Herodot-Studien: Beiträge Zum Verständnis der Einheit des Geschichtswerkes 3110051818, 9783110051810

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Herodot-Studien: Beiträge Zum Verständnis der Einheit des Geschichtswerkes
 3110051818,  9783110051810

Table of contents :
Vorwort......Page 5
Inhalt......Page 7
Einleitung......Page 9
Zu den Partien der athenischen und spartanischen Vorgeschichte in den Büchern 1, 5 und 6......Page 15
Die politische Aktivität der Alkmeoniden und die sogenannte Schlacht um Leipshydrion......Page 38
Die Errichtung der athenischen Demokratie unter Kleisthenes und ihre Folgen für das Verhältnis von Athen und Sparta zueinander innerhalb der Gesamtdarstellung von Herodots Bericht......Page 54
Der Exkurs über Miltiades' Schicksal nach Marathon und die Funktion des sogenannten Allaneonidenexkurses......Page 103
Die griechischen Tyrannen an der Donaubrücke......Page 119
Zur Grundkonzeption der Historien......Page 145
Der Gebrauch von αἰτίη bei Herodot......Page 147
Zur Funktion der "ersten Kapitel" im Werk Herodots.......Page 172
Zum Abschluß des Werkes......Page 201
Schlußwort......Page 229
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis.......Page 233
Herodot-Stellen-Index......Page 239
Griechische Begriffe......Page 243
Eigennamen......Page 244
Griechische Autoren......Page 249

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Hans-Friedrich Bornitz

Herodot-Studien Beiträge zum Verständnis der Einheit des Geschichtswerks

Walter de Gruyter & Co. vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung• J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

Berlin 1968

18 Exemplare dieser Arbeit liegen als Hamburger Dissertation vor unter dem Titel ,.Interpretationen einiger ausgewählter Exkurse im Geschichtswerk des Herodot",

An:hiv-Nr. 36 67 671 (D 1967 by Walter de Gruyter & Co., vormal• G. J. Göschen'sche Verlagshandlung Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trilbner - Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany

J. Guttentag,

Ohne ausdrUclr.UcheGenehmigung des Verlages Ist es nicbt gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Milr.rolr.opie)zu vervielfältigen. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen vorbehalten, Schreibaatz: Walter de Gruyter & Co

Meinen Eltern Gotthard und Elisabeth Bornitz zum 23. 10. 1966 in Dankbarkeit gewidmet

Vorwort Vorliegende Arbeit stellt eine geringfügige Bearbeitung meiner Hamburger Dissertation dar, die auf Gedanken aufbaut, die ich bei meiner Staatsexamensarbeit (Hamburg 1962)gewonnen hatte. Ich möchte allen meinen akademischen Lehrern danken, die ich während meiner Studienzeit in Göttingen (S. S. 1956-W. S. 1957). Würzburg (S. S. 1957) und in Hamburg (W. S. 1957-S. S. 1962; und danach neben meiner Arbeit am Lexikon des frühgriech. Epos des Thesaurus Linguae Graecae bis Herbst 1965) gehört habe. Mein besonderer Dank gilt meinem Lehrer Herrn Prof. Dr. H. Erbse (jetzt Tübingen). der mich zu dieser Arbeit anregte.

Hamburg

1966

H-F.

Bornitz

Inhalt Einleitung

........................................

Teil I Zu den Partien Vorgeschichte

1

der athenischen und spartanischen in den Büchern 1, 5 und 6 • • . • . • . • • . • • •

7

Die dreimalige Tyrannis der Peisistratiden in der Darstellung Herodots . • • . . . . . . • . • . . . . . • . . . • . . • • . . . •

19

Die politische Aktivität der Alkmeoniden und die sogenannte Schlacht um Leipshydrion . . •••••. •••. •. . •

30

Die Errichtung der athenischen Demokratie unter Kleisthenes und ihre Folgen für das Verhältnis von Athen und Sparta zueinander innerhalb der Gesamtdarstellung von Herodots Bericht . . . . • . . • . . . . . • . • . . . •

46

Der Exkurs über Miltiades' Schicksal nach Marathon und die Funktion des sogenannten Alkmeonidenexkurses

95

Teil II Die ionisch-griechischen Stadtherren an der Donaubrücke und die Beziehungen zwischen dem Skythenzug des Dareios und dem Zug des Xerxes gegen Hellas

111

Die griechischen

......

113

••. . . . . . . . . . . •. . •

137

Tyrannen

Teil III Zur Grundkonzeption

an der Donaubrücke

der Historien

Der Gebrauch

von aL't\.T) bei Herodot

Zur Funktion

der "ersten

Zum Abschluß

Kapitel"

. . . ••. . . ••. . . . .

im Werk Herodots

des Werkes.........................

139 164

193

Schlußwort

•. . .. ••. •. . . . . . .. •••••. •. . . . . . . . . . . . . . .

2 21

Literatur-

und Abkürzungsverzeichnis

225

Register Herodot-Stellen-Index.

••.••. . •. . •. . . .

. . . . .. . . . .•. •. .. ..•. . . . . . . . .

231

Griechische

Begriffe

•. . . . . . ••. . . . . •. . . . . . . . . . . . . . •

23 5

Eigennamen

. . . . . . . . •. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 6

Griechische

Autoren

241

. •. . . . . •. . ••. . . . . . . . . . . . . . . . . .

Einleitung

Vorliegende Arbeit geht von den für die Beschäftigung mit Herodot grundlegenden Untersuchungen F.Jacobys (RE Suppl.lI, 1913, 20552.0) aus, die die Literatur zu unserem Autor in den letzten fünfzig Jahren wesentlich bestimmt haben. Wenn dabei die kritische Auseinandersetzung zu "i,iberwiegen scheint, so möchte ich vorweg betonen, daß ohne die umfangreichen Arbeiten J acobys zu Herodot auch diese meine Untersuchungen nicht möglich gewesen wären. Jacoby ging davon aus, daß Herodot nicht von vornherein die Absicht gehabt habe, eine historische Darstellung zu geben, sondern als Ethnograph und Geograph eine Fülle interessanten Materials gesammelt habe. Erst im hohen Alter - kurz vor Ausbruch des peloponnesischen Krieges - habe er dann in verhältnismäßig kurzer Zeit die zum Teil abgeschlosseine im Inhalt so diversen Einzelarbeiten, sene Vorträge bildeten (RE 361) zu dem uns überlieferten Werk zusammengestellt, wobei die Frage offenbleibt, ob der letzte Teil überhaupt vollendet ist. Durch die Unmöglichkeit, die Fülle seiner Stoffsammlungen geradlinig einem erst später erdachten Grundgedanken, dem Gedanken vom Kampf der Hellenen und Barbaren, einzuordnen, habe er sich gezwungen gesehen, eigens für dieses Werk eine Exkurstechnik zu entwickeln, die es erlaubt, den im Inhalt vom Hauptplan abweichenden Stoff an geeigneten und ebenso an ungeeigne ten Stellen ''anzubringen''. Diese Technik charakterisierte Jacoby als mechanische "Arbeit mit der Schere" und behauptete (RE 361: 382/3), daß man auch jetzt diese Partien ohne Gefährdung des Gesamtzusammenhangs herauslösen könnte. Aus den Nahtstellen, an denen Exkurse eingelegt wurden - nach Jacoby meist ohne notwendige innere Verbindung - leitete er im besonderen seine gesamte Entstehungstheorie, seine Quellenanalyse, seine Interpretation und Beurteilung der Historien ab. Diese Thesen - die sich in zahlreichen Einzelfragen auch auf Beobachtungen im Herodot- Kommentar von H. Stein stützten - führten

2

Thesen

zur Exkurstechnik

dann zu Untersuchungen wie von W. Aly (Volksmärchen, Sage, Novelle), in denen Herodots Werk zu einer Rahmenerzählung erklärt wird, in der zahlreiche ältere und neuere Erzählungen ohne inneren Zusammenhalt zusammengestellt seien, und in neuerer Zeit zu dem wonach Herodot Aufsatz von E. Howaldt (Geschichtsschreibung), innerhalb des sehr lose gefügten Rahmens des Persergeschehens allerlei von ihm gesammelte Geschichten kritiklos zusammeng~stellt habe und dabei ganz bewußt auf einheitliche Maßstäbe und auf Durchgestaltung verzichtet habe. Auch Schmid in der Literaturgeschichte spricht z.B. von der "sehr gewaltsamen Art der Verpakkung11der athenischen Vorgeschichte im ersten Buch und Leskys Formulierungen in seiner Literaturgeschichte, wo er immer wie11 11 der Einlage" und "einlegen (S. 341, 344) gebraucht, wo etwa der ganze Alkmeoniden-Exkurs als "Anhang 11(S. 345) bezeichnet wird 11 und von "eingestreuten Novellen (S. 350) die Rede ist, zeigen deutlich die Nachwirkungen der Thesen Jacobys in der heutigen Herodotliteratur. Auch der neueste Herodot-Artikel im 11Lexikon der Alten Welt 11von W. Burkert folgt in der Gesamtbeurteilung - besonders der Quellenanalyse und Exkurstheorie - den Thesen J acobys. Andererseits haben seit dem grundsätzlich neue Wege fordernden Aufsatz von Regenbogen (Antike 6) eine ganze Reihe von Einzelarbeiten1 neue Sichtweisen für das Verständnis Herodots eröffnet. Dabei wurde besonders deutlich, daß eine der Hauptschwierigkeiten für das Verständnis von Herodots Historien in der uns ungewohnten Art seiner Darstellungsweise zu suchen ist. Während der 11moderne11Historiker aus der bunten Vielfalt des Gewebes der überlief erten Berichte bewußt einzelne Fäden herauslöst und einseitig nachverfolgt und s~inem Leser das Material unter einem möglichst geradlinig verlauf enden Grundgedanken und in chronologisch geordneter Reihenfolge kommentiert darbietet, finden wir in Herodots Darstellung den Versuch - der in der Denkweise seiner Zeit begründet sein mag - das Komplexe des Überlieferten auch in seiner ganzen Vielfalt dem Leser vor Augen zu führen nach dem Grundsatz des :\ Ey e:1.v :\e:yoµe:va:. So schreibt etwa Strasburger (I, 6): 11Pointen werden nicht erklärt, der Erzähler kommentiert sich nicht selbst und schränkt die eigenen Meinungsäußerungen auf ein Mindestmaß ein. Er setzt Ge-

'to:

1 Z.B. : Heilmann, Kroisoslogos; Herodot; Strasburger, tivation u. v. a. m.

I und II; Stahlenbrecher,

Mo-

Thesen

zur Exkurstechnik

3

danken in Aktionen um - wie in ihrer Weise auch Homer md Thukydides - vor allem auch Widersprüche. Da soll jeder aufpassen md sicher ist dies gerade ein Hauptvergnügen des älteren griechischen Publikums: die eigene Intelligenz als Hörer oder Leser zu genießen. 11 Weiter macht dann Strasburger darauf aufmerksam, daß auch die Vertauschung md die Inversionen von Ereignissen in der zeitlichen Reihenfolge dem damaligen_ Leser nichts Ungewohntes waren. Da sich ja auch (a. 0. }: 11 ••• die älteren Griechen beim Lesen durch beliebige Inversionen in der Laufricht'lmg der Schrift und in der Achsenstelltmg der Buchstaben nicht behindert gefühlt zu haben scheinen. 11 Inwieweit Herodot seine kommentierenden Hinweise für den Leser auf ein Mindestmaß von Andeutung reduzieren konnte, dafür gibt der Ephialtes-Verweis von 7,213 auf 7,226 ein gutes Beispiel (s. H. Erbse, Rhein.Mus. 98, 1955, 117-120). Diese Beobachtungen berechtigen zu der Frage, ob nicht diese unserem modernen linearen Denken nur schwer zugängliche Darstellungsart den bisherigen Interpreten der kritisierten Exkurspartien bei Herodot das Verständnis verstellt hat und ob nicht Herodot gerade in diesen Exkurspartien für das Gesamtwerk und seine Intention wesentliche Aussagen und Erkenntnisse verarbeitet hat. Sollte sich letzteres nachweisen lassen, müßte mser bisheriges Herodotbild in wesentlichen Punkten revidiert werden. In den folgenden Untersuchungen soll nm auf dem Wege der Interpretation der Frage nachgegangen werden, ob die in der Herodotliteratur seit Jacoby meist als unmotiviert kritisierten md angeblich nur überschüssiges und störendes Material einbringenden Exkurspartien bei Herodot ohne Störung des Gesamtzusammenhanges herauslösbar sind, oder ob sie an den Stellen, an denen sie jetzt stehen, eine für die Gesamtkonzeption wichtige, ja notwendige Funktion erfüllen. In diesem Zusammenhang wird aber auch die Frage nach dem Grundgedanken und der Gesamtkonzeption des Werkes neu überdacht werden müssen. Der erste Teil der Arbeit wird sich mit der Frage nach Einglieder'lmg, Funktion und Bedeutung der Partien über die athenische und spartanische Vorgeschichte, einschließlich des Alkmeonidenexkurses, bis zum ionischen Auf stand in den Büchern eins, fünf und sechs befassen. Gerade diese Partien sind in der Nachfolge Jacobys (z.B. bei Schmid und Burkert} als primär selbständige Berichte auf gefaßt worden, die in ihrer heutigen Aufteilung auf drei Bücher störend wir-

4

Thematik

der drei Teile

der Untersuchungen

ken. Da aber gerade diese Partien die sogenannte ''Griechenlinie'' der ersten Bücher darstellen, deren angebliche Schwäche - bzw. sogar gänzliche Leugnung - dazu verleitete, Herodots Historien als ursprüngliche 11Persika" zu verstehen, müssen wir ,ms folgende Fragen stellen: Gibt es einen von Herodot beabsichtigten inneren Zui;;ammenhang zwischen den Berichten über die athenische und spartanische Vorgeschichte oder stellen sie nur eine lose Aneinanderreih,mg von Einzelfakten dar. Ist aber ein Zusammenhang erkennbar, ,mter dem die Materialien geordnet und sinnvoll zusammengestellt sind, ergibt sich die weitere Frage, ob dieser innere Zusammenhang in irgendeine Bezieh,mg zu setzen ist zu der Darstellung der sogenannten Haupterzählimg von den Perserkriegen. Wenn aber ein einheitlicher Zusammenhang innerhalb der einzelnen Partien und eine feste Beziehung zur sogenannten Hauptlinie aufweisbar ist, muß die Frage beantwortet werden, ob die Aufteilung auf drei Bücher rein zufällig erfolgt ist, oder ob sich aus dieser Aufgliederung eine bewußte Kompositionsabsicht erkennen läßt. Dabei gilt es zugleich festzustellen, ob in den einzelnen Partien der Exkurse ein einheitliches Auswahl- oder Darstel lungsprinzip erkennbar wird, das sich auch in den Partien der Hauptlinie nachweisen läßt. Der zweite Teil der Arbeit wird darauf eingehen, ob die im er sten Teil erkannten Darstellimgstechniken und Motive, die einzelne kleine Situationen miteinander verbanden, auch in längeren Berich ten nachweisbar sind. Damit wird zugleich die Frage verbunden sein, ob der Bericht vom Skythenzug des Dareios als eine später eingegliederte selbständige Monographie verstanden werden darf, oder ob er von Herodot im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang. in dem er jetzt steht, konzipiert ist. Dazu soll ein Vergleich zwischen dem Skythenzug des Dareios und dem Hellaszug des Xerxes dienen. Der dritte Teil befaßt sich dann mit der Frage, ob die Historien in ihrer jetzigen Form unter einem einheitlichen Gnmdgedanken verfaßt sind, der sowohl in den ersten Büchern der Historien wie in den späteren Partien gleichermaßen nachzuweisen ist. Er gliedert sich in drei Unterteile: 1. Die Frage nach der Bedeutung des Begriffs a t,;t Tl bei Herodot. 2. Die Funktion der ersten Kapitel für das Gesamtwerk Herodots und 3. Wie sind die als echter Schluß angezwei-

Thematik

5

der drei TeHe der Untersuchungen

f elten Kapitel am Ende von Herodots Werk vom Gesamtwerk her zu

verstehen, wobei auch kurz die Funktion der Verfassungsdebatte 3. Buch erörtert werden soll.

im

Teil I Zu den Partien

der athenischen und spartanischen in den Büchern 1, 5 und 6

Vorgeschichte

Die athenische

Vorgeschichte

im 5. , 6. und 1. Buch

In der Mitte des sogenannten zweiten Exkursesl über die Vorgeschichte Athens findet sich das bedeutsame Bekenntnis Herodots zur Staatsform der Demokratie, wie sie sich ihm nach den kleisthenischen Reformen darstellte 2 : 5, 78 'A-&nvatoL µe:v vuv T}Ü,TJV"to• ÖTJA.Otöl. ou xa-c' i:v µoü,, '\' 1 , , ' , ' c,: vov aAAU naV"tax~,c,: TJ LOTJYOPLTJ WS EO"tL xp.,µa onou 6 aLOV, , ' , • , .). '6 ,.,_ ,.,_ , EL KaL A-&T)VULOL "tUpaVVEUOµEVOL µ~V OU aµwV "twV O~EUS , .I ' ,, , , , '\'\ c.• nEpLOLKEOV"tWV qoav "ta TIOAEµLa aµEtVOUS, anaAAUXvEV"tES öt "tup&vvwv µaxpw npw"toL lye:vov"to. ÖTJA.Ot~v "taO"ta 5"tL , .). lc.' , ' ÖEOTIO"tU , , r• Xa"tEXOµEVOL µ~v EvE,-OKaXEOV WS Epya~oµEVOL, f r 6.\ f .\ V 1 ,-,_' r EAEU-&EpW-&EV"tWV ~ aU"tuS EKao-cos EWU't~ npoE-&UµEE"tO Ka"tEpy&i;Eo-&aL. "Athen war nun also groß geworden. Es ist aber offensichtlich, daß die Gleichheit ( i.mnop t TJ ) nicht allein in einer, sondern in jeglicher Weise etwas Erstrebenswertes ist; wenn die Athener tmter der Tyrannenherrschaft zwar keinem einzigen ihrer Nachbarn im Krieg überlegen waren, aber nach der Befreiung von den Tyrannen bei weitem die ersten waren ( lye:vov"to ). Es ist dies also offensichtlich, daß sie zwar als Unterdrückte ( xa"tEXOµEVOL ) für einen Zwingherren willentlich schlecht arbeiteten, als sie aber befreit waren. ein jeder von ihnen für sich selbst bereitwillig zu wirken begehrte. 11 Dieses Kapitel stellt einen deutlichen Einschnitt in der Darstellung der Vorgeschichte Athens ciar 3 . Es faßt nicht nur die Kapitel seit dem Stw."z der Peisistratiden 5, 66, 14 zusammen, eine Auffassung, die durch die wörtliche Wiederaufnahme zunächst nahegelegt werden könnte 5, sondern es greüt noch weiter zurück auf die Zustände zur Zeit der Peisistratidenherrschaft, die hier von Herodot der augenblicklichen Lage der Stadt vergleichend _gegenübergestellt

1 S. Jacoby, RE Sp. 390, 23 f. u. die Tabelle Sp. 309, wo c. 5, 78 unter "e" als Unterexkurs eines Exkurses eingeordnet ist. 2 Zur Bedeutung von tcrnyoptn bei Herodots. V.Ehrenberg a.O. Sp. 293-301; G. Vlastos a. 0. 337 ff. : H. Apffel, Verfassungsdebatte S. 60 u. 61 m. Anm. 1 u. S. 77 m.Anm.1; H. Ryffel, Metabole S. 23 Anm. 70, S. 71 Anm. 209, S. 74 Anm. 216 gegen die Anm. 216 bei Ryffel fasse ich das xa,:' lv u. 1tav1:ax1!1 nicht lokal, sondern modal auf, s. auch Powell, Lexi.con s. v. 1tav1:ax1!1 nr. 4 3 Auch stilistisch zeichnet es sich durch die parallele Satzgestaltung: on>.ot ö! ön>.ot ~v ••• besondersaus. 4 5, 66, 1: 'A~f'lvaL loücraL Kat nptv µe:ylr>..aL, ,:6,:e: anaUax~e:tcraL ,:uplrvvwv iylvovi:o µlCove:~. 5 So Stein im Kommentar zu 5, 78; uod HuW z. St.

w~ ...

w~...

9

10

Die athenische

Vorgeschichte

im 5.,

6. und 1. Buch

werden. Auf der einen Seite eine in relativ kurzer Zeit zur Machtentfaltung gelangte Bürgerschaft, die soeben (5, 77, 2) an einem einzigen Tag zwei beachtliche Siege 6 über die gemeinsam operierenden Challdder und Böoter errungen hat, und auf der anderen die Bürger mter den Peisistratiden, die Herodot mit xcnEx6µEvot. und i-&EAOXO'.XEOV ••• &pya:C6µEvo1. charakterisiert. Aber ist diese Gegenüberstellung hier überhaupt begründet? Stein 7 verneint dies, indem er erldärt: "Das Argument wäre zutreffend, wenn die Peisistratiden mit ihren Nachbarn Kriege geführt hätten und ohne Erfolg: wovon nichts bekannt ist", auch Huw8 wenden gegen die Darstellung ein: "Herodotus does less than justice to the Pisistratid tyranny. But its successes were diplomatic rather than military, and Herodotus' statements (cf. 66, 1) are comperative. Pisistratos, n o d o u b t , laid the foundation of the Athenian Empire 119 • Diese zunächst berechtigt scheinenden Einwände der Kommentatoren zeigen, daß die v~rgleichende Gegenüberstellung, die Herodot 5, 78 vornimmt, aus dem Zusammenhang von 5, 55-78 allein nicht zu verstehen ist. Es wird vielmehr vorausgesetzt, daß dem Leser über 3 volle Bücher hinweg 10 - die herodoteische Darstellung der Peisistratoszeit aus dem ersten Buch gegenwärtig ist ! 1, 59, 1 erfuhr Kroisos auf der Suche nach geeigneten hellenischen Bundesgenossen: .ö µtv 'A •• t.xov xa:.Ex6µEvov •E xa:t 61., , o.' ' ,\ , EOTIO:OµEVOV ETIUVvO:VE•O ul. KpOLOO~ UTiu ITEt.Ot.O•PO:•OU •OÜ 'Innoxpa.E:o~ .oü.ov .ov xp6vov .~pa:vvE:uov.o~ 'A-&~va:twv. Dem [-&vo~ XO:•Ex6µEVOV (1, 59, 1) entspricht XO:•Ex6µEVO~ (5, 78), um also die Gegenüberstellung in 5, 78 nachvollziehen zu können, gilt es zunächst zu erkennen, wie Herodot die Peisistratidenzeit verstanden wissen wollte. Sehen wir uns darauf hin die Darstellung bei Herodot im ersten Buch an. Peisistratos ist für Herodots Auffassung ein von Geburt an ''gezeich-

6 Allein von den Böotem wurden 700 gefangen genommen und sehr viele ( xo:p.a: M. noHo!ic;; ) getötet. Auch die Tatsache, daß man in Olalkis 4000 attische Kleruchen ansiedeln konnte, erweist die völlige Niederlage der Oialkider. 7 Kommentar z. St. 8 Kommentar z. St. 9 Kommentar Appendix XVI§§ 5-8 (Sperrung von mir). 10 Drei Bücher nach der heutigen Einteilung

11

Peisistratos

neter lVIann". Seinem Vater Hippokrates 11, der als Privatmann und Zuschauer bei den olympischen Spielen weilte, war durch ein Wtmder beim Opier und ·durch dessen Deutung durch den La.kedaimonier Chilon geraten worden, entweder keine fruchtbare Frau zu ehelichen, oder, falls er eine habe, sich von dieser zu scheiden - wenn er aber bereits einen Sohn habe, sich von diesem loszusagen. Hippokrates ist nicht bereit diesen Malmungen Folge zu leisten - und kurz darauf wird ihm Peisistratos geboren. 12 Qme Übergang schließt Herodot an die Mißachtung der Wunderdeutung und die darauf erfolgte Geburt unmittelbar als bezeichnendes Charakteristikum für Peisistratos an: "Er sann auf die Gewaltherrschaft" (1, 59, 3:Ka'ta..xµEwvtöat. 5, 62, 2 wird das AXxµEwvt6a1., das nach dem Genetivus absolutus den Hauptsatz einleitet, wieder aufgenommen). Dagegen sind die Emigration, die militärischen Rückkehrversuche und Niederlagen, wie auch die Befestigung von Leipshydrion - wenn überhaupt eine zeitliche Anordnung möglich ist - eher vor diesem Zeitpunkt anzusetzen. 65 Dabei stellt sich die Frage nach der sogenannten Schlacht von Leipshydrion (oder auch "Putsch" s. Wilamowitz, A. u. A. I 34) in der Darstellung Herodots. Wir haben nur zwei Berichte über dieses Ereignis und eine für diese Frage belanglose Erwähnung bei Aristophanes. 66 Sehen wir uns kurz den Text der beiden Berichte bei Herodot 5, 62 und Aristoteles, Ath. Pol. 19, 3 an: Herodot 5, 62: 'AA¾µEwvt 60: L, yt vo ..a:sKO:L.t'jv ÖT)µoxpa:'ttT)v'A&T)va:lOLOLKO:'tO:O'tDOO:So

50

Die kleis_thenischen

Reformen

und das Verhältnis

von Athen und :::iparta

er - ebenso wie Isagoras - zuvor nicht als politischen Faktor geachtet hatte (5, 69, 2: wc;yap 6~ ,;ov 'A&nvo..twv c5fjµov np6,;e:pov cmwcrµEVOV 't6'te: 7tQ;V'tW(;••• 7tpOcre:-&~x.cx'to).Während die Einrlchtllllg der Demokratie selbst als Faktum HerodotE volles Lob findet, weist er aber auch andererseits in der parallelgestalteten Figur des Mannes aus Sikyon die latenten negativen Momente auf, die den Anlaß zu dieser politischen Tat bilden. Es ist das übersteigerte persönliche Machtstreben, das Herodot im Gesamtwerk an den großen Herrschergestalten - besonders bei hat, Kroisos, Karnbyses, Xerxes - als negativ herausgearbeitet das alle weiteren Entwicklungen - wie hier der Stadt Athen - von vornherein mit einer schweren Hypothek belastet. In dieser indirekten Beurteilung des Kleisthenes aus Athen trennt Herodot ganz bewußt zwischen politischer Absicht und faktischer historischer Wirkung. 93 Herodot hatte ( 5, 69, 1) nur herausgestellt, daß der jüngere Kleisthenes den älteren Namens-Vorfahr in dem Faktum der Phylenänderung nachahmte ( Eµ1.µfimno ). Diese Darstellungstechnik - Motivzusammenhänge durch tmkommentiertes Nebeneinanderordnen zu verdeutlichen -, die man vielleicht als 11Folientechnik 11 bezeichnen könnte, hat ihre Vorgänger in den mythischen Exempla des Epos (Phoinixrede der Ilias) wie auch in der dramatischen Technik. Auch dort wird das eine Geschehen erzählt, um ein anderes unausgesprochen zu erläutern. Gerade die Variation des Mythos im Drama setzt ja immer voraus, daß man das "ursprüngliche Geschehen", den traditionellen Mythos, bereits kennt, um in der Differenzierung zur neuen Gestaltung auch die neue Aussage fassen zu können. Doch das entscheidend Neue bei Herodot liegt darin, daß er als Historiker nicht mehr das mythische Exemplum zur ''Folie" des zu gestaltenden Geschehens heranzieht, sondern beides, "Folie" und 11Ereignis 11 dem stofflich gleichzeitig erst zu erschließenden Bereich des "Historischen" entnimmt, und beide miteinander in Beziehung setzt. Dies ist um so schwieriger, da Herodot ja auf nichts "Bekanntes" zurückweisen, auf nichts bereits vor ihm Dargestelltes verweisen kann. Hier wird zum ersten Mal die Möglichkeit erkannt, aus der Gegenüberstellung vergleichbarer historischer Ereignisse Kriterien für geschichtliche Vorgänge und Prozesse zu gewinnen. 93 Diese Unterscheidung zwischen eigentlicher Absicht und bewirktem realen Geschehen nimmt Herodot ebenso im Urteil des Kroisos über die Tat des Adrast (1, 45) und über das Handeln des Histiaios (s. u. S. 124) vor!

Kleomenes.,

Isagoras

51

Durch die Auflösung der alten Phylenordnung droht der Oligarchie unter Isagoras der Verlust der Vormachtstellung in Athen tmd so greift I sagoras zu einem Gegenmittel ( 5, 7 0, 1: o:v n -i; EXv ä -i; a:1. ), er ruft die Militärmacht Sparta zu Hilfe. Zunächst müssen die Alkmeoniden wegen einer alten Blutschuld außer Landes gehen, dann werden weitere 700 Familien vom Adel vertrieben. Doch als Isagoras und Kleomenes versuchen, den Bürgerrat aufzulösen und einen Adelsrat von 300 Leuten einzusetzen, erhebt sich das Volk und zwingt Kleomenes mit Isagoras Athen zu verlassen. Auch diese Vorgänge bedürfen einer genaueren Betrachtung, da auch hier dem Herodot Ungenauigkeiten zugeschrieben werden, die offensichtlich darauf zurückzuführen sind, daß man die Ftmktion scheinbar unbedeutender Zufügtmgen nicht berücksichtigt hat. Zur Frage des Zeitpunkts, da die kleisthenischen Reformen einsetzen, sagen E, Meyer (GdA III 740 u. Anm. 1): 11Aristoteles folgt im wesentlichen Herodot, setzt aber wohl mit Recht die kleistheni sehen Reformen erst unter.Isagoras' Archontat 508/7 ... nicht wie Herodot vor Kleomenes' Intervention 11 und Wilamowitz (A. u. A. II 77 Anm. 8, vgl. o. S. 40 Anm. 77 ): "Die Zeitrechnung und die Verknüpfung der Ereignisse gestatten beide nicht, Kleisthenes vor dem Jahre des Isagoras die demokratische Phylenreform durchführen zu lassen ... Bei Aristoteles steht es richtig; man müßte es aber auch ohne ihn finden!'' Dies aber widerspricht den in sich konsequenten Berichten bei Herodot: 1.) Vertreibung der Peisistratiden 2.) Machtkämpfe in den politischen Gruppen des Adels a) Isagoras' Einfluß gewinnt in der Aristokratie die Oberhand b) Kleisthenes wehrt sich dagegen mit den Reformen, die das Volk politisch aktivieren und auf seine Seite bringen. 3.) Isagoras sieht sich und den Adel in die Minorität gedrängt und bittet Kleomenes von Sparta um Hilfe. 4.) Die Alkmeoniden müssen unter Mordanklage außer Landes gehen. 5. ) Trotz der militärischen Hilfe aus Sparta ist der Demos durch die Ratsversammlung ( ~1ou;>...fi) stark genug, sich der von Sparta eingesetzten provisorischen Adelsregierung zu widersetzen. Volksaufstand gegen den Adel und die Spartaner, 6. ) Vertreibung des Isagoras und Kleomenes, • Rückrufung der Alkmeoniden. Wenn die Anfänge der ldeisthenischen Reformen entgegen Herodot aber nach des Kleomenes Intervention, d. h. nach Erhebung der

52

Die kleisthenischen

Reformen

und das Verhältnis

von Athen und Sparta

Mordklage durch den spartanischen König, anzusetzen wären, lfilter dem Archontat des Isagoras, dann hätte Isagoras diese Reformen einführen müssen, da die Alkmeoniden unter Mordanklage außer Landes waren. Da sich diese Reformen aber nach Herodot eindeutig gegen die Vorherrschaft des Adels unter Isagoras richten, wäre eine .solche Annahme widersinnig. Werden die Reformen indessen erst nach der Rückkehr der Alkmeoniden eingeführt, dann befindet sich Isagoras bereits nicht mehr in der Stadt, da er mit Kleomenos vorher vertrieben wird. Zumindest die Ansätze der kleisthenischen Reformen müssen vor der Intervention des Kleomenes liegen, sonst gäbe es keinen ersieht liehen Grund, warum sich der Demos so intensiv gegen Isagoras lfild Kleomenes für die Alkmeoniden engagiert haben sollte, wenn er nicht von dieser Familie eine Stärkung der eigenen politischen Institution erwartet hätte. Ebenso bliebe unerfindlich, wie Kl.eisthenes sich gegen die Adelsmehrheit stellen konnte und auch die Intervention des Kleomenes bliebe völlig unmotiviert. Erst die Stärktmg des Demos und das Zerschlagen der einflußreichen Geschlechter verbände brachten den Adel in Bedrängnis. Wie aber kommt es dazu, daß man (z.B. E. Meyer) die bei Herodot in sich völlig folgerichtige Darstellung in Frage stellt? E. Meyer geht in seinem Urteil offensichtlich von der Herodot widersprechenden Voraussetzung aus, daß bereits der mit Hilfe von Delphi inaugurierte Sturz der Tyrannis von Seiten der Alkmeoniden als erster Schritt einer demokratischen Verfassungsreform eingeplant war. Es wird gegen unsere Quelle vorausgesetzt, daß die Gegner der Tyrannis bereits in "Demokraten" lfilter den lfilter Isagoras aufgeAlkmeoniden l.md ''Oligarchen-Aristokraten'' spalten sind. 94 Dann folgert man weiter, Sparta habe wider Willen die Peisistratiden gestürzt, doch zu gl e i eh die ihrer politischen Vorstellung adäquaten Oligarchen unter Isagoras in den Sattel gehoben, weil ihnen die demokratischen Bestrebungen der Alkmeoniden zu verdächtig sind. So schreibt E. Meyer (Gd.A III 740): weil Kleomenes "den alten seiAdel (sc. unterstützte), mochte er auch mit den Peisistratiden 94 S. E. Meyer, GdA lli 740: "Er (Kleisthenes) griff zu der alten Politik seines Hauses zurück und trat an die Spitze des Demos. " Möglicherweise geht diese These von der Vorstellung aus, daß die Auseinandersetzungen um Kylon bereits vom "demokratischen Geist" der Familie zeugten. Dies ist aber falsch, da auch die Aristokratie in ihren Vorrechten durch die Tyrannis beschränkt wurde. So wendet man sich notwendig gegen jede Tyrannis, die nicht die eigene Familie zur Macht bringt. Das

Kleomenes,

Isagoras

53

nen Frieden gemacht haben. Durch eine aristokratische Restauration konnte er hoffen, Athen im Fahrwasser der spartanischen Politik festzuhalten. 11 Dem steht aber entgegen, daß das Geschlecht der Alkmeoniden in aristokratischer Herkunft und oligarchischer Politik dem des Isagoras und seiner Freunde in der Darstelltmg Herodots keineswegs nachsteht. Herodot betont ausdrücklich (5, 66), daß Kleisthenes nach dem Sturz der Peisistratiden und erst nachdem er in den Machtkämpfen innerhalb der Oligarchie zu unterliegen drohte 5, 70, 1), das zuvor mißachtete Volk von diesem ( cooo!>µe:vo~ Zeitpunkt an (5, 69, 2 öf'iµov np6'te:pov &nwoµf:vov 't6-te:) politisierte. Dies geschieht aber zu einem Zeitpunkt, da Kleomenes bereits nicht mehr in Athen weilt. Vorher aber gab es außer vielleicht persönlichen Gründen keinen Anlaß für Kleomenes, in die inneren Machtkämpfe Athens einzugreüen und Isagoras zur Herrschaft zu verhelfen. Persönliche Gründe scheint Berve 95 vorauszusetzen, wenn er schreibt, Kleomenes "war nicht gewillt, jenem selbstherrlichen Geschlecht die Leitung des Gemeinwesens zu überlassen. Vielmehr begünstigte er seinen Gastfreund Isagoras, einen adligen Herrn, auf dessen Willfährigkeit er meinte zählen zu können .•. 11• Auch hier wird ein Eingreifen in die athenische Politik durch Kleomenes unmittelbar nach dem Sturz der Peisistratiden postuliert, wovon Herodot nicht schreibt. Bei Herodot greüt Kleomenes erst in dem Augenblick wieder in die Innenpolitik Athens ein, als ihn Isagoras, dessen Gastfretmd er bei der Belagerung der Peisistratiden (5, 70, 1) geworden war, darum ersucht! Zunächst erhebt Kleomenes durch einen Boten (5, 70, 2 xf'i) Mordanklage gegen die Alkmeoniden und ihren Anhang, inpu~ sofern sie von der alten Blutschuld beim Kylon-Aufstand betroffen sind. Die Alkmeoniden sind faktisch noch immer mit dieser ungesühnten Schuld belastet (5, 70, 2 ol µEv yo:p 'A7'.xµe:wvtöa:1. • , r: , r: , XO:I. 01. 0UO't0:01.w'tO:I. O:U'twV E: XOV 0:1.'tl.~V 't0 o ~0V0U öl O:U'tous(Kylon und seinen Anhang) 'tOU'tOV , 5, 71, 2 ..>,,' nµtv 'tOÜ't6 ca'tL Oü nE:pLOn'ttov, ytvos 't0 Eüpuo~tvi;oc:; YE:VCO'~OLc~f.tT]A.OV. Erst als er sich von seiner ersten Frau nicht scheiden lassen will. Jetzt wird deutlich, wie bewußt Herodot das 1tata~uµL'r1 so betont an den Anfang gestellt hat, sonst wäre die Weigenmg des Königs gegenüber der legalen Fordenmg der Ephoren nicht verständlich! Das Wissen um diese "Rechtsvoraussetzungen" bei Kleomenes ist wichtig, wenn man Herodots negative Zeichnung dieses Königs verstehen will. Es gibt auch den Intrigen

Spartas

69

Könige

Zu gleicher Zeit gebar aber ebenfalls die erste und von Anaxandrides höher geschätzte Frau; md zwar nicht nur einen Sohn, wie Herodot durch die ausführliche Schilderung der Geburtsszene unter Staatsaufsicht130hervorhebt, sondern drei: Leonidas den Thermopylenkämpfer; Kleombrotos, den späteren König und Vater des bedeutenden Pausanias und als ersten den Dorieus. 5, 42-48 schließt Herodot nun die Geschichte dieses "Erstgeborenen" als "Exkurs in einem Exkurs" 131 an. Auf den ersten Blick scheint es eine reine stoffliche Zugabe zu sein. Sie ist aber von Herodot unter einem eigenen Gesichtspunkt gestaltet worden, der den Bericht thematisch mit der Gesamtkonzeption verbindet. Dorieus gehört zu den "ausgezeichneten" Gestalten, schon die Umstände seiner Geburt waren "besonders" - er ist eigentlich ein "verhinderter" Erstgeborener und Thronerbe. Von Natur ist er mit den besten Gaben ausgestattet ( 5, 42, 1 o 6 t tiwp l.Eu..aayi.x.oO !öv lto-&e:vts )", aber die treibende Kraft bei der staatlichen Entwicklung bildet der hellenische Anteil. Sie setzen ihre Sprache durch und nach Herodots eigener Ansicht (a. 0. lµoi.ye: 6ox.b: 1. ). wäre das pelasgische Volk ohne die Vermischung niemals zu Bedeutung gelangt. Aus der Mischung beider Volkselemente aber erwächst aus kleinen Anfängen eine größe&no 0µ1.xpoü 'tE:O 'tT)V 0:PXT)Vopµwµe:vov re Macht (a. 0.: ). AndieserStellewird a:Ü~l")'ta:1.Eatou ), wird durch irtL-&uµlTJ eingeleitet. Der Dareioszug steht so für den aufmerksamen Leser von Anbeginn unter einem negativen Vorzeichen!

w~

116

Der Skythenzug

des Dareios

dem es ist eine erst durch die eigene - d. h. persische - Eroberungspolitik angeeignete, angemaßte Rache; derm die Meder hatten selbst die S~en wieder vertrieben (4, 4: OV'tWS o t 1:xC,-&a:1. 't"S 'tE 'Aotns ~p~a:v xa:t t~e:Aao~lV'tES a:O'tl.S vnö M~6wv XQ'.'t~A-&ov'tpbn~ 'tOI.O(,'t~ ls 'tnv o~e:'tlpnv) und dafür wollte nun noch emmal der Perser Dareios Rache nehmen (a.O. 'twv 6t e:'Cve:,rn b tiape:tos 'te:tcmo~a:1. ßouA6µe:vos). Schon diese Fornnilierungen zeigen, daß Herodot den Leser auf die Fragwürdigkeit dieses Kriegsgrundes hinweisen möchte. Es wäre durchaus verfehlt, hier anzunehmen, daß Herodot diesen "unhistorischen Kriegsgrund (Jacoby, RE 433, 63 ff.) "als das von ihm akzeptierte wirkliche Motiv des Dareios hätte hinstellen wollen! 10 Dareios läßt sich durch die Vorhaltungen seines Bruders Artabanos über die "Unwegsamkeit" (4, 83: lrnoptn ) des Skythenlandes 11 nicht von dem geplanten Heereszug abbringen. Er zieht über den Bosporos (4, 89) und gelangt nach Unterwerfung der thraldschen Stämme - besonders der Geten - an die von der ionischen Flotte inzwischen errichtete Donaubrücke. Dareios überquert die Brücke (4, 97) samt der ionischen Flottenmannschaft und befiehlt mm, diese Brücke abzureißen! Er hatte also nach Herodots Bericht n i eh t die Absicht, über dieselbe Brücke auch den Rückzug zu nehmen, l 2 Erst in diesem Augenblick warnt ihn ein Grieche, der offenbar die skythische Landes- und Volksnatur kennt, sich diesen Rückweg selbst abzuschneiden. Koes, Sohn des Erxandros, Führer der mytilenischen Flotte, der ( 5, 11) nach geglückter Heimkehr dafür mit der Tyrannis über Mytilene beschenkt wird, ist der eigentliche Vater des ''Brückenwache-Gedankens'', den Dareios dankbar befolgt. Aber daß Dareios auch jetzt diese Brücke wirklich nur als einen "Notausgang" ansieht, den er im Normalfall nicht zu benutzen beabsichtigt, zeigt sich daran, daß er (4, 98) dem Wachtrupp der ionischen Flotte an der Brücke eine Schnur mit 60 Knoten übergibt (4, 98, 1 cmb:ctiac;äµµa'ta l~fixovi;a r.v lµo:v,;1, ). von denen sie Jeden Tag einen lösen sollen (4, 98, 2: AUE'te: ö:µµa tv lxac'tTJ.TJaL6xwpoL ) auf, während die Skythen selbst ja die einladenden Gastgeber dieses Treffens sind - und nicht aufgezählt zu werden brauchen!

118

Der Skythenzug

des Dareios

greüen (4. 125,5: O\J'tE 1tpöc; aXKfi'V t'tp6:1tO'V'tO t1t1.Xa-&6µe:"Vot ,;e: -r~c; 6:1te:1.X'i'jc; Ecpe:vyo'V). damit aber wird eine bisher erhoffte Entscheidungsschlacht für die Skythen endgültig unmöglich! Dies in der Kriegsführung der Skythen. Er wird wird der Wendepunkt von Herodot deutlich gekennzeichnet durch eingelegte direkte Reden, die der Boten des Dareios, die (4. 126) eine offene Schlacht oder die freiwillige Unterwerfung fordern, und die ablehnende Antwort der Skythen (4. 127). Die Skythen über die offene Aufforderung zur Unterwerfung erbost (4. 128, 1 opy~c; t1tXfia-lJT)aa'V)fassen nun den neuen Plan, Dareios' Heer im lande einzuschließen und allmählich auszuhungern. Um ihn aber einschließen zu können, muß man ihm den Rückweg ab schneiden und so schickt man eine Gesandtschaft an die ionische Brükkenwache (4,128, 2} und lockt auch die Perser nicht mehr hinter sich her, sondern überfällt deren verpflegungssuchende Trupps (4, 128, 2 ar-ra &:va1.pe:011e:vovc; ). Bei diesem Plan verwenden die Skythen eine folgerichtige Taktik (4, 130, 1). die, weil der Zusammenhang nicht beachtet wurde, Kritik ausgelöst hat. 14 Man überläßt den Persern ab und zu einige Herden, damit sie von trügerischer Hoffnung verführt länger im Lande bleiben und den Zug nicht zu früh aufgeben (4,130, 1 !va no:paµb101..e:v 'tE l1tl 1tXe:w xp6vov lv ,;~ ~K v-& 1.. K~ • • • ) . Wenn Wesseling ( s. Stein z. St. ) dazu meint, dies widerspreche doch der Absicht der Skythen, dann hat er aus der Darstellung bei Herodot nicht erkannt, daß der neue Plan der Skythen zwei aufeinander abgestimmte und sich ergänzende Teile hat. Das ''.Aushungern'' setzt die Abriegelung des Rückweges voraus. Da man es aber wed~r wagen kann, den Persern in einem offenen Kampf den Rückzug zu verlegen, noch mit Gewalt die ionische Flotte zum Abbruch der Brücke zwingen kann, solange das persische Heer noch kampfstark ist, und man zwischen zwei Fronten geraten könnte, ist es tatsächlich der beste Plan, der bei geringstem Aufvvand den größten Erfolg verspricht, die Perser im Inland solange hinzuhalten, bis die 60 Tage Frist für die ionische Brückenwache verstrichen ist und die Brücke nach Abzug der Ioner unbewacht zurückbleibt. Daß Herodot den Plan der Skythen in diesem Sinn verstanden und in sei ner Darstellung folgerichtig zum Ausdruck gebracht hat, zeigt (4, 133) die Rede der skythischen Abordnung an die Brückenwache der Ioner. Die Skythen kennen genau die abgemachte Frist und so wollen sie 14 Wesseling bei Stein z. St.: Scytharum valde miror institutem. Persas comrneatu inter• cludere volunt; et pecora illis abigenda relinquunt; quae utique consilio non respondent.

Pläne

119

der Skythen

·sich für ihren eigenen Plan vergewissern, ob die Ioner sich an die "Av6pq; "Iwve:~, Übereinkunft mit Dareios halten werden (4,133 EAEU%e:p(~v uµrv ~KOµE\I 'EPO\l~ES, ~\/ nEp ye: t%E11.n~e: tv.e:l11.aa%aL uµrv iaaKOUEL\I. nuv%av6µe:%a yap 6ape:rov b~~Kov~a ~µEpa~ µouva~ ,poup~aav~a~ ~~v yE,upav, aÖ.J. , , , , , '\'\, ~OU µ,, napaye:voµEVOU E\I •OU~~ ~w XPOV~, anannaaae:av~L I .J. C , ~ W\I 1' 1 ~ ~a~E Ji;: N I l. ' E~ ••1\1 UµE~Epnv. \IU\I uµe:L~ nOLEu\l~E~ EK~uS µsv EOEO%E npo~ EKe:tvou at.(n~, EK•O~ OE npo~ nµEW\I ' npoKe:Lµe:va~ , . , ' l. ! . • a~ nµe:pa~ napaµe: t vav.e:~ .ul. anu ~ou~ou ~

&na11.11.&aae:oße: •••

(l

).

Die Skythen verlangen in ihrer Rede also nichts von den Ionern, was sie bei Dareios in Ungnade bringen, was als strafbarer Ungehorsam ausgelegt werden könnte. Und die Skythen sind es, die die Ioner auf die Möglichkeit der so leicht verdienbaren Freiheit aufmerksam machen. Zugleich enthält der Abschluß der Rede eine leichte Warnung, daß die Skythen ein 1.IDI1ötigeslängeres Verweilen an der Brücke als ein Unrecht ansehen würden, aus dem sie die Folgerungen ziehen müßten. Die Tempora und der Inhalt der Rede zeigen, daß diese Gesandtschaft noch vor Ablauf der 60 Tage zur Brücke kam. Inzwischen ist die Not bei den Persern stetig gewachsen (4,131, 1 l'.ape:!6~ ~E tv o:noplr,J..~&tv,avvEx~AEL.ots q,l>..ous, µE~'Jv xcxt ßEpaf:cx, >..f:ywv Epavov avv~yELV!nC .o~s 'InnoöcxµEtcxs .,,s·Otvoµ~ov y~µous •• ou öt IlEpaf:ws ELn6v.os xat !~t .~ x&q,cx>..~ •l'IS ropy6vos obx &v.&pEtv, ncxp&~tv .~v >..01.n~v~-~aEv tnnovs, napi öt .ou IlEpaf:ws ob >..cxßiliv .o~s tnnovs, !nt.cxtE •l'IS ropy6vos xoµtCELV .~v KEq>cx>..~v.

6 Apollodor Bibl.

Ahl11

161

bei Herodot

.tes gibt nun vor, er wolle sich um Hippodamea bewerben und brauche dafür "Brautgeschenke". Die Freunde sind gern bereit, besonders Perseus, der auf diese Weise den Bewerber um seine Mutter loszuwerden hofft. Polydektes nimmt den Freunden das Versprechen ab, Brautgeschenke zuzusteuern. Perseus gibt leichtfertig sein Wort '' 'beim Haupte der Gorgo''! Als Polydektes darauf dringend ''Pferde'' ·fordert, kann Perseus diese nicht aufbringen. Doch da er durchsein Wort "beim Haupte der Gorgo" gebunden ist:, steht er gegenüber Polydektes in ''Schuld'' - entweder Pferde oder das Gorgonenhaupt zu besorgen. Eine andere Version berichtet, Perseus habe prahlend versprochen, das Haupt der Gorgo als Brautgeschenkt zu holen. 7 In jedem Fall steht Perseus in einer verpflichtenden Schuld, für deren ''Tilgtmg'' er haftet. 3, 139, 1 (uneingelöste Verpflichtung): Auch hier ist es für unsere moderne Vorstellung nicht einfach, sogleich den Kern der a l -ct TJ zu erfassen. Syloson, von seinem Bruder Polykrates aus Samos verbannt (3, 39). gelangt in das von den Persern besetzte Ägypten. Es gibt zu dieser Zeit zahlreiche Griechen dort als Kaufleute, Söldner und auch als Touristen (3,139, 1). Diesen Syloson "packt" (a. O. xa-ctAa[3e: ) ein Glücksfall. l\lI:itfeuerfarbigem Gewand ( XA.avt..oLcrL keinerlei gn.mdsätzliche, sondern nur eine okkasionel'tE 1i>..>..a le Bemerkung machen wollen. An sich hätte er wohl lieber gleich mit dem Kroisoslogos angefangen, ohne diese wenig ergiebigen mythologischen Weitschweifigkeiten .•• ": F. Dornseüf, Mythenerzählung, Anhang 2, S. 82-87, bes. 87: "Das sind doch alles griechische witzige Erfindungen ... Herodot selber meint: etwas Gewisses weiß man nicht, warum Ost und West aneinandergeraten sind, alles geht ja immer nach einer Weile schief ••. 11 und Dornseüf glaubt, Herodot habe hier nur satirische mythische Kritik üben wollen. nur be24 Erbse, a. 0. 220: " ... kann die nachdrückliche Hervorhebung der ahtn deuten: der Historiker erblickt sein Hauptverdienst darin, daß er ausfindig machte, "wo es losging". Er erzählt also nicht von irgendeinem Punkt an ( &µMh:v yc ••• ), wie es das Epos zu nm vorgab, auch nicht einfach h; &pxl'!!; , sondern er setzt bei derjenigen historischen Person ein, welche jene Auseinandersetzung ins Rollen brachte", und dazu noch Anm. 2: "daß dies Kroisos sei, mag uns nicht behagen. Herodot wünschte aber diese Auffassung und sorgte vor, daß sein Text widerspruchsfrei blieb ... ": 25 Es sei denn, man folgt der al'tlT}-Deunmg von Stahlenbrecher (a.O. ), der auf Grund seiner Interpretationen von der Syloson: Dareios Geschichte (3,139, 1) und der Kambyses: Amasis Episode (3, 1, l u. 3, 1, 5) zu der sehr weiten Bedeunmgserklärung von ahtri gelangt (a. 0. 38, 39, 42): "in Gang setzen" sei das Wesen der ahtri und (a. O. 43): " ..• etwas ist, was macht, daß ••• indem es in Gang setzt". Ich möchte betonen, daß ich dem, was Stahlenbrecher in seiner Arbeit über den "Erzählstil" bei Herodot erarbeitet hat, weitgehend zustimme - nur läßt sich dies keineswegs aus dem Gebrauch von al'tlT} ableiten! Zu der Bedeutung von ahtri s.o. S. 139-lC,3. 26 F. Altheim, Literatur und Gesellschaft, Band 2. S.159.

Die Einleitungskapitel

171

Sehen wir nns nnn die umstrittenen Kapitel nochmals in der Paraphrase an: Herodot 1, 1- 5. Ztn1ächst gibt Herodot hier nicht seine eigene Ansicht wieder, sondern was nach seinen Erkunchm.gen die A.oyL o L IIE:p crtwv be,haupten. Wer diese °A.6yL o L sind, mag zt.mächst dahingestellt bleiben. 27 Sie ganz zu leugnen und die ganze Partie als eine Fiktion "sophistischer Spielerei" hinzustellen28, ist solange nnerlaubt, ehe nicht der "sophistische Einfluß" bei Herodot eindeutig nachgewiesen ist und die Interpretation der fraglichen Kapitel wirldich keine andere Deutung zuläßt. Diese "persischen Geschichtskenner" erldären die Phöniker für schuldig an der 61.acpopfi . Ntn1 ist 61.acpopfi durchaus nicht gleichzusetzen mit einer "kriegerischen" Auseinandersetzung (so btoStein, wenn erz.St. sagt, ,;fj~ 61.acpopfj~ weiseauf AEµ,icrav zurück), sondern es bezeichnet die Tatsache "widersprechender Rechtsansprüche"29. Es gehört also wie a l-t t 11 in den Bereich der Rechtspflege. Diese Phöniker kamen als Einwanderer vom persischen Golf ans Mittelmeer tn1d bei ihren Handelsfahrten als Zwischenhändler kamen sie auch an den damals bedeutsamsten Handelsplatz des griechischen Festlandes nach Argos. Der Einschub (1, 1, 2) l:v 'ttj vüv 'EAAa:61. xaAe:oµEVlJ XWPlJ zeigt, daß diese Geschichte entweder von einem wirldich 11historischdenkenden1 1 erzählt wird, der nicht nur berichtet, damals war Argos in Hellas ... usw. , sondern auch weiß, damals hieß dieses Gebiet noch gar nicht Hellas! Oder aber der kritisch - korrigierende Zusatz stammt von Herodot selbst, der die ihm vorliegende Erzählung in gewissen Punkten "überarbeitet". Im ersten Fall müßte der zi-

27 Auf keinen Fall ist es erlaubt auf Grund der Erklärung für 1'.6yLo,; bei Hesych (s. v. ): b •l'lt; la.ophJ,; iµ1tupo,; aus den IIe:paf:wv 1'.6yLoL nun nur noch "Kenner der persischen Geschichte" zu machen, um so dann den Lyder Xanthos zum Af>yLO,; Ile:pcrf:wv zu erheben, so Altheim a. O. 165; ilm als möglichen Mittler zwischen den >..6yLOL IIe:paf:wv und Herodot anzusetzen, ist eine andere Frage. 28 Dornseiff a. 0. 87. 29 ÖLaq>opf) , erstmalig bei Herodot (s. Powell, Lexikons. v.; LSJ) 4 mal. Außer an unserer Stelle noch: 4, 23, 5: das friedliebende Volk der Agrippaier, sie gelten bei allen Nachbarn als heilige Priester, sie entscheiden in den Rechtshändeln der Nachbarn: .otcrL ne:pLoLxf:ouaL o~'tot daL ot 'td:,; ÖLaq>opd,; ÖLaLpf:ov.e:,; • • • , und bei ilmen findet jeder Flüchtling vor jedermann Asylrecht.

172

Die Einll'ilung,;kapill'l

tierte Erzähler nicht nur ein Kenner der persischen, sondern ebenso der hellenischen Vorgeschichte sein. Im zweiten Fall, wenn es Herodot selbst ist, der hier in den ihm vorliegenden Bericht korrigierende Zusätze e:i.nfügt30, müssen wir uns fragen, warum er diese Zusätze anbringt. Diese Phoiniker rauben die Tochter des Königs Inachos von Arges, Io. Wieder tmterbricht ein Einschub die Darstellung: Io, es ist derselbe Name, ~en ihr auch die Griechen geben also auch hier ist der Korrektor ein Kenner der griechischen Sagengeschichte. Sie führen die gefangene Königstochter mit nach Ägypten. Wieder folgt ein klärender Einschub: so sei nach der Erzähltmg der Perser die Io nach Ägypten gekommen - nicht so, wie die Griechen es erzählen! Diese Entführung sei die erste Untat gewesen. Darauf hätten irgendwelche ( 'EAAf)vwv 'tl.\lO:S" ) Griechen - Ein erneuter Einschub erklärt das 't1..v6:s- : sie(= die Perser) können

7, 3, 2: Dernarat kommt nach Persien tmd hört von dem Streit, welcher von zwei Königssöhnen der rechtmäßige Thronfolger werden soll: nv&bµevo!. i:Cilv l'lapdov natöwv i;fiv 61.a..aµß&veLV i:&:\; ÖLa..>..ov11µ6:x't)aL , gerade diese Stelle zeigt, • Auch sonst ist daß Herodot zwischen Krieg tmd Rechtsstreit korrekt unterscheidet. ÖLatat ob6tv naptELS ••• ), einer Machterweiterung, mit der die bis zum "Fall von Sardes" unbekannten Perser sich zu den Herren von ganz Aßien aufwerfen. Unter diesem Gesichtspunkt muß man auch solche Bemerkungen Herodots wie 1,192 zur Eroberung Babylons verstehen: >tat BaßuXwv µtv oÜ'tw npGl'tOV&patpTJ'tO). Wenn Stein (z. St.) sagt: "Von den älteren Eroberungen, auch den wiederholten durch die assyrischen Könige, der Zerstörung durch Sanherib (691) und der Wiederherstellung durch dessen Sohn Aßsarhaddon (680) weiß Herodot nichts" und H. u. W, (z. St.): "No doubt, however, he heard in Babylon nothing of Assyrian captures, e, g. by Aßsarbanipal in 648 B. C. 11, so sind diese Vorwürfe völlig unberechtigt; denn Herodot verfolgt hier die Frage nach der Entwicklung der Vorherrschaft der Perser über Aßien - und dies ist die erste p er s i s c h e Eroberung, wie Babylon 3,159, 1 eine zweite persische Eroberung erlebt. Es handelt sich eben nicht um eine selbständige babylonische Geschichte! Es ist kein selbständiger "eingelegter" Logos, sondern ein Teil von der Durchführung des Grundthemas. Ein Eingehen auf Eroberungen dieser Stadt· in früheren Zeiten würde genau das ergeben, was die Kritiker Herodots ihm so oft zum Vorwurf machen wollen, einen überschießenden Exkurs! Die weiteren Darlegungen Herodots bis zu den Darstellungen des Perserkrieges stehen vornehmlich unter dem Stichwort Machtexpan-

Die persische

These von der Einheit Asiens

191

sion der Perser über ihre Nachbarvölker. Wenn Jacoby gerade zu diesen Kapiteln (ab 1,177 ff. Feldzüge des Kyros) bemerkt (RE 425/ 6): "Mit diesem Abschnitt gelangen wir zu der bis in den Eingang von Buch 5 sich erstreckenden Partie, die ganz wesentlich aus ethnographischen Beschreibungen besteht und in der als Hauptquelle Herodot selbst und neben ihm eine ältere Periodos, d. h. Hekataios zu gelten hat", so möchte ich dazu nur ganz kurz die Frage aufwerfen, deren Behandlung allerdings den Rahmen unserer Beobachtungen sprengen würde, ob nicht gerade die angeblich so störenden ausführlichen geograr,mschen und ethnographischen Kapitel bei Herodot einen weiteren wesentlichen Beitrag darstellen zur Widerlegung der persischen "Einheits-These" über Asien? Es ist gerade Herodots Verdienst, daß er zu einer Zeit, da man gewohnt ist im Osten politisch nur von dem großen 1\/Iachtblock Persien zu sprechen tm.d zu verallgemeinern, indem man unter ß~pßapoL allein "die Perser" versteht tm.d sie "den Asiaten" gleichsetzt, daß er demgegenüber in seiner Darstellung den Blick wieder freimacht auf die Fülle der in ihrer Art divergierenden Länder, Völker und ihrer Sitten. Sein Verdienst ist es, durch korrekte Darstellungen, den Sinn für die asiatische Vielfalt geschärft zu haben, indem er zeigte, ni eh t ein einheitlich asiatischer "Block 1149 bedrohte Griechenland, sondern ein einziges Volk, das die Pleonexie zum politischen Gesetz erhoben hatte. Ein Volk, das bis zum Sturz der Meder (550 v. Chr.), also nur knapp 100 Jahre vor Herodots Forschungen, noch keine Freiheit besessen und vor dem Sturz der Lyder (546 v. Chr.) arm, tmkultiviert und ohne feinere Lebensart gewesen ist. Dieses Volk kann sein "Großreich" und die "asiatische Einheit" nur durch militärische Gewalt aufrecht erhalten, wie es die von Herodot aufgezeigten Aufstände innerhalb dieses Reiches beweisen (z.B. Babylon 3, 150-160: Ägypten 7, 1). Vertreter dieses Volkes "Geschichts1.01, ), auf die eher die moderne Bezeichnung "Prokenner" ( }...f>y pagandisten" zuträfe, haben die "Reichsidee", die These von der Einheit Asiens, in bewußter Ignorierung der wirldichen historischen Entwicklung, als eine konstante Gegebenheit bis in die Frühzeit des troianischen Krieges hlnauf zu projizieren versucht. Diese Behaup-

49 So interpretierte auch Pohlenz a. 0. 204: "Hinter Kyros "U!ldden Persern stand ein 1mgeheurer Koloss, die Macht eines Erdteils, gegen den jeder Widerstand vergeblich VJar.

II

192

Die persische

These

von der Einheit

Asiens

ttm.g zu widerlegen, bedurfte es nicht einer theoretischen Gegenthese, sondern des Aufweisens der &:1t66t:~L.s, einer Erforschung von Einzelfakten, die in dem Reichtum der politischen und soziologischreligiösen Vielfalt Asiens diese "Einheitlichkeit" als späte Erfindung einer politischen Taktik enthüllt. 50 Diese politische Taktik, sich als legaler Nachfolger der jeweils unterworfenen Herrscherhäuser auszugeben, die Herodot in der aisopischen Fischerfabel exemplifizierte, liegt auch 4, 1 (s.o. S. l 15f.) der Begründung des Zuges des Dareios gegen die Skythen zu Grunde. Die Perser eignen sich das "Recht auf Vergeltung" gegen die Skythen von den Medern an. Dieses "Ererben von Unterworfenen" kennzeichnet auch die Haltung des Karnbyses nach Kyros' Tod gegenüber den kleinasiatischen Grie chen(2,l,2: Kaµß~cr~s niwvas µtv xat AloAtas öou;>..ous1ta"tpwlous tbv"taS lvbµLl.;e: ). Dieser Wortlaut ist kein sekundärer Zusatz, um den Leser die 1'Griechenlinie'' nicht verges sen zu lassen, sondern er ist in der Thematik der vorausgegangenen Darstellung fest begründet. Nachdem wir so eine geradlinige und logische Gedankenfolge in der Darstellung Herodots vom ersten Satz an über die vielgeschmähten Einleitungskapitel, den Kroisoslogos mit seinen heftig kritisierten Neben- und Unterexkursen bis hinein in die "Hauptlinie" vom Aufkommen der persischen Macht gegen Hellas aufgezeigt haben, gilt es mm zu sehen, ob sich auch der Abschluß des Werkes in dieses gedankliche Schema einfügen läßt.

ws

50 Dieser politisch kluge propagandistische Versuch, auch nach außen hin sich als legalen Erbfolger in den eroberten Königreichen hinzustellen, wurde - wie wir aus ande ren Quellen wissen - von Kyros besonders in Babylon ,mternornmen, vgl. IL S. Nyberg, Das Reich der Achaimeniden, in Historia Mtmdi m, München 1954, bes. 66-68.

Zum Abschluß des Werkes

Eine der Hauptfragen, die sich für Herodot aus der Historisierung der Mythen in den ersten Kapiteln seines Werkes ergab, war die _Frage nach dem Anrecht der Perser auf Gesamtasien. Ein Anrecht, das sie selbst durch eine Form von verwandtschaftlich-freundschaftlicher Zugehörigkeit begründeten und aus dem sie für sich ein Vertretungsrecht für die Rechte der anderen asiatischen Völker ableiteten. Herodot hatte dann versucht, dieser Geschichtsdarstellung, die augenblickliche Verhältnisse ohne Berücksichtigung eines dynamisch verlaufenden Geschichtsprozesses auf früh- und vorgeschichtliche Zeiten ( = Mythos) übertrug, sein eigenes Erforschen entgegenzustellen, das die Relativität von zeitbedingter Größe oder Nichtigkeit herausstellte. Er behauptete das nicht in Form einer abstrakten theoretischen These, sondern durch Aufweisung dessen, was er über frühere Zei ten 11irgendwo 11, "irgendwie" von Wissenden erfragen konnte. Seine Nachforschungen hatten ergeben, daß von einer Vormachtstellung der Perser über Oberasien nicht vor dem Sturz des Meder königs Astyages (550) und über ganz Asien - zunächst auch noch ausschließlich Ioniens - nicht vor dem Sturz des Kroisos ( 546) gespro chen werden konnte. Woher nahmen dann die Perser das Recht, ihren Schuldvorwurf gegen die Griechen vom troischen Krieg herzulei ten und eine stetige Feindschaft als historisches Faktum hinzustellen? Die Perser führten es auf die "Einheitsthese aller Barbaren in Asien" zurück. Auch dieser zweiten Frage ging Herodot gewissenhaft und methodisch nach. Es ergab sich, daß auch diese Einheit nur eine propagandistische Fiktion war, die auf eine Projektion augenblicklicher Zustände in die Vergangenheit sich gründete. Selbst die Einheit zur Zeit der Perserkriege in Asien war keine nationale Reichseinheit verwandter Stämme, sondern ein heterogener Komplex aus einer Vielfalt sich in Sitte, Lebensweise, Kultur und Religion .W" sentlich unterscheidender Völker, die nur durch militärische Gewalt zusammengehalten wurden. Eine Einheit, die einzig auf Unterwerfung und Unterdrüclamg beruhte. Eine Einheit, die eine Folge des Pleonexiestrebens eines einzigen Volkes, der Perser, war. Herodot schätzte weder den Krieg noch die rechtlose Unterdrückung . Das Pleonexiestreben galt ihm als verwerflich, es verletzte die nach seinem Weltbild den Menschen gesetzten Grenzen und zeitigte daher

194

Die Phasen

der persischen

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notwendig Unheil und Untergang, Dies sind Urteile, die Herodot an Hand seines historischen Materials gewonnen und an zahlreichen Einzelgeschicken dem Leser nachgewiesen hat. Herodot verfährt dabei nie dogmatisch, sondern sucht am Material durch Auf weisen paralleler Geschehensabläufe diese Erkenntnisse wahrscheinlich zu machen. Die Entwicklung, die Herodot am persischen Reich aufgezeigt hat, gliedert sich in zwei Phasen. 1. Kyros - Kambyses und 2. Dareios - Xerxes. Dazwischen liegt als Einschnitt der Mageraufstand des falschen Smerdis. Kyros und Dareios, die beiden Begründer der jeweiligen Herrschaftsepoche, werden durch den Traum des Kyros kurz vor seinem letzten Kampf gegen die Massagetenkönigin Tomyris (1,209) von Herodot geschickt miteinander verknüpft. Wie Kyros selbst durch die Träume des Astyages (1, 107 u. 108) "angekündigt" wurde als Wassersflut und Weinstock, deren Ausbreitung sich über ganz Asien erstreckte, so wird Dareios mit Flügeln geträumt, die nicht nur Asien, sondern auch Europa überschatten. Kyros, der selbst kein "reiner" Perser war, sondern ein Halbblut aus Meder und Perser, befreite die Perser aus der Unterdrücktmg der Meder. Das Volk der Perser war zu diesem Zeitpunkt arm, selbst nachdem sie bereits die Nachfolge der Meder angetreten hatten (Kroisos zu Kyros 1, 98). Sie kannten weder Handel noch Marktverkehr (1,153). Kyros, der seinem Volk einen besseren Lebensstandard versprochen (1, 126 fin). übernahm die Herrschaftsform der medischen Könige, das System von Herr Vasall - Aftervasall (1,134) und auch unter Kambyses änderte sich daran nichts. Kyros war der Begründer der persischen Dynastie über Asien. Kambyses, sein Sohn, zerstörte in Selbstüberheblichkeit und Wahn die Vormacht der eigenen Familie und der Perser über die Meder. 51 Mit Karnbyses, durch dessen eigene Schuld veranlaßt, endete die Achaimenidenlinie Kyros-Karnbyses. Die Meder aus dem Stamme der Mager, die schon Astyages vor einer persischen Vorherrschaft über die Meder gewarnt hatten (1,120). erlangten die dynastische Vormacht durch List ("der falsche Smerdis") zurück. Wenn darauf die Perser sie durch einen Gewaltstreich in kurzer Zeit zurückgewinnen konnten, so ist dieser neue Anfang persischer Vor-

51

S. den anschaulichen Vergleich mit dem Salatkopf 3, 32-33;

Die Phasen

der persischen

Entwicklung

195

macht in Asien unter gänzlich anderen Voraussetzungen erstanden als zu Kyros Zeit. Damals war es Kyros allein, der gestützt auf ine d i sehe Adlige, Harpagos und die von ihm gewonnenen medischen Offiziere, die in Kyros den Enkel des kinderlosen medischen Königs sahen - ganz im Gegensatz zu Astyages selbst und den Magern, die den väterlich persischen Blutsanteil als maßgeblich und d. h. als feindlich betrachteten - den medischen 'Ihron erwarb. Die angesehenen Perser spielten dabei keinerlei Rolle. Im Gegenteil, den Persern hatte bis zu Kyros Erhebung ein politischer Führer (1,127, 1: 1tpoa,;6:,;T)S ) überhaupt gef eblt. Doch inzwischen hatte sich die Struktur im persischen Volk wesentlich verändert, seit es zu einer Weltmacht geworden war. Dazu hat nach Herodot wesentlich beigetragen, daß die Perser in ihren "Sitten" sehr offen und bereit waren, fremde Eigenhei ten zu erlernen und zu übernehmen, wie sonst kaum ein anderes Volk (1, 135; eine wesentliche Funktion dieses Sittenexkurses). Waren die besonders ausgezeichneten Feldherren unter Kyros noch von medischer Abstammung, Harpagos (1, 80. 162) und Mazares (1, 156/ 57. 162) und folgte Kyros bei der Beratung über den Massagetenzug eher dem Rat des Kroisos als dem seiner Perser ( 1, 206- 208), so lag die gesamte Heeres- und Flottenführung beim Xerxeszug gegen Hellas bereits völlig in den Händen einer festen Adelskaste (7, 83, 3 und 97) von persischer Abstammung. 52 Der Wandel ist offenkundig. Kyros hatte noch nach dem medischen Prinzip der Vasallenstaaten regiert. Unter Dareios bildete die Satrapienordnung53 eine wesentliche Neue:nm.g, die unterworfenen Völker zu einer Einheit zusammenzufassen. Daß diese machtpolitische Absicht von Herodot durchaus erkannt worden ist, zeigt seine Einleitung zur Satrapienli~e (3, 89, 1: xa,;aa,;~aa~ 6t i;&s &pxds xat &pxovi;as l1tL-

a,;~aas l,;6:~a,;o ~bpov~ oL 1tpoaLtvaL xa,;a E%vE~,;e xat npös i;otaL l~veaL i;ovs nAT)O"LOX~povs 1tpoa,;6:aawv„xat bnepßatvwv ~oös npoaextas i;a lxaai;tpw &ÄAOLO"L aAAa E~vea vtµwv ).

52 E. Meyer, GdA IV, 1 4 7 u. 48: zur Satrapenliste 53 E.Meyer, GdAIV, 1 69.

S. 80 Anm. 1.

196

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Es vvurden Verwaltungs- und Steuerbezirke geschaffen, die über die alten traditionellen Grenzen hinausreichten und die Höhe der Abgaben vvurde festgesetzt. Die Tribute der eroberten Gebiete und die festgesetzten Steuerabgaben führten ungeheure Schätze und Werte ins Perserreich, und die Perser vvurden zu reichen wohlhabenden Herren. Dies demonstriert Herodot am Prt.mk und Aufwand des Xerxeszuges gegen Hellas (7, 83, 2). Selbst die Flotte führte auf diesem Zug üppige Schätze mit wie es sich beim Strandgut beim Unwetter am Vorgebirge Sepios zeigte (7, 190). Aber die gewaltige Fülle des persischen Reichtums erwies sich erst nach der Schlacht bei Platai.ai, als die Griechen die Beute zusammentrugen (9, 80-83). Es handelte sich nach Herodots Darstellung um Unmengen von Sclumlck und Wertsachen, wobei zu berücksichtigen ist, daß diese Werte von einem Heer auf dem Kriegszug mitgeführt vvurden und nicht den Besitz einer stationierten Besatzungstruppe darstellten. Um diese üppige Fülle gegen die bescheidenen Verhältnisse der Griechen herauszuheben, erzählte Herodot, wie Pausanias ein echtes persisches Königsessen zubereiten und auftischen ließ, um ein karges griechisches Mahl zum Vergleich daneben zu stellen. Herodot erzählt diese Episode wie nebenbei 9, 82, 1 }..{;yE:"ta:I.ÖE xa:t "t6:ÖE:ygv{;a-&a:r. - eine scheinbare Exkurseinleitung. Und doch zeigt gerade dieser Vergleich die ganze Sinnlosigkeit des persischen Hellaszuges. Pausanias expliziert diesen Vergleich vor den zu dieser Demonstration zusammengerufenen griechischen Feldherren (9, 82, 3 ä:vöpE:s-"EAAT}-

VES-, "travöE:E:LVE:XO: ly~ uµta:s- aov~ya:yov, ß0UA6µE:VOSuµtv .ou M~öou ~yE:µ6vos-•DV &~poaLvnv öt~a:r., 8s- "tOl.ts- nµ~a:s- ot.ws- ötCupnv EXOV"tO:S' ~VÖE:ö(a:l."tO:Vlxwv nA-&E: cbta:r.pna6µE:vos-) • Dieser Vergleich ist aber kein überflüssiger Einschub, sondern er unterstreicht den Unterschied zwischen diesem letzten Zug des Persers gegen das arme Hellas Zug des in der Macht noch und dem ersten großen persischen jungen und armen Volkes unter Kyros gegen das damals so überaus üppige Lydien. Damals hatte Sandanis seinen Herrn Kroisos davor gewarnt, gegen ein so armes und karges Volk zu ziehen wie die Perser (1, 71, 2-4). Kroisos hatte sich nicht daran gehalten und hatte sich nicht warnen lassen. Er war geschlagen worden wie jetzt Xerxes von den Hellenen. Noch in Gefangenschaft bezeichnete Kroisos die Perser als "frevlerische Habenichtse" (1, 89, 2). Kyros hatte den Persern einen besseren Lebensstandard versprochen, man erinnere sich an die "Dornen-feld-rodenden" und die "Schmausenden'' Perser (1,126).

Die Phasen

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197

Dieses Versprechen war nun erfüllt. Aber dem siegreichen Begründer der persischen Macht steht ein flüchtender geschlagener Xerxes gegenüber. Wieder wird deutlich, daß ein wesentlicher Wandel statt gefunden haben nruß. Besitz und Geld war inzwischen auch bei den Persern zu hoher Bedeutung 54 gelangt. Deutlich zeigt sich das bei dem Ausspruch und der dahinterstehenden Einstelhmg des persischen Adligen Tritantaichmes, eines Sohnes jenes Artabanos, der am eifrigsten vor diesem Xerxeszug gewarnt hatte. Als die Perser hörten, daß die Griechen, als der Feind längst im Lande stand, noch immer ihren olympischen Spielen nachgingen, bei denen als Preis nur ein Kranz zu errin~E::U ist, da schweigen sie betroffen und nur Tritantaichmes unterbricht dieses Schweigen (8, 26, 3): "Weh, Mardonios, gegen was für Männer hast Du uns zum Kampf geführt, die nicht für Geld sich am Wettkampf beteiligen, sondern (nur) für Ehre ! 11 Für diesen charakteristischen Ausspruch tadelt ihn Xerxes der Feigheit (a. O. cSc:1.A.tTJv J;rpA.c:1tpos- ßacr1.A.~os-). Mit diesem Ausspruch zeigte Herodot, daß für ihn mit dem wachsenden Wohlstand auch ein, wenn auch noch nicht voll ausgeprägter, Wandel in der Gesinnung muß man auch den Abverbunden ist. Unter diesemGesichtspi.mkt schluß des ganzen Werkes verstehen. Mit vo~er Absicht weist Herodot mit dem letzten Kapitel seines Werkes (9, 122) wieder auf den ersten Begründer des persischen Reiches zurück. Damals unter Kyros hatten die Perser die Mahnung des Königs eingesehen, daß die Kargheit und Bescheidenheit ihrer Heimat ein wesentlicher Pfeiler ihrer Tapferkeit und Überlegenheit war, so zogen sie zunächst nicht in ein üppigeres und reicheres Land, wie es ihnen Artembares vorgeschla gen hatte. Doch es wäre viel zu einfach, in diesem Kapitel nur eine angewandte These aus der ionischen Naturwissenschaft und Medizin wiederfinden zu wollen, vom bedingten Verhältnis zwischen Klima und

54

Zeigte noch Kyros eine große Verachttmg für alles, was mit dem Handel zusammenhing (1, 153, 2-3). so erhält der Begründer der zweiten persischen Epoche den Beinamen x(mT]>..os , Krämer, B µtv hcmfi>..&UE1tt'xV'tO: d 1tpfiyµa:'ta: (3, 89, 3). Dieser Titel ist für den ''Weltherren" Dareios wenig schmeichelhaft, denn 1, 155, 4 werden aus den kriegerischen tapferen Lydern durch ''umerziehung" weibische Männer: 1tp6EL1tEöt a:U'totaL ltL~a:ptC&LV'tE ltO:L~Cx>..>..&LV xa:t lt0:1tT]>..&u-

on

ELV 'to~s na:töa:s xa:t 'ta:xtws afta:s yovo'ta:S.

••• yuva:txa:s &v't'&vöp~v Ö~Ea:Ly&-

198

Die Phasen

der persischen

Entwicklung

Charakter, wie es Stein und H. u. W. (z. St. J vertreten. Denn das, was Herodot über das Land aussagt, gibt nichts vom Klima, sondern t YTlV ) und die UnerArternbares beldagte die Kleinheit (9, 122, 2 o;\. giebigkeit ( "tPT)X!J~)- es sei nur steinig, uneben, rauh - seines Heimatlandes. So stellte auch Kyros heraus, daß kriegerische Männer und üppige Frucht nicht auf gleichem Boden gedeihen könnten. Es ist nicht Klima und Charakter, sondern es geht um die entsprechende Nahrung, was ja auch Sandanis in seiner Warrnmg an Kroisos hervorgehoben hatte (1, 71;s. o. S. 185). Herodot ist weit davon entfernt, jenen ionischen Konstruktionen zu folgen. 55 Für ihn ist Sitte 'I.IlldLebensart stärker bestimmend als die ldimatische Umwelt, da durch Handel auch dem klimatisch weniger begünstigten Land ''gute Dinge" gebracht werden können. Wie wenig für Herodot das Klima den Charakter bestimmt als vielmehr Lebensgewohnheit und Sitte, das zeigt die charakterliche Umwandlung der Lyder unter völlig gl ei eh en ldimatischen Verhältnissen (1, 155, 4) ! So wanderten die Perser zwar zunächst nicht aus, wie Arternbares es Kyros geraten hatte, aber sie lebten vom Pleonexiestreben erfüllt auch ni eh t mehr in Persien auf kargem Boden. Wie ihr Lebensstil auf dem Xerxeszug zeigte (s.o. S. 195 ff.), hatten sie sich auf anderem Weg das verschafft, was ihnen das Land von Natur versagte. Die Ausdehnung des Reiches erlaubte es den Persern nicht mehr, in ihrem Kernland, das als einziges im Reich abgabenfrei ( 3, 97, 1 J blieb, wohnen zu bleiben. Als Verwaltungsbeamte und Besatzungen verteilten sie sich über das ganze Reich hin. Sowohl Susa - wo die Ereignisse um den Sturz der Mager, die Rede des Prexaspes, die Wahl des Dareios l3, 70, 3) stattfanden, wo Smerdis lebte (3, 65, 3) und von wo aus Dareios später regierte (5, 24, 4;25, 1), wo auch Kyros schon am Ende seines Lebens residierte (1, 188) - wie auch Agbatana - wo Kambyses inmitten seines Reiches zu sterben gedachte (3, 64, 4) - beide Zentren des persischen Reiches lagen bereits im eroberten Gebiet (3, 91, 4 gehört Susa zur 8. und 92, 1 Agbatana zur 10. Satrapie)! Es ist nicht mehr allein Persien, in dem die Perser leben. So darf dieser Rückverweis im Schlußkapitel auf den Rat des Kyros, den er unmittelbar nach des Astyages Sturz und wie Herodot meint gewiß noch vor der Eroberung Lydiens gab (1, 71 fin), ehe Kyros selbst nach der Eroberung des großen babylo-

55 Man vergleiche die völlig abweichende Darstellung der Skythen bei Herodot im 4. Buch und in der Schrift von der Umwelt (2. 66-82) !

und der Abschluß

des Werkes

199

rtischen Reiches der Gier nach Pleonexie tm.d der Hybris verfiel (1, 204) 56 , nicht ohne den Zusammenhang gesehen werden, in den Herodot ihn gestellt hat. Artembares war der erste Perser, der nach Astyages Sturz tm.d der neugewonnenen Freiheit, sogleich vom Wtm.sch nach einem üppigen Herrenleben erfaßt wurde. Er gehörte zu den vornehmen Familien. Der Nachfahre dieses Artembares war Artayktes, der Gouverneur ( tnto:pxo~ ) des Gebietes von Sestos. Er wird als ein gefährlicher und maßloser Mensch (9,116 6e:1.vö~ 6t Ko:~ ch6:a-&o:>..o~ &vfip ) bezeichnet, der Heiligtümer ausraubte und in ihnen seinen sexuellen Freuden gewalttätig nachging (7, 33 fin; 9,116, 4). Um seinen persönlichen Reichtum zu mehren, scheute er sich auch nicht, seinen eigenen Herrn tmd König mit einer Llst zu betrügen (9, 116, 1 xo:t ßaaL.AEo:!>..o:C,vov'tabt' 'A-&f)vo:~i~ nn(nnae: und 9, 116, 2/3: AEywv 6t 'to1.fr6e: E~p~TJV61.e:ßfrXe:'to). Er war es, der nach der letzten Kriegstat der Griechen als Siegeszeichen an der Stelle lebend ans Holz genagelt wurde, an der sein Herr Xerxes die Brücke nach Europa geschlagen hatte. Sein Sohn wurde vor seinen Augen von den Griechen zu Tode gesteinigt. So sind der Bericht aus der Zeit des ersten großen persischen Erfolges, dem Beginn der persischen Machtentfaltung tm.ter Kyros, und die entscheidende Niederlage gegen die Griechen von Herodot sinnvoll zusammengestellt an dem Geschick dieser einen adligen persischen Familie! Aber noch einen anderen Zug an dieser Geschichte hat sich Herodot zu Nutze gemacht. Artayktes befriedigte seine Geldgier, indem er den eigenen König hinterging. Artayktes begründete seinen Anspruch auf den Besitz tmd das Haus des ''Griechen' 1 Protesilaos vor Xerxes mit der Anschuldigung, daß dieser gegen Xerxes' Reich zu Felde gezogen sei (9,116, 3 ßE0'1tO'to:,[a·n o!xo~ &:v6pö~0 EXXnvo~

ev-&o:~'ta, ö~ ent y~v 'tDV anv O''tpa'te:ua&:µe:vo~ 6txn~ KUpfiao:~ &n~-&o:ve:.'tOU'tou µ01. 6Ö~ 'tÖv olxov, !vo: xo:t 'tl.~ µa-&~ !nt y~v 't~V anv µn O''tpo:'te:Ue:a-&0:1. ). 56

1,204, 2 1tona: 'te: y(xp µ1.v xaL µe:yo:}..a'tCl l:mxe:Lpovu xac t7to'tpCivovu yeve:cr1.s, 't3 öoxte:1.v 1tAtov 'tl. e:rva1. &v%pwnou, öe:C,nv, 1tpw'tOVµtv 'te:pa öe e:U'tuxln xa'ta 'tOUS noktµous ye:vo~tvn. Öx~ yap t%Cicre:1.e: cr'tpa'te:~e:cr%a1.KUpos, &µ~xavov ~v ixe:tvo 'tÖ e:%vos ö1.a1uye:tv. vgl. auch 1,190, 2: ofo öt. t.~e:n1.cr't6:µe:vo1. EH np6npov 't~V KUpov oux a'tpe:µLCov'ta, &;i..;i..'~ptov'te:Sav'töv nav'tt [%vi~ bµolws ~n1.xe:1.ptov'ta, npoe:cr6:~av'to cr1.'tla ~'tEWVx6:p'ta 1tOAAwv.

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200

Die Phasen

der persischen

Entwicklung

Aber das Haus dieses Protesilaos war in Wahrheit ein Heroenheiligtum, der Besitz waren Weihegaben und der Krieg, an dem Protesilaos teilgenommen hatte, vvar der troische Krieg! 5? Damit kehrt Hero dot am Ende seines Werkes zu der These zurück, die von persischer Seite - so wie hier - in den Eingangskapiteln aufgestellt worden war: daß der Xerxeszug seine Rechtfertigung im viel früheren Zug der Hellenen gegen ''ihr'' Gebiet, gegen Asien, fände, nämlich im Zug gegen Troia! Vor dem Hintergrund dieser These hatte Herodot die Geschichte Klein- und Oberasiens verfolgt, soweit sie ihm zugänglich war bis in die Zeit des troianischen Krieges hinauf, und er hatte gezeigt, daß diese.These "unhistorisch" und jeder Anspruch Persiens daraus ungerechtfertigt war. Durch das X.f:yEt.V 'td: X.EyoµEva , durch das Vorführen seiner Zeugenberichte, hatte er der persischen Konstruktion und Projektion, seine eigene Geschichte gegenübergestellt und so die persische Kriegsschuldthese widerlegt. Erst nachdem diese These aller Voraussetzungen beraubt ist, kann nun Herodot am Ende seiner Darlegungen sagen, daß Artayktes seinen König ''bei~TJ1t6:"tT}oE). als trog und arglistig täuschte" (6t.cß6:X.E'tO und er seinen Anspruch als persischer Vertreter auf das Haus des Protesilaos erhob und sich auf dessen Schuld, die Beteiligtmg am troischen Krieg, bezog 58 (9,116, 3 VOEWV"tOt.aÖE • "t~V 'Aol(Präsens!) twu'twv Etvat. llf:poat. xat T}Vnäoav voµtCoucrt. "tOÜ b:d ßaot.X.dioV'tOS ). So schließen Anfang und Ende des Werkes sich wieder zusammen. Wie Herodot von den Anfangskapiteln ausgehend die Unhaltbarkeit dieser persischen Kriegsschuldthese Schritt für Schritt aufgewiesen hatte, so zeigte sich auch im Kleinen - der Gewinngier des Artayktes - bis zu welcher absurden Konsequenz letzten Endes diese "Troianische-Schuld-Konzeption" auf persischer Seite führen konnte. Konnte Kyros, da er Sardes einnahm, noch voll Verachtung auf die Hellenen herabblicken (1, 153, 1). die sich auf ihren Märkten beim Handel - der den Persern bis dahin noch ziemlich tmbekannt war gegenseitig betrogen (a. 0. &:X.X. f)X.ous Öµv{rv'tE s k~mta'tCilcrL ), während es ein sittlicher Grundsatz der Perser vvar, bei der Wahrheit zu bleiben (1,136, 2 &:X.TJ-&lCco-&at. und 1,138, 1 atcrxt.cr'tov

57 Hom.Il. 2,698 ff. (bes. 701). 58 Au! die Ähnlichkeit dieses Satzes mit dem Einleitungskapitel hatten bereits Stein (z. St.) und Pohlenz, Herodot S. 5 hingewiesen, ohne die nötigen Folgenmgen zu ziehen.

und die Verfassungsdebatte

201

·ot a{rt0tcr1. "tÖ c(JE!JÖEcr-&a:1. VEvbµ1.cri:a:1. ), so treibt die Geldgier jetzt auch den persischen Adligen dazu seinen König zu b e trügen! Aber Herodot hatte diesen Wandel in der Gesittung als Folge der persischen Machtausweitung nicht nur "beim Volk" konstatiert, vielmehr war am persischen Hof selbst ein grundsätzlicher Wandel in den sittlichen Vorstellungen eingetreten. Des Karnbyses' Wahnsinnstaten hatten den Magern die Gelegenheit geboten, die Herrschaft für kurze Zeit zu gewinnen. Otanes, einer der vornehmsten Perser (3, 68) war es, der als er s t er seinen Verdacht bestätigt fand, daß ein falscher Smerdis im Palast zu Susa regiere (die Identifizierung gelang durc..11. Otanes' Tochter an den fehlenden Ohren 3, 68, 3). Er zog seine nächsten F~eunde (3, 70, 1 IT~pcrtwv 'tE 7tpW"tOUSe6v1:a:s t ~WU't{i:> €7t1.'tTJOEO'ta'tOVS Es nt O't 1.\1)Aspathines und > ßo:01.Ae:uov,;1.

ITEpoEwvt~e:tva:L 7tOLEe:Lv'tÖ äv ßoUAT)"ta:L).

Damit ist jede weitere Rechtfertigi.mg überflüssig geworden. Auf diesen 11rechtlichen' 1 Grundzug des Königtums weist Otanes kritisch

64 Der persische Adel bekam den 11Hochmut" der Mager, der eigentlich nur eine notwendige Vorsichtsmaßnahme war, die Identität zu verbergen, dadurch zu spüren, daß er bei Smerdis selbst nie vorgelassen wurde (3, 68, 2). Ein ehrenrühriges Faktum, das die 11711 Verschwörer durch einen besonderen Nomos für spätere Zeit zu verhindern suchen. Sie sollten jederzeit freien Zugang zum Herrscher finden,

208

Die Phasen

der persischen

Entwicklung

in seiner Rede hin, wenn er sagt (3, 80, 3): "Der Monarchie sei es erlaubt, ohne Rechenschaft abzulegen zu tun, was ihr beliebe (µouvapxtTJ,

't~ ~EEa'tL

&vEu-&~v~ 1tOLiELV

'ta ßO~AE'taL)."

Doch da Kambyses krankhaft veranlagt war tmd der Mager eigentlich nicht als echter König gelten kann, nimmt ntm Otanes in seiner Rede den Fall an, was geschähe, werm ein gestmder tüchtiger Mann das Amt eines Alleinherrschers ausübe (3, 80, 3 xat yap ä.v 'tÖV äpLO'tOV &v6pmv 1t~V'tWV O'taV'ta €~ 'ta~'tl')V 't~V &px~v €X'tÖ~ 'tmv lw-&6'tWV VOl')µa'tWV cr'tf)crEI.E ••• ). Diese Worte werden meist so interpretiert65, daß Herodot hier den Otanes zur "theoretischen Erörterung" übergehen lasse. Apffel bemerkt dazu (a. O. 26): 11Sein Beispiel für die Alleinherrschaft ist kein legitimer Fürst, der auf dem Thron seiner Väter sitzt auch kein Wahlkönig, sondern einer, der von sich aus die Macht übernommen hat. 11 Apffel folgert daraus, daß hier der Einfluß der griechischen Tyrannistheorie spürbar geworden sei. Dieser Behauptung darf man aber aus Herodots Darstelltmg der persischen Geschichte entgegenhalten, daß gerade Kyros, der einzige König bis zum Zeitpunkt der VerfasStmgsdebatte, der von gestmder Veranlagtmg war (1,123, 1). auch kein legitimer Herrscher auf 11dem Thron seiner Väter" gewesen war, sondern sich erst selbst mit Harpagos Hilfe (a. o. S. 205 f.) zum Anführer der Perser gemacht hatte. Selbst dieser große König verfiel dann, sobald sein Volk zu Macht 1md Wohlstand gekommen, der Hybris. Wir denken dabei an seine SelbstüberschätZtmg (1,204), seine unersättliche Machtgier in der Tomyris-Rede (1, 206, 1-2 µEyfxAw~ npo-&uµ.ia 1, ) , seinen Argwohn gegen Nachstelltmgen von Seiten des persischen Adels (1, 209/10). Sein Sohn Kambyses, der in der Tat ein legaler Herrscher "auf dem Thron seiner Väter" war, konnte aber wie oben gezeigt war (s. S. 207 ) dem Otanes ebenfalls kein positives Argument für die Alleinherrschaft oder Monarchie liefern. Ohne diese realen geschichtlichen Voraussetztmgen nach Herodot kann man die Rede des Otanes aber gar nicht verstehen! Wenn die Theoretiker des Einflusses der griechischen Verfassungstheorie an dieser Stelle glauben, ''Otanes schwebe anscheinend die griechische Tyrannis vor Augen (so Apffel a. 0. 27)11, so besteht dazu nach Herodots Darstellung kein Anlaß, denn die Argumentation des Otanes ent-

65

SoApffela.O. 26(offenbarinNachfolgevonAltheima.a.O. 173, vgl. Apffela.O. vgl. dagegen auch Erbse, Glotta 39, 1961, 215-230; bes. 224-230.

18);

und die Verfassungsdebatte

209

spricht nur den Fakten der zuvor erzählten persischen Geschichte. Otanes geht nicht von der Voraussetzung aus, es gäbe eine "gute" und eine "entartete" Alleinherrschaft, sondern für ihn zeigt j e de Alleinherrschaft diese gleiche Entartungserscheinung auf. Eine Entson~cklung, die nach ihm nicht im Prinzip der Alleinherrschaft, dern in der Natur der sie ausübenden Menschen begründet ist. Es liegt hier ein ganz bestimmtes Menschenbild zu Grunde! Wenn daher Herodot in dieser Otanes-Argumentation die Bezeichnung ßcxcrt.Ad,~ nicht verwendet, wie Apffel (a. O. 54/55) feststellte, so ist dies kein .Argument dafür, daß Herodot hier einer Verfassungstheorie folge, die von der griechischen Tyrannis ausgeht, sondern es bedeutet nur, daß der Begriff ß«O'I.Ad,~ für Herodot nicht notwendig eine Alleinherrschaft bezeichnet und daher hier auch völlig - terminologisch - fehl am Platz wäre. Das beste Beispiel für eine Form des "Königtums" ohne Alleinherrschaftsanspruch bieten die spartanischen Könige, die nicht nur Vorrechte haben, sondern zugleich dem spartanischen Kosmos, der Magistraten - und Ephorenaufsicht unterworfen sind. Sie bleiben "dem Volk verantwortlich" für ihr Tun und sind absetzbar! Beides Dinge, die der asiatischen Herrschervorstellung völlig zuwiderlaufen. Damit erweist sich auch die Otanesrede im Wesens kern nicht als eine Rede gegen das K6nigtum im allgemeinen, sondern als eine Rede gegen eine Form der Staatsführung, in der ein Einzelner an der Spitze steht, ohne für seine Handlungsweisen anderen verantwortlich sein zu müssen, wie es sich im persischen und zuvor medischen - Despotentumherausgebildet hatte. Dazu bedurfte es nicht erst der griechischen Tyrannisvorstellung. So spricht auch Otanes andererseits strenggenornmen nicht für eine allgemeine Demokratie! Persien ist zur Zeit der Verfassungsdebatte bereits ein Weltreich. Von dieser Voraussetzung nruß man bei der Beurteilung der Otanesrede ausgehen. Otanes forderte nun aber nicht, daß man a 11 e n Bürgern dieses "Reiches" das Anrecht zugestehen solle, von den Regierenden Verantwortlichkeit fordern zu dürfen, sondern er riet, die Staatsgeschäfte allen Persern zu überantworten (3, 80, 2: -EKEAEUE l:~ µf:crov l1Ep01)0'1. KCX'tCX-&Etvcx1, 'ta 1tpfin1.cx"tcx ). Diese demokratische Ordnung soll demnach nur den eigentlichen Persern zustehen. Damit würde den Persern weiterhin innerhalb der Völker eine Elitestellung in der Form zukommen, wie sie bis dahin der Aristokratie innerhalb des persischen Volkes zustand. Megabyx:os dagegen will lieber eine Elite-Regierung aus den besten

210

Die Phasen

der persischen

Entwicklung

Männern des ~rsischen Volkes bilden, zu denen er auch die 117 11 Verschwörer zählt 66, da die Hybris des "unwissenden" Volkes genau so unerträglich sei wie die des Alleinherrschers. Dareios hält schließlich die schwächste Rede, die in sich am allerwenigsten Beweiskraft enthält, deren Tenor dafür um so besser ihren Sprecher kennzeichnet. Dareios geht zunächst davon aus, von allen drei Herrschaftsformen die vollkommenste Form anzunehmen, läßt aber drum dieses Prinzip fallen - wie Apffel (a. 0. 28/29) richtig bemerkt hat - um als Ergebnis der Entartungsentwickhmg von Oligarchie und Demokratie den von ihm propagierten Alleinherrscher feststellen zu können. Die entartete Demokratie kann sich nicht halten und ebensowenig die entartete Oligarchie. Nur die entartete Alleinherrschaft ist auch noch im Stan de, sich behaupten zu können. Das heißt aber Dareios setzt als Maßstab für seine Bewertung nur die ständige Macht einer Regierungs form an. Und wenn Apffel (a. 0. 29) bemerkt, die Überlegenheit der Monarchie müsse nach den Darlegungen des Dareios Verwunderung ~rregen, denn (Zitat): "im Gnmde verrät sie nämlich moralische Indifferenz: Bei diesem Alleinherrscher kann es sich ja nur um den

66 Apffel bemerkt (a. 0. 27) zu dem Satz 3, 81, 1 fin: Kat ,o 1. ,up6:vvov i'.ißp 1.v cpd>yov.as ävöpas es ö~µov &KoA6:o.ov Üßp~v nEoEtv co.t o~öaµras &vaoxE,bv • • • : "vorausgesetzt wird anscheinend, daß eine Tyrannis zu Ende gegangen ist und der Demos die Herrschaft ausübt. Der Text ( .vp&vvov Üßp~v cpdiyov.as ävöpaS ) könnte freilich auch bedeuten, daß Männer ein Land verlassen, weil sie seine verhaßte Regierungsform nicht länger ertragen wollen, und in ein demokratisch regiertes Land flüchten, wobei sie allerdings vom Regen in die Traufe kommen" und Apffel bekennt sich zu der ersten Auffassung. Ich kann ihm darin nicht folgen, da bereits als erwiesen vorausgesetzt wird, daß dieser Stelle eine grie chische Verfassungstheorie zu Grunde liegt. Aber Megab~s geht hier mit seinen Worten nur auf die Argumente des Otanes ein. Otanes Vorschlag war, der Hybris des Alleinherrschers, die man unter Smerdis und besonders Kambyses kermengelernt, durch die Errichtung der Volksherrschaft zu entgehen. Dagegen glaubt Megabyxos, mit dieser Einrichtung gerate man "vom Regen in die Traufe" - um Apffels Worte zu verwenden - denn hier wird keine Situation erdacht von flüchtenden Männern oder einer zu Ende gegangenen Tyrannenherrschaft, sondern Megabyms nimmt ebenso wie Otanes Bezug auf die reale gegebene Situation, in der sie sich gerade befinden, Sie selbst sind solche Männer, die soeben der Gewaltherrschaft eines Karnbyses und Smerdis entgangen sind und jetzt nach einer neuen besseren Staatsform suchen, Nach Megabyxos Meirnmg würde die von Otanes vorgeschlagene Volksregierung nur eine neue unerträgliche Hybris herbeiführen. So besteht hier keine Notwendigkeit von einer "eingelegten und nicht ganz eingearbeiteten Theorie" zu sprechen.

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und die Verfassungsdebatte

starken Mann handeln, der auf die "Gewalt der Bajonette" gestützt, dem Chaos der Dauerrevolution ein blutiges Ende bereitet und die Zügel der Staatsführung in seinen gewalttätigen Händen behält", und einwendet, dies widerspreche auffällig dem sonst bei Herodot vorherrschenden religiösen Geschichtsverständnis, so ist das Problem zwar richtig gesehen, aber den Folgerungen daraus ist Apffel ausgewichen. Apffel möchte diese Diskrepanz auf die eigene besondere q,