HochhausBestand: Bürogebäude der 1950er- und 60er-Jahre 9783955536152, 9783955536169

Lösungen für die Sanierung und Umnutzung Die Praxis zeigt, dass viele Bürotürme aus den 1950er- und 60er-Jahren abgeri

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HochhausBestand: Bürogebäude der 1950er- und 60er-Jahre
 9783955536152, 9783955536169

Table of contents :
Contents
Editorial
Auch Gebäude haben eine Würde
Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs
Instandsetzung von Hochhausfassaden
Schadstoffe im Innenausbau
Büro und Behaglichkeit
Es fängt immer mit dem Bestand an
Prozesse zur Erhaltung des Bestands
Projekte
Einleitung
Plärrerhochhaus/ EWAG-Hochhaus
Commerzbank- Hochhaus/ Hotel Ruby Luna
Schweizer National- Haus/NM1
Hahn-Hochhaus/ City Tower
Dorlandhaus/ Haus der Werbung
Anhang
Impressum

Citation preview

HochhausBestand Umgang mit Bürogebäuden der 1950er-/1960er-Jahre Andreas Putz, Hanne Rung (Hg.)

Hochhaus Bestand

Edition

07 Editorial 09 Auch Gebäude haben eine Würde Andreas Putz und Hanne Rung im Gespräch mit Gerhard G. Feldmeyer 19 Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs Heike Oevermann und Hanne Rung  31 Instandsetzung von Hoch­haus­­fassaden Rouven Grom 43 Schadstoffe im Innenausbau Anja Runkel 55 Büro und Behaglichkeit –  Normen, Vorschriften und thermischer Komfort Roland Göttig, Anica Mayer und Sebastian Koth 67 Es fängt immer mit dem Bestand an Andreas Putz und Hanne Rung im G ­ espräch mit Margit Sichrovsky und Joachim Grund  83 Prozesse zur ­Erhaltung des ­Bestands Andreas Putz  89 Projekte    93 Plärrerhochhaus/EWAG-Hochhaus, Nürnberg 105 Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf 117 Schweizer ­National-Haus/NM1, Frankfurt am Main 131 Hahn-Hochhaus/City-Tower, Stuttgart 143 Dorlandhaus/Haus der ­Werbung, Berlin 156 Anhang 160 Impressum

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HochhausBestand

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Editorial

Wir brauchen eine Bauwende. Neubau in der Masse, wie er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch üblich war, können wir uns nicht mehr leisten. Potenzial liegt in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Gebäudebestand. Diesen gilt es zu erhalten, indem wir ihn weiternutzen und weiterentwickeln. Wollen wir eine neue (Um-)Baukultur, so müssen wir dem Vorhandenen Wertschätzung entgegenbringen; die Baudenkmalpflege sei uns das beste Beispiel. Wie wäre es denn, wenn unsere Maxime hieße, so mit den Dingen umzugehen, dass sie eine Zukunft haben, langfristig bestehen ­bleiben? Also auf sinnvolle Art und Weise gesellschaftlich nachhaltig sind – ökologisch, kulturell und wirtschaftlich? Entscheiden wird sich der Erfolg der Bauwende daran, ob es uns gelingt, angemessen das umfangreiche jüngere Bauerbe der Nachkriegsmoderne aufzugreifen. Neben den Infrastrukturanlagen und großen Wohnungsbaubeständen sind dies die Büro- und ­Verwaltungsgebäude, die aus der Zeit des Wirtschaftswunders als prägende Typologie bleiben. Vorliegende Publikation stellt den jüngsten Umgang mit Bürohochhäusern der Nachkriegszeit in den Fokus. Die Schwierigkeiten, die der Erhalt und die Weiternutzung des Bauerbes der Moderne mit sich bringen, kommen hier pointiert zusammen: der unbedachte Umgang mit Energie und Ressourcen, das oftmals blinde Vertrauen in kurzlebige Technik, die unterlassene Pflege, auf Verbrauch und Ersatz ausgelegte Materialien, überholte funktionale und normative Anforderungen. Man kann aus den unterschiedlichen Herangehensweisen für den Gesamtbestand lernen. Umso mehr, als es sich bei ­allen fünf in dieser Publikation dokumentierten Fallbeispielen in ­Nürnberg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf und Berlin um Baudenkmäler handelt – Objekte also, für deren Erhalt und Pflege wir besonders viel Sorge tragen. Mehr als ein Fünftel aller zwischen 1955 und 1985 in Deutschland gebauten Bürohochhäuser steht heute unter Denkmalschutz. Das ist für Bauten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bemerkenswert. Die Denkmalfähigkeit dieser ikonischen Zeugen des Wirtschafts­ wunders ergibt sich aus ihrer städtebaulichen, ­archi­tek­tonischen und lokalen historischen Bedeutung. Ihre Denkmalwürdigkeit ergibt sich daraus, dass sie vielfach städtische Identifikationsobjekte sind und dass ganz offensichtlich ein öffentliches Erhaltungsinteresse vorliegt. Hanne Rung und Heike Oevermann widmen sich in ihrem Beitrag den denkmalpflegerischen und städtebaulichen Dimensionen des Umgangs mit dieser besonderen Bausubstanz. Sie verweisen unter anderem darauf, dass Erhalt weit mehr umfasst als das „­Konservieren“ der in den Objekten gespeicherten Grauen Energie. Ganz sicher trägt auch die wachsende gesellschaftliche Sensibilität hinsichtlich dieses Themas dazu bei, dass die Bauten immer häufiger eine Lebensdauer von deutlich mehr als 60 Jahren erreichen. Wie 07

Andreas Putz, Hanne Rung

dies gelingen kann, darauf geben die untersuchten Beispiele ganz unterschiedliche und teils auch gegensätzliche Antworten. Es sind andere Antworten als jene, die man in den 1990er-­ Jahren gab; damals waren erste prominente Beispiele schon einmal Gegenstand denkmalpflegerischer und architektonischer Diskurse. Wie sich diese Ansätze verändert haben und wo wir heute stehen, darüber berichten Margit Sichrovsky von LSXY Architekten Berlin, Joachim Grund von Henn Architekten München und Gerhard G. Feldmeyer von HPP Düsseldorf. Als Bauschaffende bringen sie mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Schwerpunkten die Perspektive der aktuellen Praxis ein. Wenn heute die Hochhausikonen der Nachkriegsmoderne in Frage stehen, dann zumeist, weil sich Nutzung und Anforderungen gewandelt haben. Ergebnisoffene Planungsprozesse können erst dann zu einer Abwägung zwischen Erhalt und Erneuerung führen, wenn vorhandene Qualitäten und Werte erkannt und gewürdigt ­werden. Keineswegs ist der Bestand materiell per se überaltert und reparaturunfähig, wie oft behauptet wird. Welche Differenzierung für sinnvolle Lösungen im Bereich der Fassadenkonstruktionen ­notwendig sind, betrachtet Rouven Grom. Anja Runkel wiederum ­plädiert in ihrem Beitrag für einen überlegten Umgang mit Schadstoffquellen. Der größte technische Erneuerungsbedarf geht jedoch von veränderten Ansprüchen an Komfort und Energieverbrauch aus. Dass auch hier ein behutsames und bestandsgerechtes Handeln ­zielführender und sinnvoller ist als die Einhaltung von Neubaunormen, darauf weisen Anica Mayer, Roland Göttig und Sebastian Koth in ­ihrem Beitrag zu Bauphysik, Energie und Behaglichkeit hin. Wie so oft liegt auch hier die Lösung nicht in mehr Technik, sondern in den kleinen Eingriffen. Andreas Putz, Hanne Rung

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Editorial

Auch Gebäude haben eine Würde Andreas Putz und Hanne Rung im Gespräch mit Gerhard G. Feldmeyer

HPP Architekten haben in den ersten Nachkriegsjahrzehnten und vor allem in den 1960er-Jahren sehr viele und wichtige Bürohochhäuser in Deutschland gebaut. Mittlerweile konnten sie mehrere ihrer Gebäude aus dieser Zeit selbst wieder instand setzen und nehmen damit ­unter den deutschen Architekturbüros eine Sonderrolle ein. Das Dreischeibenhaus in Düsseldorf, 1960 nach Entwurf von HPP errichtet, ist vielleicht das relevanteste Beispiel, das auch in den internationalen Diskussionen zur Denkmalpflege der Moderne seit Beginn der 1990er-Jahre immer wieder besprochen wird. Bei diesem Gebäude waren HPP wiederholt von 1992 bis 1995 und von 2012 bis 2015 für die bauliche Erneuerung und Revitalisierung zuständig. In dieser Zeit­ spanne hat sich jedoch einiges getan: Einerseits ist der Bestand an erhaltens- und schützenswerter Bausubstanz aus dieser Epoche ­insgesamt gewachsen, andererseits wird der Umgang mit Ressourcen, Nachhaltigkeit und Energie mittlerweile ganz anders diskutiert. Außer­ dem haben sich auch international das Niveau und die entsprechende Auseinandersetzung mit solchen Sanierungsobjekten gewandelt.

Gerhard G. Feldmeyer Architekt BDA Geschäftsführender Gesellschafter HPP Architekten Geschäftsführer HPP International Planungsgesellschaft

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Gerhard G. Feldmeyer studierte Architektur an der Universität Stuttgart sowie an­der London South Bank University. In den 1980er-Jahren arbeitete er im Büro Kikutake in Tokio sowie bei gmp in Hamburg. Ab 1989 war er bei HPP Architekten tätig, von 2002 bis 2022 in der Geschäftsleitung. Gerhard G. Feldmeyer hatte einen Lehrauftrag an der Nippon University in Tokio, hält ­regelmäßig Vorträge und veröffentlicht in Büchern sowie Fachzeitschriften.

Auch Gebäude haben eine Würde

Sehr geehrter Herr Feldmeyer, was ist Ihr persönlicher Zugang zu den Bürohäusern der 1960er-Jahre? GERHARD G. FELDMEYER Die Wirtschaftswunderjahre sind am Beispiel  dieser Objekte sehr gut spürbar. Ich hatte das große Glück, nicht nur beim Dreischeibenhaus bei der Entwicklung des schließlich 1994 umgesetzten Fassadenkonzepts involviert gewesen zu sein. Federführend war ich für die Revitalisierung des Unilever-Hauses und des Finnlandhauses in Hamburg verantwortlich. Diese beiden Projekte habe ich sehr intensiv betreut und vorher bereits die Maßnahmen am Hochhaus des Europacenters in Berlin geplant. Das ganze Europacenter hatte sich über die Jahrzehnte stark verändert, in vieler Hinsicht auch zum Nachteil. Aber das Hochhaus war und ist noch immer ein Symbol des Kalten Krieges. Die Bauherren wollten, dass das Gebäude von Ostberlin aus gesehen werden kann.  Das faszinierendste der erwähnten Projekte war für mich das Finnlandhaus mit seiner prägnanten Hängekonstruktion, die wir mit HPP übrigens ein weiteres Mal in Johannesburg im Gebäude der Standard Bank in noch viel größerer Dimension realisiert haben. Diese Bauwerke sind alle geprägt vom Geist großer Innovationen, die sich in Form von Vorhangfassaden, Stahl- und Hängekonstruktionen zeigen. Auch Suffizienz war damals schon ein Thema: Mit den einge­setzten Ressourcen ist man wegen ihrer Knappheit so kurz nach dem Wiederaufbau sehr sparsam umgegangen. Das finde ich heute wieder beeindruckend und vorbildlich. Der sparsame Umgang mit Ressourcen hat mittlerweile eine ganz andere Bedeutung. Es geht dabei insbesondere um energetische Effizienz. Die alten Vorhangfassaden, oft mit Festverglasung, sind da problematisch. Ja. Inzwischen haben alle vier Hochhäuser eine doppelschalige Fassade. Dies geschieht schlicht und ergreifend aus den Anforderungen der jeweils herausragenden städtebaulichen Lage. Bei den damit einhergehenden Spitzenmieten erwarten Mieterinnen und Mieter Fenster, die sich öffnen lassen. Da ein klassisches Fenster im Hochhaus aufgrund der Windkräfte nicht funktionieren würde, gibt­es die sogenannte Prallscheibe, die dafür sorgt, dass die Windkräfte ent­ sprechend abgemindert werden. Gleichzeitig hat man die Möglichkeit, im Fassadenzwischenraum einen außen liegenden ­Sonnenschutz anzubringen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass diese äußere Schale die Einhaltung von Profilstärken aus der Erbau­ungszeit ermöglicht, weil man weder Schallschutz-, noch Brandschutz- oder sonstige Anforderungen hat, die etwa Trennwandanschlüsse zur Folge haben, die sich wiederum oft schnell auf eine Breite von 20 cm und mehr aufaddieren. Entwickelt HPP bei Projekten im erhaltenswerten Bestand diese Lösungen immer wieder neu zusammen mit Fassaden- und anderen Fachplanerinnen und -planern? Oder kommt es über die Jahre hinweg zu einer Tradierung von bewährten Lösungen und Ansätzen? Im Grunde haben wir erkannt, dass man mehrere Aspekte sehr elegant und geschickt durch das Prinzip der Zweischaligkeit lösen kann. Uns war immer bewusst, dass das die Gebäude graduell ver­ ändert, da die Fassaden im Ursprung sehr flächig wirkten. Jetzt hat die Fas­sade bei allen vier Hochhäusern eine wahrnehmbare Tiefe. Wir haben das in den Gesprächen mit der Denkmalpflege immer sorg­fäl­ tig abgewogen und einvernehmlich so festgelegt. Größere Auseinan­ dersetzungen gab es mit der Bauherrschaft, beispielsweise wegen der Fassadenraster, die als nicht zeitgemäß, nicht effizient oder nicht flexibel genug erachtet wurden. Dies galt für das EuropacenterHochhaus, das Unilever-Hochhaus und das Finnlandhaus – alle mit einem sehr großzügigen Fassadenraster von zirka 1,80 m. Dem­ ­mussten wir uns deutlich widersetzen, da dies einen dramatischen Einfluss auf die Wirkung der Gebäude hat. Denn wenn sich Maß­stäb­ lichkeit und Proportionen verändern, sind die Auswirkungen viel gravierender als durch eine Doppelfassade. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen der Fassade noch? Die neuen Fassaden sind heute rund doppelt so schwer aufgrund der stärkeren Glasdicken, Profilstärken, der zweiten Ebene, des Sonnenschutzes, aufgrund des gesamten Pakets, das bei diesen vier Gebäuden umgesetzt wurde. Und doppeltes Gewicht bedeutet auch doppelt so viel Material, doppelt so viel Aluminium, doppelt so viel Glas. Gut möglich, dass wir es heute anders angehen würden. Trotzdem ­stehen

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Interview mit Gerhard G. Feldmeyer

wir voll und ganz hinter der umgesetzten Lösung. Man wird heutzutage allerdings als Planerin und Planer in einer ganz neuen Geschwin­ digkeit mit technischen Innovationen konfrontiert, als es in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Wir haben uns zusammen das Dreischeibenhaus angesehen. Im Vergleich zum ­Zustand von damals hat die sanierte Fassade von außen betrachtet nun mehr Tiefe bekommen. Ich finde aber auch, dass man innen trotz dieser zusätz­ lichen Schicht immer noch das Gefühl hat, die Gebäudehülle sei sehr dünn. Das Dreischeibenhaus ist ein absoluter Glücksfall, weil es über ein Raster von 1,40 m verfügt. Über Jahrzehnte war das 1,35-m-Raster eines der gängigsten. Das Dreischeibenhaus liegt also in diesem Bereich. Von daher hat alles gepasst, auch die Geschosshöhen von 3,50 m sind ausreichend. Beim Finnlandhaus, beim Unilever-Haus und auch beim Europacenter beträgt das Fassadenraster 1,80 m.­ Das war schwierig, da die Auftraggeber eine Halbierung des Rasters oder die Anbringung eines Profils im Drittelpunkt forderten, um mit dem Ausbau flexibler zu sein. Dieser Forderung haben wir beim ­Finnlandhaus komplett widersprochen, weil aufgrund des sehr klei­nen Grundrisses jede Unregelmäßigkeit das Haus komplett verändert­ hätte. Beim Unilever-Haus konnten wir uns nicht durchsetzen und mussten das bestehende 1,80-m-Raster in der Mitte noch einmal teilen. Auch die Denkmalpflege hat uns nicht den Rücken gestärkt und war der Meinung, wenn wir die äußere Fassadenebene regelmäßig teilen würden, könnte in der zweiten Ebene auch eine andere Tei­ lung erfolgen. Es sieht aber meines Erachtens schrecklich aus, wie ein Webfehler, der mich jedes Mal ärgert, wenn ich an dem Haus vorbeikomme.  Noch ein Thema ist mir wichtig: Beim Unilever-Haus und beim Finnlandhaus haben wir die zweite Ebene nach außen etwa ­30–40 cm vor die ursprüngliche Fassadenebene verlegt. Das führt dazu, dass die Felder in den Ecken etwas größer sind, was jedoch kaum wahrnehm­ bar ist. Beim Dreischeibenhaus wäre dieser Ansatz­nicht möglich gewesen, weil dadurch die Einschnitte in den Stirn­seiten um zirka 60 cm reduziert worden wären. Diese Verringerung hätte man auf

„Man wird heutzutage als Planerin und Planer in einer ganz neuen Geschwindigkeit mit technischen ­Innovationen konfrontiert, als es in den letzten Jahrzehnten der Fall war.” jeden Fall deutlich und nicht zum Vorteil des Gebäudes wahrgenommen, da der Einschnitt mit zirka 2 m sehr schmal ist. Deswegen haben wir die ­thermisch wirksame Fassade nach innen gesetzt und die Prallscheiben­ebene in der Flucht der ursprünglichen Fassade angebracht. Rech­nerisch hat dies zwar zu einem Verlust an Mietfläche geführt, die Gesetz­mäßigkeiten, die die elegante Wirkung der drei Scheiben ausmachen, waren aber über jeden Zweifel erhaben. Man spricht bei Hochhäusern oft auch von „Gebäuden als Maschine“. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen neuen beziehungsweise sich ändernden Nutzungen und den gebäudetechnischen Anlagen, besonders hinsichtlich Klimatisierung und Lüftung? Alle vier Gebäude sind heute sogenannte Multi-Tenant-Gebäude, werden­ also von mehreren Mietparteien genutzt. Und das ist auch mit ein Grund, warum das Dreischeibenhaus nach relativ kurzer Zeit erneut komplett revitalisiert werden musste, weil die bestehende Steuerung der Technik diesem Multi-Tenant-Ansatz nicht gerecht wurde und sich auch nicht entsprechend ertüchtigen ließ. Ursprünglich gab es nur einen Nutzer, die Klimatisierung lief überall gleich und wurde dann abends zu einer fest­ gelegten Zeit heruntergefahren. Aber das lässt sich nicht auf mehrere unterschiedlichen Mieterinnen und Mieter übertragen.  Die kleinste Einheit, die man im Dreischeibenhaus mieten kann, ist eine halbe Etage. Aus den Aufzügen und Treppen im Kern kann man entweder nach Westen oder nach Osten heraustreten. Das war übrigens auch ein Glücksfall, weil für ein Multi-Tenant-Gebäude eine gewisse Kleinteiligkeit für die Vermietung sehr wichtig ist. Bei diesem Grundriss wurde das, ohne dass es ursprünglich so geplant worden war, perfekt gelöst. Das Haus erfüllt viele Anforderungen, die aktuell gestellt werden. Arno Lederer hat mal gesagt, und dem stimme ich zu, dass eine

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Auch Gebäude haben eine Würde

Konstruktion auf eine Nutzungsdauer von mindestens 200 Jahren ausgelegt werden sollte, auch im Sinne des Erhalts der Grauen Energie. Im Sinne der Nutzungsflexibilität müsste das Dreischeibenhaus vielleicht in 50 Jahren als Wohnhaus oder als Hotel oder als etwas, was wir heute noch gar nicht kennen, genutzt werden können. Das wäre meiner Meinung nach bei diesem Objekt – bei den anderen vielleicht mit geringen Abstrichen auch – genauso machbar. Die hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist bei diesen Häusern ein großer Vorteil, weil sie damit alles haben, um dem Prinzip der Langlebigkeit zu genügen. Und das liegt an der Klarheit der Typologie dieser Gebäude.

Europacenter, Berlin (Baujahr 1964, Erneuerung 2001)

Ich nehme mit, dass die Notwendigkeit einer erneuten Anpassung und Ertüchtigung nach dann doch relativ kurzer Zeit mehr aus der Nutzungsänderung, Nutzungsanpassung oder einer Veränderung der Besitzverhältnisse heraus erfolgte? Das stimmt. Das Unilever-Haus und das Finnlandhaus wurden nur einmal beim Wechsel vom Single-Tenant- zur Multi-Tenant-Fähigkeit saniert. Bei beiden waren übrigens noch viele technische Anlagen tatsächlich aus dem Erbauungsjahr vorhanden, die noch voll funktionsfähig waren. Gebäude, die allein von ihrem Besitzer genutzt werden, haben oft die Besonderheit, dass sehr sorgsam mit ihnen umge­gangen wird. Sie sind meistens in einem einzigartig gepflegten Zustand, werden unter anderem auch von Spezialisten betreut, die beispielsweise über die entsprechenden Ersatzteile verfügen. Bei Gebäuden, die wie heute üblich, einem Kapitalanleger gehören und im Laufe des Lebenszyklus von zahlreichen Mieterinnen und Mietern genutzt werden, ist der Zustand meist ein ganz anderer. Aber dahin entwickelt sich ja der Trend, oder? Ja, aber auch wenn ein Unternehmen ein Gebäude komplett selbst nutzt, muss es für den derzeitigen Immobilienmarkt unbedingt MultiTenant-fähig sein, weil der Eigentümer davon ausgehen sollte, dass irgendwann einmal Flächen abgegeben werden oder der Nutzer nach Ablauf des Mietvertrags gegebenenfalls auszieht.

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Interview mit Gerhard G. Feldmeyer

HPP ist ein großes, international tätiges Büro mit einer langen Tradition. Haben Sie bei der Sanierung ihrer eigenen Hochhäuser auch etwas für den Entwurf von Neubauten dazugelernt? Wir besinnen uns beim Entwurf regelmäßig auf Aspekte wie Nachhaltigkeit und robuste, langlebige Strukturen und sinnvolle Typologien. Beispielsweise haben wir vor knapp 10 Jahren mal einen Wettbewerb für ein Hochhaus in Istanbul gewonnen. Unser realisierter Entwurf wurde dann eine Zeit lang als das bestfunktionierendste Bürogebäude bezeichnet. In der Vorbereitung für den Wettbewerb sind wir durch die Stadt gefahren, haben uns jede Menge Bürohäuser angeschaut und dabei festgestellt, dass diese typologisch wenig klar waren, sondern rein nach formalen Aspekten gebaut wurden. In der Folge haben wir ein typologisch ganz sauberes Gebäude entworfen, das eine optimale Zahl unterschiedlich großer Mietflächen beherbergen kann. Es wurde dann in der Istanbuler Presse mit dem Dreischeibenhaus verglichen und darauf hingewiesen, dass ein Gebäude entstanden sei, das es so bisher nicht in der Stadt gab und sich wohltuend von formal getriebenen Bauten abhebt.

Dreischeibenhaus, Düsseldorf (Baujahr: 1960, Revitalisierung: 1994, Erneuerung: 2015)



 ir haben es mit unserem Ansatz geschafft, städtebauliche, archiW tektonische und funktionale Belange unter einen Hut zu bringen – so wie beim Dreischeibenhaus, das seine Eleganz mit der konsequenten Umsetzung sehr einfacher Prinzipien erhält. Stephan Braunfels hat einmal gesagt, dass das Dreischeibenhaus kein Gebäude ist, sondern eigentlich ein Stück Städtebau, in Form von drei Häusern, die ganz dicht zusammenrücken. Das empfinde ich als sehr zutreffend.

Wobei gerade beim Dreischeibenhaus die starke Veränderung Düsseldorfs ein großes Thema ist. Das Gebäude wurde einmal für eine Stadt gebaut, die das Auto gefeiert hat, den technologischen Fortschritt, das Wirtschaftswachstum in der Nachkriegszeit. Durch den Abriss des „Tausendfüßlers“, der Autohoch­ straße, erlebt man das Dreischeibenhaus heute viel stärker als früher – auch aus der Fußgängerperspektive, wahrscheinlich hat das Umfeld an Aufenthalts­ qualität gewonnen. Aber es ist ein anderer Blick auf das Haus oder? Ganz ehrlich, ich vermisse den „Tausendfüßler“ von Zeit zu Zeit, auch wenn ich nicht zu denen gehörte, die seinen Abriss verhindern wollten. Aber das Zusammenspiel von Dynamik, Horizontalität, Geschwindig­ keit und dem gut auf der Erde stehenden Dreischeiben­haus hatte eine enorme Spannung, die nun verloren gegangen ist. Das Hochhaus ist dadurch etwas musealer geworden, hat aber immer noch das Schauspielhaus und als zeitgenössische Nachbarn die Bauten von Studio Libeskind.

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Auch Gebäude haben eine Würde

Das hat vielleicht mit einer neuen Marktbewertung zu tun. Sie hatten ja schon erwähnt, dass es sich um hochpreisige Objekte handelt. Ursprünglich war es vielleicht doch die Repräsentation der Firma, die im Vordergrund stand? Ja, es ging um Repräsentation. Solche Konzernzentralen werden heute nicht mehr gebaut, oder zumindest hat ihr Anteil deutlich abge­ nommen. Aber namhafte Konzerne hatten damals schon den ­Anspruch auf das beste Grundstück in der Stadt und wollten natürlich wahrgenommen werden. Das Repräsentative hat heute nicht mehr den gleichen Stellenwert. Heute würde man an dieser Stelle wahrscheinlich auch kein Baugrundstück ausweisen, sondern sagen: „Der Hofgarten muss grün bleiben und zwar als Ganzes.“

„Dass der Bausektor als größter Ressourcenverbraucher kreislauf­ fähig werden muss und kann, daran besteht bei allen Beteiligten kein Zweifel mehr.” Wie sind ihre internationalen Erfahrungen im Umgang mit historischen Hochhäusern, ist ihr Erhalt überhaupt ein Thema? Oder ist es eher eine deutsche Denkmalpflegediskussion, während anderswo rigoroser abgerissen und neu gebaut wird? Also in der Art, wie das Thema in Deutschland behandelt wird, findet es in meiner Wahrnehmung in anderen Ländern nicht statt. Ich war 2019 in Tokio, um eine Ausgabe der Zeitschrift A+U über HPP zu lancieren. Nach meiner Präsentation und einer langen Diskussion wollte man ein Heft mit dem Titel „HPP Mid-Century Modernism“ pro­ duzieren, in dem es um die Gebäude der 1950er-, 1960er-Jahre von HPP und eben auch ihr zweites Leben nach der Revitalisierung gehen sollte. Für die Japaner war das ein neues, spannendes Thema und ein Alleinstellungsmerkmal unseres Büros, sie waren begeistert davon, wie solche Hochhäuser in ihrer neuen Art dann letztlich auch wirken und wieder zeitgemäß nutzbar sind. In Japan gab es in den letzten Jahren verstärkt Diskussionen über das bau­ kulturelle Erbe der Nachkriegszeit. Der Abriss des Nakagin Capsule Tower war beispielsweise in aller Munde.  Es gibt einige Bauten, die mittlerweile unter Schutz gestellt worden sind und die erhalten werden sollen – auch in China diskutiert man jetzt darüber. Den Capsule Tower von Kisho Kurokawa habe ich 2019 noch gesehen, inzwischen wurde er abgebrochen! Das tut mir weh, er war für mich immer ein besonders visionäres Stück Architektur. Leider wurde das eigentliche konzeptionelle Merkmal, der Austausch einzelner Kapseln, konstruktiv nicht berücksichtigt. Ein kreislauf­ fähiges Bauen erfordert ein anderes Konstruieren, damit sich das Gebäude später zerstörungsfrei zurückbauen lässt. Die Materialien

Unilever Emporio Tower, Hamburg (Baujahr 1964, Erneuerung 2012)

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Interview mit Gerhard G. Feldmeyer

müssen sortenrein und giftfrei sein, Beschichtungen und Verbundwerkstoffe sind problematisch. Vor diesem Hintergrund werden wir auch wieder dazu kommen, typologisch klarere Konzepte zu reali­ sieren. Das extrem individuelle Gestalten von Baukörpern erschwert dieses Thema. Natürlich lassen sich Stahl und Aluminium – unter hohem Energieeinsatz wohlgemerkt – wieder einschmelzen und so zurück in den Kreislauf führen. Vor dem Hintergrund zunehmender Ressourcenknappheit ist es sinnvoll, Gebäude als Rohstoff­lager zu verstehen und ihre stoffliche Zusammensetzung zu erfassen und digital zu dokumentieren. Ebenso hat das Thema Re-Use von Materialien, Produkten und Objekten seine Berechtigung, auch wenn ich Zweifel habe, dass sich dies im großen Maßstab durch­ setzen wird. Wird es nun Teil der Architektenleistung, direkt beim Bauen einen Gebäudepass zu erstellen?  Noch ist es das nicht, aber es steht im Koalitionsvertrag der ­aktuellen Regierung. Und selbst die Opposition fordert vehement, dieses Thema jetzt umzusetzen. Ich glaube, dass das kommen wird, ja kommen muss. Bei Neubauten sowieso, aber auch beim Bestand, dazu gibt es heute schon ganz gute Instrumente. Mit Kenntnissen über das Baujahr, den Standort, die Kubatur, die Bruttogeschossfläche und die Nutzungsart kann man relativ präzise die

Finnlandhaus, Hamburg (Baujahr 1966, Erneuerung 2016)

stoffliche Zusammensetzung ableiten, ohne sie detailliert aufzunehmen. Damit ist eine gute Annäherung möglich, wenn auch nicht so präzise erfasst wie in einem BIM-Modell. Der Rest lässt sich bei größeren Umbauten oder vor einem eventuellen Abriss auch vor Ort erfassen. Ich glaube, beim Thema Re-Use wäre es sinnvoller, wir würden zunächst über die Weiternutzung bestehender Strukturen sprechen. Dann über den Ausbau von Bauteilen und deren Wiederverwendung. Erst ganz zuletzt sollte es um Recycling gehen. Denn dann ist das Material eigentlich nur noch für den Straßenbau oder für Recycling-Beton verwendbar. Damit eines ganz klar ist: Bestandserhalt geht immer vor Abriss, allein schon wegen der CO2-Bilanz. Der Reflex „hau weg“ ist überholt! Trotzdem bin ich der Meinung, dass die stoffliche Erfassung, und zwar der gesamten gebauten Umwelt, sinnvoll ist, weil sie der Transparenz dient und weil es immobilienwirtschaftlich sinnvoll ist zu wissen, über welche Rohstoffwerte man verfügt. Wie wir in 50 Jahren mit welchen Dingen umgehen, ist heute relativ schwer genau vorherzusehen. Wir wissen auch noch nicht genau, wie oft sich bestimmte Materialien recyceln lassen. Dass der Bausektor als größter Ressourcenverbraucher kreislauffähig werden muss und kann, daran besteht bei allen Betei­ ligten kein Zweifel mehr. Ohne Kreislaufwirtschaft im Bau ist die Klimaneutralität nicht zu erreichen. Dabei geht es nicht nur um die tragende Konstruktion, die meiner Meinung nach ohnehin 100 bis 200 Jahre stehen bleiben sollte, sondern auch um den Ausbau. ­Beispielsweise verlässt demnächst ein Mieter, nach Ablauf seines Zehnjahresmiet­ vertrags, das Dreischeibenhaus. Diese zehn Geschosse wurden sofort wieder vermietet und zwar an eine große internationale Anwalts­

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Auch Gebäude haben eine Würde

kanzlei. Diese wird sich nicht mit dem bestehenden Ausbau arrangieren, sondern innen alles komplett zurückbauen und dann ihre eigenen Vorstellungen umsetzen. Mit dem Innenausbau gehen aber 20 bis 25 % der Bausubstanz verloren. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob alles auf die Deponie kommt oder ein zweites Mal verwendet wird. Sind die Hochhäuser somit auch irgendwie Produzenten oder ­Zwischen­lager von Baumaterial, weil sie einem relativ schnellen Wandel ­unterliegen? Ja, diese Mieterinnen und Mieter, also beispielsweise Anwalts-,  Steuer­beratungs- oder Wirtschaftsprüfungskanzleien, ziehen prinzipiell fast alle zehn Jahre um oder unterziehen ihre Flächen einer umfassenden Modernisierung, da sie ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine zeitgemäße Ausstattung, ein entsprechendes Lebens­ gefühl bieten müssen. Die heutige Arbeitswelt verändert sich rasant, und es ist wirklich dramatisch, wie wir heute permanent neuen Entwicklungen hinterherlaufen. Gibt es einen Unterschied zwischen Verwaltungsgebäuden, Hochhäuser eingeschlossen, der öffentlichen Hand und etwa internationalen Unternehmen hinsichtlich ihrer Nutzungsanforderungen? Die eben genannten Berufe haben aufgrund der Vertraulichkeit nach wie vor Zellenbüros, zusätzlich dazu aber gibt es in der Regel sogenannte informelle Bereiche, die die Belegschaft aufsuchen kann, um sich beispielsweise mit anderen Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Das erreicht schnell ein Verhältnis von 50:50 hinsichtlich der Flächen. Kommunikation ist der entscheidende Treiber, um das Wissen eines Unternehmens in die Breite zu verteilen. In der öffentlichen Verwaltung gibt es diese informellen Flächen in deutlich geringerem Maße, wenngleich auch hier der Wandel spürbar ist. Schließlich konkurrieren freie Wirtschaft und öffentliche Verwaltung um die gleiche Ressource – nämlich Personal.

Standard Bank Centre, Johannesburg (Bauzeit 1965–1970)

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Interview mit Gerhard G. Feldmeyer

Bilden sich entsprechende Unterschiede auch bei der Gebäudetechnik ab?   Seitdem klar ist, dass der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern eine Frage von vergleichsweise wenigen Jahren ist, bleibt bei der Gebäudetechnik kein Stein auf dem anderen. Ich persönlich bin ein Verfechter von Lowtech-Ansätzen. Wir müssen uns wieder stärker auf die Nutzung natürlicher Phänomene besinnen. Der Wärmeeintrag steht nun mal in Abhängigkeit zur Himmelsrichtung. Natürlich muss immer gelten: Tageslicht vor Kunstlicht. Auch über Speicherfähigkeit und  Nachtauskühlung sollten wir wieder nachdenken. Übrigens machen die sogenannten 400er-Kosten, also die Gebäudetechnik, bei den signifikanten Baukostensteigerungen der letzten 2–3 Jahre einen großen Teil aus. Ich möchte als Planer nicht groß differenzieren wollen zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen und bin der Meinung, dass alle Menschen einen bestimmten Nutzungskomfort und damit gesunde Innenraumkonditionen verdienen. Sind denn Bürohochhäuser überhaupt noch zeitgemäß?  Ich bin überzeugt, dass das Büro als Ort der Identifikation, der Kommunikation und ja, auch der Arbeit Bestand haben wird. Unternehmen brauchen eine Art Lagerfeuer, sonst hören sie irgendwann auf zu exis­ tieren und bestehen nur noch aus Projekten. Das Phänomen der ­Flexibilisierung von Arbeit ist aber aufgrund der fortschreitenden Digi­ talisierung nicht mehr aufzuhalten. Außerdem werden zunehmend auch in vielen Quartieren Arbeitsorte in Form von Shared Spaces entstehen. Ich glaube, dass wir in wenigen Jahren feststellen werden, dass manch auslaufender Büromietvertrag nicht verlängert wird. Die daraufhin eventuell leer stehenden Bürogebäude könnten eine Reserve für eine Umnutzung zu Wohnungen sein, vorausgesetzt, dass sie die typologischen Grundvoraussetzungen erfüllen. So müssten wir nicht wieder zusätzliche Fläche für Wohnungsneubauten versiegeln und könnten die Graue Energie, die schon in diesen Gebäuden steckt, erhalten. Ich glaube, dass das Thema Konversion von Büros zu Wohnungen an Bedeutung gewinnen wird. Das ist nicht unbedingt preiswerter, aber von allen anderen Rahmenbedingungen her sehr vernünftig. Wenn wir die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung in Sachen zusätzliche Versiegelung von Grund und Boden ernst nehmen, müssen mehr Bestands­gebäude umgenutzt werden und nicht jahrelang ein Dasein im Leerstand fristen. Hochhäuser halte ich in Deutschland im Übrigen nur an ausgewählten Standorten für sinnvoll, weil sie teurer, weniger effizient, anonymer und letztlich auch vom Ressourcenverbrauch sehr ungünstig sind, um nur wenige Argumente zu nennen. Aber im Bestand schon, weil sie schon da sind und es nichts bringt, statt dem Hochhaus drei Mal so viel Fläche neu zu versiegeln?  Das mit der Neuversiegelung ist aber nicht so einfach! Hochhäuser unterbauen meistens deutlich größere Flächen als es der Fußabdruck des aufragenden Bauteils suggeriert. Oft lassen sich diese Flächen auch nicht begrünen, weil sie beispielsweise als Verkehrswege, Feuerwehraufstellflächen oder für die Anlieferung benötigt werden. Der Erhalt von Hochhäusern steht aber, wenn städtebaulich vertretbar, außer Frage – insbesondere bei baukulturell wertvollen Bauwerken, was für die vier heute besprochenen Beispiele von HPP uneingeschränkt gilt. Wir folgen im Umgang mit bestehender Bausubstanz klaren Prinzipien: Auch Gebäude haben eine Würde, die es zu respektieren gilt. Den Geist eines Hauses zu verstehen, erfordert einen bewussten Umgang und nicht die Anwendung reflexbasierter Rezepte. Es passiert schnell, ein Gebäude „kaputtzusanieren“ – man kann vermeintlich alles richtig machen und trotzdem ist es vollständig falsch. Vielen Dank für das Gespräch!

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Auch Gebäude haben eine Würde

Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs Heike Oevermann und Hanne Rung

Die 1950er- und 1960er-Jahre in Deutschland waren geprägt von ­Wiederaufbau und Aufbruch in die Nachkriegsmoderne – raus aus alten Strukturen in eine neue, aufgelockerte, autogerechte und fort­ schritts­orientierte Zukunft. Bürohochhäuser dieser Zeit wurden meist als Eingangssituation in die Stadt und als neue Hochpunkte der Stadtsilhouette angelegt. Diese neuartige Architektur und ihre Materialität waren getragen von Innovationen aus Industrie und Wirtschaft. Dabei galten die USA als Vorbild und das Hochhaus als Symbol einer aufsteigenden Unternehmenskultur.

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Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs

HOCHHAUS UND STADT IN WEST- UND OSTDEUTSCHLAND Der Bauforscher Falk Schneemann spricht von fünf Faktoren der Entwicklung des Bürohochhauses in Westdeutschland. Diese sind das nach dem Krieg wieder vermehrt florierende Kapital und die Immobilienentwicklung. Hochhaus­bauten wurden als repräsentatives Symbol und Prestigeobjekt verstanden, die mit Imaginationen einer besseren Zukunft verbunden waren. Schließlich ging es auch um Raumprogramme für einen verstärkten und veränderten Bedarf an Büroflächen und bautechnische Neuerungen 1. Während die Entwicklung von Stahl- und Eisenbetonbau im 19. Jahrhundert begonnen hatte 2, etablierten sich diese gemeinsam mit dem Material Glas vor allem nach dem Zweiten Welt­krieg, genauso wie die Industrialisierung in der Baupraxis in Ost- und Westdeutschland 3. Mit dem Abwenden von der nationalsozialistischen Vergangenheit, dem beginnenden Wirtschaftswunder in Westdeutschland und der gesellschaftspolitisch motivierten Erneuerung in der DDR – unter anderem mit Hochhäusern als sichtbarer Ausdruck der neuen Bezirkshauptstädte – fand eine neue Architek­ tursprache der Effizienz, Ehrlichkeit und Einfachheit eine breite Akzeptanz.

Dorlandhaus, Berlin

Anknüpfend an die CIAM-Beschlüsse der funktionalen Stadt (1933) und L ­ e Corbusiers Charta von Athen (1943) wird die Architektur der 1950er-Jahre als „Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Gestaltungskonzepte“ gesehen 4. Diese reichten von neoklassizistischen Fassaden, Bauten im Stil der Neuen Sachlichkeit der 1920er-Jahre und organischen Formen bis hin zu klar strukturierten, programmatischen Hochhausbauten aus Metall, Glas und Stahlbeton. In den 1960er-Jahren rückt dann der „wirkliche Aufbruch“ 5 in der Architektur in den Fokus, mit einer starken Hinwendung zu Großbauten und -siedlungen, zu Hochhaus und Experiment. In Ost wie West entstanden zahlreiche Bauten einer Moderne 6, in der sich nicht zuletzt auch das Auto als neue gesellschaftliche Errungenschaft, die für alle gedacht war, durchsetzte. Die Hochhausbauten in den Städten erlaubten eine solitäre bauliche Dichte und forderten gleichzeitig eine nötige Distanz zu den Nachbarbauten. Dadurch ergaben sich neue Flächen für Grün- und Straßenräume 7. Hochhäuser, markant im Stadtraum platziert, wurden Ikonen dieser neuen und kurz anhaltenden Zeit. „Die autogerechte Stadt“, Titel des durch das westdeutsche Bundesministerium für Wohnungsbau 1959 geförderten Buchs von Hans Bernhard Reichow, fasste die Leitgedanken der Stadt- und Verkehrsplaner in der Zeit des Wiederaufbaus zusammen. Keine Dominanz des Individualverkehrs, sondern eine friedliche Koexistenz von Mensch und Auto schwebte ihm vor. Für Mobilitätskonzepte wie Umgehungsstraßen, Fußgängerzonen, Unterführungen für den Fuß- und Radverkehr, Parkhäuser und Parkleitsysteme für die Stadtzentren wurden allerdings auch die historisch gewachsenen Stadtgrundrisse bis zur Unkenntlichkeit überformt.

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Heike Oevermann, Hanne Rung

Im Osten Deutschlands prägten zunächst die „Grundsätze des Städtebaus“ (1950) der DDR die Planungen. Zunächst durchaus im Zuckerbäckerstil ­sowjetischer Architekturauffassungen der Zeit, überwog ab den 1960er-Jahren dann eine funktionalistische und industrielle Bauproduktion, wie etwa die Hochhausbauten rund um den Alexanderplatz in Berlin 8. Im Westen deutete sich noch in den 1960er-Jahren ein Grundsatzstreit über Stadtvorstellungen und Städtebaukonzepte an. Nach den programmatischen Publikationen der Stadtplaner Johannes Göderitz, Roland Rainer und Hubert Hoffmann „Die gegliederte und aufgelockerte Stadt“ von 1957 und Hans Bernhard Reichows „Die autoge­rechte Stadt“ von 1959 9, die noch für den städtebaulichen Aufbruch in eine Moderne standen, erschien schon 1964 die populäre Kritik durch den Verleger und Schriftsteller Wolf Jobst Siedler (mit Elisabeth ­Niggemeyer und Gina Andress) unter dem Titel „Die gemordete Stadt“ 10. Während Erstere die Entflechtung von Funktionen, die Auflösung verdichteter Bebauung, ­Durchgrünung ganzer Stadtteile, und autogerechte Verkehrs­ planung propagierten, warnte Siedler genau davor: Die einst gefeierten ­Hochhäuser wurden gleichgesetzt mit den Berliner Brachen und Ruinen. Beides erzeugt, so die Argumentation, eine städtische Leere, anstelle der von Siedler und seinen Mitautorinnen favorisierten Dichte, Unordung und ­Urbanität. ­Rezession und Ölkrisen der 1970er-Jahre trugen ihr Übriges dazu bei, sodass in Deutschland die Zeit moderner Bürohoch­häuser schon bald wieder vorbei war. Eine Wiedergeburt des archi­tekto­nischen Konzepts des Wolkenkratzers ist mit der Wiederentdeckung der Stadt, internationa-

Plärrerhochhaus, Nürnberg

ler Immobilienmärkte, aber auch durch Faktoren wie den Iconic Turn, dem Bedeutungszuwachs des Bildes in Wissenschaft und Kommunikation, ­letzteres unter anderem durch die digitalen Medien, verbunden. Im städte­ baulichen Diskurs stellt sicherlich Rem Koolhaas´ Feier der Dichte und Urba­ nität in „Delirious New York“ 11 von 1978 einen Meilenstein dar 12, allerdings steht hier die verdichtete Stadtlandschaft der frühen Hochhäuser New Yorks Modell. Bis heute scheiden sich darüber die Geister: Verkörpert das Hoch­haus räumliche Leere einer autogerechten Stadt oder positive Überfülle städtischen Lebens? Verträgt es noch heute eine freistehende Lage, wie oftmals in den 1950er- und 1960er-Jahren konzipiert, oder braucht es eine Verdichtung im stadträumlichen Kontext? Bleibt es erhalten oder muss es weg? DER STÄDTEBAULICHE KONTEXT HEUTE Unbestritten haben sich die Stadtsilhouetten deutscher Metropolen in den vergangenen 50 Jahren mehr oder weniger stark verändert. Denkt man an Frankfurt am Main, ist das einst höchste Gebäude der Stadt, das Hochhaus der Schweizer National am Flussufer, heute vor der mittlerweile imposanten Banken­kulisse kaum noch zu identifizieren (siehe S. 117 ff.). Die bauzeitlich stadtbildprägenden Ikonen haben in den vergangenen Jahrzehnten neue räumliche Rahmenbedingungen und Bedeutungen erhalten. So veränderten sowohl infrastrukturelle wie auch politische Entwick­lungen ihren ursprüng­ lichen Status. Einst Landmarken an wichtigen Plätzen, Kreuzungen oder

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Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs

Situationspläne im historischen Vergleich

PLÄRRERHOCHHAUS, NÜRNBERG 1953

COMMERZBANK-HOCHHAUS, DÜSSELDORF 1963

EWAG-HOCHHAUS, NÜRNBERG 2020

HOTEL RUBY LUNA, DÜSSELDORF 2021

SCHWEIZER NATIONAL-HAUS, FRANKFURT AM MAIN 1964

DORLANDHAUS, BERLIN 1966

HAHN-HOCHHAUS, STUTTGART 1964

NM-1, FRANKFURT AM MAIN 2021

DORLANDHAUS, BERLIN 2021

CITY TOWER, STUTTGART 2021

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Lebensphasen der ­analysierten ­Hochhäuser

In der Bewertung von Büro- und Verwaltungsgebäuden spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Neben den klassisch technischen und ökonomischen Qualitäten treten verstärkt ökologische, soziokulturelle, funktionale sowie prozessuale Qualitäten in den Vordergrund. Daten zu Nutzungsdauern von Bauteilen fließen in die Berechnung von Lebenszykluskosten und Öko­ bilanzen von Gebäuden ein. Nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundes wird dabei zunächst nur ein Zeitraum von 50 Jahren betrachtet. Aktuell werden Sanierungsmaßnahmen im nicht denkmalgeschütz­ten Bestand nach Normen und Richt­ linien des Neubaus behandelt. Für unter Schutz gestellte Gebäude ­gelten bei einer baulichen Maßnahme

Bauzeit Sanierung 50 Jahre Lebensdauer Umbau    Denkmal Verkauf

heutige Normen und Vorschriften lediglich hinsichtlich des Brandschutzes. Im Schaubild werden die unter schiedlichen Verläufe der analysier­ ten Hochhäuser hinsichtlich ihrer Bauzeit, Unterschutzstellung sowie Häufigkeit der baulichen Eingriffe und Besitzer- beziehungsweise Nutzerwechsel erfasst. Auffällig ist hierbei, dass die Gebäude, die während ihrer gesamten Lebensdauer nur einen oder ­wenige Besitzer hatten, am meisten von ihrer ursprünglichen Bausubstanz und Authentizität erhalten ­konnten. Je häufiger der Eigentümer wechselte, desto öfter kam es zu Sanierungsmaßnahmen, um den Wert der Immobilie zu steigern und jeweils gewinnbringend zu veräußern. Oft liegt dies aber auch am stetig steigenden ­Bodenwert des Gebäudes.

Plärrerhochhaus/ EWAG-Hochhaus, Nürnberg

Komplettsanierung

Bauherr: Städtische Werke Nürnberg, heute N-ERGIE Aktiengesellschaft Commerzbank-Hochhaus/ Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

Verkauf an: Hines Immobilien, Komplettsanierung

Bauherr: Commerzbank

Verkauf an: unbekannt

Schweizer National-Haus/ NM-1, Frankfurt am Main

Komplettsanierung

Bauherr: Schweizerische National-­ Versicherungs-Gesellschaft Hahn-Hochhaus/ City Tower, Stuttgart

Bauherr: Hahn ­Motorfahrzeuge

Verkauf an: LBS ­Immobilien

Beton- und Fenster­ sanierung

Verkauf an: ­L’Etoile ­Properties Verkauf an: Blue Estate

Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

Brandschutztechnische Sanierung des ­Fluchttreppenhauses

Bauherr: Werbeagentur Dorland

1950

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1960

1970

1980

Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs

1990

Bestandsaufnahme Schäden an Fassade 2000

2010

2020

städtebaulichen Torsituationen mussten sie sich im Laufe der Zeit gegenüber der fortlaufenden Stadtentwicklung behaupten, anpassen und unterordnen. Ein besonderes Beispiel stellt die Neuplanung Westberlins dar. So forderte der Berliner Senat noch im Jahr 1965 ein „besonderes städtebauliches Kennzeichen“ 13, für die geplante Südtangente in Schöneberg 14. Das Dorlandhaus sollte weit sichtbar einen strategischen Verkehrsknotenpunkt markieren (siehe S. 143 ff.). Im Kontext politischer Umbrüche und einer Stadtgesellschaft, die Planungsvorgaben der autogerechten Stadt und ihrer Zerstörungen existierender Lebensräume nicht mehr kritiklos hinnahm, wurde letztlich dieser Bauabschnitt der Stadtautobahn nicht realisiert und das Gebäude verlor seine damals vorgesehene städtebauliche Bedeutung. Mit der Zeit führten städtische Nachverdichtungen in der bestehenden Substanz zum Verlust des repräsentativen Alleinstellungsmerkmals des freistehenden Hochhauses und dessen Wirkung. Das Verhältnis von baulicher Dichte und städtebaulicher Distanz veränderte sich stetig. Straßen wurden erweitert, höhere Nachbarbebauungen rückten näher und versperrten die Sicht auf die alternden Stadtikonen. Ein anderes Extrem erfuhr das denkmalgeschützte Dreischeibenhaus in ­Düsseldorf. Durch die Sprengung des „Tausendfüß­lers”, der aufgeständerten Stadtautobahn wurden neue Sichtachsen auf das Gebäude freigelegt. Es steht nun konkurrenzlos und nahezu museal in einer parkähnlichen Anlage. Der Spannungsmoment zwischen Hochstraße und Hochhaus ging verloren. Aber auch ein Weiterbauen ist möglich. In München entstanden und entstehen Bürohochhäuser größtenteils in den städtischen Randbereichen. So wurden die neuen Verwaltungssitze von Siemens, BMW oder der HypoVereinsbank in den 1960er- und 1970er-Jahren entlang des Mittleren Rings angeordnet, einer Stadtautobahn, die den Übergang von der Wohn- zur damaligen Industrie- beziehungsweise heutigen Dienstleistungsstadt markiert. Dieser

Städtebau und stadträumliche Wirkung machen, gemeinsam mit den architektonischen und konstruktiven Dimensionen, die jeweiligen Besonderheiten der Denkmale aus. Tradition folgend kamen mittlerweile etwa der O2-Tower oder das Hochhaus des Süddeutschen Verlags hinzu. Neben städtebaulichen Veränderungen entscheiden immobilienwirtschaftliche Interessen und Unternehmenskultur der Besitzer über den Erhalt und Status eines Gebäudes. Das markante Prestigegebäude der Commerzbank im Zentrum Düsseldorfs beispielsweise, ein Hochhaus des Architekten Paul Schneider-Esleben, wurde nicht mehr benötigt. Bis zu seinem Verkauf 2015 stand es bereits mehrere Jahre leer und entfachte eine öffentliche Diskussion über die sinnhafte Weiternutzung oder sogar den Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes (siehe S. 105 ff). In der Bau­benehmensherstellung 15 aus dem Jahr 2017 von HPP Architekten wird beschrieben, dass der neue Investor das Hochhaus erworben hat, um es „in jetziger Form zu erhalten und im Rahmen einer umfassenden Sanierung für eine moderne Nutzung markt­ fähig zu machen“ 16. Der neue Besitzer entwickelte gemeinsam mit den Behörden und dem für die Sanierung zuständigen Architekturbüro ein Konzept, wie das Gebäude zu einem Hotel umgebaut werden könnte und zugleich nichts von seiner Identität abgeben müsste. Die Fassade wurde auf­wendig aufbereitet und ließ sich originalgetreu bewahren. Dennoch fielen dem Umbau das dazugehörige Parkhaus zum Opfer und aus der offenen, befahr­baren Drive-In-­ Schalterhalle im Erdgeschoss wurde eine vollständig verglaste Hotellobby mit Frühstücksraum. Interessant ist, dass im Neuentwurf des Hochhausrahmenplans der Stadt Düsseldorf von 2004 der Innenstadtbereich nicht mehr vorgesehen wird. Wäre also die Abrissbirne zum Einsatz gekommen, hätte an dieser Stelle kein neues Hochhaus errichtet werden dürfen. Damit wird deutlich, dass dieser städtebauliche Hochpunkt in der Stadtentwicklungsplanung kaum Bedeutung hat. Aber nicht nur die lokale Lage innerhalb der Stadt spielt eine wesentliche Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz, sondern auch der eigentliche nationale Standort in den einzelnen Bundesländern. In Deutschland befinden sich laut einer Studie mehr als die Hälfte aller Bürohochhäuser von 1950 bis 1985 in den sogenannten A-Städten – Metropolen mit beson­derer Relevanz wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Düsseldorf oder Stuttgart 17. Dort stehen auch etwa 60 % der unter Schutz gestellten Gebäude. Ein Erhalt lässt sich hier allein schon infolge des immer größer werdenden politischen Drucks (siehe unter anderem Koalitionsvertrag 2021–2025) ablesen.

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Hahn-Hochhaus, Stuttgart

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Heike Oevermann, Hanne Rung

Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

In der Bundesrepublik ist die Bauwirtschaft für 50 % des gesamten Abfallaufkommens und für zirka 40 % der CO2-Emissionen verantwortlich 18. Ein Sichern der gespeicherten Grauen Energie wirkt sich in der Bausubstanz also immer positiv auf die Gesamtbilanz des Gebäudes aus. Anders entschieden sich die Verantwortlichen 2018 in Karlsruhe, wo die Sanierung des Badenwerks, dem 1965 erbauten ehemaligen Verwaltungsgebäudes eines Energieversorgers, als „unwirtschaftlich“ bezeichnet wurde. Hier konnte selbst der Denkmalschutz einen Abriss nicht verhindern. Denn der Denkmalwert war an den weitgehenden Erhalt der Fassade gebunden, die aus energetischen Gründen aber ertüchtigt werden sollte. Im Ergebnis wurde der ganze Baukörper abgerissen und soll durch ein größeres Bauvolumen ersetzt werden. Weitere spektakuläre Sprengungen von Bürohochhäusern gab es in Deutschland unter anderem 2012 in Leverkusen (Bayer-Hochhaus), insgesamt ist der Rückbau solcher Bauten jedoch überschaubar. Von den zwischen 1955 und 1985 errichteten Bürohochhäusern wurden bisher erst ungefähr 10 % abgerissen. Ein Viertel von ihnen steht unter Denkmalschutz. UMGEBUNGSSCHUTZ UND DENKMALBEWERTUNG Der Denkmalschutz in Deutschland ist nicht nur in den 16 Bundesländern föderal organisiert, auch auf Bundesebene gibt es relevante Paragrafen im Baugesetzbuch wie etwa die Regelung zur Erhaltungssatzung in § 172. Die städtebauliche Situation eines denkmalgeschützten Hochhauses ist zunächst über den meist als Umgebungsschutz bezeichneten Paragraphen geregelt. Neben juristisch nicht unerheblichen Unterschieden ist den Landesdenkmalschutzgesetzen der Gedanke einer unmittelbaren Umgebung des Denkmals gemeinsam, die nicht ohne Genehmigung verändert werden darf, wenn diese das Erscheinungsbild oder die Eigenart des Denkmals wesentlich beeinträchtigt 19. Bislang von der Forschung kaum bearbeitet ist die Frage, wie denkmalpflegerisch mit einer heterogenen Bebauung und Umgebung eines Denkmals umgegangen werden kann. Stört der historische Bruch, den das Hochhaus der 1950er- und 1960er-Jahre eventuell erzeugt hat, die Umgebung? Dies ist eine Haltung, die in Stadtkonzepten der Wiederherstellung und Verdichtung hin zur geschlossenen Blockrandbebauung mit Höhenbegrenzung durchaus aufscheint. Aus denkmalpflegerischer Perspektive muss hier widersprochen werden. Nicht nur in der Architektur, sondern auch im Städte­bau ist der Hoch­hausbestand ein Beitrag zur kulturellen Diversität der europä­ischen Baugeschichte und damit denkmalfähig 20. Dies gilt auch für überholte und heute kritisch zu diskutierende städtebauliche Konzepte wie etwa die auto­ gerechte Stadt. Der kluge Umgang mit diesen nun historisch gewordenen und heterogenen Stadträumen mit ihren Hochhäusern der 1950er- und 1960erJahre ist eine anstehende Aufgabe für die Denkmaltheorie und Praxis.

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Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs

Die im Forschungsprojekt „Zukunft Bau – Hochhausbestand“ untersuchten Hochhäuser wurden vonseiten der institutionellen Denkmalpflege aus ­architekturgeschichtlichen und künstlerischen Gründen alle als erhaltenswert eingestuft 21. Von besonderem Interesse sind die etwas ausführlicheren Denkmalbegründungen, die in den Unterlagen der Fachbehörden zum Commerzbank-Hochhaus in Düsseldorf und zum Dorlandhaus in Berlin stehen. Beide Argumentationen beziehen sich explizit auf den Städtebau und erfassen diesen detailliert. In dem denkmalpflegerischen Gutachten des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege von 1993 wird die exponierte Lage, die durch die Zurücksetzung und Freistellung des Gebäudes in Düsseldorf ermöglicht wird, hervorgehoben und diskutiert. Die davor liegende Freifläche wurde, wie angemerkt wird, kritisiert. Die Verfasserin des Gutachtens legte klar, dass gerade dieser Freiraum nötig ist, um das Hochhaus samt Treppenturm und Brückenanbindung an den historischen Hauptbau im dichten Stadtraum hervorzuheben und als Blickfang städtebaulich wirken zu lassen. Die spätere Verdichtung der Blockrandbebauung in unmittelbarer Nachbarschaft, die diesen Freiraum heute verstellt, missachtete diese städtebauliche Sonderstellung. Der Drive-in-Bankschalter als räumlicher Ausdruck einer autogerechten Stadt ist heute zwar noch erhalten, aber weder mit dem Auto noch zu Fuß als fließender Teil des öffentlichen Raums erlebbar. Er wurde zugunsten der neuen Hotelnutzung zum Innenraum umgestaltet und ist hinter einer Glasfassade verschwunden. Die denkmalpflegerische Begründung von 1995 in der Denkmaltopografie, einer einheitlichen und flächensystematischen Erfassung von Denk­ malen, zum Dorlandhaus in Berlin ist auch mit einer klaren städtebaulichen Argumentation versehen. Hier erlaubt die ursprüngliche und bis heute erhaltene Freistellung des Baus und seine Drehung aus dem Blockrand heraus ein vielschichtiges Gesicht des im Grundriss dreieckigen Gebäudes, das an der großspurigen Verkehrskreuzung besonders wirksam wird. Auch der Hinweis auf die damalige planerische Anforderung an das Bauwerk, ein besonderes

Schweizer National-Haus, Frankfurt am Main

städtebauliches Kennzeichen zu bilden, ist in die Denkmalbegründung aufgenommen. Da die B106 in Berlin nicht gebaut wurde, verlor das Dorlandhaus diese angestrebte Signalwirkung. Sichtbar und herausgehoben steht es aber bis heute an der stattdessen realisierten Großkreuzung. Erst die 2022 fertig­ gestellten und im Bau befindlichen Nachbararchitekturen rücken dicht an den Denkmalbestand heran. Damit wird die städtebauliche Besonderheit des Gebäudes nur noch von einem verringerten Blickwinkel aus im städtebaulichen Kontext wirksam. Diese Argumentationen in den Denkmaleinträgen zeigen ein Bewusstsein und Erhaltungsinteresse der symbol- und prestigeträchtigen Dimension der Hochhausbauten im Stadtraum. Städtebau und stadträumliche Wirkung machen, gemeinsam mit den architektonischen und konstruktiven Dimensionen, die jeweiligen Besonderheiten der Denkmale aus. Von der institutionellen Denkmalpflege werden sie als ein Dokument des Gestaltungswillens und Stadt­verständnisses der 1950er- und 1960er-Jahre verstanden, als Zeugnis eines vergangenen Aufbruchs in eine positiv imaginierte Zukunft.

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ERHALTEN BEGINNT IM STÄDTEBAULICHEN DISKURS Zusammenfassend wird deutlich, dass nicht nur die stadträumliche Lage für die Akzeptanz und Wahrnehmung der Bürohochhäuser eine wesentliche Rolle spielt, sondern auch die konstante Flexibilität der Gebäude selbst auf sich stetig verändernde städtebauliche und nutzerspezifische Bedingungen. Die in diesem Zusammenhang erfolgte öffentliche Debatte über Qualität und Neu­ bewertungen der Architektur im Rahmen veränderter Stadtkonzepte erfolgt auf Bundesebene in unterschiedlicher Art und Weise. Von den Bundesländern mit 50 oder mehr zwischen 1950 bis 1985 erbauten Bürohochhäusern liegt Hessen mit einer Abrissquote von fast 19 % deutlich vor Bayern (15,2 %), ­Hamburg (14,8 %) und Nordrhein-Westfalen (14,4 %). Positiv hervorzuheben sind Berlin, wo lediglich 3,5 % des Hochhausbestands aus der Nachkriegszeit rückgebaut wurden, und Baden-Württemberg mit 8,6 % 22. Gleichermaßen unterschiedlich fallen die denkmalpflegerischen Gutachten und Begründungen für die Hochhäuser der 1950er- und 1960er-Jahre aus. Während die ­Denkmalverwaltungen nicht vor den Eigentümerwechseln und den damit einhergehenden zusätzlichen Risiken für Veränderung und Abriss schützen können, sorgt die ­Unterschutzstellung zumindest dafür, dass Aushandlungsprozesse über den Erhalt auch dann geführt werden, wenn das öffentliche und/ oder eigentümerbezogene Interesse noch nicht entfacht ist. Hochhäuser sind Ikonen, die sich stadträumlichen Veränderungen stellen und diesen auch standhalten können. Sie bleiben markante Erinnerungsorte und Orientierungspunkte in einer Stadt, lässt man ihnen ihre Identität und Fernwirkung. Um das zu gewährleisten, ist ein feinfühliger Umgang mit baulicher Dichte und Distanz erforderlich.

1 Schneemann, Falk: Das Hochhaus als Gewebe und Gestaltung von Technik. Berlin 2021, S. 23–27 2 Schädlich, Christian: Das Eisen in der Architektur des 19. Jahrhunderts. Schriftenreihe Firmitas. Band 1. Aachen/Berlin 2015 3 Sonne, Wolfgang: Welche Moderne? Richtungen der Architektur der 1960er, 70er, und 80er Jahre in Deutschland. In: Eckhardt, Frank u.a. (Hg.): Welche Denkmale ­welcher Moderne? Berlin 2017, S. 14–39 4 Durth, Werner; Gutschow, Nils: Architektur und Städtebau der fünfziger Jahre. Bonn 1998, S. 11 5 Lange, Ralf: Architektur und ­Städtebau der sechziger Jahre. Bonn 2003, S. 7–13 6 Für den Modernebegriff vgl. Anm. 3 7 Schreiber, Mathias: Deutsche ­Architektur nach 1945. Stuttgart 1986 8 Butter, Andreas; Hartung Ulrich: Ostmoderne. Architektur in Berlin 1945–1965. Berlin 2004 9 Göderitz, Johannes; Rainer, ­Roland; Hoffmann, Hubert: Die gegliederte und aufgelockerte Stadt. Tübingen 1957; Reichow, Hans Bernhard: Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-­ Chaos. Ravensburg 1959 10 Siedler, Wolf Jobst; Niggemeyer, Elisabeth; Andress, Gina: ­ Die ­gemordete Stadt. Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum. Berlin 1964

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11 Koolhaas, Rem: Delirious New York. Rotterdam 1994 12 Wie Anm. 3, S. 28 13 Festgehalten in der Denkmalausweisung von 1995, https://denkmaldatenbank.berlin.de/daobj. php?obj_dok_nr=09066369 14 Die in erster Linie auf den Autoverkehr ausgerichtete Konzeption ging zurück auf den sogenannten Kollektivplan Hans Scharouns, der eine völlig neue Stadt gestalten wollte, ohne auf historische Strukturen Rücksicht zu nehmen. Anstatt die im Krieg schwer zerstörten Quartiere wiederaufzubauen, forcierte der Berliner Senat ab Mitte der 1950er-Jahre den Bau der Stadtautobahn A106, die in Teilen realisiert wurde. Selbst die Errichtung der Berliner Mauer konnte die Bemühungen vorerst nicht stoppen. Man hoffte auf eine baldige Wiedervereinigung beider Stadthälften. 15 Eine Baubenehmensherstellung ist eine Einigung nach fachlichem Austausch der Beteiligten, im Umgang mit der Veränderung eines Denkmals, zum Beispiel im Zuge einer Sanierung. Beteiligte sind in der Regel die institutionelle Denkmalpflege, der Architekt oder die Architektin sowie Eigentümer oder Eigentümerin. Eine Baubenehmensherstellung ist eine wichtige Praxis, um gemeinsam zu denkmalgerechten Lösungen zu gelangen.

Erhalten beginnt im städtebaulichen Diskurs

16 Quante, Andra: CommerzbankHochhaus – Der Wandel in Nutzung und städtebaulichem Kontext im Konflikt mit der Denkmalpflege. Bachelorarbeit. Bauhaus Universität Weimar, 2021, S. 42 17 Rung, Hanne: Potentialanalyse des Bauvolumens von Bürohochhäusern (1950–1985). TU München 2021 18 ressource-deutschland.de/ themen/bauwesen (abgerufen: 01.07.2022) 19 DGschG Berlin §10; DGschG Hessen §18; DGschG Bayern Art.6 (1)2; DGschG NRW §3, §5(3), §9(2) 20 Meier, Hans-Rudolf: Wertedebatten und Wertelehren in der spätmodernen Denkmalpflege. In: ­Meier, Hans-Rudolf; Scheurmann, Ingrid; Sonne, Wolfgang (Hg.): ­Werte. Begründungen der Denkmalpflege in Geschichte und ­Gegenwart. Berlin 2012, S. 68 21 zukunftbau.de/projekte/ forschungsfoerderung/ 1008187-2027 (abgerufen: 01.07.2022) 22 Wie Anm. 17

Instandsetzung von Hoch­haus­ fassaden Rouven Grom

Bei der Instandsetzung von Bürohochhäusern kommt neben der technischen Gebäudeausstattung vor allem der Fassade eine ­Schlüsselrolle zu. Der Denkmalschutz dieser Gebäude wird aber oft mit der bauzeitlichen Fassadengestaltung begründet. Im Hinblick auf ihre Konstruktion haben ältere Hochhausfassaden jedoch oft ­typische Schwachstellen, und auch eine energetische Ertüchtigung erscheint oft gerechtfertigt. Es stellt sich die Frage, ob man gerade bei der ­Fassade durch regelmäßige Reparatur und Pflege der Sub­ stanz viele Probleme frühzeitig vermeiden und damit die Lebenszeit der Kon­struktionen verlängern kann, sodass Diskussionen um einen Total­ersatz gar nicht erst entstehen.

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Instandsetzung von Hochhausfassaden

Die gängigen Möglichkeiten der konstruktiven Fassadenausbildung, die in den  1950er- und 1960er-Jahren für Hochhausbauten Verwendung fanden, lassen sich, unabhängig von ihren verwendeten Werkstoffen grob in zwei Grundtypen unterteilen: in Fassaden, die das Tragskelett ausfachen, und in Fassaden, die als Bekleidung vor das Skelett gehängt werden, wobei auch kombinierte Ausführungen möglich sind.1 Insbesondere Leichtmetalllegierungen aus Aluminium kamen auf grund ihrer besonderen Eigenschaften verstärkt zum Einsatz, auch war das Material in Folge der Überkapazitäten der Rüstungsproduktion in der Nachkriegszeit in großen Mengen verfügbar. Eine andere technologische Entwicklung aus der Mitte des letzten Jahrhunderts liegt im Bereich der Glasherstellung. Zweischeiben-­Isolierverglasungen, Flachgläser mit UV-­ Beschichtungen und schließlich ab ­Mitte  der 1960er-Jahre der rasante Siegeszug der Floatglasherstellung sollten für das äußere Erscheinungsbild der Bürohochhäuser entscheidend werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Curtain Wall (Vorhangwand beziehungsweise Vorhangfassade) in Metall-GlasAusführung nach amerikanischem Vorbild verstärkt Anwendung in der jungen Bundesrepublik. Eine Vielzahl an repräsentativen Firmen- und Konzernhauptsitzen wurden während der Wirtschaftswunder­jahre als Skelettbauten mit nicht tragender Fassade errichtet und damit zum Symbol für den wirtschaftlichen Aufschwung und die Modernisierung. International beachtete Referenzbauten, wie zum Beispiel das in den Jahren 1950 bis 1952 errichtete Lever House in New York, stammten vom US-amerikanischen Architekturbüro SOM.2 Die vorgehängten Leichtmetallfassaden der 1950er- und 1960er-Jahre lassen sich je nach konstruktiver Ausbildung in zwei Hauptgruppen unterteilen, Sprossen- beziehungsweise Rahmenkonstruktionen und Tafelkonstruk­tionen (Abb. 2). Zudem ist eine Einteilung in weitere Kategorien möglich, die sich aus dem Grad der Vorfertigung, der Art der Montage und der Spannrichtung der Hauptsprossen ergeben.3 Heute wird im Gegensatz dazu nach DIN EN 13 830 „Vorhangfassaden – Produktnorm“ (Erstveröffentlichung 2003) terminologisch in die Ausführung als Pfosten-Riegel-Fassade und als Elementfassade unterschieden.4 Die Differenzierung erfolgt also nach dem Montageprinzip: Die Komponenten wie Sprossen und Füllelemente werden im Extremfall einzeln auf die Baustelle geliefert und dort schrittweise montiert oder bereits im Werk als fertige Module zusammengesetzt und nach Anlieferung auf der Baustelle unmittelbar am Rohbau befestigt. Dabei sind aber auch Kombinationen der Systeme möglich. Unbeachtet bleiben hier vorgehängte, hinterlüftete ­Fassaden (engl. Rainscreen), die als flächige, teilweise auch als fensterlose Verkleidung dienen. Ihre Ausführung erfolgt auch meist nicht als eigenständig tragende Schale.5

Bis in die 1970er-Jahre war vor allem bei Metallfassaden die ­Verwendung von sogenannten Kaltprofilen üblich, was unter ­anderem zu Korrosion der Profile und im Rauminneren zu Tau­ wasserausfall führen kann. Gründe für eine Sanierung liegen meist in den Fassadenkonstruktionen selbst. Diese weisen aus heutiger Sicht oft typische Schwachstellen auf und sind nach einer Nutzung von über 60 Jahren in der Regel technisch überholt. Fassaden oder Fenster der 1950er- und 1960er-Jahre verfügen mehrheitlich über keine thermisch getrennten oder isolierten Profile. Bis in die 1970er-Jahre war vor allem bei Metallfassaden die Verwendung von sogenannten Kaltprofilen üblich, was zu Korrosion der Profile, im Rauminneren zu Tauwasserausfall und bei zu hoher Raumluftfeuchte zu Schimmelbefall führen kann. Schätzungs­ weise haben Kaltprofile aus Aluminium einen U-Wert von 5,0 W/m2K. Bei den bauzeitlich oft festen Verglasungen handelt es sich meist um schlecht dämmende Zweischeiben-Isolierverglasung, in deren Scheibenzwischenraum ehemals trockene Luft mit Überdruck eingepresst wurde. Meist ist der Überdruck heute nicht mehr gegeben und die Isolierwirkung demnach fraglich, was einen hohen potenziellen Wärmeverlust und Kaltluftabfall an der Fassade mit sich bringt. Solche Verglasungen haben im besten Fall schätzungsweise einen U-Wert von 3,0 W/m2K. Eine Wärmedämmung ist oft nicht oder nur rudi­ mentär vorhanden, vorliegende Isolierpaneele weisen in der Regel eine geringe Stärke von 30 bis 50 mm auf. Die Dämmung hat sich meist vom Baukörper gelöst oder ihre Formstabilität verloren. Daraus resultieren ebenfalls Wärmeverluste und ein möglicher Tauwasserausfall. Dichtungskitt oder -profile erfüllen ihren eigentlichen Zweck meist nicht mehr, da sie sich komplett aufgelöst haben oder gerissen sind. Dies kann neben Zugerscheinungen, Wärmeverlusten und Tauwasserausfall sogar zur Folge haben, dass Niederschlag ins Gebäude eindringt. Eintretendes Wasser kann bei einer vorgehängten Fassade

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Rouven Grom

Sanierungsvarianten für Fassaden im Horizontalschnitt  Metall  Glas   massives Bauteil  Dämmung/Isolierung

Unterschiedliche Instandsetzungsoptionen existieren für (L) Lochfassaden: tragende Fassade, Öffnung mit Fenster geschlossen; (P) Pfosten-RahmenFassaden: nicht tragende Fassade, Pfostenzwischenraum ausgefacht mit Elementen aus Brüstungspaneel und Verglasung; (PR) Pfosten-Riegel- oder Stiel-Riegel-Fassaden: nicht tragende Fassade, Stabwerk ausgefacht aus einzelnen Brüstungspaneelen und

Lochfassaden (L)

L1 Plärrerhochhaus, ­Nürnberg

Verglasung; (T) Tafel-Fassaden: nicht tragende Fassade, großflächige ­Paneele mit eingesetzter Verglasung; (E) Element-Fassaden: nicht tragende Fassade, Elemente aus Brüstungs­ paneel und Verglasung (jeweils als schematische Horizontalschnitte der Fassadenarten). Die Eingriffstiefe wird differenziert in (1) Komplettaustausch, (2) Ergänzung/Weiterbauen, (3) Reparatur und Pflege. Pfosten-RahmenFassaden (P)

L2

L 3a

L 3b

PR 1b

PR 2 Dreischeibenhaus, Düsseldorf (2015)

PR 3a

P1 Dreischeibenhaus, Düsseldorf (1994)

Pfosten-Riegel- ­oder Stiel-Riegel-Fassaden (PR)

PR 1a Schweizer National-Haus, Frankfurt am Main

Element-­Fassaden (E)

E1

PR 3b

Tafel-­Fassaden (T)

E2 Daimler-Benz-Hochhaus, Stuttgart

E3

T1

T2 Commerzbank-­ Hochhaus, Düsseldorf

Abb. 1 Übliche Instandsetzungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen an Fassadenkonstruktionen der 1950er- und 1960er-Jahre ent­ sprechend typischer Fassadenarten. Schematische Darstellung auf Grundlage einer breit angelegten Sammlung an Umbauten und Modernisierungen der vergangenen Jahre. Die Übersicht umfasst nicht alle denkbaren Optionen, s­ ondern beschränkt sich auf übliche Maßnahmen in Relation zur Art der Fassadenkonstruktion.

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Instandsetzung von Hochhausfassaden

im schlimmsten Fall zur Korrosion der Fassadenbefestigung führen. Diese meist in den kalten Monaten des Jahres auftretenden Probleme lassen sich nur durch dauerhaftes und unverhältnismäßiges Beheizen kompensieren, was schon seit Inbetriebnahme des Gebäudes durch die bauzeitlich in den Brüstungsfeldern der Fassaden angeordneten Klima- und Heizungsgeräte auch der Fall war. Im Gegensatz dazu führen fehlende oder nicht mehr funktionstüchtige Sonnenschutzanlagen an sonnenreichen Tagen des Jahres zu einem sehr hohen Energie­ eintrag, der nur per Klimaanlage „weggekühlt“ und ausgeglichen werden kann und damit insgesamt hohe Energienebenkosten nach sich zieht. Ein Teil der sich daraus ergebenden Probleme (zum Beispiel Kondensat) lässt sich durch die mechanischen Lüftungs-, Heiz- und Kühlsysteme verhindern, ohne die die vor­ gehängten Fassaden nicht funktionieren. Das daraus resultierende Raumklima ist für Büroarbeitsplätze nach heutigen Anforderungen trotz alledem nicht ideal. SANIERUNGSSTRATEGIEN FÜR BESTANDSFASSADEN Grundsätzlich sind verschiedene Konzepte und Strategien im Umgang mit der bestehenden Fassadenkonstruktion denkbar. Die bis jetzt erprobten Fassadensanierungen lassen sich grob in drei konstruktive und gestalterische Ansätze zusammenfassen (Abb. 1). 1   KOMPLETTAUSTAUSCH (DIE BESTANDSFASSADE WIRD ENTFERNT) Die neue Fassade geht nicht auf den Bestand ein und erfüllt nur aktuelle technische Erfordernisse. Die neue Fassade orientiert sich am Bestand, es erfolgt ein Nachbau in weitgehender Anlehnung an die vorhandene Fassade nach aktuellen technischen Erfordernissen. Nach diesem Schema wurde beispielsweise im Jahr 2006 die Sanierung der Fassade des Schweizer National-Hauses in Frankfurt durch­ geführt (Abb. 3, S. 36). Die Fassade von 1964, bestehend aus Pfosten und Riegeln, wurde zudem als Elementfassade ersetzt. In den Grundzügen orientiert sich die neue Fassade an der Gestaltung der bauzeitlichen Rasterfassade. Es wurde versucht, mit der Ausbildung der Rahmenstöße der neuen Fassadenelemente, die Ansichtsbreiten der bauzeitlichen Pfosten-Riegel-Abdeckleisten aufzugreifen. Deutlich sichtbar ist ein neues, veränderte Fassadenraster und etwas andere Farben.

a) Pfostenkonstruktion mit Riegel

b) Pfostenkonstruktion ohne Riegel

d) Elementkonstruktion aus Einzelteilen

e) Elementkonstruktion aus Tafeln

c) Pfostenkonstruktion mit Fensterrahmen

Abb. 2 Beispiele für Wandaufbauten und das konstruktive Prinzip für vorgehängte Leichtmetallfassaden der 1950er- und 1960er-Jahre. Die schematische Darstellung zeigt eine Übersicht von beispielhaften Konstruktionstypen für nicht tragende leichte Außenwände. Nicht aufgeführt sind beispielsweise Riegelkonstruktionen.

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Rouven Grom

Abb. 3 Musterfassade der neuen Fassade am Schweizer National-Haus in Frankfurt

2  ERGÄNZEN/WEITERBAUEN (BESTANDSFASSADE BLEIBT ERHALTEN) Eine neue Fassadenebene (neuer Raumabschluss, neue Dämmebene) wird außen, vor den Bestand gehängt, die neue Fassade orientiert sich (dabei) am Bestand. Die vorhandene Fassade bildet den inneren Raumabschluss. Nach diesem Muster erfolgte beispielsweise 2011 die Sanierung der Fassade des Verwaltungshochhauses der Daimler Benz AG aus dem Jahr 1959 in StuttgartUntertürkheim (Abb. 4). Ein Fassadenelement wurde bauzeitlich aus zwei Elementteilen (horizontale Doppelgruppe) ausgebildet, auch das neue Element ist, wie im Foto erkennbar, ähnlich konzipiert. Die Sanierung erfolgte im laufenden Bürobetrieb. Dabei war nur eine kurze Unterbrechung zur Montage der Elemente von außen und zur Demontage der Wendeflügelfenster von innen nötig. Die neue Fassade (neuer Raumabschluss, neue Dämmebene) wird innen, raumseitig an den Bestand gebaut, die Bestandsfassade verbleibt als äußere sichtbare Schicht, mit der Funktion eines Witterungsschutzes und zum Erhalt des historischen Erscheinungsbilds. Die 2015 erfolgte Sanierung der Fassade des Dreischeibenhauses in Düsseldorf verfolgte beispielsweise diesen Ansatz (Abb. 5). Jedoch wurde die bauzeitliche Fassade aus dem Jahr 1960 bereits 1994 komplett ausgetauscht, was das historische Erscheinungsbild bereits minimal veränderte. 3  REPARATUR UND PFLEGE (DIE BESTANDSFASSADE BLEIBT ERHALTEN) Vorhandene Bauteile werden wiederverwendet. Einzelne Füllkomponenten werden ausgetauscht (Teilaustausch). Die Bestandsfassade wird nach technischen Erfordernissen aufgerüstet. Beobachten lässt sich diese Maßnahme beispielsweise beim Hahn-Hochhaus in Stuttgart. 1996 erfolgte eine partielle Ausbesserung von Betonschäden am Treppenturm und ein Austausch der Fensterbänder. Welche Instandsetzungs- und Ertüchtigungsstrategie möglich ist, bestimmen in erster Linie die gestellten Rahmenbedingen. So entsteht eine erste Einschränkung schon dadurch, ob das Gebäude leer steht oder Maßnahmen im laufenden Betrieb erfolgen müssen. Die energetische Ertüchtigung lässt sich dann nur schrittweise und örtlich begrenzt ausführen, das gesamte Gebäude muss damit aber auch nicht komplett zur Baustelle werden. Ziel der Instandsetzung sollte es im besten Fall sein, den heutigen bauphysikalischen Anforderungen gerecht zu werden beziehungsweise die vorhandenen Schwachstellen auszugleichen und die energetische Performance zu verbessern. Durch Bauteilöffnungen, insbesondere an den bekannten Schwachstellen von Gebäuden der 1950er- und 1960er-Jahre, ist der bauliche Zustand zu klären. Sehr oft finden sich zum Beispiel zusammengefallene Dämmplatten im Brüstungsbereich, korrodierte Befestigungsglieder der Unterkonstruktion oder nicht mehr intakte Gummiprofile oder Versiegelungen. Erst dann lässt sich entscheiden, welches weitere Verfahren sinnvoll wäre. Statische Untersuchungen am baulichen Istzustand der Tragstruktur des Gebäudes geben Aufschluss darüber, welche Lastreserven der Rohbau für die Komponenten einer neuen Fassade bereithält. Soll nur der Austausch einzelner Komponenten erfolgen, müssen das Rahmenwerk der Fassade und die Befestigungsglieder ebenfalls auf die Aufnahme von zusätzlichen Lasten und auf vorhandenen Platz für die neuen Bauteilstärken der Füllelemente überprüft werden. Überschlagsweise ist mit 2,7 kg je 1 mm neuer Glasstärke zu rechnen. Zwischen Fassade und Rohbaustruktur befindet sich bei den untersuchten Objekten meist viel Platz und ein größerer Abstand als bei heutigen Fassaden. Zusätzliche Dämmschichten lassen sich daher durchaus als neue innere Schale einfügen, jedoch darf nicht

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Instandsetzung von Hochhausfassaden

unberücksichtigt bleiben, dass sich damit auch die Taupunktkurve verschiebt und in der Folge bauphysikalische Probleme möglich sind. Vorhandene Aluminiumprofilstärken weisen im Gegensatz zu heutigen Konstruktionen weit stärkere Dicken auf und eignen sich in statischer Hinsicht für eine Weiterverwendung mit neueren Füllelementen. Jedoch ist zu untersuchen, ob die vielfach vorhandenen, thermisch nicht getrennten Profile die energetischen Rahmenbedingungen überhaupt erfüllen können. Die energetische Ertüchtigung würde dann über die Flächenanteile erfolgen, wodurch trotzdem eine hohe Energieeinsparung möglich wäre. Unabhängig davon bleiben auch die Ansichtsbreiten der Profile und damit die gestalterischen Merkmale der Fassade erhalten, sollte das Rahmenwerk weiterverwendet werden. Steht das Gebäude unter Denkmalschutz, bringt auch dieser noch zusätzliche Bedingungen mit sich, wie etwa bei der Sanierung der Commerzbank in Düsseldorf, wo durch die Wiederverwendung der ertüchtigten und aufgedoppelten Fassadenelemente das äußere Erscheinungsbild der Obergeschosse des Hochhauses im materiellen Original erhalten werden konnte. Grundsätzlich erfordert vor allem der Aufwand der geplanten Maßnahme im Verhältnis zum Nutzen in energetischer und finanzieller Hinsicht den größten Klärungsbedarf. Die Fassade ist nur ein Teil des gesamten Gebäudes und darf nicht ohne die Rohbautragstruktur und die technische Gebäudeausstattung betrachtet werden. Es muss beispielsweise überprüft werden, ob eine Ertüchtigung der Fassade ohne Erneuerung der technischen Gebäudeaus­ stattung möglich und sinnvoll ist. Deswegen bedürfen gerade hochausgerüstete Hochhäuser besonderer technischer Betreuung und eines Feingefühls bei der Instandsetzung. Ein möglichst reibungsloses, gewerkeübergreifendes Zusammenarbeiten ist notwendig. Mittlerweile gibt es einige bemerkenswerte ­Beispiele, die grundlegend erneuert wurden, ohne dass sich das grundsätz­ liche Erscheinungsbild und der baukünstlerische Wert wesentlich verändert hat:

Abb. 4

Fassadensanierung am Daimler-Benz-Hochhaus in Stuttgart im Jahr 1996

Abb. 5 Fassadenschnitt Dreischeibenhaus nach der erfolgten Sanierung im Jahr 2015. Die im Zuge der Sanierung neu eingebauten Bauteile sind in roter Farbe dargestellt.

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Rouven Grom

BMW Tower, München

Abb. 6

Deutsche Bank, Frankfurt

Gegenüberstellung ausgewählter Objekte vor und nach der erfolgten Fassadensanierung

beispielsweise der BMW-Vierzylinder in München (Bauzeit 1968–1972) in den Jahren 2004 bis 2006, die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt (Bauzeit 1978–1984) von 2007 bis 2011 oder der HVB-Tower in München (­Bauzeit 1975– 1981) von 2013 bis 2015 (Abb. 6). Das Dreischeibenhaus in Düsseldorf (Bauzeit 1957–1960) wurde bereits mehrmals erneuert, eine umfassende Sanierung erfolgte von 1992 bis 1995, die unter anderem einen Komplettaustausch der Fassade nach sich zog. Mit der Ertüchtigung der Fassade der 1990er-Jahre wurde zwischen 2012 bis 2014 raumseitig eine neue zweite Schicht hinzugefügt. Auch fand in diesem Zug eine Modernisierung der Innenräume statt, um eine neue flexible Nutzung der Büroebenen zu ermöglichen. Es ist zu beobachten, dass sich die Bau­ verantwortlichen zugunsten des wirtschaftlichen Werteerhalts sehr oft für Kern- beziehungsweise Kompletterneuerungen entscheiden und damit für den Abriss der bestehenden Fassade. Während einige ikonische Hochhäuser in den ver­gangenen 60 Jahren schon mehrfach erneuert und grundsaniert wurden, e ­ xistieren ­einige wenige Gebäude der 1960er-Jahre bis heute ohne Veränderungen und in täglicher Nutzung. An ihnen ist beispielhaft zu sehen, dass sich mit kleinen Reparaturen und Pflege der ­Substanz viele Probleme vermeiden lassen und die Lebenszeit deutlich ver­längert werden kann.

1  Einen Überblick gibt z. B. F. Hart in seinen „Skelettbauten“, siehe Hart, Franz: Skelettbauten, ­München 1956 2 Als Teil der Dissertation und der Forschung fasst u. a. J. Renckens die Entwicklung von Glasfassaden in einer Publikation zusammen, siehe Renckens, Just: Fassaden & Architektur. Faszination in Aluminium und Glas. Wageningen 1997 3 Die Einteilung erfolgt nach R. Schaal, vgl. Schaal, Rolf: Vorhangwände. Curtain Walls: Typen. Konstruktionsarten. Gestaltung. München 1961, S. 47–51 4 DIN EN 13 830:2020-11. Vorhangfassaden – Produktnorm

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5 DIN 18 516-1:2010-06. Außenwandbekleidungen, hinterlüftet – Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze Die gesammelten Informationen ­wurden im Rahmen der laufenden Forschung durch zahlreiche Gebäudebesichtigungen und in Gesprächen mit Fachplanern zusammen­getragen.

Instandsetzung von Hochhausfassaden

HVB Tower, München

Erhaltungszustand der Fassaden von Büro­ hochhäusern der 1950erbis 1970er-Jahre in Deutschland

Die zeittypischen Konstruktions­ arten von Fassaden wie Lochfassade / Bandfassade, Pfosten-Riegel-­ Fassade / Stiel-Riegel-Fassade, Elementfas­sade / Pfosten-RahmenFassade und Tafelfassade sind farblich differenziert. Bauliche Eingriffe wie Ertüchtigung oder Erneuerung der Fassa­den sind durch Schraffuren gekennzeichnet. Wo bekannt, erfolgt die Angabe der Denkmaleintragung, Gebäudeumnutzung und Abriss. Die Bauten sind zeitlich chrono­ logisch nach Baufertigstellung bzw. Inbetriebnahme geordnet. Die Angaben erfolgen auf Grundlage einer breit angelegten Recherche öffentlich zugänglicher Informationen über Umbauten und Modernisierungen rele­vanter Hochhausbauten. Die Übersicht beschränkt sich auf eine exemplarische Auswahl gesamt­deut­ scher Hochhausbauten und erlaubt eine Einordnung der nachfolgenden Fallstudien hinsichtlich Bauzeit, Fassadenart und Zustand. Bei der Hälfte der untersuchten Objekte stand die ursprüngliche ­Fassade 42 Jahre und mehr, bis erstmals relevante bauliche Maßnahmen

wie Ertüchtigung oder Ersatz erfolgten. Bauzeitlich original erhalten sind aktuell (Stand 2022) noch etwa 10 % der Fassaden. Eine wiederholte Ertüchtigung erfolgte durchschnittlich 18 Jahre nach einem ersten ­Eingriff, bei einer Totalerneuerung durchschnittlich nach 25 Jahren.

 Lochfassade / Bandfassade  Pfosten-Riegel -Fassade oder Stiel-Riegel-Fassade  Element-Fassade und PfostenRahmen-Fassade   Tafelfassade oder Paneelfassade  Ergänzung einer zweiten ­Fassadenebene   Bau- / Umbauphase   Komplettaustausch Fassade   Ertüchtigung Fassade     Denkmal   Abriss Gebäude   Umnutzung Gebäude

Junior-Haus, Frankfurt Deutsche Genossenschaftskasse, Frankfurt Plärrerhochhaus, Nürnberg Bundesrechnungshof, Frankfurt Maintor-Primus/Degussa, Frankfurt Himbeerpalast, Erlangen Kaufhof Hauptverwaltung, Köln Bienenkorbhochhaus, Frankfurt Oberfinanzdirektion, Frankfurt Girozentrale, Düsseldorf Volkshilfe, Berlin Fernmeldehochhaus, Frankfurt Landwirtschaftliche Rentenbank, Frankfurt Dommel-Hochhaus/Immermann-Tower, Düsseldorf ARAG, Düsseldorf Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Berlin BASF-Hochhaus, Ludwigshafen 1950

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Rathaus, Düren Huthmacher-Haus, Berlin Mannesmann Hochhaus, Düsseldorf Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen, Berlin Daimler Benz AG, Stuttgart Deutsches Patent- und Markenamt, München Württembergische Hypothekenbank, Frankfurt Thyssenhaus, Dreischeibenhaus, Düsseldorf Telefunken-Hochhaus, Berlin BAT-Hochhaus, Hamburg Kollegiengebäude Ⅰ, Stuttgart Zürich-Haus, Frankfurt Mona-Hochhaus, Karlsruhe Rheinstahl-Hochhaus/Ruhr, Essen Deckel-Maschinenfabrik, München Siemens-Hochhaus, Erlangen IBM-Haus, Berlin Europahaus, Bochum Unilever-Haus, Emporio-Hochhaus, Hamburg Badenwerke AG, Karlsruhe Iduna-Hochhaus (Magna-Tower), Essen Siemens-Hochhaus, München Rathaus Marl, Marl Hahn-Hochhaus, Stuttgart Bayer-Hochhaus, Leverkusen Commerzbank, Düsseldorf Dyckerhoff-Hochhaus, Wiesbaden Bank für Gemeinwirtschaft, Frankfurt Haus des Lehrens, Berlin Kollegiengebäude Ⅱ, Stuttgart Schweizer National-Haus, Frankfurt Klöckner-Humboldt-Deutz AG, Köln Haus der Kultur und Bildung, Neubrandenburg BHG/BHF-Hochhaus, Frankfurt Europacenter, Berlin 1950

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Kreissparkasse Recklinghausen, Recklinghausen LVR-Haus, Köln Brühlpelz-Hochhaus, Leipzig Dorland, Haus der Werbung, Berlin Iduna-/Millerntor-Hochhaus, Hamburg Finnland-Haus, Hamburg Apollo-Hochhaus/3M, Düsseldorf ARAG-Versicherung Hauptverwaltung, Düseldorf Fina-Haus, Frankfurt Überlandwerk, Bamberg Postscheckamt/Postbank-Hochhaus, Essen Spiegel-Hochhaus, Heith 1, Hamburg Abgeordneten-Hochhaus, Bonn HEW/Vattenfall, Hamburg Lufthansa-Hochhaus/Lanxess Tower, Köln Sternhaus/BayWa-Hochhaus, München Bonn-Center, Bonn Oberfinanzdirektion, Münster Bahn-Hochhaus, Essen Neues Rathaus, Sindelfingen Sparkassenhochhaus, Rosenheim Haus der Deutschen Industrie/FLOW, Köln Rathaus, Offenbach Hochhaus Gallusstraße/Deutsche-Bank-Zentrale, Frankfurt Allianz-Hochhaus, Hamburg City-Hochhaus, Leipzig Postscheckamt, Berlin BMW-Verwaltungsgebäude, München Chase Manhattan Bank, Frankfurt Olivetti-Türme, Frankfurt Ruhrgas AG, Essen Universitätshaus, Jena Geno-Hochhaus, Stuttgart Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg Eurohaus, Frankfurt 1950

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2030

Selmi-Hochhaus/City-Haus, Frankfurt Commerzbank Zentrale, Global Tower, Frankfurt Technisches Rathaus, Frankfurt VERBA AG, Düsseldorf Siemens-Hochhaus, Offenbach TÜV, Rheinland, Köln Rubicam-Hochhaus/Hochhaus am Turm, Frankfurt Bayerische Vereinsbank, Tucherpark, München Schering AG, S 102, Berlin IBM-Zentrale, Frankfurt Bomin-Haus, Bochum Funkhaus, Stuttgart Sparkasse Fürth, Fürth BR-Funkhaus, München Oderturm, Frankfurt (Oder) Commerzbank Trading Center, Frankfurt Hessische Landesbank/Garden Tower, Frankfurt Bank für Gemeinwirtschaft/Eurotower, Frankfurt Südwestbank, Stuttgart Rathaus, Ahlen Fernmeldezentrum, Köln Bundesversicherungsanstalt, Berlin Stadthaus, Bonn LVA (Landesversicherungsanstalt), Düsseldorf DG-Bank/Union Investment, Frankfurt Dresdner Bank, Silbertum, Frankfurt Haus des Deutschlandfunks, Köln Funkhaus am Raderberggürtel (Deutsche Welle), Köln Rathaus, Essen Rathaus Center, Ludwigshafen Steglitzer Kreisel, Berlin FBC, Frankfurt Hypo-Hochhaus, München Euler-Hermes-Hochhaus, Hamburg Deutsche Bank-Hochhaus, Frankfurt 1950

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Schadstoffe im ­Innenausbau Anja Runkel

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine Vielzahl von neuen Baumaterialien eingeführt, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften, geringem Wartungsaufwand und gutem Preis-Leistungs-Verhältnis schnell geschätzt wurden. Viele dieser Bau- und Zusatzstoffe werden heute als Gefahr- oder Schad­stoffe eingestuft. Wird ein Gebäude ­umgebaut oder instandgesetzt, müssen sich Bauherren sowie Planerinnen und Planer frühzeitig mit den potenziell vorhandenen Schadstoffen auseinandersetzen. ­Allein die Kenntnis von in der Bausubstanz existierenden Schad­stoffen reicht jedoch nicht aus, um eine Aussage zu gesundheitlichen Auswirkungen auf die Nutzer zu treffen. Ein Großteil der in Gebäuden vorhandenen Schadstoffe wird erst dann gesundheitlich ­relevant, wenn sie ausgebaut werden.

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Schadstoffe im Innenausbau

Während die 1950er-Jahre im Nachkriegsdeutschland noch von Wiederauf­ bau und Sparsamkeit mit vergleichsweise einfachen, handwerklichen Bauweisen geprägt waren, finden sich in den Hochhäusern der 1960er-Jahre bereits deutliche Spuren des rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs und von architek­ tonischer Experimentierfreude. Im Innenausbau versuchte man sich an inno­ vativen Grundrisslösungen, die abwechslungsreich, aber vor allem auch flexibel und leicht veränderbar vorgesehen waren. Das Augenmerk lag dabei jedoch nicht nur auf dem funktionellen, sondern stark auch auf einem repräsentativen Charakter des Gebäudeentwurfs. Diese typischen Qualitäten des bauzeitlichen Innenausbaus von Bürohochhäusern der 1960er-Jahre lassen sich im gut erhaltenen Dorlandhaus in Berlin noch heute beispielhaft nachvollziehen. Nach vorgelagerten Stufen gelangt man über einen überdachten Eingangsbereich in die großzügig ver­ glaste Halle, die einen Großteil des Erdgeschosses einnimmt. Verwendet wurden hier hochwertige Baumaterialien wie Natursteinböden, bodentiefe Verglasungen und Echtholzfurniere als Wandverkleidungen. Die Aufzugs­ anlagen als wichtigstes Erschließungselement im Hochhaus sind durch ihre prominente Lage in Szene gesetzt. Der Blick wird zusätzlich auf eine einladende betonierte Treppenanlage gelenkt. Bei späteren Bauten rücken die Treppen­ anlagen als gestalterisches Element immer mehr in den Hintergrund und sind in den 1970er-Jahren meist nur noch als reine Erschließung beziehungsweise Flucht­treppenhäuser ausgeführt. Starken repräsentativen Charakter haben in den Verwaltungsgebäuden durchweg die Etagen der Leitungsebene, die sich in der Ausstattung und Aufteilung deutlich von den regulären Büroetagen abheben. Auch hier finden sich bis heute oft hochwertige Materialien wie echtholzfurnierte Trennwände oder Einbauschränke, raumhohe Glaswände, hochwertige Teppiche, besonders gestaltete Beleuchtungskörper und grundsätzlich eine großzügigere Raum­ aufteilung als in den meist darunter liegenden regulären Büroetagen, in denen die bauzeitlichen Materialien aufgrund späterer Umbauten und Renovierungen größtenteils nicht mehr erhalten sind. Durch die Stahlskelett- oder Stahlbetonskelettbauweise mit aussteifenden Kernen und in der Regel wenigen tragenden Stützen waren den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer angepasste Grundrisse möglich, die sich individuell durch nicht tragende Innenwände in klassische Zellen- oder Großraumbüros aufteilen ließen. Diese offenen, flexiblen Grundrisse bedurften einer erhöhten technischen Ausstattung, so sind Lüftungsleitungen und Kabel­ kanäle hinter den abgehängten Decken verlegt, die Lüftungsauslässe selbst sind entlang der Fassaden geführt. Aufgeständerte Hohlraumböden zur Leitungs­ führung setzen sich erst später durch. Typische Ausbauelemente in Büro- und Verwaltungsgebäuden der 1960er-Jahre sind vorgesetzte Wandverkleidungen, leichte Trennwände, Abhangdecken, mehrschichtige Fußbodenkonstruk­ tionen. Viele der verwendeten Bauteile waren vorgefertigt, aber ihre Montage war nicht immer auf Reversibilität angelegt. So finden statt der bis in die 1950er-Jahre üblichen verputzten Ziegel- oder Gipsdielenwand nun ver­stärkt ­Trocken­bauwände mit einer Unterkonstruktion aus Holz- oder Metallständern, ­beplankt mit beschichteten oder furnierten Holzwerkstoffplatten oder

Verwaltungsgebäude der ehemaligen Überland Werke Oberfranken in Bamberg (1965 – 1969), echtholzfurnierte Bürotrennwand mit ­Einbauschränken, Zustand 2022 (unverändert)

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Anja Runkel

Systemwände aus Metall und Glas Verwendung. Neben Teppichböden wurden auch pflegeleichte und preiswertere Bodenbeläge aus Betonwerkstein, PVC, Linoleum sowie Vinyl-Asbest-Fliesen verbaut. Gestiegene bauliche Anforderungen zeigten sich beispielsweise in der 1952 eingeführten DIN 4108 „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden“ zur Vermeidung von Feuchteschäden und der Überhitzung von Gebäuden im Sommer. Für den Bautenschutz (Brand-, Schall, Wärme- und Feuchteschutz) wurden neue, scheinbar innovative Lösungen gefunden. Die 1960er-Jahre waren geprägt von der Einführung neuer Baumaterialien – Kunststoffe, Faserstoffe, Verbundstoffe, Dämm- und Dichtstoffe – die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften und ihres geringen Wartungsaufwands geschätzt wurden. Eine Vielzahl dieser damals neuen Bau- und Zusatzstoffe werden heute jedoch als Gefahr- oder Schadstoffe eingestuft. Als Gebäudeschadstoffe bezeichnet man seit der Verabschiedung des Chemikaliengesetzes im Jahr 1980 1 und den damit festgelegten Schutzmaßnahmen, verankert seit 1986 in der Gefahrstoffverordnung 2, Bauelemente und Stoffe, die in Baumaterialien enthalten sind, und sich gesundheitsschädigend auf Menschen auswirken oder die Umwelt gefährden. Dazu zählen im Baubestand bis heute unter anderem Asbestfasern, Künstliche Mineralfasern (KMF), Polychlorierte Biphenyle (PCB), Holzschutzmittel (Lindan und Pentachlorphenol – PCP), Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Formaldehyd. Gemäß DIN EN ISO 16 000-32 „Innenraumluftverunreinigungen – Teil 32: Untersuchung von Gebäuden auf Schadstoffe“ von 2014 unterscheidet man zwischen folgenden Schadstoffursachen: • primäre Schadstoffe in den Bauprodukten sekundäre Schadstoffe, die durch Übertritte von primären Schadstoffen • in andere Bauteile entstehen • sekundäre Schadstoffe, die beim Zusammenwirken unterschiedlicher aufeinandertreffender primärer Quellen durch chemische Reaktionen zwischen einzelnen Bauprodukten gebildet werden und in den Bauprodukten selbst nicht originär/ursprünglich enthalten sind • nutzungs- und betriebsbedingte Schadstoffkontaminationen • mikrobielle Kontamination aufgrund von Feuchtigkeitsschäden • Einflüsse durch geogene oder anthropogene Quellen • biologisch bedingte Gefährdungen • vorübergehende Belastungen und Emissionen durch die Nutzung • in der Umgebung erzeugte Schadstoffe, die in das Gebäude durch Infiltration und Belüftung gelangen Bei einer Bewertung des Schadstoffgehalts von Gebäuden sind all diese möglichen Ursachen zu berücksichtigen; sich nur auf einzelne Schadstoffe zu fokussieren, genügt nicht. Allein die Kenntnis über in der Bausubstanz vor­ handene Schadstoffe reicht nicht aus, um eine Aussage zu gesundheitlichen Auswirkungen auf die Nutzerinnen und Nutzer zu treffen. Auch nachträglich eingebrachte, nutzungsbedingte oder durch äußere Umwelteinflüsse auftretende Belastungen können Beeinträchtigungen zur Folge haben. Und nicht jeder Schadstoff führt im verbauten Zustand direkt zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Menschen und/oder der Umwelt. TYPISCHE SCHADSTOFFHALTIGE MATERIALIEN UND DEREN VERWENDUNG Wird ein Gebäude umgebaut oder instandgesetzt, müssen sich Bauherren sowie Planerinnen und Planer frühzeitig mit den potenziell vorhandenen Schadstoffen auseinandersetzen. Ab wann und womit ist in welchen Bauteilen zu rechnen? Zur Verbesserung des Schallschutzes beispielsweise kamen in Innenausbauten ab den 1960er-Jahren oft Leichtbauwände mit Dämmstoffen aus Künstlicher Mineralfaser (KMF) und abgehängte Akustikdecken (zum Beispiel Platten aus flammschutzbehandelter gepresster KMF) zum Einsatz. Decke, Boden und Außenwand wurden nicht selten mit dauerelastischen Fugen mit Weichmachern auf Basis eines Polysulfid-Kunstharzes (Produkte, die 30 bis 60 Gewichtsprozente Chlor enthielten) 3, angeschlossen. Die Stahl- und Stahlbetonskelettbauweise erforderte die Verwendung von umfangreichen Brand­ schutzverklei­dungen und Beschichtungen, komplexe Haustechnikanlagen zusätzlich auch den Einbau von Brandschotts und Brandschutzklappen. Bevorzugt wurden hierbei Baustoffe und -teile mit einem hohen Asbestfasergehalt. Die hervorragenden Materialeigenschaften von Asbest, einem natürlichen Mineral, sind bereits seit der Antike bekannt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erste Patente auf asbesthaltige Baumaterialien angemeldet 4. Asbestfasern sind hitze-, und säurebeständig, wasserabweisend, elastisch, spinn­bar sowie biopersistent, zudem haben sie hervorragende Dämmeigenschaften. Kein

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Schadstoffe im Innenausbau

Verwendungszeiträume Gebäudeschadstoffe in Deutschland Antike

Verwendung Asbest 1900

1969

  erstes Patent Asbestzement

1979

1993

Verbot Verbot Spritzasbest Spritzasbest in der DDR in der BRD

generelles Asbesverbot

1982

Verbot schwach gebundene Asbestbauteile Verwendung KMF „alter Generation“ 2000

1930er

Beginn Herstellung KMF

Endgültiges Verbot KMF 1996

Verbot Vermarktung Verwendung Holzschutzmittel 1972

1940er

DDT/Lindan als Insektizid

1989

 PCP-VerbotsVerordnung

Verbot DDT

1945

1986

 PCP Beginn industrielle Herstellung

Verbot PCP-haltiger Holzschutzmittel im Innenraum

Verwendung PCB 1929

1989

 PCB-VerbotsVerordnung

PCB erstmals ­technisch hergestellt 1978

PCB- Verbot in offenen ­Anwendungen Mittelalter

Verwendung PAK/Teer 1991

1960er

Umstellung Teer auf Bitumen in Dachdichtungs­ bahnen

Teeröl-Verordnung (Holz- und ­Bautenschutz) 1990

 Verbot teerhaltiger Dachbahnen

Verordnungen

Chem G GefStoffV (D) (D)

CLPPOPVeror­d­nung Verordnung (EU) (EU)

REACHVerordnung (EU) 1900

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Anja Runkel

1920

1930

1940

1950

1960

1970

1980

1990

2000

2010

Wunder, dass es in über 3000 Produkten vor allem in der Bau-, aber auch in der Autoreifen-, Werft- und in der Textilindustrie (insbesondere für Arbeitsschutzbekleidungen) Verwendung fand. Im März 1900 meldete Ludwig Hatschek das Patent für ein „Verfahren zur Herstellung von Kunststeinplatten aus Faserstoffen und hydraulischen Bindemitteln“ an 5. Asbest­zementprodukte unter dem Markennamen Eternit prägten in der Folge das internationale Bauwesen für Jahrzehnte. Ihren Höhepunkt erreichte die Verwendung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Berufsgenossenschaften erkannten bereits Ende der 1930er-Jahre erste Fälle asbestverursachter Berufskrankheiten an, die Herstellung, das Inverkehrbringen sowie die Verwendung von Asbest und asbesthaltiger Produkte wurde in Deutschland jedoch erst 1993 verboten 6. Nicht nur im Brandschutz, auch in Bodenbelägen, Klebern, bituminösen Dachabdichtungen, Kitten, Putz- und Spachtelmassen sowie Abstandhaltern im Stahlbetonbau sind Asbestfasern zu finden. Eine ähnliche gesundheitliche Relevanz wie Asbestfasern haben Künstliche Mineralfasern (Glas-, Schlacken- oder Steinwolle) der alten Generation, deren Anteil an lungengängigen Fasern, die in der Lunge schlecht und

Werbeanzeige der Xylamon-Werke Düsseldorf für Holz- und Flammschutzmittel. Holzschutzmittel enthielten bis in die 1980er-Jahre PCP, DDT oder Lindan.

nur sehr langsam abgebaut werden können, sehr hoch ist. Sie wurden seit den 1930er-Jahren industriell hergestellt 7 und vor allem im Schall- und Wärmeschutz sowohl in und an Wänden, Decken und im Fußbodenaufbau verbaut. Auch im Bereich Haustechnik fanden sie umfangreiche Verwendung. Seit dem Jahr 2000 sind diese KMF in Deutschland verboten, seit 2005 e ­ uropaweit. Ab Mitte der 1990er-Jahre ist eine neue Generation Künstlicher Mineralfasern auf dem Markt. Der Anteil an lungengängigen Fasern ist hier deutlich geringer und sie werden in der Lunge erheblich schneller abgebaut. Künstliche Mineralfasern der neuen Generation müssen mit dem RAL-Gütezeichen der Gütegemeinschaft Mineralwolle gekennzeichnet sein. Bereits im 19. Jahrhundert wurden in Forschungslaboren der chemischen Industrie Stoffe hergestellt, die sich Baustoffen zusetzen ließen und dadurch deren Eigenschaften verbesserten. So wurde beispielweise die erste Synthese von Polychlorierten Biphenylen (PCB) im Jahr 1876 beschrieben 8, die großtechnische Herstellung und Beginn der Verwendung in der Bauindustrie erfolgte in den 1930er-Jahren. PCB sind eine Gruppe synthetischer Chemikalien der chlorierten aromatischen Kohlenwasserstoffe. Sie besitzen chemische Stabilität, gute Isolationseigenschaften, sind nicht brennbar, gut fettlöslich sowie wenig löslich in Wasser. PCB setzte man vor allem dauerelastischen Dichtmassen und Fugen als Weichmacher, Schalölen, Brandschutzanstrichen und Klebstoffen zu. Verwaltungsgebäude der 1950er- bis 1970er-Jahre wurden gerade in den Eingangsbereichen, Treppenräumen oder besonders eingerichteten Chefetagen mit Möbeln, Vertäfelungen, Bauteilen aus Holz oder echtholzfurnierten Holzwerkstoffplatten ausgestattet. Holzteile im Innenausbau wurden zu dieser Zeit noch umfangreich mit Holzschutzmitteln wie Lindan und Pentachlorphenol (PCP) behandelt. Holzwerkstoffplatten, die seit den 1940er-Jahren großtechnisch hergestellt werden, enthalten Formaldehyd als Bestandteil der Leimharze. Diese Stoffe gelangen kontinuierlich in die Innenraumluft und werden so von den Nutzerinnen und Nutzern aufgenommen. Auch Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), ein Gemisch von mehreren hundert Einzelverbindungen aus der chemischen Gruppe der mehrkettigen Aromaten, sind im Innenausbau vor allem in Parkettklebern, bituminösen Dichtungsbahnen und in Dämmstoffen zu finden. PAK entstehen bei der unvollständigen Verbrennung organischen Materials. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte die Grünzweig & Hartmann oHG teergetränkte Korkplatten („Korkstein“), die zur Bauisolierung verwendet wurden, und erhielt 1880 darauf das Patent 9.

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Schadstoffe im Innenausbau

Beispiele für ­potenzielle Schad­stoffe im ­Innen­ausbau von ­Verwaltungsgebäuden der 1950er- bis 1970er-Jahre Decken • Holztragwerke: Holzschutzmittel • Deckenplatten, abgehängte ­Decken: PCB, KMF • Brandschotts: Asbest, KMF • Brandschutzklappen: Asbest

TGA • Rohre: Asbest, Schwermetalle • Fugen/Dichtungen/­Isolierung: Asbest, KMF, PAK, PCB • Anstriche/Beschichtungen: PCB, ­Schwermetalle • Brandschotts: Asbest, KMF • Brandschutzklappen: Asbest

• Rohrummantelungen: KMF, Asbest • Dämmmaterial: KMF, HBCD • Fugen/Dichtungen: PCB, Asbest, PAK

Fußböden • Bodenbeläge: Asbest • Klebstoffe/Ausgleichsmassen: Asbest, PAK, VOC • Dämmmaterial: KMF, HBCD • Anstriche/Beschichtungen: PCB, VOC • Fugen/Dichtungen: PCB, PAK • Doppelböden: Asbest

• HBCD: Hexabromcyclododecan • KMF: Künstliche Mineralfasern (bis 2000) • PAK: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe • PCB: Polychlorierte Biphenyle (Flammschutzmittel / Weichmacher) • PCP/Lindan: Pentachlorphenol/Lindan (Holzschutzmittel) • VOC: Flüchtige organische Verbindungen (engl.: V ­ olatile Organic Compounds)

49

Anja Runkel

Fassaden • Fugen/Dichtungen/Kitte: Asbest, PCB, KMF, PAK • Dämmmaterial: KMF, HBCD • Spachtelmassen: Asbest • Kunststofffenster/Verschattungselemente: VOC, PCB • Fensterbänke: Asbest

Innenwände • Holzwerkstoffplatten: ­Formaldehyd • Wand-, Deckenverkleidungen Holz: Holzschutzmittel • Holzständer: Holzschutzmittel • Dämmmaterial: KMF, HBCD • Fugen/Dichtungen: PCB, ­Asbest, PAK • Spachtelmassen ­Trockenbauwände: Asbest • Anstriche/Farben: Asbest, PCB

Mögliche Schadstoffe nach Bauteilen in V ­ erwaltungsgebäuden der 1950er- bis 1970er-Jahre Fundament/Sockel/UG/Tiefgarage

Decken/Dach

Boden

Dämmungen

MKW

Außenbeschichtungen Horizontalsperren

PAK

Dacheindeckung/Dachbahnen

PAK, Asbest

Fugen/Dichtungen

Brandschutzverkleidungen

PCB, Asbest, PAK

Dämmungen/Isolierungen

Holztragwerke

KMF, PAK

Holzwerkstoffplatten

Asbest, KMF

Verkleidungen/Sandwichelemente Betonbauteile

Asbest, KMF

PCB, Asbest

Farben/Holzelemente

Fugen/Dichtungen/Kitte

Fensterbänke

Asbest, PCB, KMF, PAK

Asbest

Asbest, PAK, VOC, Formaldehyd

KMF

Anstriche/Beschichtungen Doppelböden

PCB, PAK PCB, VOC

Asbest

VOC, Weichmacher

Holzschutzmittel, Schwermetalle

Toilettentrennwände

Asbest

Dünnbettmörtel (Fliesenklebstoff) Dichtungsbahnen (Dämmung)

Trockenbauwände

Fugen/Dichtungen

Rohre

PCB, Asbest

Spachtelmassen/Wandputze

Asbest, Schwermetalle

Fugen/Dichtungen/Isolierung

Asbest

Asbest

Asbest, KMF

Wand-, Deckenverkleidungen Holz

Holzwerkstoffplatten

PAK, KMF

Asbest, KMF, PAK, PCB

Anstriche/Beschichtungen/Farben

PCB, Asbest, PAK

Verkleidungen/Brandschutz

Einbaumöbel Holz

Asbest

TGA

Asbest, KMF

KMF, HBCD

Anstriche/Farben

50

Asbest

Sanitärräume/Küchen

Innenwände

Brandschotts

Bodenbeläge

Fugen/Dichtungen/Isolierung

Asbest, KMF

Kunststofffenster/Verschachtelemente

Dämmungen

Fußböden/Hohlraumböden

Dämmungen

Asbest

Farbe/Holzelemente

Formaldehyd

Klebstoffe/Spachtelmassen

Öffnungen (Fenster/Türen)

Spachtelmassen

PCB, Asbest, PAK,

Holzschutzmittel, Schwermetalle

Einlagen Brandschutztüren

PCB, KMF

Holzschutzmittel

PCB, Asbest

Brüstungen/Verblendungen

Asbest

Holzschutzmittel

Fugen/Dichtungen

KMF, HBCD, PAK

Fugen/Dichtungen

PAK, Asbest

Deckenplatten, abgehängte Decken

Fassade/Außenwände Dämmungen

KMF, PAK, HBCD

Holzschutzmittel Formaldehyd

Schadstoffe im Innenausbau

Schwermetalle Brandschotts

Asbest, KMF

Brandschutzklappen Holzschutzmittel

PCB,

Aufzüge

Asbest

Asbest, KMF, Schwermetalle

UMGANG MIT SCHADSTOFFBELASTETEN BAUTEILEN Wer sich heute mit Bestandsbauten beschäftigt, sollte nicht nur Fachwissen der für die Bauzeit typischen Konstruktionen und gängigen Materialien besitzen, sondern durch umfassende Recherche auch Kenntnis von bereits erfolgten Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, Umbauten oder Umnutzungen des jeweiligen Objekts erlangen. Eine Bestandsaufnahme vor Ort lässt, vor allem in denkmalgeschützten Gebäuden, oft nur einen Blick auf die Oberfläche der Bauteile oder punktuelle Bauteilöffnungen zu. Um eine fundierte Bewertung hinsichtlich Wertigkeit der Ausstattung sowie der Möglichkeiten und Grenzen der Erhaltung unter anderem mit Blick auf Gebäudeschadstoffe geben zu können, ist eine strukturierte Vorgehensweise bei der Erfassung unumgänglich. Das genaue Wissen, in welchem Zeitraum welcher Schad- oder Gefahrstoff verbaut wurde, erleichtert die Eingrenzung (siehe Grafik Verwendungszeiträume). Nur so kann sich der Gebäudeeigentümer ein umfassendes Bild machen, was im Gebäude vorhanden sein könnte. Angesichts der großen Bandbreite der seit Mitte des letzten Jahrhunderts in Baumaterialien und -teilen enthaltenen Gefahr- und Schadstoffe müsste klar sein, dass diese in nahezu jedem Bestandsgebäude der 1960erJahre verbaut sein können. Abhängig von der genauen Bauzeit des Gebäudes können sie in allen Gebäudeteilen vorkommen. Weiterhin ist zu beachten, dass innerhalb eines Bauteils oftmals eine Kombination aus mehreren Schadstoffen vorhanden sein kann, wie beispielsweise eine Dämmung aus Künstlichen Mineral­ fasern sowie asbesthaltige Putze und Spachtelmassen, verbaut an und in einer Trockenbauwand. So sind auch die jeweiligen Bauteile differenziert zu betrachten, die Schadstoffe entsprechend ihrer Einbausituation und dem Risiko der Gefährdung der Gebäudenutzer zu bewerten. Bauherren sowie Planerinnen und Planer sollten sich stets die Frage stellen, ob ein Schadstoff immer aus einem Bestandsgebäude entfernt werden muss oder ob dieser mit einem guten Monitoring im Gebäude verbleiben kann, soweit er im verbauten Zustand die Gesundheit der Gebäudenutzer nicht beeinträchtigt. Für Asbestfasern, PCP (Pentachlorphenol) und PCB (Polychlorierte Biphenyle) geben die jeweils gültigen Richtlinien genaue Aussagen zur Dringlichkeit der Sanierung sowie des damit verbundenen Ausbaus und der fach­ gerechten Entsorgung. Dies gilt bereits bei der Anwesenheit von schwach­ gebundenem Asbest. Für PCP gelten Maximalwerte von 1 mg/kg im Frisch­staub (zirka 1 Woche alt, mit Staubsauger aufgenommen) oder 5 mg/kg im Alt­ staub (zum Beispiel hinter Verkleidungen, passiv gesammelt), bei PCB ab 3000 ng/m3 in der Raumluft. Für Formaldehyd empfiehlt das Bundesumweltamt Maßnahmen ab 0,12 mg/m3 in der Raumluft, für PAK mit der Leitsubstanz Benzo-a-Pyren (BaP) ab 10 mg/kg im Frischstaub.

Werbeanzeige der Thiokol Gesellschaft Mannheim. Die Dichtmasse Thiokol LP findet Verwendung als Fugenabdichtung zwischen Bauelementen. Dauerelastische Fugenmassen sind potenziell PCB-haltig.

51

Anja Runkel

Beurteilung und M ­ öglichkeiten des Umgangs ­mit ­schadstoffbelasteten Bauteilen­im verbauten ­Zustand

Asbest fest gebunden

Untersuchung ­Materialprobe

Asbest schwach gebunden

Beurteilung der Dringlichkeit der Sanierung gemäß Asbestrichtlinie

Raumluftmessungen (zur Gefährdungs­ abschätzung)

Staubuntersuchung (Beurteilung möglicher Kontamination)

Untersuchung ­Materialprobe

Raumluftmessungen (zur Gefährdungs­ abschätzung)

Maßnahmen

Entfernen/Ausbau/ Demontage

Staubuntersuchung (Beurteilung möglicher Kontamination) Maßnahmen

räumliche ­Trennung

entsprechen der Dringlichkeitsstufe: ­unverzügliches Sanieren/Entfernen oder ­Neubewertung nach 2 oder nach 5 Jahren

Überdeckungs-, ­Beschichtungs­verbot!

Entfernen/Ausbau/Demontage räumliche ­Trennung Überdeckungs-, Beschichtungsverbot! Holzschutzmittel/ Schädlingsbekämpfungsmittel (PCP, Lindan, DDT)

Untersuchung ­Materialprobe

Raumluftmessungen (zur Bestandsaufnahme)

Staubuntersuchung (zur Bestandsaufnahme)

Raumluftmessungen (zur Bestandsaufnahme)

Staubuntersuchung (zur Bestandsaufnahme)

Maßnahmen

Maßnahmen

Austausch der Bauteile, Abtragen von Oberflächen

Entfernen belasteter Bauteile

Beschichten, räumliche Trennung

Sperrschichten, räumliche Trennung

Erhöhung Lüftungs-, ­Reinigungsintervalle

Erhöhung Lüftungs-, ­Reinigungsintervalle

Untersuchung Materialproben

Schwermetalle

Staubuntersuchung

Wasserproben (Blei)

Maßnahnen

Entfernen des kontaminierten ­Untergrundes Reinigung des Untergrundes

52

Untersuchung ­Materialprobe

PAK

Schadstoffe im Innenausbau

Untersuchung ­Materialprobe

MKW

Maßnahnen

Reinigung des Untergrundes Entfernen des kontaminierten ­Untergrundes

Untersuchung ­Materialprobe

Inaugenscheinnahme, Beurteilung meist über Einbaualter, ­Datenbankabgleich mit Gütegemeinschaft ­Mineralwolle e.V. (GGM)

Raumluftmessungen (zur Gefährdungsabschätzung)

Staubuntersuchung (­Beurteilung möglicher Kontamination)

KMF

PCB

Raumluftmessungen (zur Bestandsaufnahme) temperaturabhängig!

Entfernen Primär- und ­Sekundärquellen Maskierung/Beschichtung, ­räumliche Trennung

Ausbau/Demontage räumliche Trennung

Raumluftmessungen

Untersuchung ­Materialproben

Erhöhung Lüftungs-, ­Reinigungsintervalle

Raumluftmessungen

VOC

Untersuchung Materialproben (Quellensuche) Maßnahmen

Maßnahmen

Entfernen

Entfernen

Abdichten/­Beschichten

Abdichten/Beschichten

Erhöhung ­Lüftungs-, ­Reinigungs­intervalle

Erhöhung Lüftungsintervall

Absenkung der Raumtemperatur und Raumluftfeuchte

Im verbauten Zustand und fachgerechter ­Anwendung nach heutigem Kenntnisstand kaum akute Wirkungen auf ­Gesundheit von Nutzern und Umwelt

HBCD

Maßnahmen

im verbauten Zustand nicht ­erforderlich

53

Staubuntersuchung (zur Bestandsaufnahme)

Maßnahmen

Maßnahmen

Formaldehyd

Untersuchung ­Materialprobe

Anja Runkel

Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) des Umweltbundesamts setzt „gesundheitsbezogene Richtwerte sowie hygienische Leitwerte fest, die eine gesundheitliche Beurteilung von Konzentrationen einer Chemikalie in der Innenraumluft ermöglichen. Darüber hinaus leitet der AIR auch risikobezogene Leitwerte für ausgewählte krebserzeugende Chemikalien in der Innenraumluft ab.“ 10 Dabei ist für Bestandsgebäude aus den 1960er-Jahren vor allem der Richtwert für PCP mit RW II = 1 μg/m3 in der Raumluft relevant, bei dessen Überschreitung Handlungs- beziehungsweise Sanierungsbedarf besteht. Ein Leitwert für Benzo(a)pyren (Leitsubstanz der PAK) wird aktuell vom AIR diskutiert 11, ist aber noch nicht verabschiedet. Weitere Stoffe, für die vom AIR Richtwerte genannt werden, treten vorwiegend im Neubau auf. Allein das Wissen über Schadstoffe im Gebäude muss nicht grundsätz lich einen Abbruch oder Teilabbruch zur Folge haben. Hier sollte ein Umdenken stattfinden. Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass sich Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ein schadstofffreies Gebäude wünschen. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass ein Großteil der verbauten Schadstoffe gerade erst bei einem Ausbau oder Abbruch gesundheitlich relevant wird. So schreibt auch das Umweltbundesamt: „Grundsätzlich können und sollten asbesthaltige Produkte, bei denen der Asbest fest eingebunden ist, gar nicht ohne Anlass ausgebaut werden. Gerade beim Ausbauen oder Ent­ fernen besteht das Risiko der Faserfreisetzung, bei normaler Nutzung der Wohnung zuvor jedoch nicht. Für Asbestzementprodukte besteht – im Gegensatz zu schwach gebundenen Asbestanwendungen im Innenraum von ­Gebäuden – deshalb auch kein generelles Sanierungsgebot. Funktionstüchtige, eingebaute Asbestzementprodukte gefährden nicht automatisch die Gesund­ heit von Bewohnerinnen und Bewohnern.“ 12 Der Ausbau von schadstoffbelasteten Bauteilen stellt nicht nur ein Risiko für der Nutzerinnen und Nutzer dar, sondern auch für die Umwelt und vor allem auch für die am Bau Beteiligten, da die ausgebauten Materialien entsorgt und meist deponiert werden müssen. Die Menge an Schadstoffen, die aktuell noch im Baubestand schlummert, stellt auch die Entsorgungskette vor immense Herausforderungen, da Deponieflächen schon heute knapp sind. Unsere Bau­ abfälle können kaum noch innerhalb Deutschlands deponiert werden, weite Transportwege sind die Folge. Anstatt die in den vergangenen Jahrzehnten produzierten Schadstoffe zu verteilen und in die Umwelt zu bringen, besteht also ein gesamtgesellschaftlicher Vorteil darin, die für Nutzerinnen und Nutzer im verbauten Zustand ungefährlichen, schadstoffbelasteten Bauteile im Gebäude zu belassen. Ist durch Recherche, Untersuchungen vor Ort und gründ­ liche Dokumentation bekannt, was genau sich im Gebäude befindet, kann durch ein gutes Monitoring in Form von regelmäßigen Raumluftmessungen, Wisch- oder Staubproben die gesundheitliche Unbedenklichkeit für Nutzerinnen und Nutzer überprüft werden. Weiterhin wird dies je nach Schadstoff und Einbausituation auch durch Maßnahmen wie Beschichtung oder räumliche Trennung erreicht. Sobald Umbau- oder Sanierungsarbeiten anstehen, sind Bauherren in diesem Fall gut vorbereitet, wie bei dem Rückbau und der Entsorgung der entsprechenden Bauteile umgegangen werden muss. 1 gesetze-im-internet.de/chemg/ ChemG.pdf (abgerufen: 19.06.2023) 2 gesetze-im-internet.de/gefstoffv_ 2010/GefStoffV.pdf (abgerufen: 19.06.2023) 3 Richtlinie für die Bewertung und Sanierung PCB-belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden (PCB-Richtlinie), Fassung September 1994, S. 3 4 Höper, Wolfgang: Asbest in der Moderne: Industrielle Produktion, Verarbeitung, Verbot, Substitution und Entsorgung, Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 32, 2008, S. 56–59 5 Hassler, Uta (Hg.): Vom Baustoff zum Bauprodukt – Ausbaumaterialien in der Schweiz 1950–1970, Herstellung: von der Baustelle in die Fabrik, München, 2018, S. 140

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Schadstoffe im Innenausbau

6 Bundesanstalt für Arbeitsschutz 10 umweltbundesamt.de/themen/ und Arbeitsmedizin baua (Hg.): gesundheit/kommissionenNationales Asbestprofil Deutscharbeitsgruppen/ausschuss-fuerland, 2015, S. 15 innenraumrichtwerte#aus7 Deutsches Patentamt. Patent schuss-fur-innenraumrichtwerteDE539738: Verfahren zum Herair (abgerufen: 31.05.2023) stellen von Fasern oder Gespinst 11 Bundesgesundheitsblatt-Ge1930. https://worldwide.espacesundheitsforschung-Gesundnet.com/searchResults?ST=singheitsschutz, Volume 64: Mit­ leline&locale=en_EP&submitteilung des Ausschusses für ted=true&DB=&query=DE539738 Innenraumrichtwerte, Vorläufiger (abgerufen: 31.05.2023) Leitwert für Benzo[a]pyren (B[a]P) 8 Doebner, Oskar Gustav: Constituin der Innenraumluft, 25.06.2021, tion der Diphenyldisulfosäure und Seiten 1036–1046 ihrer Umwandlungsprodukte, 12 umweltbundesamt.de/themen/ Berichte der deutschen chemigesundheit/umwelteinfluesseschen Gesellschaft, Band 9, Nr. 1, auf-den-menschen/chemische1876, S. 129–131. stoffe/asbest#wann-mussen9 Broschüre zum 75. Jubiläum der asbesthaltige-gebaude-oderFirma Grünzweig & Hartmann: wohnungen-saniert-werden G+H Isolierung „75 Jahre G+H“ (abgerufen: 31.05.2023)

Büro und Behaglich­keit  Roland Göttig, Anica Mayer und Sebastian Koth

Die hier untersuchten Hochhäuser waren bei ihrer Fertigstellung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Technologien und konstruktiven Möglichkeiten auf der Höhe ihrer Zeit. Die bis dahin noch recht einfach gehaltenen normativen Vorgaben aus dem Bereich der Bauphysik wurden eingehalten und teilweise bis zur technisch machbaren Grenze ausgereizt. Der folgende Beitrag befasst sich insbesondere mit der Gebäudehülle dieser Bauten und deren Wärmeschutz, Feuchteschutz, Schallschutz und Belichtung in Bezug auf die damaligen Notwendigkeiten. Auch bewertet er die vier Faktoren vor dem Hintergrund aktueller Kenntnisse.

56

Büro und Behaglichkeit

WÄRMESCHUTZ Die aktuell wichtigsten normativen Vorgaben stammen aus der DIN 4108, deren erste Ausgabe aus dem Jahr 1952 1 bereits Angaben zu Wärmedurchlass­ widerständen für wichtige Bauteile in Abhängigkeit von drei verschiedenen Wärmedämmgebieten beinhaltete (Abb. 1). Zur besseren Vergleichbarkeit zeigt Abb. 2 (S. 58) zugehörige U-Werte für wesentliche Bauteile unter Einbeziehung der zugehörigen Wärmeübergangskoeffizienten in der international üblichen SI-Einheit W/m²K, in der ­Ori­ginal­version wurden nur Wärmedurchlasswiderstände in m²h°C/kcal angegeben. Anhand von Abb. 2 lassen sich die damals in der DIN 4108:1952-07 ­geforderten U-Werte, die aus den entsprechenden Wärmeübergangswider­ stand-­Werten Rsi, und Rse ermittelt wurden, für wesentliche Bauteile ver­ gleichen. Darüber hinaus wurden in der DIN 4108 von 1952 noch Angaben zu Fenstern gemacht. Im Wärmedämmgebiet III waren Zweischeibenverglasungen (nicht zu verwechseln mit modernen Zweifachverglasungen) vorgeschrieben, im Gebiet II wurden sie als allgemein üblich bezeichnet und in Gebiet I nur empfohlen. Berechnungen oder Vorgaben zu Wärmebrücken hinsichtlich der heute üblichen Ψe-Werte, also den außenmaßbezogenen linienförmigen Wärmebrückenverlustkoeffizienten (angegeben in W/mK), wurden nicht ­gemacht, jedoch Mindestwerte zu flächigen Bauteilen in der Nähe dieser Wärmebrücken angegeben. Dies kann durchaus als Grund für unmittelbare konstruktive Lösungen der beschriebenen Hochhäuser angesehen werden. Während bei Lochfassaden wie im Plärrerhochhaus in Nürnberg (siehe S. 93) übliche Zweischeibenverglasungen als Verbundfenster mit Holzrahmen Verwendung fanden, wurden bei den erwähnten Projekten mit vorgehängter Metallfassade erste Isolierverglasungen mit relativ geringem Scheiben­ zwischenraum verwendet, wie sie heute noch üblich sind. Die h ­ eutigen Fassaden bieten jedoch durch verbesserte Rahmenprofile, sogenannte

Abb. 1

Wärmedämmgebiete I, II und III gemäß DIN 4108:1952-07

57

Roland Göttig, Anica Mayer, Sebastian Koth

DIN 4108:1952-07

U-WERTE MIT ZUGEHÖRIGEN RSI, RSE. U [W/m²K]

Wärmedämmgebiet







Außenwände

1,8

1,6

1,4

Wohnungstrennwände und Treppenhauswände

1,9

1,9

1,7

Wohnungstrenndecken und Decken unter nicht ausgebauten ­Dachgeschossen

1,6

im Mittel

2,1

Wärmebrücke

Kellerdecken

1,2

im Mittel

1,6

Wärmebrücke

Decken über offenen Durchfahrten und dergleichen

Steil- und Flachdächer, Decken unter T ­ errassen

Abb. 2

0,67

0,58

0,52

0,87

0,75

0,67

Wärmebrücke

1,4

1,4

1,4

im Mittel

1,9

1,6

1,4

Wärmebrücke

U-Werte gemäß DIN 4108:1952-07 für wesentliche Bauteile

low-ε-Beschichtungen und gegebenenfalls existierende Füllungen des ­ cheibenzwischenraums mit Edelgasen einen deutlich besseren WärmeS schutz. Zur groben Beurteilung kann man bei den Zweischeibenverglasungen in etwa von einem U-Wert von 3,0 W/m²K ausgehen, während moderne Zweiund Dreifach-Wärmeschutzverglasungen in etwa U-Werte von 1,3 W/m²K bis 0,7 W/m²K (oder sogar besser) erreichen 2. Dabei spielen allerdings sowohl die konkrete Ausführung der Fensterrahmen als auch die gesamte Tragstruktur der Fassade, die beispielsweise als Pfosten-Riegel-Konstruktion erfolgte, eine wesentliche Rolle. Die angegebenen Kennwerte gelten im Prinzip nur für Einzelfenster in Lochfassaden, bei denen die Fensterfläche und der Rahmen zusammen als Einheit einen energetischen Kennwert für den U-Wert des gesamten Fensters erhalten. Wenn jedoch vorgehängte Fassaden eingesetzt wurden, kann keine Abschätzung mehr zu den U-Werten vorgenommen werden, da dies in erheblichem Maß von den verwendeten Profilen und konkreten Anschlussdetails abhängt. Die hier betrachteten frühen Fassadenkonstruktionen weisen häufig relativ ungünstige Wärmeschutzeigenschaften auf, was sich in den zugehörigen Ψe-Werten hinsichtlich der längenbezogenen Wärme­ brückenverlustkoeffizienten widerspiegelt. Vereinfacht gesagt kann man diesen Konstruktionen relativ große Wärmeverluste über die Metallprofile attestieren. Als Abschätzung nach Wärmebrückenberechnungen ergeben sich hieraus beispielsweise Wärmebrückenverlustkoeffizienten ΔUWB von bis zu 0,35 W/m²K mit weiteren energetisch ungünstigen Anschlussdetails – heute sind ΔUWB von eher 0,05 W/m²K oder auch niedrigere Werte üblich 2. Aufwand und Nutzen energetischer Modernisierungen dieser Gebäude hängen jedoch nicht nur von der Qualität des Wärmeschutzes der Fassaden ab, sondern müssen auch immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Nutzung, zugehöriger interner Wärmequellen und realer Energieverbräuche betrachtet werden. Wie bei anderen Gebäuden zeigt sich, dass ein ungünstiges Verhältnis von der Oberfläche der thermischen Hülle zum Volumen einen erheblichen Einfluss auf den Energieverbrauch pro Quadratmeter Nutzfläche hat. Daher lassen sich keine einfachen pauschalen Empfehlungen zu Art und Umfang wärmetechnischer Modernisierungen und den entsprechend zu erwartenden Effekten machen. Vielmehr müssen jeweils detaillierte Untersuchungen durchgeführt und nutzerspezifische Konzepte erarbeitet werden. Da statische Verfahren zur Berechnung des Energiebedarfs keine ausreichende Genauigkeit bieten 3, erfolgte dies bei der nachträglichen Analyse der hier vorgestellten Projekte in jedem Fall anhand von möglichst exakten thermischen Simulationen.

58

Büro und Behaglichkeit

FEUCHTESCHUTZ Der Feuchteschutz spielt hinsichtlich des Erhalts von wertvoller Bausubstanz eine entscheidende Rolle und sollte immer zusammen mit dem Wärmeschutz überprüft und konstruktiv gelöst werden. So ist es beispielsweise möglich, einen funktionierenden Feuchteschutz durch ungünstige Anordnung von zusätz­lichen Dämmschichten oder durch veränderte Belüftungstechnik so zu verschlechtern, dass substanzschädigende Feuchteschäden entstehen können. Zunächst ist die sichere Abfuhr von Regenwasser über die Dächer und entlang der Fassaden essenziell. Es ist zu vermeiden, dass beispielsweise über  Schlagregen zu viel Wasser eindringen kann, und gleichzeitig ist sicherzustellen, dass dennoch kleine Mengen eindringenden Wassers durch Diffusions­ prozesse wieder abtrocknen können. Für einen zudem existenten Diffusionsprozess fordern heutige Normen für Wärmebrücken einen Mindestwert für einen Temperaturfaktor fRsi von ­fRsi ≥ 0,70 4. Damit wird gewährleistet, dass der typische Fall in Wohngebäuden mit Innenluft mit 20 °C und 50 % rel. Feuchte an kühleren Oberflächen nicht zu rel. Feuchten über 80 % führt, um einem Schimmelwachstum vorzubeugen. In extremen Fällen kann an besonders kühlen Oberflächen sogar eine Sättigung mit rel. Feuchten von 100 % und damit die Bildung von Oberflächenwasser die Folge sein. Wenn Wärmebrücken wie in heutigen Konstruktionen überdämmt oder durch entsprechend wenig wärmeleitende Materialien ausgeführt werden, ist diese Gefahr relativ gering. Die untersuchten Gebäude weisen aber insbesondere bei den Pfosten-Riegel-Konstruktionen entlang der Metallprofile dies­ bezüglich erhebliche Wärmebrücken mit teilweise deutlich niedrigeren fRsiWerten als 0,70 auf, sodass an einigen Stellen sogar mit Tauwasserausfall zu rechnen ist. Hierbei sind aber Randbedingungen zu betrachten, die in den allgemeinen Normen so nicht vorkommen, da die normativen Vorgaben hauptsächlich für Wohnnutzungen entwickelt wurden. In den untersuchten Hochhäusern existieren wesentlich geringere relative Feuchten, da im Winter bei Büronutzungen kaum Feuchtequellen vorhanden sind, sieht man von der Feuchtigkeit in der ausgeatmeten Luft der Personen im Raum ab. Zudem besitzen die untersuchten Fassaden nicht die gleiche Dichtigkeit wie moderne Fassaden, sodass ein deutlich höherer Infiltrationsluftwechsel, also ein Luftwechsel durch Undichtheiten (Infiltration), anzusetzen ist. Durch die Büronutzungszeiten tagsüber entsteht außerdem der Effekt, dass während besonders kalter Nächte überhaupt keine zusätzlichen Feuchtequellen im Gebäudeinneren existieren und letztendlich von relativen Feuchten von 40 % und eher sogar 30 % innenseitig auszugehen ist. Da auf Metalloberflächen keine geeigneten Oberflächen für Schimmelwachstum vorhanden sind, kann dies wie im Fall des SiemensHochhauses in Erlangen kaum entstehen. Die zugehörigen Berechnungen in Abb. 3 (S. 60) zeigen die maximal auftretenden relativen Feuchten an den ungünstigsten Stellen der Wärmebrücken bei 50 %, 40 % und 30 % rel. Feuchte (beziehungsweise ϕSi) innenseitig.

59

Roland Göttig, Anica Mayer, Sebastian Koth

Abb. 3 Exemplarische Berechnungen zu auftretenden innenseitigen relativen Feuchten an der jeweils ungünstigsten Stelle bei 50 %, 40 %, 30 % r. F. innenseitig, Siemens-Hochhaus, Erlangen. Die roten Bereiche stehen für Tauwasserausfall (ϕ = 100 %) an ­kalten Tagen, die orangen Bereiche (ϕ = 80 % bis 99 %) sind nur bei Oberflächen relevant, auf denen Schimmel wachsen kann, die grünen Bereiche weisen unbedenkliche relative Feuchten (ϕ < 80 %) auf. θ si min A-B minimale Oberflächentemperatur z­ wischen A und B fRsi Temperaturfaktor ϕsi relative Feuchte an der Oberfläche bei gegebener r­ elativer Feuchte der Innenluft

SCHALLSCHUTZ Ähnlich wie bei den vorangegangenen Anforderungen existierten auch bereits sehr früh Anforderungen an den Schallschutz, die zum Teil direkt aus älteren DIN-Normen, unter anderem die DIN 4109 aus dem Jahr 1944 5, übernommen wurden. Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre erfolgte die Einführung der noch heute üblichen Bewertungskurven für Luftschall- und Trittschallschutz, zum Beispiel in DIN 4109-2 von 1962 6. Insbesondere die bis dahin weitverbreiteten Deckenaufbauten mit Verbundestrichen wurden infolgedessen durch Konstruktionen ersetzt, bei denen der Estrich durch eine Trittschalldämm­ ebene entkoppelt ist. Die Anforderungen an getrennte Arbeitsbereiche orientierte man daraufhin an Trennwänden und Geschossdecken im Wohnungsbau, was dauerhaft in einem verbesserten Luftschallschutz mündete. Ähnlich verlief die Entwicklung in Bezug auf die erhöhten Anforderungen hinsichtlich Trittschallschutz (Abb. 4, 6) 7. Die bauzeitlichen Konstruktionen können im Einzelfall messtechnisch überprüft und bewertet werden. Während die massiven Trennwände meist einen durchaus geeigneten Schallschutz aufweisen oder sich dieser durch eine ergänzende Schicht ausreichend verbessern lässt, ist das beim Trittschallschutz nicht so einfach möglich. Verbundestriche, die direkt auf die Stahlbetonoder Rippendecken aufgebracht wurden, waren zur Bauzeit preisgünstige Konstruktionen. Einigermaßen kostengünstig können diese jedoch nur bedingt verbessert werden, indem man auf dem Estrich einen akustisch getrennten Belag aufbringt. BELICHTUNG Schon lange fordern viele Landesbauordnungen für Aufenthaltsräume, dass die Fensterfläche mindestens ein Achtel der Grundfläche eines Raums betragen muss, um eine ausreichende Belichtung mit Tageslicht zu gewährleisten. Bereits 1959 wurden die DIN 5034 überarbeitet und die wesentlichen Grundsätze zur Versorgung von Räumen mit Tageslicht für Sehaufgaben an Arbeitsplätzen neu geregelt (Abb. 5) 8. In der Norm wird eine auch heute noch nachvollziehbare und durchaus realistische Anforderung in Bezug auf verschiedene Sehaufgaben an Arbeitsplätze gestellt (Abb. 6). Als Grundlage für heutige Bewertungen wird für Sehaufgaben am Arbeitsplatz in einem Büro üblicherweise ein Wert von 500 lx verwendet, was durch großzügige Fensterflächen auch bei den untersuchten Hochhäusern schon zur Bauzeit in den allermeisten Fällen gegeben war und damals mit einem mäßigen Anspruch an die Sehaufgabe beschrieben wurde. Dies gilt für den Bereich, an dem die Hauptsehaufgabe tatsächlich stattfindet, üblicherweise also direkt auf den Schreibtischen mit einer Bezugshöhe von ­0,85  m.

60

Büro und Behaglichkeit

DIN 4109:1952

ERFORDERLICHES BEWERTETES ­BAUSCHALLDÄMMMASS R‘ W [dB]

Empfehlungen

normaler Schallschutz

erhöhter Schallschutz

Trennwände zwischen Arbeitsräumen

35–40

0,3

Empfehlungen

normaler Schallschutz

erhöhter Schallschutz

Trennwände zwischen fremden Arbeitsräumen

≥ 53

≥ 55

Wände zwischen Räumen mit üblicher Bürotätigkeit

37

≥ 42

Wände zwischen Räumen für ­konzentrierte Tätigkeit oder vertrauliche Angelegenheiten

45

≥ 52

DIN 4109:2016

Abb. 4 Entwicklung der Anforderungen an den Schallschutz (bewertetes Bauschalldämmmaß R‘w) für typische Bürogebäude anhand DIN 4109 von 1952 und 2016

Abb. 5 Übersicht wesentlicher Kenngrößen zur Ermittlung des Tageslichtquotienten an einem definierten Messpunkt P nach DIN 5304:1959-11. Von Bedeutung ist der Punkt P in 1 m Höhe mit Abstand tp vom Fenster. Die Dimensionen des Raums werden mit b, t und h angegeben, Maße und Winkel zur Beschreibung der benachbarten Verbauung mit Index v. DIN 5304:1959

MINDESTWERT DES ­TAGESLICHTQUOTIENTEN D

ZUGEHÖRIGE BELEUCHTUNGSSTÄRKE BEI 20 000 LUX AUSSEN

Art der Ansprüche an ­die Beleuchtung

[%]

[lx]

gering

gering

200

mäßig

mäßig

400

hoch

hoch

1000

sehr hoch

sehr hoch

2000

Abb. 6 DIN 5304:1959-11, nach Art der Ansprüche an die Beleuchtung erforderliche Tageslichtquotienten mit Ergänzung der zugehörigen Beleuchtungsstärke innen bei 20 000 Lux außen.

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Roland Göttig, Anica Mayer, Sebastian Koth

Zudem wird in den heute relevanten Normen DIN EN 17037 9 und DIN EN 12464 10 angegeben, dass Räume als ausreichend mit Tageslicht ver­sorgt gelten, wenn die Ziel-Beleuchtungsstärken für mindestens die Hälfte der Tageslichtstunden erreicht werden. Wie auch schon in den bereits erwähnten Normen (unter anderem DIN 5034:1959) und in der Arbeitsstättenregel ASR A3.4  11 ist dabei der sogenannte Tageslichtquotient D wesentlich. Diese einfach zu ermittelnde Kenngröße gibt das Verhältnis der Beleuchtungsstärke außen zur Beleuchtungsstärke innen wieder. Zunächst wurde das Tageslichtangebot bei bedecktem Himmel von zirka 20 000 lx angesetzt, wohingegen heute ein Tageslichtangebot als Median der Stunden mit Tageslicht für ganz Deutschland von 13 900 lx Verwendung findet. Des Weiteren wurden in den heutigen Normen für verschiedene Sehaufgaben Anforderungen an die Beleuchtungsstärke mit Mindest-­Tageslichtquotienten entwickelt, die in Abb. 7 angegeben sind  9, 10. Weitere moderne Anforderungen an die Lichtfarbe und vor allem auch an die Vermeidung von Blendung existieren zusätzlich. Letztere spielt insbesondere bei modernen Bildschirmarbeitsplätzen eine wichtige Rolle. Blendung lässt sich jedoch relativ einfach durch Jalousien oder ähnliche Vorrichtungen vermeiden. Abb. 8 zeigt exemplarische Tageslichtsimulationen mit Angaben zum Tageslichtquotienten D für das 1965 fertiggestellte Siemens-Hochhaus in Bremen, das als typischer Vertreter der vorgestellten Typologie der Hochhäuser der 1950er- und 1960er-Jahre dient und über lange Fensterbänder belichtet wird. Auffallend ist, dass bis zu Raumtiefen von etwa 4 m noch akzeptable Belichtungssituationen herrschen und zwar sowohl für den Originalzustand als auch für die geplante Modernisierung. Die großzügigen Belichtungsöffnungen der meisten untersuchten Hochhäuser generieren fast durchgängig eine gute Versorgung mit Tageslicht. DIN EN 17037:2022 DIN EN 12464:2021

MEDIAN BELEUCHTUNGS­­STÄRKE [lx]

Deutschland, Berlin

13 900

Sehaufgabe

D [%]

D [%]

sehr gering zum Beispiel Korridore, Verkehrsflächen

0,7

100

gering zum Beispiel Ablegen, Kopieren

2,2

300

mittel zum Beispiel Schreiben, Tippen, Lesen

3,6

500

hoch zum Beispiel technisches ­Zeichnen

5,4

750

1m

zirka 4 m

Abb. 7 DIN EN 17037:2022 und DIN EN 12464:2021 mit erforderlichen Tageslichtquotienten und zugehörigen Beleuchtungsstärken innen bei 13 900 Lux außen

Abb. 8 Tageslichtsimulation mit Isolinien (das heißt Linien mit gleichen Werten für D an jedem Punkt) für den Tageslichtquotienten mit einer Grenze von D = 2,2 % bei zirka Raummitte beziehungsweise etwa 4 m Raumtiefe. Siemens-Hochhaus, Bremen (DE) 1965, Max Säume, Theodor Siegfried Morschel

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Büro und Behaglichkeit

Um für Wohlbefinden in Innenräumen zu sorgen, bedarf es neben passiver Maßnahmen speziell für die thermische Behaglichkeit auch technischer ­Anlagen. Die zwei elementaren Aspekte, die bei Betrieb und Installation von gebäudetechnischen Anlagen zu beachten sind, das klimagerechte Bauen sowie der thermische Komfort, werden im Folgenden erläutert. KLIMAGERECHTES BAUEN Klimagerechtes Bauen beschreibt den umweltschonenden und bewussten Umgang mit Ressourcen aller Art im Bereich des Gebäudesektors. Laut Bundes­ regierung gehört der Gebäudesektor mit 14,6 % der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland zu einem der maßgeblichen Emittenten. Dem gegenüber steht die notwendige Reduktion der Treibhausgasemissionen von 67 % bis 2030 im Vergleich zu den Werten von 1990 12. Ein wesentlicher Teil dieser Zielsetzung liegt in der Verantwortung der energetischen Gebäudesanierung und – noch konkreter – in der Reduktion oder Vermeidung der maschinellen Kühl- und Heiz­ energie, wozu auch passive Ansätze der Energieeffizienz gehören. Oft über­ sehen spielen neben der Effizienz auch die Suffizienz und Konsistenz im Einsatz dieser Ressourcen eine ebensolche, wenn nicht bedeutsamere Rolle. Suffizienz beschreibt in diesem Kontext den kleinstmöglichen oder notwendigsten Ressourcen- und Energieaufwand, während der Begriff Konsistenz für den bevorzugten Einsatz von erneuerbaren Ressourcen- und Energiequellen steht. Eine energetische Sanierung verfolgt meist das Ziel, einen möglichst energieeffizienten Gebäudebestand zu schaffen. Durch die Erneuerung der Fassade (zum Beispiel Austausch der Fenster, Dämmen der Wände, Beheben von Wärmebrücken) sollen Gebäude eine bessere Effizienz des Heiz- und Kühlenergieverbrauchs erzielen. Seit dem 01.11.2020 gilt in Deutschland das Gebäudeenergiegesetz (GEG) für alle Gebäude beziehungsweise Gebäudeteile, die unter Einsatz von Energie beheizt oder gekühlt werden, ebenso für die entsprechenden Anlagen und Einrichtungen der Heizungs-, Kühl-, Raumluftund Beleuchtungstechnik sowie der Warmwasserversorgung 13. Darin werden die energetischen Mindest­anforderungen sowohl für Neubauten sowie für Modernisierung, Umbau, Ausbau und Erweiterung bestehender Gebäude geregelt. Das GEG verpflichtet zur Ausstellung von Energieausweisen. Es fasst damit die Regelungen des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes ­(EEWärmeG), Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) und der Energieeinspar­ verordnung (EnEV) zusammen. Innerhalb des GEG sind die Gründe für eine Sanierungsmaßnahme vielfältig beschrieben. Während das Gesetz eine generelle Nachrüstpflicht zur Dachdämmung stellt, fordert es bei der Außenwanddämmung nur die Vorgaben einzuhalten, wenn mindestens 10 % der Fassadenfläche saniert oder renoviert werden. Obwohl nicht jede Sanierungsmaßnahme die Absicht einer energetischen Ertüch­tigung verfolgt, ist dennoch eventuell nach GEG-Standard zu agieren. Die Mindestanforderungen an die Wärmedurchgangskoeffizienten betragen dabei 0,24 W/m²K für die Außenwände und 1,30 W/m²K für die Fenster. Aus­genommen von diesen Mindestanforderungen des GEG sind dabei jedoch Baudenkmäler und sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz, bei denen eine Sanierungsmaßnahme die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigt oder zu unverhältnismäßigem Aufwand führen würde (§ 105 GEG). Obwohl die GEG-­ Anforderungen nicht für die untersuchten Baudenkmäler gelten, erfüllen einzelne Bauteile bereits die erwähnten Mindestanforderungen. Im Rahmen der energetischen Modernisierung des Gebäudes der Schweizer National zwischen 2004 und 2006 wurden sowohl die Fenster ausgetauscht als auch die Brüstungselemente gedämmt (siehe S. 117 ff.). Während die neue Wärmedämmverglasung schon knapp 15 Jahre vor der Einführung der GEG-Richtlinien unter den heutigen Anforderungen liegt (zirka 1,1 W/m²K), reicht der sanierte Wandaufbau mit 80 mm starken Mineralfaserplatten von damals ­(zirka 0,4 W/m²K) jedoch nicht aus, um den heute erforderlichen U-Wert der Außenwand zu erfüllen. Interessant ist dabei, dass das Maß an energetischer Aufwertung beim Austausch der Fenster am größten war, wohingegen die Dachflächen und Brüstungen der bereits sanierten Gebäude in den untersuchten Fallbeispielen (siehe Hahn-Hochhaus, S. 131 ff. und Schweizer ­National-­Haus, S. 117 ff.) die geringfügigsten Verbesserungen aufweisen oder nicht saniert wurden.

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Roland Göttig, Anica Mayer, Sebastian Koth

THERMISCHER KOMFORT Viele menschliche Reaktionen stehen in einem direkten Zusammenhang zu Umweltreizen, sodass eine zunehmende Belastung etwa durch Licht oder Lärm eine entsprechend positive oder negative Reaktion hervorruft. Je lauter beispielweise die Arbeitsumgebung ist, desto unangenehmer. Das Gleiche gilt für den Mangel an Licht in einer bestimmten Arbeitsumgebung. Je dunkler die Umgebung ist, desto unangenehmer wird sie wahrgenommen. Dieser Zusammenhang zwischen Reiz und Reaktion gilt jedoch nicht für die Temperatur, bei der ein linearer Temperaturanstieg zu einer umgekehrten U-Kurve im Komfort führt. Während eine moderate thermische Umgebung von den meisten Menschen als angenehm empfunden wird, bewirken die Extreme einer kalten oder heißen Umgebung eine Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall körperliche Extremreaktionen14. Das Ziel des Körpers ist dabei die stän­ dige Homöostase, ein Gleichgewichtszustand der Körperkerntemperatur, unabhängig von der umgebenden Lufttemperatur. Von den minimalen Schwankungen der Körpertemperatur (aufgrund der schwankenden Raumtemperaturen) lässt sich daher viel über Wohlbefinden, Gesund­heit, Stress und Produktivität von Personen ableiten 15. Seit Langem ist bekannt, dass das Wetter einen großen Einfluss auf das Verhalten und Wohlbefinden des Menschen hat. Dieser Einfluss lässt sich nicht nur im Freien beobachten, sondern auch beim Innenraumklima. Die Tatsache, dass der Mensch im Sommer in Europa mehr als 90 % seiner Zeit in Innenräumen verbringt 16, macht es unabdingbar, die Möglichkeiten und Grenzen der Thermoregulation und Anpassung des Körpers in Innenräumen zu untersuchen – vor allem im Kontext von Bürogebäuden, wo die individuelle thermische Regulierung und Adaption oft nur eingeschränkt möglich ist. Der Wärmeaustausch zwischen dem menschlichen Körper und der Rahmenbedingungen im Innenraum ist ein komplexes Zusammenspiel physikalischer Mechanismen. Die Summe aller gleichzeitigen Wechselwirkungen zwischen der Wärmeproduktion und den Wärmeverlusten des Körpers führt zu einem Temperaturanstieg oder -abfall. Der menschliche Körper versucht dabei stets, ein Wärmegleichgewicht zu halten, indem er diese Gewinne und Verluste ausgleicht. Dieses Verhältnis wird von Ken Parsons als Wärmespeicher (S) beschrieben. Eine positive Wärmespeicherung (S > 0) beschreibt

einen Netto-Wärmegewinn, während eine negative Wärmespeicherung Komfortbereich DIN EN 16798-1

operative InnenraumtemOperative peraturInnenraumtemperatur [°C] [˚C]

Komfortbereich DIN EN 16798-1 34 34

32 32

30 30

28 28

26 26

24 24

22 22

20 20

18 18

16 16

-20

-15

-15

-10

-10

Außenlufttemperatur [˚C]

-5

-5

0

0

5

5

10

10

15

15

20

20

25

25

30

30

35

35

40

40

Außenlufttemperatur [°C]

Abb. 9 Thermische Behaglichkeit nach DIN EN 16 798-1/NA:2021-06. Die x-Achse stellt das stündliche Mittel der Außenlufttemperatur [°C] dar, die y-Achse die operative Innenraumtemperatur [°C]. Die Punkte stehen für die stündlichen Simulationswerte des Istzustands der Innentemperatur des Hahn-Hochhauses in Stuttgart. Die orangen Punkte zeigen dabei die Werte während der Belegungszeit, die weißen außerhalb der Belegungszeit. Insgesamt sind alle 8760 Stunden des Jahres abgebildet. Hahn-Hochhaus, Stuttgart

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Büro und Behaglichkeit

(S < 0) einen Netto-Wärmeverlust beschreibt 17. Povl Ole Fanger (1943–2006), ein niederländischer Ingenieur, späterer Professor und Pionier der thermischen Behaglichkeit, war der erste, der diese Beziehung zwischen dem Körper und der Umgebung mit den sechs grundlegenden Parametern Lufttem­ peratur, Strahlungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit, Stoffwechselrate und Kleidung in einem Modell zusammenfasste. Bereits 1970 veröffentlichte er diese mathematische Relation als Predicted Mean Vote (PMV, was sich als erwartete durchschnittliche Empfindung einer Personengruppe übersetzen lässt) in seiner Dissertation „Thermal Comfort“ 18. Der thermische Innenraumkomfort wird auf den gleichen Grundlagen der auch heute noch geltenden DIN EN 16798-1:2021-04 19 nachgewiesen. Zusätzlich beschreibt diese Norm die zulässigen Temperaturschwankungen im Innenraum in Relation zur Außentemperatur durch die stündliche Mittel­ wertbildung der Außentemperatur. Eine Relation, die in den 1990er- bis 2000erJahren als adaptiver Komfort bekannt wurde und seit 2004 fest in den Normen verankert ist 20. Dieses Verhältnis von Außen- zu Innentemperatur zeigt Abb. 9. Die Bewertung der Ergebnisse anhand des in Abb. 9 dargestellten Komfortbereichs, erfolgt durch die Übertemperaturgradstunden (ÜTGS) beziehungsweise Untertemperaturgradstunden (UTGS) in Kh/a (Kelvin-Stunden im Jahr). Diese ergeben sich nach DIN 4108-2:2013-02 aus den Stundenwerten mit einer Temperatur über oder unter der zulässigen Innenlufttemperatur, die in Abb. 9 die obere beziehungsweise untere schwarze Linie darstellt 21. Dabei handelt es sich nicht nur um die reine Anzahl der Stunden, sondern auch um deren Dis­kre­panz zum Komfortband. So werden Temperaturen weit oberhalb oder unterhalb des Komfortbands stärker gewichtet als jene, die nur knapp oberhalb oder unterhalb liegen. Die reine Aufrüstung sowie der Neueinbau von einer gebäudetech­ nischen Anlage ist für das Erfüllen der thermischen Behaglichkeit nach Norm oft nicht ausreichend. Technische Anlagen sind wenig robust, sehr wartungs­ intensiv und weisen oft einen großen Performance-Gap auf 22. Die verbaute Technik wird dabei nach Simulationsergebnissen dimensioniert, die auf pau­ schalisierten Wetterdaten und Gebäudeannahmen basieren sowie von einem idealen menschlichen und technischen Verhalten ausgehen. Vor allem weil Letzteres so schwierig abzubilden ist, temperiert Anlagentechnik heutzutage pauschal und mit großem Energieaufwand die gesamte Gebäudemasse statt einzelne Personen. Oft wird dabei nicht beachtet, dass diese Allgemeinlösung schlussendlich das individuelle thermische Empfinden der Nutzenden ignoriert. Jüngste Forschungen und reale Untersuchungen haben mehrfach aufzeigen können, dass die pauschal angenommene thermische Behaglichkeit bei weit weniger als den vorhergesagt 95 % der Personen eintritt 23. DIN 16798-1 definiert die anzustrebenden Grenzwerte der thermischen Behaglichkeit. Idealerweise sind der Norm zufolge nie mehr als 10 % der Personen mit den thermischen Gegebenheiten unzufrieden (Predicted Percentage of Dissatisfied – PPD, nach Kategorie II der DIN16798-1 für maschinell geheizte und gekühlte Gebäude). Dieser Grenzwert basiert auf der internationalen Norm EN ISO 7730 24. Dass diese Grenzwerte nie bis selten eingehalten werden, ist heutzutage ausführlich belegt 25. Anstatt durch technische Anlagen die thermischen Gegebenheiten zu kontrol­lieren, wäre es alternativ denkbar, durch individuelle Möglichkeiten auf thermisch unbehagliche Situationen reagieren zu können. Dazu zählen: • Adaption, zum Beispiel durch Bedienung von Ventilatoren, Fenstern, eine mögliche Querlüftung oder Sonnenschutzvorrichtungen • thermische Flexibilität, zum Beispiel Kühl- und Pufferzonen wie Terrassen, Innenhöfe, Atrien oder gekühlte Pausenräume • individuelle Temperierung, zum Beispiel (Wärme- / Kühl-)Decken oder Tischventilatoren

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Roland Göttig, Anica Mayer, Sebastian Koth

1 DIN 4108:1952-07. Wärmeschutz im Hochbau 2 Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Energetische Bewertung von Bestandsgebäuden. Arbeitshilfe für die Ausstellung von Energiepässen. Berlin 2004, vgl. iwu. de/fileadmin/publikationen/ energie/enev/2004_denaEtIWU_ LogaEtAl_Arbeitshilfef%C3%BCr-die-Ausstellung-vonEnergiep%C3%A4ssen.pdf (abgerufen: 02.06.2023) 3 Hörner, Michael; Jedek, Christoph; Cischinsky, Holger: Die Diskrepanz zwischen Energiebedarf und -verbrauch bei Nichtwohngebäuden – ein empirischer Ansatz. In: Bauphysik, 37(5)/2015, S. 284–295 4 DIN 4108-3:2018-10. Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz – Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung 5 DIN 4109:1944-04. Richtlinien für den Schallschutz im Hochbau 6 DIN 4109:1962-09. Schallschutz im Hochbau – Teil 2: ­Anforderungen 7 DIN 4109:2016-01. Schallschutz im Hochbau – Teil 1: Mindest­ anforderungen 8 DIN 5034:1959-11. Innenraumbeleuchtung mit Tageslicht – Leitsätze 9 DIN 17037:2022-05. Tageslicht in Gebäuden 10 DIN 12464-1:2021-09. Licht und Beleuchtung – Beleuchtung von Arbeitsstätten – Teil 1: Arbeitsstätten in Innenräumen 11 Ausschuss für Arbeitsstätten – ASTA-Geschäftsführung – BAuA (2011). Technische Regeln für Arbeitsstätten – Beleuchtung – ASR A3.4 12 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Bis 2030 die Treibhausgase halbieren. Berlin 13. September 2019; bundes­ regierung.de/breg-de/themen/ klimaschutz/klimaziele-undsektoren-1669268 (abgerufen: 02.06.2023) 13 Gebäudeenergiegesetz – Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden, 2020 bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav? startbk=Bundesanzeiger_BGBl& bk=Bundesanzeiger_BGBl&start= //*[@attr_id=%27bgbl107s1519. pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*% 5B%40attr_id%3D%27bgbl120 s1728.pdf%27%5D__169452 4403569 (abgerufen: 12.09.2023)

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Büro und Behaglichkeit

25 Cheung, Toby; Schiavon, Stefano; 14 Haigh, Diane: User response in Parkinson, Thomas; Li, Peixian; environmental control. In: HawBrager, Gail: Analysis of the accukes, Dean; Owers, Janet: The Arracy on PMV – PPD model using chitecture of Energy. Harlow 1982 15 Terrien, Jeremy; Perret, Martine; the ASHRAE Global Thermal Aujard, Fabienne: Behavioral ther­Comfort Database II. In: Building moregulation in mammals: a reand Environment 153/2019, view. In: Frontiers in Bioscience­­­S.  205–217 Landmark 16(4)/2011, S. 1428–44 16 Diffey, Brian L.: An overview analysis of the time people spend outdoors. In: British Journal of Dermatology 164(4)/2011, S. 848–854 17 Parsons, Ken: Human Thermal Environments: The Effects of Hot, Moderate, and Cold Environments on Human Health, Comfort, and Performance. 3. Auflage. Boca Raton 2014, S. 1–586 18 Fanger, Povl Ole: Thermal Comfort: Analysis and Applications in Environmental Engineering. ­Kopenhagen 1970 19 DIN EN 16798-1:2022-03. Energetische Bewertung von Gebäuden, Lüftung von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik 20 de Dear, Richard; Zhang, Fan: Dynamic Environment, Adaptive Comfort, and Cognitive Performance. International Association of Building Physics (IABP). 7th International Building Physics Conference, IBPC2018. Sydney 2018 21 DIN 4108-2:2013-02. Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz 22 Palmer, Jason; Terry, Nicola; ­Armitage, Peter: Building Performance Evaluation Programme: Findings from non-domestic projects – Getting the best from buildings. Innovate UK. Swindon 2016 23 Wang, Liping; Mathew, Paul; Pang, Xiufeng: Uncertainties in energy consumption introduced by building operations and weather for a medium-size office building. In: Energy and Buildings 53/2012, S. 152–158 24 EN ISO 7730:2005. Ergonomics of the thermal environment – Analytical determination and interpretation of thermal comfort using calculation of the PMV and PPD indices and local thermal comfort criteria.

Es fängt immer mit dem Bestand an Andreas Putz und Hanne Rung im G ­ espräch mit Margit Sichrovsky und Joachim Grund

Margit Sichrovsky, LXSY Architekten in Berlin, und Joachim Grund, Henn Architekten München, sprechen über ältere und neuere Bürohochhäuser: Über die architektonische Auseinandersetzung mit dem Bestand, Fragen des zirkulären Bauens, der Rolle der Denkmalpflege, N ­ utzungsanforderungen und der veränderten Funktion der Hochhäuser in der Stadt.

Margit Sichrovsky Architektin BDA & Partnerin LXSY

Margit Sichrovsky hat an der Bauhaus Universität Weimar und an der TU Berlin Architektur studiert. Nach erfolgreichem Masterabschluss arbeitete sie einige Jahre als Projektarchitektin und Projektleiterin in verschiedenen Planungsbüros. 2015 erfolgte die Gründung des eigenen Büros LXSY Architekten in Berlin zusammen mit Kim Le Roux. Für Margit Sichrovsky stehen gesellschaftliche Anforderungen immer im Vordergrund sowie die Frage, welchen Einfluss Architektur auf das direkte Umfeld und jeden Einzelnen hat. Im ressourcenschonenden, zirkulären Planen und Bauen sieht sie eine Schlüsselrolle für einen nachhaltigen Wandel. 2021 wurde Margit Sichrovsky als Mitglied in den BDA Berlin berufen. Seit 2022 ist sie Teil des Arbeitskreises „Nachhaltiges Planen und Bauen“ der Architektenkammer Berlin.

Joachim Grund Architekt & Partner ­ Henn Architekten

Nach seinem Architekturstudium an der Fachhochschule Regensburg, das er 1997 mit Diplom abschloss, war Joachim Grund in Architekturbüros in Nürnberg, München und Rotterdam tätig. Seit 2009 arbeitet er bei HENN Architekten, 2017 wurde er Partner. Seine Schwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Arbeitswelten sowie Umbau und Sanierung. Er war verantwortlich für die energetische Ertüchtigung und bauliche Erneuerung des Hypo-Hochhauses in München von 2013 bis 2015 zum HVB-Tower, für die Sanierung des Kulturzentrums Gasteig seit 2018 sowie für die Revitalisierung des ehemaligen Siemens-Hochhauses zu The Source seit 2019.

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Es fängt immer mit dem Bestand an

Lassen Sie uns mit einem konkreten Beispiel anfangen. Seit Anfang der 2000erJahre steht in München das von 1961 bis 1963 errichtete Siemens-Hochhaus von Hans Maurer leer. Das denkmalgeschützte Gebäude hat in dieser Zeit mehrmals den Eigentümer gewechselt. 2019 wurden Henn Architekten mit dem Umbau und einer grundlegenden Instandsetzung beauftragt. Welchen Bestand fanden Sie vor und wie beeinflusste das ihre Planung?  JOACHIM GRUND [JG] Als wir beauftragt wurden, war leider schon alles komplett zurückgebaut worden. Wir haben uns daher auf das fokussiert, was noch da war – eine unglaublich tolle Konstruktion: der Kern, die Stützen und die sichtbaren Unterzüge. Diese spannende Rohbaustruktur war das Einzige, was wir noch hatten. Und daraus ergab sich: Wir wollen zukünftig keine Abhangdecken mehr, und wir zeigen die Rohbaustruktur. Wie machen die ursprüngliche Struktur dieses Gebäudes im Inneren sichtbar. Zwischen die Unterzüge werden Heizkühldecken gespannt, sodass zukünftig nicht mehr über die Luft geheizt wird, sondern über die Aktivierung der Bauteile. Wir nutzen und stärken das, was wir vorfinden. Die Gebäudehülle hingegen ist so in die Jahre gekommen und beschädigt, dass sie buchstäblich herunterfällt. Man durfte daher dem Gebäude gar nicht mehr zu nah kommen. Ist das nicht ein Problem für die Denkmaleigenschaft?  [JG] Als wir das Projekt übernommen haben, wurde in den Abstimmungen mit der Stadtgestaltungskommission darauf hingewiesen, dass das Gebäude durch eine neue Fassade seinen Charakter nicht verlieren darf. Das hat uns darin bestärkt, über die DNA dieses Gebäudes und die Intention von Hans Maurer weiter intensiv nachzudenken. Wer waren seine Vorbilder? In enger Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege kamen wir schnell auf Hochhäuser in den USA, zum Beispiel auf das Seagram Building von Mies van der Rohe. Hier spielt die Betonung der Vertikale eine große Rolle – mittels durchlaufender Profile an der flächigen Fassade. Die horizontalen Bänder der Brüstungspaneele sind dagegen zurückgesetzt. Bei unserem Projekt gehen wir ähnlich vor und reinterpretieren dabei die Brüstungspaneele als PhotovoltaikPaneele, das heißt, wir aktivieren die Fassadenfläche im Deckenstirn­ bereich, und reduzieren bewusst die Brüstungshöhe. Das bedeutet, die Gliederung der Fassade verändert sich?  [JG] Ja, konkret gesagt verändert sich die Scheibenhöhe und zwar in Richtung der Proportionen bei Mies van der Rohe. Das Gebäude wird dadurch mehr nach oben streben. Wir bringen es subtil in eine Richtung, die bereits angelegt ist und die sich aus der Neuinterpretation des

Visualisierung des ehemaligen Siemens-Hochhauses, heute „The Source“ mit neuer Fassadengestaltung und Ergänzungsbauten.

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Interview mit Margit Sichrovsky und Joachim Grund

Vorhandenen heraus entwickelt. Das ist ein ganz anderer Ansatz, als einfach eine neue Hülle darüber zu stülpen.  Dennoch wird nach Überprüfung des bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege die Denkmaleigenschaft des Gebäudes voraussichtlich gelöscht werden, da die materielle Substanz der Bestands­ fassade nicht erhalten werden kann. Was passiert mit der alten Fassade, die in Teilen noch am Gebäude hängt?  [JG] So weit es geht, wird sie recycelt. Aluminium und Glas werden jeweils eingeschmolzen. Was nicht einem Materialkreislauf zugeführt werden kann, ist zu entsorgen. Da es sich um eine Aluminiumfassade handelt, ist das nur ein ganz geringer Anteil. Das Gute an diesen Fassadensystemen ist, dass sehr hochwertige Materialien verwendet wurden. Wie nachhaltig ist der komplette Ersatz der Fassade? Sie streben ja auch eine LEED-Zertifizierung an.  [JG] Die Fassade ist leider stark beschädigt und eine energetische Sanierung der materiellen Substanz technisch nicht möglich, sodass sie zwingend erneuert werden muss. Wir haben uns, mit großem Respekt vor diesem Gebäude, von der Rohbaustruktur und von der ursprünglichen Fassade zu einer modernisierten Fassade inspirieren lassen, die das Gebäude insbesondere in Sachen Energieeffizienz in die Zukunft führt, dabei aber auf die Gestaltungsansätze seiner Entstehungszeit verweist. Vom Vorhandenen auszugehen, ist in der Denkmalpflege grundlegend. Im Gegensatz zu Neubauten, bei denen man die gesetzten Anforderungen im Wettbewerb oder Raumprogramm eben nicht nochmal groß infrage stellt, müssen wir (in der Denkmalpflege) erst einmal analysieren, was da ist. Das gilt aber auch für das zirkuläre Bauen.  MARGIT SICHROVSKY [MS] Genau, es fängt sowieso immer mit dem Bestand an, egal ob Denkmalschutz oder nicht. Es geht darum, was im Gebäude vorhanden ist und was es auf dem Markt an gebrauchten Materialien gibt, etwa in sogenannten Bauteilbörsen, die gebrauchte Materialien verkaufen. Das lässt sich aber auch noch weiter fortsetzen. Das zirkuläre  Bauen hört nicht damit auf, dass man Gebäude ertüchtigt und/oder recycelte oder wiederverwendete Bauteile benutzt. Es geht auch darum, diese so einzubauen, dass sie in 50, 70, 100 Jahren wieder zurückgebaut werden können. Abfall ist ein Designfehler, wie man heutzutage so schön sagt. Idealerweise wird kein Abfall produziert. Um alles wieder rückbauen und wieder neu einsetzen zu können, gibt es eine Menge an neuen Instrumenten, wie Material- oder Gebäudepässe. Wichtig ist aber auch, dass man den bereits existierenden Gebäudebestand aufnimmt und katalogisiert, damit wir als Planerinnen und Planer überhaupt wissen, was vorliegt. Ziel ist es in Zukunft, den Bestand zu erhalten und kreative Lösungen zu finden, um Abriss zu vermeiden. Gibt es dazu Beispiele im größeren Maßstab?  [MS] Die Stadt Heidelberg macht dies gerade mit ihrem gesamten städtischen Gebäudebestand, um zu dokumentieren, welche Materialien wo in der Stadt verbaut sind und um zu erfahren, welches Potenzial in der urbanen Mine steckt. Zirkuläres Bauen ist aber noch mehr. Es geht auch darum, neue Gebäude so zu konstruieren, dass sie flexibel und resilient sind, verschiedene Nutzungen beinhalten zu können. Zirkuläres Bauen umfasst also auch das Mitdenken zukünftiger Umnutzungen. Damit ändert sich auch die zeitliche Perspektive?  [MS] Wenn wir uns mit einem neuen Projekt beschäftigen, denken wir über die Schlüsselübergabe hinaus, das gilt mit Anfang der Nutzung noch nicht als abgeschlossen. Dann kommt eine Umnutzung, dann noch eine Umnutzung und irgendwann muss das Gebäude vielleicht zurückgebaut werden. Und dieses Material ist dann wieder Teil eines neuen zirkulären Gebäudes. Das ist Kreislaufwirtschaft ganz real. Im Büro Henn gibt es schon lange eine Phase, die sich Programming nennt, was man grob als Leistungsphase 0 bezeichnen könnte. Das kommt ursprünglich aus dem Industrie- und Fabrikbau, lässt sich (natürlich) auch übertragen, etwa auf die Analyse des Gebäudebestands. So eine Grundlagenanalyse, die der Vorplanung vorausgeht, ist aber auch die Voraussetzung für die Wiederverwendung von Baustoffen.

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Es fängt immer mit dem Bestand an

 [JG] Ich bin überzeugt, in der Wiederverwendung von Materialien und Produkten stecken jede Menge Möglichkeiten. Momentan sind wir in der Situation, dass die Wiederverwendbarkeit von Produkten noch relativ gering ist. Wenn ich mich jetzt aber in die Zukunft versetze, wird man auf dem Baustoffmarkt zum Beispiel Innenglaswände mit Türen, Metallrahmen oder Glastüren für Treppenhäuser beziehen können, die wiederaufgearbeitet worden sind. Dazu muss man sicher sein, dass etwa die Stahlblechtüren mit Feuerwiderstandsdauer nicht mehr schadstoffbelastet sind, und Typenschilder müssen kennzeichnen, dass die Zulassung geklärt ist. Dadurch werden sich für uns Architektinnen und Architekten ganz neue Möglichkeiten eröffnen. LXSY Architekten planen aktuell im Rahmen der IBA Stuttgart einen Neubau sowie eine Sanierung und Erweiterung von zwei Bestandsgebäuden. Ihr verwendet dort aber auch altes Material. Wie gewährleistet ihr dabei die Prozess- und Planungsqualität?  [MS] Ja, wir sind dort gerade tatsächlich dabei, ein bisschen neue Wege zu beschreiten, was die Planungs- und Bauprozesse anbelangt. Das IBA-Projekt in Stuttgart-Stöckach, das wir in Kooperation mit asp-Architekten planen, ist primär ein Wohnungsbau auf dem alten EnBW-Gelände, was leider zu 80 % abgerissen wird. Der neue Entwurf besteht aus drei Abschnitten und für einen der Abschnitte haben wir die Wiederverwendung von Backsteinen aus dem Abriss vom Gelände untersucht. Dieses Areal ist geprägt von Stahlbetonskelettbauten mit Backsteinausfachung – einer Architektur der 1960er-Jahre, die uns sehr gut gefällt. Wir versuchen, die Backstein-Vorsatzschalen zu erhalten und analysieren noch, wie sie zusammenhalten. Müssen wir die Steine großformatig ausschneiden und neu einsetzen oder ist der Mörtel so porös, dass wir sie quasi einzeln wiederwenden können? Damit tragen wir dazu bei, dass der Ort seine Identität ein Stück weit erhalten kann, was auch ein wichtiger Aspekt des zirkulären Bauens ist. Es geht nicht nur um das rein Konstruktive, sondern auch um Nachbarschaft, Quartiersentwicklung und Quartierserhalt und Storytelling, das Weitergeben von Geschichte. Geht es dabei nur um identitätsstiftende Elemente?  [MS] Wir versuchen tatsächlich auch in Bereichen, wo man es nicht sieht, beispielsweise in Schüttungen, altes Material zu verwenden. Bei unserem Projekt, dem Impact Hub Berlin at CRCLR-House, einem Co-WorkingSpace in Berlin-Neukölln haben wir alte Lüftungskanäle aus einem ande­ren Projekt eingesetzt. Wir dachten uns, die braucht man sowieso, dann lass uns die doch einfach auch wiederverwenden. Das ist das Urban-Mining-Prinzip. Das Projekt, das wir Anfang 2022 fertiggestellt

Visualisierung: Der Neue Stöckach, Stuttgart (in Kooperation mit asp-Architekten) im Rahmen der IBA Stuttgart

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Interview mit Margit Sichrovsky und Joachim Grund

haben, besteht zu 70 % aus wiederverwendeten und nachwachsenden Materialien. In München planen Henn Architekten derzeit die bauliche Erneuerung des Gasteigs. Auch hier geht es um Ziegelwände …  [JG] Ja, der Gasteig in München ist außen wie innen von Ziegelwänden geprägt. Die Backsteine wurden beim Bau in den 1980er-Jahren individuell für dieses Projekt hergestellt. Das heißt, die Formen und Formate gibt es nur einmal und nur dort und man findet sie deutschlandweit nicht noch einmal. Die Ziegelwände sind deshalb identitätsstiftend für den Gasteig. Bei unserem Entwurf war von Anfang an klar, dass der Großteil der bestehenden Außenfassaden aus Ziegel erhalten bleibt und nicht energetisch ertüchtigt wird. Wer trägt die Gewährleistung für das bereits gebrauchte Material?  [JG] Wenn man die Bestandsfassade so belässt wie sie ist, dann muss lediglich überprüft werden, ob die Anker korrodiert sind. An den Schnittstellen, wo alt und neu zusammenkommen, wird es ein bisschen komplizierter. Wir haben selbst Versuche mit der Bestandsfassade gemacht und diese testweise demontiert, um zu sehen, wie wir den Zement von den Ziegeln lösen können und wie aufwendig dieser Prozess ist. Außen und innen werden bei der Umgestaltung Ziegelverkleidungen entfernt, die wir an anderer Stelle dann wiederverwenden. Das heißt, wir trans­ formieren das Gebäude mit Materialien des eigenen Bestands und übertragen auf diese Weise seine Identität weiter in die Zukunft. Das Bauen mit wiederverwendeten Materialien ist dort, wo alles wieder an den gleichen Platz zurückkommt, planbarer. Mir bereiten eher die Projekte Sorge, bei denen Material erst irgendwo zusammengesammelt werden muss, da sich dieses Vorgehen kaum noch im herkömmlichen Sinn planen lässt.  [MS] Letztlich funktioniert das Ganze eben nicht linear. Wenn wir über kreislauffähiges Bauen sprechen, müssen wir auch die derzeitig in Deutschland die Abfolge der HOAI-Leistungsphasen infrage stellen. Also den linearen Planungsprozess mit seinen Leistungsphasen 1–9, der impliziert, wenn das Projekt zu Ende ist, sind auch wir als Planende nicht mehr beteiligt. Wir sind derzeit dabei zu untersuchen, wie man die einzelnen Leistungsphasen so strukturieren bzw. so offen gestalten könnte, dass sich kreislauffähiges Bauen im Planungsprozess mit integrieren lässt. Wie könnte man relativ frühzeitig schon ausführende Firmen wie einen Generalunternehmer mit an Bord holen, um eine Analyse für die Bauteile zu erstellen, um zu klären, was überhaupt einsetzbar wäre. Architekten haben ja die wildesten Ideen, aber sind die überhaupt realisierbar? Dafür brauchen wir Leute mit Know-how, die uns sagen können, „das geht“ oder „lass lieber die Finger davon“.  Das ist bei uns ein Prozess, bei dem man erst mal etwas plant, ohne zu wissen, mit welchen Materialien überhaupt gearbeitet werden kann.

Visualisierung der Umbaumaßnahmen am Kulturzentrum Gasteig in München

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Handelt es sich also auch um einen Planungsprozess, bei dem ich als Architekt die Gestaltung des fertigen Produkts nur noch bedingt bestimmen kann, weil ich eben nicht immer genau weiß, wie es aussehen wird. Oder verstehe ich das falsch?  [MS] Nein, so würde ich das jetzt nicht formulieren. Die Frage höre ich sehr oft. Im dicht bebauten Deutschland gibt es Unmengen an Material. Als Architektin oder Architekt hat man sehr früh ein Bild davon, wie etwas aussehen soll. Und dann geht man auf die Suche nach Materialien, die diesem Bild entsprechen. Aber man muss natürlich offen sein, das ist korrekt. Kann man den Bauherren dann als Architektin oder Architekt überhaupt noch ein Rendering, eine Perspektive zeigen, wie beispielsweise der Verwaltungsbau von außen oder die Bürozelle zukünftig aussehen werden?  [MS] Ja, das würde ich schon sagen, solang diese Perspektive nicht ganz konkret ein Material zeigt, sondern eine Geschichte erzählt. So haben wir das beim Impact Hub Berlin at CRCLR-House gemacht. Wir hatten für den Ausbau ein Rendering erstellt und haben gesagt: „So sieht es ungefähr aus“. Das Bild zeigte einen Tresen, der irgendwie in einem roten Material dargestellt war. Später haben wir dann schöne alte Ziegel gefunden, die jetzt dort verbaut sind. Das hätte aber genauso gut auch ein rotes Linoleum werden können.

„Wenn wir über kreislauffähiges Bauen sprechen, müssen wir auch die derzeitig in Deutschland die Abfolge der HOAI-Leistungsphasen infrage stellen.“ MARGIT SICHROVSKY Also man definiert gewisse Kriterien und umreißt Eigenschaften, die erfüllt werden sollen? Ich fand das vorher sehr interessant mit der Wiederverwendung von Lüftungskanälen. Hochhäuser, nicht nur die aus den 1960er-Jahren, sind mehr oder weniger umhüllte Maschinen, im Inneren läuft die ganze Zeit eine Lüftungsanlage. Bei der Gebäudetechnik sind die Erneuerungszyklen allerdings extrem kurz. Aber die alten Kanäle wieder zu verwenden, das war mir neu.  [MS] Na ja, das ist auch noch ziemlich unüblich, aber im Grunde muss man sie nur reinigen und dann lassen sie sich wieder einbauen. Klar, man muss die Firmen finden, die das dann auch ausführen. [JG] Es ist letztendlich eine Frage der Dimensionierung und der Gebäudekategorie. Bei Hochhäusern etwa erfolgte in der Vergangenheit alles, auch das Heizen, über die Luft, dadurch hatten die Lüftungskanäle einen entsprechend großen Querschnitt. Heute aktivieren wir die verbauten Materialien selbst mithilfe von integrierten Rohrleitungen zur Heizung und Kühlung. Dadurch würden in den Schächten Flächen frei und die Kanäle bräuchten zunächst nicht mehr so große Querschnitte. Allerdings bestehen etwa für Zertifizierungen, aber auch auf Grund neuer Normen und Behaglichkeitskriterien hohe Anforderungen an die Luftqualität in Verbindung mit der Strömungsgeschwindigkeit. Daraus resultieren größere Lüftungsanlagen und Kanalquerschnitte, durch die doch wieder ein großes Luftvolumen durch die Gebäude bewegt werden muss. Man kann also in das alte Gehäuse, in den alten Rohbaukörper eine neue Maschine einbauen, unabhängig davon, was die vorhandenen Dimensionen der Schächte und die vorhandenen Deckendurchbrüche erlauben?  [JG] Um aufwendige Ertüchtigungsmaßnahmen zu vermeiden, ist es ratsam mit der bestehenden Rohbaustruktur sensibel umzugehen und diese genau zu analysieren. Wir versuchen, bei Sanierungen minimalinvasiv vorzugehen, wobei wir immer abwägen, ob durch Eingriffe tatsächliche Nutzungsvorteile generiert werden. Entsprechend sorgfältig müssen auch die haustechnischen Konzepte aus den Möglichkeiten des Bestands, also den vorhandenen großformatigen Schächten und Durchbrüchen heraus entwickelt werden.  Ebenfalls zu beachten ist, dass die Hochhäuser der Nachkriegszeit gebaut wurden, als es noch keine Hochhausrichtlinie gab. So haben sich etwa die Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer von F90 auf F120 erhöht. Das muss kompensiert werden. ­Entspricht die Betonüberdeckung der Stahlbewehrung der anzu­ setzenden Norm oder sind Zusatzmaßnahmen zu treffen, damit der Brandschutz gewährleistet ist? Eine Kompensation ist meist auch

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durch entsprechende Sicherheitstechnik möglich, wie beispielsweise eine flächendeckende Brandmeldeanlage, flächendeckende Sprachalarmierung in Verbindung mit Sprinklerschutz. Das heißt, es lassen sich neue technische Systeme installieren, damit der Betrieb sichergestellt ist. Um das Gebäude weiter betreiben zu können, steht immer der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Planen und Bauen bedeuten heute allzu oft, mit den Normen und Vorschriften zu kämpfen. Wie sieht das beim kreislauffähigen Bauen aus? [MS] Tatsächlich ist das Bauen nach anerkannten Regeln der Technik beim Thema kreislauffähiges Bauen nicht so einfach. Ausgebautes Material ist per se erstmal Müll. Hier gibt es bereits Akteure, die das Thema auf Normierungsebene angehen. Beim Thema Gewährleistung und Zertifizierung ist es total wichtig, die Bauindustrie miteinzubeziehen. Firmen könnten etwa Türen oder Fenster wieder zurücknehmen, rezertifizieren und erneut auf den Markt bringen. Miet- oder Leasingkonzepte ließen sich integrieren. Beispielsweise könnten Leuchten geleast bzw. ausgeliehen werden, die der Hersteller am Ende wieder (vollständig) zurücknimmt. Hier muss es mit allen Beteiligten nicht nur ein neues Denken, sondern auch Wunsch und Wille geben, weitere und neue Schritte zu gehen.

Theke im Impact Hub Berlin at CRCLR-House

Zertifikate, Normen und Baurichtlinien sind letztlich auf den Neubau ausgerichtet. Ist die Denkmalpflege dann hilfreich, wo sie eine Ausnahme schafft?  [MS] Das ist richtig, das ganze Thema Normen, Gesetze ist aktuell ein Riesenhindernis. Denkmalpflege kann sehr hilfreich sein. Das hängt aber immer von den jeweiligen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern ab.  [JG] Es ist tatsächlich immer ein Abwägen einzelner Komponenten. Die Denkmalpflege bringt eine weitere Perspektive in die Diskussion mit ein und ist sehr hilfreich und notwendig, um am Ende die beste Lösung zu finden. Handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude, so gelten zum Bespiel die Energieeinsparverordnung und ihre Bestimmungen nicht. Allerdings dürfen in der Abwägung Nachhaltigkeits­ aspekte auch nicht vernachlässigt werden. Wir kommen heute meistens ohne größere Probleme an die originalen Papierpläne aus den Archiven, aber meistens handelt es sich um die Entwurfsund Genehmigungspläne, nicht die tatsächlichen Ausführungspläne. Später

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erfolgte Reparaturen und Veränderungen sind dann noch schlechter dokumentiert. Wir können oft nicht mehr ausreichend nachvollziehen, wer vor zehn Jahren die Brandschutzertüchtigung gemacht hat oder wie die Betoninstandsetzung erfolgte. Alles, was irgendwie digital geplant und abgestimmt wurde, verschwindet derzeit in einem weißen Rauschen. Könnten BIM-Modelle helfen, in Zukunft besser über den Bestand Bescheid zu wissen?  [MS] Eigentlich müsste es ein Bestandteil jedes Bauantrags werden, dass das Planungsbüro zusätzlich zu allem anderen noch einen BIM-Gebäudepass abgeben muss, in dem genau dokumentiert ist, was geplant und verbaut wurde. Dieser Pass müsste dann laufend fortgeführt werden, indem Umbauten und Sanierungen über die Jahre eingepflegt werden. [JG] Mittlerweile kann man sagen, BIM funktioniert in den Projekten bis zur Ausschreibung sehr gut. Es werden fachdisziplinübergreifend Daten und Massen für die Kostenberechnungen und Ausschreibungen aus dem BIM-Modell entnommen. Wenn dann die ausfüh­ renden Firmen dazukommen, sollte das BIM-Modell jedoch weiter gepflegt werden, sodass jedes Bauteil und Material, das verbaut wurde, dokumentiert werden kann. Schließlich muss das digitale Modell an das Facility Management des Gebäudebetreibers über­ geben werden, damit jede Instandsetzungsmaßnahme wiederum ergänzt werden kann. Übergeben Sie Ihre BIM-Modelle dem Bauherrn, so wie man früher den Plansatz übergeben hat? [JG] Das kommt auf die Verträge an. Es gibt nach wie vor Projekte, bei denen die Dokumentation noch in Papierform oder als DWGs und PDFs gefordert wird. Aber es setzt sich immer mehr durch, dass die Projekte am Ende als BIM-Modell abgegeben werden. Es ist dabei unter anderem zu klären, ob die Werkstatt- und Montageplanungen der Firmen integriert werden sollen oder nicht. BIM-Planung wird aktuell noch nicht von allen Firmen praktiziert. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass zukünftig ein integratives „As-built-Gebäudemodell“ an die Bauherren übergeben wird, das sowohl den gebauten Zustand darstellt als auch alle wesentlichen Informationen über die verbauten Elemente und Materialien enthält, sodass das Facility-Management es nutzen und weiter pflegen kann. Der Vorteil wäre, dass das digitale Modell bis ins letzte Bauteil genau Auskunft liefern könnte. Und damit ließe sich tatsächlich jedes Stück Wand, jede Kachel einzeln erfassen und identifizieren, etwa um die Baumaterialien später wieder in Stoffkreisläufe rückzuführen.  [MS] Genau. Darüber hinaus wäre es wichtig, auch die Konstruktionsweise zu dokumentieren. Denn viele Bauteile sind verklebt, und dann ist es auch egal, ob man weiß, um welches Material es sich handelt, wenn es sich nicht wiederverwenden lässt. Das heißt, dass die Verbindungen reversibel sein müssen und dies muss in einem „Rückbaukatalog“ dokumentiert werden. Das wäre jedenfalls vollständiger und präziser, um alle material- und konstruktionsspezifischen Fakten zu erfassen, als die in der Regel doch recht oberflächlichen Beschreibungen, auf die sich auch die Diskussionen der Denkmalpflege und der Bestandserhaltung bisher stützen. Ganz selten werden auch Materialien, Konstruktionen, die Oberflächen etwa der Innenräume berücksichtigt. Oder die technische Ausstattung. Meist geht es jedoch primär um das äußere Erscheinungsbild, um die Fassade. [JG] Der Denkprozess geht oft erst los, wenn es konkreten Handlungsbedarf gibt. Auch beim HVB-Tower hat sich sehr bald herausgestellt, dass die Belange der Denkmalpflege den Innenausbau betreffend erst formuliert werden müssen. Nach einem gemeinsamen Rundgang mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der unteren Denkmalschutzbehörde haben wir daher zunächst eine Materialbilanz erstellt und dabei das Alter der vorhandenen Materialien dokumentiert, um beurteilen zu können, ob schützenswerte, entstehungszeitliche Bauteile vorhanden sind. Auf Grund von etlichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen der Vergangenheit war nicht mehr viel originale Substanz zu finden, sodass seitens der Denkmalpflege für die Neugestaltung der Innenräume – anders als für die Fassade – kaum Anforderungen gestellt wurden.  [MS] Ich war neulich für eine Besichtigung in einer ehemaligen Firmenzentrale eines Automobil-Herstellers. Die Gebäudehüllen stehen unter

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Denkmalschutz, aber das Innenleben der Bauten nicht. Die neuen Investoren haben schon zwei der drei Gebäude entkernt und sind jetzt darauf gekommen, dass das Material, das neu eingebaut wurde, sehr viel minderwertiger ist, als das, was in den 1970er- und 1980er-Jahren zum Einsatz kam. Damals war noch Geld da, es wurde einfach richtig gut gebaut. Ein bisschen aus der Zeit gefallen, ein alter Look, der auch ohne Denk­malschutz erhaltenswert ist. Aber das ist eben auch die Herausforderung: Wie geht man mit den Gebäudebestandteilen um, die nicht geschützt sind. Also ganz unabhängig davon, ob jetzt ein Amt etwas unter Schutz gestellt hat oder nicht, geht es darum, für den Bestand zu sensibilisieren – auch bei der Kollegenschaft, bei den Studierenden, bei den Bauherren. Da ist ganz tolles Zeug, das gebaut wurde, schaut einfach mal genau hin, das tut es doch noch? [JG] Bei manchen Objekten ist man sich während der gemeinsamen Begehung sehr schnell einig und wird ehrfürchtig vor dem Bestand. Es gibt sicher viele Fälle, die sich in einer Grauzone bewegen, aber die qualitativ hochwertigen Ausbauten lassen sich relativ schnell erkennen. Wenn dann nichts anderes dagegenspricht, haben sie auch eine große Überlebenschance. Meistens muss jedoch die Technik erneuert werden. Aber wie demontieren wir die Haustechnik, ohne den wert­ vollen Innenausbau zu zerstören? Grundsätzlich gilt: Man darf nicht nur um des Neuen willen alles radikal neugestalten, sondern sollte vielmehr so oft wie möglich den Bestand einer neuen und fortgesetzten Nutzung zuführen.  [MS] Genau, und dabei ist eben die Denkmalpflege total wichtig. Konkret die einzelne Person, die in der Behörde sitzt und sagt: „Mir ist dieses Gebäude wichtig, mir ist es wichtig, dass es in die Zukunft übernommen wird mit einer neuen Idee, mit einer neuen Nutzung.“ Ich habe gute Erfahrungen gemacht. Eine Denkmalschutzbehörde kann auch erst mal unterstützend sein, weil man das Gebäude eben nicht abbrechen darf. So, Punkt. Und dann muss man damit umgehen, aber auch sehen, wie man alle mit an Bord bekommt, damit sich die Ideen auch wirklich umsetzen lassen. [JG] Was Sie gerade sagen, ist genau das Entscheidende: von Anfang an offen über das Projekt zu sprechen, um erst einmal die unterschiedlichen Belange zu erfahren. Das Gebäude steht in der Denkmalliste. Aber was genau ist denn jetzt eigentlich schützenswert? Das muss zunächst erarbeitet werden. Dient der Denkmalschutz als Ansporn, neue Lösungen zu finden?  [JG] Auch das trifft oft zu, ja natürlich. Wenn es prinzipiell keine Leitplanken gibt, ist alles ganz offen, dann kann man als Architekt alles machen. In dem Moment, in dem Leitplanken aufgestellt sind, ist die Bandbreite, neue Lösungen zu finden, eine andere. Wenn von Anfang an alle Planungsbeteiligten an einem Strang ziehen und die Behörden frühzeitig involviert werden, lassen sich auch große Ziele realisieren. Beim HVB-Tower waren es auch die Denkmalschutz- und die Brandschutzbehörde, mit denen wir erstmal das gesamte Gebäude gemeinsam durchgesprochen haben. Was machen wir denn daraus? Was sind eure Erfahrungen mit solchen Bauten? Nun steht in Erlangen ein sehr ähnliches Siemens-Hochhaus wie in München, das saniert werden soll, ebenfalls denkmalgeschützt. Wird es in Zukunft so etwas wie Systemlösungen im Umgang mit dem Bestand geben? Oder ist dann doch jedes für sich ein eigenes Projekt?  [JG] Sicherlich kann man aus den Erfahrungen, die bei dem einen Gebäude gemacht wurden, Rückschlüsse für den Umgang mit einem anderen Gebäude ziehen. Wenn andere Beteiligte im Spiel sind, denen das Gebäude gehört, unterscheiden sich aber manchmal die Interessen. Es werden daher alle möglichen Varianten noch einmal untersucht. Am Ende entscheidet man sich vielleicht für eine andere Lösung, weil sich gezeigt hat, dass die Rahmenbedingungen an der einen oder anderen Stelle doch andere sind. In jedem Fall muss die Lösung immer aus dem Gebäude heraus entwickelt werden, mit möglichst wenigen Eingriffen in die Rohbaustruktur. Denn sobald tiefgreifend in die Rohbaustruktur eingegriffen wird, fliegen einem die Kosten um die Ohren.

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 [MS] Genau. Aber trotzdem möchte ich da auch noch einmal den städtebaulichen Aspekt mit ins Spiel bringen. Wir reden ja nicht nur von einem Objekt, das irgendwo steht, sondern von einem konkreten Ort in einer Stadt, von einer Nachbarschaft, von einem Quartier. Eine Übertragung der einen baulichen Lösung auf ein Projekt mit ähnlichen Problemen in einem anderen Kontext wäre eine rein technische Ange­legenheit. Die Nachbarschaft aber, die ja auch zu einem Gebäude dazugehört, ist höchst individuell und darf nicht vernachlässigt werden. Zu nachhaltigem Handeln gehört eben auch, dass man wegkommt vom Denken in Einzelgebäuden hin zu einem Quartier und zu einer Stadtidee. Wie sehen Sie generell das Thema serielle Sanierung?  [MS] Es gibt natürlich sehr viele seriell gebaute Gebäude mit zum Beispiel vorgehängten vorgehängten Fassaden. Und selbstverständlich kann man in der Folge auch Prinzipien entwickeln, die sich auch auf andere Gebäude anwenden lassen.  [JG] Seriell gebaute Gebäude lassen natürlich auch entsprechend übertragbare Antworten auf sich wiederholende Problemstellen zu. Allerdings ist jedes Gebäude letztendlich ein Unikat – anders als bei einer Automobilserie. Auch beim industriellen Bauen sind die Rahmenbedingungen jedes Mal ein wenig anders. Und an der ein oder anderen Stelle wurde eine Sonderlösung erforderlich. Also muss man als Planer auch da wieder zuerst genau hinschauen und darf keine voreiligen Schlüsse ziehen. Anschließend überlegen wir gemeinsam mit den unterschiedlichen Fachdisziplinen, die jeweils unterschiedliche Interessen haben, welche die beste Lösung für dieses Objekt ist und definieren unser gemeinsames Ziel. Man könnte sich fragen: Warum eigentlich der ganze Aufwand? Übliche Betrachtungszeiträume in der Immobilienwirtschaft umfassen 25 Jahre und dann wird sowieso wieder zurück-, um- und neugebaut.  [JG] Das ist heute leider noch oft Realität. Nehmen wir den HVB-­ Tower, der 1981 fertiggestellt wurde, für den haben wir bereits 2011 den Auftrag bekommen, eine Generalsanierung durchzuführen. Ein ­Rückbau des gesamten Ausbaus war schon deswegen erforderlich, um die vorhandenen Schadstoffe zu entfernen. Unsere große Auf­gabe ist es, das Dilemma der in der Vergangenheit verwendeten Materialien zu lösen. Beim HVB-Tower wurden absurderweise nach einer Schad­stoffsanierung in den 1990er-Jahren Künstliche Mineralfasern (KMF) eingebaut, welche sich erneut als Schadstoff heraus­gestellt haben. Dieses Problem müssen wir jetzt lösen. Es dürfen nur noch wirklich unschädliche Materialien zur Anwendung kommen. Ein anderes Thema sind die bauphysikalischen Schwierigkeiten. Da sind wir mittlerweile jedoch viel weiter als noch vor einigen Jahren. Ja, aber die Ansprüche sind auch entsprechend gestiegen. Die Lösung kann doch aber nicht sein, den Effizienzhausstandard auf den Bestand zu übertragen, und diesen dann auch noch immer weiter anzuheben?  [JG] Ich glaube, wir sind seit einigen Jahren bei Sanierungen bau­ physikalisch auf einem sehr guten Niveau, das nicht mehr viel Ver­ besserung bedarf. Ein wichtiger Schritt war es noch anstelle von Zweischeiben-Isolierverglasungen nun Dreischeiben-Isolierver­ glasungen zu verwenden. Mir geht es insbesondere um die technische Beständigkeit, um Schadstellen und um den tatsächlichen Handlungsbedarf. Beim HVB-Tower gab es Kondensat an der ­Rückseite der Fassade im Gebäudeinneren, auch der Randverbund der Scheiben ist zuletzt permanent kaputtgegangen, sodass die Scheiben blind wurden. Den Alterungsprozess des Gebäudes konnte man regelrecht an der Fassade ablesen. Dauerhaftigkeit bedeutet, eine gute, funktionierende Möglichkeit zu entwickeln, schadhafte Bauteile auszubauen und zu ersetzen, ohne das Gesamtsystem austauschen zu müssen. Bei der Fassadensanierung des HVB-­ Towers ist es uns gelungen, die Deckschalen der Aluminiumpaneele wiederzuverwenden. Dadurch konnten wir einen großen Teil des ursprünglichen Materials wieder einbauen. Das war nur möglich, weil wir die zweischalige Fassade millimetergenau wieder nachgebaut haben. Nur die alten Profile ließen sich nicht wiederverwenden, da sie wärmedämmtechnisch nicht gut getrennt waren. Darüber hinaus konnte das Gesamtsystem der Fassade die neue zweischa­ lige Konstruktion nicht tragen. Wenn es uns also gelingt, künftig

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Kon­struktionen zu entwickeln, die dauerhafter sind, die den Austausch beschädigter Bauteile zulassen, dann ist im Gesamtsystem sehr viel gewonnen. Langlebigkeit kann sich also auf zwei Dinge beziehen. Entweder die Konstruktionen halten tatsächlich länger als 25, 30 Jahre, weil sie robust und massiv genug sind und bessere Qualität haben. Oder sie sind nach dieser Zeitspanne eben austauschbar und reparaturfähig. Beides ist der Bestand der Moderne aber oft einfach nicht.  [MS] Das Thema der Zukunft ist das einfache Bauen, das heißt ­Schichten reduzieren und den gesamten Entwurf auf einem LowtechGedanken aufbauen. Die Grundidee dabei ist, dass nicht alles hochtechnisiert werden muss, um es dann nach 25 Jahren austauschen zu müssen. Lebenszyklusanalysen gehen immer über 50 Jahre. Und selbst 50 Jahre sind für ein Gebäude, das robust gebaut worden ist, eigentlich kein Alter. Das kennen wir alle, wir leben gerne in 100 Jahre alten Gebäuden. Ist dies nicht zuallererst eine Frage der Finanzierungsmodelle?  [MS] Zum Thema zirkuläres Bauen gibt es Finanzierungsansätze, die beispielsweise den Materialwert eines Gebäudes nach Rückbau miteinkalkulieren. Dabei wird das Gebäude wirklich zu einer Materialbank für die Zukunft, da im Gebäude ein Restwert an Material vorhanden ist – und das ist tatsächlich ein sehr großer Hebel für die Wiederverwendung von Materialien. Jedes Bauteil hält unterschiedlich lange. Die Diskussion über die Rohbaustruktur, meist Stahlbetonskelette, zu führen, ist hingegen einfacher aufgrund des gebundenen CO₂. Jeder heute versteht, das ist Graue Energie, die wollen wir erhalten.  [MS] Im Rohbau steckt eigentlich der größte Hebel, was das CO₂ anbelangt. Ich glaube aber trotzdem, dass auch der Innenausbau eine Relevanz hat, weil die Erneuerungszyklen hier einfach viel kürzer sind. Da zieht ein neuer Mieter ins Gebäude oder die Etage ein, bleibt 10 bis 15 Jahre, und anschließend wird alles wieder erneuert. In diesem Bereich ist es tatsächlich wichtig, ein Umdenken zu erreichen. Es muss nicht immer alles neu sein, man kann Dinge wiederverwenden, sich den Bestand anschauen, was war vorher da, muss das wirklich weggeschmissen werden? Lassen sich etwa neue Zwischenwände oder Systeme einsetzen, die auch an anderer Stelle wieder flexibel aufgebaut werden können, wenn es denn nötig ist?  [JG] Selbst wenn wir eine dauerhafte Grundstruktur und Gebäudehülle haben, bleibt die Büronutzung einer gewissen Mode unterworfen. Die Arbeitswelt wandelt sich permanent und Gebäude, insbesondere Hochhäuser, müssen den Raum dafür bieten. Flexibel nutzbare Großraumflächen zu ermöglichen, ist ein wichtiger Baustein. Jedoch hat das ehemalige Siemens-Hochhaus in München, 1963 fertiggestellt, eine Geschosshöhe von nur 3,40 m. Der HVB-Tower von 1981 verfügt bereits über eine Geschosshöhe von 4,00 m und damit auch über bessere Möglichkeiten, die Haustechnik unterzubringen. Die Installationen ermöglichen erst eine komfortable Hochhausnutzung. Zukunftsfähiges Bauen heute heißt also, Flächen zu schaffen, die auch funktional zukunftsfähig sind in ihrem Verhältnis von Geschosshöhe zu Grundfläche und somit unterschiedliche Nutzungen zulassen. Was ist die Lösung, wenn geringe Geschosshöhen keine großen flexiblen Flächen erlauben?  [MS] Dazu fällt mir der Umbau des Karstadtgebäudes am Hermannplatz in Berlin ein. Dort soll das bestehende Parkhaus in ein Hotel umgebaut werden. Dafür werden teilweise ganze Decken herausgerissen, um Doppelgeschossigkeit zu erhalten. Das ist das Tolle, dass man als Architektin oder Architekt seine Kreativität ausleben kann, auch wenn es im Bestand ist: In Teilbereichen eine Doppelgeschossigkeit – auch das kann Teil einer Lösung sein.  [JG] Oder eine Umnutzung wie beispielsweise beim HVB-Tower. Ganz oben im Gebäude befand sich ein Sprinklertank, weil die Pumpen damals noch nicht leistungsfähig genug waren, um das Wasser auf 114 m Höhe zu bringen. Moderne Pumpen schaffen das. So ließ sich diese wertvolle Nutzfläche über den Dächern Münchens aktivieren und eine Skylounge mit Bewirtungsbereich über zwei Geschosse

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einrichten. Ähnliches passiert beim ehemaligen Siemens-Hochhaus. Dort generieren wir in den oberen beiden Technikgeschossen eine neue Hauptnutzfläche. Allerdings ist die Konstruktion so minimiert und unterdimensioniert, dass wir uns entschieden haben, die obersten zwei Geschosse vollständig abzutragen und mit neuer Rohbaustruktur wieder zu errichten. Es gibt also viele Möglichkeiten! Wir stellen uns immer die Frage, wie wir die Gebäude transformieren und in die Zukunft führen können, damit sie noch viele Jahrzehnte fortbestehen können. Bräuchte es nicht auch beim Thema der Arbeitsstättenrichtlinien mehr Flexibilität? Welche Anforderungen an das Büro sind tatsächlich sinnvoll und wie können wir die im Bestand umsetzen?  [MS] Tatsächlich vertragen sich Arbeitsstättenrichtlinien und neue Konzepte des Arbeitens nicht so gut. Wir versuchen proaktiv mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen und ihnen unsere Lösung schmackhaft zu machen. Klar, man kann sich vom Bauherrn beispielsweise von Normgrößen von Bürotischen befreien lassen. Aber letztlich ist unser Bauherr auch für andere verantwortlich, wenn er etwas untervermietet. Wir gehen also mit dem Arbeitsschutz bereits in einer frühen Planungsphase durch das Gebäude, um Kompromisslösungen durchzubekommen.

Austausch der Fassade am HVB-Tower unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes 2013–2015

 [JG] Man muss fairerweise dazu sagen, dass es immer abhängig vom Projekt ist. Baut ein Bauherr für sich selbst, dann ist jemand von der firmeneigenen Arbeitssicherheit im Haus. Komplexer wird es beispielsweise bei Investorenprojekten, bei denen es noch keine Nutzer gibt und deren Arbeitssicherheit erst später dazukommt. Abweichungen von der Arbeitsstättenrichtlinie können für knifflige Bestands­ situationen derzeit auch nur durch von der Fachkraft für Arbeits­ sicherheit formulierte Gefährdungsbeurteilungen erreicht werden. Dies erschwert oder verzögert oftmals den Planungsprozess. Sagen Sie als Architekturbüro, das viel Verwaltungsbau macht, dem Bauherrn direkt: „Tut mir leid, ihr wollt von uns zwar eine spezielle Nutzung, und das können wir auch analysieren und entwerfen, aber eigentlich sinnvoll wäre das und das?“  [JG] Dafür gibt es bei Henn das sogenannte Programming. Vor Beginn eines Projektes werden in intensiven Dialogen mit dem Bauherrn dessen Zielvorstellungen erörtert und hinterfragt. Dabei kann es auch

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vorkommen, dass sich seine Zielvorstellung verändert. In Mach­ barkeitsstudien werden dann die Zielvorstellungen konzeptionell gelöst. Der Umgang mit dem ehemaligen Siemens-Hochhaus ist dafür ein gutes Beispiel. Früher gab es auf einem weitläufigen Areal einen ganzen Siemens Campus, auf dem diverse Funktionen wie Kantine und Konferenzbereiche in anderen Gebäuden unter­ gebracht waren. Der Versuch, diese Funktionen alle ins Hochhaus zu pressen, würde scheitern. Deswegen fügen wir auf dem vorhandenen Grundstück zwei Flachbauten hinzu. Um also das Bestandsgebäude in die Zukunft zu transferieren, müssen wir mit dem Städtebau beginnen. Das Erd­geschoss wird öffentlich zugänglich und steht nicht nur für Wenige zur Verfügung. Das gesamte Quartier wird durch einen Nutzungsmix in der Addition von Neubau und Bestand aufgewertet. Jetzt haben sie aber meist nicht mehr nur den einen Nutzer, sondern es wird wahrscheinlich viele unterschiedliche Nutzer im Siemens-Hochhaus geben. Was bedeutet das für den Innenausbau und die Flexibilität des ­Grundrisses?  [JG] Ja, das war von Anfang an sehr interessant. Wir haben zunächst das Hochhaus analysiert, das eine Bruttogeschossfläche von rund 1750 m2 pro Etage hat und nach Norden mit Blick über die Stadt und nach Süden mit Blick auf die Alpen orientiert ist. Nach vielem

Büroräume im Impact Hub Berlin at CRCLR-House

Abwägen hat sich die Bauherrschaft dazu entschlossen, dass die kleinste Nutzungseinheit im Hochhaus ein ganzes Geschoss sein soll. Man möchte den zukünftigen Mietern also beides bieten: einen tollen Stadtblick und einen tollen Bergblick. In den neuen Flachbauten befindet sich ein ganz anderer Mix, etwa für Start-ups. Möglich sind dort 200 und 400 m2 große Einheiten oder entsprechende CoWorking-Flächen für Kleinstunternehmen. So kommen an einem Standort ganz unterschiedliche Mieter zusammen. Das Gebäude wird also planerisch auf seine Grundstruktur reduziert, und daraus ergeben sich Optionen für die Vermietung. Wie viel Flexibilität will ich als Planender dem Bauherrn erlauben, und wie viel Flexibilität erlaubt uns ein bestehendes Gebäude, weil es einfach so ist, wie es ist? Hängt der Wunsch nach Flexibilität nicht auch damit zusammen, dass sich niemand die Arbeitswelt in den nächsten 50 Jahren vorstellen kann?  [MS] Genau, keiner kann in die Glaskugel schauen und wissen, was in 50 Jahren in diesem Gebäude stattfinden wird. Aber es geht eben darum, dass man wirklich resiliente Strukturen schafft oder erhält. Es gibt Beispiele von noch viel älteren Gebäuden, alten Mälzereien, alten Fabrikgebäuden, bei denen niemand daran gedacht hätte, dass da irgendwann einmal ein Co-Working-Space sein könnte. Und trotzdem haben die Gebäude so eine Strahlkraft und stadträumliche wie architektonische Identität, die sie auch weiterhin erhaltenswert und

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nutzbar macht. Nicht zuletzt weil die robuste Bauweise, hohen Decken und eine Skelettbauweise neue Nutzungen verhältnismäßig einfach möglich machen. Und ich glaube, darum geht es einfach. [JG] Wenn viele Menschen an einem Ort zusammenkommen, brauchen sie eine Infrastruktur und ein lebenswertes Umfeld. Mittlerweile wissen wir, dass Gebäude, die nur für eine einzelne Nutzung konzipiert wurden, nicht wirklich gut dauerhaft funktionieren. Das heißt, das Hochhaus braucht die Stadt?  [JG] Das Hochhaus braucht die Stadt. Und der einzelne Mensch, der in einem Hochhaus arbeitet, hat auch immer mehr Ansprüche. Moderne Bürolandschaften bieten dem Einzelnen ein Maximum an Komfort, damit er oder sie wählen kann, wo und wie Arbeit stattfindet. Es gibt den Wunsch nach Gemeinschaft, der hilft, die Komplexität der modernen Welt zu überblicken. Es braucht nach wie vor physische Orte. Wir sehen aktuell, dass das Lokale im Vergleich zum Globalen wieder wichtiger wird, dass es wieder mehr Gleichgewicht gibt zwischen Globalisierung und lokalen Herangehensweisen. Die Stadt vermittelt dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bürohochhäuser auf dem Land entstehen. In der Stadt aber ist die Fläche begrenzt. Wir sind also gut beraten, wenn wir bestehende Hochhäuser reaktivieren und erhalten.  [MS] Ja, und ich denke auch, bestehende und neue Hochhäuser haben in der Stadt Potenzial als Hybride. Damit meine ich jetzt nicht nur wohnen und arbeiten, sondern auch eine hybride Nutzung einzelner Räume. Es ist ein Unding, dass Räume so viele Stunden am Tag gar nicht genutzt werden. Da kann vielleicht am Abend dann einfach ein Verein rein und ein Treffen veranstalten. Mir ist bewusst, das ist alles komplex zu organisieren. Aber ich glaube, da müssen wir ebenfalls hinkommen, dass ein Gebäude auch leben kann, dass die Nachbarschaft diese Gebäude betreten darf und Bereiche mitnutzen kann. Ein Fitnessstudio vielleicht, das sich am Abend für die Anwohnenden öffnet. Eine Kita für die Nachbarschaft und nicht nur für die Leute, die dort arbeiten. Alles mit dem Ziel, dass es mehr Verzahnung gibt und dass das Hochhaus dabei ein funktionierender Baustein wird. Wenn wir ungestört arbeiten wollen, haben wir mittlerweile Homeoffice und andere Möglichkeiten. Das passiert nicht mehr im Großraumbüro. Man kommt zukünftig mit anderen zusammen, weil dort der persönliche Austausch statt­ findet, der ja wichtig ist. Aber brauche ich dafür ein Bürohochhaus?  [MS] Ja, dafür kommen Leute aus Asien, aus Amerika, die hier für drei, vier Monate arbeiten, und die brauchen einen Arbeitsplatz. Aber in diese Typologie des Bürohochhauses aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, ist es da nicht besonders schwierig, dieses Hybride zu integrieren?  [MS] Warum? Also klar, wenn es sich um ein Single-Tenant-Gebäude handelt, dann schon. Aber ich glaube, das ist ein Auslaufmodell und große Firmen werden sich auch Gedanken darüber machen müssen, wie sie mit ihren Büroflächen umgehen wollen. Und da werden andere Nutzungen einfach Einzug erhalten. Also die Stadt zieht ins Hochhaus?  [MS] Nein, ich glaube nicht, dass die Stadtgesellschaft jetzt in ein solches Hochhaus zieht, bin aber der Meinung, dass es einfach auch eine Möglichkeit ist, Räume doppelt zu nutzen. Und dass eben dort auch noch mehr passiert, zusammen mit der Stadtbevölkerung. [JG] Ich glaube, es gibt nicht die eine Antwort, sondern es ist ein Mix aus allem und es zeigt sich, dass wir immer mehr Mischvarianten haben werden. Das Hochhaus würde ich nicht als Auslaufmodell bezeichnen. Aber wahrscheinlich werden sich Firmen kein Hochhaus mehr als Denkmal setzen. Das hat etwas mit der Identität der Firmen und ihrem Verhältnis zur Gesellschaft, zur Stadt zu tun, das sich stark gewandelt hat. Aber für wen ist das bestehende Hochhaus dann noch identitätsstiftend? Es geht eher um einen Aneignungsprozess und um die architektonische Aufgabe, diesen zu begleiten oder?  [MS] Genau, in Berlin gibt es einige Beispiele dafür. Das Haus der Statistik etwa, oder das Gebäude von ExRotaprint, ein ehemaliges Firmen­

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gebäude, das nun von der Stadtgesellschaft übernommen wurde. Und der Name schwingt ja trotzdem noch mit, die Identität ist ja noch da. Oder in Hannover das Pelikan-Gelände. Es gibt zahlreiche solcher Namen, die trotz mittlerweile anderer Nutzung mitgeführt werden. Insofern finde ich das eigentlich ganz spannend. Die Frage ist generell, wie offen sind diese Strukturen? Die Öffnung des Hochhauses gegenüber der Stadt bedeutet eine teilweise funktionale Umwidmung und wahrscheinlich auch bauliche Veränderung am Objekt. Das ist für die Denkmalpflege erstmal eine Herausforderung. Aber eine Öffnung kommt der Nachhaltigkeit zugute und dient der längerfristigen Nutzung dieser Objekte.  [JG] Ziel wäre doch ein Areal, das wirklich von allen durchquert werden kann, ohne Sicherheitsbarrieren. Ein belebtes Erdgeschoss mit Läden, Kita, Restaurant, Cafeteria und so weiter. Diese Komponenten sind auch in der Hochhausstudie München enthalten und sind damit politische Vorgaben.1 Das macht aus meiner Sicht absolut Sinn. Vielleicht können wir aber zusätzlich noch das ein oder andere Geschoss für die Öffentlichkeit zugänglich machen, damit auch die Öffentlichkeit den Ausblick genießen kann.

Andreas Putz und Hanne Rung im Gespräch mit Margit Sichrovsky und Joachim Grund

 [MS] Aus welchen Gründen wird ein Gebäude gebaut? Es hat eine Funktion. Und wenn wir einem Gebäude nun auch denkmalpflegerisch einen Wert zusprechen, dann ist das ein Bekenntnis dazu, dass wir es erhalten und in die Zukunft transferieren wollen. Damit das auch gelingt, muss es genutzt werden, muss es leben. Wo es zu große Barrieren gibt und dadurch das Leben verloren geht, stirbt das Gebäude. Das ist oft eine Gratwanderung und die müssen wir im Dialog gemeinsam gehen. Sehr geehrte Frau Sichrovsky, sehr geehrter Herr Grund, wir danken Ihnen für das Gespräch!

1 Entsprechend dem vom Münchner Stadtrat im Juni 2023 beschlossenen finalen ­Entwurf der Hochhausstudie 2023 müssen Hochhäuser in München zukünftig im Erd- und Obergeschoss öffentlich zugänglich sein. Außerdem müssen künftige Hochhäuser klimaneutral, langlebig und flexibel in der Nutzung sein. Das Fachgutachten, erstellt von 03 Arch, ist online zugänglich unter: https://risi.muenchen.de/risi/dokument/v/7712577 (abgerufen: 15.06.2023)

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Es fängt immer mit dem Bestand an

Prozesse zur ­Erhaltung des ­Bestands Andreas Putz

Jedes erhaltenswerte Bauwerk ist für die Baudenkmalpflege ein ­individueller Fall. Jedes spezifische Vorgehen muss daher auch ­immer erst aus der Auseinandersetzung mit dem Objekt selbst ent­ wickelt werden. Angesichts der überwältigenden Masse der baulichen ­Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts stehen wir jedoch vor der Herausforderung, grundlegende Methodiken zu entwickeln, die sich auf den Einzelfall übertragen lassen. Hierzu eine kleine ­Anleitung.

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Prozesse zur E ­ rhaltung des B ­ estands

Mehr als jedes fünfte Bürohochhaus, das in Deutschland in den 1950er- bis 1980er-Jahren gebaut wurde, steht heute unter Denkmalschutz. Dies ist für den Baubestand der Moderne außergewöhnlich. Unterscheidet sich aber der Umgang mit diesen Objekten grundsätzlich vom Umgang mit jenen, die nicht oder noch nicht als schützenswert angesehen werden? Können wir umgekehrt aus dem Umgang mit den besonders schützenswerten Objekt lernen für eine allgemeine Baukultur der Erhaltung? Bei drei der fünf in dieser Publikation detailliert vorgestellten Beispielen sind teils wesentliche bauliche Veränderungen erfolgt, alle fünf waren und sind Baudenkmäler. Die jeweiligen Ansätze und Lösungen sind sehr verschieden und ergeben sich aus unterschiedlichen Umständen, Bedingungen, Möglichkeiten und Intentionen. Es gehört zu den seit langem etablierten Grundsätzen der Baudenkmalpflege, dass jedes Bauwerk, das wir erhalten wollen, ein ganz eigener, individueller Fall ist. Das heißt, dass das spezifische Vorgehen immer erst aus der Auseinandersetzung mit dem Objekt selbst entwickelt werden muss. Ansätze und Lösungen, die sich einmal als gut erwiesen haben, müssen beim nächsten Mal nicht unbedingt sinnvoll sein. Angesichts der überwältigenden Masse an baulichen Hinterlassenschaften des letzten Jahrhunderts stehen wir jedoch vor der Herausforderung, grundlegende Methodiken zu entwickeln, die sich übertragen lassen. DAS SPIEL BEGINNT IMMER WIEDER VON VORN Bauvorhaben im Bestand – ob baudenkmalpflegerisch oder nicht – sind nie einfach linear wie die Planungsmodelle, die in Zeiten des Baubooms für den Neubau entwickelt wurden und die weiterhin unsere allgemeine Vorstellung vom Bauen bestimmen. Der übliche Fall ist leider meist wie folgt: Ein (neuer) Eigentümer hat eine bestimmte, aber baulich unpräzise Nutzungsidee. Diese soll Gewinn abwerfen und sich bestenfalls im Bestand realisieren lassen. Zu erfüllen sind alle aktuellen Richtlinien und Standards, die für Neubauten ent­ wickelt wurden. Der Planungsauftrag beinhaltet neben der architektonischen Umsetzung der Nutzungsidee die Feststellung, was alles am Bestand man­ gelhaft und schadhaft ist. Ergebnis ist meist, dass heutige Baunormen nicht eingehalten werden, besonders hinsichtlich Gebäudehülle und Energieverbrauch. Da Planerinnen und Bauherren erfahren genug sind, werden die Vertreterinnen und Vertreter der Amtsdenkmalpflege frühzeitig eingeladen um die jeweiligen Probleme des Bestands prägnant zu präsentieren. Notfalls wird der erwünschte Spielraum für den Eingriff, der im Grundsatz einer Neubauplanung entspricht, durch weitere Gutachten möglichst weit abgesteckt. Man braucht ja schließlich Planungsfreiraum! Am Ende wird nach den Maßstäben eines Neubauprojekts eine Planung zur Genehmigung vorgelegt. Diese führt zu Gunsten der neuen Idee und der neuen Anforderungen einen nicht unerheblichen Verlust an baulicher Substanz und architektonischer Qualität. Die vorgelegte Planung erlaubt kaum ein denkmalpflegerisches Abwägen, denn Varianten sind nicht vorgesehen. Ausgehandelt wird vielmehr ein Kompromiss. Die eigentliche Werk- und Detailplanung im Bestand beginnt nach der Genehmigung. Vielfach erfolgen daraufhin, teils als Auflagen durch die Ämter, detailliertere Untersuchungen – manche sogar erst während der Ausführung. Die Möglichkeiten, die Planung an die bauliche Realität anzupassen, sind zu diesem Zeitpunkt jedoch beschränkt, ebenso die Möglichkeiten, Bauteile wiederzuverwenden, deren Ersatz die Planung und Ausschreibung bereits vorsahen. Schließlich wird das Projekt abgeschlossen, mit etwas Verzögerung vielleicht. Man hat das „bestmögliche“ Ergebnis erzielt. Nach Ablauf der Gewährleistungen geraten Planung und Untersuchungsergebnisse in Vergessenheit. Anderthalb oder zwei Jahrzehnte später hat der (oft neue) Eigentümer eine neue Nutzungsidee, und das Spiel beginnt von vorn. DAS VORHANDENE BAUWERK ALS AUSGANGSPUNKT DER PLANUNG Warum aber entsteht auf diese Weise keine (Um-)Baukultur? Weil wir zumeist Neubauplanung im Bestand betreiben statt Bauerhaltung. Gegenüber der Neubauplanung unterscheidet sich die Bauerhaltung grundsätzlich dadurch, dass sie von dem gegebenen Bauwerk auszugehen hat. Dieses gilt es, (durchaus kritisch) zu untersuchen, zu erfassen und zu bewerten. So lassen sich daraus Nutzungen sowie verträgliche und notwendige bauliche Eingriffe ableiten. Gemäß Bruno Reichlin geht jeder Erhaltung folgende Frage voran: „Wie erkennt man in einem Objekt [...] dessen Berufung oder besser das Bündel an verträglichen Zweckbestimmungen?“1 Nicht alles kann und nicht alles sollte im vorhandenen Bestand realisiert werden. Aber selbst da, wo die Nutzungen im Wesentlichen gleichbleiben, sind bauliche Anpassungen und Verän­ derungen häufig unumgänglich. Einerseits, weil sich die Anforderungen, die von außen an die vorhandene Bausubstanz gestellt werden, über die Jahre verändert haben. Andererseits, weil die vorhandenen Bauteile und Baustoffe in die Jahre gekommen sind.

85

Andreas Putz

Reparaturen und Instandsetzungen sind immer notwendig. Bauerhaltung bedeutet eben nicht, dass gar nichts passieren darf. Es geht um einen sinnvollen, angemessenen Umgang mit dem Bestand, immer auch mit Blick auf die ­gegebenen Umstände und Nutzungen. Im besten Fall ist dieser Umgang aber auf einen langfristigen Erhalt angelegt, auf kontinuierliche Wartung und ­Pflege, nicht auf eine Folge tief eingreifender Projekte in immer kürzer werdenden Abständen. Das Instrument, das einer solchen Baukultur des Erhaltens zugrunde liegt, wird international als „Conservation Management Plan“ (CMP) bezeichnet.2 Dieses Instrument, das auf Deutsch etwas ungenau als Erhaltungs- oder Pflegeplan bezeichnet werden kann, wurde für die langfristige Erhaltung von Kulturerbestätten entwickelt, ist aber grundsätzlich auf jeden erhaltenswerten Baubestand übertragbar. Es umfasst mehr als nur eine denkmalpflegerische Bewertung oder einen Bindungsplan. Im einfachsten Fall ist es ein Dokument, in dem dargelegt wird, was an einem Bauwerk von Bedeutung ist und welche Maßnahmen folglich geeignet sind, um diese Werte und Qualitäten bei der künftigen Nutzung und Entwicklung zu erhalten. Es geht dabei um die Bewältigung von Veränderungen – auch von solchen, die noch nicht absehbar sind. Das jeweilige Objekt wird zu einem gewissen Grad unabhängig von neuen Ideen und äußeren Ansprüchen betrachtet. Stattdessen wird klargestellt, was das jeweilige Bauwerk tatsächlich kann und was nicht. Was dafür notwendig ist, um diese Fähigkeiten nachhaltig zu erhalten – und welche Grenzen der Bestand möglichen zukünftigen Veränderungen setzt. Aus einem Gebrauchtwagen kann man eben keinen Formel-1-Boliden machen. Ein Conservation Management Plan reduziert für Bauherren und Gebäudeeigentümer die finanziellen Risiken, die sich aus der ungenauen Kenntnis des historischen Objekts ergeben. Planerinnen wie Denkmalbehörden gibt er Sicherheit, legt er doch frühzeitig und langfristig den Rahmen fest, innerhalb dessen bauliche Maßnahmen möglich und sinnvoll sind. EIN ITERATIVER LERNPROZESS Bauliche Veränderungen und Anpassungen werden immer wieder notwendig sein, nur haben sie vom Bauwerk auszugehen und sind primär als Maß­ nahmen der Bauerhaltung zu verstehen. In Anlehnung an DIN 31051:2019-06 Grundlagen der Instandhaltung werden darunter die Inspektion und das Monitoring, die Wartung, die Instandsetzung sowie die ­Verbesserung und Ertüchtigung verstanden. Grundsätzlich handelt es sich dabei nicht um einma­ lige Projekte auf Zeit, sondern um eine langfristige, wiederholte Begleitung des Bestehenden. Wie ein betagter Mensch muss das Bauwerk immer wieder neu gestützt und umsorgt werden. Es geht hier um iterative Prozesse der Untersuchung, Bewertung und des angemessenen Eingreifens. Baukultur ist Sorge tragen, Verantwortung und Pflege. Die einzelnen Phasen der Bauerhaltung beginnen am Bauwerk mit der Ermittlung, Darstellung und Beurteilung des Istzustandes des Ganzen und seiner Bauteile. Die Bestandsanalyse beinhaltet insbesondere Untersuchungen zur Ermittlung der Umgebungs- und Nutzungsbedingungen sowie der Bauteil- und Baustoffeigenschaften. Auch längerfristige bauklimatische Messungen im Bauwerk und darauf aufbauende thermische Simulationen sind erforderlich. Zur Erfassung des Istzustands gehört zudem die Auseinander­ setzung mit der Bau- und Umbaugeschichte des Bauwerks: Wann und wie wurde es errichtet? Welche späteren Umbauten und Veränderungen gab es? Wie hat sich die städtebauliche Situation verändert? Welche vorangegangenen Instandsetzungsmaßnahmen gab es und warum? Was ist die aktuelle Nutzung? Wurde das Bauwerk in der Vergangenheit umgenutzt und kam es dabei zu baulichen Veränderungen? Unbedingt zu sichten sind verfügbare Werkund Ausführungspläne, Dokumentationen – aber sie sind auch am Bauwerk selbst zu überprüfen. Zwingend ist ein aktualisiertes Bauaufmaß, sinnvoll ist ein Raumbuch. Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen und bauphysi­ kalische sowie baustatische Messungen am Bauwerk erforderlich. Stellt man bauliche ­Schäden fest, muss man diese für das gesamte Gebäude kartieren und deren mögliche Ursachen ermitteln. Außerdem ist der vorhandene bauliche Zustand in Hinblick auf heutige Normen zu bewerten. Man sollte aber beachten, dass eine solche Bewertung (egal ob bei der Statik, Bauklimatik oder dem Brandschutz) immer stark von den jeweiligen Nutzungsanforderungen abhängt. Hier gibt es Spielräume, die auch im Sinne des Bestands genutzt werden können. Und zwar dann, wenn sachkundige und engagierte Planerinnen und Planer beauftragt werden. Auf Grundlage der Voruntersuchungen, der Kenntnis des Bauwerks und der Bewertung in Abstimmung mit dem Auftraggeber ist anstelle eines Idealzustands, also des heutigen Neubaustandards, ein Mindest-Sollzustand festzulegen. Der Mindest-Sollzustand ergibt sich aus den Anforderungen an Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit, Verkehrssicherheit, Brandschutz, Nachhaltigkeit und Denkmalschutz. Für die absehbare Zukunft – Ingenieurinnen und Ingenieure

86

Prozesse zur E ­ rhaltung des B ­ estands

Conservation Management Plan Der sich wiederholende Prozess r­ egelmäßiger Bauwerkserhaltung geht vom Bestand aus. Grundlage von Planung und baulichem Handeln sind Verstehen und Bewerten des Vorhandenen. Im besten Fall kann immer wieder auf früheren Doku­mentationen aufgebaut werden. ­Dieses Wissen sollte langfristig ­archiviert, zugänglich und weiter­verwendbar sein. In einem Conservation Management Plan wird festgehalten, was an einem Bauwerk von Bedeutung ist und ­welche Maßnahmen folglich geeignet sind, um diese Werte und Qualitäten bei der künftigen Nutzung und ­Entwicklung zu erhalten. Das Dokument ist gleichzeitig Dokumentation und Planungsgrundlage und wird über die Lebensdauer des Gebäudes fortgeschrieben.

Bestandserhaltung als Prozess im Conservation Management Plan

Werkplanung und ­Ausführung

Erhaltungsplanung

Detailuntersuchungen Bestand, Abstimmung Prioritäten, Ressourcen, Zeitplan, Planung von Instand­ haltung, Instandsetzung und Reparatur, Ertüch­ tigungen, Anpassungen und Veränderungen

Erfassen und ­Dokumentation Bestand und Istzustand Bauaufnahmen, ­Archivrecherche, Bauuntersuchungen am Objekt, Bau- und Umbaugeschichte, Energieverbrauch und Gebäudeklima, Umgebungs- und Nutzungsbedingungen

Projektdokumentation

Bewerten des Mehrwerts des Bestands Architektonische ­Qualitäten, historische Bedeutung, Nachhaltigkeit, Dauer­ haftigkeit, Robustheit, (Weiter-)Nutzungs­ potenziale, städtebauliche ­Bedeutung u. a. m.

Varianten und Optionen, Detailuntersuchungen Bestand, Kommunikation, ­Partizipation und Abstimmung mit Auftraggebern, Behörden, ­weiteren Stakeholdern und Öffentlichkeit

Monitoring und ­Überprüfung

findbar, zugänglich, interoperabel, wiederverwendbar

Festlegen Mindest-­ Sollzustand

Bestand

Erhaltungskonzept

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Optionen offenhalten: Versuche, Mock-Ups, Werkplanung in stetiger Rücksprache mit Aus­ führenden, Vor-Ort-­ Abstimmung, laufende Anpassungen auf Grundlage Konzept

zeitliche Perspektive und langfristige Prognose, Identifikation von Anforderungen und aktuellen Baunormen, aktuelle und zukünftige Nutzung

Wartung und Pflege Vergleich Istzustand und Mindest-Sollzustand Schwachstellen und ­Risikobewertung, Bestimmung der ­Herausforderungen, differenzierte Betrachtung, Bauteile, Handlungsempfehlungen

Pflegeplan als Grundlage des Facility Management, Dokumentationspflicht, Information und Beteiligung der Nutzer

langfristige, regel­mäßige Kontrolle der Maßnahmen, laufende Aktualisierung der Objektdokumentation, Anpassung des Erhaltungskonzepts, öffentliche Vermittlung und Zugänglichkeit

sprechen hier von der Restnutzungsdauer – sollte dieser Mindest-Sollzustand nicht unterschritten werden, wobei dauerhafte Wartung und Pflege zu berücksichtigen sind. Aus dem Vergleich von Istzustand und Mindest-Sollzustand ergibt sich der Umfang notwendiger und wünschenswerter Maßnahmen. Diese fasst man im Rahmen eines Erhaltungskonzeptes mit gegebenenfalls mehreren Varianten zusammen. Darin sind die jeweiligen Vor- und Nachteile gegenübergestellt und erörtert. Dem Auftraggeber soll schließlich eine technisch und wirtschaftlich begründete Lösung angeboten werden. Auf Grundlage des Konzepts sind gegebenenfalls weitere Untersuchungen am Bauwerk und Änderungen notwendig. Schließlich erfolgt unter Beteiligung von Behörden und weiteren Fachexpertinnen und -experten die Festlegung des konkretisierten Projektziels. Die Erstellung der Erhaltungsplanung umfasst die Reparatur und Instandhaltung einzelner Bauteile, unter Umständen auch die Ertüchtigung einzelner Gebäudeteile und die Weiterentwicklung des Bestands innerhalb dessen, was sinnvoll ist. Die Planung muss dabei offen genug sein, um auf unerwartete Befunde und neue Erkenntnisse während der Ausführung reagieren zu können. Mit deren Ende ist der Prozess aber nicht abgeschlossen. Eine angemessene Wartung und Pflege des Bauwerks und seiner Bestandteile sind notwendig und bereits im Rahmen der Erhaltungsplanung zu berücksich­tigen, ebenso wie ein regelmäßiges, strukturiertes Monitoring. Die erfolgten Maßnahmen sind zu dokumentieren, und Unterlagen müssen langfristig g ­ espeichert und zugänglich sein, so dass das erworbene Wissen um den Bestand nicht verloren geht. Wenn wir es ernst meinen mit einer neuen (Um-)Baukultur, dann müssen wir über die Prozesse sprechen, die zu der einen oder anderen Lösung im ­Bestand geführt haben. Es hilft nicht, sich nur die Ergebnisse anzusehen. Dies erfordert mitunter einen Wandel der Architekturkommunikation und -vermittlung, gibt es doch nicht immer nur „einen“ erfolgversprechenden Weg, „ein“ sinnvolles Resultat. Varianten und Alternativen sind mit Auftraggebern und der Öffentlichkeit zu diskutieren.3 Das bedeutet durchaus einen planerischen Mehraufwand. Oftmals zeigt sich die wirklich beste Lösung erst im Laufe des Vorhabens. Um die sich bietenden Möglichkeiten und Potenziale des Bestands sinnvoll zu nutzen, braucht es Offenheit seitens der Planerinnen und Planer, Auftraggeber und Behörden sowie die Flexibilität, notfalls einmal gefasste Pläne zu ändern. Der Umgang mit dem Bauwerk entspricht einem permanenten, iterativen Lernprozess.

1

2

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 eichlin, Bruno: Überlegungen R Online: https://australia.icomos. zur Erhaltung des architektoniorg/wp-content/uploads/Theschen Erbes des 20. JahrhunConservation-Plan-7th-Editionderts. In: Feiersinger, Elise /Vass, reduced-file-size.pdf [Abruf­ Andreas /Veit, Susanne (Hg.). datum 15. August 2023]. Bestand der Moderne. ­Zürich 3 Siehe beispielsweise: Graf, 2012, S. 30–39, hier S. 32. Franz /Marion, Giulia (Hg.): La Kerr, James Semple: „ConservaCité du Lignon 1963–1971. Etude tion Plan, the 7th edition: A guide architecturale et stratégies d’into the preparation of conservatervention, ­Gollion 2012 oder tion plans for places of European Galbiati, Giuseppe/ Graf, Franz / cultural significance.“ ICOMOS Marino, Giulia/Medici, Fortunato: Australia 2013. “­Methodology for energy retro-

Prozesse zur E ­ rhaltung des B ­ estands

fitting of Modern Architec­ture. The case study of the ­Olivetti office building in the UNESCO site of Ivrea.” In: Journal of ­Building Engineering (44), 2021. Online: https://doi.org/ 10.1016/j.jobe.2021.103378

Projekte

93  Plärrerhochhaus/

EWAG-Hochhaus, Nürnberg

Ansicht von Osten

105  Commerzbank-Hochhaus/

Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

Ansicht von Nord-Ost

131 Hahn-Hochhaus/ City-Tower, Stuttgart

143 Dorlandhaus/ Haus der ­Werbung, Berlin

117 Schweizer ­National-Haus/ NM1, Frankfurt am Main

Die Projektauswahl zeigt die mögliche Bandbreite im Umgang mit denkmalgeschützten Bürohochhäusern der 1950er- und 1960er-­ Jahre in den vergangenen Jahren in Deutschland. Die Verteilung der Objekte (Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt am Main, Nürnberg, Berlin) erlaubt die Berücksichtigung unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen in den jeweiligen Bundesländern. Mit NordrheinWestfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Bayern und Berlin wurden bewusst Bundes­länder ausgewählt, in denen auch statistisch mit ­Abstand die meisten Bürohochhäuser in der Nachkriegszeit gebaut worden sind. Alle ­Objekte befinden sich in deutschen Großstädten jeweils in innerstädtischer Bestlage. Städtebaulich unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres Standorts. Sie liegen an Stadtautobahnen bzw. ausgebauten Schnellstraßen, eingebunden in Blockrandbebauungen oder an städte­bau­lichen Torsituationen und Plätzen. Der Umgang mit diesen Objekten reicht von der Umnutzung mit weitreichenden Eingriffen in die Bausubstanz bis hin zum Erhalt der bauzeitlichen Nutzung, wobei dies unter fast vollständigem Ersatz der Baustruktur oder weitgehender Weiternutzung des Vorhandenen erfolgen kann. Unter den sogenannten sanften Faktoren sind die unterschiedlichen Besitz- und Nutzerverhältnisse hervorzuheben. Auch hier zeigen die ausgewählten Projekte eine hohe Varianz – vom mehrfach verkauften Investitionsprojekt in Stuttgart über ein im Familienbesitz betriebenes Multi-Tenant-Gebäude in Berlin bis zu einer Komplettsanierung samt Nutzungsänderung von Büro zu Hotel in Düsseldorf im Sinne einer klassischen Projektentwicklung.

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Projekte

Dorlandhaus/ Haus der ­Werbung, Berlin Commerzbank-Hochhaus/ Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

Schweizer National-­ Haus/NM1, Frankfurt am Main

91

Projekte

Hahn-Hochhaus/ City-Tower, Stuttgart

Plärrerhochhaus/

EWAG-Hochhaus, Nürnberg

1953

2020

Plärrerhochhaus/ EWAG-Hochhaus BAUJAHR ARCHITEKT SANIERUNG ARCHITEKT DENKMAL HÖHE

1953 Wilhelm Schlegtendal Kernsanierung 2016–2019 Fassade 2018 Knerer Lang 1988 56 m

SCHNITT (1953) M 1:500

Nürnberg 93

STÄDTEBAU Im Zuge der Planungen zur „Neu­ gestaltung der Stadt der Reichsparteitage“ ab 1939 sollte die Ver­ kehrsdreh­scheibe am Plärrer in einen würdigen Vorraum der Altstadt ­umgestaltet werden, dabei war bereits ein Hochhausbau vorgesehen. Bis zum Bau der Bundesstraße 4 R und der U-Bahn trafen am Plärrer vier Bundesstraßen sowie sechs Linien der Nürnberg-Fürther Straßenbahn aufeinander. Die Zerstörungen durch die Luftangriffe im April 1945 wurden schließlich zum Anlass genommen, den Platz unter Berücksichtigung des gestiegenen Verkehrsaufkommens

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Projekte

neu zu gestalten. Der frühere Stadtbaurat Wilhelm Schlegtendal war 1952 als Architekt für das Verwaltungsgebäude der Städtischen Werke Nürnberg verantwortlich, heute N-ERGIE Aktiengesellschaft, die das Gebäude nach wie vor besitzt und nutzt. Mit seinen 56 m und 15 Ober­ geschossen war der Stahlskelettbau lange Zeit das höchste Gebäude Bayerns und ein Symbol für den ­Wiederaufbau Nürnbergs. Das Hochhaus mit seiner 2- bis 4-geschos­sigen Sockelbebauung entlang der Südlichen Fürther Straße wurde immer wieder teilsaniert und steht seit 1988 als Einzelbaudenkmal unter Schutz.

ARCHITEKTUR Das Erscheinungsbild des Rasterbaus wird geprägt durch den farbig behandelten Sichtbeton, der – zusammen mit dem Kunststein der Brüstungs- und Eckfelder – auf den Farbcharakter der Nürnberger Altstadt abgestimmt ist. Das Gebäude verjüngt sich ab dem 5. Obergeschoss nach oben um insgesamt zirka 10 cm auf jeder Seite. Den oberen Abschluss markiert die asymme­ trisch zurückgesetzte Laterne mit ihrem geschwungenen Dach, die bis heute eine Kantine beherbergt.

95

Plärrerhochhaus/EWAG-Hochhaus, Nürnberg

Ursprünglich waren im Hochhaus neben Büroräumen auch Werkstätten untergebracht, die im Laufe der Zeit den veränderten Arbeitsanforderungen gewichen sind. Die Erschließung erfolgt vom großzügigen Foyer im Erdgeschoss aus über drei Aufzüge und eine ­imposant geschwungene, ins 1. Ober­ geschoss führende Treppe. Von dort aus gelangte man über ein innen liegendes Treppenhaus in die oberen Stockwerke.

GRUNDRISSE Maßstab 1:500

6. OBERGESCHOSS Bestand

6. OBERGESCHOSS Sanierung

ERDGESCHOSS Bestand

ERDGESCHOSS Sanierung

96

Projekte

97

Plärrerhochhaus/EWAG-Hochhaus, Nürnberg

SANIERUNG

Im Rahmen der Kernsanierung des Gebäudes ließ das Architekturbüro Knerer Lang in den Jahren 2016 bis 2018 einen außen liegenden Fluchttreppenturm ­ergänzen. Aus Brand­ schutz­gründen erfolgte eine Betonsanierung und Ertüchtigung der Betondecken. Zudem wurden neue Außendämmungen angebracht, die Dachflächen ausgebessert, Photovoltaikanlagen installiert und neue Fenster mit Schwing­flügeln eingebaut. Prozess- und versorgungstechnische Infrastrukturen wie Aufzüge, Heizung oder elektrische Einrich­ tungen wurden erneuert und Heizund Kühldecken installiert.

REGELGESCHOSS Bestand

REGELGESCHOSS Sanierung

 Nutzfläche  Verkehrsfläche

98

Projekte

Anzahl Geschosse gesamt Anzahl Regelgeschosse (Büros) Anzahl Geschosse Foyer Anzahl Geschosse (sonstige) Raumtiefe Büro Breite Flur Lichte Raumhöhe Geschosshöhe

17 13 2 2 5,05 m 1,49 m 2,68 m 3,12 m

Fassade Fassadenraster Fassadenbreite × -länge

1,7 m 21,6 × 35,2 m

Nutzflächen ­Regelgeschoss Hauptnutzfläche gesamt Nebennutzfläche gesamt Verkehrsfläche gesamt

5733 m2 676 m2 2288 m2

Nach Umbau Hauptnutzfläche gesamt Nebennutzfläche gesamt Verkehrsfläche gesamt

5473 m2 676 m2 2691 m2

Sonstiges Anzahl Verkauf Anzahl Sanierung Anzahl Mieter bauzeitlich Anzahl Mieter heute

0 1 1 1

FASSADE BESTAND Stahlbetongerippe in Sichtbeton (Achsraster 1,70 m), zum Dachabschluss leicht verjüngend. Brüstungen mit Bimsstein ausgemauert und mit hellen, ockergelben Betonwerksteinplatten auf Holzwolle-Leichtbau­ platten (Heraklith) verkleidet. Holzverbundfenster als  Hebe­schwing­­flügel mit innen liegenden Lamellenstores, Einscheiben-Verglasung

Plär

1:20

1 Ab SCHNITT M 1:20 1 Abhangdecke Gips­ 5 Kunststeinplatte 70 mm, Heraklith 20 mm, karton 10 mm Bimsstein 250 mm 2 Wannenreflektoren für Putz 20 mm, Leuchtstäbe Heizkörper 3 Holzverbund-­ 6 Bodenbelag SpachtelSchwingfenster in kunststoff und Natur­Einfachverglasung, stein, innen liegende SonnenEstrich, stores Stahlbetondecke 4 Fenstersimsplatte 400 mm Kunststein 60 mm

1

2H

2

Inne

3 Fe

4 Ku

Her

Bim

3

Putz

Heiz

6 Bo

Estr

Stah

4

5

6

Plärrer-Hochhaus, Nürnberg

100

1952 - 54

Projekte Zustand vor Sanierung

FASSADE SANIERUNG Stahlbetongerippe mit Brüstungen aus Bimsstein ausgefacht, Wärmedämmverbundsystem aus Mineralwolle rotbraun verputzt und mit ­hellen, ockergelben Betonwerksteinplatten verkleidet; Stahlverbund­ fenster als Schwingflügel mit inte­ griertem Sonnenschutz, Drei­ scheiben-Isolierverglasung mit Ein­scheibenverglasung des Revisionsflügels 1

2

SCHNITT M 1:20 1 Kunststeinplatte ­Terrazzo 30 mm, Unterkonstruktion (­Luftschicht) 55 mm, Dübelbefestigung, ­Hart-Kunststoff als ­Zwischenlage, Dämmung Mineralwolle 100 mm, Kunststein 70 mm, Heraklith 20 mm, Bimsstein 250 mm 2 Putz 7 mm, Dämmung Mineralwolle 140 mm

3

3 Abhangdecke 4 Schwingfenster: ­Stahlrahmen in 3-fach Isolierverglasung mit zusätzlich äußerer ­Einfachverglasung, innen liegender ­Sonnenschutz 5 Fenstersimsplatte 6 Bodenbelag Estrich, Stahlbetondecke 400 mm

4

5

6

Plärrer-Hochhaus, Nürnberg 2016 - 18

101

Plärrerhochhaus/EWAG-Hochhaus, Nürnberg Zustand nach Sanierung

BAUPHYSIK – ENERGIE – BEHAGLICHKEIT  Die Regelgeschosse des Plärrerhochhauses in Nürnberg besitzen eine Lochfassade, das oberste, zurückversetzte Geschoss mit seinem „fliegenden“ Dach, einer filigranen, auskragenden Konstruktion, ist hingegen zu großen Teilen verglast. Wie bei anderen Bauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren verfügte das Gebäude in seinem ursprünglichen Zustand über einen geringen Wärme- und Feuchteschutz. Die bauzeitlichen Verbundfenster aus Holz, damals auch im Wohnungsbau üblich, zeigen ein typisches Verhalten an kalten Wintertagen: Es entsteht häufiger Tau­ wasser im Scheibenzwischenraum, als es bei damals ebenfalls noch üblichen Kastenfenstern aus Holz mit einem wesentlich größeren Luftvolumen zwischen den Scheiben der Fall ist. Das komplette Verbundfenster lässt sich mit einem Griff öffnen und in Kippstellung bringen. Aufgrund dieser bekannten Tauwasserprobleme wurde meist eine Sammelschiene im Fensterbrett angebracht, aus der die Nutzerinnen und Nutzer das Tauwasser an kalten Wintertagen regelmäßig abwischen mussten. Da bei Büronutzungen jedoch geringere Feuchten vorliegen, kann man davon ausgehen, dass der Aufwand diesbezüglich eher überschaubar war. Zugehörige Berechnungen bestätigen diese Annahme (Abb. 1).

Abb. 1 Wärmebrückenberechnungen an der jeweils ungünstigsten Stelle bei 50 %, 40 %, 30 % r.F. (relative Feuchte), keine Bereiche mit Tauwasserausfall (rot) an den Innenseiten der Fensterscheiben, sondern nur im Scheibenzwischenraum (nicht dargestellt), Bereiche mit r.F < 80 % (grün) und Bereiche mit r.F. > 80 % ohne Tauwasserausfall (orange)

Im Zuge der Modernisierung von 2016 bis 2019 wurden zusätzliche Wärmedämmungen außenseitig an den opaken Fassadenelementen angebracht. Die Fassade ließ sich dabei so ertüchtigen, dass die aktuellen normativen Anforderungen erfüllt wurden und das Erscheinungsbild des Denkmals erhalten blieb. Ausgehend von U-Werten der opaken Fassade von etwa 1,5 W/(m²K) im Bereich der Geschossdecke und von etwa 0,75 W/(m²K) im Bereich der Ausfachungen mit einer Holzwolle-Dämmschicht wurden im modernisierten Zustand durchgängig 0,23 W/(m²K) erreicht. Zudem erfolgten die Maßnahmen so, dass eine durchgängige äußere Dämmebene entstand, die sowohl energetisch als auch im Sinne des Feuchteschutzes eine deutliche Verbesserung darstellt. Besonders anspruchsvoll ist es bei solchen denkmalgeschützten Objekten, gestaltprägende Details wie beispielsweise das auskragende filigrane Dach des obersten Geschosses zu ertüchtigen. Hier wäre eine deutliche Überdämmung des Dachs bis zum Dachrand aus bauphysikalischer Sicht erstrebenswert gewesen, wobei aber der besondere schwebende Eindruck des Dachs verloren gegangen wäre. In diesen individuell sehr unterschiedlichen Fällen bietet es sich an, Schritt für Schritt zu versuchen, die technische Machbarkeit durch viele Varianten mittels Wärmebrückenberechnungen auszuloten und mit den Vor­ gaben des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei eine realistische Annahme der je nach Nutzung vorherrschenden relativen Feuchte und Temperatur im Innenraum. Während bei Büronutzungen Probleme mit zu hohen Feuchten eher unwahrscheinlich sind, können bei einer dauerhaften Nutzung beispielsweise als Restaurant eventuell sogar größere Feuchtelasten entstehen als normativ festgelegt.

102

Projekte

Die neuen Dreischeibenfenster wurden in die Dämmebene gesetzt, was ebenfalls zur Minimierung der Wärmebrückeneffekte beiträgt (Abb. 2). Je nach Leistungsfähigkeit der Tragstruktur ist bei solchen Modernisierungen jedoch darauf zu achten, dass die schwereren Fenster mit den zugehörigen Profilen keine statischen Probleme bereiten. Zudem sollten Belichtungssimulationen durchgeführt werden, da moderne Dreifachverglasungen meist etwas gerin­ gere Tageslichttransmissionsgrade aufweisen als unbeschichtete Zweischeibenverglasungen.

Abb. 2 Prinzipdarstellung der Fassadenmodernisierung mit Darstellung der Dämmungen im Bereich der Stahlbetonelemente (grün) und im Bereich der Außenwände (blau).

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Plärrerhochhaus/EWAG-Hochhaus, Nürnberg

1963

2020

Commerzbank­Hochhaus/Hotel Ruby Luna BAUJAHR ARCHITEKT SANIERUNG ARCHITEKT DENKMAL HÖHE

1959–1962 Paul Schneider von Esleben 2018–2020 HPP Architekten 1998 46 m

SCHNITT (1963) M 1:500

Düsseldorf 105

STÄDTEBAU

Im gründerzeitlichen Bankenviertel Düsseldorfs hatte die Commerzbank bereits ihren Deutschland-Hauptsitz an der Breite Straße. Ende der 1950er-Jahre entwarf Paul Schneider von Esleben für das wachsende ­Unternehmen ein zusätzliches Verwaltungshochhaus, das dem Stamm­ sitz rückwärtig gegenübergestellt wurde. Die trennende Kasernenstraße sollte zunächst durch eine Unter­ führung überwunden werden – aufgrund der Planung einer U-BahnRöhre entschied der Bauherr sich aber für eine geschlossene Fußgängerbrücke.

Die abgehängte Brückenkonstruktion, die den alten Firmensitz mit dem neuen Bau verbindet, wird über einen angrenzenden Treppenhausturm auf Höhe des zweiten Obergeschosses erschlossen. Städtebaulich ­definiert das Gebäude den Übergang von der Karlstadt in die Neustadt. Entgegen der bestehenden Blockrandbebauung setzte der 13-ge­ schos­sige, freistehende Neubau einen weithin sichtbaren Akzent. Umge­ ben von einem dazugehörigen firmen­ eigenen Parkhaus, einer Tiefgarageneinfahrt und dem einzigartigen Drive-in-Bankschalter im Erdgeschoss verkörperte das Gebäude

infrastrukturell die neuesten, autofreundlichen Entwicklungen. Aufgrund seiner vollflächigen Vor­ hangfassade, aber auch seiner ­exponierten, blickperspektivisch überzeugenden Stellung wurde das Hochhaus 1998 unter Denkmalschutz gestellt. Von 2007 bis zu ­seinem Verkauf 2015 stand es leer; auch hat es aufgrund einer neuen Bebauung auf beiden Nachbargrund­ stücken deutlich an städtebaulicher Bedeutung eingebüßt.

Ansicht von Nordosten 1966/67 (oben) und 2022 nach Sanierung und Nachverdichtung der Blockrandbebauung (rechts)

ARCHITEKTUR

Für eine autogerechte Einfahrtzone setzten die Architekten das Hochhaus auf drei Kuben. So konnten die Autos unter dem Gebäude hindurchfahren, was ein reibungsloses Ein- und Ausfahren erlaubte. Der Sockelbereich bestand wie der Treppenhausturm aus Sichtbeton, der Drive-in-Bankschalter wurde von einer Einfach­ verglasung eingerahmt. Die vorgehängten Fassadenelemente in den Obergeschossen, in denen sich die Großraumbüros befanden, erinnern in Material und Form an Eisenbahnwaggons. Die Erschließung erfolgte über ein Haupt- und Nebentreppenhaus sowie zwei Aufzüge.

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Projekte

SCHNITT (2020) M 1:500

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Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

Blick von Nordwesten auf den erweiterten Erschließungsturm

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Projekte

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Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

GRUNDRISSE M 1:500

REGELGESCHOSS 2. OBERGESCHOSS Bestand

ERDGESCHOSS Bestand

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Projekte

REGELGESCHOSS 2. OBERGESCHOSS Sanierung

ERDGESCHOSS Sanierung

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Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

SANIERUNG UND UMBAU

die Fassade in der Flucht der darüberliegenden Geschosse komplett verglasten. Der Treppenhausturm wurde vergrößert und um einen Aufzug erweitert. Das Nebentreppenhaus musste aus brandschutztechnischen Gründen neu dimensioniert und sogar neu verortet werden. Aus den Groß­raumbüros entstanden einzelne Hotel­zimmer mit Nasszellen. Auf dem Dach befindet sich neben der haustechnischen Anlage eine Terrasse mit Außenbar. Selbst die Tiefgaragen­einfahrt wurde ­gedreht und verlegt. Dennoch ließ sich dank der engen Zusammen-

REGELGESCHOSS 4. OG Bestand

Anzahl Geschosse gesamt Anzahl Regelgeschosse (Büros) Anzahl Geschosse Foyer Anzahl Geschosse (sonstige) Raumtiefe Büro Breite Flur Lichte Raumhöhe Geschosshöhe

Mit dem Standortwechsel des Haupt­ sitzes nach Frankfurt in den 1990erJahren folgte die Commerzbank dem generellen Transformationstrend des Düsseldorfer Bankenviertels in ein Einkaufs- und Tourismuszentrum. Der Verkauf des Verwaltungshochhauses im Jahr 2015 und die Um­ widmung in ein Hotel waren daher eine logische Konsequenz. Dafür transformierte ein amerikanischer Investor zusammen mit HPP Architekten das Gebäude in ein Hotel, indem sie unter anderem das Erd­ geschoss zu Hotellobby und Frühstücksraum umfunktionierten und

Fassade Fassadenraster Fassadenbreite × -länge REGELGESCHOSS 4. OG Sanierung

 Nutzfläche  Verkehrsfläche

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Projekte

Nutzflächen Regel­ geschoss Hauptnutzfläche gesamt Nebennutzfläche gesamt Verkehrsfläche gesamt

14 12 1 1 6,58 m 1,74 m 2,98 m 3,11 m 1,72 m 15,8 × 31,5 m 4223 m2 93 m2 1221 m2

Nach Umbau Hauptnutzfläche gesamt Nebennutzfläche gesamt Verkehrsfläche gesamt

2268 m2 699 m2 1214 m2

Sonstiges Anzahl Verkauf Anzahl Sanierung Anzahl Mieter bauzeitlich Anzahl Mieter heute

2 1 1 1

arbeit von Fassaden­planern und Denkmalbehörde der Denkmalschutzstatus erhalten. ­Auch die Fußgängerbrücke existiert noch, darf aber nicht mehr genutzt werden.

Der Drive-In Bankschalter (Aufnahme von 1966/67) wurde zum Hotelfoyer und Frühstücksraum umgestaltet.

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Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf

FASSADE BESTAND

Die bauzeitliche Fassade des Verwaltungsbaus wurde als leichte, vor­ gehängte Konstruktion aus montagefertigen Aluminiumtafeln in Sand­wichbauweise mit integrierten und zu öffnenden Wendeflügelfenstern ausgeführt. Diese bestand aus 600 baugleichen, 1,72 m x 3,10 m großen Elementen, an den Gebäudeecken kamen abgerundete Sonderelemente zum Einsatz. Die abgerundeten, einfach verglasten Fens­ter­ öffnungen wurden aus im Naturton eloxierten Aluminiumblechen herausgestanzt und zusammen mit den Blechen tiefgezogen. Die Blech­ schalen sind mit einer Isolierung aus luftgefüllten Wabenplatten (AirComb-Waben) heiß verklebt worden. Zur Befestigung der Tafelelemente diente eine Unterkonstruktion aus vertikal durchlaufenden U-Profilen aus Stahl.

Nur am vertikalen Stoß wurden die Tafeln über eine Deckleiste sichtbar auf die Stahlprofile verschraubt, die am Horizontalstoß überlappten. ­Rohbautoleranzen und Bewegungen ließen sich dabei über justierbare Fassadenhalterungen ausgleichen, die Tafel hing auf Abstand vor dem ­Rohbau. Für die Dichtung zwischen ­Verglasung, Paneel und Pressleiste verwendete man Gummiprofile aus Synthesekautschuk (Neopren). ­Innen­seitig und nicht in die Fassaden­ tafel integriert befand sich eine ­manuell bedienbare Sonnenschutzvorrichtung aus Kunststofflamellen, deren Vorrichtung auch gleichzeitig den Spalt zwischen Element und Rohbau schloss. In der Brüstungs­ nische waren hinter einer Verklei­ dung Heizkörper eingesetzt.

SCHNITT M 1:20 1 Sonnenschutz-Lamellen 4 Aluminiumblechpaneel Kunststoff, 150 mm mit tiefgezogener Fensteröffnung, Blechstärke breit, Befestigung am jeweils 2 mm, ­Abdeckblech Dämmung aus Air2 Aluminiumwendeflügel Comb-Waben (luftge­ in Einfachverglasung, füllten Papierwaben), Dichtung mit Neopren Unterkonstruktion aus 3 Fenstersimsplatte, U-Stahl 65/40 mm, ­Eternit 20 mm ­Befestigung am Sturz, Luftraum, Stahlbetonbrüstung 80 mm

5 Verkleidung Heiz­körper 6 Bodenbelag 5 mm, Korkestrich 30 mm, Dämmung 35 mm, Stahlbetondecke 120 mm 7 Horizontalfugenüber­ deckung mit Neopren, Deckstreifen Dämmung 90 mm, in Blech eingefasst 1

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4

5

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114

Projekte Commerzbank, Düsseldorf 1963

FASSADE SANIERUNG

Die Auflagen des Denkmalschutzes im Zuge des Umbaus zum Hotel umfassten unter anderem den Erhalt des originalen Erscheinungsbilds der Fassade. Ein erstes Konzept bestand darin, den Zwischenraum von Tafelelement und Rohbau mit einer Dämm­ schicht auszufüllen und die Tafel­ elemente in ihrem Ursprungszustand zu belassen und nur die bestehenden Scheiben durch eine Isolierverglasung auszuwechseln. Nach Analyse der Bestandsfassade wurde jedoch deutlich, dass sich das Konzept so nicht umsetzen ließ. Folglich entschied man sich dazu, die Tafeln nach der Demontage zu öffnen, gründlich zu reinigen und zwischen die Bleche eine neue Schicht aus minerali­ schem Dämmstoff einzulegen sowie anschlie­ßend die Oberfläche der wiederverwendeten Aluminium­

schalen neu zu versiegeln. Hinter die Tafeln wurde als neue Schicht eine Rahmenkonstruktion gesetzt, ebenfalls mit einem mine­ralischen Dämmstoff, die jetzt den kompletten Zwischenraum ausfüllt. Die Befestigung der Fassadenelemente erfolgte über neue Befes­tigungsglieder am Rohbau. Die neuen Fensteröffnungen sind nun mit Parallelaus­stell­ fenstern versehen, um auch eine natürliche Lüftung der Hotelzimmer zu ermöglichen. Nur in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten konnte eine vertretbare Lösung gefunden werden. Die ­Fassade wurde von der gleichen Firma saniert, die auch die alte Fassade konstruiert hatte und sich bei den Planungen für die Sanierung auf ihre Archivunterlagen stützen konnte. Trotz der Kern­ sanierung ließ sich der ­Verlust bauzeitlicher Substanz in der Fassade in

SCHNITT M 1:20 1 Abhangdecke 6 Bodenbelag Parkett 2 Sonnenschutz 15 mm 3 Parallel-Ausstellfenster in Gipsfaserplatte 23 mm Sonnenschutz-Isolierver- Dämmung 12 mm glasung Holzfaserplatte 10 mm 4 Brüstungsverkleidung Trockenschüttung 40 mm 5 Aluminium-Paneele 7 Horizontalfugenüber­ ­ertüchtigt mit Wärmedeckung mit EPDM-­ dämmung 60 mm Dichtungsprofil thermisch getrennte ­Profilkonstruktion Verankerung an Edelstahlkonsolen Wärmedämmung 82 mm Luftschicht ca. 50 mm Betonbrüstung 80 mm

Grenzen halten, die Kubatur, Außen­ maße und auch weitest­gehend die Originaloptik blieben trotz der energetischen Ertüchtigung ­erhalten.

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115

Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna, Düsseldorf Commerzbank, Düsseldorf

1964

2020

­ chweizer ­NationalS Haus/NM1 BAUJAHR ARCHITEKT SANIERUNG ARCHITEKT DENKMAL HÖHE

1962–1964 Max Meid, Helmut Romeick Revitalisierung 2006 Pielok Marquardt, BGF Architekten 2000 57 m

SCHNITT (1964) M 1:500

Frankfurt am Main 117

STÄDTEBAU

Am Anfang der Neuen Mainzer S ­ traße, daher der heutige Name NM1, schließt im Südwesten eine fünfgeschossige Häuserzeile aus der ­Gründer- und Nachkriegszeit an den Baukörper an. Das Baugrundstück wurde im Laufe der ­Jahre durch eine neue Straßenführung am Brückenkopf stark ver­kleinert. Für einen ausreichend breiten Fußweg musste deshalb das Erd­geschoss hinter die Stützen versetzt werden. Das signifikante, ­außen liegende Tragwerk begründet seit dem Jahr 2000 neben ­geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen ­vorrangig den Wert des Gebäudes als Kulturdenkmal.

ARCHITEKTUR

der jeweiligen Mietpartei zulassen. Waren in den 1970er-Jahren die ­Arbeitsplätze der Assistentinnen noch in den tageslichtarmen Fluren untergebracht, so kommen heute alle ­Beschäftigten durch die Umstrukturierung der Grundrisse in den ­Genuss  des beeindruckenden Ausblicks. Das verkleinerte Erdgeschoss erstreckt sich seit der Sanierung 2006 über zwei Etagen und beherbergt neben der Empfangslobby eine Galerie. Erschlossen wird das Gebäude von der Tiefgarage bis ins oberste Stockwerk über drei Aufzüge und zwei Treppenhäuser entlang ­der  Westfassade.

Bis zum Zweiten Weltkrieg war die historische Altstadt identitätsstiftend für Frankfurt am Main, die durch ­Luftangriffe jedoch größtenteils zerstört wurde. Es entstanden große Baulücken. Als eines der ältesten und heute noch als Hochhaus deklariert, ist das Gebäude der Schweizer ­National, einer Versicherungsgesellschaft, zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt geworden. Von den Architekten Max Meid und Helmut Romeick geplant und 1964 fertiggestellt steht der Bau an exponierter Stelle unmittelbar am Flussufer, westlich der Untermainbrücke und markiert den Übergang ins Bankenviertel.

Das Gebäude besteht aus fünf U-förmigen Stahlbetonbügeln, die das Bauvolumen entlang der Längsseiten im Achsabstand von 7,5 m umspannen. Die einzelnen Geschossdecken sind jeweils in Brüstungshöhe über Betonkonsolen punktuell mit diesen Rahmen verbunden. Der Korpus selbst besteht aus einer flachen Vorhangfassade. Erst seit der Sanie­rung lassen sich Fensterelemente öffnen. Das Hochhaus war von Beginn an für die Nutzung durch mehrere Miet­parteien geplant. Die 14 Regel­ geschosse sind als Großräume ausgebildet, die damals wie heute eine individuelle Aufteilung nach Wunsch

118

Projekte

Blick auf den Untermainkai 1964 und 2022

119

Schweizer National-Haus/NM1, Frankfurt am Main

120

Projekte

GRUNDRISSE M 1:500

2. OBERGESCHOSS Bestand

2. OBERGESCHOSS Sanierung

ERDGESCHOSS Bestand

ERDGESCHOSS Sanierung

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Schweizer National-Haus/NM1, Frankfurt am Main

Anzahl Geschosse gesamt Anzahl Regelgeschosse (Büros) Anzahl Geschosse Foyer Anzahl Geschosse (sonstige) Raumtiefe Büro Breite Flur Lichte Raumhöhe Geschosshöhe Fassade Fassadenraster Fassadenbreite × -länge

18 14 1 2 4,52 m 3,74 m 2,73 m 3,39 m 1,74 m 15,5 × 34 m

Nutzflächen Regelgeschoss 4102 m2 Hauptnutzfläche gesamt 546 m2 Nebennutzfläche gesamt 1806 m2 Verkehrsfläche gesamt Nach Umbau Hauptnutzfläche gesamt Nebennutzfläche gesamt Verkehrsfläche gesamt

2646 m2 1358 m2 2436 m2

Sonstiges Anzahl Verkauf Anzahl Sanierung Anzahl Mieter heute

0 1 > 10

Hofstraße 7, Situation 1968 und heute

SANIERUNG

Der Büroturm wurde zunächst bis auf die Tragkonstruktion zurückgebaut und anschließend sowohl mit einer neuen Fassade als auch mit moder­ ner Haustechnik ausgestattet. Die außen liegenden Stahlbetonstützen – mit genietetem Kupferblech verklei­ det – hatten erhebliche Korrosionsschäden und mussten entsprechend ­ertüchtigt werden. Heute sind die Bügel mit grün vorpatinierten, ­gefalzten Kupferblechen verkleidet. Seit dem Bau der U-Bahn in den 1970er-Jahren hat sich das Gebäude ­ungleich abgesenkt: auf der Ostseite weicht die Lotrechte von der Oberkante des Geländes zur Dachattika um bis zu 18,5 cm ab. Ein Höhenunterschied von über 10 cm pro Etage wurde mithilfe eines Ausgleichs­ estrichs kompensiert.

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Projekte

REGELGESCHOSS 2. OG Bestand

REGELGESCHOSS 2. OG Sanierung

 Nutzfläche  Verkehrs­ fläche

FASSADE BESTAND

Schw

Aluminiumfassade in Pfosten-RiegelBauweise (Achsraster 1,735 bzw. 1,9075 m), außenseitig im Bronzeton eloxiert (Duranodic-300); tragende, außen liegende Stahlbetonstützen mit Kupferblech verkleidet. Festver­ glasung aus Isolierglas (Thermopane); wärmegedämmte Brüstungspaneels aus steingrauem Opakglas; dahinter liegende Betonbrüstung gegen Brandüberschlag und als statischer Überzug

1:20

1 Bl 1

SCHNITT M 1:20 1 Blechabdeckung 2 Sonnenstore 3 Putzplatte 20 mm 4 Aluminium-PfostenRiegel-Fassade, senkrechte Pfosten über Befestigungsglieder in der Brüstung gehalten, Festverglasung in ­Isolierverglasung 5 Fenstersimsplatte 25 mm

Opakglasemelement mit 6  Dämmschicht 45 mm 7 Blechverkleidung 8 Bodenbelag 5 mm, Estrich 45 mm, Stahlbetondecke 330 mm

3

2

2 So

3 Pu

4 Alu

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5 Fe

6 Op 7 Bl

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Schweizer National, Frankfurt

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1962 - 64

Projekte Zustand vor Sanierung

FASSADE SANIERUNG

Vorgefertigte Elementfassade (Höhe 3,10 × Breite 1,25 m) mit thermisch getrennten Aluminiumprofilen; elek­ trisch betriebene Parallelausstellfenster und Festverglasung im Wechsel, Zweischeiben-Isolierverglasung; wärmegedämmte Brüstungs­paneele aus Einscheiben-Sicherheitsglas und Mineralwolle; außen liegende Stahl­ betonstützen mit grün patiniertem Kupferblech verkleidet

1

2

SCHNITT M 1:20 1 ESG-emailliert 8 mm, mineralische Wärmedämmung 80 mm, Stahlblech, Wärmedämmung 35 mm, Stahlbetonbrüstung 200 m 2 abgehängte Decke 3 Sonnenstore, ­motorbetrieben 4 Parallelausstellfenster in Isolierverglasung (im Wechsel mit Festver­ glasung)

5 Aluminiumblech­ verkleidung 6 Bodenbelag Estrich, Stahlbetondecke 330 mm

3 4

5

6

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Schweizer National-Haus/NM1, Frankfurt am Main Schweizer National, Frankfurt 2006

Zustand nach Sanierung

Nachtaufnahme von Westen, 1965

126

Projekte

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Schweizer National-Haus/NM1, Frankfurt am Main

BAUPHYSIK – ENERGIE – BEHAGLICHKEIT  Die genaue Analyse der bauphysikalischen Eigenschaften zeigte, dass die ursprüng­lichen Fensterbänder und die opaken Bauteile der Fassade des ­Gebäudes der Schweizer National nur in Kombination mit Büronutzungen und damit verbundenen geringen innenseitigen relativen Feuchten von zirka 30 % funktionieren konnten. Der Wärmeverlust über die flächigen Bauteile und die zugehörigen Wärmebrücken war mit Sicherheit ebenso ein Entscheidungs­ kriterium für eine Modernisierung des Gebäudes wie der mangelhafte Feuchteschutz im Originalzustand (Abb. 1). Im Rahmen der energetischen Modernisierung zwischen 2004 und 2006 wurden die Fassaden durch neue, wesentlich breitere Profile und eine Wärme­ dämm­verglasung ersetzt. In der Folge existieren heute keine relevanten wärmeund feuchtetechnischen Probleme mehr, jedoch entstand eine deutliche Verän-

Abb. 1 Wärmebrückenberechnungen an der jeweils ungünstigsten Stelle bei 50 %, 40 %, 30 % r. F. (relative Feuchte). Rote Bereiche bedeuten Tauwasserausfall, orange Bereiche r. F. > 80 %, grüne Bereiche r. F. < 80 %

derung des Erscheinungsbilds nicht zuletzt durch ein neues Rastermaß der Fassaden. Die durchgängigen Fensterbänder gewährleisten wie bei den anderen vergleichbaren Projektbeispielen (siehe Hahn-Hochhaus, S. 131 und Dorlandhaus, S. 143) auch hier eine sehr gute Versorgung mit Tageslicht. Die Brüstungs­elemente wurden mit bedrucktem Einfachsicherheitsglas und 80 mm starken Mineralfaserplatten gedämmt. Jedes zweite Fenster ist zusätzlich als Parallel­ausstellfenster (PAF) ausgeführt, wodurch auch bei hohen Windgeschwindigkeiten eine natürliche Lüftung ohne ­Zugerscheinung ermöglicht wird 1. Abhängig von Druckunterschied und Öffnungsmaß lässt sich der Luftstrom durch die genau steuerbaren PAF regeln. Die Fenster dienen zudem der Nachtauskühlung, was den Energie­bedarf in der Kühlperiode deutlich senkt und einer potenziellen Überhitzung entgegenwirkt. Der notwendige Energiebedarf für die Kühlung von Innenräumen steigt seit 2000 durchschnittlich um 4 % pro Jahr und macht etwa 16 % des g ­ esamten Energieverbrauchs im Gebäudesektor weltweit aus. Dies hat zu einer Verdoppelung der entsprechenden CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2020 geführt 2. Auch in Deutschland lässt sich dieser Trend beobachten – das Hochhaus der Schweizer National in Frankfurt ist ein Bespiel dafür. Die mechanische Kühlung des Gebäudes ist dabei für zirka 11,2 % (5,8 MWh/a) des Gesamtenergiebedarfs ver­antwortlich. Abb. 2 zeigt eine prognostizierte extrem heiße Wetterwoche vom 17.08. bis 21.08.2030 und den dafür notwendigen Kühlbedarf von 47,41 kWh. Ein Faktor dieses hohen Bedarfs sind die solaren Einträge. Ein außen liegender Sonnenschutz würde den notwendigen Energiebedarf bereits um 20 % reduzieren. Neben den möglichen passiven Maßnahmen (unter anderem Nacht­ lüftung, Sonnenschutz, Dämmung) stellt die Norm hinsichtlich ihrer Empfehlung zum som­merlichen Wärmeschutz jedoch eine große Hürde dar. Während DIN 16798-1 in der Theorie vier Kategorien an thermischem Komfort umfasst, empfiehlt sie eine Klimatisierung nach Kategorie II, was einer Lufttemperatur von maximal 26 °C entspricht. Die Simulation für das Schweizer National-Haus zeigt dabei, dass bereits eine Erhöhung dieser maximal zulässigen Temperaturgrenze auf 27 °C (Kategorie III nach DIN 16798-1) im Fall der angenommenen

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Projekte

4,0 3,0

Kühlleistung [kW]

Temperatur [˚C]

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32 30 28 26 24 22 20 18 16 14 12

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Tag des Monats (Beginn 16. August, 0:00 Uhr)

19 Tamb

Top

20

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Kühllast

Abb. 2 Ergebnisse der Simulation (Berechnung nach DIN 16 798-1) der Kühllast einer prognostizierten Extremwoche im Jahr 2030 (17.08. bis 21.08.2030) bei einer Konditionierung des Innenraums auf 26 °C. Tamb beschreibt die Außenlufttemperatur und Top beschreibt die operative Innentemperatur, die sich rechnerisch jeweils zur Hälfte aus der Lufttemperatur und Strahlungstemperatur zusammensetzt.

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400

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5

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Kühlbedarf [Wh/m²d]; Kühllast [W/m²]

ÜTGS [-]; Stunden mit PMV > 1 [%]

Extremwetterwoche bereits 21,7 % des Energiebedarfs einsparen würde. Liegt die Temperatur bei 28 °C (Kategorie IV nach DIN 16798-1), erhöht sich dieses Einsparpotenzial der simulierten Woche auf 42,5 %. Das Verhältnis des thermischen Komforts zum Energieverbrauch zeigt Abb. 3. Hierbei lässt sich ablesen, dass die Einsparung des Kühlbedarfs und die Reduktion der maximalen Kühllast nicht immer im linearen Verhältnis zur resultierenden Einsparung an thermischem Komfort stehen. Die Energieeinsparungen bei der Anpassung der Solltemperaturgrenze von 26 °C auf 27 °C zeigen einen Trend ähnlicher (negativer) Steigung, verglichen mit der moderaten positiven Zunahme der Stunden außerhalb der Komfortgrenze. In der Anpassung der Lufttemperatur auf 28 °C steigen die Übertemperaturgradstunden (ÜTGS) jedoch verhältnismäßig schneller, sodass das Verhältnis zwischen Komfort und Energiebedarf nicht mehr im Einklang steht. Während es das Ziel ist, möglichst wenige ÜTGS bei gleichzeitig möglichst kleinem Energieaufwand zu erreichen, lässt sich der Kipppunkt dieser Gleichung bei den Annahmen der Komfort-Kategorie III (27 °C) erkennen und nicht wie üblich in der Kategorie II (26 °C) nach DIN 16798-1. Das Ziel der Norm, möglichst wenig thermisches Unbehagen zuzulassen, kann anhand der gezeigten Analyse und vor der Notwendigkeit, Ressourcen sparen zu wollen, hinterfragt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich hierbei um die idealen Annahmen der Simulationen handelt, die den Performance Gap zwischen Simulation und realen Nutzprofilen außer Acht lassen. Oft liegen die realen Messwerte des Energieverbrauchs weit über denen der Simulation.

50

0

Top 26 ÜTGS    %h PMV > 1 

Top 27   Wh/m²d 

Top 28

  W/m²

Abb. 3 Ergebnisse der Simulation (Berechnung nach DIN 16 798-1) von Kühllast, Kühlbedarf, Übertemperaturgradstunden (ÜTGS) und Stunden mit einem Predicted Mean Vote (PMV – erwartete durchschnittliche Empfindung) von über 1, in einer prognostizierten Extremwetterwoche im Jahr 2030 (17.08. bis 21.08.2030) bei mechanischer Konditionierung des Innenraums auf Top 26 °C, 27 °C und 28 °C. Top beschreibt die operative Innentemperatur, die sich rechnerisch jeweils zur Hälfte aus der Lufttemperatur und aus der Strahlungstemperatur zusammensetzt. 1 Schott, Karlotto: Nur mit Feingefühl: Die Sanierung denkmalgeschützter ­Hoch­hausfassaden bedarf der besonderen technischen und optischen Obhut. In: Deutsches Ingenieurblatt 4/2012, S. 18–24 2 International Energy Agency (IEA): The Future of Cooling – Opportunities for ­energy-efficient air conditioning. Paris 2018

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Schweizer National-Haus/NM1, Frankfurt am Main

1964

2021

Hahn-Hochhaus/ City Tower BAUJAHR ARCHITEKT SANIERUNG

ARCHITEKT DENKMAL HÖHE

1962–1964 Rolf Gutbrod, Werner Jung, Hermann Kies 1984/1985 ­ Fassade 1994/1995 1999–2001 Umbau EG/1. OG 2015 Kist, Koop, Fehmel, Waldmann 1994 50 m

SCHNITT (1964) M 1:500

Stuttgart 131

STÄDTEBAU

Kaum ein anderes Gebäude in Deutsch­land verkörpert das Leitbild der autogerechten Stadt so stark in seiner Architektur wie das HahnHochhaus. Das nach dem Auftrag­ geber der Hahn Motorfahrzeuge GmbH benannte Bauwerk an der Hauptverkehrsachse der Friedrichstraße entstand auf einem spitzwinkligen ­Innenstadtgrundstück zwischen den Türmen der Technischen Hochschule und dem Hauptbahnhof in Stuttgart. Neben dem Verwaltungsbau mit Ausstellungs- und Verkaufsräumen für Fahrzeuge der Marke Volkswagen und Porsche plante der Architekt Rolf

ARCHITEKTUR

Das Hahn-Hochhaus besticht durch seine ausdrucksstarke Gestalt mit dominantem Erschließungsturm. Die beiden oberen Geschosse sind zum Kern hin verjüngt. Besonders beeindruckend war der großzügig konzipierte Showroom im Ausstel­ lungs­pavillon mit Kassettendecke aus Sicht­beton im Erdgeschoss, der ­sowohl Einblicke in das erste Unter­geschoss mit Anbindung zur Tief­garage als auch in das erste Ober­geschoss ermöglichte. Eine abge­hängte Glaskanzel schwebt über dem Eingang: Hier oben traf man sich zum Gespräch an der Hausbar, um in den Pavillon hinabzublicken und sich für ein Automodell zu entscheiden. Der asymmetrische Grundriss der darüber liegenden Bürogeschosse wird über einen nicht mittigen Kern erschlossen. Fassade und Tragstruktur sind klar voneinander getrennt. Die offenen Bürogrundrisse ent­spra­ chen den unterschiedlichen Bedarfen der Mietparteien.

132

Projekte

Gutbrod auch eine Werkstatt sowie ein Parkhaus mit einer Tankstelle. Das umfangreiche Raumprogramm stieß auf städtebauliche und bauaufsichtliche Hürden. So limitierte die Breite der angrenzenden Straße die Höhe des Gebäudes. Das letztendlich 14-stöckige Büro­ gebäude mit dem davorgeschobenen polygonalen Ausstellungs­pavillon war der erste von drei Bauabschnitten. Das zunächst mit sieben überirdischen Geschossen geplante Parkhaus wurde lediglich als Tiefgarage realisiert, so konnte dem Hochhaus zumindest im Südwesten vorübergehend seine Solitärstellung gesichert werden. Bereits

1976 e ­ rwarb die Landesbausparkasse Württemberg (LBS) das Gebäude und ließ die Tiefgarage mit einem ter­ rassierten Verwaltungsbau über­ bauen. Weitere Besitzerwechsel ­folg­ten. Mittlerweile kann sich das Gebäude trotz der signifikanten ­Gestalt und der prominenten ­städtebaulichen Lage nur schwer gegen die angrenzende fünfgeschossige Blockbebauung behaupten. Zu s ­ einer Entstehungszeit korrespon­dierte das Hochhaus ­stadträumlich noch mit dem Bahnhofsvorplatz und dem ­kleinen ­Schloßplatz. Seit 1994 steht es unter Denkmalschutz.

Luftaufnahme des ersten Bauabschnitts des „VW-Hahn-Hochhaus“, 1967

1. BAUABSCHNITT Bauzeitlicher Zustand

2. BAUABSCHNITT Heutiger Zustand

133

Hahn-Hochhaus/City Tower, Stuttgart

Der Ausstellungspavillon Ende der 1960er-Jahre (oben) und 1987 (unten)

134

Projekte

135

Hahn-Hochhaus/City Tower, Stuttgart

Der Ausstellungsraum ging ursprünglich über drei Geschosse (Aufnahme 1967). ­Bereits in den 1990er-Jahren erfolgten erhebliche gestalterische Eingriffe.

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Projekte

GRUNDRISSE M 1:500

REGELGESCHOSS 4. OBERGESCHOSS Bestand

REGELGESCHOSS 4. OBERGESCHOSS Sanierung

ERDGESCHOSS Bestand

ERDGESCHOSS Sanierung

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Hahn-Hochhaus/City Tower, Stuttgart

SANIERUNG UND UMBAU

Aufgrund der frühen Übernahme durch die LBS war die Ausrichtung der Räume im Erdgeschoss auf die Nutzung als ­Autohaus hinfällig. Die Anbindung zur Tiefgarage wurde verbaut. Der Ausstellungspavillon verlor durch zahl­reiche bauliche Eingriffe infolge von mehreren Besitzerund Mieterwechseln seine offene Gestaltung und seinen Charme. Ab den frühen 1990er-Jahren wurden verschie­dene Sanierungsmaßnahmen an der Fassade und der Haustechnik durchgeführt, um beides an heutige Bürostandards anzupassen. Auch die Glaskanzel über dem Eingang, einst Schaltzentrale des Gebäudes, erfuhr einen Umbau.

Anzahl Geschosse gesamt Anzahl Regelgeschosse (Büros) Anzahl Geschosse Foyer Anzahl Geschosse (sonstige) Raumtiefe Büro Westseite Raumtiefe Büro Ostseite Lichte Raumhöhe Geschosshöhe

15 10 2 3 7,14 m 8,90 m 2,94 m 3,42 m

Fassade Fassadenraster

2,32 m

Nutzflächen Regelgeschoss Hauptnutzfläche gesamt 2241 m2 179 m2 Nebennutzfläche gesamt 774 m2 Verkehrsfläche gesamt Sonstiges Anzahl Verkauf Anzahl Sanierung Anzahl Mieter bauzeitlich Anzahl Mieter heute

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Projekte

3 1 1 > 10

REGELGESCHOSS Bestand

 Nutzfläche  Verkehrsfläche

REGELGESCHOSS Sanierung

FASSADE BESTAND Die Fassade des Verwaltungshochhauses wurde bauzeitlich mit nicht tragenden Brüstungselementen aus Betonfertigteilen und Fensterbändern realisiert. Die plastisch abgeschrägten Sichtbetonfertigteile sind raumseitig mit zirka 35 mm starken Dämmplatten bekleidet und verputzt, sie liegen auf den Geschossdecken auf und sind dort verankert. Direkt hinter der Dämmplatte wurden raumseitig Konvektoren angeordnet. Raumhohe Fensterbänder aus Aluminium bilden den Gebäudeabschluss. Diese sind aus einzelnen, sich wiederholenden Fensterelementen zusammengesetzt, deren Breite mit den Betonfertig­teilen abgestimmt ist. In den 1,94 m hohen

Elementen werden mehrere Fenstertypen kombiniert. Ein Element besteht aus mehreren Feldern, einer großen Festverglasung und einem schmalen, quer liegenden Kipp­flügel im oberen Bereich mit einer  fixen Breite von jeweils 1,50 m, sowie ­einem schmalen, stehenden Öffnungsflügel und einer kleinen ­Fest­verglasung, die beide je nach Fassadenseite jeweils zwischen 0,58 m bis 0,95 m breit sind. Den oberen A ­ bschluss des Elements bildet ein hinter dem Betonfertigteil verdeckt liegendes Isolierpaneel. Der Anschluss zum Treppenturm erfolgt je nach erforderlicher Breite mit einer Festverglasung. Der außen liegende Sonnenschutz ist im eingefahrenen Zustand

FASSADE SANIERUNG Im Jahr 1995 wurde aufgrund einer für die Vermietung erforderlichen Modernisierungsmaßnahme auch die Fassade des Gebäudes saniert. Aus Gründen des Denkmalschutzes sollte die ursprüngliche Fassade erhalten bleiben, weshalb nur eine Ausbesserung von Betonschäden und ein Austausch der Verglasung erfolgte. Risse, bröckelnde und offene Stellen an der Sichtbetonfassade wurden vor allem am Treppenturm ausgebessert und mit einem hellgrauen Betonschutzanstrich versehen. Die neuen Fenster erfüllen den aktuellen Stand der Technik. Alle Eingriffe sind kaum sichtbar.

SCHNITT M 1:20 1 Fertigbetonbrüstung als Brüstungselement (2,19 m Länge) an der Geschossdecke verankert, Dämmplatte ­Porestalit 50 mm, Putz 10 mm, Heizkörper 180 mm und Unterkonstruktion für Verkleidung 2 Dämmplatte 25 mm 3 Isolierpaneel 4 Sonnenstores mit Führungsschiene, über Jordahlschiene in Brüstungselement verankert 5 Aluminiumfenster, Drehflügel in Isolierverglasung 6 Aluminiumfenster, ­Festverglasung als ­Isolierverglasung; ­Fensterelement über Jordahlschiene in ­Brüstungselement ­verankert 7 Fenstersimsplatte, ­Eternit 25 mm 8 Gitterrost 19 mm 9 Verkleidungsplatte Eternit 20 mm 10 Holzblende 17 mm 11 Kunststoffbelag 5 mm, Zementestrich 35 mm, Dämmmatte 10 mm, Stahlbetondecke 410 mm

durch die auskragende Betonfertigteilbrüstung überdeckt. Die Lamellen werden über Drahtseile außenseitig geführt. Die Aluminiumprofile der als Zweischeiben-Isolierverglasung ausgeführten Fensterelemente sind thermisch nicht getrennt, sämtliche Anschlüsse an den Beton wurden mit Dichtungskitt versehen und ausgeschäumt.

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Hahn-Hochhaus, Stuttgart 1962 - 64

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Zustand Hahn-Hochhaus/City Tower, Stuttgart

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BAUPHYSIK – ENERGIE – BEHAGLICHKEIT  Die Fassade des Hahn-Hochhauses in Stuttgart wurde bereits in den frühen 1960er-Jahren realisiert. Dabei zeigt sich, dass der Wärme- und insbesondere der Feuchteschutz an den filigranen Profilen nur ungenügend gelöst wurde. Dort kann bei durchaus üblichen winterlichen Verhältnissen selbst bei niedrigen relativen Feuchten von 30 % innenseitig Tauwasser entstehen. Damit gehen auch mögliche Feuchteschäden durch Korrosion einher, beispielsweise entlang von Halteschienen, die nicht einsehbar sind. In Folge von Modernisierungs­ maßnahmen wurden Profile verwendet, die für einen besseren Wärme- und Feuchteschutz sorgen, gegebenenfalls auch, um besonders hohe Energie­ verbräuche zu verringern. Zugehörige Ergebnisse aus Wärmebrückenberechnungen mit typischen Randbedingungen zeigen die Problematik der bauzeitlichen Fassadenkonstruktion (Abb. 1). Der unzureichende Wärmeschutz der thermischen Außenhülle wird sowohl beim hohen Energieverbrauch des Gebäudes als auch bei einem unzureichenden thermischen Komfort deutlich. So entweicht viel Wärme nicht nur durch die verschiedenen Bauteile der Fassade, sondern auch durch die restli­ chen Flächen der thermischen Hülle. Dazu zählen zum Beispiel die auskragende Bodenplatte des 2. Obergeschosses (U-Wert: zirka 1,1 W/m²K) sowie die vielen Dachflächen (U-Wert: zirka 2,0 W/m²K). Abb. 2 zeigt sowohl die Energieeinsparpotenziale als auch die signifikante Reduktion der Übertemperaturgradstunden (ÜTGS) um zirka 26 % im 2. Obergeschoss und 73 % im 12. Obergeschoss durch eine zusätzliche Dämmung der auskragenden Bodenplatte und der Dachflächen. Durch eine Dämmung allein der Dachflächen ließe sich der Energiebedarf auf zirka 53 MWh im Jahr reduzieren, mehr als der Energieverbrauch von drei durchschnittlichen Einfamilienhäusern in Deutschland (17 MWh) 1.

Abb. 1: Wärmebrückenberechnungen an der jeweils ungünstigsten Stelle bei 50 %, 40 %, 30 % r.F. (relative Feuchte), ­auffallend sind die Bereiche mit Tauwasserausfall (rot) selbst bei niedrigen innenseitigen r.F. von 30 %

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Projekte

1222 1200

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400 305 200

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202

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189 94 7

0 Energiebedarf [kWh / m2a] Istzustand (2.OG)

ÜTGS [Kh /  a]

gedämmte Auskragung (2. OG)

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Istzustand (12. OG)

UTGS [Kh / a] gedämmtes Dach (12. OG)

Abb. 2: Simulationsergebnisse des Energiebedarfs des Hahn-Hochhauses in kWh/m²a, sowie die Übertemperaturgradstunden (ÜTGS) und Untertemperaturgradstunden (UTGS) eines Büroraums im 2. OG mit Auskragung und im 12. OG mit Dachfläche in Kh/a, jeweils für den Istzustand und einem Szenario mit Dämmung (U-Wert ohne Dämmung: Dach 1,5 W/(m²K), Auskragung 1,0 W/(m²K); U-Wert mit Dämmung: Dach 0,24 W/(m²K), Auskragung 0,5 W/(m²K)).

Die Ergebnisse der Simulation demonstrieren, dass auch wenig invasive und denkmalpflegerisch vertretbare Maßnahmen wie die Dämmung des Dachs bereits signifikante Verbesserungen in der thermischen Behaglichkeit und im Energieverbrauch bewirken können. Tageslichtsimulationen zeigen auch für den Ursprungszustand keine ungewöhnlichen oder ungenügenden Ergebnisse. Werden Gebäude dieser Art modernisiert, ist eher davon auszugehen, dass durch den Einsatz moderner Verglasungen mit zugehörigen Rahmen und gegebenenfalls größeren Brüstungstiefen die Versorgung mit Tageslicht geringfügig abgemindert wird. Dies betrifft im Allgemeinen aber nur einen relativ kleinen Teil der Nutzflächen und lässt sich mittels moderner LED-Beleuchtungssysteme relativ einfach und kostengünstig kompensieren. Die normativen Vorgaben können üblicherweise dennoch eingehalten werden.

1 Destatis – Statistisches Bundesamt: Energieverbrauch der privaten Haushalte für Wohnen. Stand Dezember 2022, destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/ Umwelt/UGR/private-haushalte/Tabellen/energieverbrauch-haushalte.html (abgerufen: 26.05.2023)

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Hahn-Hochhaus/City Tower, Stuttgart

1966

2020

Dorlandhaus/ Haus der Werbung BAUJAHR ARCHITEKT SANIERUNG ARCHITEKT DENKMAL HÖHE

1963–1966 Rolf Gutbrod, Hermann Kiess, Horst Schwanderer Brandschutztechnische Ertüchtigung 2016 Helmut Klippel 1995 54 m

SCHNITT (1966) M 1:500

Berlin 143

STÄDTEBAU

Der Flächennutzungsplan von Berlin 1965 entsprach den damaligen ­Bestrebungen einer autogerechten Stadt. Autobahnen, die als Tangenten rund um das Stadtzentrum angelegt wurden, finden sich noch heute im Stadtbild wieder. So sollte die Bundesautobahn 106, die sogenannte ­Südtangente, von Schöneberg über Kreuzberg nach Köpenick führen. Auch die heutige Kreuzung Kleiststraße/An der Urania, Standort des ­Dorlandhauses, wurde dabei massiv erweitert. Der Berliner Senat hatte deshalb für diesen Standort ein „besonderes städtebauliches

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Projekte

Kennzeichen“ gefordert. Die Straßenbreite wurde zudem mehr als verdoppelt, um eine Autobahnauffahrt zu schaffen. Der überdimensionierte Mittelstreifen ist ein Relikt der 1960er-Jahre und war ursprünglich auch als Fahrbahn vorgesehen. Die Architekten Rolf Gutbrod, Horst Schwanderer und Hermann Kliess entwarfen 1961 für das dreieckige Grundstück an der Keithstraße, zwischen Nollendorf- und Wittenbergplatz in Berlin-Schöneberg ein freistehendes Gebäude. Von der Blockrandbebauung abgerückt steht das Hochhaus frei, umgeben

von hauseigenen Parkplätzen und mittlerweile hohem Baumbestand. 1995 wurde es unter Denkmalschutz gestellt.

ARCHITEKTUR

Das Baugrundstück gab das dreieckige Volumen des Baukörpers vor, der im aufgeständerten Erdgeschoss über zwei Eingänge die zwölf Etagen erschließt. Über das Foyer erreicht man die Aufzüge sowie das von den Bauherren, eine Werbeagentur, im Raumprogramm geforderte, Fotostudio mit Anlieferungsrampe. Das Studio diente zur hauseigenen Produktion von Werbekampagnen. Zur Kreuzung schiebt sich ein verglaster Ausstellungspavillon aus dem Grundriss heraus. In den Geschossen darüber befinden sich die Büroflächen, im obersten Geschoss die ehemalige Kantine und eine Dachterrasse. Die deutsche Geschäftsstelle der US-amerikanischen Dorland Studios war perfekt auf die Arbeitsabläufe der Werbeschaffenden abgestimmt. Eine innere Erschließung

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Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

und eine hohe Funktionalität der Räume sowie der offene Grundriss ermöglichten ein hohes Maß an Flexibilität. Dafür bilden ein Skelett aus Stützen und der massive Betonkern das Tragwerk. Die Grundrisse sind somit frei aufteilbar und können heute bis zu drei verschiedene Mietparteien pro Etage aufnehmen. Der dreieckige Betonkern be­ herbergt vier Aufzüge und die mitt­ ler­weile brandschutztechnisch ­ertüchtigte Fluchttreppe. Das Haupttreppenhaus verläuft entlang der rückwertigen Fassade und ist an den Hintereingang angeschlossen.

GRUNDRISSE M 1:500

4. OBERGESCHOSS

ERDGESCHOSS

147

Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

148

Projekte

149

Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

PFLEGE UND WARTUNG

Mit dem Auszug der Werbeagentur wurde die Kantine im obersten ­Geschoss geschlossen und zu ­weiteren Büroflächen umgenutzt. Seit 2016 finden sukzessiv kleine Wartungs- und Sanierungsarbeiten statt, wie beispielsweise die brand­ schutztechnische Ertüchtigung des ­Treppenhauses. Aktuell wurde insbesondere die Fassade auf ­Korrosions- und Witterungsschäden geprüft. Die vorgehängten Stahl­ betonfassadenelemente an den drei Stirnseiten und die plastisch geformte Stahlbetondecke wurden bereits gereinigt und aufgearbeitet.

GRUNDRISS Regelgeschoss

 Nutzfläche  Verkehrsfläche

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Projekte

Anzahl Geschosse gesamt Anzahl Regelgeschosse (Büros) Anzahl Geschosse Foyer Anzahl Geschosse (sonstige) Raumtiefe Büro Breite Flur Lichte Raumhöhe Geschosshöhe

16 12 1 3 4,92 1,45 2,99 3,40

Fassade Fassadenraster

1,91 m

Nutzflächen Regelgeschoss Hauptnutzfläche gesamt Nebennutzfläche gesamt Verkehrsfläche gesamt

5733 m2 676 m2 2288 m2

Sonstiges Anzahl Verkauf Anzahl Sanierung Anzahl Mieter bauzeitlich Anzahl Mieter heute

0 0 1 > 30

Rückseitiger Zugang vom Privatparkplatz

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Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

FASSADE BESTAND Die breiten Längsseiten der bauzeitlichen Fassade wurden als vorgehängte Fassade aus Fensterbändern mit Aluminiumfensterelementen und durchlaufenden Brüstungsver­ kleidungen aus isolierten Edelstahl­ paneelen ausgeführt. Über eine Stahl­unterkonstruktion vor der Beton­ brüstung und der Rohdecke sind Paneele und Fensterelemente mit Aluminiumpressleisten auf die Unterkonstruktion verschraubt. Gestal­ terische Besonderheit sind hier die sichtbaren Schraubenköpfe in den Pressleisten. Sichtbetonelemente aus einer reliefartig strukturierten Oberfläche, die an den Außenkanten hervortritt und nach innen abknickt, bekleiden die drei schmalen Giebelseiten des Gebäudes. Zwei Typen an Fensterelementen mit einer Achsbreite von 1,91 m bestimmen im Wechsel das Fassadenbild, diese sind jeweils am oberen Drittel mit einem Kämpfer und einer außen liegenden Edelstahlblende geteilt. Element 1 ist mit einem schmalen, nach außen

aufgehenden Drehflügel ausgebildet, die restlichen beiden Felder des Elements sind festverglast. Element 2 ist bis auf den nach außen aufge­ henden Kippflügel über dem Kämpfer festverglast. In den Gebäudeecken kamen Sonderelemente mit einer schmaleren Achsbreite zum Einsatz. Die Fensterflächen sind als Zweischeiben-Isolierverglasung ausgeführt und werden wie die eingesetzten Öffnungsflügel über Pressleisten im Elementrahmen gehalten. Am Horizontalstoß der Elemente doppeln sich die Pressleisten in der Ansicht und überdecken damit zugleich die hinter der Fassadenebene stehenden Innenstützen. Je Achsbreite ist die Brüstungsverkleidung vertikal in zwei Paneele unterteilt, die Paneele tragen nach außen auf. Die Aluminiumfensterprofile und -pressleisten sind dunkelbraun eloxiert, die Edelstahlblenden, -paneele und Aluminiumpressleisten im Brüstungsbereich im Naturton belassen, farblich wird damit die horizontale Schichtung betont. Für die raum- und

außenseitigen Dichtungsebenen zwischen Verglasung, Paneel und Pressleiste verwendete man Gummiprofile aus Synthesekautschuk ­(Neopren). Lamellenstores als ­Sonnenschutz sind innen liegend montiert. Eine Sanierung der Fassade des seit 1995 unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes hat bis jetzt noch nicht stattgefunden, da sie aufgrund der ausgeführten Konstruktion sich offensichtlich noch in einem guten Zustand befindet. Auch das Gebäude selbst blieb weitestgehend unver­ ändert, auch wenn bereits eine Brand­ schutzsanierung erfolgte.

1

3 2

SCHNITT M 1:20 1 Edelstahlpaneel mit eingelegter Isolierplatte 50 mm, Stahlrohr als Unterkonstruktion (im Bereich der Sonnenstore mit Asbstoluxplatten bekleidet) 2 Sonnenstore, verkleidet 3 Putzplatte 30 mm 4 Fensterelement, Klappflügel in Isolierverglasung, Aluminiumprofile dunkelgrau eloxiert

5 Holzblende 6 Edelstahlblechblende 7 Fensterelement, Festverglasung in Isolierverglasung, gehalten über Aluminiumprofile, dunkelgrau eloxiert 8 Putz 10 mm, Stahlbetonbrüstung 100 mm 9 Kunststoffbelag 5 mm, Zementestrich 40 mm, Dämmmatte 15 mm, Ausgleichsschicht 10 mm, Stahlbetondecke 310 mm

4 1

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Dorland Haus der Werbung, Berlin 1963

Zustand

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Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

BAUPHYSIK – ENERGIE – BEHAGLICHKEIT  Der Wärmeschutz des Dorlandhauses (Haus der Werbung) in Berlin erfüllt die bauzeitlichen Anforderungen mit relativ großzügigen U-Werten an opaken und transparenten Bauteilen. Bei Wärmebrückenberechnungen (Abb. 1) mit innen­ seitig realistischen 30 % rel. Feuchte, anstelle von 50 % rel. Feuchte bei Wohnnutzungen, entsteht auch an den ungünstigsten Stellen kein Tauwasser ­(siehe „Büro und Behaglichkeit – Normen, Vorschriften und thermischer Komfort“, S. 55ff.). Im Vergleich zum etwas älteren Hahn-Hochhaus in Stuttgart (siehe S. 131ff.) lässt sich beim Dorlandhaus bereits ein gewisser Fortschritt bei der Fassadenkonstruktion beobachten – bei beiden Gebäuden kamen Fassadenelemente des gleichen Herstellers zum Einsatz. Die neueren Profile im Dorlandhaus weisen im Verhältnis schon etwas mehr trennende Luftschicht­ dicken in den Kammern auf, was bereits zu deutlichen Verbesserungen beim Wärme- und Feuchteschutz führt. Es entstehen unbedenkliche relative Feuchten bis hin zu 60 % an den ungünstigen Stellen, wenngleich hier insgesamt ein erheblicher Wärmebrückenzuschlag ΔUWB von 0,21 W/m2K angesetzt werden muss. Wenn ein möglicher Feuchteeintrag über die bewitterte äußere

Abb. 1: Wärmebrückenberechnungen an der jeweils ungünstigsten Stelle bei 50 %, 40 %, 30 % r. F. (relative Feuchte). Rote Bereiche bedeuten Tauwasserausfall, orange Bereiche r. F. > 80 %, grüne Bereiche r. F. < 80 %

Schicht mittels einer dahinter liegenden Luftschicht verhindert wird, funktioniert dieser Fassadenaufbau auch weiterhin. Thermografieaufnahmen von Fassadenabschnitten dieser ungüns­ tigen Stellen liefern hierbei keine einfach zu interpretierenden Ergebnisse, da sowohl die Metalloberflächen der opaken Bauteile als auch die Fenster in geringerem Maß im Infrarot spiegeln. Die scheinbar extrem kalten Oberflächen der metallischen geschlossenen Fassadenflächen reflektieren hier jedoch nur den kalten Nachthimmel und teilweise bilden sich die etwas wärmeren Oberflächen der umgebenden Bäume ab. Auch die Aufnahmen der opaken, vorgehängten, hinterlüfteten Fassadenelemente aus Beton bieten keine aussagekräftigen Ergebnisse. Die im Winter kühle Luft hinterströmt diese Elemente, und der Wärmeverlust aus dem Gebäudeinneren kann nicht in Form höherer Oberflächentemperaturen detektiert werden. Obwohl die Fassade noch im Originalzustand erhalten ist und das Gebäude über keine maschinelle Lüftung oder Kühlung verfügt, weist das Dorlandhaus das gesamte Jahr einen akzeptablen thermischen Komfort im Innenraum auf. Bei einem jährlich simulierten Heizenergiebedarf von ­139  kWh/m²a pro m2 Nutzfläche (gesamter simulierter jährlicher Heizenergiebedarf: 868 MWh/a; gemessener Verbrauch im Jahr 2020/21: 851 MWh/a) weichen die Temperaturen in einem südwestorientierten Bürozimmer nur in zirka 9 % der Zeit von den Komfortansprüchen nach geltender DIN 16798-1 ab. Implementiert man in diesem Extremfall eine Nachtlüftung, so lassen sich auch hier der sommerliche Hitzestress beziehungsweise die Übertemperaturgradstunden (ÜTGS) zusätzlich um 43 % von 448 Kh/a auf 256 Kh/a reduzieren, bei gleichbleibendem Energiebedarf. Der Winterfall stellt dabei eine größere Herausforderung dar, und es zeigen sich deutliche Verbesserungen im ther­ mischen Komfort erst bei einer zusätzlichen Dämmung der opaken Fassadenflächen, beispielsweise mit 10 cm Holzfaserdämmplatten.

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Projekte

Die Belichtung mit Tageslicht lässt sich weiterhin als gelungen bezeichnen. Zugehörige Lichtsimulationen zeigen eine Versorgung mit Tageslicht, die auch heute noch angemessen wäre, da üblicherweise selbst bei einem Tageslicht­ quotienten von etwa 3 % die Anforderungen an Arbeitsplätze mit 500 lx auch bei bedecktem Himmel erreicht werden. Dies ist bis zu einer Raumtiefe von etwa ­3 m hinter der Fassade der Fall. Zonen mit Tageslichtquotienten bis etwa 2 %, wie an der Rückseite der Arbeitsräume, sind für Computerarbeitsplätze immer noch ausreichend. Eine exemplarische Berechnung für nordwestorientierte Büroräume mit Angabe der Tageslichtquotienten enthält Abb. 3. Komfortbereich DIN EN 16798-1

Komfortbereich DIN EN 16798-1

operative Innenraumtemperatur [°C]

Operative Innenraumtemperatur [˚C]

Top Stundenwerte im Ist- Zustand

Top Stundenwerte mit gedämmter Fassade

36 36 34 34 32 32 30 30 28 28 26 26 24 24 22 22 20 20 18 18 16 16 14 14

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Außentemperatur [˚C]

-5 -5

0 0

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Top Stundenwerte im Ist-Zustand

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25 25

30 30

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Top Stundenwerte mit gedämmter Fassade

Außentemperatur [°C]

2, 60 m

Abb. 2: Simulationsergebnis (Berechnung des Komfortbereichs nach DIN 16 798-1) der operativen Innenraumtemperaturen als Stundenwerte für den Istzustand (orange) und für das Szenario mit 10 cm Holzfaserdämmplatten (weiß). Der markierte Bereich zwischen den beiden schwarzen Linien beschreibt die empfohlenen thermischen Komfortgrenzen nach DIN 16 798-1

Abb. 3: Tageslichtsimulation, mit Angabe des Tageslichtquotienten D in % als Isolinien (das heißt Linien mit gleichen Werten für D entlang der Linien)

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Dorlandhaus/Haus der Werbung, Berlin

Kurzbiografien ROLAND GÖTTIG Roland Göttig studierte Physika­ lische Technik an der FH München sowie Architektur an der TU München (TUM). Er promovierte an der Fakultät für  Architektur mit dem Thema „Informa­tions­system für den architektonischen Planungsprozess auf Produktmodellbasis”. Roland Göttig war angestellt am FraunhoferInstitut für Bauphysik, Holzkirchen, in den Abteilungen ­Hygrothermik und Energiesysteme und an der Fakultät für Architektur, Computer Aided Architectural D ­ esign (CAAD) der TUM. Seit 2012 arbeitet er am Lehrstuhl für Bauphysik der TUM. Von 2012 bis 2021 war er European Research Officer für die Fraun­hofer-Allianz Bau und Mitglied des Steering Committees der European Construction Technology ­Platform (ECTP). Er beteiligte sich an mehreren Entwicklungsprojekten in Afrika zur Errichtung sozialer Einrich­tungen (unter anderem ­Kindergarten in Süd­afrika).

Gebäudetechnologie und klima­ gerechtes Bauen und seit 2021 am Lehrstuhl für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen (Prof. Dr. Werner Lang), sowohl in der Lehre als auch in diversen For­schungs­ projek­ten im Bereich thermischer Gebäudesimulation sowie biophysiologischer Datenerhebung und Analyse. Sebastian Koth nahm an verschiedenen Ausstellungen und Konferenzen mit raumklimatischen Installatio­nen und Präsentationen teil (Urbainable in Berlin 2019, Pop-up Campus in ­Aachen 2022, DGNB in Stuttgart 2022, SBE in Berlin 2022). ANICA MAYER Anica Mayer studierte an der TUM parallel Bauingenieurwesen und ­Berufsschullehramt. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit der Bauaufnahme und der bau­physika­ lischen Ertüchtigung denkmalgeschützter Bauten aus den 1950erJahren am Beispiel des Pellerhauses in Nürnberg. Anica Mayer arbeitet seit 2018 am Lehrstuhl für Bauphysik der TUM und ist dort im Forschungsfeld Climate Culture Building (CCB) tätig. Sie war Ansprechpartnerin am Lehrstuhl für Bauphysik für die Kooperation reused.TUM, die sich mit der Instand­haltung und Instandsetzung von historischen Bauten ­beschäftigt. Seit 2022 ist Anica Mayer am Bayerischen Landesamt für ­Denkmalpflege beschäftigt.

Architekturproduktion: Nutzung des Ins­tru­mentes der Diskursanalyse für den Denkmalschutz“, das DFG-­ Forschungsprojekt „Heritage-­ Management und Good-Practice bei der UNESCO-Weltkulturerbestätte Industriekomplex Z ­ eche Zollverein“ und das „OpenHeritage: Organizing, Promoting and Enabling ­Heritage Re-use through Inclusion, Technology, Access, Governance, and Empowerment (EU-Horizon 2020)“. Heike Oevermann ist Mitglied im Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., im International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) Deutschland, in The International Committee for Industrial Heritage (TICCIH) sowie in der Association of Critical Heritage Studies, Bauhaus-Institut der Geschichte und Theorie der Architektur und der Planung.

ANDREAS PUTZ Andreas Putz studierte Architektur an der TU Dresden, University of Edinburgh und ETH Zürich mit anschließenden beruflichen Stationen in Basel und Dresden. Ab 2009 war er ROUVEN GROM Rouven Grom studierte Architektur verantwortlich für den Umbau des an der TUM, an der Aalto University ehemaligen Kaufhaus S ­ chocken von in Helsinki und an der Hochschule Erich ­Mendelsohn in Chemnitz. ZwiDarmstadt. 2019 schloss er sein schen 2011 und 2015 arbeitete er als Masterstudium in München mit dem wissen­schaftlicher Assistent und Master of Arts in Architektur ab. Seit Doktorand am Institut für Denkmalpflege und Bau­forschung (IDB) der 2020 promoviert Rouven Grom an ETH Zürich. 2016 wurde seine der Professur für Neuere Baudenk­Dissertation zu Leitbildern und malpflege (Prof. Dr. Andreas Putz) HEIKE OEVERMANN ­Praktiken der Erhaltung der Zürcher über Fassadensysteme der Nachkriegszeit. Er arbeitete in verschiede- Heike Oevermann vertritt aktuell ­Altstadt zwischen 1930 und 1970 nen Architekturbüros in Würzburg, den Lehrstuhl für D ­ enkmalpflege und mit dem Theodor-Fischer-Preis des Stuttgart, München und Zürich, dar- Bauen im Bestand an der Technischen Zentral­instituts für Kunstgeschichte unter Lamott + Lamott Freie ArchiUniversität Wien. Sie vertrat die ­München ausgezeichnet. 2018 wurde Andreas Putz auf die Professur tekten und EM2N Architekten. 2020 ­Professur Denkmal­pflege an der Otto-Friederich-­Universität Bamberg für Neuere Baudenkmalpflege an bearbeitete Rouven Grom das Forschungs­projekt „Findbuch Josef der TUM berufen. 2022 wurde er mit im akademi­schen Jahr 2021/2022 und hat eine Dozentur an der AHO Gartner“ als Research Fellow der einem Starting Grant des European Research Council (ERC) ausgein Oslo, Norwegen. Sie war stell­ Wüstenrot Stiftung. Seit 2021 ist er zeichnet. Er ist Mitglied im Deutwissenschaftlicher Mitarbeiter an vertretende Direktorin am Georgder Professur für Neuere Baudenk- Simmel-Zentrum für Metropolenfor- schen Nationalkomitee von ICOMOS, malpflege der TUM. bei DOCOMOMO, der Koldewey-­ schung der Humboldt-Universität Gesellschaft, der Gesellschaft für zu Berlin und lehrt an der BauhausSEBASTIAN CLARK KOTH Universität Weimar (Venia Legendi). Bautechnikgeschichte und im VorSebastian Koth absolvierte 2019 Ihre Forschungsschwerpunkte sind stand des Arbeitskreises Theorie die Studiengänge Architektur und die jüngere Stadtbaugeschichte, und Lehre der Denkmalpflege. Seit das städtische Erbe, Industrieerbe, 2021 Ressourceneffizientes und 2022 ist er Mitglied des internationaNachhaltiges Bauen an der TUM. Seit Heritage Studies und die Denkmallen wissenschaftlichen Beirats 2022 promoviert S ­ ebastian Koth am pflege. Auf­bauend auf dem Studium des Leibniz-Forschungsverbunds der Architektur an der TU BraunLehrstuhl für Gebäudetechnologie „Wert der Vergangenheit“. schweig und der ETSA Sevilla, mehrund Klimagerechtes Bauen (Prof. jährigen Erfahrungen in der planeri- HANNE RUNG Dipl.-Ing. ­Thomas Auer) im Bereich thermischen Komforts mit Fokus auf schen Praxis als Architektin und dem Hanne Rung absolvierte 2004 ihr ­Studium der Architektur und Stadt­ Studium World Heritage Studies an die Energieein­sparungspotenziale der BTU Cottbus ist Heike Oevermann planung an der Universität Stuttgart ­raumklimatischer Behaglichkeit in seit vielen Jahren in Forschung und sowie der Universidade do Porto. Sie passiven Gebäude­t ypologien. ­Praktische Erfahrung im Bereich war Art-Director der Fachzeitschrift Lehre national und interna­tional architektonischer Machbarkeits­ ­tätig. Einige ihrer Forschungsprojekte „Metamorphose – Bauen im Bestand“ sind das DFG-Forschungsprojekt und arbeitete an verschiedenen Pubstudien machte Sebastian Koth im Büro Allmann Sattler Wappner Archi- „Historische Industriearchitektur likationen und Ausstellungen, unter tekten zwischen 2018 und 2019. und divergierende Ziele von Stadtanderem für frei 04 publizistik und Seit 2019 arbeitet er am Lehrstuhl für entwicklung, Kreativwirtschaft und Auer & W ­ eber Assoziierte. 2011/12

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Kurzbiografien

war Hanne Rung wissenschaftliche ­Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Städte­bau und Regionalplanung der TUM (Forschungsprojekt: Kunstareal München) und zwischen 2012 und 2020 Head of Communication (Aka­ demische Rätin 2017–2020) an der ­Fakultät für Archi­tektur, TUM. Sie ist Jurymitglied in verschiedenen Wettbewerben, unter anderem dem Preis der Stadt München ­(2016 und 2018), Kategorie Architektur. Seit 2016 ist Hanne Rung in der Stadtplanerliste der Bayerischen Architektenkammer eingetragen. Sie arbeitet zudem als freie Kuratorin und Ausstellungsgestalterin, unter anderem am Architekturmuseum der TUM in der Pina­kothek der Moderne, am MARKK Hamburg und für die IBA ­Thüringen. Von 2016 bis 2018 kuratierte sie die Zwischenpräsentation der IBA Heidelberg – Das Wissen der Stadt. Sie ist verantwortlich für die Studie zu „Elective affinities – Wahl­ verwandtschaften: Wissensstädte im Vergleich“ (Heidelberg, Cambridge, Lund, Leuven, Stanford). Von 2020 bis 2022 hatte Hanne Rung einen Forschungsauftrag an der Professur für Neuere Baudenkmalpflege der TUM. Von ihr stammt die Studie zu „Potentialanalyse des Bauvolumens von Bürohochhäusern (1950–1985)“. Seit 2023 ist Hanne Rung Teil des Forschungsbereichs Denkmalpflege und Bauen im Bestand an der TU Wien. ANJA RUNKEL Anja Runkel studierte Architektur an der HTWK Leipzig. Zunächst war sie als angestellte Architektin in ­Leipzig, später frei­beruflich im Ruhrgebiet tätig. Seit 2007 ist sie Geprüfte Planerin für Baubiologie (VDB), ar­beitete im Sachverständigen­büro Richardson in Witten an der Ruhr im Bereich der chemischen und ­mikrobiologischen Innenraumschadstoffe sowie bei der SakostaCAU München im Fach­ bereich Gebäudeschadstoffe, Baufeldfreimachung, Gebäuderückbau und Nachhaltiges Bauen im ­Bestand. Seit 2019 ist Anja Runkel wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Neuere Baudenkmal­pflege der TUM. Sie ist Sachkundige gemäß TGRS 519, Anlage 3 (Asbest Abbruch-, Sanierungs- und Instand­ haltungsarbeiten), BGR 128/DGUV Regel 101-004 (Sicherheit und ­Gesundheit bei der Arbeit in konta­ minierten Bereichen) sowie TÜV-­ zertifizierte Sachverständige für Feuchte- und Schimmelschäden.

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Literaturverzeichnis Projekte

SCHWEIZER NATIONAL-HAUS, FRANKFURT AM MAIN 1962–1964, MAX MEID, HELMUT ­ROMEICK, HELMUT SIEGERT, PLÄRRERHOCHHAUS, NÜRNBERG 1952–1954, WILHELM SCHLEGTENDAL, ­SANIERUNG 2006 •  Kalender Josef Gartner, ­SANIERUNG 2016 UND 2018, Gundelfingen /Donau, 25.–28. KNERER LANG ­August 1963, 24.–30. Januar 1965, • Hart, Franz: Skelettbauten, 2.–8. Januar 1966. ­München 1956, S. 35–37. •  [s.  n.]: Plärrer-Hochhaus, Nürnberg, • [s.n.]: Nationalhaus in Frankfurt / Main, in: Baumeister 62 in: Deutsche Bauzeitschrift 5 (1957) Heft 2, S. 142–143. (1965) Heft 1, S. 25–28. • Deutsche Bauzeitschrift (Hg.): • Rimpl, Herbert: Verwaltungs­ ­Verwaltungsbauten. DBZ-Bau­ bauten, Berlin 1959, S. 181–183. fachbücher 4, Gütersloh 1972, • Lorenz, Heinz G.: Geschützter Charme der Fünfziger, in: S. 135–139. ­Stone­plus (2006) Heft 1, S. 18–19. • Böhm, Simon: Es werde Grün! • N-ERGIE Aktiengesellschaft (Hg.): Schweizer National Versicherung, Hochhaus am Plärrer. Dokumen­ Frankfurt am Main, in: Metamorphose (2007) Heft 3, S. 28–33. tation der Kernsanierung, • Schott, Karlotto: Nur mit Fein­ ­Nürnberg 2019. gefühl. Die Sanierung denkmal­ • Sanierung Plärrer-Hochhaus geschützter Hochhausfassaden ­Nürnberg, https://www.detail.de/ ­bedarf der technischen und optiartikel/sanierung-plaerrer-hochschen Obhut, in: Deutsches Ingenihaus-nuernberg [Abrufdatum eurBlatt 19 (2012) Heft 4, S. 18–24. 26. April 2021]. • Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundes­republik COMMERZBANK-HOCHHAUS, Deutschland (Hg.): Zwischen DÜSSELDORF Scheibe und Wabe. Verwaltungs1959–1962, PAUL SCHNEIDER-­ bauten der Sechzigerjahre als ESLEBEN, JÜRGEN RINGEL, DIETER Denkmale. Berich­­te zu Forschung HOOR, SANIERUNG 2018–2020 HPP und Praxis der Denkmalpflege in • Kalender Josef Gartner, Deutschland 19, Wiesbaden 2012, Gundelfingen /Donau, 21. April – S. 88–89. 25. Mai 1963, 12. Januar, 14. Juni – 27. Juni 1964. HAHN-HOCHHAUS, STUTTGART • Schneider-Esleben, P.: Verwal1958 –1966, ROLF GUTBROD tungshochhaus der Commerz• [s.  n.]: Hahn-Hochhaus, Stuttgart, bank, Düsseldorf, in: Bauen+ in: Deutsche Bauzeitung 100 ­Wohnen 17 (1963) Heft 8: (1966) Heft 4: Büro- und GeschäftsBüro- und Verwaltungsbauten, häuser, S. 263–267, 282. S. 344–347, Konstruktionsblatt. • Jahnek  /Rühlemann: Neubau  eines • [s.  n.]: VW-Hahn-Hochhaus in ­Stuttgart, in: Deutsche BauzeitBürogebäudes der Commerzbank schrift 15 (1967) Heft 1, S. 47–50. AG, in Der Monierbauer: Mitteilungen für Betriebsangehörige und • Hoffmann /Griese /Meyer-Bohe: Freunde unseres Hauses (1963) Fassaden. Die Bauelemente Band Heft 5, S. 2–6. V. Stuttgart 1973, S. 7, 20. • [s. n.]: Commerzbank in Düsseldorf, • Schmitt, Karl Wilhelm  /Gutbrod, in: Bauwelt 55 (1964) Heft 27, Rolf: Bauten in Stuttgart. Ausstellung in der Architektur-Galerie am S. 718–719. ­Weißenhof, Stuttgart, 4.10. – 2.12. • Kalender der Firma Josef Gartner, 1990. Stuttgart 1990. Gundelfingen /Donau, 25. Mai – • Lupfer, Gilbert: Architektur der 14. Juni 2020. fünfziger Jahre in Stuttgart. • Hoffmann /Griese /Meyer-Bohe: Fassaden. Die Bauelemente ­Tübingen 1997. Band V. Stuttgart 1973, • Langsdorff, Maja: Klimatisierte S. 140–141. Großraumbüros sind out, in: • Lepik, Andres  /Heß, Regine: ­Stuttgarter Zeitung, 1997. Paul Schneider Esleben. Architekt, • [s. n.]: In die Jahre gekommen, in: Ostfildern 2015, S. 134–137. Deutsche Bauzeitung 132 (1998) • Commerzbank-Hochhaus wird Heft 3: Büro, S. 104–108. Hotel, https://www.bba-online.de/ • Dongus, Margot: Rolf Gutbrod. news/commerzbank-hochhausStudien über das Leben und Werk wird-hotel-umnutzung/#slider-­ des Architekten, Tübingen 2002. intro-1 [Abrufdatum: 24. August • Landesamt für Denkmalpflege im 2021]. Regierungspräsidium Stuttgart: Beton, Glas und Büffelleder. Verwalten in Denkmalen der 1960er und 1970er Jahre im Regierungsbezirk Stuttgart. Arbeitsheft 30, Darmstadt 2014, S. 40–45. Literaturverzeichnis Projekte

DORLANDHAUS / HAUS DER WERBUNG, BERLIN 1963–1966, ROLF GUTBROD, ­SANIERUNG 2016 • [s. n.]: Haus der Werbung, Berlin, in: Deutsche Bauzeitung 69 (1964) Heft 10, S. 801–802. • [s. n.]: Haus der Werbung, in: Hochtief Nachrichten 41 (1968), S. 2–6. • Kalender Josef Gartner, Gundelfingen / Donau, 9. –15. Juni 1968. • Rave, Rolf/Köfel, Hans-Joachim: Bauen seit 1900 in Berlin, Berlin 1968, Nr. C 6. • Architekten- und Ingenieur-­Verein zu Berlin (Hg.): Berlin und seine Bauten. Industriebauten, Büro­ häuser. Band 9, Berlin u. a. 1971, S. 176–178, 212–214. • Hoffmann /Griese /Meyer-Bohe: Fassaden. Die Bauelemente. Band V. Stuttgart 1973, S. 130. • Peters, Paulhans (Hg.): e+p Verwaltungsbauten. Band 10, München 1973, S. 110. • Börsch-Supan  /Börsch-Supan  / Kühne / Reelfs: Kunstführer Berlin, Stuttgart 1991, S. 249. • Wörner /Mollenschrott /Hüter / Sigel: Architekturführer Berlin, Berlin 2001, S. 328. • Dongus, Margot: Rolf Gutbrod. Studien über das Leben und Werk des Architekten, Tübingen 2002. • Hillmann, Roman: Die Erste ­Nachkriegsmoderne. Ästhetik und Wahrnehmung der west­ deutschen Architektur 1945-63, Petersberg 2011, S. 243. • Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Zwischen Scheibe und Wabe. Verwaltungsbauten der Sechzigerjahre als Denkmale. Berichte zu Forschung und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland 19, Wiesbaden 2012, S. 112–114. • Derenbach, Rolf: Exemplarische Bauwerke des Architekten Rolf Gutbrod in der Orientierungsphase des Bauens 1950 bis 1970, Berlin 2018.

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Plangrundlagen

Plangrundlagen PLÄRRERHOCHHAUS, NÜRNBERG • Baumeister : das Architektur-­ Magazin 52 (1954) Heft 12, ­Tafel 108, zu S. 792. • Rimpl, Herbert: Verwaltungs­ bauten, Berlin 1959, S. 182. • Knerer und Lang, Dresden. ­Bauteil 1 Erdgeschoss Ausbau. Plan-Nr.: 300-002-050, 2016; ­Bauteil 1 10. Obergeschoss ­Ausbau. Plan-Nr.: 300-013-050, 2016; Bauteil 1 Schnitt O/P-O/P. Plan-Nr.: 300-103-050, 2016; ­Detail Fensterrahmen Stahl. ­Plan-Nr.: 300-301-02A, 2016; ­Detail Brüstung. Plan-Nr.: 300301-02B, 2016; Detail Typ 1 Schwingfenster Stahl. Plan-Nr.: 300-301-020, 2016. COMMERZBANK-HOCHHAUS, DÜSSELDORF • Archiv des A.M. München. Querschnitt. Sig.: schnee-84-34, 1963; Grundriss EG. Sig.: schnee-84-36, 1961; Grundriss OG. Sig.: schnee-84-39, 1962. • Planarchiv Josef Gartner, Gundelfingen /Donau. Höhen- und Querschnitt. Blatt-Nr.: 40040/20a, 1962. (1., 2. + 3. Aufnahme) • HPP Architekten, ­Düsseldorf. GR 001 Grundriss ­Erdgeschoss. Plan-Nr.: HH_HPP_ARC_00_4_GR_ E0_001_0_b_P, 2018; GR 041 Grundriss 4. Obergeschoss. PlanNr.: HH_HPP_ARC_00_4_GR_E4_ GR_E4_041_0_c_P, 2018; Schnitt A-A. Plan-Nr.: HH_HPP_ARC_00_4_ SN_AA_102_0_c_P, 2018. • Josef Gartner, ­Gundelfingen/ Donau. Hochhausfassade Vertikalschnitt, Standard. Zeichnungs-Nr.: F01-V-001, 2018. SCHWEIZER NATIONAL-HAUS, ­FRANKFURT AM MAIN • DAM-Archiv, Frankfurt am Main. ­Situationsplan, 1961; Erdgeschoss. Plan-Nr.: A12/1, 1962; Normalgrundriss 11. OG. Plan-Nr.: A1, 1961. • Planarchiv Josef Gartner, Gundelfingen /Donau. Normaler Höhenschnitt mit Sturz und Brüstungsanschluss. Blatt-Nr.: 32109/7, 1962. • Ifft Institut für Fassadentechnik Karlotto Schott, Frankfurt am Main. Deckenschnitt – Regelschnitt. Plan-Nr.: LD-11-04.2A, 2004. • Böhm, Simon: Es werde Grün! Schweizer National Versicherung, Frankfurt am Main, in: Metamorphose (2007) Heft 3, S. 30. • BGF Architekten, Wiesbaden. ­Plansatz Grundrisse, 2014.

HAHN-HOCHHAUS, STUTTGART • saai Karlsruhe am KIT. Werkarchiv Rolf Gutbrod. Erdgeschoss. Sig.: GUTB_#191_EG, 1963; 2.-11. Obergeschoss. Sig.: GUT_#191_6650F; Hochgarage – Hahn, Querschnitt – Hochhaus. Sig.: GUTB_#191_Querschnitt, 1962; Konvektorenverkleidung. Sig.: GUTB_#191_6_D11, 1963; Hochhaus Hahn Alufenster Schemadetails. Nr.: GUTB_#191_6–D5, 1962. • Deutsche Bauzeitung db 100 (1966) Heft 4, S. 282, db-Detail Nr. 178: Fassadenschnitt. • Architektengruppe Kist Koop ­Fehmel Waldmann, Stuttgart. ­Erdgeschoss. Plan-Nr.: 287-317, 1995; 4. Obergeschoss. Plan-Nr.: 287-321, 1995; Hochhaus ­Friedrichstraße 10, Sanierung ­Aluminium-Fassade, Vorhandenes Fenster. Angebot-Nr.: 5.4\046, Zeichnungs-Nr.: 0001, 1994. DORLANDHAUS /HAUS DER WERBUNG, BERLIN • Planarchiv Dorland-Haus, Berlin. Grundstücksflächenplan. Plan-Nr.: 217, 1964; Erd­geschoss. Plan-Nr.: 102, 1964; Schnitt. Plan-Nr.: 118b, 1964; 1.-7. Obergeschoss. ­Plan-Nr.: 224, 1965; Turmaufbau ­Schnitte. Plan-Nr.: 198ab, 1965; Fassadendetail. Plan-Nr.: 122c, 1966. • Planarchiv Josef Gartner, Gundelfingen / Donau. Höhen- und Querschnitte, Klappflügel mit Oberlichtöffner. Blatt-Nr.: 500380/30B, 1965; Eckbefestigung – Brüstung. Blatt-Nr.: 500380/13A, 1964; Normal­befestigung – Sturz. BlattNr. 500380/6, 1964. • Hoffmann /Griese / Meyer-Bohe: Die Bauelemente V. Fassaden. Form und Detail von Außenwänden und Außenwandbekleidungen, Stuttgart 1973, S. 130.

S. 61 Mitte + unten DIN 5304:1959-11 S. 62 oben DIN EN 17 037:2022, DIN EN 12 464:2021 Cover saai | Archiv für Architektur S. 62 unten + S. 64 Roland Göttig, und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, Werkarchiv Rolf Gutbrod / Fotografie: Anica Mayer, Sebastian Koth S. 67 HENN Architekten. Abb.: Reinhard Friedrich HVB-Tower, früher Hypo-Hochhaus, S. 6 Andreas Putz, 2023 München S. 9 Walter Moog. Abb.: Dreischeibenhaus, Düsseldorf, 1969 S. 68 oben Hannes Wiedemann S. 10 HPP Architekten S. 68 unten + S. 69 HENN Architekten S. 13 Reinhard Friedrich S. 71 asp Architekten S. 14 Ralph Richter S. 72 HENN Architekten S. 15 rechts Sigurd Steinprinz S. 74 LXSY Architekten, ­ S. 15 links Hans-Günther Suderow Studio bowie S. 79 HENN Architekten S. 16 rechts Hagen Stier S. 80 links + rechts LXSY Architekten S. 16 links Robert Häusser S. 82 Isabel Mühlhaus S. 17 Manfred Hanisch S. 83 © Oliver Heissner. Abb.: S. 19 Archiv StWN / N-ERGIE. Abb.: Plärrerhochhaus, Nürnberg Siemens-Hochhaus, München S. 21 + 22 © Jens Weber S. 89 + 91 strobo B M S. 23 + 24 strobo B M S. 94 Archiv StWN / N-ERGIE S. 26/27–29 © Jens Weber S. 95 Stefan Meyer, Nürnberg S. 31 Inge-Goertz Bauer, Archiv S. 97 oben Archiv StWN / N-ERGIE Josef Gartner. Abb.: CommerzbankS. 97 unten Stefan Meyer, Nürnberg Hochhaus, Düsseldorf, 1963 S. 98 unten + S. 99 © Jens Weber S. 34 strobo B M S. 102 Rouven Grom S. 35 Aluminium-Zentrale Düssel- S. 103 Knerer und Lang Archi­ dorf (Hg.): Bauen mit Aluminium tekten S. 106 Archiv: Claudia Schneider1966/67. Jahrbuch. Band 2, Düsseldorf 1967, S. 19 –22. Esleben S. 36 unbekannt, veröffentlicht in S. 107 oben + S. 108/109  © Jens Deutsches IngenieurBlatt 19 (2012) Weber Heft 4, S. 19. S. 112 oben Archiv: Claudia S. 37 Mitte unbekannt, veröffent­Schneider-Esleben licht in Deutsches IngenieurBlatt 19 S. 113 oben Archiv: Claudia (2012) Heft 4, S. 24. ­Schneider-Esleben S. 37 unten DBZ „Fassade“ 63 (2015) S. 113 unten Ralph Richter Heft 9, S. 48 S. 119 oben Institut für Stadt­ S. 38 rechts oben Sigrid Neubert geschichte Frankfurt, Foto: Walter S. 38 Mitte oben Kalender der Schröder-Kiewert ­Firma Josef G ­ artner 1985, 31. Dezem- S. 119 unten © Jens Weber ber 1984 – 6. Januar S. 120 Baumeister Januar 1965, S. 38 links oben Sigrid Neubert S. 28 S. 38 rechts unten HG Esch S. 122 oben  Institut für Stadt­ S. 38 Mitte unten Thomas Wolf geschichte Frankfurt S. 38 links unten SAA Schweger S. 122 unten + S. 123  © Jens Weber Architekten GmbH S. 126 /127 Institut für Stadt­ S. 39–42 strobo B M geschichte Frankfurt, S7C Nr. 2006– S. 43 Andreas Putz, 2023 252, Klaus Meier-Ude S. 45 links + rechts Anja Runkel, S. 128 /129 Rouven Grom 2022 S. 132 © Jens Weber S. 47 strobo B M S. 133 oben saai | Archiv für S. 48 Werbeanzeige Pyromors, ­Architektur und Ingenieurbau, KIT, aus: Baumeister Juni 1960 Karlsruhe, Werkarchiv Rolf Gutbrod S. 49 saai | Archiv für Architektur S. 134 oben + unten  Hahn Gruppe und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, 2023 Werkarchiv Rolf Gutbrod, Foto: S. 135 © Jens Weber ­Reinhard Friedrich S. 136 saai | Archiv für Architektur S. 50 strobo B M und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, S. 51 Werbeanzeige Thiokol Werkarchiv Rolf Gutbrod ­Gesellschaft mbH, aus: db deutsche S. 138 oben © Jens Weber Bauzeitung; Ausgabe 04.1962 S. 138 unten saai | Archiv für S. 52 + 53 strobo BM ­Architektur und Ingenieurbau, KIT, S. 55 Archiv StWN / N-ERGIE. Karlsruhe, Werkarchiv Rolf Gutbrod Abb.: Plärrerhochhaus, Nürnberg S. 140 + 141 Rouven Grom S. 57 + 58 DIN 4108:1952-07 S. 144 saai | Archiv für Architektur S. 60 rechts Roland Göttig, Anica und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, Mayer, Sebastian Koth Werkarchiv Rolf Gutbrod, Foto: S. 60 Roland Göttig, Anica Mayer, ­Reinhard Friedrich Sebastian Koth S. 145 saai | Archiv für Architektur S. 61 oben DIN 4109:1952, und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, DIN 4109:2016 Werkarchiv Rolf Gutbrod Bildnachweis

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Bildnachweis

S. 146 saai | Archiv für Architektur und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, Werkarchiv Rolf Gutbrod, Foto: ­Reinhard Friedrich S. 148 /149 © Jens Weber S. 150 oben saai | Archiv für ­Architektur und Ingenieurbau, KIT, Karlsruhe, Werkarchiv Rolf Gutbrod, Foto: Reinhard Friedrich S. 151 oben + unten  © Jens Weber S. 153 © Jens Weber S. 154 + 155  Rouven Grom Alle Planzeichnungen Professur für Neuere Baudenkmalpflege (TU München)

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PROJEKTPARTNER: Josef Gartner GmbH GESTALTUNG: strobo B M (Matthias Friederich, ­Julian von Klier, ­Sabrina Baumann), DE–München HERSTELLUNG / DTP: Roswitha Siegler REPRODUKTION: ludwig:media, AT–Zell am See DRUCK UND BINDUNG: Gutenberg Beys Feindruckerei, ­DE–Langenhagen PAPIER: Peydur lissé 270 g (Umschlag), Agrippina Offset 120 g (Innenteil) © 2023, erste Auflage DETAIL Business Information GmbH, DE–München, detail.de ISBN 978-3-95553-615-2 (Print) ISBN 978-3-95553-616-9 (E-Book) Dieses Produkt wurde aus Mate­ rialien hergestellt, die aus vor­ bildlich bewirtschafteten, FSC®-­ zertifizierten Wäldern und anderen kontrollierten Quellen stammen.

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TITELFOTO: Reinhard Friedrich Abb.: Dorlandhaus, Berlin DANKSAGUNG: Die vorliegende Publikation ist das Ergebnis eines Forschungsvorhabens, das durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Innovationsprogramm ZukunftBau, gefördert wurde (Aktenzeichen: Az. SWD-10.08.18.7-20.27). Durchgeführt h ­ aben es der Lehrstuhl für Bau­physik, Prof. Dr. Klaus Sedlbauer, der Lehrstuhl für Gebäude­ technologie und klima­gerechtes Bauen, Prof. Thomas Auer, sowie die Professur für Neuere ­Baudenkmalpflege, Prof. Dr. Andreas Putz, an der Technischen Universität München. Alle gezeigten Fallbeispiele weisen Fassaden von Josef Gartner auf, die sich teils noch heute in ausgezeichnetem Zustand befinden. Die Herausgeber sind der Firma besonders dankbar für die großzügige Unterstützung und Möglichkeit, Einsicht in die originalen Werkpläne zu nehmen. Ein ganz ­besonderer Dank gebührt allen ­Beteiligten, die diese Publi­kation möglich gemacht haben: dem Forschungsteam, den Projektpartnern und dem Verlag Detail.