Hieronymus Bosch 9781780422701, 1780422709

Hieronymus Bosch, der um 1450 im niederländischen 's-Hertogenbosch geboren wurde, gehört zu den Künstlern, deren

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Hieronymus Bosch
 9781780422701, 1780422709

Table of contents :
Content: Inhalt
Vorwort
Einleitung
Erklärungen verschiedener Studien von Bosch
Die Interpretation von Fränger
Fränger und darüber hinaus
Eine prosaischere Perspektive
Der Heilige Antonius und der Teufel
Das Lissabonner Triptychon
Schluss
Bosch 1450-1516 : Anmerkungen
Bosch 1450-1516: Bibliographie
Bosch 1450-1516: Liste der Abbildungen.

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Sammlung Großer Meister:

Virginia Pitts

REMBERT

Hieronymus Bosch Virginia Pitts Rembert wurde in Alabama (USA) geboren, wo sie auch aufwuchs. Sie wurde von der Universität von Columbia in den Schönen Künsten und an der Universität von Wisconsin in Kunstgeschichte diplomiert. Sie promovierte in Kunstgeschichte und Archäologie. Sie unterrichtete an den Universitäten von Alabama in Birmingham, der Universität Arkansas in Little Rock und der Universität Alabama in Tuscaloosa, wo sie heute als emeritierte Professorin tätig ist. Als Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Artikel beteiligte sie sich an unzähligen Veranstaltungen zu ihrem Spezialgebiet: die moderne Kunst und die abstrakte Kunst in Europa und Amerika, unter besonderer Berücksichtigung von Mondrian, seines Einflusses und seiner Wirkung. Zur Zeit lebt Virginia Pitts Rembert in New York zusammen mit ihrem Mann, dem Künstler Raeford Liles, der bei Fernand Léger Malerei und darstellende Kunst in Paris studiert hat. Neben Buchpublikationen und Veröffentlichungen von Aufsätzen zur Kunst arbeitet sie auch als Kunstfotografin: ihre Sammlung "Riverseries" über den Hudson wurde in der Kunstgalerie Cabaniss in Alabama und in der Sosinski Galerie in New York ausgestellt.

Paul Cézanne Marc Chagall Lucas Cranach Salvador Dalí Paul Gauguin Francisco Goya Wassily Kandinsky Gustav Klimt Amedeo Modigliani Pablo Picasso Harmensz van Rijn Rembrandt Auguste Renoir Auguste Rodin Peter Paul Rubens Egon Schiele J.M.W. Turner Anthonis van Dyck Vincent van Gogh Andy Warhol James McNeill Whistler

Umschlag: Die Mitteltafel des Garten der Lüste, Detail, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid Rückseite: Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid Christus mit Dornenkrone, Öl auf Holz, 73,7 x 58,7 cm, The National Gallery, London Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

H

ieronymus Bosch, der um 1450 im niederländischen 's-Hertogenbosch geboren wurde, gehört zu den Künstlern, deren Werke den Kunsthistorikern bis heute Rätsel aufgeben. Bosch lebte in einer Zeit, die vom Aufkommen der Devotio Moderna und dem bürgerlichen Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert geprägt war. In dieser Zeit des Umbruchs und Wertewandels suchte Bosch über die Symbolik seiner geheimnisvoll-surrealen Bildwelten dem Menschen eine Orientierung an die Hand zu geben. So arbeitete er in sein Werk einen deutlich moralisierenden Aspekt ein, was eine für die damalige Zeit neuartige Profanikonografie bedeutete. In beinahe allen seinen Bildern lassen sich darin eingebettete christlich-religiöse Allegorien erkennen, die Bosch als Anspielungen auf Versuchungen, Todsünden und Höllenstrafen darstellte. Bis heute erscheinen die Bilder Boschs dem Betrachter als kryptisch, widersprüchlich und düster-grotesk. Die Kunsthistorikerin Virginia Pitts Rembert nähert sich diesen aus einem neuen Blickwinkel, und zeigt so eine weitere Dimension des Werkes Boschs auf.

Hieronymus

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Claude Monet

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Autorin: Virginia Pitts Rembert Übersetzung: Dr. Martin Goch

ISBN : 978-1-78042-270-1 Weltweit alle Rechte vorbehalten Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung. Danksagung der Autorin Unter den vielen Menschen, deren Worte oder Texte dieses Buch inspiriert haben, nehmen vier inzwischen verstorbene Professoren einen besonderen Platz ein: Oskar Hagen und James Watrous von der Universität von Wisconsin und Howard McP. Davis von der Columbia Universität. Sie alle waren hervorragende Lehrer und Experten in ihren Fächern; Hagen und Branner in Mittelalterlicher Kunst und Watrous und Davis in Nordeuropäischer Kunst. Hagen erlaubte mir in zwei Seminaren, das Thema des Heiligen Antonius in der Kunst und Boschs Behandlung desselben in ungefähr einem Dutzend Werke zu erforschen, und Watrous betreute meine Abschlussarbeit, die hauptsächlich Boschs Antonius-Triptychon in Lissabon behandelte. Dankbar bin ich darüber hinaus dem engagierten Personal von Parkstone Press in Paris, den Herausgebern und Verlegern Jean-Paul Manzo und Cornelia Sontag, ihrer Cheflektorin Aurélia Hardy und drei Praktikantinnen: Alysa Salzberg, Erin Randolph und Pauline Chevalier. Vor allem aber bin ich für das ständige Interesse und die Unterstützung meines Mannes, Raeford Liles, dankbar, dem ich dieses Buch widme.

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Inhalt Vorwort

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Einleitung

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Erklärungen verschiedener Studien von Bosch

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Die Interpretation von Fränger

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Fränger und darüber hinaus

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Eine prosaischere Perspektive

63

Der Heilige Antonius und der Teufel

81

Das Lissabonner Triptychon

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Schluss

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Anmerkungen

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Bibliographie

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Index

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Vorwort

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emand hat die Geschichte einmal als ein Webstück ohne Nähte bezeichnet. Der Mensch besteht allerdings darauf, die Geschichte willkürlich in Abschnitte zu unterteilen. Während die Zeiteinheiten Stunde, Monat und Jahr in erster Linie praktische Funktionen erfüllen, messen wir Jahrzehnten und Jahrhunderten große Bedeutung zu. Als sich das Jahr 1000 näherte, glaubten die Menschen, dass das von Christus vorhergesagte Jüngste Gericht unmittelbar bevorstehe. Als sich diese Erwartung nicht erfüllte, schrieb der Chronist und Kluniazensermönch Raul Gabler: … in der ganzen Welt, vor allem in Italien und Gallien, wurden Kirchen wieder aufgebaut. Obwohl es davon bereits eine große Zahl gab und sie nicht stark genutzt wurden, wetteiferten alle christlichen Völker, erhabenere Kirchen zu bauen. Es war, als ob die ganze Welt sich geschüttelt und alle Menschen ihre alten Kleider gegen die weißen Roben der Kirche ausgetauscht hätten. So verschönerten die Gläubigen schließlich alle Bischofssitze und die Klöster der verschiedenen Heiligen und auch die weniger wichtigen Gebetsstätten in den Städten … (übersetzt aus Holt, 48)

1. Unbekannter Maler, Bildnis des Hieronymus Bosch, ca. 1550, Rote und schwarze Kreide aus dem Arras-Codex, 41 x 28 cm, Stadtbibliothek Arras

Der New York Times des Vortages zufolge begann in den Vereinigten Staaten der Countdown für das dritte Jahrtausend bereits am 6. April 1997. Es waren deutlich mehr religiöse und prophetische Kulte entstanden, als dies bei einer bloßen Jahrhundertwende üblich war. Schon 1980 bildete sich der erste der vielen Überlebenskulte, von denen es in den folgenden zwei Jahrzehnten noch mehrere geben sollte. Dass viele Menschen glaubten, das Schicksal der Wissenschaft und des vernünftigen Denkens stehe auf dem Spiel, wurde in einem Artikel in der New York Times (6. Juni 1995) unter dem Titel Wissenschaf tler beklagen Flucht vor der Vernunf t deutlich. Wissenschaftler, Ärzte, Pädagogen und andere Intellektuelle, die sich zu einem Kongress über das Thema an der New York Academy of Sciences (NYAS) eingefunden hatten, riefen zum Kampf gegen die unterschiedlichen Bedrohungen des vernünftigen Verhaltens auf. Diese schlossen traditionelle Schreckgespenster wie Astrologie oder religiösen Fundamentalismus ein, neu hinzugekommen waren die “postmodernen” Wissenschaftskritiker, die behaupteten, dass die Wahrheit in der Wissenschaft vom jeweiligen Standpunkt abhinge und nicht etwa von absoluten Inhalten. Ein Artikel in einer Boulevardzeitung zitierte aus einer Liste weltweit führender Bibelforscher, die vorhersagten, dass das bevorstehende Ende der Welt und die kommende Apokalypse, die damit verbunden sei, am Jahrtausendende stattfinde (Weekly World News vom 14. Mai 1996). Darin wurden neben den alten Prophezeiungen der Of fenbarung des Johannes auch neuere zitiert, wie diejenigen des Nostradamus aus dem 16. Jahrhundert über entsetzliche Naturereignisse, die am Ende unseres Jahrtausends geschehen sollten und mit den klimatischen Abweichungen von El Nino im Jahr 1998 überein zu stimmen schienen. Die Tatsache, dass diese so unheilvoll dargestellten Ereignisse nicht stattfanden, ließ die Jahrtausendwende beinahe enttäuschend erscheinen – zumindest bis zum 11. September, den viele als das Armageddon der USA betrachteten. Ähnliche Vorhersagen und Merkwürdigkeiten hatten das Jahrzehnt vor dem Halbmillenium von 1500 charakterisiert. Als ob man sich um das Jahr 1000 herum bezüglich des Zeitpunkts des Jüngsten Gerichts geirrt hätte, gingen zeitgenössische Denker davon aus, dass es unweigerlich nun kommen werde. Wie stets gab es Künstler, die dem an sich Unvorstellbaren Stimme und Gestalt verliehen. Dichter, anonyme und namentlich bekannte wie Francois Villon, und auch romanische Bildhauer hatten ihre Visionen der Schrecken am Weltende plastisch dargestellt. Später, in der Periode der Proto-Renaissance, bildeten zahlreiche Maler diese Anomalien in ihren Altarbildern ab. Die wohl anschaulichsten und detailliertesten Darstellungen aber waren jene des Holländers Hieronymus Bosch.

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Einleitung

I

2. Buchmalerei: Die Erschaf fung Evas, Stundenbuch von Louis d’Orléans,

um 1490, Russische Nationalbibliothek, Sankt Petersburg

m 17. Jahrhundert pries ein englischer Botschafter in Holland die Überlegenheit der Malerei gegenüber der Bildhauerei mit folgenden Worten: “Ein ausgezeichnetes Bild ist meiner Meinung nach das bewundernswertere Objekt, weil es einem künstlichen Wunder nahe kommt” (Zitat übersetzt aus Fuchs, 103). Fuchs wiederholt den Ausdruck “künstliches Wunder” mehrere Male, um auf die holländische Vorliebe für die detaillierte Wiedergabe von beobachteten Dingen zu verweisen. Dieser Terminus könnte das gesamte Spektrum der holländischen Kunst von Jan van Eyck bis hin zu Jan Dibbets in Bezug auf die beißende und gleichzeitig forschende Kombination von Sujet und Essenz charakterisieren, die so typisch holländisch ist. In diesem Sinn passt der Ausdruck sogar zu scheinbar so unterschiedlichen Künstlern wie Hieronymus Bosch und Piet Mondrian. Der eine machte das Unwirkliche wirklich und der andere das Wirkliche unwirklich, aber beide verfolgten ihre Ziele mittels sorgfältig gestalteter Oberflächen, die sie als “künstliche Wunder” überdauerten. Meiner Ansicht nach bestehen zwischen Bosch und Mondrian weitere wichtige Verbindungen. Sie gehören zu jenen europäischen Künstlern, die dem Kunsthistoriker Oskar Hagen zufolge niemals mit der bloßen Reproduktion eines Gegenstandes zufrieden waren. Beide Maler lebten in einem Jahrhundert, das sich des Milleniums bewusst war und beide verarbeiteten dieses Bewusstsein in ihrer Kunst. Ganz offensichtlich unterscheiden sich Mondrians Arbeiten durch eine völlig anders geartete Sensibilität von jenen Boschs am Ausgang des Mittelalters – oder enthüllen die beiden Künstler an der Schwelle eines (Halb-)Milleniums einfach nur die dunkle und die helle Seite des Menschen? Zeigen Mondrians Bilder vielleicht, was wir werden könnten, wenn wir in Harmonie mit dem Universum lebten und Boschs Bilder, was wir werden würden, wenn wir Gott nicht gehorchten – aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, fünf Jahrhunderte voneinander getrennt? Nach einigen einleitenden Kapiteln werde ich mich auf eines von Boschs Bildern konzentrieren, die Versuchungen des Heiligen Antonius (heute in Lissabon), weil dieses Bild vermutlich um 1500 herum vollendet wurde, dem Jahr des Halbmilleniums. Zudem wirken die dort dargestellten Ideen und Ängste – wie schon bemerkt – einigen der unseren sehr verwandt. Im Jahr 1951 wurde Wilhelm Frängers Werk Das Tausendjährige Reich. Grundzüge einer Auslegung (1947) in die englische Sprache übersetzt und damit der internationalen Kunstgeschichte zugänglich. Das Buch, das vor allem Boschs Gemälde Der Garten der Lüste (Frängers Titel lautete Das Tausendjährige Reich) interpretierte, war sowohl in der wissenschaftlichen Welt als auch der kunstinteressierten Öffentlichkeit eine Sensation. Ein Artikel über das Buch mit Farbillustrationen im Life Magazine trug wohl mehr als alles andere dazu bei, dass Bosch, zu dem es bis dahin kaum englischsprachige Publikationen gegeben hatte, weltweite Popularität erlangte. Frängers Interpretation, dass Bosch seine großen Altarbilder nicht für orthodoxe religiöse Zwecke, sondern für quasi-religiöse Kulte geschaffen habe, wurde als ein Wendepunkt für das Verständnis dieses rätselhaften Künstlers angesehen. Während die meisten Kunsthistoriker, die sich nach Frängers Tod im Jahr 1964 mit Bosch beschäftigten, diese These zurückgewiesen haben, gibt es immer noch Anhänger von Frängers Position, dass ein Hochmeister eines Adamitenkults Bosch seine geheime Zeichensprache diktierte, die dieser dann in seinem großen Gemälde Der Garten der Lüste (heute im Prado, Madrid) und in einer Reihe weniger bedeutsamer Bilder offenbarte.

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Einleitung

Nach dem Studium der umfangreichen publizierten Fachliteratur und seitdem ich mich erstmals mit Bosch beschäftigte, habe auch ich den Eindruck gewonnen, dass die meisten Autoren das tun, was schon Fränger kritisierte, nämlich für jedes Bild und Bildelement eine Unzahl von Quellen anzuführen, ohne dass daraus eine Erklärung dafür resultierte, warum ein Künstler mit einem doch einigermaßen beschränkten Hintergrund wie Bosch ein solches Bild oder solche Bildelemente schaffen sollte. Meiner Ansicht nach ist zunächst eine umfassende Untersuchung der zu Boschs Zeit verbreiteten symbolischen Systeme des Bösen erforderlich, die er, indem er manches ausließ und manches hinzufügte, zusammenführte, um hieraus seine einzigartige Bilderwelt zu schaffen. Der Hauptgrund für ein weiteres Buch über Bosch war die offensichtliche Wiederkehr vieler der in seiner Zeit verbreiteten Ansichten anlässlich des Übergangs vom zweiten ins dritte Jahrtausend. Ich hoffe, dass die folgenden Ausführungen auch für Bosch-Kenner Anregungen und Einsichten bieten.

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3. Das Steinschneiden, Öl auf Holz, 48 x 35 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid 4. Das Steinschneiden, Detail, Öl auf Holz, 48 x 35 cm, Museo del Prado, Madrid

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Erklärungen verschiedener Studien von Bosch

B

5. Die Sieben Todsünden, Öl auf Holz, 120 x 150 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

evor ich an die detaillierte Studie eines einzelnen von Boschs Bildern herangehe, möchte ich einen kritischen Überblick über einige kunstgeschichtliche Sichtweisen des Künstlers und seines Werks geben. Dies um so mehr, als es von seiner ersten Erwähnung im 16. Jahrhundert bis zum heutigen Tage ein sehr breites Spektrum an Positionen gibt. Die Autoren, die sich in den fast fünf Jahrhunderten seit seinem Tod mit ihm befasst haben, verliehen ihm einen so nachhaltigen Ruf als “faizeur de diables” (Gossart), dass er bis zur Moderne kaum als Künstler galt. Vor allem seine Höllenszenen zogen diese Art Aufmerksamkeit auf sich. Er stellte die Kreaturen und Orte dieser “Höllen” mittels eines unendlich detailreichen Naturalismus so überzeugend dar, dass sie wie wahre Dämonenbeschwörungen wirkten. Für die mittelalterliche Mentalität konnte jemand, der seine eigenen schlimmsten Ängste so deutlich offenbaren konnte, nur selbst ein Zauberer oder Wahnsinniger, vielleicht sogar ein Werkzeug des Teufels, sein. Spätere Autoren vertraten entweder ebenfalls diese Ansicht oder sahen – im rationalistischen Gefolge der Renaissance und der Reformation – in Bosch die schlimmsten Seiten des Mittelalters verkörpert. Wenn er erwähnt wurde, dann nicht so sehr als Künstler denn als ein Kuriosum. Schließlich geriet Bosch in Vergessenheit. Es dauerte über zwei Jahrhunderte, bis das Interesse an ihm im späten 19. Jahrhundert wieder auflebte. Im 20. Jahrhundert war die Sicht Boschs als Künstler so ausgeprägt wie noch nie zuvor, und dieser Trend hält auch im 21. Jahrhundert an. Man könnte eigentlich erwarten, dass die italienischen Autoren der Hochrenaissance die Eigenartigkeit Boschs betonen würden, da seine Gedankenwelt sich so sehr von der des Südens unterschied. Der florentinische Historiker Giucciardini schrieb in seiner Beschreibung der gesamten Niederlande (1567) von “Jerome Bosch de Boisleduc, sehr edler und bewunderungswürdiger Erfinder fantastischer und bizarrer Dinge”. Im Jahr 1568 nannte der italienische Kunsthistoriker Vasari die Erfindungen Boschs “fantastiche e capricciose”. Lomazzo, der Autor der erstmals 1584 erschienenen Abhandlung über die Kunst der Malerei, der Bildhauerei und der Architektur, schrieb über “den flämischen Girolamo Bosch, der bei der Darstellung merkwürdiger Erscheinungen und Angst einflößender sowie schrecklicher Träume einzigartig und wahrhaft göttlich war”. In nördlicheren Teilen Europas wurden zu dieser Zeit ähnliche Aussagen über die Arbeiten des Malers gemacht, wobei es stets um seine Dämonen und Höllendarstellungen ging. Der niederländische Historiker Marcus van Vaernewijck nannte Bosch 1567 “den Macher von Teufeln, da er in der Kunst der Abbildung von Dämonen keinen Rivalen hatte”. Zahlreiche Aussagen ähnlichen Inhalts finden sich im Gefolge des Auftauchens vieler Bilder Boschs um die Mitte des Jahrhunderts in Spanien in dort entstandenen Schriften. König Philipp II. selbst war vor allem verantwortlich für die Popularität des Malers in Spanien.

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Erklärungen verschiedener Studien von Bosch

Im Jahr 1581, als der König nach Lissabon reiste, bedauerte er in einem Brief an seine Töchter, dass sie nicht bei ihm waren, um die Fronleichnamsprozessionen zu sehen, “… obwohl …”, wie er hinzufügte, “Euer kleiner Bruder, wenn er auch bei uns wäre, von einigen Teufeln, die jenen in Bildern von Hieronymus Bosch ähneln, erschreckt würde.”1 Philipp besaß 36 dieser Gemälde2. Angesichts der Tatsache, dass Boschs Gesamtwerk vermutlich kaum 40 Stücke umfasst hat, ist dies eine sehr hohe Zahl. Eine in wenigen Jahren nach dem Tod des Künstlers entstandene so große Sammlung ist ein Beleg für die Faszination, die der König empfand – eine Haltung, die die ersten wirklich einsichtsvollen Schriften über Boschs Werk provozierte. Denn der Mönch Joseph de Siguença, der nach dem Tode Philipps im Jahr 1598 ein Verzeichnis der Gemälde des Königs erstellte, meinte, das obsessive Interesse des Königs an Bosch entschuldigen zu müssen. Vielleicht fürchtete Bruder José auch eine Zerstörung durch die Inquisition, denn er verfasste eine ausgearbeitete Verteidigung der Rechtgläubigkeit und Naturtreue des Malers: “Von den deutschen und flämischen Gemälden, die, wie ich betone, zahlreich sind, sind viele Gemälde von Hieronymus Bosch im ganzen Haus verstreut (Escorial); ich möchte aus verschiedenen Gründen etwas länger über diesen Maler sprechen, denn sein großes Genie verdient es, obwohl die Leute im Allgemeinen seine Gemälde die ‘disparates’ (Farcen) des J. Bosch nennen, Leute, die wenig aufmerksam betrachten, was sie sehen, und ich glaube, deshalb nennt man ihn zu Unrecht einen Ketzer, und ich habe – und um hiermit zu beginnen – von der Frömmigkeit und dem Glaubenseifer des Königs, unseres Stifters, eine solche Meinung (dass ich glaube) wenn dem so gewesen wäre, er die Gemälde nicht zugelassen hätte in seinem Haus, in seinen Klöstern, in seinen Schlafzimmern, in den Ordenskapiteln, in der Sakristei, während doch alle diese Räume mit ihnen geschmückt sind. Ich möchte nun zeigen, dass diese Bilder keineswegs Farcen sind, sondern wie Bücher von großer Weisheit und Kunst, und wenn auf ihnen dumme Handlungen gezeigt sind, dann sind es die unsrigen, nicht die seinen, und, gestehen wir es ein, es handelt sich um eine gemalte Satire der Sünden und der Unbeständigkeit der Menschen”3. Siguenças Interesse an den Bildern richtete sich auf ihre Funktion als religiöse Kommentare und nicht auf ihre künstlerische Bedeutung. Obwohl seine Verteidigung von Boschs Rechtgläubigkeit zu einem wesentlichen Teil naiv auf der Vorliebe des frommen Königs für sie beruhte, sind seine weiteren Bemerkungen zu einzelnen Bildern recht hellsichtig, wie später durch weitere Zitate belegt werden wird. Eine interessante Gegenreaktion auf den Mönch ist die später, 1649, geschriebene Aussage von Francesco Pacheco, dem Lehrer und Schwiegervater von Velazquez: Es gibt genug Dokumente, um über die höheren und schwierigeren Dinge zu sprechen, über die Persönlichkeiten, wenn man Zeit findet für solche Vergnügen, die immer verachtet worden sind von den großen Meistern. – Nichtsdestoweniger suchen einige diese Vergnügen: dies ist der Fall bei den genialen Einfällen des Hieronymus Bosch für die verschiedenen Formen, die er seinen Dämonen gegeben hat, für die Erfindungen, an denen unser König Philipp II. so viel Freude fand, was bewiesen wird durch die große Anzahl von Gemälden, die er gesammelt hat. Doch Pater Siguença lobt ihn über alles Maß und macht aus diesen Phantasien Mysterien, die wir unsern Malern nicht empfehlen. – Und wir gehen nun zu angenehmeren Sujets

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6. Die Sieben Todsünden, Detail, Öl auf Holz, 120 x 150 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid 7. Die Sieben Todsünden, Detail, Öl auf Holz, 120 x 150 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid 8. Die Sieben Todsünden, Detail, Öl auf Holz, 120 x 150 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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9. Die sieben Todsünden umhüllt vom Erdball, Öl auf Holz, 86 x 56 cm, Stiftung der Bildenden Künste, Genf 10. Bosch oder Schüler, Konzert in einem Ei, 1550-1575, Öl auf Leinwand, 108,5 x 126,5 cm, Musée des Beaux-Arts, Lille

der Malerei über… [Pacheco war ein spanischer Maler und Kunsthistoriker der Periode zwischen dem Manierismus und dem Barock. Er hatte die manieristische Freude an der bloßen Form abgelegt und ein Interesse an der naturalistischen Illusion entwickelt. Aus beiden Blickwinkeln musste er Boschs Werk als inakzeptabel empfinden.] Obwohl Pacheco sich für Bosch als einen Künstler interessierte, verwarf er ihn als ein Kuriosum. Diesen Ruf behielt Bosch für die nächsten etwa 250 Jahre. Während dieser Zeit befassten sich Gelehrte kaum mit Kunst, die nicht aus Südeuropa kam; wenn sie in den Blickpunkt geriet, wurde Bosch von den großen niederländischen Malern von Van Eyck bis hin zu Brueghel in den Schatten gedrängt. Es dauerte bis zum Ende des letzten Jahrhunderts, bis sich ernst zu nehmende Wissenschaftler mit Bosch beschäftigten. Möglicherweise ging dies auf den realistischen Impuls zurück, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts Eingang in die Malerei fand, da Historiker nun nach Vorläufern dieser Herangehensweise in der Vergangenheit Ausschau hielten.

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Historiker wie Ebeling und Mosman durchforsteten die Archive seiner Heimatstadt ‘s-Hertogenbosch, eine niederländische Stadt in der Nähe der deutschen Grenze, mit enttäuschendem Resultat. Das Jahr seines Todes (1516)4 fand man in einem Verzeichnis von Namen und Wappen. Sein Geburtsdatum ließ sich aber nicht ermitteln. Da sein Porträt, das im Arras-Codex entdeckt wurde, aber einen Mann von etwa 60 Jahren zeigte, ging man davon aus, dass er um 1450 herum geboren worden war.5 Es gibt im Archiv der Bruderschaft Unserer Lieben Frauen in ‘s-Hertogenbosch nur wenige Erwähnungen Boschs zwischen diesen Eckdaten. Mehrere beziehen sich auf die Zahlung verschiedener Summen für Auftragsarbeiten an Bosch. Er erhielt z.B. einen bescheidenen Lohn für den Entwurf eines Buntglasfensters, das er auf “einige Betttücher” gemalt hatte – während das Fenster von dem Glaser Willem Lombard angefertigt wurde.6 All dies verriet kaum wesentliche Details seines Lebens außer, dass er offensichtlich als Künstler geschätzt wurde, da er einmal als “berühmter Maler” bezeichnet wurde. Es gibt, jedenfalls auf der Basis dieser Erwähnungen, keinen Anlass anzunehmen, dass Boschs Freunde ihn als Zauberer oder Wahnsinnigen ansahen. Da Boschs Name häufig die Ergänzung van Aeken trägt,7 nahm man an, dass seine Familie aus Aachen stammt. Vor Hieronymus werden in den Akten der Stadt fünf van Aekens erwähnt. Einer, ein Lehrer mit Namen Jan van Aeken, erscheint in den Archiven der St. JansKathedrale von ‘s-Hertogenbosch in Eintragungen, die sich über mehrere Jahre erstrecken (1423-1434). Die Historiker nahmen an, dass es sich hier um Boschs Großvater und wahrscheinlich den Maler des Freskos der Kathedrale handelte, so dass man glaubte, dass er einen wesentlichen Einfluss auf seinen Enkel ausübte. Im Jahr 1464 wird Laurent van Aeken, vielleicht der Vater von Hieronymus, als ein Bürger von ‘s-Hertogenbosch erwähnt.8 Dies ist im Grunde der gesamte gesicherte Datenbestand über den Künstler. Die Historiker waren deshalb gezwungen, sich wieder den Bildern als Quellen zuzuwenden – aber keines von ihnen war datiert oder wurde in zeitgenössischen Schriften erwähnt. Es verwundert nicht, dass diese Situation zu verwirrenden Resultaten bei der historischen Bewertung der Bilder führte. Weil sie mit vorgefassten Meinungen an die Arbeit gingen, machten die Gelehrten Fehler, die man heute als offensichtlich empfindet.9 Erst mit Charles de Tolnays im Jahr 1937 geschriebener maßgeblicher Untersuchung konnten überhaupt eine zufrieden stellende Chronologie etabliert und die Arbeiten Boschs von denen seiner Schüler oder Kopisten unterschieden werden. De Tolnay untersuchte die technisch-stilistischen Merkmale der Bilder. Er erkannte, dass der Anfänger Bosch durch Archaismen verraten wird – steife Gestalten mit langen Leibern und unbeholfener Körperhaltung, die über keine echte Existenz im Raum und keine Beziehungen untereinander oder mit dem Hintergrund verfügen und deren Kleidung nur wenige und willkürliche Falten aufweist. Indem de Tolnay derartige Charakteristika in Boschs Arbeiten studierte, war er in der Lage, eine überzeugende Entwicklung von den Bildern des jungen Bosch bis hin zu ihrer klaren Antithese in Stil und Anlage der späteren Arbeiten nachzuzeichnen. De Tolnay demonstrierte erfolgreich, dass sich Bosch zu einem großen Landschaftsmaler und einem ausgezeichneten Koloristen entwickelte. De Tolnays Studie war derart überzeugend, dass die Autoren, die ihm nachfolgten, seine Klassifizierungen fast als unanfechtbar akzeptierten. Es hat umfassende Versuche

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11. Der Tod des Geizhalses, Detail, Seitenflügel, um 1485-1490, Öl auf Holz, 92,6 x 30,8 cm, National Gallery of Art, Washington. Soll über dem Bett Philipps II. im Escorial zur Zeit seines Todes gehangen haben; heute vermutet man darin den Teil eines Altarbildes

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Erklärungen verschiedener Studien von Bosch

gegeben, in ähnlicher Weise die Gegenstände von Boschs Bildern zu klassifizieren. In den Worten de Tolnays: “Die frühesten Kunstschriftsteller, die über Bosch geschrieben haben, Lampsonius und Carel van Mander, hielten sich an das augenfälligste Kriterium, das Sujet; ihre Auffassung von Bosch als Erfinder phantastischer Diablerien und Höllenszenen, die auch heute noch [1937] bei dem großen Publikum vorherrscht, wurde bis in das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts auch von Kunsthistorikern vertreten.”

12. Triptychon Garten der Lüste, geschlossen: Die Erschaf fung der Welt, Museo Nacional del Prado, Madrid

Dann aber fand mit den Kunsthistorikern, die den Maler als einen Vorläufer des Realismus begriffen, ein kompletter Umschwung statt. Sie untersuchten sein Werk aus der Perspektive äußerer Einflüsse aus der Literatur, der künstlerischen Tradition, historischer Ereignisse und der mittelalterlichen Interpretation der Bibel. Keine dieser Quellen lieferte aber abschließende Resultate bezüglich der Bedeutung von Boschs kryptischer Bildsprache. Durch derartige ernsthafte wissenschaftliche Werke war Bosch um die Mitte des 20. Jahrhunderts endgültig als ein ernst zu nehmender Künstler etabliert. Seine Werke wurden nun nicht mehr nur als ein wichtiger Einfluss Brueghels gesehen, sondern man erkannte, dass sie selbst sehr wertvoll waren. Sie stellten mit ihrer eigentümlichen Mischung aus Symbolismus und Naturalismus ein abweichendes, aber relevantes Element der flämischen Malerei dar. De Tolnays Arbeit hatte gemeinsam mit dem wachsenden Interesse am Surrealismus das öffentliche Interesse an Bosch geweckt. Mit der Veröffentlichung von Wilhelm Frängers Das Tausendjährige Reich im Jahr 1947 und der englischsprachigen Ausgabe von 1951 nahm die Bosch-Forschung eine neue Richtung. Auch Fränger vermutete die Antwort auf das Geheimnis Bosch außerhalb der Welt der Kunst, aber er sah nicht mehrere, sondern nur eine Quelle seiner Bilderwelt. Fränger stellte fest, dass keiner seiner Vorgänger daran gedacht habe, dass Bosch seine Bilderwelt mit einem bestimmten Ziel so verschleiert habe – nämlich dem, die Botschaft der Gemeinschaft, der er angehörte, zu präsentieren. Wenn dies stimmen sollte, würde die Antwort auf das Rätsel Bosch an einem Ort und nicht an mehreren zu suchen sein. Fränger stellte auf diese Weise alle bisherigen Arbeiten zu Bosch in Frage. Unzufrieden mit der bisherigen starken Konzentration auf die Hölle und die Dämonen in Boschs Bildern, glaubte er, dass weder die Höllenszenen noch die Bilder insgesamt je in ihrem richtigen Kontext begriffen worden seien. Seine fesselnde und originelle Bosch-Studie sagte auch viel über ihren Autor aus. Ihr wird deshalb in der vorliegenden Untersuchung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als anderen Arbeiten.

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Die Interpretation von Fränger

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13. Die Anbetung der Könige, geschlossen: Die Messe des Heiligen Gregor, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Museo Nacional del Prado, Madrid

ilhelm Fränger begann seine Bosch-Studie mit der Klage über die “voreingenommene Betrachtungsweise”,1 der der Meister ausgesetzt gewesen sei, weil sein Werk als bloßer Mummenschanz abgetan worden sei. Fränger bestand darauf, dass das Symbol bei Bosch einer “vollkommenen Simultanität des Schau– und Denkakts zu entspringen pflegt” und entsprechend gewürdigt werden muss. Fränger kritisierte alle anderen Ansätze als fragmentarisch und präsentierte seine Arbeit auf diese Weise als die einzige vollständige Sicht. Um zu verstehen, warum Bosch einen stummen Symbolismus schuf, untersuchte Fränger sein gesamtes Werk und unterschied zwischen rätselhaften und anderen Bildern. Nur wenn die “seltsamen Phantasmata”, auf denen Boschs Reputation beruhte, in allen Bildern erschienen, konnte man sie nach Frängers Auffassung als “unberechenbare Wahngebilde eines Schwärmers” begreifen. Fränger stellte fest, dass die fraglichen Motive nur in einer klar definierten Gruppe von Altarbildern erschienen – in den drei großen Triptychen Der Garten der Lüste, Die Versuchung des Heiligen Antonius (Lissabon) und Der Heuwagen.2 Im Gegensatz dazu fänden sich in Bildern wie dem Triptychon Die Anbetung der Könige (im Prado) und dem Altar der Heiligen Julia (in Venedig) nur wenige Beispiele für diesen Symbolismus. Die übrigen Bilder, darunter die zu den Themen Kreuzigung und Epiphanie, wiesen ebenfalls nur wenige oder gar keine Beispiele für diese Art Symbolismus auf. Fränger schloss hieraus, dass man zwei Gruppen unterscheiden könne: die im Allgemeinen traditionellen, offensichtlich für die Kirche gemalten Bilder und die von der Tradition abweichenden. Fränger konzentrierte sich auf die zweite Gruppe. Seiner Ansicht nach konnten diese Gemälde nicht für eine Kirchengemeinde gemalt worden sein, da sie in Form von Mönchen und Nonnen in abstoßenden Haltungen anti-klerikale Polemik enthielten. Ebenso wenig konnten diese Altarbilder für heidnische Kulte bestimmt gewesen sein, da sie auch heidnische “Priester” und ihre rituellen Exzesse attackierten. Das Genre der Altarbilder verweise jedoch auf religiöse Patronage. Die Ziele ihrer Kritik deuteten somit auf eine Gruppe außerhalb der Kirche, die sich gleichzeitig gegen die Vergehen kirchlicher Würdenträger und die zahlreichen Geheimkulte der damaligen Zeit gestellt habe. Fränger zufolge konnte es sich hier nur um eine militante häretische Sekte handeln. Dadurch, dass eine solche religiöse Gemeinschaft ein im Gegensatz zu den Lehren der Kirche stehendes Ideal aufstellte, musste sie laut Fränger zum einen die mächtige kirchliche Tradition bekämpfen und zum anderen die heidnischen Abscheulichkeiten aber als ebenso abstoßend empfinden. Wenn Bosch ein Altarbild für eine solche Gemeinschaft anfertigen sollte, musste er ihren “Zweifrontenkrieg” mit all seinen Spannungen reflektieren, wodurch seine “Gryllen” erklärt wären. In Frängers Worten: … jene Tafeln Boschs häretischen Ideen dienten, … insofern seine Gryllen jetzt als Geheimzeichen für Eingeweihte fassbar werden. Fränger hielt das Triptychon Der Garten der Lüste für eines der am häufigsten fehl interpretierten Bilder Boschs. Tatsächlich gründete Fränger den Rest seiner Studie zu Boschs Ideenwelt auf eine neue Interpretation dieses Gemäldes. Er sah die Ursache für die Verwirrung darin, dass es über Jahrhunderte gedankenlos mit einem anderen Bild mit offensichtlicherer Aussage, nämlich Der Heuwagen, in einen Topf geworfen worden sei. Beide Triptychen besitzen Seitenteile mit einer Szene aus dem Garten Eden auf der linken und einer Höllenszene auf der rechten Seite, so dass man geglaubt habe, ihre Aussage sei die gleiche. Fränger hingegen sah viele Unterschiede, die diese Verbindung auflösten.3 Die Garten-Eden-Tafel von Der Heuwagen zeigt Sequenzen aus dem Fall der rebellierenden Engel, der Erschaffung Evas, der Verführung und der Verstoßung aus dem Paradies, die in ein– und derselben Gartenlandschaft vertikal angeordnet sind. Die Anlage ist traditionell, aber ihrer Präsentation ist doch eine für Bosch typische Originalität eigen, indem die Engel als in Schwärmen vom Himmel fallende Insekten dargestellt werden und man bei der Erschaffung Evas eine

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eigentümliche Felsenformation sieht, die auf die noch seltsameren im Garten der Lüste voraus verweist. Auf dieser Tafel gibt es jedoch nur wenig, was nicht zu verstehen wäre. Die zentrale Tafel, die man heute für eine Illustration des flämischen Sprichworts “Die Welt ist ein Heuwagen, jeder nimmt, was er bekommen kann”4 hält, wird von einem gigantischen Heuwagen dominiert, der Jacques Combe zufolge “… gleichzeitig das spätgotische Motiv des Festumzugs und den Triumph der Renaissance heraufbeschwört … gezogen von Ungeheuern halb Mensch, halb Tier und gefolgt von einer Kavalkade geistlicher und weltlicher Würdenträger.” Dieses Altarbild enthält manch obskure Symbole, aber nicht in dem überwältigenden Maße wie Der Garten der Lüste und Die Versuchungen des Heiligen Antonius. Selbst Fränger stimmt mit anderen Autoren darin überein, dass dieses Triptychon das Stigma des Sündenfalls abbildet, mit dem der Mensch geboren wird und durch das sein Lebensweg bis hin zum Ende in der Hölle vorausbestimmt ist. Der kryptische Symbolismus verdeckt nicht das recht unmittelbar dargestellte Hauptthema; deshalb gibt es eine größere Übereinstimmung der Interpretationen dieses Altarbildes. Dies ist beim Garten der Lüste völlig anders. Die Eden-Tafel dieses Gemäldes stellt nicht mehrere traditionelle Geschehnisse um Adam und Eva dar. Man sieht sie nur einmal – Adam sitzt und Eva kniet jeweils an einer Seite Gottes. Diese Gruppe befindet sich auf einem Rasenstück zwischen zwei Teichen, aus denen bizarre Handlungen ausführende hybride Tiere kriechen. Die zentrale Szene scheint in einer ähnlichen Art Landschaft angesiedelt zu sein, aber hier sind die Pflanzen starr wie Mineralien und die mineralischen Strukturen scheinen gewachsen wie Pflanzen. Dieses Land ist übervoll von menschlichen und tierischen Gestalten, die relativ normal aussehen, deren relative Größenverhältnisse aber abnorm sind. Die Menschen sind wohlproportionierte Nackte, deren relative Maße sich gemäß den Gesetzen der Perspektive verhalten, aber die Tiere, die, jeweils für sich betrachtet, durchaus normal aussehen, verhalten sich, was die Größenverhältnisse anbetrifft, nicht immer richtig zu den Menschen und lassen sie teilweise wie Zwerge wirken. Noch entsprechen ihre Farben oder Handlungen der Wirklichkeit. Die Handlungen der Menschen, die übergroße Früchte essen oder erotische Spiele treiben, haben die Autoren seit der Zeit des Joseph de Siguença glauben lassen, dass es hier um die Todsünde der Lust, der luxuria, geht. Die Höllenszene dieses Altarbildes ist Boschs diabolisches Meisterwerk. Überall sieht man, wie Sünder in einer Landschaft gemartert werden, die so großartig gemalt ist, dass man von einem Geniestreich sprechen muss. Die Szene wird von einem seltsamen Eibaum-Ungeheuer beherrscht, das auf dem tintigen Wasser auf zwei Bootsfüßen treibt, aus denen Baumstammbeine aufragen. Der Körper dieser Kreatur ist eine aufgebrochene Eierschale, die als ein Gasthausinneres dient, das die dort befindlichen Menschen über eine Leiter vom Wasser aus erreicht haben müssen. Oben auf dem Ei befindet sich ein Hut, auf dem eine Prozession aus Paaren von Nackten und Dämonen um einen großen, die Lust symbolisierenden Dudelsack paradiert. Um den Eimann herum und unter ihm befinden sich Bereiche der Hölle, in denen Sünder unterschiedlicher Stände (Ritter, Mönche, Musiker, Glücksspieler etc.) auf unerträglich angemessene Weise Martern ausgesetzt werden, deren Visualisierung in der Kunstgeschichte ihresgleichen sucht. Bei seinem Vergleich dieser beiden Triptychen sah Fränger mindestens fünf Argumente, die die enge Verwandtschaft mit dem Gemälde Der Heuwagen hinsichtlich dessen Themen Schöpfung – sündhaftes Leben – Hölle widerlegten: “Zunächst die grundverschiedene Verteilung der Zäsuren”, schrieb Fränger. Im Heuwagen findet sich ein Bruch in der Kontinuität zwischen der Garten-Edenund der mittleren Tafel, während es eine deutliche Kohärenz zwischen der zentralen Szene und der Hölle gibt. Dies kann man daran sehen, dass die hybriden Kreaturen, die den Heuwagen von der mittleren Tafel in die Hölle ziehen, offensichtlich Günstlinge Satans sind; ihre Parade in die Hölle setzt sich ohne Bruch fort. Im Garten der Lüste gibt es keine vergleichbare Trennung zwischen der Garten-Edenund der zentralen Tafel, sondern eine Fortsetzung der Landschaft von der einen in die andere. Diese Unterschiede belegten für Fränger, dass Bosch mit beiden Bildern unterschiedliche Ideen darstellen

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14. Mart yrium der Heiligen Julia, Triptychon mit Heiligem Antonius, links, und Soldat, von einem Mönch geführt, rechts, Öl auf Holz, 104 x 119 cm, Palazzo Ducale, Venedig 15. Der Gaukler, Öl auf Holz, 53 x 65 cm, Stadtmuseum, Saint-Germain-en-Laye

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wollte und man nicht annehmen sollte, dass nur deshalb, weil die Szene, die im Heuwagen der EdenSzene folgt, das Böse repräsentiert, dies automatisch auch für die entsprechende Szene im Garten der Lüste gilt. Als zweites Argument führte Fränger an, dass die sich auf der zentralen Tafel des Gartens der Lüste vergnügenden nackten Gestalten dies nicht, wie alle vor ihm annahmen, in liederlicher Schamlosigkeit tun. Stattdessen: “…In blumenhafter Unschuld spielen die Geschöpfe in dem Gartenfrieden, mit Tier und Pflanze einträchtig vereint, und die Geschlechtlichkeit, die sie bewegt, erscheint als reine Lust und Wonne wahrgenommen.” Drittens argumentierte Fränger, dass die Höllenszene zwar in Bereiche für die Bestrafung der Sünder unter den Rittern, den Klerikern, den Musikern und den Spielern unterteilt ist, jedoch “kein einziger Wollüstling” gefoltert wird. Die Paradies-Tafeln lieferten Fränger sein viertes Argument. Die aus dem Garten der Lüste enthält kein Zeichen des Konflikts, während dies im Heuwagen der Fall ist. Man findet hier nicht nur die Vertreibung der rebellischen Engel (die von Boschs Erfindungsgabe bereits in wundervolle insektenartige Geschöpfe verwandelt worden sind) aus dem Himmel, sondern auch einen Verweis auf den Sündenfall des Menschen, indem Adam und Eva durch die Drohung mit einem “feurigen Schwert” vertrieben werden. Im Garten der Lüste hingegen, so Fränger, kann man Adam, Eva und Gott (in Form der Sonne, ein mittelalterliches Bild) in einem Moment der kosmischen Einheit sehen. Fränger fuhr fort, dass Adam und Eva die einzigen Menschen im Paradies waren, da ihre Kinder erst nach ihrer Vertreibung geboren worden seien. Die dargestellten Menschen müssten deshalb ihre Nachkommenschaft repräsentieren, wenn Adam und Eva nicht von Gott abgefallen wären. Da das Dogma des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies jedoch nicht ignoriert werden könne, müsse hier “…ein Zustand abgebildet sein …, welcher sich ergibt, wenn, nach Entsühnung ihres Sündenfalls, der Menschheit eine Rückkehr in das Paradies und in das friedfertige Wohlsein aller Kreatur gestattet wird.” Ein solches Versprechen sah Fränger in dem Symbolismus an der Außenseite des Triptychons, die zu sehen ist, wenn man die Flügel

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16. Der Heuwagen, Triptychon, Ölgemälde, 140 x 200 cm, geöffnet: links: Eden oder Paradies; Mitte: Heuwagen; rechts: Hölle. Monasterio de San Lorenzo, Escorial

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17. Paradies oder Eden aus dem Heuwagen, Detail der linken Seitentafel, Museo Nacional del Prado, Madrid

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Die Interpretation von Fränger schließt. Dies war sein letztes und für ihn zwingendstes Argument. Fast die gesamte Fläche beider Flügel wird von einer Kristallsphäre bedeckt, durch deren Zentrum eine flache Scheibe schneidet. (Diese Konzeption des Universums hatte Bosch einer antiken Kosmologie entnommen, so Fränger, die zu Boschs Zeit wenig verbreitet gewesen sei: Auch wenn es noch zu früh für Auswirkungen von Columbus’ Entdeckung auf die Ikonographie war, so war die Erde doch schon eine Weile lang als rund dargestellt worden, zumeist als eine kleine Sphäre, die sich im Zentrum mehrerer größerer Sphären befand, über die die Fixsterne und die Tierkreiszeichen verteilt waren.) Es muss sich, so Fränger, um den dritten Tag der Schöpfung handeln, jenen “fruchtbaren Moment” in den sechs Schöpfungstagen, “den Augenblick, in dem der erste Regen auf die bisher noch wüste Erde quillt, aus der alsbald die ersten Bäume und Gebüsche sprießen.” Fränger glaubte, dass die Ehrfurcht gebietende Aussage der Schöpfung aus den Zitaten der Psalmen XXXIII und CXLVIII, die sich an den oberen Enden der Flügel finden und dem Bild Gottes deutlich wird, das links oberhalb der Sphäre zu sehen ist: “Er sprach und es wurde getan” und “Er gebot und es wurde erschaffen”. Gott, der auf seinem Himmelsthron sitzt, hält ein Buch auf seinem Schoß, dass das “Wort” symbolisiert, das unten Fleisch wird. Fränger sah den Thron als eine Ankündigung der großen Erdkugel, da er die Form der großen Kristallkugel zu wiederholen scheine. Gleichzeitig werde Gottes Thron in dem großen kosmologischen Symbol wiederholt und realisiert, das seine Erfüllung finde, wenn man die Flügel des Altarbildes öffne und “die große Kugel auseinander geht und ihre in die Zonen: Himmel – Meer – Erde – und Unterwelt gestufte Ordnung auf den Innentafeln in dem Garten Eden, dem Paradies des Tausendjährigen Reiches und der Hölle sinnentsprechend wiederkehrt.” Fränger folgert, dass die mittlere Tafel ein irdisches Paradies darstellt – die Erfüllung des Wortes Gottes mit einer impliziten positiven und nicht negativen Absicht. “Nach einem derart heiligen Introitus kann die in dieser Sphärenkugel anrollende Weltgeschichte unmöglich in ein erbsündiges Lupanar und in die Hölle gravitieren …”. Fränger zufolge versuchte Bosch in diesem Bild, den Dualismus zwischen fleischlichen und göttlichen Dingen zu widerlegen. In anderen Worten, er bemühte sich, fleischliche Freuden aus dem Reich der Schamhaftigkeit zu erheben, in das sie die traditionelle Theologie verbannte. Fränger beantwortete seine eigene Frage nach dem spezifischen Charakter des Kults, für den dieses Altarbild angefertigt worden sein könnte, indem er argumentierte, dass es sich um einen Adamskult gehandelt haben müsse, da Adam und Eva in anderen bekannten niederländischen Bildern – von Jan van Eyck, Hugo van der Goes und Hans Memling – eine wichtige Rolle gespielt hätten. Dieser Kult habe die Praktizierung sündenfreier Perfektion auf Erden propagiert, die die körperlichen Bedürfnisse des Menschen habe umfassen können, indem eine ideale physische Beziehung zwischen den Geschlechtern entworfen worden sei. Wenn diese erreicht würde, könne der Mensch zu dem Stadium der Glückseligkeit zurückkehren, das unsere Vorfahren durch ihre Sünde verwirkt hätten. Fränger zog die Aufzeichnungen über ein Gerichtsverfahren vor einem bischöflichen Gericht in Cambrai im Jahre 1411, in dem der Karmelitermönch Willem van Hildernissen der Ketzerei angeklagt war, als angeblich unwiderlegbare Belege für seine Theorie heran. Dieser Mann war einer der Führer der Brüsseler Homines Intelligentiae, eines radikalen Flügels einer religiösen Bewegung, die vom Rheinland bis in die Niederlande hinein aktiv war. Fränger schloss aus bestimmten Bemerkungen in den Gerichtsakten, dass es sich hier um die Gruppe handelte, für die Bosch sein Altarbild anfertigte. Ihre Mitglieder nannten sich “Brüder und Schwestern des Freien (oder Hohen) Geistes”, weil sie sich als Inkorporation des Heiligen Geistes und durch dessen Kraft zu einer Geistvollkommenheit erhoben fühlten, die auch im Fleisch und seinen Lüsten nicht mehr zu sündigen vermag und demzufolge schon auf Erden im Unschuldsstand des Paradieses lebt.” Ein Prinzip des Kults habe darin bestanden habe, dass seine Mitglieder unter Beachtung hoher moralischer Werte miteinander gelebt hätten. Für diese Brüder habe der Weg, auf dem sie zu menschlicher Perfektion gelangen konnten, in der “höchsten Sublimierung des Geschlechtlichen” bestanden. Sie hätten dieses Stadium in Adam und Eva verwirklicht gesehen, die selbst nach dem Vorbild von Gottes Perfektion erschaffen worden seien. Die Umkehrung sei das zweite Prinzip geworden, nämlich dass, weil der Mensch nach Gottes Vorbild geschaffen worden sei, er nur durch die

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18. Vertreibung aus dem Paradies aus dem Heuwagen, Detail der linken Seitentafel, Museo Nacional del Prado, Madrid 19. Die Erbsünde aus dem Heuwagen Detail der linken Seitentafel, Museo Nacional del Prado, Madrid 20. Gott, Adam und Eva im Paradies aus dem Heuwagen, Detail der linken Seitentafel. Museo Nacional del Prado, Madrid

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Die Interpretation von Fränger Praktizierung eines sublimierten Akts der Liebe in diesem höchsten aller Zustände verharren könne.5 Fränger sah in den Gerichtsakten zwei mögliche Antworten auf den Charakter dieses Aktes. Um die eine anzudeuten, zitierte er die folgende Passage: “Zweitens, dass der natürliche Geschlechtsakt in einem Sinne vor sich gehen könne, dass er das gleiche wert sei wie ein Gebet vor Gott.” Der Geschlechtsverkehr habe den Geist daher so reinigen können, dass er “nicht mehr als beschämend tierisches, sondern als ein erhebend schöpfer-göttliches Prinzip empfunden werde.” Fränger zog es aber vor, die Antwort in folgender Aussage über einen anderen (posthum angeklagten) Führer der Gemeinschaft zu suchen: “Er pflegt also eine ‚besondere Spielart des Geschlechtsverkehrs, indes nicht wider die Natur, von der er sagt, sie wäre Adams Art im Paradies gewesen.” Wenn diese “besondere Spielart” sich auf einen vom tierischen Geschlechtsverkehr zu unterscheidenden Akt bezieht, so Fränger, der “indes nicht wider die Natur” ist, dann sei er eindeutig keine Sünde und kann in vollkommener Unschuld praktiziert werden und reine Freude bieten, die nicht von irgendeinem Gefühl der Scham beeinträchtigt werde. In dieser Idee sah Fränger die wahre Bedeutung der mittleren Tafel des Gartens der Lüste. Sie sei eine Illustration dieser “besonderen Spielart” des Geschlechtsverkehrs, die Verewigung des adamitischen Liebeslebens, das in dem Gemälde nicht direkt, sondern durch ein dichtes Netz symbolischer Kommunikation offenbart werde. Nachdem Fränger zu diesem Schluss gelangt war, wandte er sich seinem Hauptziel zu, der Übersetzung “dieser freigeistigen ‘ars amandi’ aus der Geheimschrift des Symbols in eine klare Fasslichkeit”. Die bisherigen Ausführungen reichen aus, um den Charakter von Frängers Interpretation und seine typische Denkweise zu illustrieren – eine zutiefst rationale, brillant logische Analyse, die zunächst absolut überzeugend wirkte. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass Fränger seine eigene Logik offenbarte, nicht die Boschs. Fränger formulierte immer wieder eine Hypothese als einen willkürlichen Startpunkt und gelangte dann durch irreführende Folgerungen zu weiteren Hypothesen, die er in derselben Weise ad inf initum immer weiter entwickelte. Auf diese Weise errichtete er ein Gedankengebäude, aus dem nicht ein einziger Baustein entfernt werden konnte, ohne das Ganze zu beschädigen. Noch konnte ein einzelner Baustein ohne Bezug auf das Ganze erklärt werden. Aber das gesamte Gebäude gründete auf der ursprünglichen Hypothese – in der Tat ein sehr wackeliges Fundament. Frängers Hypothese war die folgende: Die Bilder, die den größten Teil von Boschs rätselhaftem Symbolismus enthielten, mussten, da es sich um Altarbilder handelte, für religiöse Zwecke hergestellt worden sein. Sie enthielten antiklerikale und antiheidnische Kritik, so dass sie weder für die Kirche noch für eine heidnische Gruppe hergestellt worden sein konnten. Ein Beispiel für die antiklerikale Kritik ist in Form des von den Nonnen bedienten fetten Mönchs im Heuwagen schon erwähnt worden. Ein weiteres ist das sich um die Zuneigung eines Mannes bemühende, Kapuzen bedeckte Schwein in der Höllenszene des Gartens. Da mittelalterliche Künstler nicht zu ihrem eigenen Vergnügen malten und auch private Auftraggeber für ihre Kapellen derart seltsame Altarbilder nicht in Auftrag gegeben haben konnten, musste es eine Gruppe außerhalb der Kirche gegeben haben, die sowohl die strenge Disziplin als auch die heidnische Anarchie der Kirche bekämpfte. Boschs Bilder, so Fränger, mussten für eine häretische Sekte gemalt worden sein, die gezwungen war, ihre Ideen in geheime Symbole zu kleiden, deren Erklärung Boschs rätselhafte Figuren erhellen würde. Für Fränger handelte es sich ohne Zweifel um den adamitischen Kult. Ist diese Hypothese zu halten? Das Genre des traditionellen Altarbildes implizierte für Fränger eine religiöse Funktion. Deshalb musste er die Art Gruppierung suchen, die Boschs Altarbilder für ihre Zwecke benötigte. Es ist jedoch nicht absolut notwendig, den Bildern eine religiöse Funktion zuzuweisen, denn die damalige Zeit war nicht durch eine strenge Befolgung der Tradition gekennzeichnet. Mitteleuropa befand sich an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert in einer Phase tief greifender Veränderungen. Der aus dem Süden kommende Einfluss der Renaissance hatte sich bereits bemerkbar gemacht und zur Abkehr von manchen alten Formen und Denkweisen geführt. Es gab eine Tendenz zur Säkularisierung, was u.a. dazu führte, dass zunehmend auch gesellschaftliche Bereiche außerhalb der Kirche die Kunst förderten. Es ist durchaus denkbar, dass die Form des Altarbildes für ein nicht primär religiösen Zwecken dienendes Gemälde für einen privaten

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21. Der Garten der Lüste, Triptychon, 220 x 390 cm, geöffnet: links: Das Paradies; Mitte: Der Garten; rechts: Die Hölle, Museo Nacional del Prado, Madrid 22. Die Hölle, Detail, rechte Seitentafel des Gartens der Lüste 220 x 390 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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23. Die Hölle, Detail, rechte Seitentafel des Gartens der Lüste. 220 x 390 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid 24. Die Hölle, Detail, rechte Seitentafel des Gartens der Lüste. 220 x 390 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Auftraggeber eingesetzt wurde, einfach nur, weil sie gut für eine faszinierende Komplexität geeignet war. Aber warum konnten diese Bilder nicht auch für den privaten Auftraggeber oder sogar die Kirche selbst im engeren Sinne religiösen Zwecken dienen? Fränger bemerkte: Jedoch bestand gerade der Charakter jener Wendezeit in den unausgeglichenen Spannungen und Lockerungen, wonach … alle einsichtigen Wortführer der Kirche von der Notwendigkeit einer ‚Reformation an Haupt und Gliedern’ so durchdrungen waren, dass sie selbst einen Maler, der mit freigeistigem Wagemut sich zur Reform bekannte, solange nur kein öffentliches Ärgernis entstand, mit Altaraufträgen bedenken konnten. Fränger hatte darauf hingewiesen, dass Boschs Altarbilder stets auch ein positives Gegenbild zum Bösen bieten. Möglicherweise hätte dies eine Funktion in Andachten gestattet: Wenn der betende Mensch sich Gedanken über die idealen Szenen (z.B. einen Heiligen, der im Angesicht der Truppen Satans Gott treu bleibt) machen würde, wäre er bereit, dem Bösen zu entsagen. Als zusätzliche Motivation konnte er auch seine Zukunft in der Hölle sehen, falls er die Ermahnung ignorieren sollte. Fränger ordnete Boschs Bilder von der Kreuzigung und der Anbetung des neu geborenen Jesus in eine von den kontroversen Altarbildern zu unterscheidende Gruppe ein, indem er sie “schlicht verständlich und überlieferungsgebunden” nannte. Bekanntermaßen enthalten auch diese Bilder zahlreiche Hinweise auf das Böse in der Welt. Besonders in seinen Kreuzigungsszenen verlieh Bosch den an der Kreuzigung Jesu beteiligten Menschen ein besonders hässliches Aussehen. Diese Gruppe von Bildern kann nicht so scharf von jenen, die Fränger untersuchte, getrennt werden. Vielleicht sollte man Siguenças Interpretation der großen Triptychen trotz Frängers ausgefeilter gegenteiliger Argumentation noch einmal in Betracht ziehen. Siguença war der erste, der den Garten der Lüste und den Heuwagen interpretatorisch in einen engen Zusammenhang brachte. Er sah in beiden Bildern die gleiche Idee dargestellt, die auch schon Boschs frühere Werke gekennzeichnet

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25. Paradies oder Eden, linke Seitentafel des Gartens der Lüste, Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

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26. Paradies oder Eden, Detail, linke Seitentafel des Garten der Lüste, Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

hatte – dass die böse und blinde Menschheit die Lehren des christlichen Glaubens nicht befolgen will und stattdessen ein sündiges Leben führt, das in der Hölle enden muss. Eine der Behauptungen, auf die Fränger seine abweichende Interpretation des Gartens der Lüste gründete, war, dass Boschs frühe und späte Werke keine enge Verwandtschaft aufwiesen. Da die frühen direkter als die späteren waren, musste es einen besonderen Grund für den geheimnisvollen Symbolismus der letzteren geben. Fränger glaubte auch nicht, dass man in zwei Bildern überhaupt unweigerlich nach ähnlichen Aussageabsichten suchen sollte – etwa im späten Garten und dem frühen Heuwagen. Wenn man, wie Fränger, Gründe dafür finden wollte, die Ähnlichkeit zwischen beiden Werken zu leugnen, könnte man sagen, dass die Aussage des erstgenannten Bildes eher positiv als negativ ist. Allerdings gibt es mit Sicherheit keinen scharfen Bruch zwischen der Aussage früher und später Bilder – noch zwischen der der beiden hier diskutierten Gemälde –, sondern nur eine weitere Ausarbeitung der Aussage. Frängers Position ist also nicht wirklich haltbar. Wenn man davon ausgeht, dass die großen Triptychen die gleichen Ideen wie Boschs frühe Werke transportieren, hätten, wenn eines der Bilder für den Gebrauch in einer Kirche geeignet war, auch die anderen auf dem Altar stehen können. Es wäre dann nicht erforderlich, nach einem Auftraggeber außerhalb der Kirche zu suchen, um ihre Existenz zu erklären. Aber Fränger verwarf auch die Idee, dass ein Privatmann die Arbeiten für seine heimische Kapelle in Auftrag gegeben haben könnte. Aber selbst wenn eine solche Person ein solches Bild nicht unbedingt für seine private Kapelle haben wollte, konnte er es doch auch in Auftrag gegeben haben, weil er es einfach an sich faszinierend fand. Der Reiz Boschs kommt schon in der schnellen Adaptation seiner Herangehensweise und seiner Motive durch Künstler wie Huys und Brueghel zum Ausdruck. Bosch malte einfach für ein begeistertes Publikum, das ihm gerne Aufträge gab. Die hohe Meinung, die die Bürger seiner Heimatstadt von ihm hatten, ist durch die genannten

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Zitate belegt. Wir wissen ebenso, dass Kaiser Karl V. und sein Höfling Felipe de Guevara in einer auffallend kurzen Zeit nach Boschs Tod mehrere seiner Bilder erworben haben. Frängers Argumentation ist extrem rigide konstruiert und räumt möglichen Irrtümern sehr wenig Raum ein. Fränger scheint angenommen zu haben, dass sein Publikum unweigerlich zu den gleichen Schlüssen kommen würde – wenn er erst einmal ein paar Hindernisse beiseite geräumt und den Weg gewiesen hatte. Ein Beispiel wird genügen um zu belegen, zu welch fantastischen Exzessen Frängers Interpretation führen kann. Fränger hatte in seiner Analyse der Mitteltafel des Gartens der Lüste zunächst seine Ansicht demonstriert, dass diese fabelhafte Darstellung erotischer Aktivität zu Ehren einer tatsächlichen Hochzeit gemalt worden sei. Daher nahm er an, dass dies auch der Anlass für eine visuelle Offenbarung der Mysterien der Gemeinschaft gewesen sei – all der Ebenen des Wissens, die ein Mitglied durch die Instruktion habe erreichen können und durch die er schließlich die vollkommene Verbindung mit der Gruppe erlangen konnte. Da es sich um eine “unerhörte Schöpfung …, in der das ganze All zu Lobpreisungen aufgeboten wurde, wie sie kein Königspaar an seinem Trauungstag vernommen hat”, handelte, musste dieses Hochzeitspaar ein wahrhaft “gottähnliches Paar” sein. Fränger fand es schließlich in der unteren rechten Ecke der Tafel, halb in einer Höhle verborgen. Der Mann ist die einzige bekleidete Figur unter den zahlreichen Nackten, betonte Fränger, und schlug deshalb weitere Differenzierungen vor. Ein Mann, der sich durch ein derartiges Selbstbewusstsein wie jene Figur auszeichnete und darüber hinaus durch eine solche Hochzeitsfeier geehrt wurde, konnte für Fränger nur einer von zwei Menschen sein – entweder Bosch selbst oder der Mann, der das Triptychon inspiriert hatte. Da es sich aber nicht um ein Porträt Boschs handelt, sehen wir laut Fränger den …Auftraggeber und gedanklichen Redaktor einer so außerordentlichen Schöpfung …, so dürfen wir nach seiner Anerkenntnis sofort zu der Vermutung weiter schreiten, dass uns in der Gestalt des Bräutigams zugleich der Hochmeister des Freien Geistes forschend und prüfend an der Schwelle seiner Paradieswelt erwartet. Nachdem er die Identität und den Charakter des Führers mit Hilfe dieser Argumente aus dem Bild festgestellt hatte, stellte Fränger seinen Erfindungsreichtum weiter unter Beweis. Fränger sah sein Gesicht auch in dem EibaumUngeheuer im Zentrum der Höllenszene, so als ob allegorisch eine grundsätzliche Lehre des Kults

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27. Paradies oder Eden, Detail, linke Seitentafel des Garten der Lüste, Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid 28. Paradies oder Eden, Detail, linke Seitentafel des Garten der Lüste, Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

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Die Interpretation von Fränger

29. Mitteltafel des Garten der Lüste, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid 30. Mitteltafel des Garten der Lüste, Detail, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

illustriert werden sollte, nämlich dass man seine Sünden öffentlich bekennen müsse, bevor man zu einem “reinen Urstand” zurückkehre könne. Da man in der Nähe des “Porträts” des Mannes eine Krähe sieht, hielt Fränger dies für sein Symbol. Deshalb nahm immer dort, wo eine Krähe war (wie zu Adams Füßen im Garten Eden), der “Hochmeister” an einem für die gesamte Offenbarung wichtigen kosmischen Ereignis teil. Fränger sah die Höhle der Braut und des Bräutigams nicht nur als Symbol des Vollzugs ihrer bald stattfindenden Hochzeit, sondern auch als Einklang mit der neopythagoreischen Philosophie, da Höhlen in der Geschichte des pythagoreischen Denkens eine wichtige Rolle gespielt hätten. Frängers Interesse an der Herstellung dieser Verbindung bestand offenkundig darin, sein Suchen nach einer so esoterischen Gemeinschaft, wie sie im Italien der Renaissance existierte, in den Niederlanden zu legitimieren (Fränger hatte schon bei seinem Verweis auf den Adamitenkult festgestellt, dass er besonders in der Frührenaissance von Bedeutung war, als “sich platonisch-augustinisches, neupythagoräisches und gnostisches Gedankengut zu einer Anschauung vereinigte, woraus der ‚Urmensch’ als der Archetypus innerer Erneuerung zu einem reinen, freien Menschentum zutage stieg.”). Um die Mysterien dieses Kults gemäß jenen der italienischen Gemeinschaften sowie ihr Auftreten in den Niederlanden erklären zu können, musste Fränger die Figur des “Hochmeisters” erfinden und einen Grund dafür angeben, warum dieser Mann diese Lehren aus seinen eigenen Schultagen in Italien mitgebracht hatte. Also behauptete Fränger einfach, der Mann habe das Aussehen eines italienischen Intellektuellen und die Frau hinter ihm (seine “Braut”) verfüge zudem über italienische Hautfarbe und Gesichtszüge. Nachdem Fränger sich auf diese Weise so sehr von seinen eigenen Behauptungen überzeugt hatte, führte er den schwer fassbaren “Hochmeister” als “eine bisher völlig unbekannte, geistesgewaltige Persönlichkeit in die altniederländische Kultur– und Kunstgeschichte ein, die den drei hohen Namen ihres Vaterlandes und Jahrhunderts: Erasmus Desiderius von Rotterdam, Johannes Secundus und Johannes Baptista van Helmont ebenbürtig an die Seite tritt.” Fränger verlieh seiner Erfindung also nicht nur körperliche Merkmale, Charakter, Braut und Philosophie, sondern auch Größe. Bei dieser Aktion zerstörte er Bosch nicht nur als Person, sondern auch als Künstler. Er tat dies zuallererst, indem er erklärte, dass die “Bildmotive” des Altarbildes “Lehrzeichen einer sexual-ethischen Pädagogik, vor allem aber klare Spiegelungen der Naturphilosophie der Renaissance und damit durchaus neugeistige, zukunftsweisende Gebilde sind.” Seine noch vernichtendere Schlussfolgerung war, dass, da hinter den Erfindungen des Künstlers eine andere Persönlichkeit stand, die “Bildgedanken gar nicht von dem Maler stammen, sondern von einem umfassend gebildeten, großzügig planenden, dabei jedwede Einzelheit durchdringenden und unbeirrbar zielstrebigen Mentor vorgezeichnet waren.” Aber Fränger meinte nicht nur, dass Bosch seine Motive von anderen bezog, sondern der “Ideengeber” habe auch die Farbgebung und Formkomposition entworfen. Er sei offensichtlich für die Farbgebung verantwortlich, da sie in jeder Hinsicht in symbolischer Beziehung zu den Ideen stehe. Zudem habe er maßgeblich die Komposition beeinflusst, indem er Bosch erlaubt habe, mit seiner bisherigen Praxis zu brechen, wie in den beiden Paradies-Tafeln dominierende Ideen entlang den Achsen der Tafeln anzuordnen und die Höllenszene in einer Weise durcheinander zu bringen, die als eine symbolische Umkehrung der Ordnung der beiden anderen “Welten” geplant gewesen sei. Fränger scheint geglaubt zu haben, dass eine solche systematische Desorganisation aus einem tiefen Verständnis der destruktiven Kräfte der Gesellschaft herrührte, über das nur ein Mann habe verfügen können, der “das Idealbild schöpferischer Harmonie unwankelbar vor Augen hatte.” Fränger zufolge sieht man den “Ideengeber auch auf diejenige Motiv- und Formwelt übergreifen, die man bisher für die Spezialdomäne Boschs, des ‚faizeur des diables’ angesehen hatte, so dass die Eigenwelt des Malers in rapidem Schwund dahin zu sinken droht.” Fränger gab Bosch mit seinen nächsten Worten gewissermaßen den Rest: Fällt demnach selbst die originellste Eigenheit des Malers einem Vorbildner anheim, so scheint sein eigener Leistungsanteil zu den Handlangerdiensten eines nur ausführenden, sei es auch noch so hoch qualifizierten Technikers herabzusinken … wären wir vielleicht folgerichtiger verfahren, wenn wir ausschließlich die Herausarbeitung des Ideengebers angestrebt und – Bosch beiseite setzend – die gedankentiefe Schöpfung ihrem eigentlichen

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Die Interpretation von Fränger Urheber zurückerstattet hätten. An dieser Stelle räumte Fränger ein, dass sich “solche Konsequenz selbst ad absurdum führen würde, da sie mit den anschaulichen Gegebenheiten des Gemäldes unvereinbar wäre, das trotz aller Gängelung des Malers in voller bildnerischer Freiheit blüht.” Er musste also annehmen, dass … sich der Vormund und das Mündel in einer Harmonie verstanden haben, worin die Unterschiede des Befehlens und Gehorchens, Forderns und Erfüllens nicht etwa aufgehoben, vielmehr durch eine beiderseits verantwortungsbewusste Innehaltung zu einem freudig anspornenden Dienst an einem wahrhaften Gemeinschaf tswerk beflügelt wurden. … hat die bedingungslose Unterwerfung, mit der sich Bosch den Anweisungen des Ideengebers fügte, für ihn den unermesslichen Gewinn erbracht, dass ihm der Hochmeister sein zuversichtliches und förderndes Vertrauen schenkte. Fränger führte anschließend durch “Beweise” aus den Bildern belegte Beispiele für jene Art esoterischer Instruktionen an, die der “Hochmeister” seinem “Schüler” angedeihen ließ. Gleichgültig, wie sehr Fränger betonte, dass all dies Boschs Status nicht auf den “eines sei es auch noch so hoch qualifizierten Technikers” reduziert, ist es genau dies, was geschieht. Fränger ging noch weiter und entzog sogar Boschs autonomer Identität als Techniker die Grundlage. Selbst seine ausgezeichneten technischen Leistungen im Garten der Lüste resultieren laut Fränger aus Boschs Verbindung mit seinem “Ideengeber”. Offensichtlich spornte dieser Mann Bosch permanent an, die Natur so aufmerksam zu beobachten, dass er jedem Objekt, belebt oder nicht, eine magische Bedeutung verleihen konnte, indem er es durch seine “innerst aufgefasste” Form Energie ausstrahlen ließ. Wie steht es mit Boschs früheren Leistungen? Sind sie ohne diesen “Ideengeber” überhaupt erklärlich? Natürlich nicht, aber Fränger beeilte sich, auch diesen Ausweg zu verschließen: Hieronymus van Aeken ist durch sein Zusammenwirken mit diesem grunderfahrenen und zielbewussten Pädagogen als Mensch und Maler erst zur Mündigkeit und wahren Meisterschaft gediehen, indem Begabungen, die bereits in ihm lagen, wie seine realistische Darstellungskunst, erweitert und vertieft und Geistesmöglichkeiten, die er kaum erahnte, wie seine spiritualistische Durchdringungskraft, in planmäßigen Übungen erschlossen wurden. Schließlich demonstrierte Fränger auch noch, wie das Gemälde Der Garten der Lüste seinen eigenen Beweis enthielt, dass Bosch wusste, wie viel er dem “Hochmeister” schuldete. Der Maler soll sein Porträt (“Neben der Höhle des Pythagoras blickt uns aus jenem schmalen Zwischenraum, der das Profil der nackten Nonne von dem Johannesjüngling scheidet, ein Gesicht entgegen …”) in respektvollem Abstand von dem des “Meisters” platziert haben. Diese bescheidene Positionierung verriet Fränger eine Reihe interessanter Dinge: dass Bosch ein Mitglied der Gemeinschaf t des Freien Geistes gewesen sein müsse, da er sich als ebenbürtig inmitten der für das Paradies Auserwählten darstelle. Darüber hinaus belege dieser Akt der Selbstbescheidung des Künstlers eine moralische Haltung der Verleugnung des Selbst – also Selbstdisziplin, die (da ein Mitglied sie hatte, alle haben mussten) ein neues Licht auf die “oft verlästerte Moral” der Gruppierung werfe. Offenkundig, so Fränger, mussten die Praktiken des Kults von höchster Moral und nicht anarchischer Degenerierung geprägt gewesen sein, wie man gemeinhin annahm. Wir müssen zu dem Ergebnis kommen, dass nur Bosch an Frängers Erfindungsreichtum heranreichte. Frängers ursprüngliche Absicht, Bosch durch eine qualifizierte Bewertung seines Werks wieder als einen Künstler zu etablieren, führte leider zu einem solchen Unsinn, dass der einzige Weg, den er sah, Bosch goutierbar zu machen, in dem “Nachweis” bestand, dass seine Ideen gar nicht seine eigenen waren. Es scheint so, als ob Wilhelm Frängers Interpretation des Gartens der Lüste (Frängers Tausendjähriges Reich) die Wasserscheide sowohl in Frängers Bemühungen um die Interpretation Boschs als auch für die ihm nachfolgenden Kunsthistoriker darstellte. Denn nachdem Fränger den Hochmeister der Gemeinschaf t des Freien Geistes “entdeckt” hatte, “fand” er ihn (oder seinen Einfluss) noch in mehreren anderen Bildern Boschs. Zudem war seine Argumentation so farbig, dass viele seiner Nachfolger ihr entweder zustimmten oder sie rundweg verwarfen. Wir wollen deshalb kursorisch die weiteren Entdeckungen der Kunsthistoriker sowie weitere farbige Versuche beleuchten, diesen faszinierenden und meisterhaften Künstler zu interpretieren.

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31. Die Mitteltafel des Garten der Lüste, Detail, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

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32. Johannes der Täufer, Öl auf Holz, 48,5 x 40 cm, Lazáro Galdiano Museum, Madrid 33. Johannes auf Patmos, Flügel des Altarbildes aus der Liebfrauenbruderschaft, 1504-1505, Öl auf Holz, 63 x 45,5 cm, Gemäldegalerie, Berlin 34. Die Hochzeit zu Kana, um 1561, Öl auf Holz, 93 x 72 cm, Boymans-van-Beuningen Museum, Rotterdam

ränger hielt Wort und ließ seiner Deutung des von ihm Das Tausendjährige Reich genannten Triptychons Interpretationen weiterer Bilder aus dem gleichen Blickwinkel folgen. Er interpretierte auch sie als Ergebnisse von Boschs Verbindung mit der Gemeinschaf t des Freien Geistes und ihrem Hochmeister. Dieser habe Bosch in die Geheimnisse der quasi-religiösen Praktiken des Kults eingeführt, die Bosch dann in sorgfältig codierte Symbole verarbeitet habe. Die meisten dieser Bilder wurden Fränger zufolge vor dem Hundertjährigen Reich angefertigt, was seine These, dass die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler lang und fruchtbar war, belegen sollte. Nach der ersten Einführung des Hochmeisters in seinem 1947 erschienenen Buch veröffentlichte Fränger 1948 seinen ersten Artikel über Boschs Johannes der Täufer in der Wüste. Er wies auf die Ähnlichkeit der Wildnis, in der sich Johannes befindet, mit der im Garten Eden des Gartens der Lüste hin, in dem Bosch Gott in Christi verwandelt und in eine Dreiecksbeziehung mit Adam und Eva gestellt hatte. Johannes’ Verbindung zu Christus liegt auf der Hand. Da er in einer seiner Predigten gesagt hatte “Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt”, platzierten Künstler stets ein Lamm in seiner Nähe, wie es auch Bosch in diesem Bild tat. Ein anderer der Aussprüche des Johannes, “Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen”, erklärte für Fränger die paradiesische Szenerie des Johannes-Gemäldes. Die seltsame Pflanze neben Johannes ähnelte den als chiliastische Symbole dienenden Pflanzen im Garten so sehr, dass Fränger eine offensichtliche Beziehung zwischen beiden Bildern sah. Vor diesem Hintergrund begriff er Johannes der Täufer als das vermittelnde Emblem der schon eingeführten esoterischen Gemeinschaft, als einen Vorboten der ultimativen Darstellung ihrer Überzeugungen im Garten der Lüste. Es dauerte nicht lange, bis der Hochmeister fassbar wurde. Fränger behauptete in seinem 1949/50 publizierten Artikel über Boschs Johannes der Täufer auf Pat mos, seine Identität entdeckt zu haben.1 Fränger hatte erfahren, dass ein jüdischer Einwohner ‘s-Hertogenboschs namens Jacob van Almaengien feierlich in Anwesenheit von Philipp dem Schönen von Brabant getauft worden war. Nichts außer Indizien in den Akten belegte eine Verbindung dieses Mannes mit Bosch, aber er wurde als ein Mitglied der Bruderschaf t Unserer Lieben Frauen im Jahr 1496-1497 genannt, und zwar unter dem christlichen Namen Philip van Sint Jan. Bosch gehörte der Bruderschaf t schon seit 1486 an. Dies reichte für viele Bosch-Forscher, besonders Holländer wie Dirk Bax2 nicht als Beweis aus, aber Fränger trug seine Indizienkette so überzeugend vor, dass manche, u.a. der bekannte Bosch-Forscher Patrik Reuterswärd, sie für jedenfalls denkbar hielten. Fränger hielt das Hochzeitsbankett zu Kana, bei dem Christus sein erstes Wunder vollbrachte, für Boschs Paradestück der geheimen Rituale der Gemeinschaft. Die dominierenden Farben Rot, Weiß und Schwarz sind nicht nur in der Alchemie wichtig, sondern in der rabbinischen Tradition auch die irdene Triade, aus der Gott Adam erschuf. Auf diese Weise bilden sie wie die anderen Indizien in Form von Symbolen den Hintergrund für das von Fränger beschriebene Ereignis: Ein jüdisches Hochzeitsfest vor einem heidnischen Altar gefeiert, Jesus und seine Mutter unter Götzendienern, ein Brautpaar, das in schweigsamer Enthobenheit mehr bei sich selbst als den Gästen weilt, dazu ein Kunterbunt von bürgerlichen, klösterlichen und semitischen Trachten: diese Extravaganzen weisen darauf hin, dass es dem Maler weniger auf eine Darstellung des Bibeltextes als auf dessen Nutzanwendung auf ganz bestimmte zeitgenössische Zusammenhänge angekommen war. Eine Bibelstelle, die für Fränger (und, wie er zugab, auch schon für de Tolnay) Boschs Herstellung einer Verbindung des Hochmeisters und der Gemeinschaf t des Freien Geistes mit seiner Darstellung der Hochzeit zu Kana rechtfertigte, war Paulus’ Ermahnung im ersten Korintherbrief:

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“Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch von Dämonen. Ihr könnt nicht Anteil haben am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen.” (10:21) Fränger erläuterte detailliert die Zeichen, die für ihn besagten, dass der Hochmeister, ein Mitglied der häretischen Sekte, gegen die Ketzerei ankämpft, die von anderen Mitgliedern der Hochzeitsgesellschaft im Raum repräsentiert wird. Obwohl es sich um ein jüdisches Haus handelt, werden den Gästen im Judentum verbotene Speisen serviert, nämlich ein Eberkopf und ein Schwan (von denen Strahlen, eine Sichel und Flammen ausgehen). Nichts sonst deutet auf ein Bankett hin. Unter den Teilnehmern herrscht eine Atmosphäre ritueller Feierlichkeit. Hinter der Braut befindet sich ein Altar, der mit symbolischen Objekten ausgestattet ist, die auf die Sexualität zwischen Mann und Frau in hohen und niederen Formen verweisen: eine Halbkugel, die für Brust und Vagina steht und ein Mörser mit aufrecht stehendem Stößel neben einer Urne, deren Form Fränger an die Position des Frosches denken lässt, der von dem schwarzen Liebhaber am Altar von Boschs Versuchungen des Heiligen Antonius (Lissabon) hochgehalten wird. Der Frosch erinnert an die “Sumpfzeugung” aus dem Garten der Lüste, in anderen Worten an den Tiefpunkt sexueller Verkommenheit. Fränger zufolge besteht auch eine Beziehung zu einem ägyptischen Kultsymbol, das in dämonischen Initiationsriten bis in Boschs Zeit überdauert habe. Bosch stelle die Mitglieder der Gruppe also scheinbar als Anhänger einer Anti-Kirche dar, die älter als die jüdisch-christliche Tradition sei. Fränger sah in der Krähe mit der Kapuze das Symbol des Hochmeisters im Garten der Lüste. Er identifizierte dieses Symbol noch in sieben weiteren Gemälden, darunter Boschs “gewichtigste Triptychen”: dem Heuwagen, dem Wiener Weltgericht und den Versuchungen des Heiligen Antonius (Lissabon). Fränger sah das letztgenannte Bild voller “infernalischer Exzesse”, so dass seine “polemische Maßlosigkeit den frommen Stoff in eine anrüchige Hexenbeize taucht”. Folglich war er der Meinung, das Bild lasse alle bis zu seiner Zeit konventionellen Behandlungen des Themas hinter sich und stellte seine Interpretation durch andere Kunsthistoriker in Frage. In seiner Exegese von Boschs Versuchungen des Heiligen Antonius spricht Fränger von dem “zauberhaften” Effekt, wenn man von dem “bleigrauen Vorspiel” der Außenflügel zu der “halluzinativen Leuchtkraft der drei Innentafeln …, auf denen sich die fremdartigste Phantasmagorie entrollt”, gelangt. [Da eine ausführliche Darstellung dieser Tafeln die Coda dieses Buches bilden wird, werde ich Frängers Interpretation hier nicht wiedergeben, sondern lediglich einige seiner Ausdrücke, die verdeutlichen, dass er von einem kombiniert magischen/diabolischen Charakter des Altarbildes ausgeht.] Die zentrale Landschaft der inneren Tafeln beinhalte eine “zyklopische Spelunke”, “exotische Türme” “einen reliefgeschmückten Obelisk” in einer “Zwischenzone, wo das Heimatliche ins Un-heimliche entgleitet”, wo “gespenstiger Tumult” herrscht, “worin das Sexuelle sich mit dem Trifolium: Idolatrie, Magie und Sodomie verquickt und sich vor allem als Anstachelung der Schaulust äußert.” Antonius kniet an einer Mauerbrüstung, die eine Bühne hinter ihm einrahmt. “Dieser Tanzboden böser Geister dehnt sich als silbergraue, kahle Fläche aus, wie ein Eisspiegel, den man nicht betreten darf, da unter seinem finster unterhöhlten Schimmer sich ein Pfuhl verbirgt.” Was hat diese merkwürdige Version des Versuchungsthemas mit der Gemeinschaf t des Freien Geistes und ihrem Führer zu tun? Es scheint, als ob die Existenz der alttestamentarischen Szenen auf dem zentralen Obelisken die “geistige Urheberschaft Jacob van Almaengiens … auf viel breiterer Basis … erhärtet.” Dieser habe seine eigene spirituelle Integrität angesichts des Götzendienstes, dem sich die Juden hingaben, mit der des Heiligen Antonius, des treuen Diener Gottes inmitten von Höllenkreaturen, assoziiert. Die meisten Kunsthistoriker stimmen darin überein, dass Fränger interessante Lektüre ist, aber die meisten halten seine Theorien gleichzeitig für Produkte seiner eigenen Phantasie. Noch viele weitere ernst zu nehmende Wissenschaftler versuchten sich an dem Rätsel Hieronymus Bosch, sowohl vor als auch nach Frängers Tod im Jahre 1964.

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35. Die Versuchung des Heiligen Antonius, um 1490, Öl auf Holz, 70 x 51 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid 36. Das Jüngste Gericht, um 1482, 163,7 x 127 x 247 cm, Das Paradies, Das Jüngste Gericht, Die Hölle, Gemäldegalerie

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37. Johannes auf Patmos, Detail, geschlossener Flügel des Altarbildes aus der Liebf rauenbruderschaf t, 1504-1505, Öl auf Holz, 48,2 x 34,5 x 17 cm, Gemäldegalerie, Berlin

Noch in den späten 1950er Jahren, bald nach Frängers ersten Veröffentlichungen, betonten mehrere Kunsthistoriker den ernsthafteren, möglicherweise sogar konventionelleren Reiz von Boschs Gemälden: Max Friedländer äußerte die allgemeine Ansicht, dass Boschs Zeitgenossen sie als Predigten mit einer Moral (“Hieronymus”, 44) ansahen. Charles Cuttler beteuerte, dass “Boschs unnatürliche und doch natürlichen Wesen, mit künstlerischer anstelle biologischer Logik zusammengesetzt, ein perfektes Vehikel für seine seriöse, moralisierende Exaltation grundlegender christlicher Ideale waren.” (übersetzt aus “Lisbon”, 126) Im Jahr 1959 identifizierte Ludwig van Baldass mehrere von Boschs Mäzenen als zutiefst respektabel: Philipp der Schöne von Brabant und seine Schwester, die Erzherzogin Margaret, Wilhelm von Oranien und Erzherzog Ernst wie auch einfachere (aber zweifellos wohlhabende) Bürger Amsterdams, Haarlems und Antwerpens, unter anderem Rubens im 17. Jahrhundert. Baldass erwähnte auch Boschs Beeinflussung durch seine großen flämischen Vorläufer-Zeitgenossen (in der Annahme, dass er die Maler aus Gent nicht kannte – vor allem van Eyck oder Goes) wie Weyden, Bouts, Geertgen und Memling sowie mehrere internationale Künstler (vielleicht durch ein Rundbild aus Italien?). Er meinte, Bosch sei der erste Künstler in Flandern und Holland gewesen, der die Bedeutung des Zeichnens für die Planung und klare Details erkannt hätte. Darüber hinaus sah Baldass Bosch als einen unübertrefflichen Erfinder, der niemals nur das gemalt habe, was er gesehen habe oder nur von anderen Künstlern abgemalt habe. Diese Forschungen wurden später von weniger gelassenen Arbeiten herausgefordert. Walter Gibson erwies der Bosch-Forschung einen enormen Dienst, indem er all die unterschiedlichen Interpretationsstränge seit dem 16. Jahrhundert bis zur Veröffentlichung seiner Bibliographie Hieronymus Bosch: An Annotated Bibliography im Jahr 1983 zusammenfasste. In seinem hellsichtigen und detailreichen Bosch-Buch aus dem Jahr 1973 und der Einleitung zu seiner großen Bibliographie unterschied er drei Phasen der Bosch-Rezeption. Die erste dauerte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, als Bosch vor allem für seine Bilder von Teufeln und der Hölle bekannt war, obwohl einige Autoren, vor allem Filipe de Guevara und Jose de Siguença, feststellten, dass der Maler Satiren auf die Seele wie auch die “Sünden und den Wahn des Menschen” malte. Die zweite Phase lag im 19. Jahrhundert, als die Autoren Bosch nicht nur als Moralisten, sondern auch als Maler wahrnahmen und Archivmaterial entdeckt wurde, das zu einer pragmatischeren biographischen wie auch normaleren religiösen Perspektive führte. Im 20. Jahrhundert setzte die ernsthafte Würdigung Boschs als Künstler ein, und zwar in seinem Verhältnis zum niederländischen Realismus in der Genre- und Landschaftsmalerei. Die ersten Monographien über Bosch erschienen im 20. Jahrhundert, wobei jene von Gossart, Lafond, de Tolnay, Baldass, Friedländer und Combe die wichtigsten waren. Im Gegensatz zu der vor dem Zweiten Weltkrieg vorherrschenden Tendenz, die mittelalterliche christliche Theologie hinter Boschs Bilderwelt zu betonen, gleichgültig, wie neuartig oder sogar bizarr sie erscheinen mochte, ging die Forschung nach dem Krieg andere Wege, wie Gibson feststellt. Sie konzentrierte sich im Gefolge von Freud und Jung auf psychologische Fragestellungen und Boschs möglicherweise eigentümliche Psyche. Diese Forschung berücksichtigte auch Quellen, die Gibson zufolge von früheren Interpreten selten bis gar nicht betrachtet wurden: “Alchemie, Astrologie und die weiteren okkulten Wissenschaften sowie verschiedene gnostische Doktrinen” (übersetzt aus Gibson, XXIV). Mit wenigen Ausnahmen, so Gibson, versuchten die meisten Nachkriegsforscher, den “Schlüssel” zu entdecken, den Panofsky suchte, als er Bosch als “zu hoch für mich” abtat. Die Forschung pendelte hin und her zwischen Studien wie jenen von Bax, die Boschs kryptische Bildwelt eher beschrieb als analysierte und jenen, die in den Worten Frängers in Das Tausendjährige Reich nach wie vor eine “ganze Bibliothek” bemühten, um Boschs Symbolismus mit Aspekten der zeitgenössischen niederländischen oder mittelalterlichen Kultur und

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38. Johannes auf Patmos, Detail, geschlossener Flügel des Altarbildes aus der Liebf rauenbruderschaf t, 1504-1505, Öl auf Holz, 48,2 x 34,5 x 17 cm, Gemäldegalerie, Berlin 39. Johannes auf Patmos, Detail, geschlossener Flügel des Altarbildes aus der Liebf rauenbruderschaf t, 1504-1505, Öl auf Holz, 48,2 x 34,5 x 17 cm, Gemäldegalerie, Berlin

Literatur in Beziehung zu setzen. Eine der weniger konventionellen jüngeren Studien ist jene von Neal Myers und Wayne Dynes, die den Schlüssel zu Boschs Garten der Lüste im Hohelied des Jesaja fanden. Sie wiesen auf Passagen hin, in denen Jesaja die Trunkenheit verurteilt und setzten sie mit Boschs zahlreichen Bildern in seinen Triptychen gleich, die offensichtlich auf die Trunkenheit anspielen, vor allem in den Höllenszenen. Zu den stichhaltigsten Argumenten für ihre These, dass Jesaja die Hauptinspiration Boschs darstellt, ist ihr Hinweis auf den Weinberg, den der “Geliebte” des Propheten (oder Gott) vorbereitete, damit dort Reben wüchsen, in dem aber nur “wilde Trauben” gediehen (oder der Blut vergoss statt Gerechtigkeit walten zu lassen und einen Aufschrei gegen die Rechtschaffenheit abgab). Als der Winzer dann seinen Weinberg vernachlässigte, verkam er und brachte Dornbüsche und andere exotische Pflanzen hervor, die jene in der Paradies- und der mittleren Tafel des Gartens der Lüste erklären, wobei man selbstverständlich die Ausschmückung durch Boschs Einbildungskraft in Rechnung stellen müsse. Laurinda Dixon interpretierte in einem anderen Artikel die zentrale Tafel des Gartens der Lüste als eine Allegorie der “Destillation”, verstanden als “zyklisch und sich selbst perpetuierend. Ihr Ende lag bis zu einem gewissen Grad in ihrem Anfang, in der Nachahmung des Rhythmus’ der Natur”. Dixon glaubte, dass das Ziel dieses Prozesses in der Vereinigung mit Gott bestand, der vom Kreis oder der Erdkugel symbolisiert wird. Sie fand

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40. Triptychon Das Jüngste Gericht, geschlossenes Altarbild, Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste, Wien 41. Triptychon Das Jüngste Gericht, Groenige Museum, Brügge

zahlreiche Beispiele für von Apotheker-Alchemisten eingesetztes Gerät, das Bosch in Elemente seines Gartens verwandelt hatte. Paul Vandenbroeck zeigte, wie Bosch Christus und Engel als Gegengewicht gegen die negativen Elemente in seinen Bildern einsetzte. Christus mag scheinbar verzweifeln, als er der sündigen Menge unten seine Wunden zeigt, aber indem er dies tut, “lenkt er die Aufmerksamkeit auf seine Leiden, durch die er die Menschheit retten wird, die ihren Gott vergessen hat”. Vandenbroeck schließt, dass Bosch tief in der ihn umgebenden städtischen bürgerlichen Kultur verwurzelt war, aber durch seine Arbeiten reich genug wurde, um sich von den “künstlerischen Normen seiner Zeit” abzuwenden. Bosch habe seine Unabhängigkeit demonstriert, indem er eine seiner Zeichnungen mit einem lateinischen Zitat (möglicherweise von Boethius) versehen habe, das übersetzt folgendermaßen lautet: “Es ist typisch für die trostlosesten Hirne, stets Klischees und niemals ihre eigenen Erfindungen zu gebrauchen”. Nachdem man all diese intelligenten Studien gelesen hat, kann man jedoch nicht umhin sich zu fragen, ob einer der Autoren “die Weisheit des Rätsels” (ein Teil des Titels von Vandenbroeks Aufsatz) gefunden hat. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass es nicht eine einzige Antwort, sondern viele gibt.

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Eine prosaischere Perspektive

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42. Die Versuchung des Heiligen Antonius, geschlossenes Altarbild, Öl auf Holz 131 x 238 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon

ie bislang dargestellten Debatten zeigen, dass es über Hieronymus Bosch immer noch viele unterschiedliche Ansichten gibt. War dieser Mann geisteskrank oder war er absolut gesund? Waren seine Bilder das Ergebnis von Halluzinationen oder die Übersetzung völlig rationaler Formeln? Würde nicht jede dieser extremen Positionen Boschs künstlerische Leistung völlig leugnen? Wenn er geisteskrank gewesen wäre, müssten seine Bilder dann nicht vor allem für Psychologen von Interesse sein? Wenn er der Chronist der Zeichensprache eines Kults gewesen wäre, könnte er dann mehr sein als ein ausgezeichneter Handwerker? Mir scheint, dass Wilhelm Fränger sich auf der richtigen Spur befand, als er seine Studie mit der Kritik begann, dass für die Konfusion über Bosch die Kunsthistoriker verantwortlich seien, die sich den Bildern allein aus inhaltlicher Perspektive näherten. Sie sahen die Symbolik, in Frängers Worten: “…bestenfalls als dienende Illustration, d.h. bildliche Fassung eines vorgegebenen Gedankens, doch nie als selbstherrliche Imagination, d.h. bildhafte Innewerdung eines Sinns”. Interessanterweise äußert Lotte Brand Phillips in ihrem Artikel über Boschs Anbetung der Könige eine ähnliche Idee, wenn sie schreibt: “…es geschieht in der Kunst von Hieronymus Bosch häufig, dass Ideen aus unterschiedlichen Zusammenhängen verschmolzen werden und ihren Ausdruck in einem einzigen visuellen Symbol finden.” Hieronymus Bosch stand mit Sicherheit nicht in enger Verbindung mit irgendeiner Schule oder Gruppe von Künstlern. Entgegen dem üblichen Muster bemühte er sich nicht um Kenntnisse auf dem Gebiet der Technik um ihrer selbst willen, auch nicht im Kontext religiöser Themen und Motive. Obwohl er sich dennoch zu einem erstklassigen Techniker entwickelte, folgten seine technischen Leistungen offensichtlich aus den Anforderungen religiöser Erfordernisse. Bosch war ohne jeden Zweifel sehr religiös veranlagt. Seine Bilder vermitteln einen ungewöhnlichen Glauben. Die Tatsache, dass sein wesentlicher Antrieb in der Intensivierung der religiösen Erfahrung bestand, sollte einen entscheidenden Faktor für seine Freiheit von den üblichen künstlerischen Beschränkungen darstellen. Sein wenig ausgeprägtes Interesse an der Wirklichkeit hat ihn sowohl für Laien als auch für Kunsthistoriker schwer verständlich gemacht, aber dies war nur eine natürliche Folge seines Bestrebens, Konzepte wie Himmel und Hölle oder die Vision eines Heiligen konkret werden zu lassen. Seine technischen Fähigkeiten bei der Kreation so schwieriger Bildelemente wie des aus Wolken geformten Tunnels in den Himmel oder des von Feuer erleuchteten Nachthimmels der Hölle waren das Ergebnis seines Wunsches, die offenbarerische Kraft dieser Konzepte zu intensivieren. Viele weitere Faktoren wirkten bei der Herausbildung von Boschs künstlerischem modus mit. De Tolnay äußerte die These, dass Boschs Originalität in Bezug auf Technik und Ideen gerade eine Folge seiner physischen Isolation von den künstlerischen Hauptströmungen seiner Zeit gewesen sein könnte. Es gibt keine Belege dafür, dass er jemals seine Heimatstadt verlassen hat. Wenn er nie die Bilder der großen flämischen Meister gesehen hätte, wären die wichtigsten Einflussfaktoren in einer Provinzstadt zu suchen. Der Inhalt seiner Bilder steht populären Quellen wie Illuminationen und Inkunabeln tatsächlich näher als den flämischen Malern. Obwohl er wie sie mit Ölfarbe arbeitete, wandte er nicht ihre verfeinerte Lasur-Technik an, ja vielleicht kannte er sie nicht einmal. Stattdessen bediente er sich einer alla prima-Technik. Manche Autoren meinen, dass er die Technik der Fresken-Malerei auf Ölbilder anwandte, möglicherweise ein Ergebnis seiner Bewunderung für die Fresken in der Kathedrale von s’-Hertogenbosch. Ihr Umgang mit den Figuren kann eventuell den Archaismus der Figuren in seinen frühen Bildern erklären. Ein Künstler ist jedoch niemals völlig vom großen künstlerischen Erbe seiner Zeit isoliert. Ideen “liegen in der Luft” und wirken sich aus. Bosch hatte durchaus gewisse Gemeinsamkeiten mit der niederländischen Kunst seiner Epoche. Der Kunsthistoriker Otto Benesch hält fest:

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43. Die Anbetung der Könige, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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Eine prosaischere Perspektive Die niederländische Kunst des späten 15. Jahrhunderts verfolgte trotz des unglaublich hohen Standards ihrer malerischen Meisterschaft nicht die handwerkliche Perfektion und die naturalistische Beobachtung der flämischen Maler, sondern den Ausdruck als ihr Hauptziel.1 Derselbe subjektive religiöse Geist, der die mystischen Bewegungen der Brüder des Gemeinsamen Lebens [die Anhänger Ruysbrocks] hervorbrachte, … erfüllt die Werke der niederländischen Maler, ob sie nun in eine realistische Richtung wie Geertgen oder Sint Jans oder in einer phantastische und visionäre Richtung wie Bosch gehen. Benesch nannte diese Bewegung “Niederländischen gotischen Flamboyantstil”, aber sie war Teil einer Strömung, die weiter verbreitet war, als dieser Name vermuten lassen würde. De Tolnay wies darauf hin, dass sich während des letzten Viertels des 15. Jahrhunderts eine neogotische Strömung in Europa ausbreitete, die gleichzeitig in Florenz mit Botticelli und Filippino Lippi, in Venedig mit Crivelli und Vivarini, in Deutschland mit Schongauer und in Flandern selbst mit Juste de Grand prominente Vertreter hatte. Boschs Beziehung zur Kunst der Gotik mag jedoch noch persönlicher gewesen sein, als es das Ergebnis eines allgemeinen Trends gewesen wäre. Die St. JansKathedrale in s’-Hertogenbosch gilt als eines der schönsten Beispiele für französische Architektur der Gotik in den Niederlanden. Wie durch schon oben zitierte Quellen belegt, war Bosch durch seinen künstlerischen Beitrag zu ihrer Ausschmückung eng mit der Kathedrale verbunden. Ein wichtigerer Beitrag der Kunst der Gotik zu Boschs künstlerischer Entwicklung bestand jedoch in ihrer Ausdrucksweise. Da die Gesetze der Kunst der Gotik von ihrer eigenen Dynamik und nicht der Befolgung der Naturgesetze festgelegt werden, erlaubte ihr Einfluss Bosch seine anfängliche Freiheit von der Wiedergabe der Natur. Oskar Hagen sah die Gotik als die einheimische Kunst Mittel- und Nordeuropas an und sagte in diesem Zusammenhang: Der nördliche Künstler ist noch nie mit der bloßen Reproduktion eines Gegenstandes zufrieden gewesen. Es muss in seinem Bild immer etwas Spirituelles, Undefinierbares, Prophetisches als Begleiterscheinung hinzukommen. Diese Art des Ausdrucks unterschied sich zutiefst von jener der südeuropäischen Renaissance, die schon bald den nördlicheren Stil überlagern sollte. Die südeuropäische Kunst wurde vom Intellekt beherrscht, die nördlichere von den Sinnen. Die Kunst des Südens übersetzte natürliche Phänomene in Ideen und ordnete so die natürliche Welt dem Verstand des Menschen unter. Weiter nördlich war man stärker von den universalen Geheimnissen beeindruckt und sah sich so eher der Natur untergeordnet, die man entweder genau aufzeichnete oder intuitiv “fühlte”. Die südliche Kunst präsentierte ihre Ideen mit Hilfe von Kompositionen aus einigen großen Elementen in einer statischen, in sich geschlossenen Ordnung. Weiter im Norden war die Komposition durch vielfältige, ungeheuer detaillierte Elemente gekennzeichnet, die eine komplexe, in sich verwobene unklare Totalität schufen. Südliche Künstler befolgten die “Einheit”, d.h. sie präsentierten eine Situation, wie sie zu einem Zeitpunkt an einem Ort bestand. Die nördlicheren Künstler “erzählten” häufig in einer an die Literatur erinnernden Technik, indem sie auf ein und dieselbe Fläche Teile einer Geschichte projizierten, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Schauplätzen stattgefunden hatten. Auf diese Art und Weise einander gegenübergestellte Szenen folgen nicht der natürlichen “visuellen” Logik, sondern nutzen Gedächtnis und Imagination. Einige Kunsthistoriker haben die Meinung vertreten, dass Bosch überhaupt nicht von den großen Leistungen des 15. Jahrhunderts beeinflusst worden sei, sondern sich allein an der Gotik oder dem “Archaismus” vor van Eyck orientiert habe. Bosch kann allerdings nicht völlig unberührt von der Kunst seines eigenen Jahrhunderts geblieben sein. Er war ein Meister der illusionistischen Raumstaffelung, die bei ihm häufig eher vertikal als horizontal ausgerichtet war. Vor dem 15. Jahrhundert hatte es diese in dieser Perfektion nicht gegeben. Bosch konnte zudem in beeindruckender Weise schwierige Effekte wie einen rauchgefüllten Himmel erzielen. Obwohl er im Gegensatz zu den großen flämischen Malern im engeren, oberflächlicheren Sinne nicht naturalistisch arbeitete, konnte er ausgezeichnet unterschiedliche Texturen wiedergeben. Es ist betont worden, dass er aufgrund der Einflüsse der Gotik nicht den Zwang verspürte, die logischen, visuellen Aspekte der Wirklichkeit wiederzugeben, so dass er sich frei in imaginativen

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44. Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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47. Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid 48. Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid 49. Die Anbetung der Könige, Tempera und Öl auf Holz, 71,1 x 56,5 cm, Metropolitan Museum of Art, New York

Welten bewegen konnte. Aber es war gerade seine Fähigkeit der Wiedergabe natürlicher Effekte – die er jedoch in den Dienst seiner Imagination stellte –, die seinen einzigartigen Charakter ausmacht. Man kann daher zusammenfassend festhalten, dass die Kombination aus seinem Wissen um die Errungenschaften des 15. Jahrhunderts sowie der Ideenwelt der Gotik seinem sektiererischen und provinziellen Hintergrund und seiner persönlichen Religiosität und Einbildungskraft für die Bildung seiner einzigartigen Künstlerpersönlichkeit ausschlaggebend war. Das irrationale Element in Boschs Bildern, ein Ergebnis seiner charakteristischen Motivation, ist in der Kunst kein ungewöhnliches Phänomen. In der gesamten Kunstgeschichte hat es viele Künstler gegeben, die in ihrer Gegenstandsbehandlung gegen die Logik verstoßen haben. Aber bis zum letzten Jahrhundert war ihre Zahl zu einer gegebenen Zeit nicht groß genug, um von einer Schule sprechen zu können. Man wundert sich zunächst, warum es nur so wenige derartige Künstler gegeben hat. Wenn man sich jedoch die öffentliche Wahrnehmung Boschs vergegenwärtigt, wird der Grund verständlich. Nur wenige Menschen sind in der Lage, zwischen Symbol und Realität unterscheiden zu können. Dies verführt den Laien dazu, in der Kunst die Wiedergabe der Wirklichkeit zu erwarten und, wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird, dies dem gestörten Geist des Künstlers zuzuschreiben. Tatsächlich aber sollte jedes Kunstobjekt, wie sehr es auch an der Realität teilhat, nicht nach den Maßstäben der Wirklichkeit beurteilt werden. Ein die Unabhängigkeit der Kunst von der Realität erkennender Künstler hat das Recht, wenn sie oder er es will, nach Belieben von der Wirklichkeit abzuweichen. Für Künstler des 20. Jahrhunderts war dies eine Selbstverständlichkeit, was bis hin zu nicht-gegenständlicher Kunst führen konnte. Für Künstler früherer Jahrhunderte stellte diese Abkehr von der Natur jedoch ein wesentlich größeres Problem dar. Für sie vollzog sich der Abschied vom Natürlichen in Form eines Bruchs mit seinen logischen Mustern. Es entstanden hybride Kreaturen, indem Merkmale von Tieren und Pflanzen mit menschlichen oder Merkmale verschiedener Tiere miteinander kombiniert wurden oder sogar Elemente unbelebter Objekte einbezogen wurden. Wenn Menschen und Tiere nicht verzerrt wurden, erschienen sie an ungewöhnlichen Orten, verübten ungewöhnliche Handlungen oder ihre Größenverhältnisse waren disproportional. Es ist insofern gut vorstellbar, dass Bosch in dem Glauben, dass die Welt des Satans durch die Abwesenheit des Normalen charakterisiert sei, durch eine eigentümliche Kombination disparater Formen und Kreaturen an seltsamen Schauplätzen bei außergewöhnlichen Handlungen eine abnorme Welt (die des Teufels) schuf. Um diese These zu belegen, wollen wir nun einige Beispiele für “irrationale” Kunstwerke anführen. Hybride Wesen sind natürlich so alt wie die Kunst selbst – die Sphinx und der babylonische geflügelte Bulle mit seinem menschlichen Gesicht sind die bekanntesten Beispiel aus der Antike. Auch das gesamte Mittelalter hindurch finden sich in Manuskriptilluminationen oder den in Kathedralen allgegenwärtigen Skulpturen Beispiele für hybride Geschöpfe, die aus jeweils naturgetreu wiedergegebenen Einzelteilen unterschiedlicher Herkunft kombiniert sind und eine bizarre, teilweise monströse Erscheinung haben. Künstler wie Martin Schongauer und der Meister E.S. drückten im Spätmittelalter in ihren graphischen Werken ähnliche Intentionen aus. Schongauer kombinierte in den Dämonen, die in seiner Versuchung des Heiligen Antonius den Heiligen bedrängen, die außerordentlich grotesken und Angst einflößenden Merkmale solcher Meerestiere wie der Flusskrebse, Wasserflöhe und Seegurken. Meister E.S. stellte in seiner Versuchung Christi den Teufel als ein hässliches Wesen dar, das sich aus menschlichen und tierischen Teilen zusammensetzt. Die Dämonenkunde war in dieser Zeit die vorherrschende Motivation für die Schaffung derartiger Wesen; häufig bestand der Antrieb aber auch nur aus der Freude an der Schaffung faszinierender Absurditäten. In der Alphabet-Serie von Meister E.S. z.B. formte er Buchstaben, indem er Affen, Leoparden, Faultiere etc. aneinander hängen ließ. In seinem Der Krieg zwischen den Kassenschränken und den Sparbüchsen verlieh Brueghel Kästen und Töpfen Arme und Beine, so dass sie Waffen tragen und sich wild bekriegen konnten. Ein subtilerer Effekt konnte erzielt werden, indem man Mensch und Tier zwar intakt, sie aber an disparaten Schauplätzen ungewöhnliche Handlungen ausführen ließ. Dies war nur eine Weiterentwicklung der Technik, aus naturgetreuen Einzelteilen einen unnatürlichen Effekt zu

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Eine prosaischere Perspektive erzielen. Ein italienischer Künstler des 16. Jahrhunderts namens Agostino Veneziano z.B. stellte in einem Stich mit dem Titel Das Gerippe eine Prozession aus nackten Menschen in ungewöhnlichen Haltungen dar. Einige von ihnen reiten auf Ziegen, einige ziehen das Skelett eines prähistorischen Ungeheuers, auf dem wiederum andere reiten, wieder andere gehen zu Fuß und tragen dabei Babies von seltsamer Größe auf gigantischen Knochen. Es handelt sich vermutlich um eine Hexenprozession auf dem Weg zum Sabbat, da Ausrüstungsgegenstände wie Ziegen, Babies, Knochen etc. dort eine Rolle spielten. Die Hexerei war neben der Dämonologie eine andere Disziplin, die Künstler zur Darstellung des Abnormen inspirieren konnte. Goya, ein Künstler, der sich im Reich des Irrationalen gut auskannte, bezog mehrere der Motive seiner Caprichos aus der Hexerei. Viele seiner Wesen halb Mensch, halb Tier verwenden die Idee der Verwandlung von Hexen in Tiere, bevor sie sich zum Sabbat begeben. Goya stellte häufig Menschen bei der Ausübung tierischer Aktivitäten oder Tiere bei menschlichen Handlungen dar, um die menschliche Torheit satirisch zu beleuchten. In seinen späteren Werken wie den Disparates und Schwarzen Malereien jedoch setzte er irrationale Symbole ohne erkennbaren rationalen Grund ein. Die Überlegung, dass Goya nur mit Formen auf einer Oberfläche spielte, indem er sie in eine seltsame Anordnung brachte, ist natürlich nicht die vollständige Antwort, da man fragen müsste, warum gerade diese Formen in dieser Szenerie. Vielleicht war Aldous Huxley auf der richtigen Spur, als er schrieb: … es gibt weitere Stiche, deren Symbolismus weniger klar und deren allegorischen Bedeutung alles andere als offenkundig ist … Was ist die Bedeutung dieser Dinge? … Vielleicht besteht die Antwort darin, dass sie keine Bedeutung im normalen Wortsinn haben; dass sie sich auf strikt private Ereignisse auf den obskureren Ebenen des Geistes ihres Schöpfers beziehen. Was Huxley meint, dürfte der Prozess irrationaler Assoziationen im Unterbewusstsein sein, d.h. wie der Geist Denkprozesse zusammenfügt, wenn er gewissermaßen “frei hat”. Wenn es wahr ist, dass Goya nach den Eingebungen seines Unterbewusstseins arbeitete, besteht eine deutliche Nähe zu den Surrealisten. Diese Malerschule hielt es für unbedingt erforderlich, Inspiration aus bislang noch nicht genutzten Tiefen des menschlichen Bewusstseins zu beziehen. Sie sahen hier einen Gegensatz zu den Kräften der Vernunft, die sie für Krieg und die heuchlerischen Strukturen der Gesellschaft verantwortlich machten. Die Surrealisten erforschten ihre eigenen Träume sowie die Inkongruität der Platzierung von Objekten zueinander und das Durcheinander von Zeit und Ort, die Träume charakterisieren. Sie bemühten sich durch die Abbildung derartig inkongruenter, verzerrter und irrationaler Aktivität auf der Leinwand, auf dieser Fläche den Traumzustand mitsamt seiner faszinierenden Auswirkung auf den Betrachter nachzuempfinden. Man kann anhand der von ihnen eingesetzten Mittel zwei Gruppen früher Surrealisten unterscheiden. Die eine stellte die phantastische Welt gewissermaßen mit strikt photographischen Mitteln dar, während die andere eine spontane Technik und Motivwahl praktizierten. Die erste Gruppe strebte an, der irrealen Welt die glatte Eigenschaft einer Photographie zu verleihen, um dieselbe Realitäts-Gewissheit wie bei einem Schnappschuss zu erzeugen. Die technischen Methoden der zweiten Gruppe erinnern stark an Hieronymus Bosch. Es ist daher sinnvoll, sich zum Zweck der Illustration ihrer Vorgehensweise auf einen Künstler dieser Surrealistenschule zu konzentrieren. Dalí war in Bezug auf seine Malerei weitaus objektiver als die frühen Surrealisten. Sie bemühten sich, die Vernunft gänzlich zu unterdrücken und sich in einen simulierten schlafwandlerischen Zustand zu versetzen, um vollkommen offen gegenüber der Stimulation durch das Unterbewusstsein zu sein. Herbert Read diskutiert die Prozesse der Bilderschaffung als eine Art bewusste Traumerzeugung. Ihm zufolge kann der Künstler die Form, die das Bild schließlich auf der Leinwand annimmt, nicht erklären, sondern er sammelt Formen aus anderen Kontexten, die ihm im Laufe seiner Aktivitäten des Tages begegnet sind. Sie werden tief im Gedächtnis festgehalten, bis es erforderlich ist, sie beim tatsächlichen Malprozess abzurufen. Der ohnehin für die visuelle Erscheinung der Dinge sensible Künstler macht es sich also zur angenehmen Gewohnheit, im Tagesverlauf derartige Formen zu beobachten und sie in seinem Gedächtnis abzuspeichern. Der Künstler mag eine

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50. Die Anbetung der Könige, Detail, Tempera und Öl auf Holz, 71,1 x 56,5 cm, Metropolitan Museum of Art, New York

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51. Die Anbetung der Könige, Detail, Tempera und Öl auf Holz, 71,1 x 56,5 cm, Metropolitan Museum of Art, New York 52. Auf fahrt der Seligen ins Himmlische Paradies, 1500-1504, Öl auf Holz, erste und zweite von vier Tafeln im Tryptichon Visionen aus dem Jenseits,

jeweils 87 x 40 cm, Palazzo Ducale, Venedig 53. Auf fahrt der Seligen ins Himmlische Paradies, 1500-1504, Öl auf Holz, dritte und vierte von vier Tafeln im Tryptichon Visionen aus dem Jenseits,

jeweils 87 x 40 cm, Palazzo Ducale, Venedig

Flechte an einem Baum oder ein Muster in einem Stück Treibholz sehen, sich dieser Beobachtung aber völlig unbewusst sein. Sie wird deshalb nicht verbalisiert, jedoch im Geist des Künstlers gespeichert, bis sie benötigt wird. Es wäre vermessen zu behaupten, den Geist von Hieronymus Bosch und damit den exakten Charakter seiner Art des “visuellen Denkens” zu verstehen. Aber da seine Ergebnisse jenen angeführten Beispielen des Irrationalen im Prinzip ähneln, darf angenommen werden, dass seine Arbeitsweise einigen der oben beschriebenen Prozesse ähnelte. Es ist unmöglich festzustellen, ob er von rationalen oder irrationalen Kräften motiviert wurde. Seine Bildwelt ist so ineinander verwoben, dass mehrere Prozesse bei ihrer Erschaffung eine Rolle gespielt haben können. Bosch hat sicherlich zu einem gewissen Teil rationale Ideen aus Theologie und Volksglauben illustriert. Seine hybriden Geschöpfe sind eine extravagante Weiterentwicklung eines in der mittelalterlichen Kunst häufig eingesetzten Motivs. Die erzielten eigentümlichen Effekte sind zum Teil durch sein rationales Bemühen zu erklären, die satanische Welt darzustellen, indem er die normale Welt in die Irrealität verkehrte. Er machte seine Kreaturen, ihre Handlungen und ihre Umwelt so merkwürdig und unwirklich wie möglich, aber gleichzeitig glaubwürdig, indem er sie mit all der technischen Meisterschaft abbildete, die Künstler normalerweise der illusionistischen Darstellung der natürlichen Welt widmen. Es kann allerdings nicht bezweifelt werden, dass Bosch innerhalb des Rahmens seiner rationalen Absichten auch Eingebungen seines Unterbewusstseins folgte. Die Macht seiner Bilder über den Betrachter ist faszinierend. Das Unterbewusstsein, dessen Bedeutung von modernen Psychologen und Surrealisten gleichermaßen betont wird, hat in der modernen Welt mehr und mehr an Wichtigkeit gewonnen. Dass das menschliche Verhalten nicht zufällig ist, dass alle Menschen sich gemäß tief verwurzelten und früh geformten psychischen Motivationen verhalten, dass der Versuch der Missachtung und Unterdrückung der Instinkte dem Individuum schadet – all diese Überzeugungen sind im Verlauf des letzten Jahrhunderts mehr oder weniger Allgemeingut geworden. Wir haben gelernt, dass der Verstand nur einen Teil des menschlichen Potentials ausmacht, und zwar möglicherweise sogar nur einen kleinen Teil. Carl Gustav Jung hat profunde Aussagen über die dunkleren, tieferen Schichten des menschlichen Geistes getroffen. Jung zufolge ist das Unterbewusstsein nicht lediglich ein unwichtiger und unwirklicher Anhang des Bewusstseins, sondern eine Welt mit eigenen Aktivitäten, Gesetzen und eigener Logik. Wir können davon ausgehen, dass die in diesem Kapitel diskutierten Künstler und Hieronymus Bosch Menschen waren, die ihrem Unterbewusstsein freie Bahn ließen und die Ergebnisse als Realität erlebten. Sie werden deshalb auch allgemein missverstanden. Da man davon ausgeht, dass in den meisten Kunstwerken alle Einzelteile eine bestimmte Bedeutung transportieren, meint man, dies müsse auch bei ihnen der Fall sein. Das einzige, was man rational verstehen kann, ist die Idee und Quelle der Einzelteile. Was aus diesen Quellen erschaffen wurde ist allerdings keine neue Logik. Es ist ein Kunstwerk. In den folgenden beiden Kapiteln wird ein Werk Boschs, die Lissabonner Versuchungen des Heiligen Antonius, diskutiert. Es werden bestimmte Ideen als mögliches Quellenmaterial für die Symbolik des Bildes präsentiert. Dies geschieht nicht, weil es notwendigerweise von diesen Ideen abhängig ist oder die Symbole diesen Ideen untergeordnet sind, sondern weil die Freiheit, die sich Bosch mit diesen Ideen nahm, besser zu verstehen ist, wenn die Ideen erst einmal bekannt sind. Das Bild selbst wird im abschließenden Kapitel analysiert werden. Seine Symbolik wird mit den Ideen der Quellen in Beziehung gesetzt, um zu zeigen, wie Bosch sie verarbeitete. Es wird kein Versuch unternommen werden, jedes einzelne Symbol mittels tief in ihm verborgener rationaler Gedanken zu erklären. In anderen Worten: Es ist nicht zwingend notwendig, wie Fränger einen Schlüssel zu finden, mit dem man die Bedeutung eröffnen kann. Man kann die Bilder durchaus aus der Perspektive reiner imaginativer Projektionen um eine zentrale Idee wie die Hölle oder die Vision eines Heiligen heraus betrachten. Sie verstören, aber dies gilt auch für die von Bosch als Ausgangspunkt herangezogenen Konzepte. Es handelt sich um fruchtbare Felder für die Stimulierung von Assoziationen im Geist des Betrachters. Es reicht völlig aus, Boschs großartige Symbolik als “selbstherrliche Imagination” zu begreifen.

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rängers Idee, dass Boschs drei große Triptychen satirische Kritik an der Kirche und dem Heidentum enthielten, ließ ihn in den drei Gemälden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen erkennen. Während Der Garten der Lüste sich eher zwischen den beiden Polen bewege, sah Fränger im Heuwagen eine primär anti-klerikale Stoßrichtung gegeben und Die Versuchungen des Heiligen Antonius als eine “anti-okkultistische” Satire.1 In dem letztgenannten Bild ist das gemäß der spätmittelalterlichen Ideographie dargestellte Okkulte aber wahrscheinlich nur ein Teil des Hauptthemas des traditionellen Konflikts zwischen Gut und Böse. Das Gute wird von dem Heiligen, Christus und den Mönchen, die gegenüber dem Heiligen Barmherzigkeit walten lassen, repräsentiert. Das Böse wird von den zahlreichen dämonischen Kreaturen, die über die Tafeln schwärmen, verkörpert, den Günstlingen des Reichs Satans, jenes Konzepts, das das Böse für den mittelalterlichen Menschen fassbar machte. Man glaubte, dass Satan und seine Dämonen durch häretische Aktivitäten wirkten, zu denen man ganz wesentlich das Okkulte rechnete. Dies würde Boschs Verweise auf heidnische Praktiken in seinem Gemälde erklären. Wenn man die Bildersprache vor dem Hintergrund derartiger Aktivitäten betrachtet, ist es offensichtlich, dass es nicht um eine spezielle Idee oder spezielle Praktiken geht. Es gibt nicht ein Symbol, das definitiv auf eine bestimmte Quelle zurückgeführt werden könnte, sondern Bosch inkorporierte Ideen unterschiedlichster Herkunft. Die Kompositionsmechanismen, die er gemäß dem im vorhergehenden Kapitel diskutierten Prozess der Ideenassoziation entwickelte, können nicht isoliert betrachtet werden. Sie nehmen nur dann eine rationale Bedeutung an, wenn man sie mit dem Hauptthema des Gemäldes in Beziehung setzt. Wenn wir bezweifeln, dass Bosch diese halluzinativ wirkenden Szenen und abscheulichen Dämonen im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte schuf, sollten wir uns die zu seiner Zeit verbreiteten Ansichten vor Augen halten. Wie Heinrich Wölfflin zu Beginn seiner Kunstgeschichtlichen Grundbegrif fe völlig richtig betont hat, darf man Kunstwerke aus einer anderen Zeit nicht so interpretieren, als stammten sie aus unserer eigenen Zeit. Der Kunsthistoriker darf nicht die Frage stellen “Welche Wirkung üben diese Werke auf mich, den modernen Menschen, aus?” und sie an diesem Maßstab messen. Stattdessen muss er prüfen, welche formalen und konzeptionellen Möglichkeiten die Epoche zur Verfügung hatte. Die daraus resultierende Interpretation wird eine völlig andere sein. Bevor wir uns der Frage zuwenden, wie Bosch die Symbole seines Bildes erschuf, wenden wir uns zunächst den Quellen zu, deren Elemente er vermutlich zu seiner Symbolik verschmolz.

54. Christus mit Dornenkrone, Öl auf Holz, 73,7 x 58,7 cm, National Gallery, London

Der Heilige Antonius Die erste Quelle stellt selbstverständlich die Geschichte von Antonius’ Versuchung durch den Teufel dar, die zu den Lieblingsgeschichten Boschs gehört zu haben scheint. Er widmete ihr möglicherweise mehr Arbeiten, Zeichnungen und Gemälde als jedem anderen Sujet, fast als habe er eine persönliche Empathie mit dem visionären Heiligen empfunden. Ob Antonius’ Teufel nun real waren oder nicht – die Tradition und die Kirche sahen sie als real an und ein guter Teil der kirchlichen Auffassung über das Wesen der dämonischen Welt rührte von dieser Geschichte her. Bosch hatte vermutlich Zugang zu zwei Versionen der Geschichte, der Goldenen Legende (eine im späten dreizehnten Jahrhundert von Jacobus de Voragine geschriebene Sammlung von Heiligenleben) und der kurz nach Antonius’ Tod von Athanasius verfassten Originalversion.

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55. Christus trägt das Kreuz, 1510-1535, Öl auf Holz, 76,7 x 83,5 cm, Palacio Real, Madrid

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56. Ecce Homo, 1485-1490, Öl auf Holz, 52 x 53,9 cm, Museum of Art, Philadelphia

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Der Heilige Antonius lebte zur Zeit des Niedergangs der Macht des Römischen Kaiserreiches im dritten Jahrhundert. Jahre der Misswirtschaft durch Militärregierungen in den Provinzen, Kriege, ausbeuterische Steuern, extreme Ungerechtigkeiten und Folterungen, Sklaverei sowie zusätzlich die Bedrohung durch Invasionen von Barbaren hatten zu einem einzigartigen Verfall geführt. Eine Folge dieses Untergangs bestand in Selbstmorden unter den Nicht-Christen. Das Christentum lehrte aber, dass der Körper als Behältnis der Seele bewahrt werden müsse. Die Christen begannen deshalb, sich in die Wüsten und in die Berge abzusetzen, um ihre Seele zu retten. Man hat geschätzt, dass zu jener Zeit 5000 solcher Einsiedler in den Höhlen und Grabmalen der am Nil liegenden Berge gelebt haben könnten. Die Kunde von ihrer Selbstmarterung, Demut, Frömmigkeit und von Wundern verbreitete sich so weit, dass Menschen aus anderen Ländern sich auf Reisen durch Wüsten und Berge unglaublichen Strapazen aussetzten, um zu ihnen zu pilgern. Sie erzählten in ihren Heimatländern von diesen heiligen Männern, und eine Eremitenbewegung breitete sich unwiderstehlich im ganzen Römischen Kaiserreich, später sogar bis nach Irland, aus. Der Heilige Athanasius suchte Zuflucht bei diesen Eremiten, häufig auch bei Antonius, wenn er anlässlich der in Alexandria sporadisch aufflammenden Christenverfolgungen fliehen musste. Bei seinem Besuch in Trêves in Gallien trug er Geschichten über diese Männer bei sich und schrieb über Antonius, den er für die ideale Verkörperung des asketischen Christen hielt, und seinen wundersamen Widerstand gegen die lebenslange Versuchung durch den Teufel eine “Lobrede”, mit der er andere zur Nachahmung anregen wollte.2 Antonius wurde 251 in der Stadt Coma in Mittelägypten als Sohn wohlhabender christlicher Eltern geboren. Antonius, ein ruhiger und frommer Jugendlicher, liebte seine Familie und fand die Schule und andere Begleiter unangenehm. Seine Eltern starben, als er etwa 12 Jahre alt war und hinterließen ihm ihr Vermögen sowie die Vormundschaft über seine jüngere Schwester. Nachdem Antonius in seiner Kirche die biblische Ermahnung Christi an die reichen jungen Herrscher gehört hatte und sehr von ihr beeindruckt war, verkaufte er all seine Besitztümer, ließ seine Schwester bei einer Gemeinschaft frommer Frauen zurück und verließ sein Dorf, um ein Leben in Askese zu führen. Für eine Weile lebte er mit einem alten Eremiten in einer Einsiedelei unweit seines Dorfes zusammen. Antonius beobachtete diesen Mann bei seinem heiligen Leben und erlernte von ihm die Tugend eines dem Gebet, der Meditation, dem Fasten und der körperlichen Arbeit gewidmeten Lebens. Als Antonius sich reif für das einsame Leben fühlte, zog er sich in eine eigene Einsiedelei zurück. Hier begannen seine “Versuchungen”, die von dem Kirchenvater Athanasius verewigt wurden: I. Versuchung durch die Erinnerung an die Verantwortung und die Freuden seines früheren Lebens Der Teufel aber, voll Hass und Neid gegen das Gute, konnte es nicht ertragen, einen so standhaften Vorsatz in einem so jungen Menschen zu sehen. Was er schon früher ausgeführt hatte, das versuchte er auch gegen diesen. Zuerst machte er sich daran, ihn von der Askese abspenstig zu machen, indem er die Erinnerung an seinen Besitz in ihm wachrief, die Sorge für seine Schwester, den Verkehr mit seiner Verwandtschaft, Geldgier und Ehrgeiz, die mannigfache Lust des Gaumens und all die anderen Freuden des Lebens, indem er ihm endlich vorstellte, wie rau die Tugendübung sei und wie groß die Anstrengung dabei; er wies ihn hin auf die Schwachheit des Leibes und die Länge der Zeit. Mit einem Worte, er erregte einen gewaltigen Sturm von Gedanken in seinem Innern, da er ihn von seinem guten Vorsatz abbringen wollte. II. Versuchung durch das Verlangen des Fleisches Als aber der böse Feind seine Schwäche gegenüber dem festen Entschluss des Antonius sah, ja als er merkte, wie er niedergerungen wurde durch seine Festigkeit, zur Flucht gezwungen durch seinen starken Glauben und niedergeworfen durch sein beständiges Gebet, da setzte er sein

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57. Ecce Homo, Öl auf Holz, 71,1 x 60,5 cm, Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main

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Vertrauen auf die Waffen “am Nabel des Bauches” (Job 40, 11), und voll Stolz darauf – denn es sind seine ersten Fallstricke für Jünglinge –, stürmte er heran gegen den Jüngling; er bedrängte ihn nachts und setzte ihm am Tage so zu, dass auch die, welche den Antonius sahen, den Zweikampf zwischen ihm und dem Teufel bemerkten. Der Teufel gab ihm schmutzige Gedanken ein, Antonius verscheuchte sie durch sein Gebet; jener stachelte ihn an, er aber, gleichsam errötend, schirmte seinen Leib durch den Glauben, durch Gebet und Fasten. Der arme Teufel ließ sich sogar herbei, ihm nachts als Weib zu erscheinen und alles Mögliche nachzumachen, nur um den Antonius zu verführen. III. Versuchung durch den Stolz Als nun endlich der Drache den Antonius auch hierin nicht niederringen konnte, sondern sehen musste, wie er ausgestoßen ward aus seinem Herzen, da knirschte er mit den Zähnen, wie geschrieben steht (Mk., 9,18), und, wie von Sinnen, stellte er sich ihm, wie er in seiner ganzen Artung ist, auch in der äußeren Erscheinung dar, nämlich als ein schwarzer Knabe. Als ob er sich unterwerfen wollte, griff er ihn nicht mehr durch Gedanken an – denn er war verscheucht worden, der Listige –, sondern sagte mit menschlicher Stimme: “Viele habe ich verführt und die meisten überwunden. Jetzt aber, als ich, wie gegen so viele, auch gegen dich und deine Anstrengungen losging, bin ich schwach geworden.” Da fragte Antonius: “Wer bist denn du, der so zu mir spricht?” Und jener rief mit jammernder Stimme: “Ich bin ein Freund der Unzucht; ich habe als meine Aufgabe übernommen die Verlockungen zu ihr und ihre Reizmittel zum Schaden der Jünglinge, und Geist der Unzucht ist mein Name. Wie viele, die tugendhaft leben wollten, habe ich getäuscht, wie viele, die enthaltsam waren, habe ich durch meine Lockung betört! … durch mich waren sie zu Fall gekommen. Ich bin der, der dich so oft bedrängt hat, der so oft von dir überwunden worden ist.” Antonius aber dankte dem Herrn, fasste Mut gegen ihn und erwiderte: “Man kann dich gar wohl gründlich verachten; denn du bist schwarz in deiner Seele und schwach wie ein Kind. Ich habe deinetwegen nicht die geringste Sorge mehr. Denn der Herr ist meine Hilfe, und ich verachte meine Feinde” (Os. 4, 12). Als das der Schwarze hörte, entfloh er sogleich voll Furcht über diese Worte und scheute sich, dem Heiligen auch nur mehr nahe zu kommen. … Antonius aber wähnte nicht, der Dämon sei unterlegen, so dass er nachlässig werden könne und nicht weiter auf sich zu achten brauche; auch der Feind hielt sich nicht für überwunden und hörte nicht auf, ihm nachzustellen; denn er ging wieder herum wie ein Löwe und suchte einen Vorwand gegen ihn … Mehr und immer mehr bezwang er [Antonius] seinen Körper und machte ihn untertänig, um nicht, hier siegreich, dort zu unterliegen.

58. Christus trägt das Kreuz, Seitenflügel, Öl auf Holz, 150 x 94 cm, Palacio Real, Madrid 59. Heiliger Christophorus, Öl auf Holz, 113 x 71,5 cm, Museum Boymans-vanBeuningen, Rotterdam 60. Quentin Metsys, Ecce Homo, um 1515, Öl auf Holz, 160 x 120 cm, Museo del Prado, Madrid

IV. Versuchung durch körperliche Martern So meisterte sich Antonius. Dann wanderte er weg zu Gräbern, die weit von dem Dorfe lagen; einen von seinen Bekannten bat er, ihm von Zeit zu Zeit, aber nur in langen Zwischenräumen, Brot zu bringen; dann ging er in eines der Gräber hinein und blieb, nachdem jener die Türe hinter ihm geschlossen hatte, allein drinnen. Da hielt es der böse Feind nicht aus, er fürchtete, Antonius möchte in kurzem auch die Wüste mit seiner Askese erfüllen, und so ging er in einer Nacht hin mit einer Schar von Dämonen und schlug ihn so heftig, dass er sprachlos vor Qualen auf dem Boden lag. … Durch Gottes Fürsorge aber – denn der Herr verlässt die nicht, welche auf ihn hoffen – erschien am nächsten Tage sein Freund, um ihm Brot zu bringen; er öffnete die Türe und sah ihn wie tot am Boden liegen; da hob er ihn auf und trug ihn in die Kirche des Dorfes und legte ihn auf die Erde. Viele von seinen Verwandten und die Leute aus dem Dorfe setzten sich neben Antonius, den sie tot glaubten. Um Mitternacht aber kam dieser zu sich, erwachte, und wie er sie alle schlafen sah, während nur sein Vertrauter wach war, da winkte er diesem zu, zu ihm zu kommen und bat ihn, er möge ihn wieder aufheben und zu den Gräbern bringen, ohne jemanden aufzuwecken. …

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Er wurde von ihm weggetragen und war so wieder allein innen, nachdem die Türe wie vorher verschlossen worden war. Stehen konnte er wegen der Schläge nicht, also betete er im Liegen, nach dem Gebete aber rief er laut: “Hier bin ich wieder, Antonius; ich fürchte eure Schläge nicht, wenn ihr mich auch noch ärger quält, nichts wird mich trennen von der Liebe zu Christus”. V. Alle Dämonen der Hölle werden losgelassen … der höllische Feind aber, voll Hass gegen das Gute, wunderte sich, dass Antonius es nach den Schlägen gewagt hatte, wiederzukommen; er rief seine Hunde zusammen und rief berstend vor Zorn: “Seht ihr, dass wir ihn weder durch den Geist der Unzucht noch durch Schläge zum Schweigen gebracht haben! Im Gegenteil, er ist sogar noch frech gegen uns. Wohlan, wir wollen ihm anders beikommen!” Denn leicht ist es für den Teufel, alle möglichen Gestalten zur Sünde anzunehmen. Da machten sie nachts einen solchen Lärm, dass der ganze Ort zu erbeben schien. Es war, als ob die Dämonen die vier Mauern des kleinen Baus durchbrechen und eindringen wollten; dazu verwandelten sie sich in die Gestalten von wilden Tieren und Schlangen; und gar bald erfüllte sich der Platz mit Erscheinungen von Löwen, Bären, Leoparden, Stieren und Nattern, Aspisschlangen, Skorpionen und Wölfen. Jedes von diesen Untieren bewegte sich nach seiner besonderen Art. Antonius, von ihnen zerpeitscht und zerstochen, fühlte zwar heftigen körperlichen Schmerz; aber ohne Zittern und wachsam in seiner Seele lag er da; er seufzte infolge seiner leiblichen Pein, aber klaren Geistes und voll Hohn rief er: “Wenn ihr Macht hättet, genügte es, wenn auch nur einer von euch käme. Aber da der Herr euch die Kraft genommen hat, versucht ihr durch eure Menge vielleicht Furcht einzuflößen. … Wenn ihr es vermögt und Gewalt empfangen habt gegen mich, dann zaudert nicht, sondern kommt heran! Wenn ihr aber nicht könnt, warum verwirrt ihr euch selbst umsonst? Denn ein Siegel ist für uns und eine sichere Mauer der Glaube an unseren Herrn.” Sie aber versuchten alles Mögliche und knirschten mit den Zähnen gegen ihn, weil sie sich selbst verspotteten und nicht den Antonius . … Der Herr aber vergaß auch da nicht seines Ringens, sondern kam zu seinem Beistand. Denn als Antonius aufblickte, sah er das Dach geöffnet, und ein Lichtstrahl kam auf ihn herab. Die Dämonen wurden plötzlich unsichtbar, die Pein in seinem Körper hörte sogleich auf, und das Haus war wieder unbeschädigt wie zuvor. Antonius aber merkte die Hilfe, atmete auf, er wurde von seinen Schmerzen erleichtert und fragte die Erscheinung: “Wo warst Du? Warum bist du nicht

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61. Christus mit Dornenkrone, um 1510-1515, Öl auf Holz, 163 x 191 cm, Museum der Bildenden Künste, Valencia 62. Kreuzigung mit Stif ter, um 1483, Öl auf Holz, 70,5 x 59 cm, Musées royaux des Beaux Arts de Belgique, Brüssel

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zu Anfang gekommen, um meine Qualen zu beendigen?” Und eine Stimme ertönte zu ihm: “Antonius, ich war hier, aber ich wartete, um dein Kämpfen zu sehen. Da du den Streit bestanden hast, ohne zu unterliegen, werde ich dir immer hilfreich sein und ich werde dich berühmt machen allerorten.” Als er dies hörte, stand er auf und betete. Er gewann soviel Kraft, dass er merkte, jetzt mehr Stärke zu besitzen als vorher. Damals war er fast fünfunddreißig Jahre alt. VI. Versuchung durch ständige Scharen Immer kräftiger wurde sein Vorsatz, und so eilte er auf den Berg. Er fand da jenseits des Flusses eine verlassene Verschanzung die wegen der Länge der Zeit voll kriechenden Gewürms war. Hier ließ er sich nieder und wohnte darin. Seinen Bekannten, die zu ihm kamen, erlaubte er nicht hineinzugehen; sie verweilten deshalb oft ganze Tage und Nächte außerhalb und hörten, wie drinnen ganze Scharen lärmten und tobten, klagten und schrieen … Anfangs meinten die Außenstehenden, es seien das einige mit Antonius kämpfende Menschen, die auf Leitern zu ihm eingedrungen seien. Als sie sich aber bückten und durch eine Ritze niemanden sahen, da bedachten sie, dass es Dämonen seien und riefen voll Furcht den Antonius um Hilfe an. Der hörte mehr auf sie, als dass er sich um die Dämonen gekümmert hätte. Er kam nahe an die Türe heran und forderte die Menschen auf, sich zu entfernen ohne sich zu fürchten; denn so, sagte er, ließen die Dämonen Trugbilder entstehen zum Schaden derer, die sich fürchteten. “Ihr aber drückt euch das Siegel des Kreuzes auf und geht getrost von dannen. Diese aber lasst sich selbst verspotten.” Die Besucher gingen nun hinweg, geschirmt durch das Zeichen des Kreuzes. Er aber blieb und erlitt keinen Schaden von ihnen. VII. Weitere Versuchungen, wie von Antonius selbst berichtet Einst kamen sie unter Drohungen und umringten mich wie Kriegsleute mit ihrer Rüstung. Als ich einst fastete, da kam der Arglistige auch als Mönch mit Broten in Truggestalt; er riet mir und sprach: Iss und höre auf mit deinen vielen Mühen! Auch du bist nur ein Mensch und wirst schwach werden. Ich aber merkte seine Hinterlist, stand auf und betete. Das hielt er nicht aus, er verschwand, und es schien, als gehe er durch die Türe wie Rauch.

63. Michiel Sittow, (Schüler von Hans Memling in Brügge), Christus auf dem Kreuzweg,

Öl auf Holz, 37,5 x 29,5 cm, Puschkin-Museum der Bildenden Künste, Moskau

VIII. Die letzten Versuchungen … er war jetzt hoch in den Jahren … das haben wir von denen erfahren, die ihn besuchten. Denn auch dort hörten sie Lärm, viele Stimmen und Getöse wie von Waffen; und den Berg sahen sie nachts voll wilder Tiere; sie beobachteten den Antonius auch, wie er kämpfte, gleich als ob er sichtbare Gegner vor sich habe, und wie er gegen sie betete. … Und es war in Wahrheit bewundernswert, dass er, der allein in einer solchen Wüste weilte, sich weder vor den Angriffen der Dämonen fürchtete, noch sich ängstigte über die Wildheit so vieler vierfüßiger Tiere und Schlangen, die sich dort fanden. … … Da trat jemand an die Türe … Antonius stand auf und erblickte ein Wesen, das zwar bis zu den Schenkeln wie ein Mensch aussah, das aber Beine und Füße hatte wie ein Esel. Antonius bekreuzigte sich nur und sprach: “Ich bin ein Knecht Christi. Wenn du gegen mich gesandt wurdest, siehe, hier bin ich.” Aber das Tier mit seinen Dämonen entfloh so schnell, dass es infolge seiner Eile zu Fall kam und verendete. Der Tod des Tieres aber bedeutete den Sturz der Dämonen; denn alles Mögliche hatten sie versucht, ihn aus der Wüste zu vertreiben, doch sie hatten es nicht vermocht. … Als er einmal … essen wollte und aufstand, um zu beten, da fühlte er sich im Geiste entrückt; und – wie seltsam – er stand da und sah sich außer sich selbst, wie wenn er von einigen Wesen in die Luft entführt werde; dann erblickte er einige widerwärtige und schreckliche Gestalten im Luftraum, die ihn hindern wollten, hindurchzugehen. Seine Führer widerstanden, jene aber verlangten Rechenschaft, ob er ihnen nicht untertänig sei. Wie sie nun eine Prüfung von seiner

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Geburt an anstellen wollten, da verhinderten dies die, welche den Antonius geleiteten, indem sie zu jenen sagten: “Die Schuld von seiner Geburt her hat der Herr ausgelöscht; von der Zeit an aber, wo er Mönch geworden ist und sich Gott versprochen hat, soll es euch erlaubt sein, Rechenschaft zu nehmen.” Da erhoben jene die Anklage, konnten aber den Beweis nicht führen, und so erhielt er freie und ungehinderte Bahn. … und er war wieder ganz Antonius … er erstaunte, als er sah, gegen wie viele Feinde wir kämpfen müssen und mit wie vielen Mühen man die Luft durchwandern muss. … … rief ihn jemand von oben an und sagte: “Antonius, stehe auf, gehe hinaus und sieh!” Er … sah eine große Gestalt, missgeformt und furchtbar, die dastand und bis zu den Wolken reichte; auch sah er Wesen, welche aufwärts stiegen, wie wenn sie Flügel hätten. Und der Riese streckte die Arme aus; die einen hielt er ab, die anderen aber flogen darüber und wurden dann, nachdem sie durchgekommen waren, sicher empor getragen. Über solche nun knirschte der Riese mit den Zähnen, über die aber, welche herunterfielen, freute er sich. Und sogleich richtete sich an Antonius eine Stimme: “Verstehe, was du siehst!” … er begriff, dass dies der Hinübergang der Seelen sei und der dastehende Riese der Feind, der auf die Gläubigen voll Neid ist; und wie er die, welche ihm verfallen sind, ergreift und hindert hindurch zu kommen, während er die, welche ihm nicht gefolgt haben, nicht fassen kann, da sie über ihn weggehen. Auswirkungen und Abbildungen Obwohl das Leben des Heiligen Antonius großen Einfluss auf die Kleriker ausübte, die, wie Athanasius dokumentierte, seinem Beispiel folgten, wurde er erst im Spätmittelalter ein populärer Heiliger. Émile Mâle berichtet, dass der Dauphin Jocelin von Konstantin VIII. eine Reliquie des Heiligen Antonius erhielt, die 1050 zur Kirche St. Antonius in Venedig gebracht wurde. Im Jahr 1095 wurde dort ein Mann von der brandigen Wundrose geheilt, die damals noch “heiliges Feuer”, danach aber “Antonius-Feuer” genannt wurde. Dieser Mann gründete den Antonius-Orden, dessen Mitglieder sich der Behandlung von Hautkrankheiten widmeten. Zahllose Pilger, die Beistand gegen die Pest suchten, kamen zu der Kirche. Antonius Heilkraft betraf schließlich nicht nur die Wundrose, sondern alle ansteckenden Krankheiten und durch das starke Wachstum seines Ordens dehnte sich auch dessen Tätigkeit über ganz Europa aus.3 Die Völlerei und Sinnlichkeit, die Antonius überwinden konnte, wurden von dem Schwein zu seinen Füßen symbolisiert. Im Volksglauben entwickelte sich bald die Ansicht, dieses Tier sei Antonius gewidmet und stehe unter seinem Schutz. Aus diesem Grund durften die Ordensbrüder Schweine halten, die auch auf Kosten der Öffentlichkeit gefüttert wurden und ungehindert in den Straßen laufen durften. Auf diese Weise entstand der Ausdruck “fett wie ein Antonius-Schwein”.4 Manchmal wurde Antonius mit einem Schädel und einem Kruzifix in der Nähe abgebildet, gemeinhin Symbole der Buße. Er hielt eine Schriftrolle mit griechischem Text, dem zufolge er alle Listen Satans kannte und die Macht besaß, sie zu besiegen. Manchmal trug er ein Buch wie all die Kirchenväter, die Schriften hinterlassen hatten. Zuweilen wurde Antonius als Analphabet bezeichnet, aber gleichzeitig wurden ihm sieben noch vorhandene Bücher zugeschrieben. Die künstlerischen Wiedergaben seines Lebens legten ein Schwergewicht auf die Versuchungen, die zunächst jedoch nicht sonderlich ausgearbeitet wurden. Sexuelle Versuchungen und die Marterungen wurden in jeweils eigenen Szenen dargestellt. Das ChartresFenster zeigt in einer Szene lediglich eine Frau hinter dem Heiligen, der am Kamin sitzt und sie über seine Schulter anblickt. In einer anderen Szene steht er zwei Dämonen gegenüber. Diese beiden Episoden wurden später weiter ausgearbeitet. In einer Abbildung der körperlichen Marterungen des Heiligen in einem französischen Stundenbuch von etwa 1380 (Nationalbibliothek, Paris) wird Antonius (wie in der Athanasius-Version) von in der Natur tatsächlich vorkommenden Tieren angegriffen: Hund, Löwe, Eber, Wolf und Schlange.

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64. Mitteltafel des Heuwagens, Museo Nacional del Prado, Madrid

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Hieronymus Bosch arbeitete das Thema ohne Zweifel weiter aus als je ein Künstler vor ihm. Seine Gemälde verweisen auf viele unterschiedliche Versuchungen an einem einzigen Schauplatz, der von zoomorphen und anthropomorphen Kreaturen wimmelt. Auch alle späteren Versionen verblassen im Vergleich mit dem heute in Lissabon befindlichen Altarbild, Boschs umfassendster Bearbeitung des Themas. Der Prinz der Dunkelheit Da der Antonius-Stoff eine Darstellung der dämonischen Kräfte Satans erforderte, wenden wir uns kurz der mittelalterlichen Auffassung des Reichs Satans als der Verkörperung des Bösen zu. Der genaue Charakter des Bösen war zur Zufriedenheit der spätmittelalterlichen Kirche definiert worden. Ihre Theologen hatten in dieser Hinsicht das jüdische Erbe modifiziert, das wiederum vom persischen Konzept vom Gleichgewicht zwischen Gut und Böse seinen Ausgang genommen hatte. Die jüdische Lehre sah allerdings kein Gleichgewicht. Vielmehr beschränkte sie die Macht des Bösen, das in der Person Satans verkörpert wurde, einer Kreatur, die schließlich die überlegene Macht Gottes anerkennen musste. Die Weltgerichtsszene schmückte sehr häufig die Portale und zeigte Dämonen in ihrer abscheulichsten Form. In jener über dem Portal der Kathedrale Saint Lazare in Autun (11. Jahrhundert) sind die Dämonen, die sich mühen, die Waage zu ihren Gunsten ausschlagen zu lassen oder die verdammten Seelen direkt in das Maul des Drachen zu befördern, mit ihren bogenförmigen Körpern und ihren Grimassen außerordentlich hässlich. Derartige Szenen fanden sich in der ganzen Christenheit in den Kirchen, variiert je nach der Einbildungskraft der Künstler. Dem Betrachter wurde das erschreckende Bewusstsein vermittelt, eines Tages in dieser Weise bestraft zu werden. Sie hatten keinen Grund, die Existenz eines mächtigen Prinzen der Dunkelheit zu bezweifeln. Die Kirche erklärte diesen Glauben sogar zu einem Bestandteil ihrer Lehren und den Zweifel daran zur Ketzerei. Bosch erbte all diese Darstellungen des Dämonismus, indem er in einer Kathedralenstadt und in dem Jahrhundert lebte, in dem sich erstmals Drucke verbreiteten. Um besser zu verstehen, was Bosch über den Teufel glaubte, können wir Luther heranziehen, da beide Zeitgenossen waren und in Mitteleuropa lebten. Luthers Schriften sind voller Worte wie “Teufel, Teufel” und trotziger Äußerungen gegen seine Feinde, wobei er Herzog, Kaiser, Priester, Bischof, Kardinal, Papst oder Teufel gleichsetzt. Luther glaubte, dass das Papsttum eines der wichtigsten Instrumente des Teufels in der Menschheit sei. Luther teilte den Glauben seiner Zeit an die Allgegenwart des Teufels, den man für den großen Feind der Menschheit hielt und der durch eine Vielzahl an Dämonen das Böse fördern wolle. Es handelte sich für den damaligen Menschen bei Dämonen um reale Kreaturen, die dunkle, sumpfige Wälder bevölkerten und Reisende angriffen oder in Sturmwolken lebten und mit diesen die Atmosphäre und die Erde durch Stürme und Fluten vergifteten. Sie waren verantwortlich für Traurigkeit, Melancholie und Geisteskrankheit. Ihre offensichtlicheren Waffen bildeten Hunger, Krankheit, Pest und Tod. Sie benötigten menschliche Hilfe, wirkten also durch ketzerische Aktivitäten jedweder Art. Man konnte das Stigma, ein Helfer des Bösen zu sein, natürlich bequem seinen Feinden anheften, wer auch immer sie sein mochten. Für den rechtgläubigen Katholiken war Luther ein herausragender Förderer des Teufels. Luther und der Katholizismus stimmten jedoch darin überein, dass die Hexerei das mächtigste menschliche Instrument des Teufels auf Erden sei.

65. Mitteltafel des Heuwagens, Detail, Museo Nacional del Prado, Madrid

Die Gemeinschaft der Hexen Der Hexenglaube erreichte in Europa zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Die Ideen von einer Gemeinschaft der Hexen und ihren detaillierten Praktiken entwickelten sich allerdings erst ab dem 14. Jahrhundert. Aber schon Thomas von Aquin legte

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die Grundlagen für den Hexenglauben. In seinem Bemühen, die Machenschaften der Dämonen auf der Erde zu beschreiben, suchte er Bibelpassagen über den Teufel heraus und interpretierte sie mit Hilfe bestimmter Auffassungen von der Magie. Diese existierten im Abendland schon seit der Zeit des Hellenismus und fanden durch die Kreuzzüge und die Rezeption arabischen Wissens erneut Eingang nach Europa. Aus der Bibel bezog Aquin die Idee, dass es sich bei Dämonen um durch ihre Sünde von Gott abgefallene Engel handele. Er sah in Genesis 6, 1-4, Belege für sexuelle Beziehungen zwischen Dämonen und Menschen. Dort heißt es: “… als die Gottessöhne mit den Töchtern der Menschen verkehrten und diese ihnen gebaren; das sind die starken Männer der Urzeit, Leute mit Namen.” Diese “Gottessöhne” interpretierte er als die gefallenen Engel, und die Dämonen und Teufel zugeschriebenen wollüstigen Handlungen waren zu einem großen Teil auf diese Passage zurückzuführen. Die Fähigkeit der Dämonen, durch die Luft zu fliegen, ist ebenfalls biblischen Ursprungs. Sie geht auf die Geschichte zurück, dass Christus von Satan auf den Gipfel des Tempels getragen wurde. Wenn der Teufel diese Kraft einem Wesen übertragen konnte, konnte er das auch mit anderen tun. Diese Ideen über satanische Praktiken wurden nach Aquins Tod im Bewusstsein der Öffentlichkeit weiter ausgearbeitet. Dabei wurden sie mehr und mehr Menschen zugeschrieben, die einen Pakt mit dem Satan geschlossen haben sollten. Bis zur Zeit des energischen Papstes Innozenz VIII. waren Hexerei und Zauberei als die praktischen Äußerungen der Ketzerei gebrandmarkt worden. Die Inquisition wurde eingeführt, um sie von der Erde zu verbannen. So begannen die Zeit der größten Hexenhysterie und die Schrecken der Hexenverfolgung des 15. und 16. Jahrhunderts.

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66. Das Triptychon Die Eremiten: der Heilige Hieronymus, der Heilige Antonius, der Heilige Gilles,

Palazzo Ducale, Venedig

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67. Triptychon Die Prüfungen Hiobs, Tafeln: der Heilige Antonius und der Heilige Hieronymus,

Groenige Museum, Brügge

Der heutige Mensch steht in Gefahr, die Hexerei zu leichtfertig als ein Aberglauben abzutun, der viele unschuldige Menschen das Leben gekostet hat. Die psychologischen Auswirkungen der Angst vor Hexen als einer realen Gefahr auf das öffentliche Bewusstsein sind jedoch unkalkulierbar. Die moderne Hexenforschung ist deshalb differenzierter. Aus den Verhandlungsakten geht hervor, dass die Praktiken von einem Angeklagten nach dem anderen praktisch wortwörtlich gestanden wurden. Ferner belegen bestimmte unbestreitbare Fakten in den Akten, dass die Anschuldigungen einen wahren Kern bargen. Wenn es gelingen könnte, Tatsachen und Hirngespinste säuberlich zu trennen, könnte ein mögliches Ergebnis darin bestehen, dass Hexen, wie damals fest geglaubt wurde, zu einer riesigen revolutionären Organisation gehörten, die sich gegen die Zivilisation verschworen hatte. Was auch immer die Wahrheit über Hexen sein mag, hier geht es um den Glauben des 15. Jahrhunderts an die Hexerei als eines wichtigen Instruments des Teufels und vor allem darum, wie Bosch über diese Dinge dachte. Im Jahr 1484, als Bosch wahrscheinlich schon als Maler etabliert war, veröffentlichte Papst Innozenz VIII. seine berühmte Bulle, die der europäischen Jurisprudenz für drei Jahrhunderte die beschwerliche Aufgabe auferlegte, die Gemeinschaft der Hexen zu bekämpfen. Das Malleus Malef icarum – besser bekannt als Der Hexenhammer –, das auf Geheiß des Papstes verfasst wurde und die päpstliche Bulle als Einleitung enthielt, ist eine Zusammenfassung alles vorhandenen Wissens über die Hexerei. Es ist in drei Teile eingeteilt. Dieses 1486 veröffentlichte Buch erlangte große Berühmtheit. Zwischen 1487 und 1520 wurden 14 und zwischen 1574 und 1669 weitere 16 Ausgaben publiziert. Es heißt, das Buch habe auf dem Tisch jedes Richters in Europa gelegen. Es wurde von Protestanten und Katholiken

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68. Hubert und Jan van Eyck, Triptychon Das Lamm Gottes, 1427-1432, Öl auf Holz, 375 x 320 cm, Kathedrale Sankt Bavon, Gent 69. Rogier van der Weyden, Das Jüngste Gericht,

Öl auf Holz, übertragen auf Leinwand, Hôtel-Dieu Museum, Beaune

gleichermaßen eingesetzt und ist eine ausgezeichnete Beschreibung des Vorgehens der Gerichte im Mittelalter, da hier mit großer Klarheit über Verhandlungen berichtet wird. Es handelt sich insofern um eine der wichtigsten historischen Quellen. Da das Malleus Malef icarum nur 14 Jahre bevor Bosch nach allgemeiner Auffassung mit der Arbeit am Antonius-Triptychon begann, erschienen ist, kann es gut sein, dass er seinen Inhalt kannte. Zusammenfassend lassen sich die Struktur und die Aktivitäten der Gemeinschaft der Hexen folgendermaßen beschreiben: Hexen waren der weibliche Bestandteil der umfassenderen Kategorie der Zauberer. Gemäß der gewundenen Logik des Mittelalters glaubte man, dass Zauberer und Hexen die Priester und Priesterinnen wie auch die geringeren Diener des Teufels seien. Die Bibel zeigt den Teufel als einen gefallenen Engel, aber die Tatsache, dass er im Buch Job auf gleicher Ebene mit Gott spricht und sogar mit Gott wettet, impliziert, dass er Gott ebenbürtig war. In einem solchen Fall musste der Teufel eine der Kirche ebenfalls ebenbürtige irdische Organisation kontrollieren. Ihre Struktur musste in etwa der der Kirche entsprechen. Da der Klerus den Frauen jedoch weitgehend verschlossen war, empfing sie der Teufel sicherlich in seiner Gemeinde. Gemäß dieser Überlegung war man der Meinung, dass Frauen dort weitaus stärker als Männer vertreten waren Man glaubte, es gäbe viele unterschiedliche Zauberer mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Die mächtigsten waren jene, die Satan unmittelbar als Priester und Priesterinnen dienten. Sie führten die Zeremonien des Teufels aus, deren größte der Sabbat war. Alle Zauberer aus einer bestimmten Region nahmen an diesem Ritus unter persönlicher Leitung des Teufels teil. Man ging davon aus, dass alle Zauberer vom Teufel mit der Kraft ausgestattet worden seien, über diejenigen, denen sie schaden wollten, einen Fluch auszusprechen. Es gab aber auch Zauberer mit weniger starken Kräften. Sie nahmen nicht am Sabbat teil. Zu diesen gehörten die Wanderer, heute Zigeuner (bzw. Sinti und Roma) genannt, die durch Kartenoder Handlesen die Zukunft voraussagen konnten. Auch in ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit von der Kirche und Aristoteles abweichende Gelehrte galten als Zauberer und jedem, der in einem Labor experimentierte, unterstellte man böse Absichten. In Ermangelung einer besseren Erklärung sagte man, dieser Mensch habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der ihm im Austausch gegen seine Seele die Macht über die Materie gegeben habe. Monarchen wie Heinrich III. und seine Mutter Katharina von Medici wurden aufgrund ihres vermeintlich übernatürlichen Wissens ebenfalls den Zauberern zugerechnet. Selbst solchen Mönchen wie Roger Bacon und Albertus Magnus oder den Päpsten Leo dem Großen, Honorius und Silvester II. wurden satanische Kräfte unterstellt. Salomon galt als der größte Zauberer der Antike. Er sollte der Urheber des Schwarzen Buchs5 sein und seine Kräfte waren derart, dass er bei manchen Orientalen noch heute der am meisten verehrte König der Welt ist. Der Sabbat wurde an vielen Orten abgehalten. Der berühmteste Ort war ein alter heidnischer Altar auf dem Brocken in einer wilden Region des Harzes. Karten dieser Gegend wiesen sogar auf ihren Besen über dieser Region schwebende Hexen auf. Die Sabbatzeremonie nahm unterschiedliche Formen an. Der “Teufelsdienst” war angeblich eine Umkehrung der Messe. Satan präsidierte an einem Altar mit einem auf dem Kopf stehenden Kruzifix. Er machte mit seinem linken Huf das Kreuzzeichen, las Obszönitäten aus dem Schwarzen Buch vor und versprinkelte “unheiliges Wasser” (wie z.B. Urin) in Richtung der dem Altar ihren Rücken zukehrenden “Gemeinde”. Eine (schwarz angemalte) Steckrübe nahm den Platz der Hostie ein. Nach dieser Parodie eines Gottesdienstes begann das Gelage. Die Verpflegung bei diesem Fest wurde unterschiedlich beschrieben, als leckeres Essen und köstliche Weine, aber auch, von Pierre de L’Ancre in Tableau de l’Inconstance Des Mauvais Anges et Demons (1610) als.

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“Aas und das Fleisch der Gehängten, die Herzen ungetaufter Kinder und weitere, den Sitten und Gebräuchen christlicher Menschen fremde unreine Tiere, das ganze geschmacklos und ungesalzen” (übersetzt nach de Givry). L’Ancre fuhr fort: “Nachdem die Bäuche gefüllt sind, beginnt der Tanz; denn nachdem sie Fleisch, das entweder flüchtig und illusorisch oder hassens- und verabscheuenswürdig ist, verzehrt haben, führt jeder Dämon die Hexe, die neben ihm gesessen hat, unter den verdammten Baum und dort, einer mit dem Gesicht zur Mitte des Tanzes und der andere mit dem Gesicht nach außen, tanzen sie in der Runde und stampfen und tollen sie mit den unzüchtigsten und obszönsten Bewegungen, die ihnen möglich sind, herum” (übersetzt nach de Givry). Einige vollführten akrobatische Kunststücke und demonstrierten Muskelkräfte, über die sie in einem normalen Zustand nicht verfügten. Da man den Zweck des Sabbattreffens in der Erzeugung der für die Heimsuchung christlicher Menschen notwendigen Energie sah, glaubte man, dass die Zauberer ständig zwischen dem Sabbat und ihren schändlichen Aufträgen hinund hereilten. Sie kamen zurück, um sich mit dem gefährlichen Giftgebräu auszurüsten, das beständig von Hexen aus Kröten und Schlangen in einem kochenden Kessel hergestellt wurde. Geisterbeschwörung Die oben beschriebenen Zauberer stellten sich in den Dienst Satans. Die zweite Gruppe, die der Geisterbeschwörer, verfügte über ebenbürtige, wenn nicht sogar überlegene Kräfte, da sie selbst Dämonen Befehle erteilen konnten. Auch diese Zauberer nahmen am Sabbat teil, wo sie servile Höflinge des Teufel-Königs waren. Sie hatten aber die Macht, ihre eigenen Versammlungen von Dämonen, denen sie strikten Gehorsam auferlegten, abzuhalten. Manchmal trafen sich mehrere Geisterbeschwörer, um gemeinsam Dämonen heraufzubeschwören. Wenn sie es vorzogen, allein zu arbeiten, hatten sie einen oder zwei Assistenten. Der Versammlungsort war ein einsamer, von normalen Menschen aufgrund ihrer abergläubischen Angst gemiedener Ort. Am besten waren Ruinen (einer Burg, einer Festung oder eines Klosters), die geheimnisvoll von Dornenzweigen und Ranken eingehüllt wurden. Nach ihrer Ankunft kleideten sich die Geisterbeschwörer in weiße Gewänder mit über bis zum Boden reichende priesterliche schwarze Roben, das ganze wurde mit einem geweihten Gürtel um die Hüfte festgebunden. Ihre Schuhe waren mit dem von Kreuzen umringten Wort “Tetragrammaton” beschriftet, sie trugen spitze hohe Hüte aus schwarzer Seide und hielten in der einen Hand eine in Hebräisch geschriebene Bibel. Einer hielt eine Laterne, ein anderer ein gezogenes Schwert und ein dritter ein Schwarzes Buch. Nach diesen Vorbereitungen beschwor der obere Geisterbeschwörer die Dämonen herauf, indem er die schreckliche Exorzismuszeremonie aus dem Schwarzen Buch aufsagte. Die Atmosphäre wurde sofort durch Blitze, Beben und Grollen gestört, die als Begleitung zu dem schmerzvollen Prozess der Sichtbarwerdung der Dämonen zu ohrenbetäubenden Schreien anschwollen. Die Dämonen erschienen zuerst als knurrender Mob wilder Tiere, die brüllten und Feuer gegen die Zauberer im Ring spuckten. Dort, in der durch die geschriebenen Namen Gottes geschaffenen heiligen Zone, verwandelten sich die Tiere in gehorsame menschliche Gestalten und waren bereit, den Anweisungen ihres Herrn zu folgen. Dieser sollte jedoch niemals seine Wachsamkeit ablegen und sich von ihrem freundlichen Verhalten verführen lassen, sich aus dem magischen Bereich hinaus zu ihnen zu begeben. Sie waren stets bestrebt, den Spieß umzudrehen

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70. Hubert und Jan Van Eyck, Triptychon Das Lamm Gottes, 1427-1432, Öl auf Holz, 375 x 320 cm, geschlossen, Kathedrale Sankt Bavon, Gent

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und ihn sich entweder zu unterwerfen oder ihn zu vernichten. Nachdem die Geister die Wünsche des Herrn erfüllt hatten, musste er die größte Sorgfalt darauf verwenden, sie fortzuschicken und geduldig in dem geschützten Bereich warten, bis sie nicht mehr zu sehen und ihre Schreie nicht mehr zu hören waren.

71. Triptychon Die Prüfungen Hiobs, geschlossen, Groenige Museum, Brügge

Tarock Es gibt weitere Aspekte der Zauberei, die Bosch inspiriert zu haben scheinen. Die mit den Tarockkarten verbundenen Symbole ähneln beispielsweise vielen in Boschs Lissabonner Triptychon. Tarock war ein von den zu den Zauberern gerechneten Kartenlegern eingesetztes Kartenspiel. Es handelte sich nicht um ein Spiel im engeren Sinne, sondern vielmehr um eine systematische Sicht auf das Universum, mit dessen Hilfe der Mensch Omen und seinen Platz im großen Plan der Dinge verstehen konnte. Der okkulten Tradition zufolge wurde es im 13. Jahrhundert in Fes (Marokko), der Stadt, die nach Alexandrias Zerstörung das geistige Zentrum des Nahen Ostens wurde, erfunden. Die dort zusammen kommenden Philosophen aus vielen Teilen der Erde sahen sich in ihren gelehrten Diskussionen durch Verständigungsprobleme behindert. Also nahmen sie die hebräische Kabbala – eine mittelalterliche jüdische Geheimlehre – als ein Skelett für eine Sprache, die Ideen mittels Bildern anstelle von Worten transportierte. Die Kabbala hatte sich aus ähnlichen Systemen aus Indien, China und Tibet entwickelt und kam deshalb einem universal verständlichen Idiom nahe. Es weist große Ähnlichkeiten mit der Alchemie auf, einer anderen “universellen Sprache”, deren Symbole von Bosch ebenfalls eingesetzt wurden. Tarock übersetzt die kabbalistische Weisheit in Bilder, die weitere Assoziationen und damit sogar noch verwobenere Konnotationen ermöglichen. Tarock ist angeblich in Wirklichkeit ein in Kartenform präsentiertes Buch der Weisheit, wobei jede Karte eine Seite des “Buches” darstellt. Von seinen 78 “Seiten” sind 56 so genannte kleine Trümpfe, die wiederum in vier von Emblemen symbolisierte Farben unterteilt sind: Stäbe, Pokale, Schwerter und Münzen. Der Stab (ab dem 18. Jahrhundert Kreuz) korrespondierte mit der archetypischen Welt der Kabbala und dem Feuer. Der Pokal (Herz) repräsentierte die kreative Welt und ihr Element Wasser, das Schwert (Pik) die prägende Welt und Luft und die Münze (Karo) schließlich die materielle Welt der Erde. Diese Objekte sind scheinbar auch die Embleme der vier elementaren Berufsgruppen der mittelalterlichen Gesellschaft. Der Stab steht für den Bauern, der Pokal für den Klerus, das Schwert für den Soldaten und die Münze für den Kaufmann. Weitere Aspekte des mittelalterlichen Lebens sind in den vier Hofkarten jeder Farbe verkörpert: Es handelt sich um den König (auch als Geist zu verstehen), die Königin (Seele), den Reiter (Ich) und den Buben (Körper). Sie werden von zehn Karten vom Ass bis zur Zehn gefolgt. Die Nummern haben selbstverständlich symbolische Bedeutungen, die mit jenen der Kabbala korrespondieren. Der wichtigste Teil des Tarockblatts sind die verbleibenden 22 Karten, die “hohe Trümpfe” genannt werden. Jede dieser Karten besitzt einen auf einem Buchstaben des hebräischen Alphabets (in dem wiederum jeder Buchstabe einen mit einem hebräischen Substantiv korrespondierenden Namen besaß) beruhenden Namen. Wenn diese in ihrer Reihenfolge aufgesagt oder illustriert werden, ruft jedes Substantiv ein Bild hervor, mit dem der Geist eines jeden Menschen unabhängig von Sprache oder Herkunft elementare Assoziationen herstellen kann. Ebenso folgen die Karten der “hohen Arkane” oder “hohen Trümpfe” einer von der Tradition vorgegebenen unabänderlichen Reihenfolge. Kartenleger versuchten, die Zukunft mit Hilfe dieser Karten, zuweilen des “Großes Blatt” genannten gesamten Spiels, vorherzusagen. Es ist nachvollziehbar, dass diese Karten in einer beliebigen Reihenfolge mittels der Kombination von Zahlen, der Embleme der kleinen Trümpfe sowie der Bilder der hohen Trümpfe (mit all ihren Bedeutungen) unendlich komplexe Interpretationen ermöglichten. Tarock wohnten also geradezu kosmologische Qualitäten inne.

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72. Hans Memling, Das Jüngste Gericht, ca. 1466-1471, Öl auf Holz, 120-160 cm, Museum Naradove, Danzig

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Alchemie Das letzte große von Bosch eingesetzte symbolische System scheint mit der Kabbala und Tarock hinsichtlich seiner ehrgeizigen universellen Zielsetzung nahe verwandt zu sein. Es ist schon erwähnt worden, dass der Alchemist, ein Mensch, der mit Stoffen in einer Weise umging, die der Normalmensch nicht verstand, als ein Zauberer angesehen wurde. Tatsächlich bewegten sich die Alchemisten in diesem Embryonenstadium der modernen Wissenschaft, in dem Fakten und Phantasie noch kaum voneinander geschieden werden konnten, eher im Reich der Magie als dem der Vernunft. Man nahm an, dass die Alchemie ihren Ursprung in Ägypten, dem Lande Hams, genannt Khem, hatte. Der Name fand als Al Khem Eingang in arabische Schriften, woraus schließlich seine heutige Form entstand. Lateinische Übersetzungen arabischer Schriften aus dem 12. Jahrhundert brachten die entsprechenden Kenntnisse nach Europa. Und Drucke dieser alten Übersetzungen aus dem 15. Jahrhundert führten gemeinsam mit zeitgenössischen Schriften über das Thema zu dem in Boschs Zeit so ausgeprägten Interesse. Auf der Basis eines dem des Aristoteles ähnlichen Postulats glaubten die Alchemisten, dass sich die Materie aus vier fundamentalen und paarweise geordneten Eigenschaften zusammensetzte: heiß und feucht und die Gegenteile kalt und trocken. Die Eigenschaften korrespondierten mit den damals geläufigen vier Grundelementen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Man glaubte, dass diese in unterschiedlichen Mengen in allen Dingen und Lebewesen vorhanden seien. Eine Folgerung bestand darin, dass es zu Veränderungen führen musste, wenn man diese Elemente zusammenfügte. Wenn Feuer auf Wasser traf, resultierte z.B. heißer feuchter Dampf, der noch die Eigenschaften der Elemente aufwies, aus denen er hervorgegangen war. Da die offensichtliche Methode der Erprobung endloser Kombinationen aus der unendlichen Menge von Substanzen außerhalb des Möglichen lag, kam der Gedanke eines universellen Mittels auf. Dieser war wiederum ein Ausfluss der Überzeugung, dass es eine ursprüngliche Materie gegeben haben musste, aus der alle Substanzen entstanden waren und zu der sie alle wieder reduziert werden konnten. Daher würde ein diese ursprüngliche Materie enthaltendes Mittel die Substanzen wieder in ihre Grundelemente auflösen, so dass die exakte Zusammensetzung aller Substanzen ersichtlich würde und man jede Substanz herstellen könnte. Das Ziel der Suche des Alchemisten bestand deshalb darin, dieses universelle Mittel zu finden, den lapis philosophorum oder “Stein der Weisen”.6 Der allgemeinen Überzeugung zufolge suchte der Alchemist nach einem Weg, einfache Metalle in Gold zu verwandeln. Dies war das natürliche Ziel der Gierigen. Tatsächlich spielten sich die Bemühungen der meisten Alchemisten jedoch auf einer höheren Ebene ab und zielten darauf, verdorbene Materie zu erneuern. Der “Stein” als perfekte Materie würde eine Medizin für den Menschen sein und Krankheit und Alter besiegen. Mit dem Stein würde man das Geheimnis des Lebens, der Gesundheit und des Glücks in Händen halten. Ein Großteil der “Sprache” der Alchemisten galt dem Vorgehen bei ihren Experimenten. Bis zum Mittelalter hatte die Lehre von den Vier Elementen die praktische Form, dass alle auf Schwefel und Quecksilber (in einer ganz bestimmten Bedeutung; siehe weiter unten) zurückgehen, angenommen. Auf der Basis der Beobachtung, dass Substanzen entweder trocken (und brennbar) oder flüssig waren, nahm man an, dass das wichtigste Element der ersten Gruppe das Feuer und das wichtigste der zweiten das Wasser war. Der Name Schwefel bezeichnete dabei die Substanzen auf trockener Basis, da diese in gewisser Hinsicht an die als Schwefel bekannte Substanz erinnerten. In ähnlicher Weise stand Quecksilber für alle flüssigen Substanzen. Wenn nun Quecksilber- und Schwefel-Substanzen in den richtigen Quantitäten und Qualitäten eine Verbindung eingingen, ergaben sich Metalle. Also entstanden niedrige Metalle wie Blei, Zinn und Quecksilber, wenn unreiner Schwefel und unreines Quecksilber verschmolzen wurden. Wenn sich beide Substanzen in normaler Reinheit verbanden, entstand Gold. Wenn Schwefel und Quecksilber in ihrer fundamentalen

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73. Hans Memling, Das Jüngste Gericht, Mitteltafel

74. Pieter Bruegel der Ältere (1528-1269), Der Triumph des Todes, Öl auf Holz, Museo Nacional del Prado, Madrid

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75. Ansicht des geschlossenen Triptychons Der Heuwagen, Öl auf Holz, 140 x 200 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Form eingesetzt wurden, erhielt man das extrem feine Gold, das als “Stein der Weisen” bekannt war. Man nahm von diesem an, dass es normalem Gold so überlegen war, dass es einfache Metalle in Gold verwandelte. Schwefel und Quecksilber wurden auf unterschiedliche Arten symbolisiert, primär aber als männliche und weibliche Wesen. Solidität und Brennbarkeit des Schwefels galten als männliche Eigenschaften, weshalb er oft in der Gestalt eines Mannes dargestellt wurde. Die Flüssigkeit und Flüchtigkeit des Quecksilbers wurden mit dem Weiblichen in Verbindung gebracht, deshalb nahm es die Gestalt einer Frau an. Da diese Prinzipien menschliche Charakteristiken angenommen hatten, ging man davon aus, dass auch eine Anziehungskraft, die zur “Heirat” führte, zwischen ihnen bestehe. Das Ergebnis der Heirat war der Stein der Weisen, der oft als Kind oder Ei abgebildet wurde. Zuweilen wurden die männliche Natur des Schwefels und die weibliche Natur des Quecksilbers auch in ihrer Verbindung als ein androgynes Wesen dargestellt. Schwefel und Quecksilber wurden in einer komplizierten Abfolge von Schritten, deren genaue Zahl nicht klar ist, miteinander verbunden. Das “Große Werk”, wie dieses System aus Prozessen im Rahmen der Suche des Alchemisten genannt wurde, beinhaltete den Gebrauch bestimmter Behältnisse und Instrumente. Die wichtigsten waren der Schmelzofen (oder Athanor), der manchmal als Turm abgebildet wurde und das hermetisch abgeschlossene Behältnis in Eiform, das eben durch das Ei dargestellt wurde. In diesem Behältnis fand die eigentliche Fusion von Schwefel und Quecksilber statt. Sie wurden mit einem Salz enthaltenden Mittel vermischt, im Schmelztiegel eingeschlossen und in den Ofen gesetzt. Dieser war so konstruiert, dass er unterschiedliche Hitzegrade erzeugen konnte,7 von denen jeder für ein bestimmtes Stadium im Fusionsprozess innerhalb des Behältnisses verantwortlich war. Diese Hitzegrade trugen unterschiedliche Namen und wurden auf unterschiedliche Weisen symbolisiert. Die Himmelskörper hatten mythologische Namen erhalten, weil man sie für die Götter des Himmels hielt.8 Die Namen waren von Beziehungen zu bestimmten Attributen der Namen gebenden Götter abgeleitet. Die Venus z.B. galt als ein warmer freundlicher Stern und wurde demzufolge nach der Göttin der Liebe benannt. Der rote (feurige) Mars erhielt den Namen des Kriegsgottes. Saturn, der höchste der Sterne, wurde auf den Namen des ältesten der Olympier, des Vaters Jupiters, getauft. Der von seinem Sohn entthronte und in den Tiefen der Erde eingekerkerte Saturn repräsentierte dabei Machtlosigkeit, Elend und Tod. Die Namen der Himmelskörper deuteten auf die mythologische Bedeutung der Alchemie hin. Nicolas Flamel, der berühmte Alchemist des 14. Jahrhunderts, behauptete sogar, dass die gesamte Mythologie nur dazu diene, alchemistische Lehrsätze zu maskieren. Die Geschichte Saturns hatte für die Alchemistenmeister eine besondere Bedeutung, da der Stein, den Saturn von seiner Gattin erhielt, um ihn anstatt seines Sohnes Jupiter zu verschlingen, als der Stein der Weisen interpretiert werden konnte. Man glaubte deshalb, dass die Alchemisten unter der Ägide Saturns wirkten, weshalb man sie auch “Kinder des Saturn” nannte. Dieser Planet, der sich angeblich langsam bewegte (daher auch die Verbindung mit dem schweren Metall Blei), wurde oft als alter, verkrüppelter Mann abgebildet (zuweilen mit einem Holzbein). Oft repräsentierte dieses Symbol auch die Alchemie überhaupt. In diesem Fall konnte der Mann mit einer Gießkanne dabei gezeigt werden, wie er einen Sonnenbaum und einen Mondbaum goss, um das Wachstum der “Früchte” dieser Planeten, Schwefel und Quecksilber, zu befördern. Der “alte Mann” trug oft eine Sichel (ein Schneideinstrument, das als Feuer interpretiert werden konnte) und manchmal wurde er dabei gezeigt, wie er die Füße eines einen Caduceus (Hermes’ geflügelter Stab) haltenden Mannes (für Hermes bzw. Quecksilber) abschnitt.9 Saturn wurde zuweilen auch mit Messinstrumenten wie Stundenglas, Waage oder Kompass abgebildet, vielleicht ein Verweis auf die den Weisheiten des Salomon entnommene

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alchemistische Doktrin, dass allen Dingen “Maß, Zahl und Gewicht” eigen sind. Da der mythologische Saturn seine eigenen Kinder verschlungen hatte, sah man häufig spielende Kinder in der Nähe des alten Mannes. Sie waren auch ein Verweis auf ein Diktum der Alchemisten, die glaubten, dass “… sobald die primitiven Materialien für den Stein gefunden worden sind, der Rest des “Großen Werks” nur eine Arbeit für Frauen oder ein ‚Kinderspiel’ ist” (J. Read). Um dies zu demonstrieren, wurden oft Kleidung in einem Fluss waschende Frauen gezeigt. Sogar die Wasserumgebung war von Bedeutung, da man annahm, dass Wasser erforderlich war, um den mit dem saturnischen Mystizismus assoziierten Aspekt der melancholischen Trockenheit auszugleichen. Um diesen der Alchemie zugeschriebenen Mystizismus zu verstehen, bedarf es einer Erläuterung der ebenfalls in enger Verbindung mit der Alchemie stehenden Theorie der Vier Körpersäfte oder Temperamente. Erwin Panofsky zufolge “… basierte diese bis zum Ende des klassischen Altertums voll entwickelte Theorie auf der Annahme, dass sowohl der Körper als auch der Geist des Menschen von den vier elementaren Körpersäften konditioniert wurden, die ihrerseits den vier Elementen, den vier Winden (oder Himmelsrichtungen), den vier Tageszeiten und den vier Lebensaltern entsprachen.” (Panofsky) Man glaubte, dass der menschliche Körper aus diesen Elementen zusammengesetzt sei, allerdings nicht in einer perfekten Mischung, da es auch keinen perfekten Menschen gab (dieses Privileg war durch den Sündenfall verwirkt worden). Das Überwiegen eines bestimmten Elements in Form einer bestimmten Körperflüssigkeit war für den Charakter einer Person verantwortlich. Ein Übermaß an Blut kennzeichnete z.B. den Sanguiniker, der die Konnotationen Luft, sanfter Westwind, Frühling, Morgen und Jugend hatte. Ein Überwiegen gelber Galle war für das cholerische Temperament verantwortlich, mit dem Feuer, Südwestwind, Sommer, Mittag und Erwachsenenalter verbunden wurden. Schwarze Galle brachte die melancholische Persönlichkeit hervor und konnotierte Erde, Nordwind, Herbst, Abend und das mittlere Alter. Phlegma überwog in der phlegmatischen Person, die mit Wasser, Südwind, Winter, Nacht und hohem Alter korrespondierte.10 Alle Lebewesen (der Mensch eingeschlossen) und Substanzen wurden angeblich davon beeinflusst, welches Element in ihnen überwog. Da man glaubte, dass die Planeten aus derselben Materie wie die Erde zusammengesetzt seien, bestanden sie ebenfalls aus unterschiedlichen Kombinationen der Elemente und wurden von den Temperamenten beherrscht. Saturn galt wegen der tragischen Assoziationen der Geschichte um Saturn und Jupiter als der melancholische Planet. Alles, was man mit dem melancholischen Temperament verband, galt auch für Saturn – und umgekehrt. Alle vom melancholischen Temperament beherrschten Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien etc. gehörten zum Saturn und umgekehrt wurde all das, was dem Saturn zugeordnet wurde, von der Melancholie beeinflusst. Hierzu gehörten nicht nur die Menschen mit dem unglücklichsten aller Temperamente sondern auch die in den unglücklichsten aller Situationen: Gefängnisinsassen, Bettler, Totengräber, Sickergrubenausheber, Narren und Wahnsinnige waren allesamt Melancholiker. Aber Saturns Geschichte impliziert einen Widerspruch. Obwohl der unglücklichste aller Olympier, war er gleichzeitig der älteste und weiseste, da er die Welt, die Jupiter lediglich bewohnte, erdacht hatte. Daher konnte er Macht, Reichtümer oder Weisheit verleihen. Infolgedessen zählten manchmal auch glücklich zu nennende Menschen wie Philosophen, Geometriker und Alchemisten ebenfalls zu den “Kindern des Saturn” und waren folglich ebenfalls Melancholiker. Tatsächlich konnte der Melancholiker ein allen anderen überlegener

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76. Detail des geschlossenen Heuwagens,

Öl auf Holz, 140 x 200 cm, Museo del Prado, Madrid

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77. Der Vagabund. 71 x 70,6 cm, Museum Boymans-van-Beuningen, Rotterdam

Mensch sein, wenn es ihm gelang, seine unglückliche Veranlagung zu Depression und Überaufgeregtheit unter Kontrolle zu bringen. Um dieses Gleichgewicht zu erlangen, musste er dem verderblichen Einfluss des Saturn entkommen, indem er die Fähigkeit zur göttlichen Kontemplation entwickelte, über die Saturn verfügt hatte. Mittels bestimmter Talismane konnte er die Unterstützung Jupiters erlangen, des einzigen Himmelskörpers mit einem Gegeneinfluss über Saturn. Er konnte sich ferner der als Gegenmittel gegen die Melancholie geltenden Musik bedienen. Wie schon erwähnt, sah man die Alchemie unter der besondern Ägide des Saturn und mit dem saturnischen Mystizismus erfüllt, was implizierte, dass sie vom Geist der Melancholie durchdrungen war. Dass es in Boschs Lissabonner Triptychon deutliche Hinweise auf die Alchemie gibt, wird im nächsten Kapitel demonstriert werden. Ihre Präsenz kann leicht dadurch erklärt werden, dass sie wie jede andere Häresie einen natürlichen Platz in dem Konflikt zwischen dem Teufel und dem Heiligen hatte. Die Assoziation des saturnischen Mystizismus mit der Alchemie könnte die Präsenz dieser Qualität und ihrer Attribute in dem Gemälde erklären. Es mag jedoch noch eine stärkere Motivation für die Durchdringung des Gemäldes mit der saturnischen Melancholie geben als diese Beziehungen zur Alchemie. Andrè Chastel stellte eine Behauptung auf, die im Titel seines Artikels Die Versuchung des Heiligen Antonius oder Der Traum der Melancholie (S. 218 ff.) impliziert ist. Bei seiner Untersuchung der Gründe, warum der Heilige Antonius erst in der letzten Phase des Mittelalters populär wurde, erwähnt Chastel die gesellschaftliche Bedeutung und den Reichtum des von Antonius begründeten Ordens, der sich die Krankenversorgung zur Aufgabe gemacht hatte und in dieser Zeit seine Blütezeit hatte. Er benennt aber noch einen weiteren, psychologisch wichtigeren Grund, nämlich die Verbindung zwischen dem Heiligen und dem saturnischen Mystizismus. Wie schon erwähnt, zählte man die Mönche (insbesondere die sich einsamen Studien widmenden Eremiten) zu den Melancholikern. Chastel führt an, dass in der Ikonographie der Temperamente die Melancholie häufig durch einen einsamen Mönch symbolisiert wurde. Er bezieht sich ferner auf ein astrologisches Manuskript in der Bibliothek von Tubinque, das als ein Zeichen für den Saturn einen Mönch mit dem griechischen Buchstaben Tau auf seiner Schulter zeigt – in anderen Worten: den Heiligen Antonius. Es gab also einen eindeutigen ikonographischen Präzedenzfall dafür, den Heiligen mit dem melancholischen Temperament und seinem Planeten zu assoziieren. Ein noch zwingenderer psychologischer Grund für Bosch, dies zu tun, war die Ambivalenz der Melancholie, die den Geist sowohl in Dummheit und Mutlosigkeit stürzen, ihn aber auch zu metaphysischer Meditation emportragen konnte. Da die Melancholie auch häufig durch Hinweise auf das Laster der Trägheit repräsentiert wurde, würde dies die Sünde betonen, die für einen einsamen Mönch am gefährlichsten war und die folglich die enormste aller Sünden war. Gleichzeitig verkörperte die Melancholie die Höhen, zu denen sich ein heiliger Mann aufschwingen konnte. Als Dürer die Temperamente in seinem Bild der vier Apostel verkörperte, verlieh er Paulus die dunkle Miene der Melancholie, personifizierte dieses Temperament also auf der höchsten Ebene. Das Drama des Heiligen Antonius mit seinem Wechselspiel zwischen Krisen und ruhiger Kontemplation konnte in der saturnischen / melancholischen Thematik Ausdruck finden. Gleichzeitig übersetzte sich das saturnisch / melancholische Drama durch den Konflikt zwischen Gut und Böse – oder dem Heiligen und dem Teufel – in eine religiöse Sprache. Dieses Thema ließ sich durch viele hagiographische Geschichten darstellen, am besten aber in der Tat durch die des Antonius. Es mag einen weiteren, aktuelleren Hintergrund gegeben haben, auf den Bosch sich durch die Bearbeitung dieses Stoffs bezog. Die wachsende Spannung innerhalb der Kirche in der Zeit vor der Reformation musste selbst dem absolut Rechtgläubigen klarmachen, dass es einen Konflikt zwischen den Elementen der traditionellen Demut, Einfachheit und Reinheit und den Elementen der Abtrünnigkeit und der Ausbeutung gab. Dieser innerkirchliche Konflikt fand seine Allegorie in dem saturnischen Mystizismus mit seinem ihm inhärenten Konflikt.

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Das Lissabonner Triptychon

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78. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitteltafel, Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon 79. Geöffnetes Triptychon, Die Versuchung des Heiligen Antonius,

Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon

oschs herausragende Bearbeitung des Sujets des Heiligen Antonius findet sich in dem heute im Nationalmuseum in Lissabon befindlichen Triptychon.1 Es ist unklar, ob das Bild ein Geschenk Philipps II. an den König von Portugal war oder ob es ein portugiesischer Maler aus Philipps Sammlung kaufte. Wie auch immer, man weiß, dass es zwischen 1525 und 1545 nach Portugal kam. In geschlossenem Zustand ist das Altarbild etwa 1,60 m2 groß, wobei es in der Höhe etwas mehr als in der Breite misst. Bei geöffneten Flügeln beträgt seine Breite etwa 2,25 Meter. Die Außenseiten der Flügel sind in Grisaille (d.h. grau-in-grau) gemalt, was den dort dargestellten Passionsszenen eine unwirkliche Eigenschaft verleiht. Christus steht im Zentrum jeder Tafel. Hinter ihm befinden sich aufgebrachte Menschenmengen, so dass die Haupthandlung in beiden Bildern sich auf den oberen Bildbereich konzentriert. Die weniger wichtigen Episoden in den vorderen Bildbereichen sind hiervon räumlich getrennt. Es gibt zwischen den Szenen keine Kontinuität der Handlung, die Geschehnisse finden jedoch an einem Schauplatz statt. Der Fluss, der Mittel- und Vordergrund trennt, weist keinen Bruch auf, ebenso wenig das jeweils hinter dem Mob sichtbare dunkle Land. Die Ereignisse geschehen jedoch zu unterschiedlichen Tageszeiten. Die linke Außentafel zeigt die Gefangennahme Christi im Garten Gethsemane. Der auf die Knie gefallene Herr ergibt sich dem Hohn der gestikulierenden Masse aus Menschen mit verzerrten Gesichtern. Unterhalb des Flusses erhebt Petrus sein Schwert, um das Ohr des Malchus abzuschneiden, dessen Besitztümer in Unordnung um ihn herum liegen. Die einzigen Beobachter der Szene sind ein alter Mann, der ihr den Rücken zuwendet, als ob er feige wäre und die Raben auf dem Boden. Die rechte Szene bildet Christus unter seinem Kreuz ab. Dieser Mob (der sich aus anderen Personen als der auf der linken Seite zusammensetzt) hält in Erwartung der Hilfe durch Simon von Cyrene für Christus einen Moment inne. Die Heilige Veronica zeigt das Schweißtuch, das in wundersamer Weise den Abdruck von Christi Gesicht aufgenommen hat. Im Vordergrund sieht man die beiden Diebe. Der reuige Dieb hört den eindringlichen Ermahnungen eines Beichtvaters zu, während der verstockte Dieb den Rat zwar hört, aber nicht befolgt. Die Darstellungen sind in Bezug auf die Schauplätze mit ihrer vertrockneten Erde und seltsamen Laminierung des Landes recht unorthodox. Die Ausstattungsgegenstände, die zu sehen sind, haben ebenfalls kein Vorbild. Man sieht einen Kelch auf einem Hügel. Eine Ratte hängt kopfüber von einem Baum. Knochen sind über den Boden verstreut. Es könnte sich hier um kryptische Symbole handeln, aber all dies könnte auch lediglich als Verweis auf die Trostlosigkeit des Ortes dienen. Es gibt jedenfalls wenig, was die intendierte Botschaft, dass Christus, der Archetyp des Guten, an einem gottlosen Platz von der bösen, blinden Menschheit beleidigt, geschlagen und getötet wurde, verschleiern würde. Dies ist der Prolog für das gesamte Triptychon. Die Strapazen des guten Menschen haben in der Tragödie der Geschichte Christi einen Präzedenzfall, der in der hagiographischen Episode quasi nachgespielt wird. Die inneren Tafeln des Triptychons sind wesentlich komplizierter. Seit dem Tode Christi bis zur Prüfung des Antonius ist Zeit vergangen. Das Böse hat sich vermehrt und ist allgegenwärtig. Die aufgeklappten Flügel des Altarbildes offenbaren einen anderen irdischen Ort der Trostlosigkeit. Es handelt sich nicht um einen simplen Kalvarienberg. Man sieht viele unterschiedliche Schauplätze von miteinander verwobenen Dramen. Gleichzeitig handelt es sich um das Grabmal außerhalb von Antonius’ Dorf, wo der Teufel zuerst seine Dämonen aussandte, um sich den Heiligen gefügig zu machen. Es ist der Ort, an dem Antonius den Teufel herausforderte, alles zu versuchen und wo er als Antwort des Teufels von Phantomtieren

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geschlagen und aufgestachelt wurde. An diesem Ort sah Gott zu, wie der heilige Mann sich behauptete. Es handelt sich um die verlassene Festung Pispir am “äußeren Berg”, wo sich der Heilige inmitten der Kriechtiere niederließ. Aber dieser Ort ist nicht nur die Zuflucht des Eremiten, sondern gleichzeitig der Zeremonienort des Hexensabbat, an dem sich die Anhänger Satans versammeln. Es ist die Ruine (die Burg, Festung oder das Kloster), wo der Geisterbeschwörer seiner Tätigkeit nachgeht. Es ist der vom Blitz getroffene Turm des Tarocks, die Zitadelle der Alchemie und der von Saturns Sternenlicht erleuchtete melancholische Ort. Es handelt sich jedoch um mehr als einen bloßen Ort. Die Festung befindet sich im Zentrum des Vierecks, dessen jede Ecke von einem Element dominiert wird. Auf diese Weise wird es auch zum Mikrokosmos des Alchemisten und der Kabbala. Bosch überlagerte all dies, um seine eigene mise-en-scène zu kreieren. Antonius’ “Grabmal” oder “Festung” wird in der Manier einer Theaterbühne offengelegt. Dach und vordere Wand fehlen, so als ob auf der Bühnenmitte die Handlung gezeigt wird. Tatsächlich scheint Boschs Anordnung von Ebenen für untergeordnete und zentrale Handlungen spätere Theatertechniken vorwegzunehmen. Der exakt im Zentrum der mittleren Tafel platzierte Heilige kniet vor der niedrigen Brüstung. Er weist mit zwei erhobenen Fingern auf die Festung vor sich. Indem er über seine Schulter zurückblickt, um den Blick des Betrachters einzufangen, lenkt er ihn mit seiner segnenden Geste auf Christus, der unter einem Bogen in einer Nische der Rückwand neben einem Altar steht. Ein Lichtstrahl aus einem Seitenfenster erleuchtet ihn, der seinerseits auf das Kruzifix auf dem Altar weist. Christi Anwesenheit steht für zwei Dinge: die Erscheinung des Herrn in der Geschichte des Antonius und Boschs Botschaft an den Betrachter. Es ist so, als rate er (in visueller Weise) dem Gläubigen, sich standhaft auf Gott zu konzentrieren und dem Blick nicht zu erlauben, auf bösen Dingen zu verharren, gleichgültig, wie sehr die Welt von derartigen Ablenkungen wimmelt. Christus deutet auf das Kruzifix, um den Heiligen an seine eigenen großen Leiden zu erinnern, die Bosch auf den Außenwänden abgebildet hat. Wenn diese beiden Figuren die einzigen herausragenden Repräsentanten des Guten in dem Gemälde sind, besteht seine Botschaft darin, dass es in der Welt nur wenig Gutes gibt. Bosch verlieh dem Heiligen einige der traditionellen ikonographischen Attribute. Er ist ein alter bärtiger Mann mit einem Krückstock, der in einiger Entfernung von ihm am Rand der unteren Plattform liegt. Antonius trägt den Habit und die Kapuze eines Mönchs, was auf seine Gründung des Mönchtums verweist. Seine Schulter ist mit einem T markiert, dem ersten Buchstaben von ‘Theos’, ein Hinweis darauf, dass er zu den von Gott Auserwählten gehört. Von seinem Gürtel hängt das von Mitgliedern seines Ordens getragene Tau-Kreuz herab. Dies ist nicht nur ein Verweis auf das Wort ‘Theos’, sondern auch wegen der Ähnlichkeit der Form des Buchstabens mit Antonius’ Krücke bedeutsam. Bosch zeigt nicht den Eber, der oft neben dem Heiligen zu finden war und der seinen Sieg über Völlerei und Sinnlichkeit symbolisierte. Stattdessen verlieh er zwei Figuren in der Nähe des Heiligen, dem hinter dem Heiligen gehenden schwarz gekleideten Mann und dem am Rand der Plattform lesenden Priester mit Tonsur, Schweineschnauzen. Das brennende Dorf im Hintergrund des Gemäldes steht für das mit Antonius assoziierte Feuer. Um den Heiligen herum brachte Bosch in Form der vielen in seiner Zeit gültigen Verkörperungen die Heerscharen des Teufels in Aufstellung. Bosch platzierte auf derselben Plattform einen Geisterbeschwörer. Seine Nähe zum Heiligen verweist auf einen seltsamen Zusammenfluss ihrer Macht. Boschs weiß gekleideter und einen hohen Hut tragender Geisterbeschwörer oder Zauberer lehnt sich an die niedrige Wand, um sein Werk zu betrachten. Rechts von dem Geisterbeschwörer sagt ein Helfer mit Tonsur immer noch die schreckliche ExorzismusZeremonie aus dem Schwarzen Buch auf. Dies ist die Zeit der Stille nach dem Sturm aus Blitzen und Beben sowie ohrenbetäubenden Schreien, die den Prozess, in dem die Dämonen in tierische Gestalten verwandelt wurden, begleiteten.

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80. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitteltafel, Detail, Öl auf Holz, 131 x 238 cm. Museum der Bildenden Künste, Lissabon 81. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitteltafel, Detail, Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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82. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitte, Detail, Öl auf Holz, 131 x 238 cm. Museum der Bildenden Künste, Lissabon 83. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitte, Detail, Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Zwischen dem Heiligen Antonius und dem Mohren agieren drei Frauen als Brot und Wein spendende Priesterinnen. Neben dem Heiligen kniend und ihn in einem störenden Versuch der Ablenkung bedrängend, reicht eine dieser Frauen einen Teller an eine Nonne weiter. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob diese Frau modisch gekleidet ist. Bei genauerer Betrachtung sieht man jedoch, dass ihr Kleid in einer schwanzähnlichen Schleppe endet und ihr hochgestecktes Kopftuch eine ihren Rücken hinab kriechende Dornenranke freigibt. In seiner Interpretation dieses Teils des Gemäldes vertrat Fränger die Auffassung, dass diese Ranke für die Bösartigkeit steht, die Moses denjenigen vorwarf, die den Bund mit Gott brachen, als er die Israeliten warnte. Diese Figuren besitzen auch in den “hohen Trümpfen” des Tarocks Entsprechungen. Die mittlere Frau erinnert an die Päpstin, während die Frau zur Linken an die Herrscherin im Tarock (auch die “schöne weiße Frau”, die in manchen alchemistischen Bezügen auf das mit dem Mond assoziierte Quecksilber verwies) angelehnt zu sein scheint. Es gibt im Tarockblatt ebenfalls einen Einsiedler (Antonius) sowie einen Narren, im Bild wohl der Mann mit der Schweineschnauze, der in einer Art und Weise dahinschlurft, die auf geistige Verwirrung hinweisen könnte. Der diese Figur begleitende Hund trägt eine Narrenkappe, was den Verweis auf die Tarockkarte verstärkt. Der alte Mann mit Holzbein links neben dem Narren diente oft als Verkörperung des Saturn und der Hund in seinem Weg hatte in diesem Kontext eine zusätzliche Bedeutung, da dieses Tier mit dem melancholischen Temperament und damit implizit auch mit Saturn assoziiert wurde. Die von beiden Männern getragenen Musikinstrumente dienten zur Erzeugung der Musik, die in der Lage war, quasi als Gegenmittel den saturnischen Mystizismus zu zerstreuen, der schon in dem trübseligen Gesicht zum Ausdruck kam. Die Musik galt gleichzeitig als dämonische Falle und die abgebildeten Instrumente, Drehorgel und Laute, gehörten angeblich zu den in der Hölle gespielten.

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Bosch unterstreicht diesen Bezug, indem er hinter der Hohepriesterin einen Dämonen mit einer Schnauze in Form eines Blasinstruments platzierte. Die von ihm erzeugte “Musik” sind verderbliche Dämpfe. Eine ganz ähnliche Verschmelzung von magischen und biblischen Konnotationen wie in der Zeremonie um Antonius kennzeichnet die auf den Turm gemalten oder in ihn eingemeißelten Szenen. Das obere Wandgemälde scheint auf den ersten Blick lediglich darzustellen, wie Moses die zwölf Gesetzestafeln empfängt. Moses kniet, wie auf dem Berg Sinai, um die Tafeln aus Gottes aus den Wolken ragender Hand entgegenzunehmen. Das goldene Kalb steht auf einem benachbarten Berg und die Götzen verehrenden Kinder Israels tanzen und verbeugen sich vor ihm. Bei näherer Betrachtung sieht man, dass Moses einen Hut mit Hörnern trägt, das Kalb in Wahrheit eine Ziege ist und sich um die Körper der Israeliten Schlangen winden. Die von den sie anbetenden Menschen umringte Ziege ist eine deutliche Anspielung auf den Hexensabbat. Indem er die Israeliten mit Nattern umringte und sie die Ziege (oder den Teufel) anbeten ließ, setzte Bosch ihre Sünde mit den “Gräueln dieser Völker” gleich. Er deutete darüber hinaus an, dass die verdorbenen Anhänger Satans (die Zauberer) in Antonius’ ebenso wie in seiner eigenen Zeit sich den von Moses im Namen des Herrn verdammten Praktiken gewidmet hatten. An anderen Stellen des Gemäldes nutzte Bosch die mosaischen Tiere als Beförderungsmittel, die Teilnehmer zum Versammlungsplatz bringen. Im Wasser am Fuße des Turms stehen Reittiere, die wie zwei Pferde und eine Ratte (beides unreine Tiere) aussehen. Im alchemistischen Symbolismus wurde die Schmelztemperatur des Quecksilbers als Bauch eines Pferdes bezeichnet, was Bosch hier buchstäblich übersetzt. Der Torso des linken Pferdes ist in den Behälter verwandelt worden, in dem Schwefel und Quecksilber verschmolzen wurden. Dieser Schmelztiegel besitzt ebenfalls eine diabolische Bedeutung. Es war sowohl ein Zeichen des Satans als auch der Frau als “sündiges Behältnis”. Einige von den reitenden Dämonen sind bestimmten Klassen zuzuordnen. Bosch malte z.B. einen Ritter-Falkner als Reiter des krugbäuchigen Pferdes. Dieses Bildelement ist eine der evokativsten Schöpfungen Boschs und kann als eine charakteristische Illustration seiner Vorgehensweise dienen. Der Reiter dieses ohnehin schon alchemistischen Tieres verweist symbolisch auf die Temperamentlehre. Bosch stellte ihn als Falkner dar, komplett mit einem behelmten Vogel auf der Faust und mit einem Jagdhorn. Bei der Erschaffung dieser Figur dachte er an einen anderen Jäger oder Kämpfer, nämlich den Ritter, der im Tarock eine Rolle spielt. Er versah den Falkner mit einer Ritterrüstung und in einem Ausbruch der Phantasie brachte er an seinen Schultern Flügel an. Wenn hierfür eine logische Erklärung erforderlich ist, kann man darauf hinweisen, dass der Falkner zuweilen als Emblem für das mit dem Element Luft korrespondierende sanguinische Temperament fungierte. Traditionellerweise sah man den Falkner in diesem Kontext inmitten von Wolken und Sternen durch die Luft gehen. Da Bosch diese Figur nicht in die Lüfte erhob, verlieh er ihm Flügel, die ebenso gut wie Wolken und Sterne auf die Luft verweisen und dabei auch keinen stärkeren Bruch mit der Logik hervorrufen als das Gehen in der Luft. Hieronymus Boschs Besonderheit lag darin, dass er sich nicht auf die traditionellen Beziehungen beschränkte. Er bediente sich der Methode, gemäß derer die gemeinsamen Symbole entwickelt worden waren. Diese hatten ihren Ursprung in der freien Assoziation von Ideen durch viele Menschen, die Eingang in das allgemeine Bewusstsein fanden, wenn sie allgemein verständlich waren. Der distelköpfige geflügelte Ritter-Falkner auf seinem krugförmigen Pferd darf nicht als ein autonomes Symbol für eine rein verbal auszudrückende Idee angesehen werden. Er besitzt nur im Kontext der Gesamtstruktur und -bedeutung des Gemäldes einen Sinn. Wie alles andere in dem Gemälde ist es eine vielschichtige Fabrikation aus vielen Assoziationen. Das am leichtesten lesbare Symbol ist die aus einem Baum bestehende verwobene Figur mit einem Ast, der zum Arm einer Frau wird, die aus der Baumhöhle herausschaut. Die Idee hierfür stammt vermutlich aus der Alchemie, da jeder hohle Ort für den Schmelztiegel des Alchemisten stehen konnte.

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84. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitte, Detail, Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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85. Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius,

Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon 86. Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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87. Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius,

Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Ein eiförmiges Kind (bzw. der Stein der Weisen) wird scheinbar aus dem Hohlraum hervorgebracht, dies stützt diese Idee zusätzlich. Die Frau sitzt in einem Sieb oder Gefäß, das beim “Großen Werk” benutzt wird. Ihr Unterleib ist ein schuppiger Schwanz, vielleicht eine bloße Ausschmückung durch Bosch, vielleicht aber auch eine Anspielung auf den alchemistischen Prozess, der zuweilen durch das Sternkreiszeichen Fische symbolisiert wird. Die Fischfahrzeuge sind Beförderungsmittel, die dem Element Wasser, das den unteren rechten Quadranten der Leinwand füllt, angemessener sind. Wie bei den fliegenden Booten in der Luft direkt über ihnen, handelt es sich um sehr ungewöhnliche Erfindungen Boschs. Ein Boot besteht aus einem Rumpf, der vage an den umgedrehten Panzer eines Krebses erinnert. Darin eingesperrt ist ein Mann, dessen Hände wie Paddelmechanismen aus Löchern an der Seite herausragen. Das Boot wird von einem schwarzen Affen gesteuert, der ein teilweise aus einem auf ein Netz genähten Rochen bestehendes Segel bedient. Ein anderes Boot ist ein Karpfen mit einem unnatürlichen Schwanz. Es ist mit einer roten Decke bedeckt, verfügt über eine Rüstung und phantastische Takelage und wird von zwei schwarzen Affen “bemannt”. Einer paddelt mit einem langen Löffel und der andere zieht ein Netz, in das ihm neben anderen Fischen Variationen eines löffelschnabligen Wels, eine Brasse und ein Aal (sowohl “rein” als auch “unrein”) gegangen sind. An Land stehend, aber am Ufer Wasser trinkend, befinden sich sowohl imaginäre als auch reale Tiere. In der Luft über dem Turm befinden sich Fluggeräte, von denen manche aus “unreinen” Tieren bestehen. Zwei Flugboote, die wie in einer Schlacht frontal aufeinander zufliegen, sind um die “verbotenen” Tiere Schwan und Habicht herum geformt. Die Tiere haben in unterschiedlichen Kontexten Bedeutung und erfüllen auch für Bosch mehrere Funktionen. Geflügelte Wesen repräsentierten die flüchtige Natur des Quecksilbers. Der Schwan stand für die im Großen Werk wichtige weiße Farbe. Der Habicht fungierte zuweilen als Emblem des sanguinischen Temperaments, weil sowohl der Vogel als auch das Temperament mit der Luft assoziiert wurden. Boschs ganz bewusste Intention, dass der obere rechte Quadrant des Gemäldes von diesem Element beherrscht wird, kommt darin deutlich zum Ausdruck, dass der klare blaue Himmel dieser Seite so deutlich vom von Rauch und den Flammen eines großen Feuers erfüllten Himmel des oberen linken Quadranten abgetrennt wird. Auf dieser linken Seite sind die am besten sichtbaren Fluggeräte ein von einem Dämonen gerittener schuppenloser “unreiner” Fisch und ein geflügeltes Ei, auf dem ein Frosch sitzt, der sich mit einer eigenen Laterne den Weg durch den rauchverdunkelten Himmel leuchtet. Der Frosch und das Ei besitzen dämonische bzw. kosmologische Bedeutung. Das die massiven Rauchwolken mit Flammen aufstachelnde Feuer auf der linken Seite der Tafel ist eine der spektakulärsten Erscheinungen in der gesamten Kunstgeschichte. Ein Feuer drängte sich Bosch aus vielen Quellen auf. Flammen standen in der Ikonographie des Antonius für das Höllenfeuer und das “Antonius-Feuer”. Feuer war ferner ein Zeitgenosse der archetypischen Welt der Kabbala und korrespondierte mit dem Stab im Tarock. Es war nicht nur eines der aristotelischen Elemente, sondern von entscheidender Bedeutung für das Große Werk. Überdies wurde es mit dem cholerischen Temperament assoziiert. Bosch benutzte den Brand des Dorfes, um eine der schändlichsten dämonischen Aktivitäten zu demonstrieren, denn man glaubte, dass Dämonen solche Feuer legten. Hier vergrößern sie das Chaos noch, indem sie mit Leitern heran fliegen, um dabei zu helfen, den Kirchturm und das Dach von einem Turm herab zu reißen.. Einer der schönsten Teile des Gemäldes ist der Bereich zwischen der Apsis der Kirche und der Festungswand. Er ist durch einen schwefeligen Schein erleuchtet, der die Bäume in negative Strukturen verwandelt und den Raum zwischen und um die Äste greifbar macht. Besonders evokativ ist die zwischen den Bäumen davoneilende Figur. Dieser Bereich verbindet den dunklen und den hellen Himmel der beiden oberen Quadranten. Die Modulation von der Nacht zum Tag ist trotz Boschs geschickter Handhabung immer noch willkürlich – und daher von mittelalterlichem Charakter. Innerhalb der “geschälten” Spitze des knollenförmigen Gebäudes befindet sich eine merkwürdige Konstruktion. Der untere Teil scheint

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eine Behausung mit hohen Fenstern zu sein, wie man sie in Mittelmeerländern findet. Ein Kessel mit einem rauchenden Schornstein steht auf Stelzen oben auf diesem Bauwerk. Da die Öffnungen rund und recht klein sind, mag es als ein Vogelhaus gedacht sein. Tatsächlich sitzt ein Vogel auf einer aus einer dieser Öffnungen herausragenden Stange und andere hocken auf dem strohgedeckten Dach. Die Vögel spielen auf die alchemistische Sprache an, die die verschiedenen Stadien bei der Verschmelzung von Schwefel und Quecksilber beschreibt. Das Wiedererscheinen der ursprünglichen schwarzen Farbe dieser Materialien in einem späteren Stadium wurde kryptisch mit der Phrase “die Jungen der Krähe kehren in ihr Nest zurück” beschrieben. Die weiße Farbe wurde als ein Zeichen für das Finden des Weißen Steins begrüßt, der einfache Metalle in Silber verwandeln konnte. Da Bosch in diesem Teil des Gemäldes weiße Krähen in ihrem Nest zeigt, hat er offensichtlich die beiden Stadien miteinander vereint. Hinter dem knolligen Gebäude befindet sich ein Zelt. Es wird an einer Seite von einem aus der Wand wachsenden Baum gestützt. Von einem Ast dieses Baumes hängt ein Blasebalg herab, ein für die Erzeugung der im Ofen notwendigen Hitze unerlässliches Instrument. PfuscherAlchemisten waren als “Puster” bekannt und wurden unter dem Zeichen des Blasebalgs gezeigt. Dass Bosch dieses Zeichen über die Einfriedung unterhalb des Zeltes platzierte, in der man eine kartoffelähnliche Äbtissin und einen Mönch sehen kann, bedeutet, dass er den Klerus ebenfalls als Pfuscher empfand. Er muss auch das Trinken als böse eingestuft haben, da er einen Krug (ein Verweis auf den Teufel) auf das Fass für die Trinker platzierte. Ein Schwimmer, der seine Kleider auf die Brüstung außerhalb dieses Plätzchens für ein Stelldichein gehängt hat, bereitet sich darauf vor, in das unter ihm liegende Wasser zu springen, ein merkwürdig normales Element in dieser abnormen Umgebung. Hierhinter verbirgt sich vielleicht ein Verweis auf Antonius’ vom Teufel stimulierte Erinnerungen an die Freuden der Kindheit. Zu einem schon im Wasser befindlichen Schwimmer wird gleich ein Dämon hinzu stoßen, der von einer zornigen Frau von einer Brücke vertrieben wird. Dieser Dämon, wie auch die auf der Galerie der Brücke zu sehenden, zerstört die kurze Illusion der Normalität wieder. Eine an der Wand unterhalb der Galerie hängende Uhr belegt, dass es mitten in der Nacht ist, die Zeit des Sabbats, der Geisterbeschwörung, der bösen Taten. Ein genauerer Blick ergibt, dass die Uhr in 14 Stunden eingeteilt ist, genau die Zahl der im Großen Werk erforderlichen Prozesse. Die Zeichen erinnern vage an die Sternzeichen, die in jenen Werken, die nur von 12 Schritten ausgehen, mit diesen assoziiert werden. Ferner ähneln diese Symbole den hebräischen Buchstaben auf den im Schwarzen Buch beschriebenen magischen Pentakeln der Geisterbeschwörer. An Rollen an der Seite der Brückenwand befestigte Zugketten stützen eine grausige, stachelbesetzte Stange, wahrscheinlich ein Instrument, um Angriffe auf die Festungsmauern abzuwehren. Das Wasser in diesem Bereich wirkt wie ein Burggraben, obwohl es nicht ganz um die Wand reicht. Selbst wenn es sich hier nicht um eine Anspielung auf die Allegorie handeln sollte, derzufolge das Große Werk als eine von einem Burggraben umgebene Festung bezeichnet wird, ist das Bild auf dem rechten Flügel des Altarbildes eindeutig genau dies. Gemäß der alchemistischen Sprache konnte der Meister den Stein der Weisen nur erreichen, indem er eine Zugbrücke überquerte, die jedoch nur jenen mit höchsten persönlichen Qualifikationen offen stand. Nachdem der Meister so seinen Weg in die Festung gefunden hatte, musste er an einem Wächterdrachen vorbeigelangen. In einer für ihn typischen Verdrehung platzierte Bosch den Drachenkampf außerhalb der Zitadelle, im Wasser, wo er von einer Armee von über der Wand hängenden Männern – sowie einigen merkwürdigen Ratten und Dämonen, die sich den Kämpfern anschließen – beobachtet wird. Bosch platzierte den Heiligen ins Zentrum der Mitteltafel, aber er nimmt in etwa dieselbe Haltung wie auf der rechten Tafel ein. Er sitzt in einem Umhang mit Kapuze und dem Tau auf der Schulter auf einer Anhöhe und stützt sich mit seinem Stock ab, wobei er das in dieser Ikonographie oft zu findende Buch liest. Antonius wendet sich voller Trauer von einer widerlichen teuflischen Persiflage ab. Um einen Baum herum sind eine provokativ aus seinem Hohlraum

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88. Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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89. Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius,

Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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schauende nackte Frau und eine Antonius mit Essen und Trinken in Versuchung führende Ansammlung von Dämonen angeordnet. Einer zeigt ihm einen Fisch, eine Hexe gießt aus einem Krug Wasser in die Tasse eines Wesens, das, wie sein Gefährte, mit nach oben gerichtetem Mund auf die Flüssigkeit wartet. Einer der Dämonen bereitet sich darauf vor, auf einer Leiter den Baum zu erklimmen, ein anderer blickt Antonius hinter einer Wurzel her an. Ein Rabe betrachtet all dies von einem Ast aus. Die Nackte verweist primär auf die sexuelle Versuchung, der Antonius ausgesetzt war. Da sie im Wasser steht, symbolisiert sie vermutlich auch die weibliche Natur des flüssigen und flüchtigen Quecksilbers. Der Heilige kann dem Anblick des Bösen nicht entkommen. Indem er seinen Blick von der ersten Gruppe abwendet, sieht er einen runden Tisch im Vordergrund des Bildes. Dieser wird von nackten Männern hochgehalten. Einer von ihnen liegt auf seinem Rücken und stützt ihn mit seinen Beinen, ein anderen hält ihn mit der Schulter und seinen Armen. Ein Dämon in der Gestalt eines Bären (ein Symbol für das fixe Material Salz des Alchemisten) hält die andere Tischseite. Riesige Ratten schauen zwischen den Männern hervor. Eine von ihnen stößt ein Schwert durch den Hals des liegenden Mannes, der vergeblich sein Schwert schwenkt. Diese Schwerter verkörpern die schneidenden, durchdringenden und verletzenden Instrumente, die manchmal das Feuer symbolisierten. Es gibt weitere noch offensichtlichere Beispiele für das Feuer (das im ganzen Gemälde sehr wichtig ist). Das Bein des den Tisch mit seinem Arm stützenden Mannes ist verbrannt. Sein anderes Bein steckt in einem Krug, so dass er sich auf eine Krücke stützen muss. Beide Füße des neben ihm stehenden Mannes sind verbrannt, als sei er durch kochendes Wasser oder durch den Antonius’ Stock reflektierenden Fluss, dessen geschmolzene Farbe ihn gefährlich aussehen lässt, gewatet. Bosch kleidete drei der Figuren im unteren Bereich in Mönchskleidung, u.a. den Trompeter und auch die rechts am Tisch sitzende dämonische Kreatur mit dem fehlenden Kopf. Wie um dieses anatomische Versehen zu korrigieren, hat Bosch an der Seite des Bauches Ohren und oben Haare angebracht. Dieses Wesen trägt einen verhüllenden Umhang, der jedoch einen von seinem Rücken ausgehenden Schwanz offenbart. Das Wesen kümmert sich nicht um den in seinen Bauch gestoßenen Dolch. Eine dritte, priesterlich gekleidete Figur befindet sich oberhalb des Heiligen, wie ein Kind in einem Laufrahmen festgesetzt. Seine kindliche Statur symbolisiert Boschs Haltung, dass der Klerus sich kindischen Vergnügungen hingab. Auf der linken Tafel des Triptychons sieht man Antonius an zwei Orten. Seine zusammengebrochene Gestalt wird von Mitmönchen gestützt und zu seiner Zuflucht getragen. Dies ist ein Verweis auf die Episode, in der Antonius in das Grabmal zurückkehrt, nachdem er von den Dämonen geschlagen und seine vermeintliche Leiche in das Dorf zurückgebracht worden ist. Der dem Betrachter sein Gesicht zuwendende Mann ähnelt dem bekannten Porträt Boschs; vielleicht hat Bosch sein Gemälde auf diese Weise signiert. Gleichzeitig stellte Bosch sich so auf die Seite des Heiligen und seiner Helfer. Der Heilige erscheint in einem der beeindruckendsten Bereiche des Gemäldes auch in der Luft. Eine derartige Szene findet sich auch bei Athanasius. Als Antonius aufstand um zu beten, fühlte er, wie er im Geiste in die Luft getragen wurde, wo er auf abscheuliche Wesen traf, die von ihm Rechenschaft für die Zeit seit seiner Geburt forderten. Im Gemälde sieht man, wie der alte Mann betet, während er von Dämonen mit Fledermausflügeln und gespaltenen Schwänzen durch die Luft getragen und von ihnen geschlagen wird.2 Ihm entgegen fliegt das Pendant zu dem geflügelten Falkner auf dem krugbäuchigen Pferd aus der Mitteltafel, aber dieser hier verfügt über Flügel anstelle der Beine und nicht anstelle der Arme. Er treibt sich mit Hilfe dieser “Beine” in einer eleganten Pose und gleichzeitig eine Forelle im Arm tragend auf dem Rücken eines Barschs an. Ein Rabe sitzt auf einer aus dem Schwanz des Barschs herausragenden Ranke. Ein anderes wundersames Flugboot, auf dem Rücken einer riesigen Fledermaus, nähert sich dem Heiligen von hinten. Links der Mitte der Mitteltafel fand sich schon eine ähnliche Erscheinung. Unmittelbar oberhalb dieser Verkörperung des Bösen

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befindet sich eine an die Flugboote erinnernde Maschine. Sie wird von in ihrer Mitte angebrachten Rädern sowie von Grashüpferbeinen hinter den Rädern angetrieben. Sie besteht aus drei Fischen, die jeweils einen anderen kleineren Fisch verschlingen. Ein turmähnlicher Aufbau auf dem größeren Fisch dient als Passagierabteil. Ein Dämon kutschiert dieses Fortbewegungsmittel in Richtung einer Gruppe seltsamer “Kleriker”, die einen Weg hinauf zu einer Hütte erklimmen. Sie werden von einem Mann mit einer Mitra angeführt, der durch die Papstkarte aus dem Tarock inspiriert sein könnte. Da er einen Bischofsstab mit einem Halbmond (Bosch benutzte den Halbmond häufig als Zeichen für den Ungläubigen) und einer Kugel trägt und da seine Mitra mit einem Kreis hebräischer Symbole beschriftet ist, besteht hier jedoch wahrscheinlich ein Bezug zu den Juden. Die Mitra wurde im alten Judentum vom Hohepriester getragen und vom Christentum übernommen. Mit Sicherheit wollte Bosch diesen Mann in die “Hölle” verdammen, indem er die Spitze seiner Kopfbedeckung brennen ließ. Der “Priester” führt die anderen zu der Hütte, die in Wahrheit ein auf allen vieren kniender Mann ist. Die Tür liegt zwischen seinen Beinen, die Bosch wie Pflanzen darstellt, da sie Wurzeln aufweisen. Bosch hängte wie bei einem Gasthaus ein Schild an eine dieser Wurzeln. Aus einem Fenster, neben dem man einen Krug und eine lange Stange sieht (Zeichen des Teufels; die Stange diente dazu, Sünder in die Wasser der Hölle zu stoßen), blickt eine Frau. Diese Hütte ist zweifellos als Antonius’ Ankerplatz anzusehen. Eine frühere Interpretation Boschs des Antonius-Sujets wies ein um den Kopf einer Frau wachsendes Haus auf. Warum Bosch das Haus in diesem Bild an dem Mann festmachte, ist nicht klar. Seine Haltung erinnert an ein hockendes Tier, als solle die animalische Natur des Menschen symbolisiert werden. Vielleicht handelt es sich um einen Verweis auf Antonius’ stetigen Kampf gegen seine körperlichen Bedürfnisse, die als animalisch und damit sündhaft galten. Im Kopf des Mannes steckt überdies ein Pfeil, so als sei er wie ein Tier angeschossen worden. Dieser gefangene Mann blickt erschrocken auf ein im Eis versinkendes brennendes Schiff sowie andere vom Eis eingeschlossene Schiffe. Der gesamte Anblick ist durch Ödnis und Stagnation charakterisiert, es handelt sich um einen vernachlässigten Ort, der sich sehr von den sorgfältig gepflegten Küstenlandschaften von Boschs Heimatland Holland unterscheidet. Es wimmelt von Zeichen des Todes. Liegt hier ein Hinweis auf das Schicksal der Menschheit im Allgemeinen vor, wie es in den schrecklichen Worten “Denn der Sünde Sold ist der Tod” (Römer 6:23) vorhergesagt wird? Am Ende ist der Mensch ein Opfer seiner eigenen Bosheit. Es ist nicht möglich, die exakten Schlussfolgerungen, die Bosch sah, zu ermitteln oder überhaupt festzustellen, ob er mit den Nebenhandlungen seiner Bilder etwas ganz Bestimmtes ausdrücken wollte. Es muss nochmals betont werden, dass auch Bosch selbst keine rationale Erläuterung der einzelnen Teile der Versuchungen des Heiligen Antonius hätte abgeben können. Dies heißt jedoch nicht, dass das Gemälde irrational wäre. Wenn man das Triptychon als Ganzes nimmt, weist es eine klare, ja konventionelle Logik auf. Der Heilige ist z.B. im Zentrum der Mitteltafel positioniert und die um ihn herum angeordneten Elemente weisen eine gewisse Symmetrie auf. Es gibt einen deutlichen Fortschritt in dem Gemälde und einen “Abschluss” der Komposition. Die Seitentafeln sind so angelegt, dass sich der Heilige, der sich auf beiden in der gleichen Position befindet, der Mitte zuwendet. Boschs Perspektive ist nicht korrekt, aber die entsprechenden Kenntnisse waren noch nicht bis nach Holland gelangt. In gewisser Hinsicht antizipierte Bosch schon den Stil des Barock in seiner diagonalen Platzierung der Festung sowie in den erzielten malerischen Effekten, besonders im Bereich des Feuers. Er versuchte sich an der Vogelperspektive und erzielte diesbezüglich in späteren Gemälden (z.B. der Anbetung der Könige im Prado) reife Ergebnisse. De Tolnay glaubte, dass Boschs absichtlicher Verstoß gegen jede Perspektive zusammen mit dem immateriellen Charakter, den er einigen Figuren verlieh, den Versuchungen das Aussehen eines Aquariums verleihen und die

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90. Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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91. Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon 92. Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

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Figuren wie in einem vertikalen Raum schweben lassen sollte. Boschs Einsatz der Farbe unterstütze diesen Eindruck. Bosch platzierte die starken warmen Farben an den Rändern des Bildes und die aschenen, silbernen Farben in seinem Zentrum. Dies ist eine Unterminierung des normalen Farbschemas und unterstreicht die Unwirklichkeit des Schauplatzes. Welche Mittel Bosch auch immer zur Erlangung bestimmter Effekte einsetzte und ob dies absichtlich geschah oder nicht; es ist sicher, dass Bosch den Eindruck des Bösen vermitteln wollte. Es muss stets berücksichtigt werden, dass sein zentrales Motiv darin bestand, die Allgegenwart des Bösen in all seinen Erscheinungen darzustellen. Bosch schuf mit voller Absicht ein geordnetes Kunstwerk, das die Agenten des Bösen in Verwirrung stiftender Menge bevölkern. Während Bosch die Kontrolle über den großen Plan des Gemäldes behielt, lockerte er bei seinen einzelnen Teilen die Zügel. Nur bei einem Versuch der Analyse der einzelnen Teile gerät die grundsätzliche Ordnung in Vergessenheit und scheint das Chaos zu regieren. Es kann keine rationale Interpretation dieser Gemälde geben. Den vom menschlichen Geist produzierten Bildern – die kommen und gehen – nicht gesucht und nicht geordnet werden – aus denen keine Ideen abstrahiert werden – aus denen keine Auswahl getroffen wird – wurde eine autonome Verkettung gestattet. Diese Bilder wurden aus obskuren Ebenen von Boschs Geist und aus früher bei vielen unterschiedlichen Gelegenheiten erworbenen Wissensbeständen aufgewirbelt. Dieser Prozess ist in etwa mit den Spielchips zu vergleichen, die in eine durchsichtige Waschmaschine gefüllt werden, um einem potentiellen Käufer die Bewegung des Wassers vorzuführen; d. h. die Bilder erscheinen und verschwinden wieder und wieder in jeweils neuen Kombinationen. In ganz ähnlicher Weise erschienen die Symbole für das Böse aus ganz unterschiedlichen Kontexten in einer unglaublichen Anzahl von Kombinationen vor Boschs “geistigem Auge”, was die Vielfalt auf den Tafeln erklärt. Ein recht guter Vergleich ist die vom Wind erzeugte Musik auf einer äolischen Harfe. Man kann die Töne chaotisch nennen, aber die Saiten sind einstimmig gestimmt. In genau dieser Weise war auch der Geist Boschs auf sein Thema eingestimmt. Er wusste, wofür (den Dienst an Gott) und wogegen (die Machenschaften des Teufels) er seinem Geist die Freiheit zu spielen erlaubte. Die Moden und die Anforderungen der jeweiligen Zeit bestimmen, in welchem Umfang der Künstler sich an Regeln hält. Im Falle des die real existierende Wirklichkeit reproduzierenden Künstlers gelingt der Kontakt zwischen dem Bewusstsein des Künstlers und dem Betrachter unmittelbar. Beide sind zufrieden, der Maler, weil er verstanden wird und der Betrachter, weil er versteht. Der Kontakt, den der erfinderische Künstler herstellt, ist nebulöser. Der Weg von seinem Geist zum Geist des Betrachters ist kein geschlossener, sondern ein offener Stromkreis. Dieser Künstler offenbart dem Betrachter nicht nur die Arbeitsweise des Geistes des Künstlers, sondern generiert eben diesen Prozess auch im Geist des Betrachters. In den Worten von A.C. Bradley:

93. Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon 94. Jan Mandyn, Landschaf t mit einer Szene aus der Legende vom Heiligen Christophorus,

Öl auf Holz, 71 x 98,5 cm, Eremitage, Sankt Petersburg

“ …die spezifische Methode der [erfinderischen] Einbildungskraft besteht nicht darin, bewusste Ideen symbolisch einzukleiden; sie besteht darin, nur halb bewusst Material zu produzieren, aus dem der [Betrachter], nachdem es erschaffen worden ist, wenn er will, Ideen extrahieren kann.” Bosch produzierte dieses Material mit einer unglaublichen Energie und versetzte den Betrachter in Verwunderung. Die Aufgabe des Betrachters besteht nicht darin zu erklären, was der Künstler dachte, sondern die vom Künstler erzeugte eigene Bewunderung zu untersuchen und dadurch unendlich fasziniert zu sein. Roger Marijnissen lädt den Leser seines Buchs über Bosch ein, die Gemälde zu genießen und sich stets vor Augen zu halten, dass Bosch ein “geborener Maler” war. Bosch befasst sich mit den Ängsten seiner Zeit. Viele von ihnen sind uns fremd. Aber wir sollten bei der Würdigung der Botschaft den Künstler feiern und nicht so viel Zeit und Aufmerksamkeit auf das “Rätsel” seines Werks verschwenden.

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Schluss

N

95. Dieric Bouts, Hölle, Rechte Seitentafel des Triptychons das Jüngste Gericht, 1470, Öl auf Holz, 116 x 71 cm, Musée du Louvre, Paris

atürlich hat der Betrachter von Boschs Bildern Fragen, und natürlich müssen Antworten gegeben werden. Diese sollten aber nicht mit der Auffassung des Malers verwechselt werden. Es ist freilich unmöglich, genau zu bestimmen, was Bosch im Sinn hatte, worauf er in seinen Bildern anspielte. Nicht einmal er selbst hätte die einzelnen Bilder des Retabels “Die Versuchung des heiligen Antonius” auf rationale Weise erklären können. Was jedoch nicht heißen soll, dass sich sein Werk rationalem Zugang gänzlich versperrte. Betrachtet man das Triptychon als Ganzes, so scheint es logisch, beinahe konventionell aufgebaut. Der Heilige befindet sich in der Mitte der zentralen Tafel, und die ihn umgebenden Elemente sind symmetrisch angeordnet. Das Gemälde entwickelt sich von links nach rechts, während die Anordnung des Dargestellten “geschlossen” ist: Der Heilige ist auf den Seitenflügeln jeweils so platziert, dass der Eindruck entsteht, er wende sich zur Mitte hin. Boschs Perspektive ist nicht widerspruchsfrei, doch muß man bedenken, daß die nordischen Künstler seinerzeit noch nicht über die nötigen wissenschaftlichen Hilfsmittel verfügten. In mancher Weise antizipierte Bosch den barocken Stil – etwa mit der diagonalen Ausrichtung der Festung oder mit den Farbeffekten, die er vor allem in der Darstellung des Feuers erzielte. Boschs Studium der Luftperspektive schlägt sich besonders in seinem Spätwerk nieder (z.B. “Epiphanie”, Prado). De Tolnay war überzeugt, dass es Boschs absichtsvoller Missbrauch (oder seine unbeabsichtigte Abschaffung) von Form und Perspektive sowie die farblich erzeugte Körperlosigkeit einiger Figuren waren, die das Bild vom Heiligen Antonius wie ein Aquarium aussehen ließen, in dessen senkrechtem Raum die Figuren wie Erscheinungen umhertreiben. Dieser Eindruck wird nach seiner Ansicht durch die Farbwahl des Malers noch verstärkt, denn Bosch benutzte warme und kräftige Farben an den Bildrändern und asch– bis silberfarbene Töne in der Bildmitte. Die Umkehrung des natürlichen Farbschemas, so de Tolnay, steigere noch die irreale Wirkung des Schauplatzes. Welche Mittel Bosch auch immer für seine Zwecke verwendete, und ob er sie nun bewußt wählte oder nicht – sicher ist, dass er eine Vorstellung vom Bösen geben wollte. In der Tat sollte man sich immer bewusst sein, dass es sich dabei um die Hauptmotivation des Malers handelte. Sein Verlangen, die Allgegenwärtigkeit des Übels in der Welt in allen seinen Erscheinungsformen abzubilden, gründete in tiefer religiöser Überzeugung. Sie wies einen Weg, wo Chaos war, und gewährte Besinnung, wo alle Tugend vergessen schien. Sein Anliegen zu verwirklichen, schuf Bosch einen geordneten Bildaufbau, innerhalb dessen die Kräfte des Bösen halt- und fessellos umherschwirren. Während er im Ganzen Strenge walten ließ, ließ er im Einzelnen seiner Phantasie freien Lauf. Konzentriert man sich auf einzelne Bildteile, glaubt man, statt der ausgeklügelten Gesamtkomposition das Chaos vor sich zu sehen. Der verstörte Betrachter wird folgern, dass Bosch entweder ein Verrückter war, der absonderlichste Halluzinationen abbildete, oder aber, dass der Maler die rationale Bedeutung seiner Bilder in einem symbolistischen Irrgarten versteckte, dessen Wegbeschreibung nicht eben leicht zu finden ist. Es kann, wie gesagt, für diese Bilder keine eindeutige Interpretation geben. Das heißt aber nicht, dass Hieronymus Bosch verrückt war. Vielmehr entwickelte er die Konzeption des Bildes mit klarstem Verstand; dann (um einen Anachronismus zu verwenden) schaltete er seinen Intellekt auf “neutral” und ließ sich von seiner Einbildungskraft fortreißen. Anders ausgedrückt: er lieferte sein Bewusstsein seinem Unbewussten aus. Was auch immer den Geist

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dazu bringt, nach zusammenhängenden, vernünftigen Mustern zu arbeiten – es war außer Kraft gesetzt. So konnten sie sich plötzlich zusammenschließen, die immer wiederkehrenden Bilder des menschlichen Geistes, die weder klassifiziert noch geordnet sind, von denen sich keine Ideen ableiten und die sich nicht hierarchisieren lassen. Diese Bilder gehen auf frühe Eindrücke und Erfahrungen Boschs zurück und wurden nun von seiner Einbildungskraft aus den dunklen Tiefen des Geistes hervorgetrieben. Bildlich vorstellen ließe sich dieser Vorgang als eine durchsichtige Waschmaschine, in die man bunte Spielmarken hineinwirft, um dem potentiellen Käufer die Bewegung des Wassers sichtbar zu machen; mit jeder Trommeldrehung tauchen sie in immer neuen Kombinationen auf und ab und wieder auf. In ähnlicher Weise erreichten die Bilder, die in vielen zeitgenössischen Erklärungsversuchen für das Böse auftauchten, den Geist des Künstlers in einer unvorstellbaren Anzahl von Kombinationen, was die Vielfältigkeit der auf den Altarflügeln dargestellten Verhaltensweisen erklärt. In der Musik würde man das Ergebnis als eine “Musik” bezeichnen, die der Wind auf einer Äolsharfe spielt. Diese Musik mag chaotisch klingen, und doch sind die Saiten im Einklang gestimmt. So war auch der glühende Geist Boschs genaustens auf sein Thema abgestimmt. Er wusste wofür (den Dienst vor Gott) und wogegen (die Machenschaften des Teufels) er seinem Geist zu spielen erlaubte. Es gibt zweifelsohne Unklarheiten in den künstlerischen Äußerungen dieses Mannes und ich bin nicht unbedingt der Meinung, dass das Unklare immer tiefsinnig ist. Genausowenig würde ich sagen, dass der Geist, der sich gehen lässt, zu ebenso großartigen Äußerungen fähig ist wie der kontrollierte Geist. Ich möchte aber betonen, dass die Macht der Imagination unbegrenzt ist – daß sie nicht nur Bilder von einstmals Gesehenem und nun Verschwundenem heraufzubeschwören vermag, sondern auch Dinge zu erschaffen imstande ist, die niemals zuvor ein Menschenauge erblickt hat. Mode und Ansprüche einer Epoche entscheiden darüber, in welchem Maß der Künstler geltenden Regeln und Konventionen folgt. Vor Bildern, die nur bekannte Dinge neu abbilden, stellt sich leicht ein Kontakt zwischen dem Geist des Künstlers und dem des Betrachters her. Die daraus resultierende Befriedigung ist beidseitig: Der Künstler ist zufrieden, weil er verstanden wird, der Betrachter, weil er versteht. Dagegen läßt sich zum wahrhaft kreativen Künstler nur schwer eine Brücke schlagen. Der Weg von Geist zu Geist ist hier kein geschlossener Kreis, sondern ein offener. Denn der kreative Künstler strebt nicht nur, die eigenen geistigen Prozesse in seinen Bildern sichtbar zu machen, sondern versucht auch, diese Prozesse im Kopf des Betrachters hervorzurufen. In den Worten A.C. Bradleys (der sich hierbei auf Lyrik bezieht): “Das Besondere an der [erfinderischen] Imagination ist nicht, bewusste Ideen in Bilder zu übersetzen, sondern vielmehr halbbewusst eine Grundlage zu schaffen, von der der [Betrachter] dann nach eigenem Willen Ideen ableiten kann.” Diese Grundlage schuf Bosch mit unvorstellbarer Energie. Es bleibt dem Betrachter überlassen, nicht der Absicht des Malers nachzuspüren, sondern sich von dem in seinem eigenen Geist ausgelösten Wunderwerk überwältigen zu lassen. Robert Marijnissen lud den Leser seines Buches über Bosch dazu ein, die Bilder einfach zu genießen. Nie vergaß er zu betonen, dass der Künstler ein “geborener Maler” war. Bosch stellte die Ängste seiner Zeit aus, derer wir viele noch heute kennen. Doch sollten wir uns neben der Anerkennung seiner Botschaft vor allem darauf konzentrieren, den Künstler zu feiern und unsere Kräfte nicht ausschließlich an den Rätseln seines Werks verschwenden.

150.

96. Rogier van der Weyden, Tript ychon von St. Columba, Köln: Die Anbetung der Könige, ca. 1455,

Öl auf Holz, 138 x 153 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München

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Bosch 1450-1516 : Anmerkungen Kapitel I: Erklärungen verschiedener Studien von Bosch

9

Da wir uns den Triptychen “Garten der Lüste” und “Heuwagen” im

1

So zitiert in “Art treasures…”, Text von Harry B., Seite 22.

zweiten Kapitel mit großer Aufmerksamkeit widmen werden, ist es

2

“[Philipp] erhielt sie von verschiedenen Quellen. Einige erbte er von

wichtig, auf die Verwirrung um deren Datierung hinzuweisen. Nach de

seinem Vater Karl V, der 1516, in Boschs Todesjahr, 16 Jahre alt war. In

Tolnay, der sich auf die Untersuchungen von Baldass beruft, “…

der Tat hätte Karl Bosch sehr gut persönlich kennen können, denn

überbietet die Vollendung der Bildtechnik nicht nur den “Heuwagen”,

Malines, wo Karl lebte, und Boschs Heimatstadt ‘s-Hertogenbosch sind

sondern auch die “Versuchung” von Lissabon, und kündigt in ihren

weniger als 130 km voneinander entfernt. Philipp erstand sechs

Schattierungen bereits die letzte Schaffensphase des Künstlers an. Man

Boschbilder von Felipe de Guevaras Witwe und Sohn, einem Höfling

liegt nicht falsch, wenn man sie um etwa 1500 datiert.” (De Tolnay, S.

Kaiser Karls und Autor der “Communitarias de la Pintura”. Das

67, Fußnote 69). De Tolnays Nachfolger Jacques Combe folgte dieser

“Epiphanie”-Triptychon, nach Max J. Friedländer Boschs Meisterwerk,

vorgeschlagenen Chronologie. Wir müssen darauf hinweisen, dass die

beschlagnahmte Philipp von einem aufständischen niederländischen

jüngsten Untersuchungen (z.B. die von Jos Koldeweji, der sich auf die

Bürger. Andererseits wurden wohl mindestens vier Boschbilder beim

wissenschaftliche Datierung von Bernard Vermet beruft) diesen

Brand des Pradopalastes 1604 vernichtet und andere mit großer

Beobachtungen widerspricht.

Wahrscheinlichkeit im Jahr 1734 beim Brand von Alcazar. Das meisterhafte Triptychon mit der “Versuchung des heiligen Antonius”,

Kapitel II: Die Interpretation von Fränger

heute im Museum von Lissabon, soll Spanien als ein Geschenk der 1

Wilhelm Frängers “The Millenium…”

2

Diese Haupttriptychen werden – Frängers Besprechung folgend – noch

spanischen Königsfamilie verlassen haben. Die Werke dieses rätselhaften Malers, die in Spanien überlebt haben, waren erläutert. wahrscheinlich unter den dreizehn Gemälden, die Philip 1574 nach 3 Escorial schickte” (Art Treasures, 21). 3

Anschluss an diese voreingenommene Studie so systematisch

Übersetzung von de Tolnays französischer Übertragung des spanischen

missverstanden worden wie “Das Jahrtausend” [so wurde das Werk von

Siguença-Textes (Fray Joseph de Siguença, Third Part of…), 76, Fußnote 9. 4

5

Fränger betitelt, der die Ansicht vertrat, dass die Mitteltafel die

Names and Armorial…, Von Pichart übersetzter Titel, Archives des arts…, Band 1, 268. Der Historiker Jan Mosmans behauptet, Boschs Geburtstag auf den 2.

Fränger kommentierte: “Kein anderes von Boschs Werken ist im

idealisierte Daseinsweise im neuen Jahrtausend darstellte]. 4

Zitiert nach Combe

5

Fränger, 21. In dieser Übersetzung von Frängers Buch wird das

Oktober 1453 datieren zu können: “Der Geburtstag des Hieronymus

Cambrai-Protokoll nicht erwähnt.

Bosch”,…6

7

8

Übersetzung der niederländischen Anmerkung aus dem in Punkt 4 erwähnten Register, nach de Tolnay: J. Mosmans, De…

Kapitel III: Fränger und darüber hinaus

Der Name Bosch ist ein Diminutiv des niederländischen Namens

1

‘s-Hertogenbosch. Der französische Name der Stadt ist Bois-le-Duc.

“Der Heilige Johannes von Pathmos” (…), wiederabgedruckt in: W.

Dieses Material wurde im Laufe der letzten Jahre weiter untersucht und

Fränger…, herausgegeben von Reuterswärd. Frängers spätere Artikel, die

kürzlich von Roger Marijnissen zusammengestellt. Hieronymus’ Vater,

in diesem Kapitel diskutiert werden, sind in dem gleichen Werk erneut

drei Onkel und ein Bruder waren alle in den Familienregistern als Maler

veröffentlicht. Die folgenden Zitate stammen aus jener Quelle und nicht

aufgeführt, und sein Neffe war Holzschnitzer. Boschs Vater Anthonius,

aus den Ersterscheinungen; wobei ich aber weiterhin Fränger als Autor

der fünf Kinder hatte, darunter zwei Mädchen, kaufte ein Steinhaus auf

nenne (und nicht den Herausgeber Reuterswärd). Wenn die Zitate aus

dem Bossche Markt im Herzen der Stadt und zahlte dieses in neun

der Original-Frängerstudie nahe an denen von Reuterswärd sind, werde

Jahren ab, was auf einen gewissen Wohlstand hindeutet. Der in den

ich den Wortlaut des Herausgebers (mit der Angabe Chicago) neben die

Registern auftauchende Hinweis, dass Hieronymus Güter für seine

Originalstudie (d.h. neben ihre erste Übersetzung) setzen.

Ehefrau verkaufte, verweist auch bei ihr auf einen gewissen Wohlstand.

152.

Fränger enthüllte den Namen des “Großen Meisters” in seinem Artikel

2

D. Bax…

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Kapitel IV: Eine prosaischere Perspektive 1

8

Sol oder Schwefel wurde oft als König dargestellt und Luna, oder

Diese wirklichkeitsgetreue Abbildung von Natur (wie sie in der

Quecksilber, als Königin. Sie war “…die blonde weiße Frau, die mit dem

flämischen Kunst des 15. Jahrhunderts vorherrschte), diente nicht dazu,

rötlichen Mann verheiratet” war (Read, 19, zitiert von Norton, in dem

Natur um ihrer selbst Willen darzustellen (wie in der italienischen

Ordinall of Alchimy, der 1477 von jenem englischen Alchimisten

Kunst des Cinquecento). Dies unterstreicht auch den hier von mir

verfasst wurde).

vertretenen Standpunkt, dass die italienische Kunst visuell eher den

9

Alchimisten wurden oft “Söhne des Hermes” genannt, wegen ihrer

Erscheinungen der Natur entsprach als die nordische. Mit der

angeblichen Abstammung von Hermes Trismegistos (der dreimal

Wirklichkeitstreue wollten die Flamen die spirituelle Wirkung steigern.

Größte), der griechische Name für den ägyptischen Gott Thot. Dies erklärt die Bezeichnung “Hermetische Kunst” für Alchemie.

Kapitel V: Der Heilige Antonius und der Teufel

10

In einer Abhandlung über die Darstellung der Temperamente in der

1

W. Fränger…

Kunst erklärt Panofsky, dass in Einzeldarstellungen der Sanguiniker als

2

So übersetzt von Robert T. Meyer (aus: L.v…) In den nachfolgenden

Falkner dargestellt wurde, der in der Luft durch Wolken und Sterne

Zitaten aus diesem Werk werden die Seitenzahlen im laufenden Text

streift; der Choleriker wurde als Krieger abgebildet, der einen Hocker

eingefügt.

und sein Schwert schwingt und durch das Feuer geht. Der

3

Der vorige Absatz wurde frei übersetzt von Mâle, S. 195-199.

Melancholiker wurde folgendermaßen dargestellt: als “alter freudloser

4

Jameson hielt daran fest, dass dies der Grund für das Glockenläuten bei

Geizkragen, der auf festem Boden steht. An einer von Münzen

Donner war: “…damit die bösen Geister und Dämonen durcheinan-

bedeckten Kasse gelehnt, ruht sein Kopf traurig auf seiner rechten

dergebracht, in die Flucht geschlagen und nicht mehr vom Sturm

Hand, während er mit seiner Linken die Geldbörse an seinem Gürtel

begünstigt werden”. So war auch das Glockenläuten bei einem Todesfall

festhält” (159). Der Phlegmatiker ist ein dicker alter Mann, der in

nicht nur ein Aufruf, für den Verstorbenen zu beten, sondern ein

einem

Mittel, um die den Toten umkreisenden Dämonen zu verjagen, die sich

handlungsreichen Darstellungen dieser vier Typen wurden ver-

seiner Seele bemächtigen oder ihn zumindest daran hindern wollten, in

schiedene, ursprünglich mit Lastern verbundene Szenen benutzt. Zum

den Himmel zu kommen.

Beispiel stellten die nach Überfluss Strebenden den Sanguiniker dar;

Das Schwarze Buch war eine alte Quelle der Hexerei und soll auf

der Mann, der aus Wut seine Frau schlägt und tritt, stand für den

Salomon zurückgehen. Es beinhaltet Kapitel, die die für einen Zauberer

Choleriker und der düstere, schläfrige Faule für den Melancholiker.

und seinen Lehrling erforderlichen Eigenschaften beschreiben - die

Dieser wurde oft entweder als einzelner Mann und Frau oder

richtige Kleidung und Ausrüstung, welche neben den bereits genannten

zusammen über einer unfertigen Arbeit schlafend gezeigt. Manchmal

Dingen aus Messer, Nadel oder Stichel bestehen konnte, sowie Feuer,

“wurde dem trägen Paar ein Eremit als bescheidenes Symbol des

Parfüm, unbeschriebenem Pergament,einem Federhalter und Tinte oder

Studiums und der Einsamkeit gegenübergestellt”.

5

Wasserbecken

steht

und

den

Rosenkranz

betet.

In

Blut zum Schreiben. Es gab verwirrend viele Kreise mit unzähligen Gesängen und Zaubersprüchen, ohne Angabe, welcher davon am

Kapitel VI: Das Lissabonner Triptychon

wirkungsvollsten war. Man vermutet, dass man dies nur durch

1

Ich habe mich dazu entschlossen, den Glauben an die Vielgestaltigkeit

Ausprobieren erfahren konnte. Das Schwarze Buch war in jenen

des Bösen, auf welche Bosch mit dem Lissabonner Triptychon vom

Jahrhunderten in ganz Europa verbreitet und viele Handabschriften

Heiligen Antonius angespielt haben könnte, zu einem Bericht

davon sollen sich heute in privaten europäischen Bibliotheken

zusammenzustellen, der verschiedene Studien wie z.B. die von Givry,

befinden (de Givry…).

Read, Panovsky und andere in der Bibliografie aufgeführte Titel

6

Von der Einleitung zum “Malleus Ma…”

zusammenfasst.

7

Hierzu war der Blasebalg sehr nützlich, der bestimmte Temperaturen

2

Panofsky unterstrich, dass die Fledermaus und der Hund, diebeide in

anzeigte. Er war auch das Symbol für einen Alchimisten, der als

Dürers “Melancholia” auftauchen, Tiere waren, die ursprünglich mit

Quacksalber galt, weil er nach Laune und eigener Fantasie handelte und

Schwermut verbunden wurden - die Fledermaus weil sie in dunklen,

nicht nach der immer gleichen Methode des wahren Kenners. Folglich

einsamen und gefürchteten (melancholischen) Orten hauste - und der

waren diese Quacksalber als “Aufbläher” bekannt und wurden mit

Hund, weil er einen schwermütigen Gesichtsausdruck hatte und der

einem Blasebalg verbildlicht.

Niedergeschlagenheit und dem Wahnsinn unterworfen war.

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Bosch 1450-1516: Bibliographie Art Treasures of the Prado Museum. Text Harry B. Wehle; Vorwort P. J. Sánchez Cantón. New York: Abrams, 1954.

Herausgegeben von Alfred K. Barr, Jr. New York: Museum of Modern Art/ Simon & Schuster, 1947.

AYMÈS, Clément A. Wertheim. Die Bildersprache des Hieronymus Bosch, dargestellt

FIERENS, Paul. Le Fantastique dans l’Art Flamande. Bruxelles: Cercle d’Art, 1947. FOURCAUD, Louis de Boussés de. Hieronymus van Aken dit Jerome Bosch. Paris: Beranger, 1912.

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Bosch 1450-1516: Liste der Abbildungen Seite 4 Unbekannter Maler, Bildnis des Hieronymus Bosch, ca. 1550, Rote und schwarze Kreide aus dem Arras-Codex, 41 x 28 cm, Stadtbibliothek Arras

Seite 18 Triptychon Garten der Lüste, geschlossen: Die Erschaf fung der Welt, Museo Nacional del Prado, Madrid Seite 20

Seite 6 Buchmalerei: Die Errschaf fung Evas, Stundenbuch von Loius d’Orléans, um 1490, Russische Nationalbibliothek, Sankt Petersburg

Die Anbetung der Könige, geschlossen: Die Messe des Heiligen Gregor, Bronchorst Bosschuyse Triptychon,

Museo Nacional del Prado, Madrid Seite 23

Seite 8

Mart yrium der Heiligen Julia, Triptychon mit Heiligem Antonius,

Das Steinschneiden, Öl auf Holz, 48 x 35 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

links, und Soldat, von einem Mönch geführt, rechts, Öl auf Holz, 104 x 119 cm. Palazzo Ducale, Venedig

Seite 9

Seite 24-25

Das Steinschneiden, Detail, Öl auf Holz, 48 x 35 cm, Museo del Prado, Madrid

Der Gaukler, Öl auf Holz, 53 x 65 cm, Stadtmuseum, Saint-Germain-en-Laye

Seite 10

Seite 26

Die Sieben Todsünden, Öl auf Holz, 120 x 150 cm,

Der Heuwagen, Triptychon, Ölgemälde, 140 x 200 cm, geöffnet:

Museo Nacional del Prado, Madrid

links: Eden oder Paradies; Mitte: Heuwagen; rechts: Hölle. Monasterio de San Lorenzo, Escorial

Seite 13 Die Sieben Todsünden, Detail, Öl auf Holz, 120 x 150 cm,

Museo Nacional del Prado, Madrid

Seite 27 Paradies oder Eden aus dem Heuwagen, Detail der linken Seitentafel, Museo Nacional del Prado, Madrid

Seite 13 Die Sieben Todsünden, Detail, Öl auf Holz, 120 x 150 cm,

Seite 28

Museo Nacional del Prado, Madrid

Vertreibung aus dem Paradies aus dem Heuwagen, Detail der linken

Seitentafel, Museo Nacional del Prado, Madrid Seite 13 Die Sieben Todsünden, Detail, Öl auf Holz, 120 x 150 cm,

Seite 29

Museo Nacional del Prado, Madrid

Die Erbsünde aus dem Heuwagen, Detail der linken Seitentafel,

Museo Nacional del Prado, Madrid Seite 14

156.

Die sieben Todsünden umhüllt vom Erdball,

Seite 31

Öl auf Holz, 86 x 56 cm, Stiftung der Bildenden Künste, Genf

Gott, Adam und Eva im Paradies aus dem Heuwagen,

Seite 15 Bosch oder Schüler, Konzert in einem Ei, 1550-1575, Öl auf Leinwand, 108,5 x 126,5 cm, Musée des Beaux-Arts, Lille

Seite 32-33 Der Garten der Lüste, Triptychon, 220 x 390 cm, geöffnet: links: Das Paradies; Mitte: Der Garten; rechts: Die Hölle, Museo Nacional del Prado, Madrid,

Seite 17

Seite 35

Der Tod des Geizhalses, Detail, Seitenflügel, um 1485-1490, Öl auf Holz, 92,6 x 30,8 cm, National Gallery of Art, Washington, Soll über dem Bett Philipps II, im Escorial zur Zeit seines Todes gehangen haben; heute vermutet man darin den Teil eines Altarbildes

Die Hölle, Detail, rechte Seitentafel des Gartens der Lüste,

Detail der linken Seitentafel, Museo Nacional del Prado, Madrid

220 x 390 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid Seite 36 Die Hölle, Detail, rechte Seitentafel des Gartens der Lüste,

220 x 390 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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Seite 37

Seite 56

Die Hölle, Detail, rechte Seitentafel des Gartens der Lüste,

Johannes auf Patmos, Detail, geschlossener Flügel des Altarbildes aus der Liebf rauenbruderschaf t, 1504-1505,

220 x 390 cm. Museo Nacional del Prado, Madrid

Öl auf Holz, 48,2 x 34,5 x 17 cm, Gemäldegalerie, Berlin Seite 38 Paradies oder Eden, linke Seitentafel des Gartens der Lüste,

Seite 58

Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

Johannes auf Patmos, Detail, geschlossener Flügel des Altarbildes aus der Liebf rauenbruderschaf t, 1504-1505,

Seite 39

Öl auf Holz, 48,2 x 34,5 x 17 cm, Gemäldegalerie, Berlin

Paradies oder Eden, Detail, linke Seitentafel des Garten der Lüste,

Seite 59

Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

Johannes auf Patmos, Detail, geschlossener Flügel des Altarbildes aus der Liebf rauenbruderschaf t, 1504-1505,

Seite 40

Öl auf Holz, 48,2 x 34,5 x 17 cm, Gemäldegalerie, Berlin

Paradies oder Eden, Detail, linke Seitentafel des Garten der Lüste,

Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid Seite 41

Seite 60 Triptychon Das Jüngste Gericht, geschlossenes Altarbild, Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste, Wien

Paradies oder Eden, Detail, linke Seitentafel des Garten der Lüste,

Öl auf Holz, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid Seite 42 Mitteltafel des Garten der Lüste, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

Seite 61 Triptychon Das Jüngste Gericht, Groenige Museum, Brügge Seite 62 Die Versuchung des Heiligen Antonius, geschlossenes Altarbild, Öl auf Holz

131 x 238 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon Seite 44-45 Mitteltafel des Garten der Lüste, Detail, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid Seite 47 Die Mitteltafel des Garten der Lüste, Detail, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid

Seite 64-65 Die Anbetung der Könige, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Seite 67 Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse

Seite 48 Johannes der Täufer.

Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Öl auf Holz, 48,5 x 40 cm, Lazáro Galdiano Museum, Madrid Seite 68 Seite 50

Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse

Johannes auf Patmos, Flügel des Altarbildes aus der

Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Liebfrauenbruderschaft, 1504-1505, Öl auf Holz, 63 x 45,5 cm, Gemäldegalerie, Berlin

Seite 69 Seite 51 Boymans-van-Beuningen Museum, Rotterdam

Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Seite 53

Seite 70

Die Versuchung des Heiligen Antonius, um 1490,

Die Anbetung der Könige, Detail,

Öl auf Holz, 70 x 51 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

Die Hochzeit zu Kana, um 1561, Öl auf Holz, 93 x 72 cm,

Seite 54-55 Das Jüngste Gericht, um 1482, 163,7 x 127 x 247 cm, Das Paradies, Das Jüngste Gericht, Die Hölle. Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien

Seite 71 Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon,

Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid 157.

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Seite 72

Seite 91

Die Anbetung der Könige,

Kreuzigung mit Stif ter, um 1483, Öl auf Holz, 70,5 x 59 cm,

Tempera und Öl auf Holz, 71,1 x 56,5 cm, Metropolitan Museum of Art, New York

Musées royaux des Beaux Arts de Belgique, Brüssel

Seite 75 Die Anbetung der Könige, Detail, Tempera und Öl auf Holz,

71,1 x 56,5 cm, Metropolitan Museum of Art, New York Seite 76 Die Anbetung der Könige, Detail, Tempera und Öl auf Holz,

Seite 92 Michiel Sittow, (Schüler von Hans Memling in Brügge), Christus auf dem Kreuzweg. Öl auf Holz, 37,5 x 29,5 cm, Puschkin-Museum der Bildenden Künste, Moskau Seite 95 Mitteltafel des Heuwagens, Museo Nacional del Prado, Madrid

71,1 x 56,5 cm, Metropolitan Museum of Art, New York Seite 78

Seite 96 Mitteltafel des Heuwagens, Detail, Museo Nacional del Prado, Madrid

Auf fahrt der Seligen ins Himmlische Paradies, 1500-1504,

Öl auf Holz, erste und zweite von vier Tafeln im Tryptichon Visionen aus dem Jenseits,jeweils 87 x 40 cm,

Palazzo Ducale, Venedig Seite 79 Auf fahrt der Seligen ins Himmlische Paradies, 1500-1504,

Öl auf Holz, dritte und vierte von vier Tafeln im Tryptichon

Seite 98 Das Triptychon Die Eremiten: der Heilige Hieronymus, der Heilige Antonius, der Heilige Gilles, Palazzo Ducale, Venedig Seite 99 Triptychon Die Prüfungen Hiobs, Tafeln: der Heilige Antonius und der Heilige Hieronymus, Groenige Museum, Brügge

Visionen aus dem Jenseits, jeweils 87 x 40 cm, Palazzo Ducale, Venedig

Seite 80 Christus mit Dornenkrone, Öl auf Holz, 73,7 x 58,7 cm, National Gallery, London

Seite 82 Christus trägt das Kreuz, 1510-1535, Öl auf Holz, 76,7 x 83,5 cm,

Palacio Real, Madrid

Seite 100 Hubert und Jan van Eyck, Triptychon Das Lamm Gottes, 1427-1432, Öl auf Holz, 375 x 320 cm, Kathedrale Sankt Bavon, Gent Seite 102-103 Rogier van der Weyden, Das Jüngste Gericht, Öl auf Holz, übertragen auf Leinwand, Hôtel-Dieu Museum, Beaune

Seite 83 Ecce Homo, 1485-1490, Öl auf Holz, 52 x 53,9 cm,

Museum of Art, Philadelphia Seite 85

Seite 105 Hubert und Jan van Eyck, Triptychon Das Lamm Gottes, 1427-1432. Öl auf Holz, 375 x 320 cm, geschlossen, Kathedrale Sankt Bavon, Gent

Ecce Homo, Öl auf Holz, 71,1 x 60,5 cm,

Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main Seite 86

Seite 106 Triptychon Die Prüfungen Hiobs, geschlossen, Groenige Museum, Brügge

Christus trägt das Kreuz, Seitenflügel, Öl auf Holz, 150 x 94 cm,

Palacio Real, Madrid Seite 88

Seite 108-109 Hans Memling, Das Jüngste Gericht, ca. 1466-1471, Öl auf Holz, 120-160 cm, Museum Naradove, Danzig

Heiliger Christophorus, Öl auf Holz, 113 x 71,5 cm,

Museum Boymans-van-Beuningen, Rotterdam Seite 89 Quentin Metsys, Ecce Homo, um 1515, Öl auf Holz, 160 x 120 cm, Museo del Prado, Madrid

Seite 111 Hans Memling, Das Jüngste Gericht, Mitteltafel Seite 112-113 Pieter Bruegel der Ältere (1528-1269), Der Triumph des Todes, Öl auf Holz, Museo Nacional del Prado, Madrid

Seite 90 Christus mit Dornenkrone, um 1510-1515,

Öl auf Holz, 163 x 191 cm, Museum der Bildenden Künste, Valencia 158.

Seite 114 Ansicht des geschlossenen Triptychons Der Heuwagen, Öl auf Holz, 140 x 200 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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Seite 117 Detail des geschlossenen Heuwagens, Öl auf Holz, 140 x 200 cm, Museo del Prado, Madrid Seite 118 Der Vagabund, 71 x 70,6 cm,

Museum Boymans-van-Beuningen, Rotterdam

Seite 137 Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm,

Museum der Bildenden Künste, Lissabon Seite 138 Der linke Flügel des Altarbildes

Seite 120

Die Versuchung des Heiligen Antonius,

Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitteltafel, Öl auf Holz,

Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm,

131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Seite 122-123 Geöffnetes Triptychon, Die Versuchung des Heiligen Antonius, Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon

Seite 141 Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius,

Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Seite 125

Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitteltafel, Detail,

Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon Seite 126-127 Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitteltafel, Detail,

Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Seite 142 Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail,

Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon Seite 143

Seite 128

Der linke Flügel des Altarbildes

Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitte, Detail,

Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail,

Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm,

Seite 129 Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitte, Detail,

Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Museum der Bildenden Künste, Lissabon Seite 144 Der linke Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail,

Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Seite 131

Museum der Schönen Künste, Lissabon

Die Versuchung des Heiligen Antonius, Mitte, Detail,

Öl auf Holz, 131 x 238 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon Seite 132 Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Schönen Künste, Lissabon

Seite 146-147 Jan Mandyn, Landschaf t mit einer Szene aus der Legende vom Heiligen Christophorus, Öl auf Holz, 71 x 98,5 cm,

Eremitage, Sankt Petersburg Seite 148 Dieric Bouts, Hölle, Rechte Seitentafel des Triptychonsdas

Seite 133 Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon Seite 134 Der rechte Flügel des Altarbildes Die Versuchung des Heiligen Antonius, Detail, Öl auf Holz, 113,5 x 53 cm, Museum der Bildenden Künste, Lissabon

Jüngste Gericht, 1470, Öl auf Holz, 116 x 71 cm,

Musée du Louvre, Paris Seite 151 Rogier van der Weyden, Tript ychon von St. Columba, Köln: Die Anbetung der Könige, ca. 1455, Öl auf Holz, 138 x 153 cm,

Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München 159.

Sammlung Großer Meister:

Virginia Pitts

REMBERT

Hieronymus Bosch Virginia Pitts Rembert wurde in Alabama (USA) geboren, wo sie auch aufwuchs. Sie wurde von der Universität von Columbia in den Schönen Künsten und an der Universität von Wisconsin in Kunstgeschichte diplomiert. Sie promovierte in Kunstgeschichte und Archäologie. Sie unterrichtete an den Universitäten von Alabama in Birmingham, der Universität Arkansas in Little Rock und der Universität Alabama in Tuscaloosa, wo sie heute als emeritierte Professorin tätig ist. Als Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Artikel beteiligte sie sich an unzähligen Veranstaltungen zu ihrem Spezialgebiet: die moderne Kunst und die abstrakte Kunst in Europa und Amerika, unter besonderer Berücksichtigung von Mondrian, seines Einflusses und seiner Wirkung. Zur Zeit lebt Virginia Pitts Rembert in New York zusammen mit ihrem Mann, dem Künstler Raeford Liles, der bei Fernand Léger Malerei und darstellende Kunst in Paris studiert hat. Neben Buchpublikationen und Veröffentlichungen von Aufsätzen zur Kunst arbeitet sie auch als Kunstfotografin: ihre Sammlung "Riverseries" über den Hudson wurde in der Kunstgalerie Cabaniss in Alabama und in der Sosinski Galerie in New York ausgestellt.

Paul Cézanne Marc Chagall Lucas Cranach Salvador Dalí Paul Gauguin Francisco Goya Wassily Kandinsky Gustav Klimt Amedeo Modigliani Pablo Picasso Harmensz van Rijn Rembrandt Auguste Renoir Auguste Rodin Peter Paul Rubens Egon Schiele J.M.W. Turner Anthonis van Dyck Vincent van Gogh Andy Warhol James McNeill Whistler

Umschlag: Die Mitteltafel des Garten der Lüste, Detail, 220 x 390 cm, Museo del Prado, Madrid Rückseite: Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid Christus mit Dornenkrone, Öl auf Holz, 73,7 x 58,7 cm, The National Gallery, London Die Anbetung der Könige, Detail, Bronchorst Bosschuyse Triptychon, Öl auf Holz, 138 x 72 x 144 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

H

ieronymus Bosch, der um 1450 im niederländischen 's-Hertogenbosch geboren wurde, gehört zu den Künstlern, deren Werke den Kunsthistorikern bis heute Rätsel aufgeben. Bosch lebte in einer Zeit, die vom Aufkommen der Devotio Moderna und dem bürgerlichen Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert geprägt war. In dieser Zeit des Umbruchs und Wertewandels suchte Bosch über die Symbolik seiner geheimnisvoll-surrealen Bildwelten dem Menschen eine Orientierung an die Hand zu geben. So arbeitete er in sein Werk einen deutlich moralisierenden Aspekt ein, was eine für die damalige Zeit neuartige Profanikonografie bedeutete. In beinahe allen seinen Bildern lassen sich darin eingebettete christlich-religiöse Allegorien erkennen, die Bosch als Anspielungen auf Versuchungen, Todsünden und Höllenstrafen darstellte. Bis heute erscheinen die Bilder Boschs dem Betrachter als kryptisch, widersprüchlich und düster-grotesk. Die Kunsthistorikerin Virginia Pitts Rembert nähert sich diesen aus einem neuen Blickwinkel, und zeigt so eine weitere Dimension des Werkes Boschs auf.

Hieronymus

BOSCH

Claude Monet

Hieronymus

BOSCH