwendung der Sinne“ Die Ostverträge im Völkerrecht

(XVII)/1971 – Nr. 2 Beumer, P. Johannes SJ Manthey, Franz Hang, Thaddäus

Der Kanon der neutestamentlichen Schriften und seine Begründung durch den apostolischen Ursprung Leszek Kolakowskis philosophische Anthropologie Das Studium der Philosophie im heutigen Rot-China

1002

Dokumentation

(XVII)/1971 – Nr. 3 und 4 Scholz, Franz Siegmund, Georg Kosler, Alois M. Thiel, Josef Hadrossek, Paul

Zum Thema Unwissenheit und Verantwortung Die Dämonie des Geschlechtlichen Einige Probleme der oberschlesischen Bildungsgeschichte und ihre Aktualität heute Der Friedenswille des chinesischen Volkes (2) Das Humanum im kritischen Humanismus Herbert Marcuses

(XVIII)/1972 – Nr. 1 Janko, Anton Veiter, Theodor Pilhatsch, Franz

In Memoriam Prof. Dr. theol. Paul Hadrossek Biblische Fragen in der Verkündigung heute Völkerrechtliche und staatspolitische Aspekte der Verträge von Moskau und Warschau Mission – Selbstvollzug der Kirche

(XVIII)/1972 – Nr. 2 und 3 Siegmund, Georg Gilen, Leonhard Gottschalk, Joseph Madey, Johannes

Der Mensch vor Gott (1. Teil) Die Formen des Selbstgefühls Die frühen liturgischen Drucke für die Diözese Breslau Orthodoxe Stellungnahme zu einer „ökumenischen“ Übersetzung der Glaubensbekenntnisse von Nizäa und Konstantinopel

(XVIII)/1972 – Nr. 4 Beumer, Johannes

Siegmund, Georg

Zur Vorgeschichte des neutestamentlichen Schriftenkanons nach den Zeugnissen des frühen Christentums Exkurs: Umstrittene Belege aus der altchristlichen Literatur Der Mensch vor Gott (Schluß)

(XIX)/1973 – Nr. 1 Hang, Thaddäus Ryschawy, Franz

Existenzphilosophie und chinesisches Denken Der Bolzanosche Gottesbeweis und seine philosophischen Voraussetzungen Kozhimala, Chinamma P. Die katechetische Bedeutung der symbolischen Zeichen und Handlungen im ostsyrischen Tauf- und Firmungsritus

Dokumentation

Vavanikunnel, Georg Siegmund, Georg

1003

Einheitsrituale für Kerala – ein Vorteil für die Kirche? In memoriam Erich Przywara

(XIX)/1973 – Nr. 2 Kleber, K.-H. Rudolf, Rainer Kloss, Heinz

Notwendiger Hilfsdienst: Geschichte der Moraltheologie Die Bibliothek des Preßburger Stadtschreibers Liebhard Eghenvelder Reaktionäre Strukturelemente im Warschauer Vertrag

(XIX)/1973 – Nr. 3 und 4 Samulski, Robert Siegmund, Georg Grulich, Rudolf Beumer, Johannes

Georg Siegmund. Leben und Schaffen Grundeinsichten in das Wesen des Menschen Die Volksgruppen in Jugoslawien Zu Mt 25,1ff.

(XX)/1974 – Jahresheft Janko, Anton Huber, Kurt Augustinus Schäfer, Philipp Marschall, Werner Rock, Martin Grulich, Rudolf

In Memoriam Weihbischof Prof. Dr. Adolf Kindermann 25 Jahre Hochschule und Priesterseminar Königstein Tausend Jahre Bistum Prag Zur hese: Christentum ohne Kirche Die Beurteilung der „Konstantinischen Wende“ in der heutigen kirchenhistorischen Forschung „Revolution“ in der Perspektive katholischer Sozialethik Liturgie in der Lingua Vernacula und die Volksgruppen und Sprachminderheiten Europas

(XXI)/1975 – Jahresheft Schäfer, Philipp Piegsa, Joachim Kleber, Karl-Heinz Thon, Nikolaus Englert, Ewald H. Dodić, Lazar Grulich, Rudolf Thon, Nikolaus Pilhatsch, Franz

Zum Thema „Versöhnung“ Marxistische Humanität Marxistische Ethik und christliche Moraltheologie Theologie der Ikonenmalerei Probleme der Migration Berichte: Georg Stadtmüller zum 65. Geburtstag Literaturbericht über Volksgruppen Europas Die orthodoxen Kirchen Islam und Christentum

1004

Dokumentation

(XXII-XXIV)/1976-78 – Jahresheft Engling, Clemens Englert, Ewald H. Englert, Ewald H. Kleber, Karl-Heinz Porsch, Felix Stolte, Manfred Weber, Wilfried Weber, Wilfried Borucki, Joseph Schütz, Christian Grulich, Rudolf Grulich, Rudolf

Über den Begriff der Theologie, ihre Begründung und ihre Funktion bei dem Anton Günther Schüler Johann Nepomuk Ehrlich (1810:1864) Macht als psychologisches Problem Legitimationsprobleme der Herrschaft aus psychologischer Sicht Euthanasie – Zeichen einer Krise mitmenschlicher Liebesbereitschaft Die Auseinandersetzung mit den „Pneumatikern" in frühchristlichen Gemeinden Wege zur Apostelgeschichte – Aktualisierung biblischer Botschaft im modernen Religionsunterricht Armut und Reichtum aus christlicher Sicht Das Problem der Enttäuschung aus biblischer Sicht – eine Anfrage an die praktische Theologie heute „Und mit Deinem Geiste" Heimat – eine Anfrage an Glaube und Theologie Die Katholische Kirche in Jugoslawien. Eine Bestandsaufnahme Der Islam in Jugoslawien

(XXIV)/1978, Nr. 2 Scholz, Franz Hampel, Adolf Weber, Wilfried Komp, Hans-Dieter Grulich, Rudolf Grycz, Wolfgang

Das Ringen um den Anspruch des religiösen Gewissens bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Die eurokommunistische Revision der marxistischen Religionskritik. Von der Theologie der Befreiung zur Praxis der Befreiung. – Religion im Spannungsfeld der Politik. Die kommunistische Religionspolitik gegenüber der unierten Griechisch-Katholischen Kirche der Ukraine seit 1944. Neue Religionsgesetze in Jugoslawien. Katholische Presse in Polen.

(XXV)/1979 – Nr. 1 und 2 Scheffczyk, Leo Schulz, Hans-Joachim Piegsa, Joachim

Vernunft und Glaube unter modernem Problemaspekt Die Liturgie als Interpretationsprinzip der Dogmenentfaltung mit der Orthodoxie Das Christliche Europa unser Ziel, die Heilige Hedwig unser Vorbild

Dokumentation

Schäfer, Philipp Reinelt, Heinz Kleber, Karl-Heinz Nastainczyk, Wolfgang Rock, Martin Veiter, Theodor Kroker, Eduard Huber, Kurt A. Weber, Wilfried

1005

Freiheit – Gabe des Heiles in dieser Welt Die Zeile „acht” der Mescha-Stele im Vergleich mit den geschichtlichen Angaben in den Königsbüchern des Alten Testamentes Sucht und Süchtigkeit in der modernen Gesellschaft als ethische Aufgabe Buße als Lernprozeß Marxismus und Christentum – Welchen Stellenwert hat für sie menschliches Leid? Die Menschenrechte in freiheitlich-demokratischer und in marxistisch-leninistischer Sicht Tod, Ende und Vollendung in der chinesischen Philosophie Franz M. Schindler – ein „Reformkatholik”? Neue Wege der Evangelisation in Ostasien

(XXVI)/1980, Nr. 1 und 2 Fries, Heinrich Gründel, Johannes Piegsa, Joachim Bialas, Martin Koppe, Karlheinz Nittner, Ernst Kroker, Eduard

Einheit des Glaubens – Vielfalt der Theologie Ist Moral heute noch verbindlich? Dialektik von Liebe und Haß? Paul vom Kreuz – „Charismatiker des Kreuzes” Europas Weg – Gedanken eines besorgten Beobachters Das deutsch-tschechische Gespräch und die innertschechische Diskussion über die Ausweisung der Sudetendeutschen Das Menschenbild im heutigen China

(XXVII)/1981 – Nr. 1 und 2 Dahm, Helmut Spieker, Manfred Bialas, Martin Püttner, Günter Kroker, Eduard

Russische Philosophie – Tradition und Gegenwart Eurokommunismus und Christentum – Zu den Grenzen des Dialogs Paul vom Kreuz — „Charismatiker des Kreuzes“ (2. Teil) Freie Schulen und informative gymnasiale Oberstufe Ehe und Familie in der chinesischen Welt

(XXVIII)/1984 – Nr. 1 und 2 Nittner, Ernst Jonas, Hans

Die deutsch-slawische Nachbarschaft in europäischer Sicht als ostkundliches Unterrichtsprinzip Technik, Ethik und Biogenetische Kunst. Betrachtung zur neuen Schöpferrolle des Menschen

1006 Rock, Martin Schleser, Walter Fr. Mackiw, Theodor Scholz, Franz Piegsa, Joachim

Dokumentation

Herausforderung der Kirche: Umweltkrise – ein „Zeichen der Zeit“ Rückführung, Aussiedlung und Familienzusammenführung Deutscher aus Ost- und Südosteuropa Interpretation der ukrainischen Geschichte Zum Ringen um sittliche Normen, die dem Menschen angepaßt sind Pastorale Fragen zu Ehe und Familie heute

(XXIX)1985 – Nr. 1 Splett, Jörg Braunstein, Karl Scholz, Franz Pieschl, Dietfried

Mensch und Heimat – eine philosophische Grundüberlegung Heimat und Vertreibung im Lichte des Naturrechts Mensch – Heimat – Glaube – Moraltheologische Überlegungen Wissenschaftstheoretische Aspekte zum Begriff „Heimat" aus der Sicht moderner, daseinsanalytisch-anthropologisch orientierter Psychiatrie

Dokumentation

34.

1007

Genehmigung der Eröffnung der St. Albertus-Schule [28.12.46]1

Grosshessisches Staatsministerium Der Minister für Kultus und Unterricht

Wiesbaden den 28.XII. [46] Bierstadter Strasse 7

Betr.: Eröffnung der St. Albertus-Schule, Realgymnasium, in Königstein/Ts. Bez: Bericht der Kirchlichen Hilfsstelle, Monsignore Albert Büttner, Hauptstelle, Frankfurt/Main-Süd vom 16.11.46 Az.C III/B/La An den Herrn Regierungspräsidenten - Schulabteilung (II/6) Wiesbaden An die Kirchliche Hilfsstelle Monsignore Albert Büttner Hauptstelle Frankfurt/Main-Süd Stresemann-Allee 36 Ich genehmige die Eröffnung der St. Albertus-Schule, Realgymnasium in Königstein/Ts. und ersuche, mir über den Herrn Regierungspräsidenten den Unterhaltsträger der Schule mitzuteilen. Die Beschäftigungsgenehmigung an der vorgenannten Schule wird auf Grund der stattgefundenen Überprüfung durch den Herrn Minister für politische Befreiung für folgende Lehrkräfte erteilt: 1. Msgr. Dr. Paul Ramatschi 1. Präfekt Josef Krzoska Für die nachstehend aufgeführten Lehrer wird über die Beschäftigungsgenehmigung nach dem Ausfall der von hier eingeleiteten politischen Überprüfung entschieden: 1. Studienrat Eduard Brix, 2. Studienrat August Jobst,

1

KZG 3089.

1008

Dokumentation

3. Studienrat Theodor Ricken, 4. Studienassessorin Gertrud Reichelt, 5. Prof. Dr. Kindermann. Für Studienrat Schwarz ist ein politischer Fragebogen zur Einleitung der Überprüfung durch Monsignore Albert Büttner nachzureichen. Im Auftrage: gez. Dr. Hillmann Reg.- und Schulrätin

1009

Dokumentation

35. Liste der an der St. Albertus Schule tätigen Lehrkräfte [1946]1

Unterrichtsbeginn 8.1.1947 Name Brix, Eduard

Unterricht in Latein, Griech.

Stundenzahl vollbesch.

Jobst, August

Engl., Französ.



Triller, Alfons Triller, Anneliese Sicherl, Martin

Deutsch, Gemeinschaftskunde Geschichte Latein

6 12

Thoma Kehlmeyer Loch Reichelt

Mathemat. Englisch Kunstgeschichte Erdkunde

12 3 2 2

1

KZG, Bestand RKA D XI.7.

14

Bemerkungen Zimmer mit Verpflegung Wohnung u. Verpfleg. f. 2 Erw., 4 Kinder (4 Zimmer) Wohnung u. Verpfleg. f. 3 Erwachs. (3 Zimmer) Zimmer mit Verpflegung ab 8.1.47 ab 21.1.47 will kein Honorar ab 8.1.47

1010

Dokumentation

36. Liste der Lehrkräfte für die Reifeprüfungslehrgänge am Theologenkonvikt in Königstein/Taunus [1946]1

1) Regens Prälat Ramatschi, zuletzt Regens am Priesterseminar in Breslau Unterrichtsfach: Religion 2) Professor Adolf Kindermann, zuletzt Professor an der Deutschen Universität in Prag Unterrichtsfach: Gemeinschaftskunde 3) Studienrat Eduard Brix, zuletzt an der Oberschule für Jungen in Komotau Unterrichtsfächer: Latein, Griechisch Spruchkammerbescheid: auf mündliche Nachfrage: Mitläufer 4) Studienrat August Jobst, zuletzt an der Staatlichen Internatsschule in Königsfeld/Schwarzwald Unterrichtsfächer: Deutsch, Französisch, Englisch Spruchkammerbescheid: Mitläufer (vorläufiger Bescheid des 1. öff. Anklägers) 5) Baurat Theodor Ricken, zuletzt als Lehrer an der Staatlichen Ingenieurschule in Frankfurt/Main (seit 1935) Unterrichtsfächer: Mathematik, Physik Spruchkammerbescheid: Mitläufer (Entscheidung des 5er Ausschusses steht noch aus) 6) Studienrat Dr. Schwarz, zur [Zeit] an der Oberschule in Oberstdorf/Allgäu tätig Unterrichtsfächer: Deutsch, philos. Propädeutik Spruchkammerbescheid: Mitläufer, Revision zur vollständigen Entlastung eingeleitet 7) Stud.Ass. Gertrud Reichelt, zuletzt an der Oberschule für Jungen in Treuburg/Ostpr. Unterrichtsfächer: Geographie, Geschichte politisch unbelastet

1

KZG, Bestand RKA D XI.7.

Dokumentation

1011

37. Statut der St. Albertschule1

Albertus-Magnus-Kolleg Königstein e.V. Postscheckkonto: Frankfurt (Main) 794 Bankkonto: Nassauische Landesbank Zweigstelle Königstein-Taunus 138913

(16) Königstein i. Ts. (Hessen), Ruf: Frankfurt a M. 566 96 Königstein i.Ts. 297

Statut der St. Albertschule in Königstein/Ts. §1 Aufgabe der St. Albertschule in Königstein/Ts. ist es, den vom St. Albertus-MagnusKolleg in Königstein/Ts. e.V. im Sinne des § 3 seiner Statuten betreuten Jungen eine den staatlichen wie kirchlichen Anforderungen entsprechende schulische Ausbildung in den Lehrfächern eines humanistischen Gymnasiums zu geben.

§2 Lehrplan wie Durchführung des Lehrplanes richtet sich demnach nach den für die Höheren Schulen der gymnasialen Richtung im Lande Hessen geltenden staatlichen Bestimmungen.

§3 Um eine zur Erreichung des durch den obz. § 3 der Statuten des St. Albertus-MagnusKollegs e.V. festgelegten Erziehungsziels der Schule notwendige einheitliche Erziehung der Schüler zu sichern, müssen Leiter wie Lehrer der Schule katholisch sein. Sie sollen in ihrer Unterrichtstätigkeit und Erziehungsarbeit das der Schule durch ihren Unterhaltsträger gesteckte Ziel nie aus den Augen verlieren. Ihre Bestellung und Abberufung erfolgt gem. Pkt. 5. 6 und 7 der Geschäftsordnung des genannten e.V.

1

KZG, Akten Bischofszimmer 12/204.

1012

Dokumentation

§4 Die für die Direktoren und Lehrer an den Höheren Schulen des Landes Hessen veröffentlichte Dienstanweisung gilt uneingeschränkt auch für Leiter und Lehrer der St. Albertschule.

§5 Leiter und Lehrer werden es sich angelegen sein lassen, mit dem Unterhaltsträger der Schule in gutem Einvernehmen zu stehen und dessen Teilnahme am Gedeihen der Schule zu fördern. Der Leiter gibt dem Unterhaltsträger der Schule, der in die inneren Schulangelegenheiten nicht eingreifen kann, die für dessen Geschäftsführung notwendigen Nachweise. Wenn der Leiter auch mit den vorgesetzten staatlichen Dienststellen unmittelbar verkehrt, so wird er sich in allen wichtigeren Angelegenheiten mit dem Unterhaltsträger der Schule ins Benehmen setzen und diesen über den diesbezüglichen Briefwechsel mit den staatlichen Dienststellen auf dem laufenden halten.

§6 Da vom St. Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein/Ts. e.V. nicht bloß die mit der Erhaltung der Schule verbundenen Auslagen getragen, sondern auch zu einem Teil die für die Unterbringung und Verpflegung der Schüler notwendigen Kosten aufgebracht werden müssen, erfolgt die Aufnahme der neuen Schüler im Benehmen mit Schulleiter und Konviktsleiter (Präfekt) und ihre Anmeldung an die Schule durch den genannten e.V., der Leiter der Schule setzt die Aufnahmeprüfung an und regelt im Einvernehmen mit den prüfenden Lehrern die Aufnahme in eine bestimmte Klasse der Schule.

§7 Mit den Präfekten des mit der Anstalt verbundenen Schülerkonviktes wird der Leiter der Schule zur Erreichung des von beiden Seiten angestrebten gemeinsamen Erziehungszieles stete Verbindung aufrechterhalten. Ihr gegenseitiges rechtliches Verhältnis soll analog den Bestimmungen festgelegt werden, welche das Verhältnis zwischen dem Direktor der Schule und dem Heimleiter für die Schülerheime im Lande Hessen regeln.

§8 Der Ausschluss eines Schülers aus der Schule auf Grund der hiefür geltenden staatlichen Bestimmungen zieht auch seinen Ausschluss aus dem Schülerkonvikt nach sich. Umgekehrt hat auch der Ausschluss eines Schülers aus dem Schülerkonvikt bei dem Umstand, dass Schule und Konvikt unter einen Dache wohnen und in ihrem Tätigkeitsbereich ständig ineinandergreifen, in der Regel auch das Verlassen des Schülers von der Schule zur Folge. Ausnahmefälle müssen im Einvernehmen mit dem Unterhaltsträger so geregelt werden, dass das von der Schule und Konvikt gemeinsam angestrebte Erziehungsziel nicht gefährdet wird.

Dokumentation

1013

§9 Die im Schlußsatz des § 8 festgelegte Bestimmung ist auch bei der Zulassung externer Schüler anzuwenden.

§ 10 Der Leiter der St. Albertschule hat jeweils gegen Ende des Rechnungsjahres dem Unterhaltsträger einen Bedarfsnachweis über notwendig zu beschaffendes Lehr-Lernund Beschäftigungsmaterial vorzulegen; es steht ihm ausserdem ein bestimmter Monatsbetrag für den laufenden Studienbetrieb zur Verfügung, über dessen Verwendung er Rechnung legt.

§ 11 Angelegenheiten finanziellen, baulichen oder wirtschaftlichen Charakters, welche die Schule betreffen, sowie Angelegenheiten, welche die Zielsetzung des Unterhaltsträgers unmittelbar berühren, bespricht er jeweils mit dem Unterhaltsträger; Fragen die den Einrichtungen des Albertus-Magnus-Kollegs-Königstein/Ts. e.V. gemeinsam sind, werden in einem aus den Leitern bestehenden und nach Notwendigkeit zusammentretenden Kolleg-Ausschuss besprochen und aufeinander abgestimmt. [handschr.] Jos. Weißkopf Im Einvernehmen mit dem Leiter Dr. Kindermann

1014

Dokumentation

38. Dr. Wenzel Weiß – Die neue Schule [15.11.1966]1

„Haec dies, quam fecit Dominus: exsultemus et laetemur in ea”: so durften wir schon jubeln, Schüler und Lehrer bislang der St.-Albert-Schule, an jenem 15. November 1966, an dem in einem feierlichen Rahmen unsere neue Bischof Neumann-Schule festlich eingeweiht wurde. Das war doch der Tag, auf den wir uns schon so sehnlich gefreut hatten. Anhand der Jahresberichte vom Schuljahr 1963/64 an kann man leicht ablesen, wie die Freude allmählich emporwuchs. Am 15. 11. 1963, also einen Monat, nachdem der Namenspatron der neuen Schule in der Peterskirche in Rom von Papst Paul VI. am 13. Oktober 1963 unter die Zahl der Seligen aufgenommen worden war, nahm unser lieber Hausvater und Schulträger – damals noch Prälat – Prof. Dr. Adolf Kindermann nach einem Festgottesdienst den ersten feierlichen Spatenstich für den neuen Schulbau vor. Es war ein nebligtrüber Tag, beim Spatenstich selbst regnete es in Strömen, ängstlich duckten sich alle Teilnehmer unter die Schirme. Zahlreiche, weit über das Baugelände hin verteilte Holzpflöcke konnten nur geheimnisvoll die Ausmaße der künftigen Schule andeuten. So konnte uns das Psalmwort in den Sinn kommen: „euntes eunt et plorant semen spargendum portantes!”, aber das „semen”, der erste Spatenstich zum Bau, war eben doch geschehen – das freudige Hoffen hub an. Bald kamen Raupen und Kräne und bereiteten das Baugelände vor und halfen so unserer Vorstellung von der neuen Schule nach. Die Arbeit ging rüstig weiter, und zum Sommerfest 1964, am 29. Juni, durften wir festlich die Grundsteinlegung begehen und der immer mehr Gestalt gewinnenden Schule auch ihre geistige Zielsetzung miteinbauen: „paidagogein eis Christon!”, wie es für immer auf goldenem Untergrund gleich der erste Betonpfeiler jedem Besucher und Schüler einmahnt. Am 14. November 1964 begingen wir das Richtfest im Schulbau. Der meist feuchte Sommer des Jahres hemmte die flotte Weiterführung der Bauarbeiten. So erklärt es sich, daß wir erst nach den Sommerferien, am 22. August 1966, wenigstens die Normalklassen für den Unterricht beziehen konnten. Dann aber ging es zusehends voran, und am Hausfest, am 15. November 1966, war der Schulbau glücklich soweit gediehen, daß man an die feierliche Einweihung schreiten konnte. Zwei Bischöfe, der Diözesanbischof Dr. Wilhelm Kempf von Limburg und unser lieber Hausvater – er war inzwischen auch am 8. September im Dom zu Hildesheim zum Bischof geweiht worden –, Bischof Prof. Dr. Kindermann, nahmen die heilige Weihe vor. Vertreter zahlreicher Behörden und Ehrengäste in erfreulicher Menge gaben der Feier einen festlichen Rahmen. Und dann stand unsere

1

SCHULLEITUNG DER BISCHOF-NEUMANN-SCHULE (HG.), 50 Jahre Bischof-Neumann-Schule, vormals St.-Albert-Schule Königstein im Taunus – Festschrift. Königstein 1996, S. 69-72.

Dokumentation

1015

neue, wirklich prächtige Schule allen zur Besichtigung frei. Groß war allenthalben das Lob, die Bewunderung und das Staunen, und es fiel sichtlich schwer zu entscheiden, wem man nun eigentlich die Siegespalme schenken sollte: der weitausladenden Wandelhalle, den lichtdurchfluteten Normalklassen, den gewinnenden Räumen für Kunst und Musik, den auf alles bedachten Räumen für die Naturwissenschaften oder dem stattlichen Turnsaal? – der kostbarste, freilich auch kostspieligste Augapfel des Schulneubaus, das Hallenschwimmbad, harrt noch seiner Vollendung entgegen. So war dieser Tag ein echter Freudentag für alle Gäste, Schüler und Lehrer, vor allem aber auch für den Baumeister, Herrn Architekten H. Busch, am meisten freilich für unseren Weihbischof Prof. Dr. Kindermann, den Vorsitzenden des AMK, unseres Schulträgers, der mit unermüdlichem Eifer trotz zahlloser Sorgen und Schwierigkeiten dieses Kleinod einer Schule auf die Beine gestellt hatte. Mit einer Festfeier am Abend, die in einem Bühnenstück von Dr. Franz Lorenz uns noch einmal das Lebensbild des Schulpatrons der neuen Schule, des seligen Bischofs Neumann, aufleuchten ließ, klang dieser freudenreiche Tag aus. Schüler und Lehrer werden unserem Hausvater, dem Herrn Weihbischof Prof. Dr. Kindermann, für dieses einzigartige Geschenk zu ständigem und aufrichtigem Dank verpflichtet bleiben. Bestünde nicht unser schönster und glaubwürdigster Dank darin, daß wir allzeit Ernst machten mit unserem Gelöbnis, das ja schon bei der Schulweihe aufklang: „...et altero episkopo Adolpho Kindermann inexhausta diligentia eam exornante iuvenes eadem inexhausta diligentia studiis operam navent, (...) ut actiones nostrae omnes Deo aspirando praeveniente et prosequente adiuvando id unum dumtaxat intendant: ut in omnibus glorificetur Deus!”

1016

39.

Dokumentation

Das Schülerkonvikt des Albertus-Magnus-Kollegs – Statuten [1968]1

Eigenart und Zielsetzung des Konviktes 1. Das Schülerkonvikt gehört mit der Bischof-Neumann-Schule zu den Einrichtungen des Albertus-Magnus-Kolleg-Königstein e.V., das aus der Not der Vertreibung entstanden und von der Opferkraft heimatvertriebener Katholiken getragen, gemäß § 3 seiner Satzung die Heranbildung von Priesternachwuchs zum Ziele hat. Es versteht sich deshalb als "berufsförderndes" Konvikt, das Jungen aus katholischen Familien aufnimmt, die bereit sind, unter priesterlicher Leitung ein gemeinsames Leben zu führen und durch ihr geistiges, charaktervolles und religiöses Streben günstige Voraussetzungen zu schaffen, unter denen eine keimende Berufsentscheidung zum Priestertum sich entfalten kann. Ein Leben freilich, das dem Alter der Jungen, „ihrer Sinnesart und ihrer jeweiligen Entwicklungsstufe angemessen ist und mit den Normen einer gesunden Psychologie in Einklang steht“ (Dekret über die Priesterausbildung II, 3) schließt jede vorzeitige und äußerliche Einengung auf bestimmte religiöse Lebens-, Standes- und Berufsformen aus. 2. Die Entfaltung des Glaubens hat als wichtigste menschliche Voraussetzung das Vertrauen des jungen Menschen, dem die Treue des Erziehers entspricht. In einer solchen Beziehung des Vertrauens müssen sich zuerst die natürlichen Qualitäten des jungen Menschen, wie Hilfsbereitschaft, Kameradschaft, Ehrlichkeit, Gehorsam und Zuverlässigkeit entfalten. Dabei bestimmt die Entwicklung des Jungen selbst die Aufgabe des Erziehers. Für ALLE gilt das Erziehungsziel eines weltoffenen, vom Glauben an Gott, der Liebe zu Christus und der Treue zur Kirche getragenen Lebens. 3. Dieses Ziel erreicht das Konvikt: Durch ernstes Studium, intensive Bildungsarbeit, durch Ordnung und straffe Zeiteinteilung, sowie Pflege des Sportes; durch soziale Einfügung, Mitverantwortung und Selbstkorrektur in der Großgruppe der Konviktsgemeinschaft und in den kleineren Gruppen der Klassen-, Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, wie auch der im Konvikt vertretenen Gliederungen des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend; durch Enthebung aus der modernen Reizüberflutung, sowie durch Begegnung mit dem Priester und durch Hinführung zu Liturgie, Sakrament und Gebet.

1

KZG, DAR, Bestand Akz. 8/1991, Nachlass Kruschina.

Dokumentation

1017

Aufnahme ins Konvikt und Entlassung 1. Vor der Aufnahme ins Konvikt müssen die Jungen in die Bischof-NeumannSchule aufgenommen sein. Beide Erziehungsberechtigte melden den Jungen beim Direktor des Konvikts an. Dabei sind vorzulegen: a) Das Aufnahmegesuch der Eltern, bzw. der Erziehungsberechtigten mit der schrift. Bestätigung der Kenntnisnahme vorstehender Statuten, b) ein selbstgeschriebener Lebenslauf des Jungen mit Paßbild, c) Geburts- und Taufschein, d) Stellungnahme der zuständigen Geistlichen (Pfarrer u. Religionslehrer), e) Impfscheine und ärztliches Attest, f) Angaben über Kranken- und Haftversicherung, g) Beurteilung der letzten Schule. 2. Verstößt ein Junge erheblich gegen die Ordnung des Konvikts oder gibt er fortgesetzt zu erkennen, daß die geistige und religiöse Eigenart des Konvikts ihm nicht mehr entspricht, so muß er das Konvikt verlassen. Eine Entlassung aus dem Konvikt hat den Abgang von der Schule zur Folge. 3. Für den Aufenthalt im Schülerkonvikt wird ein Konviktsgeld erhoben, dessen Höhe von dem Vorstand des AMKeV festgesetzt wird. Es ist jährlich in 12 gleichen Monatsraten jeweils am 1. der Kalendermonate fällig. Hierbei sind die Abwesenheiten in den Ferien, an den Wochenenden und dergl. bereits berücksichtigt. Angefangene Monate werden bei Eintritt und Ausscheiden stets voll gerechnet. Änderungen in der Höhe des Konviktsgeldes werden den Eltern mindestens 4 Wochen vor Inkrafttreten bekanntgegeben. Abmeldungen aus dem Schülerkonvikt können nur schriftlich zum Ende des Monats unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 2 Monaten erfolgen. Abmeldungen seitens der Erziehungsberechtigten zum 1. Juni und 1. Juli sind nicht möglich. Sollen aus dem Schülerkonvikt ausgeschiedene Schüler weiter die BischofNeumann-Schule besuchen, ist hierüber unabhängig von der Kündigung bei der Konviktsleitung eine besondere Vereinbarung mit dem Direktor der Schule erforderlich. Schüler, für die zwei oder mehr Monatsraten nicht gezahlt sind, gelten als durch die Eltern abgemeldet, falls diese nicht auf schriftliche Mahnung umgehend Abhilfe schaffen. Das Gleiche gilt, wenn das Konviktsgeld trotz Erinnerung über mehrere Monate unpünktlich oder nur zum Teil gezahlt wurde. Abmachungen, die Zahlungsangelegenheiten betreffen, können nur schriftlich mit der Verwaltung des AMKeV getroffen werden. Für alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus den Konviktsaufenthalt etwa ergeben, gilt Königstein/Ts. all vereinbarter Gerichtsstand. Für Geld, Wertsachen u. dergl. wird nicht geheftet. Des übrige Eigentum der Schüler ist nur im verschlossenen Schrank versichert.

1018

Dokumentation

3. Das Verhalten der Schüler Unsere Schüler verhalten sich im Kolleg und außerhalb des Kollegs so, wie es den Erziehungszielen von Konvikt und Schule entspricht. An die Tageseinteilungen haben sie sich gewissenhaft zu halten. In allen Räumen und auf allen Plätzen unseres Kollegs sind sie auf Sauberkeit und Ordnung bedacht und gehen mit den und Ausstattungsgegenständen pfleglich um. Beschädigung verpflichtet zu Schadensersatz. 1. Das rechtzeitige Aufstehen am Morgen, das gemeinsame Morgengebet und an den festgesetzten Tagen die Eucharistiefeier geben dem Leben Ordnung und Weihe. Hier zeigt sich bereits im rechten Mitvollzug die Grundeinstellung des Jungen. 2. Während des Schulunterricht unterstehen die Jungen der Aufsicht der Lehrer. Ohne Zustimmung der Hausoberen darf kein Schüler dem Unterricht fernbleiben. Während der Unterrichtszeit ist den Schülern das Betreten des Konviktsgebäudes untersagt. 3. Während der Mittagzeit darf das Kollegsgelände an den durch die Haus- und Tagesordnung vorgesehenen Tagen verlassen werden, Für Ausgang außerhalb der Mittagszeit ist Sondererlaubnis erforderlich. Der Besuch von Gaststätten kommt nur in Ausnahmefällen für Jungen über 18 Jahre nach ausdrücklicher Genehmigung der Vorgesetzten in Frage. 4. Das Rauchen ist nur den Schülern der Oberstufe, sowie denen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, und zwar m Rauchsalon, gestattet. An anderen Orten und auf der Straße wird nicht geraucht. Königstein, den 15. Juli 1968 Der Vorstand Weihbischof Dr. Kindermann, Msgr. Zischek, Prälat Thienel

Dokumentation

1019

40. Broschüre Schülerkonvikt1

Abb. 55: S. 1

1

Prälat Dr. Wolfgang Grocholl hat die Vorlagen für die Illustrationen des Lebens in der Schule aus seiner Zeit als Präfekt zur Verfügung gestellt; dafür danke ich ihm herzlich.

1020

Dokumentation

Abb. 56: S. 2

Dokumentation

Abb. 57: S. 3

1021

1022

Dokumentation

Abb. 58: S. 4

Dokumentation

1023

41. Urfaust, eine Aufführung des Schülerkonvikts2

Abb. 59: S. 1

2

Prälat Dr. Wolfgang Grocholl hat die Vorlagen für die Illustrationen des Lebens in der Schule aus seiner Zeit als Präfekt zur Verfügung gestellt; dafür danke ich ihm herzlich.

1024

Dokumentation

Abb. 60: S. 2 und 3 (Auf S. 4 des Faltblatts befindet sich eine Aufnahme des Schülerkonvikts.)

DOKUMENTATION – TEIL 2: ÜBERBLICK

Die Dokumente, Daten und Inhaltsübersichten finden Sie im Internet unter www.rainer-bendel.de. -

Mitteilungen für die heimatvertriebenen Priester aus dem Osten – Inhaltsübersicht der einzelnen Hefte aus den Jahrgängen 1947 – 1974

-

Mitteilungen des Sudetendeutschen Priesterwerkes – Inhaltsübersicht der einzelnen Hefte aus den Jahrgängen 1959 – 2009

-

Biogramme vertriebener Priester – eine Datei mit annähernd 1.600 Nachrufen auf verstorbene vertriebene Priester

-

Vorlesungsverzeichnisse der Königsteiner Hochschule

-

Inhaltsübersicht über die Kongressbände ‚Kirche in Not’

Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte ostdeutschl ands Im Auf trAg des InstItuts für Ostdeutsche KIrchenund KulturgeschIchte e. V. herAusgegeben VOn PAul mAI

eIne AuswAhl

bd. 36 | wInfrIed eberhArd,

bd. 32 | hAns-Jürgen KArP,

Kirchliche reFormimpulse des

JOAchIm Köhler (hg.)

14./15. Jahrhunderts in ostmittel-

Katholische Kirche unter

europa

nationalsozialistischer und

2006. VIII, 374 s. gb.

Kommunistischer diKtatur

Isbn 978-3-412-26105-4

frAnZ mAchIleK (hg.)

DeutschlanD unD Polen 1939–1989 2001. XII, 286 s. gb.

bd. 37 | rAIner bendel (hg.)

Isbn 978-3-412-11800-6

auFbrüche und umbrüche Kirche unD gesellschaFt

bd. 33 | mIchAel hIrschfeld

ostmittel­ unD süDost euroPas

Katholisches milieu

zwischen Den weltKriegen

und Vertriebene

(1918–1939)

eine FallstuDie am BeisPiel Des

2007. X, 276 s. 8 s/w-Abb. Auf

olDenBurger lanDes 1945–1965

4 tAf. gb. | Isbn 978-3-412-29505-9

2002. XIV, 634 s. 27 s/w-Abb. Auf 16 tAf. gb. | Isbn 978-3-412-15401-1

bd. 38 | rAIner bendel (hg.) Vertriebene Finden heimat in der

bd. 34 | rAIner bendel

Kirche

auFbruch aus dem glauben?

integrationsProzesse im geteilten

Katholische heimatvertrieBene in

DeutschlanD nach 1945

Den gesellschaFtlichen trans­

2008. X, 670 s. gb.

Formationen Der nachKriegs­

Isbn 978-3-412-20142-5

jahre 1945–1965 2003. XVIII, 647 s. gb.

bd. 39 | KOnrAd hArtelt

Isbn 978-3-412-16902-2

Ferdinand pionteK (1878–1963)

bd. 35 | rObert ZureK

sischen Priesters unD BischoFs

leBen unD wirKen eines schle­ zwischen nationalismus und

2008. XI, 455 s. mIt 1 frOntIsPIZ und

Versöhnung

37 s/w-Abb. Auf 16 tAf. gb.

Die Kirchen unD Die Deutsch­

Isbn 978-3-412-20143-2

Polnischen Beziehungen 1945–1956 2005. XIII, 413 s. gb.

RB047

Isbn 978-3-412-10805-2

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte ostdeutschl ands bd. 40 | JOAchIm bAhlcKe,

bd. 44 | frAnZ mAchIleK (hg.)

rAIner bendel (hg.)

die hussitische reVolution

migration und Kirchliche praxis

religiöse, Politische unD

Das religiöse leBen

regionale asPeKte

Frühneuzeit licher

2012. VI, 292 s. 2 s/w-Abb. gb.

glauBens Flüchtlinge in alltags­

Isbn 978-3-412-20891-2

geschichtlicher PersPeKtive 2009. XIII, 258 s. gb.

bd. 45 | stefAn sAmersKI (hg.)

Isbn 978-3-412-20309-2

cura animarum seelsorge im DeutschorDenslanD

bd. 41 | Inge steInsträsser

Preussen

wanderer zwischen den

2013. 249 s. 11 s/w- und 20 fArb. Abb.

politischen mächten

Auf 16 tAf. gb. | Isbn 978-3-412-21027-4

Pater niKolaus von lutterotti osB (1892–1955) unD Die aBtei grüssau in

bd. 46 | rAIner bendel

nieDerschlesien

hochschule und priesterseminar

2009. XVI, 685 s. 36 s/w-Abb. Auf 20 tAf.

Königstein

gb. | Isbn 978-3-412-20429-7

ein Beitrag zur vertrieBenen­

bd. 42 | bernhArd w. schOlZ

Kirche

das geistliche Fürstentum neisse

2014. 1025 s. 60 s/w-Abb. gb.

eine länDliche elite unter Der

Isbn 978-3-412-21083-0

seelsorge Der Katholischen

herrschaFt Des BischoFs (1300–1650)

bd. 47 | PrZemyslAw nOwAK

2011. X, 488 s. 34 s/w-Abb und

Friede mit der Kirche

8 fArb. Abb. Auf 8 tAf. gb.

BernharD Poschmann (1878–1955)

Isbn 978-3-412-20628-4

unD seine Dogmengeschichtlichen Forschungen zum BusssaKrament

bd. 43 | PAul mAI

2013. 306 s. 7 s/w-Abb. gb.

institut Für ostdeutsche

Isbn 978-3-412-21095-3

Kirchen- und Kultur geschichte e.V. 1988–2010

bd. 48 | rAIner bendel, nOrbert

2011. XII, 176 s. 58 s/w-Abb. Auf 28 tAf.

sPAnnenberger (hg.)

und1 fArb. KArte. gb.

Katholische auFKlärung und

Isbn 978-3-412-20700-7

Josephinismus rezePtionsFormen in ostmittel­ unD süDosteuroPa 2014. cA. 272 s. gb.

RB047

Isbn 978-3-412-22270-3

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

CHRISTOFER HERRMANN, EDMUND KIZIK (BEARB.)

CHRONIK DER MARIENKIRCHE IN DANZIG DAS HISTORISCHE KIRCHEN-REGISTER VON EBERHARD BÖTTICHER (1616) TRANSKRIPTION UND AUSWERTUNG (VERÖFFENTLICHUNGEN AUS DEN ARCHIVEN PREUSSISCHER KULTURBESITZ, BAND 67)

Das »Historische Kirchen Register« der Danziger Marienkirche wurde 1616 durch den damaligen ersten Kirchenvater Eberhard Bötticher (1554-1617), einem Danziger Kaufmann und Chronisten, verfasst. Bötticher beschreibt darin die Geschichte der Kirche von den Anfängen 1343 bis zur damaligen Gegenwart und gewährt Einblicke in die Bereiche von Religion, Kunst und Politik rund um die größte Pfarrkirche im Nordosten Europas. Das Werk zählte zu den beliebtesten Geschichtsbüchern aus dem Danzig der Frühen Neuzeit und wurde vielfach kopiert, jedoch nie im Druck veröffentlicht. In der vorliegenden Edition wird das Originalmanuskript vollständig im Wortlaut wiedergegeben und durch ein kommentiertes Register erschlossen. Der zweite Teil des Bandes bietet biographische Angaben zum Autor und historische Hintergrundinformationen. 2013. 775 S. 23 S/W-ABB. UND 20 FARBABB. GB. 160 X 235 MM. ISBN 978-3-412-20868-4

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Paul Brusanowski

rumänisch-orthodoxe kirchenordnungen 1786–2008 sieBenBürgen – Bukowina – rumänien (schriften zur l andeskunde sieBenBürgens. ergänzungsreihe zum sieBenBürgischen archiv, Band 33)

Erstmals wird hier das komplexe rumänisch-orthodoxe Kirchenrecht in Übersetzung mit ausführlicher kirchengeschichtlicher Einleitung und umfangreicher Kommentierung ediert. Die Berücksichtigung des ursprünglich in deutscher Sprache erlassenen Kirchenrechts für die Bukowina stellt dabei eine Besonderheit dar. Der Band zeigt die unterschiedliche Rezeption kirchenrechtlicher Verhältnisse auch außerhalb der rumänisch-orthodoxen Tradition, wobei vor allem die im 19. Jahrhundert durch Andrei von Schaguna aufgenommenen westeuropäischen Einflüsse dargestellt werden. 2011. XII, 611 S. Gb. 150 X 230 mm. ISbN 978-3-412-20698-7

böhlau verlag, ursulaplatz 1, 50668 köln. t : + 49(0)221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Jutta Faehndrich

eine endliche Geschichte die heimatbücher der deutschen Vertriebenen ( Visuelle Geschichtskultur, band 5)

Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen sind eine bislang kaum beachtete Form der Heimwehliteratur. Nicht Historiker und Fachleute, sondern die Betroffenen selbst sammelten darin nach 1945 all das, was ihnen von ihrer Heimat erinnernswert schien, und schufen so gleichsam ein kollektives Gedächtnis der Erlebnisgeneration. Zugleich schrieben sie jedoch die »endliche Geschichte« von etwas, das verloren war und blieb. Auf diese Weise bewahren die Heimatbücher nicht nur deutsches Kulturerbe im Osten Europas vom Baltikum bis Bessarabien, sondern geben auch Auskunft auf die Frage, was Heimat eigentlich ausmacht, wenn man sie verloren hat. So entsteht ein facettenreiches und nuanciertes Bild, das wenig mit dem oft einseitigen öffentlichen Bild der Vertriebenen in der Bundesrepublik zu tun hat. 2011. XII, 303 S. MIt 36 S/w-Abb. Gb. 170 X 240 MM. ISbN 978-3-412-20588-1

böhlau verlag, ursulaplatz 1, 50668 köln. t : + 49(0)221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

AXEL GOTTHARD

DER LIEBE VND WERTHE FRIED KRIEGSKONZEPTE UND NEUTRALITÄTSVORSTELLUNGEN IN DER FRÜHEN NEUZEIT (FORSCHUNGEN ZUR KIRCHLICHEN RECHTSGESCHICHTE UND ZUM KIRCHENRECHT, BAND 32)

Wie dachten frühneuzeitliche Menschen über den Frieden, wie über den Krieg, wie über diejenigen, die sich „neutral“ aus Kriegen heraushalten wollten? War der Frieden ein Wert an sich? Wurde der Krieg in diesen so wenig friedlichen Jahrhunderten als Normalzustand empfunden? Begünstigte das Konzept der „Ehre“ eine kriegerische Grunddisposition der Eliten? Lassen sich Entwicklungstrends im Verlauf der Frühen Neuzeit ausmachen, beispielsweise eine Säkularisierung der Rede über Krieg und Frieden? Wann verdichteten sich Verhaltenserwartungen zu völkerrechtlichen Normen, die das Verlässlichkeitsdilemma internationaler Politik etwas zu dämpfen vermochten? Solchen und weiteren Fragen ist diese umfassende Studie in vormodernen Flugschriften, politologischen Abhandlungen, völkerrechtlichen Publikationen und Akten auf der Spur. 2014. 964 S. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-22142-3

böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar