Historisch-kritische Ausgabe des lateinischen Textes 9783412329389, 3412155047, 3412154040, 9783412155049

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Historisch-kritische Ausgabe des lateinischen Textes
 9783412329389, 3412155047, 3412154040, 9783412155049

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B A U S T E I N E ZUR SLAVISCHEN PHILOLOGIE U N D KULTURGESCHICHTE N E U E FOLGE Begründet von HANS-BERND HARDER ( f ) und HANS ROTHE Herausgegeben von KARL GUTSCHMIDT, ROLAND MARTI, PETER THIERGEN, LUDGER UDOLPH und BODO ZELINSKY

Reihe B: EDITIONEN Band 20, 1

Aeneas Silvius Piccolomini

Historia Bohemica Herausgegeben von Joseph Hejnic und Hans Rothe

Band 1: Historisch-kritische Ausgabe des lateinischen Textes Besorgt von Joseph Hejnic, mit einer deutschen Übersetzung von Eugen Udolph

§ 2005 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Die „Weltkarte" (Ausschnitt). Aus: Hartmann Schedel, Liber cronicarum 1493. © 2005 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Telefon (0221) 91 39 00, Fax (0221) 91 39 011 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Gedruckt auf säurefreiem Papier Satz: Euroslavica, Prag Druck und Bindung: Druckerei Runge GmbH, Cloppenburg Printed in Germany ISBN 3-412-15504-7 (Band 1) ISBN 3-412-15404-0 (Gesamtwerk)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

IX

I. Leben und Zeitzeugnisse 1. Lebenslauf 2. Testimonia a. Piatina Ubersetzung b. Campanus Ubersetzung

Ol Ol 03 03 020 035 063

c. Trithemius d. Stella II. Der Historiker und seine Quellen 1. Eneas Kenntnis von Böhmen 2. Historiographische Werke Eneas und Zitate aus ihnen in der Historia Bohemica

091 093 095 095 0100

a. Werke 0100 b. Zitate aus früheren Werken in der Historia Bohemica. . . . 0101 1) Aus Degestis concilii Basiliensis (1439/1440; 1450) 0102 2) Aus De ortu et auctoritate imperii romani (1446) 0103 3) Aus De viris illustribus (1440/1450) 0103 4) Aus In libros Antonii Panormitae commentarius (1445/46). 0103 5) Aus Briefen 0104 c. Zitate aus der Historia Bohemica in der Europa (1458). . . . 0107 d. Historia Austrialis (1453-1458) und Historia Bohemica . . . . 0109 3. Die Historia Bohemica und ihre Qiiellen 0113 a. Geographen der Antike und ihre Nachfolger (Hieronymus Camaldulensis) 0113 b. Piaton 0115 c. Lukian und Sallust 0116 d. Anknüpfung an Kirchenväter 0119 e. Italienische zeitgenössische Historiker 0120 f. Böhmische Historiker 0123

VI

Josef Hejnic - Hans Rothe

III. Handschriften und Redaktionen 0127 1. Die Handschriften und Inkunabeln 0127 2. Nähere Bestimmung der Handschriften 0130 3. Wechselbeziehungen der italienischen und spanischen Handschriften 0158 1 2 a. R und R 0158 1 3 b. R und R 0161 2 3 4 c. R , R und R 0162 4. Die Wiener Handschriften 0168 2 a. W (ÖNB 3399) 0168 4 b. W (ÖNB 3366) 0170 5. Zum Titel 0186 6. Die einzelnen Redaktionen 0188 a. Die erste Redaktion (α) 0189 b. Die zweite Redaktion (ß) 0191 c. Die dritte Redaktion (γ) 0192 7. Incipits und Explicits 0193 8. Gliederung des Textes nach Kapiteln in der Baseler Inkunabel (b) 0196 9. Zur Orthographie 0204 10. Zur Frage der Marginalglossen 0206 IV. Zur Wirkung der Historia Bohemica 0208 1. Die Historia Bohemica im Urteil der böhmischen Humanisten 0208 2. Das Nachleben der Historia Bohemica 0213 a. Ausgaben der Historia Bohemica im 15. bis 18. Jahrhundert 0213 b. Ubersetzungen 0216 c Die neuere Forschung seit Palacky 0217 d. Die Prager Ausgabe 1998 0222 V. Enea Silvio - Pius II.: Böhmen und das Imperium 0224 1. Adressaten und Idee der Historia Bohemica 0224 2. Eneas Reichsschriften 0228 3. Böhmen als Provinz der Germania nova 0231 4. Deutsche, Tschechen und das Imperium 0234 5. Das Reichsdenken des Enea-Pius 0240 6. Die Kritik an dem Haus Luxemburg in der Historia Bohemica. 0244

Einführung

VII

7. Kaiser Friedrich III

0247

8. Enea und Böhmen Schlußbemerkung

0249 0255

Bibliographie

0256

Historia Bohemica Register

1 629

Vorwort Die vorliegende Ausgabe ist eine Folge der vier deutsch-tschechischen Humanismus-Konferenzen, die 1985 bis 1993 durchgeführt wurden 1 , wobei die Deutsche Forschungsgemeinschaft - Bonn großzügige Unterstützung gewährte. Von Anfang an und in allen vier Konferenzen hatte Enea Silvio de' Piccolomini eine herausragende Rolle gespielt. In Marburg/L. wurde 1986 erstmals Uber die kritische Ausgabe der ,Historia Bohemica' berichtet und specimina für sie vorgelegt.2 Bei dieser Gelegenheit bildete sich eine Arbeitsgruppe, die diese Ausgabe in Angriff nahm. Ihr gehörten an: Hans-Bernd Harder (f), Josef Hejnic und Hans Rothe für Textkonstitution, kritischen Apparat und Kommentare; Oberstudienrat Eugen Udolph - Warburg übernahm die Ubersetzung des lateinischen Textes ins Deutsche; Jaroslav Kolar betreute die älteste tschechische Ubersetzung (1487) von Jan Hüska, Vaclav Bok die älteste deutsche Ubersetzung (1464) von Peter Eschenloer. Es wurden im Laufe der Jahre 39 nachgewiesene Handschriften der Historia Bohemica als Mikrofilm beschafft, dazu von den beiden Inkunabeln (Rom 1475, Basel 1489) und mehreren Altdrucken. Die Fritz Thyssen-Stiftung Köln gewährte von 1992-1995 großzügige Förderung der erforderlichen Studien und Arbeiten. Frau Veronika Weiß - Bonn hat die tschechischen Teile, Enno Coltzau - Bonn die lateinischen Testimonia ins Deutsche übersetzt. Die Druckvorlage wurde im Verlag Euroslavica, Prag, von Frau Bozena Duskova, Dr. Vladimir Kriz und Petr Dvoracek erstellt. Allen Helfern und Institutionen sei an dieser Stelle aufrichtig gedankt. Die erste vom 2. bis 7. September 1985 im Kloster Walberberg bei Brühl, veröffentlicht als Studien zum Humanismus in den böhmischen Ländern (Schriften des Komitees der Bundesrepublik Deutschland zur Förderung der slawischen Studien Bd. 11), Köln (Böhlau) 1988. - Die zweite im September 1986 in Marburg/L.: Studien ... Ergänzungsheft (Schriften Bd. 13), Köln (Böhlau) 1991. - Die dritte vom 26. bis 30. März 1990 in Liblice bei Prag: Studien ... Teil III: Die Bedeutung der humanistischen Topographien und Reisebeschreibungen in der Kultur der böhmischen Länder bis zur Zeit Balbtns (Schriften Bd. 17) Köln (Böhlau) 1993. - Die vierte im Juli 1993 in Passau: Später Humanismus in der Krone Böhmen. Studien ... Teil TV (Schriften zur Kultur der Slaven. Neue Folge der MAISK-Schriften 3/22), Dresden (DUP) 1998. Sämtlich hrg. von Hans-Bernd Harder und Hans Rothe unter der Mitwirkung von Jaroslav Kolär und Slavomir Wollman. 1

2

Hans Rothe 1991 in Ergänzungsheft (wie Anm. 1) S. 2948.

I. Leben und Zeitzeugnisse 1. Lebenslauf 1 Enea Silvio wurde am 18. Oktober 1405 als Sohn des verarmten Adeligen Silvio aus dem alten Geschlecht der Piccolomini und der Vittoria aus dem Geschlecht der Forteguerri in Corsignano (heute Pienza) geboren. Die erste Bildung erhielt er in dem nahen Siena, später (1429-1430) bei dem Humanisten Francesco Filelfo (1398-1481) in Florenz. Humanistische Studien standen im Vordergrund, juristische ergänzten sie. 2 Kardinal Domenico Capranica (1400-1458), damals antirömisch gesonnen, nahm ihn 1431 als Sekretär auf das Konzil von Basel mit, das am 23. Juli 1431 eröffnet worden war. Beim Konzil war er bis Ende 1442 tätig und hat in diesen Jahren sechsmal seinen Herrn gewechselt. Am 4. Januar 1433 sah er hier die Ankunft der hussitischen Delegation. Im Auftrag des Kardinals Niccolo Albergati (1375-1443) reiste er 1435 nach Schottland. In Erfüllung eines Gelübdes, das er in Seenot getan hatte, pilgerte er in Winterszeit barfuß zum nächsten Marienheiligtum, wobei er die Füße erfror. 1440 wurde er Sekretär des Gegenpapstes Felix V. (Amadeus VIII. von Savoyen, 1383-1451), an dessen Wahl 1439 er beteiligt war. In diesem J a h r gab er als Konzilanhänger in seinem ersten historischen Werk eine Darstellung des Baseler Konzils. Zehn Jahre später, als Romanhänger, schrieb er es um, als Brief an den Kardinal Juan Carvajal (1399-1469). 3 Bei einer seiner Auftragsreisen traf er in Straßburg die allein reisende Engländerin Elisabeth, die einen Sohn von ihm gebar. 4 1442 zum Frankfurter KröZuletzt und ausführlich Frantisek Smahel, in: Dana Martinkovä u. A. 1998, S. XIII-LII, hier: XIV-XXVII, englisch: LIV-LXVIII. Ders. 2001, S. 3 8 2 - 3 9 5 .

1

2

Z u m Verhältnis humanistischer und juristischer Neigungen bei Enea jetzt

Arnold Esch, in: Hartmut Boockmann u. A. (Hrg.), 1989, S. 112-140, hier: 118. 3 De gestis concilii Basiliensis Commentariorum libri duo, ed. Hay Smith, Oxford. 2 1 9 9 2 . - An Carvajal 1450, in: FRA Bd. 67, 1912, Nr. 44, S. 164-228. Vgl. auch De Basilea epistola, ed. Wackernagel, 1904.

An seinen Vater am 20.9.1443, Briefwechsel ed. R. Wolkan, FRA Bd. 61, 1909, Nr. 78 S. S. 188-191. - Schmidt, Deutschland, 1962, S. 3, spricht von zwei unehelichen Kindern. 4

02

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

nungsreichstag entsandt, fand er die Nähe des jungen Königs Friedrichs III. von Habsburg (1415-1493), der ihn zum Dichter krönte und wenig später zum Protonotar in seiner Kanzlei ernannte. Schon Ende November 1442 ging er nach Wien. Von nun an verließ er allmählich die Position des antipäpstlichen Konzils. 1445 vermittelte er den Ausgleich Friedrichs mit der Kurie in Rom. Es war der Beginn seines Übergangs ins Lager Eugens IV. (1383-1447, Papst 1431). Humanistische Freizügigkeit gab er auf. 1444 schrieb er noch die Liebesnovelle Euiyalus und Lucretia, doch 1446 nahm er die Weihen als Subdiakon. Die Wende fand Anerkennung. Im Februar 1447 brachte er ein Konkordat zwischen Rom und dem Reich zustande, das bis 1806 galt. Eugen machte ihn zum Bischof von Triest, wo er fast nie war; 1450 wurde er Bischof von Siena und zugleich kaiserlicher Rat. 1452 ernannte ihn Papst Nikolaus V. (1397-1455; Papst 1447) zum apostolischen Legaten für Böhmen, Mähren, Schlesien und Ungarn. Calixt III. (1378-1458, Papst 1455), dessen Vertrauter und Freund er wurde, machte ihn 1456 zum Kardinal. Vor ihm hielt er bald nach dessen Amtsantritt eine Rede über die böhmische Frage.5 Im Sommer 1457 erreichten ihn Gravamina der deutschen Nation, die der Kanzler des Erzbischofs von Mainz, Martin Mair (f 1489), als Wortführer der deutschen Fürstenopposition aufgesetzt hatte 6 , um das Joch (Roms) abzuschütteln und sich wieder in die alte Freiheit zu setzen.7 Enea antwortete am 8. August mit einem persönlichen Brief, am 1. Februar 1458 aber mit dem ausführlichen Traktat Germania.8 Im Sommer 1458 vollendete er die schon früher begonnene Historia Friderici III imperatoris9 und zugleich die Historia Bohe5

Oratio habita coram Callisto Papa III. De Compactatis Bohemorum, in: Mansi, I 1755, Nr. XVII S. 351-385. 6

Martin Mair/Mayr kannte Enea aus Begegnungen in Wien und galt als sein Freund, vgl. Riezler in Allg. Dt. Biogr. Bd. 20, 1884, S. 113-120, hier: 115. Beide nahmen in ihren Briefen auf diese Freundschaft Bezug. 7

Germania, Schmidt 1962, S. 10: Martinus Mayer... domino Enee (31. August 1457): Nunc vero quasi e somno excitati optimates nostri... cogitari ceperunt iugumque prorsus excutere et se in pristinam vendicare libertatem decreverunt. 8

Deutsche Ubersetzung: Deutschland 1962, Einleitung S. 1-32. Der Brief vom 8.8.1457 in Opera 1571, Nr. 369. Vgl. Schmidt 1962, Germania S. 4 und Deutschland S. 10. 9

Historia Friederici ed. Kollar 1762. Deutsche Ubersetzung von Th. Ilgen, Die Geschichte 1-2, 1890 (Nachdruck 1940). Vgl. S. 0109 ff.

Lebenslauf

03

mica10, beide mit identischem Schluß. A m 19. August 1458 wurde er als Nachfolger Calixts III. Papst. Kurz danach verfaßte er, als Teil einer großangelegten, aber unvollendeten Kosmographie, eine historisch-geographische Beschreibung Europas. 1 1 Neben der Stärkung der päpstlichen Autorität und der Wiedergewinnung B ö h m e n s für Imperium und Kirche, machte er es sich zur Hauptaufgabe, die Türkengefahr, nachdem im Mai 1453 Konstantinopel von M e h m e d II. ( 1 4 3 2 - 1 4 8 1 ; Sultan 1 4 4 4 - 1 4 4 6 und seit 1451) erobert und das oströmische Reich dadurch vernichtet war, von dem christlichen Europa zu bannen. D a m i t blieb er erfolglos. E i n n o c h 1458 nach Mantua einberufener Fürstentag zur Vorbereitung eines Kreuzzuges scheiterte an Frankreich und der Gleichgültigkeit der Reichsfürsten. Pius, mit seinen erfrorenen Füßen fast gehunfähig, wollte sich dann persönlich an die Spitze einer von Venedig gestellten Flotte gegen die Türken setzen, starb aber schon am zweiten Tag nach seiner A n k u n f t in A n c o n a am 14. August 1 4 6 4 . 1 2

2. Testimonia Über Enea Silvio de' Piccolomini, der im Konklave am 19. August 1458 zum Papst erhoben wurde und in Anlehnung an eine humanistische Tradition seines Namens Aeneas den Namen Pius (II.) a n n a h m , sind mehrere Testimonien aus der Zeit erhalten. Die wichtigsten folgen hier.

a. Piatina B a r t o l o m e o Sacchi, d. i. Piatina (1421-1481), unter Pius II. apostolischer Abbreviator, unter Sixtus IV. (1414-1484; Papst 1471) Präfekt der

10

Letzte Ausgabe von Dana Martinkovä wie Anm. 1.

11

Europa (1458) in: Opera 1534 S. 286-522.

Nach wie vor: Georg Voigt, Bd. I-III, 1859-1863. - Zur Übersicht: Arnold Esch in Lex. d. MA-s, Bd. VI 1993, Sp. 2190 f. - Bibliographie jetzt vollständiger in Weinig 1998; Handschriften- und Inkunabelverzeichnisse S. 127-129; Bibliographie S. 138-151. Nachzutragen ist Rothe 1991 (wie Vorwort, Anm. 2) sowie die tschechische Literatur. Diese in den Anmerkungen bei Smahel 1998 und 2001. 12

04

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Bibliotheca Vaticana. Papstbiographien in Liber de vita Christi ac

omniumpontificum, ed. G. Gaida 1913-1932 (vgl. D. Coppini in: Lex. d. MA-s VII 1995, 6f.).

Pii II., pontificis max(imi), vita, per Platynam descripta13 f. a 4 r

Pius Secundus, Aeneas cognomento Piccolomineus antea vocatus, natione Italus, Senis oriundus, Corsiniani ortus, patre Sylvio, matre Victoria, patrum omnium consensu pontifex creatur tertio decimo Cal. Septemb. M.CCCCLVIII. Nam pater eius a plebe Senensi cum reliqua nobilitate e repub(lica) deiectus, ut ad fundum gentilicium Corsinianum, vallis Urciae oppidum, se conferens infantem eo loci ex uxore suscepit. Nato puero Aeneas Sylvius nomen pater indidit. Puerpera autem per quietem visa est sibi infantem cum mitra parere, quae (ut prona semper in peius mentes hominum sunt) verita est, ne somnium illud puero et familiae ignominiam portenderet neque antea huiuscemodi suspitione levari potuit, quam postea intellexerit filium Tergestinum episcopum designatum fuisse, quo nuncio omni prorsus metu liberata immortali deo gratias egit, quod defunctum meliore fato, quam ipsa coniectaverat, filium sibi videre contigisset, prius tarnen cum iam per aetatem discere aliquid potuisset. Corsiniani singulari memoria et summa docilitate grammaticam didicit parce adeo ac duriter vitam ducens, ut omnia ruris officia ob inopiam adire sit coactus. Annum vero et decimum octavum agens Senas proficiscitur, ubi a necessariis et cognatis adiutus poetas primo, mox oratores audivit, quibus facultatibus tantum ingenio et diligentia valuit, ut brevi praeclara poemata Latina et Hetrusca lingua ediderit ludens, credo, in amorem, quo aetas ilia maxime conflictatur. Inde vero ad ius civile se contulit, quod profecto non ita multo post dese-

Textus receptus est e libro, cui titulus: AENEAE SYL | VIIPICCOLOMI INEI SENENSIS, QVI POST ADEPTVM \ PONOFICATVM PIVS EIVS NOMINIS SECVUNDVS \ appellatus eft, opera quae extant omnia, nunc demum poft corruptifsi- \ mas aeditiones fumma diligentia caftigata & in unum cor- \pus redacta ... (BASILEAE, EX OFFICINA HENRICPETRINA ANNO SALVTIS HVMANAE M.D. | LXXI MENSE AV| GVSTO.), fol. a 4 r - d l v . 13

Testimonia: Piatina

05

rere coactus est. Orto namque inter Senenses et Florentinos bello charitatem annonae veritus et nobilitatem plebi Senensi suspectam cernens voluntarium sibi velut exilium adscivit secutus amplissimum virum Dominicum Capranicum, qui tum Senis iter faciens ad Basiliense concilium proficiscebatur, quaestum iniurias ab Eugenio pontifice sibi illatas propter denegatum galerum, cardinalatus insigne, quo etiam absente Martinus ob eius virtutem et integritatem merito donaverat. Huius igitur contubernio usus post longos itineris labores superatis Alpibus, coelo vicinis et congelatis nivibus opertis, per Inferni pontem, Lucernae lacum, Helvetiorum campos Basileam tandem pervenit. Quo in conventu etsi multa negotia Aeneae, Dominici secretario, obvenerint, semper tarnen est aliquid otii suffuratus, quod lite[te]ris traderet. Dominicum deinceps paupertate et inopia circumventum, quippe cui beneficiorum et paternae haereditatis proventum omnem Eugenius denegabat, relinquere non sine lachrymis cogitur. Bartholomaeum, Novariensem episcopum, secutus, quocum Florentiam, ubi Eugenius pontifex erat, pervenit, sed hunc quoque, in judicium ob crimen laesae maiestatis ab Eugenio accersitum, Aeneas relinquere impellitur. Nicolaum, Sanctae Crucis cardinalem, secutus, patrem certe optimum ac omnium opinione sanctissimum, qui Atrebatum profectus Eugenii iussu, ubi conventus Gallorum principum habebatur, pacem inter ducem Burgundiae (qui cum Anglis sentiebat) et regem Franciae composuit. Redeunte autem in Italiam Nicoiao, quem Veneti ac Philippus, Mediolani dux, authorem componendae pacis requirebant, Aeneas admodum non Eugenio gratus Basileam proficiscens magno semper in honore apud omnes est habitus. Fuit enim scriba in synodo ilia celeberrima et literarum apostolicarum abbreviator, duodecimvir, qui magistratus in tanto conventu censorius habebatur. Nihil enim publice per quempiam agi poterat, nisi horum gravissima authoritas intervenisset, et si qui admissi ad consultandum de rebus conciliaribus minime idonei habiti sunt, horum iussu senatu movebantur. Erant in eo concilio quatuor conventus, qui deputationes more aulico vocabantur, apud quos de fide, de pace, de reformatione, de communibus agebatur. His magistratibus singuli praesidentes singulis mensibus praeficiebantur. In deputatione fidei, II cui Aeneas erat adscriptus, saepe praesidet. Inter collatores beneficiorum bis quoque electus. In eo autem conventu persaepe oravit, sed ilia eius oratio egregia et elegans est habita, qua in eligenda concilii sede ido-

£. a 4V

06

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

nea, Avenioni, Utinae, Florentiae Papiam anteferendam ostendit rerum opportunitate, situ loci, aedium privatarum magnificentia, coeli benignitate et dementia, commoditate rerum, quae urbi possunt importari, liberalitate Philippi ducis. Cum vero aliquid per nationes agendum erat, unus super ex Italica deligebatur, qui rebus agendis praeesset. Tanta erat in homine morum facilitas et ingenii dexteritas. Legationes vero plures concilii causa obivit. Argentinam tertio, Tridentum semel, Constantiam secundo, Franckfordiam semel, in Sabaudiam iterum mittitur. Designato autem post longas consultationes concilii in pontificem Felice Eugenioque excluso, cum octoviri ex una quaque natione deligerentur, quibus summa potestas in rebus conciliaribus permitteretur, Aeneas pontificis secretarius magistratum ilium ultro oblatum renuit. Orator deinde ad Foedericum imperatorem a Felice missus tantum dexteritate ingenii apud hominem valuit, ut cum corona poetica donatum in amicos et protonotarium receperit; ita eos Germani appellant, quos principes secreto adhibent. Relatus deinde in senatorium ordinem, quem princeps in rebus gravibus consulit, tantum valuit doctrina et authoritate, ut facile in quavis re ad ingenium pertinente primus haberetur, licet aemulos et obtrectatores multos habuerit. Interim vero cum de abolendo scismate inter Eugenium et imperatorem agi coeptum esset eiusque rei causa ad pontificem Aeneas proficisceretur, Senis aliquandiu moratus a suis vehementer rogatur, ne ad Eugenium proficisceretur; veriti enim sunt, ne in eum pontifex graviter animadverteret, quod eius authoritas in Basiliensi concilio ab Aenea epistolis et orationibus persaepe impugnata diceretur. At homo constans sua innocentia fretus, spretis cognatorum precibus Romam proficiscens, se primum apud Eugenium eleganti oratione purgat, quod eorum authoritatem secutus esset, quorum sententiis Basiliense concilium fuerat approbatum. Deinde vero his de rebus cum eo agere coepit, quarum gratia ab imperatore venerat. Missis deinde in Germaniam duobus ab Eugenio oratoribus, quorum alter Thomas Sarzanus fuit, alter vero Ioannes Carvaialla, tandem horum virtute et Aeneae industria (ut in Nicolao diximus) neutralitas sublata est. Ut vero etiam id rebus, non verbis tantum appareret, imperator Aeneam ipsum Romam mittit, qui Eugenio publice diceret se ac Germanos omnes in humanis divinisque ei deinceps obtemperaturos. Mortuo autem eo tempore Eugenio, dum alter pontifex in locum demortui suffragiis patrum deligitur, Aeneas conclavi

Testimonia: Piatina

07

praefuit. Nullus enim orator tum in urbe erat tanto munere dignior. Creato autem Nicoiao pontifice accepta abeundi venia, dum ab Eugenio subdiaconus creatus iter in Germaniam facit, episcopus Tergestinus moritur, in cuius locum Aeneas, se quidem inscio, pontifice et imperatore suffectus est. Philippo praeterea Pice comite sine haerede mortuo a Caesare ad Mediolanenses orator mittitur, apud quos orationem habuit de imperio urbis haereditario deque fide servanda, cui quidem si populus ille obtemperasset, adhuc libertate fortasse uteretur. Secundo vero ad eos rediens extrema quaeque ob libertatem patientes obsidente Mediolanum Francisco Sfortia urbem ipsam cum maximo discrimine ingreditur relictis ad Novicomium collegis, quos timor ab officio deterruerat. Inde autem re infecta abiens imperatoris mandato ad Alphonsum, Aragoniae regem, proficiscens episcopus Senensis, unde originem ducebat, a Nicolao creatur. Composita deinde inter Alphonsum et imperatorem affinitate ad hominem in Germaniam rediens eum super adhortatus est, ut primo quoque tempore in Italiam ad accipiendam Imperii coronam proficisceretur. Unde Foedericus iter in Italiam ingressus Aeneam praemisit, ut Leonorae uxori e Lusitania vel Portugallia (ut nunc dicitur) ad Hetruscum littus perventurae honoris gratia obviam fieret. Qui ubi Senas pervenit, non diu in urbe moratus populo suspectus esse coepit, ne adventante imperatore pulsis popularibus optimates reipub(licae) gubernandae praeficeret. Aeneas igitur ut populum suspitione levaret, Thalamonem, quo Leonoram perventuram putabat, proficiscitur. II Non tarnen ob eius discessum quievere popularium animi. Relegata namque per agros ad tempus omnis nobilitas est, cui paulo post, ut mutabile sunt popularium mentes, redeundi in urbem potestas facta est cognita imperatoris integritate et Aeneae modestia. Is vero Pisas contendens, quo Lusitanos applicuisse intellexerat, puellam, uni sibi creditam, ad imperatorem, qui tum Senis erat, perduxit. Romam deinde tum proficiscens et privatim et publice, dum Caesar corona imperii donaretur, egit omnia. Imperator praeterea ad Alphonsum salutandi hominis causa iturus Ladislaum, regium adolescentem, quem Pannonii et Boemi furtim ab eo abducere saepe tentaverant, Romae sub tutela et custodia Aeneae, cui plurimam fidem praestabat, reliquit. Imperator autem Romam iterum rediens cum gratias pontifici egisset, Ferrariam proficiscitur Borsioque Estensi, Mutinae duce creato, ubi Germaniam attigisset, Aeneam statim ex mandato pon-

f. a 5 r

08

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

tificis cum summa potestate oratorem in Boemiam et omnes Austriae civitates mittit. Orta namque erat inter eos et imperatorem controversia pro Ladislao rege, quem illi ad se mitti postulabant. Sublata autem tanta controversia ac pace inter utrosque composita Aeneas haud ita multo post ad conventum Ratisponensem mittitur, ubi imperatorias vices gerens praesente Philippo, Burgundiae duce, et Ludovico, Baioariae, de immanitate Turcorum et de calamitate re[i]pub(licae) Christianae tanta contentione dixit, ut omnibus gemitum et lachrymas excusserit, praecipue autem Philippum Burgundum ad earn expeditionem adeo animare Visus est, ut bellum statim omnium consensu decerneretur, quod post omissum est eorum ambitione et stultitia, qui cuncta sibi deberi putabant. Aeneas vero ingravescente iam aetate tedio laborum ac diutina inter exteras gentes peregrinatione fessus redire Senas ad lares patrios instituerat, quem tarnen facile imperator e sententia movit, cum diceret sibi in animo esse Turcis ipsis bellum inferre. Missus itaque ob earn rem ad Franckfordiensem conventum Germanos principes, qui ex tota provincia eo convenerant, gravissima et longa oratione ad bellum periculosum et necessarium multis orationibus adhortatur. Visus est quidem omnes vehementer commovere. Verum hoc natura compertum est eorum animos cito residere, quorum affectus perfacile moventur. Tertius item eadem de re in Nova Civitate conventus habere, in quo Aeneas mirifice annixus pedibus et manibus est, [a]ut aiunt, rem [r]ex sententia perficere privatim et publice unumquemque ad id bellum cohortando, quo salus Europae, principum ac populorum libertas, dignitas Christiani nominis continebatur. Nec aberat a spe perficiendae rei, cum subito nuntiatum est Nicolaum pontificem e vita migrasse, cuius in morte disturbata sunt omnia, nam et conventus solvitur et Germani rerum novarum cupidi persuadere imperatori annixi sunt, ne pontificibus amplius obtemperaret, nisi quaedam ad pragmaticam tendentia ab ipsis prius impetrassent, quod dicerent Germanis longe peiorem conditionem esse quam vel Gallis vel Italis, quorum servi (Italorum in primis), ni res immutarentur, merito esse dicebantur. Nec certe procul abfuit, quin imperator tumultuantibus obsequeretur, quominus autem id fieret, gravissima Aeneae authoritas intercessit. Cuius haec fuit apud Caesarem sententia: Inter principes, etiam de magnis rebus inter se dissidentes, pacem aliquando et amicitiam componi posse: At inter principem et populum immortale odium sem-

Testimonia: Piatina

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per intervenisse, re dicebat satius sibi videri cum pontifice sentire, quam eorum cupiditatibus obtemperare, quorum mentes non ratione, sed appetitu et cupiditate ducuntur. Motus hac ratione imperator spreta populorum postulatione Aeneam oratorem deligit, qui ad Calixtum mitteretur. Is autem Romam profectus dum Foederici iuramentum pontifici de more exhibet collaudato, quantum satis erat, utroque tota eius oratio fuit de bello Turcis inferendo, adeo erat ad earn rem animatus. Videbat enim vir sapientissimus id, quod postea usu accidit, barbaros victoria elatos occupata Graecia non quieturos. Inde vero ad pacem Italiae conversus, qua perfecta bellum Turco inferri posse existimabat, pontificem ad earn rem vehementer adhortatur. Premebantur tum Senenses comitis Petiliani et Iacobi Picennini armis, qui Alphonsi potius quam propriis auspiciis bellum illud gerebant. Ut igitur omnis belli ius extingueretur, Aeneas iussu pontificis et civium suorum II rogatu Neapolim ad Alphonsum proficiscitur, quo etiam totius ferine Italic legati de pace acturi convenerant, quibuscum certe usque ad earn diem ea de re nihil adhuc actum erat. Verum superveniente Aenea tum demum sibi de pace conventurum dixi, quando is quidem, quem unice diligebat, ad se ob earn rem accessisset. Impetrata itaque pace ac liberata ab hoste patria apud Alphonsum, cuius familiaritate plurimum delectabatur, aliquot menses fuit, quo tempore servata opportunitate hominem eleganti et copiosissima oratione ad bellum maritimum, Orientalibus inferendum, perpulit. Inde vero Roma abiens, iter in patriam facturus, a Calisto pontifice retentus est, a quo etiam non multo post patriam omnium consensu in numerum cardinalium refertur. Apud Calistum vero tantae authoritatis et gratiae fuit, ut hominem impullerit oratores ad Senenses mittere, qui tum civili discordia laborabant, ut populum tumultuantem ad pacem et concordiam adhortarentur. At vero dum in balneis Viterbianis valetudinis causa esset historiamque Boemicam inchoasset, mortuo Calisto Romam statim rediit, cuius expectatio tanta fuit, ut magna pars populi Romani officii causa obviam progressa hominem (quasi divinarent) ut pontificem salutant. Ad hunc enim consensu omnium pontificatus deferebatur. Ingresus itaque conclave patrum omnium suffragiis pont(ifex) max(imus), (ut dixi), creatur. Accepta deinde pontificia corona, qua tertio Nonas Septembris pontificali apparatu basilicam Petri ingressus est, cum deo immortali gratias egisset, se totum confirmata prius ecclesi^ ditione ad curam reipub(licae)

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Christianae convertit. Nam et bellum ante eius pontificatum in Ummbria exortum Iacobo Picinnino duce, rerum novarum cupido, statim eo pontifice sublatum est, Assissium et Nuceria ab hoste recepta. Inter Ferdinandum regem et Sigismundum Malatestam, quod difficillimum factu videbatur, compositae induciae, quo Mantuam omnibus, ubi communem Christianorum conventum indixerat, tuto proficisci liceret. Creato autem principe Columnensi urbis praefecto in locum demortui Boriae relictoque Romae legato Nicolao Cusa, Sancti Petri ad Vincula cardinali, media hyeme ab urbe discedit; per eas civitates iter facit, quae civili discordia ad bellum potius quam ad pacem spectare videbantur. Populos ad concordiam et quietem adhortatur. Mantuam postremo undequaque ventum est. Magnus aderat principum numerus, magna legatorum vis. Ex tota enim Europa nulla natio, gens nulla fuit, quae non aut principes aut legatos eo miserit. Actum denique est in illo celeberrimo conventu Pio ipso dicente, ut bellum communi omnium decreto Turcis indiceretur. Dictae sententiae, qua id ratione geri posset. Propositum periculum, quod cervicib(us) Christianorum immineret. Motae sunt omnibus lachrymae, cum eorum calamitates exponerentur, qui a barbaris in gravissimam servitutem quotidie abducebantur. Incensi animi, cum ostenderet Turcos occupata Graecia et Illyrico interiorem Europam penetraturos. Nil est certe ab eo praetermissum, quod ad movendos Christianorum animos pertineret. Magna quidem in dicendo Pii laus fuit, quod cum saepius iisdem de [re]reb(us) loqueretur, diversa semper visus est dicere. Tanta erat in homine elegantia et copia. Gallorum querimonias et calumnias Renati regis, quod Ferdinandum, Alphonsi filium, in regno Neapolitano confirmasset, quod eundem corona regia donasset, tribus actionib(us) acerrime confutavit. Agebantur h^c in Mantuano conventu, cum tota fere Europa relicto externo bello ad intestinum animos atque arma convertit. Surgunt Germani partim in se ipsos, partim in Pannonios, quorum opera tantum tanque necessarium bellum magna ex parte confici potuisset. Excitatur Britannia duplici factione, quarum altera veterem in insula regem, altera novum fugato vetere retinere conatur. Surgunt praeterea Hispani Barchinonensib(us) auxilio futuri, quos Aragoniae rex, Gallorum armis adiutus, bello premebat. Et ne quid ad disturbanda omnia deesset, Italia, Europae caput, relicto externo bello ad intestinum animos atque arma convertit, gerebatur tum bellam in Apulia, quo Ioannes, Renati regius

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filius, Ferdinandum regno pellere conabatur. Hinc duplex factio in tota provincia exorta est, cum ii Ferdinando, illi Renato faverent. Pius itaque omisso Mantuano conventu ad sedandos motus in Hetruriam rediens Viterbium, ab adversa factione per fraudem occupatum, haud magno negotio recipit. Picentes, ob fines domesticos acerrimis bellis exagitati, partim ratione, partim metu ad pacem rediguntur, Umbros, simili contentione distractos ac magnis caedibus oblitos II et foedatos, authoritate sua tandem sedavit, Senensium rempub(licam) sublatis seditionibus omnibus, quibus triennio ante laboraverant, constituit. Exules quosdam, viros certe praeclaros, in patriam restituit. Nobilibus reip(ublicae) administrationem reddidit. In Sabinorum vero perfidiam animadversum est, quod hostem publicum commeatu et transitu iuvissent. Rom? gravissimos tumultus siccariorum repressit capto cum aliquot sociis Tyburtio, Angeli Massiani filio, quem diximus a Nicoiao ob coniurationem interemptum et laqueo ad fenestras Capitolii suspenso, quod ausi fuissent templum Pantheon occupare atque inde tanquam ex arce in optimum quemque crassari. Tyrannos quosdam ad res novas spectantes e finibus ecclesiae bello submovit. Neminem unquam bello attigit, ad quem legatos non prius misserit, si quo modo ad sanitatem rationib(us) adduci posset. Foedericum Urbinatem, copiarum suarum ducem, cum Alexandra Sfortia in Marsos misit, qui Iacobum Picenninum remoraretur, a Renato mercede conductum, ne in Apuliam ad Gallos, Ferdinandum bello vexantes, transiret. Ferdinando autem, ad Sarnum fugato, auxilio fuit, quominus regno spoliaretur, veritus, ne si Galli regnum occupassent, victoria elati libertatem Italiae subverterent. Legatorum, e Gallis venientium, minas et pollicitationes, quib(us) se a Ferdinando ad Renatum traducere conabantur, facile contempsit. Sigismundi Malatestae, ecclesiae Romanae vectigalis, furores ac rabiem censuris et armis compressit. Is enim spreto foedere, quod inter se et Ferdinandum fuerat a pontifice ictum, castella omnia ob servandam fidem data, contra ius fasque vi c[o]epit, legatum ecclesiae Romanae ad Nulasturem fugavit, Picentibus bella intulit. Huius vero rabies sequenti anno ad Senogalliam Foederico Urbinate et Neapolonio Ursino ducibus gravi praelio compressa et castigata est recuperata Senogallia, expugnatum Fortunae fanum Nicolao Pistoriensi, cardinali Sanctae Ceciliae legato, ac magna pars Ariminensis agri ei adempta est, ne posset aliquando ad rebellionem spectare, pugnatum est prae-

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terea non ita multo post a Ferdinande» pari felicitate ad Troiam, Apuliae oppidum, quo praelio princeps Tarentinus ac plerique alii, qui novarum rerum cupidi Gallica sequebantur arma, adeo sunt perterriti, ut supplices a rege pacem petentes in eius amicitiam redierint fere omnes praeter paucos, quos postea rex bello insecutus aut regno expulit, aut ad sanitatem redegit. Pius autem duobus maximis ac gravissimis bellis liberatus expeditionem Asiaticam, quae in Mantuano conventu regum ac principum ambitione et avaritia fuerat omissa, repetit. Socios belli Ungariae regem, Philippum, Burgundiae ducem, ac Venetos, quod ii promptioces ad earn rem esse viderentur, sibi adiungit. Oratores et nuncios cum Uteris apostolicis ad gentes et nationes Christianas mittit, qui principes omnes, qui populos ad tantum bellum tanquam necessarium adhortarentur. Ipse interim Senas proficiscitur iturus, ubi ei per anni tempus liceret, ad balnea Petriolana, quae potissimum eius ^gritudinem lenire videbantur. Ibi autem cognoscit Philippum Burgundum, qui semet venturum cum milite et classe voverat, a tanta pollicitatione destitisse. Intelligit praeterea multos esse principes ac populos non exteros modo, sed Italos quoque, qui ambitione et livore rem tantam disturbare conarentur, quia eos viderant nobilissima praemia reportaturos, qui tantum belli molem subirant. Hos autem (ut pontificem decuit) admonitionibus ad sanitatem reducere conatus est. Relictis vero balneis ad urbem proficiscitur, ubi vehementi dolore pedum et gravi febre dies aliquot laboravit. Qua ex re factum est, ut Nonis Iunii, quemadmodum publico decreto enunciaverat, Anconae esse nequierit. Delinita autem aliqua ex parte aegritudine oratores, a rege Gallorum et Burgundiae duce venientes eiusque moram excusantes, audit. Vocatis deinde ad se patribus cardinalibus regi Boemiae, de fide catholica male sentienti, diem dicit. Inde ab urbe discedens per Sabinos, Umbros, Picentes Ancona(m) lectica iacens defertur. In itinere autem magnam vim hominum, ex Germania, Gallia, Hispania venientium ad bellum Turcis indictum offendit, quorum magnam partem absolutam peccatis (Germanorum potissimum) in patriam remisit, quod minus idonei bello gerendo essent quodque etiam belli impensam, ut in literis apostolicis continebatur, secum non detulissent. Dum classem, quae passim in portibus superi inferique maris ad tantum bellum fuerat aedificata dumque Venetorum ducem, belli socium, Anconae II expectat, diutina et lenta febri afflictatus moritur anno sexagesimo quarto supra

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quadringentos et mille XVII. Calendas Septembris horam circiter tertiam noctis, anno vero pontificatus sexto diebus sex minus. Tantae autem constantiae et fortitudinis fuit, uti tota aegritudine gravi quidem et longa occupationes intelligendi causas diversarum gentium audiendi, inhibendi, decernendi, iudicandi, signandi, admonendi, castigandi intermiserit nunquam. Eo autem die, quo e vita migravit, duas horas ante extremum vit? spacium patres cardinales ad se vocatos constanti animo et voce non inconcinna ad concordiam in eligendo novo pontifice adhortatus est, quibus item honorem summi dei, dignitatem ecclesiae Romanae, bellum a se in Turcos susceptum, salutem animae suae, familiam omnem, nepotes vero maxime, si commendatione dignos se praestiterint, constanti ac gravi oratione commendavit. Petiit sponte sacramenta omnia et signa integerrimi Christiani omnibus in rebus prae se tulit. Pr^terea vero acerrime tum quidem disputavit cum Laurentio Roverella, episcopo Ferrariensi, theologo doctissimo, liceret-ne extremam unctionem iterare, qua semel inunctus fuerat, dum Basileae pestilentia gravissime aegrotaret. Orationes canonicas ut intermitteret in tanta animi anxietate neque domesticorum quidem precibus exorari potuit. Symbolum Athanasii constanter pronunciavit et pronunciatum verissimum ac sanctissimum esse dixit. Non mortem exhorruit, non perturbationis aut inconstantiae dum supremum spiritum efflaret, signum aliquod edidit. Extinctus profecto magis quam mortuus dici potest, adeo longis aegritudinibus maceratus erat, ut corpus suum Romam deferreretur suis mandavit. Affirmant polyctores vivacissimum cor in homine inventum. Funus Ancona Romam defertur comitante familia lugubi veste induta ac lachrymis squalida. Peractis autem de more exequiis in basilica Sancti Petri conditur ad altare Sancti Andreae sepulchro Francisci, cardinalis Senensis, impensa condicto cum hoc epitaphio: Pius II. Pont. Max. natione Tuscus, patria Senensis, gente Piccolominea, sedit Annis VI. Brevis pontificatus, ingens gloria fuit. Conventum Christianorum Mantuae pro fide habuit, oppugnatoribus Romanae sedis intra atque extra Italiam restitit. Catherinam Senen(sem) inter sanctas Christi virgines retulit, pragmaticam in Gallia abrogavit. Ferdinandum Aragonen(sem) in regnum Siciliae cis fretum restituit, rem ecclesiae auxit. Fodinas invenit, tum primum alumnis apud Tolfam instituit, cultor iustitiae et reiigionis, admirabilis eloquio, vadens in bellum, quod Turcis indixerat, Anconae decessit, ibi et classem paratam

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et ducem Venetorum cum suo senatu commilitones Christi habuit. Relatus in urbem est patrum decreto et hic conditus, ubi caput Andreae apostoli, ad se ex Peloponneso advectum, collocari iusserit. Vixit an. LVIII. men. IX. dies XXXVII. Collegio autem cardinalium quinque et quadraginta milia numum aureorum, a vectigalibus ecclesiae pensum, ob indictum Turcis bellum reliquit. Has autem pecunias cardinales et triremes, quae tum in portu Anconitano erant, Christophoro Mauro, Venetorum duci, qui biduo ante Pii mortem cum triremibus undecim applicuerat, committunt his conditionibus, ut navigiis pro eorum arbitrio bello navali uterentur, pecunias vero stipendii nomine ad Matthiam, Ungarorum regem, mitterent, bellum assidno cum Turcis gerentem. Mortuus est vir fortitudinis certae ac prudentiae singularis et qui non ad ocium, ad segnitiem, sed ad res agendas et maximas quidem natus videbatur. Augere maiestatem pontificis conatus est semper. Non reges, non duces, non populos, non tyrannos in se aut ecclesiasticum quempiam delinquentes, bello, censuris, interdictis, execrationibus persequi prius destitit, quam eos ad sanitatem rediisse cognoverit. Lodovico autem, regi Gallorum, adversatus est, quod libertatem ecclesiae minuere conaretur, cum ab eo antea pragmaticam, ecclesiae Romanae perniciosissimam, extorsisset. Borsio, duci Mutinensi, minatus est, quod ipsae Romanae ecclesiae censuarius et Sigismundo Malatestae, hosti ecclesiae, et rebus Gallicis faveret. Sigismundum vero, Austriae ducem, gravissimis censuris persecutus, quod Nicolaum Cusanum, cardinalem ad Vincula Petri, c[o]episset ac comprehensum aliquandiu in carcere detinuisset. Dieterum Hisemburgensem, Maguntinum antistitem, male de ecclesia Romana sentientem, sede depulit inque eius locum alterum suffecit. II Beneventanum archiepiscopum, contra eius voluntatem res novas molientem Beneventumque Gallis prodere conantem, archiepiscopatu movit. Franciscum Copinum, plus autoritatis cum magna pernicie et clade hominam in legatione Britannica sibi vindicantem, quam ei a Sede apostolica concessum fuerat, episcopatu Inter[r]amnensi privavit. Taracinum, Beneventum, Soram, Arpinum ac magnam partem Hernicorum (quae nunc Campania vocatur) in deditionem ecclesiae redegit. Nil regibus, nil ducibus, nil populis timore et avaritia concessit unquam. Quosdam vero severissime arguit, quod ea peterent, quae sine ecclesiae detrimento et eius ignominia fieri nullo modo possent. Tantum erroris dominis quibusdam, Italicis

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praesertim, iniecit, ut officio et fide nil antiquius ducerent. Ut hostes publicos constanter persecutus est, sic amicos humanissime et officiosissime fovit. Foedericum, Romanorum imperatorem, Mathiam, Ungarorum regem, Ferdinandum, Alphonsi filium, Philippum Burgundum, Franciscum Sfortiam, Lodovicum Gonzagam vehementer dilexit. Duodecim cardinales suo pontificatu veteribus addidit: Reatinum, Spoletinum, Tranensem, Alexandrum Saxoferatensem, Bartholomeum, Roverellam, Iacobum Lucensem, Franciscum, Laodomiae sororis suae filium, Franciscum Gonzagam, Lodovici principis filium. Hi omnes Italici sunt habiti. Ex Transalpinis Salseburgensem Lodovicum Libretum, Atrebatensem, Vergelensem. Vivendi autem rationem ita partiebatur, ut otii et desidiae accusari nullo modo posset. Surgebat mane aurora illuscente et habita ratione valetudinis ac re divina caste et pie facta ad negotia publica statim egrediebatur. Functus officio ac per hortos recreandi animi gratia delatus prandebat. Mediocri cibo utebatur, non exquisito et lauto. Cibos raro sibi apparari iussit; quod apponebatur, hoc edebat. Vini parcissimus dilutique ac levis magis quam austeri amator. Sumpto cibo dimidium horae cum domesticis aut fabulabatur, aut disputabat. Cubiculum deinde ingressus cum paululum quievisset horis canonicis de more repetitis tarn diu legebat aut scribebat, donee ei per munera publica licuisset. Item faciebat noctu, quod die. Post coenam, nam et legebat et dictabat usque ad multam noctem in lecto iacens nec amplius quam horis quinque aut sex quiescebat. Homo fuit staturae brevis, caput habuit ante annos Canum, faciem ante dies senectam prae se ferentem. Aspectu severitatem facilitate conditam ostendebat. Circa cultum corporis neque morosus neque negligens, laboris patiens habebatur. Sitim aequo animo et famem toleravit. Robustum ei corpus natura dederat, quod tamen longae peregrinationes et crebri labores, frequentes vigiliae attriverant. Accedebant morbi eius familiarissimi, tussis, calculus et podagra, quibus ita persaepe cruciabatur, ut praeter unicam vocem nil ei, quare vivus dici posset, relictum videretur. Aditu etiam dum aegrotaret, facilis erat, verborum parcus, invitus petit[i]a negavit. Pecuniarum quantum collegit, tantum erogavit, quarum neque studiosus neque aspernator fuit. Dum numerarentur, dum reponerentur, interesse nunquam voluit. Fovere ingenia suorum temporum non est visus, quod tria gravissima bella ab eo suscepta aerarium pontificum ita continuo exhause-

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rant, ut aere alieno, ac magno quidem, saepe premeretur. Multos tarnen muneribus aulicis et beneficiis ecclesiasticis iuvit, literatos dico. Orantes aut poemata recitantes libenter audivit eorumque iudicio, qui aliquid sapere viderentur, sua scripta commisit. Mendaces et delatores odio habuit. Iram facile collegit, collectam facillime repressit, lacescentibus eum convitiis et dictis petulantioribus constanter ignovit, ni sedi apostolicae facta esset iniuria, cuius dignitatem adeo acriter tutatus est semper, ut eius causa magnorum regum ac principum graves inimicitias frequenter susceperit. Erga domesticos mira comitate et facilitate utebatur. Nam quos vel inscitia, vel ignavia deliquisse deprehendisset, paterna charitate admonebat. Male de se opinantes vel loquentes cohercuit nunquam, libere enim in libera civitate loqui omnes volebat. Qaerenti nescio cui apud eum, quod male audiret, respondit: 'De me quoque qui male sentiant, si campum florae proficisceris, multos audies.' Si quando coelum Romanum tanquam naturae suae contrarium et insalubre mutare constituisset, aestate praecipue aut Tybur aut Senas in patriam proficiscebatur. Secessu autem Abbatiae mire delectabatur, quae II in agro Senensi tum amoenitate loci, tum opacitate sylvarum mira refrigeratio aestate habetur. Frequentavit Maceratana et Petriolana balnea valetudinis causa. Rara veste utebatur et argento frugali magis quam regio. Eius enim voluptas omnis, quando a munere publico vacabat, in lectione et scriptione frequenti reposita erat. Libros plus quam zaphyros et smaragdos caros habuit, quibus chrysolitarum magnam copiam inesse dicebat. Mensam autem artificiosam ita contempsit, ut ad fontes, ad nemora, ad loca agrestia delatus, quae saepe frequentabat animi causa, non apparatu pontificio, sed humili ac prope ruscticano sit usus. Hanc eius crebram locorum mutationem non defuere, qui caperent, ex aulicis maxime, quod id nunquam ab aliis pontificibus factum esset, nisi aut bello aut peste urgente. Horum autem querelas contempsit semper, quod diceret, nisi ob earn rem a se praetermitti, quod ad dignitatem pontificatus, ad utilitatem aulicorum pertineret. Signabat omnibus in locis, audiebat, censebat, respondebat, affirmabat, refellebat, quibus ex rebus quovis esset in loco, abunde omnibus satisfieri poterat. Non libenter solus comedebat. Hanc ob rem vel Spoletinum cardinalem, vel Tranensem, vel Papiensem in convivium adhi-

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bebat. Inter coenandum de studiis bonarum artium loquebatur, memoriam veterum repetebat et quid quisque laudis vel dicendo, vel scribendo consecutus esset, exquisito iudicio ostendebat. Ad virtutem suos frequenter adhortabatur, a vitiis deterrebat, cum eorum res gestas commemoraret, qui in vita recte aut perperam egissent. Augustino Patritio lectore usus est, a quo etiam (dum ipse dictabat) describntur omnia. Interdum sales libenter audiebat, negotiis praesertim vacuus. Florentinum quendam interdum adhibebat (cui Graeco nomen est), hominem certe cuiusvis mores et naturam, linguam cum maximo omnium, qui audiebant, risu facile exprimentem. Homo fuit verus, integer, apertus, nil habuit ficti, nil simulati. Christianam autem religionem ita coluit et observavit, ut omnem prorsus hypocrisis suspitionem a se removeret. Frequenter confitebatur et communicabat. Rem divinam aut ipse faciebat, aut, dum fieret, observatis de more cerimoniis omnibus astabat. Somnia, portenta, prodigia contempsit semper. Fulgura procuravit nunquam. Geomantibus et caeteris id genus nullam fidem adhibuit. Timiditatis et inconstantiae signum nullum in homine cognitum. Extolli secundis rebus et perturbari adversis nunquam visus est. Suos plerumque ut timidos et formidolosos reprehendit, quod acceptas clades (ut in bello contingit) aperte ei denunciare vererentur. Incommodis enim consilio et manu mederi posse dicebat, si id ad tempus, quod accidisset, scitum foret. Socios belli vel magnitudine impensae, vel hostium potentia perterritus deseruit nunquam. Bella suscepit invitus, tarnen et multis ac maximis iniuriis lacessitus pro tutela ecclesiae, pro defensione religionis. Aedificandi studio vehementer delectatus est. Impensa enim sua scalae templi ad Vaticanum, vetustate collapsae, instauratae. Vestibulum aedium ad dignitatem et tutelam loci munitum. Aream pro templi foribus, ruderibus purgatam, sternere parabat. Porticum, unde pontifex populo benediceret, inchoaverat, Tybure arcem perfecisse priusquam inchoasse visus est, Senis quadrato saxo gentilibus suis porticum fastigiatam et ornatissimam extruxit. Corsiniani, quod Pientiam a Pio nomine, pontificatu accepto, appellavit civitatemque fecit, templum testudineum celebre, id quidem et ornatissimas aedes extruxit. Sepulchrum marmoreum paternis maternisque ossibus Senis in templo beati Francisci, suo iussu conditum, hoc disticho notavit:

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Sylvius hie iaceo, coniunx Victoria mecum est. Filius hoc clausit marmore papa Pius. Quatuor habuit ex sorore nepotes, ex his duo minores natu eius gratia et autoritate a rege Hispano equestri ordini sunt additi. Primus, cui Ferdinandus rex filiam in matrimonium locaverat, dux Amalphitanus creatur. Secundus autem, quern (ut antea dixi) Pius in numerum cardinalium retulit, tanta cum integritate et virtute adhuc vivit, ut in eo nil sit requirendum, quod ad amplissimum virum pertineat, ingenio, moribus, solertia, religione, modestia, gravitate. Ad Pium redeo, qui in tanto rerum fastigio collocatus literarum Studium intermisit nunquam. Adolescens et nondum sacris initiatus poemata edidit lasciviae magis et festivitati accommodata quam pressa et gravia, surgit tamen nonnunquam et dum vocatur, mordacitate II non caret. Extant eius epigrammata referta salibus. Ad tria milia variorum versuum scripsisse dicitur, quorum pars magna Basileae periit. Orationi solutae reliqua vita se totum dedit magnitudine rerum invitatus. Delectatus est etiam mixto scribendi genere et ad philosophandum aptiore, libros in dialogo edidit, De potestate concilii Basiliensis, De ortu Nili, De studio venandi, De fato, De praescientia dei, De haeresi Boemorum, reliquit dialogum imperfectum contra Turcos, inchoatum pro defensione fidei catholicae. Epistolas digessit in tempora et quas prophanus, quas sacris initiatus, quas antistes, quas pontif(ex) max(imus) scripserit, voluminibus separat. His reges, nationes, civitates, principes atque omne genus hominum ad religionis arma incendit. Extat eius epistola ad Turcum, qua hominem adhortatur, ut posthabita Mahometana perfidia veram Christi Iesu religionem sequatur. Libellum edidit de miseria aulicorum. Scripsit etiam de institutione artis grammaticae ad Ladislaum, adolescentem Ungarorum regem. Orationes circiter duas et triginta habuit ad pacem regum, ad concordiam principum, ad tranquillitatem nationum, ad defensionem religionis, ad quietem totius orbis terrarum spectantes. Boemicam historiam perfecit, Australem imperfectam reliquit. Aggressus est historiam ubique locorum sua aetate gestarum, De rebus a se gestis libros duodecim scripsit, tertium decimum inchoavit. Scribendi genus lene est ac temperatum. Condones habet splendidas et rei accommodatas. Movet affectus ac eos denique sedat. Candorem et ornatum orationis nunquam intermittit. Describit apposite situs et flumina. Varios pro tempore sumit eloquentiae vultus. Cogni-

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tionem rerum antiquarum non omittit. Nullius oppidi occurrit mentio, cuius originem non repetat, situm non notet. Qui duces, qua aetate claruerint, diligentissime praescribit. Mimos etiam ad voluptatem notavit. Sententias in proverbiis modum reliquit multas, quarum partem aliquam, quoad institutionem humanae vitae pertinere visae sunt, subiungere institui. Divinam naturam credendo melius quam disputando intelligi ac comprehendi posse dicebat. Omnem sectam authoritate firmatam humana ratione carere. Christianam fidem etiam si miraculis non esset approbata, honestate sua recipi debuisse. Unius divinitatis esse personas, non qua ratione probetur, sed a quo dicatur, animadvertendum. Mortales mensores coeli et terrae audaces magis videri quam veros. Syderum investigare cursus pulchrius esse qu utile. Amicos Dei et hac futura perfrui vit[i]a sine virtute nulli solidum esse gaudium. Neque avarum pecunia neque doctum cognitione rerum unquam repleri. Cui plura nosse datum est, eum maiora sequi dubia. Plebeis argenti, nobilibus auri, principibus gemmarum loco literas esse debere. Bonos medicos non pecuniam, sed bonam valetudinem aegroti quaerere. Artificiosam orationem stultos non sapient flectere. Sanctas esse leges, quae vaganti fraena licentiae imponunt. In plebem vim habere leges, in potentes mutas. Res graviores armis non legibus diffiniri. Urbanus suam domum civitati, civitatem regioni, regionem mundo, mundum deo subiicit. Lubricum esse primum apud reges locum. Ut in mare flumina omnia, sic vitia in magnas aulas influere. Assentatores maxime quo volunt, reges ducere. Nulli magis principes aures, quam delatori pr^stare. Pessimam rebus pestem adulatoris linguam. Regem, qui nulli fidit, inutilem esse nec meliorem, qui omnibus credit. Qui multos regit, a multis regatur oportet. Non esse regio nomine dignum, qui suis commodis publica metitur. Neque qui sacra negligit, ecclesiae proventum, neque regem, qui iuridicendo non assidet, vectigalia digna petere. Litigatores aves, forum aream, iudicem rete, patronos aucupes dicebat. Dignitatibus viros dandos, non dignitates hominibus. Magistrates alios mereri et non habere, alios habere et non mereri. Grave pontificis onus, sed beatum ei, qui bene fert. Indoctum episcopum asino comparandum. Corpora malos medicos, animas imperitos sacerdotes occidere. Vagum monachum diaboli mancipium esse. Virtutes clerum ditasse, vitia pauperem facere. Sacerdotibus magna ratione sublatas

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nuptias maiori restituendas videri. Fideli amico nullum thesaurum anteferendum. Vitam amico, invidiam morti comparandam. Hostem in se nutrire, qui nimis filio ignoscit. Nulla in re avarum placere hominibus, nisi in morte. Vitia hominum liberalitate obtegi, nudari avaritia. Mentiri servile vitium esse. Vini II usum et labores et morbos auxisse mortalibus. Vinum, quod mentem excitet, non quod obruat, sumendum. Libidinem aetatem omnem foedare, senectutem extinguere. Quietam vitam non aurum ipsum, non gemmas praebere. Dulce bonis, durum iniquis mori. Generosam mortem turpi vitae omnium philosophorum sententia anteferendam. Haec sunt fere, quae de vita Pii pontificis scribi possunt. Ad cuius laudes hoc etiam addo, quod et beatam Catherinam Senensem in sanctas retulit, caput Sancti Andreae e Peloponneso a principe loci Romam avectum Sancto Petro cum maxima veneratione cumque supplicationibus cleri populique Romani in sacello ad id fabricato collocavit repurgato templo eo loci potissimum dimotisque quorundam pontificum et cardinalium sepulchris, quae basilicam ipsam temere occupabant.

Ubersetzung f. a 4 Γ

Pius II. mit dem Beinamen Enea, vorher Piccolomini genannt, war seiner Nationalität nach Italiener. Er stammte aus Siena und wurde in Corsignano geboren. Sein Vater hieß Silvio, seine Mutter Victoria. Nach einhelliger Aussage der Väter wurde er am 20. August im Jahre 1458 zum Papst gewählt. Sein Vater wurde mit dem restlichen Adel von dem einfachen Volke Sienas aus der Stadt vertrieben. Er begab sich auf das Gut der Familie nahe Corsignano, einer Stadt im Tal von Urcia, wo ihm seine Frau ein Kind gebar. Dem Knaben gab der Vater nach seiner Geburt den Namen Enea Silvio. Die Wöchnerin hatte in der Ruhezeit ein Traumbild. Sie sah, daß sie einen Knaben mit Mitra geboren hatte. Und, da die Herzen der Menschen stets das Schlechtere vermuten, fürchtete sie nun, daß jener Traum dem Knaben und der Familie Schande prophezeite. Man konnte sie solange nicht von dieser Ahnung befreien, bis sie später erfuhr, daß ihr Sohn zum Bischof von Triest eingesetzt worden sei. Nachdem sie dergestalt gänzlich von aller Furcht befreit worden war, dankte sie dem unsterblichen Gott, weil sie sehen dur£ te, daß ihrem Sohn ein besseres Schicksal zuteil wurde, als sie es selbst vermutet hatte. Doch zunächst von der Zeit davor: als er entsprechend seinem Alter irgend etwas lernen konnte, lernte er in Corsignano mit einem einzigartigen Gedächtnis und größter Lernfähigkeit Grammatik, während das Leben, das er führte, so kärglich und hart war, daß er, durch den Mangel dazu gezwungen, alle Landarbeiten verrichten

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mußte. Als er 18 Jahre alt war, siedelte er nach Siena über, wo er mit Unterstützung durch Freunde und Verwandte zunächst Dichter, später Redner hörte. In diesen Gebieten war er aufgrund seiner Begabung und seiner Sorgfalt so fähig, daß er innerhalb kurzer Zeit ausgezeichnete Gedichte in lateinischer und etruskischer 14 Sprache herausgab, spottend (wie ich meine) über die Liebe, durch die jenes Alter ja besonders getrieben wird. Anschließend verlegte er sich auf das Zivilrecht, das er allerdings nicht viel später wieder aufgeben mußte. Denn als ein Krieg zwischen Siena und Florenz ausbrach, entschied er sich gleichsam freiwillig für das Exil, da er einen Engpaß in der Versorgung mit Lebensmitteln befürchtete und erkannte, daß das einfache Volk von Siena den Adel beargwöhnte. Er Schloß sich Dominicus Capranica an, einem äußerst bedeutenden Mann, der zu diesem Zeitpunkt zum Konzil von Basel reiste und seinen Weg durch Siena nahm. Dieser beklagte sich über das Unrecht, das ihm von Papst Eugenius zugefügt worden sei. Er habe ihm den Galerus, das Zeichen der Kardinalswürde, verweigert, welche ihm sogar in Abwesenheit aufgrund seiner Tugend und seiner Tadellosigkeit Martinus zu recht verliehen hatte. In dieser vertrauten Gesellschaft erreichte er nach den Strapazen einer langen Reise, nachdem sie die völlig vereisten und schneebedeckten Alpen, die Nachbarn des Himmels, bezwungen hatten, über Inferni pons, den See von Luzern, das Gebiet der Helvetier und schließlich Basel. Auch wenn in dieser Versammlung für Enea als dem Sekretär des Capranica viel zu tun war, so zweigte er dennoch stets etwas Freizeit ab, um sich der Literatur zu widmen. Später mußte er Capranica unter Tränen verlassen, da dieser von Armut bedrängt war: Eugenius verhinderte, daß ihn die Erträge seiner Pfründen und seines väterlichen Erbes erreichten. Er Schloß sich Bartholomeus an, dem Bischof von Novara, mit dem er nach Florenz gelangte, wo sich Papst Eugenius gerade aufhielt. Aber auch ihn mußte er verlassen, da Bartholomeus von Eugenius wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht gebracht wurde. Er Schloß sich Nikolaus, dem Kardinal von Hl. Kreuz, an, gewiß dem besten Pater und nach einhelliger Ansicht der heiligste. Er reiste auf Geheiß des Eugenius nach Arras, wo eine Zusammenkunft der französischen Fürsten stattfand. Es gelang ihm, Frieden zwischen dem Herzog von Burgund, der zu den Engländern hielt, und dem König von Frankreich zu stiften. Nikolaus aber kehrte nach Italien zurück, da ihn die Veneter und Philipp, der Herzog von Mailand, ersuchten, die Vermittlung in den Friedensverhandlungen zu übernehmen. Weil Enea dem Eugenius nicht besonders willkommen war, reiste er nach Basel. Bei allen stand er stets in hohen Ehren. Er war nämlich der Schreiber in jener hochberühmten Synode und Abreviator der apostolischen Schriften. Er war auch Mitglied der 12-Männer-Kommission, dem die Aufgabe eines censorischen Beamten in einer solchen Versammlung zukam. Nichts konnte nämlich durch wen auch immer öffentlich verhandelt werden, außer deren große Autorität hätte sich dafür eingesetzt. Wenn jemand, obgleich er zu den Beratungen der Konzilsthemen zugelassen war, für völlig ungeeignet gehalten wurde, entfernte man ihn auf ihren Befehl hin aus dem Senat. Es gab auf dem Konzil vier Versammlungen, die wie bei Hofe als „Ausschüsse" bezeichnet wurden. In

Gemeint ist die Volkssprache.

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ihnen wurde über den Glauben, den Frieden, die Reformen und allgemeine Dinge verf. a 4 V

handelt. Diesen Beamten wurden fur einzelne Monate einzelne Beamte vorangestellt. In dem Ausschuß über den Glauben, dem Enea beigeordnet war, führte er oft den Vorsitz. Unter die Zuweiser (Verwalter) der Benefizien wurde er dreimal gewählt. In dieser Versammlung sprach er sehr oft, aber eine seiner Reden wurde fur außergewöhnlich und geschmackvoll gehalten. In ihr machte er bei der Bestimmung eines geeigneten Konzilsortes deutlich, daß Pavia Avignon, Udine und Florenz vorzuziehen sei wegen der günstigen Verhältnisse, der Lage, der Großartigkeit der Privatbauten, des milden Klimas, der bequemen Versorgung mit allen Dingen und der Großzügigkeit des Herzogs Philipp. Wenn aber etwas durch die Nationen behandelt werden sollte, wurde aus der italischen stets er als einziger ausgewählt, um in den Verhandlungen den Vorsitz zu führen. So groß waren die Umgänglichkeit seiner Sitten und die Gewandtheit seiner Begabung. In den Angelegenheiten des Konzils führte er mehrere Gesandtschaften durch: dreimal nach Straßburg, einmal nach Trient, zweimal nach Konstanz, einmal nach Frankfurt und wiederum nach Savoyen. Nachdem Felix nach langen Beratungen des Konzils zum Papst gewählt und Eugenius ausgeschlossen worden war, wurden aus jeder Nation acht Männer ausgewählt, denen die oberste Leitung in Konzilsangelegenheiten übertragen wurde. Enea wies als Sekretär des Papstes die Übertragung jenes Amtes zurück. Als Gesandter wurde er von Felix zu Kaiser Friedrich gesandt und hatte aufgrund der Gewandheit seiner Begabung so viel Ansehen, daß er ihn mit der Dichterkrone beschenkte und als „Protonotar" (so lautet die deutsche Bezeichnung) in den Kreis der Vertrauten aufnahm, die der Fürst zu den Geheimsitzungen hinzuzog. D a n n wurde er in die Reihe der Senatoren erhoben, die der Fürst in bedeutenden Angelegenheiten um Rat fragte. Sein Ansehen und seine Gelehrsamkeit standen in so hohem Ansehen, daß er leicht in jeglicher Angelegenheit, soweit sie seinen Fähigkeiten entsprach, als der Beste betrachtet wurde, mag er auch viele Konkurrenten und Schmäher gehabt haben. Inzwischen aber, als die Verhandlungen zur Beendigung des Schismas zwischen Eugenius und dem Kaiser begonnen hatten, reiste Enea in dieser Angelegenheit z u m Papst. Er hielt sich eine Weile in Siena auf und wurde von den Seinen heftig gebeten, nicht zu Eugenius zu reisen. Sie fürchteten nämlich, der Papst könnte ihn schwer bestrafen, weil gesagt wurde, Enea hätte auf dem Konzil von Basel dessen Autorität sehr oft in Briefen und Reden angegriffen. Aber als ein Mann mit Grundsätzen, voll Vertrauen auf seine Unschuld und unter Übergehen der Bitten seiner Verwandten reiste er weiter zu Eugenius. Zunächst verteidigte er sich vor ihm mit einer kunstvollen Rede, er sei der Autorität derjenigen gefolgt, durch deren Beschluß das Konzil approbiert worden sei. Erst dann begann er, mit ihm über die Themen zu verhandeln, deretwegen man vom Kaiser zu ihm gekommen war. Anschließend wurde er von Eugenius nach Deutschland zu zwei Gesandten geschickt, deren einer Thomas Sarzano war, der andere Johannes Carvajal. Schließlich wurde durch ihre Fähigkeiten und die Bemühungen des Enea, wie wir bereits bei Nikolaus erwähnt haben, die Neutralität beendet. U m dieses nicht nur durch Worte, sondern auch durch Handlungen kundzutun, sandte der Kaiser Enea nach Rom, u m Eugenius offiziell mitzuteilen, daß er selbst und alle Deutschen in menschlichen und göttlichen Angelegenheiten ihm gehorsam sein würden. Als jedoch Eugenius zu dem Zeitpunkt verstarb, führte Enea den Vorsitz im Konklave, während ein Nachfolger

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anstelle des verstorbenen Papstes durch Abstimmung der Väter gewählt wurde. Es gab in R o m nämlich keinen Redner, der für diese Aufgabe würdiger gewesen wäre. Nachdem nun Nikolaus zum Papst gewählt worden war und er die Erlaubnis zur Abreise erhalten hatte, reiste er als noch von Eugenius ernannter Subdiakon nach Deutschland. Da starb der Bischof von Triest, zu dessen Nachfolger Enea ohne sein Wissen von Papst und Kaiser ernannt wurde. Außerdem wurde er nach dem Tod des Vizecomes Philipp, der ohne Erben gestorben war, vom Kaiser als Gesandter nach Mailand geschickt. Dort hielt er eine Rede über die Nachfolge im Stadtregiment und die Einhaltung des Treuebündnisses. Hätte ihm jenes Volk gehorcht, so besäße es vielleicht seine Freiheit noch. Ein zweites Mal jedoch kehrte er nach Mailand zurück, als es sich gerade wegen seines Freiheitsdranges in ausgesprochen schlimmer Lage befand, da es von Francesco Sforza belagert wurde. Enea ließ seine Kollegen, die aus Furcht vor Erfüllung ihrer Pflicht zurückschreckten bei C o m o zurück und begab sich unter großer Gefahr in die Stadt. Als er von dort unverrichteter Dinge auf Befehl des Kaisers zu Alfons, dem König von Aragon, reiste, wurde er von Nikolaus zum Bischof von Siena, woher er stammte, ernannt. Nachdem zwischen Alfons und dem Kaiser ein Bündnis geschlossen worden war, kehrte er zu ihm nach Deutschland zurück. Stets gemahnte er ihn, zu einem möglichst baldigen Zeitpunkt nach Italien zu reisen, um die Kaiserkrone in Empfang zu nehmen. Von dort machte Friedrich sich nach Italien auf und sandte Enea voraus, damit jener seiner Gattin als Ehrerweis entgegenginge, die von Lusitanien (oder Portugal, wie es jetzt heißt) an die Küste Italiens fahren wollte. Als er nach Siena kam, hielt er sich dort nicht lange auf. Das Volk hegte gegen ihn den Verdacht, er wolle die Populären ausschalten und bei Ankunft des Kaisers die Adelspartei an die Spitze der Stadt stellen. U m das Volk von dem Verdacht zu befreien, begab er sich nach Talamon, wo er die Ankunft Leonoras vermutete. - Dennoch kamen trotz seiner Abreise die Gemüter der Populären nicht zur Ruhe. Für kurze Zeit wurde der gesamte Adel aus der Stadt aufs Land vertrieben. Er erhielt wenig später - wandelbar, wie die Sinne der Populären nun einmal sind - die Möglichkeit zur Rückkehr, als man die Tadellosigkeit des Kaisers und die gemäßigte Haltung des Enea erkannte. Er aber eilte nach Pisa, wo, wie er erfahren hatte, die Lusitanier gelandet waren. Das Mädchen, das ganz allein ihm anvertraut worden war, führte er dem Kaiser zu, der sich gerade in Siena aufhielt. D a n n reiste er nach R o m und traf öffentlich und privat alle Vorkehrungen für die Krönung des Kaisers. Als sich der Kaiser außerdem zu Alfons begeben wollte, um ihm die Ehre zu erweisen, ließ er Ladislaus, den jungen König, den die Ungarn und Böhmen schon oft heimlich zu entführen versucht hatten, unter Aufsicht und Schutz des Enea zurück. Ihm brachte er großes Vertrauen entgegen. Der Kaiser aber kehrte erneut nach R o m zurück und reiste, nachdem er dem Papst seinen Dank abgestattet hatte, weiter nach Ferrara. Nachdem Borsio Estense zum Fürsten von Modena gewählt worden war und der Kaiser Deutschland erreicht hatte, sandte er Enea sofort auf Geheiß des Papstes mit umfassenden Vollmachten als Geschäftsträger nach Böhmen und in alle Städte Österreichs. Es war nämlich zwischen ihnen und dem Kaiser zu Auseinandersetzungen um König Ladislaus gekommen. Sie forderten, daß er zu ihnen gesandt werden solle. Nachdem diese große Auseinandersetzung beigelegt und Frieden zwischen beiden gestiftet worden war, wurde Enea nicht viel später zur Versammlung in Regensburg gesandt, wo er die

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Interessen des Kaisers vertrat. In Anwesenheit Philipps, des Herzogs von Burgund, und Ludwigs, des Herzogs von Bayern, sprach er von der Unmenschlichkeit der Türken und dem Zusammenbruch des christlichen Staates mit derartigem Eifer, daß er alle zu lautem Seufzen und zu Tränen hinriß. Besonders Philipp von Burgund schien er sehr für die Sache und den Feldzug anzufeuern, und der Krieg wurde sogleich mit einhelliger Zustimmung beschlossen. Später freilich ist er aufgegeben woden wegen des Ehrgeizes und der D u m m h e i t derer, die der Ansicht waren, alles gehöre nur ihnen allein. Enea beschloß, beschwert durch das Alter, der M ü h e n und seines langen Aufenthaltes im Ausland überdrüssig, nach Siena zurückzukehren. Leicht konnte ihn der Kaiser umstimmen, als er ihm eröffnete, er habe vor, den Krieg gegen die Türken selbst zu beginnen. Daher wurde er in dieser Angelegenheit zur Versammlung in Frankfurt gesandt. Die deutschen Fürsten, die aus allen Provinzen dorthin gekommen waren, ermahnte er in einer ernsten und langen Rede mit vielen Gründen zu diesem gefahrvollen und notwendigen Krieg. Er schien alle heftig gerührt zu haben. Allerdings, wie man aus Erfahrung weiß, k o m m t natürlicherweise der Elan derjenigen schnell zum Erliegen, deren E m o t i o n e n sehr leicht aufschäumen. Ebenso wurde in der gleichen Angelegenheit in einer anderen Stadt eine Versammlung abgehalten, in der Enea a u f sonderbare Weise Hände und Füße zu Hilfe genommen haben soll, um seine Ansicht durchzusetzen. Privat und in der Öffentlichkeit hielt er jeden zu diesem Krieg an, in dem es u m die Rettung Europas, die Freiheit der Fürsten und Völker und u m die Würde des Christentums ging. Er stand kurz vor dem Ziel, als plötzlich gemeldet wurde, Nikolaus sei verschieden. Durch dessen Tod wurde alles durcheinander gebracht. Die Versammlung löste sich auf. Die Deutschen strebten nach Umwälzung der bestehenden O r d n u n g und versuchten, den Kaiser zu überreden: er solle den Päpsten den Gehorsam aufkündigen, außer sie hätten von jenen bereits gewisse Zugeständnisse erhalten, die a u f eine pragmatische Sanktion hinausliefen. Die rechtliche Situation der Deutschen sei bei weitem schlechter, als diejenige der Franzosen oder Italiener. Würde sich nichts ändern, so könnten sie mit Fug und Recht als deren Büttel (besonders der Italiener) bezeichnet werden. M i t Sicherheit hätte nicht viel gefehlt, und der Kaiser hätte ihrem stürmischen Drängen nachgegeben. U m dieses zu verhindern, schritt Enea mit dem ganzen Gewicht seiner Autorität ein und legte vor dem Kaiser seine Ansicht folgendermaßen dar: Zwischen Fürsten könne einmal Frieden oder ein Freundschaftsbündnis geschlossen werden, selbst wenn sie in wichtigen Fragen unterschiedliche Standpunkte verträten. Jedoch sei zwischen einem Fürsten und dem Volk stets unauslöschlicher H a ß entstanden, wenn jener sich nach den Wünschen derjenigen richte, deren Verstand nicht von der Vernunft, sondern von ihrem Verlangen geleitet werde. Er hielte es fur besser, sich darin der Ansicht des Papstes anzuschließen. Dieses Argument veranlaßte den Kaiser, die Forderung der Völker zurückzuweisen. Er wählte Enea als Gesandten aus, um ihn zu Calixt zu senden. Also reiste dieser nach R o m und überbrachte dem Papst in üblicher Weise die Huldigung Friedrichs. Nachdem er zur Genüge beiden die Reverenz erwiesen hatte, handelte seine gesamte Rede vom Krieg gegen die Türken. So stark war er von dieser Sache beseelt. Da er ein ausgesprochen kluger M a n n war, sah er nämlich voraus, was später tatsächlich eintrat. Die Barbaren würden durch ihren

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Sieg noch ermutigt, nach der Besetzung Griechenlands nicht stillhalten. Anschließend aber wandte er sich dem Frieden in Italien zu, der seiner Ansicht nach die Voraussetzung dafür war, den Krieg gegen die Türken zu beginnen. In diesem Sinne bestürmte er heftig den Papst. Zur gleichen Zeit wurde Siena angegriffen durch den Grafen Petiliano und Jacopo Piccinino, die jenen Krieg eher unter dem Oberbefehl des Alfons als unter ihrem eigenen führten. U m also jede Kriegsgewalt zu beenden, reiste Enea auf Geheiß des Papstes und auf die Bitten seiner Bürger hin nach Neapel zu Alfons. Dort waren aus fast ganz Italien Gesandte zusammengekommen, um über den Frieden zu verhandeln. Es ist sicher, daß mit ihnen bis dato über diese Angelegenheit noch nicht verhandelt worden war. Als aber Enea hinzukam, erklärte Alfons sich schließlich zu Friedensverhandlungen bereit, da nun derjenige an ihn herangetreten sei, den er in einzigartiger Weise schätze. Nachdem dann der Friedensschluß zustande gebracht und die Heimatstadt von den Feinden befreit worden war, hielt er sich noch einige Monate bei Alfons auf, da der vertraute Umgang mit jenem ihm viel Freude bereitete. In dieser Zeit nahm er die Gelegenheit war und drängte ihn mit einer kunstvollen und gedankenreichen Rede zur Eröffnung des Seekrieges gegen die Orientalen. Als er anschließend jedoch aus R o m abreiste, um sich in seine Vaterstadt zu begeben, wurde er von Papst Calixt zurückgehalten. Durch ihn wurde er nicht viel später mit einhelliger Zustimmung der Väter in die Reihe der Kardinäle aufgenommen. Bei Calixt aber stand er so hoch in Gunst und Ansehen, daß er ihn dazu bewegen konnte, Gesandte nach Siena zu schicken, das zu dem Zeitpunkt unter der Zwietracht der Bürger zu leiden hatte, um das Volk im Aufruhr zu Frieden und Eintracht zu ermahnen. Als er sich aus gesundheitlichen Gründen in den Bädern von Viterbo aufhielt und gerade mit der Geschichte Böhmens begonnen hatte, starb Calixt. Sogleich kehrte er nach R o m zurück. M a n erwartete ihn bereits sehnsüchtig: Ein großer Teil des Volkes von R o m war ihm pflichtgemäß vor der Stadt entgegengekommen und begrüßte ihn, so als wäre es von Gott eingegeben, als Papst. A u f ihn wurde nämlich in der Meinung aller der Pontifikat übertragen. Nachdem er das Konklave einberufen hatte, wurde er, wie ich bereits berichtet habe, mit den Stimmen aller Väter zum Pontifex Maximus gewählt. Anschließend empfing er die Papstkrone und zog am 5. September mit päpstlichem Gepränge in die Basilika St. Peter ein. Nachdem er Gott gedankt und sich des Gehorsams der Kirche versichert hatte, gehörte seine gesamte Aufmerksamkeit der Sorge um das christliche Gemeinswesen. Denn es hatte sich bereits vor seinem Pontifikat in Umbrien ein Krieg erhoben, da Herzog J a k o b Picenini nach Umsturz strebte. Gleich nach seiner Krönung zum Papst wurde der Krieg beendet. Assisi und Naceria konnten vom Feind zurückgewonnen werden. Zwischen König Ferdinand und Sigismund Malatesta wurde - was sehr schwierig zu sein schien - ein Waffenstillstand zustande gebracht, damit es allen möglich sei, sicher nach Mantua zu reisen, wo er eine allgemeine Konferenz der Christenheit anberaumt hatte. So ernannte er den Fürst von Colunensis an Stelle des verstorbenen Borsio zum Stadtpräfekten, ließ in R o m Nikolaus von Kues, den Kardinal von St. Peter bei den Ketten, als Legaten zurück und brach mitten im Winter von der Stadt auf. Er nahm seinen Weg durch die Städte, die infolge der Zwietracht der Bürger eher zum Krieg als zum Frieden zu tendieren schienen und ermahnte die Völker zu Eintracht und Ruhe.

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Schließlich war man von überall her nach Mantua gekommen. Eine große Zahl von Fürsten war anwesend und groß die Menge der Gesandten. In ganz Europa hat es keine Nation oder keinen Volksstamm gegeben, der nicht entweder seine Fürsten oder seine Gesandten dorthin geschickt hat. Endlich wurde in dieser zahlreich besuchten Versammlung, in der auch Pius selbst sprach, den Türken durch den gemeinsamen Beschluß aller der Krieg erklärt. Es wurden Meinungen vorgetragen, a u f welche Weise das Vorhaben durchgeführt werden könnte. Vorgestellt wurde die Gefahr, die über den Köpfen der Christen schwebte. Alle rührte es zu Tränen, als deren Unglück beschrieben wurde, wie sie täglich von den Barbaren in die drückendste Sklaverei abgeführt wurden. Er entflammte die Herzen, indem er zeigte, daß die Türken kurz davor standen, nach Besetzung Griechenlands und des Illyricum in das Herz Europas vorzustoßen. Ganz gewiß ist von ihm nichts ausgelassen worden, was dazu beitrug, die Gemüter der Christen zu bewegen. Dabei war er berühmt für seine Redekunst: auch wenn er öfter über dieselben Dinge sprach, schien er doch stets etwas anderes zu sagen, so groß war seine Kunstferigkeit und die Fülle seines Ausdruckes. Die Klagen der Franzosen und ihre Beleidigungen des Königs Rene wies er in drei öffentlichen Reden in aller Schärfe zurück. Sie beklagten sich darüber, daß er Ferdinand, den S o h n des Alfons, in der neapolitanischen Herrschaft bestätigt und ihn mit der Königskrone beschenkt hatte. Diese Dinge wurden a u f der Konferenz von Mantua verhandelt, während fast ganz Europa den äußeren Krieg außer acht ließ und seine Aufmerksamkeit und seine Waffen dem Krieg im Inneren zuwandte. Es erhoben sich die Deutschen teils gegen sich selbst, teils gegen die Ungarn. Durch ihre Rüstungen hätte ein so großer und notwendiger Krieg zu einem großen Teil bestritten werden können. Auch in Britannien kämpften zwei Parteien gegeneinander, deren eine den alten König, die andere nach Vertreibung des alten einen neuen auf der Insel zu halten versuchte. Außerdem erhoben sich auch die Spanier, u m Barcelona zu Hilfe zu eilen, die der König von Aragon

mit

Unterstützung

französischer Waffen angriff. Und, damit nichts fehlt, um alles durcheinander zu bringen, achtete Italien, das Haupt Europas, nicht a u f den äußeren Krieg, sondern wandte Aufmerksamkeit und Waffen dem inneren Krieg zu. Damals wurde ein Krieg in Apulien geführt, in dem Johannes, der Sohn von König Renatus, versuchte, Ferdinand aus seinem Königreich zu vertreiben. D o r t spaltete sich die ganze Provinz in zwei Lager: die einen standen zu Ferdinand, die anderen hielten zu Renatus. Daher brach Pius seine Teilnahme an der Konferenz von Mantua ab und kehrte in die Toscana zurück, um die Unruhe zu beenden. Die Picener wurden wegen ihrer Gebietsgrenzen in heftigsten Feldzügen verfolgt und wurden teils durch Vernunft, teils durch Furcht dazu gebracht, f. a 6 r

Frieden zu schließen. Die Umbrer, die von einem ähnlichen Streit zerrissen und sich durch große Gemetzel besudelt und übel zugerichtet hatten, brachte er schließlich durch seine Autorität zur Ruhe. In der Stadt Siena erwarb er sich eine gefestigte Position, nachdem alle Aufstände, unter denen es zuvor drei Jahre lang gelitten hatte, beendet waren. Einige Exilanten, ganz hervorragende Männer, brachte er wieder in seine Vaterstadt zurück. Die Regierung der Stadt legte er wieder in die Hand des Adels. Die Treulosigkeit der Sabiner jedoch bestrafte er, da sie einem Staatsfeind Durchreise gewährt und ihn mit Lebensmitteln versorgt hatten. In R o m schlug er die außerordentlich heftigen Unruhen der Meuchelmörder nieder. Er fing Tiburtius zusammen mit seinen Genossen. Dieser war

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der S o h n des Angelo Massiano, der unter Nikolaus, wie ich bereits berichtet habe, wegen einer Verschwörung hingerichtet worden. Tiburtius wurde mit einem Strick an den Fenstern des Kapitol aufgeknüpft, weil seine Bande und er es gewagt hatten, das Pantheon zu besetzten und von dort wie aus einer Burg ihre Angriffe a u f unbescholtene Bürger verstärkt hatten. Einige Tyrannen, die nach Umsturz strebten, entfernte er durch einen Feldzug aus dem Gebiet der Kirche. Niemanden griff er je an, ohne vorher zu ihm Gesandte zu schicken, um ihn a u f diese Weise mit Argumenten wieder zur Vernunft zu bringen. Friedrich von Urbino, den Oberbefehlshaber seiner Truppen, sandte er mit Alexander Sforza in das Gebiet der Marser, damit er J a k o b Piccino, der bei Rene in Sold stand, davon abhielt, nach Apulien zu den Franzosen zu marschieren und Ferdinand anzugreifen. Ferdinand, der nach Sarno geflohen war, kam er zu Hilfe, um ihn in seinem Königreich zu halten. Er fürchtete, daß die Franzosen nach Besetzung des Königreiches durch den Sieg Auftrieb erhielten und die Freiheit Italiens zerstörten. Die Drohungen und Versprechungen der französischen Gesandten, durch die man versuchte, ihn von Ferdinand a u f die Seite des Renatus hinüber zu ziehen, machten a u f ihn keinerlei Eindruck. Das wütende Toben Sigismund Malatestas, eines Tributpflichtigen der römischen Kirche, unterdrückte er mit Strenge und Waffengewalt. Er hatte nämlich den Vertrag gebrochen, den der Papst zwischen ihm und Ferdinand geschlossen hatte und gegen jedes göttliche und menschliche Recht alle Kastelle gewaltsam eingenommen, die zur Garantie der Vertragstreue übergeben worden waren. Den Gesandten der römischen Kirche vertrieb er nach Nidasturis und griff die Picener an. Sein Wüten wurde jedoch im folgenden J a h r bei Senogallia durch die Heerführer Federico von Urbino und Neapolio Ursino in einer bedeutenden Schlacht unterdrückt und bestraft. Senogallia wurde zurückerobert. Auch Fano wurde erobert durch den Legaten Nikolaus von Pistoia, dem Kardinal von St. Caecilia. Ein großer Teil des Gebietes von Rimini wurde ihm weggenommen, um ihm die Möglichkeit zu erneuter Rebellion zu nehmen. Nicht viel später kämpfte außerdem mit gleichem Glück Ferdinand bei Troia, einer Stadt in Apulien. Durch diese Schlacht wurde der Fürst von Tarent und die meisten anderen, die a u f Umsturz aus waren und sich den französischen Waffen angeschlossen hatten, derart in Schrecken versetzt, daß fast alle kniefällig vom König den Frieden erbaten und zu dem Freundschaftsverhältnis zurückkehrten. Einigen wenigen setzte der König später durch einen Feldzug nach und vertrieb sie entweder aus seinem Reich oder brachte sie wieder zur Vernunft. Pius nahm aber, nachdem er sich zweier großer und schwerer Kriege entledigt hatte, die Expedition nach Asien wieder auf. Sie war auf der Konferenz von Mantua infolge der Ehrsucht und der Habgier aufgegeben worden. Als Kriegsteilnehmer gewann er den König von Ungarn, Herzog Philipp von Burgund und die Venezianer. Sie alle schienen ihm noch am ehesten zu dem Unternehmen bereit zu sein. Er sandte Geschäftsträger und Boten mit apostolischen Sendschreiben zu den Stämmen und Nationen der Christenheit, um alle Fürsten und Völker zu diesem großen unausweichlichen Krieg aufzurufen. Er selbst reiste inzwischen nach Siena, um sich an einen Ort zu begeben, wo er sich angesichts der Jahreszeit aufhalten konnte: zu den olanischen Bädern von St. Peter, die am ehesten Linderung für seine Beschwerden versprachen. Dort jedoch mußte erkennen, daß Philipp von Burgund, ob-

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gleich er sein Erscheinen mit Heer und Flotte zugesichert hatte, sich an sein Versprechen nicht hielt. Er erkannte außerdem, daß es viele Fürsten und Völker gab - und nicht nur fremde, sondern auch italienische -, die aus Ehrgeiz und Mißgunst versuchten, dieses große Vorhaben zu stören. Sie sahen, daß diejenigen die edelsten

Belohnungen

zurückbringen würden, die die Last eines solchen Krieges auf sich nähmen. Wie es sich für einen Papst gehört, versuchte er, sie durch Ermahnungen wieder zu Vernunft zu bringen. Er brach seine Bäderkur ab und begab sich nach Rom, wo er unter heftigen Fußschmerzen und einem starken Fieber litt. Aus diesem Grunde konnte er am 5. Juni, wie er es angekündigt hatte, nicht in Ancona sein. Als die Krankheit etwas abgeklungen war, empfing Pius die Gesandten des Königs von Frankreich und des Herzogs von Burgund, die den Verzug ihres Herren entschuldigen sollten. Anschließend rief er die Kardinäle zu sich und setzte dem König von Böhmen, der der Häresie anhing, ein Ultimatum. Dann verließ er die Stadt und wurde in einer Sänfte durch Sabinum, Umbrien und Picenum nach Ancona gebracht. Auf der Reise kränkte er eine große Menge Menschen, die aus Deutschland, Frankreich oder Spanien kamen und am Krieg gegen die Türken teilnehmen wollten. Zum großen Teil schickte er sie (vor allem die Deutschen) nach Absolution ihrer Sünden in ihre Heimat zurück, weil sie für den Krieg weniger geeignet waren und weil sie die für den Krieg notwendige Ausrüstung nicht mitgenommen hatten, wie es in dem apostolischen Sendschreiben gefordert wurde. Während er die Flotte, die überall in den Häfen des Adriatischen und Tyrrhenischen Meeres für diesen Krieg gebaut worden war, und den Herzog von Venetien als Kriegsteilf. a 6V

nehmer in Ancona erwartete, wurde er von einem langen und anhaltenden Fieber befallen und starb 1464 am 16. August ungefähr zur dritten Stunde in der Nacht (zwischen 20 und 21 Uhr), 6 Tage vor Vollendung seines 5. Jahres als Papst. Er war von einer solchen Standhaftigkeit und Stärke, daß er in der ganzen langen und schweren Krankheit seine Beschäftigungen niemals unterbrach. Er verschaffte sich ein Bild von den Anliegen der verschiedenen Völker, er hörte an, hinderte, entschied, urteilte, unterzeichnete, ermahnte und strafte. An dem Tage jedoch, an dem er sterben sollte, rief er zwei Stunden vor seinen letzten Augenblicken die Kardinäle zu sich und mahnte mit ungetrübtem Geist und klarer Stimme zu Eintracht bei Wahl eines neuen Papstes. Ebenso legte er ihnen die Ehre des Allerhöchsten, die Würde der römischen Kirche, den von ihm angeregten Krieg gegen die Türken, das Heil seiner Seele, seine ganze Familie, seine Neffen (besonders, wenn sie sich als würdig erwiesen hatten) in einer ununterbrochen gehaltenen ernsten Rede ans Herz. Von selbst verlangte er nach allen Sakramenten und zeigte die Kennzeichen eines in allen Dingen tadellosen Christen. Außerdem aber diskutierte er selbst dann noch mit Laurenzo Roverella, dem Bischof von Ferrara, einem äußerst gelehrten Theologen, ob es erlaubt sei, die letzte Ölung zu wiederholen. Er war bereits einmal versehen worden, als er in Basel heftig an der Pest erkrankt war. Dazu, das Stundengebet angesichts der Ängstlichkeit zu unterbrechen, konnten ihn nicht einmal die Bitten seiner Hausgenossen bewegen. Das Athanasianische Glaubensbekenntnis sprach er ohne Unterbrechung und sagte anschließend, daß es sehr wahr und heilig sei. Den Tod fürchtete er nicht und zeigte bis zu seinem letzten Atemzuge keinerlei Anzeichen einer Verwirrung oder Schwäche. Nach seinem Tod kann er eher als vollendet denn als gestorben bezeichnet werden.

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durch die langen Krankheiten war sein Körper derart geschwächt, daß er den Seinen auftrug, den Leichnahm nach Rom zu überfuhren. Die Leichenwäscher versicherten, in ihm ein Herz wie bei einem Lebenden gefunden zu haben. Der Leichnahm wurde von Ancona nach Rom überfuhrt. Die Familie begleitete sie tränenübertrömt in Trauerkleidung. Die Exsequien wurden wie üblich in der Basilika St. Peter gehalten. Anschließend wurde er beim Altar von St. Andreas in einem Grab beigesetzt, das mit den Mitteln des Bischofs von Siena Francesco gebaut worden war. Auf dem Epitaph stand: Pius II, Etrurier aus Siena aus dem Geschlecht Picolhomini saß 6 Jahre (hatte sechs Jahre lang den Stuhl Petri inne). Der Ruhm seines kurzen Pontifikates war gewaltig. Er hielt in Mantua eine Konferenz der Christenheit für den Glauben ab. Den Bekämpfern des Römischen Stuhles leistete er innerhalb und außerhalb Italiens Widerstand. Katharina von Siena nahm er unter die Heiligen Christi auf. Die Pragmatische Sanktion in Frankreich schaffte er ab. Ferdinand von Aragon, vertrauend auf seine sizilianischen Besitztümer, setzte er in seine Königsherrschaft ein, das Gut der Kirche vermehrte er. Als damals Alaun bei Tolfa gefunden wurde, richtete er als Hüter von Gerechtigkeit und Religion Bergwerke ein. Er war bewundernswert für seine Eloquenz. Er starb in Ancona auf dem Weg in den Krieg, den er den Türken erklärt hatte. Dort hatte er die kampfbereite Flotte und den Herzog von Venetien mit seinem Senat als Mitstreiter Christi. Auf Beschluß der Väter wurde er nach Rom überfuhrt und dort beigesetzt, wo das Haupt des Apostels Andreas bewahrt wurde. Auf sein Geheiß war es von der Peloponnes herbeigeschafft worden. Er lebte 58 Jahre 8 Monate 27 Tage. Dem Kardinalskollegium aber hinterließ er 45 000 Goldmünzen aus den Steuereinnahmen der Kirche, als Summe für den Türkenkrieg. Diese Gelder und die Triremen, die sich zu der Zeit im Hafen von Ancona befanden, übergaben sie an Christopherus Maurus, den Herzog von Venetien, der sich zwei Tage vor dem Tode des Pius mit 11 Triremen angeschlossen hatte. Die Bedingung war, daß die Kardinäle die Schiffe nach ihren Entscheidungen in einem Seekrieg einsetzen könnten. Geld schickten sie an Matthias, den König von Ungarn, der sich unausgesetzt im Krieg mit den Türken befand. Es starb ein Mann von unzweifelhafter Tapferkeit und einzigartiger Klugheit, der nicht für die Muße und Trägheit, sondern für die größten Taten geboren schien. Stets versuchte er das Ansehen des Papstes zu vergrößern. Er ließ nicht davon ab, Könige, Fürsten, Völker und Tyrannen, die an ihm oder irgendeinem Kleriker Unrecht begangen hatten, mit Krieg, Verhängung von Kirchenstrafen oder Bannflüchen zu verfolgen. Und er ließ nicht davon ab, bis er erkannt hatte, daß sie wieder zu Vernunft gekommen waren. Gegen Ludwig, den König von Frankreich, kämpfte er, weil er versuchte, die Freiheit der römischen Kirche zu schmälern. Pius hatte ihm vorher die Pragmatische Sanktion entwunden, jene ausgesprochen schädliche Pest der römischen Kirche. Dem Borsio, dem Herzog von Modena, drohte er, obgleich dieser selbst der Censuarius der römischen Kirche war, und dem Sigismund Malatesta, einem Feind der Kirche, weil er die Partei der Franzosen unterstützte. Herzog Sigismund von Österreich jedoch verfolgte er mit schwersten Kirchenstrafen, weil er Nikolaus Cusanus, den Kardinal von St. Peter bei den Ketten, gefangengenommen hatte und ihn eine geraume Zeit im Kerker festhielt. Dieter von Isenburg, den Bischof von Mainz, setzte er ab, weil er der Häresie anhing. An dessen Stelle setzte er einen anderen als Nachfolger ein.

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Josef Hejnic - H a n s Rothe, Einführung

Den Bischof von Benevent, der gegen seinen Willen am Umsturz arbeitete und versuchte, Benevent mit Hilfe der Franzosen zugrunde zu richten, entfernte er von seinem Amt. Francesco Copinus, der zum Unheil und Schaden der Menschen fur sich im Rahmen seiner Gesandtschaft in Britannien mehr Autorität forderte, als ihm von Päpstlichen Stuhl zugestanden worden war, nahm er sein Amt als Bischof von Teramo. Taracino, Benevento, Sora, Arpino und einen großen Teil des Hernikergbietes (das heute Campanien genannt wird), brachte er wieder unter die Botmäßigkeit der Kirche. Niemals gestand er den Königen, den Fürsten oder Völkern aus Furcht oder Habgier etwas zu. Einige jedoch tadelte er strengstens für ihre Forderungen, da sie seiner Ansicht nach ohne Schädigung der Kirche und seine eigene Schande nicht erfüllt werden konnten. Einigen Herren flößte er einen derartigen Schrecken ein, daß ihnen nichts wichtiger war, als Pflichterfüllung und Glaube. So, wie er beharrlich die Staatsfeinde verfolgte, sorgte er auf menschliche und pflichtgemäße Weise für seine Freunde. Friedrich, den Kaiser von Rom, Matthias, den König von Ungarn, Ferdinand, den Sohn Alfons, Philipp von Burgund, Francesco Sforza und Ludwig Gonzaga liebte er sehr. Während seines Pontifikates ernannte er 12 neue Kardinäle: Reatinus, von Spoleto, Alexander von Trani, den Bischof von Sassoferrato, Bartholomaeus, Roverella, J a k o b von Lucca, Francesco, den Sohn seiner Schwester Laodomia und Francesco Gonzaga, den Sohn des Herzogs Ludwig. Diese alle wurden unter die Italiener gezählt. Von den transalpinen Kardinälen: von Salzburg Ludwig Libretum, die Bischöfe von Arras und Vergi. Er unterzog sich einer derart straffen Lebensweise, daß man ihn des Müßiggangs und der Untätigkeit keineswegs bezichtigen könnte. Er erhob sich im Morgengrauen. Nachdem er für seine Gesundheit gesorgt und das Morgengebet keusch und fromm verrichtet hatte, schritt er sogleich zu den Amtsgeschäften. Wenn er sie erledigt hatte, wurde er durch die Gärten hinabgetragen, um sich zu erholen. Anschließend aß er zu Mittag. Er nahm einfache Speisen zu sich, nicht ausgesuchte und vornehme. Er ließ sich nur selten das Essen bringen. Was ihm vorgesetzt wurde, das aß er auch. Bei Weinen war er sehr zurückhaltend. Er trank sie leicht und verdünnt und bevorzugte eher solche aus dem Süden. Nach dem Essen plauderte oder diskutierte er eine halbe Stunde mit den Hausbewohnern. Anschließend begab er sich ins Schlafzimmer und setzte, nachdem er ein wenig geruht hatte, das Stundengebet fort. Dann las er lange oder schrieb, solange es ihm seine öffentlichen Verpflichtungen gestatteten. Nach dem Abendessen tat er dasselbe wie am Tag: im Bett liegend las oder diktierte er bis tief in die Nacht und schlief dann nicht mehr als fünf oder sechs Stunden. Er war von kleiner Statur. Seine Haare waren bereits frühzeitig ergraut, sein Gesicht zeigte bereits recht früh die Spuren des Alters. Sein Blick verriet eine Strenge, die durch Leutseligkeit gemildert war. In bezug auf die Körperpflege war er weder pedantisch noch nachlässig und an Mühsal gewöhnt. Gleichmütig ertrug er Hunger und Durst. Die Natur hatte ihm einen kräftigen Körper gegeben, den gleichwohl die langen Reisen, zahlreichen Strapazen und häufigen Nachtarbeiten zermürbt hatten. Hinzu kamen seine gewöhnlichen Krankheiten wie Husten, Blasenstein und Fußgicht. Unter ihnen litt er derart oft, daß außer der Stimme allein ihm nichts blieb, weshalb er lebendig genannt werden könnte. Auch während seiner Krankheiten war es leicht möglich, sich ihm zu nähern. Sparsam mit Worten lehnte er doch nur ungern das Erbetene ab.

Testimonia: Piatina

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Er gab nur soviel aus, wie er einnahm. Er war weder geldgierig, noch verachtete er es. Wenn es gezählt oder hinterlegt wurde, wollte er niemals anwesend sein. Die Begabungen seiner Zeit schien er nicht zu fördern, weil die drei bedeutenden, von ihm geführten Kriege den päpstlichen Staatsschatz ständig erschöpften, daß er von großen Schulden bedrängt wurde. Dennoch gewährte er ζ. B. den Gelehrten Unterstützung in Form von Hofämtern und kirchlichen Pfründen. Redner oder solche, die Gedichte vortrugen, hörte er gern und unterwarf seine eigenen Schriften dem Urteil derer, die etwas davon verstanden. Lügner und Denunzianten haßte er. Seinen Zorn konnte er leicht unter Kontrolle bekommen und, wenn er das getan hatte, ihn leicht beenden. Immer verzieh er Schmähworte und Unverschämtheiten gegen ihn, es sei denn, dem Apostolischen Stuhl wäre Unrecht zugefügt worden. Dessen Würde schützte er stets so leidenschaftlich, daß er um seinetwillen oft heftige Feindschaften auf sich nahm. Gegen die Hausgenossen war er von bewundernswerter Umgänglichkeit und Leutseligkeit. Diejenigen, die er bei Unüberlegtheit und Faulheit ertappte, wies er mit väterlicher Liebe zurecht. Wenn einer schlecht von ihm dachte oder sprach, bestrafte er ihn nicht. Er wollte nämlich, daß in einer freien Stadt alle freimütig reden konnten. Jemanden, der sich bei ihm darüber beklagte, man spräche schlecht über ihn, dem antwortete er: „Wenn du bis zum Campus Florae gehst, wirst du viele hören, die auch von mir schlecht denken." Wenn er sich dazu entschloß, das Klima von Rom, das für ihn bei seiner Konstitution sehr ungesund war, vornehmlich im Sommer zu verlassen, dann begab er sich nach Tivoli oder Siena. Besonders freute es ihn, wenn er sich in eine Abtei im Gebiet von Siena zurückziehen konnte. Er schätzte sie wegen der Lieblichkeit des Ortes und der Schattigkeit der Wälder, die im Sommer für wunderbare Abkühlung sorgten. Aus gesundheitlichen Gründen besuchte er oft die Bäder von Maceratana und Petriolana. Er trug ein dünnes Gewand, von schlichtem und eher königlichem Gold. Sein ganzes Vergnügen lag in häufigem Lesen und Schreiben, wenn er einmal von Staatsgeschäften frei war. Er sagte, daß Bücher ihm mehr bedeuteten als seine Saphire oder Smaragde, unter denen sich nach seinen Angaben eine große Menge Chrysoliten befanden. Eine kunstvolle Tafel verachtete er. Zu den Quellen, den Hainen und ländlichen Gegenden, die er oft aufsuchte, um auszuspannen, wurde er hinabgetragen nicht mit päpstlichem Aufwand, sondern demütig und beinahe bäuerlich. Es gab besonders unter Hofbeamten einige, die unter seinem häufigen Ortswechsel litten, weil so etwas unter den anderen Päpsten nicht vorgekommen war, außer sie seien durch Krieg oder Pest dazu gezwungen gewesen. Deren Klage überging er, indem er sagte, aus einem solchen Grunde werde er nichts auslassen, was für die Würde des Papsttums und die Nützlichkeit der Hofbeamten forderlich sei. A n allen Orten unterschrieb er, hörte er an, entschied er, antwortete er, stimmte er zu, wies er zurück. Aus diesem Grund konnte er an welchem Ort auch immer allen Genüge tun. Er aß nicht gern allein, sondern lud den Kardinal von Spoleto, Trani oder Pavia zum Essen ein. Beim Essen sprach man über die Beschäftigung mit der Literatur, rief die alten Schriftsteller ins Gedächtnis zurück. Wenn einer etwas Lobenswertes im Reden oder Schreiben erreicht hatte, wurde es einem erlesenen Gericht vorgestellt. Oft hielt er die Seinen zur Tugend an, vor dem Laster schreckte er ab, indem er schilderte, was andere im Leben richtig oder falsch gemacht hatten.

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Als Vorleser hatte er Augustinus Patricius, von dem alles, was er diktierte, aufgeschrieben wurde. Bisweilen hörte er gern feine, humorvolle Geschichten, wenn seine Geschäfte es zuließen. Manchmal ließ er einen Florentiner mit griechischem Namen kommen. Dieser verstand es, unter größtem Gelächter aller Zuhörer die Gewohnheiten, das Gehabe und die Sprache einer beliebigen Person nachzumachen. Er war ein wahrhaftiger Mensch, untadelig, offen und besaß nichts Gekünsteltes oder Vorgetäuschtes. Den christlichen Glauben aber pflegte er, und ihm gehorchte er so, daß er jeglichen früher einmal geäußerten Verdacht der Heuchelei entkräftete. Er beichtete und kommunizierte oft. Die Messe las er entweder selbst oder nahm daran teil, wenn sie unter Einhaltung der üblichen Riten zelebriert wurde. Traumbilder, Wunderzeichen und Erscheinungen beachtete er nicht, um Blitze kümmerte er sich niemals. Geomanten und den übrigen dieses Schlages schenkte er keinerlei Glauben. Man kannte an ihm kein Zeichen von Furchtsamkeit oder Unbeständigkeit. Nie schien er durch Glück hochfahrend oder Unglück erschüttert zu werden. Oft tadelte er die Seinen fur ihre Furcht und Schreckhaftigkeit, weil sie sich scheuten, erlittene Niederlagen, wie sie im Krieg nun einmal vorkommen, ihm offen zu melden. Er sagte, er könne den Unannehmlichkeiten durch planvolles Handeln begegnen, wenn er rechtzeitig von den Geschehnissen informiert würde. Seine Verbündeten ließ er, auch wenn ihn die Höhe der Kosten oder die Macht der Feinde erschreckten, niemals im Stich. Zwar führte er ungern Kriege, tat es jedoch zum Schutze der Kirche und zur Verteidigung des Glaubens, wenn er durch großes Unrecht gereizt worden war. Das Bauen bereitete ihm große Freude. Auf seine Kosten nämlich wurde die Treppe einer Kirche beim Vatikan, die aufgrund ihres Alters zusammengebrochen war, wieder aufgebaut. Der Vorplatz des Palastes, wurde zur Würde und zum Schutz des Ortes befestigt. Den Platz vor den Toren der Kirche ließ er von Schutt säubern und dann pflastern. Er begann mit dem Bau einer Säulenhalle, von wo aus der Papst das Volk segnen sollte. In Tivoli schien er die Burg bereits vollendet zu haben, ehe sie überhaupt angefangen worden war. In Siena errichtete er für seine Familie aus Quadersteinen eine Säulenhalle, die spitz zulief und mit Ornamenten reich verziert war. Corsignano benannte er zur Ehren seiner Papstwahl nach seinem Namen in Pienza um und erhob den Ort zur Stadt. Dort baute er einen berühmten Tempel in Schildkrötenform und die herrlichsten Häuser. Auf das Grabmal aus Marmor, das er für die Gebeine seiner Eltern in der Kirche St. Franziskus hatte bauen lassen, schrieb er folgendes Distichon: „Hier liege ich, Silvio, mit Viktoria meiner Gemahlin, dies hier umschloß mein Sohn Pius mit Marmor, der Papst." Er hatte von seiner Schwester her vier Neffen. Die zwei jüngsten wurden durch seine Gunst und Autorität vom spanischen König in den Ritterstand erhoben. Der älteste, dem König Ferdinand seine Tochter zur Frau gab, wurde zum Herzog von Amalfi erwählt. Der zweite, den Pius, wie ich bereits erwähnte, unter die Kardinäle aufnahm, lebt bis heute mit einer solchen Tadellosigkeit und Tugend, daß man an ihm nichts vermißt, was zu einem bedeutenden Mann dazugehört. Begabung, gute Sitten, Geschicklichkeit, Glaube, Maß und Würde. Doch ich kehre zu Pius zurück. Obgleich er an einen solchen Gipfelpunkt gestellt war, unterbrach er doch seine

Testimonia: Piatina

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wissenschaftliche Betätigung nie. Als junger M a n n gab er noch vor seiner Priesterweihe Gedichte heraus, die dem Ton nach eher fröhlich und ausgelassen waren, als knapp und würdevoll. Dennoch erhob er sich manchmal, und während er scherzte, entbehrte er nicht der Bissigkeit. Es gibt von ihm Epigramme, angefüllt mit Witz. Er soll 3000 verschiedene Verse geschrieben haben, von denen ein großer Teil in Basel verlorengegangen ist. Im übrigen Leben gab er sich ganz der ungebundenen Rede hin, angezogen durch die Größe der Gegenstände. Auch das genus mixtum, das zum Philosophieren besser geeignet ist, machte ihm Freude. Er gab Bücher in Dialogform heraus: über den Geltungsbereich des Konzils von Basel, den Ursprung des Nils, die Jagd, das Schicksal, das Vorherwissen Gottes und die Häresie der Böhmen. Er hinterließ einen unvollkommenen Dialog gegen die Türken, den er zur Verteidigung des katholischen Glaubens begonnen hatte. Seine Briefe teilte er in Zeitabschnitte ein, je nachdem wann er sie verfaßt hatte: als Laie, nach der Priesterweihe, als Bischof und als Papst. Er verteilte sie auf verschiedene Bände. Mit ihrer Hilfe entflammte er die Könige, die Nationen, die Städte, die Fürsten und Menschen jeglicher Art für die Waffen des Glaubens. Es gibt einen Brief an die Türken, in dem er sie auffordert, daß sie, nachdem sie die mohammedanische Lüge besessen hätten, in Zukunft doch der wahren Religion Jesu Christi folgen mögen. Ein Buch schrieb er über das Elend der Hofbeamten. Er schrieb sogar an Ladislaus, den König von Ungarn, über den Grammatikunterricht. Er hielt ungefähr 32 Reden für den Frieden der Könige, der Eintracht der Fürsten, der Ruhe der Nationen, der Verteidigung des Glaubens und der Ruhe des gesamten Erdkreises. Eine Geschichte Böhmens Schloß er ab, eine über Österreich blieb unvollendet. Er machte sich an eine Geschichte aller Ereignisse seiner Zeit, wo auch immer sie sich zugetragen hatten. Durch die Menge seiner Geschäfte erdrückt, hinterließ er sie unvollendet. Er schrieb 12 Bücher mit Kommentaren über seine Taten und begann ein dreizehntes. Sein Stil ist leicht und gemäßigt. Er hielt glänzende öffentliche Reden, die dem Gegenstand angemessen waren. Er schürte die Emotionen, um sie hernach wieder zu beruhigen. Brauchbar beschrieb er Gegenden und Flüsse. J e nach den Umständen erhielt seine Beredsamkeit unterschiedliche Gestalt. Seine Kenntnis des Altertums ließ er nicht ungenutzt. Keine Stadt wurde erwähnt, deren Ursprung er nicht wieder ins Gedächtnis rief, deren Lage er nicht angab. Welche Fürsten sich zu welcher Zeit Ruhm erwarben, beschrieb er höchst sorgfältig. Er schrieb zum Vergnügen sogar Possen und hinterließ zahlreiche Sätze nach Art von Sinnsprüchen. Einen Teil von ihnen, der zur Gestaltung des menschlichen Lebens geeignet zu sein schien, habe ich hier angefügt: Er sagte, die Natur Gottes könne besser durch den Akt des Gaubens und als durch die Erörterung verstanden und erfaßt werden. Der christliche Glaube, auch wenn er nicht durch Wunder bestätigt worden sei, hätte allein aufgrund seiner eigenen Ehrenhaftigkeit angenommen werden müssen. Daß es in einer Gottheit drei Personen gäbe, könne nicht auf dem Wege der Vernunft überprüft werden, sondern es sei darauf zu achten, von wem es gesagt werde. Die Sterblichen, die Himmel und Erde ausgemessen hätten, schienen eher kühn als wahrhaftig zu sein. Den Lauf der Gestirne zu erforschen sei eher hübsch, als nützlich. Die Freunde Gottes würden das zukünftige Leben genießen. Ohne Tugend gäbe es für niemanden eine echte Freude. Weder durch das Geld der Habgierigen noch durch Kenntnisse von der Welt werde ein gelehrter Mann erfüllt, dem es gegeben sei,

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

mehr zu wissen; jener verfolge Größeres mit Zweifel. Die Schriften müßten den Platz einnehmen, den beim einfachen Volke das Silber besäße, bei den Adligen das Gold und den Fürsten die Gemmen. Gute Arzte wollten nicht das Geld des Kranken, sondern seine Gesundung. Eine kunstfertige Rede beeindrucke dumme Menschen, nicht weise. Heilig seien die Gesetze, die dem Umherstreifenden Zügel für seine Zügellosigkeit auferlegten. Uber das einfache Volk hätten die ohnmächtigen und stummen Gesetzte Kraft, größere Angelegenheiten würden mit Waffen, nicht mit Gesetzen entschieden. Der gebildete Geist ordnet sein Haus der Stadt, die Stadt der Region, die Region der Welt und die Welt aber Gott unter. Glatt sei das Parkett für den, der vor Königen den ersten Platz einnehmen wolle. Wie die Flüsse alle ins Meer flössen, so die Laster in die großen Paläste. Die „JaSager" führten die Könige gerade dorthin, wohin sie wollten. Niemandem liehen die Fürsten eher ihr Ohr, als den Denunzianten. Die schlimmste Pest für die Könige sei die Zunge der Schmeichler. Ein König, der zu niemandem Vertrauen habe, sei unnütz und keineswegs besser als derjenige, der allen glaube. Wer viele regiert, der muß sich von vielen regieren lassen. Es verdiene derjenige nicht den Namen „König", der das öffentliche Wohl nach seinem eigenen Vorteil bemesse. Weder ein Wohl der Kirche, das die heiligen Dinge außer acht läßt, noch ein König, der sich nicht um die Rechtsprechung kümmert, fordern würdige Steuern. Die Prozessierenden bezeichnete er als Vögel, das Forum als Tummelplatz, den Richter als Vogelnetz und die Anwälte als Vogelfanger. Die Männer seien für die würdevollen Stellungen da, nicht die würdevollen Stellungen für die Menschen. Einige hätten keine Posten und verdienten sie, andere hätten sie und verdienten sie nicht. Schwer sei die Bürde des Papstes, heilig der, der sie gut trüge. Einen ungebildeten Bischof könne man mit einem Esel vergleichen. Den Leib töten schlechte Ärzte, die Seele unerfahrene Priester. Ein umherziehender Mönch sei Haussklave des Teufels. Tugenden bereicherten den Klerus, Laster machten ihn arm. Die Priester müßten ein Verlöbnis, das sie aus wichtigem Grund aufgelöst hätten, für einen wichtigeren erneut eingehen. Ein treuer Freund sei der größte Schatz. Das Leben sei einem Freund, der Neid dem Tod vergleichbar. Einen Feind gegen sich ernährt derjenige, der dem Sohn allzu sehr nachgibt. Nirgends gefalle ein Geiziger den Menschen außer im Tode. Die Laster der Menschen würden durch Großzügigkeit verdeckt, durch Geiz freigelegt. Das Lügen sei ein Sklavenlaster. Das Weintrinken vergrößere für die Sterblichen die Leiden und Krankheiten. Man solle Wein trinken, der den Geist belebt, nicht solchen, der ihn benebelt. Die Lust verwunde jedes Alter schwer, das Greisenalter bringe sie um. Ein geruhsames Leben bringe weder Gold noch Gemmen. Süß sei der Tod für die guten Menschen, hart für die schlechten. Ein edelmütiger Tod sei nach Meinung aller Philosophen einem Leben in Schande vorzuziehen. Dies war ungefähr das, was über das Leben Pius' II geschrieben werden kann, zu dessen Lob ich noch folgendes hinzufügen möchte: Er hat die hl. Katharina von Siena unter die Heiligen aufgenommen, das Haupt des St. Andreas, das durch den Ortsfürsten von der Peloponnes nach Rom gebracht worden war, in St. Peter mit großer Verehrung und unter Dankfesten des Klerus und des Volkes von Rom in einer Kapelle beigesetzt, die zu dem Zweck hergestellt worden , war. Dafür wurde die Kirche besonders an dieser Stelle wieder gereinigt und die Gräber einiger Päpste und Kardinäle entfernt, die sogar die Basilika unbesonnener Weise in Besitz genommen hatten.

Testimonia: Campanus

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b. Campanus Giovanni A n t o n i o C a m p a n o (d. i. vermutlich de Teolis) (14291477), von Pius II. wegen literarischer Verdienste 1462, zum B i s c h o f von Crotone in Kalabrien. 1463 zum B i s c h o f von Teramo in den Abruzzen ernannt; (vgl. F.-R. Hausmann in Lex. d. MA-s II 1983, 1421).

Pii IIV pont(ificis) max(imi), per Ioan(nem) | Antonium Camp(anum), episcopum | Aretinum, vita. | Pius Secundus originem duxit ex Sena, celebri Tuscorum urbe, familia Piccolominea nobili ac pervetusta, patre Sylvio posthumo, qui aliquando militares duxit ordines, matre Victoria, aeque nobili et foecunditatis eximiae foemina, quippe duodeviginti, et ex his gemellos aliquot, puerperiis edidit. Natus est quintodecimo Calend. Novembris Corsiniani, quod oppidum duo et xx milia passuum distat a Sena in fundis gentiliciis, quo parentes paucis ante annis se receperant studio partium a plebe deiecti. Nomen puero Aeneae Sylvio inditum in memoriam avi. Prima rudimenta Corsiniani peregit admodum puer, Senae propinquis commendatus celeriter et in poetica et in oratoria profecit. Ius civile sero amplexus et lente, brevi omisit natura ad poeticam inclinatiore. Initia famae ex rhythmis comparavit Hetrusca lingua editis, mox oratione et versibus laudari coeptus multa scripsit ad aemulationem aequalium, inter quae et leviusculae quaedam fabellae cum excidissent, aliquando postea supprimere conatus minime potuit Italia tota divulgatus. Pertaesus rerum domesticarum, simul et quaerendae gloriae cupidus Basileam, Helvetiorum urbem, contendit, quo in loco diu antea indictum concilium tunc adversus Eugenium pontificem habebatur. Itinere obliquo et perdifficili propter ortum cum Florentinis finitimis bellum, quo metu navigaturus secundum tractum Ligustici littoris, cum Populonia solvisset adversam incidens tempestatem, Corsica omni ac Sardinia vi ventorum circumactus in Libyam usque propellitur. Revectus in Ligusticum pelagus et expositus in continentem cum diversoria deessent, taedio rerum nauticarum et recenti periculo territus pernoctare sub dio quam redire ad navem maluit; reliquum iter per Senam atque Alpes egit. Basileae quidem haberi in precio et salutari ob ingenium coepit. Sed

Pii vita

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Aeneae

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f. b 4Γ Attrebates Aeneas legatus ad regem Scotorum

Aeneas solvendo voto morbum contraxit

Aeneas unus ex XII viris, qui conventui Basiliensi praefuerunt

Octoviratus contra Eugenium consti tutus

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

rebus minus quam speraverat succedentibus in Italiam reversus est nec perstitit secutus Eugenii legatos repetitaque rursus Basilea Coloniam Agrippinam secundo Rheno adnavigavit brevique ibi commoratus descendit Attrebates, Belgarum urbem, quern in locum Gallorum reguli Britannorumque convenerant. Hinc ulteriorem in Britanniam, nunc Scotiam, missus ad regem adversus citeriores Britannos, qui paci adversabantur, II sollicitandum, ad Calexinum ingressus oceanum gravi exorta tempestate pene demersus ex cursu a nostro coelo in intimum oceanum perpulsus XII dies ad occasum navigat, reiectus tandem in Britannicum littus agnitusque a regiis speculatoribus ac prohibitus ulterius progredi remetiendo quoque oceano duas subivit tempestates, quarum altera, dum Scotiam petit, in Norvegiam pellitur, ex eo loco delatus in Scotiam perpellere quidem ad regem non potuit, effecit tamen, ut legatos mitteret, qui de pace agerent et auxilia Britannis deinceps non administraret; ipse quoque duobus asturconibus donatus a rege est unione adiecto, quem matri destinaret. Hac insula votis solvendis, quae inter fluctuum aestus Virgini Matri nuncupaverat, initium eius morbi contraxit, qui dolore articulorum permansit ad vitae exitum. Glacie decern milibus passuum nudis pedibus ad phanum usque calcata, ut redire in oppidum non aliter quam lectica potuerit. Scotia decedens non ausus potenti se committere oceano, habitu mercatoris repetita Britannia regios speculatores astu elusit. Basileae XII viris, qui conventui praeerant, cooptatus, concilium ut Papiam traduceretur, frustra suasit Italis Florentiam, Germanis Utinum, Gallis Avinionem praeferentibus. Munia curiae obivit fere omnia. Primum scriba, mox abbreviator maior designatus. Postremo et inter deputatores conscriptus etiam epistolis conciliaribus praefuit. Legationes praeter Scotiam, quam diximus, eo in loco novem suscepit: Ad Argentinenses tres, ad Constantienses duas, ad Franckfordienses totidem, ad Allobroges et Tridentinos Rheticos singulas. Profectus etiam in Noricos ad Albertum, Caesarem designatum. Brevi apud eum mansit, traducere in sententiam Basiliensium conatus, an potuerit; subsecuta statim illius mors incertum fecit. Octoviratum ad conterendam Eugenii dignitatem recusavit, quanquam saepe oblatum, haud legitimum ratus magistratum, quem tanta de re privati instituissent. Felicem tamen antipapam aliquandiu secutus est, a quo legatus missus ad Federicum Cesarem, Alberto suffectum, laurea donatur, quod poetarum insigue praecipuum Germani

Testimonia: Campanus

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habent. Mox et inter amicos Caesaris relatus adscriptusque secretariis haud multo post praefectus est. Ad ultimum ascitus inter consultores Imperii, invidiam quanquam Italus inter Germanos brevi superavit. Prima legatione Caesaris nomine ad Tergestanos functus seditiones in civitate exortas compressit actis in exilium, qui motum concitassent. Altera ad Eugenium adversantibus amicis, quod offendisse illum graviter videbatur oppugnata toties ad Basileam eius dignitate. Eo reconciliato et rebus ex sententia confectis divertit ad patrem, ultimo iam confractum senio nec enim deinde vidit amplius paulo post mortuum. Eugenii quoque secretarius factus est absens, quo munere apud Felicem functus nondum se abdicaverat. Tertiam deinde obivit legationem ad eundem Eugenium de duobus electoribus Caesarum restituendis, quos illi Felici assensos et gravia in illius dignitatem molitos exauthoraverat. Profectus est eadem de causa Franckfordiam simul, ut neutralium conventus dissolverentur. Hi erant, qui dissidentibus caeteris neque Eugenio neque Felici parebant, veluti ad nova concilia, atque incerta, spectantes. Rediitque iterum Romam ac rursus Franckfordiam de conditionibus acturus, itinere hyberno et cui magnitudine nivium ac vi excrescentium fluminum prope succubuit. Reliquiis contentionum Germanicarum tertia demum legatione sublatis exceptus est Romae ob operam prospere navatam omnium ordinum supplicationibus. Aegrotanti Eugenio Germanos, quorum opera vocatus in iudicium fuerat, reconciliavit secundum supplicationem rebus Germanicis. Praefectus est Tergestanis rumore temere orto de praesulis morte competitoribus multis, qui ad subitum nuncium coorti sunt, ab Eugenio repulsis. Mox, cum vivere antistes nunciaretur, hypodiaconus efficitur. Eugenio mortuo comitiorum custodiae prfuit iubente collegio, quod viro opus esset ad earn rem minime factioso. Nicolaum, qui Eugenio suffectus est, multo habuit propensiorem propter vetus in Germania contubernium, in qua[e] et ille functus legationibus fuerat Eugenii nomine. Itaque et confirmavit decretos ab Eugenio honores et novos ipse addidit iusso, qua die est coronatus, auream crucem anteferre et consultantib(us) de religionis summa adesse. Profectum deinde Roma certiore allato nuncio de antistitis II morte id, quod Eugenius destinaverat, Tergestanis praefecit ignarum eius rei, donec in Germaniam pervenit et Nicolai ad Federicum et amicorum ad se Uteris rem cognoscit. Missus paulo post ad Mediolanenses cohortandos, ut mortuo Philippo

Felix antipapa. Laurea praecipuum insigne poetaram Germanis

Neutralium conventus

Nicolaus, Eugen» successor

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Aeneas Tergestanis praeficitur

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Ladislaus Pannoniae et Boemiae rex

Collega Aeneae nobilis Pfullendorflus

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

duce sine legitima Stirpe Federico Imperii iure se dederent, exclusus est erectis in libertatem civium animis, simul quod Germanicis imperils, repetita priorum temporum memoria abhorrent, brevi deinde circumsessis a Francisco Sphorcia, Philippi genero, iussus iterum redire collegis ad Novicomum metu subsistentibus ipse magno cum discrimine ingressus urbem civibus in contionem vocatis maiorem partem eorum perpulit, ut Federicum acclamarent et cum armis quidem oppressuros alteram factionem pollicerentur. Recusavit, indignum nec e legatione sua esse dicens in stabilienda iusto imperio civitate cuiquam vim fieri fuitque constans opinio mansuram in fide civitatem, si subventum in tempore obsessis fuisset, mox legatione altera aliam excipiente. Neapolim missus author fuit regiae affinitatis, Leonora, Lusitanorum regis sorore, Alphonsi nepte, Federico desponsata. Interea designatus est Senensium antistes absens, quamvis infensa nobilitate civitatis alium postularet, Senae omni reiecta pompa maiorum urbe agroque lustrato rediit in Germaniam. Quo tempore et matrem amisit 68 annos natam. Cum enim Ladislaum, Pannoniae ac Boemiae regem, admodum puerum, fratris filium, Federicus metu insidiarum et quod regno immaturus adhuc esset atque iniuriae obnoxius, apud se educaret adhibitis custodibus, ne clam subduceretur. Boemi indignum rati custodire arcerique a regno regem coactis copiis bellum, nisi dimitteret, comminabantur. Horum conatus statim composuit ratione adhibita. Cur ita fieri oporteret maxime iniecto metu veneni, quo paucis post annis dimissus a patruo puer fraude Boemica absumptus est. Veniente in Italiam Federico recedens ipse, ut cum civitatibus de transitu, cum Nicoiao de coronando Caesare ageret, suspectus haberi Senensibus coepit, veritis, ne spe vendicandi imperii Caesarem ad mutandum civitatis statum impelleret eiectis popularibus ac nobilitate ad pristinam libertatem restituta. Qua de re inter se cum agerent et facta eius dictaque clam palamve explorarent, nec prodiere obviam nec ubi domum venit, frequentes salutavere. Cogitatum et de inferenda clam nece a potentioribus rumor fuit. Quamobrem decemviros adiens delere earn suspitionem frustra est conatus. Auxit invidiam mortuus collega Pfullendorfius et aede Virginis Matris loco celebri sepultus, quam rem argumentum adesse iam recepti imperii quaerebantur homine externo veluti prodita libertate in civium sepulchra delato. Tum demum, ut tempori cederet, Thelamonium se contulit, veluti Leonoram

Testimonia: Campanus

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excepturus ex Lusitania mari venientem. Accitus inter haec a Nicolao minime paruit valetudinem caussatus, suspicionem tamen eius Uteris sustulit, quod vulgatum erat, constare inter coniectores, Nicolaum aut moriturum intra Calend(as) Aprilis aut in vinculis futurum periculum ex Federico portendi novo imperatore, urbem armis vendicaturo, quo metu Nicolaus Federici adventum extrahere in autumnum cupiebat fatalem diem occupaturus. Sed Aeneae Uteris confirmatus proposito abstitit. Leonoram comitatu regio haud procul a Pisis descendentem e navi Federici nomine primus excepit, quanquam aegre ferentibus Germanis, qui aderant, Federico propinquis. Pisas ingressos Florentini ex multitudine suspicione iniecta, cum depellere moenibus vellent, eius gratia atque authoritate vi abstinuerunt. Idem ad Volaterras factum, quod hae urbes, altera subacta armis, exposita videretur ad omnem motum novitatis, altera in finibus Sita esset. Senae ad aream pomerii sponsa Federico exhiba orationem habuit perelegantem, quae puellae Lusitanorumque laudes complecteretur. Extat adhuc pro portis marmorea columna pompae congressusque monumentum. Cum cives adventu Federici nobilitatem relegassent undique iuventute ad custodiam urbis armata eos metu solveret non obscura opera Federici discessum acceleravit. At tum demum remissa suspicione et propinquis nobilitateque omni revocata ipse publico civitatis nomine legatus ad Nicolaum designatur, continenti itinere Federicum sequi iussus, in quo resalutandis cardinalibus, qui obviam prodiissent, interpres fuit linguae Germanicae ignaris. Nicolaum II primum adiens, cum omnia septa armis invenisset, metu liberavit. Postridie orationem habuit de imperatore coronando et variam et plenam vetustatis, interpres et moderator omnium, quae inter Nicolaum et Federicum acta sunt, utriusque in se gratiam auxit. Federico Neapolim ad Alphonsum, coniugis avunculum, eunte Romae substitit, dolore pedum demoratus, simul ut regem Pannoniae adhuc impuberem in adventum patrui asservaret. Orationes in reditu Caesari duas habuit. Altera gratias egit Nicolao et collegio patrum. Altera hortatus est ad bellum adversus Turcas suscipiendum. Et posteriore quidem ita movit, ut exemplo ipse legatus cum summa potestate ad Pannonios, Boemos, Noricos caeteramque Germaniam destinatus sit. Cum Florentini Federicum Pisana et Volaterrana iniuria offensum ac deinceps Neapolim ab Alphonso initatum existimarent atque ideo transitum prohibituri dicerentur,

Coniectores

Leonora

f. b 5r

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Germanorum rogatio de maiomm decretis antiquandis

Mors Nicolai expeditionem Asiaticam pervertit Rogatio principum Germaniae de templo(rum) praefecturis

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praemissus utrinque suspitionem ademit. Ferrariae Borsium et a Caesare Mutinensium ducem nominatum primus salutavit laudavitque oratione clarissima. Venetis quoque pro munificentia in Caesarem iussus est gratias agere. Eodem paulo post a Noricis obsesso emissus ad hostes altera quam exierat hora, obsidionem dissolvit. Quo tempore et Boemos Noricis ipsis conciliavit. Intercessit etiam rogationi Germanorum de maiorum decretis antiquandis, cum magna contentione res ageretur, contra Caesaris dignitatem futura, si decerneretur. Pannoniorum apparatum bellicum, Federico imminentem, discussit legatione bina. Quarum posteriore et pacem confecit nequiquam toto biennio petitam. Legationem Germanicam in Italiam susceptam de bello Asiatico per omnem Germaniam circumtulit. Qua de causa peregit et conventum Ratisponae, ubi progressum in concionem omnibus, qui aderant, excussisse lachrymas constat deploratis Graecorum calamitatibus et recenti clade Constantinopolitana in medium exposita, cupientem iam redire ad suos, nulla re alia Caesar potuit contineri, quam spe iniecta Asiatici belli, pollicitus sequenti anno expeditionem, quantis maximis posset viribus, suscepturum. Profectus eodem studio Franckfordiam, quod in Ratisponensi conventu fecerat, ad suscipiendum in Turcos bellum excivit ita, ut passim arma caperentur constitutis ex eius sententia ducibus, qui essent publico nomine rerum summae praefuturi. Caeterum subsecuta statim Nicolai mors omnia pervertit. Opinio fuit Nicolaum voluisse eum cooptare collegio cardinalium. Sed importunitate regum, suum cuiusque postulantium, ne recipere competitores cogeretur et hunc neglexisse. Mortuo Nicoiao rogationem principm Germaniae privato consilio evertit petentium id, quod diu tenuisse Galli dicerentur, ne quid pontifici Romano statuere de templorum praefecturis liceret. Legatione ultima missus ad Calixtum, Nicoiao suffectum, ubi iusiurandum exhibuit, Caesarem illi pariturum, hortatus senem ad bellum Asiaticum suscipiendum et lachrimas excussit et ut statim aedificari triremes ad ripam Tyberis iusserit, effecit bellumque maritimum ad veris initium inferri. Perpulit mox et Alphonsium ad eandem suscipiendam expeditionem, Neapolim ad eum profectus, simul et bellum deprecatus est, quod idem rex duce Piccinino Senensibus intulerat, quoniam minus adstitisse ei bello Hetrusco viderentur. Constatque regem confessum propalam exortam sibi pacem vi orationis non imperatam, cum frustra Senenses tribus antea

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legationibus postulassent. Mansit autem apud regem compositis iam rebus menses aliquot ac turn demum sero aegreque dimissus. Ultimo discessu aliquoties obvolutus pedibus regem sic accendit ad bellum, ut extemplo et veterem classem recensuerit et novam iusserit aedificari. Tum demum reversus Romam cardinalis postulatione patrum designatur. Qua de re peractae Calixto sunt gratiae ac patribus Germanorum Pannoniorumque principum nomine. Fuitque statim multis in ore, providum senem Calixtum esse, qui adhuc vivens successorem sibi creavisset. Fuit autem illi adeo charus, ut exercitum ab eo ad repellendum Hetruria Piccininum imperaverit et mox legatos, qui peterent Soro Lolio, consobrino suo, remitti exilium. Mansit autem eo in ordine menses circiter viginti. Quo tempore postulatus a collegio Varmiensi ad mare Balteum antistes urbis, ne multo post a Ratisponensi ad ripam Danubii, recusavit utrunque, dicens iam se Italum esse oportere. Secesserat II ineunte aestate Viturnium lavandi gratia et quod singulis annis vitare per id tempus coelum Romanum consueverat. Cum Γ

r

nunciatum est Calixtum obiisse, celeriorem eius reditum patres fecere. Singuli ad properandum exhortati. Est et inter redeundum vulgo pont(ifex) maximus consalutatus. In comitiis pontificem suffragiis apertis acclamatum, prorupisse in lachrymas constat. Attonitum aliquandiu cum excitaretur et laetandum amici esse contenderent, dixisse laetari tanto fastigio imperii eos posse, qui labores et pericula non cogitarent. Sibi vero iam omnia praestanda aliis fore, quae ipse ab aliis et in Germania et Pannonia et in Italia toties postulasset. Cum a cardinalibus et coetu antistitum ac postridie a civibus per ordines singulos consalutaretur, eodem perstitit vultu. Perductus in solium conventum Mantuae indixit, cui affuturum se subscripsit ad Calendas Iunias atque hoc primum eius fuit decretum. Altero Ferdinandum, Alphonsi filium, a Calixto paulo ante hostem iudicatum, amicum declaravit, cuius et causas attulit, quod novum conventum agitanti potiora videbantur pads consilia quam belli et involvere domesticis armis Italiam minus convenire Asiaticis rebus arbitrabatur, etiam quod ictum ab Eugenio primum, deinde a Nicolao, postremo initio pontificatus a Calixto ipso renovatum cum Alphonso foedus, id expressum continebat, ut Ferdinandus patris regno succederet et legati, qui aderant, hoc idem postulabant ex foedere, in quod pacis ante annis Italia universa consenserat. Et nisi fieret, certaturi armis videbantur. Proceres ergo regni

Linahs designate

f. b 5V Calixti

obitus

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Pii concursu populi periculum

Pompa Pii Perusiam ingredientis

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Alphonso mortuo sponte sua ad Capuam in filii sceptrum coniuraverant. Tarnen ius regni et coronam ea demum conditione permisit, ne cui praeiudicium fieret, simul et tributum a superioribus pensum regibus quotannis solveret aureum nummum duodequinquaginta milia. Pontificis Romani fines neque invaderet ipse armis neque invadere alios, quantum in se esset, permitteret. Piccininum regia stipendia merentem Assio et Nucerio per Calixti mortem occupatis quam primum iuberet excedere, Beneventum agrumque Beneventanum restitueret. Terracinam, ad usum imminentis belli relictam, exacto decennio redderet, pacem quoque dare Sigismundo Malatestae conditionibus, quas esset ipse dicturus. Arcem Hadrianam, Spoletinam, Narniensem, Surianum a praefectis pecunia redemit et pro Hadriana quidem viginti milia persoluta, Spoletinam vero praefectus magna Troili Firmani vix tradidit. Appetente iam vere priusquam urbe discederet, ne qui fierent in Latio et Sabinis motus, iurare finitimos coegit in foedus absente se duraturum. Fecit et decretum ex patrum consulto nec si mori sibi extra urbem contingeret, comitia de sufficiendo pontifice alibi cogerentur quam Romae. Praefinito etiam tempore, quo agentes extra Italiam cardinales in dies comitiorum expectarentur, iudiciarios magistratus Roma vetuit discedere, legatis subditarum civitatum et decreta maiorum confirmavit omnia et partem tributorum paulo minus quam dimidiam in triennium remisit provocationes provincialium ad Romanos magistratus ante reditum suum vetuit interponi adiecta multa ei, qui provocasset. Ad exequilias iussis per thermes Diocletianas ad portam Flamineam atque inde ad pontem Milvium devectus redire seniores patrum in urbem iussit aestatemque expectare. Iter primum egit secundum fluminis ripam haud longius quam ad septimum lapidem daturus spatium, si qui vellent privatim se alloqui. Narniae concursu[m] vulgi facto ad equum umbellamque corripiendam in discrimine fuit vitae gladiis in ora dimicantibus, quo metu reliquum iter Perusiam usque ac deinceps Mantuam lectica confecit ad singulos quingentos passus imtatis lecticariis. Deflexitque Spoletum ad sororem, ubi et quatriduum substitit. Assissii dimidio minus arcemque communivit turri eximiae crassitudinis angulo extremo. Perusiam ingressus est pompa praecedente, equo vectus candidissimo duodecim eodem candore praecedentibus, stratis purpura, sine sessore et qui frenos aureos manu ageretur, magistratibus purpuream um-

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bellam, auro intertexam, praeferentibus, sub quam ipse Candida syndone, stola aurea commissa et purpureo galero vehebatur. Pompae causam praetendit, quod post eiectum Bonifacium septuaginta iam annis Perusini pontificem intra urbem non aspexissent. Dedicavitque phanum Dominici postulantibus civibus propter II eximiam templi magnitudinem et dona primus intulit. Fenestram quoque eximiae magnitudinis pone aram maximam opere vitreo iussit occludi, artificio et textura texellata. Maiores magistratus toga indui purpurea talari ad viros sexaginta. Perusiae legatos Allobrogum audivit ac postridie Federicum Urbinatem, virum pace ac bello aeque clarissimum, et quo postea Marso ac Piceno bello copiarum imperatore est usus, circumnavigato Trasimeno, ubi ad Clavim amnem pervenit, legati Senensium obviam progressi, restitutos gentiles ad munia civitatis cum nunciassent, accelerare lecticarios iussit, Corsinam, haud amplius quam triduum moratus. Ubi Senam venit, ceteram quoque nobilitatem restituit beneficio populi, quanquam diu recusantis, dispersitque per tribus, ut coire totum in corpus civitatis viderentur. Restituere conatus est et duodecim virales familias, ad capita amplius quadringenta, aliquando nobilitatem secutas. Sed visus remissius postulasse non renuit. Statuit antistitem urbis metropolitem finitimis in iurisdictionem adiectis Grossetano, Massano, Clusino, Suavensi. Civibus Raticophanum, munitissimum Hetruriae oppidum, quod diu antea bello ceperant, concessu patrum in perpetuum sub tributo concessit. Cum legati Caesaris et Beticae ac Lusitaniae regum et Philippi Burgundi Senam convenissent, omnibus sequi se iussis Florentiam trium dierum itinere contendit. Tribus legationibus apparatu diverso excipientibus, inter quas et Galeatius, Francisci Sfortiae filius, sextumdecimum natus annum, a Mediolano usque praemissus a patre et cum eo Ariniensis, Faventinus, Foroliviensis et Forocorueliensis tyranni occurrerunt. Caeteris auream sellam per vices subeuntibus Galeati per aetatem manum apponente. Postridie ludi theatrales decreti, quibus leones cum equis concurrerunt. Mox cavea per medios spectatores dilapsi. Consultavit et de rebus Italiae cum Cosma Senae, sui temporis prudentissimo, opibus vero quantae nulli ne veterum quidem privato fuerunt. Templa quoque ab eo facta reliquaque aedificia percupide invisit, in queis circiter sexcenta milia insumpta existimavit. Sigismundi Ariminensis causam, qua proditionis accusabatur a Ferdinando rege, distulit in

f. b 6 r

^ ^ Hetrunae

Tris simui ^pium**

Ludi Florenz dati

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Stellata oppidum Ludovicus Gonzaga

Blancha Hyppolita Galeatia

Turcarum in Peloponesum irruptio

f. b 6V Sanderovia in ripa Danubii

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conventum Mantuanum. Bononiae septem equitum turmas, quae secutae Galeazeum, illic substiterant, priusquam urbem ingrederetur, iurare coegit futuras in ipsius potestale fuitque civitas in trepidatione armata circa optimatum domos iuventute, ne quid innovaretur. Auxit metum Brogma, orator quidem vehemens, caeterum qui parum consulte in gratulatione publica civitatis conditionem deploravit. Qua de re mox pr^varicationis reus in exilium actus est, non ante Pii reditum remissum a civibus. Ferrariam lembo delatus est per flumen Padum omni genere magnificentiae exceptus a Borsio. Caeterum postulata eius de immunitate civitatis et remissione tributorum reiecit, causatas temporum difficultates, quibus augenda tributa in Asiaticam expeditionem essent, non minuenda. Quam ob rem Borsius Ferraria discedentem ad Stellatum oppidum secutus, venturum se Mantuam cum recepisset, postea minime praestitit. Ad eum locum Ludovicus Gonzaga Mantuanorum princeps occurrit, classe utrinque in naumachi'ae speciem concursante. Ingressus Mantuam est sexto Calendas Iunias, quadriduo prius, quam Romae subscripserat, pompa eadem, qua Perusiam, nisi quod hie regum principumque legati lecticam subiere. Praefecturae urbanae vigilesque portarum parere ei iussi, quum ipse statuisset. De conventu acturus orsus est a re divina supplicationibus per urbem totam continenti triduo decretis, exposita ratione belli suscipiendi in Turcas, paucis inventis eorum, qui se conventuros erant polliciti, religionis simul et Italiae vicem deploravit, oratione admodum moesta et plena desperationis. Sed bievi frequens esse conventus coepit legationibus Transpadanis, mox Gallica et Burgunda, Casimiri quoque, Getarum regis, splendore[m] quam barbarorum apparatu. Venit et Blancha, Francisci Sfortiae uxor, Philippi filia, foemina spectatae probitatis, comitantibus earn quatuor alteris liberis, quorum Hyppolita natu maxima, iuniori Alphonso desponsata, Latine oravit pereleganter, Pii studium in religionem complexa, Galeatio fratre orationem eius excipiente, qui ambo patris adventum promisere: Inter haec nuncio de Turcarum impetu in Peloponesum accepto trecentos pedites mittit, quorum centum II Blancha mercede conduxit centurione Zanono Cremonensi. Ad eum terrorem accessere legati ex Rhodo et Cypro et Lesbo et Epiro atque Illirico venientes, omnes petituri auxilium. Auxit trepidationem Sanderovia, munitissimum oppidum in ripa Danubii, proditum Turcis. Itaque Ragusinos auxilia pollicitos

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triremes duas armare navigareque primo quoque tempore in Graeciam iussit. Bellum exortum in Germania compescuit missis legatis Verdeaque oppido, erepto Caesari, iusso restitui. Dedit Sigismundo Ariminensi pacem conditionibus, quas tunc acceptas brevi Gallico bello abrupit. Francisco Sfortia cum quadringentis purpuratis veniente tum demum non expectatis caeterarum gentium legationibus rogationem tulit de bello suscipiendo habuitque orationem omnium, quae circumferuntur ipsius nomine, longe gravissimam, secundum quam consensu omnium, qui aderant, bellum decretum est. Alteram tulit rogationem, mari an terra gerenda res esset et Italo milite, an externo, et quam magno exercitu opus foret et unde cogendum Stipendium ac sententiam ipse subiecit ad singula. Militem conducendum eum, qui vinci a Turcis non consuesset, praecipue Germanum exercitum, neque minorem comparandum, quam satis esset repellendo hosti neque maiorem, quam alere provinciae possent. Pecunias in Italia exigendas, corrogandas etiam in Gallia atque Hispania esse. Cum de imperatore exercitus referret, qui communibus auspiciis rem gereret, Francisco munus per aetatem deprecante legati Burgundi Philippo, eorum duci, receperunt, votis quoque ad earn expeditionem damnato. Misit et Gorum Lolium Venetias ad communicanda clam consilia belli. Rhodiis ad triremes celeriter aedificandas sexdecim milia aureum numum dedit ex pecunia Gallicana. Sed haec belli consilia mutatae undique res oppressere. Nunciatum sub idem tempus triremes quatuor et viginti ad ripam Rhodani, aedificatas ad usum Asiatici belli. Renati Galli filium correptas adversus Ferdinandum coarmasse ac notis ad Genuam rebus classeque ad Lyrim amnem delata, Campaniam vexare. Optimates regni plaerosque ad Gallos deficere. Romae Tyburtium et Valerianum fratres illecta iuventute Agrippae phanum communisse tractis per vim ad stupra civium libris ac caesis, qui minus obsequerentur. Piccininum ad Gallos cum parte regii exercitus transfugisse, Sabellos Piccinini praesidia recipere. In Picenis Sigismundum rupto foedere oppida regia invadere, Esinos et Anconitanos et in Umbria Fulginienses et Menanenses propter fines tumultuari, Britannos eiecisse regem, Hispanos maiore fratre depulso minorem regno imposuisse nec a Germanis quietiora asseruntur, Pannonios et Boemos rege veneno absumpto distrahere in partes regnum, Noricos intra se armis certare, Moguntinis Dieterum antistitem inferre bellum. Ad haec tot simul contra mala visus

Verdea

oPPidum

μη in lusdpLndi ^Hontsque

046 D'arcMepiscopus

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nonnihil animo succubuisse. Rediit celeriter Senam nec sine discrimine Pado inter navigandum glacie districto, ut necesse nensis fuerit securibus excidi. Ad res Germanicas sedandas legatum Bessanon misit Bessarionem, cardinalem Nicenum, principem collegii, legatus ad reei mox ad Germanos subitaria allecta manu auxilium summisit eoque T. Sarnum profligato nihil cunctatus veteres instauravit copias ac novas addidit duce Antonio, sororis filio, Piccinino Foedericum Urbinatem et cum eo Alexandrum Sfortiam opposuit, Sigismundo Neapulionem Ursinum ac mox Foedericum, qui ilium ad Senegalliam magna victoria fudit. Romam centuriones aliquot praemisit et equitum praefectos, qui sicarios Tyburtianos comprimerent. In Britanniam legatum praesulem Interamnensem, quem mox abusum legatione et pugnae Britannicae immixtum coniecit in vincula, praesulatu quoque amotum. In Hispaniam etiam, qui fratrem maiorem restituerent. Rediit post haec celeriter in urbem, exorta in Campania et Picenis ac Sabinis bella ex propinquo suppressurus. Sed undique ex tanto motu rerum bello ita incubuit, ut aliquando quatuor et sexaginta equitum turmis regesta non antea desierit, quam subactis undique hostibus, quod multis aetatibus vix contigerat, uniper plum versae Italiae data pax fuerit. Bella suscepit invitus nec unquam nisi lacessitus et nec sic quidem, nisi prius commonuisset, ab iniuria desisteretur. Et Sigismundo quidem non antea inferri arma iussit, quam ter denunciasset, missis etiam legatis, qui f. c l r oppida repeterent media pace per fraudem occupata. II Sabello syngrapha, manu sua scripta, conditiones aequissimas proposuit, quanquam obsesso, rerum omnium inopi, utrumque deinde vi ad deditionem compulsum, servavit quidem, caeterum erepta bello eorum oppida neutri restituit praefatus iniuriam eatenus remittendam esse, ne secundo possit inferri. Sigismundo conditionem quoque adiecit, ut in Peloponesum dux belli adversus Turcas proficisceretur, ubi postea biennio varia fortuna bellum gessit. In Germania Dieterum, Dieterus Moguntinum antistitem, tribus legationibus monuit, mox antistes M°nensis decretis ipsius parere recusantem abdicavit, quanquam familia ortum potentissima, alterumque suffecit. Visus est erexisse calamitatibus animum, cum nunciaretur deletum in Picenis eius exercitum et domestici supprimere nuncium conarentur, ubi rescivit, nihil motus „Sigismundus", inquit, „si decies praelio vicerit, semel victus fuerit, bello vinceretur". Quod mox instauratis copiis evenit. Ferdinando ad Sarnum profligato insultantibus Gallis „Fortuna", inquit, „nobiscum est. Nam ea

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quos primum foveret, postremo destituit." In Germania quoque victis insigni calamitate, qui eius autoritate bellum gerebant, „Nostrum", inquit, „erit iam vincere, qui victi fuimus." Quae tria bella, quamvis principio deteriori conditione ubique fuerint, brevi ex sententia confecit. Expugnari neque casibus Fortunae adversis, neque minis potuisse ex eo constat, quod post susceptum bellum nemini pacem dedit, nisi victor, quamquam et a Sigismundo post victoriam Picenam et a Gallis post fusas regias copias postularetur, conditionibus ut accipere, non dare viderentur. Auxit fines imperii Benevento et Terracina iure foederis a Ferdinando acceptis, Sabinos, qui ad Gallos defecerant, et Soranos atque Arpinates et in Picenis ac Flaminea a Metaurensibus in Cesenatem usque, Arimino excepto, armis obtinuit phano Fortunae, mari simul terraque oppugnato, Venetorum quoque classe, quae illatura praesidium venerat, opera Anconitanorum profligata. Cesenates iureiurando adegit, ut post mortuum eorum tyrannum, Sigismundi fratrem, urbem atque agrum pontifici dederent, quod brevi, quanquam ipso iam mortuo, fecere. Canale, Tudertinorum oppidum, longa obsidione pressum, cum machinis undique dirutum, non tamen ante promissa defensoribus praemia, expugnari potuisset et laudavit, qui defenderant et ducem eorum praefectum militum constituit. Quaedam et sine bello obtigere in Aquitania Valentinensis et Diensis tetrarchiae, quae sunt ad ripam Rodani, a Ludovico rege incertum datae, sponte an maiorum testamento relictae. In Peloponneso quoque Manovasia, munitissimum situm oppidum, a Peleologis traditum. In agro Tolphano prope centum cellas, montes aluminis patefacti, ex quibus proventus annui aureum nummum paulo minus percipi quam centum millia feruntur. Insolentiae eorum, qui minus iusta peterent aut molirentur, constantissime restitit. Oratores Cypriorum, natum ex concubina regis filium exclusa Carlocta, ex uxore suscepta, regem dari sibi postulantium, reiecit, quod Cyprum vectigalem promisisse regi Syriae et iurasse quoque in eius verba diceretur. Georgici, Boemorum regis, quod Fantinum Dalmatium legatum coniecisset in voncula et mox quod male de religione sentiret, regnum publicavit. Sigismundo Norico, Caesaris patrueli, diem dixit, quod nulla fretus autoritate custodiri cardinalem, eundem antistitem Brixinensem, iussisset intellexitque aqua et igni, quanquam privata amicitia inter praecipuos habito. Sigismundum Malatestam, obloquentem de religione

i^af" 3 "

canaie °ppidum

sigismun-

caiaris Patruelis

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Simulachrum Malatestae Romae vicatim incensum

f. c l v

Apophthegm a ae Gallis. In Triballos

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atque ideo in ius vocatum nec comparentem, damnavit. Simulachro quoque eius Romae vicatim incenso nec multo post foedus Gallicum, in quo et Sigismundum contineri Galli contendebant, recusavit, indignum dicens inire cum eo societatem, quern paulo ante damnasset. Tudertinis tyrnnicum morem creandorum magistratuum sustulit datis legibus, quibus rem publicam gubernarent. Increpuit Senenses, quod legem tulissent, ne qua deinceps rogatio fieret de nobilitate restituenda atque adeo acriter, ut extemplo legem abrogarent. Arcem Ianuensi magnis sumptibus aedificatam a Calumnensibus et loco munitissimo demoliri extemplo iussit Veliternis imminentem. Mittente Caesare legationem paulo obscuriorem recusavit audire postulavitque clariorem. Burgundum quoque veluti superbiorem iniustaque decreta postulantem II Martialem Galium, quod virginem incestasse vestalem ferebatur, praefectura amovit, quanquam scelus non constaret, subdens, in religione praefectos suspicione non minus vacare debere quam crimine. Galium, alterum Armeniaci tyrannum, cum sorore consuetudinem stupri per speciem coniugii habentem, in iudicium tractum mulctavit coniectis in carcerem, qui falso decretum Calixti corruptis tabulis adhibuissent actaque res est magna contentione propter familiae nobilitatem. Quaedam minus visus est vindicasse. Perusiae Pandulphi Balionii ac filii caedem, a patruele in spem haereditatis securis illatam, et in Piceno acti Sentinatis eadem de causa, a patruo capti ac mox strangulati; et in priore quidem causatus tempora extorqueri sibi parricidium quaestus est, Sentinatem obsessum ac mox sub conditione deditum dimisit omnibus exutum rebus, affectis tamen suppliciis, qui iuveni manus intulissent. Nonnulla facetiis excepit aut morsu. Ludovico, rege Gallorum, nisi copias, in Ferdinandi auxilium missas, e Campania revocaret, multa minante ac rursus, nisi desisteret auxilio, Gallos, qui Romae essent, revocare simulante nihil responds aliud, quam: „Et habitabimus laxius et nugas non audiemus" cästigata simul insolentia gentis et levitate. Triballis, confirmari sibi, quem ipsi nominassent regem, postulantibus, negavit esse sui iuris, sed ad Pannonios pertinere; contendentibus liberos esse: „Quid", inquit, „servitutem postulatis?" Praefecturam Rhodiensem, exhaustam a Gallo, Hispano commisit dicens: „Gallicum morbum Hispaniensi medico curandum esse", quod Galli profusi Hispani frugales haberentur. Conventu Mantuano cum Burgundi duo millia equitum,

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quatuor peditum pollicerentur, Germani hominum armatorum duo et quadraginta milia, Ungari dimidio minus, Ragusini duas triremes, Rhodii quatuor, Cypri totidem, legati ex Cilicia hominum triginta millia, dicentibus Gallis non antea excitandum foris peregrinum bellum, quam ipsorum domesticum sopiretur, „Mirum", inquit, „Gallos, qui semper alias vicerunt, hodie verborum magnificentia vinci." Borsii quoque legatis trecenta millia aureum nummum pollicentibus, cum fidem non fecissent, „Non opus est", inquit, „tot nummis dimidio contentis." Cum Veneti propter init[i]um cum Turcis foedus palam adversarentur, clam tamen habita ratione, quantum essent collaturi, summam belli navalis dari sibi postularent et classem insuper triremum sexaginta et viginti navium rostratarum ac peditum delectorum octo millia et annuas decimas et praeterea quindecies centena millia ex publico, „Hoc" inquit, „Veneti est recusare, non petere. Nos vero adeo vobis molesti non erimus, ut oneris tantum feratis." Hispanorum assertionem de miraculis eius, qui cum patre de regno contenderat, quanquam asseverantissime instarent, irrisit idque aegre ferentibus „An nescitis", inquit, „vita miracula fieri, non morte?" Germanis offensis, quod inter respondendum Matthiam, Pannoniae regem, appellasset, tanquam ad eos ius regni pertineret, „Sinite", ait, „Matthiam tantisper nos regem appellemus, dum eum vos regnum tenere permittitis" temeritate simul et ignavia exprobrata subdiditque armis regna diiudicari, non legibus, dementem eum fuisse indicio est, quod nemini petenti veniam non facile ignovit, alioquin pertinacibus inexorabilis. Bello regio parci Arpinatibus iussit ob Caii Marii et Marci Tullii memoriam, quod multi oppidanorum ita vocarentur. Donadeum, oppidum Sabinorum, direptum a suis gravissime indoluit, ut opinio fuerit cogitasse eum de ducibus exautorandis. Correptos a suis greges Aquilanorum ad quinquies centena millia, quod violata fide ad Gallos defecissent, restituit dicens, non esse multandos insontes greges agrestium et multitudinis esse, defectionem a potentioribus factam, qua liberalitate se dedere volentes, Aquilanos reiecit ad regem. Expeditiones non nisi ex consensu patrum et sero suscepit, susceptis ita incubuit, ut aliquando non suppeditante aerario atque aegre conferentibus sociis, accitis quaestoribus „lam", inquit, „si opus est, vendi me iubeo". Pecuniarum usque ad ultium negligens, ut nec aspicere quidem sustinuerit. Impensa belli ingravescente contraxerat aliquando ad ducenta millia aeris alieni, quod ubi

Venetorum cum Turcis foedus

Pius ob Marii et Marci Tulii memoriam Arpinatibus parci iussit

Pecuniae contemptus

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f. c 2 r

Abbreviatores

Provocatio ad concilium

Pius cardinalium numerum auxit

Nobilitatis de rerump. comparatio

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ex rationibus ^rarii percepit, quaestoribus graviter succensuit, iussit prima quaque occasione dissolvere. Quaestori urbano usus est Iulio Forti Pisano, acris et animi et ingenii viro, sed contrahendo aere II alieno in sumptus bellicos paulo laxiore, quo factum est, ut exhustis vectigalibus, unde suppeditare domesticis sumptibus pecuniam posset, aliquando laboraverit, coactus unum in triclinium et ipsum admodum frugi familiam omnem redigere, ut aliquando exclamaverit: „Et qui appeteret et qui contemneret pecuniam, stultum esse." Sed neque rationem fisci vectigalibus aut portoriis auxit neque decimas antea exegit, quam bello Turcis indicto et tunc quoque moderatione adhibita, ne prophani ultra, quam trigesima gravarentur neve ad maiorem summam infimi magistratus quam supremi utque Iudaeorum vigesimae non ex proventibus, sed ex capite deducerentur. Instituit quatuor viros ex collegio patrum de luxuria coercenda. Primum Germanum, alterum ex Gallis, reliquos in Italia. Sed homines diversarum nationum ac morum, dum cunctantur, ipse e vita decessit. Novum etiam collegium abbreviatorum ad viros septuaginta literaturae et moribus ex omni natione promiscue delectos, redacturus ad castigatiorem elegantioremque stilum acta publica videbatur, quod iam ab initio pontificatus destinaverat. Sed deterritus diversitate controversiarum ac legum differre se in magis ociosa tempora, non omittere testatus. Provocationem ad futurum concilium temere a nonnullis illatam edicto summovit. Sceleratu[ru]m esse perfugium dicens eum iudicem petere, qui nusquam esset. Episcopus protonotariis ordine subselliorum anteposuit mutata consuetudine maiorum, quanquam plerisque regio genere ortis. Cardinalium numerum duobus comitiis auxit undecim adiectis laudavitque singulos oratione diversa. Sed nec priorum contempsit suffragia nec de quoquam retulit, cuius ratio non omnibus constaret. Testamenta eorum, qui Romae decessissent, libera esse voluit, qui intestati obiissent: Eorum bona ita demum referri in aerarium est passus, si nec propinqui comparuissent. Quaestore eius quaedam supprimere volente ad iscum devoluta, cum reddere iis, quorum fuerant, iuberet et ille vendita asseveraret, statim subdidit, redimantur. Nobilitati et studio sui et ex Germanorum consuetudine favit, respublicas non aeque visus probasse, diffiniebat multorum esse tyrannides et quae optima haberetur, in ea non minus bonis quam malis periculum esse virtutis, praemia non fere nisi apud principes inveniri. Thomae

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Paleologo ac liberis Peloponnesi imperio depulsis in Italiamque fugientibus occurri ad Anconam iussit atque omnia regio more subministrari. Carloctam quoque reginam, Cypri regno deturbatam a fratre, usque ad socerum Allobrogum navigantem, descendere ad Hostiam ac Romae excipi datis equis, quibus reliquum terra conficeret, viatico etiam prosecutus. Accitis Romam fere omnibus, quos Turcae patria eiecerant, pecuniam ad victum annuum constituit. Ceremoniis solennibus permagnificus, caeteris in rebus habitus est intra modestiam. Caput divi Andreae, ex Peloponneso delatum, prosecutus est maxima pompa Alexandro, cardinali Sentinati, Anconam misso, qui a Graecis acceptum Narniamque usque deferret, ubi arce reconditum, exacto post anno tribus missis cardinalibus diversi ordinis et decretis itinere toto supplicationibus Romam iussit afferri progressusque obviam ad pontem Miluium mediis in pratis excepit tabernaculo extructo ad rem divinam faciendam, ubi mox et sacellum erexit Ligustico marmore et in Vaticano cellam dedicavit simulachro argenteo confecto. Viturvii fes tum eucharistiae peregit insolito apparatu, strata undique sagis purpureis urbe velataque linteis, quibus aureae stellae veluti coelesti affixae globo interlucebant, ut excluso coelo inter flores ad digiti crassitudinem et diversi generis cantus supplicatio procederet. Silvestres etiam homines haedera vestiti cum leonibus atque ursis congredi videbantur artificio mirabili et versus passim heroici canebantur fortiumque fistulae utrinque ex ad verso sese ferientum murmure continenti demulcebant. Stravitque omnem templi ambitum purpura. Catherinam Senensem, cuius multa extare videntur miracula ferebantur, in divarum retulit numerum apparatu aeque magnifico. Ritus sacrorum et ceremonias ita ubique renuit, ut ad Subiacum coenobitas coenam eodem apparatu, quo illis, ministrari sibi biduo iusserit, quod et Capreolae in Hetruria fecerat. Et ad coenobium divi Benedicti in Mantuano et in Florentino ad Certusiam cum ibi substitisset. II Lustrandi orbem et vagandi adeo cupidus, ut aliquando dederit calumniae locum, et legationem quidem Scoticam non invitum suscepisse constat. Britanniam vero itinere obliquo et unde circumspicere multa posset, obiisse, dissimulata veste Lundonias ingressum, voluisse etiam ad Orchades navigare, sed deterritum male toties tentato mari dixisse tritum illud plusquam temere Neptunum accusare, qui tertio iactetur et Scotiam quidem Norvegiamque descripsit facturus idem de Britannia, si redire

Carlocta Cypri regina

Pompa in festo eucharistiae Viturvii habita

Catharina Senensis

f. c 2 v

Pius lustrandi orbis avidus

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Vallis Sarentana in Rhetiis

Virgilii ager

Pii periculum Hostiae

Amiata mons in Hetruria

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ad exactiorem inquisitionem licuisset. Allobrogem, qui, incertum specie sanctimoniae, an aucupandi pontificatus gratia, solitudini se dederat, quod locum delegisse amoenissimum ad ripam lacus Lemannii ferebatur, ultro adiit locumque descripsit. Habuit inter delicias et vallem Sarentanam, quae est in Rhetiis, fontium ubertate atque gratia eximie laetam, ubi et aedes ab eo constructa est. Profectione Mantuana commoratus Clusii diem unum, reliquias Laberinthi, vetustate collapsi, perquisivit et ad hostium fluminis Mincii divertit in villam, quam constans est apud accolas fama, fuisse Virgilii agrum. Tusculanum et Albanum et Tyburtinum studio vetustatis perlustravit, omnem viam quoque Appiam et aquaeductus et Hostiam et Traiani portum diversis secessibus inspexit. Et in Appia quidem obeliscos ad Hyppodromum iussit excavari. Hostiae vero in discrimine fuit gravissima exorta procella compulsus metu inundationis nocte media cubiculo excedere. Phalerios quoque adiit, quod audierat muros adhuc extare lapide quadrato et Ocrioli eadem de causa substitit. Circumnavigavit Thrasimenum et Vulsinium lacum et utrobique in altera insularum pernoctavit. In Thrasimeno subscriptiones libellarias fieri, quae in lacu factae notarentur, in Vulsino summo iugo insulae erigi sacellum iussit, ubi est christianae Virginis phanum et certamen concurrentium navicularum despexit proposito accolis praemio. Fontes sereno die adeo cupide frequentabat, ut saepe inter glaream et marginem coenam postulaverit. Augustam et Alburnam et derivationem Anienis via Claudia ad Subiacum usque invisit. Salonam quoque via Tiburtina ad levam deflectens Augustam, ubi contegi ad vitandum aestum, a[u]divit. Egit a c c o o l i s gratias statimque occurrit. Struxit et Senae fontem in hortis prope pomerium aqua ductu subterraneo derivata, ubi diem saepe totum decernendis rebus exegit, quem cum noctu quidam disiecissent, adeo tulit moleste, ut discedere statim voluerit quaestionem tarnen ultro offerentibus civibus interponi vetuit dicens satis magnam poenam suam cuique stulticiam esse. Montium quoque delectabatur ascensu, ut in Romano et Tyburtino prope nullum praetermiserit. Sed praecipue, qui virerent arboribus et in longissimum prospicerent, Amiatam, in Hetruria editissimum, conatus ascendere ad media substitit lecticariis aegre subeuntibus. Senae cum diversaretur, saepe Capreolam secedebat, quo in loco iugum est pinu, cupresso, ilice, lauro consitum. Semitis per gradus sub umbra distinctis, nisi per

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hyemem aut pluviam, raro sub tecto aut prandebat aut spatiabatur. Secedebat singula quaque aestate ab ortu caniculae, nisi qua re graviore distinere, aut in proximas urbes, aut sibi liberum esset in Hetruriam, itineribus usus per aestatem nocturnis, stationes libenter secundum fontes habuit aut flumina et rivos, si fontes non occurrissent. Inter eundum aut interrogabat proximos de [d]iis, quae prospiciebantur, aut ipse loquebatur, historiam loci, cum posset, ubique subnectens. Vere atque autumno Viturnia balnea repetebat aut Petriolana, destinaverat aliquando et Baiana petere, sed revocatus precibus Senensium divertit ad Tusca, lavabatur, perfricabaturque a paucis et exigno apparatu, ne quern deterreret eorum, qui prope lavabantur, qua de causa nec horam sibi nullam praescripsit. Abstersus paulo plus minusve mille passuum vehebatur. Perpetuo pontificatu lecticariis usus, ubi navigatio deesset. Annandi leviter secundis fluminibus cum rposset, occasionem avidissime arripuit, quod et minus quateretur et lecticariis parceret. Dierum ac noctium rationem ad horas usque distinxerat. Surgebat aestate ad primam auroram, hyeme ad alterum gallicinium. Studium ita partiebatur, ut inter legendum aut scriberet aut dictaret paribus prope intervallis, nisi cum historias texere, II quas constat et verissime et festinantissime scripsisse. Plerunque duas in horas, nonnunquam minus quam in unam protracto studio. Exceptorem habuit Augustinum Patricium, quem aliquando ad horas quatuor exercuit. Sed duntaxat valetudinarius et cum chiragra laboraret. Deinde vel aderat rei divinae vel ipse operabatur, mox aut cum patribus consulebat, aut dabat subscriptionibus operam, quae duo munera alternis diebus obiri solita, nisi cum feriae aut solennia prohibuissent, nunquam intermisit. Subscriptiones extra ordinem, ut quanquam postulator occurret et in mensa et in cubili faciebat. In itinere ubiubi subsedisset, acciri postulatores iubebat, ne unquam ad fontem aut umbram accessit sine pugilaribus. Secundum consultationes patrum aut subscriptiones primum oratores, mox privati admittebantur. Cum aliquando unus e cubiculariis senem verbosiorem facere dicendi finem clam submovisset, advertens repeti omnia iussit conversusque ad cubicularium irato similis, „An nescis", inquit, „ex quo inivi pontificatum, aliis me vivere oportere, non mihi." Neminem plus triduo demoratus, oratores saepe qua die venissent, caeteros postridie amisit praescripta cuique hora, ne quem expectando defatigaret. Integritatem eorum, qui secum ver-

qüomod, 'emP°ra dishnxit

f. c 3 r

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Catharina et Laudonia Pii sorores

Alex. Miraballus

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sarentur, exactissime perquisivit repudiatis, quorum fama minus probaretur. Initio pontificatus secretariorum numerum, quod offerri quidam temere dicerentur, ad paucissimos redegit pauloque post ad duos, Sorum Lolium, consobrinum suum, et Iacobum Lucensem, spectatissimae probitatis viros. Et alterius quidem ingenium ac vitam ita probavit, ut paulo post antistitem Papiensem, mox cardinalem effecerit. Qui de postulatis referrent homines sibi ascivit moribus et doctrina probatissimos, praecipuum vero Agabitum Cynicum Romanum, darum in poetica quoque, sed iuris scientia longe eminentissimum, quem primum Anconitanis, mox Camitribus praefecit antistitem, maiora collaturus, si diutius vixisset. Constantissimus fovendis, quos semel esset amplexus. Gloriabatur inter suos neminem sibi fuisse inimicum sua culpa. Dilexit ex privatis Marianum Sozzinum Senensem iurisconsultum, veterem aequalem suum, et Procopium Boemum, quem aliquando in Germania collegam habuerat. Ex regibus Foedericum Caesarem et Alphonsium Arragonem et Matthaeum Pannonium, extremo tempore et Franciscum Sfortium, quem bello regio socium habuit. Praecipue omnium complexus est Foedericum Urbinatem, cu rei bellicae summam commisit. Ex patribus maxime Bessarionem Graecum, cardinalem Nicenum, aetatis suae doctissimum, quem et orare aliquando secundum se iussit et legationem Germanicam commisit cum summa potestate. Carvaialium quoque Hispanum, eiusdem ordinis clarum virum, quem iam senem et attritum legationibus ex Pannonia revocaverat dialogosque aliquot inscripserat. Ex domesticis plurimum apud eum potuit Sors Lollius. Catharinam et Laudoniam sorores aeque dilexit et Laudoniae quidem virum ad equestrem erectum ordinem Umbriae praefecit. Ex quatuor filiis primum Antonium in familiam regiam adoptatum Marsorum Lucanorum imperio praeficiendum a socero rege curavit. Alterum Franciscum, viginti annos natum, cooptavit collegi patrum. Reliquos duos Iacobum et Andream a mediocres extulit opes. Catharinae vero cum unicam haberet filiam, minus visus est praestitisse. Caeterum et praefecturas dedit genero et ipsi ad viginti millia aureum nummum comparavit. Auxit familiam numero adoptivorum, inter quos sororis filios et sororum consobrinum et cardinalem Patiensem et cubiculorum aliquot gentilitiis donavit. Alexandrum praeterea Miraballum Neapolitanum, quem initio pontificatus ob eximiam liberalitatem familiae reique do-

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mesticae praefecerat et oppidum Frascatam in Latio secessus aestivi gratia concesserat. Amicis et propinquis raro se subtraxit. Sermone gaudebat libero et festivo et qui modice exiret in iocum fuitque ipse natura non infacetus urbanitate extemporanea. Occurrentibus aliquando in itinere Lusitanorum legatis „Nos", inquit, „ad hos, an hi ad nos veniunt?" Exeunte eo a cella Palatii cum Germanus senex arrepta lectica ius sibi reddi exclamaret, „Una" inquit, „de re, an de omnibus?" Respondenti de una statim subdidit: „Recte sapis, nam actum defuerat, si de omnibus postulasses." Alteri se saepius pedibus II commendanti, „Nescis", inquit, „o stulte, quam debiles patronos imploraveris." Corsiniam, quo in loco natum eum diximus, non comparentibus sodaliciis „Solus", ait, „meorum convivio desum." Paternum etiam fundum circumvisens, in quo pinus erat a patre, qua die ipse natus est, consita iam praealta, cum ad earn descendisset, „Haec", inquit, „me admonet esse iam grandiusculum." Ad lacum Vulsinum contendentibus accolis de lectica subeunda ita, ut et gladios stringerent, repelli omnibus iussis „Quam stulte", inquit, „simul et onus et periculum quaeritis?" Ad Amivatum porrigente pastore cymbium lactis, ori admovit, quanquam admodum sordidum, ridentibus, qui aderant „Et hoc", inquit, „dulcius, quam Artaxerxis poculum et qui sitit, vitro non eget". Aedificandi Studium bella interceperunt. Caeterum in Vaticano cellas templi maximi promiscue passim aedificatas disiici iussit ac mox secundum parietis tractum collocari, quo reddita est facies interior templi angustior et patentior. Addidit et cellam Divi Andreae ad primum angulum templi laeva subeuntibus, ubi postea et sepeliri se iussit. Scalas quoque instauravit pro foribus templi vetustate collapsas stravitque aream amplissimam vestibulo palatii communito turri excubatoria inchoatam, supra scalas marmoream porticum imperfectam reliquit. Est et ipsisus arx Tyburtina, opere tumultuario confecta, quod nec prohibuissent transitum et iuvissent commeatu hostes et recipere intra urbem ipsius praesidia recusassent exprobravitque dubiam fidem et diripi eorum agrum est passus, fuit et nostrum Distichon:

Tybur habes arcem, quod non tibi creditur, hinc est: Aeneas Phryx est, Tybur es agricolum.

Püsorores

f. c 3V

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Corsinianum ex oppido urbem Pientiam appellavit designatis magistratibus urbanis in speciem iustae civitatis episcopo et praetorio aedificatis, episcopum et triumviros instituit et certamina gymnica per gradus aetatis. Construxit et aedes gentilitias eximia pulchritudine, symmetria quadrangula, lapide suffusco extanti incrustatas ad digiti crassitudinem, commissuris paulo recedentibus, duplici ordine fenestrarum, annulis et cratibus ferreis addiditque porticum ad meridiem duplici concameratione, continuatione insuper acclivi et triclinia aestiva atque hyberna et cellas promptuarias alte suffossas hortosque pensiles. Templum quoque egregia structura et aream pro foribus et cellas in ambitum templi aramque subterraneam vetuitque in eum quenquam sepeliri praeter sacerdotes et antistitem, quibus et tumulum seorsum assignavit, turn violari parietem picturaque insigniri aut appendi leones, aut cellas erigi, aut altaria, praeterquam quae ipse destinasset. Et pr^dia in sumptus annuos coemit. Architecto ad summam futurae impensae longe praemetito post perfectum opus addi centum iussit dicens desipere architectum, qui de impensa, quam nemo sit facturus ante praefiniat. Fecit et senex porticum gentilitiam concameratam, aedes quoque adiuncturus, quarum iam aream straverat. Erexit et cellam ad phanum divi Francisci et in ea sepulchrum parentibus marmore Ligustico hoc inciso disticho, quod ipse condiderat: Sylvius hie iaceo, coniunx Victoria mecum est. Filius hoc claudit marmore papa Pius.

ρ» scripta

Cogitaverat Anienem ad Tybur usque navigabilem reddere, portum quoque Traiani repurgare et in Pientino lacum facere Orcia flumine occluso ac rivo ex Amiantae radicibus eodem derivato. Ingenia sui temporis mirifice fovit, sed duntaxat probatissima invertens nonnunquam aliorum epigrammata, visusque contempsisse mediocritatem contraxit invidiam, dicere solitus oratores et poetas aut supremo aut nullo in loco esse oportere. Laudabat in dicendo candorem et vim orationis, apparatum verborum nimium dicentis ocium appellabat. Iuvenis delectatus poetica, Niraphilenticum scripsit versu magis facili et expedito quam acuurato. Poemata quoque in epistolarum modum complura, flexu aetatis orationi incubuit invitatus rerum et legationum magnitudine. Scripsit ad

Testimonia: Campanus

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Ladislaum, regem Boemorum adhuc adolescentem, libellum unum de arte grammatica, mox alterum de regia institutione, cum in Germania ageret. De rebus Boemicis ad Alphonsum, Ad Foedericum de Noricis integros commentarios. II Rerum sui temporis in Italia gestarum libros duodecim, quod opus nondum absolutum cum vita finivit vetuitque publicari, nisi emendaretur. De Eurialo, De ortu Nili, De studio venandi, De haeresi Hussitarum, De dignitate Caesaris, De potestate concilii, De sanguine Christi, De veritate Christiana ad Mahumetem Turcam, De gloria belli suscipiendi ad Franciscum Sfortiam, De erratis Basiliensium, De Fortuna, De defensione poetices, De miseria curialium singulos libellos, quorum magna pars dialogis constat. Descripserat in pontificatu Asiam Minorem, Maiorem mors intercepit. Inchoaverat et aliquando Historiam universi orbis rerum aetate sua ubique gestarum, sed omisit verius, ne parum explorata colligerentur. Loca libenter exscripsit stilo extemporaneo, mox castigaturus, praeter Scotiam et Norvegiam atque Luaniam, Rhodon quoque et Mitilenen et Lesbon et Cyprum expressit accurata brevitate. Et historiam quidem temporum recentiorum nemo putatus est et quaesisse diligentius et verius tenuisse. Reliquit epistolarum quatuor volumina distincta temporibus. Orationes nemo temporum nostrorum et nec veterum quidem tot habuit, omnes fere de rebus amplissimis. Caeterum sententiis quam verbis illustriores, copia mira et ad magnitudinem rerum excrescente. De verborum delectu nonnihil illi Germania detraxerat coacto saepe apud barbaros cultiora negligere. Sed earum magna pars exceptorum negligentia periit, quatuor et viginti extant. Pronunciabat voce sonora et gravi, verum eodem spiritu semper et crebris intervallis, ut dicere ex tempore et sine cura viderentur, persuadendi longe potentissimus. Neminem ad se dicendo non traxit. In conventu Ratisponensi male sustentatas a legato Caesaris partes ipse suscepit oratione extemporanea, ubi dicenti adversario: „Et quando desines molestus Germanis esse", „Cum", inquit, „tu incipies illis molestus non esse." Praevidisse ilium futura ex longo intervallo creditum est. Praedixit quadriennio ante se in belli apparatu decessurum hoc versu, quem ipsius manu vidimus scriptum: In Turcas bellum dum parat, occubuit. Senensi adultero, afferenti de rivali querelam, „Nisi desieris", inquit, „brevi occidere", quod accidit nondum

f. c 4r

ut^aniam

eximu extlm

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statura Pn

matris de Pio

f. c 4V

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exacto mense. Legatis Venetis in conventu Mautuano societatem adversus Turcas recusantibus, „Fore" ait, ut quod tunc reiicerent, decimo post anno sero essent rogaturi", quod evenit. Nam decimo post conventum anno missa Euboea opem ex omni Italia imploratum circumiere. Cum Ludovicus Allobroga, vir Carloctae, haud procul a Mantua transisset Cyprum mari petiturus nec eum, ut par erat, salutasset, „Brevi", inquit, „ recta j q U od sequenti anno fecit Cypri regno depulsus. Statura fuit infra mediocrem, corpore per adolescentiam modico, flexu aetatis aliquanto pleniore, oculis laetis quidem, sed qui torve in iram excandescerent, capite compacto et ante diem cano, facie subcandida, annis seniore et ad minimam quamque valetudinem statim concidente. Fuit laboris et inediae quam frigoris atque aestus patientior. Calculo vexabatur prope menstruo et assidua tussi, pedum usum iam pridem amiserat, cum rigore nivali, quam diximus, tum etiam superveniente podagra, chiragra sero offensus et raro. Astrologas se manus habere iocabatur, quod ^quinoctium tumore praedixerunt, quae omnia adeo patienter tulit, ut constet legatione Germanica impeditum graviter podagra tarnen a collega, ut diem unum subsisteret, adduci nequivisse et in aquis Patriolanis pertulisse duas in horas fistulam deuncem. Romae quoque inter maximos calculi dolores continuasse orationem vix obtorto leviter ore ac submorso paulum labro deprensum. Magnitudinis eius signa quaedam praecesserunt. Mater nocte posteriore quam peperisset, visa est in somnis mitratum peperisse diu graviter sollicita de omine, donec signatum Tergestanis antistitem audivit. Corsiniani septimum agens aetatis annum inter ludos pueriles pont(ifex) max(imus) salutatus ab aequalibus singulos ordine ad oscula pedis admisit. Alphonsus venientem ad se Neapolim e fenestra digito amicis ostendens „En", inquit, „nobis pont(ifex) max(imus)." Foedericus quoque Caesar um e Cyminio monte Latium prospexisset eo acciri ad se iusso „Cito his in locis regnabis, Aenea, et qui tibi nunc imperamus, brevi parebimus." Romae unus ex regiis purpuratis ad eum iam cardinalem veniens cum lunas sagis intextas aspexisset, exclamavit fore eum pontificem max(imum). Quod agens ipse II aliquando in Calabris audisset, esse in arcanis proxime futurum pontificem ea signa habiturum. Qua in hora creatus est pontifex Romae, eadem Laudoniae sorori Corsiniani est nunciatus octoginta milibus passuum spacio nec visus amplius, qui nunciaverat. Incidit

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n o g

Testimonia: Campanus

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saepe in discrimen vitae. Puerum pene trimum decidisse praecipiti loco et prope exanimatum constat, a bove quoque impetitum cornibus ac ter iactatum praeter spem evasisse multis in locis confossum, in Britannia cum a coena mercatoris amici reverteretur, qui funabulum praeferebat, ipsius in oculis occisus est prope, ut ad eum vulnus perveniret. Et transfretatione Britannica sereno die cum ad navigandum invitatus serius ad navem iam solventem venisset, quam posset admitti, exorta mox tempestate navis et qui in ea erant, haud procul a littore ipsius in oculis demersi sunt. Mediolani cum febrim incidisset, graviore accepto pharmaco pene consumptus profluvio est, cum alterum medicus supparasset, pixide casu effracta periculo eximitur. Nec multo post Basileae pestilentia contactus paulum ab interitu abfuit ab amicis omnibus praeterquam ab Andrea Panigalio destitutus, quem postea inter praecipuos habuit. Alpes Vindelicas hyberno aequinoctio ingressus paulum abfuit, quin liquentium nivium lapsu obrueretur semel ingenti globo deiectus. Apud paludes Pontinas cum noctu per flumen Ligulam navigaret, tribus horis limo inhaesit navi, quae eum sequebatur cum undecim viris, absorpta. Ad Cumas quoque nocte cum appulisset, navis oppressa est, sed citra cuiusquam discrimen, quod haud procul a littore nec profundo admodum mari subsedisset. Qua quoque die coronatus ad Lateranum est, in periculo fuit, ne a turba congratulantium opprimeretur, ut necesse fuerit perfractis scipionibus gladiis arceri multitudinem, quod idem Postae et Narniae contigit. Insidiae bis illi structae, primum ab Everso tyranno adiutore Boccardo, cuius interceptae sunt ad eum literae, habere se venenum, quo simul paulum lectica illiniretur, statim periturum, se quidem corrumpere aliquos ex lecticariis voluisse, verum neminem inventum, qui facinus recepisset, adhibendam eius autoritatem et praemia maiora proponenda. Quod ubi rescivit, tantum admonuit Pazaliam, praefectum custodiae corporis, ne quem parum cognitum lecticarium admitteret. Alterae a sicariis Tiburtianis. Ii ex Hetruria ad exitum autumni redeuntem nonnullos subornaverant, qui veluti libellum porrecturi pugione conficerent. Sed illo properante nondum confirmatis ad scelus animis priusquam venisset ad locum insidiarum, patefacta res est. Et credidit alioquin facile se omnibus fiducia tanta, ut profectione Mantuana aliquando per hotilem agrum sine praesidio transient. Mors quoque eius pr^cognita rumore passim dissipato ad

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f. d l r Pancratius Hyberus

Crucesignaconcursus

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exitum anni sexti decessurum. Et ipse in pratis Quintiis cum urbe discederet, conversus ad moenia „Vale" inquit, „Roma, nunquam amplius vivum me visura." Qua die atque hora decessit Anconae, in Hetruria Camaldi, quod est in Apennini iugo, senex Germanus victu aspero sex et quadraginta annos intra sacelli claustra emaceratus atque inter coenobitas miraculis clarus, egressus ad limen primum vestibuli videre se exclamavit magnum sacerdotem corona triplici et candido amictu deferri in coelum cantantium virguncularum coetu et nubecula septum. Attonitis, qui aderant, et quid esset, coniicientibus quarto post die, quantum itineris Ancona distabat, nuncius de morte eius affertur tempore et habitu convenientibus. Expeditioni in Turcas vehementius incubuit et festinantius, quam esset e valetudine et alieno tempore, cum recens rediisset e balneis, obiicientibus amicis senium et valetudinem. „Patebit", inquit, „in coelum reditus, si Romam non dabitur." Et Phano expugnato sublatis in coelum manibus „Recte", inquit „habet. Iam vocor ad bellum meum." Accelerarunt eius profectionem Philippi Burgundi magnificis promissis et praeterea Telephi, Armeniae, et Georgii, Persarum et Asiae Mesopotamiae, et Gorgorae, Maioris Hyberiae, et Vitebechi, Minoris, regum oratores, Romam una ad eum missi diversa lingua, habitu dispari et caeteris quidem tonsi erant in morem nostrum capilli. Mesopotamiis globus unus in cincinni speciem, relictus intonsus. Vestes omnibus laxae, deiectae, pileo praelato sublimi. Horum cum unus dies singulos viginti carnis pondo devoraret, „Si in convivio", inquit, „et umbra his sociis II dimicandum erit in nobis, iam vicimus." Oratio eorum gravis et stricta. Centum viginti milia armatorum pollicebantur et Pancratium Hyberum socium belli, virum magnae in re militari autoritatis Quam summam cum audivisset non creditam et luxuriae quam bello aptiorem ratus „Alere", inquit, „tantum exercitum difficile erit Europae." Maturandi causam etiam Pannonii dedere, quos postulasse a Turcis pacem constabat conditionibus admodum iniquis. Quare misso statim equitum mille in annum unum stipendio ac spe adventus sui facta in fide continuit. Crucesignatorum etiam concursus ad Anconam factus, quos ad triginta millia ex Gallia atque Hispania error attraxerat vulgato temere pontificem omnibus, qui ad bellum transmarinum proficiscerentur, et navium ad traiiciendum et victum ad finem belli suppeditaturum. Igitur praemisso ad eos in adventum suum continuendos Carvaialio Hispano cardinal! ac rebus per Italiam om-

Testimonial Campanus

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nem compositis XIII. Calend(as) Iunias Roma proficiscitur re divina in templo maximo ad Vaticanum peracta, in quo descendere, quoties urbe abiret et aras singulas ordine venerari consueverat, ibi omnibus ad praedicandum rerum successum invitatis, festinato ad pontem Milvium lectica delatus est. Avidius suscepto itinere incidit in febriculam, principio haud satis cognitam medicis, et ipse, ne quid morae obiiceretur, aliquamdiu suppresserat, ea iam aucta magis quam ut dissimulari posset, medicos inhibuit, ne cui patefacerent, iureiurando et imprecationibus adactos. Ad pontem patribus ac turba omni dimissa cum paucis lembum conscendit adverso Tyberi navigaturus. Cum effusa patentibus pratis civitas abeuntem consalutaret ac reditum audienti precarentur, prorupit in lachrymas. Substitit nocte prima ad castellum Loboleum confessus navigationem eius diei difficillimam fuisse contrario flumine colluctanti, quod ex imbecilli potius valetudine quam labore accidisse putatum est nec ausus in ripam descendere, gravi defatigatione confractus noctem totam egit in lembo. Postridie quanquam inhibentibus medicis matutinum iter multo ante solis ortum solvere cum iussisset, ad oppidum Phianum pervenit navigatione longissima quadraginta milibus passuum uno die confectis. Cum pridie illius diei ad decimum miliarium substitisset, pernoetavit et secundo in flumine. Hoc in loco dum ageretur de parte classis, quae structa ad portum Pisanum penetrare in Superum mare per fretum Siculum iubebatur venireque Anconam ad copias excipiendas nunciatumque esset triremes Genuensium ad naves onerarias, quae ad summam classis pertinebant, nondum esse paratas. Et praeterea Philippum Burgundum profectionem verbis extrahere commotus animo est, auxit molestiam prolapsus e ripa demersusque in oculis adolescens ad remigium mercede conductus tarde accurrentibus nautis, quod adeo tulit acerbe, ut precatus veniam extincto et abominatus casum nec lachrymas continuerit. Ad radices montis Soractis taedio navigationis, simul et moerore extincti iuvenis exponi se primum navicola iussit questus semper sibi navigationes male cessisse. Quod verbum sinistre accipientibus cubiculariis et quid committere[re]t se toties praesenti periculo interrogantibus, ratus ad deterrendum se ab transfretatione Illyrica dictum, quod sciebat invitis multis se Italia excedere, „Neminem", inquit, „cogimus" nec aliud locutus reponi in lembum se iussit. Provectus ad XV millia passuum lectica confectis supra Ocriculum maxime consternatus est obvia

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f. d l v

Turcarum iiiTgram Ragusinum

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

cruris signatrum multitudine, quos morae impatientes retinere Carvaialis minime poterat et agmine cum reverterentur nec rapidi abstinebant, quocirca medici, aversuri eo spectaculo illius oculos, obcludi lecticae velum perpetuo itinere, causati ventos, iusserunt. Ab Ocriculo per Narniam Interamnamque Spoletum aegre et itinere quatuor dierum pervenit conquievitque totum triduum et arce communita praesidium auxit. Iter deinde a laeva per Fulginenses agens Fulginensium quosdam, subsequi ad Assisium iussos, relegavit praefinito in reditum suum exilio, ausos et coetus cogere et praefecto urbis, ubi ille Italia discessisset, iam tunc insidias praestruere, tyrannidem sibi per caedem accepturos. Instaurari et Assisii utranque arcem iussit. Superato deinde ad Fabrianum Apennino iter flexit ad phanum Virginis Laureaneae vota nuncupaturus, ubi et aureum obtulit calicem ac II pateram eximiae magnitudinis. Ingressus Anconam XV. Calend(as) Sextiles supplicationes trium dierum decrevit praefatus initia rerum deo, caetera virtuti commendanda esse. Nuncio allato de incursione Turcarum in agrum Ragusinum milites ducentos ad corporis custodiam comparatos cum paucis sagittariis triremi expedita navigare extemplo Ragusium iussit. Triremes Venetas numero duodecim, in quibus et Venetorum dux aderat, ubi appropinquare intellexit, deferri se iussit ad primum littus classem inspecturus eaque inspecta subgemuit una edita voce, nuper sibi navigandi occasionem defuisse, nunc occasioni se defuturum. In cubiculum relatus solvi statim profluvio coepit medicis nihil periculi promittentibus. „Et haec quoque principum miseriae est", inquit, ,,ne in morte quidem carere assentatoribus." Postulavitque eucharistiam, quam et triduo prius acceperat et paulo ante ad Laure[n]tanum. Acciri deinde patribus iussis hortatus est, ut in expeditione persisterent. Triremes, et qua in portu erant et quae venire per fretum Siculum nunciabatur, tradi Venetis iussit. Pecunias, ad aureum nummum quadraginta millia ex decimis exactas, Matthiae, regi Pannoniorum, mitti in sumptus belli. Cum deficere vires sentiret, reiiciens sese in cardinalem Papiensem „Fili", inquit, „curam meorum ipse suscipito et huic expeditioni adesto." Interrogates ab illo, an sepeliri Romae se vellet, non tenuit lachrymas subdens: „Et quis id procurabit?" Illo recipiente se curaturum, refici visus est. Vocavitque patres ordine ad osculum postulata prius a singulis venia, si minus recte rem christianam administrasset. Lachrymantibus omnibus et

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Bessarione eius verba de re Christiana sanctissime gesta excipiente iterum amplexis omnibus inungi se iussit. Ubi concurrens et ipse precibus inter hymnos expiravit voce ultima aegre edita rogare omnes pro se precarentur. Decessit anno aetatis suo nono et quinquagesimo, religionis nostrae millesimo quadringentesimo sexagesimo quarto decima octava Calend(as) Septembris, ex quo pontificatum inierat, anno sexto. Polinctores curato corpore cordatissimum affirmaverunt; praecordia execta in templo divi Ciriaci recondita fuere. Corpus decreto patrum subsequentibus ipsis relatum Romam est et in cella divi Andreae sepultum ad Vaticanum.

Ubersetzung Pius II. stammte aus Siena, einer berühmten Stadt in der Toscana, aus dem adligen und sehr alten Geschlecht der Piccolomini. Sein Vater hieß Silvio Postumo, der eine Zeitlang militärische Abteilungen angeführt hat. Seine Mutter hieß Victoria, eine Frau gleichen Adels und von außerordentlicher Fruchtbarkeit; denn sie gebar 18 Kinder, unter ihnen mehrere Zwillingspaare. Er wurde geboren am 18. Oktober in Corsignano. Diese Stadt liegt 22 Meilen [ca. 33 km] von Siena entfernt bei den Gütern der Familie. Dorthin hatten sich die Eltern wenige Jahre vorher zurückgezogen, nachdem sie im Zuge des Parteienhaders vom Volk vertrieben worden waren. In Erinnerung an seinen Großvater wurde dem Knaben der N a m e Enea Silvio beigegeben. Den Anfangsunterricht absolvierte er noch als Knabe in Corsignano. Verwandten in Siena anvertraut, machte er schnell sowohl in Poesie als auch in der Redekunst Fortschritte. Des Zivilrechtes nahm er sich erst spät an und gab es nach kurzer Zeit ohne Bedauern auf, da er sich von Natur aus mehr zur Poesie hingezogen fühlte. Den Anfang seines Ruhmes begründete er mit rhythmischer Dichtung, die er in italienischer Sprache herausgab. Bald begann man, ihn wegen seiner Redekunst und seiner Verse zu loben, und er schrieb Vieles zum Wettstreit mit seinen Altersgenossen. Als ihm auch ein paar recht leichtfertige Geschichten entschlüpft waren, versuchte er später einmal, sie zu unterdrücken. Dieses gelang ihm jedoch nicht, da sie in ganz Italien bekannt waren. Überdrüssig seiner persönlichen Lage, als auch begierig danach, Ruhm zu erwerben, machte er sich auf nach Basel, einer Stadt in Helvetien, wo damals ein Konzil gegen Papst Eugen abgehalten wurde, das schon lange vorher angekündigt worden war. Der Weg führte auf abgelegenen Wegen und war sehr schwierig wegen des Krieges, der mit den benachbarten Florentinern ausgebrochen war. Er hatte Furcht und beabsichtigte, an der ligurischen Küste entlang zu segeln. Nachdem er

aetas

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in P o p u l o n i a ^ die Anker gelichtet hatte, geriet er in einen Sturm, der ihn v o m Kurs abbrachte. U m ganz Korsika und Sardinien durch die Gewalt des Windes herumgetrieben, wurde er bis nach Libyen verschlagen. Er fuhr zurück in das Ligurische Meer und wurde dort an Land gebracht. Obgleich es dort keine Herbergen gab, wollte er - der Seefahrt überdrüssig und noch immer in Furcht wegen der kürzlich durchlittenen Gefahr - lieber unter freiem Himmel übernachten, als zum Schiff zurückkehren. Den Rest des Weges nahm er über Genua und die Alpen. In Basel nun begann man, ihn ob einer Begabung sehr zu schätzen und zu hofieren. Da jedoch die Dinge sich weniger günstig entwickelten, als er gehofft hatte, kehrte er wieder nach Italien zurück. Er blieb nicht lange, folgte den Gesandten des Eugen und reiste erneut nach Basel. Er segelte den Rhein abwärts bis nach Köln und verblieb dort für kurze Zeit. Er reiste hinab nach der belgischen Stadt Arras, wo die Könige der Gallier und Briten zusammengekommen waren. Von dort wurde er ins jenseitige Britannien gesandt, welches heute Schottland genannt wird, um den König dazu zu bewegen, gegen die diesseitigen Britannier vorzugehen, die den Frieden störten. Bei Calais begab er sich aufs Meer. Als ein schweres Unwetter sich erhob, wäre er fast untergegangen. Fern vom Kurs wurde er von den Küstengewässern bis weit aufs Meer getrieben. Zwölf Tage war sein Schiff in der Gewalt des Sturmes. Schließlich wurde er wieder an die Küste Britanniens zurückgeworfen, dort von königlichen Spähern erkannt und an der Weiterfahrt gehindert. Bei der erneuten Überquerung des Meeres stand er zwei Stürme durch. Im zweiten Sturm versuchte er nach Schottland zu gelangen, wurde jedoch nach Norwegen verschlagen. Von dort wurde er nach Schottland gebracht. Es gelang ihm zwar nicht, den König zum Krieg zu bewegen, dennoch erreichte er, daß dieser Gesandte für Friedensverhandlungen schickte und daß er den Briten nachher keine Hilfe brachte. V o m König wurde er mit zwei asturischen Pferden beschenkt und zusätzlich mit einer U n i o [eine Perle], die er für seine Mutter bestimmte. A u f dieser Insel zog er sich den Beginn der Krankheit zu, die unter Gelenkschmerzen bis zum Ende seines Lebens fortdauern sollte. U m das Gelübde zu erfüllen, das er der jungfräulichen Mutter im Brausen der Wogen abgelegt hatte, ging er barfüßig trotz dem Eise 10 Meilen bis bis zu dem Wallfahrtsort. Zurück in die Stadt konnte er lediglich mittels einer Sänfte gelangen. A u f seinem Rückweg von Schottland wagte er es nicht, sich dem offenen Meere anzuvertrauen. Nachdem er nach Britannien zurückgekehrt war, täuschte er in der Verkleidung eines Händlers die Späher des Königs. In Basel wurde er in das Zwölf-Männer-Kollegium kooptiert, um die Versammlung zu leiten. Sein Versuch, das Konzil nach Pavia zu verlegen, war vergebens, da die Italiener Florenz, die Deutschen Udine und die Franzosen Avignon vorzogen. Er bekleidete fast alle Kurienämter. A m Anfang war er Schreiber, dann wurde er zum Abbreviator maior bestimmt. Zuletzt wurde er sogar unter die Z u t e i l e r ^ eingeschrieben. Auch der Konzilskanzlei stand er vor. Außer seiner Gesandtschaft nach Schottland, die ich hier bereits erwähnt habe, führte Stadt in der Nähe von Piombino. ^

Es könnte sich hier um einen Beamten handeln, der für die Vergabe von Pfründen

und ähnlichen materiellen Gütern verantwortlich war.

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er neun Gesandtschaften durch: drei nach Straßburg, zwei nach Konstanz, ebensoviele nach Frankfurt, je eine nach Savoyen und Trient. Sogar nach Tirol reiste er zu Albrech t , ^ dem designierten Kaiser, und blieb kurze Zeit bei ihm. Er versuchte, ihn fur das Lager der in Basel Versammelten zu gewinnen. O b er sein Ziel tatsächlich erreicht hätte, bleibt ungewiß, da jener alsbald starb. Die Mitgliedschaft im

Acht-Männer-

Kollegium, das eingerichtet worden war, um die Würde [Papst] Eugens zu erschüttern, lehnte er trotz mehrmaligem Ersuchen ab. Er hielt es für ein ungesetzliches Amt, da es zumal in einer derart bedeutenden Angelegenheit - von Laien eingerichtet worden sei. Einige Zeit Schloß er sich damals dem Gegenpapst Felix an, der ihn als Legaten zu Kaiser Friedrich sandte, dem Nachfolger Albrechts. Dieser bekränzte ihn mit dem Lorbeer, mit dem die Deutschen hervorragende Dichter auszeichnen. Bald zählte man ihn sogar zu den Freunden des Kaisers. Nachdem er den Sekretären zugeteilt worden war, wurde er wenig später deren Präfekt. Zuletzt wurde er zum Kreis der Berater des Reiches hinzugezogen. Als Italiener unter Deutschen war er dem Neid ausgesetzt, überwand ihn jedoch in kurzer Zeit. Die erste Gesandtschaft im Namen des Kaisers führte ihn nach Triest. In der Stadt waren Aufstände ausgebrochen. Diese unterdrückte er und verbannte diejenigen, die den Aufstand entfacht hatten, ins Exil. Die zweite führte ihn zu Eugen gegen den ausdrücklichen Rat seiner Freunde, denn er schien jenen schwer beleidigt zu haben, weil er so oft dessen Würde in Basel bekämpft hatte. Nachdem jener besänftigt worden und die Angelegenheiten in seinem Sinne geregelt waren, schied er von ihm. Eugen war aufgrund seines Greisenalters bereits äußerst zerbrechlich. Enea sah ihn nie wieder, da er wenig später verstarb. Z u m Sekretär des Eugen wurde er in Abwesenheit ernannt. Er bekleidete dieses A m t bereits unter Felix und war davon noch nicht zurückgetreten. Die dritte Gesandtschaft führte ihn erneut zu Eugen und betraf die Wiedereinsetzung zweier Kaiserwähler. Diese hatte er, da sie sich dem Felix angeschlossen und heftig gegen seine würdevolle Stellung opponiert hatten, entlassen. Aus diesem Grund und damit die Neutralen ihre Versammlung auflösten, begab er sich nach Frankfurt. Es waren die, welche von den Übrigen abwichen und weder Eugen noch Felix gehorcht hatten, gleichsam als warteten sie a u f neue Konzilien, deren Ausgang noch ungewiß war. Nach seiner Rückkehr nach R o m reiste er erneut nach Frankfurt, um über die Auflösung zu verhandeln. Da die Reise im Winter stattfand, wäre er beinahe aufgrund der Schneemassen und der Gewalt der anschwellenden Flüsse gescheitert. A u f einer dritten Gesandtschaft wurden schließlich die übrigen deutschen Streitigkeiten beseitigt. In R o m wurde er, da er die Aufgabe erfolgreich bewältigt hatte, unter dem Beifall aller Stände empfangen. Die Deutschen versöhnte er mit Eugen gelegentlich einer Petition, die für die Ordnung der deutschen Angelegenheiten eingereicht wurde. A u f ihre Veranlassung hin war Eugen vor Gericht gebracht worden. Er wurde zum B i s c h o f von Triest ernannt, nachdem grundlos das Gerücht vom Tode des Bischofs entstanden war. Die vielen Konkurrenten, die sich a u f die plötzliche Nachricht hin einfanden, wurden von Eugen abgewiesen. Bald, als bekannt wurde, daß der B i s c h o f noch lebte, wurde Enea zum S u b d i a k o n ' ^ gemacht. Albrecht II., deutscher König 1438-1439. Vermutlich dem heutigen Adjutor vergleichbar.

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Nach dem Tode des Eugen befehligte er auf Wunsch des Kollegiums die Schutzwache der Wahlversammlung. Man war der Ansicht, für diese Aufgabe sei ein Mann vonnöten, der in keiner Hinsicht parteiisch sei. Nikolaus, der Nachfolger Eugens, war ihm sehr viel gewogener wegen ihrer gemeinsamen Zeit in Deutschland. Auch er hatte im Namen Eugens Gesandtschaften durchgeführt. Daher bestätigte er die noch von Eugen angeordneten Ehrungen und fügte selbst neue hinzu. Er ordnete an, daß Enea am Tage seiner Krönung als oberster Konsul in Religionsangelegenheiten anwesend sein und das goldene Kreuz vorantragen sollte. Danach reiste er aus Rom ab. Nach dem Eintreffen der sicheren Meldung über den Tod des Bischofs, wurde er wenig später zum Bischof von Triest ernannt, was auch Eugen angeordnet hatte. Von dieser Sache wußte er nichts, bevor er nach Deutschland gelangte. Dort erfuhr er davon durch Briefe des Nikolaus an Friedrich und von Freunden an ihn selbst. Da Philipp, der Herzog von Mailand, ohne legitime Nachkommen gestorben war, wurde er nach Mailand gesandt, um die Bürger zu veranlassen, die Stadt nach Reichsrecht an Friedrich zu übergeben. Doch er wurde aus der Stadt ausgewiesen. Den Bürgern stand der Sinn nach Freiheit. Zugleich aber schreckten sie in Erinnerung an frühere Zeiten vor der deutschen Herrschaft zurück. Für kurze Zeit wurden sie dann von Francesco Sforza, dem Schwiegersohn Philipps, belagert. Er erhielt erneut die Anweisung, zurückzukehren. Während seine Kollegen bei Como aus Furcht zurückblieben, betrat er selbst unter großer Gefahr die Stadt. Die Bürger wurden zu einer Volksversammlung einberufen. Den größten Teil verbannte er mit dem Hinweis, sie mögen sich an Friedrich wenden. Als einige anregten, die andere Partei mit Waffengewalt zu unterdrücken, lehnte er das ab: es sei unwürdig, und läge nicht im Interesse seiner Gesandtschaft - so sagte er -, daß jemandem Gewalt angetan würde in einer Stadt, die doch wieder fest mit der legitimen Herrschaft verbunden werden solle. Es bestand die feste Ansicht, daß die Stadt im Treuebündnis veblieben wäre, wenn bei der Belagerung rechtzeitig Hilfe gebracht worden wäre. Bald hatte die zweite Gesandtschaft eine andere Stadt zum Ziel: er wurde nach Neapel geschickt und brachte eine Verbindung mit dem König zustande durch das Verlöbnis zwischen Leonora, der Schwester des Königs von Portugal und Enkelin des Alfons, und Friedrich. Inzwischen wurde er zum Bischof von Siena bestellt, obgleich die dem Adel feindlich gesonnene Bürgerschaft einen anderen forderte. Zwar wurde in Siena jeglicher Festzug abgelehnt, dennoch zog er nach altem Brauch durch Stadt und Land und kehrte nach Deutschland zurück. In dieser Zeit verlor er seine Mutter im Alter von 68 Jahren. Bei seiner Rückkehr beendete er einen Feldzug, in dem die Venetianer Triest wegen Grenzstreitigkeiten belagerten. Sobald er zu Friedrich gelangte, schickte dieser ihn sogleich zu den Böhmen. Sie hätten tatsächlich zu den Waffen gegriffen, hätte er sich nicht beeilt. Friedrich hatte nämlich Ladislaus, den König von Ungarn und Böhmen, aus Furcht vor Anschlägen bei sich erzogen, da jener noch ein Knabe war und darüber hinaus Sohn seines Bruders. Er fürchtete um ihn, weil er für die Regentschaft noch nicht alt genug und darum dem Unrecht schutzlos ausgeliefert war. Er hatte Wachen aufstellen lassen, damit jener nicht heimlich entführt würde. Die Böhmen hingegen waren der Meinung, er bedürfe der Be-

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wachung nicht und werde vielmehr von seiner angestammten Herrschaft ferngehalten. Daher drohten sie mit Krieg, wenn Friedrich ihn nicht frei ließe. Ihre Bemühungen beschwichtigte Enea mit vernünftigen Argumenten. Besonders die Furcht vor Giftanschlägen veranlaßten Friedrich dazu, so zu handeln. Gift war es auch, durch das wenige Jahre später der Knabe, nach dem er von seinem Onkel entlassen worden war, mit böhmischer List aus dem Wege geräumt wurde. Als Friedrich nach Italien kam, kehrte er selbst zurück, u m mit den Städten über die Durchreise und mit Nikolaus über die Krönung zu verhandeln. Die Bewohner Sienas hegten gegen ihn jedoch den Verdacht, daß sein Handeln von der Hoffnung geleitet sei, sich erneut der Herrschaft über die Stadt zu bemächtigen. Er beabsichtige, der Kaiser solle die Verhältnisse in der Stadt verändern, indem die Populären, die sich der Herrschaft bemächtigt hatten, verbannt und der Adel wieder in seine alten Freiheitsrechte eingesetzt würde. Sie berieten untereinander über diese Angelegenheit und versuchten, seine Handlungen und Worte heimlich oder ganz offen auszukundschafteten. Daher ging ihm niemand entgegen, noch begrüßte man ihn besonders zahlreich, nachdem er zu Hause angekommen war. Es ging das Gerücht, daß von den Machthabern geplant sei, ihn umzubringen. Aus diesem Grunde wandt er sich an das Zehnmänner-Kollegium der Stadt. D o c h er versuchte vergebens, diesen Verdacht zu zerstören. Der Tod seines Kollegen Fullendorf vermehrte die Erbitterung. Dessen Beisetzung fand in der Kirche der Jungfräulichen Mutter an feierlichem Orte statt. Diesen Akt versuchten sie als Beweis dafür anzuführen, daß ihnen die Herrschaft bereits genommen sei, da ein Fremder gleichsam unter Preisgabe der Freiheit an der Grabstelle der Bürger beigesetzt sei. D a n n schließlich, um den ungünstigen Umständen aus dem Wege zu gehen, begab er sich nach Thelamonium, gleichsam als solle er Leonora, die über das Meer aus Portugal kam, empfangen. Während

dieser Geschehnisse erhielt er einen Auftrag von

Nikolaus,

gehorchte jedoch nicht, sondern schützte seinen Gesundheitszustand vor. Er zerstreute schließlich durch einen Brief dessen Befürchtung: es war verbreitet worden, es gälte unter den Wahrsagern als sicher, Nikolaus werde entweder noch vor dem 1. April sterben oder sich in Gefangenschaft befinden. Die Gefahr - so wurde geweissagt - gehe von Friedrich aus, dem neuen Kaiser, der beabsichtige, R o m anzugreifen. Wegen dieser Furcht wünschte Nikolaus, die Ankunft Friedrichs bis zum Herbst hinauszuzögern, um den schicksalhaften Tag zu erwarten. Durch einen Brief des Enea beruhigt, nahm er von diesem Vorhaben abstand. Leonora, die mit königlichem Gefolge in der Nähe von Pisa gelandet war, empfing er im Namen Friedrichs, was bei den anwesenden Deutschen Unwillen hervorrief, da doch sie dessen Vertraute waren. Als sie Pisa betraten, schürten Florentiner, die sich in der Menge befanden, den Argwohn und versuchten, sie aus der Stadt zu jagen. Wegen seiner Beliebtheit und seines Ansehens ließen sie jedoch von Gewalt ab. Dasselbe geschah bei Volterra. Der Grund dafür liegt darin, daß von diesen Städten die eine mit Waffengewalt unterworfen worden war und daher für jeden Aufruhr offen zu sein schien, die andere in demselben Gebiet gelegen war. In Siena wurde auf freiem Gelände an der Stadtgrenze dem Friedrich seine Braut zugeführt. Er hielt eine sehr kunstvolle Rede, welche die Vorzüge des Mädchens und der portugiesischen Könige beschrieb. Es steht noch heute vor den Stadttoren eine Säule aus M a r m o r als Denkmal für den Zug und das Zusammentreffen. Da die Bürger bei Ankunft Friedrichs den Adel ausgewiesen hatten, wurde die Jugend

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

überall fur die Verteidigung der Stadt bewaffnet. U m sie von ihrer Furcht zu befreien, beschleunigte er demonstrativ die Abreise Friedrichs. D a n n schließlich wurde auch der Argwohn gegen seine Standesgenossen und seine Verwandten entkräftet und der gesamte Adel zurückgerufen. Er selbst wurde zum Gesandten der Stadt an Nikolaus bestellt. Ihm wurde aufgetragen, sich auf dem ganzen Wege Friedrich anzuschließen. Die Antwort an die Kardinäle, die Friedrich zur Begrüßung entgegen gegangen waren, übersetzte er, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Zuerst auf Nikolaus zutretend, befreite er ihn dadurch von seiner Furcht, daß er die Umzäunungen mit Bewaffneten ausgestattet hatte. A m nächsten Tag hielt er eine Rede über die Krönung des Kaisers, abwechslungsreich und voll klassischer Bildung, und übernahm als Ubersetzer die Leitung aller Angelegenheiten, die zwischen Nikolaus und Friedrich verhandelt wurden. Er erwarb sich die Dankbarkeit beider. Als Friedrich nach Neapel zu Alfons, dem Großonkel [sie!] seiner Gattin, zog, wurde Enea in R o m durch die Schmerzen in seinen Füßen an der Weiterreise gehindert. Gleichzeitig sollte er den noch unmündigen König Ungarns bis zur Ankunft des Onkels festhalten. Bei Rückkehr des Kaisers hielt er zwei Reden. In der einen dankte er Nikolaus und dem Kollegium der Väter. In der anderen forderte er dazu auf, den Krieg gegen die Türken aufzunehmen und bewegte insbesondere durch die letztere so sehr, daß er sogleich zum Gesandten mit umfassenden Vollmachten in Ungarn, Böhmen, Tirol und dem übrigen Deutschland bestimmt wurde. Weil die Florentiner glaubten, Friedrich sei über das Unrecht der Bürger von Pisa und Volterra erzürnt, und im Hinblick auf Neapel durch Alfons angestachelt, wurde behauptet, sie würden den Durchzug des Kaisers verhindern. Daher wurde er zu beiden Städten gesandt und beseitigte den Verdacht. In Ferrara di Varese begrüßte er als erster Borsio, der vom Kaiser zum Herzog von Modena ernannt worden war, und lobte ihn in einer herrlichen Rede. Auch den Venezianern sollte er wegen ihrer dem Kaiser erwiesenen Mildtätigkeit danken. Ebenda wurde er wenig später von den Tirolern belagert. Er wurde hinaus zu den Feinden gesandt und beendete die Belagerung eine Stunde nachdem er hinausgegangen war. In dieser Zeit führte er auch einen Ausgleich zwischen den Böhmen und den Tirolern herbei. Er schaltete sich auch in das Ersuchen der Deutschen ein, die Beschlüsse der Vorgänger in den vorherigen Zustand zurückzuversetzen. D a die Angelegenheit mit großem Eifer betrieben wurde und da sie, sollte sie beschlossen werden, sich gegen die Würde des Kaisers richten würde, zerschlug er die Friedrich bedrohenden Kriegsrüstungen der Ungarn durch zwei Gesandtschaften. Durch die zweite brachte er den Frieden zustande, der zwei Jahre lang vergeblich angestrebt worden war. Eine Gesandtschaft von Deutschland nach Italien führte ihn durch ganz Deutschland. Aus diesem Grunde hielt er eine Konferenz in Regensburg ab, wo bekanntermaßen die auf den Krieg zusteuernde Entwicklung alle Anwesenden zu Tränen rührte. M a n beweinte das Unglück der Griechen, und die jüngste Niederlage bei Konstantinopel wurde in den Mittelpunkt gerückt. Obgleich er wünschte, nach Hause zurückzukehren, gelang es dem Kaiser, ihn durch die H o f f n u n g auf einen Feldzug nach Asien zurückzuhalten. Er versprach, er werde im folgenden Jahr eine Expedition mit so starken Kräften wie möglich unternehmen. Mit demselben Ziel, das er bereits in Regensburg verwirklicht hatte, brach er auch nach Frankfurt auf. Sein Aufruf zum Türkenkrieg war so eindrucksvoll, daß an allen Orten zu den Waffen gegriffen wurde. Von ihm vorgeschlagene Fürsten wurden dafür bestimmt, in öffentlichem Auftrag die Leitung der Vorbereitungen zu über-

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nehmen. Jedoch machte der bald darauf folgende Tod des Nikolaus alles zunichte. Es bestand die Ansicht, Nikolaus habe ihn in das Kardinalskollegium aufnehmen wollen. Aber wegen der Zudringlichkeit der Könige, von denen jeder für sich einen eigenen Kandidaten forderte, habe er auch ihn übergangen, um nicht dazu gezwungen zu sein, die Mitbewerber aufzunehmen. Nach dem Tod des Nikolaus vereitelte er von sich aus das Ersuchen der deutschen Fürsten. Sie forderten, was die Franzosen schon lange Zeit besessen haben sollten: es sei dem Papst nicht erlaubt, Bestimmungen bezüglich der Präfekturen der Kirchen zu treffen. In seiner letzten Gesandtschaft wurde er zu Calixtus, dem Nachfolger des Nikolaus geschickt, wobei er den Gehorsam des Kaisers unter Eid zusicherte. Er forderte den Greis dazu auf, den Krieg in Asien zu fuhren und rührte ihn zu Tränen. Er erreichte es, daß jener sofort den Bau von Triremen am Ufer des Tiber anordnete und den Beginn des Seekrieges für den Frühlingsanfang festsetzte. Bald danach brach er nach Neapel zu Alfons auf und forderte ihn mit Nachdruck dazu auf, ebenfalls diese Expedition durchzufuhren. Gleichzeitig erreichte er, daß jener den Krieg gegen Siena beendete, den er durch seinen Oberbefehlshaber Piccinino begonnen hatte, weil sie, wie er glaubte, ihn in seinem Krieg in der Toscana zu wenig unterstützt hatten. Wie man weiß, hat der König öffentlich bekannt, ihm sei der Friede, u m den ihn die Bürger von Siena in drei Gesandtschaften vergeblich gebeten hatten, von jenem durch die Kraft seiner Rede abgerungen worden. Obgleich er seinen Auftrag bereits zu Ende gebracht hatte, blieb er noch einige Monate beim König, u m dann spät und mit großem Bedauern entlassen zu werden. Bei ihrem letzten Zusammentreffen fiel er einige Male vor dem König nieder und begeisterte ihn derart für den Krieg, daß jener sofort die alte Flotte wieder reaktivierte und eine neue bauen ließ. Dann schließlich kehrte er nach R o m zurück und wurde auf Bitten der Väter zum Kardinal ernannt. Für diesen Schritt dankte man Calixtus und den Vätern im Namen der deutschen und ungarischen Fürsten. Es war für alle offensichtlich, daß der Greis Vorsorge traf, indem er noch zu Lebzeiten seinen Nachfolger bestimmte. Da er dem Papst viel bedeutete, gelang es ihm, jenen dazu zu bewegen, ein Heer zur Vertreibung des Picininus aus Etrurien aufzustellen. Bald darauf erreichte er es, daß Gesandte geschickt wurden, die sich dafür einsetzen sollten, seinem Vetter Gorus Lollius das Exil zu erlassen. Dieses Amt bekleidete er ungefähr 20 Monate. In dieser Zeit wurde er vom Kapitel des Ermlandes am Baltischen Meer und demjenigen von Regensburg an der Donau als Bischof erbeten. Beides lehnte er jedoch mit dem Hinweis ab, es sei nun erforderlich, daß er in Italien bliebe. Er hatte sich zu Beginn des Sommers nach Viterbo für eine Bäderkur zurückgezogen. Er hatte es sich mit den einzelnen Jahren zur Gewohnheit gemacht, in dieser Zeit das römische Klima zu meiden. Als nun gemeldet wurde, Calixtus sei verschieden, betrieben die Kardinäle seine rasche Rückkehr. Einzelne mahnten zur Eile. Bereits bei seiner Ankunft wurde er als Papst begrüßt. Wie man weiß, brach er in Tränen aus, als er in der Wahlversammlung in öffentlicher Abstimmung als Papst bejubelt wurde. Als man ihn bat, hervorzutreten, blieb er eine geraume Zeit wie erstarrt. Seine Freunde redeten ihm zu, er müsse sich auch freuen, doch er erwiderte, nur diejenigen könnten sich über diesen Gipfelpunkt der Herrschaft freuen, die der Mühen und Gefahren nicht gedächten. Er werde nun alles das zu gewähren haben, was er selbst von Anderen in Deutschland,

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U n g a r n u n d Italien so oft gefordert habe. Als i h m v o n den Kardinälen u n d der Vers a m m l u n g der Bischöfe, a m nächsten Tag d a n n von den Bürgern nach Ständen geordnet gehuldigt wurde, blieb er äußerlich regungslos. N a c h d e m er z u m T h r o n geleitet worden war, kündigte er eine Konferenz in M a n t u a für den 1. J u n i an, u n d sagte seine Teilnahme zu. Dieses war sein erstes Dekret. D u r c h das zweite erklärte er Ferdinand, den S o h n des Alfons, der kurz zuvor von Calixt z u m Feind erklärt worden war, z u m Freund. Hierfür führte er auch G r ü n d e an. Für jemanden, der eine Konferenz plante, schien die Mitschwester des Friedens mächtiger zu sein, als die des Krieges. Auch war er der Ansicht, daß es für das Vorhaben in Asien nicht forderlich sei, Italien in einen Krieg a u f eigenem Boden zu verwickeln. Darüber hinaus war zwischen Eugen und A l f o n s ein Vertrag geschlossen worden, der von Nikolaus u n d dann zu Beginn seines Pontifikates von Calixtus selbst erneuert worden war, der ausdrücklich festhielt, daß Ferdinand als Nachfolger seines Vaters die Regentschaft übernehmen solle. Außerdem forderten dies aufgrund des Vertrages, d e m wenige J a h r e zuvor ganz Italien zugestimmt hatte, die anwesenden Gesandten, und sie schienen bereit zu sein, mit Waffen d a r u m zu kämpfen. Daher hatten die Vornehmen des Reiches nach d e m T o d des A l f o n s von sich aus bei C a p u a gemeinsam a u f das Zepter des Sohnes geschworen. D a m i t er [durch den Herrschaftswechsel] keinen Schaden erlitt, gestattete er schließlich Herrschaft und K r o n e unter der Bedingung, daß Ferdinand den von den früheren K ö n i g e n entrichteten Tribut von 48 000 G o l d m ü n z e n entrichtete. Er dürfe nicht mit Waffengewalt in das Territorium des Papstes eindringen, noch dürfe er, soweit er d a r a u f Einfluß habe, zulassen, daß dies Andere täten. Er solle möglichst bald anordnen, daß Piccinino, der in königlichem Sold stehe, Assisi u n d Nocera räume. Diese Städte waren nach d e m T o d des Calixtus besetzt worden. Benevent und das dazugehörige Gebiet solle er wieder zurückgeben. Terracina, das wegen des drohenden Krieges geräumt worden war, m ö g e er nach A b l a u f von zehn J a h r e n wieder zurückgeben. Auch solle er mit S i g i s m u n d Malatesta Frieden schließen unter Bedingungen, die er selbst diktieren dürfe. D i e Hadriansburg, die Burg von Spoleto, von N a r n i und Sura solle er von den Präfekten zurückkaufen. D i e H a d r i a n s b u r g wurde mit 20.000 abgelöst. D i e Burg v o n Spoleto aber übergab der Präfekt nur unter d e m D r u c k v o n Troilus Firmanus. Als er zu Beginn des Frühlings R o m verlassen wollte, zwang er die N a c h b a r n dazu, a u f einen Vertrag zu schwören, der auch in seiner Abwesenheit Bestand haben sollte, damit weder in Latium noch i m Sabinerland ein A u f s t a n d ausbrach. Außerdem erließ er in Ubereinstimmung

mit

einem

Beschluß

der Väter

ein

Dekret, welches

folgendes

anordnete: sollte ihn der T o d außerhalb R o m s ereilen, dürfe die Wahl eines Nachfolgers an keinem anderen Orte als in der Stadt selbst erfolgen. Auch der Zeitraum, innerhalb dessen sich die außerhalb R o m s tätigen Kardinäle zur Wahl einfinden sollten, wurde festgesetzt. Er verbot, daß die Gerichtsmagistrate R o m verließen. Den Gesandten der Untertanen Städte bestätigte er alle Dekrete seiner Vorgänger, u n d für drei Jahre erließ er etwas weniger als die Hälfte der Tribute. Er verbot bei Geldstrafe, Appellationen an die Magistrate von R o m vor seiner Rückkehr einzureichen. Von den z u m Geleit bestimmten Prälaten wurde er durch die Thermen des Diokletian zur Porta Flaminia und von dort zur Milvischen Brücke gebracht. D i e älteren Väter ließ er in die Stadt zurückkehren u n d trug ihnen auf, a u f seine Rückkehr zu warten, sollte er die Reise überleben. Die erste Strecke des Weges n a h m er bis z u m siebten Stein a m Ufer des Tiber entlang,

Testimonia: Campanus

071

damit die Möglichkeit bestand, ihn persönlich anzusprechen. In Narni geriet er in Lebensgefahr, als ein Auflauf des einfachen Volkes sein Pferd umlagerte und versuchte, den Sonnenschirm zu ergreifen. Man machte vom Schwert Gebrauch und schlug in die Gesichter der Leute. Aus Furcht vor einer Wiederholung legte er den restlichen Weg bis nach Perugia und weiter bis Mantua in einer Sänfte zurück, wobei alle 500 Schritt die Träger ausgewechselt wurden. Er machte einen Umweg über Spoleto zu seiner Schwester, wo er vier Tage lang Halt machte. In Assisi blieb er zwei Tage und befestigte die Burg dadurch, daß er am äußersten Punkt der Bastion einen Turm von gewaltigem Durchmesser bauen ließ. In Perugia zog er mit einem vorangehenden Festzug ein. Er ritt auf einem schneeweißen Pferd, dem zwölf Pferde ohne Reiter von demselben blendenden Weiß mit purpurfarbenen Decken vorangingen, die an goldenem Zaumzeug mit der Hand geführt wurden. Die Magistrate trugen ihm einen purpurfarbenen Sonnenschirm entgegen, der mit Gold verwoben war. Unter diesem ritt er selbst in einem weißen Musselin mit einer fein gewobenen goldenen Stola und einer purpurfarbenen Kappe. Als Grund für den Festzug schützte er vor, daß nach dem Ausschluß des Bonifatius die Bewohner von Perugia bereits seit 70 Jahren keinen Papst innerhalb ihrer Stadt erblickt hätten. Er stiftete eine Meßkapelle, um die die Bürger wegen der außerordentlichen Größe der Kirche gebeten hatten. Er stiftete als Erster Geschenke dafür. Auch ließ er ein Fenster von außerordentlicher Größe hinter dem Hauptaltar mit einer kunstvollen Glasarbeit und einem ziselierten Maßwerk verschließen. Die höheren Beamten (an die 60 Männer) ließ er mit einer bis zu den Knöcheln reichenden purpurfarbenen Toga einkleiden. In Perugia gewährte er den Gesandten der Savoyarden Audienz und am Tag darauf Frederico von Urbino, einem Manne, der in Krieg und Frieden gleichermaßen hervorragend war und den er später im Marser- und im Picenerkrieg als Oberbefehlshaber seiner Truppen einsetzte. Er umschiffte den Trasimenischen See, wo er zum Fluß Clanis gelangte. Als die Gesandten aus Siena, die ihm entgegen gegangen waren, ihm mitteilten, den Angehörigen seiner Familie sei es wieder erlaubt, sich in der Stadt aufzuhalten, trieb er die Träger zur Eile. In Corsignano hielt er sich nicht länger als drei Tage auf. Sobald er nach Siena kam, rehabilitierte er auch den übrigen Adel. Das Volk, das sich lange dagegen sträubte, besänftigte er mit einer Schenkung. Den Adel verteilte er auf die Stadtviertel, so daß er im gesamten Körper der Bürgerschaft aufzugehen schien. Er versuchte, die zwölf Virilgeschlechter, welche einst den Adelsstand erreicht hatten, wiederherzustellen, es waren mehr als 400 Häupter. Er bestellte den Bischof der Stadt zum Metropoliten und gliederte die benachbarten Gemeinden von Grossetano, Massa Marittima, Chiusi und Suavi in dessen Jurisdiktion ein. Der Stadt überließ er gegen Tribut in Übereinstimmung mit den Vätern Radicofani, die am besten befestigte Stadt der Toscana, für ewige Zeiten. Sie war lange zuvor von ihnen in einem Feldzug erobert worden. Als die Gesandten des Kaisers, der Könige Spaniens und Portugals und Philipps von Burgund in Siena zusammengekommen waren, wurde allen aufgetragen, ihm zu folgen. Er reiste nach Florenz in drei Tagen. Drei Gesandtschaften empfingen ihn mit unterschiedlicher Pracht. Unter ihnen befand sich auch Galeacius, der 16-jährige Sohn von Francesco Sforza, den dieser ihm ganz von Mailand her vorausgeschickt hatte. Zusammen mit ihm zogen auch die Tyrannen von Rimini, Faenza, Forli und Imola ihm entgegen. Die übrigen traten der Reihe nach an die goldene Sella heran. Galeacius gab dem Alter entsprechend die Hand. A m folgenden Tag ließ er Theaterspiele geben. In ihnen

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

trafen Löwen und Pferde zusammen, die jedoch bald aus der Umzäunung ausbrachen und mitten durch die Zuschauer davonliefen. Uber die Verhältnisse in Italien beriet er sich mit C o s m a - seinerzeit in Siena der klügste Mann, der als Privatmann ein Vermögen besaß wie nicht einmal die alten Familien. Er baute Kirchen und hegte fur die übrigen Gebäude großes Interesse. Für sie soll er 600 000 verausgabt haben. Den Prozeß gegen Sigismund von Rimini, der von Ferdinand des Verrates angeklagt worden war, verschob er auf die Konferenz von Mantua. In Bologna ließ er die sieben Abteilungen Ritter, die dem Gefolge des Galeacius angehörten, auf seinen Oberbefehl vereidigen, bevor man in die Stadt einzog. In der Stadt herrschte Furcht. Die Jugend wurde in der Nähe der Häuser der Optimaten bewaffnet, um einen Umsturz zu verhindern. Die Furcht wurde noch gesteigert von Brogma, einem unbestritten wirkungsvollen Redner. Dieser beklagte unüberlegt während eines Bittfestes die öffentliche Lage der Stadt und wurde daher bald wegen Verletzung der Amtspflicht belangt. Er wurde zum Exil verurteilt, das von den Bürgern vor Rückkehr des Pius nicht aufgehoben wurde. Uber den Po wurde er mit einer Barke nach Ferrara gebracht, wo er von Borsio mit großer Pracht empfangen wurde. Im übrigen wies er die Forderung nach Steuerbefreiung der Stadt und Nachlaß der Tribute zurück. Als Begründung führte er die Schwere der Zeiten an. Im Hinblick auf den Krieg in Asien müßten die Tribute eher erhöht denn verringert werden. Das war der Grund dafür, daß Borsio, der ihm bei seiner Abreise aus Ferrara bis zur Stadt Stellate das Geleit gab, sein Versprechen nicht einhielt, in Mantua zu erscheinen. Bis zu diesem Ort kam ihnen Luigi Gonzaga, der Fürst von Mantua, entgegen. Beide Flotten trafen wiederholt so zusammen, daß das Geschehen den Eindruck einer Seeschlacht vermittelte. In Mantua zog er am 27. Mai ein, vier Tage vor dem Termin, den er in R o m festgesetzt hatte. Der Festzug ähnelte dem in Perugia, außer daß hier die Gesandten der Könige und Fürsten die Sänfte trugen. Die Stadtpräfekten und Wachen der Tore waren angewiesen, demjenigen zu gehorchen, den er selbst bestimmt hatte, als er hinsichtlich der Konferenz seine Entscheidungen traf. Den Anfang machte eine Messe, der sich Bittfeste anschlossen, die für volle drei Tage hindurch für die ganze Stadt angeordnet waren. Der Plan für die Durchführung des Türkenkrieges wurde den Anwesenden dargelegt, wobei sich nur wenige von denen eingefunden hatten, die vorher ihr Erscheinen versprochen hatten. In einer Rede beweinte er laut das Geschick und die Verzweiflung Italiens. Nach kurzer Zeit aber begann sich die Versammlung mit Abgesandten aus der Transpadana zu bevölkern. Bald trafen auch die französischen und burgundischen Gesandtschaften ein und diejenige Kasimirs, des Königs der Polen, mit einer glänzenderen Ausrüstung als die Barbaren. Es kam auch Biancha, die Frau des Francesco Sforza, Tochter Philipps, eine Frau von erwiesener Tüchtigkeit. Es begleiteten sie vier Kinder [aus zweiter Ehe], von denen die älteste Hypolita, die mit dem jüngeren Alfons verlobt war, eine sehr kunstvolle Rede auf Latein hielt. Sie nahm den Eifer des Pius für den Glauben auf, ihr Bruder Galeacius Schloß sich ihr an, und beide sicherten die Ankunft ihres Vaters zu. Währenddessen traf die Nachricht vom Angriff der Türken auf die Peloponnes ein. Er schickte unter dem Befehlshaber J a n o n o von Cremona 300 Fußsoldaten, von denen Biancha 100 in Sold nahm. A u f dieses Schrecken verbreitende Unglück hin trafen bei ihm Gesandte von Rhodos, Zypern, Lesbos, Epirus und aus Illyrien ein, die um Hilfe ersuchten.

Testimonia: Campanus

073

Die Furcht wurde noch gesteigert durch die Nachricht vom Fall von Semendria [Smederovo] einer ausgezeichnet befestigten Stadt an der Donau

die an die Türken ver-

raten worden war. Daher beauftragte er die Stadt Ragusa, die Unterstützung versprochen hatte, damit, zwei Triremen auszurüsten und bei erster Gelegenheit nach Griechenland zu entsenden. Er beendete einen Krieg, der in Deutschland ausgebrochen war. Es wurden Gesandte geschickt und angeordnet, daß Kaiserswerth [? Verdea], eine Stadt, die dem Kaiser entrissen worden war, ihm wieder zurückgegeben wurde. Sigismund von R i m i n i gewährte er den Frieden unter bestimmten Bedingungen. Zwar akzeptierte jener sie zu diesem Zeitpunkt, brach sie jedoch später im Krieg mit den Franzosen. Francesco Sforza kam mit 4 0 0 Purpurträgern, die bereits nicht mehr erwartet wurden. Vor den Gesandtschaften der übrigen Völker brachte er einen Antrag ein, dem Krieg zuzustimmen und hielt von allen Reden, die gehalten wurden, bei weitem die bedeutendste. Sie führte dazu, daß der Krieg einstimmig beschlossen wurde. Er brachte noch einen zweiten Antrag ein, der sich mit der Frage befaßte, o b zu Wasser oder zu Lande das Unternehmen durchgeführt werden solle, ob das Heer aus Italienern oder Söldnern bestehen solle, welche Heeresstärke erforderlich sei und woher man den Sold beschaffen wolle. Zu den einzelnen Punkten legte er auch seine eigene Meinung dar. Als Soldaten sollten solche in Sold genommen werden, welche noch nicht die Erfahrung gemacht hätten, von den Türken besiegt zu werden, in erster Linie ein deutsches Heer. M a n solle ein Heer aufstellen, das weder zu klein sei zur Abwehr des Feindes, noch zu groß, u m von den Provinzen noch unterhalten werden zu können. Die Gelder sollten in Italien beschafft werden, jedoch sollte auch in Frankreich und Spanien darum ersucht werden. Als er a u f den Befehlshaber des Heeres zu sprechen kam, der durch den Oberbefehl über alle das Unternehmen leiten sollte, erbat wegen seines Alters Francesco das A m t für sich, jedoch erhielten es die Gesandten aus Burgund für ihren Herzog Philipp, der auch durch Gelübde zu dieser Expedition verpflichtet wurde. Ferner sandte er Gorus Lolius nach Venedig, um die Kriegsbeschlüsse heimlich mitzuteilen. Den Rhodiern gab er 16.000 Goldmünzen aus französischem Geld zum raschen Bau der Triremen. Aber diese Kriegsbeschlüsse wurden obsolet durch eine völlige Veränderung der Lage: Z u m selben Zeitpunkt wurde gemeldet, daß der Sohn des Renatus von Frankreich (Rene' von Anjou) 24 Triremen, die am Ufer der Rhöne lagen und für den Krieg in Asien gebaut worden waren, an sich gerissen und sie gegen Ferdinand ausgerüstet habe. Nach Bekanntwerden der Geschehnisse von Genua und der Verlegung der Flotte an den Strom Liri verheere er nun Campanien. Die meisten der Fürsten des Reiches würden zu den Franzosen abfallen. In R o m hätten zwei Brüder, Tiburtius und Valerian, die Jugend verführt und das Heiligtum des Agrippa befestigt, und mit Gewalt hätten sie die Kinder der Bürger zu Unzucht herangezogen und diejenigen umgebracht, die nicht willfahrig genug gewesen seien. Piccinino sei mit einem Teil des königlichen Heeres nach Frankreich geflohen, und die Sabeller übernähmen die Deckung für Piccinino. In den Marken marschiere Sigismund unter Bruch der Verträge in die königlichen Städte Iesi und Ancona ein, und in Umbrien befänden sich Foligno und die Menanenser (?) in Aufruhr wegen der Grenzen. Die Briten hätten ihren König vertrieben, die Spanier nach Vertrei-

An der Einmündung der Morawa.

074

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

bung des älteren der Brüder den jüngeren in die Herrschaft eingesetzt. Auch aus Deutschland wurde nichts Ruhigeres berichtet: die Ungarn und Böhmen rissen nach Ermordung des Königs durch Gift das Reich in Teile; die Tiroler kämpften untereinander mit Waffen, und Bischof Dieter^O zöge gegen Mainz zu Felde. Angesichts so zahlreicher widriger Umstände auf einmal schien er einigermaßen den Mut verloren zu haben. Rasch kehrte er nach Siena zurück und das mit einiger Gefahr, da während der Fahrt der Po durch Eis rings umschlossen war, so daß er mit Äxten herausgehauen werden mußte. Um die Vorgänge in Deutschland zu beenden, entsandte er als Gesandten Bessarion, den Kardinal von Nicaea und Vorsitzenden des Kollegiums, mit einer unversehens ausgehobenen Truppe dem König zu Hilfe, und nachdem dieser bald bei Sarno geschlagen worden war, stellte er ohne zu zögern die alten Truppen wieder auf und vermehrte sie um frische. Sie standen unter der Führung von Antonicus, dem Sohn seiner Schwester. Dem Piccinino stellte er Federico von Urbino und mit ihm Alessandro Sforza entgegen, dem Sigismund Neapulio Ursino und bald darauf Federico, der jenen (sc. Sigismund) bei Senigallia in einem großen Sieg schlug. Nach Rom schickte er eine Anzahl von Hauptleuten voraus und Reiterpräfekten, damit sie die Mörderbande von Tiburtius unter Kontrolle brächten. Nach Britannien sandte er als Legaten den Bischof von Terni^l, den er bald darauf wegen Mißbrauch seiner Vollmachten und Verwicklung in die britischen Händel festsetzen ließ und ferner von seinem Vorsteheramt entfernte. Nach Spanien sandte er , um den älteren Bruder wieder einzusetzen. Hiernach kehrte er eiligst nach Rom zurück in der Absicht, die Feindseligkeiten, die in Campanien, den Marken und dem Sabellerland ausgebrochen waren, aus nächster Nähe zu beenden. Aber aus einer derartig umfangreichen Umwälzung allerorts heraus betrieb er so nachdrücklich den Krieg, daß zeitweilig 64 Kavallerieabteilungen im Einsatz waren und er nicht eher aufhörte, als bis er überall die Feinde unterworfen hatte und damit - was lange Zeit kaum gelungen war - ganz Italien Frieden beschert hatte. Kriege begann er nur ungern und auch nur, wenn er dazu gezwungen war, und selbst dieses nur dann, nachdem er zunächst dazu aufgefordert hatte, von dem Unrecht abzustehen. Selbst gegen Sigismund ließ er erst dann die Feindseligkeiten eröffnen, nachdem er ihn den Krieg dreimal angekündigt hatte, und nach Entsendung von Legaten, die die Städte zurückforderten, die mitten im Frieden mit List besetzt worden waren. Dem Sabeller legte er in einem von eigener Hand verfaßten Vertrag ausgesprochen günstige Bedingungen vor, obgleich er eingeschlossen war und an allen Dingen Mangel litt. Dann zwang er mit Gewalt jeden von beiden zur Kapitulation. Zwar verschonte er sie, im übrigen gab er jedoch keinem von beiden die Städte zurück, die er im Krieg erobert hatte. Er schickte voraus, Unrecht müsse so weit vergolten werden, daß es nicht ein zweites Mal begangen werden könne. Sigismund erlegte er noch als Bedingung auf, in die Peloponnes als Führer des Krieges gegen die Türken aufzubrechen, wo er später während zweier Jahre den Krieg mit wechselndem Glück führte.

20

Diet(h)er von Mainz 1412-1483; 1463 in Fehde mit Mainz. Interamna könnte auch Teramo sein.

Testimonia: Campanus

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In Deutschland vermahnte er Dieter, den B i s c h o f von Mainz, durch drei Gesandtschaften, und bald darauf setzte er ihn trotz seiner Zugehörigkeit zu einer sehr mächtigen Familie ab, da er sich weigerte, seinen Dekreten zu gehorchen, und ernannte einen anderen als Nachfolger. Er schien seine Zuversicht noch durch Niederlagen gesteigert zu haben: Als ihm gemeldet wurde, sein Heer sei in den Marken vernichtet worden und die Hausgenossen

versuchten,

die Nachricht

zu unterdrücken, wurde er, nachdem

er

dennoch davon erfahren hatte, nicht beunruhigt und sagte: „Und wenn Sigismund zehnmal eine Schlacht gewinnt und nur einmal besiegt wird, wird er den Krieg verlieren." Dieses geschah bald darauf nach Wiederaufstellung der Truppen. Als Ferdinand bei Sarno geschlagen worden war und die Franzosen frohlockten, sagte er: „Das Glück des Krieges ist auf unserer Seite. D e n n die Seite, der es zu Anfang zuneigt, hat es letztlich verlassen." Als auch in Deutschland diejenigen eine gewaltige Niederlage erlitten, die mit seiner Autorität Krieg führten, sagte er: „Der Sieg wird noch unser sein, auch wenn wir diesmal besiegt worden sind." Diese drei Kriege, obgleich sie am Anfang überall von einer schlechteren Ausgangslage ausgingen, beendete er in kurzer Zeit so, wie er es gewünscht hatte. D a ß er sich weder von den widrigen Wechselfallen des Schicksals noch von Drohungen überwältigen ließ, kann man daraus ersehen, daß er nach Aufnahme des Krieges ausschließlich als Sieger Frieden Schloß, wenngleich der Friede von Sigsimund nach dem Sieg in den Marken und von den Franzosen nach Zerstreuung der königlichen Truppen zu Bedingungen gefordert wurde, die sie eher als Empfangende denn als Gewährende erscheinen ließen. Er dehnte die Grenzen seiner Herrschaft durch den Erwerb von Benevent und Terracina aus, die er durch Vertrag von Ferdinand erhalten hatte. Das Sabinerland, welches zu den Franzosen abgefallen war, Sora und Arpino, in den Marken und der Romagna das Gebiet von den M e t a u r e n s e s ^ bis Cesena ließ er mit Ausnahme von Rimini militärisch besetzen. Fano wurde am Land und zur See belagert. Auch die Flotte der Venezianer, die gekommen war, um Verstärkung zu bringen, wurde mit Hilfe Anconas vernichtet. Cesena erlegte er eidlich auf, nach dem Tode ihres Stadtfursten, dem Bruder des Sigismund, die Stadt und ihr Gebiet dem Pontifex zu übergeben. Dieses geschah kurze Zeit später, obgleich er selbst bereits gestorben war. Canale, eine Stadt, die zu Todi gehörte, obgleich sie lange belagert und mit Belagerungsmaschinen a u f allen Seiten schwer beschädigt worden war, hätte er dennoch nicht einnehmen können, wenn er nicht vorher den Verteidigern Zusagen gemacht hätte. Er lobte diejenigen, die die Stadt verteidigt hatten und machte ihren Anfuhrer zum Militärpräfekten. Einige Teile in Aquitanien aus der Vierherrschaft von Valentinian und Diens, welche am Ufer der R h ö n e gelegen sind, fielen ihm ohne Krieg zu, wobei unsicher ist, o b durch Ludwig verfugt oder durch ein Testament seiner Vorgänger hinterlassen. Außerdem wurde in der Peloponnes Manobasia, eine sehr gut befestigt gelegene Stadt, von den Palaiologen übergeben. In der Gegend von Tolfano, in der Nähe von Civitavecchia wurden Berge mit Alaun geöffnet, aus denen man angeblich als jährlichen Ertrag fast 100.000 Goldmünzen erhalten soll.

U r b i n o oder Urbania ? Früher Castel Durante?

076

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Der Unverschämtheit derer, die Dinge forderten oder ins Werk setzten, die nicht gerecht waren, widerstand er ausgesprochen standhaft. Die Fürsprecher der Zyprioten, welche forderten, daß ihnen als König der von einer Konkubine geborene Königssohn gegeben werde, unter Ausschluß von Carlotta, die von der Ehefrau stammte, wies er zurück mit der Begründung, jener solle Zypern dem König von Syrien als steuerpflichtig zugesagt und auch auf ihn den Eid geleistet haben. Die Herrschaft Georgs, des Königs von Böhmen, zog er ein, weil er Fantinus, den Gesandten von Dalmatien, in Ketten gelegt hatte und weil er außerdem schlecht von der Religion dachte Dem Siegmund von Tirol dem Vetter des Kaisers, stellte er ein Ultimatum, weil er auf keinerlei Befugnis gestützt, befohlen hatte, einen Kardinal, der auch Bischof von Brixen war^3, unter Arrest zu stellen, und er tat ihn in den Bann, obgleich er ihn privat unter seine engen Freunde rechnete. Sigismund Malatesta, der in Glaubensfragen widersprach und der deswegen angeklagt worden war, aber nicht erschien, verurteilte er. Dessen Standbild wurde in den Gassen von Rom angezündet, und wenig später lehnte er einen Vertrag mit den Franzosen ab, in dem nach deren Wunsch auch Sigismund eingeschlossen sein sollte, weil es, wie er sagte, unwürdig sei, mit jemandem ein Bündnis einzugehen, den man kurz zuvor verurteilt habe. Todi nahm er die tyrenische Sitte der Magistratswahl und gab ihm Gesetze, nach denen es sein Gemeinwesen verwalten sollte. Er tadelte die Bürger von Siena dafür, daß sie ein Gesetz verabschiedet hatten, nach dem fürderhin keine Abstimmung über die Wiederherstellung des Adels abgehalten werden dürfe. Dieses tat er so heftig, daß sie es sogleich aufhoben. Die Burg, die dem Ianuensis mit großem Aufwand von den Calumnensern an einem gut befestigten Ort erbaut worden war, befahl er sofort abzubrechen, da sie Velletri bedrohe. Er weigerte sich, eine Gesandtschaft des Kaisers, deren Botschaft ein wenig zu undeutlich war, anzuhören und forderte eine deutlichere. Ebenso Burgund, wie wenn es hochmütig sei und ungerechte Bescheide fordere. Martialis Gallus entfernte er von dessen Präfektur, weil er eine gottgeweihte Jungfrau geschändet haben sollte, obgleich das Verbrechen nicht bewiesen war. Dazu merkte er an, daß die in der Religion Vorgesetzten frei sein müßten nicht nur von Verbrechen, sondern bereits vom Verdacht derselben. Ein anderer Gallus, der als Stadtfurst in der Provinz Armenien mit seiner Schwester unter dem Schein der Ehe gewohnheitsmäßig Inzest betrieb, zog er vor Gericht und bestrafte ihn. Im Zuge des Verfahrens wurden einige in den Kerker geworfen, weil sie die amtlichen Dokumente gefälscht und dann zu Unrecht das Dekret des Calixt angewandt hatten. Die Angelegenheit wurde mit ungeheurem Aufsehen betrieben wegen des hohen Adels der Familie. Einige Dinge scheint er weniger verfolgt zu haben: in Perugia den Mord an Pandulphus Balionius und seinem Sohn, der an ihnen in der Hoffnung auf Erbschaft von ihrem Vetter unter Ausnutzung ihrer Arglosigkeit begangen wurde; in den Marken die Ermordung eines Sentinas, der verfolgt und aus demselben Grund von seinem Vaterbruder gefangen worden und später erdrosselt worden war. Nachdem er bei ersterem die Zeitum-

23

Nikolaus von Kues (1401-1464), 1448 Kardinal, 1450 Bischof von Brixen, unterlag

1458 dem Siegmund, von Pius II. 1459 zum Legatus Urbis für Rom ernannt.

Testimonia: Campanus

077

stände als Grund angeführt hatte, beklagte er, ihm sei der Vatermord abgenötigt worden. Den Sentinas, der eingeschlossen worden war und unter bestimmten Bedingungen kapituliert hatte, ließ er frei, nachdem er ihn aller Dinge entkleidet hatte. D e n n o c h ließ er alle die hinrichten, die Hand an den Jüngling gelegt hatten. Manches, was er erfuhr, kommentierte er mit Witz oder Spott. So stieß Ludwig, der König von Frankreich, gegen ihn heftige Drohungen aus für den Fall, daß er seine Truppen, die er Ferdinand zu Hilfe gesandt hatte, aus Campanien nicht zurückzöge. Als er nochmals so tat, als wolle er alle Franzosen aus R o m abziehen, wenn Pius die Unterstützung nicht beende, gab dieser lediglich zur Antwort: „Wir werden also mehr Platz zum W o h n e n haben und nicht mehr diese D u m m h e i t e n hören", womit er gleichzeitig die Ansprüche und die Leichtlebigkeit dieses Volkes tadelte. Als die Serben die Bestätigung des Mannes forderten, den sie selbst sich zum König ernannt hatten, verweigerte er es ihnen mit der Begründung, sie seien nicht sui iuris, sondern gehörten zu Ungarn. Als sie insistierten, sie seien frei, antwortete er ihnen: „Warum fordert ihr dann Knechtschaft?" Die Präfektur von Rhodos, die von einem Franzosen ausgebeutet worden war, übergab er einem Spanier mit der Bemerkung, die französische Krankheit müsse von einem spanischen Arzt geheilt werden, da die Franzosen für verschwenderisch, die Spanier hingegen für wirtschaftlich gehalten würden. Als in der Versammlung von Mantua Burgund 2.000 Reiter und 4.000 Fußsoldaten zusicherte, die Deutschen 4 2 . 0 0 0 M a n n unter Waffen, Ungarn die Hälfte weniger, Dubrovnik zwei Triremen, die Rhodier vier, Zypern ebenso viele und die Gesandten aus Kilikien 30.000 M a n n , sagten die Franzosen, man könne einen auswärtigen Krieg nicht eher aufnehmen, als ihr Krieg im Inneren beigelegt sei. Da bemerkte Pius, es sei doch seltsam: die Franzosen, die sonst stets überlegen gewesen seien, würden heute in der Hochherzigkeit übertroffen. Auch den Gesandten von Borsio, die 300.000 Goldmünzen zusicherten, gab er, da sie keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck machten, zu Antwort: „So viele Münzen sind gar nicht nötig für solche, die mit der Hälfte bereits zufrieden wären." Venedig war mit den Türken einen Vertrag eingegangen und protestierte öffentlich. Heimlich jedoch legten die Venezianer dar, wieviel sie beisteuern würden, und forderten den Oberbefehl des Seekrieges für sich, ferner eine Flotte von 60 Triremen, 2 0 Schiffen, die mit Rammspornen auszurüsten wären, und 8.000 ausgewählte Fußsoldaten, jährliche Subsidien und außerdem 1.500.000 aus der öffentlichen Kasse. Pius entgegnete: „So sind Venezianer - verweigern, nicht bitten. W i r aber werden euch nicht besonders belästigen, damit ihr keine so große Last tragt." Die Erregung der Spanier über die Wunder desjenigen, der mit seinem Vater um die Herrschaft gestritten hatte, belächelte er, obgleich sie jene ausgesprochen ausdauernd zur Sprache brachten. Da sie das übel aufnahmen, sagte er: „Ist euch nicht bewußt, daß Wunder zu Lebzeiten geschehen, nicht nach dem Tode ?" Als er, weil er in einem Antwortschreiben Matthias als König von Ungarn anredete, bei den Deutschen Anstoß erregte, als ob ihnen das Herrschaftsrecht zukomme, monierte er zugleich ihre Unbesonnenheit

und Feigheit und bemerkte: „Gestattet, daß wir

Matthias einstweilen mit ,König' anreden, solange ihr nur zulaßt, daß er die Herrschaft in Händen hält." Und er fugte hinzu, mit Waffen würden Königreiche erworben, nicht mit Gesetzen.

078

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Als Anzeichen dafür, daß er milde war, kann der Umstand dienen, daß er stets sofort bereit war, jemandem, der u m Gnade bat, zu verzeihen. Sonst war er aber gegen Widerspenstige unnachgiebig. Im Königskrieg befahl er Schonung für Arpino in Gedenken an Gaius Marius und Marcus Tullius; denn viele Einwohner trugen ihren Namen. Uber die Plünderung der Sabinerstadt D o n a d e u m ^ durch seine Truppen war er außerordentlich erzürnt, so daß die Ansicht bestand, er denke daran, den Befehlshabern den Abschied zu geben. Als Herden von bis zu 500 Stück, die den Einwohnern von L' Aquila gehörten, von

seinen

Truppen

aufgebracht

worden

waren,

weil

jene

unter

Bruch

des

Treueverhältnisses zu den Franzosen abgefallen waren, da gab er sie wieder zurück. Man solle nicht die Unschuldigen bestrafen, die Herden gehörten den Bauern und dem einfachen Volk, der Verrat sei aber von Mächtigeren begangen worden. Angesichts dieser Großzügigkeit wollten die Aquilaner kapitulieren, er verwies sie aber an den König. Feldzüge unternahm er nur mit Zustimmung der Väter und auch dann erst spät. Wenn er sie aber begonnen hatte, widmete er sich ihnen mit so viel Nachdruck, daß er, als einmal das Geld nicht da war und die Verbündeten nur mühsam etwas beisteuerten, die Schatzmeister kommen ließ und sagte: „Wenn es nötig ist, mich zu verkaufen, dann ordne ich es an." U m Geld kümmerte er sich beinahe schon sündhaft wenig, so daß er es nicht einmal ansehen wollte. Als die Kosten eines Krieges einmal ziemlich belastend wurden, hatte er einen Kredit von bis zu 200.000 aufgenommen. Als er dieses den Rechnungsbüchern der Staatskasse entnahm, wurde er sehr zornig gegen die Schatzmeister und ordnete an, sie bei der erstbesten Gelegenheit abzulösen. Als Schatzmeister R o m s hatte er Julius Fortis von Pisa, einen mutigen Mann mit scharfem Verstand, der jedoch, was die Aufnahme von Schulden zu Kriegszwecken angeht, ein wenig zu saumselig war. So kam es, daß nach Ausschöpfung der Einnahmen, aus denen er [sc. Pius] den häuslichen Bedarf hätte bestreiten können, er sich einmal in einem Engpaß befand. Er war auf ein einziges Speisezimmer verwiesen und nachgerade selbst gezwungen, die gesamte Hausgemeinschaft auf frugale Kost zu beschränken, so daß er einmal ausrief, daß sowohl derjenige, der nach Geld strebe, als auch derjenige, der es verachte, d u m m seien. Aber er vermehrte weder die Einkünfte des Fiskus durch Steuern oder Zölle, noch zog er die Kriegssteuern ein, bevor den Türken der Krieg erklärt worden war. U n d auch dann tat er es so maßvoll, daß die Laien nicht mehr als mit dem Dreißigsten belastet wurden: die niederen Beamten zahlten keine größere Summe als die obersten, und die Zwanzigsten der Juden wurden nicht nach dem Einkommen sondern pro K o p f abgeführt. Er richtete eine vierköpfige Kommission mit Mitgliedern aus dem Kollegium der Väter ein, die die Verschwendung einschränken sollte: ein Deutscher, einer aus Frankreich und die beiden anderen aus Italien. Aber während die Männer aus unterschiedlichen Nationen und mit unterschiedlichen Sitten miteinander stritten, schied er selbst aus dem Leben. Auch ein neues Kollegium von Abbreviatoren mit an die 70 Männern, in der Literatur bewandert und von Sitten, die aus jeder Nation vermischt ausgewählt worden waren. Hierdurch wollte er, so schien es, den Stil öffentlicher Verlautbarungen wieder auf einen strengeren und eleganteren Stil zurückführen, wie er es bereits zu Beginn seines Pontifikates vorgehabt hatte. Abgeschreckt durch die Mannig-

Donada?

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Testimonia: Campanus

faltigkeit der Streitpunkte und Gesetze, bekundete er, daß er das in ruhigere Zeiten verschiebe, jedoch keinesfalls aufgebe. Die Berufung an ein zukünftiges Konzil, die unverschämterweise von einigen erhoben worden war, beseitigte er per Edikt. Er sagte, es würde Schaden anrichten, seine Zuflucht darin zu suchen, jemanden als Richter anzurufen, der es nirgends sei und stellte den Protonotaren, obgleich die meisten aus königlichem Geschlecht waren, nach Ordnung der Gerichte einen B i s c h o f voran, wobei er mit der Gewohnheit seiner Vorgänger brach. Die Zahl der Kardinäle vermehrte er in zwei Konsistorien um elf, und er h o b jeden einzelnen in einer eigenen Rede lobend hervor. Aber weder überging er die Voten der früheren , noch legte er jemanden zur Abstimmung vor, dessen Hintergrund nicht allen bekannt war. D i e Testamente derer, die in R o m verschieden, sollten nach seinem Wunsch frei sein, wenn sie ohne Testament verstorben waren. Deren Besitz konnte in die Schatzkammer überfuhrt werden, falls keine Verwandten auftauchten. Als sein Schatzmeister etwas, das „ihm auf den Leim gegangen war", zurückbehalten wollte, wurde er aufgefordert, es denen zurückzugeben, denen es gehörte: Als jener versicherte, alles sei bereits verkauft, befahl er sofort: „Es soll zurückgekauft werden!" Den Adel favorisierte er aus eigenem Antrieb als auch nach Gewohnheit der Deutschen. Nicht alle Staatsformen schien er in gleichem Maße gutzuheißen. So definierte er die Tyrannis als Massenerscheinung. Selbst in einer, die in bestem Zustand wäre, sei die Tugend nicht weniger für die Guten als fur die Schlechten in Gefahr. Auszeichnungen seien fast nur bei den Fürsten zu finden: als Thomas Palaiologus mit seinen Kindern aus seiner Herrschaft von der Peloponnes vertrieben worden war und nach Italien floh, ließ er ihm bis Ancona entgegenziehen und ließ ihn mit allem ausstatten, was sich fur einen König gehörte. Auch Königin Carlotta, die von ihrem Bruder aus ihrer Herrschaft auf Zypern verjagt worden war, und sich per S c h i f f a u f dem Weg zu ihrem Schwiegervater, dem Savoyarden, befand, hieß er in Ostia an Land gehen und in R o m aufnehmen. Er gab ihr Pferde, mit denen sie den Rest des Landweges zurücklegen konnte und gab ihr eine Reisekasse mit a u f den Weg. Für beinahe alle Fremden, die die Türken aus ihrer Heimat vertrieben hatten, setzte er Geld für den Lebensunterhalt eines Jahres aus. In den feierlichen Zeremonien war er großartig, in den übrigen Dingen hielt er sich in maßvollen Schranken. Das Haupt des heiligen Andreas, welches von der Peloponnes übertragen wurde, ließ er mit größtem Gefolge geleiten. Er sandte Alexander Sentinas nach Ancona, der es von den Griechen in Empfang nehmen und bis Narni bringen sollte, wo es in der Burg geborgen wurde. Nach Ablauf eines Jahres sandte er drei Kardinäle unterschiedlichen Standes, ordnete Prozessionen für den gesamten Weg an und ließ es nach R o m übertragen. Bis zur Milvischen Brücke ging er ihm [sc. dem Haupt] entgegen und nahm es a u f den freien Wiesen in Empfang. Es wurde ein Zelt errichtet zur Verrichtung der heiligen Zeremonien. Bald darauf ließ er dort eine kleine Kapelle errichten aus ligurischem Marmor. Im Vatikan weihte er < i h m > eine Kapelle mit einem Bildnis, das aus Silber verfertigt war. In Viturnium feierte er das Fest der Eucharistie mit gewohntem Aufwand: überall war die Stadt bedeckt mit purpurfarbenen Wolltüchern und eingehüllt in Linnen, a u f denen goldene Sterne, als seien sie dem Himmelsglobus angeheftet, hervorleuchteten, damit nach Ausschluß des Himmels die Bittprozession

zwischen

Blumen, die bis zu einem Finger dick waren, und Gesängen unterschiedlicher Art ihren Fortgang nehmen konnte. Bewohner des Waldes, die mit Efeu geschmückt waren, schie-

080

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

nen in einem wunderbaren Schauspiel mit Löwen und Bären zu kämpfen. Überall wurden Hexameter angestimmt. Die Flöten der Tapferen [sc. Waldbewohner], die einander gegenüber von beiden Seiten mit dem Anstimmen der Töne sich abwechselten, übten mit ihrem andauernden Gemurmel eine besänftigende Wirkung aus. Den gesamten U m g a n g der Kirche kleidete er mit Purpur aus. Catharina von Siena, von der zahlreiche Wunder berichtet wurden, trug er ins Verzeichnis der Heiligen mit einem ähnlich großartigen Aufwand ein. Die Riten der heiligen Handlungen und die Zeremonien hielt er überall so ab, wie bei Subiaco, wo er anordnete, die Mönche

sollten

ihm

für zwei Tage das Essen mit

dem

gleichen

Aufwand bereiten, wie ihnen selbst. So handelte er auch in Capreola in Etrurien und beim Kloster des heiligen Benedikt im Gebiet von Mantua und im Gebiet von Florenz in Certosa, als er dort Rast machte. Er war so begierig, den Erdkreis zu durchreisen und umherzuziehen, daß er auch Anlaß zur Klage gab. Auch ist bekannt, daß er eine Gesandtschaft nach Schottland gern übernommen hat, und daß er nach Britannien gefahren ist, allerdings auf einem Seitenweg, wo er viele Dinge sich ansehen konnte. Nachdem er verkleidet in London angekommen war, hatte er sogar zu den Orkney Inseln segeln wollen, er wurde aber, wie er sagte, davon abgeschreckt, da er das Meer bereits so oft mit schlechten Erfahrungen versucht hatte. U n d er sagte jenes bekannte Wort, es sei mehr als unverschämt, Neptun die Schuld zu geben, wenn einer zum dritten Mal umhergeworfen werde. U n d er beschrieb Schottland und Norwegen, und er hätte dasselbe mit Britannien gemacht, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, zu einer eingehenderen Untersuchung zurückzukehren. Einen derer von S a v o y e n ^ besuchte er aus eigenem Antrieb. Dieser hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, wobei unsicher ist, ob er den Anschein eines keuschen Lebenswandels erregen wollte oder weil er darauf lauerte, sich den Pontifikat anzueignen. Man sagte, dieser habe sich den angenehmsten Ort am Ufer des Genfer Sees ausgewählt, daher beschrieb er diesen Ort. Zu seinen Vergnügungen zählte er auch ein Tal bei Sarent, was in Rätien liegt und außerordentlich anmutig ist wegen der Reichhaltigkeit und Schönheit seiner Quellen, und er errichtete dort ein Gebäude. A u f der Reise nach Mantua machte er in Chiusi einen Tag lang halt und erkundete die Reste eines Labyrinthes, das aufgrund seines Alters zusammengebrochen war. Bei der M ü n d u n g des Mincio kehrte er in ein Landhaus ein. Bei den Anwohnern hält sich das Gerücht, es sei das Gut von Vergil gewesen. Das Gebiet von Tusculo, von Albano Laziale und Tivoli durchstreifte er aus altertumskundlichem Interesse. Außerdem besichtigte er auf verschiedenen Ausflügen die gesamte via Appia, Aquaedukte, Ostia und den Hafen Trajans. A u f der via Appia ließ er Obelisken für sein H i p p o d r o m ausgraben. In Ostia geriet er in Gefahr, nachdem sich ein besonders heftiger Sturm erhoben hatte. Aus Furcht vor Überschwemmung verließ er mitten in der Nacht sein Schlafgemach. Selbst nach

P h a l e r u m ^

reiste er, weil er gehört hatte, es gäbe dort noch Mauern

aus quadratischen Felsblöcken. In Otricoli machte er aus demselben Grunde Station. Er

25

Amadeus VIII. (1383-1451), Herzog von Savoyen (1416-1439), als Felix V. Gegen-

papst (1439-1449) durch Mitwirkung Eneas. Falerone, Civita Castellana?

Testimonia: Campanus

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umfuhr den Trasimenischen See und den See von Bolsena und übernachtete an beiden Orten a u f der jeweiligen Insel. A u f ersterem fertigte er urkundliche Dokumente aus, deren Datum den See ausweist. In letzterem gab er die Anweisung, a u f dem höchsten Punkt der Insel eine Kapelle zu errichten, wo sich das Heiligtum einer christlichen Jungfrau befindet. Er schaute sich eine Seeschlacht kleiner Schiffe an, wofür den Anwohnern eine Prämie ausgesetzt wurde. Quellen besuchte er an heiteren Tagen so gern, daß er oft nach seinem Essen am Kiesrand (der Quelle) verlangte. Augusta, Alburna und die Stelle, wo der Teverone sich vom Tiber trennt, besichtigte er über die via Claudia bis nach Subiaco; auch Salona a u f der Straße nach Tivoli, die er nach links abbiegend verließ, sobald er hörte, Augusta werde zum Schutz gegen die Hitze abgedeckt. Er dankte den Anwohnern und reiste sogleich dorthin. In Siena legte er in den Gärten an der Stadtgrenze eine Qyelle an, deren Wasser mit einer unterirdischen Leitung hingeführt wurde. Dort verbrachte er oft den ganzen Tag mit der Führung seiner Geschäfte. Als den Brunnen einige Leute eines nachts zerstörten, war er darüber so betrübt, daß er sofort abreisen wollte. Als die Bürger von sich aus eine Untersuchung anboten, verbot er, sie durchzufuhren und sagte, für jeden sei seine eigene D u m m h e i t Strafe genug. Das Bergsteigen machte ihm eine so große Freude, daß er in der Gegend von R o m und Tivoli fast keinen Berg ausgelassen hat, besonders die, welche mit grünen Bäumen bewachsen waren und den weitesten Ausblick boten. Auch versuchte er den M o n t e Amiata, den höchsten Berg Etruriens, zu besteigen, mußte jedoch a u f halber Strecke anhalten, da seine Sänfteträger kaum noch hinaufsteigen konnten. Als er sich in Siena aufhielt, zog er sich oft nach C a p r e o l a ^ zurück, wo sich ein Bergrücken befindet, der mit Pinien, Zypressen, Steineichen und Lorbeer bepflanzt ist und in dem schattige Pfade mit Stufen angelegt sind. Außer bei Sturm oder bei Regen aß er unter diesem ungewöhnlichen Dach oder ging dort spazieren. W e n n er nicht durch eine wichtigere Angelegenheit festgehalten wurde, zog er sich in jedem Sommer mit Aufgang des Sirius zurück, entweder in die benachbarten Städte oder, wenn es ihm freistand, nach Etrurien. D a n n reiste er wegen der Hitze nächtens und richtete seine Stationen entlang von Quellen ein oder an Flüssen und Bächen, wenn keine Quellen a u f dem Wege lagen. Während der Fahrt befragte er entweder seine Vertrauten nach den Sternbildern, die man sehen konnte, oder er erzählte selbst und flocht, wenn er es konnte, überall die Geschichte des Ortes mit ein. Im Frühling und im Herbst suchte er wiederholt die Bäder von Viturnium oder die von Petriolana auf. Einmal entschied er sich, auch diejenigen von Baia e Latina aufzusuchen, aber zurückgerufen durch die Bitten der Einwohner von Siena, besuchte er die Bäder in Etrurien. Er badete und wurde nur von wenigen abgetrocknet. Auch seine Begleitung war klein, um von denjenigen, die in der Nähe badeten, niemanden abzuschrecken. Aus diesem Grunde nahm er sich eine bestimmte Uhrzeit vor. Wenn er abgetrocknet war, fuhr er ungefähr eine Meile aus. Während seines gesamten Pontifikates bediente er sich seiner Sänftenträger, wenn das Fortkommen auf dem Wasserwege nicht möglich war. W e n n er mit der Strömung leicht wohin fahren konnte, ergriff er ausgesprochen gern die Gelegenheit, weil er (seiner Meinung nach) weniger durchgeschüttelt würde und die Sänftenträger schonen könnte. Capraia e Limite?

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Den A b l a u f der Tage und Nächte hatte er bis in die einzelnen Stunden hinein genau eingeteilt. I m S o m m e r erhob er sich bei Sonnenaufgang, im Winter beim zweiten Hahnenschrei. Seine Arbeit teilte er sich so ein, daß er während des Lesens entweder schrieb oder diktierte, und dieses in beinahe fast gleichlangen Zeitabschnitten, außer er fertigte seine Geschichtswerke an, die er bekanntermaßen sowohl äußerst wahrheitsgetreu als auch in kürzester Zeit verfaßt hat. Meistens zog sich diese Beschäftigung über zwei Stunden hin, manchmal über weniger als eine Stunde. Als Schreiber hatte er Augustinus Patricius, den er zuweilen bis zu vier Stunden lang beschäftigte, freilich nur wenn er krank war oder an Handgicht litt. Anschließend nahm er entweder an der Messe teil oder zelebrierte selbst. D a n n beriet er sich mit den Vätern oder nahm Unterschriften vor. Diesen beiden Pflichten pflegte er sich abwechselnd an den verschiedenen Tagen zu widmen und setzte sie niemals aus, es sei denn Feiertage oder Festlichkeiten verhinderten es. Unterschriften außer der Reihe nahm er, auch wenn ein Bittsteller zu ihm kam, bei Tisch oder in seinem Schlafgemach vor. A u f Reisen hieß er, wo immer er gerade Platz nahm, Bittsteller zu sich k o m m e n . Niemals näherte er sich einer Quelle oder dem Schatten ohne Notizbuch. Nach den Besprechungen mit den Vätern oder den Unterschriften wurden zunächst die Abgesandten vorgelassen, dann Privatleute. Als einmal einer seiner Kammerherren einem etwas zu redseligen Greis leise bedeutete, er möge zum Ende seiner Rede k o m m e n , ließ er, als er es bemerkte, alles noch einmal vortragen. D a n n wandte er sich, als o b er erzürnt sei, seinem Kammerherrn zu und sagte: „Weißt du nicht, daß ich, seit ich den Pontifikat begonnen habe, für andere leben muß, nicht für mich?" Niemanden hielt er länger als drei Tage auf. D i e Abgesandten entließ er oft am Tage ihrer Ankunft, die übrigen am folgenden Tag. Einem jeden nannte er die genaue Stunde, damit niemand sich durch das Warten erschöpfe. Die Untadeligkeit seiner Umgebung untersuchte er genauestens und wies diejenigen zurück, deren R u f nicht tadellos war. Zu Beginn seines Pontifikates reduzierte er die Zahl der Sekretäre, weil man sagte, einige träten unüberlegt auf, a u f sehr wenige und kurze Zeit später a u f zwei: Sorus Lollius, seinen Vetter, und J a c o p o von Lucca, Männer von ausgezeichneter Tüchtigkeit. Die Begabung und Lebensführung des letzteren schätzte er so sehr, daß er ihn wenig später zum B i s c h o f von Pavia und bald darauf zum Kardinal ernannte. Als Berichterstatter über die Gesuche nahm er sich Männer, die von tadellosem Charakter und ausgezeichneter Gelehrsamkeit waren, besonders Agabitus Cynicus aus R o m , der zwar auch in der Dichtkunst bekannt war, aber in der Jurisprudenz weit herausragte. Ihn ernannte er zunächst zum B i s c h o f von Ancona, dann von Camitribus und hätte ihm sicher größere Amter übertragen, wenn er länger gelebt hätte. In unwandelbarer Treue blieb er denen gewogen, die er einmal in sein Herz geschlossen hatte, und er rühmte sich, niemand der Seinen sei ihm feindlich gesonnen gewesen durch seine Schuld. Aus der Reihe der Privatleute liebte er Mariano Socini, einen Rechtsgelehrten aus Siena, sein Spielkamerad aus alten Tagen, und den B ö h m e n Prokop, den er einmal in Deutschland als Kollegen gehabt hatte. V o n den Königen Kaiser Friedrich, Alphons von Aragon und Matthias von Ungarn, zuletzt auch Francesco Sforza, der sein Verbündeter im Königskrieg war. V o n allen schätzte er vorzugsweise Federico von Urbino, dem er den Oberbefehl anvertraute. V o n den Vätern am meisten den Griechen Bessarion, den Kardinal von Nicaea, den größten Gelehrten seiner Zeit. Ihn bat er

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zuweilen, im Anschluß an seine eigene Rede zu sprechen, und er übertrug ihm eine Gesandtschaft nach Deutschland mit unbeschränkten Vollmachten. Den Spanier Carvajal, einen berühmten Mann desselben Standes, den er noch als Greis und infolge der Gesandtschaften gesundheitlich angegriffen aus Ungarn zurückgerufen und dem er einige Dialoge gewidmet hatte. Von seinen Hausgenossen hatte bei ihm am meisten Einfluß Sorus Lollius. Seine Schwestern Catharina und Laudonia liebte er gleichermaßen. Den Gatten Laudonias erhob er in den Ritterstand und übertrug ihm die Regierung von Umbrien. Er sorgte dafür, daß der erste seiner vier Söhne, Antonius, der in die königliche Familie adoptiert worden war, von dessen Schwiegervater dem König mit der Herrschaft über die Marser und Lucaner betraut wurde. Den zweiten, Francesco, nahm er mit 24 Jahren in das Kardinalskollegium auf. Die übrigen beiden, Jacobus und Andreas, ließ er in mittelmäßige Positionen aufsteigen. Für Catharina schien er weniger getan zu haben, weil sie lediglich eine einzige Tochter hatte. Im übrigen gab er seinem Schwager Präfekturen und verschaffte ihm selbst bis zu 20.000 Goldmünzen. Er vergrößerte seine Familie durch eine Anzahl Adoptierter, von denen er die Söhne der Schwester, das Geschwisterkind der Schwestern, den Kardinal von Pavia und einige seiner Kammerherren nobilitierte. Außerdem Alexander Miraballus von Neapel, den er zu Beginn seines Pontifikates aufgrund seiner außerordentlichen Freigebigkeit mit der Verwaltung der Familie und des Hauswesens betraut und dem er die Stadt Frascati in Latium als Sommerresidenz zugewiesen hatte. Den Freunden und Verwandten entzog er sich selten. Er hatte Freude an freier und feierlicher Rede, die in Maßen auch in einen Scherz münden konnte. Er selbst war von Natur aus nicht witzlos und von spontaner Urbanität. Als ihm einmal auf einer Reise die Gesandten Portugals entgegenkamen, sagte er: „ K o m m e n wir zu ihnen oder sie zu uns?" Als er einmal seine Palastkapelle verließ, ergriff ein deutscher Greis seine Sänfte und rief aus, man solle ihm sein Recht geben. Er aber fragte: „In einer Angelegenheit oder in allen?" Als jener antwortete „In einer!", sagte er: „ D u hast ganz recht; denn die Ausführung hätte gefehlt, wenn du ,in allen' gefordert hättest." Einem zweiten, der recht oft auf die Knie fiel, sagte er: „Weißt du Tor nicht, an welch schwache Anwälte du dich gewandt hast?"28 Als sich einmal in Corsignano, wo er - wie ich bereits gesagt habe - geboren ist, seine Tischgesellschaft nicht einstellte, sagte er: „Ich bin beim gemeinsamen Essen der Meinen als einziger nicht dabei." Einmal besuchte er auch das väterliche Gut, auf dem eine Fichte stand, die sein Vater am Tage seiner Geburt gepflanzt hatte und die schon sehr groß war. Als er zu ihr hinabgestiegen war, sagte er: „Sie erinnert mich daran, daß ich schon recht erwachsen bin." Beim Lago di Bolsena stritten die Anwohner so heftig darum, die Sänfte zu tragen, daß sie sogar schon die Schwerter zogen. Er ließ alle zurückdrängen und meinte: „Wie töricht, daß ihr zugleich die Last und die Gefahr sucht." Bei Amivato reichte ihm ein Hirte eine Schale mit Milch, die er an den Mund führte, obgleich sie recht schmutzig war. Als die Anwesenden lachten, bemerkte er: „Dieses ist süßer als der Becher des Artaxerxes. Wer Durst hat, braucht kein Glas." Den Eifer zu bauen unterbrachen die Kriege. Übrigens ließ er im Vatikan die Kapellen der größten Kirche, die ungesondert überall gebaut worden waren, einreißen und 2

°

Der Witz liegt vielleicht darin, daß der Bittsteller in Höhe der Füße sich befand,

die Pius II. infolge seiner Erfrierungen kaum noch gebrauchen konnte.

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

dann entlang der Außenmauer anlegen. Hierdurch wurde das innere Aussehen der Kirche enger und gangbarer gemacht. Er fugte noch die Kapelle des heiligen Andreas hinzu an der vorderen linken Ecke der Kirche, wo er später begraben sein wollte. Ferner ließ er die Treppe vor der Eingangstür der Kirche erneuern, die wegen ihres Alters zusammengebrochen war, und er ließ eine bedeutende Fläche pflastern, die nach Sicherung des Vorplatzes mit einem Wachturm begonnen worden war. Oberhalb der Treppe hinterließ er einen marmornen Säulengang unvollkommen. Von i h m stammt auch die Burg von Tivoli, die mit Notbefestigungsarbeiten fertiggestellt wurde. Weil man den Durchzug der Feinde nicht verhindert und sie sogar mit Proviant versorgt hatte und weil man sich geweigert hatte, seine Besatzung in die Stadt aufzunehmen, tadelte er die zweifelhafte Treue und ließ zu, ihr Gebiet zu plündern. V o n mir stammte folgendes Distichon: Tivoli, du hast 'ne Burg, weil man dir nicht traut, ist sie da. Phrygier ist Aeneas, du Tivoli bäuerlich. Das Gebiet von Corsignano erhob er von einer Landflecken zur Stadt und nannte sie Pienza. Er bestimmte Stadtbeamte, um ihr das Aussehen einer ordentlichen Bürgerschaft zu verleihen, baute einen Bischofspalast und die Residenz des Stadthalters, ernannte einen B i s c h o f und Triumvirn und richtete Sportwettkämpfe ein, die nach Altersstufen gestaffelt waren. Er erbaute ferner ein Bürgerhaus in Form eines Viereckes und von herausragender Schönheit, welches mit braunem M a r m o r verkleidet war in einer Dicke bis zu einem Finger. Es hatte ein wenig zurückgesetzte Fugen, eine doppelte Fensterreihe, runden Zierrat und Flechtwerk aus Eisen. Ferner fügte er im Süden einen Säulengang mit doppeltem Gewölbe hinzu, oben darauf eine leicht ansteigende Fortsetzung, Speisegemächer für Sommer und Winter, tief ausgehobene Speicherräume und hängende Gärten. Außerdem eine Kirche mit einem herausragenden Mauerwerk, einen Platz vor ihren Türen, Kapellen im Umgang der Kirche und in der Krypta einen Altar. Er untersagte es, daß in ihr irgend jemand beigesetzt werde außer Priester und der Bischof, welchen er ein abseits gelegenes Grab zuwies. Ferner untersagte er, daß die W a n d beschädigt oder mit Malerei geschmückt werde, daß Löwen aufgestellt, Kapellen errichtet würden oder Altäre, abgesehen von denen, die er selbst bestimmt hatte. Und er kaufte Güter für den jährlichen Unterhalt. Einem Architekten, der sich lange im voraus wegen der Summe der zukünftigen Ausgaben Sorgen machte, ließ er nach Fertigstellung des Werkes 100 hinzugeben mit der Bemerkung, ein Architekt, der über Aufwendungen, die dann doch keiner tätigen würde, vorher genaue Angaben machen wolle, sei nicht ganz bei Trost. N o c h als Greis ließ er einen ringsum mit Gewölbe versehenen Säulengang für die Bevölkerung bauen, und er wollte noch ein Gebäude hinzufugen, dessen Platz er bereits hatte pflastern lassen. Bei der Kirche des hl. Franziskus ließ er eine Kapelle errichten und in ihm das Grabmal seiner Eltern aus ligurischem Marmor, mit folgendem Distichon beschriftet, welches er selbst verfaßt hatte: Hier liege ich, Silvio, mit Viktoria meiner Gemahlin, dies hier umschloß mein Sohn Pius mit Marmor, der Papst.

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Er hatte Pläne, den Anio bis nach Tivoli schiffbar zu machen, den Hafen des Trajan zu säubern, im Gebiet von Pienza einen See anzulegen, indem der Fluß Orcia aufgestaut und ein Flüßchen vom Fuße des Monte Amiata dorthin umgeleitet würde. Die Begabungen seiner Zeit förderte er auf bewundernswerte Weise, aber freilich nur die bewährtesten, wobei er bisweilen die Epigramme anderer abänderte. Das Mittelmaß scheint er verachtet zu haben. Er zog Mißgunst auf sich, und er war gewohnt zu sagen, daß die Redner oder Dichter entweder den ersten Platz einnehmen müßten oder keinen. Bei der Rede lobte er den Glanz und die Kraft der Rede, den zu ausladenden Prunk der Worte bezeichnete er als Müßiggang des Redners. Als junger Mann liebte er die Dichtkunst und verfaßte ein Werk namens „Niraphilenticus" in einem Vers, der eher leicht und eingängig als sorgfaltig ausgearbeitet war. Ferner mehrere Gedichte in Briefgestalt, in der Blüte seines Lebens beschäftigte er sich mit der Redekunst, angeregt durch die Bedeutung der Gegenstände oder der Gesandtschaften. Er schrieb für Ladislaus, den König der Böhmen, als dieser noch ein Heranwachsender war, ein Büchlein über die Grammatik, dann später ein zweites über die Erziehung des Königs, als er in Deutschland tätig war. Uber die Angelegenheiten in Böhmen schrieb er an Alfonso, ferner an Friedrich und komplette Kommentare über die Bewohner von Tirol. Zwölf Bücher über die Geschichte Italiens seiner Zeit, welches Werk, als er verstarb, noch nicht vollendet war. Er verbot, es herauszugeben, wenn es nicht von Fehlern befreit würde. Ferner „Eurialus", „Der Ursprung des Nils", „Die Jagd", „Die Häresie der Hussiten", „Die Würde des Kaisers", „Die Macht des Konzils", „Das Blut Christi", „Die christliche Wahrheit" an den Türken Mohamed, „Der Ruhm, den Krieg zu beginnen" an Francesco Sforza, „Die Irrtümer des Konzils von Basel", „Uber das Glück", „Verteidigung der Dichtkunst", separate kleine Bücher über das Elend der Kurialen, von denen viele als Dialoge vorliegen. Er hatte in seinem Pontifikat Kleinasien beschrieben, eine Schilderung Asiens (Großasiens) blieb unvollendet wegen seines Todes. Er hatte auch einmal mit einer Geschichte angefangen, die die Geschehnisse seiner Zeit auf dem gesamten Erdkreis umfassen sollte. Er ließ den Plan fallen, weil er fürchtete, daß zu wenig untersuchte Dinge zusammengetragen würden. Gern beschrieb er Gegenden in einem spontanen Stil, um später eine Überarbeitung vorzunehmen. Außer Schottland Norwegen, Litauen, Rhodos, Mytilene, Lesbos und Zypern beschrieb er mit genauer Knappheit. Man glaubte, es gäbe niemanden, der die Geschichte der jüngeren Vergangenheit sowohl genauer untersucht als auch wahrheitsgemäßer festgehalten habe. Er hinterließ vier Bände mit Briefen, die nach Zeitabschnitten eingeteilt sind. Niemand unserer Zeitgenossen, ja sogar der Alten, hat so viele Reden gehalten und beinahe alle über die bedeutendsten Angelegenheiten. Im übrigen ragten sie eher auf Grund ihrer Gedanken als wegen ihrer Wortwahl hervor, mit einer Fülle, die erstaunlich war und die mit der Größe der Gegenstände wuchs. Was seinen Wortschatz betrifft, hat ihn sein Aufenthalt in Deutschland einiges gekostet, da er gezwungen war, bei den Barbaren die kultivierteren Dinge zu vernachlässigen. Aber von diesen Reden ist ein großer Teil aus Nachlässigkeit der Schreiber verlorengegangen, 24 sind noch erhalten. Er sprach mit einer klangvollen und würdevollen Stimme, aber stets in derselben Stärke und mit häufigen Pausen, so daß er spontan und ohne sonderliches Bemühen zu reden schien. Er verstand es ausgezeichnet, Andere zu überzeugen. Es gab niemanden, den er durch seine Rede nicht auf seine Seite gezogen hätte. Beim Reichstag zu Regensburg, als die Partei des

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Kaisers vom Legaten nur schlecht unterstützt wurde, ergriff er spontan das Wort, als der Redner der Gegenpartei sagte: „Wann hörst du endlich auf, den Deutschen Scherereien zu machen?" entgegnete er: „Wenn du damit anfängst!" M a n hat geglaubt, daß er zukünftige Ereignisse bereits lange Zeit vorher vorausgesehen habe. Vier Jahre vorher sagte er voraus, er werde bei Kriegsrüstungen sterben, in demselben Vers, den er - wie wir gesehen haben - mit eigener Hand verfaßt hat. In den Kriegsvorbereitungen gegen Türken, ist er gestorben. Einem Ehebrecher aus Siena, der über seinen Rivalen Klage vortrug, sagte er: „Wenn du nicht davon abläßt, wirst du in Kürze getötet werden." Dieses geschah noch vor A b l a u f des Monats. Den Gesandten von Venedig, die ein Bündnis gegen die Türken ablehnten, sagte er: „Sie werden um das, was sie jetzt abgelehnt haben, in zehn Jahren bitten, dann aber zu spät." D e n n neun Jahre nach der Versammlung von Mantua, nachdem Euböa verloren war, reisten sie herum, um aus ganz Italien Hilfe zu erbitten. Nachdem Ludwig von Savoyen, der Gatte der Carlotta, nicht weit von Mantua vorbeigereist war, u m sich nach Zypern einzuschiffen, und er ihm nicht einmal - wie es schicklich gewesen wäre - seine Aufwartung gemacht hatte, sagte er: „In Kürze wird er a u f direktem Wege zu uns zurückkehren". Das tat er auch im darauffolgenden Jahr, nachdem man ihn von der Herrschaft a u f Zypern vertrieben hatte. Seine Statur blieb unter dem Durchschnitt, der Körper war in seiner Jungend schlank, an der Wende seines Lebens ein wenig fülliger. Seine Augen waren zwar heiter, sie verfinsterten sich jedoch, wenn er in Zorn entflammte. Sein Haupt war gedrungen und vor der Zeit weiß. Sein Gesicht war im vorgerückten Alter weißlich und fiel bei der kleinsten Krankheit ein. Beschwerden und Hunger ertrug er leichter als Kälte und Hitze. Ein Blasenstein quälte ihn fast jeden M o n a t , außerdem ein chronischer Husten. Den Gebrauch seiner Füße hatte er schon längst aufgegeben, wegen der Kälte des Schnees, wie ich bereits erwähnt habe, als auch besonders wegen plötzlicher Anfalle von Fußgicht. Handgicht bekam er erst spät und dann selten. Er scherzte, daß er astrologische Hände habe, weil sie durch ihre Schwellung das Aequinoctium vorhersagten. Dieses alles ertrug er mit so viel Geduld, daß er bekanntlich a u f der Gesandtschaft nach Deutschland, obgleich er schwer an Fußgicht litt, durch seinen Kollegen nicht dazu bewegt werden konnte, einen einzigen Tag Rast zu machen und daß er in den Bädern von Petriolano zwei Stunden lang einen Katheter mit Haken ertragen hat. In R o m hat er bekanntlich unter den größten Schmerzen, die durch seinen Blasenstein verursacht wurden, eine Rede fortgesetzt, wobei er kaum das Gesicht verzog und sich nur dadurch verriet, daß er sich ein wenig a u f die Lippe biß. Einige Zeichen kündigten seine spätere Größe an. So träumte der Mutter einen Tag nach seiner Geburt, sie habe einen Knaben mit einer Mitra geboren. Lange war sie durch dieses O m e n stark beunruhigt, bis sie hörte, er sei zum B i s c h o f von Triest ernannt. In Corsignano wurde er, als er gerade sieben Jahre alt war, beim Spielen mit anderen Kindern von seinen Altersgenossen als Pontifex Maximus gegrüßt und ließ sie einzeln der Reihe nach zum Fußkuß zu. Alfonso wies aus einem Fenster a u f ihn, als er gerade zu ihm nach Neapel kam, und zeigte ihn seinen Freunden mit den Worten: „Seht dort, unser Pontifex Maximus." Als Kaiser Friedrich vom M o n t e C i m i n o aus nach Latium hineinblickte, ließ er ihn zu sich k o m m e n und sagte zu ihm: „Bald wirst du in diesem Gebiet herrschen, Aeneas, und wir, die wir nun befehlen, werden

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in Kürze gehorchen." In R o m kam, als er bereits Kardinal war, einer von den königlichen Purpurträgern zu ihm. Als dieser die Monde sah, die in die Umwürfe des Gewandes eingewebt waren, rief er aus, er werde Pontifex Maximus werden; denn jener hätte, als er sich einmal in Calabrien aufhielt, selbst gehört, daß es in Prophezeiungen heiße, der nächstfolgende Papst werde diese Zeichen haben. In derselben Stunde, in der er in R o m zum Papst gewählt wurde, wurde es seiner Schwester Laudonia in Corsignano - 80 Meilen entfernt - gemeldet, und niemand hat je den Überbringer wieder gesehen. O f t geriet er in Lebensgefahr. Bekannt ist, daß er als Knabe von fast drei Jahren von einem abschüssigen Platz hinabgefallen ist und fast gestorben wäre, oder daß er von einem Stier auf die Horner genommen und dreimal hochgeschleudert wurde und wider alle H o f f n u n g mit Wunden an vielen Stellen davongekommen ist. Als er einmal in Britannien von einem Essen mit einem befreundeten Kaufmann zurückkam, wurde vor seinen Augen jemand getötet, der einen Tanz auf dem Seil vorführte, und es hätte nicht viel gefehlt, daß die Verwundung auch ihn getroffen hätte. Bei seiner Uberfahrt nach Britannien wurde er an einem heiteren Tag zu einer Schiffsfahrt eingeladen, kam jedoch, als das Schiff bereits ablegte und es zu spät war, als daß er noch hätte zusteigen können. Bald erhob sich ein Sturm, und obgleich das Schiff nicht weit von der Küste entfernt war, ging es mit den Passagieren vor seinen eigenen Augen unter. Als er einmal in Mailand Fieber bekam, erhielt er ein zu starkes Medikament und wäre fast von Durchfall hinweggerafft worden. Als der Arzt für ihn ein zweites ähnlich hergestellt hatte, zerbrach zufällig das Behältnis, und er wurde von der Gefahr befreit. Kurze Zeit später wurde er in Basel von Pestilenz angesteckt und stand kurz vor dem Tode. Alle seine Freunde verließen ihn, außer Andrea Panigalio, den er später unter seine engsten Freunde rechnete. Als er am winterlichen Aequinoctium die Vindelischen Alpen bestieg, fehlte nicht viel, und er wäre von einer Lawine fortgerissen worden. Einmal wurde er von einer gewaltigen Schneemasse zu Boden geworfen. Bei den Pontinischen Sümpfen befuhr er einmal des nachts die Ligula und blieb drei Stunden im Schlamm stecken. Das Schiff, das ihm folgte, versank mit 11 Mann. Als er bei Cumae ebenfalls in der Nacht abgelegt hatte, wurde sein Schiff nach unten gedrückt, jedoch diesseits einer Gefahrdung für irgend jemanden, weil es nicht weit vom Ufer aufgelaufen war, wo das Meer noch nicht besonders tief ist. Selbst am Tag seiner Krönung im Lateran schwebte er in der Gefahr, von der Menge der Gratulanten erdrückt zu werden. Die Absperrungen waren zusammengebrochen, und es wurde erforderlich, die Menge mit Schwertern abzuwehren. Dieses geschah ebenso in Posta und Narni. Zweimal wurden Anschläge auf ihn versucht: zunächst von dem Stadtfursten Eversus unter Beihilfe von Boccardus. Dessen Briefe an jenen wurden abgefangen: Er habe Gift, durch welches - in geringer Dosis an der Sänfte angebracht - er sofort getötet würde. Er habe zwar versucht, einige von den Sänftenträgern zu bestechen, er habe jedoch niemanden gefunden, der das Verbrechen ausführen wolle. Daher müsse er seinen Einfluß spielen lassen und eine größere Belohnung anbieten. Nachdem Pius davon Nachricht erhalten hatte, wies er lediglich den Präfekten der Leibwache Pazalia an, keinen als Sänftenträger zuzulassen, der ihm nicht genau bekannt sei. Der zweite Anschlag wurde von Meuchelmördern aus Tivoli geplant. Diese hatten Einige heimlich angestiftet, am Ende des Herbstes, wenn er aus Etrurien zurückkehren würde, so zu tun, als ob sie Bittschriften vorbringen wollten und ihn dann mit einem Dolch umzubringen. Da er aber die Reise

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beschleunigte, waren die Herzen der Mörder für das Verbrechen noch nicht bereit, und die Sache wurde aufgedeckt, bevor er am Ort des Anschlages ankommen konnte. Im übrigen vertraute er sich jedermann leicht mit einem so großen Vertrauen an, daß er einmal bei seiner Reise nach Mantua durch eine feindselige Gegend ohne Bedeckung reiste. Seinen Tod wußte man bereits im voraus, durch ein Gerücht, das sich überall verbreitet hatte: er werde am Ende des sechsten Jahres sterben. Als er R o m verließ, wandte er selbst sich auf den Feldern des Quintius also noch einmal den Mauern zu und sprach: „Lebe wohl Rom, das du mich nicht mehr lebend Wiedersehen wirst." A m selben Tag und genau zur selben Stunde, in der er in Ancona verschied, trug sich in Etrurien in Camaldoli, einem Ortchen auf den Kämmen des Apennin, Folgendes zu: ein Greis aus Deutschland, der durch karge Nahrung und 46 Jahre innerhalb der Umfriedung einer kleinen Kapelle ausgemergelt und wegen seiner Wunder unter den anderen Coenobiten berühmt war, trat an die äußere Schwelle seines Einganges und rief aus, er sehe, wie ein großer Priester mit einer dreifachen Krone und einem weißen Mantel in den Himmel getragen werde, umgeben von einer Schar singender Mädchen und einer kleinen Wolke. Die Umstehenden waren bestürzt und rätselten, was das zu bedeuten habe. A m vierten Tage - so weit liegt Ancona entfernt - wurde sein Tod gemeldet, und Zeit und Umstände stimmten überein. U m die Expedition gegen die Türken kümmerte er sich heftiger und eiliger, als es sein Gesundheitszustand eigentlich zuließ, und zur Unzeit. Als er einmal erholt aus den Bädern heimkehrte und ihm seine Freunde Vorwürfe wegen der Schwäche seines Alters und seines Gesundheitszustandes machten, entgegnete er: „Wenn ich nicht nach R o m zurückkehren kann, dann eben in den Himmel." Nach der Eroberung Fanos erhob er die Hände zum Himmel und sagte: „So ist es recht, ich werde schon zu meinem Krieg gerufen." Sein Ende beschleunigten die Gesandten der Könige, die zusammen zu ihm nach R o m geschickt worden waren: von Philipp von Burgund mit großartigen Versprechen, ferner von Telephos von Armenien, Georgius von Persien, aus Asien, Mesopotamien, und Gorgora von Hyberia Maior und Vitebechus von Minor.29 Die Sprachen waren verschieden, die Gewänder ungleich und den übrigen waren wenigstens die Haare nach unserer Sitte geschnitten. Zu den Mesopotamiern aber gehörte eine Gruppe, die ungeschoren geblieben war nach Art von Krausköpfen. Alle trugen Gewänder, die locker herabfielen und eine erlesene und erhabene Filzkappe. Als einer von ihnen an jedem Tag zwanzig Pfund Fleisch verschlang, sagte er: „Wenn beim Essen und im Schatten solche Verbündeten auf unserer Seite mit dem Säbel fechten sollen, haben wir bereits gewonnen." Deren Rede war würdevoll und kurz und bündig. Sie sagten 120.000 Bewaffnete zu und als Bundesgenossen Pancratius Hyberus, einen M a n n mit hohem Ansehen in militärischen Fragen. Als er diese Zahl vernahm, glaubte er sie nicht und hielt sie passender für Verschwendung als fur einen Krieg: „Es wird schwer fallen, ein solches Heer in Europa zu versorgen." Einen Grund dafür, die Angelegenheit zu beschleunigen, gaben auch die Ungarn; denn es war bekannt geworden, daß sie bei den Türken zu äußerst ungünstigen Konditionen um Frieden gebeten hatten. Aus diesem Grunde sandte er sogleich den Jahressold für 1000 Reiter, erregte H o f f n u n g auf seine Ankunft und hielt sie so im Treuebündnis. 29

Irland?

Testimonia: Campanus

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Bei Ancona kam es zu einem Auflauf von bis zu 30.000 Leuten, die das Kreuz trugen (von „Kreuzfahrern"), welche ein Irrtum aus Frankreich und Spanien angezogen hatte. Unüberlegterweise war verbreitet worden, der Pontifex werde allen, die zu dem Krieg in Übersee sich aufmachten, ein Schiff für die Uberfahrt und Unterhalt bis zum Ende des Krieges bereitstellen. Daher sandte er Carvajal, einen Kardinal aus Spanien, voraus, um sie bis zu seiner Ankunft zusammenzuhalten. Er ordnet die Angelegenheiten in ganz Italien und bricht am 14. vor dem 19. Mai auf. Zunächst feierte er die Messe in der Großkirche auf dem Vatikan, in der er, so oft er die Stadt verließ, gewöhnlich abstieg und die einzelnen Altäre der Reihe nach verehrte. Anschließend lud er alle ein, mit ihm um einen guten Ausgang des Vorhabens zu beten und begab sich in seiner Sänfte eilends zur Milvischen Brücke. Da er sich zu leidenschaftlich auf die Reise gemacht hatte, befiel ihn ein leichtes Fieber, dessen Anfange von den Ärzten erst nicht bemerkt worden waren, das er selbst jedoch auch eine Weile unterdrückte, um Verzögerungen zu vermeiden. Später, als es schon zu stark geworden war, um es noch länger zu verheimlichen, zog er seine Arzte hinzu, die er durch Eid und Fluchformeln dazu verpflichtete, niemandem etwas zu verraten. An der Brücke entließ er die Väter und die ganze Menge und bestieg mit wenigen eine Ruderbarke, um mit ihr den Tiber hinaufzufahren. Als auf dem freien Feld das Volk ihn zum Abschied begrüßte und er hörte, wie sie ihm eine gute Heimkehr wünschten, brach er in Tränen aus. Für die erste Nacht machte er bei Castellum Loboleum Rast. Er räumte ein, daß die Fahrt dieses Tages sehr schwierig gewesen sei für jemanden, der gegen die Strömung des Flusses anzukämpfen habe. Diese Aussage führte man jedoch eher auf die schwache Gesundheit denn auf die Anstrengung zurück. Er wagte es nicht, ans Ufer auszusteigen, da er durch die schwere Ermüdung ganz zerschlagen war, und verbrachte die Nacht in der Barke. A m folgenden Tag ordnete er an, obgleich seine Arzte die Reise am Morgen untersagt hatten, lange vor Sonnenaufgang abzulegen. Er gelangte bis zur Stadt Fiaro in einer außerordentlich langen Fahrt und legte 40 Meilen an einem Tag zurück. Da er ja am Vortag bereits beim zehnten Meilenstein Halt gemacht hatte, verbrachte er also nunmehr den zweiten auf dem Fluß. Als an diesem Ort über den Teil der Flotte verhandelt wurde, welcher am Hafen von Pisa gebaut worden war und den Befehl hatte, durch die Meerenge von Sizilien ins obere Meer vorzustoßen und nach Ancona zu kommen, um dort die Truppen aufzunehmen, und als ihm gemeldet wurde, die Triremen aus Genua für die Lastschiffe, die zur Gesamtmenge der Flotte dazugehörten, seien noch nicht fertig und Philipp von Burgund außerdem wortreich seinen Aufbruch hinauszögere, wurde er sehr bewegt. Seinen Kummer vermehrte noch, daß er mit eigenen Augen mitansehen mußte, wie ein junger Mann, der zum Rudern angeheuert worden war, vom Ufer hinabstürzte und unterging, weil die anderen Seeleute nur langsam herbeiliefen. Dieses berührte ihn so schmerzlich, daß er für den Getöteten um Gnade betete, den Unglücksfall verwünschte und sogar in Tränen ausbrach. A m Fuße des Monte Soratte, überdrüssig der Schiffahrt und aus Trauer um den getöteten Jüngling, ordnete er an, ihn fürs erste an Land zu setzten, und beklagte sich, stets habe er mit seinen Seefahrten Unglück gehabt. Diesen Ausspruch nahmen seine Kammerdiener übel auf und fragten ihn, weshalb er sich so oft in Gefahr brächte. Er aber glaubte, sie sagten es, um ihn von der Uberfahrt nach Illyrien abzuschrecken, weil er

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

wußte, daß er gegen den Willen vieler Italien verließ, und er entgegnete: „Wir zwingen niemanden!" Ohne Weiteres zu sagen, ließ er sich wieder auf die Barke bringen. Nachdem er bis zu 15 Meilen auf seiner Sänfte zurückgelegt hatte, bis jenseits des Otriculi gelangt war, wurde er sehr empört durch die Menge der „Kreuzfahrer", die ihm, wegen des Verzuges ungeduldig geworden, entgegenkamen, und die Carvajal mit keinem Mittel hatte zurückhalten können. Als sie im Heereszug zurückkehrten, hielten sie in ihrer Zudringlichkeit nicht einmal Abstand. Deshalb ließen die Arzte den Vorhang der Sänfte für die gesamte Dauer des Weges vorziehen, um seine Augen von diesem Schauspiel abzuwenden, offiziell wegen des Windes. Nur mit Mühe gelangte er von Otricoli über Narni und Terni nach Spoleto. Dann machte er eine Ruhepause von ganzen drei Tagen und verstärkte nach Befestigung der Burg die Besatzung. Den folgenden Weg nahm er links durch das Gebiet von Foligno, einigen der Bewohner allerdings befahl er, ihn bis nach Assisi zu begleiten, dann verbannte er sie und bestimmte die Dauer ihres Exils bis zu seiner Rückkunft. Sie hatten es gewagt, Zusammenrottungen zu veranstalten und, sobald er Italien verlassen hätte, schon dann dem Stadtpräfekten nachzustellen, um durch den Mord die Stadtherrschaft zu bekommen. In Assisi ließ er beide Burgen wieder instandsetzen. Bei Fabrianum überstieg er den Apennin und reiste dann zur Kapelle Unserer Lieben Frau von Loreto, um ein Gelübde abzulegen. Dort opferte er einen goldenen Kelch und eine Schale. In Ancona am 17. Juni angelangt, ordnete er dreitägige Gebete an und erklärte, daß es bei Gott anzufangen, alles andere der Tapferkeit zu überlassen sei. Als die Nachricht über den türkischen Angriff auf die Umgebung von Ragusa antraf, befahl er, daß die zweihundert zu seinem persönlichen Schutz angeworbenen Söldner mit wenigen Bogenschützen das bereitstehende Schiff betreten und nach Ragusa fahren sollten. Als er erfuhr, daß zwölf venezianische Trieren mit dem venezianischen Befehlshaber bald ankommen würden, ordnete er an, ihn selbst direkt ans Ufer zu tragen, damit er die Truppenparade abnehmen könne, und nach deren Ende bedauerte er nur, daß er nicht früher die Möglichkeit gehabt hätte, das Meer zu befahren - jetzt habe er zwar die Möglichkeit, doch seine Kräfte reichten nicht mehr. Nachdem man ihn wieder in seine Wohnug getragen hatte, wurde er von einem Durchfall heimgesucht, doch die Arzte besänftigten ihn, daß keine Gefahr bestehe. „Dies ist der Anfang einer Plage", bemerkte er, „auch im Sterben nicht ohne Lobhudler auszukommen." Und er erbat sich die Eucharistie, die er bereits vor drei Tagen und auch kurz vorher in Loreto empfangen hatte. Dann ließ er die Kardinäle zu sich kommen und forderte sie auf, sich von dem Feldzug nicht abbringen zu lassen. Er ordnete an, den Venezianern die Schiffe im Hafen sowie auch diejenigen, die - wie man hörte - durch die Straße von Sizilien ankommen, anzuvertrauen. 40 000 Gulden aus den Zehnten sollte der ungarische König für die Kriegsausgaben erhalten. Als er seine Kräfte schwinden sah, wandte er sich an den Kardinal von Pavia mit den Worten: „Mein Sohn, kümmere du dich selbst um meine Angelegenheiten und wache über diesen Feldzug." Von diesem gefragt, ob er in Rom bestattet sein möchte, konnte er sich der Tränen nicht erwehren und erwiderte fragend: „Und wer wird dafür Sorge tragen?" Als jener geantwortet hatte, er selbst, schien er erleichtert zu sein. Dann berief er einen nach dem anderen Kardinäle zum letzten Kuß zu sich, sich zunächst Vergebung von ihnen erbittend für den Fall, daß er das Christentum nicht ganz zufriedenstellend geführt habe. Nachdem alle in Tränen ausgebrochen waren, und

Testimonia: Trithemius

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Kardinal Bessarion, an seine Worte anknüpfend, ihn versicherte, das Christentum sei vollkommen einwandfrei gefuhrt worden, umarmte er alle erneut, dann erbat er sich das Sterbesakrament, betete mit ihnen, sang Psalme, und dann hat er die Seele aufgegeben, alle bittend, für ihn zu beten. Er starb im neunundfünfzigsten Jahr seines Alters, dem tausendvierhundertvierundsechzigsten Jahre unseres Glaubens, am 15. August, im sechsten Jahr seines Pontifikats. Jene Männer, die für seine sterbliche Hülle zu sorgen hatten, versicherten, er habe ein besonders kräftiges Herz gehabt. Seine Herzgegend wurde herausgenommen und im Tempel St. Cyriacus aufgehoben. Der Körper wurde der Entscheidung der Kardinäle zufolge in deren Begleitung nach Rom getragen und dort unter dem Altar des Hg. Andreas beigesetzt.

c. Trithemius Johannes (1462-1516) aus Trittenheim an der Mosel. Benediktiner, Abt von Sponheim (1484), seit 1506 von St. J a c o b in Würzburg. Frühhumanist; (vgl. K. Arnold in: Lex. d. MA-s V 1991, 608).

Pii, pontificis max(imi) vita, per Ioannem Tritemium, abbatem Spanheimensem, descripta Pius papa Secundus, natione Tuscus, patria Senensis, Aeneas Sylvius antea vocatus, sedit in pontificatu maximo post Calixtum Tertium annis sex, vir undecunque doctissimus, philosophus, orator et poeta insignis, multa ingenii sui monimenta posteris reliquit. Hie quondam in concilio Basiliensi cuidam praelato servivit pauper. Deinde in scribam cancellariae Friderici, imperatoris Tertii, assumptus et poeta ab eo laurea recepta creatus, primo episcopus Tergestinensis, postea Senensis, exinde cardinalis et novissime papa omnium suffragio electus est. De scriptis vero eius subiecta feruntur, magnis eloquentiae nervis composita. De miseriis curialium lib. 1. De educatione liberorum lib. 1. Solutio quaestionum lib. 1. De duobus amantibus lib. 1. Contra Thaboritas lib. 1. Ad Nicolaum de Cusa lib. 1. De fide ad Turcum lib. 1. De profectione in Turcas lib. 1.

Stultos esse qui regibus Omnibus qui ad virtutis Aderat nuper Caesarea Urbem Senas unde tibi Quam vis apud Boemos Venit ad me hac ipsa Scripturi ad te aliqua Ezechielis prophetae

f. b 3r

092

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Ad episcopum Cracoviensem lib. 1. De concilio Basiliensi lib. 1. De ortu Nili fluminis lib. 1 De studio venandi lib. 1. De fato quoque lib. 1. Abbreviationes Blondi lib. 20. De ortu et historia Bohemorum lib. 1. Praecepta rhetoricae lib. 1. Europa ad Anto. card. lib. 1. De praescientia Dei lib. 1. Dialogue contra Turcas lib. 1. De grammatica lib. 1. Historiarum opus imperfectum lib. 1. Epistolarum ad diversos lib. 1. De clade Constantinop. oratio seu lib. 1. De clade universalis ecclesiae lib. 1. In conventu Mantuano oratio lib. 1. Ad Calixtum papam oratio lib. 1. Coram coetu cardinalium oratio lib. 1. De rebus a se gestis lib. 1. Orationes variae. lib. 1.

Heraldus Alphonsi re

Fuit autem in urbe Con. Interitura esse quaeque Bene esset vir illustris Podagrantem me nuper

Non cogit me necessitas Constantinopolitana clad Invitus quidem beatissim Cum bellum hodie adver Solent plerique omnes Moses vir Dei beatissim.

Epigrammata plura et quaedam alia elegantissima, quae ego non vidi opuscula, scripsisse dicitur, quibus nomen suum posteris notificavit. Moritur sub Friderico, imperatore Tertio, Anconae, ut dicitur. Anno domini 1464. indictione duodecima, XIX. Calendas Septembris, aetatis suae anno similiter quarto et sexagesimo, sepultus Romae in ecclesia S. Petri iuxta altare divi Andreae.

Testimonia: Stella

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d. Stella Johannes, Priester in Venedig (Anfang 16. Jh.). Verfasser von Kaiserbiographien (Liber augustalis de Imperatoribus Romanis usque ad Maximilianum, Venedig 1503) sowie Papstbiographien (De vita et moribus Pontificum Romanorum usque ad lulium II, Basel 1507); (vgl. J. H. Zedier, Universal-Lexikon, Bd. 39, 1744, Sp. 1749. -Jöcher, GelehrtenLexicon I 1790, 801).

Pii pontificis max(imi) vita, per Ioannem Stellam, sacerdotem Venetum, breviter descripta Pius papa, Secundus eius nominis, natione Hetruscus, patria Senensis, Aeneas Sylvius antea vocatus, poeta egregius, patre Sylvio, nobili satis familia Picolominea natus, pontifici Calixto subrogatus, sedit annis quinque, mensibus novem, diebus vero XXVI. Brevis quidem pontificatus, sed ingens gloria fuit. Vir plane omni laude dignus, utpote eruditissimus, eloquentissimus, copiosissimus ac fortitudinis et prudentiae singularissimus, qui non ad otium nec ad segnitiem, sed ad res agendas et quidem maximas vocatus maiestatem pontificiam augere visus est, pro qua neque reges aut duces aut populos atque tyrannos ullos formidasse compertum est, imo si quos definquentes vidisset, et bello et censuris tarn diu persequebatur, quo id usque ad sanitatem redisset, agnovisset. Et propterea Ludovico, Francorum regi, adversarius extitit, qui libertatem ecclesiae suo in regno imminuere temptaret. Borsio Estensi cognominato eo, quod Sigismundo Malatestae et rebus Gallicis contra Ferdinandum faveret. Sigismundum, Austriae ducem, quod in cardinalem Ad vincula Petri animadvertisset, diris execrationibus persequutus est. Moguntinum insuper antistitem, male de ecclesia Romana sentientem, sede deiecit et alterum eius loco suffecit. Beneventanum quoque archiepiscopum, contra eius voluntatem res novas molientem et Beneventum Gallis prodere volentem, archiepiscopatu summovit multasque Campaniae urbes in potestatem ecclesiae redegit. Nil regibus, nil populis timore vel avaritia unquam concessit, ecclesiae inimicos veluti hostes publicos constanter et intrepide persecutus est, amicos autem humanissime et officiosissime semper adiuvit. Primo sui pontificatus anno Mantuae conventum pro fide Christiana habuit et in eo principes omnes congregavit, ut Turcis bellum indicerent, sed frustra id fuit, ea quippe de causa innumerabiles viros ex Hispania, Gallia, Ger-

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f. b 3 r

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

mania in Italiam convocavit, quos dum ipse pontifex Anchonam proficisceretur, invenit, quorum magnam partem et maxime Germanorum cum benedictione apostolica in patriam remisit eo, quod minus idonei viderentur. Fuit autem Pius hie pontifex inprimis (ut superius diximus) studiosissimus ac doctissimus homo et doctorum virorum amantissimus continentissimaeque vitae et otii ac dissidiae inimicissimus, statura brevi, facie senecta et Serena canoque capite, qui tandem anno aetatis suae LXIIII., cum Anchonae esset, cum innumerabilibus populis proficisceretur, lenta febre percussus diem clausit supremum, cuius funus Romam delatum in basilica Divi Petri apud altare Sancti Andreae sepulchro marmoreo conditum est et tale inscriptum epitaphium: II PIVS SECVNDVS PONT. MAX. NATIONE TVSCVS PATRIA SENENSIS, GENTE PICOLOMINEA SEDIT ANNIS VI. BREVIS PONTIFICATVS, SED INGENS GLORIA FVIT. CONVENTVM CHRISTIANVM MANTVAE PRO FIDE HABVIT, OPPVGNATORIBVS ROMANAE ECCLESIAE INTRA ATQVE EXTRA ITALIAM RESTITIT. KATHERINAM SENENSEM INTER SANCTAS CHRISTI VIRGINES RETVLIT, PRAGMATICAM IN GALLIA ABROGAVIT. FERDINANDVM ARAGONENSEM IN REGNVM SICILIAE CIS FRETVM RESTITVIT, REM ECCLESIAE AVXIT ET FODINAS INVENTITIAS ALVMNIS APVD TOLPHAM INSTITVIT. CVLTOR IVSTITIAE ET RELIGIONIS, ADMIRABILIS ELOQVIO. VADENS IN BELLVM, QVOD TVRCISINDIXERAT ANCHONE DECESSIT. IBI ET CLASSEM PARATAM, ET DVCEM VENETORVM CVM SVO SENATV MILITANTEM CHRISTI HABVIT RELATVSQVE EST IN VRBEM PATRVM DECRETO, ET HIC CONDITVS, VBI CAPVT ANDREAE APOSTOLI AD SE EX PELOPONESO ADVECTVM COLLOCARIIVSSERAT. Hie toto suo pontificatu cardinales XII. veteribus addidit, urbem Romam etiam multis aedifieiis exornavit et Tybure arcem extruxit.

Π. Der Historiker und seine Quellen 1. Eneas Kenntnis von Böhmen Der Beginn von Eneas Interesse an der böhmischen Frage wird für gewöhnlich im Zusammenhang mit seiner Teilnahme am Baseler Konzil gesehen, wo es u.a. auch um das Königreich Böhmen ging.1 Aus dieser Zeit stammt seine erste Erwähnung Böhmens gelegentlich der Ankunft zweier böhmischer Gesandter in Basel am 1. November 1432. 2 Ein Höhepunkt seines langjährigen Interesses an der böhmischen Problematik war dann die Denkschrift De compactatis Bohemorum, in der er seine bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen zusammengefaßt und sie 1456 vor Papst Calixt III. vorgetragen hat. Der Ton seiner Rede war versöhnlich, wenn es sich dabei auch nur um einen unverbindlichen Entwurf handelte. Die Entscheidung überließ Enea natürlich dem Papst.3 Aus dem Vergleich dieser Erklärung mit dem späteren Bescheid Pius II. an die Gesandtschaft des böhmischen Königs Georg von Podebrad am 31. März 1462, als die in Iglau 1436 feierlich beschworenen Kompaktaten 4 de facto bereits aufgehoben waren, geht hervor, daß die Jahre 1456 und 1462 den Zeitraum eingrenzen, in dem sich Eneas Ansicht über die böhmische Frage von einem bedingten Entgegenkom1 Pekar I 160 f.; F. M. Bartos im Nachwort (S. 45 f.) zur Ausgabe von Martin Lupäc (Der Streit um die Kompaktaten), die A. Cisarovä-Kolärova 1953 in Prag besorgt hat; Smahel 1998 S. XIV. Ders. 2001, S. 387 f. 2

FRA 61, Brief Nr. 8 vom 1.11.1432, S. 13.

3

Oratio coram Calixto III. in: Joh. Mansi, I 1755, S. 352-383. Die Rede hat die Form einer gelehrten Disputation. Erst zum Schluß (S. 381) sagt er: Nos quantum capimus tantum sapimus. Sed quia vidimus patres in Basilea residentes, antequam consilium auctoritate apostolica solveretur, genti Bohemicae potum calicis indukisse; ratione pari et nunc indulgendum opinamur magis quam credimus. Trotz seiner humanistischen Gelehrsamkeit trug Enea seine Rede also lediglich als unverbindlichen Entwurf vor, in dem Gründe pro et contra angeführt werden, keineswegs in starrer Form, d.h. lediglich als causa disputationis, nicht etwa als asserendo. Zu den Iglauer Kompaktaten s.Jihlava a basilejskd kompaktata. Sbornik prispevkü ζ mezinarodniho sympozia k 555. vyroci prijeti Basilejskych kompaktat. Iglau 1991. 4

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

men gegenüber den böhmischen Hussiten (1456)5 zu einer neuerlichen Verurteilung (1462) gewandelt hatte. Die HB, die Enea in der zweiten Hälfte des Jahres 1458 vollendete, entstand also in dieser Zeit seines Urteilswandels über Böhmen, wobei die Vorstellung des Kardinals Enea Silvio de' Piccolomini, des Diplomaten und Politikers in seiner Zeit, praktikabler erscheint, als die des Papstes Pius II., dessen Vorstellung über die zukünftige Entwicklung im Königreich Böhmen sich erst viel später, nach der Schlacht am Weißen Berge (1620) verwirklichte. Schon allein deshalb ist es angebracht, sich näher mit der Genese und Entwicklung von Eneas Interesse an der böhmischen Problematik zu befassen. Uber zeitgenössische oder unlängst vergangene Ereignisse in Böhmen, die nostra aetas (vgl. HB II, 2/8), konnte sich Enea als Sekretär in der Kanzlei des Kaisers Friedrich III. nach 1442 gute Kenntnisse erwerben. Würdenträger und Humanisten aus Böhmen konnten ihn über das Nachbarland informieren und werden das getan haben. Die Forderung, soweit möglich alle Belege über das, was Enea Silvio über das Königreich Böhmen geschrieben hat, zu sammeln, erhob zuerst 1928 Josef Pekar. 6 Anders als Vaclav Novotny, F. M. Bartos und Andere, sah er in Enea vor allem einen Zeitgenossen der Endphase der Hussitenbewegung und der anschließenden Jahrzehnte des Georg von Podebrad, und deshalb konnte er die HB als Quelle der Zeit verstehen, die neue Informationen enthält und neue Interpretation ermöglicht. 5

Vielsagend sind die Schlußworte in Eneas Erklärung aus dem Jahr 1456 (Mansi I 382 f.): Nec nos movent, quipropterea negant cum Bohemis denuo paciscendum, quia priora non sunt ab his pacta custodita. Habent namque Bohemi multa quae obiiciunt, ne fidei fractores videri queant. Sed ignoscendum est etiam frangenti fidem dicente ad Petrum Domino: Non tantum septies, sedseptuagj.es septies peccanti in se fratri remittendum. Admonendi et revocandi sunt cum summa caritate Bohemi tanquam fratres et cohaeredes nostri in regno D.N.I. C. Quod si recipiant admonitiones et in pactis perseverant, lucrati sumus animas fratrum. Si minus, non est pejor nostra conditio quam ante fuit. 6

Pekar, 2izka I 1927 (1992) S. 266, Anm. 3 zu S. 162. Bylo by pracivdecnou vydati tiskem vie, co Sylvius napsal ο ceskych vecech (krom Dejin) ν rozlicnych spisech a listech svych. Nejvtce mist takovych shromazdil Urbanek, Vek Podebradsky, 1-11. (Es wäre eine dankbare Aufgabe, all das herauszugeben, was Enea über böhmische Angelegenheiten (außer der Geschichte) in seinen verschiedenen Schriften und Briefen aufgezeichnet hat. Die meisten solcher Stellen hat Urbanek, Vek Podebradsky I-II, zusammengetragen.) Vgl. Rothe, 1988, S. 142.

Eneas Kenntnis von Böhmen

097

Sie ergibt sich aus der Tatsache, daß Enea nicht nur mit vielen böhmischen Protagonisten der damaligen Ereignisse, und zwar sowohl mit denen, die die traditionelle Verbindung mit der römischen Kirche hielten, als auch mit den Vertretern der Hussiten, persönlich bekannt war, sondern daß er wohl auch schriftliche Quellen kannte, die später verloren gingen oder sich unvollständig erhalten haben. Pekar hat auf Eneas persönliche Bekanntschaft mit Ulrich von Rosenberg (1403-1462) hingewiesen. Uber Ulrich, der zwar gegen die Hussiten gekämpft, sich aber auch an Kirchengut bereichert hat, zeigte sich Enea in der HB gut informiert. 7 Ulrichs Sohn Jost, (1430-1472), seit 1456 Bischof von Breslau, ließ wahrscheinlich als Erster aus Böhmen Eneas HB abschreiben. 8 Mit Prokop von Rabstein (f 1472) verband ihn Freundschaft. 1444 hatte er ihm seinen Traktat Somnium de fortuna gewidmet, 1451 hatte Prokop seine Rede für den Landtag von Beneschau übersetzt, 1457 empfahl Enea ihn als Erzbischof von Prag. In Neuhaus (Jindrichüv Hradec) war Enea Gast des dortigen Herrenstandes und traf dort Magister Johann Papousek von Sobeslav (1412-1455), dessen lateinisch geschriebene Erinnerungen er kannte. 9 Aus seiner Wiener Zeit kannte er auch Johann Tusek, mit dem er korrespondierte. Den späteren König Georg von Podebrad hatte er in Beneschau 1451 kennen gelernt. Zweimal war Enea bei den Taboriten in ihrer Stadt. 10 In Südböhmen und in Italien war er dem Wenzel von Krummau begegnet, mit dem ihn gleiche humanistische Interessen verbanden. 11 Diese Verbindungen rissen auch in seinem Pontifikat nicht ab. 12

7

Vgl. HB III 57; IV 195,253, 313.

8

Pekaf I 267 und II 135.

Pekar II 128. 1462 zeigte Enea in Rom böhmischen Gesandten Materialien zu den Hussitenkriegen, die Mag. Papousek von Sobeslav gesammelt oder bearbeitet hatte. Soweit es sich nach dem Fragment, das Loserth ( M i t t e i l u n g e n 9

des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen

29 [1890/91], S. 292-295)

publiziert hat, beurteilen läßt, war Papouseks Haltung gegenüber dem Hussitentum ebenfalls ablehnend. Vgl. Urbanek, Vek Podebradsky, Bd. 3, S. 53 f. 10

Pekaf I 167 f. und 268, Anm. 1 zu S. 168.

11

Josef Hejnic, Enea Silvio 1991, S. 19-28, bes. S. 21 f. Anm. 3.

12

Uber die Verbindungen von Pius II. mit Böhmen und Mähren in den Jah-

ren 1458-1464 vgl. Repertorium CXVIII 1995, S. 175-179.

Germanicum,

passim. J. Hejnic, Listy

fdologicke

098

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Pekaf stützte sich in seinen Ausführungen zum größten Teil auf die Analyse, die Rudolf Urbanek schon vorher veröffentlicht hatte. 1 3 U n d Urbänek gab auch Frantisek Smahel die Anregung für eingehendere Studien zu derselben Problematik aus der Sicht der damaligen humanistischen Strömungen in Böhmen u n d Mähren. Dieser Anregung ist Smahels wegweisende Studie über den H u m a n i s m u s der Podebrad- Zeit zu verdanken 1 4 , in der er sich mit dem verhältnismäßig großen Personenkreis beschäftigte, mit dem Enea im Laufe seiner Wiener Tätigkeit in der kaiserlichen Kanzlei in Berührung kam bzw. der in seiner Korrespondenz auftaucht. Das gesamte Netz persönlicher Kontakte, die Enea mit böhmischen Zeitgenossen unterhielt, präsentierte Smahel 1998 erneut in seinem umfangreichen Vorwort zu der letzten Ausgabe der Historia Bohemica,15 Der verhältnismäßig große Kreis von Personen u n d Institutionen, von dem hier die Rede war, kann noch erweitert, bzw. die bisherigen Erkenntnisse können anhand des Studiums der Korrespondenz noch vertieft werden, die die römische Kurie mit dem Königreich Böhmen in der Zeit des Pontifikats Pius II. (1458-1464) unterhalten hat. Die Regesten dieser Korrespondenz sind n u n zugänglich. 1 6 Neben Institutionen (Klöstern, Kapiteln und ihren Mitgliedern) unterhielt die römische Kurie während des Pontifikats Pius II. Kontakte mit Mitgliedern des Herrenstandes, der Geistlichkeit, mit dem niederen Adel und Bürgern. Es werden aufgeführt die Klöster in Bfevnov bei Prag, in Osek, Chotesov, tdir, Mitglieder des Kapitels von St. Veit/Prag und Leitmeritz, die Archidekane von Bischofteinitz/Horsovsky Tyn, der Diplomat Elias Cech (der in Diensten der Grünberger Liga stand). 1 7 Der beträchtliche Um-

13

R. Urbanek, Vek Podebradsky, Bd. 14, Prag 1915-1957.

14

F. Smahel, Humanismus ν dobe podebradske. Rozpravy CSAV. Rad a spolecenskych ved. Rocnik 73 (1963), Heft 6. 15

Smahel Cuniculum vitae humanisty, diplomata a papeze, in: D. Martinkova u. A. 1998, S. XIV-XXVII, englisch S. LIV-LXVIII; Enea a ceskd otdzka, ebd. S. XXVII-XLI bzw. LXVIII-LXXXV. Ders. 2001, S. 382-394. 16

Repertorium Germanicum. VIII. 1: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Pius II vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reichs, seiner Diözesen und Territorien 1458-1464. 1. Teil: Text. Bearbeitet von Dieter Brosius und Ulrich Scheschkewitz. Für den Druck eingerichtet von Karl Borchard. - 2. Teil: Indices. Bearbeitet von Karl Borchard. Tübingen (Niemeyer) 1993.

Eneas Kenntnis von Böhmen

099

fang persönlicher Kontakte, die die römische Kurie während des Pontifikats Pius II. mit Böhmen und Mähren unterhielt, legt Zeugnis davon ab, welche Bedeutung diesem Gebiet von Pius II. im humanistischen Geist zugeschrieben wurde, der die Bedeutsamkeit der privaten Verbindungen fur die zeitgenössische politische Tätigkeit ebenso zu schätzen wußte, wie er auch dessen Wichtigkeit mehrmals in der HB betont hat. Eneas gute Vertrautheit mit den böhmischen Verhältnissen seiner Zeit und seine Landeskentnisse aus eigener Anschauung geben seinen Äußerungen über das Königreich Böhmen und vor allem seiner Darstellung in der H B trotz Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten, auf die seit Palacky immer hingewiesen wurde 18 , einen hohen Wert. Auf den ersten Blick fällt es auf, daß er Böhmen als Land der Widersprüche sah; zuerst in Briefen, dann aber auch in historiographischen Werken. So schrieb er schon 1445 an Kardinal Juan Carvajal (1399 bis 1469): 19 Nunc in Bohemiam transeo, ubi, quo sunt viri ingenio et doctrina prestantiores, eo interdum major stultitia reperitur. Das zielte auf die ungebildete Landbevölkerung, die sich nach dem Mythus von einem sog. stadicky kräl regieren ließ, und ähnlich ließe sich das Volk in Böhmen noch heute fuhren, verblendet von dem Wahn (insania) der Ketzer Hus und Hieronymus, und zum Anfuhrer habe man sich den blinden 2izka gewählt, dem die blinde Fortuna den Sieg verliehen habe. In der Praefatio der H B nennt er Böhmen ein Land voller wundersamer Gegensätze. Es sei das Land der Heiligen (Wenzel, Ludmila, Adalbert) und ihrer Mörder (Boleslav I., Drahomira); der Bekenner und Ketzer, tapferer Männer, die bereit seien, ihr Leben für das Vaterland zu opfern, aber auch der Feiglinge, die beim bloßen Anblick von Waffen vor Entsetzen zitterten; ein Land, in dem zeitweilig die Frauen die Macht erobert hatten; in dem man sich dem Trunk ergebe, und in dem der Spruch gelte: wie der König (d.i. Wenzel IV.), so das Volk. Ein Kaiser 17 Über die b ö h m i s c h e n Eintragungen in den beiden oben angeführten B ä n d e n des Repertoriums vgl. Listy filologicke 118 (1995), Nr. 1-2, S. 175-179.

Enea Silvio schrieb z.B. den Sieg in der Schlacht bei Usti (1426) J a n 2 i z k a zu, obwohl es zu diesem Ereignis fast zwei J a h r e nach dessen T o d (1424) gek o m m e n war. Ein wenig wirr ist auch die Darstellung der Schlacht bei Lipany. D a z u Palacky, Dejiny III 550-553. 18

Eneas Brief v o m 21.5.1445 in F R A LVI, N r . 170, S. 495. Vgl. C. Zibrt, Bibliografie äske historic III, Prag 1906, Nr. 7.250. 19

0100

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

könne eine lasterhafte Person zur Gemahlin haben, Sigismund die Barbara von Cilli, die nach ihrem Tod in Prag an der Seite der Könige begraben worden sei. Alles sei in Böhmen möglich (HB IV 500). Selten werde solche dunkle Wirrnis von einem hellen Aufblitzen durchbrochen, z.B. bei der Rückkehr des Kaisers Sigismund nach Prag: Nova iam fades urbis, novus populus verusque redisse religionis cultus apparebat (HB IV 48). Sigismunds Absicht sei gewesen: Voluisse illum paternam hereditatem quoquomodo intrare sensimque regni possessione accepta more maiorum sub veram Christi religionem provinciam reducere. (HB IV 50). Aber sogleich habe sich Rokycana widersetzt. Zwar mußte er den Zorn des Kaisers furchten, er verließ seine Prager Pfarre bei St. Marien am Tein und wich nach Königgrätz aus. Seinen Platz konnte vorübergehend Eneas Freund Johann Papousek einnehmen. Aber nach Sigismunds Tod kehrte Rokycana doch wieder zurück und trieb sein Wesen (HB IV 273-276). So ergibt sich die Frage, nach welchen Ordnungskriterien Enea die böhmische Frage verstand? Dazu vgl. Abschnitt V, S. 0224ff.

2. Historiographische Werke Eneas und Zitate aus ihnen in der Historia Bohemica Enea Silvios (Pius II.) umfangreiches Werk hat Franz Josef Worstbrock in sechs Gruppen eingeteilt:20 1. Briefe (einige in Traktatform); 2. Gedichte; - 3. Dialoge; - 4. Reden; - 5. Politische Traktate; - 6. Historiographie, Biographie, Geographie.

a. Werke Die letztgenannte Gruppe, zu der die HB gehört, bilden vor allem die folgenden Werke: 1.

Commentarii de gestis concilii Basiliensis, die Schrift entstand zwischen November 1439 und Juli 1440; Enea revidierte sie jedoch 1450;

20 F. J. Worstbrock, Piccolomini 1989, S. 634-670; vgl. Letteratura italiana. GH Autori. Dizionario bio-bibliografico e Indici, Bd. 2, (H-Z). Turin 1991 (Einaudi), S.

1409-1410, s.v. „Pio II."

Zitate aus früheren Werken

0101

2.

De viris illustribus, aus der Zeit zwischen 1440 und 1450;

3.

Pentalogus de rebus ecclesiae et imperii, 1443;

4.

De ortu et auctoritate imperii romani, 1446.

5.

In libros Antonii Panormitae de dictis et factts Alphonsi regis memorabilibus commentarius, aus den Jahren 1445-1456;

6.

Historia Gothorum, 1453;

7.

Historia Austrialis (Historia rerum Friderici III. Imperatoris) in drei Redaktionen; aus den Jahren 1453-54: 1. Redaktion, unvollendeter Entwurf; 1454-55/58: 2. ebenfalls unvollendete Redaktion, die sich auf O t t o von Freising und Flavio Biondi stützt; u n d 1458 (nach der Papstwahl): 3. Redaktion - der neu bearbeitete und erweiterte Stoff ist jetzt in 7 Bücher eingeteilt;

8.

Germania, 1457/1458;

9.

Historia Bohemica, abgeschlossen in der zweiten Hälfte des Jahres 1458, beinahe zur selben Zeit wie Nr. 7, dritte Redaktion;

10. Europa, 1458; 11. Epitome aus Flavio Biondis Werk Decades, entstand nach August 1458; 12. Asia (1461) 13. Commentarii, abgeschlossen am 31. Dezember 1463. Hinzu k o m m e n zahlreiche Reden, Briefe und politische Traktate, vor allem die Türkenreden vor dem deutschen Reichstag, in denen Enea auch als Historiker schrieb. Aus vielen dieser früheren Werke und Briefe finden sich in der HB kürzere oder längere Partien gleichsam inseriert und umgekehrt ist aus der HB Manches in späteren Werken übernommen.

b. Zitate aus früheren Werken in der Historia Bohemica Als Alfons von Aragonien am 27. Juni 1458 starb, hatte Enea gerade seine Schrift über die böhmische Geschichte fertiggestellt. 21 Er mag 21

HB V 430: Dum hec scribo, Alfonsi regis Aragonum, cui presentem histonam dedicaveram ..., nuntiatus est obitus. Quinto Kalendas Iulii clausisse oculos traditur, V 433: Nos operi, quod iam finem requirit, summam admoveamus manum. Uber ihre schnelle Fertigstellung vgl. Pekaf I 162.

0102

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

eilig gearbeitet haben, um genug Zeit für die Verhandlungen über die erwartete Wahl eines neuen Papstes zu haben, zu der es wegen der Kränklichkeit des greisen Calixt III. unabwendbar kommen würde. Möglicherweise hatte er sich die Arbeit bereits vorher teilweise dadurch erleichtert, daß er die böhmische Geschichte etwa bis zum Tod Wenzels IV. nach älteren Chroniken dargestellt hatte, während er die Zeit, die er selbst erlebte, den zeitgenössischen Quellen gemäß schildern konnte. Außer auf die eigenen Erinnerungen und die Erinnerungen von Zeitzeugen stützte er sich vermutlich auch auf Material, zu dem er im Laufe seines Wirkens in der Kanzlei Friedrichs III. in Wien Zugang hatte. Aus früheren Werken finden sich in der HB Zitate vor allem aus Nr. 1, 2, 4, 5, 7 sowie aus Briefen und Reden. 1) Aus Degestis concilii Basiliensis (1439/1440; 1450) In der Abhandlung De gestis concilii Basiliensis, die Enea 1450 Juan Carvajal aus der Wiener Neustadt schickte 22 , gibt es auch eine Darstellung über Böhmen. Auf S. 166-169 wird zunächst die Verstocktheit von Jan Hus und Hieronymus von Prag erwähnt - eine Analogie findet sich in HB II 303. Es folgt eine Erörterung über die Kriegstaktik der Hussiten mittels beweglicher Wagenburgen (HB III 246-253). Der Abschnitt über Jan Hus als Anhänger John Wicliffs und über seinen Streit mit den deutschen Professoren an der Prager Universität haben eine Analogie in HB II 220-232. Auch über die hussitische Häresie, die hussitischen Unruhen, die sektiererischen Adamiten und von der adamitischen Segensformel (vgl. Gen. 1,28) ite, crescite et multiplicamini et replete terram wird ebenfalls in HB 239-277 und III 45-52 geschrieben. Auch den erfolglosen Feldzug Kardinal Julian Cesarinis nach Böhmen schildert Enea in HB III 307-339, ebenso wie die vier Prager Artikel in HB III 397 f. erwähnt und die Polemik Julian Cesarinis mit Prokop dem Kahlen auf dem Baseler Konzil in HB 404-411 angeführt werden. Die erfolglose hussitische Belagerung Pilsens, die mit der Niederlage des Heeres der Taboriten und Waisen in der Schlacht bei Lipany endete, ist gleichfalls in HB III 450-514 dargestellt. Auch vom Tod des Königs Albrecht II. ist die Rede in HB IV 269-272.

22

FRA II, Band 67, Nr. 44, S. 166-169, 179-181, 186, 202.

Zitate aus früheren Werken

0103

2) Aus De ortu et auctoritate imperii romani (1446) Die berühmte Finalsentenz: nobis persuasum est, armis acquiri regna, non legibus (HB V 463) wurde zuerst in De ortu (1446) formuliert: potius armis quam legibus (ed. Kallen S. 70, 250-252; s.u. S. 0241); danach mündlich verwendet (s. Campanus, S. 049/077). 3) Aus De viris illustribus (1440/1450) Mehrfach finden sich Zitate aus De viris illustribus: (ed. van Heck). S. 35 f., (De Leonardo Aretino): hic (seil. Poggius) apud Constantiam in secretarium reeeptus est apostolicum, ubi et de morte Jeronimi Bohemi elegantem scripsit epistolam. - HB II 311: Poggius Florentinus, etatis nostre scriptor nobilis, de morte Hieronymi ad Nicolaum Nicoli, concivem suum, elegantem scripsit epistolam. In HB II 197-200 führte Enea lediglich ein knappes Regest seiner Darstellung über Kaiser Sigismund an, die er schon ausführlicher in De viris illustribus (S. 45-55) gegeben hatte. Sehr ähnlich ist an beiden Stellen die Charakteristik König Wenzels IV., De viris illustribus (ed. van Heck), S. 49: Vinceslaus autem fuit homo deditus voluptati, laborum fugax, vini cupidus, thesauri amator, venationis secutor. - HB II 211: Fuit enim Venceslaus longe patri absimilis, voluptatum sequax ac labores fugiens vinique prorsus quam regni curiosior. Eneas Ausführungen über König Albrecht sind in De viris illustribus (55-58) umfangreicher und systematischer als in der HB, in der die übereinstimmenden Formulierungen mit größeren Abständen in den Rahmen der böhmischen Geschichte hineingesetzt sind. 4) Aus In libros Antonii Panormitae commentarius (1445/46) Die Schrift In libros Antonii Panormitae de dictis et factis Alphonsi regis memorabilibus commentarius aus den Jahren 1455-56 enthält u.a. einen Abschnitt, der Jan 2izka von Trocnov gewidmet ist. 23 Opera omnia (1571), S. 487: 23

Vgl. auch Eneas Brief an Juan Carvajal vom 14. August 1451 FRA 68, Nr. 18, S. 24: Hic dux (d.i. Zischa) cum morti proximus esset consultarentque Thabonte, quem post se prineipem designaret, postquam, inquit, animus a me fugent, excoriate corpus meum et carries date volucribus; ex corio vero tympanum facite atque hoc in prelium ducem habete; nam quovis locorum Theutones sonum ejus audierint, mox terga dabunt Ziscam in timpano formidantes.

0104

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Zischa homo Bohemus humili loco natus multa vi animi et corporis, sed ingenio pravo, cum Hussitarum labes Bohemiam infecisset, ducatum haereticorum suscepitpraeliaque complura adversusfideles...felicitergessit. Amisit hic oculum unum in pueritia dum inter aequales luderet. Altern in obsidione cuiusdam castri privatus est. Sed neque oculo utroqu cassus imperio se abdicavit. Sequebantur eum ingentes copiae ab eoque non Bohemi tantum, verum etiam Teutones magnis cladibus affecti sunt. Is moriturus cum rogaretur de suo corpore quidfieri suaderet, 'Pellem', inquit, 'morituro demite relictoqueferis cadavere ex ea tympanum facite, quo in praeliis utamini. Nam ut hostes viventis aspectum non ferebant, ita mortui sonitum non ferent. HB II 359: Recens obierat Venceslaus cum Iohannes Zischa, genere nobilis ex loco, cui Trosnovia nomen est, censu tenui, in curia regis a puero enutritus et belli exercitatus, uno carens oculo, quem strenue pugnans iam pridem amiserat. HB III 111 -.Cum vero ... Rabi... oppugnaret, oculum, quo uno lumen celi videbat, ... amisit. HB III 113: Necpropterea castrensem laborem ... omisit. Ceco populo cecus placuit ductor. HB III 233: Zischa ... apud castellum Prisroviam ... peste tactus expiravit. HB III 235 f.: Ferunt illum, cum egrotaret, inenogatum, quonam loco mortuus sepeliri vellet, iussisse cadaveri suo pellem adimi, carnes volucribus ac feris obiectari, ex pelle tympanum fieri eoque duce bella geri. Arrepturos fugam hostes, quamprimum eius tympani sonitum audierint. Bereits Pekar (II 19 f.) hat bemerkt, daß diese beiden Traditionen im Detail divergieren: Nach der älteren Version von 1455/56 verlor 2izka ein Auge schon als Kind, nach der späteren (HB) geschah dies erst im Erwachsenenalter. 2izka, späteren Worten Eneas zufolge (HB III 234) als monstrum detestabile, honendum, importunum charakterisiert, wird in dem Brief an Carvajal mit dem Ausdruck dux bezeichnet, der, als er seinen Nachfolger (principem) benennen muß, anordnet, mit seinen sterblichen Uberresten so zu verfahren wie mit denen Vlastas, der Führerin der aufständischen Mädchen. 24 5) Aus Briefen Am stärksten belegen Eneas Interesse am Königreich Böhmen seine Briefe. Auch sie enthalten zahlreiche analoge Formulierungen. Eines 24

H B I 281: Valasca inter clanssimas feminas numeranda, plus ausa quam sexui suo congrueret, insepulto cadavere iacens feris ac volucribus esca fuit.

Zitate aus Briefen

0105

der älteren Zeugnisse ist der schon genannte Brief an Juan Carvajal vom 21. Mai 144525, in dem Enea Premysl den Pflüger mit dem römischen L. Quinctius Cincinnatus vergleicht. 26 Von den böhmischen Chronisten zeichnete schon Kosmas diese Legende auf, die in Nordböhmen um Stadice kursierte. 27 Zur besonderen Stellung von Stadia findet sich - mit einer kritischen Anmerkung Eneas an die Adresse Kaiser Karls IV. - auch eine Bemerkung in HB I 141, die davon zeugt, daß Enea während seiner Tätigkeit in der kaiserlichen Kanzlei in Wien Zugang zu Urkunden hatte, die von den Kaisern der Luxemburger Dynastie ausgefertigt waren. 28 Den Tod der Barbara von Cilli (am 11.7.1451), der Gemahlin Kaiser Sigismunds, zeigte Enea Kardinal Juan Carvajal mit einem Brief vom 21. August 1451 an 29 , wobei er sich lediglich mit der Bemerkung begnügte, daß Barbara in Prag auf der Burg begraben sei und nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt habe. 30 Die Formulierung HB IV 489500 ist sowohl Barbara als auch den Böhmen gegenüber härter, da diese sie an der Seite der böhmischen Könige bestatteten - in Böhmen sei eben alles möglich. 31 Den Bericht über Jan Jiskra und seinen Besuch in der Wiener Neustadt bei Ladislaus Postumus fuhrt Enea beinahe gleichzeitig mit ähn25

s. o. S. 099.

26

Vgl. Livius III 26, 1-3.

27

Cosmae Pragensis Chronica Bohemorum (ed. B. Bretholz). Berlin 1923, Kapitel VI, S. 16 f. (Monumenta Germaniae historica. Scriptores rerum Germanicarum, N . S., Band II). - Z u m O r t s n a m e n Stadia vgl. Profous-Svoboda, IV 156. 28

H B I 141: Vidi tarnen inter privilegia regni litteras Karoli Quarti..., in quis hec tanquam vera continentur villeque illius incole, in qua hec gesta creduntur, libertate donantur nec plus tributi pendere iubentur quam nucum illius arboris exiguam mensuram. Sed nec mihi Karolus fidem facit. 29

FRA 68, N r . 12, S. 27 f.

30

FRA 68, N r . 12 auf S. 27 f.: interea et Barbara imperatrix ... diem obiit, cujus corpus Pragam delatum in Castro sepultum est. Cordata mulier fuit, sed future vite, ut ajunt, parum credula. Nunc, si pie vixit, mercedem habet. Sunt qui defunctam bene et ut Christianam decuit, supremum spiritum emisisse dicunt. - Der Abschnitt De Barbara imperatrice {De viris illustribus, S. 91 ed. v a n Heck) entstand erst nach d e m T o d der Barbara v o n Cilli. H B IV 489-500 m i t d e m Schluß: Non sunt regibus Scripte leges nec quicquam in Bohemia non permissum. 31

0106

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

lichen Worten in De viris illustribus und in einem Brief an den Passauer Bischof Leonhard Laiming vom 28. Oktober 1445 an. FRA 61, Nr. 142, S. 568: Is (d.i. Giskra) presentiam regis desideravit, ad quem cum venisset puerulumque conspexisset, collacrimatus est et, heu quantos inquit, pro te labores subii, quot adivi pericula, quantum sanguinis perdidi. Sed tu hecper etatem non intelligis ... Tum Johannes, magister camere imperialis, ... hic, inquit, serenissime princeps, diu tuaspartes in Hungaria tutatus est... Cur non sibi Stipendium prebes? Ad hecpuellus, divino quodam spirutu ductus, apertis loculis, qui juxta filacterias Johannis pendebant, sex nummos recepit Giskreque tradidit, quos ille filo aureo ad collum suspendit et usque in hanc diem ob memoriam puerilis liberalitatis secum defert. De viris illustribus (ed. van Heck) S. 108, Z. 12-24: Hic (d.i. Giskra) cum Novam Austrie Civitatem petivisset suum regem visurus Ladislaum eiusque in conspectu foret, ac tum pulcritudinem, tum gravitatem pueri contemplaretur, lacrimari cepit et voce submissa 'Heu ! quot', inquit, 'labores tui causa subivil quot adivi pericula, quas sum passus insidias! Utinam eo etatis venias, in quo fideles, qui tibi fuerint, possis intelligere'... Aderat forte Johannes, sive gratia regis camere magister, sive exquestor dixitque puero 'Hic tui exercitus ductor est, serenissime rex; quin tu Uli stipem tradis?' Sex annorum erat puer atque ut exquestorem audivit nec ipse marsupium haberet, arre

ta ipsius questoris bursula sex erecos nummos recepit Giskreque tradidit. Quos ille filo suspensos aureo collo suo suspendit continuoque sie defert, aiens se in eo nosse puerum, si vixerit, liberalem futurum. Ein drittes Mal hat Enea dieses Ereignis in HB IV 388-400 eingebaut: Is (d.i. Giscra) ubi ad conspectum regis intromissus est apud Novam Civitatem, quo in loco tunc aderamus, astantibus plurimis illachrymans Ladislai manum exosculatus in hunc modum verba fecit: Video te tandem teneoque, mi rex. 0 si scires, que pericula propter: Te adivi, quibus me laboribus implicui, quot adverso corpore vulnera excepi. En cicatrices testimonio suntol Patri ego tuo tibique vitam devovi. Nulla vis est, nulla fortuna, que alienare animum a te meum possit. Ojficia mea sola tibi auferet mors. Sed tu hec per etatem non intelligis', et subridens 'Quod ergo mihi premium fidei ac laboris erit? Quod das militi tuo Stipendium?' Sextum tunc annum agebat Ladislaus, qui postquam Giscra finem diandi fecit, oculos hue atque illuc circumvolvens, loculos Iohannis magistri camere suspiciens ex filateria pendentes, qua ille nummos more Theutonico pauperibus erogandos asservabat, hanc tacitus arripit. Eraque sex tantum - neque enim plura invenit - illinc deprompta Giscre dono dedit. Admirati

Zitate aus der Historia Bohemica in der Europa

0107

omnes pueri factum et providum et liberalem futurum iudicavere. Giscra innexos postmodum auro nummos e colo suspendit regie gratitudinis monumentum. Der Bericht von der Hinrichtung Jan Smirickys, der Ladislaus Postumus vor einer Reise nach Böhmen gewarnt hatte, ist in einem Brief enthalten, den Enea am 30. September 1453 dem Kardinal Nikolaus Cusanus schickte. 32 In HB IV 555-571 ist dieser ganze dramatische Vorfall überarbeitet und grundlegend erweitert worden. Die Belege zeigen, daß Enea sich nicht scheute, seine Formulierungen, aber auch ganze Passagen aus früheren Werken in der HB und aus dieser in der Europa zu wiederholen, gelegentlich zwei- bis dreimal. Vielleicht war es ein bewußtes Konstruktionsverfahren, vielleicht nur humanistische Unbedenklichkeit und Zitierfreude. Doch ist es kaum denkbar, daß sich jemand auf diese Weise fortwährend zitiert, ohne daß Gedanken und Motive des einen Textes in den anderen mit hinüber genommen werden.

c. Zitate aus der Historia Bohemica in der Europa (1458) Vieles aus der HB ist in der Europa zitiert, die unmittlebar nach Abschluß der HB, noch 1458 geschrieben wurde, also fast gleichzeitig. Stellen wörtlicher Ubereinstimmung enthält die Darstellung der Schlacht bei Belgrad (22. Juli 1456), wie sie in der Schrift In Europam und in der HB ausgeführt ist. 33 Wie im ersten Fall der Satz Huius pugnae seriem in historia Bohemica comprehendimus andeutet, ist anzunehmen, daß die HB kurz vor der Abhandlung In Europam entstanden ist - möglicherweise beinahe gleichzeitig. Denn die Form comprehendimus kann sowohl als Perfekt- als auch als Präsensform verstanden werden. Die Ähnlichkeit beider Texte deutet gleichzeitig an, daß Enea verhältnismäßig umfangreiche Teile mit nur geringfügiger Bearbeitung aus seinen anderen Schriften übernommen hat. Dies ist kein Einzelfall. Weitere Parallelen gibt es zwischen der 32

FRA 68 Nr. 163, S. 291 f.

33

In Europam, in: Opera 1571 S. 403; HB V 107-162.

0108

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Schrift In Europam, cap. I. De Hungaria, De Sigismunde Imperatore, De Alberto rege Bohemo, in lmperatorem Romanorum a Germanis electo..., de multis aliis et ducibus et regibus, inter quos de Mathia, qui ex carcere ad regnum est vocatus34 und Teilen der HB, in denen Enea über Kaiser Sigismund und den böhmischen König Albrecht berichtet. Kapitel XXII {De Austria et aliquod rebus gestis in ea)35 berührt sich öfters mit dem Text der HB, in dem Enea die Verbannung und Rückkehr des Ulrich von Cilli umfassender geschildert hat. 36 Im folgenden Kapitel XXIII (De Moravia, per quam nulli propter latronum insidias transitus patet)^ beschreibt Enea zunächst die geographische Lage Mährens, erwähnt dann die Sitten der Bewohner und führt schließlich aus, daß Kaiser Sigismund Mähren unter den Schutz des österreichischen Herzogs und späteren Königs Albrecht stellte und schildert dessen dortige antihussitische Aktivitäten. 38 Dieses Kapitel wurde nach der Wahl des Tasso von Boskovice zum Bischof von Olmütz (1457) geschrieben, möglicherweise erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1458, wie die folgenden Worte andeuten: Regnum inter Moravos aliquando fuit latissimum ac potentissimum, quod usque ad filium Svatocopij duravit, cuius fortunam in Bobemica conscripsimus historian Böhmen erwähnt Enea äußerst knapp in Kapitel XXXIV (De Bohemia succinctej.40 Der Lage des Landes ist lediglich ein einführender Satz gewidmet, die gesamte übrige Darstellung gilt zeitgenössischen Ereignissen: Multa apud eos (seil. Bohemos) aetate nostra memoratu digna emerserunt, multa praelia gesta sunt, multus ibi sanguis effusus, deletae funditus civitates, spreta et conculcata religio. Exorta est Hussitarum haeresis, Adamitarum pullulavit insania, debacchati sunt Thaboritarum et Orphanorum exercitus, duo ful-

34

Opera, 1571, S. 387-392. Zur Wahl des Matthias Corvinus zum König von Ungarn kam es am 24. Januar 1458. 35

Opera 1571, S. 412 f.

36

HB IV 661-708; V 1-29.

37

Opera 1571, S. 414.

38

Vgl. HB III 168, 264 f., 340 f.

39

Opera 1571, S. 414. Vgl. HB I 337 und oben, Anm. 21, wo belegt ist, daß Enea die HB um den 27. Juni 1458, an dem Alfons von Aragonien starb, abgeschlossen hat. 40

Ebd. S. 427.

Historia Austrialis und Historia Bohemica

0109

mind belli Rysca (d.i. Zischa) et Procopius provinciam ex arbitrio suo diripuere. Ioannes ac Hieronymus populum decepere in Constantiensi magna synodo demum combusti, Iacobellus, Conrada, Rabazana (d.i. Rochezana) et Petrus Anglicus, evangelii corruptores, tanquam magistri veritatis habiti. Quatuor reges extirpare pestiferum virus non potuere, Venceslaus, Sigismundus, Albertus et Viadislaus (d.i. Ladislaus Postumus), qui apud eos veneno extinctus ereditus est. Postremo Georgius rex creatus, qui Hussiturum labe infectus putatur, mag nus vir alioqui et rebus bellicis clarus. Sed omnia haec in historia, quam de Bohemis his diebus edidimui41, conscripta sunt. Diese Worte stellen ein knappes Regest dar, das in wenigen Sätzen alles Wesentliche über die HB enthält. Die Formulierung stammt aus der Zeit nach der Wahl des Georg von Podebrad zum König von Böhmen (2. März) und nach seiner Krönung (am 7. und 8. Mai) 1458 und deutet - im Vergleich mit Eneas Worten vom 1. Februar 1458 - eine gewisse gedankliche Entwicklung an. 42 Während Enea am 1. Februar 1458 die angebliche Vergiftung des Königs Ladislaus Postumus schweigend übergeht und Georg von Podebrad als bedeutsamen Repräsentanten des Herrenstandes und Statthalter anfuhrt, wurde etwa in der zweiten Hälfte desselben Jahres beides relativiert, über Ladislaus verbreite sich die Auffassung (ereditus est), daß er vergiftet worden sei, über den böhmischen König werde geurteilt (putaturj, an ihm hafte der Makel der Ketzerei.

d. Historia Austrialis (1453-1458) und Historia Bohemica Fast gleichzeitig wurde die HB auch mit der Historia Austrialis (HA, auch Historia Friderici III. imperatoris) geschrieben. 43 Sie sind dem Stoff nach im ganzen verwandt und in vielen Teilen, vor allem im Schluß identisch (HB cap. 62-72). Die folgenden Stellen sollen es belegen. 41

Diese Form steht auf fol. N n 4r (= S. 427) unten, auf fol. N n 4v (= S. 428) ist jedoch oben das Wort edimus eingesetzt.

42 43

s. u. S. 0229 ff. Eneas Traktat Ad

Germaniam.

Zitiert wird nach der Ausgabe von Franz Kollar, Wien 1762; deutsche Ubersetzung v o n Theodor Ilgen, Leipzig 1890, Nachdruck 1940. Z u m Zusammenhang s. u. S. 0185 mit Anm. 21.

Ol 10

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

H A 18 Sed sunt o m n i a mendacia anilia deliramenta

et

H A 72 mansit concordia discors H A 179 Sanctum et justum h o m i n e m , qui calcavit avaritiam, libidinem subegit, honores seculi fugit ... H A 181 f. E o d e m tempore Barbara, que fuit Sigismund! conjunx, ex dom o Ciliensi, quamvis senectute confecta, peste tarnen interiit, nobilis genere, infamis vitae mulier, quam saepe in adulterio Sigismundus comprehendit: sed adulter ignovit adulterae. N a m et sibi nihil levius quam violare matrimonia fuit. Barbara vero tam inexhaustae libidinis inventa est, ut n o n tam crebro peteretur a viris, quam viros peteret. Ea post viri obitum in Bohemiam se recepit apud Graetium Reginae. Ibique inter greges exoletorum concubinosque consenuit: in tantamque dementiae caecitatem prolapsa est, ut sanctas Virgines, quae pro fide Jesu | mortem subiere, stultas publice compellaret, quae voluptatis gaudia gustare nescierint. Nihil deinde h o m i n i suum dicebat, nisi voluptates: Post hanc vitam aliam esse negabat et interire animas cum corporibus asseverabat. Sed hanc tam scelestam foeminam in domicilio Haereticorum apud Graetium defunctam scelerati et abominabiles Hussitarum sacerdotes Pragam duxere

H B I 67 Nos ista tanquam anilia deliramenta pretermiltimus H B IV 350 Sletit aliquandiu concordia discors H B V 159 Spreverat opes Capistranus, seculi pompas fugerat, calcaverat avaritiam, libidinem subegerat... H B IV 489-500 Apud Gretium Barbara imperatrix ea tempestate decedit, inexhauste libidinis mulier, que inter concubinos evum publice agitans sepius viros petiit, quam peteretur, neque christiane, neque alteri cuipiam religioni astricta, quippe que superos inferosque ullos esse negabat. Ferunt earn ancillas suas sepe orantes ieiunantesve increpasse, que corpus suum frustra macerarent fictumque celi numen placare verbis crederent. Vivendum suaviter, dum vita suppetit fruendumque voluptatibus. Id tantum homini datum, cuius anima cum corpore simul extinguitur. Somniare, qui alteram sibi vitam promittunt. Congrua moribus sententia. N a m qui relicto animi cultu voluptati corporis se dedere, gravati vitiorum sarcina, n o n quibus explicentur vitamque corrigant, sed que captum iter approbent, ea dogmata facile imbuunt. Neque inquinatis mentibus solamen ullum valentius, quam si totum extingui morte h o m i n e m opinentur. U n a salus desperanti celum inferos n o n

Historia Austrialis u n d Historia

Bohemica

Olli

Vgl. FRA 68, Nr. 12, S. 27 f.

timere. Corpus Barbare, quamvis infidelis femine, Bohemi Pragam tulere peractoque funere in sepulchris regum condidere. Nec defuere sacerdotes, qui profanum cadaver ecclesiastico ritu sepelirent. Non sunt regibus Scripte leges nec quicquam in Bohemia non permissum.

W 4 , fol. 51 r [IV] 29 (Videsjne bone vir quam multi magnique principes et ipse rex noster vnum ritum sequuntur romane conformes ecclesie cur non his consentis pocius quam rokezane nonne satis nitida nostra tibi videtur religio an plus sapere paucos bohemos quam christi ecclesiam censes / pogiebratium respondisse / Si tua hec verba sunt non est quem simulas / sin aliena satis facere me illis oportet qui te misere non tibi / ecclesiasticas cerimonias sua quisque pro fide gerit / sacrificia vt credimus deo exhibemus humani arbitrij non est quod velis credere demonstratione suasioneque mens humana volens nolensque capitur / vtque natura instituta est altera facilius altera difficilius / mihi persuasa est meorum sacerdotum religio / si aliter agam animo meo contrarius fiem homines fortasse fallam: deum qui corda inspicit fallere non possum, neque me tui similem esse decet / aliud histrioni, aliud viro nobili conuenit / in his que deo exhibemus nihil simulare licet hec vel tibi habe si sapis vel his referto qui te sumisere.

H B IV 729-748 om. IV 749-779 Videsne, quam multi et magni principes et ipse rex noster unum ritum sequuntur? Cur non his potius quam Rochezane consentis? An plus sapere paucos Bohemos quam reliquam Christi ecclesiam censes? Quin relicta incondita plebe nobilitati te iungis nobilem?' Ad quem Pogiebratius: 'Si tua sunt hec verba', inquit, 'non es, quem simulas. Tibi tanquam prudenti respondeo. Sin aliena, satis facere me illis oportet. Audi ergo! Ecclesiasticas cerimonias sua quisque pro fide gerit. Sacrificia ea facimus, que credimus deo grata. Neque nostri arbitrii est credere, quod velimus. Victa magnis rationibus mens humana volens nolensque capitur. Utque natura instituta est, altera facile trahitur, altera elabitur. Mihi persuasa est meorum sacerdotum religio. Si tuam sequar, homines fortasse fallam animo meo contrarius. Deum, qui corda inspicit, nequeo fallere. Neque me tui similem esse decet. Aliud histrioni, aliud vero nobili convenit. Hec vel tibi habeto, si sapis, vel iis referto, qui te summisere.

atque inter sua sacra Regum tumulis condidere: digni, qui tam impium funus peragerent impii.

0112

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

W 4 , fol. 51 Γ [V] 5 1 r D u m hec aguntur comes cilie per amicos clam regi reconciliatur reuersumque apud viennam mille cum equitibus magnoque et splendido apparatu adit venienti rex obuiam extra vrbem factus est / proceres nobiles populäres omnes secuti salutare amplecti laudare comitem certare inuicem contumeliosius eiecerint eum an magnificentius reuocauerint / intrante vrbem comite eyczingerus et qui cum eo sentiebant ex adversa parte exierunt spontaneum exilium eligentes / mira rerum mutatio, qui paulo ante mestus in exiliu m contemptus abiectusque missus fuerat in triumphantis m o d u m reuertitur / qui culmen potentie tenuerat et alterius dictarat exilium / quod in alios decreuerat, in se pati cogitur / lubricus apud reges primus (fol. 5 l v ) est locus, n o n est solida potestas que vnius ex voluntate dependet.

H B V 1-11 (1) Comes Cilie his gestis per amicos (2) clam regi reconciliatur. Reversusque apud Viennam magno et splendido apparatu mille ducens equites expeditos in (3) armis adit. Venienti rex obviam extra urbem factus est. (4) Proceres, nobiles, populäres om-(5) nes secuti. Salutare, amplecti, laudare comitem, certare invicem, contumliosius eiecerint, an magnificentius revocaverint. ( 6 / 7 ) Mira rerum mutatio: qui paulo ante mestus in exiliu m ierat, in triumphantis modum re (8) vertitur. Eyzingherus, qui culmen potentie consecutus eum deiecerat, quod in alium statuit, (9) in se ipsum pati cogitur. Intrante namque urbem comite ipse cum amicis egreditur spontaneum exilium eligens. (10) Lubricus apud reges primus est locus nec solida potestas unius voluntate subnixa.

HA 230 Liburni enim ea loca tenuerunt, quae nunc Carinthianorum dicuntur: sicut vetusta monumenta testantur, quae apud Solium, n o n longe ab O p i d o Sancti Viti frequentia monstrantur primis inscripta litteris, Liburnorum illic civitatem fuisse, manifestantibus. Inde illud Virgilianum plerique autumant: Anthenor potuit mediis elapsus Achivis IIlyricos penetrare sinus atque intima tutus Regna Liburnorum et fontem superare Timavi.

H B V 112 Maumethes ... nil dubitare, quin devicta Hungaria „Illyricos penetrare sinus atque intima tutus regna Liburnorum et fontem superare Timavi" rerumque caput Italiam atque R o m a m u n o impetu subigere posset.

Die Historia Bohemica und ihre Quellen

0113

Die Parallelen in beiden Texten stellte bereits im 17. Jahrhundert ein Wiener Bibliothekar in seinen Anmerkungen zu der Wiener Hs. 3366 (W 4 ) und nach ihm Kollar in der Edition der HA fest. 44 Die auffälligste Textparallele von HB und HA ist der Schluß beider Schriften. Die cap. 62-72 der HB sind identisch mit den Schlußkapiteln der HA. Zu ihrer Erklärung benötigen wir einerseits Kenntnis der historiographischen Quellen der HB, sodann die Analyse der Hss. ihres Textes.

3. Die Historia Bohemica und ihre Quellen a. Geographen der Antike und ihre Nachfolger (Hieronymus Camaldulensis) Enea sagt selbst (Praef. 31), daß die HB procul ab negotiis curie entstanden ist, als er Zeit dazu fand, die wohl schon seit längerem geplante Darstellung der böhmischen Geschichte zu durchdenken, und zwar nicht nur was den Inhalt, sondern auch was die theoretische und formale Vorbereitung betrifft, für die antike und humanistische Geographie, Historiographie und Philosophie herangezogen werden mußten. Bereits in der Einfuhrung, bei der Beschreibung der geographischen Lage Böhmens, beruft Enea sich auf antike Autoritäten: den herzynischen Wald, Hercynia silva, erwähnen sowohl griechische als auch lateinische Autoren (HB I 43). Insbesondere bei der Erwähnung der Siedlung germanischer Stämme auf dem Gebiet zwischen Rhein und Elbe (HB I 43-47) zitiert Enea Strabon (Geografika VII 1,3). Böhmen sei ein Teil Germaniens (HB I I ) , dessen östliche Grenze einst die Elbe war, heute [d.h. zu Eneas Zeit] jedoch hat Germanien sich bis jenseits der Elbe ausgedehnt und besitzt auf seinem Territorium den Fluß Oder, der Schlesien teilt,

44

Vgl. Kollar S. 456 mit Anm. 1 und 2, Viktor Bayer, Die Historia Friderici III. imperatoris des Enea Silvio de' Piccolomini, Prag 1872, und besonders Kramer, Untersuchungen 1931, S. 23-69; über die HB S. 37, 66 f.

Ol 14

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

und auch den preußischen Fluß Weichsel.^ In Anbetracht der Formulierung, nach der die Weichsel die östliche Grenze Germaniens bilde, m u ß Enea ein Groß-Germanien im Sinn gehabt haben, d.h. einen Begriff, den Klaudios Ptolemaios (83-161 n. Chr.), dessen Werk Enea zweifellos kannte, in die geographische u n d historische Literatur eingeführt hat. 4 6 Der Ubergang von dieser allgemeinen Problematik zur spezifischen böhmischen Topographie ist bei Enea fließend. Auf die Darstellung der böhmischen Hydrographie folgt ein Verzeichnis der böhmischen (nicht der mährischen, schlesischen u n d Lausitzer) Städte. Ihre Aufzählung ist einigermaßen zufällig - von den böhmischen Königsstädten werden Beroun, Slany (Schlan), Pisek, Vodnany, Domazlice (Taus), Klatovy (Klattau), Stribro (Mies), Susice (Schüttenhofen), Tachov (Tachau) und C h o m u t o v (Komotau), von den Leibgedingstädten Dvür Krälove n. L. (Königinhof) und Melnik nicht aufgeführt, ebenso nicht die 1322 an den König von Böhmen verpfändete Reichsstadt Eger (Cheb). Doch dafür treffen wir auf einige weniger bedeutende Ortschaften - Budyne (Budin), H o r n i Slavkov (Schlaggenwald), Podebrady. Die Quelle, nach der die Aufzählung der böhmischen Städte erstellt wurde, ist unbekannt. Vielleicht handelte es sich dabei u m Informationen, die Enea von seinen böhmischen Freunden erhalten hatte. Sie waren ein wenig unsystematisch, aber verläßlicher als die Berichte, die Hieronymus Camaldulensis dem Enea über die Ethnographie des Landes bot, das sich östlich von Groß-Germanien erstreckte. 47 Die unkritische Wiedergabe der Erfindungen des Hieronymus diskreditiert indirekt die Glaubwürdigkeit der übrigen historischen Aufzeichnungen Eneas.

45

Christ/Schmid/Stählin 1924, S. 896 ff. - In Europam, fol. d 8 1 Que gentes olim Moraviam incoluerint, non facile dixerim. Quantum vero ex lectione Ptholomei accipere licet, Marcomanni et Sudini Cadique Moraviam et Austriam, que trans Danubium iacet, incoluisse videntur. 46

V. Novotny, Ku kritice 1910. - Ders., Öeskedejiny 1912, S. 96-105. - E. Simek, Velkd Germanie 1935/1949/1953. - Stahl, Geograph)) LV (1951), S. 419^32, 484495, 554-564, 604-614; LVI (1952) S. 18-41, 84-96. 47

552.

Opera omnia (1571), S. 82. Prochaska 1772, S. 188 f. - Tomek IV 1879, S.

Die Historia Bohemica und ihre Quellen

0115

b. Piaton Als Schüler fand Enea Zugang zur platonischen Philosophie. Sokrates schätzte er sehr, Piaton war in seinen Augen der summus philosophus48 Enea zitiert Piaton in der HB nur einmal (I 68) mit einem Anklang an den Dialog Theaitetos (175 A). An mindestens zwei weiteren Stellen jedoch deutet er die Kenntnis von Piatons Werk an. Gleich im Vorwort (Praef. 11-22) vergleicht er die Opfer der hussitischen Gewalt mit ihren Peinigern. Erstere hätten zwar das irdische Leben verloren, das ewige aber gewonnen. Im Gegensatz dazu erwarte die Hussiten, die sich Güter aneigneten und sich der Hochachtung ihrer Zeitgenossen erfreuend im Uberfluß lebten, nach dem Tod die Strafe. Es handelt sich u m eine Textstelle, die an Piatons Dialog Gorgias erinnert (523 A-526 D), in dem Sokrates vom Gericht nach dem Tode spricht, bei dem die Ungerechten die Strafe erhalten, während die Gerechten auf die Insel der Seligen versetzt werden. Enea schließt die HB mit der bereits davor einige Male aufgeworfenen Frage nach dem Wert von Machtmitteln, die neben dem Streben nach R u h m und anderen Triebfedern des menschlichen Innern Triebkraft der Geschichte sind, an dem gelegentlich auch der Zufall (fors, fortuna) teilhat, dessen Rolle im vierten und fünften Buch der H B an Bedeutung gewinnt. Als Ausnahme wird das Schicksal (fatum) erwähnt, einmal die göttliche Gerechtigkeit (divina pietas) beziehungsweise der Finger Gottes (digitus dei), zum Schluß sogar die göttliche Vorsehung (divina Providentia). Wie man sieht, waren Enea neben den in der römischen Historiographie geläufigen Termini (fatum, fors, fortuna) auch die Ausdrücke nicht fremd, die sich bei christlichen Autoren finden (digitus dei, divina pietas, divina Providentia).^ 48

De gestis Basiliensis concilii fol. C 4r: Quid Socrates, sanctissimus ille philosophorum, numquid ante gemens aut plorans sorbillavit aconitum? Ebd. fol. α 2V Spalte B: Plato, summus philosophus.

49

V 25 f. Potentiam qui consecutus fuerit, nemo tarn facile deponit, quam damnat. Retinent amici, implicat glorie cupido, obstat inimicorum metus. Facilius Gordii famosum in Asia nodum quis solvent, quam potentie regnique blanditiis sese explicaverit: - IV 537 f. Cuncta ex arbitrio comitis gerebantur. Ipse pro rege verbum facere ac respondere, qui neque leges neque pacta victorem obligare posse aiebat. Fridericum et iure simul et bello excidisse. Armatis ac fortibus iura favere; IV 550 f. Res ibi pro voluntate Huniadis ordinantur. Potentiori omnia parent - V 157 f. Ingens dulcedo glorie. Facilius

0116

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Mit dem Vorwort bildet der knappe Schluß (HB V 456-459), in dem Enea Überlegungen über die Beziehung zwischen Recht (leges) und Gewalt (arma) anstellt, einen Rahmen. Es handelt sich um ein Thema, das während beinahe der gesamten Darstellung der böhmischen Geschichte gleichsam unbeachtet geblieben war. Es erscheint erst im vierten und fünften Buch und meldet sich in ganzer Eindringlichkeit in den Schlußworten. Sollte es sich hierbei - ähnlich wie im Vorwort - um einen Anklang an platonisches Gedankengut handeln, müssen wir erneut zum Dialog Gorgias zurückkehren (466 A-473 D und 481 B-527 E), in dem Polos und nach ihm Kallikles gegenüber Sokrates die Ansicht verfechten, daß nach dem Naturrecht (φύσει) derjenige entscheidet, der die Macht (ή δύναμις, τό δύνασθαι) auf seiner Seite hat. 5 0 Die Schlußworte des fünften Buches und damit des gesamten Werkes verraten den realistisch denkenden Diplomaten und Politiker. Sollte es sich auch hierbei um einen Anklang an platonisches Gedankengut handeln, wäre sein Ursprung und Gebrauch einigermaßen befremdlich. Absicht und Ziel dieser Worte könnten mit der Annahme erklärt werden, daß die Schlußsätze der H B als Warnung an Georg von Podebrad gemeint waren, von dessen Wahl zum König von Böhmen erst kurz zuvor die Rede gewesen war. Wenn das so ist, so hätte die Warnung nicht beredter sein können.

c. Lukian und Sallust Bekannt ist Eneas Neigung zur politischen Geschichte. 51 So beschrieb den Historiker auch der spätantike Piatonanhänger Lukianos contemnenda dicitur, quam contemnitur. Spreverat opes Capistranus, seculi pompas fugerat, calcaverat avantiam, libidinem subegerat: Contemnere gloriam non potuit. Fortuna: I 286 Mollitiem eius fortuna confovit; I 310: belli fortuna; III 239 milites accusare fortunam; V 454 Ludere fortunam dixisset antiquitas. - Forte: II 135 Venerat forte eo tempore Pragam dux Carinthie Henricus. - Fatum I 351 vite fata; III 13 ut fortasse in fatis erat; V 197 f. I lie suo fato functus est. Nos nostra manent. - Divina pietas: III 232 Sed avertit divina pietas earn pestem. - Digitus dei: III 234. - Divina Providentia: V 455 Nos divine providentie cuncta tribuimus. 50

Dazu vgl. u. S. 0239.

Vgl. Rothe 1988, S. 143: Richtig ist jedenfalls an dieser Überlegung (d.i. an der Überlegung von Pekaf), daß die „Historia Bohemica" ein politisches Buch ist. 51

Die Historia Bohemica u n d ihre Quellen

0117

von Samosata (120-180 n.Chr.) in seiner Schrift Πώς δει ίστορίαν συγγράφειν, (gewöhnlich in lateinischer Ubersetzung zitiert: De conscnbenth historia), Kap. 34: Φημί τοίνυν τον αριστα ίστορίαν συγγράφοντα δύο μεν ταύτα κορυφαιότατα οίκοθεν έχοντα ήκειν, σύνεσίν τε πολιτικήν και δύναμιν έρμηνευτικήν. In dieser politischen Geschichte knüpft Enea jedoch nicht so sehr an des Lukianos Forderung an, der Historiker dürfe nichts als die Wahrheit schreiben und müsse die Ereignisse so darstellen, wie sie tatsächlich geschehen sind 52 , sondern wohl eher an den römischen Historiker Sallust (86-35 v. Chr.), mit dem ihn auch eine ähnliche innere Entwicklung verband. Ahnlich wie Sallust wandte sich auch Enea von seiner früheren Lebenspraxis ab 53 , und er fand neben kirchlichen Verpflichtungen besonders in der Historiographie ein angemessenes Lebensziel, wie er schon im Vorwort zu seinem Kommentar De gestis Basiliensis concilii angedeutet hatte. 54 Noch vielsagender ist sein Vorwort zu Historiae rerum ubique gestarum locorumque descriptio, in dem er - bereits römischer Papst - über seine historischen Interessen nachdenkt und sich im voraus gegenüber eventuellen Einwänden verteidigt: 55 Quaecumque mortales agunt sive privatim sive publice, calumniae subiacent nec divinis operibus maledica lingua parcit, tantum sibi humanus arrogat intellects. Quid nos speremus historiam cum veterum aliquorum, tum nostrorum temporum tradituri? An fugiet laborem nostrum malignus interpresf Minime quidem nec tantum nobis anogamus. Unde hoc, inquient, ocium pontifici maximo?Quod in scribendo tempus absumpsit, Christianaeplebi detraxit: Cur non utilius sese exercuit? Tempora nostra et res vulgo notas inculcat, quis fructusf Quae legendi voluptasf Nec vera prodit nec prodita ita exornat, ut auditorem delectent. Verum, qui scripta nostra fastidit, prius legat, deinde vituperet. Non ingentia solum facta, sed tenuia quoque novisse saepe ex usu fuit nec tempora nostra non admiranda minoribus videbuntur. Quod si lectorem scribentis elegantia non tenebit, varietas rerum et novitas abire non sinet nec Uber tarn ineptus, qui non afferat aliquid emolumenti nec nos falsa pro veris astruemus

52

De conscnbenda historia Kap. 40 und 47. - Ryba 1930, S. 138 ff.

53

Bulla retractationum in: Opera 1571.

54

Opera 1571, fol. A lr (= S. 1): Nescio quae mea calamitas est quibusve urgeor fatis, ne me historiae furari sciam tempusque meum utilius cortsumere. 55

Ebd., fol. Aa 3r (= S. 281).

0118

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

scientes nil tam contrarium esse historiae quam mendacium. Nugas in fabulis, in historia verum, quaerimus et senum. Ahnlich wie Sallust wollte auch er das verum et serium suchen, dabei - wiederum ähnlich wie Sallust - den Leser von der Richtigkeit seiner Ansicht überzeugen. 56 Die Fähigkeit, Geschichte auszulegen (δύναμιν έρμηνευτικήν), hielt er für eine notwendige Eigenschaft des Geschichtsschreibers, auch u m den Preis, daß gelegentlich einige Ereignisse schweigend übergangen oder in anderer zeitlicher Abfolge angeführt werden. Freilich kann solche Ungenauigkeit auch auf Eneas Quellen oder - wie Josef Pekar deutlich gemacht hat - seine Bemühung u m einen erwünschten Effekt beim Leser zurückgehen. 5 7 Ahnlich wie Sallusts Monographie über Jugurtha u n d Catilina wird auch die HB mit einem nicht allzu umfangreichen, platonisch gestimmten Vorwort eingeführt. Wie bei Piaton die Apologie des Sokrates zur Anklage gegen die Athener Demokratie und z u m moralischen Sieg über den Tod des verurteilten Sokrates wurde, legt Enea auch den Tod der Opfer der Hussitenbewegung als Anklage des Hussitentums und als T r i u m p h all derer aus, die für ihren Glauben ihr Leben lassen mußten, aber nun nach dem Tode siegreich mit ihrem König herrschen (HB, Praef. 25). Gerade dadurch, daß er diese Formulierung ins Vorwort a u f n i m m t , macht er die Leser (die ursprünglich vielleicht Ladislaus Postumus u n d danach der aragonische König Alfons sein sollten) auf das Ideal des traditionellen Christentums aufmerksam, das sich nicht mit den neuen Auffassungen des plebejischen Hussitentums vertrug. Es wirkte dabei vielleicht auch seine Abscheu gegen die unteren Volksschichten in Siena nach, deren Entscheidung seine Familie, die zum örtlichen Adel gehörte, ins Exil gebracht hatten.

56

Geschichte der römischen Literatur, 1. Teil, 4. neu bearbeitete Aufl. von C. Hosius. München 1927, S. 373 ff. 57 Vgl. bereits die Kritik von Palacky Würdigung, S. 246 f. - Ein Beispiel hierfür kann Eneas Bericht über die Eroberung Prachatices 1420 oder über die Schlacht bei Aussig/Usti 1426 sein (eine vollständige Darstellung lieferte bereits Tomek I Prag 1879, S. 119 f. und 351 f.). Was die Schlacht bei Üsti betrifft, spricht Pekar I 165 von einem groben Versehen Eneas, falls es sich hier nicht um die Absicht handelte, das Interesse des Lesers durch den witzigen Gedanken zu wecken, daß in der lange unentschiedenen Schlacht die blinde Fortuna sich schließlich auf die Seite des blinden Zizka schlug (HB III 181).

Die Historia Bohemica und ihre Quellen

0119

d. Anknüpfung an Kirchenväter Durch Ausbildung und Bildung Humanist, hatte Enea nach seiner Abwendung v o m Konziliarismus z u n e h m e n d seine Ideen durch Lektüre der Kirchenväter zu stützen gesucht. Die Ausbildung des

Reichsgedankens vom Imperium romanum christianum geht wohl auf Augustin zurück. 5 8 Er bildete eine Verbindung von antiken und frühchristlichen Gedanken aus. Diese Verbindung ist besonders an seinem Wortschatz beobachtet worden. Ilona Opelt hat auf Grund ihrer Studien zur frühchristlichen Literatur die Ansicht geäußert, daß Enea bei seiner antihussitischen Polem i k die Terminologie benutzte, mit der sich die frühen christlichen Apologeten gegen die Verfechter des Heidentums gewandt hatten (,in-

sania, pestis, veneriumJ.59

Diese Hinwendung zur terminologischen und

allgemein zur philologischen Problematik von Eneas H B ist begrüßenswert, da sie ein neues, bislang nur wenig untersuchtes Kapitel eröffnet, dessen Bedeutung schon seine ersten Leser erkannt hatten. Wahrscheinlich in der ältesten heute bekannten Abschrift der H B wies i m explicit Johannes Andreas von Vigevano (Giovanni Andrea de Bussi, 1417 bis

1475) auf die Eigenart von Eneas Diktion hin: In presenti historia certat rerum varietas ac magnitudo cum scribentis candore atque gravitate60 und diese Charakteristik wurde erweitert in der Baseler Inkunabel von 1489

(fol. h 6v): Presentem hystoriam lecturi noverint frequentius positum quis pro quibus, nonnunquam qui pro quo in ablativo et que pro qua meminerintque illius Donati, ubi in declinationibus pronominum casus huiusmodi indifferenter ponuntur. Item infinitivus verborum frequenterponiturpro preterito etc. Nec facile quis nisi bene expertus domini Enee Silvii opuscula corrigat, quoniam non communis stili sunt. Zu den Eigenarten des Stils von Enea gehört auch der zeitweilige Gebrauch von Archaismen (z.B. tempestas statt tempus), Poetismen (z.B. cupido statt des in der Prosa üblichen cupiditas), dem mittelalterlichen La-

58

Vgl. dazu auch u. S. 0235. Über Eusebius in der HA vgl. Kramer 1931, S. 56.

59

Opelt 1991, S. 293-299, besonders S. 296.

Biblioteca Apostolica Vaticana: Chigi J VIII 282. - Über Johannes Andreas von Vigevano Krejcik, S. 76-92, hier 81 und 84 ff. 60

0120

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

tein entliehenen Wörtern (z.B. bellum in der Bedeutung von pugna) und Antithesen, wobei er - ähnlich wie Lukian und Sallust - seine Urteile mit Vorliebe durch Sätze gnomischer Gestalt abschließt, in denen mitunter sogar der mittelalterliche cursus erscheint. Eneas Wortschatz stellt ein buntes Mosaik dar. Vertreten sind Anklänge an biblische Texte (und deren Zitate) und an griechische und römische Autoren. Besondere Aufmerksamkeit wird das Studium der Verbindung Eneas zur griechischen und römischen Patristik erfordern, wie dies die Werke andeuten, die in seiner persönlichen Bibliothek enthalten sind. 61 In sprachlicher Hinsicht ist seine HB am ehesten eine ποικίλη Ί ά ς herodotscher Prägung, freilich in lateinischer Ausführung. Enea schuf ein spezifisches sprachliches Modell, das in Mitteleuropa im 15. und zu einem beträchtlichen Teil noch im 16. Jahrhundert zum Vorbild fur die Mehrzahl der Humanisten jenseits der Alpen wurde, die an sein Werk ebenso bereitwillig anknüpften, wie etwa fünfzig Jahre später an das Werk des Erasmus von Rotterdam.

e. Italienische zeitgenössische Historiker Berichte über die zeitgenössische oder gerade vergangene Geschichte des 15. Jahrhunderts, die von Zeitgenossen und böhmischen Freunden zu erhalten waren (hierzu S. o. 096 ff. und u. 0123 ff.), erweiterte Enea um eigene Kenntnisse, die er auf seinen Reisen durch Böhmen erwarb, und diese brachte er dann weiter in den Rahmen der zeitgenössischen italienischen, insbesondere römischen Kurienhistoriographie. Er selbst erwähnt Flavio Biondo (Flavius Blondus 1392-1463), Sekretär Papst Eugens IV., dessen Werk er gut gekannt haben muß, da er aus seiner Schrift Historia Romana eine Auswahl zusammengestellt hatte. 62 Bion-

61 62

Dazu Duchesne 1880.

Pius II., Commentarü (ed. van Heck), Liber XI, S. 711: Pridie Nonas lunias huius anni (seil. 4.6.1463) Blondus Flavius obiit bistoriarum scriptor, natione Foroiuliensis, qui diu secretarium apostolicum gessit et Eugenio IV. pontifici maximo aeeeptissimus fuit. Ab Honorio Arcadioque Cesaribus, quo tempore inclinasse Romanum imperium memorant, usque ad etatem suam universalem scripsit historiam; V D 16: Β 5534 PII PONT. MAX. | DECADVM BLONDI EPITOME, QVA OMNIS | ab inclinato Romanorum imperio historia, quae coepit fere anno | CHRISTI

Die Historia

Bohemica und ihre Quellen

0121

do war ein Zeitgenosse Eneas. Schon der Titel seiner Schrift über die römische Geschichte deutet an, daß Biondo sie in den größeren Rahmen allgemeiner Geschichte gesetzt hatte (universalem scripsit bistoriam). Einen ähnlichen Charakter hatte auch das historische Werk eines anderen, älteren Vorläufers, des Benvenutus von Imola (1320/30 bis 1387/8), das der Autor der Historia Bohemica ebenfalls gekannt haben muß. Wir hatten darauf aufmerksam gemacht (o. S. 096), daß Enea den Beginn der Zeitgeschichte in der Zeit Wenzels IV. sah. Mit dieser Feststellung stimmt überein, was Enea in seiner Schrift In Europam sagt, die kurz nach der Historia Bohemica entstanden ist: 63 podograntem me nuper ... librarius quidam Theutonicus adijt libellum afferens, in quo Romanorum cesarum non tarn gesta, quam nomina et pauca de moribus continebantur usque ad Venceslaum, Karoli Quarti filium. Cumque illi opusculo quatuor imperatores deesse viderentur - nam Beunenutus (d.i. Benvenutus) Himolensis eius operis auctor sub Venceslao decesserat - rogavit me librarius, ut adijcerem libello, quod deerat. Der deutsche Bittsteller (ein Schreiber oder Buchhändler?) und - möglicherweise durch seine Vermittlung - auch Enea kannten 1458 das historische Werk des Benvenutus von Imola, der vor allem als Kommentator Dantes, aber auch als Autor zweier historischer Schriften bekannt war: Romuleon in zehn Büchern (römische Geschichte seit der Gründung Roms bis zum Ende der republikanischen Ära) und Augustalis Libellus (ein Verzeichnis der römischen Kaiser von Caesar bis hin zu Wenzel IV.) - ein Buch mit 72 Kapiteln, das in einer Olmützer Handschrift (s.u) dem Romuleon als elftes Buch beigefügt ist.

quadringentesimoseptimo, per mille & | amplius annos, miro compendio, citra ob=| scuritatem tarnen, complectitur. |BASILEAE | apud Ioannem Bebelium | M. D. XXXIII. | (OCTAVO CALEND. SEPTEMB. | [12], 75, [1] Bl., D. 2 Dieses Werk erschien unter dem Titel Abbreviatio supra Decades Blondi bereits im Jahr 1481 in Rom (HC 259 = Goff P-654). 63

Historia Friderici III. (Hain - Copinger 258; Goff P-727), fol. a 2r. - Die dritte Redaktion der Historia Friderici III. (d.i. Historia Austrialis) wurde kurz vor der Wahl Eneas zum römischen Papst (am 19.VIII.1458) fertiggestellt; Uiblein, Quellen des Mittelalters, 1982, S. 106 f. - Die Historia Bohemica wurde kurz zuvor abgeschlossen, wie aus Historia Friderici III. Imperatoris (Hain-Copinger 258), fol. f 3r hervorgeht: Sed omnia hec in Historia, quam de Bobemis bijs diebus edidimus, conscripta sunt. Ibi quoque de situ regionis et gentis moribus pro captu nostro mentionem fecimus. Die Konstruktion bijs diebus edidimus deutet an, daß Enea beide Werke nahezu zur selben Zeit den Schreibern zur Verfugung stellte.

0122

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Die Schrift Romuleon blieb ungedruckt 64 , während der Augustalis Libellus am Ende der Baseler Ausgabe der Schriften Petrarcas 1496 im Druck erschien. 65 Der deutsche Besteller (librarius quidam Theutonicus), der sich an Enea Silvio mit der Bitte um die Fortsetzung von Benvenutos Augustalis Libellus wandte, kannte wahrscheinlich nicht das Werk, das der scriptor apostolicus Iohannes de Crivellis66 erst danach schrieb und im Jahre 1425 dem römischen Papst Martin V. (1367-1431, Papst 1417) widmete, was aus der folgenden Bemerkung hervorgeht:67 Millesimum Domini quadringentesimumvicesimum quintum annum Phebus Aquario residens agebat, cum finem expectatum huic operi, tuis laudibus exacto, a te graciam et benedictionem tue sanctitati flexis genibus implorare constitui. Ob diese Fortsetzung auch Enea unbekannt blieb, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sicher ist aber, daß Enea die Anregung des deutschen Bestellers erhielt und den Augustalis Libellus kurz vor dem 28. März 1458 selber bis zur Herrschaft Kaiser Friedrichs III., d.h. bis zu der Zeit, die er selbst erlebt hatte, fortführte. Diese Fortsetzung Eneas hat sich in einer Hs. der Basler Öffentlichen und Universitätsbibliothek (Sign. D IV 10) erhalten, aus der A. Bernouilli ihren Text herausgab. 68 Aus den oben angeführten Tatsachen geht hervor, daß Enea Silvio spätestens im März 1458 - als er sich bereits mit der Historia Bohemica beschäftigte - die Schrift Augustalis Libellus des Benvenutus von Imola gekannt hat. Ob er auch die Fortsetzung kannte, die Ioannes de Crivellis im Jahre 1425 verfaßt hatte, ist nicht gesichert, auch wenn Enea,

Die Handschrift, die für diese Abhandlung benutzt wurde, befindet sich in der Wissenschaftlichen Staatsbibliothek Olmütz (Sign. Μ II 58), vgl. Bohacek/Cäda 1994, Nr. 204 auf S. 393. - Benvenutus dei Rambaldi da Imola; über ihn L. Baldisseri, Benvenuto da Imola. Imola 1921; Letteratura italiana. Gli Autori. Dizionario bio-bibliografico e Indici. Volume primo (A-G). Turin 1990, S. 239; W. Rüegg in Lex. d. Mittelalters I 1980, Sp. 1923 f. 65 F. Petrarca, Opera. Basel: Johann Amerbach 1496. 2° (Hain 12.749 = Goff P-365), fol. b 5v-b 10r. 66 Frenz, Z.um Problem 1976, S. 260, Nr. 44. Johannes de Crivellis war also noch nach dem Tod Papst Eugens IV. (143147) tätig. 67 Olmütz, Wissenschaftliche Staatsbibliothek: Μ II 58, fol. 238r. 68 A. Bernoulli, Eneas Silvius' Fortsetzung des Liber Augustalis, in: Neues Archiv der Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde, Bd. 29, 1904, S. 262-265. 64

Die Historia Bohemica und ihre Quellen

0123

den Absolventen der Florentiner Schule, mit i h m eine platonisch orientierte Auffassung von Bildung und M o r a l (virtus), zuweilen auch ähnliche Formulierungen verbanden. Auch Benvenutus von Imola stand ähnlich wie Biondo - dem Johannes de Crivellis u n d Enea Silvio in seiner Auffassung nahe. Indem er den Augustalis Libellus dem Romuleon hinzufugte, deutete er dadurch indirekt an, daß die zeitgenössischen Ereignisse eine Fortführung antiker Traditionen seien, die mit der Gründung Roms beginnen und mit der Reihe römischer Kaiser von Caesar bis hin zu Wenzel IV. fortschreiten. Anhänger dieser Vorstellung waren zweifellos sowohl Flavio Biondo als auch Johannes de Crivellis, der ebenfalls das Schwergewicht auf die Bedeutung Italiens fur die gesamte christliche Welt legte. Da er seine Bearbeitung dem römischen Papst Martin V. widmete, waren seine Ansichten wohl auch der römischen Kurie nicht fremd. U n d ähnlich dachte d a n n auch Enea Silvio. 6 9

f. Böhmische Historiker Außer der Bibel und antiken Autoritäten, die gelegentlich zitiert werden 7 0 , beruft Enea sich einige Male auf Berichte von Tschechen oder spricht über böhmische Geschichte beziehungsweise erwähnt (ungenannte) Autoren; m a n c h m a l zitiert er eine nicht näher bezeichnete Tradition. 7 1 Einen W e n d e p u n k t bildet die Stelle H B II 217 Sub hoc rege

(Wenzel IV.) nostra demum memoria, etatis vero sue anno circiter quinquagesimo (d.i. 1412) perfida Hussitarum insania ortum habuit. Etwa von hier ab HB V 114: Maumetbes autem Constantinopolitana victoria superbus ... nil dubitare, quin devicta Hungaria ... rerumque caput Italiam atque Romam uno impetu subigere posset. 70 Z.B. HB I 8 Herciniam ..., cuius Greci scriptores et Latini meminerunt; I 43 Quod Strabonis testimonio confirmare Hat; I 68 scripsit Plato. - I 57 Relicto campo Senaar, vgl. Gen. 11,2; I 368 Omnis spiritus ... confiteatur ei... Ps. 150,6 und Rom. 14,11. 71 HB I 56 Bobemi... asserunt; I 62 At Bobemi longe altius orsi ab ipsa confusionis tune se missos iactitant. - I 78 Ν on tarnen assentimur Bobemorum bistorie; II 22 Invenio in historia Bobemorum. - I 140 Apud autores ista querantur, I 422 Scribunt autores. - I 21 Inter que pretorium etforum ... miriftcis efferunt laudibus; II 206 Pensse aliquot milia feruntur. 69

0124

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

spricht Enea wie ein unmittelbarer Zeitgenosse und liefert Berichte u n d Zeugnisse seiner Zeitgenossen oder zitiert direkt die Quellen. 7 2 Als Sekretär der kaiserlichen Kanzlei kannte er wahrscheinlich solche Zeugnisse u n d Berichte. Was die Quellen betrifft, nach denen Enea die Ereignisse der vorausgehenden Jahrhunderte aufzeichnete, so hielt die ältere böhmische Historiographie (Palacky u n d Emier) die Chronik des Pribik Pulkava von Radenin 7 3 für eine seiner Hauptquellen, und die neuere Forschung stimmt mit dieser Ansicht überein. 7 4 Enea selbst deutet jedoch an, daß er auch für die ältere böhmische Geschichte mehr Quellen benutzt hat, als die Formulierung erkennen läßt, mit der er sich auf die Autoren berief. Neben Pribik Pulkava konnte ihn von den Historikern der Zeit Karls IV. ebenso auch Giovanni Marignola (f 1358/9) fesseln, dessen Chronik zwischen 1355 und 1358 entstanden war. 75 Beide historischen Werke, das von Pulkava u n d das von Marignola, waren für Enea schon deshalb nützlich, weil in ihnen die böhmische Geschichte bis zur Zeit Karls IV. geführt war. Enea fand so bearbeiteten Stoff fast bis zu seiner

72

HB I 141 Vidi tarnen inter privilegia regni litteras Karoli Quarti; II 180 Karoli littere, quas nos vidimus legimusque; II 311 Poggius Florentinus, etatis nostre nobilis scriptor, de morte Hieronymi... elegantem scripsit epistolam; III 37 Nos qualem vidimus civitatem (seil. Thabor), descripsimus; III 57 Audivi ego ex Ulrico Rosensi III 345 Primoribus regni Bohemie litteras dedit (seil. Sigismundus); III 353 Scripsit et ipsa Basiliensis synodus Bohemis; III 370 Iulianus cardinalis ... allocutus (seil. Bohemos) et longa et luculenta oratione, que adhuc extat; IV 556 Is (Iohannes Smirischeus) ... litteras huiuscemodi ad eum (seil, regem) dedit; V 156 f. uterque (seil. Huniades et Capistranus) rem gestam scripsit neque alter alterius mentionem fecit. Vgl. weiter IV 388, 422; V 346, 413. 73 F. Palacky, Würdigung 1830, S. 237 f.: Die Materialien zur älteren Geschichte erhielt er (seil. Aeneas Silvius) von dem Prager Stadtkanzler Johann Tussek ... Dieser sandte ihm den Pulkava, nebst einigen Zusätzen aus Dalimil und einigen Notizen über Karl IV. und seinen Sohn Wenzel. Aber auch Mag. Johann Papussek ... lieferte ihm Mataerialien zur Geschichte des Hussitenwesens; J. Emier in der Einleitung (S. XIII) zu FRB V, Prag 1893: Auch auf sie (d.h. auf die Chronik Pribik Pulkavas) greifen die späteren Chronisten Eneas Silvius, Hajek und Dubravius zurück. 74 Blahovä, Kronika, S. 150 und Anm. 369. 75 Anezka Vidmanovä, Karel IV. a latinska literatura ν Cechäch, in: Karolus Quartus. Piae memoriae fundatoris sui Universitas Carolina D. D. D. Prag 1984, S. 291-303, hier S. 292 f. - I. Baumgärtner in Lex. d. Mittelalters 1993, S. 293.

Die Historia Bohemica und ihre Quellen

0125

Zeit hin. Er vervollständigte ihn mit dem, was er aus der Dalimil-Chronik (in lateinischer, vielleicht von Tusek angefertigter Ubersetzung) 7 6 , aus der C h r o n i k von Königssaal 7 7 und anderen Quellen erfahren konnte, die möglicherweise ein oder zwei handschriftliche Bände bildeten, in denen die historischen Ereignisse bis zu der Zeit, die Enea selbst erlebte, dargestellt waren. Heute läßt es sich in manchen Fällen schwer entscheiden, o b Enea von Pulkava, Marignola oder aus anderen Quellen schöpfte. 7 8 Kurz m u ß die Frage berührt werden, o b Enea in diesen Historikern außer stofflicher Information auch Anregungen zur Einteilung des Stoffes hat finden können. Giovanni Marignola teilte sein Werk in drei Bücher ein, die sich in (nicht bezifferte) Kapitel gliedern, deren Inhalt in knappen Regesten angedeutet ist. Die C h r o n i k Pribik Pulkavas besteht aus zwei Büchern, die zwei Rezensionen erfahren haben. Der Text der ersten Rezension ist in Kapitel eingeteilt, die mit knappen Regesten versehen sind. Die zweite Rezension entbehrt einer solchen Gliederung. Das erste Buch der ersten Rezension hat 90, das zweite Buch 16 Kapitel, wobei die Kapitel der ersten Rezension im ganzen Werk durchlaufend numeriert sind (1-106). Benvenutos Augustalis Libellus, der sowohl von Johannes de Crivellis, als auch (in der Schilderung der Herrschaft Friedrichs III.) von Enea Silvio fortgesetzt wurde, ist in Kapitel unterteilt, die ebenfalls mit knappen Regesten versehen sind (in der Bearbeitung des Johannes de Crivellis sind es 72 Kapitel). Die H B erinnert somit in der Basler Ausgabe aus dem J a h r 1489 (b) in der äußeren Gliederung nach Kapi-

76

Vgl. Palacky, Würdigung 1830, S. 238.

HB II 115. Die Äußerung tat nach der Chronik von Königssaal (Zbraslav) (Chronicon Aulae Regiae, p. 111, Kap. LVI = FRB IV) Agnes, die Schwester König Wenzels II., die Ehefrau Rudolfs von Habsburg und die Mutter des Johannes Parricida, der im Jahre 1308 seinen Onkel Albrecht umbrachte. (Palacky II, S. 163). 77

Z.B. eröffnete Kosmas genau wie Marignola und Pulkava seine Darstellung mit einer Fiktion über die Ursprünge der Böhmen aus dem Lande Senaar, d.h. vom Turmbau zu Babel. Enea kannte diese Tradition (I 57 und 62). Kritisch stellte sich zu dieser Version zuerst Ioannes Matthias mit seiner Schrift De origine Bohemorum et Slavorum subseciva ... Leipzig 1615; vgl. Rukovet 3, 1969, S. 296. 78

0126

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

teln mit Regesten an einige Vorlagen, die Enea bei der Ausarbeitung der böhmischen Geschichte kennengelernt haben muß. Die Annahme, daß Enea die HB in Anlehnung an diese Quellen ursprünglich in Kapitel eingeteilt und erst später mit einigen textlichen Veränderungen in Bücher gesetzt hat 7 9 , scheint in diesem Zusammenhang der Wahrheit näher zu kommen als die entgegengesetzte Hypothese, daß sie ursprünglich in fünf Bücher und erst dann in 72 Kapitel eingeteilt worden sei. Bei dieser zweiten würden wir nämlich erwarten können, daß die Kapitel in jedem Buch eigenständige Einheiten bilden. 80 Es gibt jedoch noch eine weitere Möglichkeit: Die Historia Bohemica könnte in formaler Hinsicht ähnlich angeordnet worden sein wie Pius' Commentarii rerum memorabilium, in deren Text die einzelnen Kapitel freilich in jedem Buch durch eine eigene Zahlenreihe - mit Ziffern bezeichnet sind, wobei die Inhaltsregesten (Rubriken) gesammelt in der Einleitung des gesamten Werkes angeführt sind. Beim Abschreiben (oder bei der Herausgabe des Druckes) war es dann verhältnismäßig einfach, die Rubriken entweder als Inhaltsregesten zu den entsprechenden Kapiteln hinzuzufügen oder aber samt den durchnumerierten Kapiteln aufzugeben und nur die Einteilung nach Büchern zu belassen. Ein solches Ubergangsstadium könnten wir uns in Analogie der Berliner Hs. B 2 vorstellen. Weiter soll nun die Analyse der Handschriften fuhren.

Z.B. hat Kapitel V in der Basler Inkunabel die Überschrift De Libussa, filia Croci, que pluribus annis rexit Bohemiam, wobei der Text mit den Worten Libussa autem veluti una ex Sibyllis beginnt, während es in den übrigen Handschriften (in denen die Uberschrift des fünften Kapitels fehlt) heißt: Hec veluti una ex Sibyllis. Ahnlich endet im dritten Buch (III 286) in b das 47. Kapitel mit den Worten: In quo (seil, generali concilio) suam innocentiam ostendere Bohemi possent, si se universalis ecclesie iudicio summittere vellent. Der nächste Satz (III 287) Bohemus, qui armis vincere consuesset, verbis vinci non tulit infectisque rebus domum abiit fehlt im Basler Druck (b). In den Text gelangte er wahrscheinlich bei dessen späterer Bearbeitung. 79

D.h. im ersten Buch Kap. 1-21, im zweiten Buch 22-38 (d.h. 1-17), im dritten Buch 39-51 (d.h. 1-13), im vierten 52-62 (d.h. 1-11) und im fünften 63-72 (d.h. 1-10). Eine solche (in jedem Buch eigenständige) Anordnung der Kapitel findet sich z.B. in der Kosmas-Chronik. 80

ΠΙ. Handschriften und Redaktionen 1. Handschriften und Inkunabeln Die H B ist bisher in 39 Hss., größtenteils aus dem 15. Jahrhundert, bekannt, die anhand von Mikrofilmen kollationiert wurden. Diese sind: 1. Α

Codex Altovadensis (Zisterzienserkloster Hohenfurt / Vyssi Brod Nr. 96): Pavel, S. 275; Rothe, S. 30, Nr. 12); Martinkovä, S. XCV1II.

2. Β

Bruxellensis (Bruxelles Bibliothlque Royale Nr. 10 843): J. van Den Gheyn S. I, S. 23, Nr. 4599 [10 843]; J. Lemaire, S. 21, Anm. 3; Rothe, S. 31, Nr. 23

3. B 1

Berolinensis (Berlin, Deutsche Staatsbibliothek-Preußischer Kulturbesitz Nr. 237): Rothe, S. 31, Nr. 19

4. B 2

Berolinensis (Berlin, Deutsche Staatsbibliothek-Preußischer Kulturbesitz Nr. 711): Rothe, S. 31, Nr. 20

5. C

Cusanus (Cues, Hospital-Bibliothek Nr. 39): Marx, S. 33 f.; Rothe, S. 30, Nr. 4

6. D

Darmstadiensis (Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Nr. 2684): Rothe, S. 31, Nr. 21

7. Ε

Petri Eschenloeri translatio Germanica a. 1464 confecta (Breslau/Wroclaw, Biblioteka uniwersytecka IV F 105): Rothe, S. 31, Nr. 27; Bok, S. 141-151

8. F

Florentinus (Firenze, Biblioteca Laurenziana Plut. 8° inf. 17): Krejcik, S. 79 f.; Weinig S. 162

9. G

Gorlicensis (Breslau/Wroclaw, Biblioteka uniwersytecka: Dawny zbior J.G. Milicha w Zgorzelcu, II 150): Rothe, S. 30, Nr. 15,

10 G 1

Gantensis (Bibliotheek van het Kapittel van de St.-Baafskathedraal de Gent 15 (3): Rothe, S. 31, Nr. 24

11. Η

Johannis Hüska translatio Bohemica a. 1487 confecta (Roma, Bibliotheca Vaticana Bibl. reg. Sueciae, Cod. 601): Palacky, Ital. Reise, S. 65; Rothe, S. 31, Nr. 28

12. Κ

Claustroneoburgensis (Klosterbibliothek der Laterankanoniker in Klosterneuburg, Nr. 1063): Zahradnik, S. 20, Nr. 14

0128

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

13. Κ1

Hauniensis (Kopenhagen, Kongel. Bibl. Gl.kgl. S 2281, 4°): Rothe, S. 31, Nr. 26

14. L

Londinensis (London, Societas antiquariorum, Nr. 55): Rothe, S. 30, Nr. 10

15. L1

Campililiensis (Lilienfeld, Zisterzienserkloster N. 71 Pg XVI fol. 123 8° saec. XVI.: Zahradnik S. 142

16. Μ

Madritensis (Madrid, Biblioteca nacional Nr. 2125 Inventario general de manuscritos de la Biblioteca nacional, VI (2100 a 2374). Madrid 1962, S. 33-34; Rothe, S. 29, Nr. 1

17. M1

Mutinensis (Modena, Biblioteca Estense Nr. 216 = Cod. alpha W. 2.19): Rothe, S. 30, Nr. 6; Weinig, S. 82, 91, 162

18. M2

Monacensis (München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 22113, früher Augustinerkloster Altbrünn): Weinig, S. 68,120

19. Ν

Norimbergensis (Nürnberg, Stadtbibliothek 16 misc. XV., in 2°): Rothe S. 31, Nr. 22; Weinig, S. 68, 156

20. N1

Monacensis, aus der Bibliothek des Hartmann Schedel, Nürnberg: Seton 1925

21. Ο

Olomucensis (Statni vedecka knihovna Olomouc Μ I 159): Bohäcek-Cäda, S. 67-75, Nr. 30; fol. 85r - 130v; Rothe, S. 30, Nr. 14; Hejnic, Knihovni obzor, S. 20 f.; Martinkova, S. XCVIII.

22. Ρ

Parisiensis (Bibliothtque nationale Paris, Nr. 11 098): Rothe, S. 31, Nr. 25

23. Π

Paduanus (Padova, Biblioteca Capitolare D 45): Rothe, S. 30, Nr. 8 Romanus Vaticanus (Bibliotheca Apostolica Vaticana Chigi I VIII282): Krejcik, S. 81-89; Rothe, S. 29, Nr. 3; Weinig, S. 162; Martinkova, S. XCVIII.

24. R1

25. R2

Romanus Vaticanus (Bibliotheca Apostolica Vaticana Chigi I VI 209): Krejcik, S. 89-91; Rothe, S. 29, Nr. 3; Weinig, S. 162; Martinkova, S. XCVIII.

26. R3

Romanus Casanatensis (Roma, Biblioteca Casanatense Nr. 3908): Rothe, S. 30, Nr. 5

27. R4

Romanus Vaticanus (Bibliotheca Apostolica Vaticana Urb. Lat. 403): C. Stornejolo I, S. 412, Nr. 403; Kramer, S. 60; Weinig, S. 82, 162

Handschriften und Redaktionen

0129

28. S

Senensis (Siena, Biblioteca comunale Κ VI 63): Kramer, S. 59 f. Rothe, S. 30, Nr. 7; Weinig, S. 162

29. Τ

Toletanus (Toledo, Archivo y Bibliotheca Capitolares cod. 45, 29): Rothe, S. 30, Nr. 11)

30. T1

Tergestinus (Trieste, Biblioteca Civica Attilio Hortis Ms II 11): Weinig, S. 123, 163

31 V

Venetus (Venezia, Biblioteca Marciana Cod. 155 = Nr. 188 (3628): Rothe, S. 30, Nr. 9)

32. W

Trebonensis (Wittingau/Trebon, Statni archiv: A 32): Kadlec - Spunar - Triska, S. 223, Nr. 39; Rothe, S. 30, Nr. 13; Martinkovä, S. XCVIII.

33. W 1

Vindobonensis (Wien, Osterreichische Nationalbibliothek 3517): Unterkircher, S. 83 (Abbildung 400, 444); Weinig, S. 108, 160

34. W 2

Vindobonensis (Wien, Osterreichische Nationalbibliothek 3399): Weinig, S. 108, 160

35. W 3

Vindobonensis (Wien, Osterreichische Nationalbibliothek 3445): Weinig, S. 108, 160

36. W

Vindobonensis (Wien, Österreichische Nationalbibliothek 3366): Weinig, S. 101, 160

37. X

Lipzensis (Leipzig, Universitätsbibliothek, Nr. 215): Simäk, S. 17 f., Nr. 14; Rothe, S. 30, Nr. 16)

38. Y

Lipzensis: (Leipzig, Universitätsbibliothek, Nr. 1326): Simäk, S. 51, Nr. 52; Rothe, S. 30, Nr. 18

39. Ζ

Lipzensis: (Leipzig, Universitätsbibliothek, Nr. 1250): Simak, S. 47, Nr. 42; Rothe, S. 30, Nr. 17

Inkunabeln r

b

Pius II., Historia Bohemica. Romae, Johannes Schurener de Bopardia et Johannes Nicolai Hanheymer de Oppenheym, 10. Jan. 1475. 4°. H C (Add.) 255; Goff Ρ - 728. Martinkovä, S. XCVIII. Pius II., Historia Bohemica. Basileae 1489. H C (Add.) 254; Goff Ρ - 729.

0130

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

2. Nähere Bestimmung der Handschriften

1. A: codex Altovadensis Handschrift aus dem 15. Jahrhundert. Ganzledereinband (braunes Hirschleder), mit Blinddruck am Einbanddeckel leicht verziert (Doppellinien, quer angeordnet) Die Hs. von verschiedenartigem Inhalt, entstanden durch Arbeit mehrerer Schreiber, war Teil der Bibliothek des Wenzel von Rovne, vgl. Sbornik Narodniho muzea ν Praze, Series A Historia, Vol. XXII (1968), Nr. 5 (wo diese Hs. unter den Büchern von Vaclav von Rovne jedoch nicht erfaßt ist). Die Hs. wurde später beschädigt (herausgerissene Blätter), und zwar schon in der Zeit, als sie R. Pavel katalogisierte. Auf fol. 65 r -l 10v: Eneepiccolominei Cardinalis s. Sabine historia Bohemica. Der Grundtext (zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts), mit der Hand Wenzel von Rovnes abgeschrieben, bildet Quinternen, wie teilweise (fol. 79 v , 88v) erhaltene, senkrecht zum Text angeordnete Lagenrepräsentanten bezeugen. An den Seiten (teilweise auch inmitten) des Grundtextes wurden einzelne Kapitel mit römischen Ziffern durch Johann von Krumau 1 gekennzeichnet und ihre Titel übereinstimmend mit der Baseler Inkunabel von 1489 wie auch eine Fortfuhrung bis zum Jahr 1490 (auf fol. 134v) hinzugefügt. 2 Die Fortführung durch Johann von Krumau am Schluß der Hs. A (fol. 134v, Zeilen 13-33) lautet (Zeilenfolge wie im Original): 6

10

metus extorserit. Nobis persuasum est Armis acquiri regna non legibus, [finis Quo Anno Eneas Silvius piceolomineus Senensis titulo Sancte \ Sabine Cardinalis, Hystoriam hanc Bohemicam edidit, | assumptus est ad summum pontificatum Et nominatus Pius secundus. | Idem mox pro salute christiani populi conuentum Mantuanum \

1

Vgl. LF 96, 1973, S. 165-169 und Tab. V-VI, mit Proben des Autographs.

2

Gemäß ursprünglicher Foliierung von R. Pavel fol. 111.

Nähere Bestimmung der Handschriften

15

20

25

30

33

0131

indixit ac peregit M. CCCCLV1II [Quo adhuc supererat | et regnabat Georgias de podiebrad, rex septimus decimus, \ ab inicio gentis quadragesimus quartus. Aduersus quem crucem | predicari propter hussitarum Insaniam, qua infectus fuerat, \ pij successor Paulus papa 2US paterna solliludine decreuerat, \ item ad preces baronum catholicorum Mathiam, hungarie regem, \ in bohemorum regem confirmauit. Qui pugnauit ad \ versus dictum Georgium, a regno depositum vsque mortem eius. \ Et post mortem electus est wladislaus, primogenitus \ regis polonie, in regem Bobemie. Et vterque \ nominatus est rex bohemie. Et wladislaus obtinuit regnum \ bohemie, Mathias vero Slesiam, morauiam, lussaciam | 6 ciuitates, usque mortem, quo mortuo wladislaus | In regem vngarie est electus et dictas terras econuerso obtinuit \ anno Mccccbooac In assumpcione beate virginis (= 15.8.) Presentem hystoriam lecturi norint frequencius positum quis pro quibus | At que qui pro quo in ablativo Et que pro qua. Meminerintque \ illius donati, vbi in declinacionibus pronominum casus huius in indiffe renter \ ponuntur. Item Infinitivus verborum frequenter ponitur pro preterito etc \ Nec facile quis nisi bene expertus domini Enee siluij opuscula | corrigat, quoniam non communis stili sunt, set oratoris maxim i.]^

Nach der oben angeführten Zuschrift (Zeilen 9-13: Quo anno... χ ... peregit MCCCLVIII) ist das Werk über die böhmische Geschichte in demselben Jahr abgeschrieben worden, als Enea Papst wurde, d.h. 1458. Eine ähnliche Zuschrift befindet sich in den Hss. D, F, G, Κ, Μ, N 1 , Ο, Π, R 1 , R 2 , R 4 , S, Τ, T 1 ; aber in der Baseler Inkunabel (b) steht auf fol. h 6V, daß Enea das Werk bereits 1457 compilaverat, und dieselbe Jahreszahl ist in der Hs. B 2 (s.u., S. 0134 f.) angeführt; eine ähnliche Formulierung (Presentis operis compilator est...) befindet sich am Schluß der Hs. G 1 . 3

Die Zeilen 9-13 (Quo anno Eneas Silvius... ac peregit M.CCCCLVI1I) und 2833 (Presentem hystoriam lecturi... set oratoris maximi) wurden zum größten Teil aus der Baseler Inkunabel (b) von 1489 übernommen, die Zeilen 13-27, fol. h 6V, sind mit Ausnahme der Einleitungssätze eine Fortfuhrung des Johann von Krumau.

0132

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Da der Text in fünf Bücher unterteilt ist, gehört die Hs. Α zu der gleichen Gruppe wie die Hss. D bis T 1 . Die nachträgliche, durch Johann von Krumau durchgeführte Einteilung des Textes in 72 Kapitel stimmt fast mit dem Text der Inkunabel b überein, wobei der Glossator Johann von Krumau dem Text einige mit der Baseler Inkunabel identische Worte bisweilen hinzufügte. Der Grundtext der Vorrede (Prefatio) endet in der Hs. Α (nach der ursprünglichen Foliierung von R. Pavel fol. 65 r ) mit den Worten legito bonique consule, wozu Johann von Krumau fast identisch mit der Baseler Inkunabel (b), fol. a 3 r , hinzufügte: Explicit prefacio (Joh.v.Krumau: prephacio). Incipit hystoria (J.v.K.: historia) bohemica. Et (et) primo de situ regionis bohemice. de fluminibus eiusdem et ciuitatibus Ac de bohemorum moribus. Capitulum j (c j). Vgl. Entsprechungen in den Hss. F und T. Kontaminierte Hs. In den Text der zweiten (ß) bzw. dritten (γ) Redaktion wurden nachträglich Angaben der ersten Redaktion (α) hineingeschrieben.

2. B: codex Bruxellensis Die Handschrift (112 ff.) enthält nur die HB. Der Text wurde im 15. Jahrhundert (dem Zettelkatalog zufolge circa 1460) abgeschrieben und stammt aus der Bibliothek der Jesuiten in Löwen. Er ist in fünf Bücher gegliedert, deren Anfang lediglich durch mehrzellige Initialen gekennzeichnet ist. Erst später (im 16./17. Jahrhundert) wurde Liber secundus (S. 54), Liber tercius (S. 96) Liber quartus (S. 140) und Liber quintus (S. 194) hineingeschrieben. Vereinzelte Marginalglossen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Der Schluß der Hs. (Explicit und nachfolgender Text) ist undeutlich.

B 1 und B 2 Die Berliner Hss. B 1 und B 2 und ihr gegenseitiges Verhältnis: In der Berliner Preußischen Staatsbibliothek sind zwei Hss. aufbewahrt, die die HB enthalten: die Hs. Cod. Nr. 237 (Rothe, S. 31, Nr. 20), hier unter B 1 angeführt, und der als B 2 gekennzeichnete Codex Nr. 711

Nähere Bestimmung der Handschriften

0133

(Rothe, S. 31, Nr. 19). In beiden Fällen handelt es sich um Hss. aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Während die Hs. B 2 nur die HB enthält, befindet sich in der B 1 vor diesem Werk noch eine Bulla Pii pape Secundi datiert Rome VI0 ΚΓ maias (= 26. IV.) 1463. Die wechselseitigen Bezüge zwischen B1 und B2 zeigt eine Stelle in der HB I 71, an der in B 2 nach dem Satz Ad ea nugis omissis festinat calamus der weitere Text offenbar versehentlich analog zu B1 zunächst abgeschrieben, dann aber durchgestrichen wurde. Dies geschah deshalb, weil der Schreiber von B 2 erst im nachhinein zur Kenntnis nahm, daß seine Vorlage, nach der er zu schreiben begonnen hatte und in der der Text in Kapitel unterteilt war, von B1, in der der in Bücher unterteilte Text in continuo verlief, abweicht.4 Der Schreiber von B2 kehrte nach etwa drei durchgestrichenen Zeilen wieder zu seiner ursprünglichen Vorlage zurück und versah den Text mit der (korrekten) Uberschrift De Zechio Primo duce Bohemie Capitulum iij. Daraus geht hervor, daß B2 später als B1 geschrieben wurde, und zwar nur zu einem kleinen Teil nach dem Vorbild von B1, dafür überwiegend nach einer anderen Vorlage, in der - ähnlich wie in der Baseler Inkunabel - der Text in 72 Kapitel unterteilt wurde.

3. B1: codex Berolinensis [l r -13 v ] 14r Explicit Bulla Pii pape Secundi | Ad Colonienses sive Agrippinenses | Clericos de Consilio Basiliensi etc. ut Supra. |... Datum Rome apud sanctum Petrum VT Kalendas Maias Millesimo | Qudringentesimo Sexagesimo Tercio finit. 14 v -15 v Eneas Tituli Sancte Sabine, S. R. E. Cardinalis | Senensis de Origine Bohemorum Prefacio Ad Illustrissi | mum dominum Alfonsium Regem Aragonum Incipit... χ ... bonique consule | Explicit Prefacio. 15v-34r [Liber I.] ist mit einer nicht vollendeten Initiale [B4] gekennzeichnet.

4

Der Text, der in B2 durchgestrichen ist, lautet folgendermaßen: Czechius

Croatinus haud obscuris parentibus ortus gentem Bohemicam condidit. Qui homicidio domi perpetrate: iudicium Vlcionemque fugierts in eam regionem venit: cui nunc Bo.

0134

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

34Γ-48Γ [Liber II.] ist mit einer nicht vollendeten Initiale [I5] gekennzeichnet. 48r-64r [Liber III.] ist mit einer nicht vollendeten Initiale [C 3 ] gekennzeichnet. 64 v -83 v [Liber IV.] ist mit einer nicht vollendeten Initiale [S3] gekennzeichnet. 83v-94r [Liber V.] ist mit einer ebenfalls nicht vollendeten Initiale [C 3 ] gekennzeichnet. Die einzelnen Bücher beginnen ohne Incipits und enden ohne Explicits. Durch den Titel sowie viele Gemeinsamkeiten im Text stimmt B 1 mit den Hss. Ρ und R 3 überein.

4. B 2 : codex Berolinensis Wir konnten feststellen, daß die Berliner Hs. B 1 chronologisch das letzte Glied der Reihe R 3 Pß! repräsentiert; B 2 wirft dagenen eine kompliziertere Frage auf. Es handelt sich in diesem Fall um einen Text, der sich bis auf geringe Abweichungen auch in den Hss. G!M 2 , in dem Kopenhagener Bruchstück K 1 sowie in der Baseler Inkunabel aus dem Jahre 1489 (b) wiederholt. G ^ M 2 können wir außer acht lassen, weil es sich hierbei um Abschriften der Baseler Inkunabel handelt. Durch den Vergleich der B 2 mit dem Erstdruck b lassen sich Ubereinstimmungen feststellen, die die Chronologie, Besonderheiten des Stils von Enea und formale Anordnung des Textes betreffen. Stellen wir nun die Frage nach der Entstehungszeit der HB, so geben B 2 sowie b übereinstimmend (im Unterschied zu anderen Hss.) an, daß die HB im Jahr 1457 geschrieben worden ist (B 2 , fol. 3r = b, fol. h 6V), obwohl diese Zeitbestimmung durch die nachfolgende Angabe indirekt gleich korrigiert wird: nämlich daß Enea in demselben Jahr zum Papst gewählt worden war und den Namen Pius II. annahm. Beide Texte (B 2 , b) entsprechen einander in der Erwähnung von Ereignissen, die erst später, in den Jahren 1465/66, eintraten (B 2 , fol. 3 r = b, fol. h 6V). B 2 sowie b berühren weiterhin (B 2 , fol. 3 r = b, fol. h 6V) spezifische Besonderheiten des Stils von Enea, wobei Formulierungen (B 2 , fol. 3 r ) et eodem anno, quo edidit, ad summum pontificatum assumptus Vocatusque Pius Secundus dem Explicit des fünften Buches in der römischen Inku-

0135

Nähere Bestimmung der Handschriften

nabel aus dem Jahr 1475 (r) entsprechen: Quo anno Eneas Siluius Picco-

lomineus Senensis, Tituli Sande Sabine Cardinalis Historiam hanc Bobemicam edidit: assumtus est ad Summum Pontificatum et nominatus Pius Secundus. N o c h einige Anmerkungen zum formalen Aspekt von B 2 , die zwei Titel besitzt: Der eine auf dem ersten, nicht näher gekennzeichneten Blatt [I r ] lautet Historia

Bohemorum.

Seine Entsprechung hat er im Ba-

seler Erstdruck a u f dem Titelblatt: Historia Bohemica,

cipit Hystoria bohemica (b, fol. h In der Hs.

B2

6V: Presentem

vgl. b, fol. a 3 r : In-

hystoriam).

wurde zunächst der in 72 Kapitel eingeteilte Text ab-

geschrieben, und erst danach in f ü n f Bücher aufgeteilt. Dies belegt der folgende Umstand: A u f fol. l v ist zu dem Vermerk Vratislaus Dux Ma-

guncie in Regem creatur per Henricum quartum Imperatorem Regnoque Bohemie Boloniam, Schlesiam, Lusaciam Morauiamque adiecit xxij die Glosse Incipit 2US li(ber) beigefügt. Analog dazu findet sich a u f fol. 2 r an der

Stelle De Sigismu(n)do Bohemor(um) Rege tertio decimo qui et Rex Vngarie atq(ue) Romanor(um) Imperator extitit XXXIX in margine die Glosse 3US lib(er).

A u f demselben

Blatt

liest

man

bei

dem

Registervermerk

Quom(od)o Sigismundus Rome coronat(us) p(ost) multas distensiones et bella cum pace et gaudio a Bohemis suscipit(ur) lij in margine die Glosse Quartus lib(er). A u f Blatt 2 V findet sich beim Registervermerk De reductione

Vlrici

Comitis Cilie et restitucione aministracionis sibi facte Ixiij am Rand die Glosse Qui(n)t(us) Uber. Beim Registervermerk De Georgio Poggiebracio

Rege Bohemoru(m) sextodecimo Ixxij steht Explicit Registrum. Sowohl die Titel der einzelnen Kapitel und ihre Numerierung durch römische Ziffern, als auch die Marginalglossen, die den Beginn der einzelnen

Bücher anfuhren Incipit 2US Uber bis Quintus Uber wurden von derselben Hand geschrieben. Daher läßt sich nicht ausschließen, daß das Register (Registrum) bereits in der Vorlage zu Hs. B 2 , in der der Text der H B in 72 Kapitel gegliedert ist, enthalten war. Hinweise auf einzelne Bücher finden sich lediglich im einleitenden Register. Die Hs. B 2 in ihrer definitiven Form entstand in der zweiten Hälfte 1489 durch Kontaminierung; deren einzelne Teile stammen aus verschiedenen Zeitabschnitten, sind allerdings abschließend kaum ohne Herbeiziehung der Hs. B 1 sowie der Inkunabeln r und b reduziert worden. In formaler Hinsicht erinnert B 2 an die Görlitzer Hs. G. Auch diese trägt Spuren von Kontaminierung: die Hs. ist in f ü n f Bücher ein-

0136

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

geteilt, jedoch gleich hinter dem Vorwort liest man anstelle des erwarteten Incipits des ersten Buches die Worte (fol. l v ) Capitulum primum bohemice historie, die den Umstand belegen, daß der Schreiber der Hs. G (ähnlich wie der Schreiber der Hss. F und T) die Texttradition kannte, in der die HB in Kapitel untergeteilt war.

5. C: codex Cusanus Konvolut, Historia Bohemica auf fol. 216r-267v; auf fol. 22r-147v: Liber sermonis (!) Leonis pape mit dem Explicit: Expliciunt sermones b. Leonis pape finiti et completi mantue Anno domini 1459 in vigilia s. nicolai (= 5.12.). Deo gratias. Die ganze Hs. wurde von einem Schreiber geschrieben. Anfang (fol. 216 r ): Enee siluij Piccolominei | Senensis Cardinalis St Sabine | ad Alfonsum Arogonum (!) Regem \ Clarissimum in Historiam Bohemi i cam prefacio \ Incipit lege feliciter Der in zwei Spalten stehende Text ist in fünf Bücher gegliedert, die jedoch lediglich durch Initialen angedeutet sind: Prefacio (fol. 216r~v) mit Incipit und Explicit Erstes Buch 216 v Incipit historia·. B 1 (endet ohne Explicit). Zweites Buch 227 r (beginnt ohne Incipit) [T2] (endet ohne Explicit). Drittes Buch 236 r (beginnt ohne Incipit) [C2] Viertes Buch 246 r Historie bohemice tercius \ liber desinit, eiusdem quartus [feliciter incipit·. S 2 . Fünftes Buch 260 r Historie bohemice liber\quintus incipit [C3] 267 v Finis huius opus. Obwohl C nach dem 6. Dezember 1459 in Mantua geschrieben wurde (s. o.), ist der conventus Mantuanus, der gerade vorüber war, in ihr nicht erwähnt. Aeneas Silvius wird cardinalis genannt, obwohl er 1459 bereits den Titel pontifex maximus trug. Daher läßt sich nicht ausschließen, daß C die Abschrift einer älteren Vorlage war. Auffallig ist die relativ geringe Sorgfalt in formaler Hinsicht. Incipits und Explicits treten unregelmäßig auf, schlichte und unverzierte Initialen finden sich nur zu Beginn des Vorworts, des ersten und des vierten Buches. Am Beginn der übrigen Bjücher ist lediglich Freiraum für eine nachträgliche Ausführung der Initialen geblieben, zu der es allerdings nicht kam.

Nähere Bestimmung der Handschriften

0137

6. D: codex Darmstadiensis Titel: Historia Bohemiafi Der Text ist in f ü n f Bücher eingeteilt. Das Vorwort (Prefacio) ist mit einem Incipit versehen, hat jedoch kein Explicit. - Das erste Buch (fol. 3 r -26 r ) besitzt ein Incipit und ein Explicit, das gleichzeitig das Incipit des zweiten Buches bildet, darüber hinaus ist es durch eine (nicht ausgeführte) Initiale gekennzeichnet [I3]. - Das zweite Buch (fol. 26 r 45 v ) ist mit einem Incipit ausgestattet, das zugleich das Explicit des ersten Buches bildet. - Das dritte Buch (fol. 45 v -66 v ) ist mit einem Incipit versehen, das gleichzeitig das Explicit des zweiten Buches bildet. Der Beginn des dritten Buches ist darüber hinaus durch eine (nicht ausgeführte) Initiale gekennzeichnet [C 3 ]. - Das vierte Buch (fol. 66 v 92 v ) beginnt mit einem Incipit, das gleichzeitig das Explizit des dritten Buches bildet. Der Beginn des vierten Buches ist darüber hinaus mit einer (nicht ausgeführten) Initiale gekennzeichnet [S3]. - Das fünfte Buch (fol. 92 v -106 v ) beginnt mit einem Incipit, das gleichzeitig das Explicit des vierten Buches bildet. Der Beginn des fünften Buches ist darüber hinaus mit einer (nicht vollendeten) Initiale gekennzeichnet [C 4 ]. - Der Text ist unvollständig, es fehlt fol. 19v-20r. Lagen: Sexternen, letzte Lage unvollständig. Der Schluß der einzelnen Lagen ist durch Repräsentanten gekennzeichnet, die am unteren Blattrand senkrecht zum Text angeordnet sind.

7. E: Deutsche Ubersetzung von Peter Eschenloer aus dem Jahre 1464; s. diese Ausgabe Teil II.

8. F: codex Florentinus Laurencianus Titel (fol. 3 r ): Historia Bohemica. Quinternen; am Ende der einzelnen Lagen Repräsentanten, senk-

5

Vgl. fol. l r ENEIPICOLOMINEI... citer, fol. 3 r [E3]NEI SILUIIpicolominei... ter.

inystoriam boemicam prefacio Incipit feliIstone bohemice liber primus Incipit felici-

0138

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

recht zum Text angeordnet. - Die gesamte Hs. mitsamt den Glossen stammt von einem Schreiber. Der Text ist in fünf Bücher gegliedert, die überwiegend mit Incipits und Explicits ausgestattet sind; ohne Explicit sind die Prefatio (fol. 3 r ) sowie das zweite (fol. 40 r ) und fünfte Buch (fol. 10l r ). Auf fol. 101v steht der Zusatz: QVO anno Eneas siluius Piccolomin \ us Senensis Cardinalis sancte Sabi \ n§ historiam hanc Bohemicam edidit \ assumptus est ad summum Pontificatu(m) et nominatus Pius ij. idem mox pro sa \ lute christiani populi Conuentum Mantu\anum induxit atq(ue) peregit τέλος τοιούτος (!) τον έργου \ Έπαινος θεώ και τιάσι τοις άγίοις 'Αμήν |. Der Beginn der einzelnen Bücher sollte außer durch Incipits auch durch mehrzellige Initialen gekennzeichnet werden, für die Platz gelassen wurde, die aber nicht ausgeführt wurden: Prefatio: fol. 1Γ [I7]; Buch 1: fol. 3Γ [B3]; Buch 2: fol. 22 v [I6]; Buch 3: fol. 40 r [C5]; Buch 4: fol. 61 r [S6]; Buch 5: fol. 87' [C 4 ]. Außer den großen (nicht vollendeten) Initialen wurde in F auch für eine größere Anzahl von zweizeiligen Initialen Freiraum gelassen, die wahrscheinlich in der Vorlage enthalten waren. Diese nicht ausgeführten zweizeiligen Initialen hätten überwiegend (wenn auch nicht immer) an solchen Stellen erscheinen müssen, wo sich in Hss. mit Kapiteleinteilung die Anfänge der einzelnen Kapitel finden. Der Schreiber der Hs. F kannte damals mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Version, in der der Text in Kapitel eingeteilt war. Das belegt folgender Umstand: Wahrscheinlich gerieten bei der Abschrift versehentlich die Worte Sequitur consequenter aliud cappitulum in den Text auf fol. 65 r (letzte Zeile). Dies ließe sich dadurch erklären, daß der Text der Vorlage, nach der F erstellt wurde, nicht wie F in Bücher, sondern in Kapitel eingeteilt war. Zweizeilige Initialen finden sich in F an den folgenden Stellen (zum besseren Verständnis werden außer den unvollendeten Initialen in eckigen Klammern auch noch einige weitere Wörter angeführt): Erstes Buch: Fol. 5 r [QJuomodo, fol. 5V [Z]ECHIVS, fol. 6V [C]VM per idem tempus, fol. 7V [G]RATVS Sermo, fol. 8V [C]VM vicegradum, fol. l l v [S]EPTEM an(n)is, fol. 12v [P]RIMISLAO ex libussa, fol. 13v [B]OHEMI parta, fol. 15v [B]ORSIVOrVS coniunxque, fol. 19r [B]OLESLAVS, fol. 20 r [C]VM hec aguntur, fol. 21 v [S]PITIGNEVS ut primum.

Nähere Bestimmung der Handschriften

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2. Buch: fol. 24r [F]VIT autem, fol. 25v [H]ECCINE nobis, fol. 2V [C]ARISSIMVS, fol. 28r [V]ENCESLAO filius, fol. 29v [V]NVM et trigi(n)ta annos, fol. 32r [S]VB hoc rege, fol. 33r [H]VIVS pestifere, fol. 34r [S]BINCO cognomine lepus, fol. 35v [C]VM hec agunt(ur), fol. 36v [N]VNCIATIS enim, fol. 37v [P]ER idem ferne, fol. 38v [C]ONSVEVERVNT corpora, fol. 39v [S]OPHIA uerum. 3. Buch: fol. 41r [ZJischa dum hec, fol. 42r [I]NTER hec, fol. 43r [S]IGISMUNDVS interea, fol. 44v [Z]ISCHA dum hec, fol. 45r [P]OST hec, fol. 47v [E]QVES apud, fol. 49v [0]PIDVLVM, fol. 50v [Z]ISCHA mortuo, fol. 51v [H]IS gestis, fol. 53r [S]IGISMUNDUS hijs cognitis, fol. 54v [E]XACTVS ex bohemia, fol. 57v [C]VM hec agunt(ur), fol. 59r [PjELZINENSES re cognita. 4. Buch: fol. 62v [H]IS compositis, fol. 64r [PJRIVSQyAM bohemiam, fol. 65v [E]GROTARE, fol. 67r [LJEGATI in bohemiam, fol. 68v [AjLBERTVS medio tempore, fol. 70r [N]ON multis post, fol. 71r [B]OHEMI qui, 72r [V]INCIT hec sententia, fol. 74r [V]ERVM Praschone, fol. 75r [V]IDEO te tandem, fol. IT III,, fol. 78r [V]ERO similis, fol. 78v [F]RIDERICVS postquam, fol. 80v [PJROMISERAT Vlricus, fol. 81v [QJVID AGIMVS, fol. 83v [A]B HAC hora, fol. 86v [E]RAT pridem. 5. Buch: fol. 88v [C]OMPOSITIS insidijs, 89v [M]VLTA post hec, fol. 94r [H]IS BLANDIMENTIS allecti, fol. 95v [I]N AVSTRIA, fol. 97r [S]ED HOS tantos, fol. 97r [M]ORTEM eius, fol. 101r [G]EORGIVS ea die.

9. G: codex Gorlicensis: Ein Konvolut überwiegend theologischer Abhandlungen, an dessen Anfang der Inhalt aufgeführt ist, am Ende (433v-439v) das Registrum steht. (192r~v) Enee Siluij Senensis, cardinalis... Sancte Sabine, Ad Alfonsum, regem Clarissimum, In historiam bohemicalem Prefacio incipit feliciter. - Die Prefacio ist durch eine Initiale I4 gekennzeichnet und beginnt mit einem Incipit; ein Explicit fehlt. (192v - 202 r ) [Liber I] Das erste Buch beginnt mit der Überschrift Capitulum primum bohemice historie und ist mit einer Initiale B3 gekennzeichnet. Es endet mit: bohemicalis historie primus liber desinit 2US eiusdem historie Uber Incipit, lege feliciter. Amen.

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

(202r-210v) [Liber II] Das Incipit ist zugleich das Explicit des ersten Buches. Das zweite Buch ist mit einer Initiale I 5 gekennzeichnet und endet ohne Explicit. (210v-219v) [Liber III] Das dritte Buch beginnt ohne Incipit und ist mit einer Initiale C 3 gekennzeichnet. Von dem zweiten Buch ist es nur durch einen einzeiligen Abstand getrennt. Es endet mit einem Explicit, das gleichzeitig das Incipit des vierten Buches bildet: Historie bohemice Tercius liber desinit/Quartus incipit. (219v-231v) [Liber IV) Das vierte Buch hat ein mit dem Explicit des dritten Buches gemeinsames Incipit. Es ist mit einer Initiale S 4 gekennzeichnet und endet mit einem Explicit, das mit dem Incipit des fünften Buches gemeinsam ist: hystorie bohemice liber quartus Desinit, Quintus incipit. (231v-237r) [Liber V] Das fünfte Buch hat ein mit dem Explicit des vierten Buches gemeinsames Incipit und ist durch eine Initiale C 3 gekennzeichnet. Es blieb ohne Explicit. Der Text der HB hat ein einziger Schreiber geschrieben, der auch Marginalglossen hinzufügte. Titel, Icipite, Explicite der einzelnen Bücher sind obliteriert. Am Ende (fol. 237 r ) eine Zuschrift: Quo anno eneas siluiuspiccolomineus Senensis titulo Sande | Sabine Cardinalis historiam banc bohemicam edidit, Assumptus \ est ad summum pontificatum et nominatus pius 2m. Idem mox pro \ salute cbristiani populi Conuentum mantuanum indixit ac peregit 1458.

10. G 1 : codex Gantensis Titel: Historia Bohemica. Der Text ist in 72 Kapitel gegliedert, deren unnumerierte Titel unter der Uberschrift Tabula sequentis operis am Kopf der Hs. aufgeführt sind - ähnlich wie in B 2 . Das abschließende 72. Kapitel hat kein Explicit. Am Schluß des Werks steht - ähnlich wie in B 2 - der Zusatz: Presentis operis compilator est Dns Eneas Siluius poeta laureatus na \ tione et episcopus Senensis: sancte Sabine cardinalis. postea ad apostolatum promo | tus: et Pius papa secundus appellatus. Compilauerat autem circa annum domini Mille\simum quadringentesimum quinquagesimum septimum quo adhuc supererat et regna \ bat Georgius poggiebratius rex sextusdecimus et dux

Nähere Bestimmung der Handschriften

0141

bohemie ab initio gentis quadra\gesimus quartus. aduersus quem crucem predicari propter hussitarum insaniam qua \ infectus fuerat. Pij successor Paulus papa secundus paterna sollicitudine decreuerat. Presentem hystoriam lecturi: nouerint frequentius positum quis pro quibus: non | nunquam qui pro quo in ablatiuo: et que pro qua: meminerintque illius Donati vbi in \ Declinationibus pronominum casus huiusmodi indifferenter ponuntur. Item inßnitiuus \ verborum frequenter ponitur pro preterito etc. Nec facile quis nisi bene expertus domini | Enee siluij opuscula coirigat: quoniam non communis stili sunt. \ Explicit. \ Hoc Volumen comparauit Raphael de Marcatellis \ Dei gratia Episcopus Rosensis Abbas sancti Bauonis \ Juxta Gandauum Anno Domini 1492.

11. H: Johannis Huska ... Erste tschechische Ubersetzung 1487; s. diese Ausgabe Teil III.

12. K: codex Claustroneoburgensis Provenienz: fol. l r von einer Hand des 15. Jhs.: Liber iste est conventus wie(nensis) fr(atru)m ord(inis) p(re)dica(to)rum In Austria. Die Sammel-Hs. enthält nur Werke von Enea Silvio, an erster Stelle (fol. l r -67 v ) die HB, die von zwei Schreibern geschrieben wurde: 1. auf fol. l r -48 v . - 2. fol. 49r-67v. Den ersten Teil glossierte der Schreiber, den zweiten eine spätere Hand. Titel: Hystoria Bohemicaß Der Text ist in fünf Bücher gegliedert: Fol. l r Enee siluij... p(re)fac(i)o incipit. - Fol. 2 r Explicit p(re)fac(i)o. Der Beginn des Vorworts ist durch eine Initiale I 4 gekennzeichnet. Fol. 2 r : Das erste Buch beginnt mit einem Incipit; der Beginn (fol. V 2 ) ist außerdem durch eine (unvollendete) Initiale [B5] gekennzeichnet. Fol. 17v: Das erste Buch endet mit einem Explicit und enthält gleich-

Fol. 11 In hystoriam Boemicam prefacio incipit. Analog in Buch 1-5.

0142

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

zeitig das Incipit des zweiten Buches. Der Beginn des zweiten Buches ist außerdem durch eine Initiale I 4 gekennzeichnet. Fol. 32v: Das zweite Buch endet mit einem Explicit, nach dem das Incipit des dritten Buches folgt, das darüber hinaus die Initiale C 3 (fol. 33 r ) aufweist. Fol. 32v-48v: Das dritte Buch endet mit einem Explicit, das gleichzeitig das Incipit des vierten Buches enthält, dessen Beginn überdies mit einer Initiale S 9 gekennzeichnet ist. Fol. 49 r -62 r : Das vierte Buch endet mit einem Explicit, dem das Incipit des fünften Buches folgt. Der Beginn des fünften Buches ist außerdem durch eine Initiale C 8 gekennzeichnet, die über mehr als acht Zeilen reicht. Fol. 62r-67v: Das fünfte Buch endet ohne Explicit. Nach den letzten Worten steht der Zusatz: Laudetur Deus. Danach folgt ein neuer Absatz: Quo anno Eneas Siluius Piccolomineus Senensis etc. Sande | Sabine Cardinalis Historiam hanc Boemicam edidit assumptus \ est ad summum pontificatum Et nominatus Pius secundus. Idem mox pro\salute christiani populi conuentum Mantuanum indixit ac peregit \ M°CCCC°l0 VIII Amen.

13. K 1 : codex Hauniensis. Abschrift der Baseler Inkunabel von 1489. Im Textapparat nicht zitiert.

14. L: codex Londinensis Papier, fol. IV + 107, 4° Ledereinband zwischen Holztafeln aus dem 15.-16. Jahrhundert, zeitgenössische Glossen. Die Hs. enthält nur die HB und wurde in Italien geschrieben. 63 Quinternen, am Ende der einzelnen Lagen Repräsentanten rechts unten, senkrecht zum Text. Fol. l r : Die Prefatio hat ein Incipit. Der Beginn des Textes ist außerdem mit einer (nicht ausgeführten) Initiale [I6] gekennzeichnet. Fol. 3r-25r: Das erste Buch hat ein Incipit und ein Explicit. Der Beginn ist außerdem durch eine (nicht ausgeführte) Initiale [B4] gekennzeichnet. 6a

Nach freundlicher Information von Pamela Willets, British Library.

Nähere Bestimmung der Handschriften

0143

Fol. 25 r -44 v : Das zweite Buch hat ein Incipit. Der Beginn ist durch eine (nicht ausgeführte) Initiale [I 6 ] gekennzeichnet. Der Schluß des zweiten Buches hat ein Explicit. Fol. 44 v -65 r : Das dritte Buch hat ein Incipit. Der Beginn ist mit einer (nicht ausgeführten) Initiale [C 5 ] gekennzeichnet. Es schließt mit einem Explicit. Fol. 68 r -90 v : Das vierte Buch beginnt mit einem Incipit und einer (nicht ausgeführten) Initiale [S 5 ]. Es schließt mit einem Explicit. Fol. 90 v -104 v : Das fünfte Buch beginnt (fol. 90 v ) mit einem Incipit und (fol. 91 r ) einer (nicht vollendeten) Initiale [C 5 ]. Fol. 104 v : Das fünfte Buch schließt mit den Worten FIN1T

UBER

Quintus.

15. L 1 : codex Campililiensis Unvollständiger Text, in Bücher eingeteilt, allerdings ohne Incipits und Explicits. Der Beginn der einzelnen Bücher wird lediglich durch Initialen angezeigt. Es fehlt die Prefatio und I 1 4 0 6 . Der Schluß des ersten Buches ist o h n e Explicit. Fol. 10 v -41 v : Das zweite B u c h beginnt nur mit Initiale I 3 und endet o h n e Explicit. Fol. 42 r -74 v : Der Text des dritten Buches ist fast vollständig erhalten. Er beginnt ohne Incipit, nur mit einer Initiale C 4 . Es fehlt etwa ein Blatt zwischen fol. 4 5 v und 46 r . Das dritte Buch endet o h n e Explicit. Fol. 74 v -115 r : Das vierte Buch beginnt ohne Incipit, nur mit einer Initiale S 3 und endet ohne Explicit. Fol. 115 r -123 r : Das nur unvollständig erhaltene fünfte Buch beginnt o h n e Incipit mit einer Initiale C 3 . Der Schluß des fünften Buches ist verloren.

16. M : codex Madritensis Hs. aus dem J a h r 1458; enthält nur die H B , geschrieben von einem Schreiber, von dem auch die Marginalglossen stammen.

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Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Titel: Historia Bohemica. Der Text ist in fünf Bücher geteilt, die größtenteils mit Incipits und Explicits versehen sind (ohne Explicit sind das Vorwort und das fünfte Buch, das mit dem folgenden Kolophon schließt (fol. 79v): Quo anno Eneas Siluius piccolomineus Senen(sis) \ t(i)t(ulo) Sande Sabine Cardinalis hystoriam banc | Bohemicam gdidit adsumptus est ad summum \ pontificatum & nominatus: Pius secundus Idem \ mox pro salute christiani populi conuentum Man \ tuanum indixit ac peregit Μ CCCC LV IIIu0.

17. M 1 : codex Mutinensis Fragment. Text undatiert. Enthält nur einen Teil des ersten Buches. Im Textapparat nicht verzeichnet.

18. M 2 : codex Monacensis Titel: Historia Bohemica Auf dem Titelblatt steht die etwa aus dem 17. Jahrhundert stammende Glosse: In Vsum Fratrum Weterobrunnensium Der Text beginnt mit den Worten: Enee Siluij Senensis Cardinalis sancte \ Sabine Historia Bohemica Notabilis \ et Iocunda A principio gentis Vsque ad Georgium \ Poggiebracium Ladislai Regis successorem | porrecta Ad Illustrissimum dominum Alfonsum \ Regem Aragonum conscripta. Der Text besteht aus einem Vorwort und 72 Kapiteln. Er schließt wie folgt (fol. 97r): Presentis operis compilator est dominus Eneas \ Siluius: poeta Laureatus Nacione et episcopus | Senensis Sancte Sabine cardinalis, postea \ ad apostolatum promotus: et pius papa Secundus \ appellatus. Compilauerat autem circa annum \ domini Millesimum quingentesimum quinqua | gesimum septimum, quo adhuc supererat et reg \ nabat Georgius poggiebracius: rex sextus | decimus et dux bohemie. Ab Inicio gentis | quadragesimus quintus. Adversus quem crucem \ predicaij propter Hussitarum Insaniam. qua Infectus | fuerat. Pij successor. Paulus papa secundus \ paterna solicitudine decreuerat Presentem Historiam Lecturi nouerint \ frequenter positum quis pro quibus, nonnumquam | qujpro quo In ablatiuo et que pro qua: me \ minerintque illius Donati vbi In declina \ cionibus pronominum casus huiusmodj Indiffe \ renter

Nähere Bestimmung der Handschriften

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ponuntur etc. Infinitivus verborum \ frequenter ponitur pro preterite etc. \ Nec facile quis nisi bene expertus dominj \ Enee siluij opuscula coirigat: quoniam non communis stilj sunt. Fol. 97 r (- 99r): Sequitur Registrum. Am Schluß (fol. 99r): Explicit Registrum. Der Text leitet sich bis auf einige Schreibfehler von B 2 G 1 b ab. Im Textapparat ist er nicht verzeichnet.

19. N: codex Norimbergensis, Stadtbibliothek Nürnberg, 16 misc. XV., 2° Undatierte Handschrift; Titel (fol. 71r): Cronica gentis Bohemia pij pape. Der Text ist in fünf Bücher gegliedert, die jedoch weder Incipits noch Explicits haben. Die Anfange der einzelnen Bücher sind lediglich durch Absätze und durch über zwei bis drei Textzeilen reichende Initialen angedeutet: [Prefatio] fol. 71r-71v. Erstes Buch, fol. 71v-77v; zweites Buch, fol. 77v-82v; drittes Buch, fol. 82v-88v; viertes Buch, fol. 88v-95v; fünftes Buch, fol. 95v-99r. Es endet nur mit den Worten Deo gratias.

20. N 1 : codex Monacensis Konvolut aus der Bibliothek Dr. Hartmann Schedels.7 Am Beginn der Handschrift findet sich der spätere Vermerk Ex Bibliotheca Serenissimorum Vtriusque Bauariae Ducum 1618. Den Inhalt des Konvoluts bilden zwei Schriften über die böhmische Geschichte. Im Vorwort (ff I - XXIV) findet sich unter anderem ein Verzeichnis der böhmischen Fürsten und Könige: 8 1 (l r -155 v ) Pribik Pulkava ζ Radenina, Historia Bohemorum (versio Latina). Herausgegeben von Josef Emier, FRB V., Prag 1893, S. 1-207 und Seton, 1927, S.l ff. 2 (156r-240r) Enee Picolomini (!) Senensis ... Historia Bohemica. Der Text schließt mit den Worten (fol. 240 r ) FINIS LAVS DEO. ... Scripsi Hartmannus Schedel de Nuremberga. Anno etc. 1476. die 8. mensis Octobris in Nuremberga etc. Nach einem etwa zwei Zeilen umfassenden Leerraum 7

Stauber 1908.

8

Vgl. Blähovä, Soupis 2000, S. 500-509.

0146

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

folgt der Zusatz: Quo Anno Eneas Siluius Picolomineus (!) Senensis, sancte Sabine cardinalis: Historiam banc bohemicam edidit. Assumptus est ad summum. pontificatum: Et nominatus Pius Secundus. Idem mox pro salute christiani populi conventum Mantuanum indixit ac peregit. H.S. Den Abschluß bilden diverse historische Aufzeichnungen, zum Teil Verse, die mit einer Hand des 18.-19. Jahrhunderts als Auszüge aus Andreas von Regensburg bezeichnet werden. Auch diese Texte wurden von Dr. Hartmann Schedel abgeschrieben. Anmerkung: Zu Beginn der Hs. heißt es: DOCTORIS HA/RTMANNI SCHEDEL. /DE NVREMBERGA, im einleitenden Zusatz von der Hand Hartmann Schedels steht jedoch: Ego Hartmannus Schedel, arcium et medicine doctor, anno domini MCCCCIxxviii. phisicus Amberge existens, qui locus vicinus bohemie extat, ad ordinem brevem utrasque historias auspice Christo redigere volui, ut que sparsim in veteri atque nova historia continentur, lector diligens invenire possit. Die HB befindet sich auf fol. 146r-240r, geschrieben von H. Schedel. Titel: Historia Bohemica Der Text ist in fünf Bücher gegliedert: Fol. 156r-157v: Die Prefatio hat ein Incipit, aber kein vollendetes Explicit. Der Beginn des Vorworts ist mit einer Initiale I 5 gekennzeichnet. Fol. 157v-176r: Das erste Buch hat Incipit und Explicit. Der Beginn ist durch eine Initiale B 4 gekennzeichnet. Fol. 176r-192r: Das zweite Buch beginnt mit einem Incipit und schließt mit einem Explicit. Der Beginn ist durch eine Initiale I 5 gekennzeichnet. Fol. 192r-209r: Das dritte Buch hat ein Incipit und Explicit. Es beginnt mit einer Initiale C 4 . Fol. 209r-229v: Das vierte Buch hat ein Incipit und Explicit. Es beginnt mit einer Initiale S 4 . Fol. 229 v -240 r : Das fünfte Buch beginnt mit einem Incipit und einer Initiale C 4 . Es endet ohne Explicit mit den Worten FINIS LAVS DEO und einem Zusatz H. Schedels (s. o.)

21. O: codex Olomucensis Die Hs., eine Abschrift des römischen Erstdrucks von 1475, wurde

Nähere Bestimmung der Handschriften

0147

zwischen 1476 und 1480 in Leitmeritz angefertigt. Am Schluß (fol. 46v) findet sich die Glosse: Eius finis anno etc. IXXVI ante christi nativitatem. Darunter in einem eigenen Absatz: Quo anno Eneas Siluius piccolomineus Senensis Tituli \ sancte Sabine Cardinalis historiam hanc Bohemicam edidit | assumptus est ad sumum pontificatum et nominatus pius Secundus \ Idem mox pro salute christiani populi Conuentum Mantuanum \ indixit ac peregit M. CCCC l viij\ 22. P: codex Parisiensis Titel: Eneas, tituli Sancte Sabine S.R.E. Cardinalis Senensis, De origine Bohemorum. Am Schluß (fol. 79 r ) steht: Per Gerardum, Colonie clericum pro tunc. Deo gracias. Die Hs. wurde von einem Schreiber, d.h. von dem Kölner Kleriker, abgeschrieben. Der Text ist in fünf Bücher eingeteilt, die jedoch keine Incipits und Explicits haben. Der Beginn der einzelnen Bücher ist lediglich durch Initialen gekennzeichnet: Fol. l r -2 r : Prefatio I 3 ; Fol. 2 r -17 r Erstes Buch B3; Fol. 17r-31v: Zweites Buch I 4 ; Fol. 31v-48r: Drittes Buch C 3 ; Fol. 48r-68r: Viertes Buch S 2 ; Fol. 68r-79r: Fünftes Buch C 2 .

23. Π: Codex Paduanus Die Hs. ist unvollständig. Es fehlen: Praefatio 1-23,1 1-23; II 282-296, 330-344; III 73-89; IV 247-270. Die Hs. wurde von einem Schreiber geschrieben. Titel: HISTORIA BOHEMICA (nach dem Incipit des ersten Buches, fol. 2 r ). Der Text ist in fünf Bücher eingeteilt. Incipits und Explicits besitzen das erste, dritte und vierte Buch. Ohne Explicit sind das Vorwort, das zweite und fünfte Buch. Die Anfange der einzelnen Bücher sind mit Initialen gekennzeichnet: Β 3 (1. Buch auf fol. 2 r ); I 2 (2. Buch auf fol. 17v); C 2 (3. Buch auf fol. 32r); S 2 (4. Buch auf fol. 47v); C 3 (5. Buch auf fol. 66v). Das fünfte Buch endet mit dem Wort FINIS, doch folgt nach etwa zweizeiligem Abstand der Zusatz: OVO anno Eneas Siluius

0148

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Piccolomini Senensis Car\dinalis Sancte Sabine historiam banc Bohemi \ cam Edidit Assumptus est ad Summum pontificatum et \ nominatus Pius Secundus. idem moxpro salute chri \ stianipopuli Conuentum Mantuanum IndixitAtque peregit.

24. R 1 : codex Romanus 1 Titel: Historia

Bohemica.

Der Text ist in fünf Bücher gegliedert, die mit Ausnahme des fünften Buches Incipits und Explicits haben, (das fünfte Buch hat nur ein Incipit). Die Anfange der Bücher werden durch gelegentlich reich verzierte Initialen gekennzeichnet. Das fünfte Buch schließt mit dem Wort Finis. Ihm folgt der mit derselben Hand, d.h. von Johannes Andreas Vigevius, geschriebene Zusatz: Quo anno Eneas Siluius Piccolomineus Senensis titulo \ Sanct§ Sabing Cardinalis historiam banc Bohemicam \ pdidit. assumptus est ad summum Pontificatum | et nominatus Pius Secundus. Idem mox pro salute \ Christiani populi conuentum Mantuanum indixit | ac peregit. M° cccc0 L. ν iij°. xvj° Kl' decembris inceptus est describi. iij. Kl' eiusdem \ mensis absolutus est liber α Joanne andrea Vigeuio. In presenti historia certat rerum Varietas ac magnitudo animi | scribentis candore atque grauitate. 25. R 2 : codex Romanus 2 Titel: Hystoria

Bohemica

Der Text ist in fünf Bücher eingeteilt, die alle mit einem Incipit beginnen und, mit Ausnahme des fünften Buches, mit einem Explicit enden. Das fünfte Buch schließt mit dem Wort FINIS. Alle Bücher beginnen außerdem mit Initialen im Umfang von fünf Zeilen, nur die einleitende Initiale des Vorworts ist sechszeilig. Am Schluß des gesamten Werkes (fol. 69r) steht der Zusatz: Quo anno Eneas Siluius piccolomineus Senensis titulo \ Sancte Sabine cardinalis hystoriam hanc Bohemicam gdidit ad\sumptus est ad summum pontificatum m Et nominatus pius i j \ dein mox pro salute christiani populi Conuentum Man | tuanum indixit ac peregit Anno etc. • Μ • CCCC LV iij0.

Nähere Bestimmung der Handschriften

0149

26. R 3 : codex Casanatensis Romanus 9 Hs. aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, italienischer Provenienz, 160 fol. im Ausmaß von 21x14 cm, Einband zeitgenössisch. Das Papier besitzt nur eine Art von Filigran - H o r n . Vgl. G. Piccard - Wasserzeichen VII - H o r n , Stuttgart 1979, Nr. VII-217 (1482, 1483). Die Lagen sind regelmäßige Quinternen; hinter dem fol. 159 der letzten Quinterne ist ein folio herausgeschnitten. Lagenreklamanten an den auslaufenden Seiten jeder Lage rechts unten, senkrecht zum Grundtext angeordnet. Kustoden fehlen. Am Anfang des Buchblocks ist ein folio eingeklebt (II). Am Anfang sowie am Ende des Kodexes je ein Doppelblatt hineigeklebt; mit einem folio davon ist die Innenseite des Einbanddeckels vorn und hinten ausgeklebt, das jeweils andere folio bildet den Vorsatz, (fol. I und 160). Folien 89, 90, 124-130, 157-160 blieben leer. Die neuzeitliche Foliierung mit Paginierstempel. Der Einband Vollpergament, weich. Stempel: Schwarz, oval, mit Ziegelturm, Zinne und achtzackigem Stern, an den Seiten des Turmes und darunter Majuskellettern H. C. C., auf fol. l r und 156 r ein schwarzer Stempel Bibl. Casanatense 171.678. Signaturen: Am Buchrücken ein kleines Papierschild mit vorgedrucktem Rähmchen Regia Biblioteca Casanatense Roma 3908. Ein ähnliches Schild mit Signatur auf der Innenseite des hinteren Einbanddeckels. Auf fol. l r oben mit dem Stift 3908, am Rücken mit der Feder eine ältere Signatur M. S. 112 geschrieben, darunter mit der Feder 3908. In der Einleitung (fol. IIV) der Inhalt des Kodexes, von derselben H a n d geschrieben, die mit jener des Schreibers vom ganzen Kodex identisch ist: Pii II. pontificis maximi de origine Bohemorum \ Item eiusdem de duobus amantibus \ Item eiusdem de miseriis curialium. l r -88 v : Eneas tituli SancteSabine S.R.E. cardinalis Senensis \ de orrigine (!) Bohemorum prefatio ... χ ... Nobis persuasum est armis acquiri regna, non legibus. Finis. - Der Text ist in f ü n f Bücher ohne Incipits und Explicits unterteilt. Zwischen einzelnen Büchern gibt es sich nur wenige Zeilen Freiraum: Fol. l r -3 r Prefatio - Buch 1: fol. 3 r -22 r - Buch 2: fol. 22 r -38 v Buch 3: fol. 38 v -56 r - Buch 4: fol. 56 r -77 r - Buch 5: fol. 77 r -88 v . 89-90: leer Die Beschreibung der Hs. vermittelte Herr Dr. Stanislav Petr, Prag.

0150

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

91r-92r: Litterae Eneae Silvii ad casparum Schlick (R. Wolkan, FRA, I. Abt. Band 61, Wien 1909, Nr. 153, S. 393-395). 92r-123v: Litterae eiusdem ad Marianum Sozinum (R. Wolkan, FRA, I. Abt. Band 61, Wien 1909, Nr. 152, S. 353-393). 124-130: leer 13lr-156r: Litterae eiusdem ad Ioannem de Aich (R. Wolkan, FRA, I. Abt. Band 61, Wien 1909, Nr. 166, S. 453487). 157-160: leer.

27. R4: codex Romanus 4 Schreiber war Federico Veterano Urbinate (Fridericus Veteranus Urbinas). Das Inhaltsverzeichnis der Hs. hat die mit Abbreviationen (die hier ausgeschrieben sind) versehene Uberschrift (fol. l v ): IN HOC | ORNAmSIMO CODI\CE CONTINENTVR • EPISTOLE • CAR FINALES • ET • DIALOGVS • QVIDAM | ET • HISTORIA • BOEMICA • ENEE: SILVII | PICCOLOMINEI • SENENSIS • CAR • SANCTE SAB \ IN Ε · Q_VI TANDEM • AD PONT • ASSVMPTVS • PIVS • II \ AP\PELLATVS • EST. Der Text der HB (fol. 226r-331r) ist weder in Bücher noch in Kapitel unterteilt. Die Praefatio (fol. 226r) beginnt mit der mit ganzseitigen zierlichen Ausläufern versehenen Initiale I 6 und endet ohne Explicit auf fol. 228r. Der weitere Text wird lediglich durch ein System größerer und kleinerer Initialen unterteilt. Die größeren Initialen befinden sich dort, wo in Hss., die in fünf Bücher eingeteilt sind, die Incipits der Bücher I - V stehen. Die kleineren Initialen sind im Text größtenteils (wenn auch nicht immer) dort piaziert, wo in der Baseler Inkunabel neue Kapitel beginnen. Die HB schließt mit dem Wort finis. Wenn wir den Kodex R 4 mit anderen italienischen und spanischen Hss. der HB vergleichen und diese analysieren, dann sind zwei Aspekte beachtenswert: 1) die Schreiber der Hss. F und Τ kannten nicht nur die Gliederung des Textes in Bücher, sondern zugleich - wenigstens teilweise - auch die Gliederung in Kapitel. Die Gruppe R 4 FT (sowie die verwandte Hs. Π) nimmt so eine Zwischenstellung zwischen der Gruppe R3PB*b und den Codices R*R2S ein. - 2) Die oben geschilderten Sachverhalte führen zu der Annahme, daß entweder eine heute unbe-

Nähere Bestimmung der Handschriften

0151

kannte, den Codices R 3 u n d R 4 verwandte Hs. als Vorlage für die Baseler Inkunabel gedient hat, oder daß Fridericus Veteranus durch irgendeine Vorlage inspiriert wurde, in der der Text in thematisch einheitliche Kapitel mit Hilfe von Initialen eingeteilt war. Deshalb konnte auf die Inhaltsregesten verzichtet werden.

28. S: codex Senensis Auf dem Vorderdeckel ein Schild mit dem Titel: HISTORIA BOHEMICA, auf der Rückseite des Vorderdeckels stehen von einer H a n d des 17. oder 18. Jahrhunderts die Worte AEneae Silvii Piccolomini Historia Bohemica See. XV und die Signatur Κ. VI. 6. Auf dem vorderen Vorsatzpapier befindet sich das Wappen des Stifters, darunter steht: LA. PIC. ARAGONVS. DE CASTELIA . \ EX BENEFICENTIA POSVIT. Der Text ist in f ü n f Bücher unterteilt. Der Schreiber unterschrieb auf fol. 146v mit 10AN. DE MONASTERIO SCRJPSI. l r -4 r : Prefatio, beginnt mit einer Initiale I 7 , das sechszeilige Incipit ist unleserlich. 4 r -34 v : Buch 1 beginnt mit einer Intiale B 6 , Incipit u n d Explicit sind unleserlich 34 v -61 v : Buch 2 beginnt mit einer Initiale I 6 , hat Incipit und Explicit. 61 v -91 r : Buch 3 beginnt mit einer Initiale C 6 , hat ein Incipit und ein (unleserliches) Explicit. 91 r -127 v : Buch 4 beginnt mit einer Initiale S 6 , hat ein (unleserliches) Incipit und Explicit. 127v-146v: Buch 5 beginnt mit einer Initiale C 8 . Der Text endet mit dem Wort FINIS, darunter folgt der Zusatz: QVO ANNO ENEAS SILVIVS PIC| COLOMINEVS SENENS . S. S. /// | ... HISTORIAM HANC BOHE \MICAM EDIDIT ASSVMPTVS EST | AD SVMMVM PONmiCATVM. ET \ NOMINATVS PTVS SECVNDVS. | IDEM MOX PRO SALVTE CHRISTLA \ NIPOPVLICONVENTVM MAN\ TVANVM INDIXITAC PEREGIT. Unter diesem Zusatz steht der Name des Schreibers (s. o.).

0152

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

29. Τ: codex Toletanus Titel: Hyftoria Bohemica. Hs. und Glossen wurden von einem Schreiber verfaßt. Quinternen. An der auslaufenden Seite jeder Lage Repräsentanten, senkrecht zum Text angeordnet. Insgesamt 125 fol. Am Schluß (fol. 125r): FINIS, darunter der (von derselben Hand wie der übrige Text verfaßte) Zusatz: Qvo anno Eneas Siluius Piccolomius \ Senensis, Cardinalis Sancte Sabbine hysto | riam hanc bohemicam edidit: Assump \ tus est ad summum pontificatum et nominatus \ Pius ij. idem mox pro salute christianj \ populi conuentum Mantuanum indixit atque peregit. l r -3 v : Prefatio. Am Beginn eine Initiale I 9 . Das Incipit ist beschädigt und nur teilweise lesbar; Schluß ohne Explicit. 3v-29r: Das erste Buch beginnt mit einer Initiale B 6 , hat Incipit und Explicit. 29 r -53 r : Das zweite Buch beginnt mit einer Initiale I 4 , hat ein Incipit, aber kein Explicit. 53r-78v: Das dritte Buch beginnt mit einer Initiale C 6 , hat Incipit und Explicit. 78v-109v: Das vierte Buch beginnt mit einer Initiale S 5 , hat Incipit und Explicit. 109v-125r: Das fünfte Buch beginnt mit einer Initiale C 4 , hat kein Explicit. Es schließt mit dem Wort FINIS, danach folgt der Zusatz (s. o.). Außer großen Initialen am Anfang der einzelnen Bücher findet sich in Τ an denselben Stellen wie in F ein System von überwiegend drei-, in Ausnahmefallen zwei- oder vierzeiligen Initialen, die jedoch im Gegensatz zu F mit Verzierungen versehen sind. Τ wurde - ähnlich wie F - nach einer Vorlage abgeschrieben, in der der Text in Kapitel eingeteilt war. Am Schluß des Vorwortes (fol. 3V) liest man wie im Incipit des ersten Buches in Τ die Worte: Hyftorie Bohemice liber primus Incipit. Lege feliciter. et primo. Die letzten zwei Worte (et primo) erscheinen auch im Incipit des ersten Buches von B 2 G 1 b, in denen die HB in 72 Kapitel geteilt ist. F und Τ nehmen so gesehen eine Art Zwischenstellung ein. In ihnen ist der Text in fünf Bücher gegliedert, deren Schreiber indessen wohl Vorlagen kannten, in denen der Text in Kapitel unterteilt war.

Nähere Bestimmung der Handschriften

0153

30. T 1 : codex Tergestinus Papier-Hs., aufbewahrt in der Stadtbibliothek in Triest (Trieste, Biblioteca civica Attilio Hortis), Sign. MS II 11, vgl. P. Weinig, S. 123. Titel (fol. 1™) fehlt. 2 r -4 r (Prefatio) [I3] [I3]Nteritura esse qugque nascuntur... χ ...bonique consule. Prefatio ohne Incipit und Explicit, beginnt mit einer (unvollendeten) Initiale [I3]. 4 r -25 v (Liber I) beginnt ohne Incipit [BJohemia in solo barbarico... und endet ohne Explicit mit den Worten reverti iussit. 25 v -44 v (Liber II) beginnt ohne Incipit nach einem etwa zweizeiligen Freiraum mit einer unvollendeten Initiale [IJNter h§c Leopoldus..., schließt ohne Explicit. 44 v -65 v (Liber III) beginnt ohne Incipit nach einem etwa 2-3zeiligen Freiraum mit einer unvollendeten Initiale [CJVm hic esset... χ ... poenas dedit. Explicit fehlt. 65 v -91 r (Liber IV) beginnt ohne Incipit nach einem l-2zeiligen Freiraum mit einer unvollendeten Initiale [SJigismundus interim... Bleibt ohne Explicit. 91 v -104 v (Liber V) beginnt ohne Incipit nach einem l-2zeiligen Freiraum mit einer unvollendeten Initiale [C]omes eilig... O h n e Explicit. Quinternen; Lagenreklamanten auf fol. l l v , 21v, 31v, 41v, 51 v , 61 v , v 71 , 81 v , 91 v , 101 v senkrecht zum Text angeordnet. Der Text schließt mit dem Wort Finis. Darunter eine Zuschrift: Quo anno Eneas Siluius piccolomineus senenis tituli \ [Sancte Sabine] cardinalis historiam banc Bohemicam edidit \ [Assumpjtus est ad summum pontificatum et nominatus Pius \ Secundus. Idem mox pro salute christiani populi conuentum | Mantuanum indixit acperegit M'CCCC L°VM° \ In presenti hystoria certat rerum Varietas ac magnitudo candore atqe grauitate Munera grata deo reddamus munere tanto Quifuit adiutor ad bona Vota pius.

\ cum Scribentis

31. V: codex Venetus Die Hs. (31 χ 21,5 cm) besteht aus Quinternen, Sexternen und Septernen. Sie gehörte einmal Dr. Nikolaus Tempelfeld. Die HB steht

0154

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

auf fol. 268-336: Aeneae Sylvii Historia bohemica. Die Hs. wurde Mitte des 15. Jahrhunderts (Krejcik S. 78) geschrieben, wobei zwei Traktate aus dieser umfangreichen Hs. (nicht die HB) dem Explicit zufolge im Jahr 1466 abgeschrieben wurden. Die HB ist von einem Schreiber, wahrscheinlich deutschen Ursprungs, geschrieben. Der Text ist in fünf Bücher gegliedert, deren Anfange nur durch Initialen gekennzeichnet sind. Eine Marginalgliederung des Textes in Kapitel stammt erst aus dem 19. Jahrhundert.

32. W: codex Trebonensis, Staatsarchiv in Trebon/Wittingau A 32. Die Hs. enthält außer der HB (fol. l r -59 v ) noch eine weitere Schrift Eneas: Dialogus [de somnis]. Die aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammende Hs. wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts glossiert. Der Text ist in fünf Bücher unterteilt, die mit Incipits und Explicits versehen sind. Der Anfang jedes Buches ist darüber hinaus durch fünfbis sechszeilige Initialen gekennzeichnet. Die Anfangsinitiale (fol. l r ) ist zehnzeilig. l r -2 r : Prefatio, beginnt mit einer Initiale I 1 0 , hat Incipit und Explicit. 2 r -14 r : Buch 1 beginnt mit einer Initiale B 6 , hat Incipit und Explicit. 14r-24v: Buch 2 beginnt mit einer Initiale I 6 , hat Incipit und Explicit. 24v-37r: Buch 3 beginnt mit einer Initiale C 6 , hat Incipit und Explicit. 37r-5 l v : Buch 4 beginnt mit einer Initiale S 6 , hat Incipit und Explicit. 51v-59r: Buch 5 beginnt mit einer Initiale C 6 , hat Incipit, endet (ohne Explicit) mit dem Wort Finis.

33. W 1 : codex Vindobonensis Palatinus Inhalt: l r -32 v Dares Phrygius, Historia Troiana\ 33r-37v Vacant; 38r-72v Historia de ltalia\ 75r-99r Pindarus Thebanus [= Baebius Italicus], Ilias epitomata\ 99v-101v Xicho Polentonus, Epistola de Venetiarum et Patavii ortu\ 103r-217r Pius II, papa (Aeneas Sylvius Piccolomini) Historia Bohemica·, 217 v -223 r Historia Udonis archiepiscopi Magdeburgensis\ 224 v Versus hexametri de urbe Grecz.

0155

Nähere Bestimmung der Handschriften Die H B hat das Explicit: Explicit Domini M°CCCC°

LXXVIII

cronica Bohemorum

octavo ydus

Die Hs. wurde in Monasterio geschrieben. Seit 1576 in der

rescripta

Sane Vallis in den Jahren 1472-1478 Hoflibliothek.

103 r -105 r : Die Praefatio beginnt mit einer (nicht Initiale I

7

Anno

Jvnij.

ausgeführten)

ohne Incipit, endet ohne Explicit. A u f fbl. 103 r unter dem

Text, von anderer Hand: Eneas Silvius picolomineus

\ Alphonso.

anagonum

regi | Salutem. Die Praefatio endet (fol. 105 ) ohne Explicit. r

105 v -132 v : Buch 1 beginnt mit einem freigelassenen Platz für eine (nicht ausgeführte) Initiale B 9 . Anstelle des Incipits findet sich am oberen Rand von fol. 105 v von derselben Hand wie auf fol. 103 r der Zusatz: Aenee Siluij picolominei

\ Bohemorum

chronica.

Explicit a u f fol.

132 v . 132 v -153 r : Buch 2 beginnt mit einem freigelassenen Platz für eine (nicht ausgeführte) Initiale I 4 . Es endet (auf fol. 153 r ) ohne Explicit. 153 r -176 r : Buch 3 beginnt mit einem freigelassenen Platz für eine (nicht ausgeführte) Initiale C 6 . Es endet o h n e Explicit. 176 r -203 r : Buch 4 beginnt mit einem freigelassenen Platz für eine (nicht ausgeführte) Initiale S 5 . Es endet o h n e Explicit. 203 r -217 v : Buch 5 beginnt mit einem für die Initiale C 6 freigelassenen Absatz. Es hat kein Incipit, endet jedoch (fol. 217 r " v ) wie folgt: Explicit cronica octauaydus

\ Bohemorum

refcripta. Anno domini M°CCCC°LXXVIII

\\

Jvnij.

34. W 2 : codex Vindobenensis 2 Papier-Hs. aus dem 16. Jahrhundert, 401 fol., 2°, die dem Wiener D o m h e r r n Ladislaus Suntheym gehörte (s. u. S. 0168 f.). Inhalt: l r ~ v De regnis principalibus

secundum

chronica

Eusebii et Hiero-

nymi\ 2 -260 Beda Venerabiiis, Chronica de sex mundi aetatibus r

ab Hermanno

continuata

r

et Bertholdo-, 2 6 0 v - 2 7 2 v vacant; 2 6 3 r - 3 0 0 r Pius II papa

Aeneas Sylvius Piccolomini,

Historia

Friderici III Imperatorisr, 300 -309

cant; 310 r -334 v Idem, De rebus Boemorum

v

(= Historia Bohemica)·,

vacant; 338 r -378 T Annales

Claustroneoburgenses

zelin, Carmen germanicum

Schlacht am Hasenbühel·,

neoburgenses concluduntur,

3 8 6 r 4 0 1 r Annales

sive v

va-

335 r -337 v

973-1327; 378 r -383 r Hin3 8 3 r Annales

Cremsifanensis

Claustro-

monasterii.

0156

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

Der Text der HB ist weder in Bücher noch in Kapitel, sondern wie folgt gegliedert: 310r"v: Die Prefatio beginnt mit einem freigelassenen Platz für eine (nicht ausgeführte) Initiale I 5 . Sie hat weder Incipit noch Explicit. Auf fol. 310 v findet sich zwischen Vorwort und erstem Buch von derselben Hand: Ε Procopio Rabenstain ... χ... ex historys Boemorum (s. u., S. 0169). 310v-316r: Buch 1 beginnt mit für eine (nicht ausgeführte) Initiale 4 B freigelassenem Platz; ohne Incipit und Explicit. - Auf fol. 313 v findet sich die Überschrift Defcriptio Morauie, wobei der weitere Text durch eine (nicht ausgeführte) Initiale M 3 eingeleitet wird. 316 r : Nicht ausgeführte Initiale I 3 dort, wo in der Mehrzahl der übrigen Hss. Buch 2 beginnt. 318v: Nicht ausgeführte Initiale [S3]«# hoc rege. 320v: Nicht ausgeführte Initiale [C?\Vm hic esset an der Stelle, an der in der Mehrzahl der übrigen Hss. Buch 3 beginnt. 325v: Nicht ausgeführte Initiale S 3 an der Stelle, an der in der Mehrzahl der übrigen Hss. Buch 4 beginnt. 33 l v : Nicht ausgeführte Initiale C 3 an der Stelle, an der in der Mehrzahl der übrigen Hss. Buch 5 beginnt, das mit den Worten Laus deo schließt. W 2 hat weder Incipits noch Explicits.

35. W 3 : codex Vindobonensis 3. Abschrift des römischen Erstdrucks von 1475. Im Textapparat nicht berücksichtigt.

36. W 4 : codex Vindobonensis 4. Fragment, s.u. S. 0170 ff.

37. X: codex Lipzensis 1 Papier-Hs. des 15. Jahrhunderts (306 χ 218 mm) mit verschiedenartigem Inhalt; die HB auf fol. 349r-386v. Abschrift eines Schreibers. Fol. 349 >v : Enee Siluy Piccolominei Senensis Car\dinalis Sande Sabine ad Alfonsum Arago \ num Regem Clarissimum in Hystoriam Bohemicam prefatio

Nähere Bestimmung der Handschriften

0157

Incipit. Lege feliciter. Der Text beginnt mit einer Initiale I 9 , endet ohne Explicit. Fol. 350r-358r: Buch 1 beginnt mit einer Initiale B 9 ohne Incipit. Es endet mit den Worten Sc(riba)tur lib(er) 2US. Fol. 358r-365r: Buch 2 beginnt mit einer Initiale I 5 ohne Incipit. Es endet ohne Explicit. Fol. 365r-372v: Buch 3 beginnt mit einer Initiale C 5 ohne Incipit. Es endet ohne Explicit. Fol. 373r-382r: Buch 4 beginnt mit einer Initiale S 7 ohne Incipit. Es endet mit den Worten Sc(riba)tur quint(us). Fol. 382r-386v: Buch 5 beginnt mit einer Initiale C 6 ohne Incipit und Explicit. Auf fol. 386v endet es mit den Worten: F-I-NI-S• pro quo gra(tia)s reddo diuinis. 38. Y: codex Lipzensis 2 Papier-Hs., 15. Jahrhundert. Die HB auf fol. 2r-21r. 2r-3r: AENEAE SILVIIPICOLOMINAEI \ SENENSIS CARDINALIS SANCTE | SABINE AD SERENISSIMUM PRIN\CIPEM ALFONSUM AROGONVM | REGEM CLARISSIMUM IN HIS\ TORIAM BOHEMICAM PREFA \ CIO INCIPIT FOELICITER. Das Vorwort beginnt mit einer Initiale I 9 , endet mit einem Explicit. 3 r -ll r : Buch 1 beginnt mit einer nicht ausgeführten Initiale B9 und einem Incipit, endet mit Explicit. ll r -18 v : Buch 2 beginnt mit Incipit und einer nicht ausgeführten Initiale I 9 , endet mit einem Explicit. 18v-26v: Buch 3 beginnt mit Incipit und einer nicht ausgeführten Initiale C 1 0 , endet mit einem Explicit. 26v-36r: Buch 4 beginnt mit Incipit und einer nicht ausgeführten Initiale S 9 , endet mit einem Explicit. 36r-41r: Buch 5 beginnt mit Incipit und einer nicht ausgeführten Initiale C 1 1 , endet ohne Explicit mit den Worten: Deo gracias.

0158

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

39. Z: codex Lipzensis 3 Papier-Hs., 15. Jahrhundert. Verschiedenen Inhalts, HB auf fol. 61r133v. 61 r -62 r Enee Siluy procolomei (!) Senensis, Cardinalis Sande / Sabine, Ad Alfonsum, Aragonum regem / Clarissimum in Historiam Bohemicam prefatio. Der Text beginnt ohne Incipit mit einem fur die nicht ausgeführte Initiale [I2] gelassenen Freiraum; er endet ohne Explicit. 62 r Enee Siluy piccolomei (!) Senensis, Cardinalis Sande Sabine, historie Bobemice liber primus. - Der Text beginnt ohne Incipit mit einem fur die nicht ausgeführte Initiale [B2] gelassenen Freiraum. 77 v Historie Bohemice liber primus finit. / Incipit Uber Secundus, lege feliciter. - Der Text beginnt mit einem für die nicht ausgeführte Initiale [I3] gelassenen Freiraum. 92 r Historie bohemice Uber secundus finit / Incipit tercius, lege feliciter cum deo. - Der Beginn des dritten Buches ist nicht durch eine Initiale gekennzeichnet. 107v Hystorie bohemice über tercius finit In/cipit quartus feliciter. - Der Text beginnt mit einem für die nicht ausgeführte Initiale [S5] gelassenen Freiraum. 123v Hystorie bohemice Uber quartus finit / Incipit quintus feliciter. Der Text beginnt mit einem für die nicht ausgeführte Initiale [C 5 ] gelassenen Freiraum. - Das fünfte Buch endet ohne Explicit mit den Worten: Et sic est finis (fol. 133v).

3. Wechselbeziehungen der italienischen und spanischen Handschriften a. R1 und R 2 R 1 wurde von Iohannes Andreas Vigevius (Giovanni Andrea de' Bussi da Vigevano, 1417-1475) zwischen dem 16. und 29. November 1458 geschrieben. 10 Pius II. ließ die Abschrift daraufhin auf dem Vor10

Krejcik, S. 80-89 setzt die Entstehung auf November 1459 oder 1460 an. Vgl. dazu S. 0192 Anm. 23.

Wechselbeziehungen der italienischen und spanischen Hss.

0159

derdeckel mit seinem Siegel versehen u n d in seine Bibliothek einordnen. Dieser Umstand brachte Krejcik zu der Uberzeugung, daß - bei dem Fehlen eines Autographen - eben diese Abschrift des Vigevius fur eine zukünftige Edition von grundlegender Bedeutung sei. Krejciks Ansicht über die Bedeutsamkeit von R 1 wurde durch die von Rothe durchgeführte Analyse (S. 34 ff.) bekräftigt. Was R 2 betrifft, legte Krejcik ihre Entstehung aufgrund paläographischer Forschungen in die 70er bis 80er Jahre des 15. Jahrhunderts (S. 89: ca 1470). Rothe datierte sie in Anlehnung an das Explicit ins Jahr 1458 (S. 29, Nr. 2). Mit der Frage der Wechselbeziehungen, die zwischen diesen Hss. bestehen, haben sie sich beide nicht näher befaßt. Krejcik (S. 91) n a h m lediglich an, daß die Hss. R 1 und R 2 keine gemeinsame Vorlage hatten. Schon bei flüchtigem Vergleich von R 1 mit R 2 m u ß jedoch festgestellt werden, daß R 2 im Vergleich zu R 1 in einigen Fällen einen unvollständigen Text bietet. Sehen wir von kleineren Auslassungen (Wörtern) ab, so handelt es sich dabei u m folgende Passagen: 1) HB. II, S. 160, Zeilen 4-9: 11 Et cum in expugnatione Mediolanensi egregiam operant navasset. imperatori mirifice gratam. leonem rubeum bifurcate caude in clipeo albi colons insigne regium accepisse. Candelabrum quoque Salomonis ex Mediolano asportatum in ecclesia Sancti Viti Pragensis recondisse. Außer R 2 weisen auch Μ G Χ Y diese Auslassung auf, nicht aber R 1 R 3 R 4 und die italienischen Hss. F Π S V bzw. D L. 2) HB III, S. 344, Z. 3-6. Intercepti hostes, quibus sui subvenire non possent, partim gladio ac peditatu, partim missilibus ab its, qui erant in carris. viris ac mulieribus, necari. Außer R 2 hat auch Y diese Auslassung; R 1 R 3 R 4 und die italienischen Hss. haben sie nicht. 3) HB III, S. 362, Z. 5-6 Ambire duces, hortari arma expedirent, aciem instruerent, forti animo hostem expectarent: Außer R 2 weisen auch Μ G Χ Y diese Auslassung auf, R 1 R 3 R 4 jedoch nicht. 4) HB IV, S. 428, Z. 10: Multos in Hungaria proceres suas partes complexuros: om.: R 2 Μ G Ν 1 Y, aber in R 1 R 3 und R 4 vorhanden. Wörter, die in R 2 ausgelassen sind, sind unterstrichen.

0160

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

5) H B IV, S. 458, Ζ. 10 - S. 460, Ζ. 11: Bohemi, qui eius causa inter se dissidebant, cognita morte apud Pragam convenientes unum totius regni corpus efficiunt atque ad eligendum novum regem ad octavum Kalendas Maias diem statuunt. Rochezana, qui dudum apud Gretium exulaveret. domum revertitur. suoque more insaniens Romanam ecclesiam. cardinales. patriarchas, ceteros per orbem episcopos blasphemans. apud solos Bohemos incorrupte veritatis inveniri sacramenta dicit. Pretiosissimum Christi sanguinem parvulis ac dementibus prebet. sacerdotes sue temeritati adversantes domo pelliu popularibus communionem sub specie vini recusantibus ecclesiasticam sepulturam interdicit. Redeunt damnata tempora. Suumque facile quisque ingenium recipit. Regina Elisabeth iam filium ex Alberto pepererat octavo Kalendas Martii Ladislaum nomine atque Hungarorum ei coronam imposueraf. om. R 2 Μ G Ν 1 X Y, der unterstrichene Teil aber in R 1 , R 3 , R 4 und den italienischen Hss. vorhanden. 6) HB IV, S. 502, Z. 19 - S. 504, Ζ. 1: Unius militis Andree Poumkircher. postea a cesare ad baronatum subvectL audacia civitatem tutata est. Der unterstrichene Teil fehlt i n R 2 M F I ! S V A B C D G L N X Y Z , in margine hinzugefugt wurde er in R 1 T, als Bestandteil des Textes ist er dagegen in R 3 Ρ Β 1 Β 2 Ο W genau wie in den Erstdrucken r und b enthalten. 7) HB V, S. 570, Z. 13-16: Pulsi extra moenia hostes instante imperataore, urgente. castigante. Iterum irrumpere. iterum pugnare acriter, christianos in ultimum discrimen adducere·. om. R 2 G Ν 1 X Y. Der unterstrichene Textteil ist in R 1 R 3 R 4 u n d den italienischen Hss. enthalten. Krejcik (S. 91) erwähnte die geringe Sorgfalt des Schreibers von R 2 . Davon zeugt auch eine größere Zahl ausgelassener Wörter. Bei schnellem Abschreiben konnte es sogar zur Auslassung ganzer Sätze kommen. Beispielsweise wurde bei Zitat 1 der Text zwischen den Worten in expugnatione Mediolanensi u n d ex Mediolano vermutlich versehentlich ausgelassen. Noch leichter konnte es zu dem Versehen in Zitat 5 kommen, wo irrtümlich der Text zwischen den Worten Kalendas Maias u n d Kalendas Martii ausgelassen wurde. Daher nehmen wir an, daß R 2 - wie bereits Krejcik bemerkte - später als R 1 entstanden ist, und zwar durch eine nicht besonders sorgfaltige Abschrift einer älteren, heute unbekannten, Vorlage, die bereits Lücken aufwies, wie sie fur R 2 u n d mit dieser Hs. verwandte Texte charakteristisch ist. Von den übrigen oben angegebenen Textbelegen verdient Nr. 6 beson-

Wechselbeziehungen der italienischen und spanischen Hss.

0161

dere Aufmerksamkeit, da die Worte Andree Poumkircher ... audacia ävitatem tutata est nicht nur in R 2 (und in den höchstwahrscheinlich davon abgeleiteten Texten), sondern auch in den italienischen Hss. fehlen. Dabei sind diese Worte Bestandteil des Textes von R 3 (und einiger weiterer Texte), während sie in R 1 zusätzlich in margine geschrieben wurden. Das bedeutet, daß R 2 von R 1 oder einer anderen Vorlage zu einer Zeit abgeschrieben wurde, in der eine Marginalglosse dort noch nicht verzeichnet war. Dieser Umstand deutet sodann darauf hin, daß zwischen R 3 und R 1 ein engerer Bezug bestand, wobei R 3 älter als R 1 ist.

b. R 1 und R 3 Wie aus dem kritischen Textapparat hervorgeht, bildete R 3 (direkt oder indirekt) die Vorlage für die Hss. Ρ und B 1 , wobei ihr auch die Inkunabel b nahesteht, die mit B 2 das Registrum gemeinsam hat. Alle diese Hss. haben den älteren Titel De origine Bohemorum. Im Unterschied zu R 1 und R 2 enthält R 3 weder Marginalglossen noch Incipits und Explicits, was belegt, daß sie der Aufmerksamkeit humanistischer Glossatoren entgangen ist. Im folgenden werden wir uns zunächst mit den Bezügen zwischen R 3 und R 1 , anschließend analog denen zwischen R 3 , R 2 und R 4 beschäftigen. Gehen wir von den Auslassungen aus, die sich im Vergleich zu R 1 in R 3 finden, so gibt es vier umfangreichere Auslassungen, wobei eine (3) allen römischen Hss. gemeinsam ist. 1) HB III S. 298, Z. 10-11: Hunc ne hostes occuparent, Zischa presidio munierat lectosque ibi milites collocaverat om. R 3 Ρ B 1 b; keine Auslassung haben R 1 R 2 R 4 , die italienischen und spanischen Hss. 2) HB III, S. 356, Z. 13 - S. 358, Z. 2: Albertus. Austrie princeps. suas copias per Moraviam ducere iussus. In comitatu cardinalis Albertus et Christophorus Baioare et Fridericus, Saxonie duces fuere·. om. R 3 PB 1 Zb. 3) H B III, S. 366, Z. 16 - S. 368, Z. 2: Necse alia lege regnaturum, quam ceteri christiani reges sua regna gubernant. Die Wendung sua regna gubernant findet sich in den Hss. R 4 Π T; F weist die Variante sua regna gubernent, Β liest sua regna gubernarent. In R 3

0162

Josef Hejnic - Hans Rothe, Einführung

und allen übrigen (auch R 1 R 2 ) fehlen diese Worte. Mit großer Wahrscheinlichkeit läßt sich sagen, daß sie sich von R 4 ableiten. 4) HB IV, S. 518, Z. 15-17 Omnia ei licent neque pauciora vult, quam potest. Nunc sumptus regi petuntur, quibus in Bohemiam pergat om. R 3 G 1 PB 1 B 2 b; der unterstrichene Teil fehlt in R 3 G 1 Ρ Β 1 Β2 b, dafür wird er in R 1 R 2 R 4 , in den italienischen Hss. und den davon abgeleiteten Texten angeführt.

c. R 2 , R 3 und R 4 Die oben angeführten Textbelege 1-4 deuten an, daß der Text der HB vielleicht bereits vor 1458/59 in zwei Varianten existierte. Die eine (ältere) bildet Hs. R 3 (codex Casanatensis) mit den ihr verwandten, von ihr abgeleiteten Hss.; die zweite Gruppe bilden R 1 und die jüngere R 2 , zu der noch die beinahe kalligraphische, ansonsten jedoch nicht sonderlich zuverlässige R 4 (codex Urbinas) kommt, die - vielleicht gerade wegen ihrer äußeren Gefälligkeit - wahrscheinlich einige weitere Abkömmlinge (F Π Τ) gefunden hat. Wann der Text der Hs. R 3 geschrieben wurde, ist nicht bekannt. Einen indirekten Beleg liefert die Vorderseite des Vorsatzblatts, auf dem man den folgenden Vermerk lesen kann: pij •ij· pont. max. de origine bohemoru(m) Item eiusdem de duobus amantibus Item eiusdem de miserijs Curialium. R 3 wurde also (nach einer älteren Vorlage?) nach dem 19. August 1458, an dem das Pontifikat Pius II. begann, abgeschrieben. Aus zahlreichen gemeinsamen Textvarianten läßt sich schließen, daß R 3 direkt oder indirekt der Pariser Hs. Ρ als Vorlage gedient hat, die wiederum eine größere Zahl gemeinsamer Textvarianten (allerdings Auslassungen) mit der Berliner Hs. B 1 aufweist. R 3 besitzt kein Registrum, der Text ist (ohne Incipits und Explicits, lediglich mit etwa einzeiligen Leerräumen) in Bücher gegliedert, wobei er textliche Ubereinstimmungen mit der Baseler Inkunabel b zeigt, in der der Text in 72 Kapitel unterteilt ist. Eine Verbindung zwischen R 3 und b läßt sich bislang nicht sichern. Von den italienischen Hss. gehören die aus Florenz (F), Padua (Π) und Siena (S) durch ihre Explicits zur selben Gruppe wie R 1 R 2 T, doch untereinander weisen sie zahlreiche abweichende Lesarten auf, so daß

Wechselbeziehungen der italienischen und spanischen Hss.

0163

sich außer der eindeutigen Filiation zwischen ihnen keine engere gegenseitige Verwandtschaft außer der voraussetzen läßt, daß sie von einer gemeinsamen Vorlage abzuleiten sind, wobei die venezianische Hs. (V) in formaler Hinsicht an R 4 erinnert. Sie selbst (d.h. V) diente - sei es direkt oder indirekt - einer Nürnberger Hs. (N 1 ) als Vorlage. Wir gehen von folgenden Filiationen aus:

(X) F

Π

Τ

Von den italienischen Texten n i m m t die Sienenser Hs. (S) eine bedeutende Stellung ein - im Vergleich zu R 1 läßt sie lediglich an zwölf Stellen vereinzelte Wörter oder kürzere Wortverbindungen aus, während V 73, D 65, L 55, F 66, Π 97 solcher Auslassungen aufweist. Von den nicht in Italien entstandenen Hss. verdient der Codex Cusanus (C) besondere Aufmerksamkeit, der im Vergleich zu R 1 39 Auslassungen, überwiegend nur von einzelnen Wörtern aufweist, von denen 29 nur in C vorkommen. Von den restlichen zehn Auslassungen sind f ü n f den italienischen und teilweise den römischen Hss. gemeinsam. Sehen wir von Fehlern (ausgelassenen Wörtern) ab, die wohl vom Schreiber verursacht wurden, dessen Schreibbild (häufige Abkürzungen) von einer hastigen Arbeitsweise zeugt, dann gehört C zu den relativ verläßlichen Texten.

0164

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10

15

GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

59

einen blutigen Trunk reicht. Aufgeschreckt von dem Traum und bevorstehendes Unheil ahnend, mahnt er die Ersten seines Landes, dem weiblichen Geschlecht nicht soviel Freiheit einzuräumen. Die jungen Frauen hatten nämlich die Sitte, Pferde zu besteigen, sie im Laufe zu ermüden und mit ihnen Kreise zu beschreiben, mit der Lanze zu kämpfen, einen Köcher zu tragen und mit Pfeil und Bogen zu schießen, mit dem Speer zu werfen und zu jagen und nichts von dem, was Männersache ist, auszulassen. Dies schien dem Premysl gefährlich als auch besonders gegen die guten Sitten. Aber die Vornehmen verlachten ihr Oberhaupt. Sie glaubten, daß das weibliche Geschlecht nichts Großes wagen werde. Sie bewunderten die jungen Mädchen um so mehr, je flinker und feuriger sie angeblich waren. Vlasta ermahnte Tag und Nacht die Gefährtinnen ihrer Verschwörung, machte ihnen Hoffnungen und vermehrte ihre Kühnheit. Mit Trank und Liedern wendete sie die Sinne ihrer Gefährtinnen von der Liebe zu den Männern ab. Von Tag zu Tag lockte sie mehr an und vergiftete das ganze Land. Sobald sie nun glaubte, daß genug junge Mädchen und Bräute zusammengekommen seien, befahl sie allen, daß sie ihre Männer, Väter, Brüder und Söhne, ja alle Männer im tiefen Rausch bei Nacht töteten, und daß sie, nachdem sie Waffen und

179 Primislao] s. 127. 182 Valasca] s. 162.

60

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

arreptis in campum prodeant non longe a Praga monstratum. Maturatur scelus, virorum, quantum imperatum 185 erat, interficitur. Veniunt in campum armate femine prostratoque virorum exercitu, qui parricidas insequebatur, 186 ducem in arce Vicegradensi obsident. Quam cum expugnare nequirent, castellum sibi haud procul inde in prerupto undique colle naturaque munitissimo edificant, 187 quod Dieviczum appellant, quasi Virginum Castrum. 'Die188 v i c z e ' nanque ipsorum lingua virgines nuncupantur. Res visa patribus plebique perniciosissima cum propter admissum scelus, tum quod illarum exemplo reliquas adduci 189 feminas verebantur. Et hostem cuique domi esse formi190 dabile fuit. Hortantur itaque principem, puellas bello 191 coerceat, se cum copiis affuturos promittunt. Primislaus se a diis admonitum ait perituros omnis, qui puellas armis 192,193 lacessant. Tempus aliud expectandum. Uli spreto consilio,

1

184

1 arreptis] arreptus W erreptis B1 areptis Κ - arreptis in] arreptis vt in B2 - 1/2 monstratum] mostratum L - 2 quantum] quantis D quantumcunque n ' g - 3 annate femine] om. G - 3/4 prostratoque] prostratuque CGOWr 4 exercitu] excercitu DB - qui] bis G om. N 1 - parricidas] pericidas R4IIM paricidas FDB'bWn pericidas s.s. parricidas Τ - insequebatur] insequebantur DB^ - 5 ducem] ducere Π - Vicegradensi] Vissegradensi R3PB1G1b Wissegradensi Κ Vicegrandensi Β - obsident] obsidunt Κ - Quam] quem G - cum] quum L - 5/6 expugnare] oppugnare R ^ - 6 nequirent] requirent Y - sibi] om. Β - haud] haut ΡΟβ'β 2 Ν^ - procul] procol b - 6/7 prerupto] prerupta R4n prerupta s.s. prerupto Τ - 7 colle] collo W - naturaque] namque R2R4CY - edificant] edifficant D edificat Κ - 8 Dieviczum] OWr Dievi?um R ! M Dieuizum R 3 R 4 FSVTT 1 LNPB 1 B 2 GG 1 X Diewin Κ Dieuicum N 1 Dienisum Β Dieuisam C dienizum DY dieuirum Π drzewizivm Ζ - appellant] apellant R3 - Virginum Castrum] Castrum virginum Β — 8/9 Dievicze] 1 OWr diewicze Κ Dieui?e r ' m Dieuize R 2 R 3 R 4 S V F T t ' LNPB b 2 G X Y Dienize 1 DG'b Dieuice C dzewicze Ζ dieuirem Π Dieuire N - 8/9 Dievicze ... nuncupantur] om. Β - 9 nanque] R1R3R4SLDNXY eamque B 2 G'b - ipsorum] eorum R3PB1B2G1b - lingua] ligua νΡΒ2ΟΝ! lingwa KNYZ - nuncupantur] nuncupanter R 4 irr appellantur L - 10 cum] turn R2R4nBB1B2GG1NN1i>XYZb 10/11 admissum] om. Π - 11 tum] cum F - quod] que Ζ - 12 feminas] exemplo VN - hostem] honestem R4 - domi] domum V - 12/13 formidabile] firmabile R4 - 13 Hortantur] Mortantur R 4 - 13/15 puellas ... omnis, qui] om. R4 - bello ... qui puelas] om. Fn in mg. Τ - 14 coerceat] coherceat R2VMBB1LNN1GWX coarceat B2G'b ut coherceat Y - Primislaus] przemisl Κ se om. BT 1 - 15 admonitum] ammonitum SVLNZ se monitum Β monitum D - ait] ut D - perituros] periruros L - omnis] omnes Η2νΜΒΒ^ om. D - 16 consilio] consilo R1 concilio B2G'b consilio Ω -

5

10

15

G E S C H I C H T E B Ö H M E N S (Erstes Buch)

61

Pferde an sich genommen hätten, auf das bezeichnete freie Feld kämen, nicht weit von Prag. Das Verbrechen wird schleunigst durchgeführt. Man tötet soviel Männer wie befohlen. Die bewaffneten Frauen kommen auf das Feld, und nachdem sie das Heer der Männer, das die Mörderinnen verfolgte, niedergemacht haben, belagern sie das Oberhaupt in der Burg Vysehrad. Als sie diese nicht erobern konnten, erbauten sie sich nicht weit weg von dort auf einen an allen Seiten steilen und so natürlich befestigten Hügel ein Lager, das sie Dieviczum (Devin) nennen, Frauenlager sozusagen. Dievicze heißen nämlich in ihrer Sprache die jungen Frauen. Die Sache schien den Adligen und dem Volk sehr gefährlich, zum einen wegen des begangenen Verbrechens, zum andern weil sie fürchteten, daß durch deren Beispiel die andern Frauen verführt würden. Und es war für sie eine grausige Vorstellung, daß jeder in seinem Hause seinen Feind habe. Sie ermuntern daher ihr Oberhaupt, die Mädchen durch Krieg zu zügeln. Sie versprechen, daß sie ihm mit ihren Truppen Beistand leisten. Premysl aber sagt, er sei von den Göttern gewarnt: alle, die die Mädchen mit Waffen reizten, würden untergehen. Man müsse bis zu einem späteren Zeitpunkt warten. Jene aber schlagen seinen Rat in den

185 in arce Vicegradensi] s. 24. 186 Dieviczum] Devin; Profous I, S. 385f. Sedläcek, S. 131 191 Primislaus] s. 127. 193 ad Dieviczum] s. 186.

62

HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

coacto sine principe exercitu castra ad D i e v i c z u m p o n u n t 194 195

1

p u e l l a s q u e c i n g e r e o b s i d i o n e p e r g u n t . V a l a s c a nil t e r r i t a in maiori discrimine m a i o r e m adhibet animum. Comites, ne m e n t e labantur, plena fiducia hortatur, advenisse t e m p u s

196

affirmat,

quo

toti B o h e m i e

leges imponant.

Videre

se

5

o m n e s p r o v i n c i e o p t i m a t e s in s u a m p o t e s t a t e m v e n i s s e : 197,198,199 V i r e s t a n t u m a c u a n t . V i c t o r i a m in m a n i b u s e s s e . N e q u e 200 n o v u m v i r o s m u l i e r i b u s o b e d i s s e : A m a z o n e s A s i a m sibi vectigalem

fecisse,

pugnasse

ad

Troiam,

Thesei

atque

201

H e r c u l i s a r m a c o n t e m p s i s s e . Si c o n s i l i u m a t q u e a n i m u s

202

mulieribus adsit, vires h a u d q u a q u a m deesse. Se nullius

203

Bohemi

consilium

suo preferre.

Ubi persuasam

10

multi-

t u d i n e m a n i m a d v e r t i t , p a l a n t e s h o s t e s et nil t a l e v e r e n t e s f . 9 r 204 a g g r e d i t u r . F i t t r e p i d a t i o t o t i s c a s t r i s , m o x f o e d a II o r i t u r 205,206

fuga. Instant virgines virosque p a s s i m trucidant. N e q u e aliter p u g n a t u m est, q u a m si m u l i e b r e s v i r i a n i m o s , v i r i l e s

207

femine induissent. Pauci ex ea p u g n a evaserunt,

208

quos

velocitas equorum, non sua virtus a m o r t e redemit. Singu1 exercitu] excercitu Β - Dieviczum] GOr dieui?um Μ Dieuizum R1R2SVT1R3CLNPB1XZ dienisum G'b Deuiczum W dienizum BY dionizium D Dieuisum B 2 dieuiren Π dieuizem F Dieuirem N1 dienizem R 4 Diewyn Κ dieui m.a. zum Τ - 2 Valasca] Valasta R4FIISTDZ wlasta Κ - 3 maiorem] mayorem Ζ - animum] animi Π - adhibet animum] animum adhibet Κ 4 labantur] lambatur R 4 - hortatur] ortatur D - 5 imponant] inponant G — Videre] uideri G - 6 omnes] omnis R 3 omnia B1 homines R V l l T — optimates] om. VN optima B1 - venisse] om. R2MGXYN1 - 7 acuant] accuant B2KN1Ob Victoriam] bis B2 - esse] om. BL - 8 viros mulieribus] mulieribus viros Ζ obedisse] obediisse D obsedisse B 2 - Amazones] Amagones R'R4 Amaczones OWr Amazones Ω - Asiam] asyam C Aziam N'X Aliam Μ - Asiam sibi] sibi Asiam R V ß ' B ^ ' b - 9 pugnasse] pungnasse KY - Troiam] troyam R ^ n v MDLCPB'G'KXYZb - Thesei] Thesey R 2 MGKXn' tesei D - 10 contempsisse] contemsisse Or - 11 mulieribus adsit] adsit mulieribus B2 - adsit] assit R^IIVBDGNXYZ assit s.s. adsit Τ - haud] aut R 4 n aut s.s. h Τ haut PB'B^N'b - quaquam] quamquam IIGG'w- Se] om. B 2 G'b - nullius] om. Μ - 1 2 suo] om. B2 - preferre] prescire Ζ — persuasam] perswasam Κ - 13 animadvertit] advertit Ζ animavertit D - palantes] palentes Ν palantque G — hostes] astes D - tale] tabe FB 1 - verentes] ferentes VNB 2 K - 14 totis] om. VN - foeda] R 1 T 1 VNr feda R 2 ™ feda Ω - 16 pugnatum] pungnatum Y proeliatum S preliatum FIICDBLZ preliatum in mg. pugnatum Τ trucidatum in mg. preliatum R 4 prenatum V - ex] es R 4 - 1 7 evaserunt] enascunt R 4 - quos] nisi quos Y - 1 8 a morte] amor te ΠΟΥΓ a morte s.s. amor te Τ 18/p. 64, v. 1 Singularis ... Hodcam] om. C -

15

GESCHICHTE BÖHMENS (Erstes Buch)

63

Wind und ziehen ein Heer zusammen ohne ihr Oberhaupt und schlagen ihr Lager bei Devin auf und setzen ihr Unternehmen fort, die Frauen durch Belagerung zu umzingeln. Doch Vlasta ist durch nichts zu erschrecken. Je größer die Gefahr ist, um so größeren Mut schöpft sie. Voll Vertrauen ermahnt sie ihre Begleiterinnen, nicht wankelmütig zu werden. Sie versichert, daß die Zeit gekommen sei, wo sie ganz Böhmen ihre Gesetze auferlegten. Sie könnten sehen, daß alle Adligen des Landes unter ihre Gewalt gekommen seien. Sie sollten nur ihre Kräfte anspornen. Der Sieg sei in ihren Händen. Es sei nichts Neues, daß Männer Frauen gehorcht hätten. Die Amazonen hätten sich Asien tributpflichtig gemacht, sie hätten bei Troja gekämpft, sie hätten die Waffen des Theseus und des Herkules verachtet. Wenn die Frauen einen mutigen Entschluß faßten, fehlten ihnen die Kräfte keineswegs. Sie ziehe keines Tschechen Rat ihrem eigenen vor. Sobald sie gemerkt hat, daß die Menge überredet ist, greift sie die Feinde an, die unschlüssig sind und mit ihrem Angriff nicht gerechnet haben. Es entsteht Verwirrung im ganzen Lager. Alsbald kommt es zu einer schändlichen Flucht. Die Frauen stürmen los und schlachten weit und breit die Männer ab. Und es wurde nicht anders gekämpft, als wenn Männer sich mit Frauenmut und Frauen sich mit Männermut bekleidet hätten. Nur wenige entkamen aus diesem Kampfe. Die Schnelligkeit der Pferde, nicht ihre eigene Tüchtigkeit, rettete sie vor dem Tode. Man erzählt

2 0 0 Amazones] mythischer Stamm von kämpferischen Frauen aus griechischer und römischer mythologischer Tradition. Vgl. Dalimi], I 179, v. 49: Budem jako amazovske panie. Wir werden wie die amazonischen Frauen. - ad Troiam] Troja, Stadt im nw. Kleinasien, bekannt aus Homers Ilias. - Thesei atque Herculis arma] dem griechischen Mythos zufolge haben die Amazonen einen Feldzug gegen Athen unternommen, aber Theseus hat sie besiegt; Herakles bemächtigte sich des Gürtels von Hippolyta, Königin der Amazonen.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

laris audacie in hoc prelio septem puellas fuisse memorant: Mladam, Hodcam, Svataciam, Vorascam, Radgam, Czas210 tanam Tristanamque. Reginam sua manu septem viros 211,212 interemisse. Spolia ingentia capta. Premia pro meritis red213 dita: Septem, que virtute prestiterant, torquibus aureis atque armillis donatas, Valascam veluti deam habitam. 214 Neque post id prelium Bohemis adversus puellas auda215 ciam fuisse. Ille populari agros, abducere predas, rapere, occidere, villas incendere, potentiam in dies augere, fingere interdum se virorum amore teneri, amatorias epistolas nobilibus adolescentibus mittere, detestari fastum atque insolentiam Valasce, simulare fugam, rogare in silvam 216 potenti manu venirent ac se raperent. Iuvenes, qui puellarum facinora magis admirarentur quam odirent, victi blanditiis captique nonnullarum specie (erant enim plere217 que pulcherrime), imperata facessunt. Sed ingressi silvas 218 insidiis circumvent! trucidantur. Alii nova fraude in arcem

1

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1 prelio] proelio S prelio R!T - memorant] commemorant Β - 2 Mladam] Maladam VNB2G*Kb Azladam FII azladam R4 azladam in mg. Mladam Τ Madam N1 - Hodcam] Hodam R^GXYN1 hodica Τ hodicam R4 hocdam Ν hodeam s.s. hodcam V Nodeam B2G'b - Svataciam] Swatanam κ Vorascam] Uorastam b Vorastam CDG1 Voroscam R2MGn'y Voinscam Π Vorvscam Β wraczkam Κ - Radgam] Radkam Κ Ragdam B!Y Radagam C rodagam G jradgam Ρ - 2/3 Czastanam] KOWr (Jastanam r ' r 4 Zastauam R2V Zastanamque C Zascanam B1 Zastanam Q - 3 Tristanamque] ustanamque G Tristanam R3PB1B2G1Kb om. C - septem] vij R2C semptem Κ - 4 interemisse] interremisse R4 interimisse ΠΝ1 intermisse F - Premia] proemia S Premia r ' t primia pb 1 praemia Π — 5 Septem] VIP®™ C - prestiterant] perstiterant Κ - 6 armillis] armillus rb arnulis V - donatas] donatis N1 - Valascam] Valastam R4FIISVTDNY Wlastam Κ - 7 prelium] proelium S prelium Tr - 8 populari] populäre Β 2 ο ' ν ν ^ - rapere] capere CG - 9 incendere] incedere F - dies] diges Y - 10 interdum se] se interdum pb'g'kw interdum Β - 11 fastum] faustum F - 12 Valasce] ualaste ΠΤ Valaste DNY Wlaste Κ - 13 ac] ad D - 14 admirarentur] ammirarentur FT amirarentur R4 animirarentur Π - odirent] oderant R2MGKN'XY - victi] ducti R2MGKN1XY - 14/15 victi blanditiis] om. D - 15 blanditiis] blaudicijs VN'b - nonnullarum] ullarum R4 - specie] spem CD - 15/16 plereque] plureque R4 plureque s.s. plereque Τ plerique Κ - 16 pulcherrime] pulcerime Ο pulcherime nc pulchrerime D - imperata] imparata R4 imparata s.s. imperata Τ - 17 arcem] arce GJb artem FII -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes B u c h )

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sich, daß in diesem Gefecht sieben Mädchen von einzigartiger Kühnheit waren: Mlada, Hodka, Svatacia, Voroska, Radka, Tschastana und Tristana. Die Königin habe mit eigener Hand sieben Männer getötet. Gewaltige Beute sei gemacht worden. Sie sei als Belohnung entsprechend den Verdiensten verteilt worden. Die sieben, die sich durch Tapferkeit ausgezeichnet hätten, seien mit goldenen Halsketten und Armbändern beschenkt worden. Vlasta sei als Göttin angesehen worden. Und nach diesem Gefecht habe bei den Böhmern keiner mehr den Mut gehabt, gegen diese Mädchen vorzugehen. Jene verwüsteten Acker, schleppten Beute weg, raubten und mordeten, steckten Häuser an und vermehrten ihre Macht von Tag zu Tag. Bisweilen gaben sie vor, sie seien in Männer verliebt. Sie schickten Liebesbriefe zu adligen jungen Männern. Sie verwünschten den Hochmut und den Übermut ihrer Vlasta. Sie täuschten Flucht vor. Sie baten, man möchte mit einer mächtigen Schar Leute in den Wald kommen und sie entführen. Die jungen Männer, die die Taten der Frauen mehr bewunderten als haßten, waren überwältigt von den Schmeicheleien und gefangen von der Schönheit einiger die meisten waren nämlich sehr hübsch - und führten das Angetragene aus. Aber in den Wald gekommen und in einem Hinterhalt umstellt, werden sie niedergemacht. Andere werden unter neuem Betrug in deren Burg

209 Mladam ... Tristanamque] mythische Gestalten. Vgl. Dalimil 1160, Z. 85f. Mlada, Hoda und Svatava / Vracka, Radka und Öastava. Pulkava, S. 10: Mlada, Hodka, Swatawa, Wraczka, Radka, Czastawa, Trztawa. 213 Valascam] s. 162.

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f.9v 2 2 4

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

vocantur, Valascam veluti per traditionem comprehensuri, qui mox intromissi ad unum necantur. Ubi iam nulla fides virginibus est, commentum inauditum excogitant. Sarca erat inter puellas admodum honesta facie, sed animo impuro et ad omne scelus parato. Hanc in altissimo nemore strictis pedibus ac manibus arbori alligant tubamque venatoriam ac vasculum medone plenum iuxta ponunt. Ipse in insidiis haud procul delitescunt. Solebat hac iter sepe facere Stiradus, nobilis eques inter Bohemos, opibus et autoritate potens, et qui puellarum tyrannidem pre ceteris II abhorreret atque persequeretur. Is ergo cum silvam pro suo more venaturus intrasset puellamque vinctam conspicatus esset, miserabundus, quid sibi ea res vellet, percontatur. Cui Sarca 'Nosti,' inquit, 'quot scelera his in regionibus Valasca perpetrarit, dum sibi potentiam regnumque vendicat. Ego quoque pariter in furorem acta insaniam eius aliquandiu sequuta sum. Peccavi, fateor.

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1 Valascam] Valastam R ^ N C D B ^ wlastam Κ - veluti] velut R 3 R 4 B G 1 P b velud B1 - comprehensuri] comprehensum B4 comprehensam iri Β comprehensum s.s. comprehensuri Τ - 2/3 fides virginibus] virginibus fides Ν 3 commentum] comentum R3 commentu G - 4 In fronte articuli De puella Sarca quo modo (modo om. Β2) dolose nobilem Stiradum deceperit mortique tradiderit. Capitulum viij (G 1 : Octauum) B 2 G * b - honesta] uenusta R 4 F H S V T C B D L N Z - 5 impuro] inpuro B ' K N impurco F - 6 arbori] om. W alligant] allegant c - 7 venatoriam] ueratoriam R 4 F T venetoriam C - ac] et R 4 F I I S V C B D L N Z et s.s. ac Τ - vasculum] fasculum C vastulum D - iuxta] iusta R4 iusta in mg. iuxta Τ - 7/8 ponunt] poinme R4 - 8 in] om. FII — haud] non s.s. haud R2 aut R 4 - hac] ac R 4 - 9 sepe] om. VN - Stiradus] Styradus R 2 M N 1 X - Bohemos] bohemo L - 9/10 inter Bohemos ... potens] om. Μ 10 autoritate] R'KP auctoritate Ω - tyrannidem] tirannidem GKY tirranidem W tyranidem Π tyramnidem R4 - 11 abhorreret] abhorerret Ο abhorret G adhortaret R4 - Is] lis Π - cum] quum L - 12/13 vinctam] iunctam NL uictam R4 - conspicatus] suspicatus B1 - esset] est PB1 - conspicatus esset] conspicasset Κ - miserabundus] miseratus N1 - quid] quod C - sibi ea res] ea res sibi R V I T V T D N Z ea sibi res S C B L - 14 percontatur] percunctatur R 4 K percuntatur CT - inquit] inquid G - quot] quod PB!Z quo R4N - his] hijs C D G 1 P B 1 B 2 h y s G K N ' Y - 14/15 his in] in his C B - 15 regionibus] religionibus Ρ - Valasca] wlasta Κ Valasta SDLN - perpetrarit] perpetrauerit R 2 M G K N ' X Y perpetrauit R 4 - 16 Ego quoque] Egoque Β - furorem] furore W - 1 7 eius] eiusdem Β2σ4> - aliquandiu] R 3 S V M D N X aliquanodiu R 4 aliquamdiu r ' r ^ I I C B ^ n ' w y per abbrev. Ω - sequuta] R ' L B O W r sequta D Z secuta Ω - Peccavi, fateor] Peccavi inquit fateor Ν -

GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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gerufen. Sie sollen Vlasta gleichsam durch Verrat ergreifen. Sobald sie aber eingelassen sind, werden sie alle ohne Ausnahme getötet. Wie nunmehr die Frauen keinerlei Vertrauen mehr genießen, denken sie sich einen unerhörten Anschlag aus. Unter den Mädchen hatte Sarka eine äußerst anmutige Gestalt, aber einen schmutzigen Charakter, der zu jedem Verbrechen bereit war. Man bindet sie in einem hochgelegenen Hain mit zusammengebundenen Füßen und Händen an einen Baum und legt das Jagdhorn und ein Gefäß voll Met daneben. Die andern Mädchen selbst verbergen sich nicht weit davon in einem Hinterhalt. Hierher pflegte oft Ctirad seinen Weg zu nehmen, ein vornehmer Ritter bei den Böhmern, einflußreich wegen seines Vermögens und Ansehens. Er vor allen andern verabscheute die Schreckensherrschaft der jungen Frauen und verfolgte sie. Als er also gemäß seiner Gewohnheit den Wald zum Jagen betreten und das gefesselte Mädchen erblickt hatte, fragt er mitleidsvoll, was dies zu bedeuten habe. Sarka antwortet ihm: „Du weißt, wie viele Verbrechen in diesen Gegenden Vlasta begangen hat, wenn sie sich damit nur ihre Macht und Herrschaft sichert. Auch ich, in gleicher Weise zur Tollheit getrieben, bin ihrem Wahnsinn eine Zeit lang gefolgt. Ich habe gesündigt. Ich bekenne es. Gleichwohl haben die so vielen

215 Valasce] s. 162. 218 Valascam] s. 162. 220 Sarca] Särka; über den Orts- sowie Eigennamen Profou^Svoboda IV, S. 271. Vgl. Dalimil I 218 14, 9 Tej dievce Särka diechu - das Mädchen nannte man Särka. 223 Stiradus] Ctirad, eine Gestalt der Sage über Särka, vgl. Dalimil I 218 225 Sarca] s. 218. - Valasca] s. 162.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

Poenituit me tamen tot ineptiarum denique cogitavique, quonam modo scelestam relinquere vitam possem. Statui 230 ab iniqua discedere domina. Sed dum comitem fuge quero, 231 prodita captaque hue deducor. Hie de me supplicium 232 sumere statuerat sanguinaria carnifex. Interea dum ligor dumque mihi ultima verba dicuntur, auditus est tuorum 233 canum latratus atque hinnitus equorum. Ille mee lanie 234 salutem pedibus quesiere. At ego te, vir clarissime, quem unum perfida turba metuit, per nobilitatem tuam oro, mise235 r e r e infelicis femine. Solve me, obsecro, atque abducito, aut si hoc non placet, iugula me potius, quam hie vivam 236 deseras. Nanque ubi abieris, mox aderit iniqua virginum 237 cohors meque diris lacerabunt modis. Iuvat tua manu 238 perire.' Stiradus lacrimis motus muliebribus puelleque 239 forma captus, equo desiliens vincula solvit. Rogatque, medonis vasculum simulque tuba apposita quid sibi 240,241 velint. Tum Sarca: 'Medonem', inquit, 'optimum carnifices 242 attulerunt, quo inter cruciandum uterer. Hunc iam leta 228 229

1 Poenituit] RVWr penituit Τ penituit Ω - tamen] tandem Β in R2GN'XY om. VDNZ in mg. S - me tamen tot] me in tot R2GNXY - denique] odemque F - cogitavique] cogitavi W - 2 quonam] quoniam R4 - relinquere vitam] vitam relinquere Κ - relinquere] om. Β - Statui] Statim G'b - 3 discedere] discendere R2R4MTCBOFWXr discere Κ - fuge] fugere Β1 - 4 prodita] prodicta τ - de] om. Y - 4/5 supplicium sumere statuerat] sumere supplicium statuerat R4nT statuerat supplicium Κ 3 θ'ΡΒ ι Β% - 5 sumere] summere R2GLN'X - sanguinaria] sangwinaria VB'CKNYZ - ligor] liquor R ^ ligur G - 6 mihi] michi nvCBG1NFWY — mihi ultima verba] ultima verba mihi G dicuntur, auditus] dicuntur vt auditus b dicuntur et auditus B2 - 6/7 tuorum canum] canum tuorum Κ - 7 hinnitus] hinitus FO hynnitus VN1 - mee] me VBW - lanie] latine G'b lamentacionis N1 - 8 pedibus] sedibus c - quesiere] quesivere R2R4FIIVDNZ - 9 perfida] perfidia D - per] om. Β - tuam] om. G - 9/10 miserere] misere X - 10 infelicis] infoelicis R4r - femine] foemine R2S famine R!T feminere Ρ - Solve] absolue κ - abducito] aducito Τ adducito R4D - 11 me potius] potius me S - vivam] viam Or - 12 Nanque] R3SB2X Nam G Namque Ω - mox] om. Ζ - 13 diris] duris R4 - manu] manus κ - 14 Stiradus] Styradus MWXr Syradus Ο Stirachus R ^ Stirandus Β lacrimis] lachrymis r ' s lachrimis R4nMBG1LNr - muliebribus] muliebrius G1 mulieribus GO mulieribri N1 - puelleque] puellaque G - 15 captus, equo] om. R4 - 16 medonis vasculum] vasculum medonis G - vasculum] fasculum V - 17 velint] vellent Κ - Tum] Tunc BB1G1K - Medonem, inquit] inquit medonem R4I1T - 18 attulerunt] retulerunt D attulerint R4 - uterer] vteretur Ο -

GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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Torheiten mich gereut, und ich habe mir überlegt, wie ich diesem verbrecherischen Leben wohl den Abschied geben könnte. Ich habe beschlossen, mich von meiner bösen Herrin zu trennen. Aber während ich eine Gefährtin für meine Flucht suche, werde ich verraten und als Gefangene hierhergeführt. Hier an mir die blutige Todesstrafe zu vollziehen, hatte die blutrünstige Henkerin beschlossen. Unterdessen, während ich angebunden werde und mir die letzten Worte gesagt werden, hörte man das Gebell deiner Hunde und das Wiehern deiner Pferde. Jene meine Blutsauger suchten ihr Heil im Weglaufen. Doch ich bitte dich, berühmter Mann, den allein die treulose Schar gefürchtet hat, erbarme dich bei deinem Adel einer unglücklichen Frau! Binde mich los, ich flehe dich an, und nimm mich mit dir! Oder wenn dir das nicht gefällt, schneide mit lieber die Kehle durch, als daß du mich hier lebend zurückläßt! Denn sobald du weggegangen bist, wird sofort der böse Haufen der jungen Frauen dasein, und sie werden mich auf gräßliche Weise zerfleischen. Es freut mich, wenn ich durch deine Hand sterbe." Ctirad, gerührt von den Tränen einer Frau und angetan von der Schönheit des jungen Mädchens, springt vom Pferd und löst ihm die Fesseln. Und er fragt, was das Gefäß mit Met und das Jagdhorn daneben bedeuten sollen. Da sagt Sarka zu ihm: „Den allerbesten Met haben die Henkerinnen gebracht, den ich während der Martern trinken sollte. Jetzt

238 Stiradus] s. 223. 240 Sarca] s. 220.

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HISTORIA B O H E M I C A (Liber primus)

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s e c u r a q u e b i b a m . ' Et h a u s t u s u m p t o q u o d r e l i q u u m fuit,

244

Stirado propinavit,

245

s u a v i s s i m u s , q u e m B o h e m i ex a l b o m e l l e conficiunt. S e d

q u i pariter bibit. Erat a u t e m

1

potus

q u a m m u l i e r i s a l u b e r h e r b i s ac c a r m i n i b u s adhibitis, t a m 246

v

i r 0 pestilens, q u i m e n t e m Stiradi p r o r s u s alienavit. Έ χ ΐ η

5

t u b a hec', inquit, ' m e a fuit, d u m v e n a r e r , q u a m m i h i m o r tue a d 247

Collum

II s u s p e n d e r e

statuerant p e s s i m e

quasi

venatricis s i g n u m . I n f l a b o , u t intelligent m e v i v e r e s u i s q u e

248,249 m a n i b u s e r e p t a m esse.' M o x q u e t u b a cecinit. V a l a s c a u b i s o n i t u m a u d i v i t , ex c o m p o s i t o c u m a r m a t i s p u e l l i s adest, 250

d u m hec a g e r e n t u r , a u d i t u m tota silva i n g e n t e m r i d e n t i u m s t r e p i t u m , u b i d u m esset h o m i n u m creditum 251

10

S t i r a d u m i n c a u t u m capit, comites eius obtruncat. Ferunt,

demones

de

puellarum

facinore

veluti

solitudo,

ac

fallacia

cachinnatos. Illas v e r o instructo exercitu S t i r a d u m catenis vinctum

in

conspectum

arcis

Vicegradensis

deduxisse

1 bibam] libam R4 libam in mg. bibam Τ - haustu] hausto R2PB1B2GG1KNN1XYb - quod] quid F - reliquum] reliqum R2MD - fuit] om. L - 2 Stirado] Styrado R2MX stiracho Τ Stiraodo F stiraco R4 - propinavit] propinquauit R4 - 3 Bohemi] bohemy Ζ - melle] mele R2VTCDG1rb 4 mulieri] muliebris B2G1b - saluber] salubre B2G]Wb salubris CB - ac] et R ^ P ß V G ' b - carminibus] carnibus N1 - 5 Stiradi] Styradi R2MCX Sciradi Y - prorsus] prursus Υ - Exin] Exinde B1B2GG1N1b - 6 hec, inquit] inquit hec Y - inquit] inquid CB G - venarer] venaret G - mihi] michi IIVCBGG1NPWY - 7 suspendere] pendere Β - 8 ut intelligent me] ut me intelligant Κ - vivere] uiuentem R3PB'B2Glb - suisque] quisquis R2GN'X quisque B'Y quisquis s.s. et in mg. suisque Μ - 9 ereptam] erreptam R 3 esse] om. L - Moxque] Mox B1 - Valasca] Valasta FIISVCD wlasta Κ 10 sonitum] sonum VO - composito] cumposito Π - armatis puellis] puellis 2 armatis D - puellis] puellus ν - 11 Stiradum] Styradum RMX Stirardum 2 2 B Sciradum Y - incautum] cautum B - comites eius obtruncat] om. Ζ obtruncat] obtruncant VC - 12 ingentem] ingenti W - 14 creditum] creditos R4FITSVCDLNZ creditur Κ - de] se L - fallacia] fallacijs Β - 15 cachinnatos] R1STT1CBG1KN chachinatos R ^ chachinnatos Ρ cadimatos R4 caccinatos Μ cachimatos V cachinantes B1 cachinatos Ω - Illas] Ilia R4 - instructo] instruto Τ instructu B1N1 - exercitu] excercitu BDP exercito F Stiradum] Styradum R2MCX steradum R4 sciradum B Y - catenis] R'L cathenis Ω - 16 in] om. W - in conspectum] in conspectu vCB2G1PYb inspectum R4FII inspectum s.s. in conspectum Τ in conspectum Ω - arcis] artis R4N artis s.s. arcis τ - Vicegradensis] Vicegrandensis Β uicegradensi N'oWr vissegradensis R ^ B G'b wissegradensis Κ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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will ich ihn froh und in Sicherheit trinken." Und sie machte einen Zug und trank mit dem Rest Ctirad zu, und auch er trank. Es war aber der süßeste Trank, den die Böhmer aus weißem Honig machen. Aber wie er für die Frau unter Anwendung von Kräutern und Sprüchen heilsam ist, so für den Mann Verderben bringend, denn er machte Ctirad völlig wahnsinnig. Dann sagte sie: „Dies war mein Horn, wenn ich auf der Jagd war. Meine bösen Gefährtinnen hatten beschlossen, es mir, wenn ich tot bin, um den Hals zu hängen als Abzeichen für die Jägerin. Ich werde hineinblasen, damit sie merken, daß ich lebe und ihren Händen entrissen bin." Und sofort stieß sie ins Horn. Sobald Vlasta den Ton gehört hatte, ist sie verabredungsgemäß mit ihren bewaffneten Gefährtinnen zur Stelle und nimmt den arglosen Ctirad gefangen und macht seine Begleiter nieder. Man sagt, daß während dieser Vorgänge im ganzen Wald ein gewaltiges Lärmen wie von Lachenden gehört wurde. Man glaubte, daß dort, wo doch kein Mensch sei, die Dämonen über die betrügerische List der Mädchen gelacht hätten. Jene aber hätten sich in Heeresordnung aufgestellt, Ctirad an Ketten gefesselt und vor die Burg Vysehrad geführt. Und sie hätten den adligen

243 Stirado] s. 223. 245 Stiradi] s. 223. 249 Valasca] s. 162. - Stiradum] s. 223. 251 Stiradum] s. 223. - in conspectu arcis Vicegradensis] s. 24.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

ibique prospectante Bohemorum principe nobilem virum rote supplicio, quod est inter Germanos atrocissimum ac 252 miserrimum, peremisse. Post hec iam plane regionis dominas viros sibi ascivisse, ex quorum complexu novis 253 foetibus rempublicam sustentarent. Sancitumque lege, ut nate femine diligenter asservarentur, masculis dextri oculi eruerentur amputarenturque pollices, ne viri facti aut 254 arcus tendere aut armis uti valerent. Idque aliquandiu fac255 titatum. Septem annis ea pestis Bohemiam afflixit tribu256 tariaque magna ex parte provincia virginibus fuit. Qui detrectavere imperium, intra moenia clausi nusquam exire 257 audentes magnis incommodis affecti sunt. Denique cum necessaria deessent eoque perducta res videretur, ut coactos fame deditionem facere oporteret, tumultuarie principem adeunt, dirum puellarum bellum deplorant, 258 ignaviam ducis accusant. Malle se feminis obedire quam

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1 ibique] illique L - rincipe] principem G - nobilem] nobile Β1 - 2 atrocissimum] attrocissimum Tb - ac] om. Β — 3 miserrimum] miserimum R3TDOP misserrimum R4n om. Β - peremisse] perimisse N1 perremisse W peruenisse R4 - iam] tam GXY om. Ζ - plane] plene V - regionis] regioni Κ - 3/4 dominas] Dominans Κ - 4 ascivisse] assciuisse r ' s g t 1 absciuisse VN asciuisse Ω - 5 foetibus] RlSLWr fetibus R4TO fetibus Ω - rempublicam] R1SVIIFGlKb rempu. R3OPW remp. R2R4MCBLN1 - sustentarent] substentarent R3PD sustentauerunt C - Sancitumque] sanxitumque GG PB'b sanctitumque FIIDB2Z Sancritumque N1 sanccitumque Y - lege] legem R4FHSVLN - ut] uti OWr - 6 femine] foemine S femine R1R2R4T femine Ω - diligenter] diliguntur Κ — dextri] destri D dextris Π — oculi] oculis R4n - 7 eruerentur] eruentur N1 eruerent R4n - amputarenturque] amputarentque R4 - pollices] polices R4IID polices s.s. pollices Τ - ne] me B2b - aut] om. R3APB1B2GIKb - 8 arcus] archus L arcubus Y - tendere] tandem R 2 - Idque] Id B1 - aliquandiu] aliquamdiu CYZ - 8/9 factitatum] factificatum C sancitum est R 4 - afflixit] affligit R 3 - 9/10 tributariaque] Tributoriaque C tributaria atque AK Tributaria Ρ - 10 fuit. Qui] fuit et qui Y - Qui] que Π que R4 - 11 detrectavere] detractauere R4IITDGB2N1W detrectauerunt PB1 imperium] impium R4 - moenia] R1R4STIr mgnia Τ menia Ω - 12 incommodis] incomodis nvTADB2GKNXYZrb inommodis C - affecti] acti PB'B^'b effecti C afflicti G - cum] quum L - 13 perducta] producta D perductas R4 - r e s ] om. Β - 13/14 coactos] cohactos Dcoactus N 1 - 14 deditionem] dedictionem G'b dedicacionem CW sedicionem Κ - 14 oporteret] opporteret R®DB2b oportet GT1 oporterer F - tumultuarie] timultuarie Ptumultarie VN tumultuare R4B2G'b - 15 dirum] dyrum L - 16 Malle] male R4FITB2 male s.s. malle Τ -

GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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Mann durch Räderung, was bei den Germanen die gräßlichste und elendste Strafe ist, unter den Augen des Oberhaupts der Böhmer getötet. Danach ganz klar Herrscher in dem Land, hätten sie sich Männer genommen, damit sie durch die Kinder aus der Liebesverbindung mit ihnen den Staat am Leben erhielten. Und es wurde gesetzlich festgelegt, daß die kleinen Mädchen sorgfältig aufgezogen würden, daß den kleinen Jungen aber das rechte Auge ausgestochen würde und ihnen die Daumen abgeschnitten würden, damit sie nicht, wenn sie Männer geworden wären, den Bogen spannen oder Waffen gebrauchen könnten. Das sei eine Zeit lang so ausgeführt worden. Sieben Jahre suchte Böhmen dies Unheil heim, und das Land war den jungen Frauen zum großen Teil tributpflichtig. Die diese Herrschaft verschmähten, waren in ihren Mauern eingeschlossen und wagten nicht, irgendwohin zu gehen und mußten mit großen Nachteilen leben. Als schließlich die Lebensmittel ausgingen und die Sache dahin zu treiben schien, daß sie sich vor Hunger gezwungen sahen, sich zu ergeben, suchen sie aufgebracht das Oberhaupt auf, klagen über den unheilvollen Krieg der jungen Frauen und beklagen die Untätigkeit ihres Oberhaupts. Sie sagen, daß sie lieber

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

perire inedia dicunt. Aut populum tueatur, aut meliori 260,261 cedat. Probris ac contumeliis minas adiciunt. Primislaus tot angustiis circumventus cum non tarn armis quam sortibus valeret, plebem paucos adhuc dies expectare hortatur. f.lOv 262,263 || id s j faciant, puellarum exitium imminere. Paret multi264 tudo. Ipse medio tempore Valasce scribit iniussu suo opti265 mates provincie arma in earn sumpsisse. Placere sibi eos 266 dedisse poenas. Se illam filie loco amare neque invidere principatum, que coniugis sue Libusse discipula extitisset: 2 6 7 Imperium virtuti sue deberi, que Bohemiam virili audacia 2 6 8 bello attrivisset. Senium suum regno ineptum neque filio 269 impuberi gubernationem credendam. Monere, ut arcem 270 Vicegradensem ex manibus suis accipiant. Sic Bohemiam 271 totam in potestatem venturam. Filio, quam velit, partem faciat, sibi privato, quod restat etatis, vivere liceat atque in 2 7 2 agrum reverti, quem reliquisset invitus. Potestatem, quam sibi femina tradidisset, iure optimo se femine restituere. 259

1 inedia] media Π - dicunt] debent C - tueatur] thueatur D - ac] et R3BPB1B2G1b aut R4I1F - 2 contumeliis om. Κ - minas] minias b minasque B2 minis Κ - adiciunt] adijciunt r ' r ^ M A L T ' w adyciunt NXZ adiitiunt FÜG1 r aditiunt s.s. adiitiunt Τ adiiciunt SBG addiciunt Κ adiciunt Ω Primislaus] premislaus C Przemisl Κ - 3 tarn] om. R4 - 4 paucos adhuc] adhuc paucos G1 - adhuc] aduc B2 - expectare] exspectare B1 - 5 faciant] faciunt R4SMTACBDG G'PN'OW - exitium] excidium RAPB1B2G1b excercitum D - 6 Valasce scribit] scribit Valasce B2G!b - Valasce] Valeste R4FII Wlaste AK Valesce s.s. Valasce Τ Valaste DNZ - iniussu] in iniussu Κ - 8 dedisse] subisse R^B'B 2 subijsse G*b - 8 poenas] S penas RIR2TR penas Ω - illam] iam Β - loco] locum r V b 1 loco earn Β - amare] armare W - invidere] inuidiae e R4n - 9 coniugis] coniuge PB1 - sue] om. Y - Libusse] Libusse sue Y - 10 virtuti] Virtutis D - sue deberi] sue libusse deberi N1 - que] quam AK - Bohemiam] Bohemia Κ - 11 bello] belle Ο - attrivisset] atriuisset Ρ regno] imperio Y - 12 impuberi] inpuberi VMTCGYb - gubernationem] grubernacionem D - Monere] monet Y mone w - ut] aut R4 - 13 Vicegradensem] Vicegrandensem BG Wisegradensem R3 Visegradensem A vissegradensem P B ^ b wissegradenssem Κ - accipiant] R1 capiat VN accipiat Ω - Sic] hie VN - 14 potestatem] potestatem eius B2G'b - Filio quam] filioque G filio cui Y - quam] quem R4IIB2 - partem] partim Β1 - 15 privato] prefato R ^ prauato R4 - quod] quid Β - liceat] libeat Gxb laborat B2 16 reverti] referti Κ - 17 femina] foemina S - femine] foemine S famine R2 - femine restituere] restituere femine Y - restituere] restitueret D restaurare R 4 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes

Buch)

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den Frauen gehorchen wollen als vor Hunger zugrunde gehen. Er solle entweder das Volk schützen oder einem Besseren Platz machen. Den Vorwürfen und Beschimpfungen fügen sie Drohungen hinzu. Premysl, von soviel ungünstigen Umständen in die Enge getrieben, ermahnte das Volk, da er es nicht so sehr mit den Waffen als vielmehr mit dem Schicksal halte, noch einige Tage zu warten. Wenn sie das täten, stünde der Untergang der jungen Frauen bevor. Die Menge gehorcht. Er selbst schreibt in der Zwischenzeit Vlasta einen Brief. Ohne seinen Befehl hätten die Adligen im Land die Waffen gegen sie erhoben. Er sei entschlossen, diese zu bestrafen. Er selbst liebe sie wie eine Tochter und mißgönne ihr die Herrschaft nicht, da sie ja eine Schülerin seiner Frau Libussa gewesen sei. Die Herrschergewalt schulde man ihrer Tapferkeit, die ja mit ihrer männlichen Kühnheit Böhmen im Krieg erschöpft hätte. Er in seiner Altersschwäche sei für die Herrschaft untauglich, und seinem noch nicht erwachsenen Sohn dürfe man die Regierung nicht anvertrauen. Er ermahne sie, die Burg Vysehrad aus seinen Händen zu übernehmen. So werde ganz Böhmen unter ihre Macht kommen. Mit seinem Sohn solle sie nach Belieben teilen. Ihm selbst könne es gefallen, für den Rest seines Lebens als Privatmann zu leben und aufs Land zurückzukehren, das er gegen seinen Willen verlassen hätte. Die Macht, die ihm seine Frau übergeben hätte, stelle er mit bestem Recht einer Frau wieder zur

261 Primislaus] s. 127. 264 Valasce] s. 162. 266 Libusse] s. 99. 269 arcem Vicegradensem] s. 24.

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HISTORIA BOHEMICA (Liber primus)

Capitur Valasca suis artibus missaque puellarum cohorte tradi sibi arcem postulat. Intromisse virgines apud prin275 cipem opipare epulantur. Interea prosilientes ex insidiis armati iuvenes puellas omnes trucidant nec morati castel276 lum Dieviczum cum exercitu petunt. Valasca re cognita furore amens cum paucis obviam egreditur consertoque prelio, priusquam comites assint, dum strenue pugnat, 277 inter confertissimas hostium turmas occiditur. Subsequute virgines ubi dominam cecidisse cognoscunt, non tarn spe victorie quam ultionis ardore certamen instaurant. 278 Pugnatum est aliquandiu nunc hue nunc illuc victoria 279 inclinante. Ad extremum infeliciter preliantes femine cesis 280 quam pluribus fuge se commiserunt. Subsequuti hostes uno agmine victores cum victis castellum irrupere potitique arce, quicquid feminei sexus inventum est, ferro extinxere atque hoc pacto magnanimi iuvenes dominatu 273

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1 Capitur] Capiatur R4F Capiatur corr. in Capitur Τ - Valasca] Valasta DFÜ Wlasta AK - missaque] missa RVn - cohorte] om. D - 2 arcem] artem Π - postulat] postulauit D - apud] aput Κ - 3 opipare] oppipare VB2opiperare G operipare Y opipere PG'b - prosilientes] prosilentes R4 - 4 armati iuvenes] iuuenes armati PB'ßWb - puellas] om. R4IIT - omnes] Omnis FSDL om. Β - morati] morari R4OWr - 5 Dieuiczum] W Dieuigum R2M Dieuisum C Dieuirum AN1 dienizum BDY Dzewizum Ζ dielbijn Κ Dieuizum Ω - cum] bis Ζ - cum exercitu] om. VN - Valasca] Valasta FIIDB2 Valascha L Wlasta AK - 5/6 re cognita] recognitam R4 recognoscens G - cognita] congnita FP - 6 furore] furorem G - paucis] pauc r - obviam] abuiam Ρ 7 prelio] proelio S prelio R4T prilio Ρ - priusquam] postquam s.s. priusquam A - assint] assit R1 adsint R4 - strenue] strennue VMCGKNN'PYZ - 7/8 pugnat] pungnat R2VNG pugnant corr. in pugnat R3 pugnatur R4n pugnatur corr. in pugnat Τ - 8 confertissimas] consertissimas R3VMAB1B2GG1KN1XYb confortissimas R4 om. OWr - 9 Subsequute] R'OLTr Subsequte Ζ Subsecute Ω - 11 Pugnatum] Pungnatum FVGY pungnatumque Κ - aliquandiu] aliquamdiu ABY - 12 inclinante] declinante Κ - Ad] At W - infeliciter] infoeliciter S infeliciter Tr - preliantes] proeliantes S praeliantes G1 preliantes Τ - 12/13 femine] foemine S femine R*R 2 - 13 cesis] cecis Leese R 4 - pluribus] plurimis KPB'w- fuge] fugere Π - commiserunt] comiserunt AK - Subsequuti] R!LOr Subsequti R2DZ Subsecuti Ω - 14 irrupere] irrumpere R2MAGKN1X irripuere R4FBl irripuere corr. in irrupere Τ irrupuere Π - 15 arce] arte Π - quicquid] quitquid ADNY quicquit V quitquit Κ - feminei] foeminei S feminei R'R^r - ferro] ferreo Ρ forro F -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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Verfügung. Vlasta wird eine Gefangene ihrer eigenen Künste. Sie schickt eine Schar von jungen Frauen und fordert, daß ihr die Burg übergeben werde. Die jungen Frauen werden eingelassen, und zusammen mit dem Oberhaupt halten sie ein prächtiges Mahl. Unterdessen springen aus einem Hinterhalt bewaffnete junge Männer hervor und schlachten alle Mädchen ab. Und nun säumt man nicht. Das Lager Devin wird mit einem Heer angegriffen. Als Vlasta die Lage erkannt hat, ist sie wahnsinnig vor Wut. Mit einigen anderen stellt sie sich ihnen draußen entgegen, und bevor in dem dichten Kampfgewühl ihre Gefährtinnen da sind, wird sie, während sie wacker kämpft, inmitten der dichtgedrängten Scharen niedergemacht. Unmittelbar danach treffen die andern jungen Frauen ein, und sobald sie erkennen, daß ihre Herrin gefallen ist, erneuern sie den Kampf, nicht so sehr in der Hoffnung auf Sieg als vielmehr aus Rachedurst. Es wurde eine Zeitlang gekämpft. Bald schien der Sieg auf dieser, bald auf jener Seite zu sein. Zum Schluß kämpfen die Frauen ohne Glück, und als die meisten von ihnen gefallen waren, ergriffen sie die Flucht. Die Feinde setzten ihnen unmittelbar nach, und in einem einzigen Haufen drangen die Sieger mit den Besiegten in das Lager ein. Sie bemächtigten sich der Burg, und wen auch immer von weiblichem Geschlecht sie antrafen, töteten sie. Unter diesen Umständen befreiten großherzige junge Männer

273 Valasca] s. 162. 275 castellum Dieviczum] s. 186. 276 Valasca] s. 162.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

f.llr 281 femineo Bohemiam liberarunt. II Valasca inter clarissimas feminas numeranda, plus ausa quam sexui suo congrueret, insepulto cadavere iacens feris ac volucribus esca fuit. 282,283 Primislao ex Libussa tres filii nati. Duo immature rapti 284 funere. Tertius, morienti seni heres, dictus Nimislaus 285 nomine, quod 'nihil excogitans' interpretatur. Fuit enim stupidi ingenii et prorsus iners, inter scorta et concubinas 286 otio marcens. Mollitiem eius fortuna confovit, que pacem illi perpetuam dedit nullo vicinorum arma movente nec seditionibus studente populo, quem diutina virginum 287 bella prorsus extenuaverant. Hunc Mnatha filius subsequutus est, Mnatham Voinus, cui duo fuerunt filii, 288 Vinslaus et Vratislaus. Inter quos moriens partitus est ter289 ram: Vinslao Praga et ducatus Bohemie cessit, Vratislao Lucensis principatus, qui postea Zacensis dictus est.

1 femineo] foemineo S femineo l^R^TOr Fenimeo Ρ - Bohemiam] om. D - liberarunt] liberant ζ - Valasca] Valasta FIIDP Wlasta AK Valascha Ν 1/2 clarissimas feminas] feminas clarissimas R3PB1B2G1b - feminas] foeminas S feminas r'r 2 i· om. R3PB1B2G1b - ausa] auxa R4 ausu C - suo] sui C sno b - congrueret] congruetur GLb congrueretur B 2 congruerit D congruerarit Κ - 3 iacens] iacent Ο - esca] aesca L esta F - 4 In fronte articuli De Nimislao (G'b: nimislao) quarto ac Mnata quinto Vorcioque sexto necnon Vinslao septimo Bohemorum (G1: bohemorum) ducibus. Capitulum .IX. B2G!b Primislao] Przemislao κ Primislao ex in mg. Ρ - Libussa] libusse Κ - tres] bis L - immaturo] inmaturo VKN'Yb in maturo A ex imaturo R 4 n - 4/5 rapti funere] funere rapti SVDNZ - 5 Nimislaus] Nezamisl Κ Minislaus Ν1 6 nihil] nichil vab'cg'npwyz - excogitans] cogitans Β excogitatus R^n 7 et] ac r V nVTDNZ - iners] meis R4n - inter] intra A - scorta] scortas r V n - concubinas] concibinas G - 8 Mollitiem] FII moliciem TDT1 Mollicie W confovit] com fuit D - que] om. B 2 - 9 illi perpetuam] perpetuo illi Π - perpetuam] perpetuo R4 perpetuo corr. in perpetuam Τ - nec] ac Y - 10 quem] quam Ν - 10/11 virginum bella] bella virginum Κ - 11 prorsus] protinus R2MAGN1KXY - extenuaverant] extenuauerat R4 - Hunc] Huic PB2G'b Hinc N1 - Mnatha] Mnata R'oPB^G'Yb Mutha V muathia R4 Mnatam C 11/12 Mnatha ...subsequutus est] om. N1 - subsequutus] R'R^'KLOWr subsequtus R2SMBZ subsecutus R3FIIT1VAB1B2CPYb subsecuutus DNGX 12 Mnatham] Muathiam R4 Mnatam R^G'PYb Mnathano Κ - Voinus] uouius Π wogen Κ Vonius AOW vioius G vorcius G1 vortius B ^ vionus N1 Vinslaus] Vnislaus R4tb1YZ Vnyeslaus Κ - 1 3 et] a C - Vratislaus] Wratislaus KZ - Inter] in R4 - 14 Vinslao] Vnislao R4IIGYZ Ninslao A Vnyeslao Κ - Praga] pragam VNB1 - cessit] successit L - 14/15 Bohemie ... dictus] om. RVn in mg. Τ - 15 Zacensis] Czacensis TOWr Zazensis GN1 Zaczensis Κ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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Böhmen von der Herrschaft der Frauen. Vlasta ist unter die berühmten Frauen zu zählen. Sie hat mehr gewagt, als zu ihrem Geschlecht eigentlich paßt. Ihr Leichnam wurde nicht bestattet. Er lag da und war ein Fraß für die wilden Tiere und Vögel. Premysl hatte von Libussa drei Söhne. Zwei von ihnen wurden ihm durch frühzeitigen Tod geraubt. Den dritten ernannte der alte Mann auf dem Sterbebett zu seinem Erben. Er hieß Nezamysl, was übersetzt soviel bedeutet wie: ,der sich nichts ausdenkt'. Er war nämlich dumm und gänzlich unfähig. Zwischen Dirnen und Konkubinen welkte er schnell dahin. Das Schicksal begünstigte seine Weichheit, denn es gab ihm andauerden Frieden. Kein Nachbarvolk griff zu den Waffen, und das Volk zettelte auch keine Aufstände an, denn die lang andauernden Kriege mit den jungen Frauen hatten es gründlich geschwächt. Ihm folgte sein Sohn Mnata, und diesem Vojen, der zwei Söhne hatte: Uneslav und Vratislav. Auf dem Sterbebett teilte er sein Land unter diese auf. Prag und das Herzogtum Böhmen gingen an Uneslav. An Vratislav das Fürstentum Lucko, das später Saazer Land genannt wurde.

281 Valasca] s. 162. 282-289 Primislao ... Zacensis dictus est] Vgl. das Epos Lucko, seu principalis urbis Zacae, in quo res gestae... ab origine ipsius usque ordine historico ex variis rerum Bohemicarum scriptoribus selectae, elegis per libros III digestis, describuntur, das im J. 1603 von Vene. Ripa herausgegeben wurde, vgl. Rukovet 4, Prag 1973, S. 324f. - Zum Stammbaum der mythischen vorhistorischen Fürsten Böhmens vgl. Cosmas, S. 21f.; Dalimil, I 247, 251, 299 und 308; Marignola, S. 526; Pulkava, S. 13ff.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

Ex Vinslao natus est Grezomislaus, qui et Neclam dictus 291 est, unicum timoris ac pavoris exemplum. Cuius ignaviam animo volvens patruus, optimum instrumentum ad subigendam sibi Bohemiam ratus, arma movens plura adver2 9 2 sus eum bella feliciter gessit. Quibus magnificatus et auctus urbem condidit inter duos montes Mednam et Pubecham, quam de suo nomine Vratislaviam nuncupavit. 293 Neque contentus prioribus victoriis novum nepoti bellum indicit, capitalem poenam subditis suis interminatus, qui 2 9 4 gladii longitudinem equantes in prelio deessent. Iubet quoque purpuratos suos falcones atque accipitres secum afferant, quos humana carne pascere velit, non ad pug2 9 5 nam, sed ad cedem iturus. Postremo se nulli etati parsurum dicit ipsosque lactentes pueros ab ubere matrum rapi atque confodi mandat mammasque mulierum pullis 290

1 In fronte articuli De Grezomislao (G'b: grezomislao) qui et Neclam (c'b: neclam) dictus est octavo Bohemorum (c'b: bohemorum) duce, et graui bello, quod gessit cum patruo suo Vratislao. Capitulum .X. B ^ b Vinslao] Vnislao HB1NWY unislao R4 vnyeslao Κ - Grezomislaus] Grezomislaus r ' r 2 Grzezomislaus Κ Grezamislaus Ν Gercomislaus C grescomislaus Π Greczomilaus OWr Grezomislaus Ω - Neclam] nedam R4nGOX nendam in mg. Neclam Τ neklan κ - 1/2 Ex Vinslao ... dictus est] om. DZ - 2 ac] et R3B1B20 - pavoris] pacis F B ' B ^ b - Cuius] cur R4n ignaviam] ignaniam R4FT - 3 animo] in animo R3PB1G1b - 3/4 subigendam] subigendum PB'G'b subiugandam R4 subiciendam Κ — 4 ratus] raptus R4 raptus corr. in ratus Τ - 5 bella] om. VN - feliciter] foeliciter SLr feliciter R^T - 6 Mednam] mechyam G'b mechiam B1B2 Medriam ν Mechriam Ρ Meduam W - 7 Pubecham] Pubeccam R2MLGX pubecam γ pubercam N1 pubectam AK Rubercham W - Vratislaviam] Vratislaum W Wratislauiam KY - 8 contentus] contemptus R4 comtemptus corr. in contenptus ΙΓΓ 9 indicit] indidit R3PB1B2G1b inducit R4 - poenam] STB2 penam R]R2Or penam Ω - subditis suis] suis subditis X om. PB'ßWb - subditis] subdictis r V - interminatus] interminans G1 indicens R2MGKN1XY indicens s.s. interminatus A - 10 gladii] gradu L - equantes] equantem C - prelio] proelio S prelio r ' t prelio vel plio Ω - deessent] deesse R4 deesse in mg. deessent Τ - 10/11 Iubet quoque] Iubetque G1 - 11 accipitres secum] accipitres vt secum B2 - 12 afferant] afferent D - velit] om. R4FII in mg. Τ - ad] a R4 12/13 pugnam] pungnam KNY - 13/14 etati parsurum] parsurum etati Β 14 dicit] dixit R4n dixit s.s. dicit Τ - ipsosque] ipsos ν - lactentes] R'sVFLNBPB N'b lactantes s.s. lactentes R^T lactantes Ω - ubere] vberibus B2 ubre F vrbe b - 15 mulierum] mulieris G -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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Von Uneslav stammt Rresomysl ab, der auch Neklan genannt wird, ein einzigartiges Beispiel für Furchtsamkeit. Über dessen Feigheit nachdenkend, meinte sein Onkel, daß diese das beste Mittel sei, sich Böhmen zu unterwerfen. Und er griff zu den Waffen und führte mehrere Kriege gegen ihn mit glücklichen Ausgang. Durch diese berühmt und erstarkt, gründete er zwischen den beiden Bergen Medna und Pubecha eine Stadt, die er nach seinem Namen Vratislav nannte. Und mit seinen früheren Siegen nicht zufrieden, erklärte er seinem Neffen einen neuen Krieg. Seinen Untertanen drohte er die Todesstrafe an, wenn sie, Schwertlänge erreichend, beim Kampf fehlten. Er ließ auch seine schönen glänzenden Falken und Habichte mit sich bringen, die er am Menschenfleisch sich weiden lassen wollte, im Begriff, nicht zu einem Kampf, sondern zu einer Abschlachtung auszuziehen. Schließlich sagte er, daß er kein Alter schonen werde, und er gab den Befehl, sogar die Säuglinge von der Brust der Mütter zu reißen und zu durchbohren und die Brüste der Frauen den Fohlen der Pferde zum Säugen zu geben. Er war fürwahr

290-307 Ex Vinslao natus est Grezomislaus ... fugam maturare] vgl. Dalimil, S. 260f„ 270; Marignola III, S. 526f.; Pulkava S. 13f. 290 Ex Vinslao] s. 287 - Grezomislaus, qui et Neclam dictus est] in den Sagen (Cosmas, Dalimil) werden Kresomysl und Neklan für zwei verschiedene Gestalten gehalten. 292 urbem condidit inter duos montes Mednam et Pubecham, quam ... Vratislaviam nuncupavit] Dorf Vlastislav, 7 km sw. von Lobositz entfernt (Cosmas), vgl. Profous/Svoboda IV, S. 571. Dalimil I 251, v. 35 und S. 300, v. 39 kannte die Formen Vratislav sowie Vlastislav (S. 258).

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f.ll v 297 298 299 300 301 302 303

HISTORIA BOHEMICA (Liber primus)

equarum suggendas tradi, insolens sane atque superbissimus et fortasse crudelior quam si vicisset. Parte alia Neclam, vir muliere corruptior, trepidare atque II pavere, nihil consilii, nihil spei habere, ultimam vite sue diem venisse putare: Non gladium intueri, non milites affari posse, alieno tantum ductus consilio se pugne interfuturum dicit. Et accersito clam Sdertio nobili equite, figura corporis sibi perquam simili, animi vero fortitudine et corporis robore dissimillimo. Fuit enim manu promptissimus et animo audaci atque imprimis rei bellice peritissimus. Hunc suis armis indutum ac insignibus principalibus honestatum quam paucissimis rem scientibus obire ducis munia iubet. Multa interim vatum presagia, feminarum quoque spiritu, ut aiunt, phitonico imbutarum, vaticinia exquiruntur. Ex quibus una placandos deos humana hostia respondit, sic enim victoriam repromitti. Cui Neclam, plus religioni quam armis fidens, ceso quem sortes designavere

1 equarum] equorum B2G!Yb - suggendas] sugendas RVVMAB 2 GNN'KL sucgendas D - tradi] tradit Κ tradet W - sane] om. R4 in mg. Τ - atque] ac R2R3MABKB1B2DGG1N1PWXYb - 2 et] ac s.s. et A et sane R4 et del. sane Τ quam] in mg. S qui D - quam si] quasi Ο - vicisset] uixisse R4 uixisset Π Parte alia] om. VN - 3 Neclam] Nedam ΠΏΧ3Ν1θΧ neklam Κ - atque] ac DPB1 - 4 nihil] nichil VAB'CGG'KNPYZ nil Β - nihil] nichil VAB'G'NPWYZ nil BGN1 - ultimam] ultimum Y - 5 venisse] aduenisse R'ß'B^'B - intueri] inthueri D - affari] affrari Ρ afferri R4 - 6 posse] posset Κ - tantum] R'v t£imen Ο - consilio] concilio B ^ B - pugne] pungne VGKY - 6/7 interfuturum] interfecturum GO interuenturum B 2 - dicit] dixit R4n dixit s.s. dicit Τ - 7 accersito] acersito C - clam] om. C - Sdertio] Sclercio B2G'b Sclertio Ο Edercio Ζ - equite] om. VN - 8 perquam simili] R1R2R3R4FIISVMTABB1C GKLNN'oPWXYr quam simili G*Zb quam persimili B 2 - penpresili D - animi] eum R4 del. cum in mg. animi Τ - vero] non R4 - animi vero] animorum W - fortitudine] fortitudinem Κ - 9 dissimillimo] disimilimo b disimilimo s.s. dissimilimo Τ dissimilimo R2I1TMAB1B2CGG1N1Z - 10 animo audaci] audaci animo R3FB1B2Gb - atque] om. VN - imprimis R1R2MABPNOXR inprimis Ω bellice] publice G - 11 indutum] inductum TD -12 obire] dare PB'ßWb obedire KZ - ducis] om. VN - 13 vatum] factum ν fatum Ν natum W - feminarum] foeminarum S feminarum Τ feminarumque Β - 14 quoque] om. Β ut] aut L - aiunt] ayunt Ζ — phitonico] ffithonico Y - imbutarum] inbutarum FCZ imbutorum Ν - 14/15 vaticinia exquiruntur] vaticinia ex quibus exquiruntur V - 15 humana] om. PB'B2G'b - 16 repromitti] promittit Κ Neclam] Nedam R4ncGN1OXb neklam Κ - 17 ceso] c?so r ' r ^ T -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes B u c h )

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rücksichtslos und äußerst hochmütig und vielleicht grausamer als ein Sieger. Auf der andern Seite Neklan, der durch sein weibisches Wesen ziemlich verdorbene Mann: unschlüssig und in Angst, ohne Plan und ohne Hoffnung. Er glaubt, daß der letzte Tag seines Lebens gekommen sei. Er sagt, er könne kein Schwert ansehen und Soldaten nicht ansprechen. Er werde nur von fremdem Rat geleitet am Kampf telnehmen. Und heimlich ließ er den adligen Ritter Styr herbeiholen, der ihm an Körpergestalt sehr ähnlich war, an Tapferkeit des Geistes aber und an Körperstärke sehr unähnlich. Er war nämlich zu einer Rauferei jederzeit bereit und war wagemutig und besonders im Kriegswesen sehr erfahren. Diesen läßt er seine Waffen anlegen und mit seinen Herrschaftsabzeichen schmücken und die herzoglichen Pflichten übernehmen, was aber nur ganz wenige wissen dürfen. Inzwischen holt man viele Weissagungen von Sehern ein und auch solche von Frauen, die, wie man sagt, mit dem Geist der Pythia erfüllt sind. Von diesen antwortete eine, die Götter seien durch ein Menschenopfer zu besänftigen, so nämlich würde der Sieg gewährt. Ihr war Neklan, mehr auf die Religion als auf die Waffen vertrauend, willfährig und ließ einen jungen Mann töten,

298 accersito ... Sdertio] Tyro (Cosmas), Styr (Dalimil). 293-317 Eneas Darstellung des Krieges hat Parallelen bei Cosmas, S. 26f.; Dalimil I 272, 278; Marignola, S. 527, und Pulkava, S. 13f.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

304 iuvene, morem gessit. In alia parte mulierem fuisse tradunt, que privigno bellum petituro Vratislaum in pugna casurum maioremque populi partem cum eo interiturum predixerit, posse tarnen evadere iuvenem, si sibi crederet.

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Adolescenti se credere atque imperata facturum respondenti iussisse, ut pergeret, quando remanere domi ca3 0 6 pitale esset. Primumque, qui obvius fieret, occidere atque utrasque aures cadenti amputare et in pera recondere. Exin 3 0 7 gladio inter priores equi pedes signum crucis in terra facere, qua deosculata equum ascendentem fugam ma turare. 308 Pugna in campo, cui Thusco nomen est, committitur. 3 0 9 Concurrunt acies, magnis utrinque viribus atque clamo310,311 ribus certatur. Stat belli fortuna diu anceps. Multi hinc 3 1 2 atque inde vulnerantur, prosternuntur, occiduntur. Ad ultimum Bohemi, qui non pro gloria aut ampliando imperio, sed pro vita, pro focis, pro aris, pro uxoribus ac liberis in aciem venissent, desperatione in virtutem versa, audaci-

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1 iuvene] iuuere G1 - In alia] Ilia G - 2 tradunt] traddunt Τ - que] qua Ο Privigno] preuigno GG]Yb preuingno N1 prurigo R4 prinigo F primigo Π priuino D - petituro] petiturum Y perituro petituro Ο - Vratislaum] Vratislao V vradislaum B1 Vratisslaum G Wratislaum PY Wratisslaum Κ pugna] pungna GNn'yk - 3 casurum] cassurum TO causarum G[b maioremque] mayoremque KZ - interituram] inteituram R4 interrituram ΠΤ interiturum b ' b 2 - 4 predixerit] predixit Β predixerat s.s. predixit L crederet] crederettur R3 crederetur PB'B^'b - 5 Adolescenti] ad descenti R4 adolescente Ζ adolestenti Π - atque] ac Y - 6 iussisse] iusisse R®V iusisse s.s. iussisse Τ - pergeret] pergerent PB1 — remanere] remaneret R1 - domi] domu Ζ - capitale] capitulle Ζ - 7 Primumque] Primum VB2G'b - qui] qua Ζ - fieret] fieri Β - 8 cadenti] candenti Β denti R4 - amputare] amputari L - et] ac Ν - in pera recondere] impera recondere R4IIA imperare condere GN1 - Exin] Exinde R4VKYZ - 9 equi] equis R4 - terra] terram G'b 10 deosculata] deobsculata r®l deobscultata ν deobsculcata Ν deobstulata D deoculata B2 - equum] equm D - ascendentem] ascendem L - 12 Pugna] pucgna R4 pungna VGYK - Thusco] R1R3COPB2G1b Tuhsco r tuscho nw tuscum Β casto D tusta Ν Tusca N1 tusco Ω - 13 magnis] in agris G - utrinque] utrimque AB'Gb utrique B2 utrumque R4K - atque] ac B ^ N ' b - 14 diu] om. r V t n - Multi] multa L multe N 1 - 15 vulnerantur] wlnerantur VCKY - 1 7 sed] set FG - aris] areis B2G'b laris W - ac liberis] bis V et liberis Κ 18 venissent] uenisset L - desperatione] Desperacionem Ρ - 18/p. 86, v. 1 audacibus] audactibus Π —

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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den das Los bezeichnet hatte. Anderseits überliefert man, es habe eine Frau gegeben, die ihrem Stiefsohn, der in den Krieg wollte, vorausgesagt habe, Vratislav werde im Kampf fallen, und der größere Teil des Volkes werde mit diesem zusammen untergehen. Der junge Mann aber könnte dennoch seinem Schicksal entkommen, wenn er sich ihr anvertraue. Dem jungen Mann, der antwortete, daß er sich ihr anvertraue und ihren Befehl ausführen werde, habe sie befohlen, weiterzuziehen, da es für ihn tödlich sei, zu Hause zu bleiben. Und er solle den ersten, der ihm begegne, niederhauen und ihm in Zusammensinken beide Ohren abschneiden und in die Tasche stecken. Dann solle er mit dem Schwert zwischen die Vorderfüße des Pferdes das Kreuzzeichen auf die Erde machen und, wenn er sie geküßt habe, das Pferd besteigen und schleunigst fliehen. Die Schlacht beginnt auf dem Feld, das man Tursko nennt. Die Schlachtreihen prallen aufeinander, und auf beiden Seiten kämpft man mit großer Kraft und großem Geschrei. Das Kriegsglück bleibt lange unentschieden. Viele werden auf dieser und auf jener Seite verwundet, hingestreckt und getötet. Die Böhmer, die nicht für ihren Ruhm oder für die Vergrößerung ihres Reiches, sondern für ihr Leben, für ihre Herde, für ihre Altäre, für ihre Ehegatten und Kinder in die Schlacht gekommen waren und deren Verzweiflung sich in Tapferkeit gewendet hatte, und die mit kühnem Mut und mit unbesiegter Kraft

304 Vratislaum] s. 287. 308 Pugna in campo, cui Thusco nomen est, committitur] Tursko, Dorf nw. von Prag, vgl. Profous^Svoboda IV, S. 401f.; Sedläcek, S, 909. 312 non sine Sdercii summa laude] s. 298.

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f.l2r 313 314 315 316 317 318 319 320

HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

bus animis, invicto robore preliantes victoria II potiuntur non sine Sdertii summa laude et gloria, cuius in hoc bello cum ars, turn virtus plurimum valuit. Occidit tarnen inter preliandum et, ut iusserat, in eo campo sepultus est, ubi prelium gestum, suaque morte vitam ducis et patrie libertatem redemit. Ex hostibus ceso principe quam paucissimi evaserunt. Aiunt adolescentem, qui noverce iussioni paruerat, domum redeuntem uxorem suam, quam unice amavit, interemptam reperisse ambabus carentem auribus pectusque confossam. Quas hosti amputaverat aures, coniugis sue fuisse stupentem tristemque cognovisse. Tantum prestigia possunt aut veneficarum carmina mulierum. Bohemi parta victoria, occiso Vratislao terram eius ferro atque igne devastant inventumque Vratislai filium impuberem principi tradunt. Qui misertus etatis patruelem educandum Duringo, ad Egram fluvium imperium possidenti, Vratislao gratissimo quondam comiti, tradit. Qui ceca 1 preliantes] preliantes r ' s t preriantes Ν — victoria] uictoriam Y om. Ζ — 2 Sdertii] R2SALGXY Sdertij i^MN1 Sdercii DWr Sdercij r V t c b p Sderty Ν Sclercij FriB^G'Ob Sidertii R4 Edercij Ζ Sdercio Κ - summa] magna r ' g ' b ' b ^ - et] ac RVllT - et gloria] et summa gloria R ^ B ' ß W b - cuius] Cum Ζ - 3 cum] tum VABB1B2GG1NXYZb - plurimum] om. L - Occidit] Occiditur MABB'B^GG'KNN'PYb - 4 preliandum] preliandum R1R4 proeliandum S - iusserat] iuxerat L - 5 prelium] prelium R ! R 4 - gestum] gestum est L - vitam] om. N1 - 5/6 libertatem redemit] rationem obtinuit B2G'b - redemit] om. D — Ex hostibus ceso principe] Parte autem alia duce prostrato B2G!b - 6 paucissimi] paucissime Μ - 7 adolescentem] adulescentem S - iussioni] iussione L uisioni R4 - 8 paruerat] parauerat R4 quam] quem b om. V - 9 amavit] amauerat R2MAGN*XYK - interemptam] interremptam Ο - repperisse] SMBPBlr reperisse Ω - ambabus] ambobus R4 — 10 confossam] confosem G confussum Y confossum AK - Quas] et quas B2G'b - 11 sue fuisse] fuisse sue Β - tristemque cognovisse] tristemque fuisse cognouisse B2 - Tantum] quantum Ζ - 12 aut] et R4FriVTBCDLNZ veneficarum] venificarum DP - 13 In fronte articuli De infidelitate ( Β \ : Infidelitate) Duringi (G'b: duringi) qui Vratislai filium sibi commissum interfecit penamque condignam recepit. Capitulum X (decimum G1 Xj. B2) B2Glb - parta] peracta b'k parca R4n - occiso] ocioso R4 et occiso Β om. L Vratislao] wratisslao Κ - 14 atque] ac Β aut Ο - Vratislai] Vratisslai G fratislai C Vlatislai D Wratislao FII Vratislao R4 wratislay Κ - 14/15 impuberem] inpuberem GXb imperem W - 15 etatis] etati Π etati s.s. etatis Τ patruelem] patrueli Y - 16 Duringo] Turingo Ο - 17 Vratislao] Wratislao Fim Vratisslao G - tradit] tradidit G'b -

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GESCHICHTE BÖHMENS (Erstes Buch)

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kämpfen, bemächtigen sich zu guter Letzt des Sieges, nicht ohne großes Lob und hohen Ruhm für Styr, dessen Geschicklichkeit und Tapferkeit in diesem Krieg den Ausschlag gab. Dennoch fiel er während des Gefechtes und wurde, wie er befohlen hatte, auf dem Schlachtfeld begraben. Durch seinen Tod hat er das Leben des Herzogs und die Befreiung des Vaterlandes erkauft. Als auf der Seite der Feinde ihr Füher gefallen war, konnten nur ganz wenige entkommen. Man sagt, daß der junge Mann, der dem Befehl seiner Stiefmutter gehorcht hatte, bei seiner Rückkehr nach Hause seine Frau, die er einzigartig liebte, getötet aufgefunden habe. Sie sei ohne Ohren und ihre Brust durchbohrt gewesen. Entsetzt und niedergeschlagen hätte er erkannt, daß die Ohren, die er dem Feind abgeschnitten hatte, die seiner Frau gewesen seien. Soviel vermögen die Zauberei oder die Sprüche von Zauberinnen. Als die Böhmer den Sieg errungen hatten und Vratislav getötet hatten, verwüsteten sie sein Land mit Feuer und Schwert. Den nicht erwachsenen Sohn des Vratislav, den sie fanden, übergaben sie ihrem Oberhaupt. Dieses hatte Mitleid mit dem jungen Alter und übergab seinen Vetter zur Erziehung dem Duringus, der an der Eger eine Herrschaft besaß und einst ein dem Vratislav zugetaner Graf war. Dieser war von blinder Gier besessen und, als ob

318-331 Bohemi parta victoria ... arbor Duringia dicta est] vgl. Cosmas, S. 29-32; Dalimil, Band 1, S. 278; Marignola, S. 528; Pulkava V, S. 14f. 318 occiso Vratislao] recte: Vlastislao, s. 285. - inventum ... Vratislai filium] s. 289. 319 Duringo] Erzieher, für den Sohn des Fürsten Vlastislav von Lucko angeordnet. Die nachfolgende Schilderung stimmt mit Dalimil überein (I 283f.) - ad Egram fluvium] Eger, Fluß in Nordwestböhmen. - Vratislao] s. 289. 320 ad Neclam] s. 290.

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HISTORIA BOHEMICA (Liber primus)

cupidine captus, tanquam initurus principis gratiam, puero super Egra, qui tum glacie constrictus erat, perfracto gelu pisces querenti, gladio caput abstulit secumque Pragam deferens, ubi ad Neclam introductus est, proferens 321 cruentum caput 'Solium', inquit, 'hodie tuum firmavi. Aut 322 perire hoc aut te oportuit. Securius in utramvis aurem 323 posthac dormies emulo regni sublato.' Motus haud aliter, quam par erat, princeps tarn diro spectaculo, 'Perfidiam', 324 ait, 'nulla beneficia vincunt. Ut aleres puerum, non ut 325 occideres, credidi. Te neque meum imperium neque amici memoria neque innocentis pupilli miseratio retraxit ab 326,327 scelere. At mihi quietem parare voluisti. Tui ergo meriti 328 hec sunto premia: Ex tribus mortibus quam malueris 329 optionem, habeto! Aut gladio teipsum confodito, aut laqueo prestringito guttur, aut ex II Vicegradensi rupe

I cupidine] cupiditate D cupitudine B 2 - tanquam] tamquam FIIAB'CGKP initurus] inierus R4 mitrirus Π inierus R4 inituro L - principis gratiam] graciam principis Y - 2 puero super] puero qui super PB'lA^b - Egra] Egram B2G!Yb - tum] tunc Κ cum B'CXYZ - constrictus] constructus VK constractus Ρ constrictis Ζ - 2/3 perfracto] perfractu B1 - 3 caput] capud VCDN abstulit] abstudit Ο - 4 deferens] defferens DK differens R4 - ad] ab Π Neclam] neklam Κ Nedam R 4 nGN'ox - proferens] preferens R4 - 5 caput] capud CDGN - inquit] inquid DG — inquit, hodie tuum] tuum inquit hodie KN1 - hodie tuum] tuum hodie R3VLFB1B2G1b - 6 hoc] hunc Β om. R4 - te oportuit] te perire oportuit Ο - oportuit] opportuit no - Securius] Securus DB om. R4 - utramvis] utram B1 - 7 regni] regno GOWr - haud] haut B1B2CGPXb autem R4 aut s.s. haut Τ - 8 par] om. R ^ B ^ G ' b pater W - erat] om. R 4 - tam] cum D - diro] duo R4n - spectaculo] spectabili D - Perfidiam] perfidam A perficiam R4 perficiam corr. in perfidiam Τ - 9 beneficia] beneficentia corr. in benefitia L - aleres puerum] aleres tibi puerum FIISVTB CDNZ alacres tibi puerum R4 - ut] ne R4 - 10 occideres] occideris C - credidi] tradidi Bb'k credidi s.s. tradidi Ο - 11 innocentis] ignoscentis D - pupilli om. R4n in mg. Τ - miseratio] misericordia Ζ - ab] a R2R4MBDGB2XYN1 II /12 ab scelere] ad scelus corr. in ab scelere R3 - 1 2 At] et L - mihi] michi IIVABCGPWG1 - Tui] Tibi Ο Tu DL - 13 sunto] sumpto R ^ V f ü a b b ' b 2 G'KLPXYb sumpto in mg. sunto Τ sumito DGN1 - premia] premia τ praemia r ' x premio R4IIOVNb - mortibus] om. R4 - quam] cum R4 - malueris] mallueris Β - 14 optionem] opinionem R4 - optionem habeto] habeto opcionem Κ - Aut gladio] atque gladio R4 - 14/15 aut laqueo] an laqueo Π - 15 prestringito] perstringito] R3R4ABB1B2G1 KOPWYrb - guttur] gutur D - aut] om. R4Fü in mg. Τ - ex] Tex Π - Vicegradensi] Visegradensi R3 wicegradensi A uicegradense GX vissegradensi P B ' B ^ b wissegradensi Κ - rupe] rupes V -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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er die Gunst des Oberhauptes gewinnen wollte, schlug er dem Jungen, der auf der Eger, die damals gerade zugefroren war, und wo der ein Loch ins Eis geschlagen hatte, um Fische zu fangen, mit dem Schwert den Kopf ab. Er nahm den Kopf mit nach Prag, wo er zu Neklan geführt wurde, und zeigte ihm das blutige Haupt vor und sagte: „Deinen Thron habe ich heute gefestigt. Entweder mußte dies Haupt sterben oder du. Sorglos wirst du von nun an auf beiden Ohren schlafen, weil der Nebenbuhler deiner Herrschaft beseitigt ist." Nicht anders erschüttert als angemessen war das Oberhaupt von diesem grausamen Schauspiel und sagte: „Keine noch so gute Tat kann gegen die Treulosigkeit an. Ich habe dir den Jungen anvertraut, daß du ihn großzögest, nicht ihn tötest. Dich hat weder meine Macht noch die Erinnerung an den Freund noch das Erbarmen mit der unschuldigen Waise von dem Verbrechen abgehalten. Doch mir wolltest du Ruhe verschaffen. Nimm also diesen Lohn für dein Verdienst. Unter drei Todesarten sollst du die Wahl haben, welche du lieber willst. Entweder sollst du dich selber ins Schwert stürzen, oder du sollst dir mit einem Strick die Kehle zuschnüren, oder du sollst dich kopfüber vom Fels des Vysehrad

329 ex Vicegradensi rupe] s. 24.

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HISTORIA BOHEMICA

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preceps ruito!' Duringus accepta sententia in alni arbore, 331 q U e propinqua fuit, sese suspendit. Alnus postea quamdiu mansit, arbor Duringia dicta est. 332 Neclam vero moriens Hostivicum maiorem natu filium 333 heredem instituit. Dipoldo provinciam Gurimensem testa334 mento dimisit. Hostivico Borsivoius filius successit, ulti335 mus paganorum ducum. Qui tarnen et ipse imperante Arnulfo cesare a beato Metodio, Moravorum archiepiscopo, cum Ludimilla coniuge ad baptismi gratiam perductus est noningentesimo et nonagesimo quinto anno 336 post Christi Salvatoris ortum. Ludimilla sancta mulier habita etiam miraculis claruisse fertur.

1 preceps] pr^cepers R1 - Duringus] duringius D Durinigus b - 2 propinqua] proquinqua b - suspendit] supendit D - Alnus] Aljnus Ρ - 3 mansit] remansit R3PB1B2G1b - Duringia] duringa R4IITB1B2G1b duringi VN - dicta est] dictare V - 4 In fronte articuli De Nostiricio nono et Borsiuoio (G1: borsizoio) decimo Bohemorum (G]b: bohemorum) ducibus. Qui et ultimus paganorum ducum fuit et tandem cum uxore sua fidem Christi suscipiens baptizatus est. Capitulum xij. B2G!b in mg. A - Neclam] Neklam Κ Nedam R4IIDGN10 Neclem L - vero] vtro b - Hostivicum] hostinicum R4 hostiuitum PK hostiuicium B1 nostiricum B2G]b - maiorem] mayorem KZ - 5 heredem] om. L - Dipoldo] Diplodo CB Dipuldo GN1 - Gurimensem] durimensem R2MN1 Durmensem Y Ducimensem G Giurumensem W surimensem G'b Furimensem Gurinensem B2 gurinensem B1 - 5/6 testamento] testamentum B1 - 6 Hostivico] Hostiuito V Hostibito Κ Nostinico R4 Nostirico G'b Hostririco Ζ Hostirico Or - Borsivoius] Borsinorus Η4ΠΤ borsinoius F Borzybboy Κ - successit] succesit Κ - 7 paganorum] poganorum Ο paguanorum Ζ - imperante] impetrante R4n - 8 Arnulfo] Arnulpho VCWY arnolfo KPB1B2Z Aruulfo Τ Alnulfo D aurulso R4 - Metodio] Methode Ο methodio B ^ b Mecodio R3 metadio B1 Metudio KY - 8/9 archiepiscopo] arrcepiscopo Ρ episcopo Ζ - 9 Ludimilla] ludmilla VPB'B2AYb Ludimella R4 ludimilla sancta mulier habita C - coniuge] coniugi FII - baptismi] baptissmi B'b baptisma Y - gratiam] om. Y - 10 perductus] productus IIGNlxy productus s.s. perductus Τ preductus Ρ - noningentesimo] dcccc0 C dcccc Β Nongentesimo B'b Nongentesi R4 nonigentesimo G Octingentesimo B2 octingentessimo Κ - nonagesimo] nonagessimo Π nonagentesimo PB2 lxxxxv1"c bcxxxv Bom. N 1 - quinto] quarto Κ om. CB - 11 Salvatoris ortum] ortum salvatoris C Salvatoris nostri ortum PBlB2G]b - Ludimilla] Ludmilla B1YK Ludimella R4 - 12 etiam] et R ^ et in F - miraculis] mirabilis C -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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stürzen. Als Duringus den Satz gehört hatte, hängte er sich an einer Erle auf, die in der Nähe stand. Die Erle hieß später, solange sie stand, der Duringische Baum. Neklan aber setzte auf dem Sterbebett seinen älteren Sohn Hostivit zum Erben ein. Dem Dipold vermachte er das Land um Kaurim. Dem Hostivit folgte sein Sohn Boriwoj, der letzte der heidnischen Herzöge. Aber schließlich wurde auch er selbst auf Betreiben des Kaisers Arnulf vom Hl. Methodius, dem Erzbischof der Mährer, zusammen mit seiner Frau Ludmilla, zur Gnade der Taufe geführt im Jahre 995 nach der Geburt Christi unseres Heilands. Ludmilla galt als heilige Frau. Sie soll sich sogar durch Wunder hervorgetan haben.

330 Duringus] s. 319. 332-336 Neclam vero moriens ... miraculis claruisse fertur] vgl. Dalimil, I 299 und 308; Pulkava, S. 15: bei Enea beides verkürzt. 332 Neclam] s. 290. - Hostivicum] Hostivit, Cosmas, S. 21: Gostivit, der Sage zufolge der ältere Sohn Neklans (Dalimil). 333 Dipoldo] Dipold, der jüngere Sohn Neklans, Vorahn der Pürsten von Kaurim (Dalimil). - provinciam Gurimensem] Kaurimer Land. Zur Lage: Profous II, S. 341; Sedläcek, S. 448. 334 Hostivico] s. 332. - Borsivoius] Boriwoj, (ca. 850-895), der erste historisch nachgewiesene böhmische Fürst, der 873 oder 874 zusammen mit seiner Frau Ludmila von Method getauft wurde. 335 imperante Arnulfo cesare] König 887-99, Kaiser seit 896. - a beato Metodio, Moravorum archiepiscopo] Method, »Apostel der Slawen", Erzbischof von Sirmium (870-75); Bohumil Zlämal, Slovansti apostolove svati Konstantin-Cyril a Metod, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, Prag 1989, S. 7-28. - cum Ludimilla coniuge], Ludmila die Heilige. Tochter des Melniker Fürsten Slawibor, Gemalin des böhmischen Fürsten Boriwoj - ad baptismi gratiam perductus est noningentesimo et nonagesimo quinto anno post Christi Salvatoris ortum] Jahreszahl (995) ist unrichtig. Es hat sich 873 oder 874 ereignet, s. o. 336 Ludimilla sancta mulier habita] s. R. Turek, Svatä Ludmila, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, Prag 1989, S. 41-46.

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HISTORIA B O H E M I C A (Liber primus)

Suadocupus eo tempore Moravis imperabat, Christiane

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religionis cultor et dignus, cuius memoriam ad posteros

338 referamus. Moravia trans Danubium iacet, cui ad orientem Hungari Polonique regnum possident Morava disiuncti 339 amne, qui nomen regioni dedit. Occidentem solem Bohemi excipiunt, Austriales meridianum, Septentrionale latus 340,341 Sclesite occupant. Ager vini frumentique ferax. Gens rapinis assueta nulli tutum iter nisi armato potentiorique pre342 bet. Hie multos annos regnatum - Hungari, Bohemi, Russani Polonique Moravorum principi paruerunt, prin343 ceps ipsi Romano imperio. Caput regni civitas Volegradensis. 344 Suadocupus regum penultimus cum aliquandiu feliciter regnasset, tandem Arnulfo imperatori tributum pendere 1 In fronte articuli De situ Morauie et Suatocopio penultimo Rege (G1: rege) eiusdem qui et primus christianus inter reges Morauie fuit G'b (... primus Morauorum Cristianus conuersus et Baptisatus fuit B2). Capitulum .xiii. B2G'b - Suadocupus] D Swatopluck Κ Suatocopius R3PB1B2b Suatocopus g ' z Suatocupus Ω - eo tempore] om. AK - 2 dignus] Dingnus κ - posteros] pastares B1 - 3 referamus] refferamus Ο reformamus PB1 - Danubium] dannubium Τ - 4 Hungari] Vngari B2G Vngaria DZ - Polonique] pollonique R 3 - Morava] morauia R4HDYK - disiuncti] diiuncti G1b - 5 amne] ampne AG1PB1b — nomen regioni] regioni nomen regioni B1 - solem] soli B 1 solam V - Bohemi] behemi G1 - 6 excipiunt] accipiunt PGB1 - Austriales] Australes R2AB1GN1XYK - meridianum] meridionanum Y Septentrionale] Septemtrionale R3IIB1N1P Septentrionales D Septemtrionales R 4 Septemdrionale B 2 semptentrionale G1 - latus] latus Ipse Β2 - 7 Sclesite] Slesite R3VKB1G1b Slezite Y Slasite Ζ selesite X Sclesiste ITT - vini frumentique] frumenti vinique AK - Gens] Genus C - 8 assueta] assweta Y asweta Κ asueta FB2Z - potentiorique] potentiori VN - 8/9 prebet] prebent Ν - 9 regnatum] Renatum L - Hungari] Vngari B2GZ Vngarii b burgari D - 9/10 Bohemi, Russani Polonique] Poloni Bohemi Russanique B2 - 10 Russani] rusani VN - Polonique] pollonique R3 - Moravorum] Morauorumque R^FFIPB 1 - paruerunt] parauerunt B1 - 10/11 princeps] principes B1 - 11 ipsi] ipse R4FIITBB2CDG1NYb - Romano] ro. Β - Caput] capud D - 11/12 Volegradensis] wolegradensis Κ Velegradensis A 13 Suadocupus] Suadocupus s.s. -pluk A Swatoplukus Κ Swadocupus Y Suatoplucus V Suatocopius b ' b ^ Snadocupus Β Suadocup R4n Suadocopus Ρ Suatocopus G1 - cum] quum L - aliquandiu] rVsvmdlgnx aliquamdiu R3IIABB1G1Yb per abbrev. Ω - feliciter] foeliciter R 4 S feliciter τ om. b ' y k - 1 4 regnasset] ragnasset G - Arnulfo] Arnolfo KPB1B2G1b Arnulpho COWY aruulso R4 araulffo ν - tributum] turbatum B1 - pendere] pandere R4 pandere s.s. pendere Τ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

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Swatopluk herrschte zu dieser Zeit über die Mährer, ein Verehrer der christlichen Religion und wert, daß man die Erinnerung an ihn an die Nachwelt weitergibt. Mähren liegt jenseits der Donau, östlich davon besitzen die Ungarn und die Polen ihre Herrschaft, getrennt durch die March, die der Gegend den Namen gab. Im Westen wohnen die Böhmer, im Süden die Österreicher. Den nördlichen Teil haben die Schlesier in Besitz. Das Land ist ertragreich an Wein und Getreide. Das Volk ist an Räubereien gewöhnt. Es bietet nur dem Bewaffneten und Stärkeren einen sicheren Weg. Hier soll Swatopluk viele Jahre lang geherrscht haben. Die Ungarn, die Böhmer, die Russen und die Polen gehorchten dem Oberhaupt der Mährer. Das Oberhaupt gehorchte dem Römischen Reich selbst. Hauptstadt des Reiches war die Stadt Welehrad. Als Swatopluk, der vorletzte Herrscher, eine zeitlang glücklich regiert hatte, weigerte er sich schließlich, dem Kaiser Arnulf den Tribut za zahlen. Es kam zum Krieg. Als

337 Suadocupus] Svatopluk I. (871-894). 337-369 Suadocupus ... indultum] vgl. Cosmas, S. 32-34; Dalimil, I 308 und 316f.; Pulkava, S. 15f. 338 Morava disiuncti amne] d.h. am Unterlauf des Flusses March. 343 civitas Volegradensis] Velehrad in Südmähren (6,5 km entfernt von Ungar.-Hradisch, vgl. Hosäk-Srämek, S. 671.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

recusans, commisso prelio cum suos cedere animadvertisset, clam sese pugne subtraxit atque, ut erat mutata veste incognitus, salutem solus fuga quesivit. Cumque ad montem venisset, cui Sombari nomen est, abiectis armis, equo dimisso pedibus iter fecit et tanquam viator inops vastissimam ingressus heremum tamdiu pomis arborum atque herbarum radicibus vitam sustentavit, donee II tris heremi cultores obvios habuit. Quibus sese adiungens usque ad extremum vite perseveravit incognitus patienter ac sedato animo incommoda queque ferens. Ubi vero obitus affuit, accersitis heremitis 'Nondum', inquit, 'quis fuerim, novistis. Rex ego Moravorum prelio victus ad vos confugi et regiam vitam et privatam expertus morior. Nulla regni fortuna est tranquillitati heremi preferenda. Hie securus somnus dulces herbarum radices atque undas efficit, ibi curas atque pericula, nullum cibum, nullum potum non amarum reddunt. Quod vite mihi fata dederunt, apud vos 1 prelio] prelio RJTr praelio R 4 prilio Ρ - cum] quum L - cedere] cedere Τ cadere P B ^ G ' b - 2 sese] se B 2 sepe F om. R 4 n in mg. Τ - pugne] pungne r V g k y - subtraxit] substraxit D sustraxit Β - erat] eant R 4 - mutata] tutata W - 3 salutem solus] solus salutem G - solus] om. Η 4 Π Β Β 2 0 ^ in mg. Τ - Cumque] Quumque L Cunque D - 4 Sombari] sumbari R ^ sambari D sambri P B ^ G ' b sombri R 3 Sorlium C - Sombari nomen] nomen Sombari G - 5 dimisso] diuiso R 4 diuisso s.s. dimisso Τ - et] at A - tanquam] tamquam ACGPN'z - viator] uictor Π uiactor corr. in uiator Τ - 5/6 vastissimam] uastissimum G Y - 6 tamdiu] tandiu T D X tandem G tamdiu Ω - arborum] arboris G - 7 sustentavit] substentauit D - tris] tres AB'w - 8 obvios habuit] habuit obuios S - obvios] obuiam B 1 - 9 perseveravit] perseuerauerit B 1 - sedato] sudato A - 10 incommoda] incomoda V N P G B 1 B 2 K Y Z obitus] om. B 1 - affuit] affuerit B P fuit R 4 IIN fuit s.s. ad Τ - 11 accersitis] accersitus Ζ - Nondum] Nundum D T mundum R 4 - inquit] inquid n ' w 11/12 novistis] nostis R 2 M A G K N 1 X Y - quis fuerim, novistis] nostis, quis fuerim R 2 M A G K N 1 X Y - 12 prelio] proelio S prelio r ' r ^ - vos] om. B 1 - et] En Β - 13 regiam vitam] vitam regiam PB1 - privatam] preuate B1 priuatus B 2 - expertus] expertus sum N 1 - morior] moriar R 4 moriar s.s. morior Τ - 14 est] et Β 2 - tranquillitati] tranquilitati R ^ n v T W Z transquilitati D tranquillitate CNb - heremi] hermi B1 regni Nb - preferenda] preficienda R 3 PB 1 B 2 b - 15 somnus] sompnus FIIVMB 1 DG 1 KN 1 PZb sompnos G - efficit] effecit W - 1 6 pericula] periculum B 2 - 1 7 reddunt] redunt R 4 - Quod] Quot R 3 quid Y - vite mihi] vite michi a b b 2 g g 1 p w mihi uitg S mihi vite D michi vite VZ michi vita Ν - fata] vata ΑΒ2θ s.s. FK uata r - apud] aput V B 2 ^ vos] nos R 4 !^ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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er nach begonnener Schlacht sah, daß seine Leute wichen, entzog er sich heimlich dem Kampf. Er wechselte die Kleidung und, unerkannt wie er war, suchte er allein sein Heil in der Flucht. Und als er zu einem Berg kam mit dem Namen Sombari, warf er seine Waffen weg, ließ sein Pferd laufen und ging zu Fuß und gelangte wie ein armer Wanderer in die Wildnis und fristete sein Leben von den Früchten der Bäume und den Wurzeln der Kräuter so lange, bis er auf drei dort wohnende Einsiedler traf. Er Schloß sich ihnen an und lebte bis zum Ende seines Lebens dort unerkannt, geduldig und gelassen alle Unbequemlichkeiten ertragend. Als aber der Tod nahte, versammelte er die Einsiedler um sich. „Ihr wißt noch nicht", sagte er, „wer ich bin. Ich bin der Herrscher der Mährer. Im Kampf besiegt, bin ich zu euch geflohen und sterbe, nachdem ich nun das Leben eines Herrschers und eines Privatmannes kennengelernt habe. Kein Glück der Herrschaft ist der Ruhe eines Einsiedlers vorzuziehen. Hier macht der sorglose Schlaf die Wurzeln der Kräuter und das Wasser süß. Dort machen Sorgen und Gefahren jede Speise und jeden Trank bitter. Was an Leben das Schicksal mir

344 Suadocupus] s. 337. Vgl. Dalimil I 316f - Arnulfo imperatori] s. 335. 345 Sombari] Zobor (587m), Berg über Neutra (Slowakei). Vgl. Cosmas, S. 33; Dalimil, Band 1, S. 317.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

felix peregi, in regno quicquid eius transactum est, mors verius quam vita fuit. Sepelite me hie, postquam anima corpus reliquerit Moraviamque deinde petentes filio meo, si adhuc vivit, hec nuntiate.' Atque his dictis vita excessit. Arnulfus interea victoria potitus regnum Moravie Suadocupi filio, quem de sacro fonte levaverat, possidendum reliquit. Is ab heremitis edoctus de fortuna patris, quern cecidisse in prelio existimaverat, corpus eius ex heremo defossum Volegradum retulit atque in sepulchris maiorum condidit. Fuit autem Suadocupi filius quanquam christianorum sacris imbutus, minus tarnen quam decuit sacerdotes dei veneratus est. Qui venationem aliquando facturus archiepiscopo Metodio imperavit, ne ante suum reditum divina perageret. Expectavit Metodius ad meridiem usque. Tandem negligi rem divinam veritus deo sacrifi1 felix] felices Ο - peregi] perregi Π - quicquid] quidquid CN quitquid Ab'dn'p quitquit ΠΚ - eius] evi FIIVBCDNPZ eui R4ST aeui L eius Ω - est] ist Ο - 2 Sepelite] Sepilite Ρ - 3 corpus] corus Ο corporis R4 - reliquerit] liquerit G'b - 4 vivit] uitam agit Y viuat D - nuntiate] nuncciate GKN'XYZ nunctiate Π - his] hiis D hijs FULB'CG1 hys AGKN'XY ijs R2M - vita] uicta Τ excessit] excessat Fn - 5 Arnulfus] Arnolfus B^G'KNPb Arnulphus STOWY Alnulfus D Arulphus R4 - interea] interia B'B2 increta s.s. - uen L Moravie] Moravia B2 - 5/6 Suadocupi] R'R^svCDLOWZr Suadocopi R2B1GN1P Suatocupi FIIMTN Suatocopij B2G'b Suadocopij A snadocupi Β Swadocupi Y Swatopluk Κ - 7 reliquit] relinquit R4n reliquit corr. e relinquit TD - Is] his R3 Hijs B1 om. D - ab] de VN ad R4n - fortuna patris] patris fortuna VN - 8 cecidisse] decessisse R2MGN'XY decessisse s.s. cecidisse A prelio] prelio R^"^ - existimaverat] estimauerat CDY - ex] om. R2GN'XY heremo] heremis Ο - 9 defossum] effossum VN - Volegradum] Wellegradum A Wolegradum Κ Valegradum Ο Volagradum Ζ - sepulchris] sepulcris R3ITTADGOPWXYZ - maiorum] mayorum KZ maiorem PB1 - 10 Suadocupi] R1R2SACDOXZr Suadocopi R4B1GN1PW Swadocupi Υ Swatopluki Κ suatocupi FITVMTN Suatocopij B2G*b Snadocupi BL Sundocupi R3 - quanquam] quamquam R^FVAB^DG'N'Y - 11 sacris] sacramentis Β - imbutus] inbutus B'B2K - minus tarnen] minusque B 2 nimus tarnen X - 12 est] om. B2G[b - aliquando] aliquandiu corr. in aliquando R3 aliquandiu G - 13 archiepiscopo] archiephiscopo B 2 - Metodio] R1R2R3CBP Methadio R^nSDN Mettadio V Metadio B1 Metudio Y Methudio Κ Methodio Ω - ne] vt Ζ - 13/14 ante suum reditum divina] Divina ante suum reditum Y - suum reditum] reditum suum Ν - 13/14 reditum] redditum R3IIMTDO redolitum R4 14 Expectavit] Exspectavit B1 - Metodius] R1R2R3R4CBPBlWr Methadius FIISVN mathadius D Metudius Y Methudius Κ Methodius Ω - 15 negligi] negligerem R4 negligere G om. C - rem] om. R4G -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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gegeben hat, habe ich bei euch glücklich vollendet. Alles was ich von diesem Leben als Herrscher verbracht habe, war eher Tod als Leben. Begrabt mich hier, wenn meine Seele den Körper verlassen hat! Eilt sodann nach Mähren und meldet dies meinem Sohn, wenn er da noch lebt!" Und nach diesen Worten verschied er. Arnulf hatte unterdessen seinen Sieg gefestigt und überließ das Reich Mähren dem Sohn Swatopluk, über den er Taufpate war, zum Besitz. Dieser wurde von den Einsiedlern über das Schicksal seines Vaters unterrichtet, von dem er geglaubt hatte, daß er im Kampf gefallen sei. Seinen aus der Wildnis ausgegrabenen Leichnam ließ er nach Welehrad bringen und in den Gräbern der Vorfahren beisetzen. Obgleich der Sohn des Swatopluk mit den heiligen Wahrheiten der Christen vertraut gemacht worden war, ehrte er die Priester Gottes dennoch weniger, als sich ziemte. Als er einmal eine Jagd veranstalten wollte, befahl er dem Erzbischof Method, nicht vor seiner Rückkehr den Gottesdienst abzuhalten. Method wartete bis zum Mittag. Schließlich fürchtete er, den Gottesdienst zu vernachlässigen und

354 Arnulfus] s. 335. - Suadocupo] Svatopluk II. [recte: Mojmir II.], ca. 895-904. 355 Volegradum] Velehrad, s. 343. 356 Suadocupi filius] s. 353. 357 archiepiscopo Metodio] s. 335.

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HISTORIA B O H E M I C A (Liber primus)

cium coepit offerre. Interea reversus princeps ubi se neglectum animadvertit, sacram ingressus edem multitudinem canum intromisit tubasque clangere iubens, ad altare usque progressus, convicia multa ingerens vix maf.l3 v 36i n u s a violatione sa II cerdotis abstinuit. Ob quam rem paucis post diebus Metodius in Bohemiam fugiens regem extra 362 ecclesiam fecit regnoque sacris interdixit. Quo facto non solum archiepiscopalis sedes in Moravia defecit, sed 3 6 3 ipsum quoque regnum extinctum. Mortuo nanque paulo post excommunicato rege imperii Moravorum partem Theutones ac Bohemi, partem Poloni atque Hungari diri3 6 4 puerunt. Metodius in Bohemia aliquandiu moram traxit, deinde Romam se contulit, ubi fratrem suum Cyrillum comperit, qui baptizato quondam Suadocupo Moravis Christiana sacra crediderat multasque alias Sclavorum 360

1 coepit] sv cepit R^Or cepit Ω - offerre] ofrerre W - ubi] vt B 2 - 2 ingressus] introgressus VN - 3 tubasque] tubaque D - clangere] clangere fecit B1 - iubens] iubem R4 iubes Π— 4 altare] altarem B1 - progressus] adprogressus D - convicia] om. R 4 - 5 abstinuit] obtinuit Ν - 6 Metodius] R ' R ^ C B P r Methadius R4FIISVL Mathadius D metadius B1 Metudius Y Methudeus Κ Methodius Ω - 7 ecclesiam] ecclesiarum Π eclesiam N1 - fecit] fert Y - sacris] sacramentis Β - interdixit] intro interdixit Ρ interdixit hie hie Ζ - 8 archiepiscopalis] archiepiscopi Β - defecit] deffecit D - 8/9 sed ipsum] Sed se ipsum R ^ B 1 sed in se ipso 0 ! b sed et per ipsum filium Suatocopij B 2 - 9 quoque] om. B2 - extinctum] extinctum est B2G'b - nanque] namque r V u b ' c GG'kPWZ autem B2 - 10 excommunicato] excomunicato RWlISG 1 comunicato Ζ - imperii] impy G - Moravorum] Morauiorum R4 romanorum PB1 - partem] om. Ν - 11 Theutones] teutones Β theutunes B2 theutonos Ζ Theuthunos Κ parthentones R4 - partem] bis VN - Poloni] polloni Β polini Ζ - atque] ac B 2 - Hungari] Vngari DGZ - 11/12 diripuerunt] dirripuerunt Τ deripuerunt ζ dirrupuerunt n o - 12 Metodius] R'R^CBG'PWr Methadius FnsVL Mathadius D Metadius b'y Methudius Κ Methodius Ω in Bohemia aliquandiu] aliquandiu in Bohemia R2MLGKN1XY — aliquandiu] aliquamdiu R3nTBB1CG1LN1Wb - aliquandiu moram] moram aliquamdiu B 2 - moram] morari Π uitam Y - traxit] trahit B1 - 13 Romam se] se romam N1 - Cyrillum] cirillum R3R4FTPB1GN1XY cijrillum B2b curllum Π - 14 comperit] comperijt Π - baptizato] baptisato VMDBGOPYZ bapti?ato R4 Suadocupo] D snadocupo Β snadocopo B1 Swadocupo Y Swatopluko Κ Suatucupo OWr Suatocopio B ^ ' b Suatocupio Π Suatocopo R4n' Suarocupo L Suatocupo Ω - Moravis] morans R 4 n - 15 Christiana] cristiana SPB'wz Cristiana CB2 - sacra] sacramenta Β - crediderat] crediderant Κ - alias] om. S - Sclavorum] sdauorum B1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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begann, Gott das Opfer darzubringen. Unterdessen kehrte der Herrscher zurück, und als er merkte, daß sein Befehl mißachtet worden war, ging er in die Kirche. Er schickte die Meute seiner Hunde hinein und ließ die Jagdhörner blasen. Er ging bis zum Altar vor, brachte viel Schelte vor und konnte seine Hände kaum von einer Gewalttat gegen den Priester abhalten. Deswegen floh Method wenige Tage später nach Böhmen. Er schloß den Herrscher aus der Kirche aus und untersagte im Reich den Gottesdienst. Deswegen fehlte in Mähren nicht nur der Erzbischofssitz, sondern wurde auch der Herrschaft selbst das Ende bereitet. Denn als bald darauf der exkommunizierte Herrscher gestorben war, rissen den einen Teil des Mährischen Reiches die Deutschen und Böhmer, den andern die Polen und Ungarn an sich. Method hielt sich eine Zeit lang in Böhmen auf, dann begab er sich nach Rom, wo er seinen Bruder Kyrill ausfindig machte, der damals nach der Taufe des Swatopluk den Mährern die heiligen Wahrheiten des Christentums anvertraut hatte und viele andere

361 Medodius] s. 335. 364 Medodius] s. 335 - fratrem ... Cyrillum] Kyrillos (Konstantin) t 869 in Rom; vgl. oben, 335 - baptizato quondam Suadocupo] Svatopluk I., s. 337.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

365 gentes ad fidem Christi converterat. Ferunt Cyrillum, cum Rome ageret, Romano pontifici supplicasse, ut Sclavorum lingua eius gentis hominibus, quam baptizaverat, rem 366 divinam faciens uti posset. De qua re cum in sacro senatu disceptaretur essentque non pauci contradictores, auditam 367 vocem tanquam de celo in hec verba missam: O m n i s spiritus laudet dominum et omnis lingua confiteatur ei." 368 369

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Indeque datum Cyrillo indultum. Borsivoius autem coniunxque Ludimilla christianam veritatem amplexi fidem catholicam inter Bohemos magnopere ampliarunt. Ludimilla filia fuit comitis Slaviborii castelli Bizeuie, quod postea Melinca dictum est. Ex ea tulit Borsivoius duos filios Spitigneum et Vratislaum. Primus

1 Fenint] Referunt B2G'b erunt C - Cyrillum] Cyrullum Ο cirillum R3K4TGN1XYZ curlhim π cijrillum B 2 - cum] quum L - 2 Romano] ro. Β pontifici] pontifice B2 pontificis Τ ponti. R4 - 3 lingua] ligua CP ligwa G lingwa YZ genti B 2 - quam] quem Κ4Π - baptizaverat] baptisauerat r V m b d GOPZ - 3/4 rem divinam] divinam rem Ο - 4 divinam faciens] faciens diuinam Ζ — re] om. Ζ — cum] quum L dum PB'B2G'b - sacro] sancto R4 5 disceptaretur] acceptaretur C disceptarent Ζ - pauci] pauce G - contradictores] contradicciones G contra doctores r V b 1 contractores R4 - 6 tanquam] tamquam Π ν ' ρ υ κ quam R4 - celo] coelo B 2 celo R1R2R4Sr 7 dominum] om. W - lingua] lingna r ligwa VCG lingwa KNYZ ligua N1 8 Indeque] inde FII in mg. Τ - datum Cyrillo] Cirillo datum Ζ - Cyrillo] cirillo R^FIITB1GPXY - indultum] inductum L - 9 In fronte articuli De Spitigneo vndecimo ac Vradislao duodecimo bohemorum (B2: Bohemorum) ducibus. Capitulum xiiij. B2G'b - Borsivoius] Borsiuonis R4n Horsiuouis Τ Borzybboyus Κ - autem] om. Ζ - coniunxque] coniuxque ΠΥ coniunxque eius B 2 - Ludimilla] Ludmilla R3PB2KYb ludimilla B2 ludimilla filia fuit Comitis C - 10 veritatem] om. Y - catholicam] captolicam R2 katholicam KXY catholicarum Π - 10/11 inter Bohemos magnopere] magnopere inter Bohemos Β - 11 Ludimilla] Ludmilla R3B2Yb ludinilla B1 - Slaviborii] Slauiborij VG'NZ Slauibory G Slavibory Κ Slamborii vel Slamborij R1 R^rnSMTLBNOPWYrb Slambory NX Slanborij B1 Slamborij Y Slaniborii vel Slaniborij R2CB Siamborii D Sclamborii R4 - 12 castellli] castelle OWr Bizeuie] R3FMTCBGG1NN1OWXr Bizeuie R^Sbigeuie R2biczeuie Vbizeuiae LB2 bezeuie PB1 Biczenie Κ bizenie IIDb Biczenio Y Bizouie ζ - Melinca] melnica V melica L melicam Β Melintha B2 melnika Ζ bolnica R4 Mielnik Κ - ea] qua B2G!b om. R3PB1 - tulit] duxit B 2 - 13 Borsivoius] borziuoius L borsiuorus Π Bortiuorus R4 bortinorus Τ Borzybboyus Κ - Spitigneum] Spitingneum R2 Spitineum D Sbitignium Y bitignum R4 spitignensi B1 Spitignum FII scilicet Spitigneum B2 - Vratislaum] Vradislaum R^B'c'b Wratislaum κζ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes

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Stämme der Slawen zum Glauben an Christus bekehrt hatte. Man sagt, daß Kyrill, als er in Rom weilte, den Papst gebeten habe, für die Menschen des Volkes, das er getauft hatte, die slawische Sprache benutzen zu dürfen. Als in der Heiligen Versammlung über diese Sache beraten wurde und es nicht wenige gab, die da widersprachen, sei eine Stimme, wie vom Himmel geschickt, mit diesen Worten gehört worden: „Jeder Geist lobe den Herrn, und jede Zunge bekenne ihn!" Daraufhin sei Kyrill die Erlaubnis gegeben worden. Boriwoj aber und seine Frau Ludmilla waren von der christlichen Wahrheit angetan und verbreiteten den katholischen Glauben unter den Böhmern sehr. Ludmilla war eine Tochter des Grafen Slawibor von der Burg Bizevia, die später Melnik hieß. Von Ludmilla hatte Borivoj zwei Söhne: Spytihnev und Vratislav. Der erste folgte dem

365 Ferunt Cyrillum, cum Romae ageret...] in den Jahren 868-69. 367 „Omnis spiritus...confiteatur ei"] Ps. 150,6 und Rom. 14,11. 368 Indeque datum Cyrillo indultum] i.J. 868. Vgl. F. Palacky, Dejiny, bes. VI, S. 39, Anm. 84. 369-377 Borsivoius ... prolabi] vgl. Cosmas, S. 34f.; Dalimil, I 328 und 338; Marignola, S. 529f.; Pulkava, S. 17f. 369 Borsivoius ... coniunxque Ludimilla] s. 334. 370 filia Slaviborii] Slavibor, Vater der heiligen Ludmila - castelli Bizeuie, quod postea Melinca dictum est] Melnik (über dem Zusammenfluß) der Elbe mit der Moldau. Die dortige Burg hieß bis ins 10. Jh. Psov. Vgl. Dalimil, I 328. 371 Borsivoius] s. 334. - Spitigneum] Spytihnev I. (895-905 oder 915). Vratislaum] Vratislav I. (ca. 905/15-921).

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

patri successit, sed moriens sine filiis fratri principatum reliquit. Coniunx Vratislai Drahomitia, mulier audax et ad scelus prona, duos pariter filios viro peperit: Venceslaum et Boleslaum. Priorem Ludimille tradidit educandum, alterum ipsa enutrivit. Alumni ex nutricibus mutuati mores: Venceslaus pietatem colere, mansuetudinem pre se ferre, Christiana sacra venerari, elargiri multa II pauperibus, nulli noxius esse. Boleslaus idolorum sectari culturam, honores ambitiöse querere, adulterari, rapere, occidere, in scelera cuncta prolabi. Pater suprema ordinans Ludimille, cuius integritatem prudentiamque optime nosset, quousque liberi adolevissent, gubernationem provincie dimiserat. Id egre Draho1 patri successit] successit patri Β - successit] succedit B 2 G ! b - 2 reliquit] relinquit R4IID relinquit corr. in reliquit Τ reliquid Ν - Vratislai] Vradislai b wratislai KYZ vratisslaj G - Drahomitia] Drahomutia R^WFIISVCP Drahomuta Β drahomucia D drabonucia b Drohomitia W Drahonucia B 1 Dragomir Κ Drahomicia Ω - 3 prona] prouia R 4 - viro peperit] peperit viro Κ - Venceslaum] Wenceslaum R 2 Wen^eslaum Μ Wenczeslaum VGXYn'k Wenczesslaum G Venteslaum R 4 - 3/4 et Boleslaum] om. Π - Ludimille] Ludumille R 2 ludimisse C ludmille R3VNB2KYb - tradidit] tradit R 2 mgkn'x - 4/5 educandum, alteram] educandum. Dum alteram C - 5 enutrivit] nutruit R4 - Alumni] Alumpni FUB^GG'N'Pb Alni W Alupni B 1 - mutuati] imitati R ^ ^ ymitati PB1 mutant Κ mutuant ζ mutati G1 muati N1 - mores] more R 4 FII - 6 Venceslaus] Wenceslaus r 2 z Wenczeslaus VYK Wenczesslaus G Venceslaus Μ venteslaus B 1 Vinceslaus R 4 Venceslaus Ω pre] pro Ζ - pre se ferre] proferre V preferre G pre se ferere R2MX pro se ferre Ζ ante se ferre Κ - 8 noxius] obnoxius N1 - esse. ] Verba uncis inclusa in PB1 bis adducuntur, cf. superius υ. 4sq. - idolorum] ydolorum FlIVTBCDG'KN'XYb ijdolorum B 2 idelorum PB 1 - sectari] sertari R 4 - 9 honores] honorres V - rapere] raperi R 4 - 10 scelera] scelere Κ celera Ν secula C - prolabi] probabi b - 11 In fronte articuli De sancto Venceslao martire tertiodecimo ( B ^ 1 : terciodecimo). E t fratre suo Boleslao quartodecimo Bohemorum (G'b: bohemorum) ducibus. Capitulum .xv. B2G*b - Pater ... Ludimille] om. G - Pater] potest R 4 n potest in mg. Pater Τ - suprema] supprema R 2 BL suprema cuncta R 4 n cuncta del. Τ - Ludimille] Ludumille R 2 ludmille R 3 PB 2 G , Kb lutimille B 1 luodimelle R 4 - integritatem] integtritatem G 1 - 12 prudentiamque] pudiciciamque Β - nosset] noscet R 4 B 2 - 13 gubernationem ... dimiserat] om. R 4 - egre] agere Ζ - 13/p. 104, v. 1 Drahomitie] Drahomicie MDB2GG1NWXYZ Drahonitie R 3 Drahonicie B 1 drahonnicie F drahonucie b drahomucie R4VC Dragomirze Κ drahumute Β drahomutie Ρ drahonnicie F -

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G E S C H I C H T E B Ö H M E N S (Erstes Buch)

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Vater in der Herrschaft, aber ohne Söhne sterbend, hinterließ er die Herrschaft seinem Bruder. Des Vratislav Gattin war Drahomira, eine kühne Frau und zum Verbrechen neigend. Sie gebar ihrem Mann ebenso zwei Söhne: Wenzel und Boleslav. Den ersten übergab sie Ludmilla zur Erziehung, den zweiten zog sie selbst groß. Die Zöglinge der Ammen hatten einen entsprechenden Charakter: Wenzel pflegte Frömmigkeit und zeigte Milde, verehrte die heiligen christlichen Wahrheiten, schenkte den Armen viel und blieb niemandem etwas schuldig; Boleslav jagte der Verehrung von Götzenbildern nach, strebte ehrgeizig nach Ämtern, beging Ehebruch, Raub und Mord und glitt ab in alle möglichen Verbrechen. Der Vater Vratislav hatte in seinem Testament Ludmilla, deren Untadeligkeit und Umsicht er bestens kannte, die Herrschaft über das Land übertragen, bis die Kinder erwachsen wären. Das ärgerte Drahomira, die heimlich die

373 Drahomitia] Dragomira, Drahomir; Cosmas u. Marignola: Dragomir; Dalimil: Drahomir, Drahomyrz, Drahomierz; Pulkava: Drahomirz; (Fürstin von Lutici), E h e f r a u des böhmischen F ü r s t e n Vratislav I., s. 371. Venceslum] Wenzel der Heilige (921-929) böhmischer Fürst; R. Turek, Svaty Vaclav, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, P r a g 1989, S. 53-71. - Boleslaum] Boleslav I. (929 oder 935-967 oder 972), böhmischer Fürst. 375 Ludimille] s. 335. 377 Venceslus] s. 374. 378 Boleslaus] s.374. 379 Pater] Vater der unmündigen Söhne, d. i. Vratislav. - Ludimille] s. 335. 380 Drahomitie] s. 373. - Tun am et Symonem ... s u m m i t t e n s socrum strangulari iussit] 15.9.927. - in castello Thetim] Tetin, s. Anm. zu 98. T u n n a u n d Gomon, vgl. Dalimil, I S. 328: T u n m n a a Komoü.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

mitie fuit, que Tunam et Symonem nefarios homines summittens socrum in castello Thetim strangulari iussit. 381 Ipsa deinde imperium accepit, in omnes crudelis, in chris382 tianos sevissima et intolerabilis. Ac propterea etiam Venceslao filio infesta, cui preferre fratrem non dubitavit. ,384 [)e Venceslao hec referuntur: Potus cibique parcissi385 mum fuisse tradunt. Corporis maiestate decorum, virginitatem ad ultimum vite servasse, divina in templis officia diurna nocturnaque nunquam neglexisse et noctis quidem tempore nudis pedibus super glaciem ac nivem iter agen386 tem vim frigoris minime sensisse. Podium vero eius comitem, cum caligatus obriguisset, iussum vestigia Ven387 ceslai pedibus premere, concaluisse. Postera die cruenta 388 sancti viri vestigia inventa. Inisse eum iubente populo 389 adhuc vivente matre principatum. Duci vero Curinensi

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1 fuit] fuerat R^MGKn'xy - que] om. B2G'b - Tunam] r ' l Tuetimam R2MGXY tuetiniam N1 Thimam FSVTBB2NWr Thunam DOZ Tinam R3 Thinnam C Tumiam Κ Tymam G1h thimag R4 thimaz Π om. B1 - Symonem] R 1 R 4 FIITLBB l G l b Sunonem R2N1XZ Sunnonem Κ Simonem R3SVMCDGOPWr

sinonen Y sinonem Ν Sijnionem B2 — nefarios] nepharios R4FnT

CGB2G1KN1WY - 2 summittens] submittens IIST1VDLBB1B2G1NN1PZb sumit-

tens GK - socrum] Socium B1 - Thetim] tethim V tethym B1 thethim R4 tetim GL Tetin Κ therim Ν1 - 3 crudelis] credulis Ρ - 4 intolerabilis] R1R2FBL intollerabilis Ω - propterea] perperam Β - 4/5 etiam Venceslao] Venceslao etiam R3PBIB2G1b Venceslao etiam etiam B2 - 5 Venceslao] Wenceslao R2FÜYZ Wengesiao Μ Wenczeslao VK wenczesslao G - filio] om. CW - infesta] intesta W - preferre] proferre R 4 - 6 De] om. B 1 - Venceslao] wenceslao R2FIIYZ wenceslao Μ Venczeslao V wenczesslao G wenczeslao Κ Venteslao B1 - referuntur] refferuntur ITTD - 7 fuisse tradunt] om. R 4 - 7/8 virginitatem ad] virginitatem usque ad Β - 8 servasse] seruasset R4 - 9 diurna] diuina R4n - nunquam] R3R4IISVTCDLBB2NPWYrb numquam FN1 nuncquam G per abbrev. Ω - neglexisse] neglesisse Π neglessisse R 4 - 10 ac] et VN - 11 frigoris minime] frigus vixisse minime B1 - Podium] podiven Κ - vero eius] eius vero Ν - 12 comitem] committere Ζ - cum] quum L om. D - iussum] uisum R4 iussum uel uisum V - 12/13 Venceslai] Wenceslai R2IICNYZ wenczeslai VK wenceslai Μ Wencelai F venteslai B1 wenczesslai G - 13 premere] promere B1 - concaluisse] cum caluisse R4 cum s.s. con caluisse Τ - Postera] Postea r2MY Post C — 14 Inisse] Inijsse R2M Inysse KN1XY mille R 4 - eum] cum R4G] cum s.s. eum Τ - iubente populo] populo perurgente g ' b ^ - iubente] om. PB 1 - 15 vivente] uiuete R 4 - matre] om. Y - Curinensi] curimensi Β curuiensi V turmensi B1 carinensi X curensi R4 gurmensi Κ curiensi Π Curinensi] Ω -

G E S C H I C H T E B Ö H M E N S (Erstes Buch)

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Verbrecher Tuna und Symon schickte und die Großmutter Thetis auf der Burg erdrosseln ließ. Daraufhin übernahm sie selbst die Herrschaft. Gegen alle war sie grausam. Gegen die Christen wütete sie besonders unduldsam, und deswegen war sie auch feindlich gegen ihren Sohn Wenzel und zögerte nicht ihm seinen Bruder vorzuziehen. Über Wenzel berichtet man dies: Trank und Speise sollen bei ihm kärglich gewesen sein. Er sei schön gewesen durch seine erhabene Gestalt. Die Jungfräulichkeit habe er bis zum Lebensende bewahrt. Den Gottesdienst in der Kirche, bei Tage oder bei Nacht, habe er niemals versäumt. Zur Nachtzeit habe er seinen Weg über Eis und Schnee mit nackten Füßen gemacht und die Kälte dabei kaum gespürt. Seinem Begleiter Podiwen aber soll, als er trotz hoher Schuhe vor Kälte erstarrt war, befohlen worden sein, mit seinen Füßen in die Spuren des Wenzel zu treten, so daß ihm warm geworden sei. Am folgenden Tage habe man die Blutspuren des heiligen Mannes entdeckt. Er habe auf Drängen des Volkes noch zu Lebzeiten seiner Mutter die Herrschaft angetreten. Dem Kourimer Grafen aber, der,

3 8 2 Venceslao filio] s. 374. 3 8 3 - 4 0 0 De Venceslao ... percussus interiit] vgl. Cosmas, S. 3 5 - 3 8 ; Dalimil, I 3 6 9 - 7 1 ; Marignola, S. 530; Pulkava, S. 1 8 - 2 0 . 3 8 3 De Venceslao] s. 374. 3 8 6 Podium] Podiven, Diener des Hl. Wenzel; vgl. Dalimil I 343. 3 8 9 Duci ... Curimensi] Radislav; vgl. Dalimil, I 351f.

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392 f.l4v 393 394

HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

nulla iniuria lacessito, cum exercitu Bohemiam ingresso atque agros vastare conanti, armatum cum copiis occurrisse vocatoque in colloquium singulare certamen obtulisse. Accepta ab adversario conditione ubi manus conseri debuit, angelos visos, qui Venceslaum protegentes arma ministrarent. Territum ea novitate Curinensem ex equo prolapsum veniam petivisse, Bohemum libenter humiliato pepercisse monuisseque, ne deinceps alienum cuperet. Similem angelorum comitatum vidisse aiunt imperatorem, cum Venceslaus adolescens in eius curia II obversaretur. Eamque ob causam brachium Sancti Viti dono ei dedisse, in cuius honorem cathedralis edes in Praga constructa est. Ferunt tunc Bohemiam sub episcopo Ratisponensi fuisse ac propterea cum Venceslaus Volgangium presulem, qui postea inter sanctos relatus est, ad consecrationem eius

1 nulla] nulli B 1 - cum] tum C - exercitu] exerectu V excercitu Ρ excersitu D - Bohemiam] in Bohemiam R 3 PB 1 B 2 G 1 b- 2 vastare] vastari B 1 - conanti] cognanti L conati D - armatum] annati Ν om. R 4 - 2/3 occurrisse] accurrisse G occurisse R 4 - 3 colloquium] colloquio Β colloquijs B 1 - 3/4 obtulisse] occulisse R ^ - 4 Accepta] arrepta R 4 - ab] ad C - adversario] auersario D - Ubi] sub R 4 - manus] anus b - conseri] censuri R 4 - 5 angelos] angellos D - visos] iustos L - qui] om. C - Venceslaum] wenceslaum R 2 wenijeslaum Μ wenczeslaum VK wanczesslaum G ventislaum B 1 - 6 Curinensem] Curimensem ΠΒΒ'ΚΝΡ cutniensem V Gurimensem A Curmensem Wb Curinensem Ω - equo] quo D - 7 petivisse] peciisse D - Bohemum] boemiam Β - libenter] libens G - 8 pepercisse] perperrisse V peperisse B 1 9 angelorum] angellorum D - comitatum] commitatum B 2 b - imperatorem] mperatorem r - 10 cum] quum L - Venceslaus] Wenceslaus R2FIIANYZ Wen?eslaus Μ wenczeslaus VK wenczesslaus G Venteslaus B 1 - adolescens] addscens Ρ addescens B 1 - obversaretur] aduersaretur MG obseruaretur r 3 p b 1 g Kb — 11 Viti] uiri R'T — ei] om. R 4 — 12 honorem] honore R 3 B 1 B 2 GG 1 N 1 XYb - cathedralis] kathedralis AB2GKb - edes] sedes VCO - constructa] consstructa G consecrata Y - 13 Ferunt] Feruntur G'b - tunc] turn D autem G - Bohemiam] Bojemam Ο - Ratisponensi] ratisponensis R 4 14 propterea] proterea PB 1 propterrea G - cum] quum L - Venceslaus] Wenceslaus R2MCNYZ Wencislaus A Vinceslaus X Winceslaus Π wenczeslaus V wenczslaus Κ wenczesslaus G venteslaus B 1 - Volgangium] Volfgangium VTCZ Volfgangum R ^ ^ Wolfgangum MAY wolffgangum N 1 wolgangium G wolgangum Kb volgagium R 4 volgundum B 1 bolgangium Β valgiradum Ρ Volgangium Ω - presulem] presidem F B ^ G ' b - 15 sanctos] sanctus Ν - relatus] relatos Y redactus R 4 releuatus D -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes B u c h )

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obwohl durch kein Unrecht herausgefordert, mit einem Heer nach Böhmen eingefallen war und versucht hatte, das Land zu verwüsten, sei er bewaffnet mit Truppen entgegen gezogen und habe ihn zu einer Unterredung gerufen und ihm einen Zweikampf angetragen. Als er von seinem Gegner die Bedingung angenommen hatte, wo man kämpfen sollte, seien Engel erschienen, die Wenzel schützten und ihm Waffen brachten. Der Kourimer habe, von diesem ungewöhnlichen Ereignis erschreckt und vom Pferde gefallen, um Gnade gebeten. Der Böhme habe den demütig gewordenen gerne verschont und ihn gemahnt, von nun an seinen Arm nicht mehr nach fremdem Land auszustrecken. Man sagt, der Kaiser habe die gleiche Begleiterschar von Engeln gesehen, als der junge Wenzel an seinem Hof weilte. Aus diesem Grunde habe er ihm einen Arm des Heiligen Vitus, zu dessen Ehre die Kathedrale in Prag erbaut ist, zum Geschenk gemacht. Es wird überliefert, daß Böhmen dann unter der Hoheit des Bischofs von Regensburg stand. Als deswegen Wenzel dem Bischof Wolfgang, der später unter die Heiligen erhoben wurde, zur Einweihung dieser Basilika inständig

390 Venceslaum] s. 374. 391 Curimensem] s. 389. 392 imperatorem] Heinrich I. der Vogler (911-936). 393 brachium sancti Viti] die St.-Veit-Kirche auf der Prager Burg wurde 930 oder 931 geweiht. Vgl. Dalimil, I 361. 394 Volgangium] Hl. Wolfgang, seit 972 Bischof von Regensburg (t 31.10. 994), gab 973 seine Genehmigung zur Errichtung des Prager Bistums. Den Veitsdom weihte (ca. 930 oder 931) der Regensburger Bischof Tuto ein.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

basilice summis precibus invitasset, respondisse porttificem coram deo iam templum suum dedicatum esse, 3 9 5 quod futurum metropolitidam cerneret. Missurum se ta3 9 6 men, qui sua vice Venceslao satisfaceret. Creverat iam Venceslai nomen miraque populi caritate atque admira3 9 7 tione celebrabatur. Sed quanto ceteris dilectior erat, tanto 398 acrius in se odium fratris matrisque concitabat. Ac propterea licet dimittere seculum et in monachum tonderi destinasset, non potuerunt infelices anime sancti viri propositum expectare, sed impatientes more piam principis inten399 tionem scelere preveniunt. Fit convivium apud Boleslaum 4 0 0 matre iubente. Vocatur Venceslaus, qui etsi mortem instare predixerat, facta tarnen cum sacerdote de peccatis suis ex more christiano confessione fraternam domum ingreditur 401 ibique statim Boleslai manu percussus interiit. Dicat

1 summis] sumis A - invitasset] inuenisset R4 - 2 iam] bis B\ iamque B1 iam iamque Ρ - templum suum] templum Domini suum B1 - esse] fuisse Κ - 3 futurum] futuram B2G*b - metropolitidam] r ' r ^ n ' p x y metropoliticam MDKOWr metropoliticum s.s. metropoliticam τ metropoliticum r 4 f i i s c b l metropolidam R ^ B ^ b metropolicum VN metropolicidam A metropoliciam ζ - cerneret] cernere K^FII - se] semen R 2 tamen B 2 - 3/4 tamen] inde MGNXY se B2 om. R 2 - 4 qui] quin R 2 qni b - Venceslao] Wenceslao IIFAZ Wen?eslao VM Wenczslao Κ wenczesslao G Venteslao bpb1 vencelao C Vinceslao R 2 - Creverat iam] Creuerat enim iam X - 5 Venceslai] Vinceslai R2 Wenceslai FIIAYZ Wengeslai Μ Wenczeslai VK wensczesslai G venteslai Ρ - 5/6 admiratione] ammiracione ΠΒ1 ammiratione s.s. admiratione Τ 6 celebrabatur] celebratur R4IIVDBY celebratur s.s. celebrabatur Τ celebrabant B1B2G1b - dilectior] acceptior R3PB1B2G1b dulcior D diletior R4 diletior s.s. dilectior Τ - erat] om. GN1 - 7 in se] se in GN1 - se odium] se et odium F - odium fratris] fratris odium G1 - fratris matrisque] matris fratrisque L - Ac] At GZ - 8 dimittere] dimitere D - tonderi] conteri GXY tondere R 4 n tondere s.s. tonderi Τ - 9 infelices] infelicis R1 infoelices S - anime] om. L - 10 expectare] exspectare NB1 — impatientes] inpatientes R4 impetrantes Ζ impacientis Ρ inpacientis b ' k - impatientes more] more impacientes Y 10/11 intentionem] inentionem R4 - 11 convivium apud] apud conuiuium Ο - apud] aput Κ - Boleslaum] Bolelaslaum R1 bosleslaum V bolislaum G 12 Vocatur Venceslaus ... (p. 114, v. 11) Stratiquati] om. D - Venceslaus] Wenceslaus R2FIIMACYZ venczeslaus V Wenczeslaus Κ wenczesslaus G venteslaus PB1 - 13 predixerat] predixerit OWr - cum sacerdote de peccatis suis] de peccatis suis cum sacerdote R2MAGKN1XY - 15 statim] statum R4 Boleslai] bolisslai G - interiit] interrijt Τ interyt AKNXY -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes

Buch)

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eingeladen hatte, soll der Bischof geantwortet haben, vor Gott sei seine Kirche schon geweiht, weil er sie für die Zukunft als Metropolitankirche sähe. Dennoch werde er einen schicken, der stellvertretend für ihn Wenzel den Gefallen tue. Gewachsen war mittlerweile Wenzels Ruhm, und mit wunderbarer Liebe und mit Bewunderung wurde er im Volk gefeiert. Aber je beliebter er bei den übrigen war, umso schärferen Haß erregte er bei dem Bruder und bei der Mutter gegen sich. Und deswegen gefiel es ihm, die Welt zu verlassen. Als er beschlossen hatte, sich die Mönchstonsur geben zu lassen, konnten die auf den heiligen Mann versessenen bösen Geister sein Vorhaben nicht abwarten, sondern ungeduldig wie sie waren, kamen sie der frommen Absicht des Herrschers durch ein Verbrechen zuvor. Auf Geheiß der Mutter fand bei Boleslav ein Gastmahl statt. Wenzel wurde eingeladen. Auch wenn er vorausgesagt hatte, daß der Tod ihm bevorstehe, ging er dennoch in das Haus des Bruders, nachdem er, christlicher Sitte gemäß, einem Priester seine Sünden gebeichtet hatte. Dort wurde er sofort von der Hand des Boleslav durchbohrt und starb. Es könnte einer

396 Venceslai nomen] s. 374. 399 apud Boleslaum] s. 374. 400 Venceslaus] s. 374. - Boleslai manu percussus interiit] 28.9. 929/935.

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HISTORIA BOHEMICA (Liber primus)

aliquis homicidam suiipsius Venceslaum fuisse negetque 402 celo dignum, qui certe se morti obtulerit. Nos Gothorum instante procella plurimas Rome fuisse puellas legimus, que pudicitie sue vim afferri timentes, ne in manus hostiles 403 inciderent, in Tyberim sese precipitarunt. Que postea miraculis coruscantes sanctorum honores meruere. 404 Venceslai sanctitati, qua die cesus est, Christum deum testimonium prestitisse memorie prodiderunt, qui regi Datie per visum apparens suo martyri edem construi mandavit. 405 Ipsum autem Venceslaum multis miraculis claruisse atque inter sanctos martyres ab ecclesia receptum tradunt. 406 Drahomitiam paucis post diebus suis fatis trahentibus ultionemque par II ricidii exigentibus hiatu terre apud 407 Arcem Pragensem absorptam. Boleslaum multis sceleribus 1 homicidam suiipsius Venceslaum] Venceslaum homicidam suiipsius B 2 homicidam] homicidem Or - Venceslaum] Wenceslaum R2rtVACYZ Wengeslaum Μ wenczeslaum Κ venteslaum PB1 wencesslaum G - fuisse] fuisset R * N - 2 celo] celo R L R 2 STR celum R 4 F I I - dignum] dingnum Κ - certe se] se certe B 2 - se morti] morti se Κ - morti] mori W morte B1 - obtulerit] tulerit Κ - Nos] Mos A - Gothorum] gottorum TN gotthorum R 3 ^ - 3 plurimas] prulimas V prulimas s.s. plurimas Ν om. Κ4Π in mg. Τ - Rome fuisse] Rome .p. fuisse R'f fuisse rome Ν - fuisse puellas] puellas fuisse S - 4 que] om. B2G'b - pudicitie] puditicie F - afferri] inferri B ^ afferre CGN1 timentes, ne] timentes et ne G]b - in] om. R^IISVTBN - 5 Tyberim] thyberim Κ Thiberim OW tiberim STLG'NPXY tibrim FII - precipitarunt] precipitauerunt nc'b — 6 miraculis] mirabiles C - coruscantes] choruscantes FVB PBlwXrb corruscantes R 3 !^ constantes G - sanctorum] om. V meruere] meruerunt bk - 7 Venceslai] Wenceslai R2mviACYZ Wenczeslai VK wenczesslai G Venteslai PB1 - Venceslai sanctitati] Venceslai vero sanctitati VNZ venceslai uero sanciti R4FI1 - sanctitati] sanctitate R2GN'WXYZ sanciti R4 sanciti s.s. sanctitati Τ - 8 prestitisse] perstitisse R4FII - Datie] R1R3FIIMTLG1P Dacie Ω - 9 apparens] operans G - martyri] R:S martiri Ω 10 Venceslaum] Wenceslaum R2IIACYZ Wenceslaum Μ wenczeslaum VK wenczesslaum G venteslaum PB1 vinceslaum X - multis] multis deinde FITT - 11 martyres] R l S martires Ω - ecclesia] eclesia N 1 - receptum] recepta B1

- 12 Drahomitiam] R'R2R3MAr Drahomiciam SGG'NOXY Drahomutiam FITT Drahomuciam VCZ Drahonuciam b Drahomutam Β Drahoniciam B2 Drasioniciam B1 Trahomutiam R4 Drahomiram W Dragomiram κ - suis fatis] fatis suis R3PB1B2G1b - fatis] factis R4 vatis OW uatis r - 13 parricidii] paricidii R^^FITVTB^DG'npyz paricidij b patricidy X parricidy s.s. patricidij A - hiatu] hyatu KN1 - apud] aput VKN1 - 14 absorptam] obsortam B1 obsorptam Ρ absortam R^B absortam s.s. absorptam τ - Boleslaum] boslaum R 4 - sceleribus] scereribus B 2 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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sagen, Wenzel sei sein eigener Mörder gewesen, und man mag sagen, daß der nicht des Himmels würdig ist, der sich dem sicheren Tod ausliefert. Wir lesen, daß es beim Ansturm der Goten sehr viele Mädchen in Rom gegeben hat, die sich aus Furcht, vergewaltigt zu werden, in den Tiber gestürzt haben, damit sie nicht in die Hände der Feinde fielen. Diese haben sich später, von Wundern glänzend, die Ehren von Heiligen verdient. Es ist überliefert, daß unser Gott Christus für die Heiligkeit des Wenzel an seinem Todestag ein Zeugnis gegeben hat. Er hat nämlich, dem König von Dänemark in einem Gesicht erscheinend, den Auftrag gegeben, seinem Märtyrer eine Kirche zu bauen. Man überliefert, daß Wenzel selbst aber durch viele Wunder geglänzt habe und von der Kirche unter die heiligen Märtyrer aufgenommen worden sei. Wenige Tage später sei Drahomira ihrem Schicksal zugeführt worden, das Rache für ihren Mord forderte. Sie sei nämlich von einem Erdschlund bei der Prager Burg verschlungen worden. Boleslav, durch seine vielen Ver-

402 Gothorum instante procella] die Goten eroberten Rom i.J.410. 403 Que ... sanctorum honores meruere] 21.10. Elftausend Jungfrauen. 404 regi Datie per visum apparens suo martyri edem construi mandavit] Pulkava, S. 20. 405 inter sanctos martyres ... receptum tradunt] Cf. Pulkava, S. 21. 406 Drahomitiam] s. 374. 407 Boleslaum] s. 374.

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HISTORIA B O H E M I C A

(Liber primus)

nobilitatum morbo absumptum duos filios reliquisse: 408 Boleslaum paternum nomen referentem et Stratiquatem. 409 Boleslaus imperio potitus patrui magis quam patris 410 emulator extitit. Religionem enim Christi extollens viginti 411 ecclesias erexit. Huic soror fuit Milada, eximia specie virgo, sacris imbuta litteris et multa pollens eruditione. 412 Que cum Romam orationis causa petivisset, a Iohanne pontifice maximo benigne excepta eius autoritate monasterium Sancti Georgii in Arce Pragensi construxit ibique 413 sacerdos consecrata est. Eadem quoque Sancti Viti edem, a 414 Venceslao fundatam, in pontificalem elevari obtinuit. Ditimarus, natione Saxo et opinione sanctitatis insignis, primus ibi episcopus consecratus, cui Adalbertus successit, 415 nobili genere apud Bohemos natus. Stratiquas, Boleslai frater, relicto seculo apud Ratisponam, Boioarie civitatem,

1 absumptum] assumptum R2SVNn'xyz - reliquisse] relinquisse B1 2 Stratiquatem] Stratiquantem Β Strachquas Κ - 3 In fronte articuli De Boleslao Quintodecimo (G 1 : quinto decimo) Bohemorum (G1b: bohemorum) duce. Capitulum XVI. B 2 G ! b - Boleslaus] bolesslaus G - patris] patrui Ζ 4 extitit] exstitit l ' w - Religionem] Religionis Ζ - enim] ihesu Ζ om. BY extollens] tollens R 2 MGN ] X om. Ζ - viginti] V B B ^ N ' Y Z b uiginti TFTI XX" R!R2MACGX XX'Ν XX R 3 R 4 S L O P B 1 W r - 5 soror fuit] fuit Soror L 1 - Milada] millada B 1 Mlada AG1 Mladda Κ - 6 sacris] om. R 4 F n in mg. Τ - imbuta] inbuta B2 imbutas B1 - pollens] polens Τ - 7 cum] quum L - petivisset] pitiuisset R 4 - Iohanne] Joanne R 2 R 3 M Z b - 8 pontifice] pont. S - maximo] max. l ' n mox V - excepta] accepta GN 1 - eius] ipsius B 2 G'b - autoritate] n ' p auctoritate Ω - 9 Georgii] Gregorii R 2 MGN 1 Gregory XY Gregory Β - construxit] instruxit R2MN1XY - ibique] ibi B 2 - 10 sacerdos consecrata] sacerdos in consecrata B 1 - Eadem] Eademque G 1 B 2 Eandem R'V - quoque] om. B 2 g ' - Viti] uite Π - edem] eodem R 4 n - 11 Venceslao] Wenceslao R 2 MTACYZ venteslao R 4 Wenteslao Π Wenczeslao V K wenczesslao G Wenceslago C - in] om. B 2 - obtinuit] optinuit SBZ obtiniat G - 11/12 Ditimarus] Ditmarus FSVAC Dicinarus R4 Ditinarus BL1 Ditinarus s.s. Ditimarus Τ Dytimarus Κ Dirimarus s.s. Ditimarus G Damarus Ζ - 1 2 et] ex R 4 - opinione] oppinione Τ - insignis] insingnis Κ insignus L - 1 2 / 1 3 primus] Premus PB 1 - 13 Adalbertus] albertus R 4 n albertus in mg. adalbertus Τ Adelbertus G'b Aalbertus F - 14 apud] aput VK - Stratiquas] Sratiquas Wr Stritiquas V Statiquas Β om. R4FII in mg. Τ Strachquas Κ - 15 frater] om. V - seculo] seclo Cb - apud] aput VK - Ratisponam] Ratispanam R2GXY - Boioarie] bouoarie G baioarie TCBB 2 !^ baiorarie x bauarie AKNY baurie V bawarie Ζ bauuariam B 1 Bohemie baioariae R 4 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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brechen zu traurigem Ruhm gelangt, sei von einer Krankheit dahingerafft worden und habe zwei Söhne hinterlassen: Boleslav der den Namen des Vaters trug, und Strachkvas. Mit der Herrschaft bekleidet, trat Boleslav mehr als Nacheiferer seines Onkels als seines Vaters hervor. Die Religion Christi nämlich hielt er hoch und baute zwanzig Kirchen. Er hatte eine Schwester Milada. Sie war ein junges Mädchen von ausnehmender Schönheit und ganz erfüllt von den heiligen Wissenschaften und hatte wegen ihrer Bildung großen Einfluß. Als sie zu einer Wallfahrt nach Rom gereist war, wurde sie von Papst Johannes wohlwollend empfangen. Mit seiner Genehmigung errichtete sie das Kloster des Heiligen Georg auf der Prager Burg und wurde dort zur Äbtissin geweiht. Selbige erreichte auch, daß die von Wenzel erbaute Kirche des Heiligen Vitus zur Bischofskirche erhoben wurde. Dietmar, ein Sachse und im Rufe der Heiligkeit stehend, wurde dort zum ersten Bischof geweiht. Ihm folgte Adalbert, aus vornehmem böhmischen Geschlechte stammend. Strachkvas, der Bruder des Boleslav, hatte die Welt verlassen und für sich das 408 Boleslaum] Boleslav II., (967/72-999), böhmischer Fürst. - Stratiquatem] Strachkvas (Cosmas, S. 36: Ztrahquaz; Pulkava, S. 28: Strachquas), Sohn Boleslavs I., erlangte im Kloster St. Emeran in Regensburg den Namen Christianus. 409-431 Boleslaus imperio potitus ... Deodato natione Theutonico ecclesiam commissam] vgl. Cosmas, S. 36f. und 41-56; Dalimil, I 398f.; Marignola, S. 532-34; Pulkava, S. 23-32. 409 Boleslaus] Boleslav II., s. 374. 411 Milada] Mlada, Schwester Boleslavs II., erste Äbtissin des benediktinischen Frauenstiftes St. Georg (gegr. 973) R. Turek, Ctihodnä MladaMarie, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, Prag 1989, S. 78-84. 412 a Iohanne pontifice maximo] Johannes XIII. (965-972). 413 Sancti Viti edem ... in pontificalem elevari obtinuit] s. 394; F. V. Mares, Svaty Vit, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, Prag 1989, S. 72-77. 414 Ditimarus] Dietmar (Detmar), Bischof von Prag (973-982); Jaroslav Jehlicka, Prazsti biskupove 973-1344, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Tisic let prazskeho biskupstvi, Prag 1973, S. 125. - cui Adalbertus succesit] Hl. Adalbert/Vojtech, Bischof von Prag 982-997; J. Jehlicka, S. 126, R. Turek, Svaty Vojtech, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, Prag 1989, S. 85-112. 415 Boleslai frater] Bruder Boleslavs II.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

in coenobio Sancti Emerammi monasticam vitam elegerat. 4 1 6 Quem Pragam forte advenientem aggressus Adalbertus 4 1 7 pontificalem ei cathedram offert. Qui cum esset regis frater ex rege natus, facile populum sub religione continere pos4 1 8 set. Nam sibi non esse facultatem eius regende plebis, que rapinis et adulteriis assueta ius fasque omne contemneret. 4 1 9 Stratiquas mundanas dignitates quasi malas pestes 4 2 0 effugiendas esse respondit. Monasterium sibi et presentem 421 vitam suavem prestare et futuram promittere meliorem. In 4 2 2 eo se vivere morique velle. Scribunt autores Adalbertum his auditis prophetico spiritu plenum Stratiquati dixisse: 423,424 'Poteras modo pontificali honore cum salute defungi. At quod nunc recusas, in perniciem tuam vehementer expe4 2 5 tes.' Abiisse deinde Romam ac cum fratre suo beate vite Gaudensio in monasterio Sancti Alexii tandiu delituisse, donee iussu pontificis maximi suas oves repetere iussus f . l 5 v 426 e s t . || Quibus cum esset prorsus ingratus, in Hungariam 1 coenobio] R'sOr cenobio Τ cenobio Ω - Emerammi] Emmerammi MKX emeramni TB Emeramnii W emerami Π Emerani R4F Emerammi Ω elegerat] eligerat V - 2 Quem] quam Ζ - Adalbertus] adelbertus G1b ipse adalbertus B2 ad albertum R4 - 3 ei] om. R4 in mg. Τ - cathedram] kathedram AB2GKXZb - offert] offeret R4n - cum] quum L - 5 eius] eiusdem B2G'b - 6 et] atque R^FITT - assueta] asueta B 2 asweta Κ - ius] uis Π - fasque] phasque ζ - omne om. Κ - contemneret] contempneret F I I V M A C K L 1 P Z b contineret GN1 - 7 Stratiquas] s.s. Stratiquate Μ Strachquas Κ - dignitates] dingnitates κ - 8 effugiendas] effugendas B2 - respondit] reddit Y 9 suavem prestare] prestare suauem Β - prestare] prestari OWr - In] om. C - 10 eo] eoque X - se vivere] uiuere se X - morique] mori quam R4 Scribunt] subscribunt R4 succribunt Π Stabunt B1 - autores] VCGN'oPWr auctoritates Y auctores Ω - Adalbertum] Adalbercum R1 adelbertum G1 adhalbertum L 1 - 1 1 his] hijs F I I T C P B ' B 2 hys Α Υ Ν ' Κ iis OR ijs W - prophetico] profetico R 4 - Stratiquati] Stratiquanti R 1 antiquati C Stragiquati R 4 F I I Stragiquati s.s. Stratiquati Τ Strachquassi Κ - 12 Poteras] poteris Y - honore] honnore D - cum salute defungi] defungi cum salute defungi OWr - At] Ad VB1 Ac DP - 13 recusas] recusus r - 13/14 expetes] expectes R4G1 expectes corr. in expetes Τ om. C - 14/p. 122, v. 9 ac cum fratre suo ... germano suo sive] om. G1 - ac] et BG - suo] tuo W — vite] memorie Β 15 Gaudensio] R'R^LPB'oWr Gaudentio R2R4FnMTBB2Xb Gaudencio A C D G K N N ' Y Z gaudentes V - Alexii] Allexii F V C G N X Y Z - tandiu] D N tamdiu Ω - delituisse] delicuisse CG dilicuisse R4 dilituisse A - 16 maximi] max. SL - 17 cum] quum L - ingratus] migratus R4 - Hungariam] Vngariam DG Hungaria R4 -

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G E S C H I C H T E B Ö H M E N S (Erstes Buch)

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Mönschsleben gewählt im Kloster des Heiligen Emmeran bei Regensburg in Bayern. Als er zufällig nach Prag kam, sprach Adalbert ihn an und bot ihm den Bischofssitz an. Weil er der Bruder des Herrschers sei und von herrscherlicher Abstammung, könne er das Volk leicht unter der Religion zusammenhalten. Er selbst habe nämlich nicht die Fähigkeit, dies Volk zu regieren, das, an Raub und Ehebruch gewohnt, jedes menschliche und göttliche Recht verachte. Stratiquas antwortete, die weltlichen Würden müsse man fliehen wie die Pest. Das Kloster schenke ihm ein angenehmes irdisches Leben und verspreche ein besseres zukünftiges. Darin wolle er leben und sterben. Die Autoren schreiben, Adalbert habe, als er das gehört hätte, voll von prophetischen Geist zu Strachkvas gesagt: „Du konntest auf der Stelle das Bischofsamt zu deinem Seelenheil verwalten. Aber was du jetzt zurückweist, magst du zu deinem Verderben heftig begehren." Er sei dann nach Rom gegangen und habe sich mit Gaudentius, seinem Mitbruder vom seligen Leben, im Kloster des Heiligen Alexius so lange verborgen gehalten, bis ihm auf Geheiß des Papstes befohlen wurde, seine Schafe aufzusuchen. Weil er diesen überhaupt nicht willkommen war, sei er nach Ungarn gegangen. Er habe den König

416 Adalbertus] s. 414. 425 Abiisse deinde Romam] i.J. 995. - cum Gaudensio] Hl. RadinVGaudentius, jüngster Bruder des hl. Adalbert; Vojtech Tkadlcik, Svaty Radim, in: Jaroslav Kadlec (Hrg.), Bohemia Sancta, Prag 1989, S. 113-119. - suas oves repetere iussus est] i.J. 996. 426 regem Stephanum baptizasse] i.J. 984. Bei Enea ist die Chronologie unrichtig.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

profectum regem Stephanum baptizasse, quem inter sanetos relatum aiunt. Exin Poloniam ingressum Gaudensium fratrem in ecclesia Gesnensi predicaturum evangelium 428 pontificem ordinasse. Postremo Prutenos adiisse, apud quos dum Christi legem predicat, gladio cesum martyrio 429 vitam finiisse. Interea Stratiquatem mutato proposito Pragensem ecclesiam poposcisse neque repulsum, paterno 430 regioque favore adiutum. Sed dum apud Maguntinum archipresulem agit sacris de more imbuendus, inter duos episcopos iacentem pronum, diabolico spiritu arreptum 431 tandiu vexatum, donee animam exhalavit. Deodato natione Theutonico ecclesiam commissam. 432 Boleslaus duobus et triginta annis imperio potitus ex vita decessit relicto successore filio sui nominis Boleslao

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1 profectum] prouectum G - Stephanum] Stefanum R3SO Steffanum B2X baptizasse] R2R3FIISTCBB2G1LNN1Xrb baptizasse R l R 4 L ! baptisasse MVADGPB1YZ baptissasse Ο waptissasse Κ - 2 aiunt] ayunt Ζ - Exin] exinde VB'B2KZb et in R2GXY et in in mg. inde Μ - Poloniam] polloniam Β polonia R 4 - ingressum] ingressus B ^ b - Gaudensium] R'R^SMLOPB'wXr Gaudentium R ^ n T B e W b Gaudencium VACDGNYZ - 3 ecclesia] ecclesiam V eclesia N1 - Gesnensi] gnesensi VG snezensi s.s. gnezensi Ρ gnesensi del. gnezensi B1 gnesnensi Ζ gnezensi b Gesnensi Ω - evangelium] euuangelium D ewangelium VCNGB'KX Euangelium R*r euangelium Ω - 4 ordinasse] ornasse R4Fn ornasse s.s. ordinasse Τ - Prutenos] putrenos BN1 put prutenos κ - adiisse] SLCDGN'Or adeisse B2 adisse F adysse NXYZK adijsse Ω - apud] apudt Κ - 5 martyrio] RlR4S martirio Ω - 6 finiisse] SB1 Or fmijsse r'rVABCL'P finisse R4IITLB2WZb finysse Ν finiuisse R2MDGN1X fuisse F Stratiquatem] Strachquas Κ - 6/7 Pragensem ecclesiam] om. VN - 7 ecclesiam] eclesiam N1 - neque] nuque Ζ - paterno] fraterno RVnvDB^L'NZb fraterno s.s. paterno Τ - 8 adiutum] adiunctum Β - dum] cum W apud Β1 apud] aput KN1 dum Β1 - Maguntinum] maguncium D maguntuum B1 Maguntinensem Ζ - 9 more] mores B1 - imbuendus] imebuendus B1 imbuendos V - inter] intra R2XY - 10 diabolico] Diiabolico G dyabolico R4VACNN1KXYb - arreptum] abreptum C - 11 tandiu] R3TD tamdiu Ω exhalavit] R ' O exhaltauit L exalauit Ω - Deodato] deo dato FIIVTLOPB'WR adeodato b — 11/12 natione] nomine D — 12 Theutonico] teutonico b Teuthonico C theotonico AN1PB1 Theutunico B2K - ecclesiam] eclesiam N1 13 In fronte articuli De Boleslao sextodecimo Bohemorum (b: bohemorum) duce. Capitulum Xvij. B ^ deest in G1 - Boleslaus] s.s. pius A - et] ex R4om. Ζ - triginta] XXX R^VB'GXN 1 XXX' a R'MCAK - imperio] imperium ex] e Β - 14 decessit] discessit B1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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Stephan getauft, von dem es heißt, daß er unter die Heiligen aufgenommen ist. Den von dort nach Polen gegangenen Mitbruder Gaudentius habe der Papst eingesetzt, in der Kirche von Gnesen das Evangelium zu verkünden. Zum Schluß sei er zu den Preußen gegangen, bei denen er, während er das Gesetz Christi predigte, durch das Schwert getötet worden sei und durch das Martyrium sein Leben vollendet habe. Inzwischen habe Strachkvas seinen Plan geändert und nach der Kirche von Prag verlangt, und er sei nicht abgewiesen worden, unterstützt von der väterlich-herrscherlichen Gunst. Aber während er beim Erzbischof von Mainz der Sitte gemäß die Bischofsweihe empfangen sollte, sei er ausgestreckt zwischen zwei Bischöfen von einem bösen Geist ergriffen und so lange gequält worden, bis er seine Seele aushauchte. Deodatus, einem Deutschen, sei die Kirche übergeben worden. Boleslav hatte 32 Jahre die Herrschaft innegehabt, bevor er starb. Als Nachfolger hinterließ er mit seinem Namen

427 Gaudensium ... in ecclesia Gnesnensi ... pontificem ordinasse] dies ereignete sich i.J. 1000 bereits nach dem Tode des hl. Adalbert; hl. Radim t 12.10. wohl 1006; oben 425. 428 Prutenos adiisse, apud quos ... martyrio vitam firnisse] t 23.4.997. 429 Stratiquatem] s. 408. 430 animam exhalavit] i. J . 998. 431 Deodato] Thiddag, Bischof von Prag (998-1017); J . Jehlicka, S.126. 432 Boleslaus ... ex vita decessit] Boleslav II. (t 9. 2. 999). - Boleslao Tertio] Boleslav III. (999-1002; 1003; t 1037). Seine Brüder waren Jaromir und Ulrich/Oldfich. 432-444 Boleslaus ... in fide Ianuris mansit] vgl. Cosmas, S. 60-63; Dalimil, I 398, 414, 421f.; Marignola, S. 534f.; Pulkava, S. 32-34.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

Tertio. Huic Mescho, Polonorum princeps, Crocoviam per fraudem eripuit. Bello deinde orto, vastatis agris indutie demum dicte statutumque, uti ambo duces apud Crocoviam convenirent. Boleslaus accepta fide eo pergit atque in convivio captus luminibus privatur. Comites eius crudeliter necati exceptis Vrsovicensibus insidiarum consciis scelerisque participibus. Qui domum reversi tamquam magno ex periculo evasissent, publicam fidem atque iusiurandum et iura hospitii a Polono violata queruntur. Ubi fides habita, Ianurem, Boleslai fratrem, dolo necare conantur. Cochares, inter Vrsovicenses consilio, opibus et autoritate maior, adolescentem sub specie venationis in silvas tractum, ad stipitem arboris alligatum, sagittis confodi iubet. Fama est divum Iohannem Baptistam, ab eo precibus exoratum, hirsuto tegmine sagittas excepisse uxoremque eius 1 Tertio] iij°R2MABCGKX - Huic] Hinc V - Mescho] mesco B ^ I I V N L 1 mesco s.s. mescho Τ Mesto B 2 Mesko Ζ Meko Y Mesko Ζ mezko Κ - Crocoviam] crocauiam R 2 Gn'x Cracouiam R3KPB2Zb - 2 indutie] inducit R4 - 3 dicte] date Y - statutumque] statumque N1 - 3/4 Crocoviam] Cracouiam AB2GKYZb crocauiam N1 croconiam R4 - 4 Boleslaus] om. B1 - 5 captus] raptus Ζ - eius] eiusdem B ^ - 6 Vrsovicensibus] ursouicensibus R2TLGX vrisbuicensibus b Vrsonicensibus FIIn'y vrbsnicentibus B1 Vorsouicensibus W wrsowicen. et in mg. wrsobiensi perfi Κ ursonicensibus R4 - insidiarum] insidiis rW insidijs OB2 insidio G inscidiarum B 1 - consciis] R4SGLWrb conscys NN'xy consociis D cum socijs Ζ consotijs L1 conscijs Ω - 7 scelerisque] sceler quique B1 scribisque OWr - participibus] particibus R'Vacpb 1 - Qui] reliqui Π domum] dum B ^ - tamquam] R 1 F I I V A C N 1 P Y Z tanquam Ω - 7/8 magno ex] ex magno R4 ex om. Β - 8 evasissent] euassissent Π - 8/9 iusiurandum] iunisrandum Π iusrurandum R 4 - 9 et] ret Ν atque GN1 - iura] quia D - violata] uiolenta R4n - queruntur] querentur R4 querentur s.s. queruntur Τ 10 Ianurem] Jamirem A Jaromierum Κ - Boleslai] boleslay D om. B1 fratrem] filium Κ - 1 1 Cochares] Cocares R 2 M A G K N 1 X Coccares Y Cothanes Ζ Cochanes r 4 F I I S V C D L N Cochanes s.s. Cochares Τ Cocharem b Vrsovicenses] ursouicenses R2 vrisbuicenses b vrsbaicenses Ρ vrsauicenses Ν orsouicenses G vrbsiacenses B 1 vrsonicenses FYW ursonicenses R4n orsonicenses N1 wrsowicenses Κ Vrsiuicenses L1 - autoritate] R1B2NN1Pb auctoritate Ω - 12 maior] mayor ZK - adolescentem] adulescentem SL - silvas] siluam - 12/13 tractum] tactum OWr raptum D - 13 sagittis] sagiptis R2ML sagictis D saggitis W - confodi] confedi R4 - iubet] iussisse B2 iusisse b - 14 Iohannem] Joannem R3 Ioannem S Jo. Β - Baptistam] wabtistam Κ - ab eo] om. OWr - 15 hirsuto] hyrsuto R2MLNX irsuto r V i t l 1 hirsito B1 sagittas] sagiptas R2R3L sagictas D gattas R4 - excepisse] accepisse GN1 excipisse B1 - eius] eiusdem B2b -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes

Buch)

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den Sohn Boleslav den Dritten. Ihm entriß der Polenherrscher Mieszko Krakau durch einen Betrug. Als dann der Krieg ausgebrochen und das Land verwüstet war, Schloß man endlich Waffenstillstand und vereinbarte, daß beide Herrscher sich in Krakau träfen. Boleslav begab sich voll Vertrauen dorthin, wurde aber beim Mahle gefangengenommen und geblendet. Seine Begleiter wurden auf grausame Weise umgebracht, ausgenommen die Wrschowetzen, die von dem Hinterhalt wußten und an dem Verbrechen beteiligt waren. Als diese nach Hause zurückgekehrt waren, beklagten sie, als ob sie aus einer großen Gefahr entronnen wären, daß das öffentliche Vertrauen und der Eid und das Gastrecht von den Polen verletzt worden sei. Sobald sie Glauben gefunden hatten, versuchten sie Jaromir, Boleslavs Bruder, mit einer List umzubringen. Kochan, unter den Wrschowetzen an Rat, Macht und Ansehen überlegen, gab den Befehl, den jungen Mann unter dem Anschein einer Jagd in den Wald zu locken, an einen Baumstamm zu binden und mit Pfeilen zu durchbohren. Es gibt die Legende, daß der Heilige Johannes der Täufer, von ihm im Bittgebet angerufen, mit seinem struppigen Mantel die Pfeile aufgefangen habe und

433 Mescho] Mieszko I. (963-992). Krakau eroberte in Wirklichkeit Boleslav Chrobry (992-1025). - Crocoviam] Krakau (Polen) i.J. 999. 435 Boleslaus] Boleslav III., s. 432. - luminibus privatur] i.J. 1003. Boleslav III. starb 1037 in Polen. 436 exceptis Vrsovicensibus] Angehörige des Vrsovci-Stammes, Rivalen der Premysliden und Slavnikiden. 438 Ianurem] Jaromir (1003; 1004-1012; 1033-34; t 1037), Bruder Boleslavs III. und Oldrichs. 439 Cochares] Kochan, der Jaromir 1037 töten ließ. 438/43 Eneas Schilderung folgt Dalimil I 421ff.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber primus)

per visum commonuisse, periclitanti viro ut opem fer- 1 | Interea famulum principis Ovoram nomine ex perir e t. | culo prolapsum proditionem populo exposuisse. Ilium tanta novitate commotum correptis mox armis in silvam procurrisse captisque proditoribus atque occisis ducem 5 salvum reduxisse. In eo loco, ubi hec acta sunt, monasterium ordinis Sancti Benedicti, quod Veliscam appellant, constructum et aram maiorem ibi sitam, ubi arbor religaturn Ianurem tenuit. Mescho autem coacto exercitu longe lateque Bohemorum populatus agros Pragam denique 10 obsidione cinxit eamque biennio fame laborantem obtinuit excepta arce Vicegradensi, que in fide Ianuris mansit. Fuerat et alter Boleslao frater, quem pater Henrico imperatori nutriendum dederat. Is audita Meschonis proditione clam ab imperatore dimissus castellum Dievi- 15 1 per visum] prouisum N1 - commonuisse] commouisse DG commonuisse vt B 2 - viro] uero OWr om. B2 - ut] om. BB'b^ - opem] operam Ν - 2 Ovoram] Ouaram BO oueram B'b onoram r V n ' y honoratum D howora Κ - 3 prolapsum] prolapsam Ο - proditionem] proditiones R ^ ' b ^ - 4 tanta] tante Ν novitate] nouitatem R4 - commotum] comotum Ο - silvam] siluas FHSV CDLNZ - 5 procurrisse] procurvisse Β - proditoribus] prodictoribus D 6 reduxisse] reduxisset — 7 ordinis] om. l'n 1 - Veliscam] Viliscam Or Viliscum w Valistam Π uelistam r V t Velistam FDB2 velescam s.s. veliscam P belistam Ζ velescam Β1 weliss Κ - appellant] appellatur PB^ interpretatur Β1 - 8 maiorem] mayorem KZ - ubi] vibi B1 - 9 Ianurem] Iuuenem D Jaromierem Κ - tenuit] reliquit tenuit Β1 - Mescho] Menscho R2 Mecho G Mesco A Mesko Ζ Meko Y Mesdio R4 Mezko Κ - exercitu] excersitu D excercitu Ρ excitu S - longe] bis A — 10 Bohemorum populatus] depopulates Bohemorum Β2— Bohemorum] om. R4!! in mg. Τ - populatus] populates OWr pupulatos V populatur π - populatus agros] agros populatus agros L1 Pragam] Pragan R4 - denique] demque R4 - 10/11-11/12 denique obsidione ... obtinuit ex] om. B1 -11 fame] om. X - obtinuit] optinuit SL extinuit R4 extinuit s.s. obtinuit Τ - 12 Vicegradensi] Vissegradensi RaPB'b wissegradensi Κ - que] quam R ^ - Ianuris] Ianuaris VN Iamiris A Jaromieris Κ - 13 In fronte articuli De Vdalrico. septimodecimo Bohemorum duce. Capitulum xviij om. G1 - Boleslao] bosleslao V Boleslai Μ bolesslao G - frater] filius Κ - frater, quem] frater Vdalricus nomine: quem B'b in mg. A - Henrico] heinrico VCAK hinrico GPB Yb - 14 dederat] declarat C - Is] his V - Meschonis] meschinis s.s. meschonis R4 mesconis MAL'x mesconis s.s. Meschonis Τ mesthonis D meskonis Ζ Meßkonis Y Mezkonis Κ - 14/15 proditione] prodictione Τ 15/p.122, v.1 Dieviczum] A Dieui?um r ' r V m l 1 Dieuizum R3FTTIBB1LN OPWXr dieuizium V Dieuisum C diebbyn Κ dieuiczum ΠΒ2 dienizzum D Dieuczum G dienizum b Dietczim Y Dieuirum N1 Dreuizum ζ -

GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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dessen Frau in einem Gesicht veranlaßt habe, ihrem in Gefahr befindlichen Mann Hilfe zu bringen. Unterdessen habe ein Diener des Herrschers, Howora mit Namen, der der Gefahr entkommen war, den Verrat dem Volk kundgetan. Er habe, erschüttert von solch einem neuartigen Verbrechen, sofort die Waffen ergriffen und sei in den Wald gestürmt. Er habe die Verräter gefangengenommen und getötet und den Herrscher heil nach Hause geführt. An der Stelle, wo dies geschehen ist, sei das Benediktinerkloster namens Veliz errichtet worden. Der Hochaltar befinde sich an der Stelle, wo der Baum stand, an den Jaromir angebunden war. Mieszko aber zog ein Heer zusammen, verwüstete weit und breit das Land der Böhmer und belagerte schließlich Prag. Nach zwei Jahren nahm er es ein, weil es Hunger leiden mußte, ausgenommen die Burg Vysehrad, die in Jaromirs Schutz blieb. Boleslav hatte noch einen zweiten Bruder, den der Vater dem Kaiser Heinrich zur Erziehung übergeben hatte. Als der Bruder von Mieszkos Verrat gehört hatte, läßt er sich heimlich vom Kaiser entsenden und geht in die natürlich und künstlich befestigte Burg Drevic. Darauf stellt er

441 Ovoram] Hovora, vgl. Dalimil. 443 monasterium ..., quod Veliscam apellant] Veliz, Dorf unter dem Hügel Veliz, 10,5 km südlich von Pürglitz entfernt, vgl. Profou^Svoboda IV, S. 496f. - Ianurem] s. 438. 444 Mescho] s. 433 - Pragam ... obtinuit] in den Jahren 1003-04. 445-453 Fuerat et alter Boleslao frater ... coniugem accepise] vgl. Cosmas, S. 63-65; Dalimil,I S. 493; Marignola, S. 535; Pulkava, S. 34-35. 445 Fuerat et alter Boleslao frater] Bruder Boleslavs III., Oldrich, Herzog von Böhmen (1012-1033; 1034). - Henrico imperatori] Heinrich II. (1002-1024). 446 Meschonis] s. 433. - castellum Dieviczum] Drevic, 12 km südl. von Laun im nw. Böhmen. Vgl. Sedläcek, S. 167f.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

czum, natura et arte munitum, ingreditur. Exin coacto raptim milite colles occupat, qui Präge supereminent, tubasque clangere iubet, mox alta voce preconem Pragensibus nuntiare victos prelio Polonos fugam cepisse, victorem principem cum exercitu adesse. Qua voce accepta Polonorum presidium, quod urbem tenebat, metu perculsum excessit. Pragenses aucti animo insequuti complures in fuga captos necavere. Mescho cum paucis in Poloniam se recepit. Odalricus Pragam ingressus germano suo sive proditoribus suggerentibus, sive quod etatis beneficio illum sibi preferri verebatur, effodi oculos iussit. Multa huius facinora referuntur partim reprehensione, partim laude digna. Inter cetera et illud narratur redeuntem ex venatione puellam vidisse in villa quadam iuxta puteum vestimenta lavantem, nomine Bozenam, quod Beatricem interpretantur, eleganti forma et moribus, supra quam par esset agresti, venustis, captum specie et alloquio II modesto, quamvis amici adversarentur, coniugem accepisse. 1 natura] Nam Or - Exin] exinde YZ - coacto] collecto R'PB'b - 1/2 raptim] reptim C - 3 clangere] clangore R 4 - voce] orn. R 4 - Pragensibus] pragensem Y - 4 nuntiare] nuncciare GKN'XYZ nunciaret W - prelio] proelio S prelio R ^ r prelio Ω - 5 principem] pricipem R 2 - exercitu] excercitu DP - adesse] adeesse Β - Qua] aqua R4 Quo G - accepta] arepta τ - 6 presidium] presulium R4 - Of! perculsum] proculsum OWr percussum R4 percusum Τ preculsum VB2 - 7 excessit] excessu R4 - insequuti] R ^ ^ L N ' O r insequti R2M insequenti G insecuuti Π insecuti Ω - complures] cumplures Π quamplures D - 8 captos] capta Ζ cepisse captos B1 — necavere] negauere ΠΖ Mescho] mecho G Mestho D Mezko Κ Mesko Ζ mescko Y - in Poloniam se] se poloniam Κ - Poloniam] polleniam Β — 9 Odalricus] Vdalricus VNYb Vodalricus B2 Oldaricus R'PB1 - suo] om. VND - sive] sine R 4 Fn om. R2GN'XY - 10 suggerentibus] subgerentibus LN1 surgentibus W - sive quod] sineque R4FI1 - etatis] estatis R2GX - 11 ilium] illi PB1 ilia G - preferri] preferre R4 preferre s.s. preferri Τ - 12 huius] eius B 2 unius R4huiusmodi G - referuntur] refferuntur Iff) - 13 digna] dingna Κ - Inter] Interea N1 - cetera] om. N1 - et] om. R4CK - 1 4 quadam] quandam Ζ - iuxta] iuxti C - 15 Bozenam] Bozenam R'R4 bocenam COWr Bozzenam G'b borenam GN1 bozeram Β Bozenam Ω - quod] quam G - interpretantur] interpretatur VBB2GZb - 16 eleganti] elegante MPB1 elegantem R ^ ^ elangi G - supra] - supra R4N par] in mg. Μ - esset] erat Β - agresti] aggresti FIIPB1 agressi G agrestine Κ agressu N1 - venustis] rusatis Κ - 18 quamvis] quamquam N1 - amici adversarentur] animaduersarentur Ζ - aduerserentur F - accepisse] accipisse B1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Erstes Buch)

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schnell ein Heer auf und besetzt die Hügel, die Prag überragen und läßt die Trompeten ertönen. Sogleich läßt er einen Herold mit lauter Stimme den Pragern verkünden, daß die Polen im Kampf besiegt seien und die Flucht ergriffen hätten, und daß er als siegreicher Herrscher mit seinem Heer da sei. Als die Truppe der Polen, die die Stadt besetzt hielt, diese Mitteilung gehört hatte, verließ sie von Angst gepackt die Stadt. Dadurch waren die Prager in ihrem Mut gestärkt und setzten ihnen nach. Mehrere nahmen sie auf der Flucht gefangen und töteten sie. Mieszko zog sich mit wenigen nach Polen zurück. Ulrich zog nach Prag ein und ließ seinem Bruder die Augen ausstechen, sei es, daß Verräter ihm Verleumdungen vortrugen, oder daß er fürchtete, daß jener ihm aus Altersgründen vorgezogen würde. Viele derartige Taten werden berichtet, teils tadelnswert, teils lobenswert. Unter anderem wird auch dies erzählt, daß er, als er von der Jagd zrückkehrte, in einem Dorf ein Mädchen gesehen habe, das an einem Brunnen Kleider wusch, mit Namen Bozena, was übersetzt heißt Beatrix, von schöner Gestalt und von reizenderem Charakter, als es bei einem Bauernmädchen üblich ist. Angetan von ihrem Aussehen und von ihrer sittsamen Rede, wie wenn Freunde sich begegneten, habe er sie zur Frau genommen. Sie habe ihm

450 Mescho] s. 433. 451 Odalricus Pragam ingressus] 1004 gemeinsam mit Jaromir, den er 1012 entmachtete und später blenden ließ. 453 puellam ... nomine Bozenam] zur Vermählung kam es wohl noch im ersten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts. Vgl. Dalimil, I 493.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

454,455 Brzetislaum ex ea natum. Is cum adolevisset, Iutham, imperatoris Othonis Rufi filiam, que apud Ratisponam in monasterio nutriebatur, quamvis nunquam vidisset, sola fama commotus vi rapuit solusque cum ilia ad patrem perrexit comitibus velocitatem eius insequi nequeuntibus ab 456

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imperatore ex fuga retractis atque occisis. Non improbavit pater factum, sed admiratus audaciam tanti se filium genuisse gavisus matrimonium cum rapta in Moravia celebrari mandavit, tanto prestantiorem filium existimans, quanto nobilius est imperatoris quam villici filiam amavisse. Imperator ea contumelia motus iure iurando affirmat exercitum in Bohemiam se ducturum neque reducturum, nisi prius in medio regionis sedem suam collocet. Contra raptor affecturum se damnis Theutoniam pari religione promittit. Imperator collecto exercitu Bohemiam instar torrentis cuncta secum rapientis ingreditur. Contra Odalricus filiusque castra movent. Iam duo exercitus ad

1 Brzetislaum] TKOWr Bi^etislaum R 4 l ' bicetislaum C bisetislaum β biretislaum ΠΝ1 biretisslaum G Byzetislaum Ζ Bizetislaum Ω - cum] quum L - Iutham] Jutam B^V Iuthar Π Iuchag R4 Jutham coniugem accepisse B1 - 2 Othonis] R^SBCDLI^NOWZr octonis R4TG octouis b Otthonis N1 ottonis Ω - Rufi] R'FSCDG'LNrb nisi V om. Β ruffi Ω - apud] aput Κ - Ratisponam] ratispanam C ratispanas R2 ratisponas MGXY ratispanos Κ - 3 nunquam] nonquam Β nuncquam G nuuquam r - 3/4 sola fama] fama sola Β - 4 commotus] comotus Κ - vi] om. L - solusque] solus VN - 5 nequeuntibus] nequentibus R4 - 6 retractis] retractisque DZ - improbavit] improbrauit Κ - 7 factum] om. VN - sed admiratus] bis C - admiratus] ammiratus B^b audaciam] audacem Ζ - tanti] tam Ζ - 8 genuisse] om. D - gavisus] Gauiussus Π - 9 existimans] estimans G*b existimauit z - 10 villici] vilici EDD - filiam] om. X - 10/11 amavisse] amasse PB1gonuisse N 1 - 11 motus] commotus L 1 - iurando] rando VN —11/12 affirmat] afflrmauit VNL1 — 12 exercitum] excercitum BB2 - in Bohemiam se] se in bohemiam G -se] om. B ^ b s.s. Κ - neque] nisi s.s. neque Ρ - 12/13 se ducturum ... collocet] ducturum terram malis affecturum sibique sedem in medio regni collocaturum B2G!b - 12/13 reducturum] rediturum R4GK - 13 collocet] collocasset R2MGXYN! collocarit Β - 14 Contra] Statimque B2G!b - damnis] dampnis FÜVMCDGK L 1 NN 1 PB 1 Z -

Theutoniam]

Theutonicam

C teutonicam

G

theuthuniam Κ - 14/15 raptor ... Imperator] om. B2G'b - 15 collecto] cum B2Glb - exercitu] excercitu BDP - 16 cuncta] cum ita Ζ - 17 Odalricus] Oldaricus R ^ B 1 adolricus D Vdalricus VG'NYb Vodalricus B 2 - exercibus] excercitus BP excersitus D -

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GESCHICHTE BÖHMENS (Erstes Buch)

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Bfetislaw geboren. Als dieser herangewachsen war, hat er Judith, Tochter des Kaisers Otto Rufus, die bei Regensburg in einem Kloster erzogen wurde, entführt, obgleich er sie niemals gesehen natte, allein bewegt durch das, was man ihm über sie sagte. Alleine machte er sich zusammen mit ihr zu seinem Vater auf. Da die Verfolger seiner Schnelligkeit nicht folgen konnten, ließ der Kaiser sie von der Verfolgung zurückholen und töten. Sein Vater tadelte die Tat nicht, sondern bewunderte seine Kühnheit und freute sich, daß er einen solchen Sohn gezeugt habe, und er ordnete an, daß mit der Entführten die Hochzeit in Mähren gefeiert würde. Er hielt seinen Sohn in dem Maß für vorzüglich, wie es vornehm ist, die Tochter eines Kaisers und nicht eines Maiers geliebt zu haben. Der Kaiser, von dieser Schmach aufgebracht, schwört einen Eid, daß er sein Heer nach Böhmen führen und nicht eher zurückziehen wird, ehe er nicht vorher mitten in dem Land sich eine eigene Burg erbaut hätte. Dagegen verspricht der Entführer in einem gleichen heiligen Schwur, Deutschland mit Schaden heimzusuchen. Der Kaiser sammelt sein Heer und marschiert wie einer, der alles versengt und mit sich nimmt, in Böhmen ein. Ulrich und sein Sohn bieten dagegen ihr Heer auf. Schon hatten sich die beiden Heere

454-490 Is cum adolevisset... venundandos misit] vgl. Cosmas, S. 73-80; Dalimil, I 502f.; Marignola, S. 536f.; Pulkava, S. 37-40. 454 Brzetislaum ex ea natum] Bretislav I., Herzog von Böhmen (1034-55). 455 Iutham] Judith war Schwester des Markgrafen Otto. Kaiser war damals Konrad aus dem Hause der Franken (t 1039). Eneas Schilderung stimmt mit der von Dalimil, I 502f., überein. - apud Ratisponam] in Regensburg; Dalimil erwähnt Schweinfurt, nicht Regensburg. 456 matrimonium ... in Moravia celebrari mandavit] in Olmütz Ende Juni 1029. 457 Imperator ea contumelia motus] Dalimil, I 502 „Otta biely", Otto der Weiße. 461-88 Eneas Erzählung über den Eingriff Judiths stimmt mit Dalimil (S. 502f.) überein. Er wurde zum Anlaß für des Johannes Campanus Drama „Bretislaus" (1614); vgl. Rukovet I 274.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber primus)

iactum teli convenerant, cum Iutha, cuius ex iniuria bellum ortum, crinibus passis, scissa unguibus facie, victo periculorum magnitudine muliebri pavore, ausa telis sese inferre volantibus, inter primas acies prosiliens, patris alloquium, 462 priusquam furor ardeat amplior, exposcit. Quo impetrato 'Fateor', inquit, 'pater, iustum te bellum movisse, cuius 463 filia rapta est. Illumque poena dignum, qui te contempsit, nisi compulisset amor, cuius ceca consilia sepe veniam 464 meruere. Sed age, obsecro, pone ante oculos, quem armis 465 insequeris. Gener tuus, mihi maritus, cui tantopere irasce466 ris. Et fortasse etiam nepos tuus, eius filius, in ventre meo 467 conceptus est. Parce, oro, filie, parce nepoti, patrem illi, 468,469 mihi virum dimitte! Non est degener maritus. Nec solvi 71 con II summatum matrimonium Romana ecclesia sinit. 470,471 N e c tibi victorie potestas est: Utrique vires, utrique belli 472,473 artes suppetunt. Mars dubius casum respicit. Ne, obsecro, 474 pater, mei causa tantam militiam morti obicito! Parce, cui

1 iactum] actum d - cum] quum L Tum G'b - Iutha] Iuta R1 Ihuta R2 lucha ΠΤ Juttha Μ Iudia R4 - cuius] cur R4n - 2 passis] sparsis B2G'OPWrb semper assis B1 posset R4 posset in mg. sparsis Τ - unguibus] uguibus G vngwibus VK unguibris R4 - victo] victa Β - 2/3 periculorum magnitudine] magnitudine periculorum G1 - 3 muliebri pavore] pauore muliebri Y inferre] imferre b - 4 primas] premas Ρ - 5 ardeat] arderet Β adeat R4n aderat in mg. ardeat Τ - amplior] amplius VN ampliorum G - impetrato] imperato Π - 6 pater, iustum te] te pater iustum R4G pater, te iustum D cuius] cur R4n - 7 est. Illumque] est ilium illumque D - poena] r ' s t t 1 pena R2 pena Ω - dignum] dignis C dingnum Κ - te] om. OWr - contempsit] contemsit r - 8 cuius] cur R4n - ceca] ceca R*S - consilia] concilia B2G'b - 9 meruere] meruerunt X - oculos, quem] oculos tuos, quem PB1 - 10 insequeris] insequaris R 2 MN'xy insequris Ο - mihi] michi I I V B B ' g g ' k p w - tantopere] tanto opere Y - 11 Et] om. R4FII s.s. Τ - Et fortasse] et eciam fortasse R 3 FB 1 - etiam] iam DZ om. R3VB1B2G1NPL1b - tuus] tuos Β 1 - eius] cuius γ erit R4n - ventre] vtero Β - 12 est] om. R4 - filie, parce nepoti] filie, nepoti C - illi] ilium R4n ille F om. Μ - 13 mihi] michi VB1GG1NPZ coniugi OWr virum] vnum Β1 - Non] nec R'T none Π - 14 consummatum matrimonium] matrimonium consummatum D - consummatum] consumatum R4IIVM TB2GKL1OXZr - ecclesia] eclesia N1 - sinit] sunt R4N - 15 potestas] arbitrium CB - utrique] vtrisque B1 - 16 artes] acies G1 - dubius] duobus Ο - Ne] nec R4 - 17 mei causa] om. L - causa] causam Β2 - morti] mori D - obicito] 1 2 1 1 R 4 FIIB B B DGG N PXZb obiicito Or objicito L obijeito Ο - cui] tui N 1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS (Erstes

Buch)

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auf Wurfweite genähert als Judith, derentwegen der Krieg ausgebrochen war, es wagt, mit aufgelöstem Haar und mit von ihren Nägeln zerkratztem Gesicht, nachdem sie die weibliche Furcht angesichts der Größe der Gefahren besiegt hatte, sich den fliegenden Geschossen auszusetzen. Sie springt zwischen die vordersten Reihen und fordert ein Gespräch mit ihrem Vater, bevor die Kampfeswut sich ausweitete. Als sie das erreicht hat, sagt sie: „Ich gebe zu, Vater, daß du, dessen Tochter entführt worden ist, den Krieg gerechterweise begonnen hast, und daß seine Strafe verdient, der dich verachtet hat, wenn ihn nicht die Liebe getrieben hätte, deren verblendete Pläne oft Gnade verdient haben. Aber wohlan, ich beschwöre dich, stelle ihn dir vor Augen, den du mit Waffen verfolgst! Es ist dein Schwiegersohn und mein Mann, dem du so sehr zürnst. Vielleicht ist auch dein Enkel, sein Sohn, in meinem Schöße empfangen. Schone, ich bitte dich, deine Tochter, schone deinen Enkel! Laß ihm seinen Vater und mir meinen Mann! Er ist kein verderbter Gatte, und die römische Kirche läßt nicht zu, daß die vollzogene Ehe aufgelöst wird. Und du hast keine Möglichkeit zum Sieg. Beide Seiten haben genug Kräfte, beide genug Kriegskünste. Ein unentschiedener Mars blickt auf diesen Krieg. Ich beschwöre dich, Vater, setz nicht meinetwegen deine so große Streitmacht dem Untergang aus! Schone den, den

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HISTORIA BOHEMICA (Liber primus)

ego prior lesa peperci.' Illacrimatus pater audita filia facturum se, quod ilia vellet, nisi obstaret iuramentum, respon4 7 6 dit. Tum Iutha 'Et maritus', inquit, 'meus iure iurando 4 7 7 astrictus est Theutoniam armis lacessere. Sed vana religio, 4 7 8 que sceleri locum facit. Vim criminibus sacramenta non 4 7 9 addunt. Expromissorem maleficii divina maiestas odit, fac4 8 0 torem exterminat. Inveni tarnen, si libet, viam, qua te simul 481 promisso virumque solvam. Veniet cum patre gener ad 482,483 pedes tuos. Veniam commissi petet. Te regem, te dominum 4 8 4 profitebitur. Neque impedimento erit, quominus sedem in 485,486 medio Bohemie colloces. Ibique ius dicas. Postremo curiam tuam in Theutonia petens villas aliquot, quas iusseris, inter 487 equitandum diripiet.' Placuit imperatori consilium filie 488 atque in eius verba foedus ictum. Exercitus consalutati, in Boleslavia, que umbilicum tenere Bohemie creditur, sedes 475

1 Illacrimatus] Illachrymatus R's Illachrimatus MLN'p Illachymatus C Lachrimatus Β - 1/2 facturum] facturumque P b ' b ^ om. Ν - 2 quod] quid R2GY - ilia] iam Β - obstaret] ob obstaret K4 - 2/3 respondit] om. B2G'b - 3 Tum] tunc W - Iutha] Ihuta R2 Lucha Τ Iucha R4 Iutta Μ Juttha Κ - inquit] om. R2MNGKXY - iure] Ius G - 4 astrictus] astrictum R 4 - Theutoniam] teutoniam GZ Tocutoniam r theutonicam FD theotoniam N1 Thetuniam B2 Theuthuniam Κ - lacessere] lacescere Κ lacessire R4FII lacessire s.s. lacessere Τ - 5 sceleri] sterili G seculi Β celeri r - locum] iocinu Β - 6 Expromissorem] Et promissorem R2GNXY Expromissione s.s. Expromissorem D Ex promisso rem W - maiestas] potestas C mayestas Ζ - 7 Inveni] Iuueni R4TXb periisse r V perrijsse B1 perysse Ν - aliquot] aliquod L1 multa Ζ - milia] millia D - feruntur] ferunt T'G - 1 0 complurimi] cumplurimi R4 quam plurimi PB1 - misericordia] cura Ζ - 11 accepere] acceperunt B2Glb accipere V - genus hominum] hominum genus Β - 1 2 Iudei] Judei R'R^VCAKNOZ - inter] intra MAGX om. N1 - agentes] om. D - paululum abundare] habundare paululum B 1 - abundare] R1R4SMTCABLOWr habundancie Y habundare Ω - 1 3 creduntur] credimur Y tanquam] tamquam IIMCAB'NN'GPXY - Iesu] SF J e s u R'R3 Ihesu TVCNr yhü R4N ihü Ω - 13/14 maiestatem] mayestatem Ζ - 1 4 contempserint] contempserunt R4nTPB1B2G1b - religioni] religione N*Wr religionem Ο illuserint] illuserunt IIB^G'B - aut religioni illuserint] om. R4 - 1 5 vitam] vitamque B2 - quoque] om. VNB2 - amittunt] admittunt R4DB! - Impune] impugne Ζ - hoc] om. R^G'PB - apud] aput FTTTK -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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in vier Monaten allein in der Pfarrei Sankt Stephan 3050 Begräbnisse. Im sechsten Jahr darauf starb die Königin. Eine neue Königin namens Sophia holte man aus dem Hause Bayern. Sie war bei weitem vorzüglicher als ihr Mann. Während dieser Zeit drangen die Prager, durch öffentlichen Aufruhr aufgehetzt und in Wut versetzt, in die Häuser der Juden ein, plünderten ihren Besitz und zündeten ihre Häuser an und machten, weder Geschlecht noch Alter verschonend, in zwei Stunden das unglückliche Volk mit dem Schwert nieder. Einige Tausend sollen umgekommen sein. Sehr viele kleine Kinder wurden durch die Barmherzigkeit guter Bürger gerettet und empfingen die Gnade der Taufe. Als unglückliche Klasse von Menschen unter den Christen lebend, verlieren die Juden, die auch nur etwas für vermögend gelten, gleich als ob sie die Majestät unseres Gottes Jesus Christus verhöhnten, sogleich nicht nur ihr Vermögen, sondern sogar das Leben. Ungestraft blieb bei den Pragern dieses Verbrechen.

205 Sexto deinde anno] Königin Johanna, t 31.12.1386; Wenzel IV. heiratete Sophia i. J . 1389. 206 Inter hec Pragenses ... Iudeorum domos invadunt] 18.4.1389, Palacky II 418.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

Pragenses flagitium fuit, tum quia populi haud facile corriguntur scelera, tum quia Venceslaus desidia corruptus, presenti rerum statu contentus neque preterita corrigere neque futura ordinäre curavit. Fuit enim Venceslaus longe patri absimilis, voluptatum sequax ac labores fugiens vinique prorsus quam regni curiosior. Ob quam rem captus a baronibus septem et decern ebdomadis in custodia habitus est. Iohannes dux Lusatie, et Procopius, marchio Moravie, magno reipublice malo eum libertati reddidere. Captus est et secundo per Sigismundum, Hungarie regem, et Alberto Austrie duci in custodiam datus. Custodia eius in egregiis edibus apud Viennam habita, quibus exinde cognomen Praga datum, quod eas rex Pragensium incoluisset. Sed cum parum diligenter custodiretur, fugam 1 flagitium] uicium L1 - flagitium fuit] R1R3R4FIISVCDLBG1NPB1B2Zb flagitium inultum fuit R^r'MAKGOXr flagitium multum fuit n'w flagitium inultumque fuit Y - 1/2 populi haud facile corriguntur scelera, tum quia] om. Π - 1 haud] haut CGPb aut R4 aut s.s. haut Τ non Β - 2 Venceslaus] Vinceslaus R 2 Wenceslaus Μ Wenczeslai V wenczeslaus Κ Wenceslaus AGYZ venteslaus Ρ wenteslaus B 1 - 3 presenti rerum statu contentus] om. D contentus] conuentus R ^ - preterita] R1R3R4FITVT1CDLL1PB1B2G1Zb preterita ST presencia Β peccata R2MAGKN1OWXYr - neque] nec n ' y - 4 ordinäre curavit] curauit precauere B2G!b - Venceslaus] Vinceslaus R 2 Wengeslaus MV Wenceslaus AYZ wencesslaus G wenczeslaus Κ venteslaus Ρ Wenteslaus B1 - patri] patris R 4 - 4/5 absimilis] assimilis R4B disimilis Ν absibilis C - 5 ac] om. D - labores] laborum R2MN1XYL1 laboris Β laborem GK - fugiens] refugiens B2Glb - vinique] vini quam BJb vinique s.s. quam R 3 vini quoque Y vini Ζ Vinu scurrisque Β - 5/6 prorsus quam] prorsus R3PB1B2b - 6 curiosior] curosior Τ - captus] captam L - 6/7 a baronibus] ab arunibus R 4 ab aronibus TA - septem et decern] R 4 IISVTDLg'nz Decern et septem B 2 L ! VII et X CBF XVII Ω - ebdomadis] hebdomadis S edomadis D ebdumadas B ^ - 8 Iohannes] R4FIITD LL'ßVr Ioannes S Joannes R 3 M Johannes Ω - Lusatie] R^nvLG'N'PB'r Lusatie R J S Luxatie R 4 luxatie Τ luzacie C lusacie Ω — marchio] om. N 1 — 9 Moravie] morawie Ζ Morauie r'r^TL 1 - magno] malo PB1 - reipublice] reip. R ^ S V M L L ' a b k n n ' w re. pu. D reipu. r rei publice R^FITTZ - malo] malum FITT - libertati] liberati B1B2 reddidere] reddiderunt B ^ G ' b redidere P - 10 est] om. B2G'b - secundo] ij° T2 2d° G - Sigismundum] segismundum B 1 - Hungarie] vngarie G 10/11 regem et] regem fratrem suum et G'b — 12 egregiis] SDLBN1 egregys AKNXY egregijs Ω - apud] aput FKN1 - Viennam] Wyennam MV Wiennam GKYZ Vennam B 2 - exinde] exin TOWr - 1 3 cognomen] congnomen b nomen G1 cognomine R 4 nT - Praga] Präge C - Pragensium] pragensis G1 - 1 4 cum] quum L - diligenter] dilunter Β -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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Einesteils weil die Verbrechen des Volkes nicht leicht bestraft werden können, andernteils weil Wenzel, von Trägheit verdorben und selbstzufrieden, weder die Verbrechen bestrafen noch die zukünftigen verhüten ließ. Wenzel war seinem Vater nämlich völlig unähnlich. Er war vergnügungssüchtig und arbeitsscheu. Er kümmerte sich durchaus mehr um den Wein als um das Königreich. Dessentwegen wurde er von den Großen des Reichs gefangengenommen und 17 Wochen in Haft gehalten. Johannes, Herzog der Lausitz, und Procopius, Markgraf von Mähren, verschafften ihm zum großen Schaden für den Staat die Freiheit wieder. Er wurde zum zweiten Mal gefangengesetzt durch König Sigismund von Ungarn und dem Herzog Albrecht von Österreich ins Gefängnis überstellt. Ein herrschaftliches Haus in Wien diente ihm als Gefängnis, dem danach der Beiname Prag gegeben wurde, weil der König von Prag es bewohnt hatte. Aber weil er nur mangelhaft bewacht wurde, gelang ihm die Flucht,

212 Ob quam rem captus ... in custodia habitus est] am 8.5.1394 in Königshof bei Beroun. Freigelassen wurde er am 1.8. desselben Jahres, Palacky II 427-431. 213 Iohannes dux Lusatie et Procopius marchio Moravie] Johann und Prokop waren Brüder Wenzels IV. 214 Captus est et secundo per Sigismundum, Hungarie regem] 6.3.1402-11.11.1403, vgl. Palacky II 461 und 465. - Alberto Austrie duci in custodiam datus] Abrecht IV., Herzog von Österreich (1395-1404). 216 fugam eripuit] s. 214.

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HISTORIA BOHEMICA (Liber secundus)

217 eripuit regnoque rursus potitus est. Neque tamen vitam mutavit, sed priori consuetudine vino ciboque marcens r lucemque dormiendo nocti coniungens II ab electoribus Imperii comprobante Romano pontifice Imperio deiectus domi torpens illaudatum egit evum. 218 Sub hoc rege nostra demum memoria, etatis vero sue anno circiter quinquagesimo, perfida Hussitarum insania 219 ortum habuit. Cuius et originem et progressum hoc loco prosequi animus est, quoniam ea pestis omnem poene Germaniam conturbavit neque adhuc extincta regni Bohe220 mici magnam partem occupat. Rexerant scholam Pragen221 sem usque in ea tempora Theutones. Id molestissimum Bohemis fuit, hominibus natura ferocibus atque indomitis. 222 Ex quibus vir quidam genere nobilis ex domo, quam Putridi Piscis vocant, apud Oxoniam Anglie civitatem

I eripuit] arripuit R4IIVDBB2G1L1NZb erripuit FT - regnoque] regno V rursus] reuersus R4IIT - 1 / 2 vitam mutavit ... (p. 228, v. 2) in ecclesia] om. G1 - 2 priori] priore R2GXY - consuetudine] conswetudine Κ ex consuetudine R4VTL1NZ - ciboque] cibique R4 - 3 Imperii] SDN'PW impery AKNGXY imperij Ω - comprobante] conprobante Τ combrobante W Romano] Ro. BOWr - pontifice] pon. MB - deiectus] abiectus VN deyectus Ζ - 5 illaudatum] bis V inlaudatum MLY inlaudatus R2GN1 illaudatus X egit] eger G eget N1 egit r - 6 In fronte articuli De perfida secta hussitarum et damnatis (b: dampnatis) articulis professionis illius. Capitulum XXXV (b2: 35) B2b - hoc rege] hoc vero rege R2MAGXYN1-nostra demum memoria] demum nostra memoria Ρ nostra memoria demum D - nostra] om. V - 6/7 sue anno] anno sue Y - 7 circiter] om. Μ - quinquagesimo]

R 4 FnsVTDLL'NZb q u i n q u a g e s i m u m

B 2 L m ° R 1 R 3 MAB 1 CK L°

R2BGN'XY L vel 1 OWr - perfida] perfidia W - Hussitarum] husitarum R4IIN - insania] insaniam N1 - 8 habuit] om. X - Cuius et] Cuius Β - progressum] processum OWr - hoc loco] in hoc loco VN hoc in loco Β hoc modo Π hoc loco ex hoc modo corr. Τ hoc prosequi loco L - 9 prosequi] om. L quoniam] R1R2AN'O quam R4 quando Ω - poene] R'T1 pene R2r pene Ω I I magnam] maximam R4FIISVTCBDLL1NZ - partem] parem R4 Rexerant] Rexerunt R3PB'B2b reserant R4 - scholam] R'SCI^N scalam PB1 scolam s.s. scholam Τ scolam Ω — 12 in] om. B 2 -Theutones] Theutunes B2 theotunes Κ - Id] ad R4C - molestissimum] modestissimum W - 13 natura] nam GOWr - 14 vir quidam] qui vir dam Β vir quidem W - quidam genere] quidam Faulfiss civis de Wudweis genere Κ - quam] qua A 15 Putridi] putride W putri Β - putridi piscis] putridiscis N1 - apud] aput FK - Oxoniam] Oxomiam SOWr exomiam L osomiam MA oxouiam b exoniam R4 - Anglie] asie anglie R ^ azie anglie N1 asie G -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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und er kam wieder an die Herrschaft. Trotzdem änderte er sein Leben nicht, sondern war nach seiner früheren Gewohnheit matt und schlaff durch Saufen und Fressen und schlief den ganzen Tag über. Mit Billigung des Papstes wurde er von den Kurfürsten des Reiches der Kaiserwürde entkleidet. Im Stumpfsinn verbrachte er zu Hause sein unrühmliches Leben. Unter diesem König, wenigstens unserer Erinnerung nach, aber ungefähr in seinem 50. Lebensjahr, nahm der ungläubige Wahnsinn der Hussiten seinen Anfang. Ich habe vor, seinen Ursprung und seine Ausbreitung an dieser Stelle zu beschreiben, weil dies Unheil ja fast das ganze Germanien verwirrt hat und, bis heute nicht vertilgt, einen großen Teil des Königreichs Böhmen überzieht. Die Universität zu Prag hatten bis zu dieser Zeit die Deutschen geleitet. Das war den Böhmern, von Natur wilden und ungezügelten Menschen, ein großes Ärgernis. Unter ihnen war ein Mann aus dem Adel, und zwar aus dem Haus, das man Stinkfisch nennt. Dieser studierte in der Stadt Oxford

217 ab electoribus Imperii comprobante Romano pontifice Imperio deiectus] 20.8.1400, Palacky II 452. 218-III 514 Sub hoc rege nostra demum memoria ... poenas dedit] im restlichen Teil des zweiten Buches und im ganzen dritten Buch schildert Enea die Anfänge und den Verlauf der hussitischen Bewegung bis zur Schlacht bei Lipany, d. i. den Zeitabschnitt von ca. 1411-1434. - anno circiter quinquagesimo] ungefähr um 1410/11. Über Eneas Quellen s. Einführung, S. 095ff. 220 scholam Pragensem] d.h. die Universität, gegründet 1348. 222 ex domo, quam Putridi Piscis vocant] Nikolaus Faulfisch aus Budweis, vgl. Palacky III 38-41; VI 380f.; Pekaf I 164, II 133 und Anm. 1; Smahel II 216, 353. - apud Oxoniam] in Oxford. - Iohannis Vicleffi] John Wicliffe, englischer Theologe und Schriftsteller (f 31.12.1384). Über seine Bücher Palacky III S. 51; Smahel II S. 214-55. Ders., Husitske Cechy, (Register).

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

litteris instructus cum Iohannis Vicleffi libros offendisset, quibus ,De realibus universalibus' titulus inscribitur, magnopere illis oblectatus exemplaria secum attulit. Inter que ,De civili dominio', ,De ecclesia', ,De diversis questionibus', contra clerum pleraque volumina veluti pretiosum thesaurum patrie sue intulit, imbutus iam ipse Vicleffistarum veneno et ad nocendum paratus. Nam quod erat familie sue cognomen Putridum Piscem, id est fetidum virus, in cives suos evomuit. Commodavit autem scripta, que attulerat, iis potissime, qui Theutonicorum odio tenebantur. Inter quos Iohannes eminuit, obscuro loco natus, ex villa Hus, quod anserem significat, cognomentum mutuatus. Hie cum esset ingenio peracri et lingua diserta multumque dialecticis oblectaretur et peregrinas opiniones

I litteris] licteris W - instructus] studens b - cum] Quum L - Iohannis] R4FIITLL1BB1B2Ioannis S Joannis R3M Johannis Ω-Vicleffi] r ' r ^ I I S T ' d b B1B2CL1N1OPWrb Wicleffi RVMAGNXYZ uicleffi R4TL wikleffi Κ - 2 realibus] rebus VDLL1N - universalibus] ciuitatibus vniuersalibus Ζ - titulus] titulis R2R4IILGWYZOr titulis s.s. titulus MT - 3 oblectatus] oblectatur GN!X - 4 dominio] diuino R 3 et iure diuino Β2 de iure diuino b ecclesia] eclesia N1 — diversis] vniuersis dominijs V - 4/5 questionibus] questionis Y patribus B1 - 6 thesaurum] thezaurum N'b - imbutus] inbutus B 2 imbuto R 4 n imbuto s.s. Imbutus Τ - iam] nam VB 6/7 Vicleffistarum] Vicleffitarum R3N1PBIb wicelfistarum Ν wiclefistarum V wicleffisstarum G Wyclefistarum ζ videffistarum R4 Wicleffistarum R2MAXY uicleffistarum L Viclefistarum B 2 F wikleffistarum κ - 7 Nam] tum B2b - familie] fa familie Κ - 8 cognomen] congnomen b cogmen Β - 8/9 fetidum virus] uirus fetidum R 4 I I T - 9 suos] om. ζ - Commodavit] Comodauit R2R3FTT1APGB1Y - 1 0 attulerat] attullerat Π - iis] R4 Is owr ijs R 1 h 2 mcb ys N1 his r 3 s v t l l 1 G Z hiis DN hijs FnPB'B2b hjs C hys AKXY - Theutonicorum] teutonicorum D Theutunicorum B2K 10/11 odio tenebantur] tenebantur odio Y - tenebantur] tenebatur AW II Iohannes] R4FSTBDr Ioannes Μ Joannes R3Z Iohannis L Johannes Ω eminuit] emieuit R2VBNOWYr eminuit in mg. emieuit Τ eminuit s.s. emieuit S - 12 Hus] huß Μ Huss Α hijs Π his R4 - quod] qui W - cognomentum] congnomentum b cognomine tum R 4 n - 12/13 mutuatus] mutatus T1DOPB1Wr mutatus in mg. mutuatus Μ - 13 cum] quum L - peracri] perari B1 - lingua] lingwa CGNYZ - diserta] disserta R3G deserta VO deserta s.s. diserta L - 13/14 multumque] multum R 4 - 14 dialecticis] Dyalecticis C dyaleticis AKLXb diialecticis G dijleticis B 2 dialechicis R3 dialeticis S dialeticis Ω - opiniones] oppiniones Π -

1

5

10

GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

223

in England. Als er auf Johannes Wiclifs Bücher mit dem Titel „De realibus universalibus" gestoßen war, war er von jenen sehr angetan und erstand welche. Unter diesen waren „De civili dominio", „De ecclesia", „De diversis questionibus". Die meisten Bände gegen den Klerus schleppte er wie einen kostbaren Schatz in seine Heimat ein, nunmehr selbst vom Gift der Wiclifiten benetzt und bereit, Schaden zuzufügen. Denn den Stinkfisch, was der Beiname seiner Familie war, d.i. stinkendes Gift, spie er gegen seine Mitbürger aus. Er lieh die Bücher, die er mitgebracht hatte, besonders denen, die die Deutschen haßten. Unter diesen ragte Johannes hervor, von Zwielichter Abstammung aus dem Hause Hus, was Gans bedeutet, mit geborgtem Familiennamen. Weil er einen sehr scharfen Verstand hatte und sehr beredt war und große Freude an der Dialektik hatte und fremde Meinungen liebte,

225 Commodavit autem scripta] Näheres bei Pekaf I 64, 164, 266. 226 Inter quos Iohannes eminuit] Jan Hus (ca. 1369-6.7.1415), gebürtig aus Husinec in Südböhmen, 1393 Bakkalaureus artium, 1394 Bakkalaureus der Theologie, 1396 Magister, seit 1398 Professor der Prager Universität, 1401 Dekan, 1402 Rektor ebenda, vgl. Palacky III 39f.; Smahel II 61-80 und IV 493f. Ders., Husitske Cechy, (Register).

224

228 229 230

ί·27ν 231 232

HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

amaret, avide admodum Vicleffistarum doctrinam arripuit eaque Theutonicos vexare magistros coepit, sperans eo modo confusos Theutones scholam relicturos. Quod cum non succederet, a Venceslao impetratum, ut Pragense gymnasium ritu Parisiensis gubernaretur. Ea res magistratum schole Theutonibus abstulit. Quam ob causam commoti magistri ac discipuli Theutonici generis, iure iurando adacti uno die supra duo milia Pragam reliquere nec diu post circiter tria milia secuti apud Lipzicham, II Misne civitatem, trium dierum itinere a Praga distantem, universale Studium erexere. Bohemis schole sue gubernatio libera patuit, quorum princeps habitus est Iohannes Hus, lingua potens et mundioris vite opinione clarus. Qui ubi satis

1 avide admodum] ad modum auide Y - admodum] ammodum A LGN1 — Vicleffistarum] uiclefistarum ΠΤ Wicleffistarum R2MAG wiclefistarum VXZ Vicleffitarum R ^ ' p b ^ Viclefistarum SDLB2N vicleffistarum BW videffistarum R4 wikleffistarum Κ - 2 eaque] eoque Κ ea V - Theutonicos vexare magistros] vexare theutones magistros Y theutonicos magistros vexare R4VN - Theutonicos] theutunicos Κ teuthonicos b - vexare] uexares R4 rex vexare B1 om. G - coepit] SA cepit R1R2R4T cepit Ω - 3 confusos] confusas G - Theutones] theotones R3 theatones W Theutunes B2 theuthunos Κ scholam] R1R4STIB2W scolas b scolam Ω - cum] quum L tum C - 4 non] om. b - Venceslao] Wenceslao R2IIVANYZ Wengeslao Μ wenczesslao G wenczeslao Κ venteslao B1 uenceslao R 4 -impetratum] imperatum FDL'r impetratum est R4IIVTZ imperatum est F - 5 gymnasium] Gimnasium R3LACOPB1Y ginnasium] GK gynasium Β Gynnasium R4 gijmnasium B2 - ritu Parisiensis] parisiensi ritu Ζ in mg. ritu Ρ - Parisiensis] parisiensium TY pariensis Ν pariense R4n Parisiensi CBB2OWr Parisiensis Ω - 5/6 magistratum] in gratum Κ - 6 schole] R1R3R4SCBL1NN1 sole G scole Ω Theutonibus] Theutunibus B2K - 6/7 commoti] comoti Κ - 7 ac] et G Theutonici] Teutonici B1 Thetunici B2 theutunici Κ - 8 adacti] edacti R4F edacti in mg. adacti Τ - uno] vna APB1 - supra] super R'hf - duo] ij C milia] millia TD - reliquere] relinquere R4IIB1B2GYZ - 8/9 Pragam ... tria milia] om. b - 9 tria] III R2ACGK - milia] millia Τ - secuti] sequti DZ sequuti L - apud] sunt Y aput F - Lipzicham] R1RaFSVTDNOPB1BB2Wb Lipzicam R 2 ^ ^ Lipgicam ML1 Tipczicham C lipczicam GY lipczk Κ lypcensem ζ Lipridiam R4 lipricham Π Lipciam A - Misne] miscie R4n miscie Τ misnen. V mysne Ζ - 11 erexere] exercere B2GOWr heresere R4 eresere Τ - schole] r'r^MB 2 !. 1 scole Ω - gubernatio] gubernacione Ζ - libera] libere B'b 12 habitus est] est habitus R3PB'b - Iohannes] RVlITLABB'GWr Ioannes S Joannes R3Z Johannes Ω - Hus] huß VMAb hijs F hijs s.s. hus Τ his R4 iis L - lingua] ligua VB1 ligwa G lingwa KYZ - 13 opinione] oppinione Tb - ubi] ut Β ubi sibi Y -

1

5

10

GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites B u c h )

225

nahm er die Lehre der Wiclifiten sehr begierig auf und begann, die deutschen Lehrer damit zu plagen, darauf hoffend, daß sie, auf diese Weise verwirrt, die Universität verlassen würden. Als ihm dies nicht gelang, erreichte er von Wenzel, daß die Prager Universität nach der Satzung derjenigen von Paris geleitet würde. Dieser Umstand nahm den Deutschen ihr Universitätsamt. Aus diesem Grunde verließen an einem einzigen Tage über 2.000 Professoren und Studenten deutscher Herkunft, durch Eidschwur verbunden, Prag. Und nicht lange danach folgten ungefähr 3.000 nach Leipzig, einer Stadt Meißens, drei Tagereisen von Prag entfernt, und errichteten ein Generalstudium. Den Böhmern wurde die Leitung ihrer Universität freigestellt. Als ihr Haupt galt Johannes Hus, sprachgewaltig und im Rufe eines ganz reinen Lebenswandels. Sobald er

228 Quod cum non succederet ... gubernaretur] am 18.1.1409 in Kuttenberg. Zum Weggang nach Leipzig kam es im Mai 1409. Vgl. Palacky III 62-64; Smahel II 235-238. 231 Iohannes Hus] vgl. 226.

226

HISTORIA BOHEMICA (Liber secundus)

fidei c o m p a r a t u m sibi existimavit, v e n e n u m , q u o d i a m

1

p r i d e m occulte conceperat, p a l a m evomuit. 233

Fundaverat opulentus q u i d a m civis in u r b e Pragensi s u b nomine Sanctorum Mathie et Matthei h a u d ignobile templum, q u o d Bethleem appellavit reditibus additis, ex

5

q u i b u s d u o predicatores alerentur, qui festis profestisque diebus v e r b u m dei Bohemico sermone plebibus insinua234 rent. H o r u m alter Iohannes assumptus est, qui c u m se libenter audiri animadverteret, multa d e libris Iohannis Vicleffi in m e d i u m attulit asserens in eis o m n e m veritatem

10

contineri adiciensque crebro inter p r e d i c a n d u m , se postq u a m ex hac luce migraret, in ea loca proficisci cupere, a d q u e Vicleffi anima pervenisset, q u e m v i r u m fuisse b o n u m , 235 sanctum celoque d i g n u m n o n dubitaret. Sequebantur Ioh a n n e m clerici ferme omnes ere alieno gravati, sceleribus ac seditionibus

insignes,

qui rerum

novitate

evadere

1 comparatum] compatum X compactum N1 - existimavit] extimauit D 2 occulte] oculte FZK occultum s.s. occulte R3 - evomuit] emonuit Y 4 Sanctorum] om. B1 - Mathie] Mathye Π Mathei Y - et] ac SVLL1 - Matthei] Mathei R2R3VMAN1WX Mattel A machie R4 maphie Π - haud] haut CGPB'b ignobile] nobile r'pb 1 - 5 quod] om. Ζ - Bethleem] betheleem TD bethaleem R3 betlehem C Bettleem A bethelem Ρ bethlehem B'N betleem GK appellavit] apellauit R1R2R3FBDNKL1 appellatur B1 - reditibus] redditus V redditibus Ω - ex] om. L - 6 duo] ij C - alerentur] allerentur FII - qui] Quis B1 - 7 Bohemico] bohemice B1 - 8 Iohannes assumptus est] assumptus est Johannes G - Iohannes] R^IITDlx'BB'BVr Ioannes S Joannes R3MZb Johannes Ω - cum] quum L - 8/9 se libenter] libenter se N1 - 9 audiri animadverteret] animaduerteret audiri G - audiri] audire C - animadverteret] animaduertitur OWr animaduertit Β - Iohannis] R4FHSTDLBB1B2G1Wr om. R ^ l ' n ' x y Johannis Ω - 10 Vicleffi] Wicleffi r V m g x Viclefi FSD Wiccleffi A Wicelfi Ν Vicklefi B2 wiclefi Ζ uiclephi Π Vicleffi N1 uideffi R4 wikleffi Κ - 10/13 in medium attulit ... que Vicleffi] om. R4 in mg. Τ - 10 eis] euis D - 11 adiciensque] MABICN1XYKb adiiciensque SDLB2r adiitiensque Π aliciensque Ο adijtiensque L1 addiciensque BG adijciensque r ' r ^ V t v p W adyciensque NZ - se] om. FII - 12 proficisci] proficissci B2 - 13 Vicleffi] R1R3CBN1OFB1WYrb Viclefi FSDL1 Wicleffi R2MAGKX Wiclefi VZ uiclefi L vicelfi Ν Vicklefi B2 Wiclephi Π - pervenisset] peruenisse C - 14 sanctum] sanctumque W om. MB - celoque] celo W coeloque T1 celumque G celaque C -14/15 Iohannem] FITrDBB'BVN1 YZrb Ioannem S Iohanni L Joannem R3M Johannem Ω - 1 5 clerici] cleri Β2Ν:Υ - ferme] fere PB'b-16 ac] atque R4irrD - seditionibus] seduccionibus G - 161p. 228, v. 1 evadere poenas] penas euadere L1 -

15

GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

227

glaubte, sich genug Vertrauen verschafft zu haben, spie er das Gift, das er schon längst geheim in sich trug, öffentlich aus. Ein reicher Bürger in Prag hatte unter dem Namen der Heiligen Matthias und Matthäus eine nicht unbekannte Kirche errichtet, die er Bethlehem nannte. Er stattete sie mit Pfründen aus, aus denen zwei Prediger unterhalten werden sollten, die an den Festtagen und Vigiltagen das Wort Gottes dem Volk in tschechischer Sprache verkündigen sollten. Als einer von diesen wurde Johannes angestellt. Als er merkte, daß man ihn gerne hörte, trug er viel aus den Büchern des Johannes Wiclif vor und versicherte, daß in ihnen alle Wahrheit enthalten sei. Und häufig fügte er während der Predigt hinzu, daß er, wenn er aus diesem Leben scheide, an den Ort zu reisen wünsche, wohin Wiclifs Seele gelangt sei, der ohne Zweifel ein sittlich guter, heiliger und des Himmels würdiger Mann gewesen sei. Es schlossen sich Johannes fast alle Kleriker an: die, welche drückende Schulden hatten und bekannt waren

233 Fundaverat opulentus quidam civis in urbe Pragensi... haud ignobite templum] Kramär Kriz (Crux institor) stiftete gemeinsam mit Johann von Mühlheim im J. 1391 die Bethlehems Kapelle, Palacky III 35; Smahel I 256f. Zur Lage: Teige, II, S. 795-869. 234 Horum alter Iohannes assumptus est] d.h. Jan Hus; s. 226. - de libris Iohannis Vicleffi] s. 222. 235 Sequebantus Iohannem] seil. Iohannem Hus; s. 226.

228

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

236 poenas arbitrabantur. His et nonnulli doctrina celebres iuncti erant, qui cum in ecclesia dignitatem consequi non potuissent, iniquo animo ferebant sacerdotia maiorum censuum iis committi, qui quamvis nobilitate preirent, scientia 237 tarnen viderentur inferiores. Excecavit eos invidia, ut "qui viderant, non viderent et qui intellexerant, non intelli238 gerent". Proruperunt in blasphemias et, cum aliquibus ignaris fortasse ac vitiosis maledicere possent, in omnes latrare sacerdotes coepere et ab ecclesia catholica recedentes impiam Valdensium sectam atque insaniam amplexi sunt. 239 Huius pestifere ac iampridem damnate factionis dog240 mata sunt: Romanum presulem reliquis episcopis parem 241,242 esse. Inter sacerdotes nullum discrimen. Presbyterum non

1 poenas] r ' s t V penas R^T penas Ω - His] hijs FTPB1b Hys AKN'y habens Π - 2 erant] sunt Β - cum] quum L — 2/3 in ecclesia dignitatem consequi non potuissent] R1R2R3fsmtt1DABC B2NJOWXZr in ecclesia consequi dignitatem non potuissent G'PB'b dignitatem in ecclesia consequi non potuissent LG in ecclesia dignitatem non potuissent consequi Ν in ecclesia dignitatem non possent consequi V in ecclesia dignitatem consequi non possent Y in ecclesia dignitatem consequi potuissent R 4 n - 2 dignitatem] dingnitatem Κ - 3 iniquo] in quo iniquo R4 - ferebant] ferebantur R4GK ferebant corr. e ferebantur Τ — maiorum] mayorum Κ - censuum] censsuum G - 3/4 sacerdotia ... preirent] om. B1 - 4 iis] Is OWr his R3SVBDGLL1NXZ hi R 4 ijs r'r 2 MC hijs FITTB^Pb Hys AKn'y - committi] coniuncti R4 commotti Π - qui quamvis] quamuis qui Ν - preirent] preierant R4n - preierent N1 preierunt Τ - scientia] sententia s.s. scientia L - 5 Excecavit] execrauit R4 execreuit Π - 5/6 qui viderant] qui viderent viderant V - 6 viderant] uiderent R4Z uiderent s.s. uiderant Τ - non viderent] om. R3FB1G1b - viderent] crederentur V viderentur B2 uident R4n - 7 Proruperunt] prorumperunt R4GG' Proruperant Ν - blasphemias] blasfemias LGN!OX - 8 fortasse] forte Ζ - ac] et ZK - maledicere] malidecire V - in] hi D - 9 coepere] r ' s t ' b 2 « ' corpore r cepere Ω - et] om. Ν - ecclesia] eclesia N1 - catholica] katholica AKNN'oxz captolica Μ cathalica G - 9/10 recedentes] recedentium R4n recedentium in mg. recedentes Τ - 10 impiam] ipsam R2MB2GN1OWXYr - Valdensium] Waldensium KXYZ ualdensium FTL ualdentium R4 Valdencium DB'b2 Valdentium Π - atque] et N1 - 1 2 iampridem] pridem V - damnate] dampnate FIIVMDCAGK l'n'pb'yz - iampridem damnate] damnate iampridem Β - 12/13 dogmata sunt] dogmata vulgata sunt Β dogmata Μ - dogmata] domata G'b docmata PB2 - 1 3 reliquis] reliquisse Ζ - 14 sacerdotes] sacerdotem D - discrimen] distamen B2Or dischrimen R3 - Presbyterum] R1FSPWb prespiterum AB2 3presbiterum Ω - non] om. Ρ -

1

5

10

GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

229

wegen Verbrechen und Aufruhr und die glaubten, durch die neue Bewegung ihrer Bestrafung zu entgehen. Ihnen waren auch einige durch ihre Gelehrtheit berühmte Leute verbunden, die, weil sie in der Kirche keine geistlichen Würden erlangen konnten, unzufrieden waren darüber, daß die höheren Priesterämter denen überlassen wurden, die, wenngleich sie auch vornehmer waren, in der Wissenschaft dennoch unterlegen waren. Es blendete diese der Neid, so daß „die, die sahen, doch nicht sahen und die, die verstanden, doch nicht verstanden". Sie brachen in Gotteslästerungen aus, und als sie einige vielleicht Träge und Lasterhafte schmähen konnten, da begannen sie gegen alle Priester zu bellen. Der katholischen Kirche wandten sie den Rücken zu und warfen sich der verruchten Waldenser-Sekte und ihrem Wahnsinn in die Arme. Diese unheilvolle und schon längst verurteilte Sekte hat folgende Glaubenssätze: Der Römische Bischof ist mit den übrigen Bischöfen gleichgestellt. Unter den Priestern gibt es keinen Unterschied. Nicht die Würde, sondern die

237 ut qui viderant ... non intelligerant] vgl. Luc. 8,10: ut videntes non videant et audientes non intelligent. 238 impiam Valdensium sectam] Benennung nach dem Begründer, dem Bürger Peter Valda aus Lyon, die Sekte wurde durch eine Papst-Bulle 1184 verdammt, Palacky III 15f. 239-265 Die Auslegung der Lehre der Waldenser wurde im 18. Jdt. im Zuge der katholischen Gegenreformation der Zensur unterzogen, dazu Pekaf I 168 und 268 mit Anm. 1.

230

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

243 d i g n i t a t e m , s e d vite m e r i t u m e f f i c e r e p o t i o r e m . A n i m a s e corporibus

excedentes

aut

in

eternas

evestigio

1

poenas

244 m e r g i a u t p e r p e t u a c o n s e q u i g a u d i a . P u r g a t o r i u m i g n e m f*28 r 245 n u l l u m i n v e n i r i . II V a n u m e s s e o r a r e p r o m o r t u i s et a v a 246 ritie sacerdotalis i n v e n t u m . D e i ac s a n c t o r u m i m a g i n e s

5

247 d e l e n d a s . A q u a r u m p a l m a r u m q u e b e n e d i c t i o n e s i r r i d e n 248 d a s . M e n d i c a n t i u m r e l i g i o n e s m a l o s d e m o n e s

invenisse.

249 S a c e r d o t e s p a u p e r e s esse d e b e r e sola contentos e l e m o s i n a . 250,251

L i b e r a m c u i q u e v e r b i p r e d i c a t i o n e m patere. N u l l u m c a p i tale p e c c a t u m q u a n t u m v i s m a i o r i s m a l i v i t a n d i gratia tole-

10

252 r a n d u m . Q u i m o r t a l i s c u l p e r e u s sit, e u m n e q u e seculari n e q u e ecclesiastica d i g n i t a t e potiri n e q u e p a r e n d u m

ei.

253 C o n f i r m a t i o n e m , q u a m c h r i s m a t e p o n t i f i c e s i n d u c u n t , et unctionem 254 contineri.

extremam

inter ecclesie s a c r a m e n t a

Auricularem

confessionem

nugacem

minime esse

-

1 sed] set G - Animas] animam B1 - e] om. B2 -112 e corporibus ... poenas] om. R4 - 2 aut in] ad GN1 aut inter B1 - eternas] eternum s. s. eternas L eterna Π - poenas] STT1 pgnas r ' r 2 penas Q - 3 consequi] om. Π - 4 nullum] nulla VB1 - Vanum ... pro mortuis] om. B2 - et] set B2 om. W - 5 sacerdotalis] sacerdotali B2 - inventum] inuentiuum b inventura Ζ - ac] et DGlZb imagines] ymagines R4FnvTTIAKBB1NN1OP vnamlones C - 6 palmarumque] salinarumque B2OWr - benedictiones] benediciones DKb enedicciones VAGNN'z - 6/7 aquarum ... invenisse] mendicancium religiones malos demones inuenisse / aquarum palmarumque benedictiones irridendas Y aquarum palmarumque benedictiones irridendas in mg. R2 - irridendas] inridendas V iridendas D reyciendas Ζ om. L1 — 7 demones] demonas F — 8 pauperes] paupere R4 - contentos] contentas r V - elemosina] elimosina R4FnTP helemosina D elemosyna S - 9 Liberam ... patere] om. B2 Liberam] liberamque OWr - verbi predicationem] predicationem uerbi R3 predicacionem verbi Κ predicationem verbi dei G'b predicationem verbi dei PB1 - patere] debere R4IIT - Nullum] nullumque A - 10 maioris] mayoris ZK -11 tolerandum] R1R2STLCB tollerandum Ω - tolerandum. Qui] tollerandum. Liberam cuique predicacionem verbi dei patere. Qui B2 Qui mortalis] Qui mor Qui mortalis Κ - eum] earn Y eumque Π cumque R4 cumque s.s. eum Τ — 11/12 neque seculari] om. R4n - seculari neque] om. FT - 12 neque ecclesiastica] nec ecclesiastica R4 - ecclesiastica] eclesiastica N1 ecclesia W - dignitate] dogmate Π dingnitate Κ - parendum] parcendum B1 - 13 chrismate] r ' r ^ ^ I I S T D G ' l ' n x crismate Ο - pontifices] om. R2MAGKN1XY - 14 unctionem extremam] extremam vnctionem B ^ extremam vnctionem GG1 — extremam] om. Ζ - ecclesie] eclesie N1 ecclesia Ο - sacramenta] sacra b - minime] om. B1 - 15 Auricularem] Auricolarem L1 - nugacem] om. OWr -

15

GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

231

Tugend macht den Priester zu einem Besonderen. Wenn die Seele den Körper verläßt, wird sie sofort zur ewigen Strafe verbannt oder genießt sofort die ewigen Freuden. Ein Fegefeuer gibt es nicht. Nutzlos ist es, für die Toten zu beten. Das ist eine Erfindung der priesterlichen Habgier. Die Bilder Gottes und seiner Heiligen sind zu zerstören. Die Segnung von Wasser und Palmzweigen ist lächerlich. Die Lebensweise der Bettelmönche ist vom Teufel erfunden. Die Priester müssen arm sein, zufrieden allein mit Almosen. Jedermann muß das Wort Gottes predigen dürfen. Keine Todsünde darf geduldet werden, auch wenn ein beliebiges größeres Übel dadurch vermieden wird. Wer einer todeswürdigen Schuld angeklagt ist, kann weder ein weltliches noch ein kirchliches Amt bekleiden, noch darf man ihm gehorchen. Die Firmung, die die Bischöfe mit Salböl vornehmen, und die letzte Ölung zählen nicht zu den Sakramenten der Kirche. Die Ohrenbeichte ist lächerlich. Es genügt, wenn jeder Gott seine Sünden in seinem

232

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

s u f f i c e r e s u a q u e n q u e d e o in c u b i l i s u o confiteri peccata.

1

255 B a p t i s m u m f l u v i a l i s u n d e n u l l a interiecta sacri olei m i x t u 256 ra r e c i p i e n d u m . C y m i t e r i o r u m i n a n e m u s u m q u e s t u s c a u 257 sa r e p e r t u m ; q u a c u n q u e t e g a n t u r tellure h u m a n a c o r p o r a , 258 nil distare. T e m p l u m d e i late patentis i p s u m m u n d u m es-

5

se - coartare maiestatem eius, q u i ecclesias, monasteria orator i a q u e c o n s t r u u n t t a n q u a m p r o p i t i o r in eis d i v i n a b o n i t a s 259 i n v e n i a t u r . S a c e r d o t a l e s vestes, a l t a r i u m o r n a m e n t a , p a l las, c o r p o r a l i a , calices, p a t e n a s v a s a q u e h u i u s c e m o d i nil 260 h a b e r e m o m e n t i . S a c e r d o t e m q u o c u n q u e loco, q u o c u n q u e

10

t e m p o r e s a c r u m Christi corpus conficere posse petentibus261 q u e ministrare; s u f f i c e r e , si v e r b a s a c r a m e n t a l i a

tantum

262 dixerit. S u f f r a g i a s a n c t o r u m in celis c u m C h r i s t o r e g n a n 263 t i u m f r u s t r a i m p e t r a r i , q u e i u v a r e n o n p o s s u n t . I n c a n o n i 264 cis horis c a n t a n d i s d i c e n d i s q u e f r u s t r a t e m p u s teri. N u l l a d i e a b o p e r e c e s s a n d u m , nisi q u e d o m i n i c a n u n c a p p e l -

1 quenque] quemque FIIADPL1 - peccata] peccata sua B2 - 2 Baptismum] Baptisma G'b - fluvialis] flumialis Tfhiminis Dfluminalis R 4 plunialis X - nulla] milla Μ - olei] dei R4TOWr - 3 Cymiteriorum] I ^ r W s t ^ C D l ' n p z Cijmiteriorum B2 Cimiterium V Cymeteriorum N1 Cimiteriorum Ω questus] que sunt C - 4 quacunque] R1R2R3R4T1G1LIb quaque D quacumque FIICGN'r - tegantur] tollantur Β teguntur B2 - 5 nil] nihil R2R4FIIMN1X nihil s.s. nil τ nichil AG nil Ω - dei] om. G - patentis] RR2R3VMDAP B1B2GG1KN1OWXYrb patens Ω - 6 coartare] cohartare R4 maiestatem] mayestatem Ζ - ecclesias] eclesias N1 ecclesia R4 - monasteria] om. Μ in mg. A - 6/7 oratoriaque] oratoriasque DBB2 oratoria V tanquam] R1R2R3 R4SVMTDLBG1L1WXZ tamquam FIICB'gnn py - eis] iis R3 - 8 Sacerdotales] Sacerdotes Ο - altarium] alterium R4 - 9 corporalia] corperalia N1 - vasaque] uascique r - huiuscemodi] huiusmodi Κ - nil] nihil R4TLB2 nichil ΠΥ - 10 quocunque (loco)] R^R^FSDLG'L'NZrb quocumque R 4 nN ] - 10/11 quocunque (tempore)] R1R2R3R4FSADLG1L1NZrb quocumque IICBN1 om. Ο - 11 tempore] loco L — sacrum] sacri R4 - conficere] efficere L1 - posse] om. R4 - petentibus] patentibus GXY patentibus s.s. petentibus Μ - 11/12 petentibus ... sufficere] om. R4 - 12 verba sacramentalia tantum] verba tantum sacramentalia R2BY - sacramentalia] sacralia B1 - tantum] om. R2BY - 10 dixerit] dicat B2G!b dixerat B1 - sanctorum in] sanctorum iam in R4FIISVTCBDLL1NZ - 14/15 canonicis horis ... tempus teri] canonicis horis frustra tempus conteri cantandis dicendisque B2 - 15 dicendisque] ducendisque R4 dicendique V 16 opere] opera DL1 - dominica] dominicam Y -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

233

Schlafzimmer bekennt. Die Taufe ist im fließenden Wasser vorzunehmen, ohne Salbung mit heiligem Öl. Ein Friedhof ist eine sinnlose Einrichtung, aus Geldgier erfunden. Es macht nichts aus, von welcher Erde die Leichen bedeckt sind. Die Welt selbst ist Gottes weit offenstehender Tempel. Wer Kirchen, Klöster und Kapellen baut, zwängt die Majestät Gottes ein, als ob man darin die göttliche Güte zuvorkommender anträfe. Priestergewänder, Altarschmuck, Kelchtuch, Hostientuch, Kelch, Oblatenteller und die liturgischen Geräte haben keine Bedeutung. Der Priester kann überall und jederzeit den heiligen Leib Christi gegenwärtig setzen und auf Verlangen darreichen. Es genügt, wenn er nur die Sakramentsworte spricht. Die Fürbitten der mit Christus im Himmel regierenden Heiligen werden vergeblich angerufen, da sie nicht helfen können. Mit dem Singen oder Sprechen des Stundengebetes wird unnütz Zeit vertan. An keinem Tag darf man die Arbeit ruhen lassen, außer am sogenannten Tag

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

265 latur. Celebritates sanctorum prorsus reiciendas, ieiuniis quoque ab ecclesia institutis nihil inesse meriti. 266 Sbinco cognomine Lepus, claris parentibus apud Bohemos ortus, per idem tempus Pragensem ecclesiam pontificio retinebat, consilio et animo illustris, qui orienti calamitati obviam ire cupiens, priusquam amplius debaccharetur, libros Iohannis Vicleffi ad se ferri omnesque doctorum virorum II adhibito consilio publice concremari iussit. 267 Supra ducenta volumina fuisse traduntur pulcherrime conscripta, bullis aureis tegmentisque pretiosis ornata. 268 Iohanni predicatio interdicta et adiecte mine, si quando 269 priores in populum errores vulgare auderet. Ipse Praga excedens apud villam, unde sibi origo fuit ac cognomen, permittente loci domino, qui eius insanie favebat, vocare plebes ac docere non destitit, multa in Romanum presu-

1 prorsus] rursus R3PB1B2G1b - reiciendas] FIISVCABDGKPB^^ reiicien-

d a s R 4 L r e y c i e n d a s NN'z r e i j c i e n d a s Ω - I e i u n i i s ] FSDLR I e i u n i j s I I T B ' L ' W

ieiunys VNN'XYZ Jeiunys κ Jeiunijs Ω - 2 ecclesia] eclesia N1 - nihil] nichil FHVCABGG1NPB1WYZ - inesse] esse Β-3 In fronte lineolae Zbinko. Isti prefati Articuli hereticales editi ab isto, cuius supra n(omen) p(onitur) B2 Sbinco] Sbinko Κ Ibinco Τ Subinco B2Glb Abinco Π Sbynco Ζ - cognomine] nomine ΠΤ - claris] clarus OWr - apud] aput FK - 4 ortus] natus D - idem] diem Π - ecclesiam] eclesiam N1 - 4/5 pontificio] pontificem G pontifico Π 6/7 debaccharetur] R'sVDNOWZr debaccaretur R2MALN1X debacchare Τ debracharer Π debracharet R4 debacharetur Ω - 7 Iohannis] R4IITDLL1BB1rb Ioannis R3S Joannis MZ om. C Johannis Ω - Vicleffi] R^CBON'PB'YB Wicleffi R2MGX wikleffi Κ Vicliffi Wr Wiccleffi A vicelfi Ν uiclefi TL uideffi R4 videffi G1 Viclefi FIBB 2 !, 1 wiclefi VZ - ferri] ferre N1 referri κ - ferri omnesque] ferri iussit omnesque B2 - omnesque] omniumque Ν - 8 adhibito consilio] consilio adhibito FB1G1b exhibito consilio N1 - publice] omnes VN - concremari] cremari R4FnsVTBCDKLL1NZ - 9 ducenta] MLB2G'b ducentum T'L1 CCta R3ABCPB1K CC R1R2R4FIISVTDGNN10 WXYZr - traduntur] tradunt Β - pulcherrime] pulcerrime R2OXb pulcherime Κ - 10 tegmentisque] tegumentisque PB^'Kb argenteis R2MGN1XY del. argenteis s.s. tegmentis A - pretiosis ornata] ornata preciosis Y - 11 Iohanni] R4FIISTDlXlB1r Joanni R3MZ Johanni Ω - adiecte] adyecte Ζ abiectae R4 12 populum] populo R3PB1B2G1b - vulgare] wlgare VAZK - auderet] audiret G - Praga] pragam Y - 13 excedens] excidens OWr audiens G - apud] aput Κ - unde] ubi R3MPB1B2G1b del. Vbi s.s. vnde A - cognomen] cognomine G cognomenti B2 - 14 permittente] pretermittente WZ - favebat] faciebat R4 - 15 destitit] desistit PBVG'b -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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des Herrn. Die Heiligenfeste sind vollkommen zu verwerfen. Fasten, auch das von der Kirche angeordnete, hat keinerlei verdienstliche Kraft. Zbinko, mit Beinamen Hase, von berühmten Eltern in Böhmen abstammend, stand zu dieser Zeit der Kirche von Prag als Bischof vor, bekannt wegen seiner Weisheit. Er wollte dem entstehenden Unheil entgegentreten, bevor es weiter um sich griff. Darum ließ er sich die Bücher des Johannes Wiclif bringen und sie alle, nachdem er mit gelehrten Männern sich beraten hatte, verbrennen. Über 200 Bände sollen es gewesen sein, herrlich geschrieben und mit goldenen kostbaren Buchdeckeln geschmückt. Johannes wurde die Predigt untersagt, und es wurde ihm Strafe angedroht, wenn er es irgendwann wagen sollte, seine früheren Irrtümer im Volk zu verbreiten. Er selbst verließ Prag und hörte nicht auf, in dem Dorf seiner Abstammung und seines Namens mit Erlaubnis der Ortsherrschaft, die seiner Torheit gewogen war, die Bevölkerung zusammenzurufen und zu lehren. Viele Verwünschungen gegen den Römischen Bischof trug er zusammen und viele gegen die

266 Sbinco cognomine Lepus] Zbynek Zajic von Hasenburg, Erzbischof von Prag 1403-1411. - libros Iohannis Vecleffi ... concremari iussit] am 16. Juli 1410, Palacky III 70f.; Smahel II, S. 241. 268 Iohanni predicatio interdicta] mit der Bulle Papst Alexanders V., datiert vom 20.12.1409; in Prag wurde sie am 9.3.1410 verkündet, Palacky III 69; Smahel II 239. 269 Ipse Praga excedens] Anfang Dez. 1412, Palacky III 89; Smahel II 264 und 266. Hus zog sich nach Kozi Hrädek (Ziegenberg) unter den Schutz des J a n von Usti in Südböhmen zurück.

236

270 271 272,273

274 275

HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

lem, multa in reliquos ecclesie pontifices maledicta congerens utque populi animos sibi magis ac magis conciliaret, decimas haud aliter quam elemosinas sacerdotibus debitas liberum esse predia possidentibus, si velint, eas dare, si nolint, nullo iure cogi posse. Nondum error de sacramento altaris irrepserat. Sed attulit novam pestem Petrus Drasensis. Id est oppidum Misne super Albim situm. Qui cum aliis Theutonibus paulo ante Bohemiam reliquerat, cognitus inter suos, quia Valdensi lepra infectus esset, patria pulsus velut hereticorum asylum Pragam repetiit puerorumque docendorum curam accepit. Apud ecclesiam Sancti Michaelis per id temporis populum predicando instruebat Iacobellus Misensis, litterarum doctrina et morum prestantia iuxta clarus. Hunc Petrus aggressus mirari se ait doctum et sanctum virum, qui divina eloquia plebibus exponeret, errorem ilium non animadvertisse 1 multa] om. Β - reliquos] reliquas R4nT - ecclesie] eclesie N1 - ecclesie pontifices] pontifices ecclesie Κ - 2 utque] et quoque D - animos] animus Y sibi] om. OWr - 3 haud] haut CGPß'b aut R4!·1 aut corr. in haut τ - elemosinas] elimosinas R3FTN elymosinas B1 elemosynas S helemosinas Π - Zip. 244, v. Ρ debitas ... claman(tibus)] om. G1 - 3/4 debitas liberum] debitas astruit liberum B^b - 2 esse] om. b - 4/5 eas dare, si nolint] om. B1 - 5 nullo] nollo Ν - cogi] cogere N1 - Nondum] Nundum r T t ' d - de] a VN - sacramento] sacro B1 - 6 altaris irrepserat] irrepserat altaris B2 - irrepserat] irrepsit Y 6/7 Drasensis] Trasensis B2OWr Dresensis Y Drasnensis Κ - 7 est] om. B?b oppidum] opidum FirvTCAPB1DGKYZb - Misne] mysne Ζ - Albim] albeam R2KY albeim Π om. b - situm] sicium b om. R4 serius ascr. Τ - 8 aliis] SDLr alys AKNN'xy alijs Ω - Theutonibus] teutonibus DGPB'z Theutunibus B ^ reliquerat] relinquerat Π relinquerat corr. in reliquerat Τ - 8/9 cognitus] cognitos R4FII cognitos s.s. cognitus Τ - 9 Valdensi] waldensi KZ ualdensi R3R4nTLr - esset] inesset Β - 10 velut] Velud NN10 veluti Β in mg. V - asylum] R'ST'VDLN asillum Ο asilium R ^ V asilum Ω - repetiit] SDLWr repetit R ^ T repetijt R'llO repetunt W reperijt B1 repecyt KNN'XY pecijt C repecijt Ω - 11 Apud] Aput FK - ecclesiam] eclesiam N1 - 12 Sancti] .S. Κ - Michaelis] Michahelis A micaelis Β - id] idem V - temporis] tempus BZ temperus VTD 12/13 predicando instruebat] instruebat predicando B1 - 13 Iacobellus] RVnsTLBB^ Jacobellus Ω - Misensis] CL1 Missensis R ^ mysnensis Ζ Misnensis Ω - 14 Hunc Petrus] R4FirrVDLBNZ s.s. S Petrus hunc B'b aggressus] agressus Ο - 15 mirari] mirare N1 - ait] ayt N1 - sanctum] sanctorum C - eloquia] elloquia Ο eloquentia B2 - 16 plebibus exponeret] exponeret plebibus Y - exponeret] exponetur C - ilium] alium R2MGN1Y animadvertisse] animo aduertisse SVDLL'z aduertisse Κ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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übrigen Priester der Kirche. Und damit er die Begeisterung des Volkes immer mehr für sich gewönne, sagte er, daß man den Priestern den Zehnten nur als Almosen schulde. Denen, die ein Landgut besitzen, sei es freigestellt, den Zehnten zu geben, wenn sie es wollten, wenn nicht, könnten sie durch kein Recht dazu gezwungen werden. Der Irrtum über das Altarsakrament hatte sich noch nicht eingeschlichen. Aber neues Unheil brachte Petrus von Dresden, d. h. die Stadt Meissen über der Elbe. Dieser hatte mit anderen Deutschen kurz vorher Böhmen verlassen. Von seiner Umgebung verurteilt, weil er von dem Waldenser-Aussatz angesteckt war, suchte er, aus seiner Heimat vertrieben, Prag auf, sozusagen als Häretikerasyl, und übernahm die Aufgabe, die Kinder zu belehren. In der Kirche des hl. Michael unterwies zu dieser Zeit Iacobellus von Mies das Volk durch seine Predigten. Durch die Gelehrtheit in den Wissenschaften war er ebenso berühmt wie durch die Vorzüglichkeit seines Charakters. Ihn griff Petrus an und sagte, er sei verwundert, daß ein gelehrter und heiliger Mann, der den Volksschichten das Wort Gottes erkläre, jenen Irrtum über die eucharistische Kommunion nicht

271 Petrus Drasensis] vgl. dazu Palacky, VI 425f. Anm. 286 und Smahel II 58. 273 hereticorum asylum Pragam] vgl. I 30: hereticorum asylumque Thabor. 274 Apud ecclesiam Sancti Michaelis] in der Prager Altstadt. Zur Lage: Teige I, S. 733-748. - Iacobellus Misnensis] Jacobus von Stribro [Jakobellus von Mies] (ca. 1373-1429), führender hussitischer Theologe.

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

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communionis eucharistie, qui iam pridem ecclesiam pes-

1

sumdasset, in qua sub una tantum specie dominicum corpus populo ministratur, cum apud Iohannem Euangelistam et apostolum Christo dilectissimum sub duplici 276 specie, panis vinique, sumi iubeatur dicente apud eum

5

Salvatore ,Nisi manducaveritis carnem Filii hominis et biberitis eius sanguinem, non habebitis vitam in vobis.' 277 Commotus his Iacobellus cum perquisitis vetustis sanctorum doctorum codicibus, Dionysii presertim et Cypriani, communionem calicis laudatam invenisset, prohibitus apud sacellum archangeli Michaelis predicare, in templo •29r

maiore Sancti Martini ca II thedram sortitus publice commonere populum coepit, ne deinceps communionem cali-

1 communionis] communiones V - eucharistie] eucaristie R2SM heucaristie D eukaristie VBB2GKN1OXYZ - pridem] pridie G - ecclesiam] ecclesie V 1/2 pessumdasset] pessundasset R2R4IISVTDLAB1B2KN N ] WYZ possedisset Β pessumdasset Ω - 2 sub una tantum] tantum sub vna PB1 sub una tantum corr. e tantum sub vna L 1 - specie] spetie C - 3 populo ministratur] ministratur populo AK - populo] οπι. R 2 mgn'xy - cum] quum L - apud] aput Κ - Iohannem] R1R4FIITDLL1BBlGWr Ioannem S Joannem r 3 m z Johannem Ω - 3/4 Euangelistam] Ewangelistam VAB'OKNXYZ - 4 et] om. Β - apostolum] appostolum Ο - Christo] Christi R2MGXY - dilectissimum] R ' R ^ V n s V T L LlCBPB1BzKNOWZrb djlicissimum A dulcissimum D doctissimum R2MGN'XY - duplici] dupplici R4B - 5 panis vinique] panis et vini Β panis et vinique GN1 - vinique] vnique W - sumi] summi R2R3MLB2 KXZ suum R ^ O - iubeatur] iubentur R 3 uideatur R 2 MAGKn'xy videbatur W dicente] dicende R4 dicende s.s. dicente Τ - apud] apostolo Β aput Κ - eum] cum Β - 6 carnem] carnen D - Filii] filii SLB2r fily AKNN'XY filij Ω - 7 biberitis] bibitis C - sanguinem] sangwinem B1KNZ sagwinem C saguem G habebitis] habetis nvb - 8 Commotus] conmotus F Comotus A - his] ijs R 2 hiis

DB^

hijs

FITTCPB^

hys

AKN*X

-

Iacobellus]

Jacobellus

r'r^VA

CKNN'oy - cum] tamen Y - perquisitis] perquisijstis V perquesitis Y perquisitus OWZr - vetustis] uestutis Π vetustatis Ο - 9 Dionysii] r ' s l dionisij R^^NTCPB'L· 1 dionisy AGNXY Dyonisy KN'z Dijonisii B2 dyonisij R2MVBWb dyonisii Dr - Cypriani] R1R2SMDLKBN1 Cijpriani B2 Cipriani Ω 10 calicis] cacalicis Κ - prohibitus] prohitus F -11 apud] aput FK - sacellum] satellum Π sasellum G - Michaelis] Michahelis A michiaelis Ρ - predicare] predicatore Κ om. OWr - 1 2 maiore] maiori R'FIRRG mayori Κ - Sancti] .S. Κ - Martini] marini Π - cathedram] catedram C chathedram R4 katedram ζ kathedram B^Kb catthedrami W - 12/13 commonere] commouere R ^ L O W Y B 2 ^ comonere A - 13 populum] om. G - coepit] SB2W caepit R4 cepit r ' t cupit A cepit Ω -

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GESCHICHTE BÖHMENS (Zweites Buch)

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bemerkt habe, der die Kirche schon lange verderbt hätte; in ihr würde nämlich der Leib des Herrn nur unter einer Gestalt gereicht, obwohl beim Evangelisten und Apostel Johannes, dem Lieblingsjünger Jesu, befohlen werde, daß man ihn unter beiderlei Gestalt, nämlich des Brotes und des Weines, empfange. Sage doch der Heiland bei ihm: „Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes eßt und nicht sein Blut trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch." Das machte Eindruck auf Iacobellus. Als er die alten Bücher der heiligen Gelehrten, besonders von Dionysius und Cyprian, durchstudiert hatte und das Lob der Kelchkommunion gefunden hatte, begann er, da er in der Kapelle des Erzengels Michael Predigtverbot erhalten, aber in der größeren Kirche des Heiligen Martin die Kanzel bekommen hatte, das Volk allgemeinverständlich aufzuklären, daß es von nun an die Kelchkommunion,

276 Nisi manduceveritis carnem filii hominis] cf. Mat. 26, 26-29; Mc. 14, 22-25; Lc. 22, 18-20; 1 Cor. 11, 23-25. 277 Iacobellus] vgl. ο. II 274. - Dionysii presertim et Cypriani] vgl. Rudolf Rican, Ctyri vyznäni (...), Vier Bekenntnisse. Prag 1951, S. 42, Anm. fund g. - apud sacellum archangeli Michaelis] s. ο. II 274. - in templo maiore Sancti Martini] Kirche in der Prager Altstadt.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

cis, sine qua salvari nemo posset, quoquo pacto negligerent. Huic omnes heretici consensere haud modica gestientes letitia, quod articulum invenissent in Evangelica lege fundatum, per quem Romane sedis vel ignorantia vel nequitia redargui posset. Odioso quamvis hec animo rex intelligeret, desidia tarnen corruptus et inertia torpens impune debacchari sinebat hereticos. Sbinco archiepiscopus ubi nullum adversus tantum emergens malum in Venceslao presidium invenit, ad Sigismundum, Hungarie regem, confugit obsecrans atque obtestans, ut negligentiam fratris emendet neque labefactari orthodoxe fidei sacramenta permittat. Dat fidem Sigismundus petiturum se brevi Bohemiam, ecclesie catholice consulturum. Sed dum dies de die ducitur, Sbinco apud Posonium in Hungaria

I salvari nemo] nemo saluari Y — salvari] saluare B2 saluatore R4Fn saluatore in mg. saluari Τ - posset] poscit R4 poscit s.s. posset Τ possit FII -1/2 negligerent] negligerint C neggligerent B1 - 2 Huic] Hunc D - consensere] consensire R4 consere D consenserunt b - haud] haut CGN'PB'b aut T1 - 3 gestientes] gestienses Y gestiens L gescientes Π - quod] quo Β invenissent] inuenisset D - in] om. CB - Evangelica] Ewangelica VCGKNN'XYZ - 4 Romane sedis] Romana sedes Y - 5 redargui] argui R3PB1b - posset] possit T^B - hec] hoc GOWr - 6 intelligeret] inteligeret A intelligeret et Ν1 — desidia] desidiam R4 desidiam s.s. desidia Τ desideria C inertia] inhercia Ο inhertia IITL — torpens] torporis Ζ corporis s.s. torpens R3 - 7 impune] inpune Ν - debacchari] R'R^B'cDNOWr debachari s.s. debacchari ST debaccari R2MAKLN1 debachari Ω - Sbinco] Subinco B'ßWb Sbincho L Sbinko Κ - 8 malum] nullum in mg. malum Ρ - in] ut in mg. in Τ - 9 Venceslao] Wenceslao rVawxyz Wen?eslao Μ wenczesslao G wenczeslao Κ Venteslao Ρ wenteslao B1 uenceslao R4L - Sigismundum] segismundum B1 - Hungarie] Vngarie CG - 9/10 Hungarie regem] regem hungarie R4TN - 10/11 negligentiam] negligensiam D negligentia Π II labefactari] labefactare N1 - orthodoxe] ortodoxe C orthodose R4 12 sacramenta] sacra Β - Sigismundus] segismundus B1 sigimundus Π 13 se brevi] breui se PB1 se breui tempore R2MAGKN1XY - Bohemiam] boaemiam X - ecclesie] eclesie N1 - catholice] captolice R2m katholice X katolice Ζ - Sed] om. C - 14 dum] cum L1 om. R4FII in mg. Τ - de] om. SP de die] om. FITT - die] om. R4 - ducitur] deducitur ΠΤ ductus R4 - Sbinco] Subinco B'B2N'b Swinko Κ - apud] aput F - Posonium] Bosouium Or Bosonium W posmum R+Fn posmum in mg. Bosonium Τ basonium PB1 Basonium Pesinium B2 pesonium Ζ Pozonium N1 postinium b - 14IP- 246, v. 3 i n Hungaria ... ceteris eius re(gni)] om. Π - 14/p. 242, v. 1 Hungaria] vngaria G ungaria Κ -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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ohne die niemand das Heil erlangen könnte, auf jeden Fall beachten sollte. Alle Häretiker stimmten ihm zu, in nicht geringer Freude frohlockend, daß sie eine Lehre im Gesetz des Evangeliums gegründet gefunden hätten, wodurch entweder die Unwissenheit oder die Fahrlässigkeit des Apostolischen Stuhles bewiesen werden könnte. Obgleich der König dies als anstößig zur Kenntnis nahm, ließ er, von Trägheit verdorben und gelähmt, die Häretiker dennoch ungestraft ihr Unwesen treiben. Als der Erzbischof Zbinko bei Wenzel gegen dies so große sich ausbreitende Übel keinen Schutz fand, nahm er seine Zuflucht zu König Sigismund von Ungarn und beschwor ihn inständig, daß er die Nachlässigkeit seines Bruders bessere und nicht zulasse, daß die Sakramente des rechten Glaubens ins Wanken gerieten. Sigismund gab ihm das Versprechen, in Kürze nach Böhmen zu reisen und sich um die katholische Kirche zu kümmern. Aber als Tag für Tag verging, starb Zbinko in Preßburg in Ungarn. Albik wurde sein Nach-

280 Sbinco archiepiscopus] s. 266. - ad Sigismundum ... confugit] i. J . 1411; Zbynek Zajic von Hasenburg t 28.9.1411 in Preßburg; vgl. Palacky III 80. In Wirklichkeit starb der Prager Erzbischof, bevor er sich mit Sigismund treffen konnte. 282 Sbinco apud Posonium moritur] s. 280. - Albicus ei sufficitur] Albik von Unicov (aus Mährisch Neustadt), Erzbischof von Prag 1411-1412.

242 moritur

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus) et A l b i c u s

ei s u f f i c i t u r n a t i o n e B o h e m u s ,

arte

1

m e d i c u s et S i g i s m u n d o p r o p t e r e a earns, u n i c u m e x t r e m e avaritie b a r a t r u m , q u i c l a v e s Celle v i n a r i e n u l l i alteri q u a m sibi ipsi c r e d i d i t et a n i m a l i a v i v e n t i a d o n o accepta

mox

v e n d i d i t , et q u i a s u m p t u o s o s esse c o q u o s d i d i c e r a t , a b i e c 283 tarn a n u m p o p i n e

s u e prefecit. I n t e r r o g a t u s

5

aliquando,

s o n o r u m o m n i u m q u e m molestius audiret, , M a x i l l a r u m ' , 284 inquit, ,ossa f r a n g e n t i u m ' . I d o n e u s p r o f e c t o p o n t i f e x , q u i s u r g e n t i f o m e n t u m heresi daret. 285

I n f e s t a b a t ea t e m p e s t a t e R o m a n a m ecclesiam L a d i s l a u s ,

10

rex N e a p o l i t a n u s , a d v e r s u s q u e m I o h a n n e s , p a p a Tertius et Vicesinus, b e l l u m decernens plenariam peccatorum remiss i o n e m i n d u l s i t iis, q u i a d t u e n d a m e c c l e s i a m a r m a i n d u e 286 rent. R e c i t a b a t u r in ecclesia P r a g e n s i d e c r e t u m pontificis. 287 Q u o d c u m tres s o r d i d e artis h o m i n e s a u d i s s e n t , I o h a n n e m p a p a m A n t i c h r i s t u m esse m a g n a v o c e c l a m a v e r u n t ,

qui

1 sufficitur] substituitur Ο - natione] om. N1 - Bohemus] del. et ascr. Teutonicus Ο - 2 Sigismundo] segismundo B1 - 3 baratrum] barathrum VN bradrium D - 4 ipsi] ipse B4 om. LG - animalia] aliam G - 4/5 animalia ... vendidit, et] om. Β?Ύ — 5 quia] om. Ν — sumptuosos] sumptuosus G sumptuosas B1 - esse] om. DB - coquos] cocos R2MAN1Y cocuos LX'KX equos DOWr locus esse G - 5/6 abiectam] obiectam PB1 - 6 popine] coquine B2 propine R4 - 7 sonorum] sociorum R4 sociorum in mg. sonorum Τ - Maxillarum] massillarum R ^ maxillorum B1 - 8 inquit] inquid Ν - Idoneus] Ydoneus FVTDN - 9 surgenti] surgente N1 - fomentum] fomentus D - 10 Infestabat] Interfestabat D et instabat W - Romanam ecclesiam] om. R4 in mg. Τ Romanam] ro. Β - ecclesiam] eclesiam N1 - Ladislaus] Vladislaus B2 latislaus RVT - 1 1 Neapolitanus] neopolitanus DG Narpolitanus Υ - Iohannes] R4FTDL L'owr Ioannes S Joannes R2M Ιο. Β Jo. AK Johannes Ω - papa] om. R4 in mg. Τ - Tertius] tercius PB'XYZ III RIR2R3FSVACG XX del. et in mg. iij Τ iij 9 Μ .iii. D iij Κ quartus N1 vicesimus B2 .xx. R4 - et] om. B2 - Vicesimus Zb uigesimus R2MGN'XY XX R^SVLL'KCOPWr XX"8 FDABB N tres R4 in mg. iij Τ - decernens] discernens B2 descernens N1 - 12/13 remissionem] indulgenciam Ζ - 13 iis] SDLr ijs R^MBL'W his R3R4VB2GN hijs FTCPB'b hys AKXYZ ys N1 om. Ο - tuendam ecclesiam] ecclesiam tuendam Ρ eclesiam tuendam B1 - tuendam] thuendum D tutandum R4 tutandum s.s. tuendam Τ - ecclesiam] eclesiam N1 - 13/14 induerent] inducerent T'W induerant G - 1 4 ecclesia] eclesia N1 - 15 cum] quum L - tres] iij C 3s G quidam B ^ artis] aures B2 — homines] omnes N1 — audissent] audyssent Ν — Iohannem] R4FTLL1BBIWr loannem S Joannem R3MZ Johannem Ω - 16 Antichristum] antechristum R^R'OPR anticristum VT antecristum N1 anthichristtim R2MF anthicristum CN - clamaverunt] clamarunt G -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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folger, von Abstammung ein Böhmer, von Beruf Arzt und deswegen von Sigismund geschätzt, ein einzigartiger Schlund äußerster Habgier, der die Schlüssel des Weinkellers niemand anderem als sich selbst anvertraute und als Geschenk erhaltene lebende Tiere sogleich verkaufte. Weil er erfahren hatte, daß Köche teuer sind, machte er eine häßliche alte Frau zur Leiterin seiner Küche. Einmal gefragt, welches von allen Geräuschen er nur mit Ärger höre, sagte er: die Knochen krachender Kinnbacken. Wahrlich ein geeigneter Bischof, der einer entstehenden Häresie die Brutwärme gab. Zu dieser Zeit brachte König Ladislaus von Neapel der Römischen Kirche Gefahr. Papst Johannes XXIII. hatte sich zum Krieg gegen ihn entschlossen und einen vollkommenen Ablaß für alle verkündet, die zum Schutz der Kirche die Waffen ergriffen. In der Kirche von Prag wurde das Dekret des Papstes verlesen. Als drei Menschen aus einem schmutzigen Gewerbe dies gehört hatten, schrien sie laut, Papst Johannes sei der Antichrist, da er Verbrechen gegen die Christen beschlösse. Der

285 Ladislaus, rex Neapolitanus] regierte 1386-1414. - Iohannes papa Tertius et Vicesimus] 1410-29.5.1415, abgesetzt durch das Konzil in Konstanz, t 1419. 287-293 Quod cum tres sordide artis homines audissent ... condita] 10/11.7.1412. Vgl. Palacky III 84f.; Smahel II 65f.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

288 crucem contra christianos decerneret. Eos evestigio sena289 tus in carcerem rapi iussit. Populus vero susceptis armis dimitti omnes II petiit, sed placatus oratione senatus, tanquam vita captivorum in tuto esset, suam quisque do290,291 mum rediere. De illis clam supplicium sumptum. At cum sanguis extra ianuam pretorii defluens indicium necis fecisset, iterum accurrens populus interemptorum corpora rapuit et aureo circumvoluta panno per omnes urbis ecc292 lesias detulit clamantibus eiusdem secte sacerdotibus: ,Isti sunt sancti, qui pro testamento dei sua corpora tradide293 runt.' Exin cadavera in sacrario apud Bethleem quasi martyrum reliquie aromatibus condita. 294 Dum hec aguntur, generale concilium apud Constantiam, Suevorum urbem, cogitur, in quo de rebus Bohemicis 295 sermo habitus. Patrum mentes ingens cura confecit, volventium animo, quonam modo sanari provincia posset. 1 crucem contra christianos] contra christianos crucem CB - Christianos] cristianos NPb'b2 - decerneret] descerneret N1 - evestigio] efestigio Κ 2 rapi] capi R4 capi s.s. rapi Τ trahi N1 - 3 dimitti] diuicti Κ*Τ - omnes] homines r 4 f t v d l 1 n p z eos Β - petiit] IISDL petit R4T petyt Ν pecyt AKNXYZ petijt r'r 2 FMCB 2 l' peciit N1 pecijt Ω - placatus] placatur LZ placatos N1 pacatus Β - 4 tanquam] R2R3R4IIMTDLAB1G G'xZrb tamquam CBPNN1 5 rediere] redire r W c g k l n ' x y rediende R4 periere s.s. rediere R3 reddiere D - De] om. R4 - clam] eciam B 2 - supplicium] supplicum PB1 sumptum] sum R4 sumptum clam etc. B 2 - At] BB2OWrb ac in mg. at Τ et Υ Ac Ω - cum] quum L - 6 sanguis] saguis VB2G sagwis C sangwis B1KNYZ ianuam pretorii] pretorij ianuam R3VNPB1B2b - indicium] iudicium R4GOPWYr iudicium s.s. indicium Τ - 8 rapuit] rapit R2MAKXY arripuit W radit N1 om. G - circumvoluta] circomuoluta D circumuoluto PY circumuolato B 1 — 9 ecclesias] eclesias N1 - clamantibus] damnantes Ο clamantes Wr - secte] septe R4 saecte L - 11 Exin] Exinde R2mvbIGKN1XY - in] om. Ζ - apud] aput Κ in B ^ - Bethleem] betheleem R3 betlehem C bothelem Ρ bethleem reposita B2G'b Betleem GK - 12 martyrum] R'sLG'b martirum Ω - reliquie] relliquie X reliqe R4 - 13 In fronte articuli De Johanne (G'b: iohanne) hus et Iheronimo (A: Jeronimo) heresiarchis in Constantiensi concilio (G1b: consilio - B2: magna sinodo) igne combustis (G'b in mg. A: igni traditis). Capitulum XXXVI (B2: 36) Β 2 0 ^ in mg. A - concilium] consilium DLBG1? - apud] aput f t k - 13/14 Dum hec aguntur ... cogitur] om. B 1 - Constantiam] Constantiam in Germania B 2 - 14 Suevorum] Sweuorum ZK - urbem] vrbe Ο - cogitur] cogi R 4 agitur Β congeritur N1 congregatur et coegitur B2 - 16 sanari provincia] provincia sanari GN1 posset] possit N1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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Stadtrat ließ diese sofort ins Gefängnis werfen. Das Volk aber bewaffnete sich und verlangte, daß alle freigelassen würden. Aber durch eine Rede des Stadtrates besänftigt, als ob das Leben der Gefangenen in Sicherheit wäre, ging ein jeder nach Hause. An den Gefangenen wurde die Todesstrafe heimlich vollstreckt. Aber als das Blut vor das Tor des Rathauses flöß und die Hinrichtung verriet, lief das Volk wiederum zusammen, raubte die Leichen der Hingerichteten, wickelte sie in goldgelbe Tücher und trug sie in alle Kirchen der Stadt, wobei die Priester eben dieser Sekte laut riefen: „Dies sind die Heiligen, die für das Zeugnis Gottes ihr Leben hingegeben haben!" Darauf wurden die Leichname in der Bethlehem-Kapelle aufgebahrt, gleichsam mit dem Duft einer Märtyrerreliquie gewürzt. Während dieser Vorgänge wurde nach Konstanz, einer Stadt in Schwaben ein allgemeines Konzil einberufen. Auf ihm hielt man Aussprache über die Vorgänge in Böhmen. Die Konzilsväter erfüllte große Sorge, so daß sie überlegten, auf welche Weise man das Land heilen könnte.

290 De illis clam supplicium sumptum] 11.7.1412. 292 „Isti sunt sancti"] den Gesang begann Mag. Johann von Jicin, Palacky III 85. 294 Dum hec aguntur, generale concilium apud Constantiam ... cogitur] zum 1.11.1414, tagte bis 1418; Palacky III 97; W. Brandmüller in: Lex. d. MA.s V 1991, Sp. 1402-1405.

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HISTORIA B O H E M I C A (Liber secundus)

296 P l a c u i t q u e t a n d e m S i g i s m u n d e » i m p e r a t o r e s u a d e n t e I o h a n n e m et H i e r o n y m u m a d s y n o d u m e v o c a r i , q u i

1

cum

ceteris e i u s r e g n i doctiores, turn p o p u l i d u c t o r e s ac h e r e 297 s u m p r i n c i p e s h a b e b a n t u r . V e n e r u n t a m b o n o n t a m v e r e c u n d e aliena discere, q u a m s u a i m p u d e n t e r i n g e r e r e p a r a -

5

ti, d o c e n d i q u i p p e q u a m d i s c e n d i c u p i d i o r e s et p o p u l a r i s 298,299 a m a n t e s a u r e . A u d i t i s u n t in c o n s e s s u p a t r u m . I o h a n n e s etate et autoritate m a i o r

habitus, doctrina

ac

facundia

300 s u p e r i o r H i e r o n y m u s . Lecti ex o m n i n a t i o n e petres, d i v i n i a t q u e h u m a n i iuris d o c t o r e s , s e p e c u m iis c o l l o q i u m h a b u ere, d o g m a t a e o r u m a l e g e d i v i n a aliena esse m o n s t r a r u n t 301 n e q u e b o n i s c o n d u c e r e m o r i b u s . R o g a v e r u n t , n e p l u s s a p e r e q u a m ecclesia vellent, s e d s a p e r e n t a d

sobrietatem,

peregrinas opiniones relinquerent, ingenia sua, q u e qui-

I Placuitque] palcuit YZ - imperatore] imperatori DN1 - Sigismundo imperatore] imperatore Sigismundo L1 - suadente] swadente Κ 112 Iohannem] R4FTDLBB1r Ioannem S Joannem R3MZ Johannem Ω - 2 et] ac FVDL'N - Hieronymum] R'SF Hyeronimum R2R4MT T'LB1 Iheronimum ABCb Jheronimum G'P Jeronimum B2KN1Z hieronimum Ω - synodum] sinodum R4GL1N1OP sjnodum Τ - evocari] vocari B 2 Gb euocati D - cum] quum L tum OWZrb - 3 ceteris] ceteri W - eius] eiusdem B ^ b om. Β doctiores] docciores VAC doctores R4IITG - tum] cum R4CD - populi] propter GN'X - ductores] doctores R2MGN!XY Doctores s.s. Ductores A auctores L - ac] ad D - 3/4 heresum] heresim DKX - 4 Venerunt] Vouerunt N1 - tam] om. Β s.s. Τ - 4/5 verecunde] uere eundem Π - 5 aliena] om. L1 - 5/6 parati] om. D - 6 discendi] dicendi ΠΤ docendi C - cupidiores] cupiores N1 - popularis] populäres B ^ P Y b - 7 aure] aures B2G'b - consessu] consensu R41T1 - Iohannes] R4FITrDLL1B1W Ioannes S Joannes R3MZ Johannes Ω - 8 autoritate] FCBB2GN'W auctoritate Ω - etate et autoritate maior] etate maior et auctoritate PB!b etate maior auctoritate G1 maior] mayor Κ - ac] et Α Β ^ - 9 Hieronymus] R*S hyeronimus R2R4MTT1L Iheronimus ABb Jheronimus G1 ieronimus PB1 Jeronimus GK Heronimus N1 Hierominus W Hieronimus Ω - omni] omnium W - 10 iuris] viris Ο cum] tum C - iis] r ijs R'R2R3MCOW his R4SVLBGNZ hys AKN'XY hijs Ω II dogmata] Docmata B2G - a] in B2 - aliena] om. R4 in mg. Τ 11/12 monstrarunt] monstrant D monstrauerunt B P monstrauit Ζ 12 bonis] bonis oportet R4 - conducere] ducere R4 ducere in mg. conducere Τ - moribus] bonioribus X - Rogaverunt, ne] negauerunt: neque R4 13 sapere] saperent Β - quam ecclesia vellent, sed saperent] om. L — ecclesia] eclesia N1 - vellent] vellet Β - saperent] sapere R4 saperet N1 sapere ut V - 14 opiniones] oppiniones b - 1 Alp. 248, ν 1 ingenia sua, que quidem] om. R4 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites

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Schließlich beschloß man auf Anraten Kaiser Sigismunds, Johannes und Hieronymus vor das Konzil zu laden. Denn diese galten zum einen für gelehrter als die übrigen dieses Reiches und zum andern als Volksführer und Anführer der Irrlehren. Beide erschienen bereit, nicht so sehr die ihnen fremden Lehren kennenzulernen als vielmehr unverschämt die eigenen aufzutischen, natürlich begieriger zu lehren als zu lernen und um die Gunst des Volkes buhlend. Sie wurden in der Sitzung der Konzilsväter angehört. Johannes galt für älter und von größerer Autorität. An Gelehrtheit und Beredtheit galt Hieronymus überlegen. Aus jedem Volk waren Konzilsväter ausgewählt, Gelehrte des göttlichen und des menschlichen Rechts. Sie hatten mit den Geladenen viele Unterredungen. Man zeigte ihnen, daß ihre Glaubenssätze vom Gesetz Gottes abwichen und dem sittlichen Streben nichts nützten. Man bat sie, nicht klüger sein zu wollen als die Kirche, sondern zur Besinnung zu kommen. Sie sollten die kirchenfremden Ansichten aufgeben. Ihre Geister, die fürwahr die bekann-

296 Placuitque ... Iohannem et Hieronymum ad synodum evocari] Jan Hus (s. 226) und Hieronymus von Prag (1360-30.5.1416), Magister der Pariser und Prager Universitäten, vgl. Palacky III 40; Smahel IV 498 (Register). 301 peregrinas opiniones] d.i. Ansichten von John Wickleff.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

dem essent nobilissima, Vicleffistarum insania ne foedarent, eloquentiam, qua prediti essent, in corroborandis ecclesie institutis, non evertendis, in edocendis populis, 302 non dedocendis exercerent. Posse eos et in conspectu dei et in ecclesia militante sublimem consequi locum, si reiectis r f.30 novitatibus patrum II vestigia sequerentur inventiones303 que suas universali concilio summitterent. Stetere in proposito pertinaces Bohemorum animi neque victi rationibus 304 vinci voluere. Se veraces, se sancti Evangelii emulatores, se Christi discipulos esse, Romanam ecclesiam ceterasque per orbem dispersas longe a traditionibus apostolorum abiisse, que opes ac delicias sectarentur, dominatum in populis et primos in conviviis accubitus exquirerent, canes, equos alerent, ecclesiarum bona, que Christi pauperibus deberen-

1 Vicleffistarum] R1T1CBL1PWY Viclefistarum FSDNN1 Viclefistorum Ο Viclefiscarum Π vicklefistarum B2 Videfistarum Τ videffistarum R4 Videffitarum G1 Vicleffitarum R?'b uiclefistarum L uicleffistarum r wicleficarum G Wicleffitarum R2A wiclefistarum VZ wikleffistarum Κ Wideffistarum Μ - insania] insaniam R4 insanie D - 1/2 - p. 248, v. 1 nobilissima ... qua prediti essent] om. B1 - foedarent] T1 fedarent r'r 2 S fedarent Ω - 2 qua] quam R4 ne C - in] om. Ζ - 3 ecclesie] eclesie N1 - non] ne Τ - edocendis] docendis R4B docendis s.s edocendis TC - 4 dedocendis] decliendis R4 - exercerent] excercerent D in mg. Ν exerceretur B1 - Posse] posset A Possent N1 - et] om. W - in] om. R4 - 5 ecclesia] eclesia N1 - militante] militantis R4FI1 militanti N1 militantis s.s. militante Τ - sublimem] sublimen R4DL1r sublime G sullimem Β - locum] Lucum R4 - si] et R2MGN1XY - reiectis] reiiectis L reyectis Ζ reiectus B1 - 6/7 inventionesque] inpensionesque B1 - inventionesque ... summitterent] in mg. L1 - 7 concilio] consilio BDPB1 - summitterent] r W sumitterent FII sumitterent s.s. summitterent Τ submitterent Ω — 8 animi] animum R4 victi] uictis R4nT victi neque Ο - 9 vinci] vincere Y - voluere] valuere G Se] sed BD Et ζ - veraces] uerantes N1 - se sancti] se ueraces sancti C sancti v d - Evangelii] ewangelij VCGZ euangely AN1 ewangely NXYK euangellii D euangeli Τ euangelii SLr euangelij Ω - 10 Christi] cristi N1 Christi discipulos] discipulos xpi V - Romanam] ro. Β - ecclesiam] eclesiam N1 - 11 orbem] vrbem b'g - dispersas] dispenses R4 - abiisse] R4SDLN1 abnsse r abisse FIIT abysse AKNXYZb abijsse Ω - 12 ac] et BG1KY - dominatum] Dominacionem Ο - populis] populos B'c'b populos s.s. populis Ρ - 13 conviviis] R4SDL conuineis Or conuicys Y conuiuys KN'x conuiuijs Ω - accubitus] accubitos R^B 1 — 14 ecclesiarum] eclesiarum N1 - Christi] cristi VN'y - 14/p. 250, v. 1 que Christi ... per lasciviam] om. R4 in mg. Τ - deberentur] debentur Β -

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GESCHICHTE BÖHMENS

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testen seien, sollten sie nicht mit dem Wahnsinn der Wiclifiten beflecken. Die Beredsamkeit, mit der sie begabt seien, sollten sie einsetzen für die Stärkung der Einrichtungen der Kirche, nicht für ihre Zerstörung, für die Belehrung der Völker und nicht für ihre Verführung. Sie könnten sowohl in den Augen Gottes als auch in der streitenden Kirche einen hohen Platz erreichen, wenn sie die Neuerungen zurückwiesen und den Spuren der Konzilsväter folgten und ihre Erfindungen dem Urteil eines allgemeinen Konzils unterwürfen. Die Böhmer verharrten hartnäckig bei ihren Ansichten und wollten sich nicht von vernünftigen Gründen besiegen lassen. Sie seien die wahren, sie seien die heiligen Nacheiferer des Evangeliums, sie seien die Jünger Christi. Die Römische Kirche und die anderen über den Erdkreis zerstreuten, seien weit von den Überlieferungen der Apostel abgewichen. Sie gingen Reichtum und Vergnügen nach und suchten sich bei den Gelagen die ersten Plätze aus. Sie züchteten Hunde und Pferde, und die Güter der Kirche, die sie den Armen

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305 306 307 308 309 310 311

HISTORIA BOHEMICA (Liber secundus)

tur, per lasciviam luxumque consumerent, aut nescire prorsus divina mandata, aut scientes contemnere. Primores magne synodi ubi pertinaciam et immutabiles animos perditorum hominum animadverterunt, membra ecclesie putrida, que sanari non poterant, ne reliquum corpus inficerent, resecanda censuerunt. Lata est in consessu patrum adversus contumaces sententia cremandos esse, qui doctrinam ecclesie respuerent. Prior Iohannes igni combustus est, Hieronymus diu postea in vinculis habitus cum resipiscere nollet, pari supplicio affectus. Pertulerunt ambo constant! animo necem et quasi ad epulas invitati ad incendium properarunt nullam emittentes vocem, que miseri animi facere posset indicium. Ubi ardere coeperunt, hymnum cicenere, quem vix flamma et fragor ignis intercipere potuit. Nemo philosophorum tam forti animo mortem pertulisse traditur quam isti incendium. Poggius Floren-

1

1 lasciviam] laxiuiam D - luxumque] lussumque s.s. luxumque R2A - consumerent] consummerent Κ — aut] At R3OFWr Ac B1 — 2 contemnere] contempnere R^IIVMDAb'cgklWopy contennere R4r - 3 magne] om. ζ synodi] Sinodi R^GL'r^OPB'wxr Sijnodi B2 - immutabiles] inmutabiles IIVDB'gn1 - 4 perditorum] predictorum Η4ΠΤ — hominum] homini Π om. C - animadverterunt] animaduerterent CPB'YZ animaduerterent s.s. animaduerterunt R3 - membra] menbra AFG1 - 5 ecclesie] eclesie N1 ecclesie putrida] putrida ecclesie Ζ - ne] neque V - reliquum] reliqum r 2 md - 6 inficerent] inficeretur D - 6/7 consessu] consensu R4VN1OWr conspectu BZ - 7 cremandos] cremendos B1 — esse] se Ζ - 8 ecclesie] eclesie N1 - respuerent] respuerint OWr - Prior] prior igitur r ^ ' k p b ' b ^ - Iohannes R4FIISDL L1BPB1G1rb Joannes R3MZ Johannes Ω - igni] R1R2R4FnsVTDLCBZ igne NY igitur MT'agn'owXt om. R3G'KPB'B2b - 9 combustus] conbustus G - Hieronymus] r ' s t hyeronimus R 2 !^ Hieronimus R^ITOGL'NN'oWYr heronimus r 4 b ' hyeronijmus Μ Iheronimus ABB2b Jeronimus VZK Jhieronimus C Jheronimus PG1 - in] om. Β - habitus] om. R4 in mg. Τ 10 cum] quum L - resipiscere] resistere R4 rescitere s.s. resipiscere Τ respicere T OWr - nollet] nolet Ζ nolet s.s. nollet Τ - pari] par Or - 11 constants constanei R4 - necem] necesse CB1 - invitati] mutati R4 - 12 properarunt] properauerunt B1 — emittentes] emitentes D — 13 animi] animum R4 animum s.s. animi τ - facere posset] posset facere G'PB'zb - indicium] iudicium GB2OWYr iuditium Π - coeperunt] r ' s ceperunt Ω - 13/14 indicium ... cecine(re)] om. R4 in mg. Τ - 14 hymnum] hympnum Μ ympnum VPB1 hijmnum B2 hinnum R2 ymnum R3AG'KOWrb himnum C - quem] que R4 - fragor] flagor R4 - 16 traditur] tradunt R4 - Poggius] Pogius r 2 r 4 totdab 2 gkxyz Pogiuus pb1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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Christi schuldeten, verschwendeten sie in Wollust und Schlemmerei. Entweder kennten sie die Gebote Gottes überhaupt nicht, oder sie mißachteten sie wissentlich. Sobald die Häupter der großen Synode die Hartnäckigkeit und den Starrsinn dieser Sünder erkannt hatten, entschieden sie, daß diese faulen Glieder der Kirche, die nicht geheilt werden konnten, abzuschneiden seien, damit sie den übrigen Leib nicht krank machten. In der Sitzung der Konzilsväter wurde gegen die Widerspenstigen beantragt, sie seien zu verbrennen, da sie die Lehre der Kirche von sich wiesen. Zuerst wurde Johannes verbrannt. Danach wurde Hieronymus lange eingekerkert und, weil er keine Vernunft annehmen wollte, auf die gleiche Weise hingerichtet. Beide ertrugen mit standhaftem Mut den Tod. Als ob sie zum Mahl geladen wären, eilten sie auf den Scheiterhaufen und gaben kein Wort von sich, das als Zeichen der Verzweiflung gedeutet werden könnte. Sobald die Flammen loderten, sangen sie ein Loblied, das vom Geprassel des Feuers kaum übertönt werden konnte. Kein Philosoph soll den Tod so tapfer ertragen haben wie diese den Scheiterhaufen. Poggio Florentinus, ein bekann-

304 Christi pauperibus] vgl. Smahel II 41-44. 305 membra ... censuerunt] vgl. Mt. 5, 29-30. 307 Prior Iohannes igne combustus est] 6.7.1415. - Hieronymus diu postea ... pari supplicio afflictus] 30.5.1416. 311 Poggius Florentinus ... elegantem scripsit epistolam] Poggio Bracciolini, italienischer Humanist (1380-1459). Poggios Brief wurde von Vaclav Novotny (FRB V) herausgegeben.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

tinus, etatis nostre nobilis scriptor, de morte Hieronymi ad Nicolaum Nicoli, concivem suum, elegantem scripsit epistolam, quamvis paululum sua consuetudine in mores cleri invectus videatur. Cineres exustorum ne raperentur a Bohemis, in lacum proiecti. Discipuli eorum ex eo solo terram abstulere, in quo ignis fuit, eamque veluti sacram secum attulere in patriam. Iohannes ac Hieronymus apud Bohemos martyrum honores meruere nec minores quam Petrus et Paulus apud Romanos habiti. Nuntiatis enim in Bohemia, que Constantie gesta fuerunt de Iohanne II ac Hieronymo, discipuli eorum sequacesque omnes in unum convenientes memoriam imprimis defunctorum consecrant celebrandamque quotannis decernunt. Exin per amicos nonnullas sibi ecclesias a rege tradi extorquent, in quis sue predicare plebi sacramentaque ministrare libere pos1 nostre] om. D - nobilis] nobilus b - Hieronymi] r ' s t hyeronini R2 Hieronimi R^üDB^L'NP^OWr hyeronimi R4MLX Iheronimi ABß'Pb Ihieronimi C Jeronimi VYZK Jheronimi G1 - 2 Nicolaum] nycolaum D Nicholaum L - Nicoli] Nicolai R4VTDGL1NOWZr incoli FPb nycolai D om. Y concivem] consciui R4consciui s.s. conciuem Τ conciui FII - elegantem] eleganter Π scripsit] conscripsit R4n scripsit e conscripsit corr. Τ 3 quamvis] quamquis B1 - paululum] paulum D - consuetudine] conswetudine Κ - 4 videatur] inueniatur B2 — Cineres] Cineribus D cinerum Π 5 proiecti] proiectis D proiecte Π - Discipuli] Discipulis B2G'b - 6 in quo ignis fuit eamque veluti sacram] om. MA - quo] qua Y - eamque] earn Β sacram] sacratissimam Β sacramenta G - 7 (patri)am Iohannes ... (p. 260, v. 1) pseudo(sacerdos)] om. G1 - Iohannes] RVriTDLBV Ioannes S Joannes RaM Johannes Ω - ac] et VCBB1 atque Y - Hieronymus] R*S hyeronimus R 2 ^ hyronimus Μ iheronimus AB1B2Cb Jeronimus VYZK Jheronimos Ρ Nycronimus R4 Hieronimus Ω - apud] aput FITTK - 8 martyrum] R!R4S martirum Ω - honores] honore R4 - 9 et] ac Ζ - apud] aput FVK - Romanos] romanis FP romam B1 - Nuntiatis] Nuncciatis GN1 - 10 que] om. B1 qua W - Constantie] R'R^FÜSVLI^Prb Constancie Ω - Iohanne] R4FIITDLL1BCPB1 Wrb Ioanne S Joanne R3MZ Johanne Ω - ac] et VBPb'y - 11 Hieronymo] r ' s Hieronimo R^IlTDB^'NN'oWr hyeronimo R2R4MLX ieronimo G Ihieronimo C Iheronimo ABB'b Jeronimo VYZK Jheronimo Ρ - eorum] eorumque R4FIIT - sequacesque] sequaces R'TOTGPB1 - omnes] om. W — 12 convenientes] conuenerunt V - imprimis] inprimis R^SVDLCG in primis R3R4üAB2l1 N1PBlWYZrb - defunctorum] deffunctorum D mortuorum Y - 12/13 consecrant] censecrant N1 om. R4 in mg. Τ — 13decernunt] omnes decernunt b - Exin] Exinde VAZK - 14 ecclesias] eclesias N1 - quis] quibus Κ - 15 plebi] blebi L - ministrare libere] libere ministrare Ν*Υ - ministrare] ministrari r ' r 3 - libere] om. BN1 - 151p. 254, v. 1 possint] possent Y -

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ter Schriftsteller unserer Zeit, schrieb über den Tod des Hieronymus an seinen Mitbürger Nicolo Nicoli einen Brief in gewählten Worten, obgleich er, ein wenig gemäß seiner Gewohnheit, als Angriff auf die Sitten des Klerus erscheint. Die Asche der Verbrannten wurde in den See gestreut, damit sie von den Böhmern nicht geraubt wurde. Ihre Schüler nahmen von der Stelle, wo der Scheiterhaufen war, Erde mit und brachten sie wie etwas Heiliges mit sich in die Heimat. Johannes und Hieronymus verdienten sich bei den Böhmern Märtyrerehren und galten für nicht geringer als Petrus und Paulus bei den Römern. Als die Nachricht von den Konstanzer Ereignissen um Johannes und Hieronymus nach Böhmen gekommen war, kamen alle ihre Schüler und Anhänger zusammen und weihten besonders das Andenken an die Verstorbenen und beschlossen, es jährlich zu feiern. Darauf nötigten sie durch Freunde, die ihre Forderungen vortrugen, dem Könige die Überlassung einiger Kirchen ab, in denen ihren Anhängern gepredigt und die Sakramente ungehindert gespendet werden könnten. Aber sie waren damit nicht

311 Nicolo Nicoli (1364-1437), vgl. Cosenza 3, 2462-2467. 314 Nuntiatis ... in Bohemia ... memoriam consecrant celebrandamque ... decernunt] das Beschwerdeschreiben des böhmischen und mährischen Adels vom 2.9.1415 an das Konstanzer Konzil (Palacky III 132f.) erwähnt Enea nicht.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

316 sint. Neque hoc modo contenti apud Glatoviam nobile monasterium fratrum Predicatorum, extra moenia oppidi situm, a fundamentis deiciunt eaque prima ecclesiarum 317 ruina in Hussitarum novitate facta. Decurritur in ecclesias monasteriaque passim, nobilissima superis dicata templa 318 ferro atque igne vastantur. Nullum ego regnum etate nostra tota Europa tam frequentibus, tam augustis, tam ornatis templis dotatum fuisse quam Bohemicum reor. 319 Templa in celum erecta longitudine atque amplitudine 320 mirabili fornicibus tegebantur lapideis. Altaria in sublimi posita, auro et argento, quo sanctorum reliquie tegebantur, 321 onusta. Sacerdotum vestes margaritis tecte, ornatus omnis dives, pretiosissima supellex, fenestre alte atque amplissime conspicuo vitro et admirabili opere lucem prebebant. 322 Neque hec tantum in oppidis atque urbibus, sed in villis 323 quoque admirari licebat. Fuit inter cetera monasterium Aule Regie, apud ripam Multavie, qua Misa fluvius illi iungitur, situm, in quo regum corpora condebantur, singu324 laris excellentie. Nam preter edem magni et memorabilis operis amplum dormitorium ceterasque monachorum offi1 Neque] Nec BZ - Glatoviam] slauoniam b Glaconiam Y glatoniam r 4 FII glatowiam Κ - 2 extra] apud R ^ - moenia] R4ST]b2 menia r ' l V menia Ω oppidi] opidi B3FIlTVDCAKPB1YGb - 3 deiciunt] VB^r^Yb deiiciunt R4SDLBCOPX deiitiunt r deyciunt NZ Dei autem B1 deijciunt Ω - ecclesiarum] eclesiarum N1 - 4 ruina] ruinas Or - Hussitarum] husitarum R4B1 — Decurritur] Decuritur B1 - ecclesias] eclesias N1 - 5 dicata] dedicate Ο - templa] templo Ζ - 6 atque] et Β1 - igne] igni Β - vastantur] fastantur s. s. vastantur A - ego] ergo PB1B2b - 7 augustis] augmentis Β angustis R4B1N1 - 8 ornatis] oritis R4 in mg. Τ - templis] templum Y - dotatum] ditatum b ornatum s.s. dotatum Τ - fuisse quam] fuisse atque ditatum: quam Β2 - 9 erecta] erepta D 10 lapideis] lapidibus R4n lapidibus s.s. lapideis Τ - sublimi] sublime N1 12 onusta] honusta R4FIIVCDL1N onusta Ω - Sacerdotum] sacerdotium R ^ Sacercerdotum L 1 - tecte] recte R4I1T texte YZ - 12/13 omnis] omis Y omnes ΠΝ1 - 13 supellex] R1IISDCL1NN1 supplex V suppllex X suppellex Ω - 14 conspicuo] cum spicuo R4n cum spicuo s.s. conspicuo Τ - et om. Y - admirabili] ammirabili SVCNL1 admirabile B1 - opere lucem] opere vt lucem B ^ 15 Neque] At FB 1 - oppidis] opidis FI1VTACDGKYZ - atque] atque in MA -

16 Fuit] Fuerat N1 - 17 apud] aput FIIAK - ripam] Rippam OZ - Multavie] mulctauie R2ML - qua] que D - Misa] missa R4ITrr1LB mosa B ^ - fluvius] fluminis R4 - 18 iungitur] coniungitur Y - 19 edem] eodem Π - 19/20 memorabilis] admirabilis Β mirabilis Y - 20 ceterasque] ceterosque B1 -

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zufrieden. In Klattau rissen sie ein vor der Stadtmauer gelegenes Kloster der Predigerbrüder nieder. Und dies wurde die erste Kirchenruine bei dem Hussitenumsturz. Man suchte weit und breit die Kirchen und Klöster heim. Die berühmten den Heiligen geweihten Kirchen wurden mit Freuer und Schwert verwüstet. Ich glaube, kein Reich in ganz Europa in unserm Zeitalter war mit so vielen und so erhabenen und so schönen Kirchen ausgestattet wie das Böhmische. Es gab in den Himmel ragende Kirchen, von bewundernswerter Länge und Breite, von steinernen Gewölben eingedeckt. Es gab hochgezogene Altäre, mit Gold und Silber beladen, die die Reliquien der Heiligen bargen. Es gab Priestergewänder, mit Perlen durchwebt, reich an allem Schmuck. Es gab kostbare Kultgeräte. Hohe und breite Fenster mit durchsichtigem Glas und von wunderbarem Schliff gaben Licht. Dies konnte man nicht nur in kleineren und größeren Städten bewundern, sondern auch in den Dörfern. Es gab unter anderen ein Kloster Aula Regia/Königsaal am Ufer der Moldau, wo die Mies einmündet, wo die Leichname der Herrscher bestattet wurden, von einzigartiger Erhabenheit. Denn außer dem Gotteshaus, einem bedeutenden und der Erwähnung werten Werk, und dem geräumigen Schlafsaal und den übrigen großartig gebauten Arbeitsräumen der Mönche gab es

316 Neque hoc modo contenti... in Hussitarum novitate facta] vgl. Pekaf I 130, II 77 Anm. 1. 323 Fuit... monasterium Aule Regie] Zbraslav/Königsaal, heute südlicher Vorstadtteil von Prag. Das ehem. Zisterzienserkloster, das am Zusammenfluß der Moldau und der Mies liegt, wurde Anfang August 1420 geplündert und teilweise zerstört. - Misa fluvius] Mzq/Mies am unteren Lauf genannt Berounka. 326 Bechingne] Bechyne, südlich von Täbor. Die Versammlung kam am 22.7.1419 auf dem Berg Täbor zustande (die Stadt Täbor wurde erst später gegründet). Vgl. Palacky III 161f.; Smahel II 312-314. Zur Lage: Profous I, S. 43f.; Sedläcek, S. lOf. und S. 874 s. v. Täbor.

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cinas magnifice constructas quadrata porticus fuit, que non 325 parvum conclusit hortum, ambitum vocavere. In huius lateribus Vetus Novumque Testamentum ab initio Genesis usque ad Apocalypsim Iohannis litteris maiusculis in tabulis scriptum continebatur notis, quo altius irent, paulatim crescentibus ita, ut a summo usque deorsum facilis 326 lectio preberetur. Sed hoc decus post Venceslai mortem Hussitarum rabies delevit, qui postquam ecclesias quam r •31 plurimas deiecerunt, II monasteria incenderunt castellum petentes, cui Bechingne nomen est, octavo fere miliario ab oppido, quod nunc Thabor appellant, triginta circiter milia hominum convenere atque ibi trecentas mensas in patentibus campis erexere, ex quibus populo sacramentum 327 calicis ministrarunt. Terruit ea congregatio Venceslaum verentem, ne tumultu facto in se arma converterent

I quadrata porticus fuit] habuere circuitum b om. PB1 -1/2 fuit, que non parvum] fuit habuitque circuitum, qui non parvum B2 - 2 conclusit] inclusit L occlusit X hortum] r ' c p ortum Ω - 3 Vetus Novumque] uetusque nouum L - initio] intio Π - Genesis] genisis PB1 - 4 Apocalypsim] R1 appocalipsim ΠΊΤ) appocalijpsim B2 apokalipsim Ζ apocolipsim OR apocalipsim Ω - Iohannis] R4FIIDLL1BWrb Johannis r ' v m c a b ^ g ' k n n ' o P X Y io iohannis B1 Ioannis ST Joannis R2R3paruis ζ - in] om. B1 - 5 tabulis] talibus ZL1 - altius] ultuis R4 - 6 crescentibus] cressentibus DPB1 - summo] sumo Y - 7 lectio] lecio G leccio VCADB'n'yz - hoc decus] decus hoc B1 Venceslai] Wenceslai R2VCAX Wengeslai Μ wenczesslai G wenczeslai Κ wenteslai B1 - 8 Hussitarum] usitarum R4 om. Ο - ecclesias] eclesias N1 8/9 quam plurimas] plurimas V complurimas R®N - 9 deiecerunt] deiiecerunt LX deijecerunt Μ deycerunt Ζ defecerunt N1 - monasteria incenderunt] om. FII in mg. Τ - 10 Bechingne] R2MACDGNN1XYZb Buchnigne R 1 Bchenigne OWr bochingne Τ bodimgne R 4 bechnigne r 3 f i i s v p b 1 b 2 l 1 bethingne Β Bechinge L Bechin Κ - octavo] octo Β VIII" C - fere] uere C verre Κ - miliario] miliaria PB1 - 10/11 ab oppido ... milia] in mg. Β1 I I oppido] opido FITVTCGN'PYb - Thabor] tebar thabar R 4 thabar FITT tabor d l o - appellant] apellant R 3 appellat N 1 - triginta] r 4 FIISVTDB 2 l 1 n YZb XXX" r ' c XXX Ω - milia] millia F - 12 convenere] conuenerunt Β conuenire B 1 - trecentas] SVLL1BB2NWb tricentas DOZr C C C " r'r^AB^KP CCC M R 2 CCC R4FIIT ecclesias MGXY eclesias N1 - mensas] missas R 4 nmissas in mg. mensas τ - 13 erexere] erexeri Π eresere R 4 eresere s.s. erexere Τ - sacramentum] sacramentis Y — 14 calicis] celestis R 4 — congregatio] congreto Ο congregate r - Venceslaum] Wenceslaum R2MAXYZ wenczeslaum VK wenczesslaum G wenteslaum B 1 om. R 4 n in mg. Τ - 15 ne] ut Ζ - facto] facta W - se] eum B2 -

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eine quadratische Säulenhalle, die einen nicht kleinen Garten umschloß, den sogenannten Kreuzgang. Er enthielt an den Wänden auf Tafeln in Majuskelschrift das Alte und das Neue Testament von der Genesis bis zur Apokalypse des Johannes. Die Buchstaben wurden nach oben allmählich größer, so daß man von oben bis unten leicht lesen konnte. Doch dieses Schmuckstück zerstörte nach Wenzels Tod die Wut der Hussiten. Als sie so viele Kirchen wie möglich niedergerissen und Klöster in Brand gesteckt hatten, begaben sie sich zur Burg namens Bechine, ungefähr acht Meilen von der Stadt entfernt, die nun Thabor heißt. Ungefähr dreißigtausend Menschen kamen dort zusammen. Man stellte 300 Tische auf offenem Feld auf, an denen man dem Volk das Sakrament des Kelches reichte. Wenzel bekam durch diesen Volksauflauf einen Schrecken. Er fürchtete, daß ein Aufruhr entstünde und man die Waffen

327 Venceslaum] d.h. König Wenzel IV.

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328,329 regnumque sibi adimerent. Nec sua res periculo caruit. Venceslaus ei saluti fuit cognomento Coranda, singulari facun330 dia presbyter et in plebibus auditus. Qui dum populum de republica admoneret, inter cetera, que locutus est, ,Quamquam', inquit, ,viri fratres, ebriosum atque inertem sortiti regem sumus, si tarnen ceteros expendere principes pergimus, nemo est, quem nostro regi anteferamus, quem recte omnium regum specimen dixerim, quietum, benignum, 331 nostri amantem. N a m quis eo regnante nos lacessere 332,333 audet? Licet nos ex voto vivere nostro. Si non est eadem sibi, que nobis de religione sententia, at ritum nostrum 334 neque ipse perturbat neque alios perturbare sinit. Quibus ex rebus par esse arbitror, preces pro eo ad deum ut singuli porrigamus eique vitam rogemus, cuius desidia nostra 335 salus, nostra quies est.' Quod cum ab exploratoribus rex cognovisset, quieto animo fuit et factus ex tepido frigidus Corandam inter amicos habuit.

1 adimerent] adimirent IIG adimeret B'adimeretur ζ - Nec] ne G - res] re R ^ N - 1/2 Venceslaus] Venceslao Β Wenceslaus R2VAB'Z Wen?eslaus Μ Wenczesslaus G Wenczeslaus Κ om. Y - 2 ei] enim Β - cognomento] congnomento Gb - Coranda] Corauda MWr Coranda s.s. Corauda Τ Conrado B1 Choranda L - 3 presbyter] Sb per abbrev. R1R2IIACBB2XK presbiter Ω - et] om. R2MGN'XY s.s. A - dum] quum L - 4 republica] R ' B ' B ^ rep. R2R4MBN1Or rei p. G repub. W re publica R3FSVTDKLL1ANPY - admoneret] admonerent B1 - inter] intra PB1 - locutus] loqutus R 2 - 4/5 Quamquam] Quanquam R4SDKLL1 Quamquam Ω - 5 inquit] inquid IIG - viri] mi Ζ Vivi W - ebriosum] ebriosium b — inertem] inhertem R t T merito C — 5Ip. 258, v. 5 viri fratres ... parvoque tantum flu(uio)] om. Π - 5/6 sortiti regem] regem sortiti L1 6 sumus] fuimus b - expendere] aspendere G espendere X espendere s.s. expendere A - 6/7 pergimus] perigimus N1 om. B1 - 7 nemo] nostro B1 — nostro] modo R2MGN1Or - regi] regem Β1 - anteferamus] anteferam R4 — recte] ratione Β recte in ν inrecte Ο - 9 nos lacessere] lacessere nos Β - nos] om. R4 in mg. Τ - 10 audet] audit N 1 - ex] et W - 11 nobis] vobis G uobis Ζ - at] ac ADGKN X om. B\ - 12 perturbat] perturbet Β - Quibus] Omnibus Y - 13 ex rebus] clarebus R4 om. b - preces pro eo] preces ipse perturbat neque alios perturbare sinit quibus ex rebus par esse arbitror preces pro eo B1 - preces] om. R4 - ad deum] om. R4 in mg. Τ - deum ut] debitum vt N 1 deum fundamus vtque B ^ - 14 porrigamus] om. B2b - eique vitam rogemus] om. Ζ - 15 est] om. Rhf - cum] eum R4 quum L - ab] om. Ν - 16 cognovisset] congnouisset Fb cognosset B1 - tepido] tepidio B1 - frigidus] frigus L - 17 Corandam] Corandum R2LGN1XY Coraudum Μ Coraudam Wr Corandam s.s. Coraudam Τ - inter amicos] om. B1 -

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(Zweites Buch)

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gegen ihn erhöbe und die Herrschaft an sich risse. Seine Lage war nicht ungefährlich. Wenzel mit Beinamen Koranda, war ein Priester von einzigartiger Redegabe, der bei den Volksmassen Gehör fand. Als dieser in einer Rede das Volk an seinen Gehorsam gegen den Staat erinnerte, sagte er unter anderem: „Zwar hat, Brüder, das Schicksal uns einen trunksüchtigen und untätigen König zugeteilt, wenn wir aber dennoch darangehen, Vorzüge und Nachteile der anderen Herrscher abzuwägen, so gibt es doch niemanden, den wir unserm König vorzögen. Zu Recht möchte ich ihn als Musterbeispiel für alle Könige bezeichnen: besonnen, gütig und uns liebend. Denn wer wagt es, solange er regiert, uns herauszufordern? Wir dürfen nach unserm Willen leben. Wenn er auch nicht denselben religiösen Glauben hat wie wir, stört er selbst aber weder unsere Religionsausübung noch läßt er zu, daß andere uns stören. Aus diesen Gründen ist es, glaube ich, richtig, daß wir einzelne Fürbitten für ihn vor Gott bringen und das Leben für ihn erbitten, dessen Untätigkeit unser Wohlergehen und unsere Ruhe ist." Als der König dies durch seine Späher erfahren hatte, war er beruhigt und zählte, aus einem Lauwarmen ein Kalter geworden, Koranda zu seinen Freunden.

329 Venceslaus ... cognomento Coranda] taboritischer Theologe (t nach 1453). Vgl. Palacky III 184, 186; Smahel IV 504 (Register). 335 Corandam] s. 329.

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(Liber secundus)

Per idem ferme tempus surrexit et alius pseudosacerdos apud Pragam, Iohannes quidam ex ordine Premonstratensium impius monachus et in omne scelus audax. Qui cum predicaret apud Sanctum Stephanum In Piscina neque bene sapere videretur, inde amotus monasterium Carmelitarum invasit. Hoc suasore heretici ut suam potentiam ostentarent, singulis ferme diebus sacram eucharistiam per suas ecclesias circumvectabant, quas cum paucas esse dicerent, ductore Nicoiao, viro nobili, eius loci domino, unde Iohannem Hus originem trahere diximus, in regiam tumultuarie prorumpentes Venceslaum oravere, sibi ut ampliores ecclesias elargiretur, qui iam populi maiorem partem obtinerent. Audivit rex benigne Nicolaum II pro multitudine loquentem utque in posteram diem redirent, iussit. Dein misso populo ad Nicolaum, qui 1 surrexit] surexit R3 - 2 apud] aput Κ - Pragam] Jeragam V - Iohannes] R4FTDLB1G1Wr Ioannes S Joannes R3M Johannes Ω - 2/3 Premonstratensium] Praemonstratensium R'G'W permonstratensium R4 permonstratensiuxn s.s. premonstratensium Τ premonstratencium B1B2 premonstratentium Ρ premostratensium R3DO premonstratensium Ω - 3 impius] ipsius AGOWr - in] ad R3PB1B2G1b - audax] audas Τ - Qui] om. B1 - 4 cum] quum L om. R4 in mg. Τ - apud] aput Κ - Stephanum] Stefanum S Steffanum b - Piscina] pistina F - 5 videretur] diceretur D - inde] mole R4 - amotus] ammotus VN'OXYZ motus R4T - 6 Carmelitarum] carmilitarum B1 - invasit. Hoc] inuasit neque bene sapere videretur: Hoc B1 - Hoc] Nec G'b - suasore] suasere R4VG'b swasere Κ suasere s.s. suasore Τ - 7 ostentarent] ostentaret B1 - 7/8 eucharistiam] eucaristiam R2MDN'OP eucaristiam s.s. eucharistiam ST eukaristiam VBB2GKXYZ - 8 suas] singulas R ^ - ecclesias] eclesias N1 - circumvectabant] circumuectabantur B2 circumuectebant Y circum nectabant B1 - cum] quum L - 9 dicerent] deberent C Nicoiao] nycolao D Nicholao LW - 10 Iohannem] R4FS TDLL'BB'Xrb Joannem MZ Johannem Ω - Hus] huß FVMA hutz Τ hiis L huiusque R4 originem] bis D - trahere] habere Β traxisse Y traxere G - diximus] duximus Κ - 11 regiam] Reginam Y regina R 4 regina s.s. regiam Τ regiam ciuitatem B2 - tumultuarie] tumultuare VB2W - prorumpentes] perrumpentes B2 - Venceslaum] Wenceslaum RVCAXYZ Wen?eslaum Μ wenczeslaum κ wenczesslaum G wenteslaum B1 — 12 sibi ut] vt eis B 2 ut sibi N1 - ecclesias] eclesias N1 - elargiretur] elargiret RVß'G'b - 13 maiorem] mayorem KZ Audivit] Adiuit R4 - benigne] hungarie L - 13/14 Nicolaum] nycolaum D Nicholaum LW - 14 utque] atgue FCKl^NOPB^^Xr utque Ω - in] om. X s.s. Τ - posteram] posterum R2MPB1GG1N1Xb - 15 diem] om. V - redirent] redire R3 rediret G'PB'XB - Dein misso] de immisso R4 De inmisso R ^ 1 Deinde misso VLABB2GG1KYb - Nicolaum] nycolaum D nicholaum LW -

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(Zweites Buch)

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Fast zur selben Zeit stand noch ein anderer Pseudopriester in Prag auf, ein gewisser Johannes aus dem Prämonstratenserorden. Er war kein frommer Mönch und wagemutig zu jedem Verbrechen. Als dieser zu Sankt Stephan in Piscina predigte, aber offenbar mit wenig Anklang, zog er sich von dort zurück und suchte Aufnahme im Karmeliterkloster. Damit die Häretiker auf seinen Rat hin ihre Macht zur Schau stellten, trugen sie fast jeden Tag die heilige Eucharistie durch ihre Kirchen. Weil sie sagten, daß sie zu wenig davon hätten, drangen sie unter der Führung eines Adligen namens Nikolaus, eines Herrn aus dem Ort, woher, wie oben gesagt, Johannes stammt, im Tumult in die Königsburg ein und baten Wenzel, daß er ihnen größere Kirchen schenkte, da sie schon den größeren Teil des Volkes ausmachten. Der König hörte Nikolaus, der für die Volksmenge sprach, gütig an und befahl, daß sie am nächsten Tag wiederkommen sollten. Dann, als er das Volk entlassen hatte, sagte er

336 Iohannes quidam ex ordine Premonstratrusium impius monachus] J a n Zelivsky (Johann von Seelau), hussitischer Prediger (t 9.3.1422). 337 apud Sanctum Stephanuxn In Piscina] in der Prager Neustadt. monasterium Carmelitarum invasit] bei Maria Schnee 19.8.1419, Smahel III 9. Das Verb invadere benutzt Enea in doppeltem Sinn: 1), sich einer Sache (widerrechtlich) bemächtigen' HB II 337 monasterium. Carmelitarum invasit, wobei gemein ist, daß Zelivsky sich der Kanzel bemächtigte. Ahnlich sagte Enea (HB IV 34) über Rokycana: Ipse ... ex parochia sancte Marie ante Letam Curiam, quam ... invaserat, amoveri minime potuit. 2) Enea berichtete dagegen über Zizka (HB II 360) Monasterium Carthusiensium Präge vicinum invasit et direptum incendit. Das Verb invadere wurde hier im ursprünglichen Sinn benutzt. - Zur Chronologie der Prager Ereignisse im J . 1419: 30 Juli: Prozession von der Maria Schnee Kirche und die Defenestration. - 16. August: Todestag Wenzels IV. - 17. August: Angriff gegen das Karthäuserkloster. 338 ductore Nicoiao ..., eius loci domino, unde Iohannem Hus originem trahere diximus] Mikuläs von Pistny, königlicher Burggraf in Husinetz und Prachatitz, bekannter unter dem Namen Nikolaus von Hus, Hauptmann von Tabor (t 1420). 339 Audivit rex ... Nicolaum pro multitudine loquentem] i. J . 1419, Palacky III 161.

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remanserat, conversus: ,Tu', inquit, ,qua me regno deiceres, orditus es telam. At ego laqueum inde efficiam, quo te postea strangulem.' Ille e conspectu abiens populäres magis ac magis incendit. Rex in arcem Vicegradensem, urbi vicinam parvoque tantum fluvio disiunctam, sese recipit et paulo post in Castellum Novum, quod ipse construxerat, quinto distans lapide, cum paucis abiit missis ad fratrem oratoribus, qui eius auxilium implorarent. 345 Consulibus autem Nove Civitatis Pragensis, ne ulterius ab hereticis Dominicum corpus in pompa deferri sinerent, imperavit. 346 At heretici pridie Kalendas Iulii apud ecclesiam Carmelitarum convenientes ad edem Sancti Stephani eucharistiam per plurimas plateas atque ecclesias armati circumtulere ibique domum sacerdotis suis ineptiis non consentientis diripuere et sublato clamore ingenti furentes pretorium

1 qua] contra G - 1/2 deiceres] ACBKN'xy deiiceres SDLB2r deij ceres R1R2R3FVMGL1PW deyceres NZ eiceres G ! b eijceres FGPB1 demeres R 4 demeres in mg. deij ceres Τ deuiceres Ο - 2 es] est R 4 TP - telam] tellam Τ At] Ac B1 - efficiam] afficiam Ρ - 3 strangulem] strangulam N1 - e conspectu] enim regis conspectu G'b enim conspectu R 3 PB 1 e conspectu regis B 2 - abiens] abiciens G - 4 Vicegradensem] Vissegradensem R 3 G 1 PB 1 b wissegradensem Κ - 5 urbi] urbe Or vrbem W - parvoque] prauoque b - tantum] tanto R 4 tanto in mg. tantum τ - fluvio] flumine D - disiunctam] Distincta G - 6 recipit] recepit L1PB1B2WYZb - Novum] noum D - 7 construxerat, quinto] construxerat kunraticz nomine, quinto Κ - paucis] paucijs Ο - abiit] R2R4SDLGY abyt NN'xz adijt R 3 G 1 PB 1 b abijt a - missis] misit R 4 - 8 oratoribus] aromatibus oratoribus C - 9 autem] om. Β - ab] ad V a L - 10 hereticis] pragensibus L - deferri] fern D - sinerent] sineret W 12 In fronte articuli De morte Venceslai regis. Capitulum XXXVII B 2 G : b de Morte Venceslai c. xxxvij in mg. A - At] Ac D Et G 1 - pridie] ij° r V i t t Iulii] SLC Iullii D iulij r V i i b g p b V l 1 iuly X July AKn'yz Julij Ω - apud] aput F I K - ecclesiam] eclesiam N1 - 12/13 Carmelitarum] carmilitarum Ρ carmelistarum D carmelitanorum L karmelitarum Κ - 13 convenientes] conueniebant Ζ - Stephani] Stefani R3S Steffani B^b - 13/14 eucharistiam] eucaristiam R2MDG1POr eucaristiam s.s. eucharistiam S eukaristiam VB2BGKYZ - 1 4 plateas] plateis G 1 - atque] om. D - ecclesias] eclesias N1 14/15 circumtulere] circuntulere D - 1 5 sacerdotis] sacerdotibus R"^ suis] om. G - ineptiis] R3SMr ineptis IIL ineptijs R1R2R4FVTCBG1L1OPW inepciis DG inepcijs B1B2Zb jnepcys A inepcys KNX ineptys n ' y - 15/16 consentientis] consencientes B1 - 1 6 diripuere] dirripuere R4IlTB2Or dirupuere L1 - clamore] clamoi R1 - ingenti] ingente G -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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gewandt zu Nikolaus, der dageblieben war: „Du hast einen Anschlag angezettelt, mit dem du mich aus meiner Herrschaft vertreiben wolltest. Aber ich werde dir deshalb den Strick drehen, mit dem ich dich dann aufhänge." Jener, aus den Augen des Königs weggehend, heizte die Volksmenge immer mehr an. Der König zog sich in die Burg Vysehrad, in der Nähe der Stadt und nur durch einen kleinen Fluß getrennt, zurück. Bald darauf setzte er sich mit wenigen Leuten ab in das neue Schloß, das er selbst entworfen hatte, fünf Steinwürfe entfernt, und schickte zu seinem Bruder Bittsteller, die seine Hilfe erflehen sollten. Den Ratsherren der Prager Neustadt aber befahl er, daß sie nicht zuließen, daß der Leib des Herrn von den Häretikern weiterhin im Umzug herumgetragen würde. Aber die Häretiker kamen am 30. Juni in der Karmeliterkirche zusammen und trugen die Eucharistie unter Waffengeleit über die meisten Plätze und Kirchen zur Stephans-Kirche. Dort verwüsteten sie das Haus eines Priesters, der für ihre Tollheiten kein Verständnis hatte. Sie stimmten ein gewaltiges Geschrei an und zogen tobend

344 in arcem Vicegradensem] s. ο. I 24. - in Castellum Novum] Neuburg, heute Ruine am Südrand Prags. 346 pridie Kalendas Iulii] 30.7.1419. - apud ecclesiam Carmelitarum convenientes] s. ο. II 337. - ad edem Sancti Stephani] s. 337. - pretorium petiere] d.h. in der Prager Neustadt. Vgl. Palacky III 163f.; Smahel II 316f.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundum)

petiere. Consules undecim metu perculsi fuga salvati sunt, septem, qui remanserant, et cum iis iudex urbis atque alii nonnulli cives raptim intercepti ex altissimis fenestris in forum precipitati, lanceis ac verubus irati populi excepti, dirum spectaculum dilaniati prebuere stante in foro Iohanne monacho et sacrum Christi corpus sanguinario populo ostentante. Camerarius regni, qui cum trecentis equitibus ad sedandum tumultum accurrerat, ubi furentem plebem animadvertit, de sua vita sollicitus fuga sibi consuluit. Ea cum regi renuntiarentur cunctique circumstantes attoniti facinus detestarentur, ,At ego', inquit pincerna, ,futura hec prescieram.' Quem rex indignatus correptum repente inter pedes suos prostravit et arrepto pugione conatus est interficere, sed impeditus a circumstantibus egre illi vitam dimisit. Nec mora paralysi correptus egrotare coepit atque infra decern et octo dies signatis nominibus hereticorum, quos neci destinaverat, fratrem assidue vocitans II et amicorum auxilia anxius expectans

1 petiere] R R^FTLSTDLL1 b V petijere V petyere Ν peciere Ω - undecim] R3BG1PB1B2L1Zb xl OW XI Ω - perculsi] propulsi OWr proculsi Ν - 2 Septem] VII R1 R^R^FFLSTMOBW - et] om. R4 in mg. Τ Ut L - lis] S is R3OWr js Cijs R!R2M his RVLL'BGNXZ hijs FIITF>B1B2G1b hys AKN'Y hiis D - iudex urbis] vrbis iudex Y - alii] SDLr aly AKNN'XY alij Ω - 3 altissimis] altissunis b altissimus G - 4 excepti] exepti G - 5 dilaniati] dilaniate N1 - prebuere] pretinere BOr pertinere W - 5/6 Iohanne] R4FT1TDL L1BB1Wr Ioanne S Joanne R3MZ jahanne Ρ Johanne Ω - 6 corpus] om. Β2 - sanguinario] sagwinario C saguinario Ρ sangwinario GKNYZ sanquinario W - 6/7 sanguinario populo] populo saguinario B2 - 7 ostentante] ostendenti ζ ostendante N1 - trecentis] BB2Gb tricentis Ζ tricentum D CCCtis r W c p b 1 CCC Ω - 8 accurrerat] occurrerat DB2GG'b accurrat B1 - 9 plebem] populum Β - sua vita] uita sua L1 - sollicitus] solicitus R3DB2KY - fuga] fugi C - 10 cum] quum L - renuntiarentur] renuncciarentur NZ denunciarentur C nuncciarentur GN1XY nunciarentur R2 -10/11 cunctique ... detestarentur] om. R^Y - circumstantes] circunstantes R4G!W stantes Ν - 11 At] ac r - 12 prescieram] presciueram R ^ presciueram FII presciencia B1 - 13 inter] intus b — 14/15 circumstantibus] circunstantibus R4LGi - 15 Nec mora] s.s. mox Ο - paralysi] R1 paradisi C per alexi R4 palesi Π per alexi s.s. paralysi τ paralisy D peralesi F paralisi Ω - 16 coepit] SB2 cepit R 1 !!, 1 cepit Ω - decern] SVLLWz X R1 R^VlIMTDC ABGKOWXr octo B2G'b VIII R3PB1 om. N1 - octo] v d i x ' c b n y z VIII R^VfIISMTAKT^OWXt decern B1B2G1b X R 3 ? - signatis] singnatis Κ designatis Β - 17 neci] uesci R4 uesci in mg. neci Τ - 18 expectans] exspectans v p b ' l 1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites

Buch)

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nach dem Rathaus. Elf Ratsherren, die um ihr Leben fürchteten, konnten sich durch Flucht in Sicherheit bringen. Sieben, die zurückgeblieben waren, und mit diesen der Stadtrichter und einige andere Bürger wurden schnell aufgegriffen und von oben aus dem Fenster auf den Markt geworfen und vom erzürnten Volke mit Lanzen und Wurfspießen in Empfang genommen. Zerfleischt boten sie einen schauerlichen Anblick, wobei der Mönch Johannes auf dem Markt stand und den heiligen Leib Christi dem blutrünstigen Volk zeigte. Sobald der Kämmerer des Reiches, der mit 300 Reitern herbeigeeilt war, um den Aufruhr zu ersticken, das rasende Volk bemerkt hatte, brachte er sich, um sein eigenes Leben besorgt, durch Flucht in Sicherheit. Als dies dem König gemeldet wurde, und alle Umstehenden wie vom Donner gerührt dies Verbrechen verfluchten, sagte der Mundschenk: „Aber ich hatte vorausgewußt, daß dies geschehen wird." Der König war entrüstet über ihn, packte ihn sofort, warf ihn nieder zu seinen Füßen und versuchte, mit dem schnell ergriffenen Dolche ihn zu töten. Doch gehindert von den Umstehenden, ließ er jenem widerwillig sein Leben. Aber es dauerte nicht lange, da wurde der König durch einen Schlaganfall krank, und in weniger als 18 Tagen waren die Namen der Häretiker festgehalten, die er zum Tode bestimmt hatte. Dauernd nannte er seinen Bruder und erwartete voller Angst die Hilfe seiner Freunde. Aber er starb,

348 Camerarius regni] Jan Bechyne von Lazan, Palacky III 163. 351 Nec mora paralysi correptus ... duobus amplius] Wenzel IV. ist am 16.8.1419 gestorben, dann wurde er einbalsamiert und am 12.9. in Königsaal begraben. Das Begräbnis im Prager Dom fand erst später statt; Palacky III 165.

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HISTORIA B O H E M I C A (Liber secundus)

ante vita excessit, quam vocati principes adessent, cum regnasset annis quirique et quinquaginta, vixisset duobus amplius. Consueverunt corpora regum apud Bohemos, priusquam sepelirentur, octo diebus aromatibus condita per sacraria urbis circumferri plangique et sequentibus amicis ac baronibus conclamari. Hoc in Venceslao neglectum non audente regina Novam ingredi Civitatem. Delatum est cadaver ad ecclesiam Sancti Viti in Arce et inde ad Aulam Regiam, de qua paulo ante meminimus. Ibique conditum in sepulchro, quod ipse sibi delegerat. Sed cum postea monasterium ipsum ab hereticis diriperetur et sepulchra regum effringerentur cadaveraque abicerentur, pisciculos quispiam cognomine Musca Venceslao vendere solitus, regis, quern amaverat, corpus collegit et in loculo apud se domi condidit. Interiecto deinde tempore, rebus in meliorem I cum] quum L - 2 quirique] B2DBB2GG1L1WYZb V Ω - quinquaginta] DBB2G1L1owYrb L " r ' r ^ I I M T C A G P b*X L r V s v l n n ' z - vixisset] iussisset R 4 iusisset s.s. insisset L - duobus] II 9 C et duobus B 1 B 2 b - 3 regum] om. B 2 - apud] aput ΠΚ - 3/4 regum ... aromatibus] om. B 1 - priusquam] antequam R2MAKGN1XY - 4 sepelirentur] sepellirentur R2R4DL sepelarentur Ρ sepelierentur b - octo] VIII1" c VIII vel viij R1R3GOPWr - 5 sacraria] sacra R2GN1XY sacra s.s. sacraria A sacra loca B2OWr sacraria in mg. sacra loca Τ - circumferri] circunferri R 4 circumferi Τ - plangique] plangi Β?ΎΖ — 6 ac] et G at Ρ om. G 1 - Hoc in] In hoc R 2 N 1 XY In hoc in mg. hoc In Μ - Venceslao] Wenceslao R^AXYZ Wenceslao Μ wenczesslao G wenczeslao Κ venteslao Ρ wenteslao B 1 - 7 audente] audentes ΠΤ - regina] regiam R4I1T - Novam ingredi] ingredi nouam b ingredi in nouam G 1 - Delatum] Dilatum V 8 ecclesiam] eclesiam N1 - in Arce] marte R 4 - et inde] Exin L 1 - Aulam] stulam C - 9 conditum] condita R ^ n condita s.s. conditum τ - 10 sepulchro] sepulcro R 2 nvTDAGL 1 N 1 OPXYZ - ipse] om. CL - sibi] om. BL delegerat] diligerat R 4 - cum postea] postea cum G 1 B 2 b - cum] quum L II diriperetur] dirriperetur R 4 nT disrumperetur D - sepulchra] sepulcra R2R3nvDAGL'NN1OXYZ - 12 effringerentur ... (p. 274, v. 16) magnifice] om. G 1 - effringerentur] effrangerentur Y affringerentur n ' k efringerentur R 3 abicerentur] FIIACBGNlPB1B2xyb abiicerentur R4SDKLr abycerentur Ν abijcerentur Ω - pisciculos] piscicules C pisculus Y pisculos PB 1 pisciculas R3MN1XZ - 12/13 quispiam] quisquam R4T quippiam V quipiam W - 13 cognomine] nomine R3PB1B2b congnomine FG - Musca] Muscha R3PB1B2OWrb musta F - Venceslao] Wenceslao R^ACYZ wenczeslao Κ Wenceslao Μ Wenczesslao G wenteslao B 1 - vendere solitus] solitus uendere L vendere] uendare Τ - solitus] solum R 4 - regis] regem Ν1 - 14 collegit] colligit G - apud se domi] domi aput se Κ - 1 4 / 1 5 domi condidit] condidit domi B 2 - 1 5 in] om. W - 14/p. 268, v. 1 rebus ... redactis] om. X -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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bevor die gerufenen Fürtsten da waren, nachdem er 55 Jahre regiert und zwei Jahre mehr gelebt hatte. Bei den Böhmern ist es Brauch, die Leichname der Könige einbalsamiert vor ihrer Bestattung acht Tage lang durch die Kirchen der Stadt zu tragen und sie von dem Zug der Freunde und Großen des Reiches betrauern zu lassen. Bei Wenzel unterließ man dies, weil die Königin nicht wagte, die Neustadt zu betreten. Der Leichnam wurde überführt in die Kirche St. Veit auf der Burg und von dort nach Königssaal in die Königsgruft, an die wir uns ein wenig vorher erinnert haben, und dort in einem Grab beigesetzt, das der König sich selbst ausgesucht hatte. Aber später, als eben das Kloster von den Häretikern geplündert wurde, und die Königsgräber aufgebrochen und die Leichname weggeworfen wurden, suchte einer mit Beinamen Muska, der Wenzel Fische zu liefern pflegte, den Leichnam des von ihm geliebten Königs heraus und verbarg ihn in einem Sarg zu Hause. Als dann einige Zeit vergangen war und die Lage sich gebessert hatte und man

354 ad Aulam Regiam] s. 323.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber secundus)

formam redactis, cum Venceslai corpus requireretur, ac358 ceptis viginti aureis illud reddidit. Tumque circumgestatio ex more facta et iustum regi funus exhibitum. 359 Recens obierat Venceslaus, cum Iohannes Zischa, genere nobilis ex loco, cui Trosnovia nomen est, censu tenui, in curia regis a puero enutritus et bellis exercitatus, uno carens oculo, quern strenue pugnans iampridem amiserat, infectus Hussitarum veneno et rapinarum avidus, collecta perditorum hominum multitudine in ecclesias, que restaverant, impetum fecit, simulacra sanctorum et imagines 360 magni Dei perfregit. Monasterium Carthusiensium Prage vicinum invasit et direptum incendit, monachos eius ordinis tanquam populo inutiles, qui veluti sues in claustro

1 formam] fortunam DW - cum] quum L - Venceslai] wenczeslai Κ Wenceslai R^ANXYZ Wen?eslai Μ wenczesslai G venteslai Pfoenteslay B 1 uenceslai Τ - 2 viginti] DBB^Zb XXt! C /// Κ1 XX Ω - reddidit] reddit DW redidit Κ - 3 facta] factum R 4 I I T - regi] regni R 4 n regni in mg. Regi Τ rei Ο rege Ν1 - 4 In fronte articuli De Iohanne (b: Johanne) Zischa. hereticorum Hussitarum (b: hussitarum) capitaneo (b: Capitaneo) in armis strenuissimo ac victoriosissimo. Capitulum 38 (b:XXVIII) B ^ in mg. A - obierat] obieerat Ο obijerat V obyerat Ν - Venceslaus] Wenceslaus R 2 V A Z wengeslaus Μ wenczeslaus Κ wenczesslaus G venteslaus Ρ wenteslaus B 1 - cum] qum L tum V - Iohannes] R ^ I I T D L L ' B ' W r Ioannes S Joannes R 3 M Z Jones Ν Johannes Ω - Zischa] R ' R ^ I I S M D L L ' C B N P B k ^ B ^ Zisca R 2 R 4 T G N 1 X Z Czisca OWr Ziska VY Zizca A Zizka Κ — genere] ignem in mg. genere Μ ignem X (igne) G - 4/5 genere nobilis] nobilis genere B2b - 5 nobilis] nobilus R 2 Trosnovia] trosnauia APB1 - est] om. b - censu] censui W - 6 et] a Β1 - bellis] bellicis r V b ^ - exercitatus] conlocatus G - 7 oculo] occulo Π - strenue] strennue R 2 L N O r FSVMCGKN'PB'XYZ - pugnans] pungnans V G Y - amiserat] ammiserat R 2 amisserat Τ - 8 Hussitarum] usitarum R4 - rapinarum avidus] rapinarum ueneno auidus R 4 n auidus e ueneno auidus corr. τ 9 perditorum] predictorum DN - hominum] homini R4 - multitudine] multiplicacione C - ecclesias] eclesias N 1 ecclesijs G - 9/10 restaverant] restabant b restiterant CB restaurauerant B2 DGNWZ restaurant R 4 N * restauerauerant V - 10 simulacra] R1R3R4VTCDGLNOXYZr Simulagra Ρ Simullachra B 1 Simulachra Ω - imagines] ymagines FIIVTCDKJLANOPB'Yr - 11 perfregit] prefigit B1 - Carthusiensium] Cartusiensium R3FTLBB2owr Cartusiensium s.s. Carthusiensium S karthusiensium Κ - 12 direptum] dirruptum ΙΓΓ diruptum R4F - incendit] om. b - monachos] Monacos R3 Monochos B2 monachus F - eius] huius R4IIT - 13 tanquam] R1R2R4MDLBB2WXZrb tamquam Ω - populo] in mg. C - inutiles] inutelis B1 - qui veluti sues] om. G - qui veluti] om. B1 - claustro] claustris C -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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Wenzels Leichnam suchte, gab er ihn für 20 Goldstücke heraus. Dann nahm man für den König den üblichen Umzug und ein ordentliches Begräbnis vor. Wenzel war eben verstorben, als Johannes Zizka, ein Adliger aus einem Ort namens Trocnov, mit mäßigem Vermögen, von Kindesbeinen an am Königshof erzogen, in Kriegen bewährt, mit nur einem Auge - das andere hatte er schon vor langer Zeit bei einem tapferen Kampf verloren - vom Hussitengift infiziert und raubgierig sich eine Schar Verbrecher zusammensuchte und auf die Kirchen, die noch standen, seinen Angriff richtete und die Bilder der Heiligen und die Bilder unseres großen Gottes zerschlug. In das Kloster der Karthäuser in der Nähe von Prag drang er ein, und als er es geplündert hatte, steckte er es in Brand. Den Mönchen dieses Ordens befahl er, anderswohin zu ziehen, da sie für das Volk unnütz seien und im

359 Iohannes ... Trosnovia] Jan Zizka von Trocnov (vor 1378-1424). Zu ihm Pekar 1927-1933 I-IV - ex loco, cui Trosnovia nomen est] Trocnov, ein Dorf und eine Feste in der Nähe von Schweinitz/Trhove Sviny (Südböhmen). 360 Monasterium Carthusiensium Präge vicinum] vgl. Palacky III 178; Smahel III 9. Das Kloster wurde am 17. August 1419 zerstört.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

361 saginarentur, migrare alio iussit. Venere per idem tempus

1

ex Montibus Pragram quadringenti circiter viri cum mulieribus lepra Hussitarum infecti atque in foro sedentes f«32v 362 cibum ex magistratibus petiere. II Consulatus metu plebis, que advenarum miserebatur, cibaria eis publicitus

5

363 ministravit. Zischa hos sibi adiunxit et per arcem Vicegradensem, que negligenter custodiebatur, ad locum, quem 364 Cruces appellant, profectus est. Ibi supra

quadraginta

milia virorum ex hereticis convenere, qui suam multitudinem conspicati animum in omne facinus audentiorem 365 sumpsere. Multa ibi adversus Sigismundum

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cesarem,

quem regni heredem suisque conatibus infensum norant, 366 excogitata atque decreta. Exin Zischa duce Coranda, de quo supra meminimus, Pelzinam, ubi complures esse sue factionis amicos non ignorabat, raptim contendit eamque 367 urbem in potestatem receptam valido presidio muniit. Qui

1 saginarentur] signarentur R4!! signarentur in mg. saginarentur Τ migrare] migrasse W om. R4n in mg. Τ - alio iussit] alio dixit iussit R4n 2 Montibus] mantibus R4n mantibus s.s. montibus Τ - quadringenti] B^Y CCCC" RVcBOPB 1 CCCC a - 3 Hussitarum] usitarum R4 - foro] forum W - 4 petiere] paciere G periere Μ - Consulatus] Consolatus b ' b ^ - 5 que] qua C qui Y — miserebatur] miserabatur VL miserabatur s.s. miserebatur R3 - eis] euis B1 - 6 Zischa] Zisca R2MGN1X Zischka V Zizca A Czischa OWr ?ischas R4 Zizka Κ Ziscka Y Zißca Ζ - per] om. BHI - 6/ p. 274, v. 14 hos sibi adiunxit ... gratulabundi expos(cerent)] om. A - 6/7 Vicegradensem] vissegradensem R3PB1b wissegradensem Κ Vitegradensem Π - 7 custodiebatur] custodiebantur R4 - custodiebatur, ad] custodiebatur, inuadere cupiens ad B ^ - 8 supra] supera R4F - quadraginta] TDB^ quatraginta R4 XL ta R'CBGKL'N'PB'YZ XL Ο - 9 milia] millia F - ex] de N1 - 10 conspicati] suspicati R2MGN*XY - in] ad B2b om. B1 - omne] nomen B1 - audentiorem] audacem B ^ - 11 sumpsere] supresere MY - ibi] ubi B1 vbi Ρ - 12 regni] regium b regi N1 - suisque] suis VB^ - conatibus] conatus Β - norant] norat V vorant G - 13 Exin] Exinde VYK - Zischa] Zisca RWMGN1 XZ zischa R4 Zischka V Czischa r Cziska Ο Ziska Y Zizka Κ Czicha W - Coranda] Corauda M ß V r Coramda C Conrada Τ'Ζ Coranda s.s. Corauda Τ 14 Pelzinam] Pel^inam R1 pelging R4 Pelczinam Or pilzinam Y Pelsinam Ζ - complures] compluris FITTSCBLNL1 cum plures R4D quam plures R ^ B ^ - 15 raptim] om. Y - 15/16 raptim ... receptam] om. b in mg. B2 - 16 potestatem] potestate R3 pontem G - presidio] presideo FII - muniit] SLPr munit R4I1B1Z munit in mg. muniit Τ muniuit DL1 munyt KNN'XY in unijt G munijt Ω -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

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Kloster sich wie Schweine mästeten. Zur selben Zeit kamen aus Kuttenberg ungefähr 400 Männer mit ihren Frauen nach Prag, vom Hussitenaussatz angesteckt. Sie setzten sich auf den Marktplatz und forderten von den Behörden eine Speisung. Der Stadtrat gab ihnen aus Furcht vor dem Volk, das Mitleid mit den Ankömmlingen hatte, aus den Mitteln der Staatskasse Lebensmittel. Zizka machte diese Leute zu seiner Anhängerschaft und zog über die Burg Vysehrad, die nur nachlässig bewacht wurde, nach dem Platz, den man Kreuze nennt. Dort kamen von den Häretikern über 40.000 Männer zusammen. Sie wurden, als sie sahen, welche Menge sie waren, mutig zu jedem Verbrechen. Viel wurde dort gegen Kaiser Sigismund, den sie als Erben des Reiches ihren Unternehmungen feindlich gesonnen erkannten, ausgedacht und beschlossen. Darauf eilte Zizka unter Führung Korandas, an den wir uns oben erinnert haben, schnell nach Pilsen, wo, wie er genau wußte, mehrere Freunde seiner Verschwörung waren. Er brachte diese Stadt in seine Gewalt und sicherte sie mit

363 ad locum, quem Cruces appellant] Krizky. Zur Lage: Profous II, S. 410; Sedläcek, S. 470f. Die Versammlung fand am 30. September 1419 statt, vgl. Palacky III 185f.; Smahel II 96 und 121f.; III llf. 366 Exin Zischa ... Pelzinam ... contendit] vgl. Palacky III 192.

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HISTORIA B O H E M I C A (Liber secundus)

apud Cruces remanserant, arcem Vicegradensem invasere. Sophia interim anxia, quo se pacto tueretur, crebris nuntiis ac litteris Sigismundum vocare, vicinorum auxilia petere atque in omnis partes mentem dirigere. Sigismundum malo usum consilio in Turcos, qui se iampridem castris exuerant, arma prius movere quam Bohemiam petere libido incessit. Quod si mox exercitum Pragam duxisset, antequam vires hereticorum coaluissent, nunquam ea incendia, que postea vidimus, Germaniam exussissent. At ille dum Turcos lacessere parat, Bohemiam amisit et Hungariam non defendit. Eapropter cum serum esset eius auxilium, regina cum Cenchone Vartenbergensi regnum gubernans ex thesauro regio copias comparavit,

1 apud] aput FITK - remanserant] remanserat B2 remansserant Κ - arcem] autem Π - Vicegradensem] Vissegradensem R3PB1b visegradensem Ζ wissegradensem Κ - invasere] inuasem B1 - 2 Sophia] Cophia ΠΤ zophia Y tueretur] thueretur D tutaretur Y meretur C tueret R4n tueret ascr. -ur Τ 3 nuntiis] r nunciis R'R4SD nuntijs FP nuncys NXY nunccijs Ζ nunccys N'K litteris L nuncijs Ω - ac litteris] om. Β - litteris] litterris V litteras Κ nunciis L nuncijs C - auxilia] anxia C - 3-4/5 vocare ... Sigismundum om. L 4 omnis] omnes R4FITVTDKL1B2NZb - partes] partis R2GX - 5 malo] om. Π usum] vso D usus R3 suorum Ζ - consilio] concilio b - Turcos] r ' b W o w x turchos R2R3MDLL1BNZ Thurcos FST'CGPB'KYrb theucros R 4 n theucros in mg. Thurcos τ - 5/6 iampridem castris] iampridem eum castris B2 iampridem in castris R4 - 6 exuerant] exueherant R4 exueherant in mg. exuerant Τ evexerant W exurant b - 7 Quod] qui R 4 n qui s.s. quod Τ quos D - mox] om. b - exercitum Pragam] pragam exercitum Β exercitum in pragam G 8 duxisset] dixisset Wr dixisset s.s. duxisset Ο - coaluissent] colaluissent R 2 coalluissent D aluissent B1 creuissent X Conualuissent Κ - 8/9 nunquam] R1SLL1Cr numquam Ω - 9 vidimus] audiemus N1 - 9/10 exussissent] exuissent R2GN'Y exuissent in mg. exusissent Μ exursissent C euertissent Β excussissent L exursset X exuississent R4 - 10 At] Ac VDGOPB'wr ate Π ille dum] dum ille R3PB1B2b - dum] cum R2MN1KOWXr - Turcos] R'z Turco Ο Thurco r Turchos R4FIISVTDLL1BN turcas R3 thurcos T'cPB'B^Wb theucros R2MGKN1X - lacessere] lacessare N1 - parat] in mg. Ρ parant Κ 10/11 Bohemiam amisit] Bohemiam petere amisit B1 - 11 amisit] ammisit Ζ - et Hungariam non defendit] om. R4 - Hungariam] Vngariam CGB2L'b - defendit] deffendit ΙΓΠ3 defendent B1 - cum] quum L - 12 esset eius] eius esset C - regina] regiam Π - Cenchone] centhone VN1 conchone L Czenchone Ο theutone Ζ Czenkone Κ - Vartenbergensi] R'SVLBNN'W Wartenbergensi R2GYZ Vratenbergensi R4FIIOWr Vratembergensi R4T uartenbergensi MX Vartembergensi R3 wartembergensi Κ wirtenburgensi Cb virtenbergensi PB1 Vertenbergensi D Vratenburgensi B2 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

273

einer starken Truppe. Die auf Kreuze zurückgeblieben waren, drangen in die Burg Vysehrad ein. Sophia unterdessen, voller Angst, wie sie sich schützen könnte, ließ durch häufige Briefboten Sigismund rufen und die Hilfe der Nachbarvölker erbitten und überlegte alles mögliche. Sigismund war schlecht beraten, vorher gegen die Türken, die sich schon längst des Lagers entledigt hatten, die Waffen zu ergreifen, bevor er Lust bekam, nach Böhmen zu eilen. Aber wenn er das Heer sogleich nach Prag geführt hätte, so hätten Deutschland niemals solche Brände zerstört, wie wir sie später gesehen haben. Aber während jener sich anschickte. Die Türken zum Kampf zu reizen, verlor er Böhmen und konnte Ungarn nicht verteidigen. Als deswegen seine Hilfe zu spät kam, stellte die Königin, die Herrschergeschäfte führend, zusammen mit Cenek von Wartenberg aus dem königlichen Vermögen Truppen auf. Die Burg von Prag und die

367 Qui apud Cruces remanserant, arcem Vicegradensem invasere] vgl. o. 364. Vysehrad wurde im November 1419 an die Königin Sophia zurückgegeben, vgl. Smahel III 18. 368 Sophia] Gemahlin des verstorbenen Königs Wenzel IV. - Sigismundum vocare] Bruder Wenzels IV., König von Ungarn. 369 Sigismundum ... in Turcos ... arma ... movere ... libido incessit] vgl. Autonius de Bonfinis. Decas III, liber II, 36; Palacky III 193. 372 Eapropter ... regina cum Cenchone Vartembergensi ... copias comparavit] Cenek von Wartenberg (z Vartemberka) (nach 1365-1425) vgl. Palacky III 189f.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber secundus)

Arcem Pragensem et Minorem Civitatem, que Arci adiacet, presidio firmavit, ponti Multavie, ne transitus iliac esset hereticis, ligneas turres ac ianuas adiecit. At illi passim per regnum conventus agitare, sollicitare populos, hos minis terrere, illos blanditiis allicere, implere Novam Civitatem suis hominibus, dies noctesque consultare, quibus modis summan sibi rerum acquirerent. Cum quibus Petrus Sterembergius apud Insulam Benedicti confligens equo Marte prelium diremit. In Praga aucta hereticorum colluvie pro ponte pugnatum multisque utrinque cadentibus pons denique in potestatem Hussitarum factus et pars declivior Prage Minoris. Fideles in altiorem sese partem receperunt atque inde conversi acribus animis instauravere certamen. Pugnatum est die noctuque continuis quinque diebus sevissimis atque crudelibus ausis. Multi utrinque cesi, magnifice domus exuste, pretorium infimo loco situm incensum atque deletum.

1 adiacet] adiacebat VN - 2 Multavie] mulctauie R2M - 3 hereticis] hereticus R4FI1 hereticus s.s. hereticis Τ - ligneas] lingneas CK lineas W - turres] turris C tures Τ - adiecit] adiaccit F - At] Ac R2DGNt1 - 4 sollicitare] solicitare DLl^Y Solitare W - hos] homines W - minis] minus PB1 nimis Κ 5 blanditiis] L blandiciis R4SDr blandicys VKNN'XY blandicijs Ω - allicere] alicere D illicere R4 - 6/7 modis summam sibi] sibi modis summam Β 7 rerum] regnum L om. B1 - acquirerent] adquirerent n'yz - 7/8 Sterembergius] Sternebergius R4FT sterenbergius Bb'n Sternbergius Y Stemrembergius Ο starembergius RVb Sterembergius Ω - 8 Insulam] om. B 1 - Marte] in arce Ζ - 9 prelium] proelium SB praelium R4 — diremit] dirimit R^FII - colluvie] calumnie Τ calumnie R4 colume N1 callunie F calumpnie Π obluuie R3 alluuie B ^ obliuione PB1 collunie Y - 10 pugnatum] pungnatum VY - multisque] multis PB1 - utrinque] vtrimque FNN1PB1b utrumque Π utramque Τ vtrimque X utrunque R4 - 11 potestatem] potestate R3Pb - Hussitarum] hunsitarum R4 - et] om. R4b - pars declivior] decliuioris partis b - declivior] decriuior R4 decrivior s.s. decliuior Τ 12 Fideles] bis R4 fidelis DB1 - sese] sepe PB1 se R4 - sese partem] partem sese L 1 - receperunt] reciperunt Ρ - 13 instauravere] restaurauere V restaurare D - 14 Pugnatum] pungnatum VGY - die] diu R^OWYr - die noctuque] nocte diuque PB1 - quinque] V C - 15 sevissimis] seuissibus V seuississimis Β - atque] ac Β 2 Ν^ - crudelibus] crudelissimis R4B2 - ausis] ausibus b - utrinque] vtrimque FN'PB'b utrunque R4 utrumque ΠΤ 16 exuste] exhuste R4 exuste ex exhuste corr. τ - loco] om. R4 - 17 incens u m ] i n c e n s s u m Ο - De libri secundi

explicito

superius

p.

0194.

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Zweites Buch)

275

Kleine Stadt, die der Burg zu Füßen liegt, sicherte sie mit Truppen. Vor die Moldaubrücke ließ sie, damit die Häretiker dort keinen Übergang hätten, hölzerne Türme und Tore bauen. Die Häretiker aber hielten weit und breit im Königreich Versammlungen ab und verbreiteten Unruhe im Volk, indem sie die einen mit Drohungen erschreckten und die andern mit Versprechungen anlockten. Sie bevölkerten die Neustadt mit ihren Leuten. Tag und Nacht beratschlagten sie, wie sie an die Macht kommen könnten. Peter von Sternberg kämpfte mit ihnen bei Beneschau, doch erfolglos mußte er den Kampf abbrechen. In Prag hatte sich der Häretikerunrat vermehrt. Es kam zum Kampf vor der Brücke, wobei es auf beiden Seiten viele Gefallene gab. Schließlich gelangte die Brücke in die Hände der Hussiten und ebenso der am Hang gelegene Teil des Kleinen Prag. Die Gläubigen zogen sich in den höher gelegenen Teil zurück, verschanzten sich dort und nahmen verbissen den Kampf wieder auf.

Ende des zweiten Buches der Böhmischen Geschichte.

375 Petrus Sterembergius apud Insul am Benedicti] Peter von Sternberg, Herr auf der Burg Konopiste bei Beneschau (Mittel-Böhmen), vgl. Palacky III 190. Zur Lage: Sedläcek, S. 15f. und 433f. 378 Pugnatum est die noctuque] im Mai 1420, vgl. Palacky III 210f; Smahel III 17f. Die Schlacht wurde bei Porici nad Säzavou, unweit von Beneschau (Mai 1420) geliefert, vgl. Smahel III 49. Zur Lage: Profous III, S. 439, Nr. 1; Sedläcek, S. 718.

Liber tertius Drittes Buch

[Liber tertius]

Historie Bohemice liber secundus desinit. Tertius incipit. Lege feliciter.

f.33 r

ι

Cum

hie esset r e r u m status, legati S i g i s m u n d i

1

super-

venere, qui regni g u b e r n a t i o n e m accipientes c u m civitate Pragensi ea lege indutias fecere, ut arce V i c e g r a d e n s i

5

reddita liceret c i v i b u s oratores a d S i g i s m u n d u m mittere 2

d e q u e re sua c u m eo transigere: Z i s c h a Pelzinam, P i e s c a m

3

et alia q u e o c c u p a v e r a t loca, restitueret.

Conditionibus

acceptis atque completis externi heretici u r b e m reliquere. 4,5 C o n s u l a t u s ex prisco m o r e g u b e r n a t i o n e m iniit. Quietior reddita civitas, n o n t a m e n catholici, q u i excesserant, redi6 re ausi. E x p e c t a b a n t e n i m S i g i s m u n d i a d v e n t u m ,

cuius

1 De libri tertii titulo superiusp.0194 - status] statas R4FII - 3 legati] letati R4 - Sigismundi] sigismundo N1 - 3/4 supervenere] superuere G1 superuevenere Κ - 4 accipientes] suscipientes G - 5 Pragensi] pragense R4 - fecere] facere DNP - Vicegradensi] uissegradense R3 wisgradensi Κ vissegradensi PB1G1b vigradensi V - 6 reddita] redidita Κ - civibus] ciuilibus FII ciuibus e ciuilibus corr. τ - oratores ad Sigismundum] ad Sigismundum oratores R ^ ' B ^ ' b - 7 deque] de Κ - re] reque Κ om. D - eo] ea B2 - transigere] transsigere PB1N1YZ - Zischa] Zisca R2MN1XZ Ziska VY Zizka Κ Czischa OWr Cischa B2 gischa R4L1 - Pelzinam] Pelginam R'L1 Pelczinam B2OWr pilzanam R4 pilznam Y pelrinam N1 plznam Κ - Rescam] R1R2IIN1OZ pyescam Y pieskam KW Piestam Ω - 8 occupaverat] occuparat pb1 - loca] loco D om. G1 - restitueret] restituerat LOWr restituat B2 - 9 completis] complectis R4n complectis corr. in completis Τ - reliquere] relinquere ΠΟΡΒ1 relinquere corr. in reliquere Τ - 10 consulatus] Consultatus G - more] morem Ο - iniit] SDLB^ inyt KNN'XYZ mutat W inijt Ω - 11 reddita civitas] reddita te ciuitas R4 - catholici] katholici KYZb captolici R2M - excesserant] exesserant G - redire] reddire R4D - 11/12 redire ausi] ausi redire GN1 - 12 Expectabant] exspectabant B'GL1 - enim] autem R^'PB'b - Sigismundi adventum] Sigismundum Y -

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Drittes Buch Anfang des dritten . Lies glücklich.

Als dies die Lage der Dinge war, kamen Gesandte Sigismunds. Sie übernahmen die Regierung über das Königreich und schlossen mit der Stadt Prag Waffenstillstand unter der Bedingung, daß nach Rückgabe der Burg Vysehrad die Bürger Bittsteller zu Sigismund schicken und mit ihm über ihre Lage verhandeln dürften. Zizka sollte Pilsen, Pisek und die anderen Orte, die er besetzt hatte, wieder herausgeben. Als die Bedingungen angenommen und erfüllt wurden, verließen die fremden Häretiker die Stadt. Gemäß dem früheren Zustand übernahm der Rat der Stadt die Regierung. Aber obwohl die Lage in der Stadt ruhiger geworden war, wagten die Katholiken, die ausgewandert waren, dennoch nicht, zurückzukehren. Sie warteten nämlich auf Sigismunds Ankunft, von dessen Anwesenheit sie sich Sicherheit versprachen. Doch ein

1 Legati Sigismund! supervenere] Vilem Zajic von Hasenburk und Arnost Flaska von Richemburk, in der ersten Maihälfte 1420. Vgl. Smahel III 40. 2 Zischa Pelzinam, Piescam ... restitueret] Pilsen in West- und Pisek in Südböhmen, beides königliche Städte. Vgl. Profous III, 381-384; 362, 6; Sedläcek, S. 693f. u. 700f.; Palacky III 212.

280

f.33 v

HISTORIA BOHEMICA

(Liber tertius)

7 presentia sese tutos futuros arbitrabantur. Sed interruperunt spem omnem littere ab eo misse, in quibus scriptum erat ipsum brevi venturum regnumque eo modo guberna8 turum, quo pater Karolus provinciam gubernasset. Quibus ex verbis intellexerunt heretici sectam suam exclusum iri, 9 que regnante Karolo nondum ortum habuisset. Proinde ίο magis ac magis malignati. Sigismundus autem ad festum Nativitatis Dominice Brunnam, quod est Moravie oppidum, petiit ibique Pragensibus veniam petentibus ea lege pepercit, ut catenas et repagula tota ex urbe deponerent π suosque magistratus acciperent. Paruit attonita civitas, cum regni primores elevatis in celum manibus adventum novi regis gratulabundi exposcerent eiusque rectores sine 12 controversia II relique urbes admitterent. Nec dubium videbatur, quin tota Bohemia Hussitarum labes excessisset, si ex Brunna Sigismundus recta se Pragam contulisset. 13 Sed divertit ille, ut fortasse in fatis erat, iter Vratisla-

1 sese] se G1 - tutos futuros] futuros tutos L1 - futuros] om. B2G'b - tutos] totos D - 2 omnem] om. B2G!b - 3 regnumque] regnum Β - eo modo] commodo R4 comodo Π - 3/4 gubernaturum] gubernatum B2 - 4 pater Karolus] pater ipsius karolus B2b pater ipsius Carolus G1 - Karolus] R4nVTCDB2L'NZb Carolus Ω - 4/6 Quibus ex verbis ... habuisset] om. W 5 ex verbis] om. R4 ex in mg. Τ - exclusum] exclusam PG'N'Zb exclusum Ω - iri] ire GOr - 6 Karolo] R4IIVTDL1NZb karulo B2 carulo PB1 Carolo Ω nondum] nundum R4TB - 7 malignati] indignati R3PB!b indignari G1 malingnati Κ - 8 Brunnam] Brumam R1R3BPB1b Brumiam L Brunnam Ω 8/9 oppidum] opidum R^nvTCGPB'B^'KN'YZb - 9 petiit] R4STDLB2r petijt RWnCG'L'OP peciit G perijt R3 pecyt KNN'XY pecijt Ω - 10 catenas] R1R2OPXr chatenas Y cathenas Ω - deponerent] reponerentur V reponerent Ν - 11 suosque magistratus acciperent] om. B2 - suosque] suos G'b 12 regni primores] primores regni R3PB1B2G1b - 14 controversia] contrauersia B2 - urbes] vrbis G - admitterent] amitterent s.s. admitterent S amitterent CL'N ammitterent V - 15 quin] qui R4 - Hussitarum labes] labes hussitarum R ^ B ^ G ' Y b - 15/16 excessisset] exessisset G excessit B1 - 16 Brunna] bruma R3PB1B2 brumia S brunia L bohemia Β - Sigismundus] om. D - recta se] recta via se PB2G'b recta s.s. via A recte DZ recto k l 1 Pragam contulisset] contulisset pragam N1 - 17 ut fortasse] om. X - in] om. R3PB2G1b - fatis] fantis corr. in fatis S fati sui G'b - erat, iter] iter erat Κ iter] om. G'b - 17/p. 282, v. 1 Vratislaviamque] wratislauiamque VYZ vratisslauiamque G Vratislamemque Π vratislaniemque F Vratislaniensemque R4 Vratislauiensemque Τ Wratislauiam Κ Vratislauiam PB'N1 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Drittes B u c h )

281

Brief von ihm vernichtete alle Hoffnung. Er hatte geschrieben, er werde in Kürze selber kommen und das Reich so regieren, wie sein Vater Karl das Land regiert habe. Aus diesen Worten lasen die Häretiker heraus, daß ihre Sekte ausgeschlossen sein würde, da sie ja unter Karls Herrschaft noch nicht bestanden hatte. Daher wuchs die Empörung mehr und mehr. Sigismund eilte zu Weihnachten nach Brünn, einer Stadt in Mähren, und dort gewährte er den um Gnade bittenden Pragern Schonung unter der Bedingung, daß sie die Ketten und Riegel aus der ganzen Stadt entfernten und seine Beamten anerkennten. Die Stadt gehorchte bestürzt, als die Vornehmen des Reiches mit zum Himmel erhobenen Händen glückwünschend die Ankunft des neuen Herrschers verlangten und die übrigen Städte ohne Widerrede seine Amtmänner zuließen. Und es schien unzweifelhaft, daß der Hussitenschmutzfleck aus ganz Böhmen verschwunden wäre, wenn Sigismund sich schnurstracks von Brünn nach Prag begeben hätte. Aber er nahm, vielleicht vom Schicksal bestimmt, einen andern Weg und besuchte Breslau, die Hauptstadt von Schlesien.

7 littere ab eo misse] Falls es sich dabei nicht um eine Verwechslung mit dem vorausgegangenen J a h r (1419) handelt, vgl. Palacky III 181. - pater Karolus] s. II 168ff. 8 regnante Karolo] s. I 141f.; II 168. 10 ad festum Nativitatis Dominice] 25.12.1419; Palacky, III S. 193-195. Brunnam] Brünn/Brno; s. Hosäk-Srämek I 110). 13 Vratislaviamque ... accessit] am 6.1.1420. Sigismund blieb in Breslau bis zum 8.4.1420. Vgl. Palacky III 195, 201; Smahel III 22.

282

HISTORIA BOHEMICA

(Liber tertius)

viamque, Sclesie caput, accessit, quo in loco populus urbanus non diu antea consulatum a Venceslao fratre 14 constitutum per seditionem obtruncaverat. Cuius sceleris is autores securi percussit. Quod ubi Prage renuntiatum est, diffisi de venia cives, exemplum Vratislaviensium veriti, manifesto desciverunt et allecto premiis Cenchone, qui Arci Pragensi preerat, in totum regnum litteras dedere, ne quispiam Sigismundo aditum preberet, qui Dalmatice lingue hostis esset nec alia cura teneretur quam regni perdendi, qui Marchiam Antiquam Prutenorum ordini iure pignoris obligasset, Brandeburgensem autem a corona Bohemica alienasset, Iohannem ac Hieronymum in Constantiensi concilio cremari non solum permisisset,

1 Sclesie] Slesie ^VNB'G^^Zb Schlesie B2 Slesieque Κ - Sclesie caput] capud Slesie Y - accessit] accessisse X - 2 antea] ante ea Ζ - consulatum] consolatum Ρ consultum B2 - Venceslao] Wenceslao R2VAYZ wenczeslao Κ Wengesiao Μ wencesslao G venteslao Ρ wenteslao B1 uensceslao R4 - fratre] fratre suo G ! b - 2/3 a Venceslao ... constitutum] om. D - 3 sceleris] sterilis R4FII - 4 autores] R'COWr auctores Ω - securi] secum R4 - ubi] ibi GN'X renuntiatum] rinunciatum X renuncciatum KN]Z renunctiatum IIL1 - est] om. Ζ - 5 diffisi] diffidere Ζ - exemplum] exemplo R2MAGN1XY exin R4FII Vratislaviensium] Vradislauiensium R 1 Vratislumensurum Π uratisliuensurum Τ Vratislauensium B 2 L' Vratisliuiensium R4 wratislauiensium VYZK Vratisslauiensium G Vratislauiencium DP - 6 manifesto] manifeste IISTB magnifeste DL - desciverunt] desciuerint D destinauerunt Ζ - premiis] primus Y premus MN1 - Cenchone] conchone R2MBGX cencone R4n cencone s.s. cenchone Τ contone s.s. cenchone N1 centhone VP czenchone A teuthone B1 Theutone z Cenchone Ω - 7 Arci] arte Π arce R4F arce s.s. arci Τ - 8 quispiam] quisquam L1 - aditum] additum L 1 auditum D - Dalmatice] dalmatie Τ dalmatie G1BN dalmacie VCDL'Zb - 9 lingue] ligwe CG ligwe V lingwe KY ligue B2 - esset] essent R4 - cura] om. D teneretur] teneret D tenere R4n tenere s.s. teneri τ - 10 Marchiam] om. G ! b - Antiquam] nouam Y - Prutenorum] Pruthenorum PB1 putrenorum Β prutenorum ciuitatem G1 Pruthenorum ciuitatem b - ordini] ordinis R3PB' ordine L - 11 pignoris] pigneris S pingnoris Κ - Brandeburgensem] Brandeburgenses PB'b Brandenburgenses Β2 Brandenburgensem VGN1 Brandeburgenses corr. in Brandeburgensem A - a] ac R4 - 12 Bohemica] om. BN - Iohannem] R4FIITDB1r Iohannen L Ioannem S Joannem R3MZ Johannem Ω - ac] et FIITYZ om. R4 - Hieronymum] r ' f s hyeronimum ML hyronimum R2R4 Ihieronimum CA iheronimum BB1 Jheronimum PB2G' Jeronimum VGYZ Jeronymum Κ Hieronimum Ω - 1 3 Constantiensi concilio] consilio constantiensi Β - concilio] consilio FDAPB'L'Z - cremari] crema R4 om. Ν - permisisset] permissesset Π -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Drittes Buch)

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Hier hatte die Stadtbevölkerung vor kurzem den von seinem Bruder Wenzel eingesetzten Stadtrat bei einem Aufstand niedergemacht. Die Urheber dieses Verbrechens ließ Sigismund hinrichten. Sobald dies in Prag bekannt geworden war, mißtrauten die Bürger der Vergebung Sigismunds, weil sie das Beispiel von Breslau fürchteten. Sie verfaßten eine Erklärung und gewannen gegen eine Belohnung Cenek, den Kommandanten der Prager Burg, und schickten ins ganze Königreich Briefe, daß keiner Sigismund Zutritt gewähren sollte, da er ein Feind der dalmatischen Sprache sei und keine andere Sorge habe, als das Königreich zugrunde zu richten. Er habe die Altmark dem Ritterorden in Preußen verpfändet und Brandenburg von der Böhmischen Krone abgetreten. Er habe nicht nur erlaubt, Johannes und Hieronymus auf dem Konstanzer Konzil zu verbrennen, sondern sogar dafür gesorgt. Die

14 Cuius sceleris autores sceuri percussit] in den Quellen ist vom Feuertod des Prager Bürgers Herrn Kräsa am 15.3.1420 die Rede, Palacky III 202; Smahel III 36. 15 allecto ... Cenchone] Cenek von Wartenberg, s. II 372. - exemplum Vratislaviennam veriti] Sigismund hielt sich vom 5.1. bis zum 8.4.1420 in Breslau auf. - qui Marchiam Antiquam ... obligasset, Brandenburgensem ... a corona Bohemica alienasset] Smahel III 85f. - Iohannem ac Hieronymum] s. II 226 und 296.

284

16 17 is 19

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HISTORIA B O H E M I C A (über tertius)

verum etiam procurasset, dogmata fidei, que ipsi sequerentur, totis conatibus impugnare. Zischa, dum hec aguntur, relicta ex foedere Pelzina bis a fidelibus invasus, bis versutiis usus ex poene victo victor evasit. Erant aspera loca, in quibus pugnare oportuit. Höstes in equis, milites sui omnes pedites nec certamen committi nisi pedestre poterant. Ut ergo desiliere ab equis adversarii, mulieres, que de more suum exercitum sequebantur, proicere pepla in terram iussit, quibus impliciti per calcaria equites prius extincti sunt, quam pedes expedire valerent. Ipse deinde Austam petiit, oppidum ad Lusinitium amnem in ripa situm, ex quo Procopius et Ulricus fratres, vere fidei cultores eiusque loci domini, non parvam populi partem eiecerant cum hereticis sentientem. Id Zischa prima quadragesime nocte aggressus armis expugna-

1 procurasset] om. G1 - procurasset, dogmata] procurasset, verum etiam procurasset dogmata R4 - fidei] om. R3PB1B2G1b - 2 conatibus] cognatibus D - impugnaret] inpugnaret F inpugnare Ζ imgugnaret s.s. impugnaret C impungnaret KY - 3 In fronte articuli De ciuitate Thabor (G1: thabor) et extructione (G1: exstructione A: extruccione) eius fratribusque thaboritis. Capitulum xl (b: X L ) AB2G'b - Zischa] Zizka Κ Zischka V Czischa Or in Czischa W Zizca A Zisca GNxXZ Ziska Y Qizcha Π - foedere] T1 federe R W s federe Ω - Pelzina] Pel?ina r W l 1 Pelczina OWr pel?ina F pelrina N1 plzna Κ pelsina GZ pelcina s.s. plzna A Belzina B2 Pelzina Ω - 4 poene] R1TI pene Ω - victor] uitor R4 - 5 pugnare] pungnare VGKN - oportuit] opportuit Π 7 committi] conmitti Ν - pedestre] pedester OWr - desiliere] desilire G'Nb desiliretur Y desilierunt W - ab] de Κ - 8 adversarii] aduersarii R4SLB2r aduersary VAKNXY - mulieres, que] mulieresque R2R3MAGKLXY exercitum] excercitum Ρ - 9 proicere] VCABB2GKL1NN1OXYZrb proiicere R3R4SLG'W proiecere D proijcere Ω - pepla in terram] in terram pepla Ο — impliciti] implicati R3PB'B2b - 10 calcaria] carcaria D - equites prius] prius equites R4TB2 - 11 deinde] mole R4 - Austam] R1R2R3R4FI1SVDLPB1B2GNN1X muscam G1b Austriam Y vstie Κ Auscam s.s. vstie A Auscam Ω - petiit] R4Sr peciit D pecijt R2CABPB1B2GG1WZII pecyt KNN]XY petijt Ω - oppidum] opidum RSFIIVTCG1KN1PB1Yb - 11/12 Lusinitium] R1R2R3R4FIIVTLBG1 Ν luznicze Κ lusinicium s.s. luznicze A del. Ρ om. B1 luzinicium Ω - 12 amnem] ampnem AG1PB1b amnen D - ripa] rippa TO ripam Ρ ripmam ripam B1 - Procopius] copius G1b - 13 domini] deinde R4 del. deinde in mg. Domini Τ - 14 populi] propter GN1 - eiecerant] eiiecerant L eijecerant R2M eyecerant N1 14/15 Zischa] Zisca R2MAGN'XZ Czischa Wr Czisca Ο ?ischa R4L1 ziska Y zizka Κ zischka V - 15 prima] om. B^'B - quadragesime] xlme G quadragesima w aggressus] aggresus Κ - 151p. 286, v. 1 expugnavit] expungnauit Y -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Drittes Buch)

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Glaubenssätze, denen sie selbst folgten, bekämpfe er, wie er nur immer könne. Während dieser Vorgänge verließ Zizka vertragsgemäß Pilsen. Zweimal wurde er von den Gläubigen überfallen, zweimal entkam er mit einer List als Sieger dem beinahe Besiegten. Es war schwieriges Gelände, auf dem gekämpft werden mußte. Die Feinde waren beritten, seine eigenen Soldaten alle zu Fuß. Für sie war also nur der Kampf von Fußsoldaten möglich. Sobald daher die Feinde von ihren Pferden abgesprungen waren, ließ Zizka die Frauen, die gewohnheitsgemäß sein Heer begleiteten, ihre Obergewänder auf die Erde werfen, womit die Reiter an den Spornen festgebunden wurden. Dann wurden sie niedergemacht, bevor sie ihre Füße befreien konnten. Er selbst eilte dann nach Austa, einer Stadt am Ufer der Luznice, aus der die Brüder Prokop und Ulrich, Verehrer des wahren Glaubens und Herrscher über diese Stadt, einen nicht geringen Teil der Bevölkerung vertrieben hatten, weil er mit den Häretikern sympathisierte. Diese Stadt griff Zizka in der ersten Nacht der Fastenzeit an. Er eroberte sie, plün-

16 Zischa ... relicta ex foedere Pelzina] 20.3.1420, Palacky III S. 199f.). ex poene victo victor evasit] in der Schlacht bei Sudomer am 25.3.1420, Palacky III 200; Smahel II 32f.; zur Lage Sudomers vgl. Profous IV, 229, 2; Sedläcek, S. 846f. 20 Austam petiit] Austs/Usti an der Luznice, heute Sezimovo Usti, Palacky III 198; Smahel III 33f.; vgl. Profou^Svoboda IV, 454; Sedläcek, S. 930. - Procopius et Ulricus fratres] Prokop war ein Anhänger der Hussiten, Oldrich (ein Onkel Prokops) bekannte sich zur römischen Kirche, Palacky III 198f.; Smahel III 30f. 21 prima quadragesime nocte] 21.2.1420. Die Eroberung Sezimovo Üstis war nicht das Werk J a n Zizkas, vgl. Palacky III 199f.; Smahel III 30f.

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H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber tertius)

vit, d i r i p u i t , incendit. S e d l i c i u m q u o q u e castellum, a b e o

1

l o c o m i l l e p a s s u u m distans, q u o se U l r i c u s receperat, v i 23,24 f.34r

cepit. U l r i c u m f a m i l i a m q u e s u a m g l a d i o occidit. U n i tan-

25 t u m

II v i t a retenta, q u i r e l i q u o s o b t r u n c a r e t .

civitatem,

quam

incoleret,

muro

cinctam

non

Cumque haberet,

5

l o c u m n a t u r a m u n i t u m a d e u n d e m a m n e m elegit v i x octo 26 stadiis a b A u s t a s e p a r a t u m . H u n c m o e n i b u s cinxit et u t q u i s q u e tentoria fixerat, ita e d i f i c a r e sibi d o m o s i m p e r a v i t . 27,.28 Civitati T h a b o r i n d i d i t n o m e n . N a m et comites eius fratres Thaborite appellabantur, t a n q u a m c u m tribus apostolis S a l v a t o r i s C h r i s t i t r a n s f i g u r a t i o n e m in M o n t e

vidissent

i n d e q u e s u a s o p i n i o n e s m u t u a t i essent, q u a s f i d e i veritates 29 a p p e l l a n t . C i v i t a s q u a m v i s altis d e f e n s a r u p i b u s , m u r o et 30 a n t e m u r a l i

cincta

est. L u s i n i t i u s

amnis

maiorem

urbis

1 diripuit] dirripuit Κ4ΙΓΓ dirupit G ! b diripuit atque B2 - Sedlicium] R1MACBDW Sedlitium R2SVL Sedliczium Κ Sed Licium L1OY Sed licium R3BXG Sed Litium r Sed litium T W z sed Litium R4 sed litium FIITNPX Sed et licium b Sed et zlicium B2 Sed et litium G1 - 2 mille] M. R4FIITL passuum] passibus R4FHr pass C - 2/3 vi cepit] vicit Ν incepit R4n - 3 cepit] coepit S cepit Τ — familiamque] familiam R4 familiam ascr. que Τ - suam] suamque R4 suam e suamque corr. Τ - 4 obtruncaret] obtruncauerat PB1 Cumque] Cunque DB - 5 incoleret] incolerent Β incolleret D - muro cinctam] om. Β - cinctam ... (p. 294, v. 1) Adamitas omnes] om. G1 haberet] haberent Β habeatur G - 6 natura] nam Π - amnem] ampnem PB>b annem R2 - octo] R2R3MSVABPDNGB1B2XYZN1L1K VIII t o c VIII R ^ O W r uni ita R4 vni Π uni s.s. V I I I Τ - 7 stadiis] R4STDLB2Gr stadys AKNN'XY stadijs Ω - Austa] r W r ^ I I T ' D B ^ Y Z austria R2GN'X auscha PB'Wb vstie Κ austie corr. in Wstie A Auska V Ausca Ω — separatum] seperatum r 4 l b 2 moenibus] ST'L minibus R 1 R 2 membris R 4 menibus Ω - et] om. Τ - ut] om. FII — 8 tentoria] temptoria R 4 - edificare] edifficare D — sibi] sicut L - sibi domos] domos sibi Ν - imperavit] imperat L - 9 Thabor] Tabor R4LGN1OY - Nam] natura R4 - 10 Thaborite] Taborite GN'O taborita R4 appellabantur] appellantur R2GN1PB1 - tanquam] R2R3R4SVMDLL1B2NXrb tamquam IIACBGPBWYZ per abbrev. Ω - apostolis] appostolis B'o apostolicis R4 apostolicis corr. in apostolis Τ — 11 Salvatoris Christi] christi saluatoris Κ - in Monte] in monte Thabor B2 om. Κ - vidissent] vidisset G - 12 indeque] inque R2MBGN'Y inde Π miser C - 13 defensa] TD diffensa B1 - muro et] muro tarnen et b miro tarnen et Β1 moro et D - 14 antemurali] admirabili R2MGN'XY del. admirabili s.s. antemurali A - cincta] cuncta R4 - est] om. L - Lusinitius] R1R2R3FnsVABLNPB1XZr lusanicius D Lusuncius N1 lusmicius L 1 luznitzius Κ luxnitius R4 luxnitius s.s. lusnitius Τ Lusnicius Ω - amnis] ampnis APB'b annis s.s. amnis S - maiorem urbis] urbis maiorem R4 - 141 p. 288, v. 1 urbis partem] partem urbis L -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Drittes Buch)

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derte sie und steckte sie in Brand. Auch die Burg Sedlec, eineinhalb Kilometer von der Stadt entfernt, wohin Ulrich sich zurückgezogen hatte, nahm er ein. Ulrich und seine Familie ließ er mit dem Schwert töten. Nur ein einziger, der die andern niedermachen sollte, wurde verschont. Weil er die Stadt, die er besiedeln wollte, nicht mit einer Mauer umgeben vorfand, wählte er einen natürlich befestigten Platz an demselben Fluß aus, nur ungefähr eineinhalb Kilometer von Austa entfernt. Diesen Platz ließ er mit einer Mauer umgeben. Und da, wo jeder sein Zelt aufgeschlagen hatte, ließ er ihn sein Haus errichten. Er gab der Stadt den Namen Tabor, denn auch seine Gefolgsleute heißen Taboriten, gleichsam als ob sie mit den drei Aposteln die Verklärung unseres Heilandes Christus erlebt hätten und von dort ihre Ansichten entlehnten, die sie Glaubenswahrheiten nennen. Obgleich die Stadt durch hohe Klippen geschützt ist, wurde sie dennoch mit einer Basteimauer umgeben. Der Fluß Luznice umfließt den größeren Teil der Stadt. Das Übrige umgibt ein nicht wenig

22 Sedlicium ... casellum] Sedlec, die Feste Oldrichs von Usti bei Sezimovo IJsti, Palacky III 201; Smahel III 32; zur Lage vgl. Profous IV, 22, Nr. 25. und A. Sedläcek, S. 792. 26-37 Hunc moenibus cinxit] vgl. Wolkan (FRA 68, Nr. 12 vom 21.8.1451), wo Enea, S. 28f., die Stadt Täbor beschreibt. 27 Civitati Thabor indidit nomen] s. I 30. 28 tanquam Salvatoris Christi transfigurationem in Monte vidissent] vgl. Mt. 17, 1-13. 30 Lusinitius amnis] Luznice, Fluß in Südböhmen, Nebenfluß der Moldau. Vgl. Sedläcek, S. 578.

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HISTORIA BOHEMICA

(Liber tertius)

31 partem alluit. Quod reliquum, torrens non modicus ambit, qui cum recta in Lusinitium tenderet, saxeo colle impeditus, qua longa est civitas, flectere ad dextram iter coactus 32 in fine urbis maiori fluvio miscetur. Spatium isthmi (nam peninsulam duo amnes efficiunt) vix pedes triginta proten33 ditur. Hie fossa profunda manu facta et triplex murus ea 34 crassitudine, que nullis effringi machinis queat. Turres in moenibus crebre et propuguacula, que ipsi Thaborite, expugnandarum urbium magistri, excogitarunt, locis op35 portunis constructa. Sic enim refugium omnium hereti36 corum arcemque Zischa primus erexit. Qui eum secuti sunt, pro suo quisque ingenio munimenta urbis auxerunt. 37,38 Nos qualem vidimus civitatem, descripsimus. In amne Lusinitio auri grana reperiuntur ciceris equantia magni39 tudine, que nullo egent purgamento. Nondum equites 1 alluit] abluit DZ aluit VK - reliquum] relinquum Π reliqum R2M - 2 cum] quum L - recta] recte PB'b - Lusinitium] R1R4FIISVTCLL1NN1 R lusniscium R3 lusnucium b lusintium Β luziniczium κ Lusinicium Ω - saxeo] saxon R4nT ex eo R2MGN'XY - 3 qua] quam B1b quia Ζ - longa] longua D - flectere] flecteret R4 - dextram] R1R2FVBNZb extremam L exteram G extremum dexteram Κ dextrum Y dexteram Ω - 4 urbis] om. GN1 - maiori] mayori Κ maiore X Spatium] Spathium Β - isthmi] R'SVTCBB^KI^NP jsthmi A Ischini R2R4N] Istmi Or Ischmi R3FMZ Istim w Istchmi LXY ichsmi G isthma B1 ischim Π quo per terram acceditur b - 5 peninsulam] pene insulam BB'b penisulam R4 pone insulam Ρ per insulam ΠΖ - amnes] ampnes APB'b — efficiunt] faciunt R2GN'XY faciunt s.s. efficiunt R 3 effitiunt ΠΚ - triginta] VDBB2L1NZ XXX^CK XXX pedes Π XXX Ω - 5/6 protenditur] protendunt D - 6 fossa] fusa R4 fussa FII fossio B1 - murus] muros N1 muris D - 7 que] qua W — queat] querat R4 queatur G - Turres] Tures PB1 - 8 moenibus] ST ! B 2 minibus R1R2R4 menibus Ω - et propugnacula] om. Β - propugnacula] propungnacula GK - ipsi] xpi L sibi ipsi R4 - Thaborite] taborite GN!P taborithe R4 thaborrite L1 9 expugnandarum] expugnandorum R2 expungnandarum KP - excogitarunt] excogittauerunt Ο excogitauerunt GPb - 9/10 opportunis] oportunis R2R4nMLCBPB1GL1N1XYZb optinis κ - 10 Sic] Hie b Hie corr. in Sic A Ille C - enim] om. b - refugium] refugerium refugium Y - omnium] omni R4 - 11 arcemque] arcem V - Zischa primus] primus Zischa D - Zischa] Zisca R2R3MGN'x Czischa rW Czisca Ο zischka V Cischa B2 Ziska Y zißca Ζ ?ischa L1 Zizka Κ Zischa Ω - Qui eum secuti ... (v. 12) auxerunt] om. Ζ - eum] enim R4FTTTD cum Β tarnen L - secuti] sequuti D - 12 quisque] quique SCOWr munimenta] monumenta R2X munumenta Y - 13 amne] ampne P B ^ 14 Lusinitio] lucinio D luscinicio Τ lusnitio Β Lucinicio L1 luzinczio Κ lusmicio b Lisinitis R3 Lisinicio T'PB1 - ciceris] ceteris PB1 - 14/15 magnitudine] R1 R2AB2G1OXY magnitudinem Ω - 15egent] egeret B1 - Nondum] mundum R4 -

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GESCHICHTE BÖHMENS

(Drittes Buch)

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reißender Wildbach. Weil dieser geradewegs in die Luznice mündete, versperrte man ihm durch einen Damm aus Steinen den Weg auf der Länge der Stadt und zwang ihn, seinen Weg nach rechts zu nehmen, wo er am Ende der Stadt in den größeren Fluß mündet. Der Raum, wo man über Land Zugang hat - denn die beiden Wasser machen die Stadt zu einer Halbinsel - mißt kaum 30 Fuß. Hier wurden von Hand ein tiefer Graben angelegt und eine dreifache Mauer von solcher Stärke, daß sie von keiner Maschine durchbrochen werden kann. Zahlreiche Türme und Schutzwehren, die sich die Taboriten, Meister in der Eroberung von Städten, selbst ausgedacht haben, sind auf den Mauern an den geeigneten Stellen errichtet. So erbaute Zizka als erster eine Zufluchtsburg für alle Häretiker. Von seinen Nachfolgern hat jeder entsprechend seinem Können die Befestigungsanlagen der Stadt erweitert. Wir haben die Stadt beschrieben, wie wir sie gesehen haben. Im Fluß Luznice findet man Goldkörner ungefähr in der Größe von Kichererbsen, die man nicht zu reinigen

31 torrens ... ambit] Bach von Tismice.

290

40

f.34 v

4i 42 43 44 45 46

H I S T O R I A B O H E M I C A (Liber tertius)

apud Thaboritas militaverant, cum essent omnes ferme infime plebis homines et qui non tarn novam fidem secuti quam iudicia et carceres fugisse videbantur. Nicolaus magister monete, quem Sigismundus ad res curandas in Bohemiam miserat, primus omnium equorum copiam Thaboritis fecit, qui cum mille equitibus in vico, cui Vogicze nomen est, novis Zische motibus occursurus consederat. In hunc nocte ipsa parasceves Zischa II ex improviso prorumpens omnes illi equos ademit, arma surripuit, vicum incendit. Milites suos equos ascendere, saltare, currere, flectere in gyrum docuit. Neque posthac absque alis equitum copias duxit. Nicolaus in arce salvatus est. Inter hec et alia apud Bohemos nefanda et inaudita prius emersit heresis. Picardus quidam ex Gallia Belgica transmisso Rheno per Germaniam in Bohemiam penetravit, qui prestigiis quibusdam fidem sibi concilians brevi tempore 1 apud] aput FIITK - Thaboritas] taboritas GN'Z thabritas Π thaboriatas PB1 - omnes ferme] ferme omnes Β - ferme] in mg. R3 - 2 homines] om. Β - et] om. Y - tarn] in mg. D - secuti] sequuti L sequti DZ - 3 carceres] caceres Ρ - Nicolaus] Nicholaus LW Nycolaus D - 4 quem] que B4 curandas] curradas Ρ - 5 miserat] bis L - omnium] omnem PB1 — 6 Thaboritis] taboritis GN'Z - mille] mile Β Μ. FIIT - cui] qui PB1 7 Vogicze] Vogize corr. in Vogicze A Wogicze Κ vogice G vogiza Ζ vegige R4 Vogi?e L 1 Vogize Ω nomen est] dicitur B1 Zische] rZrSfiismcblgnpb'b^Z Zische R ^ T Czische Or Czisce W ?ischae R4 fische L 1 zischke V Zizce A zisce DN1 Ziske Y Zizcze Κ - 8 consederat] cum sederat R4 considerat Ρ - Zischa] Czischa OWr Zisca R2MGN1x Zischka V Ziska Y Zizka Κ