Hegel-Studien Band 51 9783787334704

BOCHUMER HEGEL-VORLESUNGEN Sally Sedgwick: Innere versus äußere Zweckmäßigkeit in Hegels Philosophie der Geschichte A

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Hegel-Studien Band 51
 9783787334704

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51

Meiner

Hegel-Studien BOCHUMER HEGEL-VORLE SUNGEN Sally Sedgwick: Innere versus äußere Zweckmäßigkeit in Hegels Philosophie der Geschichte ABHANDLUNGEN Laure Cahen-Maurel: An Art of False Mysteriousness? Hegel’s Criticism of the Painting Style of Caspar David Friedrich Guillaume Lejeune: Modalité et sémantique. A propos de la réception de Hegel par William James Thomas Meyer: Hegels wesenslogisches Kausalitätskapitel als Identitätstheorie der Kausalität Arno Schubbach: Der ‚Begriff der Sache‘. Kants und Hegels Konzeptionen der Darstellung zwischen Philosophie, geometrischer Konstruktion und chemischem Experiment PER SPEK TIVEN DER FOR SCHUNG Guido Kreis, Friedrike Schick, Marc Nicolas Sommer, Pirmin Stekeler-Weithofer: Lässt sich das Unendliche widerspruchsfrei denken? Ein Buchsymposium zu Guido Kreis’ Negative Dialektik des Unendlichen. Kant, Hegel, Cantor Literaturberichte und Kritik | Bibliographie

HEGEL-STUDIEN / BAND 51

HEGEL-STUDIEN In Verbindung mit Walter Jaeschke und Ludwig Siep

herausgegeben von M I C H A E L Q U A N T E und B I R G I T S A N D K A U L E N

BAND  Redaktion: Johannes-Georg Schülein

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

© Felix Meiner Verlag, Hamburg . ISSN - Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachd rucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§  und  URG ausdrücklich gestatten. Satz: Konrad Triltsch, Print und digitale Medien GmbH, OchsenfurtHohestadt. Druck und Bindung: Druckhaus Beltz, Bad Langensalza. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO , hergestellt aus  % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de/hegel-studien

INHALT

BOCHUMER HEGEL-VORLESUNGEN SALLY SEDGWICK Innere versus äußere Zweckmäßigkeit in Hegels Philosophie der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ABHANDLUNGEN LAURE CAHEN-MAUREL An Art of False Mysteriousness? Hegel’s Criticism of the Painting Style of Caspar David Friedrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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GUILLAUME LEJEUNE Modalité et sémantique. A propos de la réception de Hegel par William James . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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THOMAS MEYER Hegels wesenslogisches Kausalitätskapitel als Identitätstheorie der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ARNO SCHUBBACH Der ‚Begriff der Sache‘. Kants und Hegels Konzeptionen der Darstellung zwischen Philosophie, geometrischer Konstruktion und chemischem Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Inhalt

PERSPEKTIVEN DER FORSCHUNG GUIDO KREIS, FRIEDRIKE SCHICK, MARC NICOLAS SOMMER, PIRMIN STEKELER-WEITHOFER Lässt sich das Unendliche widerspruchsfrei denken? Ein Buchsymposium zu Guido Kreis’ Negative Dialektik des Unendlichen. Kant, Hegel, Cantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

LITERATURBERICHTE UND KRITIK A) Untersuchungen zur klassischen deutschen Philosophie Martin Bondeli, Jirˇí Chotaš und Klaus Vieweg, Hgg. Krankheit des Zeitalters oder heilsame Provokation? Skeptizismus in der nachkantischen Philosophie. (Daniel Elon, Bochum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Héctor Ferreiro und Thomas Sören Hoffmann, Hgg. Metaphysik – Metaphysikkritik – Neubegründung der Erkenntnis: Der Ertrag der Denkbewegung von Kant bis Hegel. (Axel Hesper, Bonn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Axel Hutter und Anders Moe Rasmussen, Hgg. Kierkegaard im Kontext des deutschen Idealismus. (Majk Feldmeier, Bochum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Luca Illetterati und Paolo Giuspoli, Hgg. Filosofia classica tedesca. Le parole chiave [Klassische Deutsche Philosophie: Die Schlüsselbegriffe]. (Georg Sans SJ, München) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Jakub Kloc-Konkołowicz. Anerkennung als Verpflichtung. Klassische Konzepte der Anerkennung und ihre Bedeutung für die aktuelle Debatte. (Tim Rojek, Münster) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Tamás Miklós. Der kalte Dämon. Versuche zur Domestizierung des Wissens. (Burkhard Liebsch, Hannover) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Konstanze Sommer. Zwischen Metaphysik und Metaphysikkritik. Heidegger, Schelling und Jacobi. (Peter Jonkers, Tilburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 B) Editionen Carl A. Eschenmayer. Einleitung in Natur und Geschichte. Erlangen . (Eva Schneider, Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Inhalt

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C) Literatur zu Hegel Thom Brooks and Sebastian Stein, eds. Hegel’s Political Philosophy: On the Normative Significance of Method and System. (Anna Katsman, New York City) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Sven Ellmers und Steffen Herrmann, Hgg. Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft. (Philipp Erbentraut, Frankfurt a. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Mario Farina. Critica, simbolo e storia. La determinazione hegeliana dell’estetica [Kritik, Symbol und Geschichte. Die hegelsche Bestimmung der Ästhetik]. (Francesca Iannelli, Roma) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Luca Fonnesu und Lucia Ziglioli, Hgg. System und Logik bei Hegel. (Georg Oswald, Heidelberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Carsten Herrmann-Pillath und Ivan Boldyrev. Hegel, Institutions and Economics: Performing the Social. (Thomas Klikauer, Sydney) . . . . . . . . . . . . . 235 Gianluca Garelli und Maurizio Pagano, Hgg. Sostanza e soggetto. Studi sulla „Prefazione“ alla Fenomenologia dello Spirito di Hegel [Substanz und Subjekt. Aufsätze zur „Vorrede“ der Phänomenologie des Geistes]. (Alessandro de Cesaris, Torino) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Susanne Herrmann-Sinai und Lucia Ziglioli, Hgg. Hegel’s Philosophical Psychology. (Héctor Ferreiro, Buenos Aires) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Holden Kelm. Hegel und Foucault. Die Geschichtlichkeit des Wissens als Entwicklung und Transformation. (Thomas Ebke, Potsdam) . . . . . . . . . . . . . . . 242 Anton Friedrich Koch, Friedrike Schick, Klaus Vieweg und Claudia Wirsing, Hgg. Hegel –  Jahre Wissenschaft der Logik. (Myriam Gerhard, Oldenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Martin Loder. Die Existenz des Spekulativen. Untersuchungen zur neuplatonischen Seelenlehre und zu Hegels Philosophie des subjektiven Geistes. (Jens Rometsch, Bonn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Giovanna Miolli. Il pensiero della cosa. Wahrheit hegeliana e Identity Theory of Truth [The Thought of the Thing. Hegelian Wahrheit and Identity Theory of Truth]. (Federico Sanguinetti, Rio de Janeiro) . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Burkhard Nonnenmacher. Hegels Philosophie des Absoluten. Eine Untersuchung zu Hegels „Wissenschaft der Logik“ und reifem System. (Rainer Schäfer, Bonn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Filippo Ranchio. Dimensionen der zweiten Natur. Hegels praktische Philosophie. (Philip Hogh, Oldenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 León Rozitchner. Hegel psíquico I (del alma) [Hegel als Psychologe I (der Seele)]. (Eduardo Assalone, Mar del Plata) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

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Inhalt

Tatjana Sheplyakova. Öffentliche Freiheit und Individualität. Hegels Kritik des moralisch-juridischen Modells politischer Kultur. (Valentin Pluder, Siegen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Pirmin Stekeler. Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein dialogischer Kommentar. Band : Gewissheit und Vernunft. Band : Geist und Religion. (Andreas Arndt, Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Max Winter. Hegels formale Geschichtsphilosophie. (Norbert Waszek, Paris/Bochum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 D) Neuerscheinungen zu einzelnen Autoren der klassischen deutschen Philosophie Omri Boehm. Kant’s Critique of Spinoza. (Peter Rohs, Münster) . . . . . . . . . . . . . . 273 Jean-Christophe Merle und Andreas Schmidt, Hgg. Fichtes System der Sittenlehre. Ein kooperativer Kommentar. (Christian Klotz, Goiânia) . . . . . . . . 280 Michael Quante und David P. Schweikard, Hgg. Marx-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. (Georg Lohmann, Magdeburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

BIBLIOGRAPHIE Literatur zur Hegel-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Abhandlungen im Berichtszeitraum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Neue Bücher zu Hegel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Zusammenstellung und Redaktion: MARKUS GANTE

UND

JOHANNES-GEORG SCHÜLEIN (BOCHUM)

Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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SIGLEN

AA

Immanuel Kant. Gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin,  ff.

AA

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Hermann Krings und Hermann Zeltner. Stuttgart-Bad Cannstatt,  ff.

B

Briefe von und an Hegel. Herausgegeben von Johannes Hoffmeister und Rolf Flechsig bzw. Friedhelm Nicolin. Hamburg,  – .

GA

Johann Gottlieb Fichte. Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Herausgegeben von Reinhard Lauth und Hans Jacob. Stuttgart-Bad Cannstatt,  ff.

GW

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg,  ff.

JWA

Friedrich Heinrich Jacobi. Werke. Gesamtausgabe. Herausgegeben von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke. Hamburg/Stuttgart-Bad Cannstatt,  ff.

KFSA Friedrich Schlegel. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. Paderborn/München/Wien,  ff. KGA Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben von Günter Meckenstock, Andreas Arndt, Jörg Dierken, Lutz Käppel und Notger Slenczka. Berlin/NewYork,  ff. StA

Johann Christian Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke. Große Stuttgarter Ausgabe. Herausgegeben von Friedrich Beißner und Adolf Beck. Stuttgart-Bad Cannstatt,  – .

SW

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Sämmtliche Werke. Herausgegeben von K.F.A. Schelling. Stuttgart/Augsburg,  – .

TWA Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von  –  neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M.,  ff.

Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

10

SIGLEN

V

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte. Hamburg,  ff.

W

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Sämtliche Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten. Berlin,  – .

BOCHUMER HEGEL-VORLESUNG

Sally Sedgwick INNERE VERSUS ÄUßERE ZWECKMÄßIGKEIT IN HEGELS PHILOSOPHIE DER GESCHICHTE Hegel defends the thesis that a proper philosophy of history must rely on the idea of purpose. He insists, moreover, that not any idea of purpose will do. If our philosophy of history is to qualify as a genuine science, our narrative must reveal connections that are somehow necessary. Our philosophy of history can only satisfy this condition, however, if the idea of purpose unifying our narrative is of the right kind. Our idea of purpose, Hegel says, must be internal or inner versus external. In this text, I explore Hegel’s treatment of this distinction. I identify features of the internal purpose that, in Hegel’s view, unifies events of world history in a narrative that is necessary. ABSTRACT

In der Einführung zu seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte beschreibt Hegel den Gegenstand seiner Geschichtsphilosophie als „die Entwicklung des Bewußtseins des Geistes von seiner Freiheit und der von solchem Bewußtsein hervorgebrachten Verwirklichung“ (TWA : ; vgl. GW : ). Der Begriff ‚Geist‘ bezieht sich im Kontext von Hegels Philosophie der Geschichte spezifisch auf das Wesen des Menschen oder, genauer, auf das Vermögen des Menschen, frei zu sein. Die Weltgeschichte ist für Hegel damit zweierlei: einerseits Entwicklung des Bewusstseins, das die Menschheit von ihrer Freiheit hat, und andererseits Verwirklichung dieser Freiheit in gesellschaftlichen Institutionen.

 Hier und im Folgenden werden die Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte nach der Suhrkamp-Theorie-Werkausgabe zitiert, der die von Karl Hegel besorgte Ausgabe von  und Band  der Glockner-Jubiläumsausgabe ( ff.) zugrunde liegen. Soweit möglich werden parallel die entsprechenden Stellen aus den historisch-kritisch edierten Einleitungsmanuskripten aus GW  angeführt. Von den Vorlesungsnachschriften sind im Meiner-Verlag bisher nur die Vorlesungen des Wintersemesters / (GW ,) erschienen. Weitere Bände sind in Vorbereitung. Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie werden ebenfalls nach der Suhrkamp-Ausgabe zitiert, die auf dem von Karl Ludwig Michelet zusammengestellten Text beruht, dem Mitschriften der von Hegel insgesamt neunmal gehaltenen Vorlesungen zugrunde liegen. Parallel werden Verweise auf entsprechende Stellen in den historisch-kritisch edierten Vorlesungsnachschriften zu den Kollegien  und / angeführt (GW ,). Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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SALLY SEDGWICK

Hegel vertritt die optimistische Auffassung, dass die Geschichte des Geistes, wenn man sie mit dem Maßstab der Freiheit misst, eine Geschichte des Fortschritts ist. Sowohl unsere Vorstellung von der Freiheit als auch unser Verständnis ihrer Bedingungen haben, nach Hegels Überzeugung, Fortschritte gemacht. Nicht zuletzt ist ein Fortschritt auch insofern feststellbar, als unsere Institutionen dem Bedürfnis des Geistes nach Freiheit in immer höherem Maße gerecht werden. Der Begriff des Fortschritts weist darauf hin, dass eine Entwicklung stattgefunden hat. Wenn Hegel die Weltgeschichte als Geschichte einer Entwicklung begreift, dann bedeutet das, dass es ihm um mehr geht als um bloße Veränderungen. Er will nicht einfach nur die Handlungen und Ereignisse aufzeichnen, aus denen die menschlichen Angelegenheiten bestehen. Als Geschichte einer Entwicklung versucht die Weltgeschichte zu erfassen, auf welche Weise die Ereignisse miteinander verbunden sind. Sie verknüpft die Geschehnisse zu einem Narrativ. Die Weltgeschichte erzählt auf ganz ähnliche Art und Weise von einer Entwicklung, wie wir von der Entwicklung erzählen, die sich im Leben eines Individuums abspielt. Wenn wir eine solche individuelle Entwicklung schildern, dann tun wir mehr, als bloß die Charakterzüge des betreffenden Individuums in der Reihenfolge ihres zeitlichen Auftretens aufzuzählen. Wir ordnen diese Charakterzüge vielmehr mithilfe eines verbindenden Gedankens. Wir erzählen beispielsweise, wie aus einem verzogenen Kind ein verantwortungsbewusster Erwachsener wurde. Oder wir erzählen eine weniger erbauliche Geschichte, die davon handelt, wie jemand, der geistig gesund war, in dysfunktionale oder pathologische Zustände abgleitet. In beiden Fällen registrieren wir nicht einfach nur eine Folge von Ereignissen. Wir versuchen vielmehr zu erklären, auf welche Weise bestimmte Ereignisse zu anderen Ereignissen geführt haben oder diese verursachten. Wenn wir uns Hegels Auffassung anschließen, dass unser weltgeschichtliches Narrativ eine Entwicklung schildert, dann heißt das, wir gehen davon aus, dass die Weltgeschichte eine Geschichte notwendiger Zusammenhänge erzählt. Hegel bestreitet nicht, dass es in den menschlichen Angelegenheiten Zufälle gibt. Er ist allerdings davon überzeugt, dass das, was in ihrem Verlauf geschieht, mehr ist als eine Aufeinanderfolge von Zufällen: mehr als das, was er als „äußerliche[s] Spiel von Zufälligkeiten“ (TWA : ; vgl. GW : ) bezeichnet. Angesichts dessen wird verständlich, warum Hegel die Weltgeschichte als Geschichte des „notwendige [n] Gang[es] des Weltgeistes“ beschreibt (TWA : , Hervorhebung der Verfasserin; vgl. GW : ). Ja, nach Hegels Überzeugung entwickelt sich der Gang der Weltgeschichte mit „Begriffsnotwendigkeit“ (TWA : ).  Dieser Gesichtspunkt wird auch von Kant betont. In seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in

weltbürgerlicher Absicht unterstreicht er, dass wir nur dann zu einer Geschichte oder „Erzählung“ von etwas im engen Sinne gelangen können, wenn es uns gelingt, in unserem Gegenstand Anhaltspunkte für einen „regelmäßigen Gang“ zu entdecken (AA VIII: ).

Innere versus äußere Zweckmäßigkeit in Hegels Philosophie der Geschichte

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Wenn Hegel die Idee der Geschichte mit der Idee eines notwendigen Zusammenhangs verbindet, dann widerspricht er damit einer Auffassung, die er als die ‚epikureische‘ These bezeichnet. Diese besagt, dass alle Zusammenhänge zufällige Verbindungen sind, also eine Sache des Zufalls oder bloßer Möglichkeit. In seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie schreibt Hegel Epikur die Auffassung zu, dass alles, was entsteht, „zufällige Verbindungen [sind], die sich ebenso zufällig auflösen. […] Weil aber der Zufall das Herrschende ist, so fällt alles Zweckmäßige und damit auch aller Endzweck der Welt hinweg.“ (TWA : ; vgl. auch GW ,:  f.) Für den Epikureer, so Hegel, gibt es so etwas wie Zweckmäßigkeit nicht: Es herrscht einzig der Zufall. An einer früheren Stelle der Vorlesungen wirft er Epikur vor, „den Gedanken des Aristoteles sehr ungetreu“ geworden zu sein, indem er „alles auf Mechanismus und Zufall zurückführte“ und aus seinen wissenschaftlichen Erklärungen jede Art von „teleologische[m] Zweck“ eliminierte (TWA : ; vgl. auch GW ,:  f.). Es ist jedoch wichtig, nicht zu übersehen, wogegen genau sich Hegels Kritik richtet: Wenn Hegel Epikur kritisiert, weil dieser behauptet habe, dass alle Zusammenhänge zwischen den Dingen nur zufällig sind, dann will Hegel damit nicht sagen, Epikur habe die Auffassung vertreten, alles, was in der Natur geschehe, geschehe ohne Ursache. Ebenso wenig meint Hegel, Epikur habe geleugnet, dass es möglich sei, in der Natur Strukturen oder Regelmäßigkeiten zu entdecken. Epikur war laut Hegel vielmehr der Auffassung, dass die Strukturen oder Regelmäßigkeiten in der Natur durch mechanistische Erklärungen hinreichend erklärt werden können. Anders gesagt: Hegel wirft Epikur vor, dass er die Notwendigkeit einer teleologischen Erklärung, das heißt einer Kausalität der Zwecke, leugnet. In dieser Kritik an Epikur wird Hegels Überzeugung deutlich, dass, wenn wir von einer Entwicklung erzählen wollen – es uns also darum geht, eine Geschichte des Geistes oder der Natur zu verfassen –, unsere Erzählung von notwendigen und nicht bloß von zufälligen oder kontingenten Zusammenhängen handeln muss. Wenn wir eine Geschichte der Ereignisse schreiben wollen, anstatt eine bloße Liste oder einen Katalog dieser Ereignisse aufzustellen, brauchen wir mehr als rein mechanische Erklärungen. Wir müssen die Teleologie zu Hilfe nehmen. Für Hegel handelt eine echte Philosophie der Geschichte somit von der zweckgerichteten Verbindung geschichtlicher Ereignisse.  Auch Kant macht sich eine teleologische Betrachtungsweise der Geschichte zu eigen. In der Idee zu einer allgemeinen Geschichte widerspricht er der Auffassung, dass die menschliche Aktivität von reinen Zufälligkeiten bestimmt sei und dass der „widersinnige[] Gang[]“ der Menschheitsgeschichte keine Anzeichen eines Zusammenhang stiftenden Plans oder Zwecks erkennen lasse (AA VIII: ). Anders gesagt, Kant argumentiert gegen die Auffassung, dass die Geschichte bloß ein „planloses Aggregat“ sei (AA VIII: ). In der Idee zu einer allgemeinen Geschichte fragt er nach der Möglichkeit einer Geschichte der menschlichen Angelegenheiten, das heißt einer „Erzählung“ von den Erscheinungen der Freiheit

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SALLY SEDGWICK

Ich werde im Folgenden näher auf die Unterscheidung zwischen mechanischer und teleologischer Erklärung eingehen, doch zunächst möchte ich etwas genauer umreißen, was ich in meinem Text vorhabe. Hegel vertritt nicht nur die These, dass eine Philosophie der Geschichte im eigentlichen Sinne auf die Idee der Zweckmäßigkeit angewiesen ist. Er betont darüber hinaus, dass nicht jede Vorstellung von Zweckmäßigkeit geeignet ist, ein geschichtliches Narrativ zusammenzuhalten. Wenn wir die menschliche Geschichte auf eine ihr angemessene Weise erzählen wollen – wenn unsere Geschichtsphilosophie also den Kriterien einer echten Wissenschaft genügen soll –, dann muss unsere Erzählung Verbindungen zwischen den geschichtlichen Ereignissen aufzeigen, die auf irgendeine Art und Weise notwendig sind. Unsere Geschichtsphilosophie kann diese Bedingung jedoch nur erfüllen, wenn die Idee der Zweckmäßigkeit, die unsere Erzählung zusammenhält, von der richtigen Art ist. Unsere Idee der Zweckmäßigkeit, so Hegel, muss innerlich und nicht äußerlich sein. Im Folgenden möchte ich einige der Merkmale skizzieren, durch die sich für Hegel solche inneren Zwecke auszeichnen. I. Mechanismus versus Teleologie Warum ist Hegel davon überzeugt, seine These, dass die Ereignisse der menschlichen Geschichte in einem notwendigen Zusammenhang miteinander stehen, mithilfe der Idee einer inneren Zweckmäßigkeit begründen zu können? Bevor wir diese Frage beantworten können, müssen wir uns klarmachen, warum er überzeugt ist, dass es ohne die Idee der Zweckmäßigkeit keine Geschichtsphilosophie im eigentlichen Sinne geben kann. Ich habe bereits auf Hegels Kritik an Epikur hingewiesen: Epikur betrachte die Gegenstände seiner Untersuchungen rein mechanisch und mache keinen Gebrauch von der Teleologie, das heißt von einer Kausalität der Zwecke. Wie aber unterscheidet Hegel zwischen mechanischer und teleologischer Erklärung? Hegel stellt die merkwürdig anmutende Behauptung auf, dass wir, wenn wir uns ausschließlich mechanischer Erklärungen bedienen, im Grunde davon ausgehen, dass alles, was geschieht, zufällig geschieht. Merkwürdig ist diese Behauptung deshalb, weil sie nicht mit unserer üblichen Auffassung von einer mechanischen Erklärung übereinzustimmen scheint. Wenn wir etwas mechanisch erklären, zerlegen wir den Gegenstand oder das Ereignis, das wir erklären wollen, in seine Bestandteile. Dann fragen wir nach den Bedingungen, welche die Interaktion dieser Bestandteile bestimmen, also den Bedingungen, die dazu führen, dass der in den menschlichen Handlungen (AA VIII: ). Für Kant ist die These, dass die Geschichte mehr als eine plan- und regellose Folge von Ereignissen ist, gleichbedeutend mit der These, dass wir Anzeichen einer ‚Absicht‘ in den menschlichen Angelegenheiten entdecken können (vgl. AA VIII: ).

Innere versus äußere Zweckmäßigkeit in Hegels Philosophie der Geschichte

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Gegenstand so ist, wie er ist, oder dass das Ereignis so stattfindet, wie es stattfindet. Wir setzen dabei voraus, dass Eigenschaften und Verhalten dieser Bestandteile nicht zufällig sind, sondern bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgen. Insbesondere wenn wir natürliche Ereignisse erklären wollen, gehen wir auf diese Weise vor: Wir identifizieren die relevanten Eigenschaften empirischer Gegenstände und Phänomene und versuchen dann, sie auf kausale Naturgesetze zurückzuführen. Die Wissenschaftsgeschichte zeugt davon, dass es uns gelungen ist, diese Art der Erklärung immer leistungsfähiger zu machen. Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass wir die enormen Fortschritte, die wir dabei gemacht haben, die Ursachen von Krankheiten, des Verhaltens von Lebewesen und der Bewegung von Planeten zu verstehen, dem mechanischen Erklärungsmodell verdanken. Dasselbe gilt mit Blick auf die menschliche Geschichte. Auf geschichtliche oder archäologische Entdeckungen angewandt, haben mechanische Erklärungen unser Wissen über jene Ideen und Ereignisse erweitert, die einzigartige Kulturen mit einzigartigen Werten und Traditionen hervorgebracht und uns als Spezies zu dem gemacht haben, was wir sind. Allgemein lässt sich also feststellen, dass wir die enormen Fortschritte, die wir in Wissenschaft, Technologie und Kultur gemacht haben, der Kraft und Wirksamkeit mechanischer Erklärungen verdanken. Schon allein aus diesen Gründen sollte es uns merkwürdig vorkommen, dass Hegel zu behaupten scheint, die Beschränkung auf ein mechanisches Erklärungsmodell sei gleichbedeutend mit der Annahme, dass alles, was geschieht, eine Sache des Zufalls ist. Diese Behauptung ist noch aus einem weiteren Grunde erstaunlich: Hegel selbst scheint sich der Erklärungskraft des Mechanismus voll und ganz bewusst zu sein. Weder ignoriert er die Fortschritte und Voraussagen, die möglich werden, indem man sich auf gesetzmäßige Ursachen oder Bedingungen stützt, noch spielt er ihre Bedeutung herunter. Aus welchen Gründen hält er dann das mechanistische Erklärungsverfahren für unzureichend? Hegel kritisiert den Mechanismus insofern, als dieser behauptet, dass er Phänomene und Ereignisse erklären kann, ohne auf Finalursachen zurückzugreifen, also indem er sich auf eine reine Kausalität wirkender Ursachen beschränkt, ohne eine Kausalität der Zwecke zu berücksichtigen. Daher rechnet Hegel es Kant als Verdienst an, die aristotelische Idee der inneren Zweckmäßigkeit wiederbelebt und die Rolle, welche Zwecke oder Finalursachen für das Erklären spielen, hervorgehoben zu haben (vgl. GW : § , ). Wohl aus diesem Grunde bestimmt er

 Vgl. auch Hegels positive Bezugnahme auf Aristoteles’ Kritik der antiken Atomisten Demokrit

und Leukipp in TWA :  –  und GW ,:  – . Hilfreich waren mir David Kolbs Überlegungen zu dieser Frage. Vgl. insbesondere §  seines Aufsatzes „Darwin Rocks Hegel. Does Nature Have a History?“ (Kolb ).

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SALLY SEDGWICK

in seiner Wissenschaft der Logik die teleologische Erklärung als die „Wahrheit“ des Mechanismus. Dass Hegel auf Kant Bezug nimmt, ist aufschlussreich, insofern es uns Hinweise auf seine Gründe gibt, skeptisch gegenüber einem rein mechanischen Erklärungsverfahren zu sein. Kant vertritt in seiner ersten und in seiner dritten Kritik die Auffassung, dass die Idee einer Final- oder Zweckursache sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch für unsere alltäglichen empirischen Urteile notwendig ist. Vor allem in der Kritik der Urteilskraft geht Kant ausführlich auf die Schwächen rein mechanischer Erklärungsverfahren ein. Er beschreibt das, was wir tun, wenn wir natürliche Ereignisse mechanisch erklären, als eine Erklärung vermittels vorausgehender Wirkursachen. Wenn wir beispielsweise erklären wollen, warum Vögel fliegen können, dann zerlegen wir das Ereignis des Vogelflugs in die Bestandteile, die wir für erklärungsrelevant halten – diejenigen Bestandteile, von denen wir vermuten, dass sie im Zusammenspiel mit den Naturgesetzen ursächlich zu dem Ereignis beitragen. Wir betrachten die körperliche Struktur des Vogels, „die Höhlung in seinen Knochen, die Lage seiner Flügel zur Bewegung und des Schwanzes zum Steuern“ (AA V: § , ). Wir setzen voraus, dass es einen Bezugsrahmen natürlicher Verursachung gibt, das heißt, wir suchen nach Gründen für die Schlussfolgerung, dass es zwischen der Art und Weise, wie die Flügel eines Vogels gebaut sind, und der Tatsache, dass der Vogel fliegen kann, eine Kausalbeziehung gibt. Wir suchen nach Gründen für die Annahme, dass der Körperbau eines Vogels uns im Zusammenwirken mit der Aerodynamik in die Lage versetzt zu erklären, warum Vögel fliegen können. Dabei müssen diese Gründe so beschaffen sein, dass wir, wenn wir in Zukunft erneut auf eine vergleichbare Kombination von Faktoren treffen, berechtigterweise eine gleiche Wirkung erwarten dürfen. Kant vertritt jedoch die Auffassung, dass wir, wenn wir uns auf eine mechanische Erklärung beschränken, bestenfalls behaupten können, dass der Zusammenhang zwischen dem Bau der Flügel eines Vogels und der Tatsache, dass er fliegen kann, „im höchsten Grade zufällig“ sei (AA V: § , ). Kant begründet diese Schlussfolgerung, indem er unsere Aufmerksamkeit auf eine implizite Annahme lenkt, die wir stets machen, wenn wir etwas mechanisch erklären. Wir setzen implizit voraus, dass es nicht zutrifft, dass jeder Sachverhalt und jeder Gegenstand jeweils eine singuläre, nur für ihn zutreffende Ursache hat. Wenn wir aber die  „Die Z w e c k b e z i e h u n g hat sich als die Wahrheit des M e c h a n i s m u s erwiesen“ (GW : ; vgl. auch GW : § , ).  Am explizitesten formuliert Kant dieses Argument in der Kritik der reinen Vernunft: „Die verschiedenen Erscheinungen [von Kräften] eben derselben Substanz zeigen beim ersten Anblicke soviel Ungleichartigkeit, daß man daher anfänglich beinahe so vielerlei Kräfte derselben annehmen muß, als Wirkungen sich hervorthun […].“ Das „logische Vernunftprincip“ aber „erfordert“, dass wir diese „anscheinende Verschiedenheit soviel als möglich […] verringern“ (KrV A f./B f.). Es ist mit anderen Worten ein „Gesetz der Vernunft“, dass wir in der Mannigfaltigkeit der Kräfte nach „Einheit“

Innere versus äußere Zweckmäßigkeit in Hegels Philosophie der Geschichte

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Prämisse verwerfen, dass jeder Gegenstand jeweils eine singuläre, nur für ihn zutreffende Ursache hat, dann, so Kant, nehmen wir damit gleichzeitig an, dass natürliche Gegenstände sich in Gattungen und Arten unterteilen lassen. Denn nur diese Annahme ermöglicht uns, Aussagen darüber zu treffen, dass bestimmte Klassen von Gegenständen – das heißt Gegenstände, die bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben – bestimmte Verhaltensweisen zeigen, die bestimmte Wirkungen hervorrufen. Die Annahme, dass die Natur sich in Gattungen und Arten unterteilen lässt, so unterstreicht Kant, ist eine notwendige Voraussetzung für jeden Versuch, Regelhaftigkeiten oder empirische Gesetze in der Natur zu entdecken. Zugleich betont Kant, dass der Mechanismus nicht in der Lage ist, die Annahme zu begründen, die Natur lasse sich in Gattungen und Arten unterteilen. Um dies zu begreifen, müssen wir uns klarmachen, dass diese Annahme gleichbedeutend mit der These ist, dass die Natur ein System ist. Anders gesagt: Sie ist gleichbedeutend mit der Annahme, dass zumindest zwischen bestimmten Teilen der Natur notwendige Zusammenhänge bestehen. Es ist eben diese Annahme, die uns ermöglicht festzustellen, dass zwischen dem Körperbau eines Vogels, den Gesetzen der Aerodynamik und der Tatsache, dass der Vogel fliegen kann, ein notwendiger statt eines bloß zufälligen Zusammenhangs besteht. Kant will uns bewusst machen, dass wir uns, wenn wir annehmen, dass der Vogel nicht nur zufällig fliegen kann, auf eine Prämisse stützen, die nicht aus einer mechanischen Erklärung abgeleitet werden kann. Diese Prämisse lautet, dass es sich so verhält, als ob die Flügel des Vogels konstruiert oder zweckmäßig gestaltet wären, um ihm das Fliegen zu ermöglichen. Kants Auffassung nach ist die Idee der Zweckmäßigkeit ein Prinzip der Vernunft. Als solches bezieht sie sich auf einen Gegenstand, der sich nicht in der Natur selbst findet. Nichtsdestotrotz ist die Idee des Zwecks notwendig als Bedingung der Möglichkeit unserer Erfahrung der Natur und unseres Erwerbs von Wissen über sie. Hegel schließt sich dem kantischen Standpunkt an, dass wir implizit eine zweckmäßige Ordnung der Dinge voraussetzen, wenn wir ein natürliches oder suchen. Ohne diese Einheit gibt es gar keinen „zusammenhängenden Verstandesgebrauch“ und „kein zureichendes Merkmal empirischer Wahrheit“ (KrV A/B).  Als Bedingung der Möglichkeit, die Natur nicht bloß als einen „zufälligen Zusammenhang“, sondern als eine systematische Einheit zu denken, so unterstreicht Kant, können wir allerdings bestenfalls voraussetzen, dass ihre Bestandteile so miteinander verbunden sind, „als ob“ sie von einer höchsten Intelligenz oder einem „Werkmeister“ gestaltet wären. Wenn wir annehmen, dass die Natur teleologisch – das heißt entsprechend einer Kausalität von Zwecken oder Finalursachen – geordnet ist, dann bedeutet das nicht, dass wir ein „verständiges Wesen über [die Natur] als Werkmeister“ setzen oder die Natur selbst zu einem „verständige[n] Wesen“ machen dürfen, das in der Lage ist, seine eigenen Zwecke hervorzubringen (AA V: § , ). Wir können weder auf theoretischem noch auf empirischem Wege zu dem Wissen gelangen, dass die Natur ein Artefakt ist. Daher können wir nicht wissen, ob sie nach den „weise[n] Absichten“ einer „obersten Intelligenz“ oder eines „Urheber[s]“ geordnet ist (KrV A/B).

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geschichtliches Phänomen mechanisch erklären. Ein Grund, warum für Hegel die Teleologie die Wahrheit des Mechanismus darstellt, ist, dass der Mechanismus seine Erklärungsfunktion überhaupt nur dann erfüllen kann, wenn er seine Gegenstände teleologisch auffasst. Schon wenn er sich auf die Suche nach Bedingungen und Ursachen macht, ist der Mechanismus auf die Teleologie angewiesen. Denn jede Suche nach Bedingungen und Ursachen setzt die Annahme voraus, dass es überhaupt möglich ist, solche Bedingungen und Ursachen zu entdecken. Wenn er aber die Möglichkeit annimmt, Bedingungen und Ursachen zu entdecken, dann verneint der Mechanismus faktisch, dass alles, was geschieht, bloßer Zufall ist. Stattdessen geht er davon aus, dass es notwendige und nicht nur zufällige oder kontingente Verbindungen zwischen seinen Gegenständen gibt. II. Arten äußerer Zwecke An diesem Punkt sollte deutlich geworden sein, warum sowohl Kant als auch Hegel der Auffassung sind, dass wir nicht nur bei der Erklärung der Natur, sondern auch der Weltgeschichte auf die Teleologie angewiesen sind. Erklärungen setzen die Annahme notwendiger Zusammenhänge voraus. Um also einen natürlichen oder geschichtlichen Sachverhalt zu erklären, müssen wir über den reinen Mechanismus hinausgehen, da der reine Mechanismus auf die Annahme verzichtet, dass Gegenstände Teil eines zweckmäßig organisierten Ganzen sind. Der Mechanismus geht stattdessen davon aus, dass die Gegenstände einander „gleichgültig“ gegenüberstehen, wie Hegel es ausdrückt (TWA : §  Zus., ; vgl. auch GW :  ff.). Doch kommen wir nun zum eigentlichen Thema meiner Ausführungen: Wie ich anfangs erwähnt habe, geht es Hegel um eine ganz bestimmte Art von Zweckmäßigkeit, nämlich um innere Zwecke, die er gegen äußere oder äußerliche Zwecke abgrenzt. Nach seinem Verständnis können äußere Zwecke keine notwendigen Zusammenhänge herstellen. Wenn wir uns nur auf eine äußere Zweckmäßigkeit stützen, so Hegel, dann sind wir im Grunde nicht weiter gekommen als Epikur, da wir implizit davon ausgehen, dass alles, was in der Geschichte oder der Natur geschieht, bloßer Zufall ist. Doch welche Art von Zwecken ist es genau, die Hegel als äußerliche Zwecke bezeichnet, und wie begründet er seine Auffassung, dass diese Klasse von Zwecken  Ein Grund, da Hegel der Auffassung ist, dass es weitere Aspekte gibt, unter denen die Teleologie als ‚die Wahrheit des Mechanismus‘ bezeichnet werden kann – Aspekte, die Kant seiner Überzeugung nach übersehen hat. Ich werde auf diese Frage im Abschnitt III näher eingehen.  Für Hegel ist der mechanistische Ansatz „oberflächlich“, insofern er die Bestandteile der Natur als „gleichgültig gegeneinander“ und ihre Verbindung als „äußerlich“ behandelt (TWA : §  Zus., , u. §  Zus., ; vgl. GW ,:  –  u.  f.).

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unzureichend sei? Hegel gibt zahlreiche Beispiele für äußerliche Zwecke, doch ist es zunächst alles andere als offensichtlich, was sie gemeinsam haben. So bezeichnet er es beispielsweise als äußerlichen Zweck, wenn wir Kork dazu verwenden, um Flaschen zu verschließen. Hegel leugnet nicht, dass diese Art der Verwendung des Korks nützlich ist. Es geht ihm vielmehr darum, dass der Verweis auf diesen spezifischen Zweck uns keine Erkenntnisse über das Wesen des Korks verschafft. Wir behandeln den Gegenstand vielmehr als ein bloßes „Mittel“, das uns zu einem Zweck dient, der, mit Hegels Worten, „außerhalb“ des Gegenstandes liegt (TWA : §  Zus.,  f.; vgl. GW ,:  –  u.  – ). Wir setzen nicht nur den Zweck des Korks mit seinem Nutzen gleich, wir beschränken diesen Nutzen darüber hinaus auf eine einzelne Funktion. In dieser Hinsicht ist unsere Beschreibung seines Zwecks in hohem Maße kontingent. Wenn wir uns auf den Aspekt der Nützlichkeit beschränken, so Hegel, kommen wir „nicht über das Endliche hinaus[]“ (TWA : §  Zus., ; vgl. GW ,: ). Auch verschiedene Möglichkeiten, der menschlichen Geschichte einen Zweck zuzuschreiben, werden von Hegel als äußerlich verworfen. Wie wir bereits festgestellt haben, ist Hegel der Auffassung, dass wir, wenn wir die Geschichte eines Gegenstandes schreiben wollen, mehr tun müssen, als einfach nur wahllos Fakten zusammenzutragen. Wir benötigen ein übergreifendes Prinzip, mit dessen Hilfe wir einen Zusammenhang zwischen unseren Fakten herstellen können. Ein naheliegender Anwärter für ein solches Prinzip ist die chronologische Ordnung. Es ist plausibel zu erwarten, dass jede Darstellung, die wir als geschichtliche Darstellung erkennen sollen, uns die dargestellten Ereignisse in chronologischer Reihenfolge präsentiert. Hegel ist jedoch der Auffassung, dass die Chronologie ein weiteres Beispiel eines nur äußerlich verbindenden Prinzips ist. Zwar trifft es zu, dass Geschichte in zeitlich geordneter Form von Veränderung erzählt, doch tut sie zugleich viel mehr als das. Für Hegel erzählt Geschichte von einer Entwicklung. Wenn man ein Urteil über eine Entwicklung fällt, dann beurteilt man nicht nur, ob eine Veränderung stattgefunden, sondern auch, ob es einen Fortschritt oder einen Rückschritt gegeben hat. Man urteilt darüber, ob Angemessenheit oder Geeignetheit zu- oder abgenommen haben. Doch um Angemessenheit oder Geeignetheit beurteilen zu können, benötigen wir mehr als ein beliebiges Organisationsprinzip. Wir brauchen ein Organisationsprinzip, das normativ ist. Wenn unser Gegenstand die Weltgeschichte ist, dann müssen wir unsere Fakten im Lichte der  Untersuchungen eines Gegenstands, die ihre Daten rein chronologisch anordnen, gelten Hegel als ‚positiv‘ und nicht im eigentlichen Sinne als ‚wissenschaftlich‘. So bemerkt er beispielsweise in der Einleitung zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts, dass eine positive Geschichte der Idee des Rechts sich auf die zeitlich geordnete Aufzeichnung von Rechtsentscheidungen beschränkt, die widerspiegeln, was zu einer bestimmten Zeit als Recht betrachtet wurde. Eine solche geschichtliche Herangehensweise, so Hegel, kann jedoch noch nicht als ‚Wissenschaft‘ bezeichnet werden (vgl. GW ,: §  Anm., ).

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Frage betrachten: Wird die Menschheit dem Zweck der Weltgeschichte gerecht? Mit anderen Worten: Macht die Menschheit Fortschritte? Doch auch wenn wir ein normatives Prinzip heranziehen, so Hegel, entgehen wir nicht notwendigerweise dem Vorwurf der Äußerlichkeit. Um zu beurteilen, ob ein Fortschritt stattgefunden hat, reicht es nicht aus, irgendeinen beliebigen normativen Maßstab anzuwenden. Wenn wir beispielsweise den Fortschritt, den die Menschheit gemacht hat, beurteilen, indem wir das Glück menschlicher Individuen zusammenaddieren, bleibt unser normativer Maßstab für Hegel äußerlich. Einer der Gründe, warum Hegel diesen Maßstab als äußerlich betrachtet, ist, dass das Glück menschlicher Individuen von hochgradig persönlichen Faktoren abhängt und daher in hohem Maße kontingent ist. Etwas, das heute meine Wünsche befriedigt, kann mir morgen schon zuwider sein, und Ihnen ist es vielleicht vollkommen gleichgültig. So wie Hegel die Weltgeschichte begreift, geht es in ihr in keiner Hinsicht um das Glück von Individuen. Es ist nicht Aufgabe des Geschichtsphilosophen, so Hegel, „solches sogenanntes Gut- oder Schlechtgehen von diesen oder jenen einzelnen Individuen […] zu einem Momente der vernünftigen Weltordnung [zu machen]“ (TWA : ; vgl. GW : ). Was aber wäre, wenn wir den Fortschritt der Geschichte nicht nach dem Glück dieses oder jenes Individuums beurteilten, sondern das Glück der Menschheit als Ganzer zum Maßstab nehmen würden? Auch ein solcher Maßstab bliebe für Hegel äußerlich, wobei er allerdings einräumt, dass der Wunsch nach Glück zu den wichtigen Triebkräften menschlichen Handelns zählt und Glück etwas ist, das jeder von uns wünscht. Doch auch wenn es oft als Kriterium des Fortschritts verwendet wird, ist das allgemeine Glück für Hegel ebenfalls nur ein äußerlicher Maßstab. Das Glück der Menschheit ist für Hegel ein „endlicher“ oder „zufälliger“

 Ebenso kritisch steht Hegel einer chronologischen Betrachtungsweise der Natur gegenüber. Wenn wir uns darauf beschränken aufzuzeichnen, wie ein Phänomen auf das andere folgt, dann handelt es sich bloß um eine chronologische Geschichte, die „kein vernünftiges Interesse“ hat (TWA : §  Zus., ; vgl. GW ,:  sowie auch GW : § ,  f.). So zeugen unsere geologischen Entdeckungen zwar davon, dass die Erde eine Geschichte hat, solange wir jedoch nur die „Aufeinanderfolge“ der geologischen Phänomene betrachten, so Hegel, befinden wir uns bestenfalls auf der Ebene eines „äußerliche[n] Erklären[s]“. Dieser „Gesichtspunkt der bloßen Aufeinanderfolge geht die philosophische Betrachtung gar nichts an“ (TWA : §  Zus.,  f.; vgl. GW ,: ).  Hegel bemerkt, dass das Dasein des menschlichen Individuums im Vergleich zur „Masse des Menschengeschlechts“ von „geringer Ausdehnung“ ist (TWA : ; vgl. GW :  f.). Dies bedeutet für Hegel jedoch nicht, dass es überhaupt keine Individuen gibt, die für die Weltgeschichte von Bedeutung sind. Es findet sich in der Geschichte eine gewisse Anzahl besonderer Individuen, nämlich solche, deren Handlungen Konsequenzen für den Verlauf der Weltgeschichte haben. Solche Individuen haben eine weltgeschichtliche Bedeutung, so Hegel, weil sie „ein Richtiges und Notwendiges gewollt und vollbracht haben“ (TWA : ). Es sind Individuen, „in deren Zwecken ein solches Allgemeines [d.i. ein Moment der nach sich selbst strebenden und treibenden Wahrheit] liegt“ (TWA : ). Die „Zwecke“ solcher außergewöhnlichen Individuen enthalten „das Substantielle […], welches Wille des Weltgeistes ist“ (TWA : ; vgl. GW : ).

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Zweck, ein Gesichtspunkt, der, wie er es formuliert, keine „wahrhafte Einsicht in die Natur der Dinge“ gewährt (TWA : §  Zus., ). Dass Hegel Glück als Maßstab des Fortschritts verwirft, erscheint zunächst erstaunlich. Wenn er einräumt, dass Glück etwas ist, wonach alle Menschen streben, warum bezweifelt er dann, dass unser Wunsch nach Glück etwas Wesentliches über uns aussagt? In welcher Hinsicht ist Glück seiner Auffassung nach ein bloß zufälliger Zweck oder ein bloß zufälliges Ziel? Vielleicht betrachtet Hegel das Glück der Menschheit als Ganzer deshalb als etwas Zufälliges oder Äußerliches, weil zwar jeder von uns danach strebt, glücklich zu sein, jeder von uns jedoch etwas anderes darunter versteht. Wenn wir dieser Interpretation folgen, dann ist Glück deshalb ein zufälliges Ziel, weil seine spezifischen Inhalte von den individuellen Bedürfnissen und Interessen der einzelnen Menschen bestimmt werden. Doch selbst, wenn dies zumindest teilweise erklärt, warum das menschliche Glück für Hegel etwas Zufälliges oder Äußerliches ist, so zeichnet sich noch ein weiterer Grund ab, warum unser Streben nach Glück nicht das ausmacht, was für uns wesentlich ist. Hegels Hauptargument scheint zu sein, dass unser Streben nach Glück uns nicht signifikant von anderen Tieren unterscheidet. Daher kann es nicht das sein, was für uns als Menschen wesentlich ist. Dies ist der eigentliche Grund, warum Glück für Hegel ein äußerlicher Zweck bleibt und als solcher ungeeignet als übergreifendes Prinzip ist, anhand dessen sich die Weltgeschichte erzählen lässt. Die Beispiele, die wir betrachtet haben, zeigen, dass die Äußerlichkeit oder Zufälligkeit eines verbindenden Prinzips für Hegel in unterschiedlichen Zusammenhängen etwas Unterschiedliches bedeuten kann. Wenn ein verbindendes Prinzip dem Vorwurf der Äußerlichkeit entgehen soll, dann muss es normativ sein. Es hat sich jedoch gezeigt, dass keineswegs alle normativen Prinzipien für Hegel nichtäußerlich sind. Wenn der normative Maßstab, den wir an die Weltgeschichte anlegen, als innerer und nicht bloß als äußerer Zweck gelten soll, dann muss er, mit Hegels Worten, „nicht bloß der äußere Faden, eine äußere Ordnung, sondern die innere leitende Seele der Begebenheiten und Taten selbst“ sein (TWA : ). Mit anderen Worten: Unser Maßstab muss den Kern der Sache erfassen. Eben aus diesem Grund kann die Weltgeschichte nicht die Geschichte des Zu- oder Abnehmens des menschlichen Glücks im Verlaufe der Zeit sein. In ihrem Mittelpunkt  Das letzte Ziel der Weltgeschichte, so Hegel, ist keineswegs das menschliche Glück. Ihr „Zweck“ ist vielmehr, „daß der Begriff des Geistes befriedigt werde“ (TWA : ; vgl. GW : ). Dass Hegel diese Auffassung vertritt, erklärt, warum er sich nicht damit begnügen kann, den Staat nur als „bürgerliche Gesellschaft“ zu begreifen (vgl. GW ,: § ,  f.).  Ich kann keinesfalls für mich beanspruchen, einen vollständigen Katalog von Hegels verschiedenen Verwendungsweisen des Begriffs einer äußerlichen Zweckmäßigkeit aufgestellt zu haben. Mit meinen Beispielen möchte ich vielmehr unterstreichen, dass Zwecke für Hegel in verschiedener Hinsicht äußerlich sein können. Interessanterweise findet sich eine solche Vielfalt auch in den Formen der Reflexion, die Hegel als ‚äußerlich‘ beschreibt (vgl. dazu Jaeschke ).

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muss vielmehr die Entwicklung der menschlichen Freiheit stehen. Für Hegel unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen durch seine Fähigkeit zur Freiheit, anders gesagt: durch unser geistiges Wesen. Aus diesem Grund sind nach Hegels Ansicht die einzigen Handlungen und Geschehnisse, die wirklich zur Weltgeschichte gehören, solche, in denen der Geist sich seiner Freiheit bewusst wird und sie verwirklicht (vgl. TWA : ; vgl. GW : ). III. Kants innerliche Zwecke als äußerliche Zwecke Wie sich gezeigt hat, können Zwecke für Hegel in unterschiedlicher Hinsicht äußerlich sein. Entscheidend dafür, ob ein Zweck als äußerlicher Zweck gilt, ist sein Verhältnis zu dem Gegenstand oder Sachverhalt, den unsere Vorstellung von Zweckmäßigkeit uns helfen soll zu erklären. Der Verweis auf die in hohem Maße kontingenten Arten und Weisen, wie ein bestimmter Gegenstand verwendet wird, leistet in Hegels Augen keinen wesentlichen Beitrag zu unserem wissenschaftlichen Wissen über diesen Gegenstand. Ebenso wenig kommen wir den Zielen der Weltgeschichte näher, wenn wir die idiosynkratischen und wechselhaften Wünsche einzelner Menschen sammeln. Selbst Ziele oder Zwecke, die von allen Menschen geteilt werden, bleiben für Hegel äußerlich, wenn sie uns nicht wesentlich von anderen Tieren unterscheiden. Ein verbindendes Prinzip gilt Hegel nur dann als innerlich und nicht als äußerlich, wenn es den Kern einer Sache erfasst. In Bezug auf die Weltgeschichte erfassen wir den Kern der Sache nur dann, wenn wir die gegebenen Daten mithilfe der Idee der Freiheit miteinander verbinden. Allerdings sind wir damit immer noch weit davon entfernt, vollständig zu erfassen, worauf Hegel hinauswill, wenn er uns auffordert, in Bezug auf die Weltgeschichte zum Kern der Sache vorzudringen. Denn auch unsere verbindende Idee der Freiheit kann nach Hegel eine bloß äußerliche sein. Sie kann sich dem Vorwurf der Äußerlichkeit aussetzen, wenn sie nicht auf die richtige Weise verstanden wird. Solange wir die Idee der Freiheit – oder, allgemeiner, die Idee der Zweckmäßigkeit – nicht auf die exakt richtige Weise verstehen, besteht die Gefahr, dass sie sich unter einem weiteren Aspekt dem Vorwurf der Äußerlichkeit und damit der Kontingenz aussetzt: Sie kann in bestimmter Hinsicht zu subjektiv sein, oder, anders ausgedrückt, ihre Objektivität kann die falsche Art von Objektivität sein. Für Hegel ist es vielleicht am wichtigsten, sich gegen jene Art von Äußerlichkeit abzugrenzen, die er in der spezifisch kantischen Idee der Zweckmäßigkeit entdeckt. Wie wir anfangs gesehen haben, spricht Hegel Kant das Verdienst zu, die aristotelische Idee der inneren Zweckmäßigkeit wieder zum Leben erweckt zu ha Genauer gesagt unterscheiden sich Menschen von anderen Lebewesen dadurch, dass sie denkende und deshalb auch freie Wesen sind (vgl. TWA : §  Zus.,  – ; GW ,:  – ).

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ben. Er schließt sich Kants Argumentation an, dass es keine mechanische Erklärung geben kann, die nicht die Vorstellung von Zweckmäßigkeit voraussetzt. Unsere Naturwissenschaften und unsere Geschichtswissenschaft, darin stimmt er mit Kant überein, werden überhaupt nur dadurch möglich, dass wir uns ihre jeweiligen Gegenstände als nicht durch bloßen Zufall, sondern durch eine Notwendigkeit verbunden vorstellen, die nicht blind ist. Aus den bereits skizzierten Gründen teilt Hegel Kants Auffassung, dass wir über den reinen Mechanismus hinausgehen müssen, wenn wir überhaupt irgendetwas erklären wollen. Er schließt sich daher der kantischen These an, dass unsere Natur- und Geschichtswissenschaften teleologisch sein müssen. Wie wir festgestellt haben, ist das Prinzip der Zweckmäßigkeit für Kant eine notwendige Bedingung jeder Art von Erkenntnis. Im Hinblick auf die Wissenschaft von der Natur stellt er fest, dass die Idee der Teleologie notwendig ist, um die Ziele der Naturforschung zu erreichen (vgl. AA V: § , ). Sowohl in seiner ersten wie in seiner dritten Kritik argumentiert er, dass wir die Natur nur mithilfe einer Kausalität der Zwecke erfahren und erforschen können. Doch Kant weist zugleich darauf hin, dass die Annahme einer zweckmäßigen Ordnung der Natur ihrerseits nicht von den Naturwissenschaften bewiesen werden kann. Dass wir in der Vielfalt der Erscheinungen nach Einheit suchen, ist eine Bedingung der Möglichkeit unserer Wissenschaft und unserer Erfahrung von der Natur. Letztlich können wir diese Einheit jedoch nur, wie Kant es ausdrückt, „außer dem Begriffe der Natur, nicht in demselben“ finden (AA V: § , ). Weil die Idee einer systematischen Einheit oder zweckmäßigen Ordnung der Natur uns notwendigerweise außer die Natur führt, kann die Natur oder die Erfahrung diese Idee weder bestätigen noch widerlegen. Die Idee einer zweckmäßigen Ordnung ist notwendig, damit wir die Natur erforschen können, doch unsere Erfahrungen können für Kant immer nur zeigen, dass die Natur selbst vollständig kontingent oder, anders gesagt, ein „blinder Mechanism“ ist (AA V: § , ). In dieser Hinsicht und wie Kant selbst zugesteht, ist die Idee der Zweckmäßigkeit in gewisser Weise subjektiv. Wir müssen voraussetzen, dass Gegenstände durch Zweckmäßigkeit miteinander verbunden sind, doch die Idee der Zweck-

 Hegel schreibt, dass Kant mit dem Begriff der inneren Zweckmäßigkeit in gewisser Weise die aristotelische Bestimmung des Lebens wiedererweckt. Diese aristotelische Auffassung des Lebens ist für Hegel der modernen Auffassung der Teleologie überlegen, die – wie im Folgenden ausgeführt wird – letztlich eine Form äußerer Zweckmäßigkeit ist (vgl. GW : § , ).  Wenn wir nicht teleologisch urteilen, so Kant, dann bleibt uns nur ein „blinder Mechanism“ (AA V: § , ).  Die „teleologische Beurtheilung“ wird zwar laut Kant „mit Recht zur Naturforschung [heran]gezogen“, dies ist jedoch nur legitim, wenn wir es „problematisch“ tun (AA V: § , ).

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mäßigkeit selbst ist ein Vernunftbegriff a priori. Das Äußerste, was wir berechtigt sind anzunehmen, ist, wie Kant es ausdrückt, „eine subjektive Zweckmäßigkeit“ der Natur (AA V: § , , Hervorhebung der Verfasserin). Für Kant ergibt sich dies aus der Tatsache, dass die Beziehung zwischen der Natur und den Ideen, die wir unserer Erforschung der Natur zugrunde legen, das heißt die Beziehung zwischen der Natur und unserem Erkenntnisvermögen, kontingent ist. In seiner zweiten Fassung der Einleitung zur Kritik der Urteilskraft vertritt Kant die These, dass wir, als Bedingung der Möglichkeit unserer Erfahrung und Erforschung der Natur, annehmen müssen, dass es zwischen der Natur und unserer Fähigkeit, die Natur zu erkennen, ein Verhältnis der „Zusammenstimmung“ (AA V: ) gibt. Doch diese Übereinstimmung ist selbst objektiv zufällig: Wir können nicht wissen, ob die unendliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen tatsächlich unseren begrifflichen Bestimmungen entspricht. Im Hinblick auf die Weltgeschichte, so Kant, stehen wir vor derselben Situation. Als Bedingung der Möglichkeit einer geschichtlichen Erklärung oder eines geschichtlichen Narrativs bleibt uns nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass die historischen Ereignisse zweckmäßig verbunden sind, statt „verwickelt und regellos“ abzulaufen (AA VIII: ). Zweckmäßigkeit ist jedoch für Kant auch in Bezug auf die Geschichte eine Idee der Vernunft. Obwohl sie notwendig ist, kann sie geschichtlich nicht überprüft oder begründet werden. Hegel waren die kantischen Überlegungen zur Idee der Zweckmäßigkeit oder der zweckmäßigen Verbindung nur allzu vertraut. Mehrfach setzt er sich mit dem Kontingenzverhältnis auseinander, das nach Kant zwischen der Idee der Zweckmäßigkeit und ihrem Gegenstand besteht – sowohl wenn der Gegenstand unserer Untersuchung die Natur als auch wenn es die Ereignisse der menschlichen Geschichte sind. So erinnert Hegel beispielsweise in seiner Differenzschrift von  an Kants These, dass es für das menschliche Erkenntnisvermögen „unmöglich“ sei, dass „die Erklärung auf dem Wege des Mechanismus mit der Zweckmässigkeit zusammentreffe“ (GW : ). In der Enzyklopädie kritisiert Hegel Denker wie Kant, für die der Begriff des Zwecks ein reiner „ Ve r n u n f t b e g r i f f “ ist, den sie der Objektivität, dem „Abstract-Allgemeinen des Verstandes“, gegenüberstellen (GW : § , ). Die kantische Idee der Zweckmäßigkeit, so Hegel, ist subjektiv oder „ f o r m e l l “ (GW : § , ), da sie auf einem angenommenen „ G e g e n s a t z “ von „Subjectivität und Objectivität“ beruht (GW : § , ). Obwohl der Kantianer zugesteht, dass die Idee der Zweckmäßigkeit eine gewisse  In Kants Terminologie sind Ideen Begriffe, „denen angemessen kein Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann“ (AA V: § , ). Wie Kant in dieser Erörterung deutlich macht, ist der Begriff ‚Naturzweck‘ eine solche Idee.  Ein Jahr später fasst Hegel Kants These in Glauben und Wissen folgendermaßen zusammen: „ [ A ] n s i c h ist es nicht unmöglich, daß der Mechanismus mit der Zweckmäßigkeit der Natur zusammentrifft, sondern f ü r u n s M e n s c h e n ist es unmöglich“ (GW : ).

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Objektivität hat, insofern sie eine unverzichtbare Voraussetzung der Erfahrung ist, vertritt er gleichzeitig die Auffassung, dass es ihr in anderer Hinsicht an Objektivität mangelt: Wir sind nicht in der Lage zu begründen, dass sich in den Gegenständen selbst eine Zweckmäßigkeit entdecken lässt (vgl. GW : § , ). Hegel möchte uns jedoch davon überzeugen, dass es einen höheren Begriff des Zwecks gibt. In diesem höheren Begriff des Zwecks, so Hegel, ist der Gegensatz von Subjektivität und Objektivität aufgehoben, und an die Stelle der Subjektivität des Zwecks tritt seine spekulative Interpretation als Begriff (GW : § ,  u. § , ). Folgt man dieser spekulativen Interpretation, so ist der Zweck mehr als eine Idee der Vernunft im technischen Sinne Kants. Der Zweck erscheint dann vielmehr, wie Hegel es formuliert, als „Manifestation [des] eigenen Innern“ des Objekts (TWA : §  Zus., ). IV. Wie lässt sich Äußerlichkeit vermeiden? Wir haben Hegels These in den Blick genommen, dass wir, um zu einer inneren oder innerlichen Zweckmäßigkeit zu gelangen und damit sicherzustellen, dass unsere Natur- oder Geschichtswissenschaft tatsächlich von notwendigen Zusammenhängen handelt, jede Form von Äußerlichkeit vermeiden müssen. Hegels Auffassung nach machen wir einen Schritt in diese Richtung, wenn wir uns mit dem Allgemeinen statt mit dem Besonderen befassen. Im Hinblick auf die Weltgeschichte bedeutet dies, dass wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf die Handlungen von Individuen richten, die persönliche und kontingente Ziele verfolgen, sondern auf Handlungen, die auf das Erreichen allgemein geteilter Ziele und Zwecke gerichtet sind. Zudem müssen wir, um Äußerlichkeit zu vermeiden, unserer Geschichtserzählung diejenigen gemeinsamen Zwecke zugrunde legen, die erfassen, was für uns als Spezies wesentlich ist – Zwecke, die aus jener menschlichen Fähigkeit erwachsen, die uns von anderen Tieren unterscheidet, nämlich unserer Fähigkeit zur Freiheit. Unser verbindendes Prinzip muss zudem normativ und nicht nur deskriptiv sein und uns einen Maßstab liefern, anhand dessen wir beurteilen können, ob es in der Weltgeschichte einen Fortschritt gegeben hat. Nicht zuletzt darf unser normativer Maßstab selbst nicht äußerlich sein, so Hegel. Daher darf der Maßstab nicht in inakzeptabler Form subjektiv sein. Unser Maßstab muss mehr sein als ein Prinzip, das wir an die Geschichte herantragen, um die menschlichen Angelegenheiten zu ordnen und für uns verständlich zu machen – oder um uns über ihren Zustand hinwegzutrösten. Unser Maßstab muss sogar mehr sein als ein teleologisches Prinzip, das wir auf unseren Gegenstand anwenden, um in der Lage zu sein, statt bloßem Zufall einen notwendigen Zusammenhang in der Abfolge der Ereignisse zu entdecken. Unsere Idee einer Zweckmäßigkeit in der menschlichen Geschichte – oder, genauer gesagt, unsere Idee einer fortschrei-

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tenden Entfaltung der menschlichen Freiheit – entgeht dem Vorwurf der Äußerlichkeit nur dann, wenn sie auf irgendeine Weise aufhebt, was Hegel als die „einseitige S u b j e c t i v i t ä t und [den] Schein der gegen sie vorhandenen objectiven Selbstständigkeit“ beschreibt (GW : § , ). In Hegels technischen Begriffen ausgedrückt: Unsere Idee, dass die Geschichte einen Zweck hat, muss aus einer spekulativen philosophischen Anschauung hervorgehen, die erkennt, dass sich „ d e r B e g r i f f als das a n s i c h seyende Wesen des Objects“ setzt (GW : § , ). Wie aber geht es nach Hegels Ansicht vonstatten, dass ‚der Begriff sich als das an sich seiende Wesen des Objekts setzt‘, statt dieses Objekt in seiner vorgeblichen Selbstständigkeit zu belassen? Um diese Frage erschöpfend zu beantworten, wäre nicht weniger als eine vollständige Darlegung der hegelschen Metaphysik notwendig, die für sich beansprucht, einen dichotomen subjektiven Idealismus durch ein System des absoluten Idealismus zu ersetzen, das in der Lage ist, die Identität von Subjekt und Objekt zu verwirklichen. Nur weil Hegel sich mit einem derartigen absoluten Idealismus ausgerüstet wähnt, sieht er sich berechtigt, die Auffassung zu vertreten, dass die Idee der Zweckmäßigkeit in der menschlichen Geschichte nicht bloß ein Prinzip der menschlichen Vernunft ist, sondern ein Prinzip, das sich in der Geschichte selbst entfaltet, in ihr begründet ist und sich in ihr nachweisen lässt. Von einem ‚höheren‘ spekulativen Standpunkt aus – dem Standpunkt des absoluten Idealismus – entgeht die Idee der Zweckmäßigkeit dem Vorwurf der Äußerlichkeit, weil die Weltgeschichte die fortschreitende Entfaltung der Idee – anders gesagt: der menschlichen Freiheit oder des Weltgeistes – ist oder von dieser Entfaltung zeugt. Die Weltgeschichte ist, wie Hegel es ausdrückt, nichts anderes als der „notwendige Gang des Weltgeistes“ (TWA : , Hervorhebung der Verfasserin; vgl. GW : ). Dies führt mich zum Abschluss meiner Überlegungen. Hegel ist der Überzeugung, dass wir, wenn wir eine nicht nur äußerliche Weltgeschichte schreiben wollen – was bedeutet, dass wir in der Lage sind, auf adäquate Weise innere von bloß äußerlichen Zwecken zu unterscheiden –, mehr tun müssen, als die Weltgeschichte vermittels der Idee einer zweckvollen und fortschreitenden Entwicklung der menschlichen Freiheit zu interpretieren. Unsere Vorstellung vom zweckvollen Verlauf der Geschichte muss darüber hinaus die richtige Art von Objektivität aufweisen. Um diese letzte Bedingung zu erfüllen – und damit dem Vorwurf der Äußerlichkeit und Kontingenz zu entgehen –, muss unsere Vorstel Die Selbstständigkeit des Objekts wird im „Realisieren des Zwecks […] aufgehoben“ (GW : § , ), was unter anderem dazu führt, dass „der Gegensatz von Inhalt und Form“ verschwindet. Was vorher der „ B e g r i f f des Zwecks“ war, ist nun „ g e s e t z t “ als „ d i e I d e e “ (GW : § , ).  „Das Gute, das absolut Gute, vollbringt sich ewig in der Welt, und das Resultat ist, daß es schon an und für sich vollbracht ist und nicht erst auf uns zu warten braucht“ (TWA : §  Zus., ).

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lung von Zweckmäßigkeit jedoch die Anforderungen jenes philosophischen Systems erfüllen, das Hegel als ‚spekulativ‘ bezeichnet. Fazit ist also, dass wir, nach Hegels Auffassung, der Gefahr der Äußerlichkeit nur dann entgehen, wenn wir uns sein spekulatives System mit allem, was dazugehört, zu eigen machen. Anders ausgedrückt: Die Idee der Freiheit, mit der wir unser Narrativ der menschlichen Geschichte in einen Zusammenhang bringen, wird so lange bloß äußerlich sein, wie es sich bei ihr nicht um die spezifisch hegelsche Idee der Freiheit handelt.* Aus dem Englischen von Andreas Fliedner

*Mein herzlicher Dank gilt Andreas Fliedner für die Übersetzung dieses Aufsatzes ins Deutsche sowie Prof. Dr. Birgit Sandkaulen und dem Forschungszentrum für Klassische Deutsche Philosophie / Hegel-Archiv für die Einladung, im Juni  die Bochumer Hegel-Vorlesung zu halten.

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Siglen AA

Immanuel Kant. Gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin,  ff. AA V (Kritik der praktischen Vernunft, Kritik der Urteilskraft); AA VIII (Abhandlungen nach ).

GW

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) herausgegeben von der RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg,  ff. GW  (Jenaer kritische Schriften); GW  (Phänomenologie des Geistes); GW  (Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik ()); GW , (Grundlinien der Philosophie des Rechts); GW  (Vorlesungsmanuskripte II ( – )); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()); GW , (Vorlesungen über die Wissenschaft der Logik. Nachschriften zu den Kollegien der Jahre /, , , ,  und ); GW , (Vorlesungen über die Philosophie der Natur III. Zusätze); GW , (Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes II. Nachschriften zu dem Kolleg des Wintersemesters / und Zusätze); GW , (Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Nachschriften zu dem Kolleg des Wintersemesters /); GW , (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Nachschriften zu den Kollegien  und /).

KrV

Immanuel Kant. Kritik der reinen Vernunft. Nach der . und . Originalausgabe herausgegeben von Jens Timmermann. Hamburg, .

TWA Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von  –  neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M.,  ff. TWA  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse () I); TWA  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse () II); TWA  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse () III); TWA  (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte); TWA  (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I); TWA  (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II).

Literatur Jaeschke, Walter. . „Äußerliche Reflexion und immanente Reflexion. Eine Skizze der systematischen Geschichte des Reflexionsbegriffs in Hegels Logik-Entwürfen“. HegelStudien :  – . Kolb, David. . „Darwin Rocks Hegel: Does Nature Have a History?“ Bulletin of the Hegel Society of Great Britain /:  – .

ABHANDLUNGEN

Laure Cahen-Maurel AN ART OF FALSE MYSTERIOUSNESS? Hegel’s Criticism of the Painting Style of Caspar David Friedrich Der Aufsatz untersucht Hegels ästhetisches Urteil über den deutschen Maler der Romantik Caspar David Friedrich, das erstmals mit der Veröffentlichung der AschebergNachschrift von Hegels erster Vorlesung über Ästhetik an der Universität Berlin im Wintersemester / zugänglich wurde. Zuerst wird der aktuelle Stand der Forschung zum Verhältnis zwischen Hegel und Caspar David Friedrich kurz betrachtet, wobei auffällt, wie wenig Resonanz Hegels Urteil über Friedrich bislang in der Sekundärliteratur gefunden hat. Über einige eher spekulative Resultate der bisherigen Forschung hinausgehend, wird dann gezeigt, dass man durch die Berücksichtigung bisher übergangener Originalquellen und Dokumente aus den Jahren / präzise bestimmen kann, welche Gemälde Caspar David Friedrichs Hegel bekannt gewesen sein konnten bzw. welche er sogar persönlich angeschaut hat. Hegels in der Ascheberg-Nachschrift überlieferte Kritik wird sodann auf genau diese Gemälde Friedrichs angewendet und schließlich in den größeren Zusammenhang von Hegels Überlegungen zu Stil sowie zum Geheimnis in der Malerei gestellt. Dadurch wird deutlich, dass aus den beiden wichtigsten Vorwürfen des Philosophen an Friedrich, der Strenge und Affektation, eine Reihe von Konsequenzen folgen, die sowohl für die Hegel- als auch für die Caspar-David-FriedrichForschung von Bedeutung sind. ABSTRACT

I. Introduction: The Ascheberg Transcript of 1820/21 Hegel’s abiding hostility for the writers and philosophers of Early German romanticism is so well known that it barely needs retelling. As early as , upon the publication of his Phenomenology of Spirit, Hegel criticizes the problematic attitude of what he calls ‘the beautiful soul’, ‘die schöne Seele’ (see GW :  ff.), a conception that in subsequent works he explicitly associates with the German romantics. Continuing this theme, the Lectures on Fine Art, first edited into book form posthumously in  –  by Hegel’s former student Heinrich Gustav Hotho (W , – ), contain a severe rejection of the romantics for their supposedly pernicious subjectivism. Here the philosopher’s dismissal of the kind of negative Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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irony espoused by Friedrich Schlegel, for example, is just as notorious as his persistent castigation of the empty longing for the absolute that engenders a “krankhafte Schönseligkeit”, a “morbid beautiful blessedness”, which Hegel attributes to the poet-philosopher Novalis (W ,:  and ; cf. English translation: Hegel [] a,  and ). In contrast, it was not until  – only twenty-two years ago – with the publication of the separate edition of the Ascheberg transcript of Hegel’s first lecture course on aesthetics, held at the University of Berlin in the winter semester of /, that Hegel’s judgment of the German romantic painter Caspar David Friedrich came to light. His remarks were not included in the above-mentioned and better-known Hotho edition of the Lectures on Fine Art. The philosopher’s verdict of Caspar David Friedrich in the Ascheberg transcript reads as follows: Oft giebt es aber auch so einen gemachten strengen Styl, und der Künstler setzt darin zuweilen eine Affectation, z. B. bei den Werken Friedrich’s aus Dresden [But there is also often a manufactured severe style, and the artist sometimes puts an affectation into it, e. g. in the works of Friedrich from Dresden]. (GW ,: ; see also Hegel [/] , ) At first glance this criticism appears to be simple and perhaps even trivial. Moreover, on account of its brevity, one could imagine that Hegel’s criticism does not represent any sort of noteworthy contribution to the ongoing discussions about Friedrich’s place in the history of art and the question of his painting style. However, as I will show, this is not the case. It must be first of all noted that the  According to Hegel, the striving of romantic irony to transcend the world is nothing more than the vain affirmation of a subjectivity that believes itself superior to all objectivity (see W ,: ). And because the beautiful soul does not want to risk confronting its inwardness with the external world, the result is an empty self-enclosed consciousness that lacks any substantiality. Hegel goes so far as to draw a link between the beautiful soul’s attitude of a purely reflexive inner life disconnected from reality and the cause of Novalis’s death, who died of consumption in .  See Hegel [/]  and the new historical critical edition in GW ,.  The Hotho edition is in part based on two of Hegel’s notebooks that he used for his lectures on aesthetics: the Heidelberg notebook from  and a notebook from his Berlin course. Hegel intended to redraft them for publication but this did not happen. Both notebooks are no longer extant, so that the only certain material from Hegel’s own hand on the subject of aesthetics is the systematic, though extremely condensed, exposition on art to be found in the Encyclopedia, first published in  and then revised for its re-edition in  (see §§  –  in the  Encyclopedia, GW :  – ; cf. §§  –  in the  Encyclopedia, GW :  – ). Most of Hotho’s edition of the Vorlesungen consists of transcriptions he made himself and the notes of other students who attended the Berlin lectures. The Hotho edition omits the lectures from the winter semester of / and is based on the subsequent lectures from the summer semesters of  and  and the winter semester of /. See Gethmann-Siefert (,  – ) and Jaeschke ([] ,  – ) regarding the problematic nature of Hotho’s edition and more generally on the philosophically debated problems raised by the fact that the materials of Hegel’s lectures on aesthetics do not come from Hegel’s published writings or handwritten papers.  All translations which do not explicitly refer to an English source are mine.

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philosopher’s judgment is interesting as much for the specific place in the lecture course where it is situated as for its relevance. Indeed, this passage is not to be found in Hegel’s philosophical history of the development of European painting, alongside other painters from the Dresden Academy, but in the introduction to this history. This introduction contains a rather detailed reflection on the concept of style in the arts that is freely based on Winckelmann’s historical typology of artistic styles. Here Hegel presents three broad stages in the development of the individual arts: () the beginning of a specific art; () the ideal center at the culminating moment of the history of this art; and () the end or dissolution of it. A distinct style corresponds to each of these three stages; the severe, the ideal and the pleasing (graceful) style. In order to understand Hegel’s criticism of Caspar David Friedrich it is therefore important to bear in mind that this reference to the painter in the Berlin lecture course of / occurs within Hegel’s considerations on the nature of style. Before interpreting this passage in more detail, I will first of all briefly examine the current state of research on the relationship between Hegel and Caspar David Friedrich. It is striking to note how little resonance Hegel’s judgment has found in the secondary literature. Going beyond some of the more speculative results of earlier scholarship, I will then show that by consulting a number of overlooked original German sources and documents from the years / it is possible to precisely determine those paintings of Caspar David Friedrich that Hegel would have known about and even viewed in person. By comparing Hegel’s criticism in the Ascheberg transcript with these particular paintings of Friedrich, and furthermore reading this criticism in the larger context of his considerations on style and the topic of mysteriousness in painting, the succeeding sections will argue that a number of consequences can be drawn from the philosopher’s two key reproaches of severity and affectation that are significant for both Hegel scholarship and Caspar David Friedrich research. II. Hegel’s Judgment of C. D. Friedrich – a ‘Stupidity’? As mentioned above, although it has been available for over twenty years, Hegel’s judgment about Caspar David Friedrich has been hardly discussed in the research. For the most part it has either been ignored or overlooked, or merely noted, for instance by Hegel experts such as Annemarie Gethmann-Siefert and Stephen  See the Ascheberg transcript (“Besonderer Theil”, GW ,:  – ), or the third part of the Hotho edition entitled “Das System der einzelnen Künste [The System of the Individual Arts]” (W ,:  – ; and W ,).  For scholarship on Caspar David Friedrich that treats specific philosophical questions, see, among others, Décultot (), Busch (), Koerner ([] ), and Grave ().

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Houlgate. A few other researchers have briefly commented on this passage and speculated as to which paintings of Friedrich the philosopher could have had in mind when labelling Friedrich’s style artificially severe and affected. For example, in his  book Hegel on the Modern Arts, Benjamin Rutter conjectures that Hegel’s reference to a severity of style probably refers to a painting like The Monk by the Sea (/), one of Friedrich’s most celebrated works (see Rutter , ). Rutter does not elaborate on the reasons why the style of this particular painting should be considered severe. Most likely it is because of the bleak emptiness of the scene, with the tiny solitary figure of the monk standing on the shore, who almost vanishes into the seascape. As for Hegel’s charge of affectation, Rutter associates it with another well-known painting of Friedrich, the Wanderer above the Sea of Fog (c. ), underscoring the effect of ‘theatricality’ in this painting because the figure in it is depicted from behind (see Rutter , ). To my knowledge, Otto Pöggeler – the German specialist of Hegel – is the only scholar to have devoted an entire article to Hegel’s criticism. This seminal article in German is entitled “Hegel und Caspar David Friedrich” and it was published in  (see Pöggeler ,  – ). One of Pöggeler’s main claims is that Hegel did not include Friedrich’s pictorial art in his descriptive and normative history of painting because of a twofold repression. On the one hand, Hegel rejected Friedrich’s art for purely aesthetic reasons; and on the other, he excluded it on account of the political views of Friedrich: the painter had expressed patriotic and nationalistic feelings in his works that the philosopher himself could not endorse (see Pöggeler , esp.  and the third section “Die Rückkehr des Verdrängten”,  – ). The political aspect of Pöggeler’s reading of this passage is justified to the extent that a painting like the Wanderer above the Sea of Fog, which Pöggeler also takes as an example, clearly contains political motifs, such as the wanderer wearing the green uniform of the Jäger, the Prussian military volunteers in the War of Liberation against Napoleon. It is common knowledge that Caspar David Friedrich was close to Ernst Moritz Arndt and that his patriotism is intimately connected with the history of Germany’s struggle for unity and freedom, in the name of a country’s right to national independence. Hence, Pöggeler is surely right to draw attention to the political elements in certain of Friedrich’s paintings.  See the discussion of this point in the revised February  version of Houlgate’s article “Hegel’s Aesthetics” (Houlgate [] ).  As Rutter puts it: “The Wanderer above the Mist suggests a certain theatricality, an estrangement of the spectator from the scene, which seems already to contain a spectator, and thus a disruptive and ultimately insubstantial pursuit of surprise.” Here Rutter explicitly uses Michael Fried’s term ‘theatricality’ (see Fried ), but in his own manner. Fried has recently published a book chapter on Caspar David Friedrich in relation to Kant (see Fried ,  – ).  Pöggeler cites the striking anecdote about one of Friedrich’s most well-known paintings, Two Men Contemplating the Moon (c. ), completed during the year of the promulgation of the Carlsbad decrees (see Pöggeler , ). The latter were intended to muzzle the movements of the liberals,

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However, what about the issue of artistic style, the main context in which Hegel’s criticism of Friedrich occurs? In Pöggeler’s eyes, Hegel here commits two blunders or stupidities – Pöggeler’s word is “Sottise” (Pöggeler , ). First, Pöggeler thinks that Hegel’s judgment of severity refers to a regressive and anachronistic tendency in the painter’s works: a return to the earliest state of art, when it did no more than imitate nature or the most immediate empirical reality. In his article Pöggeler also hazards a guess as to the paintings of Friedrich that Hegel might have personally seen or known. In line with his political reading, Pöggeler cites Friedrich’s most controversial painting, the Tetschen Altarpiece (Cross in the Mountains), as evidence of the above return to the earliest state of art. The Tetschen Altarpiece was a work painted in / during the years of the occupation of Dresden by Napoleonic troops. The painting depicts a nature scene with Jesus on the cross, surrounded by fir trees. Although it is explicitly Christian, Pöggeler emphasizes the way this painting points to the raw natural elements – to the rocks, trees, rays of the sun – to a nature sacred in itself, like in the Nordic mythology of Ossian. In Pöggeler’s eyes, Hegel’s reproach that Friedrich has regressed back to the earliest state of art is a stupid statement to make because it shows a lack of understanding of the importance and radical novelty of this painting, proved by the fact that it is now enjoying a considerable renaissance in modern times, and that for many people this style of painting is not considered regressive but progressive. Thus, Hegel’s reputation has to bear this consequence – the notorious ‘return of the repressed’, to use the psycho-analytic language of Pöggeler (, ) – of our contemporary verdict. In other words, for Pöggeler we are correct in believing that with his  criticism Hegel misunderstood the essence and originality of Caspar David Friedrich’s landscape paintings and that this artist should now be considered as a painter ahead of his time. The second ‘stupidity’ for Pöggeler concerns the question of affectation, where Hegel connects Caspar David Friedrich with the tradition of the French, who tend to make the value of the artwork depend on whether it pleases or affects the public (see Pöggeler , ). In one respect Pöggeler is correct: it does seem strange of Hegel to bring Friedrich into connection with the affectation style of the French. Not only because the painter drew his audience into a world where austerity reigns, but also because Caspar David Friedrich notoriously hated the French, so much so

including the student fraternities (Burschenschaften) claiming to unite the German people in the postNapoleonic period. The Carlsbad decrees forbade the student fraternities to assemble at the Wartburg Castle in old-German clothes, that is, in the frock-coat and cap, the cape and the old-German beret. Alluding to the persecutions at that time of the political ‘demagogues’, Friedrich reportedly said with humour about the main two characters of his painting, who were wearing the outlawed old-German clothes: “Die machen demagogische Umtriebe [They are indulging in demagogic machinations]” (Quote reported in Förster , ).

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that he was labelled a Franzosenfresser, as someone who ate Frenchmen for breakfast, as it were. Despite its merits and relevance, in many ways Pöggeler’s political reading does not go far enough to make full sense of Hegel’s criticism of Friedrich, including the reference to the artistic style of the French. Furthermore, by relying on the fact that Friedrich’s art only became extremely popular more than a century after his death and is recognized today as a landmark in the history of art, Pöggeler’s analysis invokes an argument from authority. It only has to be reversed to see its tenuousness: if the painter had not experienced a popular and critical revival in the twentieth and twenty-first centuries then Hegel’s judgment would still be correct. Arguments from authority remain insufficient because they do not tell us why or how Friedrich’s work is important, but only that it is currently considered as such. Moreover, the modernity and greatness of this art continues to be questionable for a number of people. And because Hegel’s critique emphasizes the artificial aspect of Caspar David Friedrich’s painting style, it could be argued that his criticism is actually in keeping with many contemporary judgments that regard this painting as kitsch. Finally, another question could be asked: instead of speculating on the possible paintings of Friedrich that Hegel could have known, might it be possible to know which ones Hegel was referring to? If this were possible, then we could directly compare these paintings with Hegel’s criticism, to see if this might help us better understand the latter. In the following section I will argue that it is indeed possible to precisely know the paintings of Caspar David Friedrich that Hegel would have known about and even personally seen. III. Hegel’s Visit to the 1820 Annual Exhibition of the Dresden Academy of Fine Arts According to the principal available documents, Hegel’s judgment of Friedrich arose from first-hand experience of the painter’s works. Just before holding his first Berlin course on aesthetics in the winter semester of / (as recorded in the Ascheberg transcript), Hegel had attended the Annual Exhibition of the Dresden Academy of Fine Arts on August ,  (his birthday). His stay in Dresden was on the cusp of the German summer and autumn, lasting from August  to September , , and is detailed in a number of contemporary documents, including Hegel’s own letters. For example, in a draft of a letter to Creuzer, dated the  See, for example, Eulenberg (, ). On Friedrich’s antipathy to the French, see his letter to his brother Christian Friedrich dated from / November  (Friedrich , ).  Several researchers have mentioned the fact that Hegel attended the Annual Exhibition of the Dresden Academy of Fine Arts in  (e. g. Pöggeler , ), but they do not investigate or try to determine which paintings of Friedrich were on display at that time.

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end of May , Hegel characterizes and praises the city of Dresden as an “otium des Zusammenlebens für Freunde [otium (leisure) of life in common for friends]” writing: Aber nun noch eins und zwar eine Hauptsache. Vorigen Herbst war ich  Tage in Dresden, und da ich es gesehen, hat es mir leid getan, daß ich nicht schon seit  Jahren da gewesen, – vornehmlich habe ich ihm die eigentümliche Gelegenheit abgesehen – zu einem Ort des Rendezvous für gute und gelehrte Freunde. […] Ich wünschte nichts Schöneres, nichts Passend[eres], als daß wir uns in [den] Herbstferien zuweilen zusammenfänden. (B II:  f.) Hegel’s visit to the Academy of Fine Arts is furthermore documented in the diary of Karl August Förster, who was Hegel’s host in Dresden, and an uncle of Hegel’s student and friend Friedrich Förster. K. A. Förster had gone to the exhibition with the philosopher and noted this visit in his diary: Hegel, dessen Ankunft wir erwarteten, langte den . August hier an. […] Auf dem Wege zur Kunstausstellung, wohin ich ihn geleite, entwickelt sich ein Gespräch über Kunst im Allgemeinen, bei aller Dialektik zeigt er doch viel warmen regen Sinn für Kunst und Leben; nur daß er immer mehr dem Technischen sich hingiebt und über dem Analysiren des Kunstwerkes den Eindruck des Ganzen oft verliert. Er ist der altdeutschen Kunst nicht hold und freute sich, als ich ihm sagte, daß dies im Geiste unserer Ausstellung sei. Er hatte die Ausstellung doch bedeutender gedacht. (Förster ,  – ) Since  the exhibition had always been inaugurated on August  and generally lasted between two and four weeks (see Prause , ). In the year , however, it lasted almost  weeks, finishing at the end of September. Hegel had especially  “But still one thing – an important thing. Last autumn, I spent  days in Dresden and, having seen this city, I regretted not having visited it already  years earlier; I especially realized that it could become a meeting place for well-educated and learned friends. […] There would be nothing more beautiful, more convenient, for me than occasionally to meet up with you [there] during the autumn holidays.” Hegel had already travelled to Dresden a first time in July  and continued to regularly visit the city in autumn during the following years. His stay in  is also recorded in a report from the Dresden police, whose task it was to pass on information concerning Hegel’s movements in the Saxon capital to the Prussian police back in Berlin. The latter had not ruled out that Hegel might have wanted to secretly participate in the councils of the Dresden student fraternities (Burschenschaften). For further details, see d’Hondt (,  and  f.)  “We were expecting Hegel and he arrived here on the th of August […]. I accompany him to the art exhibition and a conversation about art in general develops on the way; despite all the dialectics, he displays a vivid and ardent sense for art and life; but he predominantly focuses on the technical aspects and as he analyzes the work, he often loses the impression of the whole. He does not like Old German art and was delighted when I told him that this was in line with the spirit of our exhibition. However, he had imagined the exhibition to be more significant.”  See Literarisches Conversations-Blatt, No. , Jan. , : .

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gone to the exhibition of  to write a review of Gerhard von Kügelgen’s paintings. The review was never published and has only survived as a draft (see “Über von Kügelgens Bilder”; GW :  – ), but the Lectures on Fine Art contain traces of its considerations (see W ,:  f.). The brutal death of the history and portrait painter Kügelgen, who had been murdered a few months earlier, caused a huge stir and unsurprisingly the presentation of his final works was a main focus of the exhibition. Kügelgen had been a paid member of the Dresden Academy and his final five works included: a Madonna and Child, and four halflength figures in portrait size of the Prodigal Son, John the Apostle, John the Baptist, and Christ. Because Caspar David Friedrich was a paid member of the Dresden Academy in , he was also required to exhibit his work to the public. It is therefore possible to precisely know which paintings Friedrich exhibited when Hegel was in Dresden that summer/autumn. This can be done by not only consulting the official catalogue of that year, the Verzeichnis der am Augustustage den . August  in der Königlich Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden öffentlich ausgestellten Kunstwercke (Verzeichnis ), but also the reviews of the exhibition in the journals and newspapers of the time. The official catalogue for the year  reports that Friedrich exhibited four oil paintings (and no drawings, as he sometimes did). These paintings of Friedrich were exhibited directly next to the works of Gerhard von Kügelgen (see Verzeichnis :  – ). Here are the titles and exhibit numbers of the paintings of Caspar David Friedrich as listed in the official  Dresden catalogue:  Vollmond [Full Moon].  Zwey Schwäne auf dem Weiher im Schilf [Two Swans on the Pond in the Reeds].  Berggegend am Morgen [Mountain Region in the Morning].  Die Schwestern auf dem Söller am Hafen [Sisters on the Harbor View Terrace].

 Regarding Hegel’s views on Kügelgen, see Gethmann-Siefert and Stemmrich (,  – ). See also Pinna (,  – ).  I first referred to this document, the Kataloge der Dresdner Akademie – Austellungen  – , as a source for determining those paintings of Friedrich that Hegel would have seen, in my PhD, which was defended in January . See the book version of this PhD: Cahen-Maurel (,  – ).  A more recent reprint of this catalogue edited by Marianne Prause is also available (see Prause ).  Kügelgen’s works are listed on p.  of the Verzeichnis . His exhibit numbers are: , , , , and .

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The fact that these four paintings were actually exhibited is confirmed by a number of contemporary reviews of this art exhibition. Moreover, it appears that Friedrich even exhibited a fifth painting at the  Annual Exhibition, which was apparently submitted late and therefore did not make it into the official catalogue. The existence of a fifth painting exhibited by Friedrich in  is noted in a review in the Literarisches Conversations-Blatt, a literary organ edited by August von Kotzebue in Weimar. Of the five paintings of Caspar David Friedrich on display in , three are still extant. Firstly, Two Swans on the Pond in the Reeds (exhibition number ), which is now at the Goethe-Museum in Frankfurt (see ill. , reproduced in CDF-Werkverzeichnis , No. : ). This small canvas shows a pair of swans on a pond, in the middle of the night, protected by a curtain of reeds. Virtually the whole surface of the composition is filled by the tight clusters of the plants. There are two sources of light to illuminate the scene, a quarter moon, not quite at the centre of the canvas, that can be seen through a breach in the reeds and is reflected on the still water of the pond, and the evening star, higher in the sky and at the right of the painting. These two light sources visually parallel the birds and are respectively placed on the same axis. The colors are mostly browns, dark greens, grey-whites – the sombre tones of the night. In addition, there is a touch of yellow and pink in the plumage of the swans. Friedrich has set the horizon so low in the picture that a spectator would have to be up to their breast in the water to properly view the scene, as if he were attempting to place the viewer into the rather secretive location of the picture. A second larger extant painting from  is listed as number  in the catalogue and was originally called Berggegend am Morgen [Mountain Region in the Morning]. This painting is now at the Neue Pinakothek in Munich and has acquired the new title Riesengebirge Landscape with Rising Fog (see ill. , reproduced in CDFWerkverzeichnis , No. :  – ). Here we move from the moonlit nocturnal scene of the Swans to a bright morning glow. Massive rocky rounded tops of high mountains protrude from the morning mist that is still covering the valleys. A patch of blue sky appears in the top left of the canvas behind a veil of white clouds.

 Some of the contemporary reviews discussing Friedrich’s paintings from the  exhibition are to be found in the weekly journal Literarisches Wochenblatt, renamed from December  onwards Literarisches Conversations-Blatt; see “Ueber die Kunstausstellung in Dresden. Ende September ”, Literarisches Conversations-Blatt, No. , Jan. , :  – . And in the leaflet Kunst-Blatt of the Morgenblatt für gebildete Stände published by Johann Friedrich Cotta in Stuttgart and Tübingen, see No. , Nov. , :  – .  The review was written just after the exhibition had closed at the very end of September. See “Ueber die Kunstausstellung in Dresden. Ende September ” (Literarisches Conversations-Blatt, No. , Jan. , : ).

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Ill. : C. D. Friedrich, Two Swans on the Pond in the Reeds, c. . Oil on canvas,  x . cm.

The third extant painting of Friedrich that was on display at the  Dresden exhibition is called Sisters on the Harbour View Terrace (number ); it is now at the Hermitage Museum in St. Petersburg (see ill. , reproduced in CDF-Werkverzeichnis , No. :  – ). The picture is not in the traditional horizontal format of a landscape painting but in a vertical format with a tight framing. Two female figures (the sisters) are standing at a railing looking at a harbour at night. Extending out of the sepia-violet tinted fog are the towers of an old German church in the left half of the canvas and multiple boat masts in the right half. Venus, the evening star, is the unique and tiny source of light illuminating the painting. It twinkles above in a large sky that is almost entirely empty, except for this one element. Conversely, the space in the lower part of the picture is constricted, busy, and filled with a number of intersecting axes. The towers, spires, and masts partly block the view and here again Friedrich has painted a night scene with dull hues. The foreground is occupied by the two contemplative sisters, who are dressed in city clothes and are standing with their backs to the viewer. Two other paintings exhibited by Friedrich in  are now unfortunately lost. The first one is listed in the official  exhibition catalogue as number  and described as a round oil painting. The full description in the catalogue reads:

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Ill. :. C. D. Friedrich, Riesengebirge Landscape with Rising Fog (Berggegend am Morgen), /. Oil on canvas, . x . cm.

“Vollmond. Wolken vorüberziehend. Eine Eule fliegt auf. Rundgemälde in Oel [Full Moon. Swept by clouds. An owl flying away. Round oil painting].” (Verzeichnis : ) A review in the Kunst-Blatt describes the painting in these terms: “No.  aber fällt ins Burleske. Man denke sich eine runde Scheibe voll Gewölk, den Mittelpunkt macht der Mond, nahe unter ihm fliegt eine Eule. Dieß Bild soll außerordentlich viel sagen, es sagt aber nichts, denn man hat Mühe, zu erkennen, was es vorstellen soll. Es gleicht einer Schießscheibe, und schon diese sich mit Gewalt aufdrängende Nebenidee zerstört jeden Eindruck. [No. . […] becomes rather burlesque. Think of a cloud-filled round disk, a moon at its centre, an owl flying below just near it. This painting is supposed to be revealing, but it does not tell us anything, because it is difficult to see what it ought to represent. It resembles a shooting target and already this intrusive subordinate idea destroys every impression.]” (Morgenblatt für gebildete Stände / Kunst-Blatt, No. , Nov. , : ) From its description it appears that it was part of a series of works of which we have mainly later sepia drawings; for example, the following sepia Flying Owl in Front of the Moon (see ill. ). The second lost painting – the one Friedrich sent to the exhibition late – appears to have been another mountain landscape. The reviewer of the Literarisches Con-

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Ill. : C. D. Friedrich, Sisters on the Harbour View Terrace, c.  – . Oil on canvas,  x  cm.

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Ill. : C. D. Friedrich, Flying Owl in Front of the Moon, c.  – . Pencil and sepia, , x , cm.

versations-Blatt compares this painting with its counterpart Riesengebirge Landscape with Rising Fog: “Die zwei größern Gemälde Friedrich’s stellen Berggegenden in früher Morgenbeleuchtung vor; die eine, öde, kühl und einsam, wo zwischen kahlen Sträuchern die Dünste empordampfen aus den Thälern, die andere heiter und reich sich entfaltend bei wärmerem Morgenglanz [The two larger paintings of Friedrich present mountainous regions illuminated in the early morning; the one painting is desolate, cool and isolated, with vapours rising from the valleys and between the bare shrubs, while the second painting unfolds in a cheerful and busy manner in a warmer morning glow]” (“Ueber die Kunstausstellung in Dresden.

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Ende September ”, Literarisches Conversations-Blatt, No. , Jan. , : ). As we saw, the art reviewer for the Kunst-Blatt of November ,  had initially criticized what he perceived as the fantastical allure and forced mystical approach of the round landscape Full Moon. However, here he highlighted the unusual precision of the highly realistic elements of Riesengebirge Landscape with Rising Fog: “Aeußerst wahr und mit großer Kenntniß der hohen Gebirgsnatur dargestellt. Die Behandlung, besonders auch des steinigen, moosigen Vordergrundes, vortrefflich. [Perfectly true and depicted with great knowledge of the high mountainous nature. The treatment, especially of the stony, mossy foreground, is excellent.]” (Morgenblatt für gebildete Stände / Kunst-Blatt, No. , Nov. , : ) This was the body of work from Caspar David Friedrich that was on display when Hegel attended the Annual Exhibition of the Dresden Academy of Fine Arts in the summer and autumn of . With these five paintings Hegel primarily encountered the misty and/or nocturnal and moonlit version of romanticism that can be found in the painter’s œuvre and also a sample of works containing a mixture of the fantastical and the real. And in one case, the Sisters, we find an instance of Friedrich’s famous Rückenfiguren, those enigmatic figures painted from the back. It is worth noting that Hegel was most probably familiar with, if not the paintings, then at least the name of Caspar David Friedrich, already before this visit to Dresden, because by  Friedrich was a well-known and even controversial landscape painter. In addition to the public controversy of  generated by The Tetschen Altarpiece (Cross in the Mountains) and Kleist’s appreciative review of The Monk by the Sea, published the following year in  in the Berliner Abendblätter, Hegel also could have been introduced to the work of Friedrich through the natural philosopher Gotthilf Heinrich von Schubert, his colleague at the Nuremberg High School, where Hegel had been the headmaster (from  to ). As Pöggeler remarks, Hegel had already offered to review von Schubert’s Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaften () in the Heidelberger Jahrbüchern (see Pöggeler ,  f.) and some of the analyses it contained were based on a cycle of drawings of the ages of life sketched by Friedrich. IV. The Question of Style in Hegel’s Philosophy of Art In order to correctly evaluate the nature and relevance of Hegel’s criticism of Friedrich’s painting style, it is worth remaining within the scope of the paintings exhibited in Dresden in . We will now do this by examining what Hegel himself understands by style in art. As one may recall, Hegel’s philosophy of art is a metaphysics of art – its point is to show that art, like religion and philosophy, is one of the forms of the manifestation of the Idea as Spirit, by other means than those of faith or concepts. According to a well-known formula in the Hotho book edition

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of the Lectures on Fine Art, art or the beautiful is “das sinnliche S c h e i n e n der Idee” (W ,: ), that is to say ‘the sensuous shining of the Idea’ where ‘the Idea’ is that free and lively process of unfolding, expression or realization and self-conscious understanding of a universal substance by its own activity. Art, as one stage in this process, is something ideal-sensuous, but since it is not the ideality of feeling or thought, it is still present externally as a thing. For Hegel, the concept of style precisely concerns this external part of art. Without returning to the Kantian question of taste, i. e. to ‘aesthetics’ as a question of the subjective or inter-subjective reception of the artwork and of the affective life of its viewer – her pleasure or displeasure –, style in art is defined by Hegel first and foremost as what manifests itself to the senses and to the imagination of the spectator (see GW ,:  – ). The question of style in general, however, is not that of the artist’s manner. It should not be reduced to simple surface effects or to the mere form. Rather, it rests on the ‘concrete unity’ of the form and the content, the exterior and the interior, or the sensible configuration and the sense – a unity that Hegel contends is constitutive of the very idea of art, or what he calls ‘the Ideal’ (see GW ,:  f.). In other words, style in art concerns the manner in which Spirit shines through its actual incarnation in matter according to a definite form. This medium that has been deliberately shaped by human beings into a form that expresses a spiritual content presents itself to us in sensible perception, in the here and now, in the singular existence and individuality of the artwork. Each work of art therefore has a style and these different styles are different modes of the manifestation of the works to their spectators. However, the way in which the substantial content of art itself is conceived depends on, or is primarily, that of an epoch and a civilization – of a collective subjectivity. Hence, style is also a historically defined category. In the Lectures on Fine Art, Hegel places historical-stylistic considerations on the level of an even more profound particularization than the considerations regarding the varying degrees of the embodiment of Spirit in the three art-forms of the symbolic, the classical, and  It was already established in  by Georg Lasson that this definition of art is actually nowhere to be found in the various extant transcripts of Hegel’s lecture course. On this point, see GethmannSiefert (, ). Cf. the Ascheberg transcript (GW ,: ): “Die Darstellung, Offenbarung des Wahren ist aber das Schöne”; and the Hotho transcript from  (GW ,: ): “Beide Extrême versöhnt die Kunst, ist das bindende Mittelglied des Begriffs und der Natur. diese Bestimmung also hat die Kunst einerseits mit der Religion und Philosophie gemein, hat aber die eigentliche Weise, daß sie das Höhere selbst auf sinnliche Weise darstellt und der empfindenden Natur so näher bringt.”  The definition of style in the Ascheberg transcript reads as follows: “der Styl aber betrifft mehr die Thätigkeit, wodurch das Werk heraustritt in die Erscheinung, für andere da ist” (GW ,: ).  Cf. also §  in the Encyclopedia from  (GW : ): “Die Bedeutung des Ideals ist die Substantialität als das identische und concrete Wesen der Natur und des Geistes”; or §  in the  edition of the Encyclopedia (GW : ), where the figure of beauty is defined as: “die konkrete Anschauung und Vorstellung des an sich absoluten Geistes als des Ideals.”

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the romantic. Indeed, although they are characterized by the pre-eminence of one art or a group of arts, these art-forms do not primarily concern a specific artistic medium, i. e. the different realization in individual arts, such as painting or sculpture. They are first of all to be understood as essential determinations of the Idea. The symbolic, classical and romantic art forms are rendered necessary by the very concept of art; they are necessary particular stages of the history of art. In other words, the concept of ‘art-form’ (Kunstform) is more narrowly based on the essence of artistic beauty or ‘the Ideal’ than the concept of ‘style’ is. Conversely, at the level of style, the link to the content of art, that is to say to the universal or the absolute, can become more or less contingent: with the increasing accentuation of the external side of the appearance of art throughout its history, there is a shift in style towards the accidental. Hegel therefore proposes in the introduction to the particular part – the “besondere Theil” (GW ,:  ff.) – of the lecture course a tripartite typology of styles that consists in a succession of the different epochs of the development of each individual art. The development from one artistic style to another generates what he regards as the distinctive history of the relation of the work of art to its audience. Each particular fine art has an ideal centre at the culminating moment of its history and two flawed extremities. One of these extremities is at its starting point and falls short of ideal beauty and the other is at its point of termination. The latter goes beyond ideal beauty, toward the dissolution of art as a unity of the sensuous and the spiritual. The beginnings of art have produced simple, cold, and abstract works that are short on detail and lacking in movement, life, and freedom. Following Winckelmann, this is what Hegel calls the ‘strenge Stil’, the ‘severe style’. This is because the beautiful “appears there as something weighty and grand, and for the latter it is not a matter of secondary elements, but the object itself should emerge [tritt aber da […] als ein Gewichtiges, Großes auf, es ist ihm nicht um die Nebensachen zu thun, sondern die Sache selbst soll hervortreten]” (GW ,: ). Nothing ought to divert from the essential element, i. e. from the greatness of the thing itself that is represented in the content. Here the manner and form in which the content is represented, any personal invention or the role of the subjectivity of the artist, becomes almost entirely effaced. The aim of the severe style is to ‘do’ nothing  Especially in the modern field of painting, according to the Hotho transcript of the  lecture course: “Indem es das Eigenthümliche der Mahlerei ist, daß die Besonderheit der Meisterschaft eintritt”; “[ j]eder Meister hat in Betreff auf die Gegenstände und die Darstellung in Farbe und Hervorbringung der Erscheinung, seinen Styl” (GW ,: ).  For more on Hegel’s conception of style in relation to Winckelmann, see Houlgate (,  – ).  Cf. W ,:  (English translation: Hegel [] b, ): “Dieser strenge Styl [läßt] die Sache allein herrschen und [verwendet] auf die Nebendinge vornehmlich nicht viel Fleiß und Ausbildung [This severe style […] grants domination to the topic alone, and above all does not devote much industry and elaboration to accessories]”.

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else than imitate nature. Accordingly, a severe artwork is not nature reflected by an intelligent and sensitive mind, but the mere reproduction of the ‘given’, of a nature that is already there. Hegel defines this style as “the higher abstraction of beauty [die höhere Abstraction des Schönen]” (GW ,: ; see also Hegel [] b, ). Here abstraction is meant in a technical sense that is particularly explained in the terminological part of the course on aesthetics: “[T]he still abstract Idea has its shape […] external to itself, not settled by itself [[D]ie abstrakte Idee hat in dieser Form ihre Gestalt außerhalb ihrer]” (W ,: ; English translation: Hegel [] a, ). The abstraction of the severe style is therefore synonymous with the inadequacy of the sensuous, visible form of expression and the Idea because of the Idea’s lack of self-determination. At the opposite end of history, the progress of the arts has given more value to the immediate appearance of the work: it is no longer the one topic itself to which the whole external appearance refers; it is now the appearance of the work, independently of its content, that is consciously and deliberately the aim of the representation. “Das Gefallen, die Wirkung nach Außen kündigt sich als Zweck an und wird eine Angelegenheit für sich [Pleasing, an outward effect produced from without, is declared as an aim and becomes a concern on its own account].” (W ,: ; English translation [modified]: Hegel [] b, ) In this sense, the ‘pleasing’ or ‘agreeable’ style is the ‘aesthetic’ style proper that leads to the production of an ‘effect’. In this particular style, the work of art may become overloaded with superfluous details. Whereas the severe style limits itself to imitating nature, the pleasing or agreeable style puts forward the artist’s intentions and work, or her virtuosity: “Hier sieht man schon, daß das Werk ein Gemachtes ist [Here we see at once that the artwork is something manufactured]” (GW ,: ). The range of the pleasing style is vast and includes the art of ornament, the mannerism of Gothic art, or the more unpleasing than attractive art of the colossal (that of Michelangelo for example). But most of all, the agreeable style is the style typical of the French, as opposed to the Germans, who “make too strong a demand for a content in works of art in the depths of which the artist is then to satisfy himself, unconcerned about the public [fordern zu sehr einen Gehalt von Kunstwerken, in dessen Tiefe dann der Künstler sich selber befriedigt, unbekümmert um das Publikum]” (W ,: ; English translation: Hegel [] b, ). Indeed, whereas in the severe style the artwork leaves us cold, for it is as if “nothing at all were granted to the spectator [dem Zuschauer gleichsam gar nichts eingeräumt [würde]]” (W ,: ; English translation: Hegel [] b, ;  See GW ,: : “In [den gefälligen Styl] geht der ideale Styl über, wenn das Erscheinen ihm zum Zwecke selbst wird, wenn die Sache nicht mehr Zweck ist.”  Cf. W ,: : “Insofern nun aber diese ganze Stufe der Kunst auf die Wirkung nach Außen hin und durch die Darstellung des Äußeren losgeht, können wir als ihre weitere Allgemeinheit den E f f e k t angeben […].”

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see also GW ,: ), the particular details of the appearance of pleasant or graceful artworks have “their essential purpose solely in relation to the spectator or reader, they flatter the person for whom they have been devised [ihre wesentliche Bestimmung nur in der Beziehung auf den Zuschauer oder Leser […], [sie] schmeicheln […] der Subjektivität, für welche gearbeitet [ist]]” (W ,: ; English translation: Hegel [] b, ). In this way “the public becomes entirely free from the essential content of the topic and is brought by the work only into conversation with the artist [wird das Publikum ganz von dem wesentlichen Inhalt der Sache frei, und befindet sich durch das Werk nur mit dem Künstler in Unterhaltung]” (W ,: ; English translation: Hegel [] b, ). According to Hegel, the history of Western art and especially of French art therefore results in the purely finite – the finite point of view of the artist’s and of the spectator’s (arbitrary) subjectivities – in contrast to true or universal Spirit. Finally, Hegel situates the ‘ideal style’ or the ‘beautiful style’ proper between these two opposing styles, i. e. the ideal style “hover[s] in between the purely substantive expression of the topic and the complete emergence of what pleases [schwebt in der Mitte zwischen dem nur substantiellen Ausdrucke der Sache und zwischen dem gänzlichen Heraustreten zum Gefälligen]” (W ,: ; English translation: Hegel [] b, ). The ideal style therefore consists not so much in the register of the greatness of its content as in its ‘liveliness’ (Lebendigkeit) and concreteness, as opposed to its stiff abstraction. Since “the inherently concrete Idea carries within itself the principle of its mode of appearance and is therefore its own free configurator [[d]ie in sich concrete Idee […] trägt das Princip ihrer Erscheinungsweise in sich selbst, und ist dadurch ihr eigenes freies Gestalten]” (W ,: ; English translation: Hegel [] a, ), it is able to find an entirely adequate expression of this freedom in a sensuous, visible form. The free liveliness of the substantial content of the work of art that individualizes and determines itself is displayed even in the work’s smallest formal and plastic details, it animates or penetrates them. Formally and plastically, the ideal style emerges from the stiffness of the preceding style by adding grace and diversity. No detail is unnecessary or aberrant because of the robust unity of the work – i. e. that concrete unity of the content (Inhalt) of the Idea and its phenomenal manifestation or figure (Gestalt) that defines the Ideal in Hegel. What manifests itself to the eye or to the senses of the public is a whole in itself, inherently calm and independent of the spectator. However, without projecting itself outside, the work still grants something – grace

 Cf. GW ,: : “Bei diesem Heraustreten ins Gefällige giebt sich besonders der Künstler zu erkennen. der Zuschauer befindet sich oft sehr gut dabei; denn er wird von der Sache frei gelassen, und befindet sich bei dem Künstler […].”

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– to the audience out of ‘courtesy’ or as an ‘acknowledgement’ (see W ,:  f.; English translation: Hegel [] b, ). V. False Severity and False Profundity? After this summary of Hegel’s considerations on the concept of style in art in general, we are now in a better position to understand his criticism of the painter Caspar David Friedrich. In his / Berlin Lectures on Fine Art Hegel characterizes the essence of Friedrich’s style as the conjunction of two opposing stylistic types: the ‘severe’ style and the ‘manufactured’ style that verges on the affectation style. In the ‘severe’ style the content is supposed to be of something grand and sacred and the form reduced to its bare necessity; whereas the affectation style concerns the production of effects and is a further general characteristic of the gracious style, emerging at the end of a long maturation of the plastic arts. In other words, according to Hegel, the severity of Friedrich’s painting style has turned into its opposite: the content becomes inessential or insubstantial, whereas the reduced form (severe style) becomes the aim of the work of art and seeks to produce an effect (gracious style). There is plenty of evidence that the paintings of Friedrich often produce an appearance of severity due to a certain number of factors. For instance, the painting Sisters reveals particularly well the systematic procedures that are characteristic of an artwork that initially shuts itself off to the external senses, leaving the spectator cold. To begin with, the visual severity of this painting is generated by the simplification of the phenomena of color and light, whereas in Hegel’s conception of painting, color and light are the two decisive media of expression or sensuous elements for the Idea as Spirit to become embodied and manifest itself in a lively manner to the eye of the spectator (see, for example, GW ,: ). Friedrich’s narrow palette of colors makes the work almost appear like a monochrome painting: brown shades tending toward black in the lower part of the painting, only enhanced by the details of the yellow point of the evening star, the greenish-blue roof of the church, and the thin white edge on one of the black dresses of the sisters. As for the formative effects of the light, it is reduced to a contrast between the brighter heavenly dimension of the sky and the tenebrous terrestrial dimension in the lower half of the canvas. Moreover, the severity arises because of the austere geometrization process present at every level of the painting: the railing and cross sharply emphasize verticality and horizontality; the characters and objects are grouped into pairs; and  Cf. GW ,:  f.: “Mit dieser Lebendigkeit ist nothwendig der Charakter der A n m u t h , G r a z i e verbunden. die Grazie, (Charis) ist eben ein Herauswenden zu dem Zuschauer, wie auch die Etymologie sagt.”

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there is a rigorous symmetry between the city and port or sea on either side of the central axis of the painting. For Hegel, a regularity and symmetry of this kind produces an inorganic unity devoid of liveliness. The spectator is faced with the ‘severe’ domain of the grandeur of the topic – there is something great and obscure, a remainder of mystery and the unknown. Although Sisters is indeed marked by an abstraction that may be said to impoverish the pictorial dimension of the work, this no longer holds for the other exhibited paintings of that time, like Riesengebirge Landscape with Rising Fog, the diurnal landscape that Hegel would have seen in , as well as its lost mountainous pendant. These landscape paintings have a more realistic basis, a more sensual palette and a lively chromatic unity. Or in the words of the art reviewer for the Literarisches Conversations-Blatt: there is “a pure and peaceful color harmony [reine[] stille[] Farbenharamonie]” (“Ueber die Kunstausstellung in Dresden. Ende September ”, Literarisches Conversations-Blatt, No. , Jan. , : ) consisting of semi-tones. In Riesengebirge Landscape with Rising Fog the browns of the earth and the rounded tops of the high mountain rocks are warmed by dashes of yellow and red, with the summits lit by a touch of yellow and white. The painting points to an atmosphere and shows how an ethereal or virtually insubstantial veil of mist can soften the mineral mass of the mountains to almost make them disappear. In other words, it seems that one can find here precisely the stylistic ideal of landscape painting in the sense of Hegel himself, i. e. a naturalistic vitality of color and natural appearances reflected by an intelligent and sensitive mind. Though it may be difficult for some critics to acknowledge that the landscape painter Caspar David Friedrich was ahead of his time, it is also clear that the realistic element in his approach to art is not entirely out of step with nineteenth-century painting and therefore does not constitute a return to an earlier past. In order to better understand Hegel’s central reproach of a false severity in Friedrich’s work that verges on affectation, it is important to examine more closely the Ascheberg transcript and the Hotho book edition of the Lectures on Fine Art together. The one critical sentence on Friedrich in the Ascheberg transcript may be fruitfully supplemented with a longer passage in the Hotho edition that occurs exactly at the same point in the lecture course and explains the flaw of false severity as a kind of false mysteriousness or ‘trading in secrets’ (Geheimniskrämerei): Dies Zurückstoßende kann freilich oft auch eine bloße Hypochondrie des Künstlers sein, der eine Tiefe der Bedeutung in das Kunstwerk hineinlegt, doch zur freien, leichten, heiteren Exposition der Sache nicht fortgehen, sondern es dem Zuschauer absichtlich schwer machen will. Eine solche Geheimniskrä-

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merei ist dann aber selbst nur wieder eine Affektation und ein falscher Gegensatz gegen jene Gefälligkeit. (W ,:  f.) Pöggeler does not take this passage into account in his  article. But the order of its insertion in the Hotho edition of Hegel’s lectures, between remarks on the severity of a work shut in upon itself and granting nothing to the spectator and the reflections on the affectation of the French, is identical with the order of Hegel’s judgment of Friedrich contained in the Ascheberg manuscript of /. This is the only place in each of the editions where Hegel talks about the French and the severe style, and the unusual sentence about the severe style reappears from one edition to the other in almost exactly the same wording. One could therefore reasonably conclude that Hegel’s above remark is directed at artists like Caspar David Friedrich. Hegel’s unflattering expression ‘Geheimniskrämerei’, or a false kind of mysteriousness, appears to stigmatize the profundity of these painters, implying that they employ puzzles or mysteries in their painting solely to attract spectators, merely to pique or stimulate their interest. Instead of visually expressing a depth of feeling or Spirit as inwardness, which as the Christian art par excellence painting should do, according to Hegel, here the spiritual content of the painted landscape depends on an unspoken intention of the artist. The paintings are loaded with sense, but the artist has apparently hidden his intentions. Accordingly, it is difficult for the spectator to immediately grasp the veiled subject of the paintings – the content that the formal and plastic severity of Friedrich’s paintings seeks to emphasize. This ‘conscious’ form of symbolism comes under the category of the enigma (das Rätsel). An artist offering an enigma to the spectators starts from an idea of which he or she is perfectly conscious, i. e. that is clearly understood by the artist. However, the artist intentionally translates it into a confused form, in which the patterns markedly diverge and there does not seem to be any discernible connection (see W ,:  ff.). Yet only the discovery of a common denominator of the most heterogeneous elements that the artist has chosen determines the content  See the English translation (Hegel [] b, ): “To be sure, this repelling [element in the work] might frequently be just a mere hypochondria on the part of the artist, who inserts a depth of meaning into his work, but will not pass over to a free, light, and serene exposition of the topic; on the contrary, he deliberately intends to make things difficult for the spectator. In that case, such a false mysteriousness is itself only an affectation in turn, and a false contrast with the pleasant.”  See GW ,: : “Im strengen Styl ist dem Zuschauer oder Zuhörer nichts eingeräumt, die Sache selbst nur gibt sich da”; cf. W ,: : “In dem strengen Style dagegen ist dem Zuschauer gleichsam gar nichts eingeräumt, es ist die Substanz des Gehalts, welche in ihrer Darstellung streng und herb die Subjektivität zurückschlägt.”  The German word ‘Krämerei’ means the grocery trade and originally the term ‘Geheimniskrämerei’ referred to the feared and dishonest tricks of certain grocers (‘Krämer’), cheating on the quantity and quality of the goods sold.

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or idea expressed in the artist’s style. Insofar as the meaning of the work in this case cannot consist in the interplay of the internal dependencies of its elements, the spectator is forced to find a back-story for the work. Spectators or researchers looking for clues about the deeper meaning of Friedrich’s landscape paintings might, for example, be tempted to turn to the writings or even the biography of the artist (see Friedrich  and ). VI. The Enigma in Caspar David Friedrich A painting like Sisters undoubtedly works like an enigma or hermetic riddle. What the spectator initially sees is mysterious, for it combines a number of heterogeneous motifs – a night with no moon or source of light other than the evening star, high in the sky, illuminating the scene; the towers and spires of a church; the masts of boats that are not sailing, but anchored at port, the water obscured from the spectator; and a moment of contemplative stasis marked by two female figures dressed in city clothes. All of this produces a blurring of expression that forces the spectator to assume there is some kind of inherent intention or deeper meaning in the work, without ever being entirely sure what that meaning is. Indeed, the subject of Sisters is not the familiar topic of night as ‘part of the day’, with the atmosphere and chiaroscuro presented in the occupations of people working in a harbour at night. Thus, one of the problems in Friedrich’s painting is how to characterize the motif of the two sisters dressed in city clothes. They are not depicted in the traditional manner as figures in a port scene, where people are usually hard at work (fishing, transporting the fish, etc.). They are immobile in their contemplation: in the absence of action, the spectator does not know where the two sisters have come from, exactly why they are standing there, and where perhaps they will subsequently go. Rather, a minimal narrative is displayed on the canvas: one of the women has her hand on her sister’s shoulder. But nothing else in the picture makes this gesture comprehensible. Friedrich has artificially assembled the motifs in this work without an obvious relation to their environment, and this new composition may become alienating or disconcerting to the spectator. Moreover, the two female figures standing side by side are seen from behind and therefore are faceless: the spectator cannot see the expression of their facial features that could at least help convey some kind of feeling or spiritual inwardness. As a result, the viewer of this painting might end up wondering what it is that brings all these elements in the work together, what is the common denominator that could disclose to them the apparently profound meaning that the artist intends to reveal in the work. One could therefore ask: is Sisters a mystical painting and should it only be interpreted  For an overview and introduction to his main manuscript, see Cahen-Maurel ().

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mystically (e. g. the Christian hope of a life after death)? Or is it perhaps a political painting (e. g. the hope of religion as a factor of social renewal), or is it simply a human picture of sisterly love (e. g. in the sense of Schleiermacher’s religion of humanity)? Here we are far from the supreme ‘law of intelligibility’ proscribed in Hegel’s Lectures on Fine Art concerning painting. This is because the function that Hegel ascribes to true art is to be, according to a formula of the Phenomenology of Spirit, a clear or transparent medium for Spirit (cf. GW : ). As mentioned above, since a major issue of Hegelian aesthetics concerns the ‘sense’ or spiritual content (Gehalt) of a work of art, this relates to the specific issue of the readability of a painting. For Hegel, the visual intelligibility of the substantial content of painting is a matter of its narrativity or dramatization – or to use Hegel’s term, the “dramatic liveliness [dramatische Lebendigkeit]” of the work (W ,: ; English translation: Hegel [] b, ). Insofar as the representation concerns inwardness, which in Hegel’s eyes is the topic par excellence of painting as a romantic art-form, it should not remain a mere abstract and empty sentimentality that is detached from all context, but rather be mediated and explained by a situation and a whole set of actions or bodily movements. – According to some critics, this is precisely what is lacking in the supposedly ‘non-narrative’ painting of Caspar David Friedrich. As a result of our analysis, one could say that Hegel’s reproach of Friedrich’s painting style concerns four flaws in his works: () Their form is too abstract, which for Hegel is a synonym of repression, or that it is unfree. () Furthermore, their content or subject-matter is fundamentally tainted with subjectivism, for its deeper sense is reduced to the arbitrariness of the subjectivity of the artist. Here Hegel’s criticism of subjectivism clearly echoes his dismissal of the romantic writers Novalis and Schlegel. () They therefore also reveal an emptiness characteristic of the  See W ,: ; English translation: Hegel [] b, ; cf. GW ,: : “Die Hauptsache bei einem Gemälde ist aber auch, daß die Situation verständlich sey.”  The review of Kügelgen illustrates this point, where Hegel comments on Kügelgen’s pictorial treatment of the Prodigal Son, Christ, and the Christian saints John the Apostle and John the Baptist. Hegel not only comments on these four artworks as concrete examples of modernist portrait painting, but also on the treatment of these figures in the very format and size of a portrait, as isolated figures, without any specific situation or natural environment. According to Hegel, it is appropriate for saints and religious characters to be portrayed, as long as their individuality and personality are characterized in such a way as to make them recognizable in the outward features of their faces. The visual intelligibility of suffering, profound remorse, and repentance in the face of the Prodigal Son is not enough to allow us to identify him as such. For Hegel, to achieve this effect Kügelgen should have depicted him leaving the parental home and later returning to his father – the place where the repentance takes place (see GW :  – ).  Although there are of course significant differences between Early German romanticism and the other later periods of romanticism, some scholars have argued for a methodological affinity between Novalis and Caspar David Friedrich. See especially Joseph Leo Koerner’s analysis of the pictorial procedures of Friedrich using Novalis’s philosophical tool of ‘romanticizing the world’ (Koerner [] ,  – ); and Werner Busch’s reference to Novalis’s mystical conception of a divine

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theories and artistic productions of the Early German romantics. () And ultimately, they do not preserve their independence and imply instead a heteronomy, since their content does not provide its own explanation, but needs to be determined on the basis of an interpretation by the viewer. In Hegel’s view, all these deficiencies signify that the paintings of Friedrich are inferior to the dignity of art as a manifestation of the universal Spirit. Or rather, they are the perfect confirmation of the final, famous Hegelian verdict that art has become for us a thing of the past (see W ,:  f.), insofar as “human beings require, less and less, sensible, representative imagery in order to understand themselves” (Pippin , ). This might be one of the reasons why the paintings of Caspar David Friedrich find no place in Hegel’s philosophical history of Western painting. But is the manufactured hermeticism of Friedrich’s painting style, both with respect to its visual form and its intelligible content, ultimately an insubstantial pursuit of effect? In Friedrich’s conception of painting, a major criterion of true art is also its spiritual content (Gehalt). In this regard, just as there is a brief judgement of Friedrich in Hegel’s work, so one can also find a passing mention of Hegel in Friedrich’s writings, in the main written text of the artist, Äußerungen bei Betrachtung einer Sammlung von Gemählden [Considerations upon Contemplating a Collection of Paintings] (c. ). Friedrich relates how the contemporary artist Ludwig Richter holds a diametrically opposed view to his own, one that Richter contrasts with Hegel’s ideas concerning art and religious feelings: Wie ganz anders sind dieses Mahlers Ansichten über Kunst, wie ich sie aus seinem Munde vernommen. Er [Ludwig Richter] spricht: ‚Sinnliche Schönheit, versteht sich reine erhöhte Sinnlichkeit, ist erste ist einzige Forderung so man an ein Kunstwerk zu machen hat. Aber keineswegs ist es Forderung das ein echtes Kunstwerk religiöse heilige Empfindungen in uns erweken soll, wie nach Hegels Philosophie gelehrt wird. (Friedrich , ) Just before this passage, Friedrich states that the spiritual content (Gehalt) of what he views as true art is the expression of the artist’s inwardness and even piety, equating art to a prayer: [D]aß die Kunst nicht eine bloße Geschicklichkeit ist und sein soll, wie selbst viele Mahler zu glauben scheinen; sondern so eigendlich, und so recht eimathematics of nature (see Busch ). I have elsewhere argued for a rapport between Novalis’s philosophical romanticism and Caspar David Friedrich’s art, especially concerning their recourse to fruitful enigmas and mystery (see Cahen-Maurel ).  “How different are the views of this painter on art, as I have heard them from his mouth. This is what he [Ludwig Richter] says: ‘Sensuous beauty, e. g. pure, redoubled sensuality, is the first requirement of all works of art, and only that alone. In no case should a work of art, to be true art, have to awaken sacred religious feelings within us, as is taught in Hegel’s philosophy’.”

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gendlich, die Sprache unserer Empfindung, unserer Gemüthsstimmung, ja selbst unserer Andacht unser Gebeth sein sollte. [Art is not, nor should it ever be, a simple question of ability, as many painters appear to believe. Rather, it is so intimately the language of our sensibility, of our soul. Indeed, it should be our devotion and our prayer.] (Friedrich , ) Although in the Phenomenology of Spirit, Hegel reserves the concept of a religion of art (Kunstreligion) to Greek antiquity, in his later lectures on fine art he still considers art to be highly dependent on religion, identifying the content of the romantic form of art with Christianity itself, as alluded to above. For Christianity has brought to light something that the moderns more fully experience in Spirit than the Greeks were able to. Namely: the relation of the human being to the infinite. Modern culture is the product of this self-knowledge and self-representation of human consciousness as the finite in opposition to the infinite. Although the content (Gehalt) of the work is conceived in such a way in romantic or modern art that it is able to find an adequate expression in the sensuous and visible form, it ultimately transcends the latter realms, since they are now conceived as being distinct from the spiritual (see W ,:  ff.; English translation: Hegel [] a,  ff.). But unlike Hegel in his aesthetics, Friedrich does not conceive nature as itself spiritless and lifeless, since for him it is God’s creation and therefore it could be argued that they understand vastly different things by the spiritual and religious content of art. That said, although for Friedrich spiritual content and sense reside in nature, in his art the landscape becomes an element of meaning and religious relevance only on the condition that the spectator carries out a subjective and spiritual appropriation. Thus, in this sense Hegel is perfectly correct in his judgment of Friedrich’s painting style: the visual severity of his landscapes in their form and enigmatic content are a means to heighten the mind and soul of the spectator, to make an appeal and put his- or herself into a relation with them, and to this extent it is then correct to link Friedrich with the French tradition. Nevertheless, in my view, the effect produced is not insubstantial. For example, with regard to Friedrich’s paintings like the Sisters or Riesengebirge Landscape with Rising Fog, the night or fog as a veiling principle has a disruptive effect on the physical senses – it prevents sight and one has trouble discerning the shapes and motifs in the painting. However, the perturbation of one’s gaze is also subject to a remarkable inversion: the initial loss of visibility can ultimately become a gain in vision. A traditional painting places the most precise visual appearance of things directly before our eyes. In contrast, by hiding or obstructing objects from our sight, the paintings of Friedrich appeal to an effort of vision and/or the imagination on our part, in which the spectator has to repeatedly refine his or her perception, in order to bring out what to begin with only exists in the background of the painting. The

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Ill. 

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spectator has to be active and seek to penetrate to a depth that is not immediately apparent at the surface, but can be seen or read in the painting nonetheless. Thus, a perceptive eye that perceives in an attentive manner and does not simply cast a superficial glance at the painting, will discover that many other elements and details in Sisters (ill. ) may eventually come into view. For example, there is the infinitely elaborated gracefulness of the Gothic architecture of the church on the left, with all its decorations, but there are other hidden architectural elements, such as the buildings and tower behind the boat masts on the right-hand side of the painting. A practized gaze will also begin to discern the few tuffs of vegetation and weeds that have started to grow between the slabs on the terrace in the immediate foreground of the work. More enigmatic still is the stone cross flanked by three children (putti?) that is behind the railing and to the right of the sisters; once this cross is discovered by the spectator, it seems to considerably change the composition of the work, taking on the appearance of a third animated character, as it were, beside the other two standing figures. And there are not only stone putti. Any spectator who approaches the image and gazes at it long enough to adjust their eyes to the darkness of the foreground, the contours of a real angel, drawn by very thin white brush strokes, seem to come into view at the feet of the two women, such as we find in other paintings of Friedrich, like the Cemetery Entrance (Friedhofseingang, c. ). This effect of the painting style of Friedrich is not at all a vacuous Geheimniskrämerei or false mysteriousness, which, if we were to draw Hegel’s criticism of false severity to its conclusion, would not deserve to be called art or even be a part of the history of modern painting. On the contrary, Friedrich’s romantic art of mysteriousness has a true profundity precisely because it creates depth in a different way: one grasps the significance and necessity of the onlooker, who shapes the form, and the form itself becomes part of the painting’s active and dynamic reception. Perhaps the most important element of Friedrich’s legacy lies precisely here. VII. Conclusion Hegel’s criticism of the painting style adopted by the German romantic painter Caspar David Friedrich corresponds to and echoes some of his reasons for rejecting the romantic writers Novalis or Friedrich Schlegel. According to Hegel, the manufactured severity of style in Friedrich’s work not only has to do with an impoverishment of the strictly pictorial appearances of color and light in order to grant domination to the topic, but it also concerns the kind of symbolism that the painter deploys, which succumbs to subjectivism, a subjectivism that is also pernicious inasmuch as it strips his paintings of their substantial content. Unlike Pöggeler, who suggests that Hegel’s main criticism of Friedrich can be reduced to the charge of anachronism and an anti-modernist resistance to the secularisation of

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Western art, I take Hegel’s judgment of Friedrich to relate more to the romantic employment of enigmas and mystery. Hegel’s expressive conception of style is the visible inscription and living manifestation of an irreducible individuality in the form it produces. German romanticism, in contrast, strives to go beyond this, moving towards a semiotic, hermeneutic, and active conception of style, i. e. a meaningful form that also engenders effects. Hence, rather than an empty game of deceiving the public – Geheimniskrämerei or ‘false mysteriousness’ to use Hegel’s words –, I have argued that Friedrich’s art of mysteriousness does much more than merely imitate nature as something sacred in itself and already given. It creates depth both by means of the content it expresses and more precisely through what its form actually does. That is to say, through the vivid and active relationship that this style brings about between the artwork and the spectator, through the tension that it creates between what one sees and what one would like to see. It all depends on the spectators’ own powers of attention and perception, on the questions that they ask as well as on their imaginative and reflective activities. As Caspar David Friedrich himself puts it in an  letter to Philipp Otto Runge: “Die Kunst mag ein Spiel seyn, aber sie ist ein ernstes Spiel [Art may be a game, but it is a serious game]” (Friedrich , ). Abbreviations B II

Briefe von und an Hegel. Band II:  – . Edited by Johannes Hoffmeister. Hamburg, [] .

CDF-Werkverzeichnis Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen. Edited by Helmut Börsch-Supan and Karl Wilhelm Jähnig. Munich, . GW

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. Edited by the Rhenish-Westphalian Academy of Sciences and the German Research Foundation (DFG). Hamburg,  passim. GW  (Phänomenologie des Geistes); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()); GW  (Schriften und Entwürfe I ( – )); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()); GW , (Vorlesungen über die Philosophie der Kunst I: Nachschriften zu den Kollegien der Jahre / und ).

Verzeichnis 

Verzeichnis der am Augustustage den . August  in der Königlich Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden öffentlich ausgestellten Kunstwercke. Dresden, .

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W , – 

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Vorlesungen über die Aestethik. Vols. , –  of Sämtliche Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten. Edited by Heinrich Gustav Hotho. Berlin,  – .

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Guillaume Lejeune MODALITÉ ET SÉMANTIQUE A propos de la réception de Hegel par William James William James definiert den Standpunkt des Pragmatismus in Opposition zum Anspruch der Idealisten seiner Zeit, das Wesen der Wirklichkeit bestimmen zu können – ein Anspruch, der mutatis mutandis immer noch in der Tradition der Philosophie Hegels steht. In den beiden Aufsätzen „On some Hegelisms“ () und „Hegel and his Method“ () bezieht James sich direkt auf Hegel. Wenn man diesen Texten glaubt, dann besteht eines der grundlegendsten Probleme des hegelschen Idealismus darin, eine prinzipielle Offenheit gegenüber einer Vielfalt von Möglichkeiten zugunsten der Idee einer notwendigen Entwicklung aufgegeben zu haben. Diese Sicht der Dinge lässt im besten Fall jedoch nur eine deflationäre Intepretation der hegelschen Philosophie zu. Eine solche Interprationen bestimmt in der Tat nicht nur nachhaltig das Verhältnis zwischen James und dem britischen Idealismus, sondern in einem hohen Maß auch die Rezeption Hegels in der pragmatischen Philosophie bis heute. Um Probleme und eventuelle Missverständnisse in der pragmatischen Hegel-Auffassung freizulegen, ist es daher geboten, erneut eine James-Lektüre anzustellen. Neben dem philosophiehistorischen Interesse geht es hierbei systematisch darum, sich mit der Begründung einer Semantik möglicher Welten auseinanderzusetzen. ABSTRACT

C’est une image courante que de se représenter le carré logique et d’y opposer le possible au nécessaire. Si une telle façon de faire correspond aux réquisits de la logique aristotélicienne, celle-ci a été critiquée pour son formalisme. Kant, par le biais de sa logique transcendantale, a ainsi ouvert un mouvement qui a inspiré la logique spéculative de Hegel (voir Lejeune a). Dans celle-ci, les catégories modales ne s’opposent plus les unes aux autres, mais contribuent à définir le mouvement de réalisation du réel, son effectivité (Wirklichkeit). Dans une telle logique, le fait de prôner la nécessité n’implique nullement que les droits du possible soient sacrifiés. Il reste qu’une lecture superficielle peut le laisser entendre. C’est à celle-ci que James s’en remet. A l’époque de James, la philosophie de Hegel n’est pas un sujet réservé aux spécialistes, mais un élément familier de la scène philosophique, avec pour conséquence la possibilité d’être caricaturée à l’envi. Toujours est-il que Hegel était un sujet de discussion tant pour les idéalistes anglais et américains que pour les courants émergeant alors, comme la philosophie analytique (Russell, Moore) et le pragmatisme, qui au début du ème siècle prennent leur essor dans le monde anglo L’idéalisme britannique et américain ne forme pas un mouvement uni, mais une constellation de penseurs qui, entendant promouvoir l’étude des principes premiers, revendiquent chacun à titre divers l’héritage de Hegel ou de Kant. On consultera sur le sujet l’excellente introduction de Mander (). Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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saxon. Les discussions communes à ces différents mouvements de pensée portent sur des sujets comme le statut de la relation, la théorie de la vérité et le thème idéaliste d’un « universel concret ». L’importance de ces sujets ne doit pas être minorée, mais elle ne doit pas conduire à occulter d’autres aspects, comme la question des modalités aléthiques, qui joue un rôle majeur dans la réception jamesienne de Hegel. C’est sur celle-ci que nous allons nous centrer. Nous ne pouvons rendre compte exhaustivement des lectures de Hegel proposées par les différents représentants du pragmatisme. En , seulement un an après la publication de Pragmatism de James, Lovejoy distinguait treize sortes de pragmatisme (voir Lovejoy ). Nous nous focaliserons donc sur la position de James, qui apparaît comme un penseur central à l’époque. Il est en effet discuté tout aussi bien par les pragmatistes que par les idéalistes et les néo-réalistes comme Russell ou Moore. Pour le dire très brièvement, dans A Pluralistic Universe, James considère le pragmatisme en termes de possibilité et l’idéalisme de Hegel et de ses héritiers en termes de nécessité. Pour James, le pluralisme qui est le point de vue typique du pragmatisme est une possibilité parmi d’autres. En outre, la vérité de la connaissance est pour James en relation avec une possibilité d’agir qui peut être induite de celle-ci. Au contraire, les idéalistes considéreraient à la suite de Hegel que leur philosophie relève de la nécessité et n’auraient pas envisagé ce qu’il était possible de faire avec des concepts, mais la réalité que les concepts étaient supposés traduire nécessairement. Pour nous, Hegel aurait certainement été d’accord avec l’idée selon laquelle l’idéalisme s’organise en un réseau de relations nécessaires. Cela est exprimé explicitement à différents endroits de son système. Mais le fait qu’il y ait une nécessité dans la philosophie de Hegel ne signifie pas qu’il y ait une nécessité de cette philosophie. De même, quand Hegel attribue un caractère nécessaire (ou rationnel) à l’effectivité, il faut distinguer celle-ci d’une factualité élevée au rang de nécessité. S’il y a une nécessité dans le tout, tout n’est pas nécessaire pour autant. Mais, avant de faire plus amplement répondre Hegel à la critique de James, il importe toutefois d’exposer celle-ci en détail. On verra alors en conclusion que ce à  D’autres façons d’appréhender la relation de James à Hegel sont naturellement possibles. La question de l’Un et du Multiple est une entrée intéressante (cf. Schultz ), on en touchera d’ailleurs un mot en appréhendant la sémantique qui sous-tend la compréhension des modalités chez nos deux auteurs.  « Il faut distinguer la nécessité de la philosophie de Hegel et la nécessité du contenu qu’elle déploie. La philosophie de Hegel (comme toutes les autres) n’a aucune nécessité. Si est nécessaire ce qui ne peut pas ne pas être, alors la philosophie hégélienne n’est pas nécessaire, sinon tous les philosophes la pratiqueraient. Il nous semble cependant qu’il y ait une nécessité du contenu qu’elle déploie. Aucune philosophie première (et donc aucune science particulière) ne peut se passer de concepts comme ceux de la qualité, la quantité, la mesure, l’identité, la différence, la négation, l’opposition, la contradiction, le phénomène, la cause, l’effectivité, le jugement, l’objectivité, et bien d’autres qui ne sont abordables que dans un méta-discours par rapport à celui des sciences particulières. » (Mabille ,  – )

Modalité et sémantique

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quoi s’oppose la nécessité hégélienne est l’idée d’une sémantique des mondes possibles. I. La critique jamesienne de Hegel A la fin du ème siècle, alors que l’empirisme et le réalisme du sens commun étaient prédominants dans la philosophie anglophone, des penseurs comme Stirling, Green et Caird en Grande-Bretagne et d’autres comme Emerson ou Royce aux Etats-Unis d’Amérique encouragèrent vivement l’étude de la philosophie kantienne et hégélienne. Thomas Hill Green, qui enseigna à Bradley et Bosanquet, enjoignait ainsi « les Anglais de moins de  ans à fermer leur Mill et leur Spencer pour ouvrir leur Kant et leur Hegel [“Englishmen under five-and-twenty” to close their Mill and Spencer and open their Kant and Hegel] » (Sorley , ). De par leur grande influence sur les jeunes, ces penseurs contribuèrent à faire de Hegel un philosophe au centre des discussions dans le monde de la philosophie anglophone. C’est donc sans surprise que James est familier des idées de Hegel dès sa jeunesse. Suivant Burleigh T. Wilkins, James a lu pour la première fois Hegel en  alors qu’il était en Allemagne. A la fin des années , James assistait aux rencontres du club philosophique de Harvard dans lequel W.T. Harris, le principal hégélien américain, exposait les vertus de Hegel, et tout au long des années  et , James lisait le Journal of Speculative Philosophy de Harris. (Wilkins , )

 Sur le sujet : Bradley (), Willis (). En ce qui regarde la réception de Hegel aux EtatsUnis, on peut citer l’influence conjointe des philosophes britanniques nouvellement acquis à l’idéalisme, de l’immigration allemande et du Journal of Speculative Philosophy. « Most of contemporary philosophers […] have only a vague idea of what was going in philosophy in America prior to the origins of the pragmatism of Peirce, James and Dewey. Yet this was a time when the study of German philosophy and especially Hegel, flourished. In part, this occurred because of some outstanding German immigrants who achieved prominent positions in America. Henry Conrad Brockmeyer ( – ), a lawyer who was elected lieutenant governor of Missouri translates Hegel’s Logic – a translation that was never published but was circulated and copied by circles of informal discussion groups that became known as the St. Louis Hegelians and the Ohio Hegelians. Better known is W.T. Harris, who became the U.S. commissioner of Education, a committed Hegelian and the editor of the first philosophic journal to appear in America, The Journal of Speculative Philosophy. » (Bernstein , )  Toutes les traductions sans référence à un texte français sont miennes.  « James had first read Hegel in  while in Germany. During the late ’s James attended the meetings of a Harvard philosophical club at which W. T. Harris, the foremost American Hegelian, was expounding the virtues of Hegel, and throughout the ’s and ’s James was reading Harris’s Journal of Speculative Philosophy. » James était toutefois loin d’être un spécialiste de Hegel ainsi qu’il le reconnaît d’ailleurs lui-même en . « As for Hegel, there is not a fibre of my being which is not ready to swear him humbug, but not having achieved the reading of one of his works yet. » (Perry , )

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Ce qui est amusant avec la reconnaissance générale de Hegel dans le monde anglosaxon, c’est qu’elle survient en un temps où Hegel était presque oublié en Allemagne. James, dans un article concernant ce qu’il appelle ironiquement l’ « hégélisme » de son époque, écrit ainsi : Nous sommes en ce moment témoins d’un phénomène singulier dans la philosophie anglaise et américaine. L’hégélisme, qui est entièrement mort sur son propre sol à tel point que je ne crois pas que le moindre disciple de cette école ne soit à compter parmi les privat-docents et les jeunes professeurs allemands, et dont les anciens champions ont tous quitté la scène, a trouvé parmi nous un groupe de partisans si zélés qu’aujourd’hui, il peut être reconnu comme une des influences les plus puissantes de l’époque en ce qui regarde les plus hautes sphères de la pensée. (James , ) La raison pour laquelle James consacre en  un article à Hegel ne repose toutefois pas simplement sur le constat que l’idéalisme était un courant majeur par rapport auquel il importait de se positioner. Loin de suivre une certaine mode, l’article de James est un article engagé qui critique Hegel pour ses tours de forces et la mauvaise influence qu’il est censé exercer sur la pensée d’alors (voir James , ). Si nous analysons maintenant cette influence supposée corruptive, il semble qu’elle aurait consisté en la réduction de la diversité à l’unité, du pluralisme au monisme. Suivant James, si Hegel ne se définit pas lui-même comme un moniste, il l’aurait été malgré tout. Pour James, le « principe de totalité » (voir James , ) que Hegel aurait défendu serait une forme de monisme. Suivant ce monisme,  « We are just now witnessing a singular phenomenon in British and American philosophy. Hegelism, so entirely defunct on its native soil that I believe but a single young disciple of the school is to be counted among the privat-docenten and younger professors of Germany, and whose older champions are all passing off the stage, has found among us so zealous and able a set of propagandists that to-day it may really be reckoned one of the most potent influences of the time in the higher walks of thought. » On consultera aussi la lettre de James à Renouvier du  décembre  (James , ).  Le terme de monisme est un terme relativement récent dans l’histoire des idées puisqu’il remonte à Christian Wolff. Celui-ci oppose en  le monisme au dualisme et au pluralisme (terme qu’il forge également) dans la seconde préface à ses Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen. Le terme est nettement moins utilisé à l’époque de Hegel qu’à celle de James.  Voir Jarczyk () et Lejeune (b). James admet que Hegel ne considère pas sa philosophie comme un monisme. « If we call this a Monism, Hegel is quick to cry, Not so! » (James , ) Mais selon James, la façon dont Hegel se défend du chef d’une telle accusation est uniquement amour de l’ « obscurity and mystification for their own pure sakes. » (James , )  Dans la perspective de la philosophie hégélienne, ce serait contradictoire de parler de « principe de totalité ». La totalité est l’achèvement et, pour Hegel, le principe n’est pas l’achèvement. « Die eigentliche p o s i t i v e Ausführung des Anfangs ist zugleich umgekehrt ebensosehr ein negatives Verhalten gegen ihn, nemlich gegen seine einseitige Form, erst u n m i t t e l b a r oder Z w e c k zu seyn. Sie kann somit gleichfalls als die Widerlegung desjenigen genommen werden, was den G r u n d des Systems ausmacht ; besser aber, als ein Aufzeigen, daß der G r u n d oder das Princip des Systems in der That nur sein A n f a n g ist. » (GW  : )

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« on ne peut adéquatement connaître une partie sans connaître le tout dont elle forme une partie [you cannot adequately know even a part until you know of what whole it forms a part] » (James , ). En d’autres termes, le principe hégélien de totalité « demande que, si une quelconque partie est posée seule, toutes les autres devraient immédiatement émaner d’elle et reproduire infailliblement le tout [demands that if any one part be posited alone all the others shall forthwith emanate from it and infallibly reproduce the whole]. » (James , ). Les parties ne seraient donc connues qu’à partir d’un tout, mais comment ce tout serait connu, cela demeurerait un mystère. James poursuit sa critique de Hegel dans un article intitulé « Hegel and his method » qui est repris comme le troisième chapitre de son livre, A Pluralistic Universe, le manuscrit de ses Hibbert Lectures qu’il donne en . Les deux textes « On some Hegelisms () » et « Hegel and his method () » – sont séparés de plus de vingt ans. L’idée de monisme est toujours au centre de la critique de James, mais un nouvel argument est développé, qui concerne la modalité du système hégélien et, plus précisément, les idées de possibilité et de nécessité. James ouvre son texte de  sur l’affirmation suivant laquelle on défend ou bien une vue moniste ou bien une vue pluraliste de l’univers (qui devrait être alors nommé multivers). Dans le premier cas, on explique les parties à partir du tout. Dans le second cas, on explique le tout à partir des parties. La seconde possibilité, qui couvre ce que James appelle pluralisme, serait plus satisfaisante. Le pluralisme serait plus ouvert, il permettrait une situation où différentes doctrines seraient compossibles. Dans le cas du monisme, au contraire, seulement une doctrine serait vraie. En conséquence, James pense que le monisme conduit au dogmatisme, c’està-dire à une conception du monde où tout serait déjà joué, où aucune nouvelle relation ne pourrait s’ajouter de l’extérieur. Le monisme […] insiste [sur le fait] que quand on descend jusqu’à la réalité comme telle, jusqu’à la réalité des réalités, tout est présent dans tout le reste dans une vaste complétude instantanée de co-implication – rien ne peut en quelque sens que ce soit, fonctionnel ou substantiel, être vraiment absent de quelque

 A cette époque, bien que des idéalistes contemporains, comme Bradley, étaient abondamment discutés, Hegel était vu in fine par beaucoup comme le noyau de ces doctrines. F.C.S. Schiller pastiche ainsi le slogan de Green. « The advice is openly given to the “idealist” host to shut up their Bradley and their Berkeley, and to open their Platon and Hegel. » (Schiller , XIV)  « Multiverse » est un néologisme qui apparaît pour la première fois sous la plume de James ().  « What do the terms empiricism and rationalism mean? Reduced to their most pregnant difference, empiricism means the habit of explaining wholes by parts, and rationalism means the habit of explaining parts by wholes. Rationalism thus preserves affinities with monism, since wholeness goes with union, while empiricism inclines to pluralistic views. » (James a,  – )

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chose d’autre, toutes les choses s’interpénétrant et se télescopant ensemble dans le grand conflux total. (James a, ) D’un point de vue pluraliste, la totalité demeure toujours à l’état de possibilité. Elle n’est jamais atteinte. Les relations ne sont pas inhérentes à une totalité donnée. Considérer que toutes les relations sont déjà données rendrait impossible l’émergence de nouvelles réalités. Cela nous conduirait au dogmatisme. Ne serait possible que ce qui est asserté dans le système. Pour le pragmatisme, au contraire, de nouvelles relations sont toujours possibles dans la mesure où elles surviennent de l’extérieur. Si le pragmatisme est compatible avec une forme d’unité, celle-ci est toujours en puissance d’être mise en concurrence. Aucune unité ne peut prétendre être ultime. Notre « multivers » continue de former un « univers », car chaque partie, bien qu’elle ne puisse être en relation réelle ou immédiate avec chaque autre partie, est néanmoins dans une connexion possible ou médiate avec toutes les autres parties aussi éloignées soient elles, en raison du fait que chaque partie tient ensemble avec ses voisines les plus proches dans une inextricable interfusion. (James a, ) Pour James, l’unité reste virtuellement disponible dans un plurivers. Mais l’inverse ne se vérifie pas. Le monisme nie la pluralité, et ce, dans sa conception même de la raison, qu’il réduit à un aspect : l’intellect. Pour James, la « rationalité a au moins quatre dimensions : intellectuelle, esthétique, morale et pratique ; et trouver un monde rationnel à son plus haut degré simultanément en regard de tous ces aspects n’est pas chose aisée. [rationality has at least four dimensions, intellectual, aesthetical, moral, and practical ; and to find a world rational to the maximal degree in all these respects simultaneously is no easy matter.] » (James a, ) L’idéalisme aurait quant à lui réduit l’ensemble de la réalité à l’intellectualisme et à sa satisfaction. Le monisme idéaliste apparaît en fin de compte comme un appauvrissement de la réalité. Si l’on suit James, l’idéalisme apparaît tellement unilatéral que l’on peut se demander comment il a pu rencontrer un tel succès. Une telle interrogation  « Monism, on the other hand, insists that when you come down to reality as such, to the reality of realities, everything is present to everything else in one vast instantaneous co-implicated completeness – nothing can in any sense, functional or substantial, be really absent from anything else, all things interpenetrate and telescope together in the great total conflux. »  « Pragmatically interpreted, pluralism or the doctrine that it is many means only that the sundry parts of reality may be externally related. » (James a, )  « Our “multiverse” still makes a “universe” ; for every part, tho it may not be in actual or immediate connexion, is nevertheless in some possible or mediated connexion, with every other part however remote, through the fact that each part hangs together with its very next neighbors in inextricable interfusion. »

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n’ébranlerait cependant nullement les convictions de James. Pour lui, le monisme hégélien est en effet basé sur la puissance persuasive et non sur des arguments rationnels solides. Une fois neutralisé, le monisme doit apparaître comme une hypothèse parmi d’autres. Le fait que l’idéalisme se présente comme une nécessité absolue repose sur le « ridicule tout ou rien hégélien [the silly hegelian All-orNothing insatiateness] » (James , ). Ou bien tout serait compréhensible ou bien rien ne le serait. Ou bien nous acceptons le monisme ou bien nous sommes conduit à un scepticisme sans fin. Les idéalistes face à ce dilemme se seraient ralliés à la bannière d’une nécessité absolue dans la crainte d’un néant possible. Pour ne pas douter, ils auraient systématiquement occulté le possible sous une prétendue nécessité. Pour se mouvoir dans l’univers hégélien, la pensée doit, en bref, procéder par les mots apodictiques doit être plutôt que par les mots hypothétiques inférieures peut être, qui sont tout ce qu’utilisent les empiristes. [Advance in thinking, in the hegelian universe, has, in short, to proceed by the apodictic words must be rather than by those inferior hypothetic words may be, which are all that empiricists can use.] (James a, ) Hegel aurait sacrifié le possible au bénéfice du nécessaire. Par contraste, James entend réfléchir le statut des idées à partir de la notion de possible. Pour lui, on ne peut prouver la nécessité d’une idée, mais seulement sa possibilité en montrant la façon par laquelle on est conduit à cette idée. Ce qu’est l’idée est défini à travers un comment et ce comment n’est jamais exclusif. Un autre point important concernant le concept de possible chez James tient au fait que la valeur d’un jugement n’est pas déterminée par sa correspondance à une essence supposée, mais par la possibilité d’action qu’il ouvre. Pour James, aucune action ne serait possible dans le système hégélien. Tout surviendrait par fatalité. Dans l’univers de Hegel – l’absolu-bloc dont les parties n’ont aucun jeu, la pure pléthore de l’être nécessaire avec l’oxygène de la possibilité étouffé hors de ses poumons – il ne peut rien y avoir de bon ni de mauvais, mais une triste complexion [s’apparantant] seulement au destin. [In the universe of Hegel – the Absolute Block whose parts have no loose play, the pure plethora of necessary being with the oxygen of possibility all suffocated out of its lungs – there can be neither good nor bad, but one dead level of mere fate.] (James , )  Voir aussi le passage suivant : « Hegel was dominated by the notion of a truth that should prove incontrovertible, binding on everyone, and certain, which should be the truth, one, indivisible, eternal and necessary, to which all our particular thinking must lead as to its consummation. » (James a, )  L’expression « Absolute Block » est à rapprocher de celle de « block universe » utilisée par James dans un article de deux ans postérieur (James , ). L’idée d’un univers bloc est employée pour

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L’univers hégélien serait « entièrement déterminé » (voir Kenna , ). Il serait complètement saturé. Rien de nouveau ne pourrait y arriver. Le destin de la philosophie de Hegel dans le monde anglo-saxon ne ferait que consolider ce constat, dans la mesure où James considère que « l’hégélisme est absolument stérile [Hegelianism is absolutely sterile] » (James , I, ). Une raison de cette soidisant stérilité de Hegel et de ses héritiers tiendrait à ce qu’ils feraient du langage quelque chose de déterminé et non quelque chose de déterminant. « Le dictum hégélien célébré selon lequel l’être pur est identique au pur néant résulte du fait qu’il prend les mots statiquement ou sans tenir compte du contexte [Hegel’s celebrated dictum that pure being is identical with pure nothing results from his taking the words statically, or without the fringe they wear in a context]. » (James , ) Le fixisme de ce type de philosophie tuerait dans l’œuf toute possibilité qui se tiendrait en dehors de la réalité telle qu’elle est. Hegel, en essayant de montrer que la non-entité et l’être concret sont liés ensemble par une série d’identités de type synthétique, lie tout ce qui est concevable en une unité sans notion périphérique qui viendrait perturber la libre circulation de l’esprit dans ses limites. Depuis qu’un mouvement non vérifié donne le sentiment de la rationalité, il doit être tenu, s’il a réussi, comme ce qui a éternellement et absolument étouffé toutes ses demandes logiques. Mais pour ceux qui, comme la plupart d’entre nous, jugent que l’effort héroïque de Hegel a échoué, il nous faut admettre qu’une fois toutes les choses unifiées dans un degré suprême la notion d’un possible autre que celui actualisé continuerait de hanter notre imagination et tourmenter notre système. (James ,  – ) En fait, comme le montre Cook, la vision jamesienne de la philosophie hégélienne est celle d’un système sursaturé, quelque chose qui s’apparente à l’expérience que critiquer les théories qui, dans une « supposée » postérité à Hegel, nieraient la réalité du temps et s’opposeraient à la possibilité. McTaggart reprendra le concept et le popularisera, mais contrairement à James, il essayera d’y voir quelque chose de fécond (voir McTaggart , ). Voir aussi la passage suivante : « The “through-and-through” universe seems to suffocate me with its infallible impeccable all-pervasiveness. Its necessity, with no possibilities ; its relations, with no subjects, make me feel as if I had entered into a contract with no reserved rights, or rather as if I had to live in a large seaside boarding-house with no private bed-room in which I might take refuge from the society of the place. » (James , )  Comme le remarque Reeve, James prend lui-même le dictum hégélien hors contexte, il ignore le mouvement dialectique de la pensée hégélienne dans lequel il s’inscrit (Reeve ,  – ).  « Hegel, by trying to show that nonentity and concrete being are linked together by a series of identities of a synthetic kind, binds everything conceivable into a unity, with no outlying notion to disturb the free rotary circulation of the mind within its bounds. Since such unchecked movement gives the feeling of rationality, he must be held, if he has succeeded, to have eternally and absolutely quenched all rational demands. But for those who deem Hegel’s heroic effort to have failed, nought remains but to confess that when all things have been unified to the supreme degree, the notion of a possible other than the actual may still haunt our imagination and prey upon our system. »

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fait James de l’oxyde nitrique et qui le laisse avec un sentiment de néant (James  ; sur le sujet, voir Cook ,  – ). En prenant de l’éther, James a le sentiment d’être en présence du tout ; le monde extérieur est ressenti dans sa plénitude. Mais une fois l’effet de l’éther s’estompant, le soi réduit à néant par la plénitude des choses ressenties est la seule chose qui reste. Avec le système hégélien, on aurait quelque chose d’analogue pour James. Le soi, destitué par des concepts devenant sujet, par un système exprimant le tout, garderait la marque du vide une fois que l’on abandonnerait le système. II. Le pragmatisme de James et le concept de possibilité Le fait que l’on puisse trouver différents aspects définitoires du pragmatisme chez James (une méthode de connaissance, une théorie de la vérité et un moyen d’unifier l’empirique et le métaphysique) ne change rien au fait que l’on soit conduit en fin de compte à fonder l’attitude philosophique qu’il prône sur un concept général de possibilité. Pour comprendre les attendus de cette attitude, qui adopte résolument le point de vue du possible, eu égard à l’idéalisme, l’on peut dans un premier temps prendre la converse d’une formule de Leibniz, on obtient alors l’idée que la possibilité d’une attitude philosophique équivaut à la non-nécessité de celle qui lui serait contraire. Ainsi, l’attitude de James envers l’idéalisme ne consiste-t-elle pas à

 Pour Leibniz, la nécessité logique de quelque chose, c’est la négation de la possibilité de son contraire (A I, :  ; A VI, : ). James adopte implicitement la converse de cette formule, puisque pour lui le pragmatisme en tant que possible doctrine affirme la non nécessité des doctrines qui lui sont contraires. Sous couvert de cette ouverture, James affirme toutefois implicitement qu’il y a une nécessité de convenance à sa philosophie, puisque son contraire apparaît dogmatique. Il s’inscrit ainsi dans le sillage de Leibniz, qui, à côté de la nécessité absolue ou métaphysique, distinguait une nécessité de convenance, une nécessité relative au meilleur des mondes voulu par Dieu. Avec James, le pragmatisme semble relatif au meilleur des mondes ; c’est une nécessité hypothétique, là où Hegel affirmerait une nécessité absolue, non plus fondée sur la convenance, mais sur l’imposssibilité de son contraire. Il faut toutefois ici noter que la nécessité hégélienne porte sur un rapport à soi-même et non sur un rapport à quelque chose d’autre. La nécessité absolue n’est pas une nécessité relative au monde présent, mais une nécessité de ce monde par rapport au procès qui le fait être. Avec Hegel, le centre de gravité autour duquel s’organise la nécessité absolue n’est plus le possible formel (la non-contradiction), mais le possible réel (les conditions d’une chose). Cela n’est pas sans conséquence sur la sémantique des mondes possibles qui semble dessiner le cadre pluraliste de la sémantique jamesienne. En effet, dans la mesure où la nécessité du procès d’effectuation doit d’une façon ou d’une autre s’enracinner sur les ressources du monde concret (possibilité réelle) et faire sienne toute relation (nécessité déterminante), l’idée de mondes possibles radicalement disjoints (sans commune mesure) perd son sens, puisque toute possibilité émane du monde effectif. Chez Hegel, la nécessité logique et la nécessité de convenance (qui s’intéresse au contenu) ne sont pas juxtaposées comme chez Leibniz, mais son intrinsèquement mêlées, Hegel se situant au confluent de deux traditions en ce qui regarde la logique modale ; il emprunte à la fois à la logique modale d’Aristote telle qu’elle est exposée dans les Premiers Analytiques et son traité De l’interprétation, et à la fois à une tradition remontant à William Shyreswood et Roger Bacon, où l’aspect

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en faire une position impossible, mais consiste à en faire une position non nécessaire. En affirmant la non-nécessité du contraire, plutôt que son impossibilité, James promeut une vision pluraliste. En creux de l’axiome implicite de Leibniz se dessine ainsi une sémantique des mondes possibles qui sera plus tard développée dans le sillage de Kripke et Lewis. Dans le cadre de la philosophie de James, on pourrait dire qu’il y a différents mondes au sens où il y a différentes attitudes envers les choses qui sont possibles. L’option choisie en faveur d’un monde ou, du moins, d’une vision des choses est affaire de volonté. La volonté de croire (the will to believe) est le fondement de la psychologie jamesienne sur laquelle se base sa philosophie. Concrètement, en ce qui regarde la théorie de la connaissance, affirmer la non nécessité du contraire consiste à montrer que la métaphysique (considérée comme une sorte de nécessitarisme contraire au possible) qui définit le réel par des concepts n’est pas nécessaire, mais est seulement une option possible, qu’on peut expliquer en la mettant en relation à des buts, à des pratiques. Le pragmatisme comme méthode de connaissance consiste alors à aller au-delà des mots pour voir ce qu’ils signifient dans la pratique. A l’instar de Peirce, James pense que la métaphysique repose sur des abstractions déconnectées de la réalité. Le traitement que James applique au concept de « substance » est à cet égard exemplaire. La substance a succombé aux critiques pragmatistes de l’Ecole anglaise. Elle apparaît maintenant seulement comme un autre nom pour désigner le fait que les phénomènes tels qu’ils nous parviennent sont groupéss et donnéss sous des formes cohérentes, les vraies formes dans lesquelles nous, penseurs finis, en faisons l’expérience ou les pensons ensemble. (James , ) La substance n’est pas une propriété de l’essence d’une chose. C’est juste un artifice sémantique pour regrouper des phénomènes. En dehors de cette utilité, elle n’a pas de valeur ontologique. La signification d’un concept est instrumentale. La valeur d’une théorie dépend des conséquences pratiques qui en découlent. Il ne saurait être quelque part de différence qui ne fasse de différence ailleurs, de différence dans le domaine de la vérité abstraite qui ne se traduise forcément par une différence dans un fait concret et dans la conduite qu’il induit d’une certaine

logique et l’aspect ontologique de la modalité ne sont pas dissociés et où le possible est défini comme la fausseté faillible, l’impossible per accidens (voir Belaval , ).  « Presque toutes les propositions de la métaphysique ontologique sont soit du charabia sans signification – un mot étant défini par d’autres mots et ceux-ci par d’autres encore, sans qu’une conception réelle soit jamais atteinte –, soit foncièrement absurdes. » (Peirce , )  « Substance has succumbed to the pragmatic criticisms of the English school. It appears now only as another name for the fact that phenomena as they come are actually grouped and given in coherent forms, the very forms in which we finite knowers experience or think them together. »

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façon chez un certain individu, en un certain lieu et en un certain temps. (James ,  – ) La nécessité supposée de concepts est clairement rejetée. Ce qui importe, ce n’est pas la rétrospection de la pensée spéculative, ce n’est pas d’établir après coup comme la chouette de Minerve la nécessité d’un monde, mais c’est de voir prospectivement ce qui est rendu possible par le concept. En privilégiant un point de vue anti-intellectualiste, le pragmatisme n’est cependant pas une nouvelle doctrine. Il repose sur un usage de différentes philosophies déjà existantes pour minorer la nécessité d’un point de vue idéaliste. N’étant rien d’essentiellement nouveau, il s’harmonise avec un grand nombre de tendances philosophiques anciennes. Il s’accorde par exemple avec le nominalisme en ce qu’il en appelle toujours au particulier, avec l’utilitarisme en soulignant les aspects pratiques, avec le positivisme dans son dédain pour les solutions verbales, les questions inutiles et les abstractions métaphysiques. (James , ) Comme méthode de connaissance, le pragmatisme dissout la nécessité de la métaphysique et en fait une possibilité relative qui se trouve en concurrence avec d’autres possibilités. Pour les pragmatistes, les notions dès qu’elles sont considérées comme ayant un sens ontologique sont égarantes, elles font passer pour nécessaire ce qui est seulement possible. Le but du pragmatisme est de libérer la pluralité de possibles qui se trouvent cachés derrière notre façon de caractériser le réel. La méthode pragmatiste de la connaissance implique ainsi une critique de toute théorie correspondantiste de la vérité qui se tiendrait dans la lignée de l’adaequatio rei et intellectus de Thomas d’Aquin. La méthode pragmatiste de la connaissance nous conduirait ainsi à une théorie spécifique de la vérité. Comme théorie de la vérité, le pragmatisme montre comment l’on passe d’une idée à une autre. La vérité n’est dès lors pas distincte de la connaissance (voir James b,  – ). La vérité est la voie à travers laquelle une chose est connue. Elle vaut toujours temporairement. « La vérité vit, en fait, pour la plus grande partie sur  « There can be no difference anywhere that doesn’t make a difference elsewhere – no difference in abstract truth that does n’t express itself in a difference in concrete fact and in conduct consequent upon that fact, imposed on somebody, somehow, somewhere, and somewhen. »  Dewey est à cet égard, on ne peut plus clair. « Le pragmatisme se présente ainsi comme une extension de l’empirisme historique avec cette différence fondamentale qu’on n’insiste plus ici sur les phénomènes antécédents, mais sur les phénomènes conséquents, non sur les précédents, mais sur les possibilités d’action et ce changement de point de vue est, dans ses conséquences, presque révolutionnaire. » (Dewey , )  « Being nothing essentially new, it harmonizes with many ancient philosophic tendencies. It agrees with nominalism for instance, in always appealing to particulars ; with utilitarism in emphasizing practical aspects ; with posise carativism in its destain for verbal solutions, useless questions and metaphysical abstractions. »

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un système [fonctionnant] à crédit [Truth lives, in fact, for the most part on a credit system]. » (James ,  ; voir également : James , ) Quelque chose qui est vrai est quelque chose qui pour le moment se vérifie, quelque chose qui pour le moment fonctionne. Ce n’est pas quelque chose qui serait ceci ou cela, mais quelque chose qui nous donne ceci ou cela. La vérité d’une chose n’est pas la nécessité de son essence atemporelle, mais la vérification hic et nunc de certains comportements. La vérité appréhendée de la sorte est la non nécessité d’une lecture en termes d’origine, de causalité. Ce n’est pas la réduction à une essence, mais l’ouverture à la diversité de l’expérience. La vérité réfère à l’efficience possible d’une idée et non à un hypothétique arrière-fond ontologique. Prendre un objet selon sa vérité, c’est faire de sa nature « supposée » atemporelle quelque chose de non nécessaire, quelque chose de contingent, de relatif à certains objectifs. La religion et la métaphysique dans cette perspective pragmatiste ne sont jamais dogmatiquement affirmées pas plus qu’elles ne sont nécessairement niées. Elles sont bien plutôt réinterprétées en termes de possibilité. « On voit à ce point que la grande différence religieuse tient entre les hommes qui insistent [sur le fait] que le monde doit et sera sauvé et ceux qui se contentent de croire que le monde peut l’être [One sees at this point that the great religious difference lies between the men who insist that the world must and shall be, and those who are contented with believing that the world may be, saved]. » (James , ) La religion est le résultat d’un choix personnel. Accepter le fait que tout dogme transcende nos pouvoirs de connaître est le fondement d’un univers pluraliste religieux. Les individus choisissent leur orientation religieuse et métaphysique en fonction de leur tempérament. C’est le résultat de leur choix de vie qui détermine leur décision en faveur d’une religion particulière et de vues métaphysiques spécifiques. La possibilité d’accréditer une sorte de métaphysique ou de religion est alors « ancrée dans le concret, ou bien fondée comme on dit [concretely grounded, or well-grounded, as we say]. » (James , ) Loin d’être basée sur la vue supposée rassurante d’une connaissance apodictique, l’attitude pragmatiste est basée sur une sorte de méliorisme réfléchi (voir James , ). Le titre bien connu de Rorty « Hope in Place of Knowledge » pourrait être le slogan de James, à condition qu’il signifie un espoir actif, c’est-à-dire que l’on reconnaisse sur terre les conditions d’un monde meilleur et que l’on s’ingénie à les exploiter. Nous avons montré les différentes dimensions majeures du pragmatisme de James – une méthode de connaissance, une théorie de la vérité et un moyen d’unifier l’empirisme et la métaphysique – et il apparaît que le concept de possible (en tant que non nécessité d’un supposé nécessitarisme) est central dans ces trois dimensions. Il nous conduit à une sémantique pluraliste qui peut être mise en perspective avec l’idée leibnizienne de mondes possibles.

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Le possible en tant que non nécessité d’un nécessitarisme moniste se caractérise en son sens positif comme quelque chose de relatif à une visée pratique tant en matière théorique que pratique (et religieuse). Or comme il y a une multiplicité de visées pratiques, il y a une pluralité de possibles (relatifs à une pluralité de visées pratiques ou de mondes possibles) modélisables. Cette pluralité de possibles n’est pas limitée extérieurement par une dialectique englobant tout, mais intérieurement par ce qui constitue les conditions de possibilité de chaque possible. C’est à ce titre que James distingue entre un possible formel et un possible réel. Il critique le possible formel et défend une conception concrète du possible, qui signifie qu’une chose est possible quand certaines des conditions de production de la chose sont actuellement présentes. Dire qu’une chose n’est pas impossible n’est pas suffisant pour définir concrètement la possibilité. Le fait que rien ne contredise la possibilité d’un objet n’est encore qu’une condition restrictive de l’existence de cet objet. Mais la plupart des possibles ne sont pas seulement (théoriques), ils sont ancrés dans le concret, ou bien-fondés comme on dit. Qu’est-ce que cela signifie d’un point de vue pragmatique ? Cela veut dire, non seulement qu’il n’y a aucune condition qui puisse faire obstacle qui soit présente, mais aussi que certaines des conditions de production de la chose possible sont actuellement disponibles. Ainsi un poussin concrètement possible implique : () que l’idée de poussin ne contienne aucune contradiction en soi ; () qu’il n’y ait aucun gamin, moufette ou d’autres ennemis aux alentours ; et () qu’il existe au moins un œuf réel. Le poussin possible implique un œuf actuel plus une poule couvant actuellement ou un incubateur ou que sais-je encore. A mesure que les conditions présentes approchent de la complétude, le poussin devient une possibilité de mieux en mieux fondée. Quand toutes les conditions sont réunies, il cesse d’être une possibilité et devient un fait réel. (James , )

 En l’absence d’un fondement ultime, des vérités incompatibles restent compossibles. A titre de croyance relative, le nécessitarisme moniste reste donc possible.  « What may the word “possible” definitely mean ? To unreflecting men it means a sort of third estate of being, less real than existence, more real than non-existence, a twilight realm, a hybrid status, a limbo into which and out of which realities ever and anon are made to pass. Such a conception is of course too vague and nondescript to satisfy us. » (James ,  – )  « But most possibles are not bare, they are concretely grounded, or well-grounded, as we say. What does this mean pragmatically ? It means not only that there are no preventive conditions present, but that some of the conditions of production of the possible thing actually are here. Thus a concretely possible chicken means : () that the idea of chicken contains no essential self-contradiction ; () that no boys, skunks, or other enemies are about ; and () that at least an actual egg – plus actual sitting hen, or incubator, or what not. As the actual conditions approach completeness the chicken becomes a betterand-better-grounded possibility. When the conditions are entirely complete, it ceases to be a possibility, and turns into an actual fact. »

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Le pragmatisme ne consiste donc pas en la simple conversion d’une nécessité métaphysique en une possibilité abstraite. Promouvoir la possibilité implique au moins deux questions : qu’est ce qui fait qu’un concept peut être dit possible et quelles sont les conséquences pratiques de la possibilité d’un concept ? (voir James , ) Ces deux questions, qui concernent le possible, auraient été oblitérées par l’idéalisme dans sa quête en vue de fonder la nécessité. Nous aimerions toutefois montrer dans ce qui suit que la nécessité de l’idéalisme ne signifie pas un déni du champ du du possible, mais une réarticulation de celui-ci à partir de la notion d’universel. Cela nous conduit à nous demander, par ailleurs, s’il n’y a pas un impensé dans le pragmatisme de James qui toucherait au pluralisme qui sous-tend sa pensée. James fait du possible un particulier ou un complexe de conditions particulières. Il montre ensuite comment, une fois l’ensemble des conditions réunies, le possible se réalise. Mais ce faisant, il ne justifie pas du point de vue de l’universel la réalisation du possible envisagé. Il semblerait que, dans la vision pluraliste que James accrédite, seule la nécessité interne comme intégration des conditions soit possible ; la nécessité externe envisagée comme extension du possible à tous les mondes possibles serait abusive, dans la mesure où elle présupposerait que la totalité des mondes possibles puisse être représentée. La vraie nécessité pour James n’est pas une universalisation du possible, mais bien une concrétisation de celui-ci. La nécessité n’est pas le fruit de l’extension d’un possible à tous les mondes possibles, elle est le fruit de l’intégration de toutes les conditions de sa réalisation. Mais, en évitant de faire de la contingence une nécessité indue (un fait qui serait dit nécessaire parce qu’on le constaterait dans tous les mondes possibles), n’est-on pas conduit à rendre contingentes (relatives à un monde possible) des choses nécessaires ? Pour éviter ce relativisme, il faudrait montrer que tout monde possible n’est en fait que le résultat d’une inférence – fut-elle inconsciente – du monde effectif. Dans cette perspective, les mondes possibles ne seraient pas des idées flottantes, mais se fonderaient sur l’expérience du monde pris en sa totalité. C’est ce que fait justement Hegel qui ajoute aux conditions de la réalisation du possible particulier, la justification de cette réalisation contingente en regard du monde pris comme un tout, passant de la nécessité relative (déterminée par les réquisits d’un objet) à la nécessité déterminante (déterminée par un sujet voulant et connaissant). Remonter de la vision des faits particuliers à une vision globale qui les resitue dans l’ensemble du réel, c’est en cela que consiste la vraie conception d’un autre monde pour Bo Dans la première édition de ses Principles of Logic, Bradley pensait que le jugement consistait à

attacher au monde des attributs flottants, mais suite aux remarques de Bosanquet, il a changé sa vision des choses en arguant que même les idées imaginaires étaient d’une façon ou d’une autre connectées au monde réel (voir Bradley ).

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sanquet (, XV–XXXV), qui commentant Hegel, montre comment sa philosophie contient une critique virulente des arrière-mondes. Comme le fait apparaître Stekeler-Weithofer, l’arrière-monde de l’en-soi n’est encore que l’indéterminé d’une structure formelle qui ne peut aucunement prétendre valoir pour une réalité ontologique autre qui dissoudrait l’univers dans un plurivers. Profiter de l’indétermination de ce qui n’est encore qu’en soi pour en tirer les fondements d’un plurivers s’est comme le remarque Bradley s’enfoncer dans des faux problèmes, notamment celui de la relation entre ces différents mondes ou plus simplement de leur communication. S’en tenir au savoir immédiat pour fonder une ontologie, c’est « fouler aux pieds la racine de l’humanité [die Wurzel der Humanität mit Füssen [treten]] » (GW  : ). Contre l’immédiat du savoir, il importe pour Hegel de développer un « savoir de l’immédiat [Wissen des u n m i t t e l b a r e n ] » (GW  : ) afin d’ouvrir son langage privé aux autres et de fonder son monde sur un univers commun, ce que Bosanquet appellera la correspondance des mondes.

 Le concept d’arrière-monde est popularisé par Nietzsche dans Le Crépuscule des idoles. Il sert à critiquer la substitution d’un monde de formes immuables à la réalité en devenir.  Des commentateurs de Hegel, Pirmin Stekeler-Weithofer est sans doute le plus clair à cet égard. « Hegel vertritt hier in der Logik überhaupt eindeutig eine Gegenposition zu Leibniz, der den Begriff der Wahrheit vom Denken und Urteilen ablöst – womit er diesen aber nur hypostasiert, seines konkreten Sinnes entblößt, und zwar weil die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Falschheit dann keinen konkreten Gegenstand mehr hat und ganz leer und formal wird. Im Grunde stellt Hegel hier eine Einsicht Kants auf etwas andere Weise dar : Jeder bloße Rationalismus, der über eine Welt “an sich” zu reden glaubt, spricht in Wirklichkeit bloß über forale Strukturen. Diese Kritik gilt offensichtlich auch für jede modelltheoretische Theorie der Wahrheit und der Möglichkeit in den Möglichen-Welten-Semantiken, wie sie besonders durch R. Montague und S. Kripke entwickelt wurden. […] Die Kritik Kants an der Leibniztradition ist gerade die Kritik an, realistischen “Hypostasierungen” einer formalistischen Semantik. Hegels Kritik ist radikaler, da er auch noch über den schematischen Konstruktivismus und Intuitionismus der Kantischen “transzendentalen Logik” nachdenkt. Wenn nämlich dessen Schemata als Formen des Anschauens und Denkens in einem Bewußtsein oder Ich hypostasiert werden, etwa in der Form eines idealtypischen transzendentalen Ich, wird der Fehler des Rationalismus im subjektiven Idealismus nur mit umgekehrtem Vorzeichen wiederholt.» (StekelerWeithofer , )  « The Universe contains and it exhausts within itself all possibility and all actuality, but the universe itself is neither merely actual nor merely possible. And even to enquire here wether some “other world” is or was possible, is to deviate probably into non sense. » (Bradley ,  – ).  « Thus the separate worlds, in which we are all shut up, must be considered as corresponding so far as they are objective, that is, so far as they approach what we are ultimately obliged to think. » (Bosanquet , )

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III. La théorie hégélienne des modalités Le développement d’un savoir de l’immédiat est-il ce qui nous conduit à une correspondance des mondes, à une justification de la réalisation du possible particulier en regard de l’universel ou bien est-ce une nécessité absolue qui réduit la pluralité des possibles à une vision dogmatique ? Comme on l’a vu dans notre premier point, pour James, le problème de la philosophie hégélienne aurait été de substituer la nécessité à la possibilité. Hegel aurait prétendu que son système était nécessaire et aurait dénié tout droit à la possibilité et à la contingence. Hegel serait certainement d’accord avec la première partie de ce jugement. Il exprime à de nombreuses reprises qu’il donne à sa philosophie la forme de la nécessité. Dans la préface à sa Phénoménologie de l’esprit, il écrit que la philosophie doit abandonner son vieux nom d’ « amour du savoir » pour être élevée à la dignité d’une science, dont le but serait d’exprimer la nécessité interne de ce qui est. Selon Hegel, le penser vrai serait un penser de la nécessité. Cette nécessité concerne cependant l’adéquation d’un objet à son concept. Ce n’est pas quelque chose d’externe qui supprimerait toute forme de possibilité ou de contingence. Hegel n’a pas pour ambition d’expliquer tout. Dans une réponse ironique au philosophe Krug, Hegel refuse de déduire de son système l’existence de la plume avec laquelle il écrit sa philosophie (voir GW  :  – ). Il veut expliquer ce qui est rationnel, ce qui est conforme à son concept, mais sait que beaucoup de choses ne sont pas telles qu’elles devraient être (voir GW  : §  Anm., ). En d’autres mots, pour Hegel, s’il y a bien une nécessité à l’œuvre dans le réel, qui ne relève pas de la simple forme subjective ou dogmatique d’un « devoir être [Sollen] » (GW  : §  Anm., ), le réel ne se réduit pas pour autant à la nécessité qui le traverse. Reprenons les choses. Hegel désavouerait certainement le fait que reconnaître la nécessité nous conduise à dénier la possibilité ou la contingence. La question est dès lors : comment penser ensemble la nécessité, la possibilité et la contingence ? Au premier regard, il semble que la nécessité exclue la possibilité et la contingence. Mais Hegel essaye de penser ensemble les différentes modalités aléthiques. Il se concentre sur le problème dans le chapitre de la Science de la logique qui porte sur le concept d’effectivité (Wirklichkeit ; voir GW  :  –  et  – ). L’origi « Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näher komme, – dem Ziele, ihren Nahmen der L i e b e zum W i s s e n ablegen zu können und w i r k l i c h e s W i s s e n zu seyn –, ist es, was ich mir vorgesetzt. » (GW  : )  « Das wissenschaftliche Erkennen erfodert aber vielmehr, sich dem Leben des Gegenstandes zu übergeben oder was dasselbe ist, die innere Nothwendigkeit desselben vor sich zu haben und auszusprechen. » (GW  : )  « [D]as wahre Denken [ist] ein Denken der Notwendigkeit. » (TWA  : §  Zus., )  « In dieser Natur dessen, was ist, in seinem Seyn sein Begriff zu seyn, ist es, daß überhaupt die l o g i s c h e N o t w e n d i g k e i t besteht ; sie allein ist das vernünftige und der Rythmus des organischen Ganzen. » (GW  : )

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nalité de Hegel dans ce chapitre tient au fait qu’il ne pense pas les différentes catégories modales comme des entités indépendantes. La possibilité, la contingence, l’impossibilité et la nécessité sont co-constitutives et forment une logique dynamique. En d’autres mots, loin d’appliquer les modalités à une réalité statique, Hegel essaye de montrer comment les catégories modales jouent un rôle dans l’effectivité d’un monde s’accomplissant. La possibilité et la contingence ne sont pas comme c’est le cas chez Spinoza les modes d’une connaissance imparfaite incapable de voir la nécessité ou l’impossibilité d’une chose. Ces catégories ne sont pas le fait de l’appréhension du sujet connaissant, manière que Kant étendra à toute catégorie modale. Pour Hegel, la conception subjective des modalités doit être critiquée. En ce qui concerne ce point, William James serait d’accord avec Hegel. La possibilité qui se trouve derrière le pragmatisme n’est pas le possible formel d’un mode non-contradictoire de connaissance, c’est un possible réel qui sous-tend la réalisation du réel, sa Wirklichkeit. Mais la façon dont ils caractérisent ce possible eu égard à sa relation au nécessaire est radicalement différente. William James définit le possible par opposition au nécessaire tandis que Hegel essaye de définir l’identité du possible et de l’effectivité dans les termes d’une nécessité interne. Afin de distinguer le type de nécessité qui est rejeté par la conception jamesienne du possible de celui qui accomplit le possible dans la Science de la Logique, il est intéressant de montrer comment la possibilité et la nécessité se mêlent dans le procès de réalisation du réel (c’est-à-dire l’effectivité) chez Hegel. En regard de l’effectivité, la notion la plus pauvre du possible est la notion formelle. Le possible formel, qui signifie que « tout est possible qui ne se contredise pas [ a l l e s [ i s t ] m ö g l i c h , w a s s i c h n i c h t w i d e r s p r i c h t ] » (GW  : ), est une simple « abstraction » seulement relative à une « pensée subjective ». D’un point de vue formel, la possibilité semble être impliquée dans la notion d’effectivité. « Ce qui est effectif est possible [ Wa s w i r k l i c h i s t , i s t m ö g l i c h ] » (GW  : ). Mais, en même temps, la possibilité demeure différente de l’actualité. La signification de la possibilité est en relation avec quelque chose qui peut être actualisé, mais qui ne l’est pas encore. La possibilité est donc en relation avec quelque chose d’autre qu’elle « J’appelle les choses singulières contingentes, en tant qu’ayant égard à leur seule essence, nous ne trouvons rien qui pose nécessairement leur existence ou l’exclue nécessairement. » (Spin III, Ethique, livre IV, définition , p. ) « Si nous avons égard à l’essence d’une chose simplement mais non à sa cause, nous la dirons contingente » (Spin I, Pensées métaphysiques, ). « J’appelle les mêmes choses singulières possibles, en tant qu’ayant égard aux causes par où elles doivent être produites, nous ne savons si ces causes sont déterminées de façon à les produire. » (Spin III, Ethique, livre IV, définition , p. ). « On dit qu’une chose est possible quand nous en connaissons la cause efficiente, mais que nous ignorons si cette cause est déterminée. » (Spin I, Pensées métaphysiques, )  « Les catégories de modalité (possibilité, réalité et nécessité) ont la particularité que, dans la détermination d’un objet, elles n’augmentent en rien le concept auquel elles sont attachées en tant que prédicats. Elles expriment seulement la relation du concept à la faculté de connaître. » (KrV A / B)

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même. Dire que « ce qui est effectif est possible » n’est pas suffisant pour être définitoire, il faut ajouter que « tout ce qui est possible n’est pas en tant que tel actualisé » (voir GW  : § ,  – ). La possibilité formelle doit être distinguée du résultat du procès à travers lequel la possibilité s’actualise. L’unité de la possibilité formelle et de l’effectivité est ainsi quelque chose qui se contredit. La possibilité formelle et l’effectivité ne peuvent exister sur le même plan et en même temps. Si la chose est effective, elle n’est plus seulement possible ; et si elle est dite possible, elle n’est pas encore effective. Mais rien dans le possible formel ne nous indique comment passer de l’idée d’une chose à sa réalisation. La possibilité réelle est, quant à elle, une possibilité concrète qui apparaît comme un moyen – et non seulement comme une condition restrictive – de la réalisation de la chose. C’est une « condition [ B e d i n g u n g ] » (GW  : § , ) productive de l’effectivité, laquelle présuppose pour être là que toutes ses conditions soient rassemblées. Quand toutes les conditions de quelque chose sont entièrement présentes, elle entre dans l’effectivité ; la complétude des conditions est la totalité telle qu’elle se trouve dans le contenu et le quelque chose lui-même est ce contenu déterminé comme étant également effectif et possible. [Wenn alle Bedingungen einer Sache vollständig vorhanden sind, so tritt sie in Wirklichkeit ; – die Vollständigkeit der Bedingungen ist die Totalität als am Inhalte, und d i e S a c h e s e l b s t ist dieser Inhalt bestimmt eben so ein Wirkliches als Mögliches zu seyn.] (GW  : ) Dès lors que la somme exhaustive des conditions est rassemblée, la possibilité réelle n’est plus la possibilité indifférente d’une effectivité. Elle est ce qui rend concrètement possible l’effectivité. La possibilité prend alors la forme de la « manifestation [Manifestation] » ou de la « nécessité réelle [ r e a l e M ö g l i c h k e i t ] » (GW  : ). Hegel parle ici de nécessité réelle dans la mesure où elle ne concerne pas un mode de la connaissance, mais la caractérisation du procès d’effectivité. La lexie de « nécessité réelle » est cependant ambiguë, car la nécessité réelle est tout d’abord réelle et formelle. Elle donne une forme nécessaire au contenu de la possibilité réelle, mais elle ne donne aucune nécessité à ce contenu en tant que telle. Elle n’est une nécessité réelle qu’en regard de la forme. En d’autres termes, la nécessité réelle, en rassemblant l’ensemble des conditions d’une effectivité exprime ce qui est nécessaire pour quelque chose, mais n’exprime en rien la nécessité de cette chose. La nécessité réelle présuppose en fait la possibilité réelle sans la poser ou la justifier. « Ce qui est vraiment nécessaire l’est en fait suivant sa forme, mais en regard du contenu, c’est quelque chose de limité, et qui de la sorte relève de la contingence. » La  « Diß erscheint zunächst so, daß das real Nothwendige, der F o r m n a c h , zwar ein Noth-

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nécessité ne couvre pas absolument son objet. C’est pourquoi « la nécessité réelle est nécessité déterminée [Die reale Nothwendigkeit ist b e s t i m m t e Nothwendigkeit] » (GW  : ). En d’autres termes, c’est une nécessité qui est liée à la formation d’une effectivité, mais qui ne rend aucunement nécessaire cette effectivité. La nécessité réelle, qui est plus qu’une simple nécessité formelle, n’est pas encore la nécessité absolue qui est une nécessité déterminante. C’est seulement ce qui rend effectif une possibilité, mais pas ce qui la rend nécessaire. Ce premier procès correspond chez James au possible qui est concrètement fondé. Mais alors que James semble se contenter de penser la production d’une chose, il importe pour Hegel de penser comment s’approprier du point de vue d’une volonté basée sur l’universel de la raison la production d’une chose. Tel est l’enjeu du passage de la possibilité réelle à la nécessité absolue chez Hegel. C’est aussi le passage d’un pluralisme à un univers commun qui organise les divers possibles. Pour Hegel, la nécessité absolue consiste à poser ses présuppositions. Elle est à ce titre un rapport à soi-même (Verhältnis zu sich selbst) ou un rapport absolu (absolutes Verhältnis). Ce rapport absolu, qui convertit la possibilité en effectivité et l’effectivité en possibilité, peut d’abord prendre les traits d’une nécessité aveugle, le rapport à soi étant posé dans l’indifférence des autres effectivités. La nécessité est alors libre en regard d’une dépendance à des conditions externes, mais cette liberté n’est encore que négative. Cette « forme absolue » qu’est la nécessité doit alors s’approprier l’extérieur effectif, non en le réduisant à un accident ou à un effet d’elle-même, mais en entretenant avec lui un rapport d’action réciproque (Wechselwirkung). La nécessité absolue devient alors véritablement libre effectivité. Elle se pense dans l’effectivité du monde. Ce penser est l’opération qui consiste à être auprès de soi dans l’autre. A ce niveau, la nécessité n’actualise plus un contenu contingent, mais un contenu qui a été pensé en regard de l’effectivité de ce qui l’entoure. Dans cette perspective, la contingence n’est pas pour Hegel l’autre de la nécessité, mais un moment qui doit être dépassé si l’on veut penser l’effectivité dans son lien à un accomplissement de soi comme singularité. Si l’on envisage la nécessité absolue, dont la liberté est la vérité, à l’aune de ce que Hegel écrit de la liberté absolue de l’Idée à la fin de la logique, on peut alors dire que, dans la nécessité absolue, le

wendiges, aber dem Inhalte nach ein Beschränktes sey, und durch ihn seine Zufälligkeit habe. » (GW  : ).  « Das D e n k e n der Nothwendigkeit ist dagegen vielmehr die Auflösung jener Härte; denn es ist das Zusammengehen Seiner im Andern mit S i c h s e l b s t , – d i e B e f r e i u n g , welche nicht die Flucht der Abstraction ist, sondern in dem anderen Wirklichen, mit dem das Wirkliche durch die Macht der Notwendigkeit zusammengebunden ist, sich nicht als anderes, sondern sein eigenes Seyn und Setzen zu haben. » (GW  : §  Anm., )  « Die absolute F r e i h e i t der Idee aber ist, daß sie nicht blos ins L e b e n ü b e r g e h t , noch als endliches Erkennen dasselbe in sich s c h e i n e n läßt, sondern in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich e n t s c h l i e ß t , das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseyns,

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problème de la contingence du contenu est résolu dans la décision réfléchie de se déterminer pour tel possible, dont les conditions sont disponibles. La nécessité absolue peut alors se lire comme la nécessité d’un contenu en regard d’un agent libre et des ressources dont il dispose. Elle relève de la logique de la liberté qui, pour la singularité agissante, consiste à se réaliser dans ses actions en décidant de celles-ci parmi l’éventail du possible réel. Contre une logique aveugle de la productivité qui consisterait à réaliser tout possible dont les conditions remplies s’imposent à nous de façon contingente (ce qui serait la logique de la nécessité réelle), la nécessité élevée au rang de liberté consiste à lire l’effectivité du monde comme un possible à réaliser dans la singularité d’un acte qui puisse être une expression réfléchie de cet universel concret. Contrairement à une façon de faire qui serait propre à un idéalisme formel, il ne s’agit pas de déterminer un idéal in abstracto et d’essayer de l’accomplir. Une telle façon de faire risquerait de nous conduire à un devoir être irréalisable. Il s’agit plutôt de lire le réel comme un champ de possibilités, qui une fois connectées, produisent du contingent ou du nécessaire pour peu que la fin de l’assemblage des possibles compris dans le réel soit pensée et posée par le sujet. En bref, il s’agit de voir ce qu’on peut faire avec ce qui est pour le faire être à sa plus haute puissance plutôt que d’essayer de faire quelque chose indépendamment de ce qui est. La nécessité de la réalisation n’a rien ici de dogmatique, elle exprime juste le fait que le produit soit lié au sujet qui le pense, qui le réfléchit du point de vue de l’universel. Il s’agit d’une nécessité interne et non d’une nécessité déconnectée de tout contexte. En interprétant Hegel comme assertant dogmatiquement un nécessitarisme reposant sur un point de vue de nulle part, James n’a pas vu que Hegel défendait la même conception du possible que lui et qu’il entendait seulement la penser dans sa connexion à la volonté rationnelle d’un sujet qui réalise le possible en toute connaissance de cause. En accusant Hegel de faire de la nécessité la tonalité de son système, il se méprend en fait sur le sens de celle-ci. La nécessité défendue par Hegel n’est pas celle d’un « devoir être » dogmatiquement asserté. Loin d’exclure le possible dans un mouvement linéaire de détermination, qui nous conduirait du possible au nécessaire en passant par le contingent, l’effectivité (Wirklichkeit) est un mouvement circulaire qui libère le possible d’un contenu contingent en réfléchissant la nécessité de la production eu égard à la liberté qui la pose. Il s’agit de choisir ce qui est à même de produire une amplification de la liberté. La nécessité hégélienne tient ainsi au fait de reconnaître le rationnel à l’œuvre dans les contenus contingents, dans ce qui est simplement possible, et de l’en libérer. La nécessité légitime le procès de réalisation dans la mesure où celui-ci est celui d’une libération.

die u n m i t t e l b a r e I d e e als ihren Widerschein, sich als N a t u r frei a u s s i c h z u e n t l a s s e n . » (GW  : § , )

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Mais elle n’implique en rien que cette libération soit définitive. La nécessité hégélienne est celle d’une libération, c’est une catégorie dynamique qui prédique un mouvement d’effectivité et non la description d’une réalité qui vaudrait de toute éternité. Avec sa théorie des modalités, Hegel nous sort ainsi des limitations de l’ontologie et de l’épistémologie classiques pour reconnaître pleinement la tâche de penser le système des catégories comme une sorte d’ « éleuthériologie » (Mabille , ). IV. Hegel et le pragmatisme de James Nous avons vu que la nécessité hégélienne n’excluait pas la possibilité. La critique que James adresse à Hegel est à ce titre égarante. Tous deux défendent en fait une conception du possible réel. Ils essaient de penser ce qui rend effectif le possible, mais Hegel, sous les termes d’ « absolue nécessité », entend par ailleurs penser la nécessité de l’effectuation eu égard à la libération qu’elle implique. Cette nécessité n’est pas la négation du possible mais la détermination (en vue d’une augmentation de la liberté) du contenu encore contingent du possible réel. En conséquence, la possibilité reste une catégorie importante de l’ensemble du système hégélien. Une image plus favorable de Hegel, qui serait plus proche de James, émerge de cette façon. Sur la base de cette réinterprétation, on peut se demander dans quelle mesure la philosophie de Hegel pourrait être rattachée aux différents aspects de ce qui constitue le pragmatisme de James. Mais il importe, afin d’éviter toute confusion, de dire un mot du traitement par Hegel du terme « pragmatique ». A l’époque de Hegel, le terme « pragmatique » était utilisé par un courant historiographique que Hegel dépréciait dans la mesure où il ne prenait pas en considération le contexte général des actions qu’il mettait en avant. L’histoire écrite d’un point de vue pragmatique aurait accordé une valeur exemplaire aux actions sans voir derrière celles-ci le mouvement de développement de conceptions spirituelles qui organisait la succession des évènements. La critique de Hegel repose toutefois moins sur un déni de la dimension pragmatique de l’histoire que sur le rejet d’une certaine façon de concevoir cette dimension pragmatique. Dans l’addition au paragraphe  de l’Encyclopédie, Hegel parle d’une « façon soi-disant pragmatique d’écrire l’histoire de la philosophie [die sogenannte pragmatische Geschichtsschreibung] » (TWA  : §  Zus., ) et, dans ses Leçons, il utilise les termes d’ « histoire soi-disant pragmatique [sogenannten pragmatischen Geschichte] » (GW , : ). Un tel emploi montre que le champ pragmatique en tant que tel ne doit pas être confondu avec ce sur quoi porte la critique de Hegel. En fait, comme le note Norbert Waszek (, ), la critique hégélienne du point de vue pragmatique porte sur la prétention de l’histoire à être instructive, à la réduction de l’histoire à un rôle de servante de la moralité et à la réduction mesquine de l’homme à des passions contingentes. En bref, ce que Hegel critique dans les

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histoires soi-disant pragmatiques, c’est leur vision abstraite des choses, qui fonde la connaissance de l’histoire sur des actions particulières en dépit de la logique qui anime le monde dans lequel elles s’inscrivent (voir TWA  : §  Zus.,  ; voir également GW  : ). Pour Hegel, le sens d’une action individuelle doit être dérivé du tout de l’esprit et non l’inverse. Si Hegel considère l’action comme quelque chose de central en l’homme (voir GW , : ), ce n’est pas en tant qu’elle serait une expression de la particularité contingente, mais en tant qu’elle exprime la vie spirituelle, ce qui constitue le monde humain. La critique des histoires pragmatiques ne concerne pas leur dimension pratique, mais le particularisme de leur perspective. La dimension pratique dans la mesure où elle est bien comprise est au centre du projet hégélien. En fait, le but que Hegel donne à sa philosophie, dès sa jeunesse, peut se comprendre comme un but pratique : réaliser le rationnel. Mais ce but pratique a besoin d’un passage par le monde de l’idéalité pour s’accomplir. C’est ce que Hegel écrit à Schelling dans une lettre souvent commentée : Dans mon développement scientifique, qui a commencé avec les besoins subordonnés de l’homme, j’ai été inévitablement conduit vers la science et l’idéal de ma jeunesse a pris la forme de la réflexion et, de là, celle d’un système. Maintenant, alors que je suis encore occupé à cela, je m’interroge sur comment peut être trouvé [un moyen de] retourner à une intervention sur la vie des hommes. [In meiner wissenschaftlichen Bildung, die von untergeordnetern Bedürfnissen der Menschen anfing, mußte ich zur Wissenschaft vorgetrieben werden, und das Ideal des Jünglingsalters mußte sich zur Reflexionsform, in ein System zugleich verwandeln ; ich frage mich jetzt, während ich noch damit beschäftigt bin, welche Rückkehr zum Eingreifen in das Leben der Menschen zu finden ist.] (B I :  – )

 L’attitude de Kant envers la possibilité et le pragmatisme est paradigmatique de l’idéalisme allemand dans la mesure où la disposition pragmatique de l’homme est fondée sur la nécessité de la raison pratique. L’homme « juge qu’il peut faire quelque chose parce qu’il est conscient qu’il doit le faire et il reconnaît en lui la liberté qui sans la loi morale lui serait restée inconnue [urtheilt also, daß er etwas kann, darum weil er sich bewußt ist, daß er es soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre] » (AA V : ). L’impératif catégorique est donc premier par rapport à l’impératif pragmatique et technique (voir AA IV : ). Alors que l’impératif catégorique détermine les fins nécessaires dans un monde existant, qui est fait de particularités et de contingences. La disposition pragmatique est seulement un moyen d’une téléologie externe qui a à être fondée dans la perspective de l’impératif catégorique pour devenir un moyen de l’exercice de l’autonomie de la raison.

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Si la dimension pratique est l’alpha et l’omega de la philosophie, il est nécessaire pour Hegel de l’encadrer. Comme on va le voir, le cadre idéaliste, le système de la connaissance, relativise les différentes dimensions du programme défini par James. Concernant la méthode pragmatique, on peut se demander si Hegel montre quelle différence un concept fait pour la pratique. Il est difficile d’expliquer la logique entière de Hegel en disant qu’il essaye de définir les concepts par les effets qu’ils produiraient. L’effectivité concerne seulement un moment de la logique hégélienne. Suivant ce moment, une même cause peut produire une infinité d’effets. C’est pourquoi un effet particulier produit la cause comme quelque chose qui est déterminé. Suivant Hegel, il y a une relation réciproque (Wechselwirkung) entre la cause et les effets. Voir les effets peut nous aider à différencier certains concepts, mais seulement dans la mesure où ils sont considérés comme causes. Mais suivant Hegel, les concepts sont bien plus que de simples causes particulières. L’effectivité des déterminations de pensée (Denkbestimmungen) n’est pas le dernier mot de la Science de la logique hégélienne. Le devenir effectif des déterminations de pensée doit être compris comme un moment dans le développement de l’autocompréhension. Pour Hegel, la simple effectivité considère la pensée de la manifestation de ce qui est et non le développement de notre auto-compréhension dans ce qui est. C’est une perspective seulement objective sur la logique. Cela ne tient pas compte de ce que Hegel nomme logique subjective. Dans cette perspective, la méthode pragmatiste du savoir en tant qu’elle regarde les effets couvre seulement un aspect de la connaissance. Concernant la vérité, Hegel serait d’accord avec James, la vérité est le résultat d’un procès de vérification, de validation. En ce qui concerne le fait asserté par James selon lequel « une vérité prise à part de son effectivité n’est pas vraie », Francis Herbert Bradley écrit : « Si c’est cela le pragmatisme, alors sûrement Hegel était il y a longtemps le pragmatiste par excellence, et je doute que quelqu’un qui connaisse les faits puisse s’aventurer à nier cela [If this is Pragmatism, then surely Hegel was long ago the Pragmatist par excellence, and I doubt if any one who knows the facts would venture to deny this]. » (Bradley , ) Comme James, Hegel insiste sur le caractère processuel de la vérité. En ce sens, il est pragmatiste ; mais pour Hegel le vrai n’est pas seulement une question de procès effectif, il a aussi une valeur ontologique. Un autre point qui différencie Hegel du pragmatisme est que la vérité hégélienne est le résultat « pris ensemble avec son devenir [zusammen mit seinem Werden] » (GW  : ). La vérité pour le pragmatisme n’est pas le résultat d’un enchaînement de possibilités, elle occupe une place intermédiaire dans cet enchaînement. Nous devons alors poursuivre la vérification causale d’une vérité  A l’époque de James, les idéalistes anglais (Bradley, McTaggart et Bosanquet) soulignaient ce point. De façon analogue, Russell dans ses Essais philosophiques exprimait d’un point de vue analytique la nécessité de définir plus précisément les concepts généraux utilisés par James.

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provisoire en considérant ses effets. Suivant Bradley, c’est ce point qui caractérise la nouveauté du pragmatisme. « La seule nouveauté réelle laissée au pragmatisme est l’exigence de vérifier la vérité par ses résultats pratiques [The only real novelty left to Pragmatism is the claim to verify truth by its practical results]. » (Bradley , ). Kierkegaard disait que « nous vivions prospectivement, mais que nous comprenions rétrospectivement » et cela est généralement admis. James « insiste sur le fait de comprendre prospectivement [insists on understanding forwards] » (James , ). Le sens d’un concept est compris à l’aune de ses conséquences pratiques. Chez Hegel, le logique, la compréhension des concepts, peut certainement avoir des conséquences pratiques, mais ce n’est pas l’idée clé. L’utilité de la logique concerne son rapport au sujet, dans la mesure où il se donne une certaine formation en vue d’autres buts. La formation de celui-ci à travers la logique consiste dans le fait qu’il est exercé dans la pensée, parce que cette science est pensée de la pensée […]. Dans la mesure où le logique est la forme absolue de la vérité, et plus encore que cela, la vérité pure elle-même, elle est bien autre chose que quelque chose de simplement utile. Mais comme l’excellentissime, le plus libre et le plus indépendant, est aussi le plus utile, le logique peut aussi être conçu comme tel. Son utilité n’est alors rien d’autre que le simple exercice formel du penser. (GW  : §  Anm., )

 « Livet maa forstås baglænds. Men […] det maa leves forlænds » écrit Kierkegaard dans ses journaux (JJ :  ()).  « Der N u t z e n der Logik betrifft das Verhältniß zum Subject, in wiefern es sich eine gewisse Bildung zu andern Zwecken gibt. Die Bildung desselben durch die Logik besteht darin, daß es im Denken geübt wird, weil diese Wissenschaft Denken des Denkens ist […]. In sofern aber das Logische die absolute Form der Wahrheit und noch mehr als diß auch die reine Wahrheit selbst ist, ist es etwas ganz anders als blos etwas N ü t z l i c h e s . Aber wie das Vortrefflichste, das Freiste und Selbstständigstte auch das Nützlichste ist, so kann auch das Logische so gefaßt werden. Sein Nutzen ist dann noch anders anzuschlagen, als blos die formelle Uebung des Denkens zu seyn. » Voir également le passage suivant : « Die Beschäftigung mit dieser formellen Logik hat ohne Zweifel ihren Nutzen ; es wird dadurch, wie man zu sagen pflegt, der Kopf ausgeputzt ; man lernt sich sammeln, lernt abstrahieren, während man im gewöhnlichen Bewußtsein mit sinnlichen Vorstellungen zu tun hat, die sich durchkreuzen und verwirren. Bei der Abstraktion aber ist die Sammlung des Geistes auf einen Punkt vorhanden, und es wird dadurch die Gewohnheit erworben, sich mit der Innerlichkeit zu beschäftigen. Die Bekanntschaft mit den Formen des endlichen Denkens kann man als Mittel für die Bildung zu den empirischen Wissenschaften gebrauchen, welche nach diesen Formen verfahren, und man hat in diesem Sinn die Logik als Instrumentallogik bezeichnet. Man kann nun zwar liberaler tun und sagen, die Logik sei nicht um des Nutzens, sondern um ihrer selbst willen zu studieren, denn das Vortreffliche sei nicht um des bloßen Nutzens willen zu suchen. Dies ist nun zwar einerseits ganz richtig, andererseits ist aber auch das Vortreffliche das Nützlichste, denn es ist das Substantielle, das für sich feststeht und deshalb der Träger ist für die besonderen Zwecke, die es befördert und zum Ziel bringt. Man muß die besonderen Zwecke nicht als das Erste ansehen, aber das Vortreffliche befördert sie doch. » (TWA  : §  Zus.,  – )

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Hegel est clairement opposé à la réduction du logique à un instrument de connaissance. La logique est la structure de la raison concrète. Elle a une utilité en ellemême. Elle est sa propre mesure. Elle n’a pas à répondre à des buts particuliers, le besoin de la logique est déterminé par un « instinct de la rationalité [Instinkt der Vernünftigkeit] » (TWA  : ). La conscience veut penser l’unité de son expérience. Pour ce faire, il lui faut articuler en un tout les déterminations de pensée qui se trouvent au fondement de tout discours qui soit le relais d’une expérience. Ce « besoin de philosophie [Bedürfnis der Philosophie] » (voir GW  :  et suivants) est universel, mais il peut revêtir tel ou tel aspect en fonction de la situation empirique de la conscience (voir GW  :  – ). La radicalité de la philosophie, qui fait de l’universel son centre de gravité, implique que les besoins particuliers de l’homme soient satisfaits par ailleurs. Aristote avait ainsi coutume de dire que la philosophie est apparue seulement une fois que les besoins vitaux de l’homme furent satisfaits (Met A, b – ). Hegel endosse ce point de vue. Pour lui, le besoin de la philosophie est le « besoin d’un besoin déjà satisfait de nécessité, d’une absence de besoin [das Bedürfniß des schon befriedigten Bedürfnisses der Nothwendigkeit, der Bedürfnißlosigkeit] » (GW  : ). La philosophie vient après coup comme la « chouette de Minerve » ou le « dimanche de la vie ». Elle présuppose l’activité concrète et la satisfaction des intérêts particuliers de la vie de tous les jours, laquelle n’est pas l’objet de la philosophie. Son objet est de trouver le sens du tout au sein d’une expérience unitaire. Le sens de la vérité est ainsi certes en relation avec son procès d’effectuation. Celuici réfère cependant à la compréhension totale de l’expérience réalisée et non aux conséquences pratiques d’éléments particuliers. La vérité philosophique n’a pas pour critère ce qui fonctionne, mais ce qui explique et s’explique. La vérité est tout à la fois ce qui comprend et est compris ou ce qui est compris dans sa compréhension pourrait on dire. Au final, la conception de la vérité diffère assez radicalement de la conception jamesienne du vrai, qui propose d’ailleurs plus un critère du vrai, qu’une véritable signification de la vérité, comme le lui reprochent conjointement Bradley et Russell.  « Ganz so schlimm als der Metaphysik ist es der L o g i k nicht ergangen. Daß man durch sie d e n k e n l e r n e , was sonst für ihren Nutzen und damit für den Zweck derselben galt, – gleichsam als ob man durch das Studium der Anatomie und Physiologie erst verdauen und sich bewegen lernen sollte –, diß Vorurtheil hat sich längst verloren […]. » (GW  : )  « [D]ie Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug. » (GW , : ). « Verkehr mit d e r P h i l o s o p h i e ist als der S o n n t a g des L e b e n s a n z u s e h e n ; – es ist eine der grösten Institutionen daß im gewöhnlichen bürgerlichen Leben – die Zeit vertheilt [ist] zwischen Geschäfften des Werktags, den Interessen der Noth, des aüsserlichen Lebens, [wo der] Mensch versenkt [ist] in die endliche Wirklichkeit – und einem Sonntag, wo der Mensch sich diese Geschäfte abthut, sein Auge von der Erde zum Himmel erhebt, seiner Göttlichkeit, Ewigkeit, seines Wesens sich bewußt wird – der Mensch arbeitet die Woche durch – um des Sonntags willen, hat nicht den Sonntag um der Wochenarbeit willen. » (GW  : )

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Il nous reste à considérer le rapport de Hegel à l’empirisme et à la métaphysique. On a vu que chez James, le pragmatisme est fondé sur l’expérience et traite de la métaphysique et de la religion en termes de possibilité. Mais qu’en est-il chez Hegel ? Sa vision des choses s’apparente-t-elle à celle du philosophe américain ? Dans ses concepts préliminaires à l’Encyclopédie, Hegel considère comme dogmatique la métaphysique passée (« die v o r m a l i g e M e t a p h y s i k » ; GW  : § , ), qui a dominé la scène philosophique jusqu’à Kant (voir GW  : §§  – ). Mais il ne la rejette pas simplement, il la réforme en lui donnant un nouveau sens (voir Bourgeois ,  – ). Le contenu de l’ancienne métaphysique tombe dans la logique objective (voir GW  :  ; B II : ). Celle-ci recouvre les catégories objectives que nous utilisons pour dire l’être et son essence. Ces catégories sont articulée dans un procès qui exprime un mouvement d’autocompréhension du tout, dont en tant que conscience pensante, on se fait le relais. La transformation de la métaphysique en une sorte de logique signifie ainsi que les catégories ne sont plus simplement considérées comme des principes, mais sont au moins comme les idées directrices d’un développement conceptuel. Les sciences et les projets pratiques sont insuffisants pour satisfaire notre instinct rationnel qui veut une connaissance unitaire du tout, dont la logique serait le ressort. La réflexion de nos pratiques dans le but de nous donner une conscience générale est la tâche de la métaphysique transformée de Hegel. En ce sens, la métaphysique élevée au rang de logique n’apparaît pas comme une possibilité parmi d’autres, mais comme ce qui est nécessaire pour être libre. La religion a le même contenu que la philosophie, mais dans la forme de la représentation. Cette forme est un défaut, mais également une qualité car elle rend plus populaires certains contenus de la philosophie, en particulier une orientation universaliste, qui serait l’élément de la liberté. Avoir une religion est alors nécessaire, car il n’est pas possible de se tenir en permanence dans le champ du penser pur. La distinction de la religion et de la philosophie est toutefois seulement une distinction de forme et quand Hegel parle métaphoriquement de la philosophie – par exemple quand il parle des « dimanches de la vie » (voir GW  : ) – la distinction semble tomber. Il y a une sorte de religion de la philosophie – les droits de l’homme comme « catéchisme élémentaire [ e l e m e n t a r i s c h e n K a t e c h i s m u s ] » (GW  : ) des temps modernes ou encore la lecture du journal comme « prière du matin réaliste de l’homme moderne [Das Z e i t u n g l e s e n des Morgens früh ist eine Art von realistischem Morgensegen] » (GW  : ) en sont des éléments – qui est la contrepartie de la philosophie de la religion chez Hegel. Pour le concept hégélien de liberté, la métaphysique et la religion ne sont pas seulement des possibilités, elles ont en un certain sens une nécessité. Cette nécessité de la religion et de la métaphysique n’est toutefois pas liée à un dogmatisme déterministe. La religion et la métaphysique constituent l’arrière-fond universel d’une décision libre. C’est ce à travers quoi la liberté se détermine en convertissant la

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simple possibilité en décision, c’est à dire en quelque chose de pensé et voulu. La nécessité est cependant moins la négation de la possibilité que la négation de l’arbitraire (qui conduit en fin de compte à l’impossibilité d’être vraiment libre) par une réflexion sur le fondement universel de la pensée. D’un point de vue idéaliste, la valorisation de la possibilité est vue comme une sorte de faiblesse à comprendre la vérité du réel ou comme une peur pathologique concernant la connaissance. C’est pourquoi Hegel essaye d’expliquer la possibilité de la nécessité (liberté), plutôt que promouvoir une nécessité de la possibilité, qui conduirait à un déni de toute vérité à prétention universelle et à une apologie de l’arbitraire. V. Conclusion Hegel endosse certains aspects de ce qui constituera les lignes de force du pragmatisme, mais sa philosophie ne se réduit pas à ces aspects. Elle réclame bien plutôt que ceux-ci soient mis en perspective dans un cadre systématique qui fasse de la catégorie modale de nécessité interne son centre de gravité. Dans la perspective hégélienne, la possibilité formelle conduit à la contradiction. Une défense de la pure possibilité peut ainsi conduire à l’inactivité, à l’impossibilité d’agir. Pour éviter de réduire le champ du possible, une conscience peut délibérément refuser d’agir. Ce genre de situation est décrit par Hegel dans la Phénoménologie de l’esprit (GW  :  – ). Afin de conserver sa pureté, la « belle âme » préfère juger plutôt que de prendre part au cours du monde. Le concept de possible n’est cependant pas nécessairement opposé à celui d’action. Il peut se lier à l’action comme c’est le cas dans le pragmatisme. Le pragmatisme de James dépasse d’ailleurs le simple possible formel et s’efforce de penser un possible ancré dans le concret. C’est cette pensée qu’anticipe le traitement hégélien du possible réel qui entend par ailleurs aller plus loin en pensant ce  « The conclusion is suggested that, if that which calls itself “empiricism” takes reality to have its life in the mortal world of events, and holds time and change to be ultimately real, no empiricism can give an account of truth or beauty, or, generally of goodness or worth. It will be compelled to break openly with the plainest of facts, or to obscure its bankruptcy in a mist of phrases such as “potential” and “virtual”. » (Bradley , )  « Inzwischen wenn die Besorgniß in Irrthum zu geraten, ein Mißtrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht abzusehen, warum nicht umgekehrt ein Mißtrauen in diß Mißtrauen gesetzt, und besorgt werden soll, daß diese Furcht zu irren schon der Irrthum selbst ist. » (GW  : )  Les spécialistes ont pointé différentes vues communes entre Hegel et les pragmatistes : un anticartésianisme (Stern ), un anti-fondationalisme (Maker ), une importance marquée pour le rôle des « interactions linguistiques » (Redding ), une critique des idées a priori et une importance accordée au fait de tester les représentations (Emundts ). Sur la question du rapport de Hegel au pragmatisme, le lecteur francophone pourra se reporter utilement au numéro intitulé « Hegel pragmatiste » de la revue Philosophie n° ().

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qui fait la nécessité (du point de vue de l’universel) de l’effectuation d’un possible ancré dans le réel. Le but de Hegel dans la Science de la Logique n’est donc pas de réduire le possible au nécessaire. Il s’agit plutôt de montrer comment le possible peut jouer un rôle dans une théorie de l’effectivité. Pour ce faire, Hegel montre comment les différentes modalités aléthiques sont connectées. Si James dramatise en quelque sorte les différences qui l’opposent à la philosophie de Hegel, c’est faute d’avoir vu que chez lui la nécessité ne s’oppose pas au possible, mais l’articule intérieurement, le justifie du point de vue de l’universel. Dans la justification universelle de la réalisation des possibles particuliers, la pluralité des possibles disparaît certes ; elle disparaît toutefois seulement in actu et non de facto. Le malentendu dans le rapport de James à Hegel en ce qui regarde la question des modalités est lié à la question de la sémantique qui sous-tend leur pensée. A-t-on une sémantique de l’universel ou doit-on se contenter d’une sémantique des mondes possibles ? En se déterminant vis-à-vis de l’universel de la raison, la réalisation du possible particulier chez Hegel considère la pluralité des mondes possibles comme le fruit d’une inférence d’un espace de raison commun et structurant. La somme des conditions qui rend la réalisation d’un possible particulier nécessaire peut revêtir un sens universel pour peu que l’on ne s’enferme pas dans un cloisonnement monadique de perspectives. Cet atomisme du fondement est exclu par Hegel. Notre monde pour Hegel est moins « le meilleur des mondes possibles » (énoncé par Leibniz dans sa Théodicée) que le fondement de tout « monde possible ». C’est ainsi la sémantique des mondes possibles et non le possible que la nécessité hégélienne rejette. La pluralité du possible est contenue dans les limites d’un monde. Comme le montre Brandom dans son commentaire du troisième chapitre de la Phénoménologie, le cadre du monde inversé et celui des mondes possibles sont formellement équivalents. Il s’agit de cadres qui doublent ou multiplient inutilement le monde actuel dans des modélisations qui, une fois ontologisées, tombent dans les travers du descriptivisme ou du représentationalisme. On peut ainsi trouver dans la philosophie de Hegel les éléments d’une déconstruction de la sémantique des mondes possibles qui consiste à montrer que l’on ne peut identifier ce que l’on tient pour possible et ce qui est effectivement possible sans analyser les conditions du possible réel et sa relation à une volonté qui s’inscrit dans l’universel.  « Die ü b e r s i n n l i c h e Welt ist hiemit ein ruhiges R e i c h v o n G e s e t z e n , zwar jenseits der wahrgenommenen Welt, denn diese stellt das Gesetz nur durch beständige Veränderung dar, aber in ihr ebenso g e g e n w ä r t i g , und ihr unmittelbares stilles Abbild. » (GW  : )  Voir à ce sujet la leçon intitulée « Force and Understanding : From Object to Concept. The Ontological Status of Theoretical Entities and the Laws that Implicitly Define Them » que Brandom a donnée le  juin  à l’Université de Leipzig. Cette leçon doit s’inscrire à terme dans un ouvrage intitulé A Spirit of Trust, le commentaire de la Phénoménologie que Brandom prépare depuis plusieurs années.  « In gewisser Erinnerung an Derridas Belegung des Wortes spreche ich hier von einer Dekonstruktion, nämlich der ontischen Unterstellungen von möglichen Welten. Es ist zugleich eine De-

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Si le pluralisme de James ne procède pas seulement d’une ontologisation de possibilités formelles, il ne tient pas compte de l’inscription des conditions concrètes dans le tout dont elles procèdent. A défaut d’un formalisme, le pragmatisme de James est fondé sur un atomisme qui consiste à faire d’une vision concrète, mais particulière, la mesure de la vérité. A ce titre le pluralisme de James s’apparente à une forme de sémantique des mondes possibles. A l’aune de la philosophie de Hegel, c’est, en effet, l’ignorance ou le déni d’une vision globale qui fait des possibles une pluralité de mondes ; là où l’établissement d’un holisme de l’expérience rend les possibles dépendants d’un même monde. Pour Hegel, le possible n’est qu’un moment dans l’effectivité, il ne doit donc pas être ontologisé comme un domaine sémantique à part. Dès lors qu’une valeur sémantique est conférée à la pluralité des possibles, l’on fige, pour Hegel, le mouvement dialectique de l’effectivité et on compromet la libération qui en est le terme. Mais si Hegel nie l’intérêt sémantique de la possibilité d’un autre monde, il ne nie pas la possibilité d’un monde autre. Face à la pensée pragmatiste de James qui pointe vers une nécessité des possibles (ancrés dans le concret), Hegel nous aide à penser comment définir ce qui est nécessaire (eu égard aux fondamentaux d’une pensée systématique de l’expérience) dans le champ des possibles concrets. En bref, la divergence en ce qui regarde les modalités est fondamentale entre Hegel est James, mais elle ne se situe pas au niveau que James lui assigne, mais à un niveau plus élémentaire qui touche au fondement unitaire ou pluriel de la sémantique. L’insistance de James sur la question de l’un et du multiple dans ses débats avec l’idéalisme – que ce soit celui de Hegel ou de Bradley – est ainsi centrale

struktion wie bei Heidegger, nämlich alles naiven Redens über Möglichkeit und dann auch Wirklichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. » (Stekeler ,  – )  « Analog zu den berühmten Prinzipien Freges und Wittgensteins, dass nur im Zusammenhang von Sätzen und Satzsystemen die Namen eine bestimmte Bedeutung oder Referenz haben, könnte man daher mit Hegel das grundsätzliche holistische Prinzip formulieren, nach dem jede Vielheit von einander unterschiedener Gegenstände die Einheitlichkeit eines zugehörigen Gegenstands- und Aussagenbereiches voraussetzt. Ohne holistische Konstitution des jeweiligen generischen Gegenstandsbereiches hat die Rede von Entitäten keinen zureichenden Sinn. Glaubensontologien sind dem gegenüber nicht bloß epistemisch leichtgläubig, sondern logisch ungediegen. Das gilt für metaphysische Vorstellungen von der Monade (Leibniz), der Seele und Gott (Descartes) oder einem Ding an sich (Kant). Es gilt aber ebenso für alle Quantifikationen über logisch ungeklärte Sinnesdaten wie bei Russell und Ayer, mögliche Welten wie bei Leibniz, Kripke oder David Lewis, Ereignisse wie bei Davidson, sogar physische Dinge und Impressionen wie bei Locke und Quine. Hegels Argumente gegen ontische Hypostasierungen von Gegenständen treffen also sowohl rationalistische, empiristische als auch materialistische Vorstellungen eines logisch-substantialistischen Atomismus ins Mark. » (Stekeler  ; en parution, cité d’après le manuscrit)  « Die Philosophie treibt sich nicht mit solchem Leeren und bloß Jenseitigen herum. Das, womit die Philosophie es zu thun hat, ist immer ein Koncretes und schlechthin Gegenwärtiges. » (TWA  : §  Zus., )

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et étudiée à juste titre. Elle ne s’éclaire toutefois pleinement qu’à travers un traitement modal de ces notions. Sigles A

Gottfried Wilhelm Leibniz. Sämtliche Schriften und Briefe. Texte établi par l’Académie des sciences de Berlin-Brandenbourg et l’Académie des sciences de Göttingen. Berlin,  passim. A I, (Allgemeiner politischer und historischer Briefwechsel : – ) ; A VI, (Philosophische Schriften : –Juni , Teil A)

AA

Immanuel Kant. Gesammelte Schriften. Texte établi par l’Académie royale des sciences de Prusse. Berlin,  passim. AA IV (Kritik der reinen Vernunft (. Aufl.) ; Prolegomena ; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten ; Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft) ; AA V (Kritik der praktischen Vernunft ; Kritik der Urteilskraft).

B

Briefe von und an Hegel. Texte établi par Johannes Hoffmeister, Rolf Flechsig et Friedhelm Nicolin. Hambourg,  – . B I (Briefe I ( – )); B II (Briefe II ( – )).

GW

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. Texte établi par l’Académie des sciences de Rhénanie-du-Nord-Westphalie et la Fondation allemande pour la recherche (DFG). Hambourg,  passim. GW  (Jenaer kritische Schriften) ; GW  (Schriften und Entwürfe ( – )) ; GW  (Phänomenologie des Geistes) ; GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die objektive Logik. (/)) ; GW , (Grundlinien der Philosophie des Rechts) ; GW  (Schriften und Entwürfe I ( – )) ; GW  (Vorlesungsmanuskripte II ( – )) ; GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()) ; GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein ()) ; GW , (Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes. Nachschriften zum Kolleg / und Sekundäre Überlieferung).

KrV

Immanuel Kant. Kritik der reinen Vernunft. Texte établi par Jens Timmermann. Hambourg, .

Met

Aristote. Métaphysique. Présentation et traduction par Marie-Paule Duminil et Annick Jaulin. Paris,  (avec la pagination de Bekker).

Spin

Spinoza. Œuvres de Spinoza.  volumes. Traduction et notes par Charles Appuhn. Paris, . Spin I (Court traité sur Dieu, l’homme et la santé de son âme ; Traité de la réforme de l’entendement ; Les principes de la philosophie de Descartes ; Appendice contenant des pensées métaphysiques) ; Spin III (Ethique).

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TWA Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von  –  neu edierte Ausgabe. Texte établi par Eva Moldenhauer et Karl Markus Michel. Francfort-sur-le-Main,  passim. TWA  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse () I); TWA  (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I).

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GUILLAUME LEJEUNE

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Thomas Meyer HEGELS WESENSLOGISCHES KAUSALITÄTSKAPITEL ALS IDENTITÄTSTHEORIE DER KAUSALITÄT In this paper, I will argue that the chapter on causality in Hegel’s Doctrine of Essence resembles what nowadays is called an identity-theory of causation. To that end I will proceed in three sections. After a brief introduction and motivation of my aim I will first make some preliminary remarks concerning contemporary theories of causation and my general reading of the Doctrine of Essence (I). In the second most comprehensive section, I will give a detailed interpretation and analysis of the first two sections of the chapter on causality in the Doctrine of Essence (II). In the third section I will then argue for my main claim that Hegel’s theory of causation, at least in the Doctrine of Essence, is an identity-theory of causation (III). In a last section I will then raise some questions and name some desiderata for further research on Hegel’s theory of causation (IV). ABSTRACT

Das Thema ‚Kausalität‘, ein Klassiker der Philosophie, ist zu Beginn des . Jahrhunderts für überholt erklärt worden. Insbesondere der Aufsatz Bertrand Russells On the Notion of Cause (/) war daran beteiligt, dass der Begriff der Kausalität für nicht mehr zeitgemäß erachtet wurde. Als genuinem Element naturwissenschaftlichen Erklärens hatte Russell die Kausalität mit der Begründung verabschiedet, dass die Termini ‚Ursache‘ und ‚Wirkung‘ in der Formulierung von Naturgesetzen überhaupt keine Rolle spielten. Erst Ende der er Jahre kam ein erneutes Interesse an dem klassischen Thema auf, maßgeblich durch die Monographie Causation in the Law von H.L.A. Hart und Antony Honoré ([] ) beeinflusst. Seitdem hat es in der Philosophie, insbesondere der Wissenschaftstheorie, eine anhaltende und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Kausalität‘ gegeben. Daraus hat sich eine heute sehr komplexe und vielfältige Debattenlandschaft ergeben, in der verschiedenste Theorien der Kausalität vertreten werden. Neben Regularitätstheorien wird zwischen Interventionstheorien, Prozess- bzw. Identitätstheorien, Kontrafaktischen Theorien, Probabilistischen Theorien und Störungstheorien der Kausalität unterschieden. Im Zuge der Erneuerung kausalitätstheoretischer Überlegungen sind auch klassische Autoren erneut auf ihr kausalitätstheoretisches Denken hin gelesen worden. Neben Aristoteles und einigen mittelalterlichen Autoren wurden Spinoza, Leibniz, Kant, und dann aber stark bevorzugt Hume und Mill zum Gegenstand historisch-inter Dieses Wiederaufkommen des Themas gerade in der Rechtsphilosophie mag damit erklärt werden, dass die Kausalität aus lebensweltlicher Sicht weiterhin ein zentraler Bestandteil ist, enthält unsere Rede vom Produzieren und Hervorbringen doch wenigstens der Oberfläche nach akteurskausale Aspekte.  Für einen guten Überblick siehe Hüttemann (), außerdem die Beiträge in Beebee, Hitchcock und Menzies (). Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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pretatorischer Arbeit gemacht. Allerdings ist in dieser Wiedergewinnung klassischer Positionen die hegelsche Kausalitätstheorie völlig ausgeblendet worden. Nun mag dies aus verschiedenen Gründen nicht verwundern. Jedoch ist auch in der Hegel-Forschung selbst die Auseinandersetzung speziell mit dem wesenslogischen Kausalitätskapitel recht spärlich ausgefallen. Beide Sachlagen – die spärlichen Rezeptions- und Rekonstruktionsbemühungen – innerhalb wie außerhalb der Hegel-Forschung legen nahe, sich Hegels Konzeption im Detail zuzuwenden. Bei dem Erkenntnisziel, besser zu verstehen, wie das hegelsche Kausalitätsdenken zu charakterisieren ist, kann sich auch ein Potential für gegenwärtige Positionen ergeben. Umgekehrt kann ein Bezug auf gegenwärtige Positionen dabei helfen, die hegelsche Position besser zu verstehen.  Siehe exemplarisch den historischen Teil in Beebee, Hitchcock und Menzies ().  Zu nennen sind hier (i) eine stärkere Fokussierung auf die empiristische Tradition in der ge-

genwärtigen Kausalitätsdebatte, (ii) die interpretatorischen Schwierigkeiten, die der hegelsche Text mit sich bringt, und schließlich (iii) eine prinzipielle Skepsis gegenüber der hegelschen Philosophie. Zu den Gründen der rezeptionsgeschichtlichen Ignoranz muss mit Sicherheit der Aufstieg des Neukantianismus im . Jahrhundert gezählt werden. Nicht ohne Grund wird Edmund König in seiner zweibändigen Geschichte des Kausalitätsdenkens Hegel ausgespart haben (König ). König ist entfernt dem Neukantianismus der Marburger Schule zuzuordnen, was aus einem Brief Paul Natorps an Hans Vaihinger vom . Oktober  hervorgeht (abgedruckt in Sieg ,  f.). Schopenhauers beißend-polemische Kritik am Begriff der causa sui bei Spinoza in seiner Dissertationsschrift von , die Schopenhauer  überarbeitete und um eine Kritik an den „Neospinozisten (Schellingianer[n], Hegelianer[n] u.s.w.)“ erweiterte, wird sicher ebenfalls ihren Teil beigetragen haben (Schopenhauer [] , ). Das Verhältnis des wesenslogischen Kausalitätskapitels zu Spinoza, mit dem sich Hegel in der gesamten Wesenslogik intensiv auseinandersetzt, blende ich in diesem Aufsatz aus. Siehe zu dem Verhältnis Hegels zu Spinoza mit Bezügen zum Kausalitätskapitel Sandkaulen ().  Zu erwähnen sind: Schick (), Houlgate (), Vetö (), Schmidt () und Hanzel (). Der Aufsatz des slowakischen Wissenschaftstheoretikers Igor Hanzel beschäftigt sich explizit mit der Kausalität bei Hegel. Dabei versucht Hanzel, die Kausalitätstheorie Wesley Salmons mit Hegel zu kritisieren. Schmidt untersucht die Relevanz des Kausalitätsbegriffs für das gesamte System Hegels. Er folgt der aristotelischen Vierteilung des Ursachenbegriffs und beansprucht nachzuweisen, dass causa formalis, materialis, efficiens und finalis im hegelschen System vorkommen. Houlgate bettet seine Analyse in die Thematisierung der Substanz und in methodologische Fragen ein. Einzig der Abschnitt von Schick ist an Textnähe dem vorliegenden Unternehmen zu vergleichen, allerdings dient er einem anderen Zweck, nämlich einer Gesamtanalyse der Wissenschaft der Logik. Neben diesen jüngeren Texten existieren natürlich unzählige Kommentare der gesamten Wissenschaft der Logik (seit Entstehen  –  bis heute), von denen für die Kausalität der von McTaggart () sehr hilfreich ist. Außerdem muss noch verwiesen werden auf Emundts (), die Hegels Wirklichkeitsverständnis anhand der ersten vier Kapitel der Phänomenologie des Geistes entwickelt. Interessant für diesen Aufsatz sind insbesondere die Parallelen zwischen dem Kapitel „Kraft und Verstand“ und der Wirklichkeit in der Wesenslogik (siehe insb. Emundts ,  – ). Ein Vergleich zwischen Wesenslogik und Phänomenologie muss allerdings aus Platzgründen an dieser Stelle ausbleiben. Christopher Yeomans thematisiert zwar Kausalität in seiner Monographie Freedom and Reflection (), allerdings bezieht er sich insb. auf den Mechanismus und die Teleologie in der Begriffslogik. Zudem stellt er seine Interpretation in den Rahmen einer Thematisierung des Willensfreiheitsproblems bei Hegel. Ebenso bezieht sich James Kreines () auf die Begriffslogik.  Wichtig ist noch, darauf hinzuweisen, dass in diesem Aufsatz die rekonstruierte Kausalitätstheorie Hegels nicht als solche nochmals gegen Einwände verteidigt werden soll. Allerdings setzt eine Ver-

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In diesem Aufsatz soll die These verteidigt werden, dass Hegel – zumindest in seinem wesenslogischen Kausalitätskapitel – eine sogenannte ‚Identitätstheorie der Kausalität‘ vertritt. Um dies zu zeigen, soll in drei Schritten vorgegangen werden. Zunächst werden einige Merkmale benannt, die in gegenwärtigen Kausalitätstheorien mehr oder weniger anerkannte Merkmale von Kausalität sind. Kausalitätstheorien können dann danach charakterisiert werden, wie sie sich zu diesen Merkmalen verhalten (I.A). Da das Kausalitätskapitel in der „Lehre vom Wesen“ alleine Gegenstand der Interpretation sein soll, dieses allerdings im Gesamtrahmen der Wissenschaft der Logik zu verorten ist, soll zudem eine entsprechende Verortung zum Zwecke dieses Aufsatzes vorgenommen werden (I.B). Im zweiten Teil wird eine detaillierte Interpretation eben dieses Kausalitätskapitels mit Ausnahme des dritten Abschnitts zu „Wirkung und Gegenwirkung“ vorgenommen (II). Dabei werde ich der Einteilung Hegels selbst folgen und zunächst die formelle Kausalität (II.A) und im Anschluss das bestimmte Kausalitätsverhältnis (II.B) besprechen. In einem dritten Teil wird dann mit Hilfe der Merkmalsliste aus (I.A) und der Interpretation aus (II) die These dieses Aufsatzes begründet, dass der Gehalt des wesenslogischen Kausalitätskapitels einer Identitätstheorie der Kausalität entspricht (III). Schließlich werden einige Fragen und Desiderata benannt, wie ein noch umfassenderes Verständnis des hegelschen Kausalitätsdenkens entwickelt werden könnte (IV). I. Merkmale der Kausalität und die Einordnung des Kausalitätskapitels in Hegels Logik Um einen Zusammenhang zwischen heutigen Ansätzen und dem Kausalitätsdenken Hegels zu ermöglichen, soll nun zunächst eine Merkmalsliste vorgestellt werden, die gegenwärtigen Theorien zur Orientierung dient (I.A). Wenn sich zeigen lässt, dass Hegel diese Merkmale ebenfalls als Merkmale von Kausalität betrachtet, besteht ein Konsens bezüglich des zu behandelnden Phänomens. Damit wäre zugleich eine erste Heuristik gewonnen, um das besagte Kapitel zu interpretieren. Allerdings muss für einen systeminternen Zugang zu Hegels Kausalitätstheorie zudem das Kapitel in seinen Kontext gestellt werden (I.B).

teidigung des hegelschen Theorietyps gegenüber heutigen Einwänden voraus, dass sie als solche zunächst rekonstruiert ist.  Dabei folge ich der hermeneutischen Maxime: so nah wie nötig, so frei wie möglich!  Diese Auslassung ist primär der Tatsache geschuldet, dass die Interpretation bis zum Ende des bestimmten Kausalitätsverhältnisses hinreichend ist für die hier zu entwickelnde These. Zudem behaupte ich, dass dieser dritte Abschnitt der hier zu entwickelnden Grundthese nicht entgegensteht.

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A. Merkmale der Kausalität Da es sich bei der Kausalität um eine Relation handelt, lässt sich zuallererst die Frage nach den Eigenschaften der Relation selbst unterscheiden von der Frage danach, was Relata dieser Relation sein können. Für die Frage nach den Eigenschaften der Kausalrelation selbst werden häufig Merkmale angeführt, die zumindest prima facie Merkmale dessen sind, was wir für gewöhnlich Kausalverhältnisse nennen. Für gewöhnlich gehen wir davon aus, dass Ursachen und Wirkungen in Raum und Zeit stattfinden oder zumindest in Raum und Zeit existieren. Wir fragen für gewöhnlich nach den Ursachen von Dingen in unserer raum-zeitlichen Welt und gehen also davon aus, dass diese Ursachen selbst auch in dieser raum-zeitlichen Welt vorhanden sind oder stattfinden (M = Raumzeitlichkeit). Damit zusammenhängend ist die Vorstellung, dass Ursachen ihren Wirkungen zeitlich vorhergehen, dass sie zumindest nie später als ihre Wirkungen stattfinden (M = zeitliche Priorität). Neben dieser zeitlichen Asymmetrie geht man zudem häufig davon aus, dass die Verursachungsrelation selbst asymmetrisch ist, dass Ursachen ihre Wirkungen, aber nicht die Wirkungen ihre Ursachen hervorbringen (M = Asymmetrie). Mit der Rede von ‚hervorbringen‘ ist bereits ein viertes Merkmal angesprochen, dass Ursachen in einem zu klärenden Sinne ihre Wirkungen produzieren (M = Produktion). Zudem scheint die Frage, ob eine solche Relation des Hervorbringens vorliegt oder nicht, eine objektive Angelegenheit zu sein, die unabhängig davon ist, welche Interessen wir in unserer Kausalforschung verfolgen (M = Objektivität). Außerdem ist das Vorliegen einer solchen Relation „eine lokale oder intrinsische Angelegenheit“ (Hüttemann , ), die sich lediglich auf Eigenschaften der Kausalrelata bezieht (M = Intrinsität). Schließlich wird häufig die Wiederholbarkeit als Merkmal genannt. Danach unterscheidet man zwischen einzelnen Vorkommnissen von Ursachen und Wirkungen und deren Typen, die öfters vorkommen können. Bei Kausalaussagen geht man für gewöhnlich davon aus, dass nicht nur ein einzelnes Vorkommnis ein anderes verursacht hat, sondern dass eben auch neue Vorkommnisse desselben Typs, Vorkommnisse desselben Typs verursachen. Dies zeigt sich etwa an generischen Aussagen wie ‚Rauchen verursacht Krebs‘ (M = Wiederholbarkeit). Für eine Interpretation des Kausalitätskapitels der Wesenslogik sind diese Merkmale nun in zweifacher Hinsicht hilfreich. Erstens kann überprüft werden, ob Hegel diese Merkmale ebenfalls als genuine Kausalitätsmerkmale akzeptiert hat. Zweitens lässt sich seine Kausalitätstheorie dann darüber rekonstruieren, wie er die  Hierbei sollte bereits deutlich sein, dass es sich bei der Benennung solcher Merkmale um eine

Heuristik handelt. Jedes der Merkmale muss zumindest prinzipiell von einer Kausalitätstheorie auch in Frage gestellt werden können. In der Benennung der folgenden Merkmale folge ich Hüttemann (,  und ).

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jeweiligen Merkmale erklärt und begründet. Sollten Merkmale nicht vorkommen, lässt sich zudem fragen, aus welchen Gründen diese nicht auftauchen und inwiefern Hegel sie an anderen Systemstellen dennoch einfangen kann. Bevor nun die Kausalität in der Lehre vom Wesen interpretiert wird, sollen noch einige Hinweise gegeben werden, wie in diesem Aufsatz die Einordnung des Kausalitätskapitels in die Wesenslogik verstanden wird. B. Das Kausalitätskapitel in Hegels Logik Kausalität expressis verbis wird in Hegels Wissenschaft der Logik im zweiten Buch, der „Lehre vom Wesen“, abgehandelt. „Dieser (der schwerste) Teil der Logik enthält vornehmlich die Kategorien der Metaphysik und der Wissenschaften überhaupt“ (GW : §  Anm., ). Geht man davon aus, dass die Kategorien der Wissenschaften – zumindest ‚vornehmlich‘ – erklärende Kategorien sind, dann lässt sich sagen, dass Hegel in der Wesenslogik eine Metaphysik erklärender Kategorien vorlegt. Wenigstens für die Kausalität lässt sich dies auch aus heutiger Sicht plausibilisieren, sind doch Verweise auf Kausalverhältnisse oft Erklärungen, die uns das Zustandekommen bestimmter Ereignisse verständlich machen. Und zugleich gehen wir davon aus, dass diese das Zustandekommen von Ereignissen erklärenden Kausalverhältnisse wirklich sind, d. h. tatsächlich existieren. Wie die gegenwärtigen Ansätze, so thematisiert auch Hegel die Kausalität als eine Kategorie der Wissenschaften. Allerdings ist diese Thematisierung selbst eingebettet in den größeren Rahmen der Wissenschaft der Logik. Diese als Ganze ist Philosophie des Absoluten und das Kausalitätskapitel ein Durchgangsmoment derselben: „Das Seyn selbst sowie die folgenden Bestimmungen nicht nur des Seyns, sondern die logischen Bestimmungen überhaupt können als Definitionen des Absoluten […] angesehen werden“ (GW : § , ). Somit stellt Hegel seine Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Kategorie der Kausalität in den Rahmen einer Philosophie des Absoluten, die das Absolute als absolute Selbstverwirklichung des Geistes versteht. Zwar zielen sowohl heutige Ansätze als auch Hegel auf eine  Aus diesem Grund halte ich das wesenslogische Kausalitätskapitel für den primären Ort des hegelschen Kausalitätsdenkens. Im letzten Abschnitt wird sich allerdings die Beschränkung der wesenslogischen Sicht als Hinweis darauf erweisen, dass wenigstens noch das Mechanismus- und vielleicht auch noch das Teleologiekapitel der Begriffslogik hinzugenommen werden müssten.  Da in der Wissenschaft der Logik die epistemische und die ontische Perspektive nicht auseinanderfallen – auch wenn sie unterschieden werden können –, handelt es sich bei erklärenden Kategorien eben nicht einfach um Begrifflichkeiten, die endliche Erkenntnissubjekte verwenden, um sich die Welt verständlich zu machen, sondern um ontische Strukturen der Welt selbst, auf die wir in erklärender Rede Bezug nehmen.  Ich werde im Folgenden die Ausdrücke ‚Absolutes‘, ‚Unendliches‘ und ‚Unbedingtes‘ austauschbar verwenden.

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Analyse des Kausalitätsverhältnisses und auf die Frage, worin die Natur dieses Verhältnisses besteht. Allerdings geht Hegel davon aus, dass sich diese Frage nur adäquat beantworten lässt, wenn die Kausalität selbst als ein Phänomen und eine Kategorie des Absoluten verstanden wird. Heutige Ansätze im Gegenzug erschließen sich ihr Phänomen über Beispiele und erste Analysevorschläge und versuchen dann über Intuitionen, Begriffsanalysen und Gegenbeispiele eine adäquate Theorie zu entwickeln. Innerhalb der hegelschen Entwicklung von Kategorien taucht immer wieder die Aufhebungsfigur auf, der gemäß manches Entwickelte als unwahr ausgewiesen wird und zudem Grenzen des zu erklärenden Phänomens bestimmt werden müssen. Dies führt mitunter dazu, dass in der Forschung Detailanalysen Hegels übergangen werden, weil eben eine spätere Stufe im Gang der Kategorienentwicklung die Wahrheit der früheren ist. In der folgenden Analyse sollen die einzelnen Elemente, die sich im Kausalitätskapitel entwickeln, positiv als Bausteine einer Kausalitätstheorie betrachtet werden, die etwas dazu sagt, worin Kausalität ihrer Natur nach besteht. II. Das wesenslogische Kausalitätskapitel Die Kausalität ist das zweite von drei absoluten Verhältnissen, die wiederum den dritten Teil des Wirklichkeitsabschnitts ausmachen. Unmittelbar zuvor hatte Hegel das Substantialitätsverhältnis abgehandelt und auf die Kausalität folgt als letztes die Wechselwirkung, die das Ende der Wesenslogik und damit zugleich den Übergang in die Begriffslogik ausmacht. Als Interpretationsheuristik für das Kausalitätskapitel schlage ich folgendes Erkenntnisziel Hegels vor: Im Rahmen der Wissenschaft der Logik verfolgt Hegel das Erkenntnisziel, das Unendliche zu erkennen. Allerdings unterscheidet er zwischen zwei Begriffen von Unendlichkeit. Der schlechten Unendlichkeit stellt er die wahre Unendlichkeit gegenüber. Erstere ist deshalb  Insofern betone ich die Bedeutungskomponente des Bewahrens am Begriff der Aufhebung.  Diese Redeweise von Hegels Erkenntniszielen dient einer heuristischen Funktion. Streng ge-

nommen verfolgt Hegel als Individuum natürlich nicht einfach seine subjektiven Erkenntnisinteressen, der Begriff selbst ist es, dessen Selbstentfaltung lediglich zugeschaut werden soll. Diese Redeweise Hegels halte ich allerdings für ein sprachliches Hilfsmittel, um auszudrücken, dass der jeweils erhobene Geltungsanspruch nicht interessenrelativ ist. Die Wissenschaft der Logik muss als voraussetzungslos ausgewiesen werden. Dieses Ziel völliger Voraussetzungslosigkeit der Logik, das Hegel ausdrücklich in dem das Sein einleitenden Text „Womit muss der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?“ thematisiert (GW :  – , insb. ) lässt sich m. E. allerdings auch verfolgen, ohne dieses Hilfsmittel zu verwenden. Die Rede von Hegels Interessen stünde nur dann im Widerspruch zu dem Anspruch absoluter Voraussetzungslosigkeit, wenn die Erkenntnisinteressen einfach als etwas Gegebenes und also Vorausgesetztes angenommen würden, auf deren Grundlage dann argumentiert würde. Zudem scheint mir die hegelsche Redeweise vom bloßen Zusehen selbst Missverständnissen ausgesetzt zu sein. Außerdem garantiert sie nicht bereits selbst, dass Hegel darin auch tatsächlich erfolgreich ist.

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‚schlecht‘, da sie lediglich in Abgrenzung und also negativ gegen die Endlichkeit als eine Nicht-Endlichkeit bestimmt wird. Damit ist jedoch das Nicht-Endliche selbst noch endlich, da ihm aufgrund der bestimmten Negation die Begrenzung anhaftet. Die wahre Unendlichkeit muss daher als in der Endlichkeit realisiert verstanden werden, sie muss diesen Gegensatz von Endlichkeit und Unendlichkeit selbst noch in sich integrieren. Nur als in der Endlichkeit verwirklicht lässt sich die wahre Unendlichkeit also begreifen. Der folgenden Interpretation liegt die Annahme zugrunde, dass Hegel dieses Erkenntnisziel, wahre Unendlichkeit zu erkennen, auch im Kausalitätskapitel verfolgt. Und somit dient diese Annahme als Hilfe, das Kausalitätskapitel zu erschließen. Ganz allgemein entfaltet das Kapitel folgenden Argumentationsgang: Zunächst gibt Hegel den wahren Begriff der Kausalität an, der diese als absolute, unendliche Kausalität auszeichnet („die erste einfache Bestimmung“; GW : § , ). Diese Begriffsbestimmung wird der Maßstab für die folgenden Argumentationen sein. Im zweiten Schritt wird diese Wahrheit der Kausalität auf ihre Leistungsfähigkeit in Bezug auf endliche Phänomene hin überprüft. Im Zuge dieser Überprüfung entwickelt Hegel das, was aus heutiger Sicht im Kern seine Kausalitätstheorie ausmacht. Dieser Prozess des Überprüfens führt allerdings dazu, dass lediglich schlechte Unendlichkeiten erkannt werden können. Erst im dritten und letzten Schritt entwickelt Hegel dann diejenige Form, die die wahre, absolute, unendliche Kausalität als in der Endlichkeit verwirklicht begreifbar macht („die dritte [Bestimmung], als welche die Rückkehr aus der Differenz zur einfachen Beziehung auf sich ist“; GW : § , ). Das Ursache-Wirkungs-Verhältnis wird aus dem Substantialitätsverhältnis entwickelt. Das Begriffspaar Substanz/Akzidenz ist innerhalb der Kategorienanalyse der Vorgänger des Begriffspaars Ursache/Wirkung. Das Ergebnis der Analyse des Substanz-Akzidenz-Verhältnisses ist für Hegel die These, dass der Begriff der Substanz als absolute Selbstbestimmung verstanden werden muss. Versteht man unter der Bestimmung einer Substanz ihre Akzidenzien, dann bedeutet der Begriff der Selbstbestimmung, dass die Substanz sich diese Akzidenzien selbst gibt. Hegel verwendet für die absolute Selbstbestimmung den Ausdruck der ‚Macht‘, womit er auf Spinozas Begriff der potentia der causa sui verweist. Da Hegel in der Logik das Ziel verfolgt, den Begriff des Unbedingten zu klären, versteht er unter Substanz an dieser Stelle den Begriff einer unbedingten Substanz. Da er jedoch das Verhältnis von Substanz und Akzidenz als ein wesenslogisches Verhältnis versteht, lässt sich  Siehe dazu auch Stekeler-Weithofer (, ). Für Spinozas Verwendung von ‚potentia‘ siehe die Lehrsätze  und  des ersten Buches der Ethik (Ep, Ep).  Für die Lehre des Wesens insgesamt siehe neuerdings Arndt und Kruck (). Für die Grundstruktur wesenslogischer Verhältnisse siehe Henrich () und neuerdings Quante (). Allgemein lässt sich sagen, dass die Wesenslogik relationale Begriffe thematisiert, deren Grundverhältnis durch das zwischen dem Wesen und dem Schein einer Sache bestimmt wird. Diese Verhältnisse

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ihm zufolge der Begriff der Substanz nicht unabhängig von ihrer Akzidentialität verstehen. Damit wäre aber eine Substanz selbst durch ihre Akzidenzien bedingt, also nicht unbedingte, sondern bedingte Substanz. Für den Begriff der unbedingten Substanz folgt daraus, dass sie sich ihre eigene Akzidentialität vollständig aus sich heraus bestimmt. Dieser Prozess der Selbstbestimmung (Substanz als absolute Macht) muss nach Hegel nun über das Begriffspaar Ursache/Wirkung geklärt werden, wobei die Substanz als absolute Selbstbestimmung Ursache, ihre selbstgegebenen Bestimmungen Wirkung sein sollen: Die Substanz ist Macht und i n s i c h r e f l e c t i r t e , nicht bloß übergehende, sondern die B e s t i m m u n g e n setzende und v o n s i c h u n t e r s c h e i d e n d e Macht. Als in ihrem Bestimmen sich auf sich selbst beziehend, ist s i e s e l b s t das, was sie als Negatives setzt oder zum G e s e t z t s e y n macht. Dieses ist somit überhaupt die aufgehobene Substantialität, das nur Gesetzte, die W i r k u n g ; die für sich seiende Substanz aber ist die U r s a c h e . Dies Causalitätsverhältnis ist zunächst nur dies Ve r h ä l t n i s v o n U r s a c h e und W i r k u n g ; so ist es das f o r m e l l e C a u s a l i t ä t s v e r h ä l t n i s . (GW : ) Die kausale Lesart der absoluten Substanz führt zu dem Begriff der Substanz als causa sui, der im Folgenden die Grundlage für Hegels Analyse des Kausalbegriffs sein wird. In der Enzyklopädie verwendet Hegel den Ausdruck ‚causa sui‘ dann auch selbst explizit: „Die Ursache ist daher an und für sich Causa sui.“ (GW : §  Anm., ) Dieser wahre Begriff der Kausalität wird nun im Abschnitt „Die formelle Kausalität“ entwickelt. A. Die formelle Kausalität Der Abschnitt „Die formelle Kausalität“ ist in drei größere von Hegel nummerierte Texteinheiten unterteilt, denen ich für einen besseren Überblick folgende Überschriften gebe und die dann im Folgenden interpretiert werden: . Der Formunterschied von Ursache und Wirkung sind dadurch bestimmt, dass die Relata einerseits gegeneinander bestimmt werden, und andererseits gerade nur in Bezug auf ihr Gegenteil bestimmt werden können.  Damit nimmt Hegel Bezug auf Spinoza, der seine Ethik in der ersten Definition mit dem Begriff der causa sui beginnt als etwas, „dessen Essenz Existenz einschließt“ (Edef). Für den Nachweis, dass bereits von Beginn des Wirklichkeitskapitels an dieser Begriff Gegenstand der wesenslogischen Entwicklung ist, siehe Sandkaulen (). Als Motivation der Einführung des Begriffs der causa sui kann gelten, dass das Wirklichkeitskapitel zunehmend intern differenzierte Einheit zu begreifen sucht. Intern differenzierte Einheit, so wird sich dann auch zeigen, lässt sich allerdings über die kausale Selbstbestimmung besser fassen.

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. Die Identität von Ursache und Wirkung . Die Aufhebung der Form in der Identität: eine gleichgültige Wirklichkeit 1. Der Formunterschied von Ursache und Wirkung Den Formunterschied zwischen Ursache und Wirkung entwickelt Hegel über den Begriff der causa sui. Formal betrachtet besagt dieser Begriff: x verursacht y & x = y. Daraus würde jedoch per Substitution folgen, dass auch gilt: y verursacht x, bzw. x verursacht x und y verursacht y. Die Relation ‚verursacht‘ soll nun jedoch einen Unterschied der beiden Relata enthalten, eine asymmetrische Relation darstellen. Wenn aber Verursachendes und Verursachtes identisch miteinander sind, kann zwischen ihnen aufgrund der Ununterscheidbarkeit von Identischem kein Unterschied bestehen. Den Unterschied fängt Hegel dadurch ein, dass das Kausalverhältnis über das Substanzverhältnis eingeführt wird, und die Relation zwischen Substanz und Akzidenz darin besteht, dass die Substanz das Beständige/Zugrundeliegende/Bestimmende ist. Deshalb beginnt er die Kausalanalyse mit dem Satz: „Die Ursache ist das U r s p r ü n g l i c h e gegen die Wirkung.“ (GW : ) Untersucht man den Begriff der causa sui zunächst im Hinblick auf das Formelement causa, also Ursache zu sein, und geht man weiter davon aus, dass die Substanz Ursache sein soll, dann besteht der Unterschied zwischen Ursache und Wirkung darin, dass die Ursache das Ursprüngliche der Wirkung ist. Die Ursache bewirkt ihre Wirkung, aber nicht umgekehrt. Da dies jedoch lediglich die Form des Kausalitätsverhältnisses betrifft, handelt es sich eben um einen Formunterschied. Hegel geht davon aus, dass der Begriff der Ursache semantisch das Merkmal ‚ursprünglich gegen die Wirkung sein‘ enthält. Der in I.A gegebenen Merkmalsliste zufolge akzeptiert Hegel also M (Asymmetrie). Damit lässt sich festhalten: Für jede Kausalrelation K und alle Kausalrelata x und y gilt: Wenn xKy, dann nicht yKx. Wichtig bleibt festzuhalten, dass dies lediglich den Formunterschied markiert. Die Erklärung der Asymmetrie läuft für Hegel über die kausale Interpretation des Substanzbegriffs, so dass der Begriff der Ursache das Merkmal des Bestimmens gegenüber dem Begriff der Wirkung als Bestimmtem erbt. Die These der Ursprünglichkeit diskutiert Hegel im Folgenden weiter. Ergebnis des Substantialitätskapitels war die These: „Die Substanz ist Macht, und i n s i c h r e f l e c t i r t e ,  Die Asymmetrie der Kausalrelation, der Formunterschied zwischen Ursache und Wirkung, wird von Hegel über verschiedene Ausdrücke markiert: Ausdrücke für das Formelement Ursache sind ‚Setzen‘, ‚Bestimmen‘, Ausdrücke für das Formelement Wirkung sind ‚Gesetztes‘, ‚Bestimmtes‘. Formal ergibt sich aus der Asymmetrie der Kausalität und der zuvor benannten Selbstverursachung ein Widerspruch: Für jede Kausalrelation K und alle Kausalrelata x und y gilt nämlich dann: xKy → (nicht yKx & x = y). Aus der Identität lässt sich dann aber folgern: yKx. Damit ergibt sich: xKy → (yKx & nicht yKx). Dieser Widerspruch treibt nun die Entwicklung voran.

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nicht bloß übergehende, sondern die B e s t i m m u n g e n setzende und v o n s i c h u n t e r s c h e i d e n d e M a c h t . “ (GW : ) Der Formunterschied bezogen auf die causa sui besteht für Hegel dann darin, dass die für sich seiende Substanz Ursache, das Gesetzte die Wirkung ist. Damit ist neben M auch bereits M (Produktivität) gekennzeichnet. Denn nicht nur soll gelten, dass die Ursache ihre Wirkung, aber nicht umgekehrt, verursacht, sondern auch, dass die Ursache ihre Wirkung bestimmt, determiniert, hervorbringt. Somit handelt es sich bei der Kausalrelation um eine asymmetrische Determinationsrelation. Versucht man sich behelfsweise den Prozess der Selbstbestimmung der Substanz vorzustellen, dann wäre Folgendes denkbar: Es gibt eine Substanz, die sich bereits gegebene Akzidenzien zuspricht. Dieses reifizierte Verständnis von Substanz lehnt Hegel allerdings ebenso ab wie ein reifiziertes Verständnis von Akzidenzien. „Die Substanz geht aber in ihrem Bestimmen nicht von der Accidentalität aus, als ob diese v o r a u s ein a n d e r e s wäre, und nun erst als Bestimmtheit gesetzt würde, sondern beydes ist Eine Actuosität.“ (GW : ) Stattdessen interpretiert er das Substanz-Akzidenz-Verhältnis für den Fall der sich selbst bestimmenden Substanz mittels des Begriffs der ‚Aktuosität‘. Die Substanz ist nur insofern Substanz, als sie sich selbst bestimmt, und ihre Bestimmung ist nur eine solche dadurch, dass die Substanz sich selbst bestimmt. Hegel setzt seine Entwicklung des Formunterschieds fort, indem er den Unterschied zwischen Bestimmendem und Bestimmtem problematisiert. Die Substanz bestimmt sich selbst und ist daher das Bestimmende. Daher ist die Substanz das unmittelbar Zugrundliegende. Sie kann aber nur etwas Zugrundeliegendes sein, das dann Bestimmendes ist, wenn sie bereits bestimmt ist, sie muss irgendwelche Identitätsbedingungen besitzen. Als bereits vorausgesetztes Zugrundeliegendes wäre sie aber nicht mehr absolute Selbstbestimmung. Daher sagt Hegel, „indem sie s i c h bestimmt, setzt sie also diß schon B e s t i m m t e als b e s t i m m t , hat so das Gesetztseyn aufgehoben und ist in sich zurükgekehrt.“ (GW : ) Erst dieser Prozess der Rückkehr in sich ist der eigentliche Prozess der Selbstbestimmung, bzw. erst in diesem Prozess der Rückkehr ist die Selbstbestimmung vollzogen. „So ist die absolute Actuosität U r s a c h e ; – die Macht der Substanz in i h r e r Wa h r h e i t als Manifestation, die das, was an s i c h ist, die Accidenz, die das Gesetztseyn ist, unmittelbar im Werden derselben auch auslegt, sie s e t z t als G e s e t z t s e y n , – d i e W i r k u n g . “ (GW : ). So bestimmt Hegel die Ursache als die Substanz, die von sich aus wirkt, sich selbst manifestiert, indem sie ihre eigene Akzidentialität als ihre Wirkung hervorbringt. Die Wirkung hingegen ist dann dieses von der Substanz Bewirkte, dessen einziges Merkmal darin  Der Begriff der causa sui soll also nach Hegel als absoluter Prozess verstanden werden, der nur in der Prozessualität Bestand hat und damit auch seine Relata. Dies deckt das Wort ‚Aktuosität‘ insofern ab, als es im Lateinischen ein Kompositum aus ‚actus‘ (gr. ‚dynamis‘), das u. a. ‚Tätigkeit‘, ‚Wirklichkeit‘ bedeutet, und dem Suffix ‚-osus‘ ist, das die Bedeutung ‚voll von‘ besitzt. Aktuosität ist also etwas, das voll von Tätigkeit, von Tätigkeit erfüllt ist.

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besteht, von der Substanz bewirkt zu sein. Dies lässt sich über zwei Substanzbegriffe verdeutlichen: Substanz ist das nicht gesetzte Ursprüngliche (= Bestimmendes), Substanz hingegen ist in sich reflektiertes Gesetztsein (= Bestimmtes als Bestimmtes). Die Ausdrücke ‚Ursache‘ und ‚Wirkung‘ werden auf die zwei Substanzbegriffe verteilt, so dass Substanz Ursache, Substanz hingegen Wirkung ist. Hegel fährt nun fort, dass die wirkende Substanz in ihrer Wirkung vollständig enthalten ist, denn sonst wäre sie nicht Ursache ihrer selbst und leitet damit zur Analyse der Identität von Ursache und Wirkung als Merkmal der Reflexivität (sui) der causa sui über. 2. Die Identität von Ursache und Wirkung Der Übergang zur Identitätsthese von Ursache und Wirkung ergibt sich daraus, dass für den Fall der causa sui immer noch gilt, dass die Relata der Kausalrelation ein und dasselbe sein sollen. Für die Substanz als absolute Macht gilt: Sie ist in ihrer Selbstbestimmung Rückkehr in sich. Diese Rückkehr in sich ist selbst der Prozess der Selbstbestimmung. Dann trifft jedoch die Beschreibung als Substanz (= ‚Ansich ihrer Akzidenz‘) nicht mehr zu, sondern dieses Merkmal ‚Ansich ihrer Akzidenz‘ hat sie sich in ihrem Selbstbestimmungsprozess selbst gegeben, Substanz ist identisch mit Substanz (= in sich reflektiertes Gesetztsein). Hegel folgert nun: „Die Substanz hat daher erst als Ursache W i r k l i c h k e i t . “ (GW : ) Die Substanz ist nichts, wenn sie sich nicht selbst bestimmt. Erst als sich selbst bestimmend ist sie das, was sie ist. Wenn man den Begriff der Substanz kausal interpretiert, die Substanz sich selbst bestimmendes Bestimmen ist, dieses Bestimmen wiederum ‚Wirken‘ bedeutet, dann ist die Substanz nur, was sie ist, wenn sie wirkt, wenn sie Ursache ist. Was an dieser Stelle genau ‚Wirklichkeit‘ bedeutet, ist noch nicht klar, lässt sich jedoch über den Folgesatz klären: „Aber diese Wirklichkeit, daß ihr A n s i c h s e y n , ihre Bestimmtheit im Substantialitätsverhältnisse, nunmehr als B e s t i m m t h e i t gesetzt ist, ist die W i r k u n g ; die Substanz hat daher die Wirklichkeit, die sie als Ursache hat, nur i n i h r e r W i r k u n g . “ (GW : ) Weil die Substanz nur als Ursache Wirklichkeit hat, ihr Ursache-Sein jedoch identisch mit dem Verursachten, der Wirkung sein soll, hat die Substanz nur in ihrer Wirkung Wirklichkeit. Hegel vertritt hier die These, dass die Substanz nur als wirkende Entität wirklich ist. Nur was wirkt, was eine Wirkung hat, kann wirklich sein. Auch für die alltägliche Verwendung von ‚wirklich‘ lässt sich dies so

 Und insofern dies ein Merkmal von Substanzen insgesamt ist, besagt es, dass Substanzen nur als wirkende Entitäten wirklich sind.

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lesen, dass all die Dinge, von denen wir sagen, dass sie wirklich sind, Dinge sind, die in irgendeiner Weise Wirksamkeit besitzen. Aus dieser These, dass die Substanz als absolute Wirksamkeit interpretiert Ursache sein muss, um Wirklichkeit zu haben, und sie Ursache nur in ihrer Wirkung sein kann, folgert Hegel nun die Notwendigkeit der Ursache und der Wirkung. Dies lässt sich als Hegels Ergänzung des Merkmals der Produktion (M) um den Zusatz modaler Kraft verstehen. Da das Merkmal der modalen Kraft von Ursachen ein wichtiges Thema von Kausalitätsüberlegungen ist, soll der Passus im Folgenden vollständig zitiert werden: Diß ist die N o t h w e n d i g k e i t , welche die Ursache ist. – Sie ist die w i r k l i c h e Substanz, weil die Substanz als Macht sich selbst bestimmt; aber ist zugleich Ursache, weil sie diese Bestimmtheit auslegt oder als Gesetztseyn setzt; so setzt sie ihre Wirklichkeit als das Gesetztseyn oder als die Wirkung. Diese ist das Andere der Ursache, das Gesetztseyn gegen das Ursprüngliche und durch dieses v e r m i t t e l t . Aber die Ursache hebt als Nothwendigkeit ebenso diß ihr Vermitteln auf und ist in dem B e s t i m m e n ihrer selbst als das ursprünglich sich auf sich Beziehende g e g e n das Vermittelte die Rükkehr in sich; denn das Gesetztseyn ist a l s Gesetztseyn bestimmt, somit identisch mit sich; die Ursache ist daher erst in ihrer Wirkung das wahrhaft Wirkliche und mit sich identische. – Die Wirkung ist daher n o t h w e n d i g , weil sie eben Manifestation der Ursache oder diese Nothwendigkeit ist, welche die Ursache ist. (GW :  f.) Nur wenn man das Kausalitätsverhältnis auf diese Weise analysiert, so meint Hegel, lässt sich die Ursächlichkeit als eigenständiges Anfangen charakterisieren. Dieses Merkmal, dass Ursachen von sich aus ihre Wirkungen hervorbringen müssen, erachtet Hegel als ein wesentliches Merkmal von Kausalität, nicht zuletzt deshalb, weil er darüber Kausalität von Dispositionen abgrenzt. In einem früheren Kapitel der Wesenslogik behandelt er das Verhältnis zwischen einer Kraft und ihrer Äußerung, das dem Verhältnis zwischen einer Disposition und ihrer Manifestation entspricht. Der Relation Kraft/Äußerung geht das Merkmal der Selbstbestimmung für Hegel deshalb ab, weil die Disposition, um sich manifestieren zu können, eines weiteren, ihr äußeren, anderen Einflusses bedarf, den Hegel mit dem Ausdruck des ‚Sollizitierenden‘ bezeichnet. Das Sollizitierende entspricht also der sogenannten Stimulusbedingung einer Disposition für ihre Manifestation. Somit  Diese These firmiert in der jüngeren analytischen Ontologie unter dem Ausdruck des ‚eleaticprinciple‘ (siehe dazu Oddie ). Wie der Name allerdings bereits anzeigt, handelt es sich dabei um ein Prinzip, das bis in die Antike zurückreicht (siehe etwa Platon, Sophistes d-e). Für Hegel zentral wird aber auch dieselbe These in Spinozas Ethik im letzten Lehrsatz  des ersten Buches gewesen sein (Ep). Für die Auseinandersetzung mit Spinozas Substanzmonismus siehe Sandkaulen ().  Der Ausdruck geht auf das lateinische Verb ‚sollicitare‘ zurück, das u. a. ‚stark bewegen‘, ‚erregen‘, ‚reizen‘ und ‚in Bewegung setzen‘ bedeutet.

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gibt es zwar Ähnlichkeiten zwischen der Kausalität und der dispositionalen Eigenschaft, jedoch wenigstens einen wichtigen Unterschied: „Nur als diese Nothwendigkeit ist die Ursache selbst bewegend, aus sich anfangend, ohne von einem andern sollicitirt zu werden, und selbständige Quelle des Hervorbringens aus sich; – sie muß wirken […].“ (GW : ) Die Ursache muss – im Gegensatz zur Disposition – wirken einfach aus dem Grund, weil sie ansonsten einen Anstoß außerhalb ihrer selbst hätte und somit ihrem eigenen Begriff nicht gemäß wäre. Ebenso wenig wie die absolute Substanz die Bestimmungen, die sie sich selbst gibt, als gegeben voraussetzen darf, da sie sonst etwas Bedingtes hätte und somit nicht mehr unbedingte Substanz wäre, ebenso wenig darf ihr Ursache-Sein von etwas anderem abhängen. Dann wäre sie durch dieses andere wiederum bedingt und nicht unbedingte absolute sich selbst verursachende Substanz. Wenn es also eine causa sui geben sollte, dann muss diese notwendigerweise wirken. Nachdem Hegel das Merkmal der Produktion erläutert hat, kommt er nun zur Identitätsthese von Ursache und Wirkung, die relevant sein wird, um den Theorietypus der hegelschen Kausalitätstheorie zu kennzeichnen. Dazu nimmt er wieder das Merkmal der Ursprünglichkeit auf. Die Ursache soll der Ursprung der Wirkung sein. Diese Ursprünglichkeit der causa sui beschreibt Hegel nun in zwei Richtungen: (i) Die Reflexion-in-sich ist das bestimmende Setzen (der Wirkung). (ii) Das bestimmende Setzen (wirken) ist die Reflexion-in-sich. Die Identität der causa sui führt dann zu zwei Beschreibungen des Enthalten-Seins: (i) „Die Wirkung enthält daher überhaupt nichts, was nicht die Ursache enthält.“ (GW : ) (ii) „Umgekehrt enthält die Ursache nichts, was nicht in ihrer Wirkung ist.“ (GW : ) Hiermit ist nicht notwendigerweise die These gemeint, dass Ursache und Wirkung in jeder Hinsicht miteinander identisch sind. Was allerdings wenigstens gesagt ist: Alle Merkmale einer Substanz S, die diese als Ursache einer Substanz S charakterisieren, sind ebenso Merkmale von Substanz S, die diese als Wirkung von S bestimmen. Dies muss zumindest für die causa sui gelten. Formal betrachtet gilt für das Kausalitätsverhältnis: „Die Ursache ist nur Ursache, insofern sie eine Wirkung hervorbringt; und die U r s a c h e i s t n i c h t s a l s d i e s e B e s t i m m u n g , e i n e W i r k u n g z u h a b e n , und die W i r k u n g n i c h t s a l s d i e s , e i n e U r s a c h e z u h a b e n . In der Ursache als solcher selbst liegt ihre Wirkung und in der  Und für diese gilt auch, dass Ursache und Wirkung in jeder Hinsicht miteinander identisch sein müssen.

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Wirkung die Ursache“ (GW : ). Die Identität wird hier also zunächst formell als Identität zwischen Hinsichten ausgedrückt. Aus der bisherigen Analyse ergibt sich nun allerdings ein Dilemma. Entweder es ist vor dem Bestimmen ein Bestimmtes, das dann selbst-bestimmend wird. Dann liegt es aber bereits als Bestimmtes zugrunde und ist zumindest nicht absolut selbstbestimmt (Horn ). Oder aber es bestimmt sich absolut selbst, dann ist es aber vor dem Bestimmen noch nicht, kann sich demnach also auch nicht bestimmen (Horn ): „[I]nsofern die Ursache noch nicht wirkte oder insofern sie aufgehört hätte zu wirken, so wäre sie nicht Ursache“ (GW : ). Diese Problematik lässt sich nur auflösen, indem man die absolute Substanz als causa sui rein prozessual versteht. Diesem prozessualen Verständnis nach ist die absolute Substanz nichts anderes als sich selbst Bestimmendes Bestimmen und die Bestimmung, die die absolute Substanz sich selbst gibt, ist keine andere als eben die, sich selbst bestimmendes Bestimmen zu sein. Deshalb existiert die absolute Substanz als causa sui auch nicht außer und vor diesem Prozess der Selbstverursachung, ebensowenig wie ihre Wirkung, die als selbstbestimmte außer und vor diesem Prozess der Selbstverursachung besteht. Die Spannung zwischen dem Formunterschied und der Inhaltsidentität lässt sich nur so begreifen. Aber muss man einen Prozess nicht auch resultativ verstehen, gibt es nicht doch am Ende eines Prozesses kausaler Bestimmung ein Resultat, ein Produkt? 3. Die Aufhebung der Form in der Identität: eine gleichgültige Wirklichkeit Hegel imaginiert den Fall, dass eine Ursache gewirkt hat, d. h. eine Wirkung hervorgebracht hat und dieser Prozess der Produktion abgeschlossen ist. Das Produkt dieses Kausalprozesses könne nicht mehr Wirkung genannt werden, weil die Relation zwischen dem es Produzierenden und diesem nicht mehr vorhanden ist. Ebenso ist damit auch die Ursache als Ursache nicht mehr vorhanden. Man könnte sagen, dass Hegel ‚Ursache‘ und ‚Wirkung‘ als Prozesskategorien betrachtet, die streng genommen nur Anwendung auf Kausalprozesse finden. Stellt man sich nun den Kausalprozess der sich selbst verursachenden Substanz als Resultat vor, dann erhält man nach Hegel „eine gleichgültige Wirklichkeit“ (GW : ). Damit führt Hegel einen neuen Begriff ein: eine Entität, die ursächlich hervorgebracht wurde, deren Ursache aber aufgehört hat zu wirken, ist nicht mehr Wirkung, sondern eine gleichgültige Wirklichkeit. Die Substanz, die sich selbst erzeugt hat und nun gleichgültige Wirklichkeit ist, enthält ihre Ursache und ihre Wirkung in sich. Damit sei der Formunterschied zwischen Ursache und Wirkung „[i]n dieser I d e n t i t ä t “ (GW : ) aufgehoben. Den Übergang von der formellen Kausalität zum bestimmten Kausalitätsverhältnis bestimmt Hegel daher wie folgt:

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In dieser I d e n t i t ä t der Ursache und Wirkung ist nun die Form, wodurch sie als das an sich seyende und als das Gesetztseyn sich unterscheiden, aufgehoben. Die Ursache e r l i s c h t in ihrer Wirkung; damit ist ebenso die Wirkung erloschen, denn sie ist nur die Bestimmtheit der Ursache. Diese in der Wirkung erloschene Causalität ist somit eine U n m i t t e l b a r k e i t , welche gegen das Verhältnis von Ursache und Wirkung gleichgültig ist und es äusserlich an ihr hat. (GW : ) Beschreibt man die Kausalität als einen Prozess der Selbstbestimmung einer Substanz, dann erhält man als Resultat den Begriff einer endlichen Substanz, die (i) unmittelbar und (ii) gegenüber dem Verhältnis von Ursache und Wirkung gleichgültig ist. Der Begriff der absoluten Substanz als causa sui kollabiert in den Begriff einer endlichen Substanz. Das absolute Selbstverursachungsverhältnis als reine prozessuale Selbstbestimmung lässt sich nicht stabil erfassen. Mit dem Begriff der endlichen Substanz hat Hegel nun allerdings den Begriff an der Hand, an dem sich die Wahrheit der Kausalität, causa sui zu sein, bewähren muss. B. Das bestimmte Kausalitätsverhältnis Auch der zweite Teil, der das bestimmte Kausalitätsverhältnis oder „das C a u s a l i t ä t s v e r h ä l t n i s i n s e i n e r R e a l i t ä t u n d E n d l i c h k e i t “ (GW : ) zum Gegenstand hat, ist in drei Blöcke eingeteilt, die ebenso wie im vorangegangenen Teil nur nummeriert sind. Daher schlage ich zunächst wieder der Übersichtlichkeit halber Überschriften vor: . Die vertikale Lesart der endlichen Kausalität als causa sui . Die horizontale Lesart der endlichen Kausalität als causa sui . Die bedingte Kausalität als Übergang zur Lösung des Problems Die Rede von vertikaler und horizontaler Lesart entnehme ich McTaggart. Dieser hat in seinem Kommentar zu Hegels Logik vorgeschlagen, das Kausalverhältnis zur Verständnishilfe metaphorisch zu beschreiben: „If we carry on the spatial metaphor which these two terms [substance, accidence] involve, we may say that Formal Causality is vertical, while ordinary Causality is horizontal.“ (McTaggart , ) Zwar verwendet McTaggart die vertikale Lesart für die formelle und die horizontale für die endliche Kausalität (vgl. auch Sandkaulen , ), allerdings

 Mit ‚spatial metaphor‘ bezieht er sich auf seine Beschreibung der ‚two terms‘ ‚Substanz‘ und ‚Akzidenz‘ über das Begriffspaar ‚Substratum‘ für die Substanz und ‚Surface‘ für die Akzidenz.

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lässt sich dieser Unterschied, wie gezeigt werden soll, auf die ersten beiden Abschnitte des bestimmten Kausalitätsverhältnisses übertragen. Die Substanz ist eine endliche Substanz, der Form nach sind Ursache und Wirkung unterschieden, dem Inhalt nach identisch. An dieser endlichen Substanz muss sich nun also die Wahrheit der Kausalität, causa sui zu sein, erweisen. 1. Die vertikale Lesart der endlichen Kausalität als causa sui In seiner Analyse der formalen Kausalität hatte Hegel den Begriff einer unmittelbaren Wirklichkeit eingeführt. Alternativ für diesen Begriff der unmittelbaren Wirklichkeit führt er nun im zweiten Abschnitt den Begriff des Inhalts ein, den er definiert als „gegen die Formunterschiede gleichgültige Einheit“ (GW : ). Damit übernimmt also der Begriff des Inhalts die Funktion, ein Analysans der endlichen Kausalität zu sein. Der Inhalt des Kausalitätsverhältnisses ist gegenüber dem Unterschied zwischen Ursache und Wirkung gleichgültig. Deshalb seien Form und Inhalt der endlichen Kausalität verschieden. Weil die Form (Ursache/ Wirkung) ebenso wie der Inhalt (gegen den Formunterschied gleichgültige Einheit) unmittelbar wirklich sei, sei die Verbindung von Form und Inhalt zufällig und damit die Kausalität eine zufällige Kausalität. Diese These verstehe ich als Hegels Interpretation der Kontingenz tatsächlicher, endlicher Ursache-WirkungsBeziehungen. Ein Stein ist etwas anderes als eine Fensterscheibe und dennoch ist es möglich, dass ein Stein, der auf eine Fensterscheibe geworfen wurde, diese zerbricht. Es ist nicht notwendig, dass die Fensterscheibe durch einen Steinwurf zerbrochen wird, aber möglich. Geschieht dies, so handelt es sich dabei um ein kontingentes Ereignis. Einer endlichen Substanz ist Kausalität also äußerlich. Nun führt Hegel die allgemeine Charakterisierung des endlichen Kausalitätsverhältnisses ein: Für alle x und y gilt: x und y stehen in einem endlichen Kausalitätsverhältnis, wenn die eine endliche Substanz x auf die andere endliche Substanz y ein-

 Dies ist insofern konsequent, da die endliche Kausalität dem Begriff der Kausalität entsprechen muss, und wenn der wahre Begriff der Kausalität vertikal gefasst werden kann, dann muss zumindest die endliche Kausalität auch auf diesen vertikalen Aspekt hin überprüft werden.  Dieser Ausdruck lässt sich für den Kontext der endlichen Kausalität so beschreiben: Der Inhalt ist eine endliche Substanz, sofern dabei von Ursache und Wirkung dieser endlichen Substanz abgesehen wird.  Diese Kontingenz zeigt sich etwa in dem empiristischen Kriterium für die Ursachenforschung, dass Ursache- und Wirkungsereignis unabhängig voneinander identifizierbar sein müssen.  Damit ist nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Antezedensbedingungen inklusive eines Kausalgesetzes das jeweilige Ereignis erzwingen und in dem Sinne notwendig machen können.

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wirkt, wobei die beiden Substanzen dem Kausalitätsverhältnis und einander gegenüber gleichgültig/äußerlich/unabhängig sind. Im Kontrast zur formellen Kausalität beschreibt Hegel das endliche Kausalitätsverhältnis auch noch wie folgt: „Als endliche Causalität hingegen hat es einen g e g e b e n e n Inhalt und verläuft sich als ein äusserlicher Unterschied an diesem identischen, das in seinen Bestimmungen eine und dieselbe Substanz ist.“ (GW : ). Die These, dass die Kausalität äußerlich an einem Identischen ablaufe, lässt sich über die vertikale Darstellung verdeutlichen. Angenommen a ist eine endliche Substanz. Das bedeutet, dass a verursacht ist und in der Hinsicht als Wirkung beschrieben werden kann. Zugleich ist a aber als Substanz selbst wirksam. In der Hinsicht kann a auch als Ursache beschrieben werden. Beide Hinsichten sind jedoch a selbst äußerlich, da a als solche ohne Bezug auf ihren Status als Wirkung oder als Ursache individuiert werden kann. Vertikal betrachtet gilt dann für jede endliche Substanz S, dass ein und dieselbe s Ursache und Wirkung ist (nur eben in verschiedener Hinsicht). Diese Beschreibung ließe sich als erster Versuch verstehen, dem Begriff der causa sui in der Endlichkeit Sinn abzugewinnen: Endliche Substanzen sind Träger von Kausalprozessen. Wenn man die Kausalität im Sinne einer Einheit von Ursache und Wirkung in ein und derselben Substanz versteht, dann folgt daraus für Hegel, dass ein Kausalsatz eine tautologische Behauptung wird. „Es ist d i e s e l b e S a c h e , welche sich das einemal als Ursache, das anderemal als Wirkung darstellt, dort als eigenthümliches Bestehen, hier als Gesetztseyn oder Bestimmung an einem andern.“ (GW : ) Wie ist das zu verstehen? Vertikal betrachtet lässt sich eben eine Sache sowohl als bewirkte als auch als verursachende Sache beschreiben. Unter diesem Aspekt der Beschreibung in Begriffen der Ursache oder der Wirkung führt der Versuch, eine Sache mit Verweis auf ihre Ursache zu erklären, zu einer tautologischen Erklärung, und zwar deshalb, weil dann die Beschreibung des Explanandums bereits die Beschreibung der Ursache enthält: Da diese Bestimmungen der Form ä u s s e r l i c h e Reflexion sind, so ist es die d e r S a c h e n a c h tavtologische Betrachtung eines s u b j e c t i v e n Verstandes, eine Erscheinung als Wirkung zu bestimmen und davon zu ihrer Ursache aufzusteigen, um sie zu begreifen und zu erklären; es wird nur ein und derselbe Inhalt wiederholt; man hat in der Ursache nichts anderes als in der Wirkung. (GW : ) Wenn Hegel also an dieser Stelle sagt, man habe ‚in der Ursache nichts anderes als in der Wirkung‘, dann bezieht er sich mit den Ausdrücken ‚Ursache‘ und ‚Wirkung‘ auf Beschreibungen, die innerhalb einer Erklärung die Ursache- und Wirkungs Natürlich würde ein gegenwärtiger Zugang zum Thema der Kausalität genau an der Bedeutung dieses ‚einwirkt‘ ansetzen und die Frage aufwerfen, was dieses denn bedeute, worin diese Relation des Einwirkens bestehe. Weiter unten soll gezeigt werden, dass Hegel auf diese Fragen ebenfalls antwortet.

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stelle einnehmen. Beispiel einer solchen Beschreibung wäre etwa die Bezeichnung geröteter Haut als Sonnenbrand. Der Satz ‚Dies ist ein Sonnenbrand‘ bedeutet dann nichts anderes als ‚Dies ist eine durch die Sonne verursachte Verbrennung‘. Im Folgenden führt Hegel vier Beispiele dafür an, dass ein und derselbe Inhalt das eine Mal Ursache und das andere Mal Wirkung ist, von denen nur das letzte Beispiel besprochen werden soll. Dabei geht es um die Bewegung eines Körpers durch den Stoß eines anderen Körpers. Dieses Beispiel ist aus drei Gründen wichtig. Erstens stellt es einen typischen Kausalprozess dar, wie er auch heute noch häufig als Beispiel für Kausalität verwendet wird, so dass es den Zugang zu Hegels Kausalitätstheorie zu erleichtern vermag. Zweitens ist es so aufgebaut, dass Ursache und Wirkung nun auf zwei verschiedene Substanzen verteilt werden, so dass Hegel bereits in die horizontale Betrachtung überwechselt. Drittens schließlich zeigt sich an diesem Beispiel am deutlichsten, dass Hegel unter Kausalität eine Art Übertragungsprozess versteht. Wenn die Bewegung eines Körpers als Wirkung betrachtet wird, so ist die Ursache derselben eine s t o s s e n d e Kraft; aber es ist dasselbe Quantum der Bewegung, das vor und nach dem Stoß vorhanden ist, dieselbe Existenz, welche der stoßende Körper enthielt und dem gestoßenen mittheilte; und so viel er mittheilt, so viel verliert er selbst. (GW : ) Angenommen eine Billardkugel B bewegt sich (beschrieben als Wirkungsereignis) kausal verursacht durch den Stoß einer anderen Billardkugel A (Ursacheereignis), dann vertritt Hegel nun die These, dass diese Kausalrelation zwischen A und B in der Übertragung der Bewegungskraft besteht, wobei sich die übertragene Entität erhält, mit sich identisch bleibt, Hegel spricht von einer Größe (Quantum), die gleich bleibt. Dass endliche Substanzen unter vielen verschiedenen Beschreibungen stehen, so fährt Hegel nun fort, sei für seine Identitätsthese nicht problematisch, solange diese zusätzlichen Merkmale nicht in die Kausalrelation mit eingehen. Für einen stoßenden Körper als Ursache der Bewegung eines anderen Körpers etwa gilt dann „nur was von seinen Eigenschaften sich in der W i r k u n g darstellt, ist in ihm a l s U r s a c h e vorhanden, nach seinen übrigen Eigenschaften ist er nicht Ursache“ (GW : ). Damit lässt sich Hegel die These zuschreiben, dass er von „causally relevant features“ einer Ursache ausgeht. Welche Faktoren kausal relevant sind, lässt

 Dass die Rede von mehreren Substanzen an dieser Stelle zulässig ist, ergibt sich letztlich aus der Bestimmung der Endlichkeit, die immer schon als Bestimmtheit und damit Abgrenzung noch andere gleich Bestimmte impliziert.  Diesen Ausdruck führt Mackie innerhalb einer Diskussion ein, die den extensionalen bzw. intensionalen Status von Kausalaussagen zum Gegenstand hat (Mackie , ).

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sich im Vorhinein nicht sagen, sondern hängt selbst von der Individuation der Substanz ab, für die eine Ursache angegeben werden soll. Im weiteren Text antizipiert Hegel nun einen möglichen Einwand gegenüber seinem Ansatz, dass dieser den Bezug auf eine entferntere Ursache eines Ereignisses nicht erklären könne, da für diesen Fall die Identitätsthese nicht mehr aufrecht erhalten werden könne: „Es ist in Rüksicht dieser Ta v t o l o g i e des Causalitätsverhältnisses zu bemerken, daß es dieselbe dann nicht zu enthalten scheint, wenn nicht die nächste, sondern die e n t f e r n t e U r s a c h e einer Wirkung angegeben wird.“ (GW : ) Zunächst einmal akzeptiert Hegel die Möglichkeit weiter zurückliegender Ursachen und damit wohl auch die Transitivität der Kausalrelation. Um nun an der Identitätsthese festhalten zu können, beschreibt er Fälle, bei denen in der Erklärung auf eine weiter zurückliegende Ursache Bezug genommen wird, indem er die Identitätsthese nur jeweils für Fälle unmittelbarer Kausalrelationen annimmt. In Fällen vermittelter Kausalität lässt Hegel, wenn überhaupt, nur die Redeweise zu, dass die Wirkung in der Summe aller vorangegangener Kausalrelationen enthalten ist, „so daß nicht jenes Erste, was als Ursache ausgesprochen wird, sondern nur diese mehreren Ursachen z u s a m m e n die vollständige Wirkung enthalten“ (GW : ). Hegels These lässt sich wie folgt charakterisieren: Entweder eine Ursache ist direkte oder indirekte Ursache einer Wirkung. Ist sie direkte Ursache einer Wirkung, dann gilt, dass die Wirkung in der Ursache enthalten ist. Ist sie hingegen indirekte Ursache, treten also zwischen sie und das zu erklärende Wirkungsereignis noch weitere Zwischenglieder, dann ist die Wirkung streng genommen in der Gesamtheit aller jeweils kausal-relevanter Ereignisse enthalten. Damit zeigt sich, dass Hegel das Merkmal der Intrinsität (M) als Merkmal akzeptiert und beansprucht, dieses zu erklären. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass er Fernwirkung im eigentlichen Sinne ablehnt. Können nun endliche Substanzen als selbstverursachende Substanzen verstanden werden? Zwar erfüllen sie die Bedingung, sowohl Ursache als auch Wirkung zu sein, allerdings besteht das Problem darin, dass der Formunterschied nicht in der richtigen Weise in der Inhaltsidentität enthalten ist; endliche Substanzen sind nicht in derselben Hinsicht Ursache, in der sie Wirkung sind. Sie produzieren sich nicht selbst. Aber sie produzieren doch etwas, bringen etwas hervor, die Billardkugel A im obigen Beispiel bringt doch Kugel B zum Rollen. Ist mehr Erfolg zu erhoffen, wenn man diesen Aspekt betrachtet?

 Damit lässt sich Hegels Kausalitätsverständnis auch als Aspektkausalismus verstehen (siehe dazu Paul ).  Streng genommen müsste man sagen: Aus der bisherigen Entwicklung ergibt sich, dass es keine Fernwirkungen geben kann. Und insofern hätte Hegel wohl die These, dass im Falle weit auseinanderliegender Ereignisse unmittelbare Kausalität vorliegen könne (Fernwirkung), abgelehnt.

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2. Die horizontale Lesart der endlichen Kausalität als causa sui Nachdem Hegel den Teil der Identität innerhalb von Ursache-Wirkungs-Relationen dargestellt hat, geht er über zur Diskussion des Formunterschieds zwischen Ursache und Wirkung. Dabei ergibt sich dieser Perspektivenwechsel immanent, da, wie soeben gezeigt, endliche Substanzen vertikal betrachtet ihrem Begriff nicht gemäß sind. Horizontal betrachtet scheinen sie jedoch in der relevanten Weise produzierend zu sein. Nun ist zu sehen, ob sie in dieser Lesart ihrem Begriff gemäß sind. Aufgrund der zu Beginn des Kapitels genannten Unterscheidung zwischen Form und Inhalt der endlichen Kausalität folgert Hegel, dass auch Ursache und Wirkung als Formunterschiede jeweils inhaltlich verschieden bestimmt sind. Am Beispiel von zwei Billardkugeln bedeutet dies, dass eine stoßende Billardkugel A eine andere endliche Substanz ist als die angestoßene Billardkugel B. Der Formunterschied, den Hegel in der vertikalen Lesart innerhalb ein und derselben Substanz verteilt hat, verteilt sich nun horizontal auf zwei verschiedene Substanzen. Damit lässt sich die horizontale Lesart als ein neuer Versuch verstehen, den Begriff der causa sui, einer Substanz, die Ursache und Wirkung in einem ist, für die Endlichkeit begrifflich zu fassen. Als jeweils zwei endliche Substanzen ist jedoch beiden die Kausalität wieder äußerlich. Horizontal betrachtet führt Hegel dann folgende Beschreibung einer endlichen Substanz an: „Diß ist daher irgend e i n D i n g , das mannichfaltige Bestimmungen seines Daseyns hat, u n t e r a n d e r e m auch diese, daß es i n i r g e n d e i n e r R ü k s i c h t Ursache oder auch Wirkung ist.“ (GW : ) Damit charakterisiert Hegel das Merkmal einer endlichen Substanz, in einem Kausalverhältnis zu einer anderen zu stehen, als externe relationale Eigenschaft dieses Dings. Es ist eine Eigenschaft neben vielen anderen, die aufgrund ihrer Zweistelligkeit relational ist, und zwar dem Träger der Eigenschaft deshalb extern, weil das Stehen in Kausalrelationen der endlichen Substanz äußerlich sein soll. Nun fährt Hegel fort, indem er daran erinnert, dass A und B jeweils Substanzen und endlich sind. Dass sie Substanzen sind, bedeutet, dass sie dem Begriff der causa sui entsprechen müssen; dass sie endlich sind, besagt, dass sie „unmittelbare g e g e n ihre Ursachlichkeit“ (GW : ) sind. Damit ergibt sich für Hegel an dieser Stelle die Frage: Wie lässt sich etwas gegen seine Ursächlichkeit Unmittelbares als Ursache seiner selbst fassen? Endliche Substanzen als solche Einzeldinge, so ließe sich rekonstruieren, die aus diachron relativ stabil existierenden materiellen Körpern bestehen, bestehen für  Ich verwende den Ausdruck ‚Eigenschaft‘ an dieser Stelle für Hegels ‚Bestimmung seines Da-

seins‘.

 Dass eine Eigenschaft einer Substanz extern ist, verstehe ich an dieser Stelle so, dass diese Eigenschaft kein Identitätsmerkmal dieser Substanz ist.

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sich, unabhängig von ihrer kausalen Eingebundenheit, bzw. lassen sich als unabhängig davon individuieren. Der endlichen Substanz kommen daher wieder zwei Merkmale zu. Sie ist qua Substanz (i) Ursächlichkeit (was sie, um wirklich zu sein, sein muss) und in der Hinsicht Selbstbestimmung; und qua Endliches (ii) ist sie selbst nur Gesetztes/Verursachtes und daher ist ihr „die C a u s a l i t ä t äusserlich“ (GW : ). Die Billardkugel A ist qua Substanz Ursache der Bewegung von B. Als endliche Substanz ist sie dies aber nur, weil sie selbst eine ihr äußerliche Ursache hat, zum Beispiel den Stoß eines Queues. Deshalb wiederum ist auch die Ursächlichkeit von A, B in Bewegung zu setzen, eine A nur äußerliche Ursächlichkeit. Strenggenommen beginnt A nicht aus sich heraus ihr Wirken, sie ist nicht eigenmächtig. Den Kausalprozess, dass ein Queue C die Kugel A anstößt, in Bewegung setzt, und A dann selbst weiterrollt, B in Bewegung setzt und selbst zur Ruhe kommt, beschreibt Hegel wie folgt: „Das Wirken dieser Substanz fängt daher von einem äussern an, befreyt sich von dieser äussern Bestimmung, und seine Rükkehr in sich ist die Erhaltung seiner unmittelbaren Existenz und das Aufheben seiner gesetzten, und damit seiner Causalität überhaupt.“ (GW : ) Die Wirksamkeit der Billardkugel A „fängt von einem Äußeren an“ (= dem Stoß durch C). Sie befreit sich von dieser äußeren Bestimmung (in dem Moment, in dem A selbst rollt). A erhält sich zugleich in ihrer Existenz, sie kommt zum Stehen und ist immer noch dieselbe Billardkugel wie zuvor. Damit hat A sein Gesetztsein (angestoßen worden zu sein) und sein Wirken (das Anstoßen von B) aufgehoben. Dass Hegel das Rollen der Kugel als eigenes Wirken betrachtet, zeigt das folgende Beispiel eines sich bewegenden Steines: „So ist ein Stein, der sich bewegt, Ursache; seine Bewegung ist eine Bestimmung, die er hat, ausser welcher er aber noch viele andere Bestimmungen der Farbe, Gestalt usf. enthält, welche nicht in seine Ursachlichkeit eingehen.“ (GW : ). Wenn Hegel die Bewegung des Steins als Wirkung des Steins betrachtet, dann die Masse des Steins als eine kausal relevante Eigenschaft des Steins für seine Bewegung. Diese Ursächlichkeit soll dem Stein jedoch äußerlich sein. Damit er überhaupt ins Rollen kam, muss er z. B. angestoßen worden sein. Er bringt zwar, etwa aufgrund seiner Schwere, kausal relevante Eigenschaften für den Bewegungsprozess mit; dass er aber überhaupt in Bewegung ist, geht nicht allein auf ihn zurück. Den eigenen kausalen Beitrag des Steins beschreibt Hegel damit, dass der Stein „seine a b s t r a c t e U r s p r ü n g l i c h k e i t wiederherzustellen“ (GW : ) sucht. Aus der bisherigen Diskussion folgert Hegel für die endliche Kausalität nun, dass sie selbst nur äußerlich gesetzte Ursächlichkeit ist. Jede endliche Substanz wirkt  Diese und die im Folgenden noch verwendeten Beschreibungen Hegels legen die Vermutung

nahe, dass er an Newtons erstes Axiom der Trägheit dachte, demzufolge ein Körper entweder im Zustand der Ruhe oder einer gleichförmigen Bewegung verbleibt, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt und seinen Bewegungszustand verändert.

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nur, weil sie selbst kausale Wirkung ist. Keine endliche Ursache fängt also aus sich selbst heraus an. Aus dieser Beschreibung ergeben sich für Hegel nun der unendliche Regress von Ursachen und der unendliche Progress von Wirkungen. Der Idee nach führt also eine Ursache, die zur Erklärung eines Ereignisses angeführt wird, wieder auf ihre Ursache ad infinitum. Dass eine erklärende Ursache selbst wieder eine Ursache hat, begründet Hegel damit, dass „die Ursache ein e n d l i c h e s , b e s t i m m t e s überhaupt ist; bestimmt als E i n Moment der Form gegen die Wirkung; so hat sie ihre Bestimmtheit oder Negation ausser ihr; eben damit aber ist sie selbst e n d l i c h , hat i h r e B e s t i m m t h e i t a n i h r und ist somit G e s e t z t s e y n oder W i r k u n g . “ (GW : ) Damit lässt sich sagen, dass jede endliche Substanz sowohl verursacht ist als auch verursacht, so dass wieder die Frage aufkommt, ob dieses Verständnis der endlichen Ursache dem Begriff der causa sui entspricht. Problematisch an dem entwickelten Begriff der wirkenden Substanz ist, dass diese strenggenommen nur Träger kausaler Prozesse ist. Die Ursprünglichkeit liegt lediglich in ihren Eigenschaften (ihrer Schwere etwa), die sie gerade nicht aufgrund der Kausalprozesse besitzt, in denen sie steht. Deshalb ist die Ursächlichkeit sich selbst äußerlich, die Ursprünglichkeit der jeweiligen Ursache liegt in einer Unmittelbarkeit, einer unmittelbaren endlichen Substanz. Als causa sui verstanden müsste aber die Ursprünglichkeit Selbstbestimmungsprozess und damit Selbstvermittlung sein. Endliche Substanzen sind für Hegel lediglich Träger kausaler Prozesse, Durchgangsmedien, die letztlich nicht eigenmächtig sind. Das Problem, den Begriff der causa sui in der endlichen Kausalität nicht begreifen zu können, ergibt sich daher sowohl für die vertikale, wie für die horizontale Lesart: Die endliche Reflexion bleibt einerseits bey diesem Unmittelbaren stehen, entfernt die Formeinheit davon und läßt es in a n d e r e r R ü k s i c h t Ursache und i n a n d e r e r Wirkung seyn; andererseits verlegt sie die Formeinheit in das U n e n d l i c h e und drükt durch das perennierende Fortgehen ihre Ohnmacht aus, sie erreichen und festhalten zu können. (GW : ) Die zweifache Inadäquatheit der endlichen Kausalität, ihrem Begriff, causa sui zu sein, zu entsprechen, ergibt sich also zusammenfassend wie folgt: Vertikal

Der Begriff der causa sui wird deshalb nicht erfasst, da man zwar in ein und derselben Substanz Ursache und Wirkung hat, jedoch nur so, dass sie in verschiedener Hinsicht Ursache und Wirkung ist. Verstanden als Selbstbestimmung muss für die causa sui die Substanz in ein und derselben Hinsicht Ursache und Wirkung sei.

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Horizontal Betrachtet man die Kausalität prozessual als Durchgang durch verschiedene Substanzen, dann führt der Begriff der Substanz, die Ursache und Wirkung ist, immer wieder zu einer weiteren Substanz, so dass die Bedingung, dass es ein und dieselbe Substanz sein soll, die bewirkt wird und selbst bewirkt, verletzt ist. Der Versuch, im Prozess die Einheit von Ursache und Wirkung als in einer Substanz vereint zu begreifen, führt in einen unendlichen Regress oder Progress. Hegel spielt nun die schlechte Unendlichkeit noch am Progress von Wirkungen zu Wirkungen durch. Diesen Fall diskutiert er wohl deshalb als zweites, da er trotz des Problems der schlechten Unendlichkeit einen Fortschritt gegenüber dem Regress bedeutet. Da der Progress bei einer Substanz beginnt und diese als Ursache beschreibt, kann er besser die Ursächlichkeit und damit Ursprünglichkeit dieser Substanz beschreiben, die insofern privilegierten Status hat, da die Ursache, wie Hegel sagte, das Ursprüngliche ist. Diese Ursprünglichkeit aber ist, wie bereits gezeigt, ein wesentliches Merkmal des Begriffs der causa sui. Aber auch der Progress von Wirkungen zu Wirkungen erfüllt diesen Begriff nicht, da das Merkmal der Rückkehr der Substanz nicht erfüllt werden kann. Die Substanz verliert ihre Ursächlichkeit in der Wirkung, da diese in einer anderen Substanz gesetzt ist. Zugleich ist für Hegel mit diesem Befund jedoch bereits die Richtung gegeben, die eine Lösung bietet. Es muss ein Fall gefunden werden, bei dem eine Substanz A auf eine andere Substanz B einwirkt, ohne ihre Ursächlichkeit in dieser Substanz B zu verlieren. Einen solchen Fall begreiflich zu machen, ist nun Ziel des dritten Abschnitts. 3. Die bedingte Kausalität als Übergang zur Lösung des Problems Der Übergang zur (vorläufigen) Lösung des Problems, die causa sui als in der Endlichkeit verwirklicht zu fassen, erfolgt nun über die Einführung des neuen Begriffs der bedingten Ursächlichkeit, über den Hegel dann im dritten und letzten Teil des Kausalitätskapitels das Phänomen von Wirkung und Gegenwirkung darstellt. Jede dieser Bestimmungen h e b t s i c h i n i h r e m S e t z e n a u f und s e t z t s i c h i n i h r e m A u f h e b e n ; es ist nicht ein ä u s s e r l i c h e s U e b e r g e h e n der Causalität von einem Substrat an ein anderes vorhanden, sondern diß A n d e r s w e r d e n derselben ist zugleich ihr e i g e n e s S e t z e n . Die Kausalität s e t z t also sich selbst v o r a u s oder b e d i n g t s i c h . Die vorher nur a n  Unendlicher Regress und Progress sind für Hegel schlechte Unendlichkeit, da sie zeigen, dass das Unendliche (in diesem Fall die causa sui) auf diese Weise in der Endlichkeit nicht erreicht werden kann, außer durch nicht endende, nicht-endliche Reihen.

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s i c h s e y e n d e I d e n t i t ä t , das Substrat, ist daher nunmehr b e s t i m m t a l s Vo r a u s s e t z u n g oder g e s e t z t g e g e n die w i r k e n d e Causalität, und die vorhin dem Identischen nur ä u s s e r l i c h e R e f l e x i o n steht nun im Ve r h ä l t n i s s e zu demselben. (GW : ) Die Analyse der endlichen Kausalität anhand einer wirkenden Substanz führt also dazu, diese selbst als sich selbst voraussetzend zu bestimmen. Damit ist zwar die endliche Substanz immer noch bedingte und gemäß dem Begriff der causa sui also nicht unbedingte Substanz, allerdings eine sich selbst bedingende und damit selbstbedingte Substanz und damit sind die Weichen gestellt, um endliche Substanzen als tatsächliche Realisate ihres Begriffs zu begreifen. Wie bereits angekündigt, wird die Interpretation des hegelschen Textes an dieser Stelle abgebrochen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass der dritte Abschnitt „Wirkung und Gegenwirkung“ die Lösung dadurch entwickelt, dass im Falle einer auf eine andere Substanz wirkenden Substanz beide Substanzen aufgrund ihrer Widerständigkeit jeweils auch auf sich zurückwirken. Dadurch, dass sie sich von anderen Substanzen abstoßen, erhalten sie sich selbst in einem stabilen Zustand. III. Hegels Identitätstheorie der Kausalität Nach diesem Durchgang durch die ersten beiden Abschnitte des Kausalitätskapitels soll in diesem Abschnitt ein systematischer Rekonstruktionsvorschlag für gegenwärtige Kausalitätstheorien gemacht werden. Dazu soll in einem ersten Schritt nochmals mit Bezug auf die Merkmalsliste Hegels wesenslogische Kausalität bestimmt werden. Im zweiten Schritt soll dann gezeigt werden, dass Hegels Theorie eine Identitätstheorie der Kausalität ist. A. Die Merkmale der Kausalität in Hegels Kausalitätstheorie Bevor die Merkmalsliste bezogen auf Hegels Kausalitätstheorie im Überblick besprochen werden kann, ist darauf hinzuwiesen, dass Hegel bezüglich der RelataFrage die These vertritt, dass Substanzen die primären Kausalrelata sind. Damit steht er gegen die gegenwärtig weitverbreitete Annahme, dass Ereignisse die Relata

 Dabei wird Hegel wohl an das dritte Axiom Newtons gedacht haben und auch nicht ohne

Grund von ‚Wirkung‘ und ‚Gegenwirkung‘ sprechen, sind dies doch die deutschen Termini für actio und reactio. Dem Axiom nach gilt: Soviel Kraft ein Körper A auf einen anderen Körper B ausübt, soviel Kraft gibt B auch wieder an A. Und insofern wirkt A vermittelt über B auf sich selbst zurück.

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von Kausalaussagen sind. Allerdings ließe sich eine ereigniskausale Variante derivativ zur substanzkausalen bestimmen, bedenkt man, dass sich Ereignisse für gewöhnlich an Substanzen abspielen. Wie sieht es nun aber mit den Merkmalen aus? Diese seien nochmal kurz benannt: M = Raumzeitlichkeit, M = zeitliche Priorität, M = Asymmetrie, M = Produktion, M = Objektivität, M = Intrinsität, M = Wiederholbarkeit. Die Merkmale M und M müssen ausgeschlossen werden, da Hegel Raum und Zeit als Kategorien der Natur überhaupt aus dem Gegenstandsbereich der Logik ausschließt. M und M sind für Hegel beides wichtige Kausalitätsmerkmale, die er letztlich aus der Analyse der Kausalität über den Begriff der causa sui gewinnt. M deckt Hegel ebenso ab, wie sich in seiner Diskussion des Fernwirkungseinwandes zeigt. Außerdem lässt sich M mit seinem Aspektkausalismus begründen. Das Merkmal M, die Objektivität, ist bisher nicht thematisiert worden. Hegel müsste dies aus verschiedenen Gründen akzeptieren. Zunächst ist die Kategorie der Kausalität als Kategorie der Wesenslogik selbst ein zentraler Begriff des Ontologischen, das Hegel selbst mit ‚Objektivität‘ betitelt. Zudem soll die Logik absolute Wahrheiten enthalten, also selbst unveränderbare und ewig gültige Strukturen des Denkens und zugleich der Welt zum Gegenstand haben. Dann kann es jedoch nicht sein, dass diese von den wechselhaften Meinungen oder Interessen irgendwelcher Menschen abhängen. Gedeutet als Aussage über Wahrheitsbedingungen empirischer Kausalaussagen, würde Hegel wohl ebenso das Objektivitätsmerkmal akzeptieren. Wenn das Wesen der Kausalität in dem Prozess des Produzierens und der Übertragung von Kraft einer Entität auf eine andere besteht, und dies absolut wahr ist, dann kann erst recht nicht die Wahrheit einer einzelnen Kausalaussage, die diesem Wesen der Kausalität entsprechen muss, von Meinungen und Interessen einzelner endlicher Erkenntnissubjekte abhängen. Schließlich scheint Hegel M für relevant zu erachten, da er generische Kausalaussagen als Beispiele anführt. Allerdings wird dieses Merkmal erst im Mechanismus der Begriffslogik relevant werden, wenn es um Gesetze geht. B. Hegels Identitätstheorie der Kausalität Der Ausdruck ‚Identitätstheorie‘ wird seltener verwendet als der der Prozesstheorie der Kausalität, manchmal auch Transmissions- oder Transferenztheorie der Kausalität genannt. Die grundlegende Idee dieser Theoriefamilie besteht darin, dass Kausalrelationen maßgeblich durch eine Identitätsrelation bestimmt sind, die sich an physikalischen Übertragungsprozessen zeigt. Phil Dowe charakterisiert diesen  Allerdings gibt es auch gegenwärtige Vertreter eines Substanzkausalismus (siehe exemplarisch Whittle ).

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Theorietyp als „the class of theories that takes causation to be the transfer or persistence of properties of a specific sort“ (Dowe , ). García-Encinas charakterisiert den Theorietyp durch zwei Annahmen: [They] lay the foundations for a basic analysis of causation in transference terms, as follows: (T) A and B (where A and B are distinct objects, or distinct temporal parts of the same object) are causally related if there is a physical connection between them. (T) A physical connection is the transference of a physical element. (García-Encinas , ) Die erste Annahme sichert eine Naturalisierungsannahme, die zweite deutet die physikalische Verbindung aus. Da die zweite Annahme letztlich das Element der Identität enthält, lässt sich sagen, dass das wesenslogische Kausalitätskapitel eben genau diesem Theorietyp zuzuordnen ist. Aufgrund der Wahrheit der Kausalität, causa sui zu sein, ist die Natur endlicher Kausalverhältnisse gerade über die Identität von Hinsichten der in Kausalverhältnissen stehenden Substanzen charakterisiert. In konkreten Beispielen zeigt sich diese Identität dann etwa in Form von Übertragungsprozessen physikalischer Größen. Was weiter geprüft werden müsste, ist, wie die inhaltliche Ausfüllung der Identität aussehen müsste. Das Beispiel des stoßenden Körpers legt Hegels Akzeptanz von T nahe: „Wenn die Bewegung eines Körpers als Wirkung betrachtet wird, so ist die Ursache derselben eine s t o s s e n d e Kraft; aber es ist dasselbe Quantum der Bewegung, das vor und nach dem Stoß vorhanden ist, dieselbe Existenz, welche der stossende Körper enthielt und dem gestoßenen mittheilte; und so viel er mittheilt, so viel verliert er selbst.“ (GW : ) Allerdings schränkt Hegel diese Beschreibung darauf ein, dass man eine Bewegung als Wirkung betrachtet. Letztlich müsste man realphilosophische Überlegungen aus der Naturphilosophie mit hinzunehmen, um das Bild zu vervollständigen, denn in der Logik besteht Hegels Anspruch darin, den rein logischen Kern der Kausalität zu bestimmen, und zu dem gehören Raum-Zeit-Bestimmungen nicht dazu. Insofern die naturalistische Ausdeutung der Identitätsbeziehung von Kausalverhältnissen nicht notwendig den Theorietyp konstituiert, ist damit hinreichend gezeigt, dass Hegels wesenslogischer Kausalitätsbegriff der Theoriefamilie der Identitätstheorie der Kausalität zuzuordnen ist.  Da Identität, aber auch Differenz, im gesamten System Hegels zentral sind und insofern Hegels gesamtes System eine Identitätstheorie genannt werden könnte, sei hier noch angemerkt, dass der Ausdruck ‚Identitätstheorie‘ lediglich in dem Sinne heutiger Kausalitätstheorien gemeint ist. Allerdings sollte auch nicht so sehr das Wort relevant sein, sondern die inhaltliche Identifikation von Gemeinsamkeiten heutiger Ansätze mit dem hegelschen.

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IV. Schluss Abschließend seien einige Folgen, Fragen und Desiderata dieses Theorieansatzes benannt. Für handlungstheoretische Fragen ist Hegels Identitätstheorie interessant. In der Debatte zwischen Kausalisten und Intentionalisten ist das sogenannte Argument der logischen Verknüpfung gegen eine kausalistische Lesart vorgebracht worden. Kausalrelationen enthielten keine logische Verknüpfung, Gründe und Handlungen hingegen schon, woraus geschlossen wurde, dass Handlungen nicht kausal verursacht sein können. Hegel dreht in gewisser Weise das Verhältnis um. Selbst Kausalrelationen enthalten Identitätsrelationen und damit logische Verknüpfungen. Nun könnte daraus geschlossen werden, dass dann doch eben auch Handlungen kausal verursacht werden. Dem könnte Hegel zustimmen, allerdings mit dem Zusatz, dass sie nicht im Sinne der endlichen Kausalität verursacht werden, sondern dem wahren Begriff der Kausalität, causa sui zu sein, entsprechen. Weil aber die Rede von ‚verursacht‘, ‚Ursache‘ oder ‚Kausalität‘ häufig genau im Sinne der endlichen, rein effizienten Kausalität gemeint ist, die ja, wie gezeigt wurde, eine defiziente Form der Wahrheit der Kausalität ist, sollte man „die u n s t a t t h a f t e A n w e n d u n g des Causalitätsverhältnisses auf Ve r h ä l t n i s s e d e s p h y s i s c h o r g a n i s c h e n und d e s g e i s t i g e n L e b e n s “ (GW : ) im Blick haben. Schließlich seien noch drei Desiderata benannt. Für eine umfassende Rekonstruktion der hegelschen Kausalitätstheorie, die sich in die heutige Debattenlandschaft einordnen ließe, müsste erstens zusätzlich das Bedingungsverhältnis interpretiert werden. In der Diskussion des Fernwirkungseinwandes verwendet Hegel den Ausdruck der „ U m s t ä n d e d e r M ö g l i c h k e i t “ (GW : ). Die ‚Umstände der Möglichkeit‘ verweisen auf eine frühere Stelle innerhalb der Wesenslogik, an der Hegel das Verhältnis von Bedingung und Bedingtem diskutiert. Dabei verweist Hegel mit dieser Rede von Umständen auf diejenigen Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit die Wirkung einer Substanz entfaltet werden kann. Auf heutige Theorien übertragen ließe sich Folgendes sagen: sogenannte Bedingungstheorien, wie diejenige Mackies, die Kausalität über Bedingungsbündel explizieren, die als ganze instanziiert sein müssen, damit die gefragte Wirkung eintritt, sind in hegelschen Termini auf der Ebene der Bedingung anzusiedeln und werden Umstände der Möglichkeit genannt. Allerdings bedürfen diese selbst, um letztlich verständlich gemacht zu werden, eines engen Kausalbegriffs, der Übertragungsprozesse bezeichnet. Insofern könnte eine Ähnlichkeit zu  Für eine Darstellung dieses Arguments mit weiteren Literaturangaben siehe Meyer und Quante (,  f.).  Hegel akzeptiert demnach den Einwand der Intentionalisten gegenüber den Kausalisten, allerdings nur, wenn man bereits an die endliche Kausalität denkt. Wenn dies die einzige Bedeutung von Kausalität ist, würde Hegel allerdings Kausalisten wie Intentionalisten gleichermaßen dafür kritisieren, dass sie beide einer falschen Annahme unterliegen.

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heutigen Argumentationen festgestellt werden, hat doch Mackie selbst gerade in solchen Prozessüberlegungen eine notwendige Erweiterung seiner Bedingungstheorie der Kausalität gesehen. Außerdem tauchen kausalitätstheoretische Fragen in der Begriffslogik wieder auf, wenn es in der Objektivität um den Mechanismus geht. Hierfür müsste zweitens rekonstruiert werden, in welchem Verhältnis das Mechanismuskapitel zu heutigen mechanistischen Kausalitätstheorien steht. Zudem bliebe das Teleologiekapitel zu interpretieren, das die begriffslogische Vervollständigung der Kausalität als causa sui ist. Und insofern heutige Ansätze prinzipiell bereits eine Kausalitätstheorie für Raum-Zeitliches entwickeln, müsste drittens Hegels rein logische Kausalitätstheorie um weitere realphilosophische Teile aus der Naturphilosophie angereichert werden.* Siglen GW Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg,  ff. GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die objektive Logik (/)); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()); GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein ()). E

Baruch de Spinoza. Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt. Neu übersetzt, herausgegeben, mit einer Einleitung versehen von Wolfgang Bartuschat. Lateinisch – Deutsch. Hamburg, .

Literatur Arndt, Andreas, und Günter Kruck, Hgg. . Hegels „Lehre vom Wesen“, Hegel-Jahrbuch Sonderband . Berlin et al. Beebee, Helen, Christopher Hitchcock und Peter Menzies, Hgg. . The Oxford Handbook of Causation. Oxford. Dowe, Phil. . „Causal Process Theories“. In: The Oxford Handbook of Causation, herausgegeben von Beebee, Hitchcock und Menzies,  – . Oxford. Emundts, Dina. . Erfahren und Erkennen. Hegels Theorie der Wirklichkeit. Frankfurt a. M.

 Darauf weist Hüttemann hin, um die Thematisierung der Prozesstheorie Salmons zu motivieren (Hüttemann , ; siehe auch Mackie , ). *Die Ideen dieses Textes habe ich zu verschiedenen Gelegenheiten diskutieren und vorstellen können. Für hilfreiche Anmerkungen, Kritik und Hinweise danke ich: Dina Emundts, Kristina Engelhard, Florian Fischer, Andreas Hüttemann und den TeilnehmerInnen seines Forschungskolloquiums, James Kreines, Ansgar Lyssy, Esther Neuhann, Michael Quante, Tim Rojek, Sebastian Stein, Christopher Yeomans und den Organisatoren und TeilnehmerInnen des InterChair-Kolloquiums in Bonn. Außerdem danke ich einem anonymen Gutachter/ einer anonymen Gutachterin für zahlreiche Hinweise und bereichernde Kritik.

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García-Encincas, María José. . „Transference, or identity theories of causation?“. An International Journal for Theory, History and Foundations of Science :  – . Hart, H.L.A., und Antony Honoré. . Causation in the Law, . Auflage. Oxford. Henrich, Dieter. . „Hegels Logik der Reflexion. Neue Fassung“. In: Die Wissenschaft der Logik und die Logik der Reflexion, Hegel-Studien Beiheft , herausgegeben von Dieter Henrich. Bonn. Houlgate, Stephen. . „Substance, Causality, and the Question of Method in Hegel’s Science of Logic“. In: The Reception of Kant’s Critical Philosophy, herausgegeben von Sally Sedgwick,  – . Cambridge. Hüttemann, Andreas. . Ursachen. Berlin et al. König, Edmund. . Die Entwickelung des Causalproblems in der Philosophie seit Kant. Leipzig. Kreines, James. . Reason in the World. Hegel’s Metaphysics and its Philosophical Appeal. Oxford. Mackie, John L. . The Cement of the Universe. A Study of Causation. Oxford. McTaggart, John McTaggart Ellis. . A Commentary on Hegel’s Logic. Cambridge. Meyer, Thomas, und Michael Quante. . „Metaphysische und askriptivistische Aspekte der Verantwortlichkeit“. In: Handbuch Handlungstheorie. Grundlagen, Kontexte, Perspektiven, herausgegeben von Michael Kühler und Markus Rüther,  – . Stuttgart. Oddie, Graham. . „Armstrong on the Eleatic Principle and Abstract Entities“. Philosophical Studies: An International Journal for Philosophy in the Analytic Tradition :  – . Paul, L.A. . „Aspect Causation“. The Journal of Philosophy :  – . Quante, Michael. . „The Logic of Essence as Internal Reflection“. In: The Oxford Handbook of Hegel, herausgegeben von Dean Moyar,  – . Oxford. Russell, Bertrand. /. „On the Notion of Cause“. Proceedings of the Aristotelian Society New Series :  – . Sandkaulen, Birgit. . „Die Ontologie der Substanz, der Begriff der Subjektivität und die Faktizität des Einzelnen. Hegels reflexionslogische ‚Widerlegung‘ der Spinozanischen Metaphysik“. Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus/International Yearbook of German Idealism :  – . Schopenhauer, Arthur. [] . Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. Eine philosophische Abhandlung. Band  der Werke in fünf Bänden, nach den Ausgaben letzter Hand herausgegeben von Ludger Lütkehaus,  – . Zürich. Sieg, Ulrich. . Aufstieg und Niedergang des Marburger Neukantianismus. Die Geschichte einer philosophischen Schulgemeinschaft. Würzburg. Stekeler-Weithofer, Pirmin. . Hegels Analytische Philosophie. Die Wissenschaft der Logik als kritische Theorie der Bedeutung. Paderborn. Vetö, Miklos. . „Les métamorphoses de la causalité dans la logique de Hegel“. Revue Philosophique De Louvain ,:  – . Whittle, Ann. . „A Defense of Substance Causation“. Journal of the American Philosophical Association ,:  – . Yeomans, Christopher. . Freedom and Reflection. Hegel and the Logic of Agency. Oxford.

Arno Schubbach DER ‚BEGRIFF DER SACHE‘ Kants und Hegels Konzeptionen der Darstellung zwischen Philosophie, geometrischer Konstruktion und chemischem Experiment A B S T R A C T In the “Preface” to the Phenomenology of Spirit, Hegel conceives ‘speculative exposition’ as the mode of treatment particular to philosophy and as the only mode adequate to its real subject, the true as a whole. Nevertheless, it has rarely been noticed that Hegel uses the terms ‘spekulative Darstellung’ and thereby makes a connection with Kant’s analysis of the ‘Darstellung’ of concepts in mathematics. The present article demonstrates that Hegel builds on the basic traits of Kant’s analysis and discusses how he expands the concept of ‘Darstellung’. He subjects mathematical proof and its truth to criticism and disputes the philosophical premises of Kant’s understanding of it. In contrast to geometrical construction resulting from the acts of the geometrician, Hegel wants ‘spekulative Darstellung’ to be understood as grasping the real structure of an empirical process. He therefore transforms ‘Darstellung’ in view of his speculative thesis of the reality of the concept. The development of the chemical practice around  and its new conception of the production (Darstellung) of a substance plays a paradigmatic role in this transformation, as the article proves by drawing on Hegel’s drafts on natural philosophy from his Jena period.

Die Phänomenologie des Geistes ist kein einladendes Buch. Zum Ruf von Hegels Werk, unzugänglich und schwer verständlich zu sein, trägt nicht nur seine so eigentümliche wie anspruchsvolle Sprache bei. Es gibt sich auch selbst abweisend, wenn es seinen Leser/inne/n bereits auf der ersten Seite erklärt, ihren Vorstellungen keineswegs entgegenzukommen, sondern sie in Bewegung versetzen zu wollen. Die „Vorrede“ verweigert sich so der mutmaßlichen Erwartung, durch „eine historische A n g a b e der Tendenz und des Standpunkts, des allgemeinen Inhalts und der Resultate“ des Buchs eine grobe Orientierung zu erhalten, und begründet dieses brüske Gebaren im Verweis auf das der Philosophie eigene Vorgehen: Dies „kann nicht für die Art und Weise gelten, in der die philosophische Wahrheit darzustellen sey“ (GW : ). Bereits in den ersten Sätzen der Phänomenologie des Geistes rückt damit nicht nur eine Reflexion auf das Verhältnis des philosophischen Textes zu seinen Leser/inne/n ins Zentrum, sondern auch das Verhältnis zu seinem Gegenstand, die Wahrheit, sowie die ihr angemessene Form der Darstellung. Es geht um nichts Geringeres als die „Darstellung der Philosophie selbst“ (GW : ). Die programmatischen wie verdichteten Erörterungen der „Vorrede“ haben seit dem Erscheinen des Textes  große Aufmerksamkeit erfahren. Die Grundzüge der Argumentation sind bekannt und wurden in der Literatur aus-

Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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ARNO SCHUBBACH

führlich diskutiert. Nach Hegel lässt sich die Philosophie erstens weder anhand ihrer anfänglichen Grundsätze fassen noch in ihren Resultaten resümieren, da sie wesentlich in ihrer „Ausführung“ besteht. Dies begründet Hegel zweitens mit Bezug auf den Gegenstand der Philosophie. Vereinfacht gesagt, bestimmt sich dieser Gegenstand als die Ordnung des Begriffs, der die objektive Wirklichkeit wie die subjektive Erfahrung umfasst und wechselseitig aufeinander bezieht, worin aufgrund der immer wieder auftretenden Nichtidentität der Gegenstände gegenüber der Vorstellung die Dynamik einer fortschreitenden wechselseitigen Bestimmung angelegt ist. Hegel spricht in diesem Sinne von der „Selbstbewegung des Begriffes“ (GW : ), in der sich die Ordnung der Wirklichkeit und das Selbstverständnis des Menschen historisch entfalten und in der sich das Allgemeine und Ganze sowie das Besondere und Einzelne fortschreitend miteinander verschränken. Dass die Philosophie wesentlich in ihrer Aus- und Durchführung besteht, begründet sich darin, dass sie diese historische Entwicklung nachvollziehen muss, um deren inhärente logische Struktur herauszuarbeiten. Hegels „Vorrede“ verbindet diese Erörterung des Gegenstands der Philosophie drittens mit einer anspruchsvollen Reflexion auf die angemessene Form des Philosophierens. Die Literatur hat dabei vor allem seine Theorie des „speculativen Satz[es]“ (GW : ) ins Zentrum gestellt, die sich scharf von einer traditionellen grammatisch-logischen Analyse des Satzes nach der Maßgabe des Urteils abhebt. Denn die Struktur von Subjekt und Prädikat teilt alle Veränderung den Prädikaten zu, die der Voraussetzung nach dem unveränderten oder zugrundeliegenden Subjekt zugeschrieben werden. Eine solche Form der Darstellung ist aber der ‚Selbstbewegung des Begriffes‘ nicht angemessen, die sich gerade dann zeigt, wenn sich der Gegenstand von seiner Identität in der bisherigen Ordnung von Wirklichkeit und Erfahrung zu unterscheiden beginnt und daher eine Transformation dieser Ordnung resp. des Begriffs selbst hervorruft. Hegel wählt daher eine andere Form der Darstellung, die „speculative Darstellung“ (GW : ), in der das methodische Vorgehen der

 Vgl. einleitend zur „Vorrede“ Siep (,  – ) und Stekeler (,  – ).  In der Philosophie, so Hegel, gilt, „die Sache ist nicht in ihrem Z w e c k e erschöpft, sondern in

ihrer A u s f ü h r u n g , noch ist das R e s u l t a t das w i r k l i c h e Ganze, sondern es zusammen mit seinem Werden; der Zweck für sich ist das unlebendige Allgemeine, wie die Tendenz das bloße Treiben, das seiner Wirklichkeit noch entbehrt, und das nakte Resultat ist der Leichnam, der die Tendenz hinter sich gelassen“ (GW :  f.).  „Der D o g m a t i s m u s der Denkungsart im Wissen und im Studium der Philosophie ist nichts anderes, als die Meynung, daß das Wahre in einem Satze, der ein festes Resultat oder auch der unmittelbar gewußt wird, bestehe. […] Aber die Natur einer solchen sogenannten Wahrheit ist verschieden von der Natur philosophischer Wahrheiten.“ (GW : )  Vgl. die ganze Passage GW :  – , bes. : „Indem der Begriff das eigene Selbst des Gegenstandes ist, das sich als s e i n We r d e n darstellt, ist es nicht ein ruhendes Subject, das unbewegt die Accidenzen trägt, sondern der sich bewegende und seine Bestimmungen in sich zurücknehmende Begriff.“

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Philosophie mit ihrem Gegenstand unauflöslich miteinander verknüpft und zugleich in ein herausforderndes Verhältnis zu ihren Leser/inne/n gesetzt wird. Trotz der Prominenz dieser Ausführungen blieb in der Literatur weitgehend unbemerkt, dass Hegel diese Reflexionen auf das Philosophieren, sein eigenes Vorgehen und sein Verhältnis zum Gegenstand mit dem Begriff der Darstellung verknüpft. Er spricht nicht nur von der Bestimmtheit der philosophischen Gegenstände, die im „Daseyn“ bzw. in der Wirklichkeit „ihre einheimische und eigenthümliche Selbsterzeugung und Darstellung“ (GW : ) hat. Dieser Prozess soll in der entsprechenden „Darstellung der dialektischen Bewegung des Satzes“ (GW : ) offenbar auch aufgenommen werden und zum Ausdruck kommen. ‚Darstellung‘ ist heute vielleicht ein zu verbreitetes Allerweltswort, als dass diese Formulierungen bei Hegels Interpreten systematische oder historische Neugier erwecken konnten. Zu Hegels Zeit handelt es sich jedoch um einen neuen, markanten Begriff, der erst durch Kant eingeführt wurde und in der nachkantischen Philosophie rasch Verbreitung fand. Er kann geradezu als Schlüsselbegriff der nachkantischen Reflexion auf das Vorgehen der Philosophie gelten und findet sich in diesem Zusammenhang unter anderem auch bei Fichte und Schelling, wo er ebenso stets die Notwendigkeit sowohl der Ausführung als auch des Nachvollzugs der Philosophie akzentuiert und zudem mit dem durch Reinhold initiierten Versuch verbunden ist, die Philosophie als eine systematische Wissenschaft zu begründen (vgl. Hoffmann ,  – ). Mit der Rede von ‚Darstellung‘ sind um  also durchaus große systematische Einsätze verbunden, weshalb Thomas Sören Hoffmann auch eine „darstellungsphilosophische Wende“ der Philosophie dieser Zeit beobachten kann, die sich von der Leibniz-Wolff’schen Philosophie der Vorstellung abwende und damit den Weg über Hegels Philosophie bis in die Hermeneutik des . Jahrhunderts eröffne (vgl. Hoffmann , ). Da die philosophiehistorische Forschung dem Begriff der Darstellung nicht die seiner Bedeutung entsprechende Aufmerksamkeit schenkte, wurde aber nicht nur die mit ihm verbundene Reflexion auf das philosophische Vorgehen nicht hinreichend gewürdigt. Es wurde zugleich außer Acht gelassen, dass die Philosophie, wo sie auf die ihr eigene Form der Darstellung reflektiert, stets auch auf andere

 Entsprechend findet der Begriff der Darstellung auch in Handbüchern zu Hegels Philosophie keine Berücksichtigung, vgl. exemplarisch Cobben et al. (), Jaeschke () oder Sandkühler (). Dasselbe gilt für einschlägige Monographien zur Phänomenologie des Geistes wie die bereits zitierten Darstellungen von Siep () oder Stekeler (). Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet Hoffmann (, bes.  – ).  Was gerade auch für diejenigen gilt, die Hegels Begriff der Darstellung unreflektiert übernehmen und ihn allzu rasch mit der quasi-logischen Methodik der Dialektik engführen, vgl. Puntel (), Röttges (), Claesges () und Werner ().  Vgl. Hoffmann (); mit Bezug auf die Kritik der Urteilskraft Menninghaus (); sowie mit Bezug auf die Kritik der reinen Vernunft Schubbach ().

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Praktiken des Darstellens zu sprechen kommt. Kant hat den Terminus eingeführt, um die mathematische Methodik zu charakterisieren und der Philosophie Grenzen aufzuweisen. Es ist demnach allein die Mathematik, die von Begriffen ausgeht und sich ihnen entsprechende Anschauungen auf dem Wege der Konstruktion oder Darstellung verschafft: „So konstruiere ich einen Triangel, indem ich den diesem Begriffe entsprechenden Gegenstand […] darstelle.“ (AA III: ) Dadurch gewinnt die Mathematik Erkenntnis über ihre Begriffe, was der Philosophie verwehrt bleibt, weil sie mit Begriffen arbeitet, die sie nicht darzustellen vermag. Kant beabsichtigt durch diesen Vergleich zweierlei: Er möchte die überkommenen Ansprüche der Philosophie, metaphysische Behauptungen wie die Existenz Gottes beweisen zu können, infrage stellen und zugleich die methodische Selbständigkeit der Philosophie gegenüber dem traditionellen Ideal der mathematischen Erkenntnis behaupten. Hegel knüpft in der „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes an Kant insofern an, als auch er auf der methodischen Eigenständigkeit der Philosophie gegenüber der Mathematik und ihren Verfahren besteht. Er tut dies jedoch, indem er anders als Kant eine „philosophische Darstellung“ der Begriffe konzipiert, die die Darstellung der „ m a t h e m a t i s c h e n Wahrheiten“ (GW : ) übertreffen und die kritische Begrenzung der Erkenntnis durch die kantische Philosophie überwinden soll. Hegel bezieht sich dabei gleich auf verschiedenen Ebenen auf Kant. Er entwickelt seine Konzeption der ‚philosophischen Darstellung‘, so die erste These des vorliegenden Beitrags, im Rückgriff auf die kantischen Grundbestimmungen des Begriffs. Er schärft diese Konzeption durch den Vergleich mit der Darstellung in der Mathematik, wozu er auf Kants Analyse des geometrischen Beweises Bezug nimmt und zugleich die philosophischen Grundlagen von Kants Verständnis der Darstellung infrage stellt. Wenn Hegel dafür argumentiert, dass die Philosophie gerade aufgrund ihrer Form der Darstellung die Mathematik übertrifft, dann löst er die philosophische Darstellung, so die zweite These des vorliegenden Beitrags, dennoch nicht gänzlich von jeglicher Reflexion auf Praktiken des Darstellens in anderen Wissenschaften. Vielmehr wählt er neue Bezugspunkte und orientiert sich an der chemischen Darstellung von Stoffen. Es ist diese zeitgenössische wissenschaftliche Praxis des Darstellens, die er sich philosophisch zu eigen macht, weil sie  Dabei spielen neben den im Folgenden behandelten wissenschaftlichen auch künstlerische Praktiken des Darstellens eine wesentliche Rolle. Im Falle der literarischen Praxis der Darstellung und der Theoriebildung in der Poetik wurde diese Verbindung in den Literaturwissenschaften, wenn auch kaum mit Blick auf die Philosophie, ausführlich erforscht, vgl. neben Menninghaus () vor allem Stahl (), Heuer (), Gasché (), Helfer (), Campe (), Mülder-Bach (), Schlenstedt () und Bahr ().  Hegel sagt so vom „mathematischen Erkennen“, dass es „das unphilosophische Wissen als das Ideal ansieht, das zu erreichen die Philosophie anstreben müßte, bisher aber vergeblich gestrebt habe“ (GW : ).

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anders als Kants mathematische Konstruktion eine empirische und eine realistische Umdeutung des Begriffs der Darstellung erlaubt und damit Hegels Theorie der philosophischen ‚spekulativen Darstellung‘ bekräftigt. Diese vielschichtige Argumentation für die spekulative Darstellung der Philosophie in der „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes wird im vorliegenden Artikel schrittweise erschlossen. Es werden dazu Kants und Hegels Konzeptionen der Darstellung systematisch verglichen und ihre Bezüge zu einer jeweiligen paradigmatischen wissenschaftlichen Praxis des Darstellens untersucht. Im ersten Abschnitt soll zunächst der kritische Anschluss von Hegels Theorie der philosophischen Darstellung an Kants Konzeption der mathematischen Darstellung nachgewiesen werden. Ich werde dazu auf die Grundzüge des kantischen Darstellungsbegriffs eingehen, die Kant in seiner Deutung der Geometrie einführt und auch Hegels Theorie der spekulativen Darstellung prägen, und zugleich Hegels kritische Erörterung der mathematischen Darstellung diskutieren, die ihm als Baustein für seine spekulativ-realistische Umdeutung der philosophischen Darstellung des Begriffs dient. Im zweiten Abschnitt werde ich darüber hinaus zu zeigen versuchen, dass Hegels Transformation von Kants Darstellungsbegriff auch mit einer Verschiebung der paradigmatischen Wissenschaft einhergeht und mit der Deutung der chemischen Darstellung von Stoffen in den naturphilosophischen Entwürfen aus der Zeit vor der Phänomenologie des Geistes im Zusammenhang steht. Der abschließende Abschnitt wird eine zentrale systematische Konsequenz diskutieren: den Realismus von Hegels philosophischer Darstellung. I. Philosophische Rekurse: Kants geometrische und Hegels spekulative Darstellung Mit Blick auf die Grundbestimmungen der spekulativen Darstellung des Begriffs in der Philosophie diskutiert Hegel in der bereits herangezogenen Passage der „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes unter anderem die „ m a t h e m a t i s c h e n Wahrheiten“ (GW : ). Während die kurz gestreiften „ h i s t o r i s c h e n  Was der vorliegende Artikel dagegen nicht leisten kann, ist die Geschichte des Darstellungsbegriffs in der Zeit um  zu schreiben, wozu es nötig wäre, die Entwicklung des Begriffs in Kants Schriften, insbesondere in der Kritik der Urteilskraft, sowie in den Schriften Fichtes, Schellings und vieler anderer einzubeziehen. Dies bleibt jedoch ein Desiderat der philosophiehistorischen Forschung, vgl. die zutreffende Einschätzung in Bowman (,  Anm. ). Das durch den Schweizerischen Nationalfonds geförderte Projekt „Begriffe und Praktiken der Darstellung in Philosophie, Chemie und Malerei um “ nimmt diese Herausforderung an, den Begriff der Darstellung von Kant bis Hegel historisch zu verfolgen und die mit ihm verbundenen systematischen Einsätze herauszuarbeiten. In diesem Zusammenhang ist auch der vorliegende Artikel entstanden.  In der Erörterung der ‚spekulativen Darstellung‘ setzt sich Hegel aber nicht nur mit Kants Einführung, sondern auch mit Schellings Fortführung des Darstellungsbegriffs kritisch auseinander. Auf die Kritik der Mathematik folgt in der „Vorrede“ so eine Polemik gegen Schellings Naturphi-

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Wahrheiten […] das einzelne Daseyn, einen Inhalt nach der Seite seiner Zufälligkeit und Willkühr, Bestimmungen desselben, die nicht nothwendig sind, betreffen“ (GW : ), formulieren die ‚mathematischen Wahrheiten‘ allgemeingültige Zusammenhänge, ohne dass sie als empirische Verallgemeinerungen auszuweisen wären. Denn Hegel erklärt mit Bezug auf den Satz des Pythagoras, dass in der Mathematik „die Kenntniß, die einer durch Messung vieler rechtwinklichter Dreyecke sich erwürbe, daß ihre Seiten das bekannte Verhältniß zu einander haben, für unbefriedigend gehalten“ (GW : ) würde. Die mathematische Wahrheit bspw. des Satz des Pythagoras beruhe vielmehr darauf, dass das „rechtwinklichte Dreyeck“ genau „in der Construction dargestellt wird, die für den Beweis des Satzes, der sein Verhältniß ausdrückt, nöthig ist“ (GW : ). Hegel setzt offenbar voraus, dass der Mathematiker anhand einer einzelnen, konstruierten geometrischen Figur einen allgemeinen Sachverhalt beweisen kann. Wie dies möglich ist, ist aber nicht nur keine banale Frage. Es ist auch gerade diejenige Frage, die Kant mit seiner Konzeption der geometrischen Darstellung zu beantworten versucht hatte. Denn Kant behauptet mit Bezug auf das Beispiel des Dreiecks, dass der Geometer „durch eine Kette von Schlüssen, immer von der Anschauung geleitet“ (AA III: ), allgemeine Aussagen zu beweisen vermag, insofern er seine Begriffe – wie zum Beispiel den des Dreiecks – in der Anschauung darzustellen und damit „das Allgemeine im Besonderen, ja gar im Einzelnen“ (AA III: ) zu sehen vermag. Es ist diese Vermittlung von Begriff und Anschauung, von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem, an die die nachkantische Philosophie mit dem Begriff der Darstellung anschließt und die sie mit dem Begriff der Darstellung für sich in Anspruch nimmt. Denn das Unterfangen, im Einzelnen Allgemeines zu sehen und das Einzelne als Darstellung eines Ganzen zu verstehen, ist eine zentrale Herausforderung der nachkantischen Systeme. Kant hatte mit losophie und ihren angeblich „tabellarischen Verstand“ (GW : ). Hegel macht die kritischen und polemischen Bezüge dieser Debatte hier nicht explizit, sie finden sich aber in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften von  ausgeführt: „Nachdem durch Kant die Vorstellung in Umlauf gebracht worden war, daß die Mathematik ihre B e g r i f f e c o n s t r u i r e , was hier nichts anders heißt, als daß sie k e i n e B e g r i f f e hat, sondern abstracte Bestimmungen in s i n n l i c h e n A n s c h a u u n g e n darstellt, – so ist die Angabe s i n n l i c h e r , aus der Wa h r n e h m u n g aufgegriffener Bestimmungen mit Umgehung des Begriffs, und der Formalismus, philosophische und wissenschaftliche Gegenstände nach einem vorausgesetzten Schema tabellarisch, übrigens nach Willkühr und Gutdünken, zu classificiren, – eine C o n s t r u c t i o n d e r B e g r i f f e genannt worden. Es liegt dabey eine dunkle Vorstellung der I d e e , der Einheit d e s B e g r i f f s u n d d e r O b j e c t i v i t ä t , zu Grunde. Aber jenes Spiel des sogenannten Construirens ist weit entfernt diese E i n h e i t darzustellen, die nur der B e g r i f f als solcher ist.“ (GW :  – ) Dies ist nichts anderes als die Aufgabe von Hegels ‚spekulativer Darstellung‘, die in dieser Hinsicht mit Schelling in Konkurrenz tritt um das Erbe von Kants Konzeption der Darstellung.  Die Entwicklung und die Herausforderungen des Holismus der nachkantischen Systeme rekonstruiert Paul W. Franks vor allem mit Bezug auf die innerphilosophischen Debatten. Er stößt dabei kaum zufällig auch auf die mathematische Darstellung als die konstruktive Form der Vermittlung von

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Bezug auf die Mathematik geradezu beiläufig eine Konzeption des Verhältnisses von Begriff und Anschauung, von Allgemeinem und Besonderem entwickelt, die in der nachkantischen Reflexion auf das philosophische Vorgehen und das Selbstverständnis der Philosophie eine zentrale Rolle einnehmen sollte. A. Die geometrische Darstellung nach Kant Kants Überlegungen zur Darstellung von Begriffen finden sich in der „Transzendentalen Methodenlehre“ der Kritik der reinen Vernunft im Abschnitt „Die Disziplin der reinen Vernunft“. Sie stehen also im Zusammenhang seines Versuchs, der philosophischen Erkenntnis Grenzen aufzuweisen, und vergleichen zu diesem Zweck das philosophische Vorgehen mit dem der Mathematik. Die Philosophie hat so Kant zufolge mit der Mathematik gemein, dass ihre Erkenntnis wesentlich auf Begriffe abzielt. Sie verfügt aber nicht über den Begriffen entsprechende Anschauungen, die sich die Geometrie auf dem Wege der Konstruktion verschafft. Diese Darstellung der Begriffe in der Anschauung ist somit ein Privileg der Mathematik: „Die p h i l o s o p h i s c h e Erkenntnis ist die Ve r n u n f t e r k e n n t n i s aus B e g r i f f e n , die mathematische aus der C o n s t r u c t i o n der Begriffe. Einen Begriff aber c o n s t r u i e r e n , heißt: die ihm correspondirende Anschauung a priori darstellen.“ (AA III: ) In der Darstellung kommen demnach Anschauung und Begriff zusammen, was sie prinzipiell als eine mögliche Erkenntnis qualifiziert. Denn die Synthese von Begriff und Anschauung ist für Kant stets die notwendige Grundlage jeder Erkenntnis, sie nimmt in der mathematischen Erkenntnis und ihrem Umgang mit Begriffen und Anschauungen aber eine spezifische Form an. Anders als in der objektiven und empirischen Erkenntnis soll sie nämlich nicht das in der Anschauung gegebene Einzelne bestimmen, indem es unter den allgemeinen Begriff gebracht wird, denn das Geschäft des Mathematikers besteht nicht darin, vorgefundene Formen als Dreiecke zu klassifizieren. Vielmehr gewinnt er Erkenntnisse über den Begriff des Dreiecks, indem er Dreiecke konstruiert. Die Einheit von Begriff und Anschauung resultiert in der Darstellung somit nicht in der Bestimmung des in der Anschauung gegebenen Einzelnen, sondern hat den Zweck, den Begriff und seine Eigenschaften in der einzelnen Figur zu veranschaulichen und zu

Allgemeinem und Besonderem. Dass Salomon Maimon ihre Grenzen aufweist, ist für die Fortbildung des Darstellungsbegriffs im ‚deutschen Idealismus‘ von erheblicher Bedeutung (vgl. Franks ,  – ).  Die folgende Deutung Kants findet sich weiter ausgeführt in Schubbach (). In diesem Text findet sich auch die nötige Verortung der hier vertretenen Deutung in der bereits älteren Debatte über diese Passage in der Philosophie der Mathematik.

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verhandeln: Am einzelnen Dreieck sollen allgemeine Eigenschaften des Begriffs des Dreiecks aufgewiesen werden. Warum und wie es möglich ist, anhand eines einzelnen Dreiecks Erkenntnisse über alle möglichen Dreiecke zu gewinnen, stand aber spätestens seit Locke zur Debatte. Kant formuliert seine Lösung wie folgt: „Die einzelne hingezeichnete Figur ist empirisch, und dient gleichwohl, den Begriff unbeschadet seiner Allgemeinheit auszudrücken, weil bei dieser empirischen Anschauung immer nur auf die Handlung der Construction des Begriffs […] gesehen“ (AA III: ) wird. Kant geht somit davon aus, dass die mathematische Konstruktion einer Regel folgt, die im geometrischen Begriff gegeben ist, und der Mathematiker die Konstruktion ausführt, um anhand der entstehenden Figur auf die ‚Handlung‘ und die Regel der Konstruktion und damit den geometrischen Begriff zu reflektieren. Indem Kant die Konstruktion als Ausdruck einer ‚Handlung‘ des Subjekts deutet, ordnet er sie zum einen in den allgemeinen Rahmen seiner Theorie der Erkenntnis ein, in der jede Erkenntnis letztlich auf der Handlung der Synthesis beruht. Zum anderen versucht er innerhalb dieses Rahmens die euklidische Methodik zu fassen, die seit der Frühen Neuzeit zunehmend von der syllogistischen Schlussweise unterschieden und als konstruktive wie anschauliche Demonstration verstanden wurde. Dieser Versuch mag auf den ersten Blick recht harmlos scheinen, erweist sich jedoch bereits in Kants Text und mehr noch mit Blick auf die Anschlüsse in der nachkantischen Philosophie als ein ausgesprochen folgenreiches Unterfangen. Mit Blick auf Hegels Diskussion des mathematischen Beweises und seine Theorie der spekulativen Darstellung in der „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes möchte ich vier Charakteristika und Konsequenzen von Kants Konzeption der Darstellung skizzieren. Erstens ist Darstellung ein reflektierter Vollzug. Kants Konzeption der Darstellung beruht wesentlich darauf, dass die Darstellung als tatsächlicher, reflektierter Vollzug der Konstruktion in der Anschauung zu begreifen ist. Damit ist nicht  Vgl. dazu schon Beth (/). Ich arbeite diesen historischen Zusammenhang anhand des durchgängigen Beispiels des Dreiecks in einer in Arbeit befindlichen ausführlicheren Publikation auf.  Vgl. zum Begriff der Handlung in Kants Philosophie bspw. den Sammelband von Prauss (). Der Beitrag von Rüdiger Bubner (, bes.  – ) führt ein in die transzendentalphilosophische Dimension der Handlung in der Kritik der reinen Vernunft, während Volker Gerhardt (, bes.  – ) der mit der Mechanik verbundenen Auffassung des Begriffs sowohl in den vorkritischen Texten als auch in der Kritik der reinen Vernunft nachgeht.  Vgl. zur Differenzierung der euklidischen Methodik von der aristotelischen Syllogistik seit der Frühen Neuzeit und ihre Aufwertung im . und . Jahrhundert Schüling (, bes.  –  und  – ). In der Philosophie der Aufklärung gerät die geometrische Methode des Beweises durch Konstruktion in der Anschauung aber zugleich in Konkurrenz zum Kalkül von Arithmetik und Algebra (vgl. Arndt , bes.  – ). Kant orientiert sich in der Kritik der reinen Vernunft jedoch nicht mehr wie in den vorkritischen Schriften im Anschluss an Leibniz und Wolff an Arithmetik und Algebra, sondern konzipiert die Darstellung im entschiedenen Bezug auf die Geometrie und den euklidischen Beweis (Schubbach ,  – ).

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gemeint, dass die Darstellung – wie alle Erfahrung im Sinne Kants – mit Bezug auf die ‚Handlung‘ der Synthesis zu begreifen ist, durch die sie zuallererst zustande kommt. Darstellung ist nämlich nicht als bloßes Resultat einer solchen ‚Handlung‘ zu begreifen, wie es im Falle der Anschauung eines Gegenstands oder der empirischen Erkenntnis erscheinen kann. Sie basiert vielmehr darauf, dass die Konstruktion tatsächlich vollzogen und anhand der entstehenden Anschauung zugleich auf ihre allgemeine Regel reflektiert wird. Ohne diesen gleichzeitigen Vollzug von Konstruktion und Reflektion ist der eigentliche Gegenstand der Darstellung, der allgemeine Begriff, nicht zu fassen. Er fällt vielmehr zurück auf den Gegenstand der Anschauung, dieses Dreieck, das unter den allgemeinen Begriff des Dreiecks fallen mag, ihn aber keineswegs darstellt. Die Darstellung ist nur im reflektierenden Vollzug oder Nachvollzug der Konstruktion anhand der Anschauung möglich. Zweitens vermittelt Darstellung Begriff und Anschauung, indem sie Allgemeines konkretisiert, um das Einzelne zu verallgemeinern. Der Mathematiker konstruiert eine Anschauung, um auf die Handlung der Konstruktion zu reflektieren. Diese Handlung besteht darin, ausgehend von einem mathematischen Begriff eine Anschauung hervorzubringen, die diesem Begriff entsprechen soll. Diese Anschauung ist daher keine einzelne und isolierte Vorstellung. Sie ist von vornherein eingebunden in die Reflexion auf den Zusammenhang und die Handlung der Konstruktion, deren Verfahren im darzustellenden Begriff gegeben ist (vgl. Shabel , ). Der anschauliche Gegenstand erscheint somit im Horizont dieses Verfahrens und im Lichte des allgemeinen Begriffs. Weil diese Anschauung vermittels des Begriffs betrachtet wird, kann anhand oder vermittels ihres einzelnen Gegenstands zugleich der allgemeine Begriff veranschaulicht werden, der sich die Konstruktion verdankt. Im Vollzug der Darstellung werden somit Begriff und Anschauung wechselseitig vermittelt und die Anschauung eines Gegenstands gewinnt die ‚Allgemeingültigkeit‘, die die Voraussetzung ist für den mathematischen Beweis: Zur Construction eines Begriffs wird also eine nichtempirische Anschauung erfordert, die folglich, als Anschauung, ein einzelnes Object ist, aber nichts destoweniger, als die Construction eines Begriffs (einer allgemeinen Vorstellung) Allgemeingültigkeit für alle mögliche Anschauungen, die unter denselben Begriff gehören, in der Vorstellung ausdrücken muß. (AA III: ) Der Begriff wird somit zum einen in der konstruierten Figur konkretisiert und spezifiziert. Zum anderen wird diese Figur im Zuge der Reflektion auf die Regel ihrer Konstruktion verallgemeinert, da sie bestimmte Eigenschaften des Begriffs des Dreiecks vor Augen führt, die auch für alle anderen Dreiecke gültig sind, während zugleich von allen Eigenschaften abgesehen wird, die nur diesem besonderen

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Dreieck zufällig zukommen. Da die einzelne, konstruierte Figur allgemeine Eigenschaften innerhalb der Anschauung aufweist, gewinnt sie eine gewisse ‚Allgemeingültigkeit‘ für andere Figuren, ohne sich wie der Begriff auf diese anderen Figuren über gemeinsame definierende Attribute zu beziehen. Drittens geht Darstellung über Vorstellung hinaus. Die vorangehenden Ausführungen sollten deutlich gemacht haben, dass die Darstellung nicht als Vorstellung im Sinne Kants begriffen werden kann. Sie entspricht keinem Typ der Vorstellung, wie Kant sie in seinen Definitionen benennt und aufführt: Sie ist weder eine Anschauung, die sich unmittelbar auf einen einzelnen Gegenstand bezieht, noch ein Begriff, der sich mittelbar auf die Gegenstände bezieht, die er vermittels gemeinsamer und definierender Attribute unter sich subsumiert. Es handelt sich aber vor allem deshalb um keine Vorstellung, weil wir keine ‚Darstellung haben‘ können und in ihr zugleich auf den ‚dargestellten Gegenstand‘ bezogen sind. Darstellung stellt anders als die Vorstellung keinen stabilen Bezug auf einen Gegenstand her, da sie nur insofern und solange zustande kommt, als die Konstruktion in der Anschauung vollzogen wird. Ohne reflektierten Vollzug oder Nachvollzug einer Konstruktion, die sich der einzelnen Anschauung bedient, stellen wir uns vielleicht ein Dreieck vor, aber es stellt nicht seinen Begriff und Eigenschaften im Allgemeinen dar. Dass Kant mit dem Begriff der Darstellung einen Vollzug konzipiert, der sich der Vorstellungen bedient, um über eine einfache Vorstellung hinauszugehen, begründet sich letztlich darin, dass er hier ein geometrisches Verfahren zu fassen versucht, das von einer hochgradig vermittelten und reflektierten Praxis abhängt. Diese wissenschaftliche Praxis des Darstellens dürfte in termini der Vorstellung jedoch kaum zu fassen sein und führt Kant so über seinen Grundbegriff der Vorstellung hinaus. Viertens ist Darstellung ebenso wenig als Repräsentation wie als Präsentation zu fassen. In der Darstellung werden zum einen eine Anschauung und ihr Gegenstand hervorgebracht, weshalb Kant ‚darstellen‘ im Anschluss an eine seit Luther bekannte Semantik in erster Linie als ‚vor Augen stellen‘ oder präsentieren versteht.  Der bereits zitierte zentrale Satz Kants zur Charakterisierung der Darstellung spricht in diesem Sinne im zweiten, bislang nicht angeführten Teil von ‚Abstrahieren‘: „Die einzelne hingezeichnete Figur ist empirisch und dient gleichwohl, den Begriff unbeschadet seiner Allgemeinheit auszudrücken, weil bei dieser empirischen Anschauung immer nur auf die Handlung der Construction des Begriffs, welchem viele Bestimmungen, z. E. der Größe, der Seiten und der Winkel, ganz gleichgültig sind, gesehen und also von diesen Verschiedenheiten, die den Begriff des Triangels nicht verändern, abstrahiert wird.“ (AA III: )  „Diese [Erkenntnis] ist entweder A n s c h a u u n g oder B e g r i f f (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln, dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann.“ (AA III: )  ‚Darstellen‘ heißt so im Falle von Kants Beispiel des Dreiecks zuallererst, ein einzelnes Dreieck „anschauend [zu] machen“ (AA III: , allerdings mit Bezug auf ein anderes geometrisches Beispiel, der ‚konischen Gestalt‘) oder ‚vor Augen zu stellen‘ (vgl. AA III:  und ). Kant benutzt ‚in der Anschauung darstellen‘ daher mitunter auch ganz allgemein im Sinne von ‚einen Gegenstand geben‘,

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Zum anderen muss die Darstellung jedoch über eine solche Präsentation einzelner Gegenstände hinausgehen, da in der Geometrie ja nicht beliebige einzelne Dreiecke vor Augen gestellt werden sollen, sondern „ihre Begriffe an der reinen Anschauung sofort in concreto dargestellt werden müssen“ (AA III: ). In seiner ‚Allgemeingültigkeit‘ geht die Bedeutung dieses Dreiecks somit über die Präsentation hinaus, ohne dass sie jedoch mit der Repräsentation eines Begriffs gleichzusetzen wäre. Denn die Binnenstruktur von Darstellung und Repräsentation unterscheiden sich scharf voneinander. Im . Jahrhundert wird Repräsentation derart verstanden, dass die Vorstellung eines selbst präsenten Zeichenkörpers auf eine Vorstellung verweist, die sich auf den repräsentierten Gegenstand bezieht. In der Darstellung reduziert sich dagegen weder der Bezug auf das vor Augen gestellte Dreieck noch der durch ihn vermittelte Bezug auf den allgemeinen Begriff auf eine Vorstellung von diesem Dreieck oder seinem allgemeinen Begriff. Denn es ist allein der reflektierte Vollzug der Konstruktion, in dessen Rahmen diese Anschauung ihre allgemeine Bedeutung erhält und an ihr „eine Kette von Schlüssen, immer von der Anschauung geleitet, zur völlig einleuchtenden und zugleich allgemeinen Auflösung der Frage“ (AA III: ) führen kann. Es wird hier somit nicht auf den Begriff als allgemeine Vorstellung verwiesen, er wird vielmehr als Regel der Konstruktion verstanden und kann daher anhand dieses Dreiecks konkret verhandelt werden. Das einzelne Dreieck fungiert also nicht als Verweis und Zeichen für einen Begriff, es veranschaulicht ihn vielmehr und verkörpert ihn geradezu: Das auf das Blatt geworfene Dreieck ist zuallererst ein Dreieck und macht den Begriff, der es als Dreieck bestimmt, in sich anschaulich. Es ist weder von dem zu trennen, worauf es bloß verweisen würde, noch ist es schlicht mit dem identisch, was es als seinen Begriff vor Augen führt. Statt auf die Begrifflichkeit von Präsentation und Repräsentation zurückzugreifen und die Darstellung so allzu leicht misszuverstehen, sollte daher die irritierende Ambiguität in Kants Formulierungen begrifflich ernst genommen werden: Kant spricht von ‚darstellen‘ ebenso mit Blick auf das einzelne Dreieck, das der Mathematiker konstruiert, wie mit Bezug auf den Begriff des Dreiecks, der der Konstruktion die Regel gibt und eigentlicher Gegenstand der geometrischen Erkenntnis ist. Diese Ambiguität lässt sich wohl nur dahingehend auflösen, dass die beiden Aspekte integrale Bestandteile eines Prozesses sind: Dieses

wie zum Beispiel in AA III: . Diese Redeweise ist so unspezifisch wie selten, findet sich aber verteilt über beinahe die ganze Kritik der reinen Vernunft (vgl. z. B. AA III: ,  und ). Vgl. zur lutherschen Semantik die Nachweise im Lemma „Darstellen“ im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Leipzig,  – ), online verfügbar unter http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=darstellen [letzter Aufruf . Juli ].  Expressis verbis unterscheidet Kant die Darstellung vom Zeichen jedoch erst in AA V: . Der Sache nach trifft diese Aussage aber bereits für den Begriff der Darstellung in der Kritik der reinen Vernunft zu.

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einzelne Dreieck wird dargestellt oder vor Augen gestellt, um den Begriff darzustellen oder vor Augen zu führen. An diese kantischen Grundbestimmungen des Darstellungsbegriffs knüpft Hegel in seiner Konzeption der spekulativen Darstellung der Begriffe in der Philosophie an, wie ich im Folgenden zunächst zeigen möchte. Der entscheidende Unterschied von Hegels Konzeption der spekulativen Darstellung und der mit ihr verbundene Vorzug der Philosophie gegenüber der Mathematik wird sodann anhand seiner Kritik an der mathematischen Darstellung und der impliziten Auseinandersetzung mit den philosophischen Voraussetzungen von Kants Begriff der Darstellung deutlich werden. B. Hegels Grundbestimmungen der spekulativen Darstellung und seine Kritik am mathematischen Beweis Die Grundbestimmungen von Hegels spekulativer Darstellung schließen zumindest implizit an Kants maßgebliche Einführung des Begriffs der Darstellung in die philosophische Begrifflichkeit an, wie bereits anhand dreier Aspekte deutlich wird. Erstens ist Darstellung Vollzug. Seit der Einführung des Begriffs durch Kant besteht in der nachkantischen Philosophie bis zu Hegel weitgehend Einigkeit darüber, dass alle philosophische Darstellung wesentlich in ihrer Ausführung besteht und niemals auf ihre Resultate zu verkürzen ist: „[D]ie Sache ist nicht in ihrem Z w e c k e erschöpft, sondern in ihrer A u s f ü h r u n g , noch ist das R e s u l t a t das w i r k l i c h e Ganze, sondern es zusammen mit seinem Werden.“ (GW : ) Zweitens zeigt Darstellung das Allgemeine im Besonderen. Die Darstellung hat bei Hegel wie bei Kant zum Ziel, Begriff und Anschauung resp. Allgemeines, Besonderes und Einzelnes miteinander zu vermitteln. Dies bedeutet nicht nur, dass das Besondere einem Allgemeinen subsumiert und die Anschauung derart begriffen wird. Es heißt bei Hegel wie für Kant, dass der Begriff anschaulich werden bzw. das Allgemeine am Besonderen zu fassen sein muss. In diesem Sinne kulminiert die Darstellung der Wissenschaft der Logik zufolge im „Z e i g e n d e s s e n w a s e s i s t “ .  Weil Hegels Philosophie sich als Darstellung des Begriffs versteht, ist ihr modus operandi trotz aller Privilegierung des Begriffs das Zeigen – diesseits einer simplen dialektischen Mechanik im Sinne von These, Antithese und Synthese und jenseits eines logisch verstandenden Argumentierens, das gerade in der Philosophie des . Jahrhunderts mit der objektiven, materialen und historischen Bestimmung  Vgl. zur Kritik am bloß Allgemeinen exemplarisch GW : .  Im Kontext zitiert: „Es soll aber dargestellt werden, was das Absolute ist; aber diß Darstellen kann

nicht ein Bestimmen noch äussere Reflexion seyn, wodurch Bestimmungen desselben würden, sondern es ist die A u s l e g u n g und zwar die e i g e n e Auslegung des Absoluten, und nur ein Z e i g e n d e s s e n w a s e s i s t . “ (GW : )

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des Begriffs bei Hegel brach und sich stattdessen an seiner formalistischen Bestimmung in der Mathematik orientierte. Drittens setzt sich Darstellung Vorstellung entgegen. Da die Darstellung in ihrem Vollzug keinen Bezug auf einen bestimmten, präsenten oder repräsentierten Gegenstand eröffnet, geht sie prinzipiell über die Vorstellung hinaus. Was weiter oben als Konsequenz von Kants Deutung der Darstellung in der Geometrie erschlossen wurde, ist für Hegel ein wesentliches Konstituens der spekulativen Philosophie und Treibmittel der Darstellung in der Phänomenologie des Geistes: Darstellung findet insbesondere statt, wenn die subjektive Vorstellung als scheinbar gewisser Bezug auf einen fixierten Gegenstand überwunden wird, weil derselbe Gegenstand sich neu und anders bestimmt und sich dadurch der Vorstellung gleichsam entwindet. Im Kapitel „Die Wahrnehmung; oder das Ding und die Täuschung“ heißt es so mit Bezug auf die Vorstellung vom Ding paradigmatisch: „Es ist hiemit die Erfahrung vorhanden, daß das Ding sich f ü r d a s auffassende B e w u ß t s e y n auf eine bestimmte Weise d a r s t e l l t , aber z u g l e i c h aus der Weise, in der es sich darbietet, h e r a u s und i n s i c h r e f l e c t i r t i s t , oder an ihm selbst eine entgegengesetzte Wahrheit hat.“ (GW : ) Für die spekulative Philosophie ist diese Entfaltung des Gegenstands Ausdruck der ‚Selbstbewegung des Begriffes‘ und letztlich das entscheidende Movens der philosophischen Darstellung der Wahrheit in ihrem Werden. Hegels Konzeption nimmt jedoch eine ganz eigene Wendung, weil sie die Darstellung – wie schon im vorangehenden Zitat – zwar auch als einen reflektierenden Vollzug bestimmt, diesen aber nicht mehr wie Kant als Ausdruck einer subjektiven Handlung versteht. Es ist dieser Aspekt, den Hegel in seiner Kritik an der Darstellung und den Beweisen in der Mathematik schärft, indem er das Verhältnis von subjektiver Einsicht und objektivem Gegenstand der mathematischen Erkenntnis ins Zentrum rückt. Er verdächtigt nämlich die Darstellung der mathematischen Wahrheit, vorrangig am Subjekt der Erkenntnis ausgerichtet zu sein, wobei er sich ohne explizite Nennung offenbar auf Kants Konzeption bezieht.  Vgl. GW :  f. und : „Der Gewohnheit an Vorstellungen fortzulauffen, ist die Unterbrechung derselben durch den Begriff eben so lästig, als dem formalen Denken, das in unwirklichen Gedanken hin und her räsonnirt.“ Dies wird mit Bezug auf die Struktur von Satz und Urteil im Sinne von Subjekt und Prädikat weiter erläutert in GW : .  Dies deutet Hegel bereits zu Beginn der „Vorrede“ an, wenn er die Irreduzibilität der ‚Ausführung‘ der Darstellung gegenüber ihrem Resultat mit ihrer Irreduzibiliät gegenüber dem Urteil und seinen subjektiven Maßstäben gleichsetzt und letztere mit Verweis auf das eigene Werden der zu behandelnden Sache begründet: „Solche Bemühungen mit dem Zwecke oder den Resultaten, so wie mit den Verschiedenheiten und Beurtheilungen des einen und des anderen, sind daher eine leichtere Arbeit, als sie vielleicht scheinen. Denn statt mit der Sache sich zu befassen, ist solches Thun immer über sie hinaus, statt in ihr zu verweilen und sich in ihr zu vergessen greifft solches Wissen immer nach einem Andern, und bleibt vielmehr bey sich selbst, als daß es bey der Sache ist und sich in ihr hingibt. – Das leichteste ist, was Gehalt und Gediegenheit hat, zu beurtheilen, schwerer, es zu fassen, das schwerste, was beydes vereinigt, seine Darstellung hervorzubringen.“ (GW : )  Vgl. zum Folgenden die gesamte Passage GW :  – .

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Wenn der Beweis als notwendig begriffen werde für die Wahrheit eines mathematischen Satzes, dann, so Hegels Kritik, lediglich im Sinne einer unerlässlichen Bedingung für die subjektiv empfundene Evidenz: Die We s e n t l i c h k e i t des Beweises hat jedoch auch beym mathematischen Erkennen noch nicht die Bedeutung und Natur, Moment des Resultates selbst zu seyn, sondern in diesem ist er vielmehr vorbey und verschwunden. Als Resultat ist zwar das Theorem e i n a l s w a h r e i n g e s e h e n e s . Aber dieser hinzugekommene Umstand betrifft nicht seinen Inhalt, sondern nur das Verhältniß zum Subject; die Bewegung des mathematischen Beweises gehört nicht dem an, was Gegenstand ist, sondern ist ein der Sache ä u s s e r l i c h e s Thun. (GW : ) Die Behauptung, dass der Beweis ein der Sache ‚äußerliches Tun‘ wäre, nimmt offenbar die kantische Annahme auf, dass die Darstellung des Begriffs als Ausdruck der Handlung des Mathematikers zu sehen ist. Hegel sieht darin insofern eine unangemessene Subjektivierung, als diese Handlung lediglich begründet, wie wir uns von der Gültigkeit einer Behauptung überzeugen. Aus Hegels Sicht beschreibt der Beweis daher allein ein verändertes subjektives Verhältnis zur mathematischen Wahrheit, aber nicht deren eigene Genese. Denn sein Vollzug ist nicht ‚Moment des Resultates selbst‘ in dem Sinne, dass die Wahrheit des Theorems selbst vom Beweis abhängt und genauer noch erst aus ihm hervorgeht: ‚Die Bewegung des mathematischen Beweises gehört nicht dem an, was Gegenstand ist‘. Offenbar ist dies Hegels Kriterium für eine anspruchsvolle Darstellung von Wahrheiten: Der Gegenstand und seine Wahrheit müssen in der Bewegung der Darstellung ihre Genese haben. Dass der mathematische Beweis eine solche Darstellung nicht zustande zu bringen vermag, führt Hegel in zweierlei Hinsicht aus. Zum einen seien die Beweisschritte nicht durch eine Beweisidee motiviert und erscheinen insofern nicht von vornherein durch einen der Sache eigenen Zweck beherrscht, sodass die Evidenz des Beweises sich erst einstelle, nachdem einer Vorschrift ohne Verständnis gefolgt wurde. Zum anderen bedient sich der Mathematiker dabei oft der Hilfskonstruktionen, die im Gegenstand des Beweises weder enthalten noch in ihm  „Was das Erkennen betrifft, so wird vors erste die Nothwendigkeit der Construction nicht eingesehen. Sie geht nicht aus dem Begriffe des Theorems hervor, sondern wird geboten, und man hat dieser Vorschrift, gerade diese Linien, deren unendliche andere gezogen werden könnten, zu ziehen, blindlings zu gehorchen, ohne etwas weiter zu wissen, als den guten Glauben zu haben, daß diß zu Führung des Beweises zweckmäßig seyn werde. Hintennach zeigt sich denn auch diese Zweckmäßigkeit, die deßwegen nur eine äusserliche ist, weil sie sich erst hintennach, beym Beweise, zeigt. – Ebenso geht dieser einen Weg, der irgendwo anfängt, man weiß noch nicht in welcher Beziehung auf das Resultat, das herauskommen soll. Sein Fortgang nimmt d i e s e Bestimmungen und Beziehungen auf, und läßt andre liegen, ohne daß man unmittelbar einsehe, nach welcher Nothwendigkeit; ein äusserer Zweck regiert diese Bewegung.“ (GW :  f.)

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angelegt sind. Sie motivieren sich nicht in der Wahrheit der Sache, sondern in der Produktion einer Evidenz: „So zerlegt sich die Natur des rechtwinklichten Dreyecks nicht selbst so, wie es in der Construction dargestellt wird, die für den Beweis des Satzes, der sein Verhältniß ausdrückt, nöthig ist; das ganze Hervorbringen des Resultats ist ein Gang und Mittel des Erkennens.“ (GW : ) Diese Schilderung eines unmotivierten Beweises und seiner äußerlichen Hilfskonstruktion kann durchaus den Eindruck erwecken, es werde bloß eine Erfahrung eines Unkundigen beschrieben, der ein mathematisches Lehrbuch durchzuarbeiten versucht. Für die hier verfolgte Fragestellung kann ein solcher Verdacht jedoch ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob Hegels Einschätzung zuzustimmen ist oder seine weitere Begründung durch die Bestimmung des mathematischen Gegenstands überzeugt. Wichtig ist vielmehr, dass Hegel die „ E v i d e n z dieses mangelhafften Erkennens, auf welche die Mathematik stolz ist, und womit sie sich auch gegen die Philosophie brüstet“ (GW : ), im Gegensatz zu Kant kritisiert und zugleich eine philosophische Darstellung konzipiert, die die Mathematik übertreffen soll. Hegel fordert daher, dass in der Darstellung die Wahrheit aus der Bewegung des Gegenstandes hervorgehen müsse, was im Falle der mathematischen Wahrheit heißen würde, dass der Beweis eines Theorems in seinem Gegenstand gleichsam enthalten wäre und er durch die Selbstbewegung dieses Gegenstands geradezu selbst ausgeführt würde: In solchem unwirklichen Elemente [der Dinge der Mathematik, A.S.] gibt es denn auch nur unwirklich Wahres, d. h. fixirte, todte Sätze; bey jedem derselben kann aufgehört werden; der folgende fängt für sich von neuem an, ohne daß der erste sich selbst zum anderen fortbewegte und ohne daß auf diese Weise ein nothwendiger Zusammenhang durch die Natur der Sache selbst entstünde. (GW : )  Für eine solche Diskussion wären auch die systematischeren und eingehenderen Erörterungen aus der Wissenschaft der Logik oder der Enzyklopädie hinzuzuziehen, vgl. GW :  –  und GW :  – ; GW :  –  und GW :  – . Beide Texte gehen in den Abschnitten zur Idee und den Unterabschnitten zum Erkennen ausführlicher auf die euklidische Geometrie ein, die sie als Paradigma des ‚synthetischen Erkennens‘ präsentieren und gegenüber der Arithmetik als Beispiel für das ‚analytische Erkennen‘ als Fortschritt werten. Nichtsdestotrotz machen beide Texte auch in der Kritik an Wolffs, Spinozas und anderer Orientierung an der mathematischen Methodik deutlich, dass die Philosophie über diese Form des Erkennens hinausgehen muss. Vor allem die Logik formuliert dieselbe Begründung für die Grenzen des geometrischen Beweises wie die Phänomenologie des Geistes: Weil der Begriff hier noch als bloß subjektiver und endlicher gefasst ist, verbleibt die Bewegung des Beweises gegenüber seinem Gegenstand äußerlich und führt sie nur im Nachhinein zu einer lediglich subjektiven Evidenz, vgl. GW :  –  und zur Erläuterung Damerow und Lefèvre ().  Als ‚Elemente‘ der Mathematik bestimmt Hegel mit Blick auf die Geometrie den Raum und mit Bezug auf die Arithmetik „das E i n s “ (GW : ). Umso schlimmer für die Mathematik, dass sie daher auch – anders als bei Kant – die Zeit nicht kennt (vgl. GW : ).

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Der reflektierte Vollzug der Darstellung wird daher in der Philosophie nicht mehr auf die Handlung des erkennenden Subjekts zurückgehen und muss so mit der „Thätigkeit, die den Inhalt als ein Fremdes handhabt“ (GW : ), brechen. Nur auf diese Weise kann die Philosophie aufweisen, wie der Inhalt oder Gegenstand die Darstellung antreibt und herausfordert: „Dadurch überhaupt, daß wie es oben ausgedrückt wurde, die Substanz an ihr selbst Subject ist, ist aller Inhalt seine eigene Reflexion in sich.“ (GW : ) Aller Inhalt soll nichts weniger sein als seine „einheimische und eigenthümliche Selbsterzeugung und Darstellung“ (GW : ). Diese Forderung ist charakteristisch für Hegels Begriff der spekulativen Darstellung und bricht mit wesentlichen Annahmen von Kants kritischer Philosophie. Die Konsequenzen sind daher so grundlegend wie zahlreich, ich kann nur drei zentrale Konsequenzen ausführen. Erstens beruht die Darstellung nicht mehr auf der Handlung des Subjekts, sondern bezieht das Subjekt in ihr Werden ein. Die Vorstellung von einer „Thätigkeit, die den Inhalt als ein Fremdes handhabt“, setzt aus Hegels Sicht eine „Reflexion aus dem Inhalte heraus“ (GW : ) und damit die „Reflexion in das leere Ich“ (GW : ) voraus, das heißt: die philosophische Reflexion im Sinne Kants, die subjektive und apriorische Formen von den empirischen Inhalten scheidet und dadurch auf das Subjekt, seine Vermögen und deren autonome Ausübung hinführt. Wenn dagegen bei Hegel der Inhalt der Vorstellung in sich reflektiert ist, dann bestimmt er sich im Vollzug seiner ‚einheimischen und eigentümlichen Selbsterzeugung und Darstellung‘ nicht nur inhaltlich, sondern entfaltet zugleich die Form seiner eigenen Bestimmung. Hegel lehnt daher die kantische Differenz von Inhalt und Form strikt ab und verwirft jede Ablösung subjektiver, apriorischer Formen von den objektiven, empirischen Inhalten der Vorstellung. Stattdessen wird das Subjekt in die Darstellung des Gegenstands einbezogen: Sofern es nicht auf seine eigenen Vorstellungen zurückfällt, vollzieht das Subjekt die Darstellung seiner Gegenstände nach und nimmt daher immer wieder eine neue ‚Gestalt‘ an, wie die Phänomenologie des Geistes im Ausgang von der sinnlichen Gewissheit Schritt für Schritt zu zeigen versucht. Zweitens erfordert die spekulative Darstellung eine neue, passiv akzentuierte Erkenntnishaltung. Statt eine mathematische Konstruktion zu vollziehen oder eine autonome Tätigkeit an einem ihr gegenüberstehenden und insofern fremden Inhalt zu bewähren, erscheint nun eine gewisse ‚Enthaltsamkeit‘ von der Ausübung der subjektiven Vermögen als Bedingung für die ‚Aufmerksamkeit auf den Begriff‘, der sich in den Gegenständen selbst darstellt:  In der Kritik an Schellings Naturphilosophie formuliert Hegel in diesem Sinne: „Es ist darum

unnötig, dem konkreten Inhalt den Formalismus äußerlich anzutun; jener ist an ihm selbst das Übergehen in diesen, der aber aufhört, dieser äußerliche Formalismus zu sein, weil die Form das einheimische Werden des konkreten Inhalts selbst ist.“ (GW : )

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Das […] Räsonieren hingegen ist die Freyheit von dem Inhalt, und die Eitelkeit über ihn; ihr wird die Anstrengung zugemuthet, diese Freyheit aufzugeben, und statt das willkührlich bewegende Princip des Inhalts zu seyn, diese Freyheit in ihn zu versenken, ihn durch seine eigne Natur, das heißt durch das Selbst als das seinige, sich bewegen zu lassen, und diese Bewegung zu betrachten. Sich des eignen Einfallens in den immanenten Rythmus der Begriffe entschlagen, in ihn nicht durch die Willkühr und sonst erworbene Weisheit eingreiffen, diese Enthaltsamkeit ist selbst ein wesentliches Moment der Aufmerksamkeit auf den Begriff. (GW :  f.) Dank einer eher passiv akzentuierten Erkenntnishaltung soll es also möglich werden, ‚sich bewegen zu lassen, und diese Bewegung zu betrachten‘, um letztlich die Selbstbewegung des Begriffs zu erfahren, deren Darstellung Zweck und Ziel der Phänomenologie des Geistes ist. Drittens ist die philosophische Darstellung zugleich eine textuelle Praxis. Die Aufgabe der philosophischen Darstellung als Zeigen zu bestimmen, heißt, dass die Philosophie auch angemessene Darstellungsverfahren etablieren muss. Damit „das Wahre […] als die Bewegung des sich in sich selbst Reflectirens dargestellt“ (GW : ) werden kann, sieht es Hegel als notwendig an, die grammatischlogische Form des Satzes als Subjekt, Kopula und Prädikat zu überwinden. Im „speculativen Satz“ (GW : ) muss diese Form gleichsam aufgebrochen und gegen sich gewendet werden, damit die Selbstdarstellung des Gegenstandes in der Sprache ihren Ausdruck finden kann:

 Auf diesen Gedanken greift bereits GW :  f. vor: „Durch diese Natur des Seyenden und insofern das Seyende diese Natur für das Wissen hat, ist dieses nicht die Thätigkeit, die den Inhalt als Fremdes handhabt, nicht die Reflexion in sich aus dem Inhalte heraus; die Wissenschaft ist nicht jener Idealismus, der an die Stelle des b e h a u p t e n d e n Dogmatismus als ein v e r s i c h e r n d e r D o g m a t i s m u s oder der D o g m a t i s m u s der G e w i ß h e i t s e i n e r s e l b s t trat, – sondern indem das Wissen den Inhalt in seine eigne Innerlichkeit zurückgehen sieht, ist seine Thätigkeit vielmehr sowohl versenkt in ihn, denn sie ist das immanente Selbst des Inhalts, als zugleich in sich zurückgekehrt, denn sie ist die reine Sichselbstgleichheit im Andersseyn; so ist sie die List, die der Thätigkeit sich zu enthalten scheinend, zusieht, wie die Bestimmtheit und ihr concretes Leben, darin eben daß es seine Selbsterhaltung und besonderes Interesse zu treiben vermeynt, das Verkehrte, sich selbst auflösendes und zum Momente des Ganzen machendes Thun ist.“  Diese passiv akzentuierte Erkenntnishaltung findet Parallelen in Schellings Wissenschaftsphilosophie um  (vgl. Ziche ). Meine Deutung Hegels bewegt sich auch insofern parallel zu Ziches Deutung Schellings, als das Anerkennen der Passivität als Konsequenz einer Reflexion auf die wissenschaftliche Praxis zu verstehen ist, bei Hegel wie bei Schelling (vgl. Ziche ,  f.).  In diesem Sinne wies Hans Friedrich Fulda bereits früh darauf hin, dass Hegels Dialektik im wechselseitigen Bezug zur ‚Darstellungsweise‘ des hegelschen Textes erläutert werden muss (vgl. Fulda , bes.  f.). Seine Beobachtungen zur ‚Darstellungsweise‘ Hegels weisen meines Erachtens in Richtung des oben genannten Zeigens (vgl. Fulda ,  f. und  f.); leider reflektiert Fulda den Begriff der Darstellung jedoch nicht eigens.

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Daß die Form des Satzes aufgehoben wird, muß nicht nur auf u n m i t t e l b a r e Weise geschehen, nicht durch den blossen Inhalt des Satzes. Sondern diese entgegengesetzte Bewegung muß ausgesprochen werden; sie muß nicht nur jene innerliche Hemmung, sondern diß Zurückgehen des Begriffs in sich muß d a r g e s t e l l t seyn. Diese Bewegung, welche das ausmacht, was sonst der Beweis leisten sollte, ist die dialektische Bewegung des Satzes selbst. Sie allein ist das w i r k l i c h e Speculative, und nur das Aussprechen derselben ist speculative Darstellung. (GW : ) Hegel fasst hier ein Darstellungsverfahren ins Auge, das über die Form des Satzes hinausgreift. Es muss über den einzelnen Satz und seinen Inhalt hinausgegangen werden, weil ein in sich reflektierter Inhalt und damit eine Bewegung des Begriffs dargestellt werden sollen, die allein in der Verkettung und Abfolge der Sätze zu fassen sind. Eine solche philosophische Darstellung ist insofern eine textuelle Praxis zu nennen, als sie sich allein in ihrem reflektierten Vollzug realisiert: Allein im Nachvollzug der Sätze, die in ihren Vor- und Rückverweisen Sinn gewinnen, kann sich der Inhalt reflektieren und die Bewegung des Begriffs entfalten, um die es dieser philosophischen Darstellung jenseits jeder einzelnen Aussage zu tun ist. Wie ich zu zeigen versucht habe, ergeben sich die Grundzüge von Hegels spekulativer Darstellung der Philosophie aus der Auseinandersetzung mit Kants Konzeption der Darstellung in der Mathematik. Zum einen nimmt Hegel bestimmte Aspekte von Kants Konzeption auf, wie den strikten Vollzugscharakter der Darstellung, ihren reflektierenden Grundzug und die Vermittlung von Allgemeinem und Besonderem. Zum anderen resultieren die einschneidenden Unterschiede aus Hegels spekulativer Grundthese, dass sich der reflektierende Vollzug der Darstellung nicht einer subjektiven Tätigkeit verdankt, sondern zuallererst dem Werden und der Entfaltung des Gegenstands der Erkenntnis. Deshalb entsteht ein Spannungsgefüge zwischen dem Bewusstsein und seinen Vorstellungen auf der einen und der Selbstbewegung des Begriffs im Gegenstand der Erkenntnis auf der anderen Seite, was vermittels der Nichtidentität des Gegenstands mit dem der Vorstellung zu den Gestalten des Bewusstseins führt, deren Wandel im Zentrum der Phänomenologie des Geistes steht.

 Vgl. dazu die „Einleitung“ der Phänomenologie des Geistes und besonders GW : . Bereits in der „Vorrede“ unterscheidet Hegel die zwei Seiten der philosophischen Darstellung: „Auch im philosophischen Erkennen ist das Werden des D a s e y n s als Daseyns verschieden von dem Werden des We s e n s oder der innern Natur der Sache. Aber das philosophische Erkennen enthält erstens beydes da hingegen das mathematische nur das Werden des D a s e y n s , d. h. des S e y n s der Natur der Sache i m E r k e n n e n als solchem darstellt. Fürs andere vereinigt jenes auch diese beyden besonderen Bewegungen. Das innre Entstehen oder das Werden der Substanz ist ungetrennt Uebergehen in das Aeussere oder in das Daseyn, Seyn für anderes; und umgekehrt ist das Werden des Daseyns das sich Zurücknehmen ins Wesen.“ (GW : )

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Hegels Darstellung verfolgt dabei eine reflektierte textuelle Praxis des spekulativen Satzes und seiner dialektischen Bewegung, die das Allgemeine im Besonderen aufzeigen, die Logik des Begriffs aus den Phänomenen herausarbeiten und die Philosophie als Wissenschaft begründen soll: „Die innere Nothwendigkeit, daß das Wissen Wissenschaft sey, liegt in seiner Natur, und die befriedigende Erklärung hierüber ist allein die Darstellung der Philosophie selbst.“ (GW : ) Weil sich die Phänomenologie dabei stets im Widerspruch zu den gewohnten Vorstellungen wie auch zur Form der vertrauten logisch-grammatischen Form von Urteil und Satz bewegt, gebärdet sich Hegel auf den ersten Seiten der „Vorrede“ derart brüsk gegenüber seinen Leser/inne/n und deren mutmaßlichen Erwartungen. Denn er klagt ein, dass seine Leser/innen nicht an ihren gewohnten Vorstellungen festhalten sollen, sondern sich überwinden müssen, den Sätzen zu folgen, ihre „Meynung“ grundsätzlich infrage gestellt zu sehen und die Sätze nochmals zu lesen: Der philosophische Satz, weil er Satz ist, erweckt die Meynung des gewöhnlichen Verhältnisses des Subjects und Prädicats, und des gewöhnten Verhaltens des Wissens. Diß Verhalten und die Meynung desselben zerstört sein philosophischer Inhalt; die Meynung erfährt, daß es anders gemeynt ist, als sie meynte, und diese Correction seiner Meynung nöthigt das Wissen auf den Satz zurückzukommen und ihn nun anders zu fassen. (GW : ) Die Einladung an die Leser/innen von Hegels Phänomenologie des Geistes erweist sich somit als zwiespältig, weil sie nichts anderes als die Darstellung des Wahren zum Ziel hat. II. Wissenschaftshistorische Hintergründe: Darstellung und Wirklichkeit in der Chemie und Hegels Philosophie Der vorangegangene Abschnitt hat gezeigt, wie Hegels Konzeption der spekulativen Darstellung an den durch Kant eingeführten Begriff anschließt und zugleich den reflektierenden Vollzug der Darstellung nicht wie Kant der autonomen Handlung der subjektiven Vermögen unterstellt. Diese Entwicklung des philosophischen Begriffs der Darstellung soll im Folgenden ins Verhältnis gesetzt werden zu Praktiken des Darstellens in den verschiedenen Wissenschaften und ihrer philosophischen Deutung. Kant hatte den reflektierten Vollzug des Darstellens anhand der Konstruktion des Geometers herausgearbeitet, um dieses Vorgehen der Philosophie selbst zu verwehren – Hegel nimmt die spekulative Form der Darstellung dagegen für seine eigene Philosophie in Anspruch, um die mathematische Darstellung zu übertreffen. Er vertritt die Ansicht, dass „der wissenschaftliche Staat, den die Mathematik herlieh, – von Erklärungen, Eintheilungen, Axiomen, Reihen von Theoremen, ihren Beweisen, Grundsätzen und dem Folgern und Schliessen aus

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ihnen, – schon in der Meynung selbst wenigstens v e r a l t e t ist“ (GW : ). So wenig diese Ansicht sich gemessen an der Rolle der Mathematik in den exakten Wissenschaften des . und . Jahrhunderts bewahrheitet hat, so sehr bringt sie zum Ausdruck, dass Hegel nicht mehr wie Kant und viele Philosophen des . und . Jahrhunderts die Mathematik und ihre Anwendung in der Physik Galileis und Newtons als das Paradigma der wissenschaftlichen oder philosophischen Erkenntnis betrachtet. Die Mathematik begann um  ihr altehrwürdiges Privileg zu verlieren, als das Paradigma wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt zu gelten. Die im Entstehen begriffene Biologie sowie die spektakulären Entdeckungen der Chemie erregten großes Aufsehen und wurden insbesondere von den Philosophen oft rasch rezipiert und in ihre naturphilosophischen Entwürfe eingearbeitet. Schelling ist Hegel dabei vorausgegangen und dürfte der bessere Kenner insbesondere der Chemie gewesen sein. Aber auch Hegel setzte sich intensiv mit den Naturwissenschaften auseinander, sodass es durchaus wahrscheinlich ist, dass er seine spekulative Grundthese von der ‚Selbstbewegung des Begriffes‘ zwar nicht mehr in Mathematik und geometrischer Konstruktion, aber in Biologie und Chemie wiedererkennen konnte. Wissenschaftliche Gegenstände wie lebendige Organismen oder reagierende chemische Stoffe waren viel eher als ‚Subjekte‘ einer gewissen ‚Selbsterzeugung‘, ‚Selbstbewegung‘ und ‚Selbstdarstellung‘ im wissenschaftlichen Experiment zu verstehen und legten insofern eine Umdeutung von Kants Konzeption der Darstellung nah. Ich möchte in diesem Abschnitt zeigen, dass die chemisch-experimentelle ‚Darstellung von Stoffen‘ eine empirische Ausweitung des Darstellungsbegriffs jenseits der mathematischen Konstruktion anregte und darüber hinaus in die Richtung einer realistisch-spekulativen Umdeutung im Sinne Hegels weist. Wie sehr insbesondere die experimentelle ‚Darstellung‘ von Stoffen in der zeitgenössischen Chemie die Begriffsbildung der Philosophie herausgefordert hat,  Vgl. für eine instruktive Schilderung dieser wissenschaftshistorischen Entwicklungen mit Blick auf die Philosophie um  Durner, Moiso und Jantzen ().  Schelling hatte die jüngsten Innovationen der Chemie früh wahrgenommen und trat dem Chemiker bspw. in den Ideen zu einer Philosophie der Natur von  gerade mit Bezug auf die neuen Verfahren zur Darstellung von Stoffen als gestrenger Methodiker gegenüber. Es seien nur noch solche Stoffe zuzulassen, die sich auch im Experiment „sinnlich darstellen“ (AA I,: ) lassen. Dagegen seien alle Stoffe zu verwerfen, die wie Phlogiston oder Lavoisiers ‚Wärmestoff (calorique)‘ letztlich allein „imaginäre U r s a c h e n der E i g e n s c h a f t e n “ (AA I,: ; vgl. auch AA I,:  f. und  – ) fingieren. Schelling entwickelt in seinen Schriften um  zudem sich rasch wandelnde Konzeptionen der philosophischen Darstellung, die wie bei Hegel im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit den experimentellen Verfahren der Wissenschaften und insbesondere der Chemie zu rekonstruieren sind, vgl. dazu den im selben Forschungsprojekt wie der vorliegende Text entstandene Beitrag Schmid [im Erscheinen].  Diese Redeweise ist bereits in der Chemie des . Jahrhunderts verbreitet, vgl. exemplarisch Karsten (, , ,  f. und ).

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deutet sich bereits in Kants „Transzendentaler Methodenlehre“ an. Nicht nur führt ihn – wie bereits gezeigt – die geometrische Konstruktionspraxis zu einer Konzeption der Darstellung, die über seinen Grundbegriff der Vorstellung hinausweist. Wenige Seiten später deutet sich in einer beiläufigen Bemerkung auch die Möglichkeit an, die Konzeption der Darstellung für empirische Wissenschaften zu verallgemeinern. In der besagten Passage erörtert Kant vorrangig, warum keines der wesentlichen Bestandteile des mathematischen Vorgehens, nämlich „Definitionen, Axiomen und Demonstrationen“ (AA III: ), in der Philosophie eine fruchtbare Anwendung finden kann. Was eine Definition ist, erläutert er zunächst dahingehend, dass sie „den ausführlichen Begriff eines Dinges innerhalb seiner Grenzen ursprünglich darstellen“ (AA III: ) müsse. Sodann stellt er jedoch klar, dass „ein e m p i r i s c h e r Begriff gar nicht definirt, sondern nur explicirt werden“ (AA III: ) könne, weil wir uns je nach subjektiver Kenntnis zum Beispiel „im Begriffe vom G o l d e “ unterschiedliche „Merkmale“ denken und sich diese je nach Kontext und Kenntnisstand auch verändern können (AA III: ). Diese Komplikationen beruhen letztlich darauf, dass sich dieser empirische Begriff auf einen wirklichen Gegenstand bezieht, dessen Merkmale wir zu erfassen versuchen müssen, statt sie per definitionem vorgeben zu können. So versagt jede Definition, da das definierte „Wort mit den wenigen Merkmalen, die ihm anhängen, nur eine B e z e i c h n u n g und nicht einen Begriff der Sache ausmachen“ (AA III: ) würde. Einem solchen Begriff der Sache, einem Begriff also, der die Eigenschaften eines empirischen Gegenstandes fassen soll, nähert man sich allein, wie Kant mit Bezug auf „Wasser und dessen Eigenschaften“ formuliert, wenn „man sich bei dem

 Die Bestandteile dieser Erläuterung führt Kant in der dazugehörigen Anmerkung aus: „ A u s f ü h r l i c h k e i t bedeutet die Klarheit und Zulänglichkeit der Merkmale; G r e n z e n die Präcision, daß deren nicht mehr sind, als zum ausführlichen Begriffe gehören; u r s p r ü n g l i c h aber, daß diese Grenzbestimmung nicht irgend woher abgeleitet sei und also noch eines Beweises bedürfe, welches die vermeintliche Erklärung unfähig machen würde, an der Spitze aller Urtheile über einen Gegenstand zu stehen.“ (AA III: )  „Da die Synthesis der empirischen Begriffe nicht willkürlich, sondern empirisch ist und als solche niemals vollständig sein kann (weil man in der Erfahrung immer noch mehr Merkmale des Begriffs entdecken kann): so können empirische Begriffe auch nicht definirt werden.“ (AA IX:  f.)  Es scheint auf den ersten Blick naheliegend, Kants Rede vom ‚Begriff der Sache‘ zu erläutern durch Rekurs auf Wolffs Unterscheidung von „Erklärungen der Wörter (definitiones nominales)“ und „Erklärungen der Sachen (definitiones reales)“ (Wolff , ). Eine solche Erläuterung geht jedoch an der Sache vorbei. Denn aus Kants Sicht sind auf der einen Seite mathematische Definitionen stets Realdefinitionen, weil sie ihre Gegenstände qua Konstruktion ermöglichen, während auf der anderen Seite empirische Gegenstände keiner Realdefinition zugänglich sind, da ihre Möglichkeit durch keine Definition verbürgt ist (vgl. AA IX:  f.). So betrachtet verfügt also nur die Mathematik über ‚Begriffe der Sache‘, diese Formulierung charakterisiert in der zitierten Passage aber die empirischen Begriffe im Unterschied zu den mathematischen, definierbaren Begriffen.

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nicht aufhalten wird, was man bei dem Worte Wasser denkt, sondern zu Versuchen schreitet“ (AA III: ). Diese Bemerkung scheint auf den ersten Blick nicht allzu bedeutsam. Bei genauerer Betrachtung deutet aber vor allem die Wahl des Beispiels darauf hin, dass Kant hier auf eine Entwicklung in den empirischen Wissenschaften und insbesondere der Chemie reagiert, die für den Begriff der Darstellung nicht ohne Konsequenzen sein wird. Denn Wasser war lange Zeit als ein Element im Sinne der antiken ‚Elemente‘ betrachtet worden, und erst die moderne Wissenschaft hatte es unternommen, es experimentell zu analysieren und einen ‚Begriff der Sache‘ jenseits der tradierten Worte und Vorstellungen zu gewinnen. In Henry Cavendishs und Joseph Priestleys Experimenten hatte sich so bereits der experimentelle Nachweis angebahnt, dass Wasser aus zwei Luftarten (airs) gewonnen werden kann. Dieser experimentelle Befund wurde von Antoine-Laurent de Lavoisier aufgegriffen und als Zusammensetzung von Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff gedeutet, womit er die Erkenntnis, dass Wasser kein Element ist, für sich in Anspruch nahm und gegen die phlogistische Chemie unter anderem von Cavendish und Priestley wandte. Für die Deutung der zitierten Formulierung Kants und die Wahl seines Beispiels scheint dieser wissenschaftshistorische Kontext so notwendig wie problematisch. Denn die Geschichte der experimentellen Darstellung des Wassers wirft zwischen phlogistischen und antiphlogistischen Theoriebildungen im Detail viele Fragen auf und zudem wäre den viel diskutierten historiographischen Problemen der so genannten ‚chemischen Revolution‘ Rechnung zu tragen. Vor allem aber sind diese Entwicklungen gerade im Gange,  Die ‚Versuche‘ nehmen so die Aufgabe wahr, die die Logik als die „ E x p o s i t i o n (der Erscheinungen)“ (AA IX: ) beschreibt und letztlich als ‚empirische Synthese‘ fasst: „[B]ei den Begriffen der letztern Art, z. B. den empirischen Begriffen Wasser, Feuer, Luft u. dgl. soll ich nicht zergliedern, was i n i h n e n liegt, sondern durch Erfahrung kennen lernen, was z u i h n e n gehört. Alle empirischen Begriffe müssen also als gemachte Begriffe angesehen werden, deren Synthesis aber nicht willkürlich, sondern empirisch ist.“ (AA IX: )  Vgl. zur Rolle der Chemie in Kants Schriften und zur gerade zitierten Passage Lequan (, bes.  – ) sowie vor allem mit Bezug auf das sogenannte Opus postumum Friedman (,  ff.).  Vgl. für eine klassische Darstellung Partington (,  – ) oder Ströker (,  – ) sowie den einschlägigen Bericht des Befunds in Cavendish ([] , ). Wie schwierig dieser Befund zu interpretieren ist, zeigen in aller Kürze Jungnickel und McCormmach (,  – ).  Vgl. erneut Partington (,  – ) oder Ströker (,  – ) und Antoine-Laurent de Lavoisier ([] ). Bereits in Lavoisiers Text wird deutlich, wie sehr seine Theorie der Zusammensetzung von Wasser die Konkurrenz mit Priestleys Befunden sucht, was schließlich zu den vielfältigen Problemen der Zuschreibung und unter Einbeziehung der Rolle von James Watt zum wiederholten Aufflammen der ‚water controversy‘ im . Jahrhundert führt, vgl. dazu Partington (,  – ) und Miller (, bes.  – ).  Das Schlagwort der ‚chemischen Revolution‘ findet sich bereits bei Lavoisier, rückte aber mehr noch dadurch ins Zentrum, dass Kuhn und andere Wissenschaftsphilosophen sie geradezu zum Paradigma für eine ‚wissenschaftliche Revolution‘ machten, vgl. Kuhn (,  –  und  – ) und Crosland (,  – ). Vgl. zudem die Kritik an der klassischen Perspektive auf die ‚chemische Revolution‘ bei Chang (, bes.  – ).

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als die Kritik der reinen Vernunft gedruckt wird, und Kant nimmt erst später explizit Bezug auf die Experimente zur Darstellung von Wasser. Jedoch kommt es auf diese wissenschaftliche Errungenschaft im Detail gar nicht an. Denn sie ist das Ergebnis eines experimentellen Vorgehens der Chemie, dem das Wasser schon länger unterworfen worden war, und es ist diese weiter zurückreichende Entwicklung, ohne die Kant Wasser kaum als Beispiel dafür hätte nennen können, dass die Chemie sich nicht mit sprachlichen Bezeichnungen und gewohnten Vorstellungen begnügt, sondern „zu Versuchen schreitet“. Die Chemie überwindet die traditionellen Vorstellungen und Bezeichnungen von Wasser, indem sie es im Laufe des . Jahrhunderts in empirischen Versuchen betrachtet. Durch die experimentelle Darstellung von Wasser wird sie schließlich einen ‚Begriff der Sache‘ gewinnen, der durch die Reaktionen und Verhältnisse zwischen verschiedenen Luftarten bestimmt ist. In diesem Zusammenhang deutet sich also bereits bei Kant die Möglichkeit an, den Begriff der Darstellung nicht nur von den geometrisch-konstruktiven Verfahren aus zu fassen, sondern auch die empirisch-experimentelle ‚Darstellung‘ von Stoffen einzubeziehen, von der in der Chemie bis heute gesprochen wird. Denn die Parallelen sind in Kants Text unverkennbar: Der Philosoph mag Kant zufolge lediglich „dem Begriff nachdenken“ (AA III: ) können, der Geometer dagegen „fängt sofort davon an, einen Triangel zu construiren“ (AA III: ), der Chemiker schließlich wird „zu Versuchen schreite[n]“ (AA III: ). Denn der Chemiker kann seine Begriffe nicht willkürlich definieren, wie es der Mathematiker Kant und einer weit verbreiteten Auffassung zufolge tut. Statt wie der Mathematiker selbstgesetzte Begriffe durch Konstruktion wird der Chemiker daher seine empirischen Begriffe im Experiment darstellen müssen, indem er die physikalischen Eigenschaften von Wasser misst oder seine chemischen Eigenschaften in Wechselwirkung mit anderen Stoffen charakterisiert. Durch die empirisch-experimentelle Darstellung von Wasser kann es ihm so gelingen, einen Begriff der Sache zu gewinnen und zu bewähren. Eine solche Ausweitung des Begriffs der Darstellung auf die empirisch-experimentellen Verfahren der Chemie kann die grundlegenden Charakteristika des  Vgl. den bekannten Brief an Samuel Thomas Soemmerring vom . .  (AA XII:  – , bes.  f.) sowie im handschriftlichen Nachlass AA XIV: , AA XXI:  und AA XXII:  f.  Exemplarisch möchte ich hier Lavoisier ([] ) nennen. Denn Lavoisier gibt hier nicht nur einen Überblick über ältere Versuche (expériences) und sein eigenes Vorgehen, sondern erklärt auch programmatisch: „Je ne parlerai point de ce qu’ont écrit sur les éléments les philosophes des premiers siècles; l’exposé que je pourrais faire de leur opinion me jetterait dans les détails trop étendus, ils répandraient d’ailleurs peu de jour sur la question que j’ai à traiter: je passe à ce qui intéresse plus particulièrement les physiciens; je veux parler de faits.“ (Lavoisier [] ,  f.) Was nichts anderes heißt, als „expériences démonstratives“ (Lavoisier [] , ) durchzuführen.  Vgl. AA IX:  und ; sowie zum historischen Zusammenhang Koriako (,  –  und  – ).

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kantischen Begriffs beibehalten, legt jedoch zugleich eine Verschiebung nah, die in die Richtung von Hegels Verständnis der Darstellung weist. Es ist in der geometrischen Konstruktion wie in der chemischen Darstellung stets ein Vor-AugenStellen eines Besonderen gemeint (eines Dreiecks oder einer Stoffprobe), an dem etwas Allgemeines vor Augen geführt wird (der Begriff des Dreiecks, der Begriff des Wassers). Zudem müssen wir beide Male von einem reflektierten, konstruktiven oder experimentellen Vollzug ausgehen, wenn nicht bloß ein Dreieck oder etwas Wasser herauskommen, sondern der Begriff des Dreiecks oder des Wassers handhabbar werden soll. Jedoch wird man in den experimentellen Verfahren der Chemie wohl kaum davon ausgehen, dass das Geschehen der Darstellung wie bei Kant allein Ausdruck der Handlung des Wissenschaftlers ist. Vielmehr scheint der Chemiker den Versuch mit dem Ziel anzuordnen, dass die Stoffe miteinander reagieren und sich dadurch wechselseitig bestimmen: die „Reagentien entdecken dem Chemiker die im Wasser befindlichen verborgenen Stoffe“ (AA VII: ). Was Kant hier zum Ausdruck bringt, findet sich in ähnlichen Wendungen auch in chemischen Abhandlungen formuliert: Im experimentellen Vorgehen verbindet die Darstellung die vorgängige Anordnung des Versuchs durch den Chemiker und die Aktivität der Stoffe oder der Natur während der Durchführung. Dass der Gegenstand der Erkenntnis hier ein treibendes Moment seiner Darstellung ist, entspricht aber ziemlich präzise Hegels spekulativer Umdeutung von Kants Konzeption der Darstellung. Die vielbeachtete Entwicklung der zeitgenössischen Chemie und ihre experimentelle Darstellung von Stoffen kommen Hegels philosophischem Anliegen doch sehr gelegen. Die Vermutung, dass Hegels Konzeption der spekulativen Darstellung im Zusammenhang der zeitgenössischen Chemie und ihrer Praktiken des Darstellens zu sehen ist, erscheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich, da Hegel in der Phänomenologie des Geistes nur am Rand und vor allem im Abschnitt zur „Beobachtung der Natur“ im Kapitel zur Vernunft auf die Naturwissenschaften zu sprechen kommt. Dank der Jenaer Systementwürfe ist aber offenkundig, dass Hegels Beschäftigung mit den Naturwissenschaften in die Entstehungszeit der Phänomenologie des Geistes zurückreicht. Diese Entwürfe umfassen die Themenfelder der Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes und beziehen sich in ihren  Vgl. exemplarisch Lavoisier ([] , ): „Ces différentes expériences fournissent des moyens multilpliés de décomposer l’eau et de séparer, en quelque façon par l’art, les principes qui la constituent: la nature nous en offre un grand nombre d’autres, et nous n’avons, à cet égard, qu’à suivre ses opérations. L’eau est le grand réservoir où elle trouve la masse de combustibles qu’elle forme continuellement sous nos yeux, et la végétation paraît être son grand moyen.“ Die Vorstellung, dass die Natur im Experiment unter restringierten Bedingungen handelt, findet sich unter anderem auch in Schellings Einleitung zu seinem Entwurfe eines Systems der Naturphilosophie (vgl. AA I,: ).  Vgl. dazu den ganzen Abschnitt GW :  – .  Vgl. GW  bis  und zur genaueren Schilderung der Textbasis die „Editorischen Berichte“ dieser drei Bände.

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naturphilosophischen Abschnitten von der Mathematik und Physik bis hin zur Chemie und Biologie auf die Wissenschaften der Zeit, deren Gegenstände und Methoden vor der Ausdifferenzierung der Disziplinen von Hegel wie von den damaligen Forschern selbst kaum trennscharf behandelt werden. Diese Texte regten eine intensive Forschung zum Verhältnis von Hegels Philosophie und den Naturwissenschaften an, die jedoch in erster Linie die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften in Betracht zog. Dagegen wurde meines Wissens die Frage, inwieweit schon die Phänomenologie des Geistes von dieser Auseinandersetzung profitiert, kaum aufgeworfen. Im Folgenden möchte ich daher versuchen, die systematische Nähe von Hegels Theorie der spekulativen Darstellung zu seiner Deutung der Darstellung von Stoffen in der zeitgenössischen Chemie aufzuweisen. Es geht mir somit nicht um das Verhältnis der kategorialen Bestimmungen von Hegels Naturphilosophie oder der Wissenschaft der Logik zu den zeitgenössischen Befunden der Chemie. Vielmehr möchte ich für die methodische Nähe von Hegels Theorie und Praxis der spekulativen Darstellung zu der chemischen Praxis und Theorie der Darstellung von Stoffen argumentieren. A. Die chemische Darstellung aus der Sicht der Jenaer Systementwürfe Wo die Jenaer Systementwürfe auf die Chemie eingehen, belegen sie nicht nur eindrücklich, wie intensiv sich Hegel mit den jüngsten Entwicklungen in der Chemie auseinandersetzte. Sie zeigen auch, wie unübersichtlich der Stand der  Vgl. programmatisch Petry (), Cohen und Wartofsky (), Horstmann und Petry () sowie Petry (, ). Neben der Physik und Biologie kam dabei auch die Chemie in den Blick, vgl. die wegweisende Studie von Engelhardt ().  Hierzu liegen Studien vor, die allerdings zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Wie jüngst Georg Sans mit Bezug auf das Kapitel zum „Chemismus“ in der Logik gezeigt hat, begreift Hegel die Chemie gegenüber Mechanik und Biologie als eine eigene Denkform, die er als eine spezifische Form des Schlusses reformuliert (GW :  – ; Sans ,  – ). Dagegen hat Ulrich Ruschig in seiner Interpretation des Kapitels zum „realen Maß“ argumentiert, dass Hegels Gedankengang keineswegs rein logisch-deduktiv zu verstehen ist, sondern sich im wechselseitigen Bezug zur Chemie der Zeit und zum herangezogenen wissenschaftlichen ‚Material‘ entfaltet (GW :  – ; Ruschig , bes.  – ; Ruschig ). Letztlich wäre zudem über die Logik hinaus deren Verhältnis zur Naturphilosophie in die Diskussion einzubeziehen. Ausgehend von diesem Verhältnis findet sich „the role of empirical data in the system“ lesenswert herausgearbeitet in Burbidge (, ). In polemischer Absicht hatte bereits Schelling behauptet, Hegel habe „ ü b e r der Naturphilosophie seine abstrakte Logik aufbauen wollen. Allein er hat dorthin die Methode der Naturphilosophie mitgenommen; es ist leicht zu erachten, welche Erzwungenheit dadurch entstehen mußte, daß er die Methode, welche durchaus Natur zum Inhalt und Naturanschauung zur Begleiterin hatte, ins b l o ß Logische erheben wollte; die Erzwungenheit entstand dadurch, daß er diese Formen der Anschauung verleugnen mußte und doch sie beständig unterschob, daher es auch eine ganz richtige Bemerkung und unschwere Entdeckung ist, daß Hegel schon mit dem ersten Schritt seiner Logik A n s c h a u u n g voraussetze und, ohne sie unterzuschieben, keinen Schritt thun könnte“ (SW : ).

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empirischen Befunde war und wie sehr sich theoretische Erklärungen unterschiedlichster Art überlagerten. In den Jenaer Systementwürfen finden sich so Berichte von konkreten empirischen Befunden der Chemie neben hochgradig spekulativen Deutungen, Anleihen an die antike Tradition der Vier-Elemente-Lehre ebenso wie Schilderungen der „empirischen Darstellung [der chemischen] Elemente“ (GW : ). Ich möchte vor allem gestützt auf einige wenige Passagen aus dem Vorlesungsmanuskript zur „Naturphilosophie und Philosophie des Geistes“ von / zeigen, wie Hegel sich die Darstellung von Stoffen in der Chemie in einer bestimmten Deutung zu eigen macht, die eine paradigmatische Bedeutung für die ‚spekulative Darstellung‘ der Philosophie selbst gewinnen konnte. Für Hegels Verständnis der Chemie erweist sich die Konzeption des ‚chemischen Prozesses‘ als zentral. Hegel charakterisiert den ‚chemischen Prozess‘ ähnlich wie später in der Enzyklopädie dadurch, dass in ihm sowohl die Gegenstände als auch ihre Qualitäten einer radikalen Wandelbarkeit unterliegen, anders als in physikalisch-mechanischen Prozessen, die er unter die Kategorie der Schwere fasst und die individuelle Dinge mitsamt ihrer spezifischen Gestalt bewahren.  In der Chemie hingegen scheint alles, was wir sinnlich erfassen können, prinzipiell wandelbar. Nachdem Hegel zunächst die Wärme und Elastizität behandelt hat, die seit Boyle ein zentrales Thema der Forschung waren, rückt er den Wandel der Qualitäten als die eigentümliche Daseinsform der Materie, wie sie in der Chemie konzipiert wird, ins Zentrum. Hegel definiert so zunächst: „Die Materie α) als specifische Wärme β) als reine Möglichkeit bestimmt, ist das c h e m i s c h e E l e m e n t . “ (GW : ) Und er führt sodann aus: Es ist die an sich aufgelöste Materie, welche zu sich zurückgekommen, d. h. welche als A u f l ö s u n g Daseyn hat. Die Trägheit der Temperatur ist vollkommen überwunden; die Bestimmtheit ist eine solche, welche sich nicht mehr erhalten kann, sondern unaufhaltsam sich aufhebt, oder deren Wesen wie  Vgl. zur Chemie vor allem die folgenden Passagen: GW :  – , GW :  –  und GW :

 – .  Hegels Rekurs auf die ‚Elemente‘ Luft und Feuer, Erde und Wasser greift dabei streng genommen weniger auf die antike Tradition zurück als auf ihre Fortbildung in den zeitgenössischen naturphilosophischen Debatten (Moiso , bes.  – ; Posch ,  f.).  Vgl. GW :  – , im Zentrum meiner Überlegungen wird der Abschnitt „B. Process“ (GW :  – ) stehen.  An der einzigen Stelle der Phänomenologie des Geistes, wo Hegel die Chemie zumindest in der Gestalt eines Adverbs nennt, ist es ebenso diese Qualität des Wandels, die Hegel hervorhebt: „Das r u h e n d e S e y n , und das S e y n i m Ve r h ä l t n i s s e kommt in Streit miteinander, das Ding ist in diesem etwas anders, als nach jenem, da hingegen das Individuum diß ist, im Verhältnisse zu anderem sich zu erhalten. Was aber diß nicht vermag, und c h e m i s c h e r w e i s e ein anderes wird, als es e m p i r i s c h e r w e i s e ist, verwirrt das Erkennen, und bringt es in denselben Streit, ob es sich an die eine und andere Seite halten soll, da das Ding selbst nichts gleichbleibendes ist, und sie an ihm auseinanderfallen.“ (GW : )  Vgl. zu Wärme und Elastizität GW :  – .

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Daseyn ist, in ihr entgegengesetztes überzugehen; die Abstraction, welche es auch ihrem Daseyn nach ist, und schlechthin keinen Halt mehr an ihr hat; ihr D a s e y n ist eben nur die Möglichkeit des Processes zu seyn. Die Unterschiede sind reine Begeistungen, nichts i r d i s c h e s m e h r a u c h i n i h r e m D a s e y n , sondern v e r s c h w i n d e n d e G r ö s s e n , die reine Zeit, – Abstractionen, die nichts als die Auflösung zu ihrer Substanz und Elemente haben […]. Diese Elemente werden daher nur mit aüsserer Gewalt festgehalten, wie wir im Gedanken eine Abstraction als solche z. B. Seyn festhalten. – Ihr Bestehen für sich ist vielmehr der P r o c e ß , die absolute Vermittlung, die unmittelbar ist. (GW : ) Diese verdichtete Passage wäre in vielerlei Hinsicht zu erörtern, ich möchte zunächst aber vor allem das so zentrale wie ambige Verhältnis von Element im Singular und Elementen im Plural ins Zentrum rücken. Als ‚Element‘ im Singular bestimmt Hegel die chemische Materie. Sie ist der Inbegriff des umfassenden Wandels von Stoffen und fungiert als Bedingung, Potenzial oder Medium der vielfältigen Phänomene, die in diesem Wandel tatsächlich statthaben und Gegenstand der empirischen Untersuchung sind. Hegel schließt so zwar an die chemische Kategorie der Wärme und Lavoisiers Postulat des Wärmestoffes an, bezieht sich aber auf eine Ebene, die über die bloße Empirie hinausgeht. Denn das ‚chemische Element‘ ermöglicht all die ‚Unterschiede‘ und ‚Grössen‘, von denen die Empirie handelt. Zugleich geht der Text so zu den ‚Elementen‘ im Plural über. Sie sind zwar ‚Abstractionen, die nichts als die Auflösung zu ihrer Substanz und Elemente haben‘ und daher im allumfassenden Wandel nur vorübergehend einen allein prekären Bestand haben. Dennoch können ‚diese Elemente […] mit aüsserer Gewalt festgehalten‘ werden. Dass unter diesen ‚Elementen‘ im Plural die elementaren Stoffe zu verstehen sind, die Gegenstand der experimentellen Darstellung durch die Chemie sind, bekräftigt Hegels analoge Rede von den „durch Gewalt und Kunst erst darzustellenden Metalle[n]“ (GW : ) aus der Phänomenologie des Geistes. Die chemische Darstellung bewegt sich demzufolge zwischen dem ‚chemischen Element‘ des allumfassenden Wandels und den chemischen Elementen, die ‚durch Gewalt und Kunst‘ aus diesem Wandel herausge Auf diese grundsätzliche Bestimmung der Chemie und ihres Gegenstands folgt eine ausführlichere Schilderung des chemischen Prozesses, in der Hegel die ‚neuen Elemente‘ der Chemie (Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff) als Prinzipien versteht und zugleich mit einer spekulativen Deutung der ‚antiken Elemente‘ (Feuer, Luft, Wasser und Erde) verbindet (vgl. GW :  – ). Diese Passage werde ich im Folgenden nicht ausführlich erörtern, da es für die Zwecke des vorliegenden Beitrags nicht notwendig ist.  Hegel verweist hier allem Anschein nach auf die umfassende Reihe von Metallen, die erst dank der Verfahren der Chemie des . Jahrhunderts entdeckt werden konnten, darunter Kobalt, Platin, Nickel, Magnesium, Mangan u. a.m. In GW :  führt Hegel neben Platin auch Osmium, Iridium, Palladium an, die gerade entdeckt worden waren.

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hoben werden können und ihre Wirklichkeit doch nur in ihrer erneuten Auflösung haben. Am Rand notiert Hegel in diesem Sinn: „Triumph der Chemie die reinen Abstractionen zum Stehen zu bringen.“ (GW : ) Hegel bezieht sich mit diesem Triumph also auf zwei Aspekte der jüngeren Chemie. Erstens setzt sie in ihren Experimenten einen nahezu unbegrenzten Wandel der Stoffe und ihrer Eigenschaften frei, gegenüber dem das Schmelzen von Wachs, das Descartes’ Zweifel erregte, vollkommen harmlos erscheint. Dieser Wandel bricht daher nicht nur mit unseren alltäglichen Vorstellungen, sondern löste auch langsam die traditionelle wissenschaftliche Klassifikation der in der Natur vorfindlichen Stoffe in die drei Reiche des Mineralischen, Pflanzlichen und Tierischen auf. Dass es der Chemie in diesem umfassenden Wandel zweitens gelingt, ‚reine Abstractionen zum Stehen zu bringen‘, scheint Hegel nicht minder zu imponieren. Damit bezieht sich Hegel darauf, dass sich dank der experimentellen Verfahren die „ U m w a n d l u n g einfacher chemischer Stoffe r e g e l m ä s s i g e r wird darstellen lassen“ (GW : ). Die Chemie zielt so auf die Regelmäßigkeiten und Gesetzlichkeiten der Reaktionen zwischen Stoffen ab, wozu sie nicht nur das alte Geschäft der Analyse oder Zerlegung und Synthese oder Mischung von Stoffen fortsetzte, sondern auch ihre experimentellen Settings fortentwickelte. Nur indem genauer erfasst wurde, welche Stoffe an einer Reaktion beteiligt sind, welche Edukte eingehen und welche Produkte erzeugt werden, konnten langsam die Gesetzmäßigkeiten der Umwandlung verstanden werden. Die Reaktionsfähigkeit von Stoffen wird im Experiment somit gezielt und kontrolliert genutzt, um die Gesetzmäßigkeiten ihrer Wechselwirkung untereinander zu untersuchen und aus dem Wandel letztlich eine Klassifikation der chemischen Stoffe und ihrer Reaktionen herauszuarbeiten. Eine solche Auffassung der „ e m p i r i s c h e n D a r s t e l l u n g d i e s e r E l e m e n t e “ (GW : ) geht mit einem veränderten Verständnis des Stoffs als Gegenstand der Chemie einher. Sobald der umfassende Wandel der Eigenschaften der Materie das ‚Element‘ der Chemie ist, können nicht mehr die natürlichen Stoffe, deren Qualitäten mehr oder weniger vertraut schienen, die beschrieben werden konnten und nach Herkunft oder Eigenschaften benannt wurden, Gegenstand der Chemie sein. Ausgehend von der „Darstellung des Verwandelns und des Übergangs dieser Stoffe in einander“ (GW : ) sind einzelne Stoffe allein in Relation und in Reaktion mit anderen Stoffen zu bestimmen und darzustellen „als das auf welches gewirkt wird, ein sich auf sich selbst beziehendes, das sich als solches aufhebt“ (GW : ). Jeder Stoff erfährt seine Bestimmtheit somit zugleich in  Ich bleibe in den hier gewählten Formulierungen vage, um Lavoisiers Sicht auf die Zusammensetzung von Stoffen aus anderen und einfacheren Stoffen einzubeziehen, aber nicht zum alleinigen Maßstab zu machen. Denn die phlogistische Chemie teilt diese Sicht, die in der Literatur auch „compositionism“ genannt wird, nicht und sieht in dem Austausch von Phlogiston viel eher den Transfer eines Prinzips von Eigenschaften auf einen anderen Stoff (vgl. Chang ,  – ).

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Reaktion mit anderen Stoffen und in seinem Selbstbezug durch allen Wandel hindurch. Er bestimmt sich daher als das Potential und das Gesetz, mit anderen Stoffen unter empirisch beherrschten Bedingungen zu reagieren, und lässt dadurch jede Bindung an eine einzelne Eigenschaft hinter sich. So wird zwar in chemischen Experimenten stets ein Stoff produziert, der zu greifen und zu sehen, zu riechen und zu schmecken ist. Als Probe eines Stoffes kann er jedoch nur aufgrund der Vermittlungen im umfassenden chemischen Prozess und seiner experimentellen Beherrschung gelten: „Ihr Bestehen für sich ist vielmehr der P r o c e ß , die absolute Vermittlung, die unmittelbar ist.“ (GW : ) Es ist die absolute Vermittlung der Stoffe, die in der chemischen Darstellung unmittelbar ist, nicht aber ihre einzelne und isolierte sinnliche Bestimmtheit, da diese Darstellung auf die Gesetzmäßigkeit oder den Begriff des Wandels der Stoffe abzielt und dadurch „das gleichgültige Bestehen der sinnlichen Wirklichkeit an sich vertilgt“ (GW : ). Worauf die Chemie in ihren experimentellen Verfahren Hegel zufolge abzielt, ist im Anschluss an Kant durchaus als eine Darstellung von empirischen Begriffen zu verstehen. Wie in der geometrischen Konstruktion eine Anschauung wird im chemischen Experiment ein Stoff hergestellt. Dieser Stoff interessiert aber ebenso wenig wie dieses einzelne Dreieck als isoliertes Phänomen und in seiner anschaulichen oder sinnlichen Bestimmtheit. Vielmehr stellt der Stoff wie das Dreieck seine begriffliche Bestimmung in dem Sinne dar, dass an der Stoffprobe eine Gesetzmäßigkeit der Reaktion fassbar wird, sofern im chemischen Experiment wie in der geometrischen Konstruktion auf die Gesetzmäßigkeit eines Prozesses reflektiert wird. In der Stoffprobe stellt sich dadurch das Potential ihrer Wandlung in Reaktion mit anderen Stoffen dar, wodurch dieser Stoff zugleich innerhalb einer neuen Ordnung der Stoffe begrifflich bestimmt wird. In diesem Sinne behauptet Hegel in der Enzyklopädie, dass die „ F o r m d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a r s t e l l u n g empirisch ist, aber die sinnvolle Anschauung das,  Diese relationale oder differentielle Charakterisierung des chemischen Stoffs und ihr Zusam-

menhang mit einer Praxis der experimentellen Darstellung von Stoffen bringt Hegel in der Logik auf den Punkt: „Denn in der chemischen Sphäre hat wesentlich das Materielle seine specifische Bestimmtheit in der Beziehung auf sein Anderes; es existirt nur als diese Differenz. Diese specifische Beziehung ist ferner an die Quantität gebunden, und ist zugleich nicht nur die Beziehung auf ein einzelnes Anderes, sondern auf eine Reihe solcher ihm gegenüberstehenden Differenten; die Verbindungen mit dieser Reihe beruhen auf einer sogenannten Ve r w a n d t s c h a f t mit j e d e m Gliede derselben, aber bey dieser Gleichgültigkeit ist zugleich jede ausschliessend gegen andere; welche Beziehung entgegengesetzter Bestimmungen noch zu betrachten ist. – Es ist aber nicht nur im Chemischen, daß sich das Specifische in einem Kreise von Verbindungen darstellt.“ (GW : )  Und dies gilt auf gewisse Weise auch für die ‚phlogistische Chemie‘, die den sinnlichen Eigenschaften von Stoffen und Luftarten große Aufmerksamkeit widmet, letztlich aber auf ihren Wandel in den Reaktionen und den Transfer von Phlogiston fokussiert. So charakterisiert McEvoy (, ) die epistemologische Sicht Priestleys wie folgt: „Once again he [Priestley] shows little concern for hypotheses relating to the chemical composition, and treats them as little more than summary statements of the ‚perceptible‘ properties and interrelations of ‚airs‘.“

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was nur Erscheinungen sind, so ordnet, wie die innere Folge des Begriffes ist. Es gehört zu solcher Empirie, daß durch die Entgegensetzung und Mannigfaltigkeit der zusammengestellten Erscheinungen die ä u ß e r l i c h e n , z u f ä l l i g e n U m s t ä n d e der Bedingungen sich aufheben, wodurch dann das A l l g e m e i n e vor den Sinn tritt.“ (GW : ) Es ist dem Chemiker in der Darstellung eines Stoffs, seiner Verwandlungen und Reaktionen in diesem Sinne um nichts anderes zu tun als – wie Hegel in einem Zusatz der Enzyklopädie formuliert – die „Idealität des Besondern, die sich hier darstellt“ (GW ,: ). Der reflektierende Vollzug, den dies voraussetzt, beruht in der chemischen Darstellung von Stoffen jedoch nicht auf der Ausübung von subjektiven Vermögen, sondern auf der Freisetzung der Aktivitätspotentiale chemischer Stoffe innerhalb der Grenzen eines experimentellen Settings. Er spielt sich genauer zwischen der Anordnung, der Ausführung und der Auswertung des Experiments ab: Sobald der Chemiker das experimentelle Setting angeordnet hat, kann und muss er sich damit begnügen, die Reagenzien tätig werden zu lassen. Anders als das Dreieck des Mathematikers in der „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes scheiden sie sich von selbst oder bilden ebenso selbsttätig neue Verbindungen. Das „chemische Object“ zeichnet sich so auch der Logik zufolge dadurch aus, daß es „den P r o c e ß selbstbestimmend anfängt“. Die Ausweitung des Begriffs der Darstellung auf die empirisch-experimentellen Verfahren der Chemie lässt daher konzeptionelle Verschiebungen erforderlich erscheinen, die Hegels Konzeption der spekulativen Darstellung aufnimmt.

 Hegel fügt unmittelbar an: „Eine sinnige Experimentalphysik, Geschichte usf. wird auf diese Weise die rationelle Wissenschaft der Natur und der menschlichen Begebenheiten und Taten in einem äußerlichen, den Begriff abspiegelnden Bilde darstellen.“  Ich erlaube mir, hier einen inzwischen im Rahmen der GW historisch-kritisch edierten Zusatz von Michelets Edition der Enzyklopädie zu zitieren, der mir in diesem Falle die Pointe von Hegels Gedankengang so treffend wie prägnant zu benennen scheint. Dieser Zusatz entfaltet eine ähnliche Sicht des chemischen Prozesses, wie sie hier diskutiert wird: „Eben im chemischen Proceß kommt die Relativität der gleichgültig erscheinenden Bestimmungen der Individualität als das Wesen in diesem Wechsel der Accidenzien zu Tage; der Körper zeigt die Flüchtigkeit seiner Existenz, und diese seine Relativität ist sein Seyn. Wenn der Körper beschrieben werden soll, was er i s t : so ist die Beschreibung nur vollendet, wenn der ganze Kreis der Veränderungen desselben angegeben worden; denn die wahrhafte Individualität des Körpers existirt nicht in einem einzelnen Zustande, sondern ist nur in diesem Kreislauf von Zuständen erschöpft und dargestellt.“ (GW ,: )  Nochmals im Zusammenhang zitiert: „Das chemische Object, hiemit der Widerspruch seines unmittelbaren Gesetztseyns und seines immanenten individuellen Begriffs, ist ein S t r e b e n , die Bestimmtheit seines Daseyns aufzuheben, und der objectiven Totalität des Begriffes die Existenz zu geben. Es ist daher zwar gleichfalls ein unselbstständiges, aber so, daß es hiegegen durch seine Natur selbst gespannt ist, und den P r o c e ß selbstbestimmend anfängt.“ (GW : )

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B. Parallelen von chemischer und spekulativer Darstellung Die chemische Darstellung lässt in Hegels Deutung in den Vorarbeiten zur Phänomenologie des Geistes weitreichende Parallelen zur Konzeption der spekulativen Darstellung erkennen. Stets handelt es sich um einen reflektierenden Vollzug, in dem ein Begriff vor Augen geführt wird, indem etwas Einzelnes vor Augen gestellt wird. Darüber hinaus ist es die „einheimische und eigenthümliche Selbsterzeugung und Darstellung“ (GW : ) der Gegenstände, die die spekulative wie die chemische Darstellung auszeichnet und sie in Hegels Sicht scharf von Kants Konzeption der Darstellung unterscheidet. Die systematischen Parallelen beschränken sich jedoch keineswegs auf diesen allgemeinen Rahmen des Darstellungsbegriffs. Sie betreffen auch den Prozess der Darstellung der einzelnen Gegenstände und ihre Beziehung zum Ganzen der chemischen oder spekulativen Darstellung. Darstellung setzt in der „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes wie in Hegels Jenaer Studien zur Naturphilosophie stets voraus, dass ihr reflektierender Vollzug nicht in einer subjektiven Handlung gründet, sondern von den Gegenständen selbst ausgeht. Stellen sich die chemischen Stoffe dar als „ein sich auf sich selbst beziehendes, das sich als solches aufhebt“ (GW : ), so entspricht dies der Bestimmung des in sich reflektierten Inhalts der spekulativen Darstellung: „Dadurch überhaupt, daß wie es oben ausgedrückt wurde, die Substanz an ihr selbst Subject ist, ist aller Inhalt seine eigene Reflexion in sich.“ (GW : ) Diese ‚Reflexion in sich‘ vollzieht sich im Inhalt der spekulativen Darstellung wie in der chemischen Darstellung eines Stoffs, steht jedoch stets in einem umfassenden Zusammenhang, auf den die Darstellung im Sinne Hegels letztlich abzielt. Die spekulative Darstellung bezieht sich auf die Substanz und Wahrheit aller Erkenntnis, die zugleich Subjekt des Werdens ihrer Gegenstände ist. Die chemische Darstellung einzelner Stoffe bezieht sich analog auf den umfassenden Wandel der Stoffe, in dem sich alle Substanz nur als Werden begreifen und darstellen lässt: Nur das Übergehen [sic!] Verschwinden ist die Realität und Substanz dieser Elemente. Sie sind nur Momente. Ihr Subject ist das Ganze, eben diese unruhige Verwandlung, die absolute Bewegung dieser Bewegungen, und zwar der reine chemische Proceß, der nur das rastlose Werden dieser Momente ist, sie s i n d nicht, sie w e r d e n nur, wie alles nur dieses Werden ist. Dieser Proceß ist nun das Feuer. Er ist die Totalität dieser Bewegungen; er i s t , was jene a n s i c h sind; oder in ihm haben sie die Bedeutung von Bewegungen. Es hat diese gedoppelte Seite, e i n f a c h e s chemisches Element, als s e y e n d , und rastlose Verwandlung, als B e w e g u n g ausgesprochen zu werden. Es selbst ist dieser Kraislauff, und was sich durch diesen Kraislauff bewegt, ist wieder es selbst. (GW :  f.) Wie grundsätzlich die Parallelen der spekulativen Darstellung in der Philosophie und der empirischen Darstellung in der Chemie sind, zeigt sich nicht zuletzt, wenn

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Hegel die Substanz, die letztlich Medium und Zweck aller Darstellung ist, und ihr allumfassendes Werden auch in der chemischen Darstellung gegen jeden substantiellen Bestand eines einzelnen darstellbaren Gegenstands oder Inhalts ausspielt. Er wendet sich daher strikt gegen ein mit der modernen Chemie eng verbundenes Verständnis der chemischen Darstellung: „Wasser besteht nicht aus Sauer und Wasserstoff, als aus Theilen“ (GW : ). Hegel geht es dabei offensichtlich nicht um eine alternative These zur Zusammensetzung von Wasser. Vielmehr kritisiert er die Konzeption der Zusammensetzung von Stoffen aus substantiellen Elementen und ihrer Neukombination in der chemischen Reaktion als ein verkürztes Verständnis des Wandels der Stoffe und der Darstellung von Elementen: I n d e m d i e C h e m i e a b e r s i e a l s Stoffe festhält, und selbst in ihrem Verschwinden sie noch existiren läßt mit der Ausrede ihrer Ve r b o r g e n h e i t , so ist es gerade diese ihre wichtige Seite, i h r e I d e a l i t ä t die am wenigsten n o c h d a r g e s t e l l t w o r d e n ist, sondern ihr wirklichwerden in einem chemischen Processe wird nur als ein Erscheinen begriffen, so daß sie vor ihrem Erscheinen schon a l s d i e s e w i r k l i c h e und da wo sie erscheinen, der Körper aus ihnen zusammengesetzt gewesen sey. Aber auch hier zwingt die Natur die Chemie dieses Fixirtseyn der Wirklichkeit zu verlassen, und zu sagen, daß das Erscheinen dieser Elemente h a ü f f i g , erst ihr wirklich w e r d e n sey. (GW : ) Hegel wendet sich somit gegen die Chemie, wenn sie den allumfassenden Wandel des chemischen Prozesses durch die substantielle Vorstellung seiner Elemente begrenzt, weshalb er insbesondere Daltons atomistische These einer vehementen Kritik unterzieht (vgl. GW :  f.). Gegen eine solche Auffassung richtet sich Hegel schon deshalb, weil sein Verständnis der Darstellung von Stoffen dem oben erörterten Zitat zufolge durch die gezielt ambige Engführung des Elements und der Elemente der Chemie gekennzeichnet ist: Die Elemente können zwar ‚mit aüsserer Gewalt festgehalten‘ und zeitweise aus dem Wandel herausgestellt werden, sie sind damit aber nur als ‚reine Abstractionen zum Stehen zu bringen‘, die letztlich allein im Element der Chemie, dem allumfassenden Wandel der Stoffe und ihrer Ei-

 Der Gedanke der Verbindung und des Elements im modernen Sinne entwickelt sich allerdings erst später. Dafür war die Beherrschung einiger reversibler Reaktionen, in denen Stoffe in ihre Bestandteile zerlegt und aus diesen wiederum neu synthetisiert werden, zentral, wobei das überlieferte handwerkliche Wissen aus Mineralogie, Pharmazie usw. keine geringe Rolle spielte. Diesen Aspekt hat maßgeblich ausgearbeitet Klein (), vgl. auch Klein und Lefèvre ().  Bereits Kant hatte sich auch gegen die Annahme von Atomen ausgesprochen (vgl. Lequan ,  – ). Diese philosophischen Ansichten sind dabei stets vor dem Hintergrund zu sehen, dass es auch in der Chemie der Zeit einen anhaltenden Disput über den Atomismus gab (vgl. Crosland , bes.  – ).

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genschaften, zugleich ihre Wirklichkeit und Auflösung haben können. Auch für die recht verstandene chemische Darstellung fordert Hegel so, was er in der „Vorrede“ für die philosophische Darstellung des Wahren in Anspruch nimmt: Der „bachantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist“ (GW : ), darf nicht ausgenüchtert werden zu dem geraden Gang der Subjekte oder Substanzen, deren Akzidenzen allein sich ändern können. Unter dieser Voraussetzung tritt eine weitere Parallele zwischen chemischer und spekulativer Darstellung hervor: Weil das Werden der Gegenstände umfassend ist und alle Identitäten und Differenzen nur prekäre, zwischenzeitige Abstraktionen sind, müssen die Darstellung des Begriffs und die Darstellung der Stoffe immer auch eine Darstellung der Zeit sein. In der spekulativen Darstellung ist – in erneuter Abgrenzung gegenüber der Mathematik – „der daseyende Begriff selbst“ (GW : ) daher nichts anderes als die Zeit, wie in der chemische Darstellung alle „Unterschiede […] reine Begeistungen [sind], nichts i r d i s c h e s m e h r a u c h i n i h r e m D a s e y n , sondern v e r s c h w i n d e n d e G r ö s s e n , die reine Zeit“ (GW : ). Die chemische Darstellung von Stoffen in den Jenaer Systementwürfen weist offenbar grundlegende Parallelen auf zur spekulativen Darstellung des Wahren in der Phänomenologie des Geistes. Diese Parallelen sollten nicht voreilig darauf zurückgeführt werden, dass die Deutung einer wissenschaftlichen Praxis abhängt von den philosophischen Voraussetzungen einer Philosophie, die scheinbar von vornherein voll ausgebildet vorliegt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Begriffsbildungen der Philosophie stets auch aus der Beschäftigung mit zeitgenössischen gesellschaftlichen Entwicklungen speist und insbesondere der Begriff der Darstellung um  durchzogen ist von der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Praktiken der Darstellung in den Wissenschaften. Durch die Einbeziehung dieser historischen Hintergründe wird es möglich, den Begriff der Darstellung systematisch schärfer zu konturieren und ihn zugleich als eine semantisch-rhetorische Verdichtung lesbar zu machen.

 Vgl. auch GW : : „Was wesentliche Merkmahle genannt werden, sind r u h e n d e Bestimmtheiten, welche so, wie sie als e i n f a c h e sich ausdrücken und aufgefaßt werden, nicht das, was ihre Natur ausmacht, verschwindende M o m e n t e der sich in sich zurücknehmenden Bewegung zu seyn, darstellen. Indem itzt der Vernunftinstinkt dazu kömmt, die Bestimmtheit ihrer Natur gemäß, wesentlich nicht für sich zu seyn, sondern in das entgegengesetzte überzugehen, aufzusuchen, sucht er nach dem G e s e t z e und dem B e g r i f f e desselben; zwar nach ihnen ebenso als s e y e n d e r Wirklichkeit, aber diese wird ihm in der That verschwinden, und die Seiten des Gesetzes zu reinen Momenten, oder Abstractionen werden, so daß das Gesetz in der Natur des Begriffes hervortritt, welcher das gleichgültige Bestehen der sinnlichen Wirklichkeit an sich vertilgt hat.“

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C. Schluss: Der Realismus der Darstellung Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die chemische Darstellung für Hegel insbesondere deshalb von großem Interesse war, weil sie sich im Anschluss an Kants Konzeption der Darstellung deuten ließ und doch zugleich wesentlich über Kants Beschränkung auf die konstruktive Tätigkeit und die subjektive Handlung hinauswies. Die chemischen Verfahren erlauben zum einen eine empirische Umdeutung der Darstellung, die das Wechselspiel von Anordnung, Durchführung und Auswertung von Experimenten herausstreicht. Zum anderen ermöglichen sie aber, wie ich nun abschließend erläutern möchte, auch eine realistische Umdeutung der Darstellung, die ebenso Hegels spekulativer Darstellung zu eigen ist. Wie das experimentelle Vorgehen der Chemie beispielhaft werden kann für die empirische Erkenntnis und den Realismus der Darstellung, deutet sich bereits in Kants beiläufiger Bemerkung zur Untersuchung des Wassers aus der „Transzendentalen Methodenlehre“ an. Denn die Chemie hebt nicht mit der mathematischen Idealisierung ihrer Gegenstände an, die Kant in seiner bekannten Bemerkung aus der „Vorrede“ zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft zum alleinigen Maßstab der Wissenschaftlichkeit erklärt, was insbesondere zu seiner viel zitierten Abwertung der Chemie als einer „systematischen Kunst oder Experimentallehre, niemals aber eigentliche[n] Wissenschaft“ (AA IV: ) führt. Die Chemie kann ganz im Gegensatz dazu als Beispiel für eine dezidiert empirische Form der Erkenntnis gelten, weil sie sich in die unübersichtliche Vielfalt der Materialien versenkt, um aus ihr eine Ordnung von Stoffen und deren Verwandlungen herauszuarbeiten. Dadurch soll es gelingen, einen ‚Begriff der Sache‘ zu gewinnen, der gerade nicht primär auf einer anfänglichen begrifflichen Setzung beruht, die Anwendung fände auf den empirischen Gehalt, sondern auf einer empirischen Synthesis im Versuch, die ohne die Aktivität der miteinander reagierenden Stoffe nicht zustande käme. Kant deutet damit nicht nur die Möglichkeit an, den Darstellungsbegriff über die konstruktiven Verfahren der Mathematik hinaus für die experimentellen Versuche der empirischen Naturwissenschaften auszudehnen. Er lässt auch die Möglichkeit einer realistischen Umdeutung der Darstellung aufscheinen, die die Entwicklung der zeitgenössischen Chemie und ihrer experimentellen Verfahren aufgreift und aus ihr philosophische Konsequenzen zieht. Hegel vollzieht diesen Schritt, der sich bei Kant allenfalls andeutet. Ein Anlass dafür sind wohl die bahnbrechenden Entwicklungen und spektakulären Errun Vgl. zur Erläuterung Lequan (,  ff.). Die zitierte Stelle ist im Zusammenhang der län-

gerfristigen Entwicklung von Kants Wissenschaftsverständnis zu verstehen, vgl. dazu auch Schubbach (,  – ).  Vgl. nochmals die entsprechenden Passagen in der Logik (AA IX:  f.).

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genschaften, die die Chemie zwischen dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft und Hegels Jenaer Systementwürfen zustande brachte. Indem die Chemie in ihren Experimenten einen umfassenden Wandel freisetzte, um zugleich die Gesetzmäßigkeit dieses Wandels aufzuweisen, gelang es ihr zusehends, die Stoffe, die sie zuallererst durch ihre Dispositionen zur Reaktion bestimmte, rein darzustellen und zugleich zu klassifizieren. Auf diese Weise versprach sie jedoch eine „einzigartige experimentelle Lösung des philosophischen Universalienproblems“, denn sie vermittelte, wie schon die Darstellung bei Kant, Allgemeines und Besonderes, Begriff und Anschauung, nun jedoch nicht unter Voraussetzung willkürlich definierter Begriffe und ihrer Konstruktion, sondern ausgehend von wirklichen Stoffen und unter Einsatz ihrer tatsächlichen Reaktionen im Experiment. Die chemische Darstellung eignet sich so als Paradigma eines wissenschaftsphilosophischen Realismus der Darstellung wie auch der Grundthese von Hegels spekulativer Darstellung, dass die Wirklichkeit zu begreifen ist, weil der Begriff wirklich ist. Ein wesentliches Kennzeichen dieser realistischen Umdeutung der Darstellung ist dabei, dass sie auf der Immanenz der Darstellung beruht. Die chemische Darstellung von Stoffen kann den Anspruch, die Wirklichkeit zu erfassen, nicht allein auf einer abstrakten Regel des Vorgehens, sondern vorrangig auf ihren experimentellen Verfahren begründen. Es kommt also zum einen darauf an, eine experimentelle Anordnung zu finden, in der Stoffe derart miteinander reagieren, dass sie sich als Potentiale ihrer Reaktionen untereinander bestimmen lassen und zugleich eine chemische Regelmäßigkeit oder Gesetzlichkeit vor Augen führen. Zum anderen beziehen sich diese Erkenntnisse insofern auf die Wirklichkeit, als die experimentelle Anordnung zur tatsächlichen Ausführung gelangt: Die Durchführung des Experiments ist selbst ein realer Prozess und bedient sich in ihren Operationen der in der Realität verfügbaren Ressourcen, sodass ihr Verlauf und ihr Ergebnis bestimmt wird durch Faktoren jenseits der gewählten Anordnung. Aufgrund dieser Verschränkung des Vollzugs der Darstellung mit der darzustellenden Realität ist es möglich, die Realität in die Darstellung eingehen zu lassen und ihre Ordnung zugleich in der Darstellung herauszustellen. Wirklichkeit darzustellen, beruht hier nicht auf der Annahme, sie unabhängig von ihrer Darstellung zu fassen. Die Wirklichkeit kann sich vielmehr nur in der Darstellung zeigen, insofern das Darstellen selbst Teil hat an der Wirklichkeit und sich in ihr tatsächlich vollzieht. Die Darstellung kann Wirklichkeit darstellen, insofern sie ihr nicht

 So mit Bezug auf die heutige Chemie Schummer (, ). Vgl. für eine ausführliche wis-

senschaftshistorische und -theoretische Erörterung des Realismus der Chemie auch Schummer (,  – ).  Vgl. zu diesem Verständnis von ‚Objektivität‘ auch GW :  – .

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gleichsam gegenübersteht, sondern reflektiert und gezielt von innen heraus operiert. Nicht anders die spekulative Darstellung: Hegel wählt wie der Chemiker seine Materialien, die er jedoch anders als der Naturwissenschaftler der Erfahrung des Bewusstseins entnimmt. Er ordnet sie so geschickt wie möglich zu seinem Versuch an, damit sie im Text tätig werden und sich in eine Reihe der Gestalten des Bewusstseins entfalten, die schließlich im Standpunkt der Wissenschaft kulminieren soll. In der Phänomenologie des Geistes ist das Vorgehen daher ebenso immanent wie das des Chemikers, da sie von der Erfahrung ausgeht und mit ihrem umfassenden Wandel sowie ihrer unbegrenzten Vielfalt zu tun hat. Sie zielt aber wie ein Chemiker auf die beherrschende Logik dieser Vielfalt und dieses Wandels ab, indem sie Erfahrungen so auswählt und anordnet, dass diese unter den restringierten Bedingungen der Phänomenologie die Gestalten des Bewusstseins auseinander hervorzubringen vermögen. In der Reihe dieser Gestalten zeigt sich nach Hegels realistischer These letztlich aber die tatsächliche ‚Selbstbewegung des Begriffes‘, der sich im notwendigen Übergang der Bewusstseinsgestalten entfaltet und schließlich in der Wissenschaft sein eigentliches Refugium begründet. Diese Parallelen von philosophischer und chemischer Praxis des Darstellens machen aus dem Autor der Phänomenologie des Geistes keinen Chemiker der Stoffe der Erfahrung und sie müssten erst noch überzeugender begründet werden. Sie machen aber zumindest greifbar, wie sehr Hegel die Verfahren der chemischen Darstellung und ihre realistische Deutung auch in systematischer Hinsicht entgegenkamen und wie sie seine methodische Grundthese über die spekulative Darstellung des Begriffs in der Philosophie bestärken konnten. Es stellt sich abschließend die Frage, warum gerade die Chemie für die methodische Reflexion der Phänomenologie des Geistes so wichtig sein soll. Im Vergleich zur Biologie und ihren Grundbegriffen wie dem Leben oder dem Organismus scheint die Chemie in den Schriften und der Sprache Hegels zumindest auf den ersten Blick eine weniger bedeutende Rolle einzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass Chemie, Biologie und andere Wissensfelder in dieser Hinsicht keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden sollten, können doch in der historischen  Vgl. für eine differenzierte Bestimmung der pädagogischen, epistemischen und metaphysischen Aufgaben der Phänomenologie des Geistes Forster (,  f.; ausführliche Erläuterung  – ).  Die spekulative Grundthese von Hegels Konzeption der philosophischen Darstellung wird dadurch auch einer nüchternen Deutung zugänglich. Sie ist keineswegs allein dem spekulativen Überschwang eines Idealismus zuzuschlagen, der sich in erster Linie an Kants vorsichtigerer Erwägung eines göttlichen, intuitiven oder originären Verstands aus der dritten Kritik berauschte. Sie findet ihr Paradigma auch in einer realistischen Deutung der chemischen Darstellung, die unter dem Eindruck von deren rasanter zeitgenössischer Entwicklung steht. Wenn die Darstellung eine Vermittlung von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem leisten und sich in ihrem Gegenstand die Wirklichkeit des Begriffs zeigen soll, dann handelt es sich in Hegels Philosophie wie in der Chemie durchaus um eine ganz praktische wie empirische Angelegenheit.

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Situation um  und mit Blick auf die systematischen Zwecke Hegels einige Vorzüge der Chemie benannt werden. Erstens hatte die Chemie einige Berechtigung zu behaupten, über die gewohnten Vorstellungen von Stoffen und ihre traditionelle Klassifikation erfolgreich hinausgegangen zu sein, um sich in ihren experimentellen Versuchen ‚Begriffen der Sache‘ zu nähern. Zweitens bietet sie damit einen Übergang von der mathematischen Konstruktion der Materie zur Darstellung der die Materie beherrschenden Gesetze, die aber nur insofern dargestellt werden können, als die Aktivität der Stoffe zur Durchführung geschickt angeordneter Experimente genutzt wird. Drittens stellt die Chemie einen allumfassenden Wandel dar, aus dem sich nichts aus alleiniger Kraft herauszuheben vermag. Es braucht die ‚Gewalt und Kunst‘ des Chemikers, damit ‚Abstractionen‘ festgestellt werden können, die letztlich in ihrer erneuten ‚Auflösung‘ ihre Wirklichkeit haben. Viertens bringt die Chemie dadurch eine Darstellung des allumfassenden und undifferenzierten Wandels der Materie zustande. Weil sie ihre entscheidende Ressource in der Aktivität der Stoffe hat, die sie miteinander reagieren lässt, bildet sie nämlich einen Übergang von der trägen Materie der Mechanik zur Selbstbewegung des Lebens, ohne die substantielle Differenzierung und Verselbständigung vorauszusetzen, die dem Leben und dem Organismus eigen sind und an der sich der allumfassende Wandel gleichsam bricht. Denn die „Theile“ des Lebens, so Hegel, „sind keine chemische Abstractionen; sondern substantielles eignes ganzes Leben“ (GW : ). Die Chemie bietet so ein Modell für das Verhältnis eines umfassenden Wandels und seiner unselbständigen Momente; für die Möglichkeit der Darstellung, diese einzelnen Momente herauszustellen und ihre begriffliche Ordnung vor Augen zu führen; und vor allem für die methodische Prämisse, dass diese Momente allein durch die ‚Gewalt und Kunst‘ des Chemikers als ‚Abstraktionen‘ festzuhalten sind und sich in ihnen nichtsdestotrotz die Wirklichkeit in der ihr eigenen begrifflichen Ordnung zeigt. Diese empirische und realistische Umdeutung des Begriffs der Darstellung ist es, die Hegels methodisches Interesse an der Chemie begründet und deren experimentelle Praxis der Darstellung von Stoffen in die Nähe von Hegels spekulativer Darstellung des Begriffs rücken lässt, die ebenso der ‚Gewalt und Kunst‘ des Philosophen bedarf. Es geht Hegels Philosophie dabei wie dem Chemiker um den ‚Begriff der Sache‘, sofern man diese beiläufige Formulierung Kants denn im Sinne Hegels versteht, das heißt mit Blick auf die „c h e m i s c h e A b s t r a c t i o n als aus dem reinen Begriffe, aber er ist W i r k l i c h k e i t “ (GW : ).

 „Aber diese Unterschiede sind nicht, sie haben als solche k e i n e S u b s t a n z , keine Wirklichkeit, oder sie sind nicht wie sie in der Wirklichkeit Substanz sind; und a l s unterschiedne müssen sie w i r k l i c h seyn. Sie gehen in eigne Selbstständigkeit zurück, sind für sich im Gegensatze, bemächtigen sich der Substanz, zerreissen sie, verwenden sie zu ihrem Bestehen; jene chemische Elemente sind nur die Abstractionen ihres Wesens, oder ihr w e s e n t l i c h e r Charakter, nicht ihre Wirklichkeit; die chemischen Momente haben keine Wirklichkeit.“ (GW : )

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Siglen AA

Immanuel Kant. Gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin,  ff. AA III (Kritik der reinen Vernunft (. Aufl. )); AA IV (Kritik der reinen Vernunft (. Aufl. ), Prolegomena, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft); AA V (Kritik der praktischen Vernunft, Kritik der Urteilskraft); AA VII (Der Streit der Fakultäten, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht); AA IX (Logik, Physische Geographie, Pädagogik); AA XII (Briefwechsel  – , Anhang (.Aufl.)); AA XIV (Mathematik, Physik und Chemie, Physische Geographie); AA XXI (Opus postumum); AA XXII (Opus postumum)

AA

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Hermann Krings und Hermann Zeltner. Stuttgart-Bad Cannstatt,  ff. AA I, (Ideen zu einer Philosophie der Natur ()); AA I, (Schriften  – )

GW

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg,  ff. GW  (Jenaer Systementwürfe I); GW  (Jenaer Systementwürfe II); GW  (Jenaer Systementwürfe III); GW  (Phänomenologie des Geistes); GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die objektive Logik (/)); GW  (Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik ()); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ()); GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein ()); GW , (Vorlesungen über die Philosophie der Natur III)

SW  Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Zur Geschichte der neueren Philosophie. In: Band  der Sämmtlichen Werke. Herausgegeben von K.F.A. Schelling,  – . Stuttgart und Augsburg, .

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Der ‚Begriff der Sache‘

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– Hg. . Hegel und die Naturwissenschaften. Stuttgart-Bad Cannstatt. – Hg. . Hegel and Newtonianism. Dordrecht. Posch, Thomas. . „Hegel and the Sciences“. In: A Companion to Hegel, herausgegeben von Stephen Houlgate und Michael Baur,  – . Chichester. Prauss, Gerold, Hg. . Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie. Frankfurt a. M. Puntel, Lorenz Bruno. . Darstellung, Methode und Struktur. Untersuchungen zur Einheit der systematischen Philosophie G.W.F. Hegels. Bonn. Röttges, Heinz. . Der Begriff der Methode in der Philosophie Hegels. Meisenheim am Glan. Ruschig, Ulrich. . Hegels Logik und die Chemie. Fortlaufender Kommentar zum „realen Maß“. Bonn. – . „Logic and Chemistry in Hegel’s Philosophy“. HYLE. International Journal for Philosophy of Chemistry :  – . Sandkühler, Hans Jörg, Hg. . Handbuch Deutscher Idealismus. Stuttgart und Weimar. Sans SJ, Georg. . „Weisen der Welterschließung. Zur Rolle des Chemismus in Hegels subjektiver Logik“. Hegel-Studien :  – . Schlenstedt, Dieter. . „Darstellung“. In: Band : Absenz – Darstellung von Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, herausgegeben von Karlheinz Barck, Martin Fontius, Friedrich Wolfzettel und Burkhart Steinwachs,  – . Stuttgart und Weimar. Schmid, Jelscha. [im Erscheinen]. „Schelling’s Method of Darstellung. Presenting Nature through Experiment“. Studies in History and Philosophy of Science. Schubbach, Arno. . Die Genese des Symbolischen. Zu den Anfängen von Ernst Cassirers Kulturphilosophie. Hamburg. – . „Kants Konzeption der geometrischen Darstellung. Zum mathematischen Gebrauch der Anschauung“. Kant-Studien ,:  – . Schüling, Hermann. . Die Geschichte der axiomatischen Methode im . und beginnenden . Jahrhundert (Wandlung der Wissenschaftsauffassung). Hildesheim und New York NY. Schummer, Joachim. . Realismus und Chemie. Philosophische Untersuchungen der Wissenschaft von den Stoffen. Würzburg. – . „Philosophie der Chemie“. In: Grundriss Wissenschaftsphilosophie. Die Philosophien der Einzelwissenschaften, herausgegeben von Simon Lohse und Thomas Reydon,  – . Hamburg. Shabel, Lisa A. . Mathematics in Kant’s Critical Philosophy. Reflections on Mathematical Practice. New York NY und London. Siep, Ludwig. . Der Weg der „Phänomenologie des Geistes“. Ein einführender Kommentar zu Hegels „Differenzschrift“ und zur „Phänomenologie des Geistes“. Frankfurt a. M. Stahl, Ernst Ludwig. . „Darstellung“. In: Gestaltprobleme der Dichtung, herausgegeben von Richard Alewyn und Hans-Egon Hass,  – . Bonn. Stekeler, Pirmin. . Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein dialogischer Kommentar, Band : Gewissheit und Vernunft. Hamburg. Ströker, Elisabeth. . Theoriewandel in der Wissenschaftsgeschichte. Chemie im . Jahrhundert. Frankfurt a. M. Werner, Jürgen. . Darstellung als Kritik. Hegels Frage nach dem Anfang der Wissenschaft. Bonn. Wolff, Christian. . Auszug aus den Anfangs-Gründen aller mathematischen Wissenschafften. Frankfurt und Leipzig.

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ARNO SCHUBBACH

Ziche, Paul. . „Passive Wissenschaft. Schellings Wissenschaftsphilosophie in der Zeit der Stuttgarter Privatvorlesungen“. In: System, Natur und Anthropologie. Zum . Jubiläum von Schellings Stuttgarter Privatvorlesungen, herausgegeben von Lore Hühn und Philipp Schwab,  – . Freiburg und München.

PERSPEKTIVEN DER FORSCHUNG

Guido Kreis, Friedrike Schick, Marc Nicolas Sommer, Pirmin Stekeler-Weithofer LÄSST SICH DAS UNENDLICHE WIDERSPRUCHSFREI DENKEN? Ein Buchsymposium zu Guido Kreis’ Negative Dialektik des Unendlichen: Kant, Hegel, Cantor. Berlin: Suhrkamp, .  S. In Negative Dialektik des Unendlichen: Kant, Hegel, Cantor [Negative Dialectic of the Infinite: Kant, Hegel, Cantor], Guido Kreis analyses three versions of the paradoxes of the infinite that continue to haunt human thinking: Kant’s antinomies in the Critique of Pure Reason, Hegel’s critique and transformation of these antinomies in the Science of Logic, and the paradoxes that Georg Cantor identified in set theory. According to Kreis, a specific kind of dialectic corresponds to each of these versions: a transcendental, limitative dialectic in Kant; a speculative, positive dialectic in Hegel; and a simple version of a negative dialectic in Cantor that Kreis sets out to develop further. Kreis argues that the paradoxes inevitably derive from the conceptualisation of absolutely large, infinite totalities of all facts or all objects. He defends the claim that neither Kant, nor Hegel, nor Cantor were able to solve the paradoxes of the infinite in a satisfying manner. Rather, the negative dialectic of the infinite is supposed to show that, as far as we can see, no attempt at a consistent conceptualisation of the infinite is available, which will not in turn lead into even more intricate difficulties. – Friedrike Schick, Marc Nicolas Sommer, and Pirmin Stekeler-Weithofer discuss and challenge this position from different perspectives: from alternative readings of Hegel’s Logic and Kant’s first Critique, from the standpoint of Adorno’s Negative Dialectic, and from the viewpoint of other contemporary mathematical and metaphysical notions of the infinite. ABSTRACT

I. Grundlinien einer negativen Dialektik des Unendlichen von Guido Kreis Im Zentrum der Negativen Dialektik des Unendlichen stehen drei Versionen der Paradoxien des Unendlichen. Sie sind Beispiele für schwerwiegende Widersprüche im menschlichen Denken, die sich gegenüber ihrer Auflösung als notorisch resistent erweisen. Die drei Versionen sind Kants kosmologische Antinomien in der Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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Kritik der reinen Vernunft, Hegels Kritik und Fortführung dieser Antinomien in der Wissenschaft der Logik und schließlich die Anwendung der mengentheoretischen Paradoxien Georg Cantors auf den Begriff der Welt im Sinne von ‚alle Tatsachen‘ oder ‚alle Gegenstände‘. Im Zentrum dieser Paradoxien steht der Begriff einer aktualen, absolut unendlich großen Totalität aller Tatsachen oder Gegenstände. Diese Totalitäten sind unendlich, weil sie unendlich viele Tatsachen oder Gegenstände enthalten. Sie sind absolut, weil keine Tatsache und kein Gegenstand in ihnen nicht enthalten sind. Sie sind aktual unendlich, weil es sich um vollendete, abgeschlossene Totalitäten handelt. Mit den Paradoxien des Unendlichen sind zugleich die drei Grundformen der modernen Dialektik verbunden: Kants transzendentale (limitative) Dialektik, Hegels spekulative (positive) Dialektik und schließlich eine Version der negativen Dialektik, die im Laufe des Buches selbst entwickelt wird. Das Buch will auch einen Beitrag zur Rekonstruktion dieser Grundtypen der modernen Dialektik leisten. Kant behauptet in der Kritik der reinen Vernunft, dass sich die menschliche Vernunft in ihrer natürlichen Einstellung zur Wirklichkeit in Antinomien verwickelt. Kant legt dabei zwei Versionen des Weltbegriffs zugrunde. Nach der ersten, semantischen Definition ist die Welt die absolute Totalität aller existierenden Gegenstände; nach der zweiten, kosmologischen Definition ist die Welt die unbedingte vollständige Reihe aller Ursachen aller Zustände aller raumzeitlichen Gegenstände. Zentral für die natürliche Einstellung des Menschen ist ein impliziter Schluss vom Bedingten aufs Unbedingte: Wenn wir einen Zustand eines Gegenstandes als kausal bedingt erfahren, dann gehen wir stillschweigend davon aus, dass auch die vollständige Reihe seiner Bedingungen realisiert ist. Kant beansprucht, allein auf der Grundlage der Annahmen der natürlichen Einstellung unvermeidbare Widersprüche aufzeigen zu können. Zum Beispiel soll es hinsichtlich der Frage nach der zeitlichen Erstreckung der Welt in der Vergangenheit möglich sein, ein erfolgreiches Argument jeweils sowohl für als auch gegen die Existenz eines ersten Weltzeitpunktes zu führen; dies ist die Zeitvariante von Kants erster Antinomie. Dieser Widerspruch verlangt nach Auflösung. Sie besteht bei Kant erstens in einer semantischen Neubewertung der infrage stehenden Aussagen, nach der sie nur auf der Oberfläche kontradiktorisch entgegengesetzt, in Wahrheit aber ( je nach Lesart) entweder beide falsch oder aber beide überhaupt nicht objektiv gültig sind. Diese Lösung ist nur auf der Grundlage des transzendentalen Idealismus möglich, der ein grundlegendes Prinzip der natürlichen Einstellung aufgibt und verneint, dass auch Aussagen über prinzipiell unerkennbare Gegenstände objektiv gültig sind. Der transzendentale Idealismus veranlasst auch Kants zweiten Auflösungsschritt, nach dem wir den Begriff der Welt nie im Sinne einer aktual unendlichen Totalität (eines ‚absoluten Alls‘), sondern stets nur im Sinne einer potentiell unendlichen Totalität (eines ‚komparativen Alls‘) objektiv gültig verwenden können. Das impliziert, dass wir nicht berechtigt sind anzunehmen, dass die

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Welt im Sinne des absoluten Alls überhaupt existiert. Damit zieht Kant der menschlichen Erkenntnis Grenzen; seine Auflösung stellt eine limitative Dialektik des Unendlichen dar. Ich kritisiere Kant in zwei Punkten: Es ist ihm einerseits nicht gelungen, die Antinomie des Weltbegriffs tatsächlich zu etablieren, weil die Argumente für die finitistische Position jeweils in zirkulärer Weise die Inkonsistenz des Begriffs einer vollendeten (aktualen) Unendlichkeit voraussetzen. Andererseits führt die Ersetzung des absoluten Alls durch das komparative All dazu, dass Kant den universalen Geltungsanspruch seiner eigenen Grundsätze des reinen Verstandes nicht mehr erfolgreich formulieren kann, denn diese setzen gerade die Quantifizierung über uneingeschränkt alle Erscheinungen voraus. Hegel hat seine positive Dialektik aus der Weiterentwicklung der kantischen Antinomien gewonnen. Er transferiert sie aus dem Kontext der rationalen Kosmologie in die transzendentale Metaphysik seiner Kategorientheorie, der Wissenschaft der Logik. Kants zweite Antinomie rekonstruiert Hegel als Antinomie des reinen Begriffs der qualitativen Unendlichkeit, der Kategorie des Fürsichseins, die erste Antinomie dagegen als Antinomie des reinen Begriffs der quantitativen Unendlichkeit, der Kategorie der Quantität. Der zweite Teil des Buches folgt diesen Kapiteln der Logik in einer detaillierten Analyse, in der die Methode der hegelschen Dialektik nicht vorausgesetzt, sondern aus der konkreten Entwicklung der begrifflichen Gehalte der Kategorien allererst Schritt für Schritt rekonstruiert wird. So enthält (oder impliziert) der Begriff der qualitativen Unendlichkeit zwei Teilbegriffe, die zueinander in kontradiktorischem Verhältnis stehen: den Begriff der unendlichen Einteilbarkeit einerseits, den Begriff der nicht-unendlichen Einteilbarkeit in letzte Atome andererseits. Hegel akzeptiert die Geltung des Satzes vom Widerspruch und den rationalen Zwang, den aufgetretenen Widerspruch aufzuheben. Er wird aufgehoben durch die Konstruktion eines nächsthöheren konkret allgemeinen Gattungsbegriffs, der die zuvor widersprüchlichen Teilbegriffe als seine beiden einzigen Artbegriffe enthält, sodass sie sich relativ zu diesem neuen Begriff konsistent zusammendenken lassen. Aus dieser Fortentwicklung der Auflösung von Widersprüchen in den Kategorien gewinnt Hegel Schritt für Schritt deren Gesamtsystem. Damit ist nun aber der Anspruch verbunden, die aktuale Unendlichkeit dessen, was in Wahrheit ist, in seinen begrifflichen Bestimmungen gedacht zu haben. Hegel spricht diesen Anspruch im Schlusskapitel der Logik explizit mit Hilfe der These aus, dass der Begriff, das System der Kategorien, alles ist. Der begriffliche Gehalt von ‚alles‘ aber, verstanden in dem Sinne, in dem Hegel ihn hier explizit verwendet, im Sinne von ‚alle Gegenstände‘, ist inkonsistent, wie die im dritten Teil des Buches rekonstruierten Argumente zeigen. Damit scheitert der Abschluss der positiven Dialektik, und der Argumentationsgang geht in eine negative Dialektik über. Im dritten Teil der Negativen Dialektik des Unendlichen werden die Paradoxien von Cantors Mengentheorie und ihre Anwendung auf die Metaphysik des Welt-

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begriffs (mit Rückgriff auf Arbeiten von Patrick Grim und Timothy Williamson) rekonstruiert. Die mengentheoretischen Paradoxien entstehen, wenn man die Existenz absolut unendlich großer Mengen, wie der Menge aller Mengen oder der Menge aller Ordinalzahlen, annimmt. Dass die entsprechenden Mengenbegriffe widersprüchlich sind, lässt sich mit Hilfe des cantorschen Diagonalverfahrens präzise demonstrieren. Dieser Teil des Buches hat aber im Wesentlichen zum Ziel, die mengentheoretischen Paradoxien unabhängig aus ihrem im engeren Sinne mathematischen Zusammenhang zu lösen und in einer Weise für die Metaphysik des Unendlichen fruchtbar zu machen, die nicht mehr vom Mengenbegriff und von mengentheoretischen Annahmen ausgeht. Durch die Anwendung des Diagonalverfahrens auf den Begriff aller Tatsachen und den Begriff aller Gegenstände lässt sich nachweisen, dass die entsprechenden Weltbegriffe tatsächlich inkonsistent sind. Der Widerspruch beruht auf der quantitativen Grundstruktur dieser Totalitäten, die mit Hilfe der mathematischen Methodik angemessen explizit gemacht werden kann. Das Diagonalverfahren zeigt jeweils, dass jeder Versuch einer Bildung aller Tatsachen oder aller Gegenstände immer mindestens einen Gegenstand auslassen muss. Jeder Begriff einer quantitativen, absolut unendlich großen Totalität erweist sich damit als inkonsistent. Kants Annahme von schwerwiegenden Widersprüchen im menschlichen Denken der Welt als Ganzer lässt sich damit präzise begründen. Ich diskutiere im dritten Teil des Buches verschiedene Strategien, die Paradoxien der absolut unendlich großen Totalitäten aufzulösen. Cantor hatte die (wie er sie nannte) ‚inkonsistenten Vielheiten‘ aus der Mengentheorie ausgeschlossen, dennoch aber explizit ihre Existenz im göttlichen Verstand und für die Theologie zugestanden, obwohl sie den begrenzten epistemischen Kapazitäten des menschlichen Denkens nicht zugänglich sind. Das ist eine einfache negative Dialektik des Unendlichen, eine negative Theologie des absolut Unendlichen, die das systematische Problem eher in seiner ganzen Schärfe deutlich macht, als es effektiv aufzulösen. Die mathematische Mengentheorie hat mit den von Zermelo und Fränkel eingeführten Axiomen die Bildung der fraglichen Mengen ausgeschlossen; sie verwendet das Diagonalverfahren, um deren Nichtexistenz zu beweisen. Diese Lösung führt in charakteristische Probleme, denn die Annahme der Nichtexistenz des Mengenuniversums macht es unverständlich, wie Aussagen über alle Mengen, von denen die Mengentheorie reichlich Gebrauch macht, überhaupt sinnvoll verwendet werden können. Diese Lösung und ihre Probleme sind verwandt mit Kants Strategie einer Ersetzung der aktualen Unendlichkeit des absoluten Alls durch die potentielle Unendlichkeit des komparativen Alls. Vergleichbare Motive und Probleme liegen auch Patrick Grims Versuch zugrunde, von den Widersprüchen in den Weltbegriffen auf die Nichtexistenz der Welt zu schließen. Wegen dieser Probleme diskutiere ich daher auch zwei verschiedene alternative Lösungsstrategien, die die Existenz der absolut unendlich großen Totalitäten für

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ausgemacht halten und dann anschließend davon ausgehen, dass diese Totalitäten entweder widersprüchliche Gegenstände sind, die die inkonsistenten Prädikate tatsächlich aufweisen, oder aber hinsichtlich der fraglichen Prädikate unterbestimmte Gegenstände sind, in Bezug auf welche unsere Aussagen zwangsläufig Wahrheitswertlücken aufweisen. Die erste Strategie (vertreten etwa von Graham Priest) verletzt den Satz vom auszuschließenden Widerspruch, die zweite dagegen (vertreten etwa von Patrick Grim und Nicholas Rescher) das Prinzip der Bivalenz von Aussagen. Die Strategien müssen also (im ersten Fall) durch eine parakonsistente oder (im zweiten Fall) durch eine intuitionistische Logik ergänzt werden, was in jedem Falle eine radikale Revision unserer logischen Grundüberzeugungen bedeutete (von dem damit verbundenen technischen Aufwand nicht zu reden). Dass diese beiden Strategien überhaupt ernsthaft von etablierten Peers der zeitgenössischen Logik und Metaphysik erwogen werden, dokumentiert anschaulich, in welchem Sinne die Paradoxien des Unendlichen tatsächlich schwerwiegende Widersprüche im menschlichen Denken sind. Der Stand der Debatte ist dann am Ende der folgende: Hegels anspruchsvoller Versuch, die aktuale Unendlichkeit dessen, was in Wahrheit ist, widerspruchsfrei zu denken, scheitert, weil die unterdrückte quantitative Grundstruktur des Begriffs aller Gegenstände am Ende der Logik ihr begriffliches Recht verlangt und den kohärenten Abschluss verhindert. Statt nun in eine limitative Dialektik zurückzufallen oder in eine systematisch unbefriedigende negative Theologie des Unendlichen überzugehen, schlage ich eine metatheoretische Position vor, in der die verschiedenen Diagnose- und Lösungsstrategien gegeneinander abgewogen werden. Das Ergebnis ist, dass, soweit wir sehen können, keine der diskutierten Strategien zu einer Auflösung der Paradoxien führt, die nicht auf der Stelle selbst wieder erhebliche Folgeprobleme aufwerfen würde. Es mag weitere Lösungsstrategien geben, vielleicht auch einfache und effektiv erfolgreiche, aber im Lichte der Systematik, die den diskutierten Strategien zugrunde liegt, ist das zumindest nicht sehr wahrscheinlich. Daraus schließe ich, dass unsere Begriffe von der absolut unendlich großen Totalität alles dessen, was es gibt, tatsächlich inkonsistent sind, und dass es, soweit wir sehen können, keine einfache Lösung für diese Sachlage gibt, die nicht selbst wiederum in erhebliche Probleme führen würde – obwohl es rationalen Wesen wie uns aus Vernunftgründen aufgegeben ist, eine Auflösung zu finden. Damit ist die negative Dialektik des Unendlichen etabliert.

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II. Hegels Wissenschaft der Logik und die Tücken unbeschränkter Allquantifizierung von Friedrike Schick In seiner systematischen Studie Negative Dialektik des Unendlichen verbindet Guido Kreis auf erhellende Weise die Auseinandersetzung dreier Theorietypen mit dem Begriff des Unendlichen in der näheren Bestimmung absolut – d. h. nicht mehr steigerbarer – unendlich großer Totalitäten: die ‚limitative Dialektik‘, exemplifiziert in Kants Behandlung der beiden mathematischen Antinomien in der Kritik der reinen Vernunft, die ‚positive Dialektik‘, exemplifiziert in Hegels Wissenschaft der Logik und die ‚negative Dialektik‘, deren erste, einfache Version von Cantor vertreten wird, während der Autor selbst am Ende zu einer negativen Dialektik zweiter Stufe gelangt, die keinen eigenen Lösungsvorschlag vorlegt, sondern auf Basis des diagnostizierten Widerspruchs im Begriff absolut unendlich großer Totalitäten die vorhandenen Lösungsvorschläge prüft und am Ende zu dem folgenden zweifachen Ergebnis kommt: Zum einen gilt, daß unsere elementaren Begriffe von der absolut unendlichen Totalität alles dessen, was es gibt, tatsächlich inkonsistent sind. Zum anderen hat sich gezeigt, daß für die Paradoxien des Unendlichen keine Lösung abzusehen ist, die nicht selbst wiederum neue schwerwiegende Probleme aufwerfen würde. Wir sind, soweit zu sehen ist, nicht in der Lage, das Unendliche widerspruchsfrei zu denken. (NDU ) Die folgende Überlegung geht von der Richtigkeit des ersten dieser beiden Teilergebnisse aus, davon also, dass sich analog zu Cantors Paradox der Menge aller Mengen und mit analogen Argumenten zeigen lässt, dass auch die Begriffe ‚alle Tatsachen‘, ‚alle Gegenstände‘ oder gleich ‚alles‘ in sich widersprechend sind, und zwar selbst dann, wenn sie ohne Rekurs auf den Mengenbegriff artikuliert werden. Die uneingeschränkte, damit die begrifflich nicht spezifizierte – in diesem Sinn: begriffslose – Allheit von Gegenständen oder Tatsachen dementiert die zugleich für sie definitorische Vollständigkeit durch quantitative Selbstüberschreitung – alles ist immer auch nicht alles. Die Frage, mit der ich an diesen Befund anschließen möchte, lautet: Was bedeutet der interne Widerspruch unbeschränkter Allquantifizierung im engeren Sinn für die Wissenschaft der Logik, und was bedeutet sie im weiteren Sinn für eine Wissenschaft der Logik, d. h. für Theorien, die mit Hegels Wissenschaft der Logik die Grundanlage teilen, eine systematische Untersuchung der Kategorien an ihnen selbst zu entwickeln? Wie ich im Folgenden zeigen möchte, ist es für die Frage der Betroffenheit von den Tücken unbeschränkter Allquantifizierung wichtig, zwischen Hegels konkreter Durchführung im Einzelnen und dem allgemeinen Typ systematischer Kategorientheorie zu unterscheiden. Mir  Der entsprechende Beweis findet sich im zwölften Kapitel von NDU.

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scheint, dass erstere tatsächlich eine Wendung nimmt, die sie darauf festlegt, Wissenschaft von allem zu sein, während diese Festlegung nicht für den Theorietyp und auch nicht für die Wissenschaft der Logik im Ganzen gilt. Dass Hegel die Wissenschaft der Logik an ihrem Ende darauf festlegt, dass das System der Kategorien alles sei – wobei ‚alles‘ genau jene uneingeschränkte Allquantifizierung meint, die im Anschluss an Kreis’ im zweiten Teil des Buches durchgeführte Rekonstruktion von Hegels ‚positiver Dialektik‘ im dritten Teil als widersprüchlich erwiesen wird –, belegt Guido Kreis mit der folgenden Passage aus dem Schlusskapitel der Wissenschaft der Logik: Was hiemit als Methode hier zu betrachten ist, ist nur die Bewegung des B e g r i f f s selbst, deren Natur schon erkannt worden, aber e r s t l i c h nunmehr mit der B e d e u t u n g , daß der B e g r i f f A l l e s , und seine Bewegung die a l l g e m e i n e a b s o l u t e T h ä t i g k e i t , die sich selbst bestimmende und selbst realisirende Bewegung ist. Die Methode ist deßwegen als die ohne Einschränkung allgemeine, innerliche und äusserliche Weise, und als die schlechthin unendliche Kraft anzuerkennen, welcher kein Objekt, insofern es sich als ein Aeusserliches, der Vernunft fernes und von ihr unabhängiges präsentirt, Widerstand leisten, gegen sie von einer besondern Natur seyn, und von ihr nicht durchdrungen werden könnte. (GW :  / TWA : ) Kreis erwägt freilich auch einen Einwand dagegen, den hier ausgesagten Allgemeinheitsanspruch des Begriffs im Sinn des begriffslosen Alles zu nehmen – gehört der letztere doch ins Feld der quantitativen Unendlichkeit, die im Quantitätsabschnitt der Logik schon Thema war, sich dort als widersprüchlich erwies, wobei ihr Widerspruch sich gerade durch den Einzug des Qualitativen ins Feld des Quantitativen lösen sollte – zunächst in Form des quantitativen Verhältnisses und schließlich in Gestalt des Maßes (vgl. zu diesem Thema NDU Kap. ). So könnte es Kreis zufolge zunächst angemessener scheinen, für den Schluss der Wissenschaft der Logik an einen Anspruch qualitativer Unendlichkeit zu denken, den Ausdruck ‚alles‘ auf die Kategorien einzuschränken und die Auskunft, dass der Begriff alles sei, rein als Abschlussmeldung für die Kategorientheorie, ihrer Vollendung zum Gesamtsystem von Kategorien, zu verstehen (vgl. NDU  f.). Damit hätten wir eine begrifflich qualifizierte Totalität vor uns und nicht jenes begriffslose Alles, das den von Kreis aufgezeigten Widerspruch enthält. Allein – so leicht kommt die Wissenschaft der Logik nach Kreis nicht davon. Den Grund dafür sieht er in Folgendem: Der Totalitätsanspruch, den sie für das System  Aus Platzgründen kann ich auf Kreis’ Diskussion des Verhältnisses zwischen Kants mathematischen Antinomien und Hegels Kommentierung vor dem Hintergrund der Logik der Quantität ebenso wenig eingehen wie auf seine Sondierung und Kritik zeitgenössischer Lösungsvorschläge. Meine Frage konzentriert sich stattdessen auf das Kapitel ., das allerdings für die Architektur des Buches insofern von zentraler Bedeutung ist, als es den Übergang von der positiven zur negativen Dialektik motiviert.

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der Kategorien einlösen will, ist nicht nur intern als Anspruch für das Feld der Kategorien konzipiert, sondern auch als der gegenstandsbezogene Anspruch, in den Kategorien die Wahrheit all dessen erfasst zu haben, was es gibt. Das Scharnier zwischen diesen beiden Totalitätsansprüchen bildet Hegels These über einen bestimmten Zusammenhang zwischen kategorialer Struktur auf der einen Seite und einzelnen Gegenständen im Sinn des verständigen Denkens auf der anderen: Die begriffliche oder kategoriale Struktur ist das, was den einzelnen Gegenstand ausmacht, sein Prinzip, seine Wahrheit. Kraft dieser Scharnierthese genügt es dann nicht, den systematischen Abschluss der logischen Bestimmungen für sich zu erreichen und zu artikulieren, sondern es muss darüber hinaus auch artikuliert werden, dass damit die Wahrheit aller einzelnen Gegenstände erfasst sei. Wegen dieses Anspruchs auf objektive Bedeutung darf Hegel „am Ende der Logik nicht lediglich qualitativ auf die Bestimmungen der Gegenstände, er muß zugleich auch quantitativ auf alle Gegenstände Bezug nehmen“ (NDU ). Und indem die Wissenschaft der Logik im qualitativen All der Kategorien das quantitative All der Gegenstände als „mit erfaßt“ artikulieren muss, wird sie umgekehrt unreflektiert miterfasst von der Antinomie des Begriffs ‚alle Gegenstände‘ (NDU ). Soweit das Argument des Autors. In zwei Punkten stimme ich mit ihm überein: (i) Wenn das, was einen beliebigen einzelnen Gegenstand ausmacht – sein Begriff also –, letztlich darin liegen soll, dass er begrifflich verfasst ist, dann ist die Kategorientheorie, die das vertritt, mittelbar auch eine Theorie über alles, was es gibt. (ii) In der zitierten Passage aus dem Schlusskapitel der Wissenschaft der Logik ist der Kategorientheorie diese Wendung gegeben. Jedenfalls sehe ich im Augenblick kein Argument dafür, das Kapitel davon noch einmal zu trennen. Damit scheint mir aber nicht schon entschieden, dass die Wissenschaft der Logik als systematische Kategorientheorie vom Widerspruch des ‚alles‘ betroffen ist. Dafür, dass eine systematische Kategorientheorie nicht, auch nicht mittelbar, die Wissenschaft von unspezifiziert allem zu sein hätte, sprechen m. E. die folgenden drei Argumente: (i) Ein erster Hinweis darauf, dass an dieser Stelle noch etwas klärungsbedürftig ist, liegt in der Beobachtung, dass sich die Kategorientheorie der Wissenschaft der Logik selbst nicht dem Schema fügt, das die zuletzt zitierte Charakterisierung annimmt: Während diese die Kategorien ganz auf die Seite der Bestimmungen stellt und einzelne Gegenstände ihnen gegenüber auf die Seite des zu Bestimmenden, hat die Wissenschaft der Logik – ab der Kategorie des bestimmten Seins – jeweils das ganze Verhältnis von Bestimmung und Bestimmtem zu ihrem Thema, so beispielsweise nicht nur das qualitative Bestimmtsein, sondern auch das qualitativ bestimmte Ewas, nicht nur das Fürsichsein, sondern auch das

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Fürsichseiende (das Eins), oder später: nicht nur die Eigenschaften, sondern auch das Ding und noch später nicht nur das Allgemeine des Begriffs, sondern auch dessen besonderes Einzelnes. Das Ganze eines solchen bestimmten allgemeinen Bestimmungsverhältnisses ist dann aber etwas anderes als ein – und sei es noch so allgemeines – charakterisierendes Prädikat einzelner Gegenstände. Bei den Begriffen, die dabei jeweils auf der Seite des logischen Subjekts – des zu Bestimmenden – stehen, handelt es sich offensichtlich auch nicht um einzelne Gegenstände im Sinn von Kreis’ Argumentation und von Hegels Scharnierthese, sondern um Formen von Gegenständlichkeit, Formen der Besetzung des Subjektpols in Bestimmungsverhältnissen und als solche nicht um inhaltliche Klassifikationen von Gegenstandsbereichen. Diese Formen des Bestimmten verhalten sich korrespondierend zu ihren Formen des Bestimmens und werden mit diesen zusammen kritisiert, fortgebildet und verwandelt. So gehören das Etwas, das Ding, das Einzelne usw. in die Kategorientheorie, ohne ihrerseits das Feld des unspezifizierten Alles zu eröffnen, ginge doch, im Gegenteil, ihr je spezifischer Inhalt in der Ersetzung durch ‚alles‘ gerade verloren. (ii) Geht man nicht wie eben von den Themen der Kategorientheorie aus, sondern in Gegenrichtung von konkreten Fragen, die einen bestimmten Gegenstand betreffen, zeichnet sich dasselbe Ergebnis ab: Auf konkrete objektstufige Fragen geben logische Bestimmungen keine Antwort. Indem etwa die Kategorie der Qualität im Allgemeinen auf ihren Begriff gebracht ist, so ist damit nicht auch noch bestimmt, was für eine Qualität dieser oder jener Gegenstand hat. Wenn z. B. die Frage, wie die menschliche Anatomie beschaffen ist, oder die Frage, was ein bürgerliches Parlament auszeichnet, mit der identischen Antwort beschieden würde, sie/es sei qualitativ verfasst – so wäre man weder in anatomischen noch in politischen Dingen klüger geworden. So scheint die Ansicht, die Grundqualität von etwas bestehe darin, eine Qualität zu haben, in die Irre zu gehen. Dafür liefert die Theorie der Qualität selbst auch eine Begründung: Wenn, wie Hegel in der Seinslogik gezeigt hat, zur Kategorie der Qualität gerade auch die qualitative Grenze – das So-und-nicht-andersSein, das Abgegrenztsein von anderem – gehört, so ist, qualitativ verfasst zu sein, darum kein guter Kandidat für eine Qualitätsangabe, weil in dieser probeweise eingesetzten Bestimmung ein qualitativ Verfasstes von keinem anderen qualitativ Verfassten unterschieden wäre. Dasselbe ließe sich mit anderen Beispielen und anderen Kategorien ebenso zeigen. – Es zeichnet sich also ab, dass Kategorien nicht darauf geeicht sind, als objektstufige Prädikate oder objektstufige Klassenbegriffe zu fungieren, und darin liegt, dass eine Kategorientheorie von sich her keine Theorie über alles ist oder sein müsste. (iii) Während die zwei vorigen Argumente auf die Unterscheidung der Wissenschaft der Logik als Kategorientheorie von dem Anspruch zielen, eine Theorie

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über alles zu sein, lässt sich, wenn ich recht sehe, aus der Wissenschaft der Logik auch ein Argument zur direkten Kritik der Begriffskonstruktion ‚alles, was es gibt‘ gewinnen. Die dafür einschlägigen Gedanken finden sich im Urteilskapitel der Begriffslogik, näher im Unterkapitel B.c „Das universelle Urteil“. Darin sind Urteile (hier: Wesensaussagen) der Form ‚Alle F sind G‘ thematisch. Sinngemäß hält Hegel zu dieser Urteilsform fest: Sie unterscheidet sich von einer nachträglichen Zusammenfassung einer Reihe von Einzelfallbefunden dadurch, dass die Einzelnen nun als Repräsentanten des F-Seins fungieren, während das FSein umgekehrt nicht nur einen beliebigen allgemeinen Aspekt an ihnen darstellt, sondern das Gattungsallgemeine, das sich in den Beschaffenheiten und Verhältnissen der einzelnen F’s als deren grundlegende Bestimmung geltend macht. Wenn dieser Anspruch zur Form des universellen Urteils gehört, dann ist ‚was es gibt‘ ersichtlich keine gute Ergänzung zu ‚alle‘, weil das universelle Urteil dann einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Subjekt- und Prädikatbegriff und damit eine inhaltliche Besetzung des Subjektbegriffs verlangt, die in der Existenzanzeige gerade nicht geleistet wird. Um die Stoßrichtung meines Diskussionsbeitrags im Anschluss an Kreis’ Abschlusskritik der positiven Dialektik zusammenzufassen – die Frage war: Wird die Wissenschaft der Logik vom Widerspruch der Begriffskonstruktion ‚alles, was es gibt‘ miterfasst? (i) Während NDU in Kap. . diese Frage eindeutig bejaht, plädiere ich für eine Differenzierung: Die Wissenschaft der Logik wird miterfasst, wenn und soweit sie Kategorien als objektstufige Bestimmungen beansprucht; sie wird nicht miterfasst, wenn und soweit sie das nicht tut. (ii) Es gibt auch keine Notwendigkeit dafür, die Wissenschaft der Logik als Kategorientheorie mit dem Anspruch zu beladen, eine Theorie über alles zu sein. (iii) Darüber hinaus lässt sich auf Basis von Hegels Theorie des universellen Urteils ein (hier freilich nur skizzenhaft vorgestelltes) Argument entwickeln, das geeignet ist, den Mangel der Konstruktion von ‚alles, was es gibt‘ sichtbar zu machen. III. Zu Guido Kreis’ Negativer Dialektik des Unendlichen von Marc Nicolas Sommer Guido Kreis hat ein Buch vorgelegt, das man getrost als großen Wurf bezeichnen darf. Es bietet nicht allein eine sorgfältige Untersuchung der Frage nach schwerwiegenden Widersprüchen im menschlichen Denken, sondern leistet auch einen substantiellen Beitrag zu den mit dieser Frage verbundenen Themen: den Para-

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doxien des Unendlichen und der Theorie der modernen Dialektik. Daneben sind die äußerst klaren und präzisen Rekonstruktionen der Positionen Kants und Hegels für die Kant- und Hegel-Forschung ein großer Gewinn – a fortiori gilt das für die Rekonstruktion der Dialektik Hegels, die nicht bei den operativen Begriffen ansetzt, mit denen Hegel seine Methode expliziert, sondern den Bedeutungsgehalt dieser operativen Begriffe erst aus einer kleinteiligen Rekonstruktion eines dialektischen Übergangs gewinnt (vgl. NDU  – ). Die argumentative Geschlossenheit der Studie macht es nicht leicht, Einwände zu formulieren, zumal ich von den Argumenten, die Kreis führt, überzeugt bin. Deshalb möchte ich erstens eine Nachfrage formulieren, welche die von Kreis vorgeschlagene Interpretation der hegelschen Logik als Kategorientheorie betrifft; zweitens möchte ich nach den Konsequenzen des Befunds einer negativen Dialektik des Unendlichen fragen; und drittens interessiert mich das Verhältnis der im Buch etablierten negativen Dialektik des Unendlichen zu Adornos negativer Dialektik. A. Hegels Logik als Kategorientheorie Kreis interpretiert die Wissenschaft der Logik als Kategorientheorie. Diese Interpretation ist nicht nur angesichts zentraler Textbelege (besonders GW :  f.; vgl. NDU  f.) überzeugend, sondern erlaubt es auch, einige Theoreme Hegels, wie das Zusammenfallen von Logik und Metaphysik oder die absolute Idee als machthabenden Begriff, verständlich rekonstruieren zu können. Die Interpretation impliziert, jeden in der Logik behandelten Begriff als Kategorie zu verstehen, die eine Antwort gibt „auf die Grundsatzfrage, was in Wahrheit ist“ (NDU  f.). Kreis führt diesen Gedanken vor allem für die seinslogische Kategorie des Fürsichseins aus: ‚Fürsichsein‘ ist diejenige Kategorie, die in den Theorien des Atomismus die Antwort auf die Frage, was es gibt, darstellt. Was es gibt, sind unteilbare, nur auf sich bezogene Individualitäten (vgl. NDU  – ). Eine solche Deutung lässt sich leicht auf die übrigen seinslogischen, wesenslogischen und auch begriffslogischen Kategorien übertragen. Allerdings stellt sich die Frage, wie die Kategorie, mit der die Logik schließt, in dieser Interpretationslinie zu lesen ist. Kreis beruft sich dabei auf folgende Passage: Was hiemit als Methode hier zu betrachten ist, ist nur die Bewegung des B e g r i f f s selbst, deren Natur schon erkannt worden, aber e r s t l i c h nunmehr mit der B e d e u t u n g , daß der B e g r i f f A l l e s , und seine Bewegung die a l l g e m e i n e a b s o l u t e T h ä t i g k e i t , die sich selbst bestimmende und selbst realisirende Bewegung ist. Die Methode ist deßwegen als die ohne Einschränkung allgemeine, innerliche und äusserliche Weise, und als die schlechthin unendliche Kraft anzuerkennen, welcher kein Objekt, insofern es

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sich als ein Aeusserliches, der Vernunft fernes und von ihr unabhängiges präsentirt, Widerstand leisten, gegen sie von einer besondern Natur seyn, und von ihr nicht durchdrungen werden könnte. (GW :  / TWA : ) Das Argument, das Kreis gegen Hegel vorbringt, setzt bei Hegels Aussage an, dass der Begriff alles ist. Kreis behauptet, dass Hegel die Aussage ‚Der Begriff ist alles‘ explizit machen muss. Denn die Vollständigkeit des Kategoriensystems, die das Ziel der Logik darstellt, „muß vom endlichen Denken selbst noch in seiner Bedeutung reflektiert werden, und diese Bedeutung besteht darin, alles zu sein“ (NDU ). Nun lässt sich aber unter Rückgriff auf cantorianische Argumente aus der Mengenlehre zeigen, dass der begriffliche Gehalt von ‚alles‘ inkonsistent ist, insofern sich aus ihm widersprüchliche Aussagen ableiten lassen (vgl. NDU  – ). Hegel kann demnach vorgeworfen werden, dass er die letzte Kategorie der Logik nicht wie alle anderen Kategorien auf seine Konsistenz überprüft hat (vgl. NDU  f.) Der Ausdruck ‚Begriff‘ meint dabei nach Kreis „das vollständige System der Kategorien“ (NDU ). Die letzte Kategorie ist mithin nicht einfach eine Kategorie unter anderen, sondern der ganze Kategorienrahmen. Fraglich ist nun, ob es überhaupt möglich ist, den gesamten Kategorienrahmen nochmals auf seine Konsistenz hin zu überprüfen, indem von ihm ausgesagt wird, dass er alles ist und diese Aussage auf mögliche Inkonsistenzen hin untersucht wird. Von Hegels Warte könnte hier ein Bedenken angeführt werden: Kreis bemerkt selbst, dass Hegel in seiner Kategorientheorie über eine Zufälligkeit der kantischen Deduktion der Kategorien hinausgehen will, die daher rührt, dass Kant die Form des Urteils unhinterfragt vorausgesetzt hat. Nach Hegel muss auch geprüft werden, „ob die Form des Urtheils Form der Wahrheit seyn könne“ (GW : §  Anm., ; vgl. NDU ). Kreis interpretiert das dahingehend, dass die Kategorientheorie nach Hegel zunächst zu zeigen hat, dass die Form des Urteils tatsächlich alternativlos ist, wenn es darum geht, dasjenige zu denken, was in Wahrheit ist; dieser Nachweis erfolge ganz am Anfang der Logik (vgl. NDU  f.). Allerdings nimmt die Begriffslogik in ihrem ersten Abschnitt nochmals eine Prüfung der Urteilsform vor und kommt zum Ergebnis, dass die Urteilsform die an sie gestellte Erwartung nicht erfüllen kann und deshalb in den Schluss übergehen muss (vgl. GW :  f.): Erst der Schluss ist „das Vernünftige“ (GW : ). Wenn dies zutrifft, was freilich erst zu prüfen wäre, dann könnte die letzte Kategorie, die absolute Idee oder der Begriff, nicht unter Anwendung der Urteilsform auf ihre Konsistenz hin geprüft werden, sondern die Konsistenz des ganzen Kategoriensystems kann nur in der Rekonstruktion der konkreten Beziehungen zwischen den Kategorien des Systems erfolgen. Diese Rekonstruktion behauptet Hegel mit der Logik gerade geleistet zu haben. Die absolute Idee am Ende der Logik ist daher, wie Kreis ganz richtig sagt, „ein Gehalt, der wesentlich nur in seiner Performanz realisiert zu werden vermag. Es ist nichts, das einfach nur zum Gehalt eines Wissens, eines

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Zeichens oder einer sonstigen Form gemacht werden könnte“ (NDU ). Die Prüfung der Konsistenz der absoluten Idee könnte daher nur darin bestehen, ob sich diese Kategorie tatsächlich in ihrer Performanz durchführen lässt. Anders gesagt: Jede Überprüfung der Konsistenz des Kategorienrahmens könnte an dieser Stelle nur noch innerhalb ihres eigenen Rahmens durchgeführt werden; die Frage, ob der Begriff alles ist, stellt aber eine externe Frage dar, insofern sie fragt, ob der Kategorienrahmen als ganzer auch alle Gegenstände umfasst. Meine Nachfrage lautet an dieser Stelle, ob zur immanenten Widerlegung Hegels nicht (i) die Kritik an der Urteilsform in der Begriffslogik rekonstruiert werden müsste und (ii) die Prüfung der Konsistenz des ganzen Kategorienrahmens nicht voraussetzen würde, jeden Übergang in der Logik auf seine Konsistenz hin zu prüfen. B. Was nun? Das Buch geht von einer Fragestellung aus, die bereits – mit etwas breiterem Skopus – Kants Kritik der reinen Vernunft zugrunde liegt: Gibt es schwerwiegende Widersprüche in unserem Denken, die wir auch mit den besten uns zur Verfügung stehenden Theorien und Methoden nicht zu lösen vermögen? (Vgl. NDU ) Kant bejahte diese Frage und meinte, diese schwerwiegenden Widersprüche ließen sich nur auflösen, indem wir ein grundlegendes Prinzip unseres Weltverständnisses aufgeben: den semantischen Realismus. Kreis weist allerdings nach, dass Kants Lösung nicht nur daran scheitert, dass er die Antinomie nicht etablieren kann, insofern seine Argumente für die finitistische Position nicht stichhaltig sind (vgl. NDU  – ), sondern auch bereits den transzendentalen Idealismus und – als Teil von diesem – den semantischen Antirealismus voraussetzt, der nicht eindeutig bewiesen wird (vgl. NDU ). Folgenschwerer wiegt allerdings, dass das Ergebnis der Auflösung der Antinomien – die Ersetzung des Weltbegriffs im Sinne des absoluten Alls (metaphysischer Weltbegriff) durch den Begriff eines komparativen Alls (empirischer Weltbegriff) (vgl. NDU ) – in Widerspruch steht mit dem universalen Geltungsanspruch der Hauptthesen der Kritik der reinen Vernunft. Denn diese Hauptthesen – Kreis denkt vor allem an die Grundsätze des reinen Verstandes – erheben einen universalen Geltungsanspruch, insofern sie uneingeschränkt für alle Erscheinungen gelten sollen. Dieser universale Geltungsanspruch setzt aber eine universale Quantifizierung über uneingeschränkt alle Gegenstände voraus. Diese Quantifizierung über uneingeschränkt alle Gegenstände setzt aber den (metaphysischen) Weltbegriff im Sinne eines absoluten Alls uneingeschränkt aller Gegenstände voraus. Indem Kant diesen Weltbegriff durch den empirischen ersetzt hat, kann er nicht mehr über uneingeschränkt alle Gegenstände quantifizieren, und deshalb können die Grundsätze des reinen Verstandes keinen universalen Geltungsanspruch mehr erheben.

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Dieses fatale Ergebnis kehrt am Ende des Buches wieder: Die Paradoxien, die im begrifflichen Gehalt von ‚alles‘ liegen, stellen in Frage, ob eine uneingeschränkte Allquantifizierung überhaupt möglich ist. Die Lösungsvorschläge, die Kreis im Anschluss diskutiert, ähneln dem Vorschlag Kants, insofern sie die Paradoxien auflösen möchten, indem ein grundlegendes Prinzip unseres Denkens aufgegeben wird, und zwar entweder der Satz vom ausgeschlossenen Dritten oder der Satz vom auszuschließenden Widerspruch. Das aber bedeutet – besonders für den Fall des Satzes vom auszuschließenden Widerspruch – eine grundlegende Revision unseres Verständnisses der Logik. Aufgrund ihrer Folgeprobleme können diese beiden Optionen nicht restlos überzeugen. Dennoch scheint es keine Option zu sein, auf den Begriff einer unendlich großen Totalität zu verzichten, da wir sonst – wie Graham Priest argumentiert – das Prinzip der unbeschränkten Komprehension und das Bereichsprinzip aufgeben müssen, was zur Folge hätte, dass wir nicht mehr verstünden, was universale Allaussagen sind noch wie wir sie überhaupt treffen können (vgl. NDU ). So besagt die negative Dialektik des Unendlichen am Ende dreierlei: (i) Die Paradoxien des Unendlichen sind, soweit wir sehen können, nicht aufzulösen; (ii) jede Lösungsstrategie zieht schwerwiegende Folgeprobleme mit sich; (iii) auf die Auflösung der Paradoxien können wir nicht einfach verzichten. Diese Einsichten sind tiefgreifend und Kreis bemerkt einleitend zu Recht, dass die Frage nach der Möglichkeit schwerwiegender Widersprüche im menschlichen Denken auf gleicher Ebene steht wie die Fragen „nach dem Sinn des menschlichen Lebens oder […] den universellen Normen des menschlichen Handelns“ (NDU ). Dem hätte auch Kant zugestimmt – und das Gewicht der Frage bestimmte für ihn die Dringlichkeit ihrer Lösung. Sollte sein Projekt scheitern, so sah er nur endlose Streitigkeiten in der Metaphysik voraus, die in einen Indifferentismus der Metaphysik gegenüber münden, den er „die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften“ nannte (KrV A X), mithin als Rückfall auf den durch Hesiod überlieferten mythischen Anfang der Welt ansah (vgl. Theogonie  – ). So drastisch wie Kant werden wir uns heute die Konsequenzen schwerwiegender Widersprüche in unserem Denken nicht mehr ausmalen. Dennoch möchte ich abschließend die Frage stellen, was aus dem Befund einer negativen Dialektik des Unendlichen für unser Denken und Philosophieren folgt? Da die zur Verfügung stehenden Lösungsstrategien schwerwiegende Folgeprobleme nach sich ziehen, bieten sie keinen Ausweg; die Situation auf sich beruhen zu lassen, ist auch unmöglich, da – wie Kreis nachweist – die konsistente Quantifizierung über uneingeschränkt alle Gegenstände unmöglich ist, solange die Paradoxien des Unendlichen nicht aufgelöst werden und wir nicht das Bereichsprinzip aufgeben möchten (vgl. NDU  – ). Es bleibt, so scheint es, nur die Arbeit an einer besseren Theorie, welche die Paradoxien aufzulösen vermag, und, bis es soweit ist,

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den Umstand zu akzeptieren, dass unser Denken schwerwiegende Widersprüche enthält. C. Die negative Dialektik des Unendlichen als negative Dialektik Der Begriff ‚Negative Dialektik‘ wird meistens wohl unmittelbar mit der Negativen Dialektik, dem Hauptwerk Theodor W. Adornos, in Verbindung gebracht. Tatsächlich geht der zentrale Gedanke des Buches von Kreis – dass der moderne mathematische Begriff des Unendlichen für die Philosophie wiederzugewinnen sei (vgl. NDU ) – auf eine Bemerkung Adornos zurück (Adorno [/] ,  und ). Von Adorno ist im Rest des Buches nicht mehr die Rede (vgl. NDU ). Dennoch erhebt das Buch den Anspruch, das von Adorno skizzierte Programm auszuführen (vgl. NDU ) und damit auch für die negative Dialektik, wie Adorno sie konzipiert hat, einen Interpretationsansatz bereitzustellen. Ich möchte im Folgenden die Tragweite dieses Interpretationsansatzes skizzieren und nachfragen, ob dieser Interpretationsansatz nicht ein zentrales Moment der negativen Dialektik Adornos unterbestimmt lassen muss. Die Verbindung zwischen der von Kreis rekonstruierten negativen Dialektik des Unendlichen und der von Adorno entfalteten negativen Dialektik ergibt sich zwanglos aus dem Umstand, dass beide sich nur als Kritik an Hegel durchführen lassen. Kreis behauptet zu Recht: „Daß wir das Unendliche nicht widerspruchsfrei denken können, ist einer der Grundgedanken von Adorno.“ (NDU ) Indem die Negative Dialektik des Unendlichen diesen Grundgedanken ausführt, führt sie zumindest einen zentralen Aspekt der negativen Dialektik Adornos aus. Zwar werden die ersten Seiten der Negativen Dialektik meist am Leitfaden ihrer marxistischen Bezüge – versäumte Verwirklichung der Philosophie; Interpretation und Veränderung; Theorie und Praxis – interpretiert, aber bereits dort wird die Antiquiertheit der „begrifflichen Gehäus[e]“ der philosophischen Tradition angesichts des „Fortschritt[s] positiver Naturerkenntnis“ festgehalten (GS : ; vgl. zu diesem Gedanken auch Adornos Antrittsvorlesung in GS : ); und nur wenige Seiten später fordert Adorno, den Begriff des Unendlichen umzufunktionieren, um die „Wucherung“ der Philosophie, durch die sie sich selbst zum Absoluten werde, zu verhindern (GS : ). Das aber ist tatsächlich der zentrale Gedankengang der Negativen Dialektik, der erst in ihrem letzten Abschnitt in der „Selbstreflexion der Dialektik“ zum Abschluss kommt (GS :  – ). Das von Kreis geführte Argument für die negative Dialektik des Unendlichen darf daher auch für Adornos eigenes Programm Gültigkeit beanspruchen, insofern diesem der Nachweis we Kreis macht das explizit in einem im Erscheinen begriffenen Aufsatz: „‚Nichtidentität‘ als Reflexionskategorie. Zum systematischen Zentrum der Negativen Dialektik“.

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sentlich ist, dass die Totalität des Wirklichen sich nicht begrifflich konstruieren oder einholen lässt. Der Vorteil dieses Arguments besteht darin, dass es eine immanente Kritik des hegelschen Totalitätsanspruches erlaubt und die negative Dialektik daraus entwickelt. Ein alternatives Argument würde voraussetzen, Hegels Anspruch ernst zu nehmen, mit seiner Philosophie die Wirklichkeit der Vernunft und die Vernünftigkeit des Wirklichen erwiesen zu haben. Wäre dies der Fall, so das Argument in aller Kürze, dann gäbe es kein sinnloses Leid in der Welt mehr, sondern alles Leid hätte seinen Sinn, insofern es notwendiger Teil einer vernünftigen Wirklichkeit wäre. Nun ist das Faktum sinnlosen Leidens in der Welt nicht zu bestreiten: Der Holocaust kann in keine Konstruktion einer vernünftigen Wirklichkeit eingehen. Mit dem Faktum sinnlosen Leidens scheitert der Anspruch Hegels (vgl. GS : ), durch die Konstruktion eines kategorialen Gesamtzusammenhangs, dem sich nichts entziehen kann, die Wirklichkeit der Vernunft und die Vernünftigkeit des Wirklichen bewiesen zu haben. Dieses Argument ist klarerweise voraussetzungsreicher als das immanent geführte Argument gegen die Möglichkeit eines konsistenten Begriffs des Unendlichen. Das immanente Argument kann geführt werden, ohne den Bezug zur gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit miteinbeziehen zu müssen. So gesehen erfüllt Kreis das einst von Schnädelbach formulierte, aber nie durchgeführte Programm, negative Dialektik als Vernunftkritik zu rekonstruieren und gleichzeitig die Idee einer „Ontologie des falschen Zustandes“ fallen zu lassen (Schnädelbach , ). Versteht man aber unter der Ontologie des falschen Zustands die Kritik an einer gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit, in der es sinnloses, weil vermeidbares Leiden gibt, dann stellt sich die Frage, ob mit der Ausgrenzung der für Adornos Denken zentralen Problematik des Leidens nicht ein integraler Bestandteil einer negativen Dialektik verlorengeht. Denn der negativen Dialektik Adornos geht es letzten Endes nicht um die Frage nach schwerwiegenden Widersprüchen im menschlichen Denken, sondern um den Gedanken einer Abschaffung vermeidbaren Leidens. Meine Nachfrage lautet an dieser Stelle, ob diese Dimension der negativen Dialektik Adornos sich – gleichsam als Komplement – mit der negativen Dialektik des Unendlichen verbinden lässt, oder ob sie – wie Schnädelbach meinte – als nicht rekonstruierbare Dimension von Adornos Denken fallen zu lassen ist.

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IV. Die Notwendigkeit des Rahmenbruchs von Pirmin Stekeler-Weithofer Eine kurze Besprechung des von der Sache her höchst interessanten Buches von Guido Kreis ist kaum möglich. Denn es ist schon schwer, einen Punkt zu finden, von dem man anfangen könnte. Das ist nicht die Schuld des Autors. Es liegt erstens an den vielfältigen Aspekten der Sachen selbst. Zu jedem der drei Themen, zu Negativität, zu Dialektik und zum Unendlichen, gibt es schon ganze Bibliotheken an Literatur, die in den knapp  Seiten des Buches in wesentlichen Aspekten auch auftauchen. Es liegt zweitens an einem deplorablen Zustand der Kanonisierung des Standes der Debatte um das Unendliche der Zeit, des Raumes und dann auch der rein mathematischen Gegenstände. Was man so lehrt und lernt, also der Hintergrund der Eigenüberlegungen des Buches, liegt im Niveau leider unterhalb der heute möglichen Einsichten, gerade auch im Blick auf die Problemgeschichte. Ironischerweise ist nämlich der axiomatizistische Formalismus David Hilberts und Rudolf Carnaps als vollständige Abkehr von Freges bloß erst halbherzigem linguistic turn in der Frage nach der vorausgesetzten Verfassung der je nur beschränkten Variablen- und Prädikatbereiche der Gegenstände zu lesen. Dabei behält Kreis in einem zentralen Punkt Recht. Es gibt kein universe of discourse, das alle irgendwie beredbaren Gegenstände enthält. Die gegenteilige Annahme bei Frege, Russell, sogar noch Quine, ist logisch ungediegen. Das Problem ist aber nicht als eine Frage nach der Unendlichkeit oder nach der Existenz der Welt zu behandeln. Es ist ein absolut allgemeines Problem einer transzendentalen Konstitution von sortalen Bereichen zur Belegung von Variablen in der Mathematik einerseits, der quasiortalen Deutung von Pronomen in weltbezogenen Redesituationen andererseits, damit aber auch von aller Wahrheit, jeder Existenz und allem Beweisen. Voll sortal ist ein Gegenstandsbereich dann, wenn man für die ‚logikfreien‘ (Un‐) Gleichungen und Elementarsätze in situationsinvarianter Weise schon genau einen von zwei Wahrheitswerten als zugeordnet unterstellen (oder neu festlegen) kann. Hegel sieht in aller Deutlichkeit, dass alle Dinge und Sachen in der Welt entstehen und vergehen und in diesem Sinn endlich sind. Scharfe Grenzen gibt es hier weder zwischen ihrem Bestehen und Nichtbestehen noch zwischen Kontingenz und Notwendigkeit, sondern nur grobe Schranken mit einer Art breitem Niemandsland eines Weder-noch und Sowohl-als-auch. In diesem Grenzstreifen sind Widersprüche nie auszuschließen. Indem man einen inhaltlichen Glauben an angeblich intuitive Grundsätze an den Anfang eines rechnenden Beweisens nach den Regeln eines formalen Logikkalküls setzt, wird aber jede Reflexion auf stillschweigend präsupponierte Bedingungen des gesamten Vorgehens unmöglich gemacht. Um Paradoxien aufzuheben, bedarf es nämlich immer eines radikalen framebreaking.

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Das Hauptrahmenproblem des Buches besteht darin, dass die Antinomien des Unendlichen durchgängig inhaltlich, objektstufig, diskutiert werden. Das Fehlen einer metastufigen Konstitutionstheorie im Sinn der transzendentalen Sinnkritik Kants und Hegels führt auf nicht überraschende Weise zur Abschlussthese, dass „unsere elementaren [?!?] Begriffe von der absoluten unendlichen [?!?] Totalität alles dessen, was es gibt, tatsächlich inkonsistent“ und „für die Paradoxien des Unendlichen keine Lösung abzusehen“ sei; wir sind also angeblich „nicht in der Lage‚ das Unendliche widerspruchsfrei zu denken“ (NDU ). Gerade die diskutierten Autoren zeigen jedoch bei gediegener Lektüre, wie die Rede von der Unendlichkeit von Zeit, Raum und des mathematischen Kontinuums zu verstehen ist und worin die eigentlichen Ursachen der im Grund bloß sophistischen Aporien bestehen, wenn man die wesentlichen Einsichten der Autoren in Absetzung von häufig artikulationstechnisch schwierigen Wortlauten und oberflächlichen Rezeptionsgeschichten rekonstruiert. Um konkret vorzuführen, wie wichtig für das Begreifen des Unendlichen ein angemessenes Verständnis unserer eigenen rekursiven Sprachtechniken und spekulativen Reflexionen ist, skizziere ich kurz die Idee der so genannten Kumulativen Hierarchie V aller reinen Mengen. Es ist das Standardmodell der Mengenlehre als Gesamtbereich aller in der reinen Mathematik je nötigen Gegenstandsbereiche. Dazu beginne ich mit den hereditär endlichen Mengen H. H ist durch vier einfache Regeln definiert: (i) Es sei ‚Ø‘ ein H-Name für ein einziges Urelement. (ii) Sind N,…Nn H-Namen, so auch M≡{N,…,Nn}. Das Zeichen ‚≡‘ signalisiert in der Kurzerläuterung eine technisch leicht zu beherrschende Ausdrucksgleichheit. (iii) Auf H wird eine Elementbeziehung xϵy so definiert: Es ist der Wert von ‚M ϵ M*‘ das Wahre genau dann, wenn M*≡{N,…,Nn} ist und für ein ≤i≤n gilt, dass M≡Ni ist. Sonst legen wir für ‚M ϵ M*‘ als Wahrheitswert das Falsche fest. (iv) Sind N und N H-Namen, so gilt N=N genau dann, wenn für alle Mengen x (in H) gilt: ‚x ϵ N‘ ist wahr genau dann, wenn ‚x ϵ N‘ wahr ist. Ø ist die leere Menge, da für alle Gegenstandsbenennungen N in H der Satz ‚N ϵ Ø‘ durch Regel (iii) den Wert das Falsche erhält. Folgendes ist dann ein prototypisches Beispiel eines elementaren Namens eines HGegenstandes: {{Ø},{Ø,{Ø}}}. Es ist übrigens sehr wichtig, dass in allen logisch elementaren Benennungen, anders als in Kennzeichnungen und fregeschen Extensionen der Form {x:φ(x)}, noch keine Variablen vorkommen.

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Alle natürlichen Zahlen und alle Funktionen (bzw. Relationen) zwischen Mengen in H lassen sich auf einfache Weisen mit Mengen in H identifizieren. H ist sogar ein Modell für alle Axiome der axiomatischen Mengentheorie mit der einzigen Ausnahme des Unendlichkeitsaxioms, das besagt ‚Es gibt eine unendliche Menge‘. Jede Menge in H hat endlich viele Elemente, aber weder H noch irgendeine unendliche Teilklasse von H ist ein Element in H. Wir können jedoch in einem neuen Schritt abstraktiver Gegenstandskonstitution H selbst und dann auch jede mögliche Teilklasse von H zu einem Gegenstand einer so genannten Potenzmenge P(H) und die Elementbeziehung auf den neuen, gemeinsamen Bereich von H und P(H) konsistent ausweiten. Das Diagonalargument, das Kreis im Detail diskutiert (Kap. .) zeigt dann, in welchem Sinn P(H), daher auch die indefinite ‚Menge‘ aller Punkte einer Linie oder Fläche überabzählbar ist. Dazu allerdings ist der Ausdruck ‚jede mögliche Teilklasse‘ als imprädikative Definition zu lesen. Wie in Hilberts Vollständigkeitsaxiom für alle Punkte auf der Linie handelt es sich um eine spekulative, sozusagen geradezu göttliche Definitionsform, wie sie schon Anselm von Canterbury in die Formel presste: quo maius cogitari non potest (vgl. Kolman , ). Außer Hegel scheint bisher kaum jemand gesehen zu haben, dass gerade auch die Welt als anselmsche Totalität zu begreifen ist. Das zeigt sich daran, dass man Hegels Widerlegung von Kants Widerlegung von Anselms Gottesbeweis bis heute nicht zu verstehen scheint. Wenn wir das obige Verfahren indefiniter Mengenbildung indefinit fortsetzen, gelangen wir zum System V ‚aller‘ reinen Mengen der Naiven Mengenlehre, das als totales Gesamtsystem aller widerspruchsfrei oberhalb von P(H) konstituierbaren Mengen natürlich kein Element in V, also keine Menge, sondern bestenfalls eine Klasse ist. Eine Klasse, die (noch) keine Menge ist, darf als solche (noch) nicht auf der linken Seite einer Elementrelation vorkommen, weil für die entsprechenden Sätze (noch) kein Wahrheitswert definiert ist. V entspricht der Totalität aller konsistenten Mengen Cantors und erfüllt alle Axiome der axiomatischen Mengenlehre. Kreis führt dann auch vor, dass schon Cantor die russellsche Antinomie kennt. Sie entsteht dadurch, dass man nicht zwischen Klassen und Mengen bzw. der Kopula ε und der Elementbeziehung ϵ unterscheidet, außerdem so tut, als wäre alles, was dem syntaktischen Ausdruck nach wie eine Benennung aussieht, schon ausreichend, um von einem Gegenstand zu sprechen. Es ist nämlich der Ausdruck ‚die Menge aller Mengen‘ (vgl. NDU  ff.) oder, schon spezieller und in Formelschreibweise, ‚{x:¬xϵx}‘ gar keine wohlgebildete Mengen- bzw. Elementbezeichnung in V, sodass für den nur vermeintlich wohlgebildeten Satz {x:¬xϵx}ϵ{x:¬xϵx} weder das Wahre noch das Falsche als Wert definiert ist bzw. gemäß dem hier nur grob skizzierten Gedanken, was eine Elementbeziehung sein soll, definiert werden kann. Analoges gilt für den Satz ‚Ich lüge hiermit‘, in dem das

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Wort ‚hiermit‘ auf nichts im relevanten Bereich des möglicherweise Wahren verweist. Guido Kreis scheint auch Hegels Einsicht nicht zu kennen, dass alle spekulativen Totalitäten wie in der Rede über alle Mengen, die ganze Welt, den Raum oder die Zeit je nur durch große Armbewegungen konstituiert sind und in Beweisen von Aussagen über diese Art von spekulativen Reflexionsgegenständen indirekte Schlüsse, wie sie Kant benutzen will, absolut nichts taugen. In diesen wird nämlich schon blind vorausgesetzt, dass prädikative Aussagen der Form ‚Die Welt hat die Eigenschaft φ‘, etwa auch ‚Der Raum ist endlich‘ bzw. ‚Die Zeit ist unendlich‘, semantisch wohldefiniert sind, d. h. dass ihnen je genau einer von zwei Wahrheitswerten zugeordnet ist, das Wahre oder das Falsche. Die Welt ist aber so wenig wie die Zeit oder der Raum ein semantisch wohldefinierter Gegenstand in der Welt. Sogar noch die Sätze ‚Es gibt die Welt‘, ‚Es gibt die Zeit‘ oder ‚Es gibt den Raum‘ sind daher in gewissem Sinn unendlich falsch. Leider behandelt Kreis die hier relevante, ganz traditionelle, Kontrastierung zwischen endlichen und unendlichen Urteilen nicht. Endliche Verneinungen wie ‚ ist keine Primzahl‘ haben die logische Form ¬p. Unendliche Urteile aber artikulieren Kategorienfehler und führen sozusagen nur zur durchgestrichenen Form p wie in Hegels Beispielssatz ‚Der Geist ist kein Elephant‘. Seit Frege wird ‚Cäsar ist keine Primzahl‘ diskutiert. Hegel sieht außerdem, dass sich zunächst nur eine scheinbare Unendlichkeit des Raumes und der Zeit von Längen (Strecken, Flächen, Volumina) ergibt, wenn man vor ein Längenmaß wie ein Kilometer oder ein Zeitmaß wie ein Jahr beliebig große Zahlen hinschreibt. Dabei ist keineswegs ausgemacht, ob dieser formellen Unendlichkeit von x km und  Jahren je auch etwas Wirkliches in der Welt korrespondiert. Bei Temperaturgraden hört das ja schon ganz schnell auf. Schon die Ausdrücke ‚- Grad Celsius‘ oder ‚ Billion Grad Celsius‘ sind materialbegrifflich sinnlos. Hegel radikalisiert daher Kants gescheiterten Versuch der Aufhebung des scheinbaren Widerspruchs, nach welchem ‚der Raum‘ bzw. ‚die Zeit‘ oder dann auch ‚die Welt‘ weder endlich noch unendlich sein kann, indem er erkennt, dass ‚Raum‘ und ‚Zeit‘ bloße Titel für Quanta als Ergebnisse möglicher Raum- und Zeitausmessungen sind (vgl. dagegen NDU  ff. und ). Schon die reinen Quantitäten der Systeme der natürlichen oder reellen Zahlen bzw. der erblichendlichen Mengen sind nur formal (also potentiell) unendlich. Das aktual Unendliche gibt es nur in reflexionslogischen und spekulativen Abstraktionen, in entsprechenden Namen- und Gegenstandsbereichsbildungen. Außerdem kann eine durch beliebige Zahlangaben bestimmte endliche Dauer nur je von jetzt her in die Vergangenheit oder in die Zukunft reichen. Kreis hätte daher wohl deutlicher machen sollen, dass Kant gar nicht sinnvoll sagen kann, es sei von einem absoluten  Als weiteres Beispiel des unendlichen Urteils nennt Hegel in der Enzyklopädie §  „[E]in Löwe ist kein Tisch“ und spricht von Sätzen, „die richtig, aber widersinnig sind“ (GW : §  Anm, ).

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Anfang („in der Zeit“; NDU , auch ) entweder bloß erst eine endliche Weltentwicklung oder gar schon „eine Ewigkeit abgelaufen“ (NDU  f.). Ebenso wenig gibt es eine unendliche lange Wegstrecke, die von einer Stelle außerhalb des Raumes bis nach Bonn im Jahre  führt. Kreis schreibt Hegel immerhin die Einsicht zu, dass jede konkrete Weltgeschichte nur eine endliche Zeit, etwa seit dem Neolithikum oder meinetwegen einem Urknall abdeckt und den Beginn des Ganzen in einer indefiniten Vergangenheit verschwinden lässt, nicht anders als der Weltenraum in einem indefiniten Außen jenseits aller Sonnen und relativen Sternenbewegungen sozusagen verschwindet. Jedes bestimmte Nichts ist dabei rein logisch ein relatives Nichts, so wie jedes logische Alle je nur ein begrenzter Bereich ist. Das heißt, ein Satz der Form ‚Nichts hat die Eigenschaft φ‘ ist dann und nur dann bestimmt, wenn klar ist, auf welchen begrenzten Bereich G man sich bezieht, in dem man ∀xϵG¬φ(x) behauptet. Indefinit sind Bereiche, in denen es nicht mehr sinnvoll möglich ist, über Gegenstände oder Dinge so zu sprechen, wie wir über Gegenstände und Dinge einer uns bekannten Arten sprechen. Die ‚meisten‘ der indefiniten Mengen Cantors in den Potenzmengen unendlicher Mengen und besonders diese selbst sind zum Beispiel schon nicht mehr von der prädikativen Form {xϵG: φ(x)}, wie sie Frege fordert (wenn man die bei ihm fehlende Einsicht in die Relativitierung auf G hinzufügt). Dennoch lässt sich klar und deutlich auch über indefinit-unendliche Bereiche wie alle reinen Mengen der Naiven Mengenlehre oder über alle Punkte einer idealen Linie bzw. alle reellen Zahlen sprechen, auch wenn man weiß, dass die Menge aller durch fregesche Wertverläufe definierbaren Mengen oder Punkte bloß abzählbar ist und daher in der Maßtheorie sogar das Maß Null erhält, sodass Freges Ansatz für die erstrebte Auffassung des Kontinuums einer Linie als Punktmenge absolut nichts taugt. Widerspruchsfrei über Unendliches sprechen können wir also ersichtlich sehr gut, wenn wir die Holzwege der naiven, inhaltlichen Redeformen über Unendliches (in Bezug auf Zahlen, Raum, Zeit und Stetigkeiten) in abstraktiven Gegenstandsbereichsbildungen aufheben, also die Logik der Quantitäten und Maßbestimmungen, der Mengenbildung und Größenangaben als Technik beherrschen, auch das unendliche ‚Und-so-weiter‘ rekursiv definierter Operationsschemata, insbesondere aber unsere eigenen spekulativen Handbewegungen verstehen lernen.

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V. Zur Verteidigung der Negativen Dialektik des Unendlichen: Antworten auf Friedrike Schick, Marc Nicolas Sommer und Pirmin Stekeler-Weithofer von Guido Kreis Friedrike Schick, Marc Nicolas Sommer und Pirmin Stekeler-Weithofer haben in Auseinandersetzung mit der Negativen Dialektik des Unendlichen eine Reihe von wichtigen und bedenkenswerten Kommentaren formuliert, die mir die Gelegenheit geben, meinen Argumentationsgang und einige seiner Details zu präzisieren und zu verteidigen. Dafür danke ich den Kommentatoren sehr. A. Friedrike Schick folgt in ihren Kommentaren zum Hegel-Teil meines Buches der dort vorgetragenen Kritik am Abschluss von Hegels Logik recht weitgehend. Damit sind wir uns in der Diagnose einig, dass Hegel im Schlusskapitel der Logik (i) nicht lediglich den internen Anspruch erhebt, das System der Kategorien erfolgreich zum Abschluss gebracht zu haben, sondern (ii) mit Hilfe der ‚Scharnierthese‘, der zufolge die kategorialen Strukturen dasjenige sind, was die einzelnen Gegenstände jeweils ihrer Wahrheit nach sind, auch (iii) den zusätzlichen Anspruch verbindet, mit dem System der Kategorien die Wahrheit alles dessen, was es gibt, erfolgreich gedacht zu haben – wobei dann die dritte dieser Thesen von der Inkonsistenz des begrifflichen Gehaltes von ‚alles dessen, was es gibt‘ erfasst wird. Die Grundidee der Kritik von Friedrike Schick besteht nun darin, von Hegels konkreter Ausführung der Wissenschaft der Logik den allgemeinen Typ einer (hegelschen) Kategorientheorie zu unterscheiden und dann von dieser zu zeigen, dass sie sich lediglich auf die erste der genannten Thesen, nicht aber auf die Thesen (ii) und (iii) festlegen muss. Wenn das gelänge, dann wäre gezeigt, dass Hegel die Verstrickung in den Widerspruch der unbeschränkten Allquantifizierung nur kontingenterweise unterlaufen ist, vielleicht durch mangelnde Aufmerksamkeit (was freilich keine sehr wohlwollende Unterstellung Hegel gegenüber wäre). Der Übergang in die negative Dialektik des Unendlichen wäre damit nicht hinreichend begründet. Dieser Gedankengang wird von Schick unterstützt durch drei Hinweise auf begriffliche Ressourcen innerhalb der Logik, die es erlauben, von einer Beziehung auf einzelne Gegenstände und auf die quantitative Totalität aller Gegenstände abzusehen. Zum einen weist Schick darauf hin, dass die Kategorien der Logik als Kategorien nie Bestimmungen einzelner Gegenstände sind, sondern stattdessen „Formen von Gegenständlichkeit, Formen der Klassifikationen von Gegenstandsbereichen“. Dem stimme ich vollständig zu; in meiner Analyse der Kategorie des Fürsichseins habe ich zum Beispiel ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kategorie des logischen Individuums nicht mit den einzelnen logischen Individuen,

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den Argumenten, oder einer ihrer Bestimmungen identisch, sondern selbst vielmehr die Argumentform ist (vgl. NDU  f.). Schick verallgemeinert diese Beobachtung in ihrem zweiten Hinweis dahingehend, dass die Kategorien in keinem Fall als einfache „objektstufige Prädikate oder objektstufige Klassenbegriffe“ fungieren können – auch damit bin ich völlig einverstanden, denn alles andere wäre ein Missverständnis der Eigenart von Kategorien. Schick weist schließlich darauf hin, dass Hegel mit seiner Theorie des universellen Urteils in der Begriffslogik den Versuch unternommen hat, den bloß ‚verständigen‘ Begriff einer quantitativen Totalität aller einzelnen Instanzen einer Eigenschaft F durch den Begriff einer qualitativen Gattungsallgemeinheit des F-Seins zu ersetzen und auf diese Weise eine ‚vernünftige‘ Konzeption der Allgemeinheit zu gewinnen. Auch dem stimme ich vollständig zu – ich habe in meinen Analysen zum Quantitätskapitel selbst darauf hingewiesen, dass die rein quantitativen Totalitätsbegriffe im Gang der Wissenschaft der Logik bereits mit dem Übergang vom Quantum zum quantitativen Verhältnis und zum Maß verabschiedet und durch qualitative begriffliche Gehalte zur Erfassung von Totalitäten ersetzt werden, sodass die am Ende der Logik erreichte Totalität dem Selbstverständnis nach in der Tat eine qualitative Totalität ist (vgl. NDU  – ,  – ); auch ist es richtig, dass die rein quantitative Konstruktion von ‚alles, was es gibt‘ auf dem entwickelten Standpunkt der Kategorientheorie defizitär ist. Ich gestehe alle diese Punkte umstandslos zu. Dennoch behaupte ich, dass eine jede Kategorientheorie vom Typus der hegelschen (und nicht lediglich Hegels eigene Ausführung dieser Theorie) zwangsläufig am Ende über ausnahmslos alle Gegenstände quantifizieren muss und daher in den Widerspruch des begrifflichen Gehaltes von ‚alle Gegenstände‘ führt. Der Grund dafür ist der folgende. Es ist prinzipiell möglich, eine Kategorientheorie rein intern als systematische Entwicklung der begrifflichen Gehalte der einzelnen Kategorien durchzuführen und auch als System abzuschließen. Darin liegt allerdings die Gefahr einer unvermittelten Abgrenzung der Kategorientheorie gegenüber allen ihr gegenüber defizitären Theorieformen. Zum Beispiel könnte es naheliegend scheinen, das ‚vernünftige‘ Denken einfach unvermittelt vom defizitären ‚verständigen‘ Denken, zu dem nach Hegel das quantitative mathematische Denken gehört, abzusetzen. Das Problem kann nicht einfach mit dem Hinweis abgewiesen werden, dass es die Funktion der Phänomenologie sei, das defizitäre Denken in seinen verschiedenen Gestalten ein für alle Male auf den Standpunkt der Kategorientheorie zu heben, sodass sich diese in ihrer eigenen Durchführung dann ausschließlich auf sich selbst konzentrieren und alle Ansprüche des ‚verständigen‘ Denkens ignorieren kann. Das reicht nicht aus, denn durch eine dualistische Absetzung würde, wie Hegel klar gesehen hat, die Kategorientheorie selbst inkonsistent. Denn um ihren Anspruch, Theorie aller Strukturen des Denkens zu sein, einlösen zu können, muss sie die Formen des verständigen Denkens integrieren. Schließlich ist dieses selbst eine Form

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des Denkens und nicht etwa etwas ganz anderes als Denken. Deshalb kann die Kategorientheorie keine dem Verstandesdenken gegenüber transzendente Denkform sein – wie wir wissen, hat Hegel mit großer Konsequenz alle Formen der Transzendenz, nicht zuletzt in der Logik selbst, strikt kritisiert und zurückgewiesen –, sondern muss die Formen des Verstandesdenkens selbst enthalten. Und so ist es auch, diskutiert die Logik doch die Denkform der ‚schlechten‘, bloß potentiellen Unendlichkeit (sowohl in ihrer qualitativen als auch in ihrer quantitativen Version) ebenso wie die Denkform der Quantität (und damit des mathematischen Denkens) gerade als Kategorien, als integrale Momente des Gesamtsystems der Kategorien. Das aber bedeutet, dass sich die Kategorientheorie zu den von ihrem Standpunkt aus defizitären Formen des Denkens und deren Ansprüchen aktiv verhalten muss. Das verständige Denken verlangt, dass eine angemessene Theorie dessen, was in Wahrheit ist, alles, das heißt jeden einzelnen Gegenstand, in seiner Wahrheit erfassen kann. Die recht verstandene Kategorientheorie muss dem verständigen Denken gegenüber klarstellen, dass sie dessen Anspruch erfolgreich einlösen kann, indem sie den Begriff einer bloß quantitativen absolut unendlich großen Totalität in den vernünftigen Begriff einer qualitativen Totalität überführt. Aber dazu muss sie aussagen, dass das, was das verständige Denken mit ‚alle Gegenstände‘ meint, durch das vervollständigte System der Kategorien erfolgreich erfasst ist, wenn auch in signifikant anderer, nämlich vernünftiger Weise. Jede Kategorientheorie hegelschen Typs muss (in irgendeiner Variante dieser Formulierung) aussagen, dass der Begriff alles ist. (Mehr dazu auch unten in meiner Antwort auf Marc Nicolas Sommer.) Damit muss sie aber auch über uneingeschränkt alle Gegenstände quantifizieren. Andernfalls bliebe sie als reine Kategorientheorie dem verständigen Denken dualistisch entgegengesetzt, was sie aber nach ihren eigenen Kriterien nicht sein darf. Man kann das auch so beschreiben, dass die quantitative Denkform, die im ersten Buch der Logik analysiert wurde, am Ende wieder ihr begriffliches Recht verlangt. Sie lässt sich nicht restlos aus den Formen des Denkens eliminieren. Mir wird häufig vorgehalten, dass ich völlig übersehe, dass Hegel am Ende der Logik den quantitativen Begriff der Totalität längst durch einen qualitativen ersetzt hat. Natürlich hat Hegel das getan. Es ist auch nicht so, dass ich die quantitativen Totalitätsbegriffe als sinnvollere Alternative zum hegelschen Projekt empfehlen und Cantor gegen Hegel ausspielen wollte. Was ich allerdings betone, ist, dass das quantitative Moment ein unverzichtbares Moment in unseren kategorialen Totalitätsbegriffen ist, und dass es sich auch durch die raffiniertesten qualitativen Gegenmodelle nicht restlos eliminieren lässt. Hegels elaborierte Idee der qualitativen Totalität aller reinen Bestimmungen dessen, was in Wahrheit ist, ist gezwungen, sich zur Konzeption einer bloß quantitativen Totalität in Beziehung zu setzen, weil transparent bleiben muss, dass das, was mit den absolut unendlich großen Totali-

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täten der quantitativen Modelle gemeint ist, in der Konzeption einer qualitativen Totalität aufgehoben ist. Dass das Moment der quantitativen Totalität ab den Begriffen des quantitativen Verhältnisses und des Maßes in den späteren Kategorien der Logik aufgehoben, aber eben nicht eliminiert ist, verlangt am Ende der Logik und am Ende einer jeden Kategorientheorie hegelschen Typs sein begriffliches Recht. Damit aber ist die finale Inkonsistenz der Kategorientheorie unvermeidbar. B. Auch Marc Nicolas Sommer fragt in seinem Kommentar nach der Berechtigung meiner Hegel-Interpretation. Sommer argumentiert, dass die Frage danach, ob der Begriff alle Gegenstände zu erfassen vermag, im Rahmen der hegelschen Kategorientheorie eine externe Frage sei, weil sie das Verhältnis des Gesamtsystems der Kategorien zur Realität thematisiere. Aber dieses Verhältnis kann keineswegs ein externes sein, weil es das Wesen einer Kategorie ist, nicht lediglich eine Struktur des Denkens, sondern als solche auch eine Struktur der Realität zu sein. Deshalb muss dieses Verhältnis zwangsläufig in der Logik thematisiert werden. Die in der Logik analysierten Denkformen wären unvollständig, wenn sie nicht auch diejenigen Denkformen integrieren könnten, in denen das Verhältnis der Kategorien zur Realität eigens reflektiert wird. Diese Denkformen sind die Ideen. Von der Idee sagt Hegel allgemein, dass sie „das Wahre“, nämlich „die Einheit des Begriffs und der Objektivität“ sei, und dass sie dahingehend zu betrachten sei, „daß alles Wirkliche nur insofern i s t , als es die Idee in sich hat, und sie ausdrückt“ (GW : ). Auch hier nimmt Hegel explizit auf alles Wirkliche Bezug; das ist eine frühe Variante der im Schlusskapitel artikulierten These, dass der Begriff alles ist – eine These, die erst auf dem Weg über die Idee des Lebens und die Idee des Erkennens zur absoluten Idee eingeholt werden kann. Auch die Denkfigur von der Idee als dem „machthabenden Begriffe“ (GW : ), auf die Sommer anspielt, setzt voraus, dass das Verhältnis von Kategoriensystem und Realität legitimerweise innerhalb der Kategorientheorie thematisiert werden kann – sie gibt sogar eine direkte Antwort auf die Frage, worin dieses Verhältnis besteht. Auf einem anderen Blatt steht dann die Frage, wie (unabhängig vom Problem des Verhältnisses zwischen Kategoriensystem und Realität) der Abschluss der Kategoriensequenz zu einer qualitativen Totalität von reinen begrifflichen Bestimmungen immanent beurteilt werden kann. Hier stimme ich ganz mit den Überlegungen überein, die Sommer zu bedenken gibt: Diese Beurteilung hängt gewiss von der Überprüfung der  Die Formulierung fällt im Rahmen einer Analogie von Idee und Realität zu Staat und Individuen: „[D]ie Individuen gehorchen noch einem machthabenden Begriffe“ (GW : ). Selbst hier ist es also der Gedanke, dass die Macht der Idee darin besteht, jedes einzelne Individuum zu erfassen.

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Konsistenz jedes einzelnen Überganges in der Logik ab, und sie gewinnt ihren Maßstab gewiss auch zu einem wesentlichen Teil aus Hegels Kritik an der Urteilsform in der Begriffslogik, der ich in meinem Buch mit meinem Vorschlag zur Rekonstruktion des spekulativen Satzes als ‚Subjektwechsel‘-Aussage wenigstens ansatzweise zu entsprechen versucht habe (vgl. NDU  – , im Hintergrund steht Hegels Theorie des disjunktiven Urteils). Sommer diskutiert aber vor allem die durch den Titel des Buches nahegelegten Bezüge zu Adornos Negativer Dialektik. Tatsächlich erhebt meine eigene Negative Dialektik des Unendlichen den Anspruch, mit dem Nachweis der auflösungsresistenten Inkonsistenz im Begriff der absolut unendlich großen Totalitäten einen der Grundgedanken Adornos ausgeführt zu haben, dem zufolge sich das Unendliche nicht widerspruchsfrei denken lässt. Diese Ausführung geschieht zwar im Geiste Adornos, kommt aber vollständig ohne Rücksichtnahme auf Adorno aus. Das Buch ist ein Versuch, eine Grundthese von Adornos Negativer Dialektik systematisch und auf dem Stand der gegenwärtigen Logik und Metaphysik des Unendlichen, aber unabhängig vom Wortlaut der Schriften Adornos zu verteidigen. Es ist umso ermutigender, dass diese Bezüge Marc Sommer, der eine systematisch bedeutende Rekonstruktion von Adornos Negativer Dialektik und ihrer Bezüge zu Hegel vorgelegt hat (vgl. Sommer ), transparent erscheinen und einleuchten. Sommer hat natürlich Recht, wenn er hervorhebt, dass damit nur ein Ausschnitt aus der Themenbreite von Adornos Negativer Dialektik abgedeckt ist. Immerhin scheint es mir aber wenigstens als Programm möglich zu sein, das hier begonnene Projekt einer systematischen Verteidigung Adornos fortzuführen. Das erste Komplement der negativen Dialektik des Unendlichen, die eine Metaphysik des Unendlichen ist, müsste eine negative Dialektik des Gegebenen sein, die das Motiv grundlegender Inkonsistenzen im menschlichen Denken in der Erkenntnistheorie fortführt: Wir haben keine widerspruchsfreie Explikation einer der notwendigen Bedingungen (empirischen) Wissens, nämlich des Gegegebenseins unserer Erfahrung. Der Vorzug dieses ersten Komplements ist, dass Adorno in der Negativen Dialektik einen konstruktiven Vorschlag dafür anbietet, mit der Nicht-Explizierbarkeit des Gegebenen angemessen umzugehen. Er versucht der notwendigen Bedingung des Gegebenseins unserer Erfahrung mit einer Theorie des konstellativen Wissens zu entsprechen. Diese konstruktive Behandlung führt auf ein zweites Komplement der negativen Dialektik des Unendlichen, das unmittelbar von praktischer Relevanz ist und das die Erkenntnistheorie des konstellativen Wissens zu einer Theorie des konstellativen Lebens, das Adorno auch das ‚richtige‘ Leben nennt, fortführt. Hier hätten dann auch die Meditationen zur Metaphysik ihren Platz. Skeptisch bin ich in der Frage, ob sich aus der Faktizität des Leidens in der Wirklichkeit ein erfolgreiches Argument gegen Hegel führen lässt. Das Argument macht von der Schlussform des modus tollens Gebrauch. Es beginnt mit einem

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Konditional der Form: ‚Wenn (wie Hegel behauptet) die These p gilt, dann gibt es kein monströses Leid in der Welt.‘ Man muss dann nur auf die Tatsache hinweisen, dass es monströses Leid in der Welt gibt, um die Falschheit der infrage stehenden These demonstrieren zu können. Ich weiß nicht, ob sich irgendeine hegelsche These in dieser Weise erfolgreich empirisch falsifizieren lassen kann. Jedenfalls wäre es möglich, zum Beispiel die These, dass das Vernünftige wirklich und das Wirkliche vernünftig ist, auch so zu verstehen, dass sie mit der Existenz des Leides kompatibel ist; es soll sich schließlich nach Voraussetzung um menschengemachtes, also zugefügtes und zurechenbares Leid handeln – was darauf hindeutet, dass es in einem basalen Sinne vernünftig (und nicht lediglich physisch) sein muss, um überhaupt kritisierbar zu sein. In jedem Fall aber scheint es mir unausgemacht, ob sich überhaupt aus einer Kategorientheorie vom hegelschen Typ irgendein Tatbestand ableiten lässt, dessen Existenz oder Nicht-Existenz ausreichte, die Theorie zu widerlegen. Nur eine kurze Bemerkung zu der Frage, was aus der abschließenden Diagnose der Negativen Dialektik des Unendlichen folgt. Die Diagnose war, dass unsere Begriffe von der absolut unendlich großen Totalität alles dessen, was es gibt, inkonsistent sind, und dass es, soweit wir sehen können, keine einfache Lösung für diese Sachlage gibt, die nicht selbst wiederum in erhebliche Probleme führen würde – obwohl es rationalen Wesen wie uns aus Vernunftgründen aufgegeben ist, eine Auflösung zu finden. Ich möchte bewusst offen lassen, was aus dieser Sachlage folgt. Die Negative Dialektik des Unendlichen kann eine Debatte darüber bestenfalls in Gang setzen, nicht aber entscheiden. C. Pirmin Stekeler-Weithofer formuliert in seinem Kommentar eine radikale Kritik an der Negativen Dialektik des Unendlichen. Er suggeriert, dass es für die in meinem Buch diskutierten Probleme eine erfolgreiche Lösung gibt, die mir allerdings entgangen ist, weil ich die Paradoxien des Unendlichen nur objektstufig und nicht metastufig diskutiere. Die Aussicht auf eine derartige Lösung ist gewiss erfreulich, denn so unerfreulich die Konsequenzen dieser Kritik für das Buch auch wären, so sehr wäre mit dieser Lösung doch der diskutierten Sache gedient. Worin also besteht der Vorschlag? Stekeler konzentriert sich auf das Problem der mengentheoretischen Paradoxien. Die von Cantor entwickelte Mengentheorie erlaubt den Begriff und die Bildung absolut unendlich großer Mengen, zum Beispiel der Menge aller Mengen. Dass diese Mengen absolut unendlich groß sind, bedeutet, dass keines der betreffenden Objekte in ihnen nicht enthalten sein kann; sie enthalten ebenso viele Elemente wie das Mengenuniversum selbst. Stekeler skizziert nun die kumulative Hierarchie des Universums aller reinen Mengen. Dessen Konstruktion inkorpo-

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riert die Axiome von Zermelo und Fränkel. Der Unterschied zu Cantors ursprünglicher Version besteht darin, dass die kumulative Hierarchie nie die aktuale Bildung des Mengenuniversums und der anderen absolut unendlich großen Mengen erlaubt. Würde man ernsthaft die Möglichkeit erwägen, dass zum Beispiel die Menge aller Mengen existierte, dann würde unter diesen Voraussetzungen ein geeignetes Diagonalargument zeigen, dass diese Annahme in einen Widerspruch führte; damit gilt es für die axiomatisierte Mengentheorie als erwiesen, dass die Aussage ‚Die Menge aller Mengen existiert‘ falsch ist. Die Paradoxien können auf diese Weise gar nicht erst entstehen. Stekeler übernimmt diesen Lösungsvorschlag mit der Variante, dass der Ausdruck ‚die Menge aller Mengen‘ „gar keine wohlgebildete Mengen- bzw. Elementbezeichnung“ sei, und dass für Aussagen über die Menge aller Mengen „weder das Wahre noch das Falsche als Wert definiert“ seien – wobei die herkömmlichen Versionen der axiomatisierten Mengentheorie freilich die Bildung des Ausdrucks ‚die Menge aller Mengen‘ erlauben und dann die Falschheit der Aussage ‚Die Menge aller Mengen existiert‘ demonstrieren. Diese Lösung hat zweifellos ihre volle Berechtigung; es handelt sich um den klassischen Lösungsweg, den die Mathematik selbst eingeschlagen hat und dem sie bis auf den heutigen Tag erfolgreich folgt. Seit der Einführung der axiomatisierten Mengentheorie gelten die Paradoxien für die Mathematik als überwunden. Ich habe das in meinem Buch ausführlich vorgestellt und diskutiert (vgl. NDU  – ). Ich habe allerdings auch, mit Verweis auf neuere Vertreter der Philosophie der Mathematik (unter ihnen Charles Parsons, Adrian Moore und Graham Priest), auf die keineswegs unerheblichen Probleme hingewiesen, die mit dieser Lösung aus philosophischer Sicht (also nicht für die mathematische Praxis selbst) verbunden sind (vgl. NDU  – ). Die Unterbindung der Bildung einer Menge aller Mengen ist eine Verletzung des von Cantor formulierten Bereichsprinzips, nach dem für jede variable Größe, die unendlich viele Werte annehmen kann, auch ein wohlbestimmter Bereich aller dieser unendlich vielen Werte, über die sie variiert, existiert, weil andernfalls eine Aussage, die diese Variable enthält, keinen wohlbestimmten Sinn haben kann. Das Bereichsprinzip ist ein Sinnkriterium. Die axiomatisierte Mengentheorie enthält aber zwangsläufig Aussagen mit Variablen, die über alle Mengen variieren. Zum Beispiel besagt der Potenzmengensatz, dass eine Menge stets mehr Teilmengen hat als Elemente. Das Bereichsprinzip sagt, dass der Satz nur dann einen wohlbestimmten Sinn haben kann, wenn der vollständige Bereich aller Gegenstände, über den der Ausdruck ‚eine Menge‘ variiert, also der Bereich aller Mengen, auch existiert. Unter den Voraussetzungen der axiomatisierten Mengentheorie ist diese Bedingung allerdings nicht erfüllt. Also kann sie den Potenzmengensatz gar nicht ausdrücken. Das lässt sich so verallgemeinern, dass die axiomatisierte Mengentheorie überhaupt keinen Satz über uneingeschränkt alle Mengen ausdrücken kann. Das ist einerseits ein erhebliches Ausdrucksdefizit. Würde die Mengentheorie andererseits versuchen, die Existenz

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zum Beispiel der Menge aller Mengen in anderen Disziplinen zuzulassen, etwa – dem Beispiel Cantors folgend – in die Theologie auszulagern, dann bedeutete dies, dass die Mengentheorie die Souveränität über ihren ureigenen Gegenstandsbereich, nämlich alle Mengen, verlöre und an andere Disziplinen abgeben müsste. Auch die klassentheoretische Lösung, die Stekeler erwägt, ändert an dieser Situation nichts (vgl. NDU  – ). Man könnte die Menge aller Mengen, einem Vorschlag John von Neumanns folgend, als eine echte Klasse einführen, in der zwar alle anderen Mengen als Elemente enthalten sind, die aber selbst nicht wiederum Element von etwas anderem sein kann. Diese Annahme ist in der Tat zunächst geeignet, sowohl den vollständigen Gegenstandsbereich der Mengentheorie zu garantieren als auch die Bildung der mengentheoretischen Paradoxien zu unterbinden. Das Problem verschiebt sich damit allerdings nur um eine weitere Stufe. Die Klassentheorie erlaubt es zwar, dass die Mengentheorie über ihren eigenen Gegenstandsbereich, den Bereich aller Mengen, in konsistenter Weise sinnvolle Aussagen treffen kann; sie verneint aber ihrerseits die Existenz absolut unendlich großer Allklassen und kann daher selbst nicht über ihren eigenen Gegenstandsbereich, den Bereich aller Klassen, sinnvolle Aussagen treffen. Bereits die Aussage, dass keine Klasse selbst Element einer größeren Klasse sein kann, wäre als Aussage über uneingeschränkt alle Klassen unter diesen Voraussetzungen gar nicht sinnvoll ausdrückbar. Die Klassentheorie hat das Problem gesehen, wie die Einführung und Diskussion der Hierarchie von Hyperklassen zeigt; aber anstelle das Problem ein für alle Mal zu lösen, verschiebt es sich stets wieder nur um eine weitere Stufe. Es ist also keineswegs so, dass der von Stekeler ins Spiel gebrachte Lösungsvorschlag die Probleme der Paradoxien des Unendlichen ohne weiteres lösen kann. Leider sagt Stekeler nichts zu den Einwänden und Problemen, die ich in meinem Buch extensiv diskutiere: nichts zu den Problemen, die sich mit der Axiomatisierung der Mengentheorie ergeben (vgl. NDU  – ); nichts zu den Problemen, die sich mit Kants strukturell verwandtem Vorschlag einer regulativen Interpretation der Idee der Welt ergeben (vgl. NDU  – ); und nichts zu den Problemen, die sich aus dem strukturell verwandten Vorschlag von Patrick Grim ergeben, aus den Widersprüchen des Weltbegriffs auf die Nichtexistenz der Welt zu schließen (vgl. NDU  – ). Stekeler sieht das Hauptdefizit der Negativen Dialektik des Unendlichen in dem „Mangel einer metastufigen Konstitutionstheorie im Sinne der transzendentalen Sinnkritik Kants und Hegels“. Damit ist gemeint, dass die Paradoxien des Unendlichen in dem Buch „durchgängig inhaltlich, objektstufig“ diskutiert werden. Eine metastufige Untersuchung der Paradoxien würde demgegenüber die Aussagen, mit deren Hilfe die Paradoxien formuliert werden, und deren Semantik, mitsamt der jeweils im Hintergrund stehenden Grundannahmen über Sinn und Gegenstandsbezug von Aussagen, untersuchen – inklusive der Kriterien dafür, dass

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Aussagen überhaupt einen Sinn, und dafür, dass sie überhaupt einen Wahrheitswert haben. Es ist schwer zu verstehen, dass Stekeler dergleichen Überlegungen in dem Buch gar nicht hat finden können, enthält doch die Negative Dialektik des Unendlichen so gut wie ausschließlich metastufige Untersuchungen der Paradoxien. Das ist die Idee des Buches. Diskutiert werden Ansätze, nach denen die fraglichen Aussagen entweder beide falsch sind, oder aber wahr und falsch, oder aber weder wahr noch falsch, je nach den zugrunde gelegten Kriterien für Sinn und Gegenstandsbezug von Aussagen. Die metastufigen Überlegungen sind im Gegenteil so zahlreich, dass viel eher die Weigerung, zwischen den verschiedenen metatheoretischen Ansätzen in letzter Instanz zu entscheiden, dem gesamten Unternehmen zum Vorwurf gemacht werden könnte. Natürlich besteht die systematische Notwendigkeit zum Bruch des jeweiligen Rahmens, wie der Titel von Stekelers Kommentar suggeriert; und freilich diskutiert das Buch nicht nur eine Mehrzahl von Rahmen, sondern auch eine Mehrzahl von Weisen, mit ihnen zu brechen. Es ist aber gerade die Pointe einer negativen Dialektik des Unendlichen, die ganze Bandbreite der metastufigen theoretischen Ansätze zur semantischen Diagnose und philosophischen Auflösung der Paradoxien, soweit sie absehbar sind, in ihren Vor- und Nachteilen transparent zu machen, um die zentrale These zu plausibilisieren, dass, soweit zu sehen ist, keiner dieser Ansätze die Paradoxien auflösen kann, ohne nicht wiederum auf der Stelle schwerwiegende Folgeprobleme nach sich zu ziehen. Zu diesen Ansätzen gehört freilich auch der klassische Ansatz, den Stekeler in Anschlag bringt. Und es ist insbesondere nicht so, dass, wie Stekeler unterstellt, die negative Dialektik des Unendlichen behauptete, es gebe „kein universe of discourse, das alle irgendwie beredbaren Gegenstände enthält“. Die negative Dialektik des Unendlichen behauptet nicht, dass es die Welt nicht gibt. Vielmehr ist die Annahme der Nichtexistenz der absolut unendlich großen Totalitäten nur einer unter mehreren möglichen Lösungsvorschlägen; und da er, wie die Diskussion im Buch zeigt, selbst nicht ohne Probleme ist, ist er keineswegs der ohne weiteres zu präferierende Ansatz. Siglen GS

Theodor W. Adorno. Gesammelte Schriften in zwanzig Bänden. Herausgegeben von Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan BuckMorss und Klaus Schultz. Frankfurt a. M.,  ff. GS  (Philosophische Frühschriften); GS  (Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit)

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GW

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg,  ff. GW  (Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjective Logik ()); GW  (Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objective Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein ()); GW  (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ())

KrV

Immanuel Kant. Kritik der reinen Vernunft. Nach der . und . Originalausgabe herausgegeben von Jens Timmermann. Hamburg, .

NDU

Guido Kreis. Negative Dialektik des Unendlichen. Kant, Hegel, Cantor. Berlin, .

Theogonie Hesiod. Theogonie. Werke und Tage. Herausgegeben und übersetzt von Albert von Schirnding. . Auflage. Berlin, . TWA

Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in  Bänden mit Registerband. Herausgegeben von Eva Moldenhauer and Karl Markus Michel. Frankfurt a. M.,  ff. TWA  (Wissenschaft der Logik I); TWA  (Wissenschaft der Logik II)

Literatur Adorno, Theodor W. [/] . Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung /, herausgegeben von Rolf Tiedemann. Frankfurt a. M. Kolman, Vojtech. . Zahlen. Berlin et al. Schnädelbach, Herbert. . „Dialektik als Vernunftkritik. Zur Konstruktion des Rationalen bei Adorno“. In: Adorno-Konferenz , herausgegeben von Ludwig von Friedeburg und Jürgen Habermas,  – . Frankfurt a. M. Sommer, Marc Nicolas. . Das Konzept einer negativen Dialektik. Adorno und Hegel. Tübingen.

LITERATURBERICHTE UND KRITIK A) Untersuchungen zur klassischen deutschen Philosophie Martin Bondeli, Jirˇí Chotaš und Klaus Vieweg, Hgg. Krankheit des Zeitalters oder heilsame Provokation? Skeptizismus in der nachkantischen Philosophie. Paderborn: Wilhelm Fink, .  S. Der vorliegende Sammelband ist das Ergebnis einer internationalen Tagung mit dem Titel „Reinhold und Schulze. Skeptizismus in der nachkantischen Zeit“, die im Juni  in Prag stattfand. Die Schrift widmet sich in  Einzelbeiträgen einer ebenso bedeutenden wie komplexen Problematik, nämlich der Rolle des Skeptizismus in der klassischen deutschen Philosophie. Von Kants Auseinandersetzung mit dem skeptischen Denken David Humes, der ihn bekanntermaßen aus seinem „dogmatischen Schlummer“ erweckte (AA IV: ) und den entscheidenden Anstoß zur Konstituierung der kritischen Philosophie gab, über Fichtes Bekenntnis, die Werke der Skeptizisten Gottlob Ernst Schulze und Salomon Maimon hätten ihn davon überzeugt, „daß die Philosophie […] noch nicht zum Range einer evidenten Wissenschaft erhoben sei“ (GA I,: ), bis hin zu Hegels Phänomenologie des Geistes, in der der „sich vollbringende Skepticismus“ (GW : ) als zentrales programmatisches Moment angeführt wird, stellt das Problem des Skeptizismus einen eminent wichtigen Aspekt der deutschsprachigen Philosophie um  dar. Nicht ohne Grund kann diesbezüglich auch von einer vorübergehenden Renaissance des Skeptizismus gesprochen werden, der dabei als Herausforderung und Feindbild, ebenso als Paradigma kritischer Prüfung philosophischer Systemversuche und als letztlich zu überwindendes, aber notwendiges Übel auftrat. Dieses Themenfeld intensiv, facetten- sowie perspektivenreich und ausführlich zu betrachten, ist die lohnenswerte Zielsetzung des Sammelbandes. Im Zuge der vorliegenden Rezension soll zunächst die Gesamtkonzeption des Bandes mitsamt seiner grundlegenden, historisch orientierten Gliederung vorgestellt werden. In der Folge wird detaillierter und sukzessive auf die einzelnen Beiträge und ihre jeweiligen thematischen Schwerpunkte eingegangen. Abschließend ist die Schrift resümierend und evaluierend hinsichtlich ihrer Position im weiteren Forschungskontext zu beurteilen. Als Leitfigur des Untersuchungsverlaufs fungiert der bereits genannte skeptische Autor Gottlob Ernst Schulze, der im Vorwort der Herausgeber ( f.) auch als „Hauptakteur“ () dreier bedeutender Streitsachen herausgestellt wird: Zunächst polemisierte er  mit seiner Schrift Aenesidemus gegen Kants und Reinholds transzendentalphilosophische Konzeptionen; im Anschluss kam es zur Kontroverse mit Fichte; schließlich stellte sein Werk einen zentralen Bezugspunkt der Auseinandersetzung Hegels mit dem Skeptizismus dar. Die vierteilige Gliederung des Sammelbandes orientiert sich lose an diesem historischen Verlauf der Position Schulzes im philosophischen Diskursfeld um . So geht es in Teil I ( – ) zunächst im Allgemeinen um die „Renaissance der Skepsis nach Kant“ (): Hier wird die Ausgangslage der Debatte, noch gezielt unspezifisch, kursorisch und überblicksartig, skizziert. Teil II ( – ) setzt den Schwerpunkt im Speziellen auf die Autoren Reinhold, Schulze und Maimon, somit auf den Disput, der unmittelbar im Anschluss an das ‚kritische Jahrzehnt‘ Kants entbrannte, d. h. zwischen Reinholds ‚elementarphilosophischem‘ Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens () und Maimons ‚koalitionssystemischem‘ Versuch einer neuen Logik (). Teil III ( – ) richtet den

Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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KRITIK

Fokus auf die Auseinandersetzung Fichtes mit den Streitsachen zwischen Reinhold und Schulze und markiert somit den Übergang zum nächsten großangelegten Systemversuch der klassischen deutschen Philosophie nach Kant, zur Wissenschaftslehre. In Teil IV ( – ) entfernt sich die Untersuchung schließlich von der bisher zentralen Referenzfigur Schulze und rückt mit Friedrich Schlegel, Schelling und Hegel drei spätere Hauptakteure des Diskurses in den Vordergrund. Hier wird deutlich, dass die Herausforderung des Skeptizismus auch nach  virulent blieb und weiterhin ein bedeutsames Moment verschiedenster Systembildungsprozesse darstellte. Der erste Beitrag ( – ), verfasst von Klaus Vieweg, konstituiert durch eine historische Übersicht der hier relevanten Werke der Autoren Reinhold bis Hegel die Grundlage für alle weiteren Einzelbetrachtungen. Zudem wird, systematisch orientiert, bereits ein Hauptaspekt der Gesamtuntersuchung in den Vordergrund gerückt, nämlich die Fragestellung, welche „Immunisierungsstrategien“ () gegen den Skeptizismus bei den verschiedenen Akteuren, schließlich bei Hegel, zum Einsatz kommen. Im zweiten Aufsatz ( – ) befasst sich Manfred Baum im Speziellen mit Kants eigenen Positionierungen zur Skeptizismusproblematik sowie mit Schulzes Kant-Kritik im Aenesidemus bzw. in der Kritik der theoretischen Philosophie (). Entscheidendes Ergebnis ist hier, dass Schulzes Argumentation gegen Kants Philosophie, v. a. hinsichtlich des Kausalitätsprinzips, laut Baum letztlich auf einem Missverständnis dieser Philosophie beruhe (). Der dritte Beitrag ( – ), verfasst von Jirˇí Chotaš, beschäftigt sich eingehend mit Carl Friedrich Stäudlins Buch Geschichte und Geist des Skepticismus von , aus dem auch das für den Sammelband titelgebende Diktum der „Krankheit des Zeitalters“ stammt (). Trotz des umfassenden historischen und systematisch-typologisierenden Überblicks, den Stäudlin in seinem Werk vorlegt, vertrete dieses, so Chotaš’ Resümee, letztlich keine selbständige Position (). Im ersten Beitrag des zweiten Teils ( – ) setzt sich Martin Bondeli mit dem direkten Disput zwischen Reinhold und Schulze auseinander. Von besonderer Wichtigkeit ist hier Bondelis Feststellung, dass Schulzes Position als fundamental realistisch verstanden werden müsse () und dabei diverse interne Argumentationsschwächen aufweise (). Problematisch bleibt hier jedoch die Beschreibung der Grundausrichtung von Schulzes Skeptizismus, laut der „Dinge an sich nicht bloß unvorstellbar sind, sondern überhaupt nicht existieren, bloßer Schein sind“ (), so Bondeli. Dies lässt jedoch außer Acht, dass Schulze im Aenesidemus explizit von einer in Zukunft eventuell möglichen Erkenntnis der Dinge an sich spricht – hierin sieht Schulze einen Hauptkritikpunkt an Kant, der eine solche Erkenntnis für prinzipiell unmöglich hält –, und somit eine anzuvisierende Selbstaufhebung des Skeptizismus postuliert. Der zweite Aufsatz des zweiten Teils ( – ), von Martin Vrabec, stellt Schulzes positive Lehre einer unmittelbaren Gegenstandserkenntnis und eines Antirepräsentationalismus als philosophisch sinnvoll vertretbare Position dar, während im dritten Aufsatz ( – ), verfasst von Silvan Imhof, der Disput Maimons mit Reinhold und Schulze besprochen wird. Hier erscheint, hinreichend belegt und durchaus plausibel, Maimon als Philosoph kritizistischer Ausrichtung, Schulze hingegen als Vertreter einer dogmatisch-realistischen Position (v. a.  f.). Auch im vierten Aufsatz dieses Teils ( – ) setzt sich der Autor, Faustino Fabbianelli, mit der Philosophie Maimons auseinander, hier speziell in ihrer Abgrenzung zur Position Reinholds: Indem Letzterer den kantischen Begriff des Dinges an sich transformiere, ermögliche er die Formulierung einer antiskeptischen Position. Der finale Beitrag des zweiten Teils ( – ) unterscheidet sich deutlich von den übrigen des Bandes: Brˇetislav Horyna legt hier eine essayistische und sprachlich bisweilen intransparente allgemeine Darstellung der Skepsis Schulzes vor. Thematische

Besprechungen

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Zusammenhänge sind lose, die Struktur des Texts bleibt gewollt unklar. Kombiniert mit Bezügen zu Blumenberg (), Wittgenstein () und zur modernen Physik () vertritt Horyna die offen formulierte These, das skeptische Denken sei Schulze letztlich fremd gewesen (). Zurück zur vorherigen methodischen Ausrichtung findet Daniel Breazeale im ersten Aufsatz ( – ; zugleich der einzige englische Beitrag im ansonsten auf Deutsch verfassten Band) des dritten Teils: Durch die Korrektur bisheriger Missverständnisse soll das Relationsgefüge ‚Reinhold – Schulze – Fichte‘ hier neu bewertet werden. Im Vordergrund stehen Schulzes Reinhold-Kritik sowie Fichtes sich darauf beziehende Rezension des Aenesidemus von . Auch werden diesbezüglich offene Aspekte der Forschungsdiskussion in umfangreicher Form aufgeführt ( ff.). Resultat ist letztlich, dass Fichte gewissermaßen als Denker mit Reinhold über Reinhold hinaus aufgefasst werden könnte (). Im zweiten Beitrag dieses Teils ( – ) befasst sich Andreas Schmidt mit einem speziellen Aspekt der Reinhold-Kritik Schulzes, nämlich der Ding-an-sich-Problematik auf Subjektseite, sowie mit Fichtes Reaktion hierauf. Die diskussionswürdige Hauptthese Schmidts ist, dass sich eine Analogie – nicht Identität – zwischen Kants reiner Anschauung gemäß der transzendentalen Ästhetik und Fichtes intellektueller Anschauung konstatieren lasse ( ff.). Im dritten Aufsatz ( – ) des dritten Teils, verfasst von Suzanne Dürr, wird eine systemimmanente Betrachtung der Position des Skeptizismus innerhalb des fichteschen Denkens vorgelegt. Entscheidend ist hier Dürrs Feststellung einer Immunisierung gegen den Skeptizismus mittels Inklusion desselben durch Fichte (), die tendenziell bereits auf die Position Hegels hindeutet. Im ersten Aufsatz ( – ) des vierten und letzten Teils schaltet der Autor Johannes Korngiebel einen Autor mit in den Diskurs ein, der im gesamten sonstigen Verlauf des Bandes unerwähnt bleibt: Friedrich Schlegels Konzepte einer systemimmanenten Skepsis und des Widerspruchs als apriorischer Grundstruktur des Geistes () stehen hier im Vordergrund. Der Skeptizismus stelle, so Schlegel, letztlich eine „philosophirende Unphilosophie“ dar (). Wichtig ist hier zudem Korngiebels Herausstellung der „eklatanten Unterschiede“ () zwischen den Skeptizismusverständnissen Schlegels und Hegels. Im zweiten Aufsatz ( – ) dieses Teils geht Jindrˇich Karásek über zur Fichte-Kritik durch Schelling sowie zu dessen Versuch einer Erneuerung der Metaphysik durch ontologische Konzepte in Natur- und Identitätsphilosophie. Demgegenüber beschäftigt sich Tereza Mateˇ jcˇ ková im dritten Beitrag ( – ) mit einem weiteren wichtigen Denker, der bisher unerwähnt geblieben ist, nämlich mit Friedrich H. Jacobi und seinem Nihilismusvorwurf gegen Fichtes Idealismus. Darauf aufbauend kommen zudem Hegels Konzeptionen der Negativität und der Identität von Identität und Nichtidentität zur Geltung. Im abschließenden Beitrag des Bandes ( – ) legt Folko Zander eine rein immanente Analyse der Philosophie Hegels vor. Hier werden neben der im Vordergrund stehenden Phänomenologie des Geistes auch die Skeptizismusschrift von  (GW :  – ) sowie die Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie konsultiert. Durch die Explikation der Position des skeptischen Selbstbewusstseins innerhalb der Phänomenologie des Geistes leitet Zander letztlich über zum Konzept des ‚sich vollbringenden Skeptizismus‘, das am Schlusspunkt der im vorliegenden Sammelband nachgezeichneten philosophiegeschichtlichen Entwicklung steht. Resümierend ist festzuhalten, dass dieser Band einen überaus wichtigen Forschungsbeitrag zur klassischen deutschen Philosophie hinsichtlich des Skeptizismusaspekts, jedoch auch darüber hinaus, darstellt. Als Methode der Koordination durch eine äußerst ereignis-

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und diskussionsreiche philosophische Epoche, in der ein Überblick oft schwerfällt, wird mit der Skeptizismusthematik eine spezifische, nachverfolgbare Richtlinie angeboten, die gewissermaßen als roter Faden durch die verschiedenen aufeinander aufbauenden Diskursfelder führt. Auf diese Weise werden heterogene Strömungen in einen gemeinsamen, sowohl historischen wie systematischen, Kontext gesetzt, ohne dass die qualitativen Eigenheiten und Alleinstellungsmerkmale dieser Strömungen dabei außer Acht gelassen werden. Zudem wird ein wichtiger Beitrag speziell zur Philosophie Gottlob Ernst Schulzes vorgelegt, dessen Bedeutung als zentraler Akteur seiner Zeit innerhalb der Literatur der letzten Jahrzehnte erst allmählich erschlossen wird. Ein hinsichtlich inhaltlicher Dichte vergleichbarer Sammelband zur Thematik liegt in deutscher Sprache bisher nicht vor. Positiv hervorzuheben ist darüber hinaus der Miteinbezug von Denkern wie Jacobi, Schlegel und Maimon, in Ergänzung zu den vier großen Autoren der Epoche, die hier allesamt zu Wort kommen. Sowohl bezüglich der Detailebene der einzelnen Betrachtungen als auch hinsichtlich des Gesamtkonzepts ist der rezensierte Band definitiv zu empfehlen. Daniel Elon Ruhr-Universität Bochum

Héctor Ferreiro und Thomas Sören Hoffmann, Hgg. Metaphysik – Metaphysikkritik – Neubegründung der Erkenntnis: Der Ertrag der Denkbewegung von Kant bis Hegel. Berlin: Duncker & Humblot, .  S. Wenn es eine Gegenwart der klassischen deutschen Philosophie soll geben können, dann bedeutet das, dass sie noch nicht überwunden, schon gar nicht, dass sie widerlegt ist oder wurde. Der zu besprechende Band ist ein Zeugnis mindestens für die Unentschiedenheit in dieser Frage und also für die Gegenwart der klassischen deutschen Philosophie. Eine andere Frage ist es, ob die von Kant begonnene und von Hegel weitergeführte, wenn nicht gar vollendete Kritik an der Metaphysik, die hauptthematisch von der überwiegenden Mehrzahl der hier versammelten Beiträge behandelt wird, ihrerseits entschieden ist oder nicht, ob also Metaphysik trotz dieser Kritik doch noch möglich oder, wenn auch in anderer Gestalt als die vormalige, wieder möglich ist. Nun weiß man ja seit langem, dass die Rede vom Ende der Metaphysik – wie die vom Ende der Philosophie überhaupt – so alt ist wie diese selber, aber wie alt genau die Metaphysik selber ist, weiß man deshalb noch nicht, hängt die Beantwortung dieser Frage doch von einem wie auch immer bestimmten oder näher zu bestimmenden Begriff von ‚Metaphysik‘ bzw. ‚metaphysisch‘ ab. Thomas Sören Hoffmann nimmt in seinem Beitrag „Die logische Reduktion der Metaphysik. Zu Hegels Begriff der absoluten Idee“ diese Frage auf: „Hegel hat Kants Kritik an […] doktrinalen Ansprüchen der Metaphysik in der Darstellung und Analyse der ‚ersten Stellung des Gedankens zur Objektivität‘ in seiner Enzyklopädie aufgegriffen und hier in die These transformiert, daß die spezifisch metaphysische Stellung des Gedankens eben in dem Anspruch besteht, durch bloßes, auf intelligible Objekte gerichtetes Denken auch schon verbindliches sachhaltiges Wissen von solchen Objekten gewinnen zu können“ (). Metaphysik versteht sich nicht nur als Denken rein oder bloß in Begriffen, was stimmt, sondern

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als solches auch als Erkenntnis verbürgend, was nicht stimmt, wie Kant überzeugend dargetan hatte. Diesem ihrem Selbstverständnis zufolge beanspruchte die Metaphysik immer, „ein sich selbst erfüllendes oder realisierendes Denken zu sein“ (). Dass sie diesen Anspruch erhob, ihm aber nicht genügen konnte, macht Hoffmann an Kants und Hegels Stellung zum ontologischen Gottesbeweis, diesem metaphysicum par excellence, deutlich. Es sei, so Hoffmann, „kein Zufall, daß Kant“ in seiner metaphysikkritischen Intention „gerade diesem Beweis gesteigerte Aufmerksamkeit schenkt. Auch wenn wir wissen, daß Hegel, was das ontologische Argument betrifft, Kant nicht folgt, bestreitet er dennoch mit Kant den Anspruch der überkommenen Metaphysik, das sich selbst erfüllende und realisierende Denken erreicht zu haben. Freilich fällt bei ihm der Akzent anders aus als bei Kant. Während Kant auf die Nichtrealisierbarkeit der metaphysischen Erkenntnisansprüche im Sinne ihrer empirischen Nichtdarstellbarkeit zielt, geht es Hegel um einen grundlegenden Defekt des metaphysischen Denkens, den Hoffmann „provisorisch ‚Reflexivitätsdefekt‘ nenn[t]“. Dieser besteht darin, dass sich die Metaphysik „nicht als autonomes und seine Autonomie nicht reflexiv einholendes Wissen, sondern durchgehend von der Form gegenständlicher Intentionalität her“ konzipiert ( f.). Sie hat ihre Gegenstände gleichsam draußen, wie sie überhaupt wesentlich dingorientiert ist – von Gott, um beim ontologischen Argument zu bleiben, spricht sie, wie bekannt, als dem höchsten oder allerrealsten Wesen und vermag ihn gerade deshalb nicht als Geist zu denken –, in Beziehung auf „äußere ‚Entitäten‘“ aber kann, so Hoffmann, „das Denken schon prinzipiell nur kapitulieren“ (). Wie wenig selbstverständlich die von Kant mit seinem kritischen Geschäft unternommene Kritik an der Metaphysik und wie groß der Schmerz an ihrem Abschied, an der Trennung von ihr, gewesen sein muss, kann Walter Jaeschke („Der lange Abschied von der Metaphysik“) an Hegels Entwicklung von dessen frühen Jenaer Jahren bis zur Veröffentlichung des ersten Bandes der Wissenschaft der Logik im Jahr  überzeugend darlegen. Gleich eingangs der Vorrede zu diesem Werk schreibt Hegel: „Dasjenige, was“ früher, d. h. vor Kant, „Metaphysik hieß, ist so zu sagen mit Stumpf und Styl ausgerottet worden, und aus der Reihe der Wissenschaften verschwunden“ (GW : ). Dieses Ende der Metaphysik wird von Hegel keineswegs bedauert, und so wird denn auch nicht so etwas wie deren „Restauration“ in Aussicht gestellt, sondern, so Jaeschke: Hegels „Selbstverständnis zufolge setzt seine Philosophie das ‚Ende der Metaphysik‘ als ein Ereignis der Philosophiegeschichte voraus“ (). Wie angedeutet fiel die Einsicht in die Unwiederbringlichkeit der Metaphysik Hegel nicht einfach in den Schoß. Noch in den ersten Jahren seiner Jenaer Lehrtätigkeit war Hegel davon überzeugt, dass die Metaphysik „die ‚eigentliche Wissenschaft der Idee‘“ sei; der Logik weise Hegel „lediglich die Aufgabe zu, in das System einzuleiten“ (), ja, sie habe sogar „das Princip aller Philosophie vollständig zu konstruieren“, „und aus der wahren Erkenntniß desselben, wird die Überzeugung hervorgehen, daß es zu allen Zeiten nur Eine und eben dieselbe Philosophie gegeben hat“ (GW :  f.; zit. bei Jaeschke auf ). Auch Letzteres steht in einem augenfälligen Kontrast zu Hegels späterem Wort von der Philosophie als „ i h r e Z e i t i n G e d a n k e n e r f a ß t “ (GW ,: ). Hegel war in Jena also noch lange nicht bei sich selbst angekommen. All dies lässt, so Jaeschke, „die tiefe Verwurzelung auch Hegels in der Ansicht erkennen, daß die Metaphysik gleichsam das Herzstück eines philosophischen Systems sein müsse“ (). Erst in den frühesten Nürnberger Entwürfen ist von Metaphysik von Anfang an „nicht mehr die Rede. Die Logik hat die Nachfolge der vormaligen Metaphysik angetreten. Man muß darin das Resultat eines Lernprozesses sehen, vielleicht ja gar eines schmerzhaften Lernprozesses, der sich über etwa fünf Jahre hinzieht“ (). – Bemerkenswert ist und bleibt natürlich, dass die Rede von der

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Metaphysik sich noch beständig hält. Hegel wusste das selbst am besten. Jaeschke weist auf die Stellen hin, an denen Hegel (nach dem ‚Ende der Metaphysik‘) auf die uns immer noch beherrschende sogenannte „Alltagsmetaphysik, über die wir gar kein klares Bewußtsein haben und zu der wir unablässig durch die Sprache verführt werden“ ( f.), zu sprechen kommt. Sie ist nach Hegel „ein gemisch, ein geweb in allen unseren vorstellungen. In allem was wir Sagen, wie sinnlich es auch ist, ist Metaphysik enthalten“ (GW ,: ). „Die Metaphysik ist also bewustlos immer in uns thätig“ (GW ,: ). Jaeschke fügt verdeutlichend hinzu: „schon indem wir das so unbedeutend scheinende Wort ‚ist‘ aussprechen“ (). Genau das scheint mir der springende Punkt zu sein. Kann es nicht sein, und das wäre jetzt eine Frage an Walter Jaeschke, dass irgendwann einmal Menschen sich durch die Substantivierung des Infinitivs dieses unscheinbaren Wortes – Kant sprach von ihm als von einem „Verhältniswörtchen“ (KrV B), wohl um alle Versuche von Ontologie ad absurdum zu führen – verführen ließen, es in, wenn man sich so ausdrücken darf, unerquickliche, aussichtslose, eben metaphysische Beugehaft nahmen und diese dann auf den „stolze[n] Name[n] einer Ontologie“ (KrV A/B) tauften? Von hier aus ließe sich auch das von Jaeschke angeführte „Auseinanderklaffen von allgemeiner Bewußtseinsgeschichte und Philosophiegeschichte“ () verstehen. Das philosophische Bewusstsein ist immer schon weiter als das allgemeine, so dass dieses immer noch an überkommenen Vorstellungen eigentlich nicht festhält, sondern in ihnen gefangen bleibt. Das ist auch eine Wirkung der Sprache, nicht auf alle, aber doch auf die meisten. Wie Nietzsche sagt: „Die Worte“ – beispielsweise ‚Metaphysik‘, ‚Ontologie‘, ‚Sein‘ und überhaupt alle Namen für metaphysische Kategorien – „bleiben: die Menschen glauben, auch die damit bezeichneten Begriffe!“ Dieser Glaube verführt nun seinerseits, nämlich zu Wiederbelebungsversuchen und dem Verlangen nach der von Kant und Hegel totgesagten Metaphysik, wie wir es in unserer unmittelbaren (philosophischen) Gegenwart erleben. „Aus Hegels Sicht aber“, so Jaeschke, „gibt es keinerlei Grund, sich diesem Verlangen hinzugeben. Und eben wegen dieses immer noch subkutan vorhandenen Verlangens dürfte es auch illusorisch sein, einen neuen, gleichsam ‚metaphysik-freien Metaphysikbegriff‘ zu etablieren. Redlicher ist es, wir belassen es beim historischen Begriff der Metaphysik – und beim Abschied von ihr“ (). Es ist (aber) eine nicht unerhebliche Frage, ob mit diesem Belassen nicht nur der vormaligen Metaphysik, sondern doch wohl auch ihrer kantisch-hegelschen Kritik, etwas vom philosophischen ins allgemeine Bewusstsein wandert, das dieses nicht nur nicht bereichert, sondern an etwas erinnert, das gerade es selbst am weitesten von sich weisen würde, nämlich ein Reflexionsverbot in Sachen Metaphysik. Es ist eine bloße Entscheidung, es bei dem Belassen zu belassen, und eben keine Erkenntnis. Ein solches Verbot scheint Anton Friedrich Koch von vornherein zu unterlaufen, wenn er geradezu unbefangen unter der Überschrift „Hegels Nichtstandard-Metaphysik als Metaphysikkritik im Anschluß an Kant und Fichte“ von ‚Hegels Metaphysik‘ spricht. In Kürze: „Metaphysik ist“ nach Koch „die Theorie des logischen Raumes“, dieser „das Absolute“ (). „Standard-Metaphysiken“ sind nach ihm „alle metaphysischen Theorien vor Hegel“, beispielsweise die Platons, des Aristoteles, Spinozas und Leibnizens, die „bei allem Dissens“ die Ansicht teilen, „der logische Raum oder das Absolute sei eine fertige, statische, ewige Gegebenheit: das reine Sein, der Ideenkosmos, die substantiellen Formen, die singuläre unendliche Substanz, das vollkommene Wesen nebst dem Inhalt seines Verstandes, die Menge der Welten (usw.).

 Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente ( – ). Kritische Studienausgabe Band  (Berlin et al., ), .

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Hegel ist demgegenüber der Entdecker der Evolution und der Prozessualität des logischen Raumes, und seine neue oder Nichtstandard-Metaphysik ist die zugehörige Evolutionstheorie, eine, wenn man so will, evolutionäre Logik“ (). Koch nennt Hegels Theorie deshalb „Nichtstandard, weil sie die unvermeidlichen Widersprüche der metaphysischen Theoriebildung als unvermeidliche anerkennt und in Prozessualität auflöst, Metaphysik, weil sie sich nach wie vor als theoretische Wissenschaft im Sinne der klassischen Aristotelischen Einteilung versteht, die auch heute noch mit Gewinn auf die Wissenschaften anwendbar ist“ (). Dieser Einteilung zufolge tritt die Metaphysik bzw. Philosophie in puncto epistemischer Sicherheit und Allgemeingültigkeit bzw. „universaler Geltung“ hinter der Physik, vor allem aber hinter der Mathematik zurück, so dass sie „der ewige Kandidat geblieben“ ist, „ein Kandidat, dessen Aussichten, je den Status einer reifen Wissenschaft zu erlangen, allenthalben denkbar gering eingeschätzt werden“ (). Das gilt, so Koch, auch für Hegels Nichtstandard-Metaphysik (). Ob die Alternative zu solchem metaphysischen Denken, die Koch „transmetaphysische[s]“ bzw. spezifischer „hermeneutisch[es]“ Philosophieren nennt (), bessere Aussichten hat, kein ewiger – ‚ewig‘ hier „durchaus im Sinne schlechter zeitlicher Unendlichkeit“ () – Kandidat zu bleiben und also Hegel noch zu überbieten, kann man bezweifeln; gerade wenn man hier, wie Koch, an Heidegger denkt, dessen Philosophie doch als eine der Existenz nach Hegel ‚im Wesen steckengeblieben‘ (ausgezeichneter Ausdruck von Bruno Liebrucks) ist. Ich breche die Besprechung hier ab. Die Auswahl der besprochenen Beiträge ist und bleibt, wie meist in solchen Fällen, subjektiv; sie ist und bleibt es auch, wenn man dieselben, wie ich hier, für repräsentativ hält. Als ebenso repräsentativ hätte sich eine andere Auswahl für die Behandlung der Frage nach der Metaphysik und ihrem (vielleicht nur vermeintlichen) Ende angeboten. So verdienten die Beiträge von Héctor Ferreiro ( – ), Ettore Barbagallo ( – ), Katja Christine Leistenschneider ( – ) und Johannes-Georg Schülein ( – ) eine eingehendere Würdigung, die ich dem Leser des rundum gelungenen Sammelbandes überlassen muss. Axel Hesper Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Axel Hutter und Anders Moe Rasmussen, Hgg. Kierkegaard im Kontext des deutschen Idealismus. Berlin et al.: De Gruyter, .  S. Gegen die in der Kierkegaard-Rezeption bis heute in der Tat „weit verbreitete Selbstverständlichkeit […], dass Kierkegaard im Kontext eines ‚Bruchs im Denken des . Jahrhunderts‘ (Löwith)“ () und damit in strikter Abgrenzung zu den bekannten und weniger bekannten Denkformen der philosophischen (und auch theologischen) Tradition – insbesondere der Epoche der klassischen deutschen Philosophie – zu verstehen sei, bringt der vorliegende Band, der auf zwei im Jahr  vom Nordic Network for German Idealism initiierte Tagungen zurückgeht, die Absicht in Stellung, Kierkegaard in den umfassenden Zusammenhang ebendieser Denkformen zurückzustellen. Dies ist so wichtig wie richtig, jeder kritischen Einstellung Kierkegaards gegenüber ‚System‘ und ‚Spekulation‘ zum Trotz. Denn eine Lektüre seines umfangreichen Werks ist nur dann fruchtbar und im Sinne seiner

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Verfasserschaft überhaupt erst adäquat, wenn sie der Erkenntnis entspringt, dass sich aus der engagierten und darin essentiellen Eingebundenheit in die Diskurse der Zeit die Eigenständigkeit und die Modernität seines Denkens erkennen lässt und – mit den einleitenden Worten der Herausgeber gesprochen – dazu befähigt, entgegen der von Kierkegaard unter seinen Zeitgenossen diagnostizierten „epochale[n] Schwäche und Geistlosigkeit“, „sich zum Erbe der eigenen Vergangenheit in das lebendige Verhältnis eines kritischen Verständnisses zu setzen“ (). Der vorliegende Band versammelt zu diesem Zweck nun jedoch nicht ausschließlich neue, sondern zunächst zu erwartende Perspektiven auf das Werk Kierkegaards. Allein die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der zwölf versammelten Beiträge mindestens zum Teil einer Analyse des Verhältnisses seines Denkens zu Hegel gewidmet sind, verwundert nicht. Dennoch – und dies sei als eine besondere Qualität dieses Bandes hervorgehoben – gelingt es auch den auf den ersten Blick weniger innovativ klingenden Beiträgen zumeist, der Einordnung des kierkegaardschen Denkens in den Kontext der klassischen deutschen Philosophie Momente besonderer Spannung zu entlocken. Gegenüber den Beiträgen Axel Hutters („Methodischer Negativismus. Das Programm einer ‚Revolution der Denkart‘ bei Kant, Hegel und Kierkegaard“) und Arne Grøns („Phenomenology of Despair – Phenomenology of Spirit“), die in je eigener Weise in der Tradition der von Michael Theunissen vorgebrachten Negativismusthese stehen und darin durchaus etablierte Positionen vorbringen, vereint vor allem Marius Timmann Mjaaland („The Double Destruction of Hegel“) einen vielversprechenden Neuansatz in der Interpretation der Stellung Kierkegaards zu Hegel mit berechtigter Kritik an der auch mit Theunissen und Grøn in Verbindung gebrachten Lesart Kierkegaards „as a true child of German Idealism“ (). Kierkegaards Verwendung hegelscher Terminologie insbesondere in Die Krankheit zum Tode wird auf gewollt heideggerisch klingende Weise als eine „destruction of Hegel’s concept of Spirit, by showing the self-destructive dynamic within Hegelian philosophy“, interpretiert (). Die Tatsache, dass Heidegger damit nahezu beiläufig auf ganz andere Art als über die herkömmlichen Analysen von Angst und Augenblick zurück in die ihm essentielle Nähe zu Kierkegaard gerückt wird, ist nur eine der besonders zu beachtenden Leistungen Mjaalands. Neben der unüblichen, aber durch das Verbindungsglied der Zusammenarbeit Heideggers mit Rudolf Bultmann nicht unplausiblen Rückführung des „philosophical concept of destruction“ () auf die Metaphysikkritik in Luthers Heidelberger Disputation wird sein Beitrag zudem dann spannend, wenn er Jon Stewart, einem der aktuell prominentesten Vertreter der von ihm kritisierten Lesart Kierkegaards, einen methodologisch bedingten „blind spot“ () in seiner Quellenforschung nachzuweisen versucht. Aber auch Stewart selbst, der mit einem eigenen Beitrag („Hegel und Kierkegaard: Die Frage von Glauben und Wissen“) zu Wort kommt, liefert mit der aus der Analyse von Kierkegaards bekannter Kritik an Hegels Zusammenführung von Glauben und Wissen entspringenden und die etablierte Forschungsmeinung geradezu umkehrenden Schlussfolgerung, dass sich gegenüber Hegel als nunmehr „große[m] christlichen Apologeten“ () gerade Kierkegaard als derjenige erweist, dessen Auffassung vom Christlichen „unserer modernen Empfindlichkeit für religiöse Toleranz“ () mehr zu entsprechen scheint, eine der interessantesten Pointen des vorliegenden Bandes. Der Versuch Kazimir Drilos („Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel“), sowohl in Fichtes Lehre vom absoluten Wissen als auch in Hegels Auffassung von spekulativem Erkennen eine Form der Doppelbewegung von

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gleichzeitiger Negation und Affirmation des Endlichen als strukturelle Gemeinsamkeit mit der Doppelbewegung von Resignation und Glaube aufzuweisen, wie sie Kierkegaard in Furcht und Zittern entwickelt, gerät allerdings, insbesondere in den von Kierkegaard her in Fichte und Hegel hineingedeuteten Bestimmungen des Verborgenen, zu bemüht. Diesen inhaltlichen Untersuchungen gegenüber berührt das Problem der formalen Einheitlichkeit des kierkegaardschen Werks einzig Henrik Jøker Bjerre („Kierkegaard’s Voice“), der, Kierkegaards Hegelianismus-Kritik zum Anlass nehmend, mithilfe von literaturtheoretischen (M. Bahtin) und psychoanalytischen (M. Dolar) Interpretamenten eine Deutung insbesondere der frühen pseudonymen Schriften Entweder‒Oder und Furcht und Zittern vornimmt, die dem vieldiskutierten Sachzusammenhang um die Verfasserschaft eine interessante Poetologie zwischen letztlich einstimmiger Religiosität auf der einen und vielstimmiger Fragmentarität auf der anderen Seite abgewinnt. Franz Knappik („Metaphysik der Kontingenz: Kierkegaards anti-nezessarische und anti-hegelianische Modaltheorie im ‚Zwischenspiel‘ der Philosophischen Brocken“) präsentiert, Hegel lediglich als Nebenschauplatz behandelnd, eine ausführliche und tiefgehende Exegese des „Zwischenspiels“ der Philosophischen Brocken und bereichert die Diskussion um diesen sehr hermetischen, in seiner Bedeutsamkeit aber nicht zu unterschätzenden und deshalb zu Recht vielfach interpretierten Text durch eine neue und eigenständige Deutung. Mit Blick auf Schelling als die neben Hegel ebenfalls zu erwartende Referenz ist es zum einen Philipp Schwab, der die altbekannte These vom Einfluss der schellingschen Spätphilosophie auf Kierkegaard in Konzentration auf das Verhältnis der in diesem Zusammenhang bisher weniger beachteten Schrift Über den Begriff der Ironie zur anschließenden pseudonymen Verfasserschaft, insbesondere zu Entweder‒Oder, vorträgt ‒ eine so sinnvolle wie erhellende Entscheidung, fällt doch Kierkegaards Besuch von Schellings Antrittsvorlesung in Berlin als wie auch immer zu wertende Wegmarke seiner geistigen Entwicklung in genau die Zeit zwischen diesen beiden Veröffentlichungen. Zum anderen widmet sich Marcia Sá Cavalcante Schuback der Verbindung Kierkegaard/Schelling und entwickelt eine weniger rezeptions- als vielmehr begriffsgeschichtlich orientierte Interpretation des für beide Denker zentralen Problemzusammenhangs menschlicher Freiheit. Ausgehend von den fundamentalen Oppositionen von Freiheit und Notwendigkeit in Vom Wesen der menschlichen Freiheit resp. Freiheit und Schuld in Der Begriff Angst werden die sowohl von Schelling als auch von Kierkegaard angestellten Überlegungen zur Bedeutung des Tragischen in den Blick genommen, so dass sich am Ende – das spätschellingsche Pathos ins Postmoderne gewendet – „the question about the tragic as the question about the freedom of groundless existence, about the abyss of God and last but not least about the fragmentary endeavor and the endeavor of the fragmentary constitution of finite human existence“ () erweist. Den Erörterungen biblischer Erzählungen, die für ein Verständnis des Werks Kierkegaards von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind, widmen sich Omri Boehm („Faith, Reason, Disobedience: The Binding of Isaac and the Place of the Biblical Text in Kierkegaard and Kant“) und Jan Rohls („Kierkegaards Reflexionen über Geist und Sünde im Kontext des deutschen Idealismus“). Das im ersten Beitrag vorgetragene Votum für die kantische und gegen die kierkegaardsche Interpretation der Erzählung von der Opferung Isaaks gerät jedoch problematisch. Um seine These zu stützen, dass der Kern der Erzählung im Gedanken des Ungehorsams gegen Gott stecke (den Kant dann besser erfasst habe als der auf die Autorität Gottes und den Gehorsam Abrahams abzielende Kierkegaard), nimmt

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Boehm die Erkenntnis der neueren Pentateuch-Forschung von verschiedenen im Korpus der fünf Bücher Mose zu identifizierenden Quellen auf, lässt seine Argumentation aber in der sehr verkürzenden Schlussfolgerung gipfeln, es gäbe eine eigentliche, da ältere (J), und eine diese verstellende, da jüngere redaktionelle Schicht (E). Ein solcher die Komplexität der ‚Neueren Urkundenhypothese‘ (inkl. der sie problematisierenden Frage nach der Einheit der Quelle J) missachtende Gedanke ist weder in der Lage, den Reichtum des biblischen Textes adäquat zu erfassen, noch kann er als Stütze einer veritablen Interpretation von Furcht und Zittern fungieren, bleibt er doch dem dort zentral vorgebrachten Problem der Kommunikation religiösen Glaubens völlig äußerlich. Jan Rohls zeichnet hingegen kenntnisreich diejenigen Diskussionszusammenhänge um die Erzählung vom Sündenfall nach, vor deren Hintergrund Kierkegaards Interpretation aus Der Begriff Angst erst eigentlich verstehbar erscheint. Dies gelingt insbesondere dadurch, dass Rohls die sowohl für die philosophische als auch für die theologische Diskussion dieser Schrift wenig beachteten Überlegungen Wilhelm Vatkes, Julius Müllers und August Tholucks mit einbezieht. Innerhalb der Kierkegaard-Forschung ebenfalls wenig beachtet, wenngleich von viel immenserer Bedeutung nicht nur für Kierkegaard, sondern für die gesamte Entwicklung der klassischen deutschen Philosophie, ist Friedrich Heinrich Jacobi, der im Beitrag des Mitherausgebers Anders Moe Rasmussen („Glaube, Offenbarung und Existenz: Die Fortführung der Jacobischen Vernunftkritik bei Schelling und Kierkegaard“) völlig zu Recht als eine Wurzel zentraler Argumente der Systemkritik ausgemacht wird, die das Gesamtwerk Kierkegaards durchzieht. Die dort vorgebrachten Überlegungen sind von schlagender Plausibilität und werfen nicht nur ein neues Licht auf das Verhältnis Kierkegaards zu Schelling, deren Gemeinsamkeiten nun nicht mehr als bedingt durch die schlichte Aufnahme schellingscher Gedanken durch Kierkegaard verstanden werden müssen, sondern eröffnen den Weg für ein vielmehr grundsätzlicheres Verständnis der für Kierkegaard zentralen Motive von Individualität, Verantwortung und Freiheit als zugehörig zum Kontext der klassischen deutschen Philosophie und nicht, wie es zumeist noch gesehen wird, als ihm entgegen. Der hohe Anspruch des vorliegenden Bandes, ein im umfassenden Sinne aufklärerisches Projekt zu sein, erhält insbesondere mit diesem Beitrag seine Berechtigung. Denn gerade in nun im Anschluss an Rasmussen zu erwartenden Studien zum Verhältnis Kierkegaard/Jacobi liegt das Potential, dem Zwecke zu dienen, dem auch die hier anvisierte „Konstellation ‚Kierkegaard im Kontext der klassischen deutschen Philosophie‘“ () gewidmet ist: Nicht kann es in Zukunft darum gehen, „Kierkegaard als ‚Klassiker‘ zu neutralisieren“ (), sondern stets darum, „die unzeitgemäßen Einsichten der Klassiker sichtbar zu machen und ins Bewusstsein einer allzu selbstgewissen Gegenwart zu heben“ (). Majk Feldmeier Ruhr-Universität Bochum

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Luca Illetterati und Paolo Giuspoli, Hgg. Filosofia classica tedesca: le parole chiave [Klassische Deutsche Philosophie: Die Schlüsselbegriffe]. Roma: Carocci, .  S. Das Nachschlagewerk über die Schlüsselbegriffe der Klassischen Deutschen Philosophie ist das erste seiner Art in italienischer Sprache. Einer mittlerweile etablierten Gewohnheit folgend, ziehen die Herausgeber dem Ausdruck ‚deutscher Idealismus‘ die Rede von der ‚klassischen deutschen Philosophie‘ vor. Als deren ureigenes Anliegen bezeichnen sie in der Einleitung die Suche nach einer Neubestimmung des Verhältnisses „zwischen der Aktivität des Denkens und der Wirklichkeit der Welt“ ( f.). Wie sie sogleich hinzufügen, sei mehr gemeint als bloß eine epistemische Relation. Die Vertreter der klassischen deutschen Philosophie wollten Denken und Wirklichkeit aufeinander beziehen, indem sie – auf je unterschiedliche Weise – die Wirklichkeit als etwas Lebendiges und denkende Wesen als frei auffassten. Derartiges kann man gewiss von Schelling und Hegel sagen; für Kant und Fichte gilt es indes nur mit Einschränkungen. Deshalb fragt sich, wie gut die Begriffe ‚Selbstorganisation‘ und ‚Leben‘ tatsächlich geeignet sind, das Anliegen der Epoche auf den Punkt zu bringen (), und ob nicht der Begriff der Vernunft eine wichtigere Rolle spielt, als die Herausgeber durchblicken lassen. Jedenfalls beginnt das Handbuch mit einem Artikel über ‚Vernunft‘ und endet mit einem Eintrag über ‚Freiheit‘. Dazwischen stehen  weitere Schlüsselbegriffe des Zeitalters. Bei den Autorinnen und Autoren handelt es sich um international anerkannte Experten sowie führende Fachleute aus Italien. Außerdem kommen einige Nachwuchswissenschaftler zum Zug. Die Stichwörter sind so gewählt, dass sowohl die Verbindungslinien zwischen den einzelnen Denkern der Epoche hervortreten als auch der Bezug zu heutigen Debatten erkennbar wird. Der kürzeste Artikel („Wissenschaft“) umfasst , der längste („Kunst“)  Seiten. Leider fehlt dem Buch ein Sachindex, wodurch stichwortübergreifende Themen erschlossen und zumal für Neulinge leichter auffindbar gemacht würden. Als Beispiele genannt seien: ‚Bewusstsein‘, ‚Dialektik‘, ‚Einbildungskraft‘, ‚Gefühl‘, ‚Gott‘, ‚Kategorie‘, ‚Notwendigkeit‘, ‚Realismus‘, ‚Skeptizismus‘, ‚Zweckmäßigkeit‘. Alfredo Ferrarin eröffnet den Band mit einer gedrängten Gegenüberstellung der verschiedenen Auffassungen von ‚Vernunft‘ bei Kant und Hegel. Während Kant in der Vernunft das Vermögen sehe, Begriffe und Grundsätze auf Gegenstände anzuwenden, verstehe Hegel die Vernunft als etwas, das sich selbst in der Wirklichkeit darstellt. Für ihn liege die Vernunft nicht als etwas Fertiges in der Natur des Menschen, sondern mache selbst eine Entwicklung durch. Ferrarin erläutert den Gegensatz schließlich mittels der Kategorien der Kausalität und der Substanz. Kant denke die Vernunft durch ihre Wirkungen, Hegel hingegen als eine Substanz, die zu sich selbst wird. – Im Verständnis der klassischen deutschen Philosophie eng miteinander verknüpft sind die beiden Stichwörter ‚System‘ und ‚Wissenschaft‘. Der Systemgedanke präge, wie Angelica Nuzzo darlegt, die Form und die Methode sowohl der kantischen als auch der hegelschen Philosophie. Andrea Gambarotto und Stefano Poggi erörtern den komplexen Zusammenhang zwischen der Philosophie als Wissenschaft und den empirischen Wissenschaften sowie die besondere Bedeutung von Mathematik, Physik, Chemie und Biologie. – Paolo Giuspoli befasst sich mit dem Begriff des ‚Idealismus‘. Kants Widerlegung desselben ziele auf den Nachweis, dass dasjenige, „was in der Wahrnehmung als unmittelbar gegeben erscheint, in Wahrheit nach bestimmten Regeln und innerhalb einer genauen zeitlichen Ordnung strukturiert ist“ (). Fichte versuche das Problem des Dings an sich zu lösen, indem er die Affektion durch das NichtIch auf eine setzende Tätigkeit des Ich gründe. Den Beitrag Schellings erblickt Giuspoli in

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dessen Philosophie der Natur und dem Konzept der Selbstorganisation. Ihnen verdanke Hegel seine Auffassung von der absoluten Idee als konkreter Wirklichkeit. Das Problem des Idealismus verwandle sich so zu der Frage nach den Formen des natürlichen und kulturellen Lebens, die unseren gewöhnlichen Vorstellungen von der Wirklichkeit zugrunde liegen (). – Die Geschichte des Begriffs ‚transzendental‘ erzählt Alberto Vanzo. Er unterscheidet zwischen den Bemühungen um eine Transzendentalphilosophie und der Suche nach transzendentalen Argumenten. Nachdem beides bei Kant seinen Anfang genommen habe, entwickelten Reinhold und Fichte Versionen einer Transzendentalphilosophie ohne transzendentale Argumente. Hegel wiederum gebrauche in der Phänomenologie des Geistes eine Art transzendentaler Argumente, um das Ungenügen bestimmter Einstellungen des natürlichen Bewusstseins aufzuzeigen und auf diese Weise zum philosophischen Wissen zu führen. Auf Schellings System des transzendentalen Idealismus geht Vanzo überraschenderweise nicht ein. – Michela Bordignon befasst sich mit dem Verhältnis zwischen formaler, transzendentaler und spekulativer Logik. Wie sie betont, beziehen sich alle drei auf dasselbe Netz von Begriffen. Verglichen mit der formalen Logik mache die transzendentale Logik einen Schritt hin auf die Erkenntnis von Gegenständen, auch wenn die Dinge an sich bei Kant unerkennbar blieben. In Hegels spekulativer Logik hingegen gelten die Gedanken selbst als etwas Objektives. Die logische Form ist für Hegel „nicht mehr begrenzt und abhängig von einem ihr äußeren Gehalt, da es sich um eine absolute Form handelt, das heißt eine Form, die mittels der Entwicklung der in ihr liegenden Dialektik ihren eigenen Gehalt erzeugt“ (). Mit seiner kopernikanischen Wende bezweckte Kant nicht die Abschaffung, sondern eine Reform der ‚Metaphysik‘. Diesem Vorhaben schlossen sich die Postkantianer an. Karin de Boer konzentriert sich bei ihrer Darstellung auf die Entwicklung von Wolffs Ontologie über Kants transzendentale Analytik und Fichtes Grundsatzlehre hin zu Hegels Wissenschaft der Logik. – Klaus Brinkmann erläutert die doppelte Bedeutung des Begriffs ‚Objektivität‘, der einerseits (im epistemologischen Sinn) die Wahrheit unseres Wissens und unserer Urteile, andererseits (im ontologischen oder metaphysischen Sinn) die Wirklichkeit bezeichne. Für Kant bilden die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung. Schon Fichte nenne ‚Objektivität‘ das Sein der Dinge, insofern sie unabhängig vom endlichen Bewusstsein existieren. Wahres Sein eigne für Fichte bloß dem absoluten Ich. Bei Schelling beziehe sich der Ausdruck ‚Objektivität‘ auf die Natur als das dem Subjekt oder Ich Entgegengesetzte. Bei Hegel schließlich verschiebe sich die Wahrheitsfrage von der „Übereinstimmung meiner Vorstellungen oder meiner Begriffe mit den Gegenständen“ zu der „Übereinstimmung des Gegenstands mit seinem eigenen Begriff“ (). – Zwei Beiträge kreisen um das Thema Subjektivität: Der eine, von Rossella Bonito Oliva, ist mit „Ich-Subjekt“ überschrieben, der andere, von Garth W. Green und Paolo Livieri, mit „Subjektivität“. Bonito Oliva geht von der Erfahrung des Subjekts „in seiner empirischen Affektivität und in seiner idealen Autonomie“ aus () und endet bei Hegels Auffassung eines „geistigen Universums“ (). Green und Livieri befassen sich unter anderem mit dem kantischen Subjekt der Erkenntnis und der Pflicht, mit dem fichteschen Ich und mit den verschiedenen Phasen der Systementwicklung Schellings und Hegels. Vielleicht wäre es besser gewesen, die beiden Artikel zu einem zusammenzufassen, damit deutlicher wird, was ‚Subjektivität‘ als terminus technicus mit dem ‚Ich‘ oder ‚Subjekt‘ unserer Selbsterfahrung zu tun hat. – Ähnlich vielschichtig wie die Rede vom Subjekt ist in der klassischen deutschen Philosophie der Gebrauch des Ausdrucks ‚Erfahrung‘. Die Suche Kants und Fichtes gilt den

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Bedingungen a priori der Erfahrung. Von dort aus wendet sich Gianluca Garelli dem Anspruch Hegels zu, in der Phänomenologie des Geistes eine Wissenschaft von der Erfahrung des Bewusstseins vorzulegen. Der Beitrag schließt mit Schellings sogenanntem ‚höheren Empirismus‘, in dem die Berufung auf die Erfahrung an ihre Grenze stoße (). – Luca Illetterati zeigt, wie sich im Begriff ‚Natur‘ reale mit idealen Komponenten verbinden. Hegel vollziehe den Schritt von einem linearen zu einem graduellen Verständnis der Natur. Obwohl sich die verschiedenen Stufen begrifflich beschreiben lassen, liege im Übergang von einer natürlichen Gestalt zur nächsten immer „etwas Verborgenes, Verdecktes, Inneres“ (). – Dem lange Zeit eher stiefmütterlich behandelten Aspekt der ‚Sprache‘ widmet sich Gaetano Rametta. Seine Ausführungen konzentrieren sich auf Kant, Fichte, Schelling und Hegel. Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache erwähnt er ebenso wenig wie die Sprachstudien Wilhelm von Humboldts oder der Gebrüder Schlegel. Dass man die Gewichte durchaus anders setzen könnte, belegen die einschlägigen Untersuchungen von Michael Forster. Die Beiträge von Luca Fonnesu („Moral“) und Jean-François Kervégan („Politik“) decken das Gebiet der praktischen Philosophie ab. An dieser Einteilung verwundert etwas das Fehlen des Stichworts ‚Recht‘, obwohl die Rechtslehre in der klassischen deutschen Philosophie von der Tugend- und Staatslehre klar unterschieden wurde. Zur Rechtsphilosophie im weiteren Sinn gehört für Hegel auch die ‚Geschichte‘. Die Idee des geschichtlichen Fortschritts befindet sich in einer gewissen Spannung zur Ordnung der Natur einerseits und zur Forderung der Freiheit andererseits. In diesem Zusammenhang stellt sich, wie Marcello Monaldi erinnert, die Frage nach dem Status der geschichtlichen Zeit. – Die Etablierung von ‚Kunst‘ und ‚Religion‘ als eigenständige philosophische Disziplinen begann im ausgehenden . Jahrhundert. Gabriele Tomasi behandelt neben Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft und Hegels Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst auch die Ästhetik Schillers, Hölderlins und Schellings (nicht aber der Frühromantiker). Als neuralgische Punkte der Auseinandersetzung um die Religion nennt Francesca Menegoni die Fragen nach dem Verhältnis zwischen Glauben und Wissen sowie nach der Möglichkeit einer göttlichen Offenbarung. Beide Problemkreise berühren sich in Hegels reifer Darstellung der geoffenbarten Religion als Erhebung des menschlichen Geistes zu Gott. Welche Bedeutsamkeit man den von Menegoni referierten Positionen beimisst, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie man selbst zum religiösen Anspruch des Christentums steht. – Der letzte Artikel des Bandes stammt von Altmeister Franco Chiereghin aus Padua. Während Kant und Fichte das Thema ‚Freiheit‘ vor allem im Verhältnis zur Notwendigkeit der Natur betrachteten, verstehe Hegel darunter die Selbstbestimmung dessen, was er den Begriff oder die absolute Idee nennt. Chiereghin unterstreicht den Schritt, den Hegel – und mit ihm Schelling – über Spinoza hinaus gehen, wenn sie den „höchsten Ausdruck der Freiheit“ dort ansiedeln, wo diese „sich selbst aufopfert, damit andere weiterhin frei bleiben“ (). Fragt man zusammenfassend nach dem Nutzen des Handbuchs, so bietet es dem Leser einen zuverlässigen Einblick in die Diskussionen innerhalb der klassischen deutschen Philosophie, macht ihn mit dem Stand der Forschung zum deutschen Idealismus vertraut und hilft ihm außerdem, Bezüge zu den systematischen Debatten der Gegenwart herzustellen. Hervorgehoben sei, dass die meisten Autoren die Spannungen zwischen den Denkansätzen Kants und Hegels, in geringerem Umfang auch Fichtes und Schellings, nicht in die eine oder andere Richtung auflösen oder zu einem historischen Narrativ verschmelzen, sondern als miteinander konkurrierende philosophische Optionen stehen las-

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sen. Dadurch gibt der Band vielfachen Anstoß, sich über die eigene Sicht der Dinge klar zu werden. Georg Sans SJ Hochschule für Philosophie München

Jakub Kloc-Konkołowicz. Anerkennung als Verpflichtung. Klassische Konzepte der Anerkennung und ihre Bedeutung für die aktuelle Debatte. Würzburg: Königshausen & Neumann, .  S. Die Untersuchung von Jakub Kloc-Konkołowicz widmet sich dem Phänomen der Anerkennung in der gegenwärtigen Debatte, insbesondere aber unter Berücksichtigung der im Rahmen des deutschen Idealismus entwickelten Konzeptionen von Anerkennung. Dabei geht es dem Autor aber nicht nur um die in dieser Epoche vertretenen Konzeptionen, sondern er möchte diese als Reservoir für eine kritische Aneignung im Lichte gegenwärtiger – vor allem sozialphilosophischer – Frage- und Problemstellungen verwerten. Folgerichtig ist sein Buch in zwei Teile unterteilt, deren erster ( – ) beansprucht, eine bereits systematisch geleitete Rekonstruktion von Anerkennungskonzeptionen des deutschen Idealismus zu bieten, der zweite ( – ) widmet sich der Ausarbeitung eines systematisch fruchtbaren Anerkennungskonzepts. Gerahmt werden die beiden Teile durch ein Einleitungskapitel, das konzise in Probleme, Vorgehensweise und Erkenntnisinteressen der Studie einführt ( – ), und ein knappes Fazit, das die Ergebnisse zusammenfasst ( – ). Bezüglich der bisherigen Rezeptions- und Aneignungsgeschichte der Anerkennungskonzepte des deutschen Idealismus reiht sich der Autor in die Linie Axel Honneths ein, zu dessen Theorie er seine eigene Konzeption kritisch ins Verhältnis setzt. Honneth selbst spricht in seinem Geleitwort zu dem Buch von einer Art ‚Familienzwist‘ (XII) zwischen beiden, bei dem es darum gehe, welche im deutschen Idealismus ausgeprägten Konzeptionen die größten Potentiale für eine gegenwärtige Aneignung aufwiesen. Das Hauptproblem des großen Einflusses von Honneths Kampf um Anerkennung (Frankfurt a. M., ) sieht Kloc-Konkołowicz darin, dass dieses Buch die gesamte Anerkennungsdebatte „‚hegelianisch‘ gefärbt“ () habe. An solchen Konzeptionen kritisiert Kloc-Konkołowicz eine Schlagseite hin zur deskriptiven Nutzung des Anerkennungsbegriffs. So könne man mit an Hegel angelehnten Konzeptionen „zwar die Entstehung normativer Erwartungen“ () erläutern, den symbolischen Konflikt um Anerkennung anhand, wie Honneth dies in seinem Buch entwickelt, verschiedener Anerkennungsformen (Liebe, Recht, Solidarität) erläutern und die jeweilige Durchsetzungsgeschichte einer Gruppe, sozialen Formation usw. erklären, aber nur wenig zur Rechtfertigung solcher Durchsetzungen sagen. Denn es werden „solche wichtigen Fragen, wie: welche Anerkennungserwartungen denn überhaupt eine individuelle, soziale, rechtliche und politische Akzeptanz verdienen, welche Anerkennungsvorgänge ausreichend begründet sind und welche nicht, tendenziell ausgeblendet“ (). Kloc-Konkołowicz ist in seiner Untersuchung aber gerade daran interessiert, wie es uns systematisch gelingen kann, gerechtfertigte von ungerechtfertigten Anerkennungsforde-

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rungen zu unterscheiden. Zu diesem Zweck benötigen wir einen Anerkennungsbegriff, dessen Stärken nicht in der deskriptiven, sondern in seiner normativen Dimension zu finden sind. Daher schlägt der Verfasser vor, sich die fichtesche Konzeption symmetrischer Anerkennung noch einmal näher anzuschauen, um zu prüfen, ob diese nicht Ressourcen bereithält, die sich aus der hegelianischen Anerkennungskonzeption nicht gewinnen lassen. Dabei ist sein Umgang mit den Klassikern von vorneherein pragmatisch bestimmt durch seine systematischen Interessen. Es geht ihm nicht darum, die Philosophien Fichtes und Hegels gegeneinander zu stellen, sondern er möchte sich dieser Theoriegebäude als „Inspirationsquellen“ () bedienen, um seine systematische Leitfrage nach den Berechtigungsbedingungen von Anerkennungsforderungen zu klären. Dabei entgeht Kloc-Konkołowicz der Versuchung, alle systematischen Fortschritte bereits in die klassischen Autoren hineinzulesen und so seine eigenen Thesen als Interpretationsergebnisse zu präsentieren. Stattdessen werden die Grenzen der Klassiker auch bei positiven Bezugnahmen klar benannt (z. B. ). Zweifellos ist die systematische Leitfrage des Autors von großer Aktualität, werden die PolitikerInnen in modernen Gesellschaften doch laufend mit Anerkennungsforderungen verschiedenster Art durch bestimmte soziale Gruppierungen (z. B. religiöse oder sexuelle Minderheiten) konfrontiert, deren Berechtigung es zu prüfen gilt. Die drohende Überforderung der Sozialphilosophie, gleichsam als Expertin über die Legitimität konkreter Forderungen zu befinden, weist der Verfasser von sich. Was eine kritische Sozialtheorie seines Erachtens leisten können sollte, ist die Etablierung und Prüfung von Kriterien, die eine „faire Einschätzung der verschiedenartigen Anerkennungsforderungen“ () ermöglichen. Der Autor wendet sich gegen globale Lösungsvorschläge, mit denen ganze Typen von Anerkennungsforderungen auf ihre Legitimität hin geprüft werden könnten, vielmehr sympathisiert er mit einem Modell der Einzelfallprüfung (). Für eine solche Prüfung gilt es Kriterien zu entwickeln, die zeigen, welche Pflichten und Leistungen auf Seiten der Anerkennenden und der Anerkannten sich rechtfertigen lassen. Dabei sind die Verpflichtungen jeweils nicht absolut zu verstehen, sondern selbst wiederum an Symmetrie und Gleichbehandlungsregeln rückgebunden. ( f.) Es soll mithin gezeigt werden, dass die „Intuition, die eine Symmetrie zwischen Anerkennungsforderungen und der Bereitschaft, Verpflichtungen und Verantwortung zu übernehmen, rational begründet ist, auch wenn nicht von vornherein klar sein muss, wie sich diese Intuition auf gesetzliche Regelungen oder institutionelle Verfahren konkret übertragen soll“ ( f.). Um diese Intuition als rational begründet auszuweisen, bietet der erste Teil eine kritische Durchsicht der klassischen idealistischen Inspirationsquellen. Zu den Inspirationsquellen gehören nicht nur Fichte und Hegel, sondern überraschenderweise auch Kant (Kap. ), dessen Begriff der Achtung zusammen mit dem Konzept der Wechselwirkung bereits als systematische Vorläufergestalt des fichteschen Anerkennungskonzepts aufgefasst werden könne. Gerade in diesem Kapitel gelingt dem Autor ein inspirierender und erhellender Blick auf die kantische Metaphysik der Sitten aus anerkennungstheoretischer Perspektive. Im vierten Kapitel wird die fichtesche Anerkennungstheorie präsentiert, die KlocKonkołowicz als „tranzendental-normative“ () Theorie darüber versteht, wie der rationale Sinn unserer wechselseitigen Interaktionen verständlich und normativ angeleitet werden kann. Kloc-Konkołowicz bietet gute Gründe dafür auf, dass sich die beiden Anerkennungsmodelle in der Sittenlehre und der Naturrechtsschrift letztlich kaum voneinander unterscheiden. Anerkennung fungiere als normatives Prinzip sowohl für die Rechts- als

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auch die moralische Sphäre ( f.). Fichte rekonstruiere zur Explikation dieses Prinzips beide in eine Anerkennungsbeziehung eingelassene Individuen als solche, die sich wechselseitig Gründe geben, wodurch sie sich zugleich anmuten, sich als freie und rationale Wesen aufzufassen, die für Gründe empfänglich sind. „Es ist aber erst mein Handeln, an dem gemessen werden darf, ob ich dieser mir angemuteten Rationalität tatsächlich gewachsen bin.“ () Wer jemanden anerkennt, der erwartet von ihm rationales Handeln. Wer auf eine solche Anmutung reagiert, der obliegt der Verpflichtung, auch mit rationalem Handeln zu antworten. Dieses Modell tauge als basale Größe zur Rekonstruktion unserer Interaktionen, sowohl von Individuen als auch von sozialen Gruppen. Beide Akteure bzw. Akteursgruppen sind dabei symmetrisch aufeinander ausgerichtet, da sie wechselseitig von sich verlangen können, auf einen ersten Anstoß durch das Gründe-Geben auch responsiv adäquat zu reagieren. Dabei sei die Normativität der Interaktion nicht auf die Individuen und ihre Eigenschaften rückführbar, sondern irreduzibel relational aufzufassen. Mag man dieses Konzept und die Rekonstruktion durch den Autor auch für attraktiv halten, bleiben dennoch einige Fragen offen, die sich jedenfalls an das transzendentale Modell Fichtes stellen lassen. So bleibt unklar, wie genau sich der Regress vermeiden lässt, der im ersten freien Anstoß durch einen Anderen liegt. Ist dieser selbst noch nicht freie Person, so scheint fraglich, wie er seine Interaktion mit dem Anderen überhaupt als Anmutung von Freiheit und Rationalität auffassen kann. Ist er schon eine freie Person, so muss ihn wiederum ein erster Anstoß von außen dazu geführt haben. Zu diesem Problem äußert sich Kloc-Konkołowicz kaum. Hier wäre vermutlich weitere systematische Theoriearbeit zu leisten, möchte man die transzendentalphilosophischen Grundlagen einer Anerkennungstheorie weiter ausbauen. Im Folgekapitel fünf, das den ersten Teil beschließt, setzt sich der Autor mit der populären und vieldiskutierten hegelschen Anerkennungslehre auseinander. Entgegen den Deutungen etwa Honneths und des frühen Habermas ist Kloc-Konkołowicz der Meinung, Hegels Anerkennungslehre wechsle im Rahmen der hegelschen Theorieentwicklung seit der Jenaer Zeit zwar die Bedeutung, nicht aber ihre Funktion, die primär darin zu sehen sei, soziale Stabilität und zugleich die Dynamik sozialer Veränderung auf den Begriff bringen zu können. Während gerade der frühe Hegel mithilfe des Motivs des Kampfes soziale Dynamik gut einfangen könne und damit der heutigen Anerkennungsdebatte wichtige Inspiration geliefert habe, führe der späte Hegel in seiner Rechtsphilosophie lediglich die sinnstiftende und stabilisierende Funktion der Anerkennung an, um den Preis, die soziale Dynamik stillzustellen ( f.). Der Autor gesteht dem hegelschen Modell – abgesehen von seiner inspirativen Kraft für die heutige Theoriebildung – theoretische Stärken gerade im deskriptiven Phänomenbereich zu. Das Modell könne soziale Dynamik durch spezifische Anerkennungserwartungen gut erklären, aufgrund der Preisgabe eines transzendentalen Theorierahmens drohe aber die Gefahr, das Phänomen der Anerkennung „zu konkretistisch“ () aufzufassen. Seine normative Kraft tendiere dazu, „in einem Ensemble der konkreten, historisch bedingten und institutionell bestimmten Formen der sozialen Anerkennung“ () verloren zu gehen. Ähnliche Einwände lassen sich gegen die mangelnde normative Grundlage von Honneths Theorie ins Feld führen (, ). Neben diesen Vorwurf des Übergewichts empirischdeskriptiver Theoriebildung tritt das Problem, dass sowohl Hegel als auch Honneth einen „teleologischen Rahmen“ () benötigten, um jeweilige Anerkennungskämpfe und deren Austrag als Fortschritt deklarieren zu können. Damit handelten sie sich jeweils das Problem ein, die Beweislast für die Etablierung eines solchen Rahmens abzutragen. Ob dies

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Hegel – etwa mit den Mitteln seiner Geschichtsphilosophie – gelingen mag oder nicht, wird vom Autor nicht weiter untersucht. Sein Hinweis auf das entsprechende Problem ist aber sowohl in Bezug auf Hegel als auch in Bezug auf Honneths Theorie durchaus berechtigt. Die „kontroverse[n] Prämissen“ (), die der Autor dort sieht, wären explizit zu machen und zu verteidigen. Im zweiten Teil der Studie möchte Kloc-Konkołowicz auf Basis der zuvor erarbeiteten Vorzüge und Nachteile der bisherigen Theorien eine Konzeption entwickeln, die die Anerkennungstheorie auch normativ wieder zu einem starken Instrument kritischer Sozialphilosophie werden lassen soll, ohne starke teleologische Prämissen einkaufen zu müssen. Während sich das siebte Kapitel auf überzeugende und treffende Weise mit Axel Honneths Anerkennungstheorie auseinandersetzt und dabei zeigt, dass die in Auseinandersetzung mit Hegel identifizierten zwei Einwände bzw. Probleme auch für Honneth eine Herausforderung darstellen, bildet das achte Kapitel den systematischen Kern der Monographie. Legitime sollen sich von illegitimen Anerkennungsforderungen anhand zweier an Rawls orientierter Prinzipien unterscheiden lassen, die Kloc-Konkołowicz anhand des an Fichte orientierten symmetrischen Anerkennungsbegriffs zu gewinnen sucht. Dem ersten Prinzip zufolge soll jeder als „gleichwertiges Subjekt mit gleichen Rechten anerkannt werden“ (), dem zweiten gemäß soll jeder „als besonderes Subjekt, mit besonderer Identität und besonderen Fähigkeiten und Zwecken, anerkannt werden“ (). Die Vorordnung des ersten Prinzips soll sicherstellen, dass durch die Anerkennung spezifischer Minderheiten nicht das Prinzip der Rechtsgleichheit untergraben wird (). Aus dieser Regel und den beiden Prinzipien werden im Anschluss zwei Orientierungsprinzipien gewonnen, die dazu beitragen sollen, die Legitimität konkreter Forderungen zu prüfen (). Diesen liegt die Intuition zugrunde, dass Anerkennung nur demjenigen gewährt werden soll, der auch zu einer Gegenleistung bereit ist. Kloc-Konkołowicz bezeichnet dies als „normatives Austauschprinzip“ (). Paternalistische und rechtszersetzende Gefahren sollen durch die Ordnung in der Anwendung der Orientierungsprinzipien vermieden werden können ( – ). Gerade dieses systematische Kapitel stellt einen fruchtbaren und diskussionswürdigen eigenständigen Beitrag unter Rückgriff auf idealistische Inspirationsquellen dar, dem eine breite Rezeption und Diskussion zu wünschen ist. Dies kann hier leider ebensowenig umfänglich geleistet werden, wie eine nähere Diskussion der Rekonstruktion der historischen Helden von Kloc-Konkołowicz. Stattdessen seien hier zwei kritische Punkte genannt, deren Klärung für die weitere Ausarbeitung des eigenständigen Ansatzes des Autors dem Rezensenten hilfreich erscheinen: () Lässt sich der Vorwurf des Konkretismus nicht in umgekehrter Form gegen den Vorschlag des Autors wenden, dass sich abstrakte Prinzipien und deren transzendentale Fundierung gerade durch mangelnde Praxisnähe auszeichnen? Das Grundproblem scheint zu sein, wie sich Praxisnähe und abstrakte Prinzipien miteinander fruchtbar verbinden lassen. Der Autor baut hier auf das Vorhandensein einer „Anerkennungskultur“ () und einer politischen Kultur, in deren Rahmen sich die Prozeduralität der Anerkennungsprinzipien hinreichend kontextsensibel entfalten kann. Eine solche Kultur stelle einen „unersetzbaren Rückhalt“ () für prozedurale Ansätze dar. Dies führt mich zum zweiten Punkt (): Wie verhält sich der dezidiert formulierte Anspruch, dass „jede kritische soziale Theorie“ eine „Verankerung ihrer Prinzipien in einer […] transzendental rekonstruierten Intersubjektivitätskonzeption“ () brauche, zu dem mutmaßlich empirischen Hintergrundkonsens einer Anerkennungskultur? Lässt sich eine sol-

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che Kultur, wo sie nicht vorhanden ist, mit transzendentalen Mitteln so begründen, dass sie hinreichend kontextsensibel in Gang gebracht werden kann, wo doch der Vorzug transzendentaler Theorien weniger in ihrer Kontextualität denn in ihrem Universalismus gesehen wird? Diese Nachfragen seien explizit nicht als Kritik an dem begrüßenswert undogmatischen und systematisch ernsthaften Versuch Kloc-Konkołowiczs, die Anerkennungstheorien des deutschen Idealismus auch normativ wieder fruchtbar zu machen, zu verstehen, sondern als konstruktive Anfragen an eine Theorie, die den deutschen Idealismus nicht nur historisch zu erforschen, sondern auch systematisch gegenwärtig zu halten sucht und dabei eine inspirierende und durchdachte Lesart mit systematischen Innovationen zu verbinden weiß. Tim Rojek Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Tamás Miklós. Der kalte Dämon. Versuche zur Domestizierung des Wissens. München: C. H. Beck, .  S. Als Aristoteles zu Beginn seiner Metaphysik schrieb, „[a]lle Menschen streben von Natur aus nach Wissen“ (Met. I, a), schien ihm dies eine bloße Selbstverständlichkeit zu sein. Ist es überhaupt denkbar, dass es sich anders verhalten könnte? Können wir überhaupt anders, als epistemisch auf das Allgemeine abzuzielen? Erscheint uns dieses nicht um seiner selbst willen attraktiv? Verspricht es nicht, den Grund von allem zu enthüllen? Den Dingen nicht ‚auf den Grund gehen‘ zu wollen, hieße das nicht zu verneinen, worauf unser Leben von Natur aus angelegt ist? Verspricht Wissen nicht darüber hinaus Macht (F. Bacon)? Muss der ‚Wille zum Wissen‘ (M. Foucault) überhaupt noch vor irgendetwas halt machen? Stößt er faktisch an Grenzen oder sollte er gewisse Grenzen respektieren? Genau das suggeriert Tamás Miklós, indem er das Bild einer „Weltherrschaft des Wissens“ heraufbeschwört, das „ungezähmt und gnadenlos“ geworden sei (, ). „Das von der Metaphysik nicht gezähmte Wissen der Aufklärung“ habe „in eine vom Geist verlassene öde Wüste der Endlichkeit“ geführt (). So sei das sich zu immer neuem Wissen über alles Mögliche und Denkbare stimulierende Wissen „schrecklich geworden, unsere Forschung gefährlich, unsere Erkenntnisse tödlich“, wie es in Friedrich Dürrenmatts Die Physiker heißt. Wenn dieser unerhörte, nicht etwa gegen bestimmte Formen des Wissens, sondern gegen das Wissen als solches gerichtete Vorwurf mit Recht zu erheben wäre und erhoben werden muss, um „die Kapitulation vor der Wirklichkeit“ ( f.) zu vermeiden, dann muss man sich nach Miklós’ Überzeugung fragen, wie das Wissen zu ‚domestizieren‘ wäre, ohne dabei wiederum auf Wissen zurückzugreifen. Und zwar im Namen menschlicher Freiheit. In der Wirklichkeit – so wie Miklós sie auffasst – ist menschliche Freiheit nicht zu erkennen. Deshalb müsse man jene Herrschaft in die Schranken weisen, insofern sie im Modus des Wissens die menschliche Freiheit zum Verschwinden bringe, die ihr „Zuhause“

 Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker (Zürich, ), .  Vgl. Peter Wehling, Hg., Vom Nutzen des Nicht-Wissens. Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven

(Bielefeld, ).

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allein in der Geschichte und in deren narrativer Darstellung habe (, ). Geschichte als Inbegriff alles Vorgefallenen und seiner nachträglichen Erzählung ist so gesehen keine Frage des Wissens, sondern eine Angelegenheit der Deutung der Spielräume freien menschlichen Handelns unter nicht selbst gewählten Bedingungen. Ihr obliegt es in dieser Perspektive, zur Geltung zu bringen, inwiefern wir nicht dem Wissen unterworfen, wohl aber der Frage nach dem Sinn dessen ausgesetzt sind, was wir tun oder unterlassen. Und dies angesichts des Bösen, das zwar jeglichen bejahbaren Sinn zu negieren scheint, gleichwohl aber nicht aufgegeben werden dürfe. Denn das würde nicht dazu führen, dass sich das Böse „im Nichts auflöst, sondern wir selbst“ würden uns „in dem auf[lösen]“, wozu wir nicht genügend „Abstand“ haben, um es als Böses erfassen zu können (). Wie also sollen wir in der Historie der menschlichen Handlungen ein Zuhause finden, ohne dem Bösen das letzte Wort zu überlassen ()? Jede Antwort, die man auf diese Frage zu finden versucht, setzt voraus, dass man „die ganze Masse des konkreten Übels uns vor die Augen“ legt, das als ‚böse‘ gelten muss (). Es kann jedoch gar keine Rede davon sein, dass das geschichtsphilosophische Denken, das Miklós für die Gegenwart zurückzugewinnen versucht, die Wirklichkeit des Bösen umfassend erkundet habe. Wo man sich überhaupt mit dessen Beschreibung aufhält, lässt man es nicht selten mit Platitüden bewenden. So ist die irdische „Hölle“ jenes Übels oft nur eine Redensart (, ). Zur Realität des Bösen muss geschichtsphilosophisches Denken ohnehin ein gespanntes Verhältnis haben, wenn es sich mit Rousseau glaubt leisten zu können, „alle Tatsachen beiseitezulassen“ (), um sich stattdessen mit Deutungen zu befassen, die vor allem dieser Frage Rechnung tragen sollen: „Lässt sich das, was geschieht, als eine uns erträgliche Geschichte schreiben?“ „Andernfalls bliebe Geschichte für uns undeutbar“ (). Soll also Erträglichkeit Deutbarkeit gewährleisten? Widersetzt sich Unerträgliches jeglicher Deutung? Kann sich Geschichtsphilosophie wirklich darauf beschränken, eine gegen das Tatsächliche indifferente und um diesen Preis ‚annehmbare‘ Perspektive freien Handelns zu entwerfen? Müsste sie es nicht darauf anlegen zu zeigen, wie es menschliche Freiheit mit einer vernunftwidrigen Wirklichkeit aufnehmen kann? Davon, dass diese wenigstens insoweit ebenfalls vernünftig ist, als sie vernünftig wird, wie Hegel glauben machen wollte, ist Miklós nicht überzeugt. Stattdessen bedient er sich der lessingschen Formel „Sinngebung des Sinnlosen“ (, , ), um deutlich zu machen, wie eine erklärtermaßen „trotzige“ Philosophie der Freiheit „Erlösung“ aus einer vernunftwidrigen Wirklichkeit erfahren kann (); und zwar aufbauend auf ihren eigenen Deutungsleistungen, welche sich gegen eine „nicht interpretierte Geschichte“ sollen behaupten können, die angeblich nur „eine bloße Anhäufung leerer, fremder, da bedeutungsloser Angaben ist“ (). Diese „schreckliche […] Vision von der Sinnlosigkeit der Geschichte“ habe die Philosophen des deutschen Idealismus gequält (). Friedrich Nietzsche, Theodor Lessing und Walter Benjamin affirmierten sie offenbar. Doch machte gerade Letzterer auch auf einen responsiven Geschichtsbezug derjenigen aufmerksam, die sich als im Vergangenen „gemeint“ erfahren (). Wenn jegliche Geschichtsdeutung nur ge-

 Vgl. das Journal Phänomenologie  () sowie Burkhard Liebsch, Unaufhebbare Gewalt. Umrisse einer Anti-Geschichte des Politischen. Leipziger Vorlesungen zur Politischen Theorie und Sozialphilosophie (Weilerswist, ).  Vgl. George Steiner, In Blaubarts Burg. Anmerkungen zur Neudefinition der Kultur (Frankfurt a. M., ),  ff.  Vgl. Walter Benjamin, „Über den Begriff der Geschichte“, in: Illuminationen (Frankfurt a. M., ), .

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waltsame Interpretation und einen Versuch darstellt, über heterodoxe Interpretationen den Sieg davon zu tragen (), dann müsste man die „historische Narration als Machtinstrument für politische Partikularinteressen, als Apologie der Leiden, die den Menschenmassen aufgebürdet werden, und als Unterdrückungsinstrument“ für „völlig kompromittiert“ halten (). Was man Geschichte nennt, wäre dann nichts als ein fortgesetzter Kampf um die stärkere Interpretation, die Andere vor die Wahl stellen müsste, entweder den Interpretationsmachtkampf ihrerseits (mit allen Mitteln?) aufzunehmen oder aber sich zu ergeben. In eine ‚ungedeutete Geschichte‘ kann sich indessen niemand zurückziehen. Denn dergleichen gibt es schlicht nicht, wenn es zutrifft, dass „das jeweilige Jetzt […] nicht herrenlos“ ist und dass es „immer jemandem gehört“ (). So gesehen existieren wir rückhaltlos vergeschichtlicht und der historischen Interpretationsmacht Anderer ausgeliefert, gegen die wir uns nur mit einer Interpretationsgegenmacht behaupten können. Andernfalls verfallen wir einer geschichtlichen Unsichtbarkeit, die für Miklós nur bedeuten kann: „Wer keine eigene Geschichte hat, der ist nicht ‒ und war auch nicht.“ So wird die Fähigkeit, „seine Geschichte erzählen zu dürfen“, zum „einzige[n] Beweis“ unseres Menschseins ( f.). Dass die Frage, wer wir sind, auch lebenspraktisch Anderen gegenüber bezeugt wird, kann so keine Berücksichtigung finden. Andere kommen nur als Adressaten erzählter Geschichte in Betracht. Selbst wenn man sich dem anschließt, stellt sich indessen die Frage: Muss sich nicht auch erzählte Geschichte an epistemischen Kriterien messen lassen? Befinden wir uns im Reich der Narrativität wirklich in einem Jenseits-des-Wissens, von dem man sich versprechen könnte, ein übermächtig gewordenes Wissen zu ‚domestizieren‘, und das ausgerechnet in einer Geschichtlichkeit, in der niemand ein ungefährdetes Haus hat? Von hier aus ist es allerdings ein sehr weiter Weg bis hin zu einer Welt- und Vernunftgeschichte, wie sie Kant und Hegel vorgeschwebt haben mag. Denn die unübersehbare Vielzahl diverser Geschichten und Gegen-Geschichten, die sich in mannigfaltige Interpretationsmachtkämpfe verstrickt erweisen, lässt sich nicht narrativ synthetisieren in einer einzigen Metaerzählung der menschlichen Gattung und ihrer angeblichen Fortschritte. Doch ist infolge der Unmöglichkeit einer solchen kompossiblen Erzählung auch schon die Sache der Geschichtsphilosophie am Ende? Befinden wir uns am „Endpunkt der Geschichte der Geschichtsphilosophie“ ()? Oder ‚überlebt‘ diese gerade im Zeichen eines nicht enden wollenden endism? Für Miklós ist das keine Frage geschichtlichen Wissens und keine Angelegenheit des „Auge[s] des Begriffs, der Vernunft“. Denn dieses könne „nie erblicken, was dem Auge des Glaubens erschienen ist: das Ende als Hoffnung. Die Ausschaltung des Glaubens im Blick auf das Ende stößt das Ende in seine einfache Grausamkeit“ (). Der Eindruck einer solchen ‚Ausschaltung‘ drängt sich Miklós möglicherweise v. a. deshalb auf, weil er von

 Vgl. Philipp Stoellger, Hg., Deutungsmacht. Religion und belief systems in Deutungsmachtkonflikten (Tübingen, ).  Vgl. Burkhard Liebsch, Prekäre Selbst-Bezeugung. Die erschütterte Wer-Frage im Horizont der Moderne (Weilerswist, ).  Vgl. den Diskussionsbericht des Verf.: Burkhard Liebsch, „Kritische Kulturphilosophie als restaurierte Geschichtsphilosophie? Anmerkungen zur aktuellen kultur- und geschichtsphilosophischen Diskussion mit Blick auf Kant und Derrida“, Kant-Studien , (): ‒.  Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Band I: Die Vernunft in der Geschichte (Hamburg, ), .

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Kant, Hegel und Friedrich Schiller über Walter Benjamin bis hin zu Karl Löwith und Odo Marquard vor allem deutschsprachige Autoren zurate zieht, so dass ihm die gegenwärtige massive Renaissance einer geschichtsphilosophisch gewendeten Religionsphilosophie (man denke nur an Charles Taylor) nicht zu denken gibt. Auch Gianni Vattimo, Paul Ricœur, Jacques Derrida und Jean-Luc Nancy haben an den Grenzen von Glauben und Wissen weitergearbeitet. So gelangt Miklós, der diese Autoren übergeht, um sich am Ende mit den anarchistischen Gegenpositionen Paul Feyerabends und Hans P. Duerrs auseinanderzusetzen, denn auch nicht zu einer Gesamtbilanz der aktuellen Lage geschichtsphilosophischen Denkens. Stattdessen scheint er schließlich unter erklärtem „Verzicht auf alles Systematische“ (Jacob Burckhardt) zum „jovialeren Rahmen des antiken Symposiums“ zurückkehren zu wollen, wo man einander dialogisch zu denken gegeben hat (). Die so sich ankündigende neue Ruhe des philosophischen Diskurses, in dem man sich auf die ästhetische Position des äußeren Beobachters geschichtlicher Prozesse zurückziehen kann (), wird ‒ vorläufig wenigstens ‒ jedoch empfindlich gestört durch das von der „Aufklärung freigelegte Entsetzen“ (), durch die „Stimme des Leids“ Anderer () und durch die daraus resultierende „Not unseres Erschreckens“, das „das Denken der Notwendigkeit einer vernünftigen Geschichte“ unabdingbar macht () ‒ nicht zuletzt, so möchte ich hinzufügen, dank historisch validierten Wissens. So behauptet hier doch noch eine Negativität ihr Recht, die sich vielleicht nicht dialektisch ‚aufheben‘ lässt, die aber nach wie vor nach künftiger Geschichte in praktischer Absicht verlangt und es nur so vermeiden kann, „die Erniedrigten und Beleidigten“ zu verraten (). „Wir müssen retten, was zu retten ist“, schreibt Miklós dem entsprechend (). Aber ist das nur unsere ‚schlechte Wirklichkeit‘ in ihrer Endlichkeit, wie Marquard insinuierte? Hier müsste man neu einsetzen mit der Frage, wer oder was wie gerettet zu werden verlangt und wer oder was dies versprechen kann und vielleicht versprechen muss. So wäre neu herauszufinden, auf welche Frage eine zeitgemäße Geschichtsphilosophie die Antwort ist (), die nicht länger als „Haustote des deutschen Geistes“ abzutun wäre (). Burkhard Liebsch Forschungsinstitut für Philosophie, Hannover

Konstanze Sommer. Zwischen Metaphysik und Metaphysikkritik. Heidegger, Schelling und Jacobi. Hamburg: Felix Meiner, .  S. Hauptziel dieser  von der Ruhr-Universität Bochum angenommenen Dissertation ist aufzuklären, worum das späte Denken Heideggers wesentlich kreist. Dazu versetzt die Autorin die oft als kryptisch qualifizierten Texte Heideggers in einen historisch-philosophischen Kontext, insbesondere den der Freiheitsschrift Schellings und der Philosophie Jacobis, vor allem im Hinblick auf dessen Sprung aus der Metaphysik Spinozas. Zwar ist die

 Ich schreibe ‚scheint‘, denn es ist in diesem Zusammenhang wie auch sonst vielfach nur schwer zu entscheiden, ob Miklós auch wirklich für sich selbst spricht und nicht nur die von ihm behandelten Autoren kommentiert.  Vgl. die aktuelle Bestandsaufnahme bei Emil Angehrn und Joachim Küchenhoff, Hgg., Die Arbeit des Negativen. Negativität als philosophisch-psychoanalytisches Problem (Weilerswist, ).

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Auseinandersetzung zwischen Heidegger und Schelling im Rahmen der Heidegger-Forschung schon ausführlich dokumentiert und analysiert worden. Dasselbe gilt für Schellings Beziehung zu Jacobi und im Zusammenhang damit auch zu Spinoza. Jedoch gibt es kaum Studien über Heideggers Verhältnis zu Jacobi und Spinoza, eben weil diese beiden Denker in den Auseinandersetzungen Heideggers kaum eine Rolle spielen. Trotzdem beabsichtigt die Autorin in ihrem Buch, einen Vergleich dieser vier sehr unterschiedlichen Denker anzustellen. Die methodische Rechtfertigung besteht ihr zufolge darin, dass diese Denker auf ihre je eigene Weise an ein und derselben Sache gearbeitet haben, nämlich an der Metaphysik und ihrer Kritik – bzw. am Übergang von der Metaphysik zu einem ganz neuen Denken. Um die Problematik der Metaphysik und Heideggers Kritik an ihr sachgemäß darstellen zu können, entscheidet die Autorin sich dafür, Schellings Freiheitsschrift und ihre Deutung durch Heidegger eine Schlüsselrolle in ihrem Buch spielen zu lassen. Im Unterschied zu den meisten bereits vorliegenden Studien analysiert sie im ersten Kapitel die Freiheitsschrift nicht so sehr aus der Perspektive des Denkens Heideggers, sondern in ihrem für die Philosophie Schellings eigentümlichen historisch-systematischen Kontext. Das bedeutet, dass sie diese Schrift als einen Schritt in der Denkentwicklung Schellings und darüber hinaus als eine für die Problematik der Metaphysikkritik höchst relevante, aber bisher in der Schelling-Forschung nur unzureichend beachtete Auseinandersetzung Schellings mit der Vernunftkritik Jacobis – einschließlich der entscheidenden Rolle, die Spinozas Philosophie darin spielt – behandelt. Angeregt von der Spinoza-Kritik Jacobis gelangt die Autorin zu der Schlussfolgerung, dass Schellings Freiheitsschrift weder als rational zu verstehendes System noch als überzeugender alternativer Ausweg aus dem Dilemma von System und Freiheit gelten kann, so dass diese Schrift letztlich scheitert. Allerdings verbindet sich mit dem auf diese Weise bestimmten Scheitern keineswegs die Aussicht auf eine Überwindung des metaphysischen Denkens, so dass die Möglichkeit und insbesondere der Versuch Heideggers aus Jacobis Sicht von vornherein in Klammern gesetzt werden müssen, die Philosophie Schellings als einen Anlauf auf ein ganz neues Denken zu deuten. Wie im zweiten Kapitel, das sich mit Heideggers Interpretationen der Freiheitsschrift befasst, ausgeführt wird, ist die Erörterung des Kontexts der Freiheitsschrift nicht nur für das Verständnis der Philosophie Schellings bedeutsam, sondern sie erschließt auch die Metaphysikkritik Heideggers auf eine neue Art und Weise. Dabei stellt sich das Problem, dass Heidegger gar keine einheitliche Interpretation der Freiheitsschrift vornimmt. Während er in der Vorlesung von  Schelling als eine Art Übergangsfigur und Verbindungsglied zwischen dem metaphysischen und seinem eigenen Denken präsentiert, führt er ihn in der Vorlesung von  hingegen als den Vollender des metaphysischen Denkens vor, von dem aus ein Übergang zu einem neuen Denken gerade ausgeschlossen ist. Hinter diesen beiden auf den ersten Blick gegensätzlich scheinenden Schelling-Deutungen verbirgt sich eine fundamentale Unentschiedenheit Heideggers, wie er Schelling zwischen dem metaphysischen und seinem eigenen neuen Denken tatsächlich zu verorten hat. In der Vorlesung von  verhält sich Heidegger Schelling gegenüber äußerst affirmativ und betrachtet dessen Denken sogar als die Vorwegnahme aller Merkmale eben jenes neuen Denkens, das Heidegger gegen die abendländische Metaphysik in Stellung bringen will. Aber gerade dadurch verdeckt er die von Jacobi hervorgehobenen Widersprüche der Freiheitsschrift, wie Sommer sie im ersten Kapitel ihres Buches freigelegt hat. Diese positive Haltung ändert sich in Heideggers Vorlesung von , der zufolge ein sich an Schelling anschließendes Denken nur eine Form von Willensmetaphysik sein kann. Dennoch gelingt es Heidegger

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auch in dieser Vorlesung nicht, das Dilemma in den Blick zu bringen, das die inneren Schwierigkeiten der Metaphysik verdeutlichen könnte. Das bedeutet der Autorin zufolge, dass Heidegger nicht imstande ist, die wesentlichen Merkmale metaphysischen Denkens kenntlich zu machen und den Zusammenhang dieser Merkmale mit der angeblichen Seinsvergessenheit des metaphysischen Denkens aufzuzeigen, so dass Heideggers Versuch, Schelling als den Vollender einer solchermaßen bestimmten Metaphysik auszuweisen, nicht überzeugen kann. Es bleibt also im Grunde genommen unscharf, wogegen sich das von Heidegger befürwortete neue Denken abgrenzen und in welche Richtung es sich bewegen soll. In den späteren Schriften Heideggers, besonders in der Vorlesung Der Satz vom Grund, die Sommer im dritten Teil des zweiten Kapitels analysiert, finden sich grundlegende Figuren der Freiheitsschrift wieder, so dass sich die anhand dieser Schrift dargestellte Ambivalenz von Heideggers Schelling-Deutung – und darüber hinaus die Unklarheit seiner Metaphysikkritik – auch in den späteren Schriften bestätigt. Aufgrund dieser Ambivalenz von Heideggers Schelling-Deutung und der Unklarheit seiner Metaphysikkritik führt die Autorin den Leser im dritten Kapitel auf Jacobis Frage nach dem Dilemma der Metaphysik zurück und versucht die eindeutig kritische Seite des heideggerschen Denkens mithilfe eines Vergleichs zwischen den kritischen Ansätzen Jacobis und Heideggers genau in den Blick zu nehmen. Dieser Vergleich nimmt seinen Ausgang von der Behauptung Heideggers, dass das metaphysische Denken in einem Dilemma stecke, aus dem der problematische Übergang zum neuen Denken herausführen soll. Dabei kommt das Problem des Übergangs in den Blick und damit auch die Frage, auf welche Weise ein solcher Übergang vollzogen werden kann und soll. Dabei bedient sich Heidegger der Figur des Sprungs, die bei Jacobi bekanntlich auch eine zentrale Rolle spielt. Sommer zeigt, dass es zwischen den beiden kritischen Ansätzen nicht nur strukturelle Gemeinsamkeiten gibt, sondern darüber hinaus auch ähnliche Begriffe und Formulierungen. Zudem erhellt der Vergleich mit Jacobis Auffassung des Sprungs, der gewissermaßen seine Kritik der Metaphysik (Spinozas) zusammenfasst, die wesentlichen Probleme der Metaphysikkritik Heideggers: Als zentrales Problem erweist sich die Frage nach der positiven (Seins‐)Erfahrung und ihrer inhaltlichen Bestimmung. Während Jacobi mit der Erfahrung des Handelns ein konkretes Phänomen ins Zentrum seiner Kritik stellt, bleibt die ursprüngliche Seinserfahrung bei Heidegger unbestimmt, so dass die Rede von der Erfahrung letztlich nicht mehr als eine Leerstelle in Heideggers Denken bezeichnet, die dem korrespondiert, was Heidegger den Entzug des Seins nennt. Damit problematisiert die Autorin die These, nach der die negative Erfahrung der Einheit von Sein und Nichts auf überzeugende Weise als die grundlose Grundlage der Metaphysikkritik Heideggers aufgefasst werden könnte. Denn im Lichte der Konfrontation mit Jacobi erscheint eine derartige Interpretation fragwürdig, weil mit derart einfachen Gegenüberstellungen wenig gewonnen ist. Jacobis Überzeugung, dass sich ein Unbedingtes positiv erfahren lasse, ist keineswegs identisch mit der Behauptung, dass sich auf diesem Unbedingten ein metaphysisches System errichten lasse. Ebenso wenig gilt aber umgekehrt, dass die Behauptung, das Unbedingte sei nur als Abwesenheit erfahrbar, notwendig als eine Absage an das Unternehmen einheitlicher Welterklärung zu verstehen ist. Aus dieser von Jacobi inspirierten Perspektive erscheint die Position Heideggers als eine Art negativer Metaphysik oder aber als eine positive Philosophie eines negativen Unbedingten und seine Kritik an der Metaphysik in ihrer konkreten Ausprägung (konzentriert auf die Begriffe von Wollen und Subjektivität) unbegründet.

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Die Relevanz dieses Buches für die Forschung zur klassischen deutschen Philosophie liegt meines Erachtens erstens in der genauen historischen Analyse der Freiheitsschrift als einem Moment in der Entwicklung von Schellings Philosophie, d. h. unabhängig von Heideggers Deutung dieser Schrift. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung des von Jacobi hervorgehobenen Dilemmas zwischen System und Freiheit für das Scheitern der Freiheitsschrift Schellings von besonderem Interesse. Aus einer systematischen Perspektive scheint mir diese Dissertation zweitens deswegen wichtig, weil sie die wesentliche Unbestimmtheit von Heideggers Metaphysikkritik aufzeigt. Den im dritten Kapitel vorgenommenen Vergleich zwischen Heidegger und Jacobi finde ich aber weniger überzeugend, nicht nur weil es kaum hinreichende Argumente für die These der Autorin gibt, dass eine direkte Auseinandersetzung Heideggers mit Jacobi zumindest wahrscheinlich sei, sondern auch und vor allem weil dieser Vergleich stark aus der Perspektive Jacobis durchgeführt wird und daher die wesentlichen Unterschiede in der Bedeutung zentraler von Jacobi bzw. Heidegger verwendeter Schüsselbegriffe wie ‚Sprung‘, ‚Sein‘, ‚Nichts‘, ‚Erfahrung‘ usw. zu wenig berücksichtigt. Peter Jonkers Tilburg University

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B) Editionen Carl A. Eschenmayer. Einleitung in Natur und Geschichte. Erlangen . Herausgegeben von Cristiana Senigaglia. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog, .  S. Cristiana Senigaglia hat die im Jahr  erstmals erschienene Schrift von Carl August Eschenmayer Einleitung in Natur und Geschichte neu aufgelegt. Das Buch ist  im fromann-holzboog-Verlag in der Reihe „Bibliothek : Körper – Geist – Bewusstsein“ erschienen, die das Ziel verfolgt, auf die Autoren der klassischen deutschen Philosophie aufmerksam zu machen, die für das intellektuelle Leben zu Beginn des . Jahrhunderts zwar von großer Bedeutung waren, aber mittlerweile in Vergessenheit geraten sind. Zu ihnen gehört auch der Arzt und Philosoph Eschenmayer ( – ), der am philosophischen Diskurs seiner Zeit aktiv beteiligt war und in zahlreichen Veröffentlichungen auf Kant, Jacobi, Fichte, von Baader, Schelling und Hegel Bezug nahm. Das Buch enthält neben der Schrift Einleitung in Natur und Geschichte weitere Texte Eschenmayers: den Artikel „Deduktion des lebenden Organismus“ von , einen Auszug aus dem „Appendix zu den Schriften über das gelbe Fieber“ von , drei Briefe von Eschenmayer an den Mediziner und Naturforscher Lorenz Oken aus den Jahren  und  sowie eine Rezension Eschenmayers aus dem Jahr  zu Okens Werken Ueber Licht und Wärme () und Lehrbuch der Naturphilosophie (). In ihnen bemüht sich Eschenmayer – auf einen Satz gebracht – eine Brücke zwischen den empirischen Wissenschaften (insb. der Medizin) und der Philosophie zu bauen. Senigaglia stellt den Texten Eschenmayers eine umfassende Einführung voran, in der sie sowohl über sein philosophisches Schaffen als auch über die Entstehungsgeschichte, den Inhalt, die systematische Problemstellung und Rezeptionsgeschichte der Schrift Einleitung in Natur und Geschichte informiert, die im Zentrum der Ausgabe steht. Die Schrift Einleitung in Natur und Geschichte verfasste Eschenmayer in Auseinandersetzung mit Schellings Identitätsphilosophie. Bereits in den Jahren / hatten die beiden Philosophen eine Kontroverse, die durch Eschenmayers Werk Die Philosophie in ihrem Uebergange zur Nichtphilosophie () und Schellings Werk Philosophie und Religion () veranlasst war. In ihnen traten Eschenmayers und Schellings unterschiedliche Positionen hinsichtlich des Absoluten zutage. Schelling war der Auffassung, dass im göttlichen Absoluten, das mit der Vernunft gleichzusetzen und höchstes Prinzip ist, alle Gegensätze, wie Subjekt und Objekt, Natur und Geist, Realismus und Idealismus zusammenfallen. Das göttliche Absolute könne zudem durch die Vernunft in der intellektuellen Anschauung vollständig erkannt werden. Eschenmayer vertrat hingegen die Ansicht, dass die Vernunft nicht fähig sei, das Absolute in seiner Einheit anzuschauen. Gott lasse sich nur durch den Glauben näherkommen, dem ein höherer Wert als der Philosophie zukomme. In der  erschienenen Schrift Einleitung in Natur und Geschichte nahm Eschenmayer seine Kritik an Schellings Identitätsphilosophie wieder auf und vertiefte sie, indem er u. a. auf eine methodologische Schwierigkeit des schellingschen Ansatzes hinwies: Um die Vernunft wie bei Schelling anzuschauen, sei es notwendig, eine Objektivierung der Vernunft durchzuführen. Doch die Vernunft, so Eschenmayer, könne sich nie ganz, sondern immer nur teilweise zum Objekt werden. Denn der Philosoph, der selbst Vernunft sei, also seine eigene Vernunft objektiviere, blicke als Subjekt immer von außen auf die Vernunft als ein Objekt. Somit schaue er die Vernunft nicht – wie von Schelling gefordert – als ein Subjekt und Objekt Umfassendes an. Eschenmayer meinte, den Indifferenzpunkt von Subjekt und

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Objekt – anders als Schelling – sinnvoll bestimmen zu können, indem er das Göttliche vom Absoluten trennt und zwischen beide eine dritte Instanz, die Weltseele, einfügt. So ergibt sich bei ihm die folgende Abstufung: An höchster Stelle steht für Eschenmayer das Göttliche, das transzendent und dem sich nur durch den Glauben anzunähern sei. Dem Göttlichen ordnet er die Weltseele unter: Die Weltseele sei das Abbild des Göttlichen und die Einheit von Subjekt und Objekt. Eschenmayer zufolge könne die Weltseele nicht abgeleitet werden, sondern müsse notwendigerweise angenommen werden, um die Einheit zu ermöglichen: „Es lässt sich vor der Hand bloß sagen, die Weltseele ist kein Begriff, keine Idee, kein Verhältnis, kein Gesetz, keine Potenz, selbst nicht das Absolute, keine Identität, sondern das unbekannte X und mithin unser Dogma.“ ( f.) Auf die Weltseele folgt bei ihm das Absolute bzw. die Vernunft, die wiederum ein Nachbild der Weltseele sei. Die Philosophie könne sich dem Absoluten zwar in der intellektuellen Anschauung annähern, es aber nie ganz erfassen. Dem Absoluten bzw. der Vernunft subalterniert Eschenmayer letztlich die Philosophie. Sie ist Nachbild der Vernunft. Zwar könne die Philosophie die Vernunft niemals vollständig erkennen, aber immerhin könne sie sich ihr nähern, indem sie immer mehr Erkenntnisse sammle. Diese Ausführungen bilden den Ausgangspunkt, von dem aus Eschenmayer umfassende Überlegungen zu Natur und Geschichte – zwei Formen der Selbstoffenbarung der Vernunft – und dem Organismus anstellt. Es ist Senigaglia hoch anzurechnen, dass sie den weitgehend in Vergessenheit geratenen Eschenmayer wieder ins Bewusstsein rückt und einige seiner Texte der Forschung zugänglich macht. Er war ohne Zweifel von großer Bedeutung für die Entwicklung der klassischen deutschen Philosophie. Um diese Bedeutung einzuschätzen, ist die Lektüre ihrer Einleitung sehr hilfreich: In ihr ordnet die Herausgeberin Eschenmayers Schaffen in den philosophischen Diskurs seiner Zeit ein und zeigt Anknüpfungspunkte zwischen ihm und u. a. Kant, Fichte, Schelling und Hegel auf. Senigaglias Anmerkungen, mit denen sie Eschenmayers Texte versieht, sind sorgfältig recherchiert, versorgen den Leser mit Hintergrundinformationen und decken versteckte Bezüge auf, die dem Leser sonst vielleicht entgangen wären. Darüber hinaus zeigt sie, inwiefern spätere Entwicklungen sowohl in den Natur- als auch Geisteswissenschaften zumindest im Ansatz bereits bei ihm vorhanden sind (z. B. Emergenztheorie, Neurophysiologie, medizinische Ethik). Anzumerken ist allerdings, dass die Herausgeberin keine Erklärung für ihre Entscheidung gibt, von den vielen Werken Eschenmayers gerade die Schrift Einleitung in Natur und Geschichte neu aufzulegen. Darüber hinaus erwähnt sie leider auch nicht, warum im Anschluss an die Schrift Einleitung in Natur und Geschichte weitere Texte Eschenmayers abgedruckt sind und warum gerade diese. Was die Schrift Einleitung in Natur und Geschichte selbst anbetrifft, so ist zu konstatieren, dass Eschenmayer zwar einen eigenen philosophischen Ansatz entwickelt, aber hinsichtlich gedanklicher Tiefe, Komplexität und Überzeugungskraft hinter Fichte, Schelling und Hegel zurückbleibt. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass es Eschenmayer nicht gelungen ist, eine Systematisierung der Wissenschaften zu vollbringen. Er zeigt zwar ernstzunehmende Probleme auf, die mit dem Absolutheitsanspruch der Systemdenker einhergehen – und darin liegt sicherlich die Stärke seiner philosophischen Überlegungen –, aber er bietet m. E. keine überzeugende Alternative an. So drängt sich z. B. die Frage auf, ob Eschenmayer das Problem, das er bei Schelling ausfindig macht – nämlich die Einheit zu denken, in der alle Gegensätze zusammenfallen –, zufriedenstellend löst, indem er diese Einheit einfach als Dogma postuliert. Nichtsdestotrotz ist die Schrift für die Forschung interessant, indem man etwa untersuchen könnte, ob und inwiefern sie auf Hegel gewirkt hat, dessen Phänomenologie des Geistes ein

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Jahr später erschien und in der er eine Alternative zu Schellings Standpunkt einer unmittelbaren Vernunft entwickelt. Das Buch kostet  Euro. Diejenigen, die die Investition tätigen, werden sich an einer hochwertigen und sorgfältig sowie ansprechend gestalteten Ausgabe erfreuen. Eva Schneider Technische Universität Berlin

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C) Literatur zu Hegel Thom Brooks and Sebastian Stein, eds. Hegel’s Political Philosophy: On the Normative Significance of Method and System. Oxford: Oxford University Press, .  pp. This volume assembles responses to the classical problem of whether Hegel’s Science of Logic is necessary to ‘justify’ his claims about the intersubjectively constituted and institutionally realized nature of rational autonomy. It joins the recent and growing effort to put readings of Hegel’s Logic as a metaphysics that overdetermines history behind us. But, as Hegel would have it, the new readings themselves create tensions, which will be highlighted in order to indicate places of further research. Rather than proceed linearly, I will engage the chapters in conversation in order to reconstruct what I take to be the central points of debate. The Philosophy of Right is, above all, about freedom as a social status. As Katherine Deligiorgi and Liz Disley make central, the structure of rational autonomy emerges from Hegel’s distinctive logical conception of individuality as incomplete. We cannot sustain ourselves on our own, not only materially but, more significantly, spiritually. This structure makes self-determination appear impossible, but as Richard Winfield puts the point directly: “What overcomes the otherwise insoluble enigma of self-determined willing is the intersubjective practice of rights” (). Intersubjective rights are coordinated acts of willing in which we recognize each other as agents and hold each other accountable to our willing. The Philosophy of Right locates the minimal institutional conditions that actualize this structure. There needs to be respect for bodily autonomy, property rights, individual conscience, public goods, collective ends, and political self-governance. Why, and how, is the Logic necessary to justify this? Kenneth Westphal warns against one way of seeking justification: an “appeal to Hegel’s Science of Logic, or to his Encyclopaedia, as if it were the master premise from which follows Hegel’s practical philosophy, would result in schematizing formalism” (). Instead of such a project, he argues that establishing the significance of modern institutions requires, on a Hegelian conception of reason as communal self-criticism, attention to the conditions we collectively face as semi-rational creatures on Earth (). Kevin Thompson, Klaus Vieweg, Angelica Nuzzo and Winfield all, in different ways, take the contrary position. Thompson’s essay argues that adequately responding to skepticism requires nothing less than a presuppositionless system that has the following three features: “immanent development”, “necessary entailment”, and “retrogressive grounding” (). Vieweg reads the Logic as articulating the deep logical structure of the state, mapping the syllogisms of the Logic to the form of the state in the Philosophy of Right. Nuzzo, by contrast, suggests that the Logic is about movement rather than structure. On her reading, the Logic and the Philosophy of Right both elaborate action, the former on the level of “pure process” () and the latter on the level of socio-historical actuality. Unlike Thompson and Vieweg, she proposes a relation of mutual dependency between the texts, leading her to provocatively suggest that “the science of right may indeed represent a way of going back to the logical idea that allows one to gain a new insight into the meaning of the logical development itself” (). Winfield argues that any such parallelism, like Nuzzo’s and Vieweg’s, cannot go through, because “the self-determination of the will fundamentally differs in structure from the self-determination of the concept per se” (). Sebastian Stein’s chapter raises the issue of how the standpoint of absolute knowledge relates to us as finite, conditioned thinkers. Stein takes the position that absolute philosophical knowledge is “always already true and known, and the possibilities of doubt and error

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are confined to ‘our’, empirically informed and potentially conditioned, perspective” (). The implicit dualism of self-sufficient philosophical knowing and finite access to it forces a key question any reading of the Logic, including those above, must address: if we want to move from representational to absolute thinking, how can we avoid the claim that there is a ‘self-thinking Geist’ that we finite knowers participate in? Allen Wood’s essay fights against readings of Hegel that coerce us into this problem. He argues that we don’t need to see Hegel’s ethical thought as ‘grounded’ in the Logic in its original form as articulating a God’s eye view of absolute reality, and if we insisted on this, then we would rightly suffer the same fate as it (untenable, maybe even embarrassing). Wood proposes that we bring the philosophically relevant ideas of Hegel’s Logic to bear on his ethical thought. Robert Pippin, Terry Pinkard, and Paul Redding in different ways follow this strategy. Wood focuses on Hegel’s ‘conceptual pluralism’ that argues for irreducible, hierarchically organized modes of explaining phenomena (Being, Essence, and the Concept). This hierarchical conceptual pluralism gives us resources for understanding the normative structure of modern institutions, that is, why Abstract Right and Morality need to be embedded in Ethical Life. Pippin takes a similar path, giving an account of the Logic as showing how adequately making sense of ourselves requires moving from explanations that have the structure of Being and Essence to the structure of the Concept. These forms of sense-making, Pippin argues, are “anything’s principle of intelligibility, its conceptual form” (), where conceptual form is “what things are, such that sense can be made of them” (). He then reads the Philosophy of Right as the institutional expression of this conceptual form, and justified accordingly. Thom Brooks works through the concrete case of punishment, arguing that one could only see Hegel as advocating a retributivist theory of justice if one takes his comments in Abstract Right out of context. Redding looks to what he calls Hegel’s “modal actualism” to go beyond a skeptical struggle for power over descriptions of the world without falling into Platonism. On this account, we don’t need a self-enclosed presuppositionless system, but rather a recasting of “metaphysics as knowledge not of the necessary as opposed to the contingent, but of an actual that necessarily contains possibility with it” (). Freedom, then, means developing the possibilities of meaning within a social sphere rather than positing one description against another. Pinkard suggests that instead of mapping or reducing the texts to each other, for Hegel “both philosophy and history have come to the same conclusion, and that has to do with the modern conception of ‘rights’. If it is to be rational necessity, then the necessity in history has to fall in line with some nonquestion-begging philosophy” (). The Logic gives us an account of ourselves as always acting and thinking under a ‘concept’, that is, as in the normative sphere of reasoning. Hegel’s historical account shows how, through struggle, human beings have been compelled to see themselves under the concept ‘all are free’. The volume continues the debate over whether it is meaningful for us finite, embodied agents to pitch justification of our modern forms of life at the level of complete, rational selfsufficiency, entirely immune to skepticism. Or whether this instead represents a denial and repression of the kinds of practices appropriate to us moderns as, unmoored from tradition, having to continually discover with one another what should count for us as satisfying forms of life. The distinctive new resources the volume poses for an alternative reading is the normative role that “actuality” should play with respect to the self-determination of the

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Logic: does the Logic univocally determine the rationality of social actuality, or should there be a mutual relation between these moments? Anna Katsman The New School for Social Research, New York City

Sven Ellmers und Steffen Herrmann, Hgg. Korporation und Sittlichkeit. Zur Aktualität von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft. Paderborn: Wilhelm Fink, .  S. In der Philosophie wird die Bedeutung intermediärer Organisationen traditionell unterschätzt. Während die Ethik sich mit den Handlungen Einzelner befasst und damit auf die Mikroebene blickt, nimmt die politische Philosophie den Staat und somit die Makroebene ins Visier. In Platons politischer Ethik sind beide Ebenen ohne Unterstützung einer vermittelnden Instanz direkt aufeinander bezogen. Wenn das Individuum gerecht ist, so ist auch die Polis gerecht. Gut  Jahre später warnt Rousseau im Gesellschaftsvertrag vor der Existenz sogenannter ‚corps intermédiaires‘ innerhalb des Staatsganzen. Diese würden nur Sonderinteressen vertreten und damit die Bildung des Gemeinwillens behindern. Die der Abstimmung vorausgehende politische Meinungs- und Willensbildung der Bürger soll sich deshalb im Privaten und unter Ausschluss des potenziell schädlichen Einflusses von Parteiungen und Teilgesellschaften aller Art vollziehen. Hegels Überlegungen zur Theorie der bürgerlichen Gesellschaft hingegen sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Frage nach den sozialen Strukturen, in die das Individuum eingebunden ist, gewissermaßen eine Mesoebene und damit eine dritte Perspektive eröffnet, durch die eine realistischere Anschauung des Zusammenspiels von Mikro- und Makroebene gelingen kann. Tatsächlich zählte Hegel, gemeinsam mit Adam Smith, zu den ersten Theoretikern, die die soziale Bedeutung der Ausgang des . Jahrhunderts entstehenden Marktgesellschaft reflektierten. Ausführlich beschreibt er die mit dieser Vergesellschaftungsform verbundenen Risiken, aber auch deren emanzipatorische Potenziale, wobei sich Letztere für Hegel vor allem in der Institution der Korporation entfalten. Insofern sich in korporativen Verbänden das zweckrationale Gegeneinander der Marktteilnehmer in wechselseitige Solidarität verwandelt, spricht Hegel von ihnen sogar als der eigentlichen „sittlichen Wurzel“ der bürgerlichen Gesellschaft. Ohne Mitglied einer solchen „berechtigten Corporation“ zu sein, sei der Einzelne ohne „ S t a n d e s e h r e “ (GW ,: §  Anm.). Durch die gegenseitige Hilfe ihrer Mitglieder verliert die soziale Absicherung im Falle der Not für den Einzelnen zudem ihren ansonsten demütigenden Charakter. Schließlich dienen die Berufsverbände auch noch politisch als vermittelndes Organ zwischen Volk und Regierung, da die Angehörigen der zweiten Kammer bei Hegel aus den Korporationen abgeordnet werden. Das Verdienst des vorliegenden Sammelbandes, der auf die von den beiden Herausgebern Sven Ellmers und Steffen Herrmann organisierte Tagung „Von der Kooperation zur Korporation“ an der FernUniversität Hagen im Herbst  zurückgeht, ist nun ein doppeltes: Es besteht einerseits in der minutiösen Rekonstruktion der Korporationslehre

 Siehe Lisa Herzog, Inventing the Market. Smith, Hegel, and Political Theory (Oxford, ).

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aus den Schriften Hegels, allen voran der Grundlinien der Philosophie des Rechts. Darüber hinaus begleitet die einzelnen Beiträge des Bandes jedoch die erkennbare Absicht, Hegels Korporationskonzept als „Quelle innovativen Denkens“ (), wie es in der Einleitung heißt, einer aktualisierenden Lektüre zu unterziehen. Konkret werden in den drei Hauptabschnitten des Buches Anschlüsse zur zeitgenössischen Wirtschaftsphilosophie (Beiträge von Timo Jütten, Hannes Kuch und Thomas Klikauer), zur Sozialphilosophie (Cristiana Senigaglia, Heike Delitz, Andreas Hetzel) sowie zur politischen Philosophie (Louis Carré, Claus Langbehn, Lisa Herzog) diskutiert. Den wiederum jeweils drei Beiträgen aus den entsprechenden Bereichen sind zwei weitere Sektionen vorangestellt, die die logischen (Klaus Vieweg), historischen (Gertrude Lübbe-Wolff) und ideengeschichtlichen (Sven Ellmers) Hintergründe von Hegels Korporatismus beleuchten sowie auch dessen systematische Stellung in der Theorie der Sittlichkeit zum Gegenstand machen (JohannesGeorg Schülein, Steffen Herrmann und Gianfranco Casuso). Leider fehlt in der ansonsten sehr ansprechenden und thematisch konzisen Einleitung der Versuch einer Gesamtbilanz der versammelten Forschungsergebnisse oder zumindest eine kurze inhaltliche Würdigung der Einzelbeiträge. Doch worin genau sollen die viel beschworenen Anregungspotenziale der hegelschen Korporationslehre nun für uns Heutige liegen? Die Herausgeber konzipieren in einem ausführlichen eigenen Beitrag die Korporation in erster Linie als Antwort auf die „Wiederkehr der sozialen Frage“ () im Geleitzug des angeblich herrschenden Marktradikalismus zu Beginn des . Jahrhunderts. Die auf Hegel ruhenden Hoffnungen beziehen sich also vor allem auf sein Konzept der Korporation als Korrektiv zum entfesselten Individualismus der modernen Warengesellschaft. Bereits Axel Honneth hatte diesbezüglich in seinem Opus Magnum Das Recht der Freiheit (Berlin, ) im Geiste der hegelschen Rechtsphilosophie dafür argumentiert, dass auch der Markt als eine Sphäre sozialer Freiheit betrachtet werden müsse. Im Zentrum des vorliegenden Sammelbandes steht nun die Frage, ob ein auf Korporationen basierendes ökonomisches System im Vergleich zum freien Markt wirklich moralischer und vielleicht sogar effizienter wäre. Kann Hegel Wettbewerb und Solidarität versöhnen? Timo Jütten zeigt sich in seinem Beitrag äußerst skeptisch, ob die Bürger tatsächlich problemlos zwischen Konkurrenz im Markt und der geforderten Solidarität in der Korporation hin und her wechseln könnten ( ff.). Die entgrenzende, auf Zwang basierende und korruptionsanfällige Logik des marktwirtschaftlichen Handelns präge auch die persönlichen und politischen Beziehungen der Menschen, und zwar in einem viel höheren Maße als Hegel und Honneth dies für möglich gehalten hätten. Die gesellschaftliche Sphärentrennung in der Theorie funktioniere auf individualpsychologischer Ebene nicht. Kurz gesagt: Der Kapitalismus verdirbt den Charakter. Auch Thomas Klikauer glaubt, dass viele Unternehmen sich heutzutage überhaupt nicht (mehr) als Teile von Moral und Gesellschaft – etwa im Sinne einer an Hegels Sittlichkeitslehre anschließenden „corporate governance“ () – begreifen. Mit selbstlosen „Kantianern“ () in einer globalisierten Wirtschaftswelt der Großkonzerne rechnet deshalb auch Lisa Herzog nicht. Dem hält Hannes Kuch in seiner Erwiderung entgegen, dass die Pathologien der kapitalistischen Form des Wirtschaftens durch eine „interne Versittlichung“ () des Marktes sehr wohl überwunden werden könnten. Der Markt sei zwar nicht als solcher schon sittlich, könne aber sittlich gemacht werden. Besser als durch die klassischen – externen – institutionellen Schutzmechanismen des Sozialstaats sei der Markt jedoch durch eine interne Sozialisierung zähmbar, und zwar in der Weise, dass er selbst die Normen sozialer Freiheit

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zum Ausdruck bringen müsse. Einen ernstzunehmenden Vorschlag hierzu erblickt Kuch trotz einiger Einschränkungen in den professionellen Assoziationen, die Axel Honneth am Vorbild der hegelschen Korporationen entwickelt habe. Unter idealen Bedingungen könnten solche Assoziationen tatsächlich für mehr Solidarität in der Gesellschaft sorgen und als deliberative Arenen zur Festlegung gemeinsamer Normen und Standards dienen. Andererseits könnten Assoziationen bei falschem Gebrauch zu einer Verstärkung und sogar Legitimierung bestimmter Partikularinteressen im Sinne eines selbstsüchtigen Lobbyismus missbraucht werden oder eine rein ideologische Funktion ausfüllen ( ff.). Mehrere Beiträge arbeiten sich sodann an einer genaueren begrifflichen Differenzierung von Korporation und Assoziation ab. Cristiana Senigaglia wirft dabei die spannende These auf, dass Tönnies’ berühmtes Begriffstandem von ‚Gemeinschaft‘ und ‚Gesellschaft‘ in Hegels Konzept der Korporation konvergiere (). Tönnies’ dualem Schema folgend könne man bei Hegel aber noch weiter zwischen einem gesellschaftlichen Modell der Vereine (Assoziationen) und den gemeinschaftlichen Verbindungen der Genossenschaften (Korporationen im engeren Sinne) unterscheiden (). Freilich habe Tönnies mit Hegel darin übereingestimmt, dass strenggenommen nur dem zweiten, gemeinschaftlichen Bündnis eine Sittlichkeit stiftende Funktion innewohne, weil nur hier besondere Interessen in allgemeine umgewandelt würden. Assoziationen hingegen dienten allein den Interessen von Individuen. Der systematische Unterschied zwischen beiden Vereinigungsformen, auf den Friedrich Müller in seinem Standardwerk zur Problemgeschichte der Vereinigungsfreiheit im deutschen Vormärz, Korporation und Assoziation, bereits  aufmerksam gemacht hat, wird allerdings nicht in allen Beiträgen so konsequent berücksichtigt wie bei Senigaglia. Dies liegt zum einen ganz bestimmt daran, dass das, was Hegel ‚Korporation‘ nennt, tatsächlich „notorisch unscharf“ () bleibt, wie Johannes-Georg Schülein treffend bemerkt. Am ehesten kann man bei Hegel mit Klaus Vieweg vielleicht noch Genossenschaften der Tätigkeit (Innungen, Berufsverbände) von Genossenschaften des Wohnens (Kommune, Gemeinde) unterscheiden. Hegel selbst bezeichnet die Korporation gelegentlich auch als „zweite Familie“ (GW,: § ) neben der ersten, ursprünglichen Familie des Menschen und der allgemeinen Familie der bürgerlichen Gesellschaft. Den genauen Implikationen dieser Metapher geht Schülein in seinem Beitrag nach. Er stellt die These auf, dass „Familiarität“ () bei Hegel als Chiffre für eine kollektive und vor allem auf Dauer gestellte feste Absicherung des Einzelnen gegen die unberechenbaren Widrigkeiten der ökonomischen Wirklichkeit fungiert. Ob vor dem Hintergrund dieser naturalistischen Analogie tatsächlich aber auch „Internet-Connections oder -Foren, soziale Netzwerke im world wide web, Twitter, Blogs und Facebook“ ( f.) aus dem digitalen System der Bedürfnisse als neue kreative Formen des Korporativen im Sinne Hegels gedeutet werden können, wie Klaus Vieweg vorschlägt, scheint dagegen mehr als fraglich. Seine Familie kann man sich bekanntermaßen auch nicht aussuchen. Die gegenteilige Idee, nach der sich die Staatsbürger beliebig und nach selbstgewählten Zwecken zu privaten Vereinigungen zusammenschließen dürfen, die einzig der Verfügung ihrer Mitglieder unterliegen, ist zwar eine zentrale Forderung des deutschen Frühliberalismus. Eine solche unbeschränkte Form der ‚Assoziationsfreiheit‘, wie sie etwa die Paulskirchenversammlung / verfassungsmäßig garantieren wollte, war Hegel jedoch völlig fremd. Die Korporation ist für ihn vielmehr eine notwendige, unabdingbare Figur seines Verfassungsentwurfs. Ohne Korporationen keine Sittlichkeit des Staates! Die Freiheit des Einzelnen erschöpft sich bei Hegel somit in der Freiheit, über die eigene Zugehörigkeit

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zu einer bestimmten Korporation höchstens indirekt selbstständig zu entscheiden, etwa durch entsprechende Berufswahl. Bestand und Struktur der Korporationen selbst sind der Willkür des Einzelnen jedoch entzogen. An dieser Stelle unterscheiden sich die demokratisch-liberale Vereinigungsfreiheit und die den mittelalterlichen Zünften nachgeahmte Korporationsfreiheit Hegels grundsätzlich voneinander. Zu Recht verweist Sven Ellmers daher auch auf die im Terminus ‚Korporation‘ (von lat. corpus) noch nachklingende organologische Annahme, der Einzelne sei zugleich Teil eines ihn umfassenden sozialen Ganzen, die Hegel von einem genuin liberalen Gesellschaftsdenken entferne (). Eine Facebook-Gruppe mag sich nach Belieben jederzeit neu gründen oder selbst auflösen. Den Mitgliedern einer bestimmten hegelschen Korporation steht dieses Recht dagegen keinesfalls zu. Speziell was den Bereich der politischen Repräsentation und Teilhabe betrifft, werden somit bei allem Enthusiasmus auch die Grenzen der Aktualisierungsfähigkeit der rund  Jahre alten Korporationslehre Hegels sichtbar. So muss vielleicht noch einmal daran erinnert werden, dass Hegel zumindest in den Grundlinien der Philosophie des Rechts im Kern ein politisches Modell vertritt, bei dem die Willensbildung im Wesentlichen von oben nach unten erfolgt und die spärlichen Möglichkeiten politischer Partizipation in systemkonservierender Weise darauf gerichtet sind, dass die Bürger den „ o b r i g k e i t l i c h e n S i n n “ (GW,: § ) des Staates erfassen. Bereits Marx hat die mangelhafte Authentizität der Interessenvermittlung in Hegels Korporativstaat kritisiert (vgl. dazu auch den einschlägigen Beitrag von Louis Carré im vorliegenden Band,  ff.). Die politische Entfremdung der Bürger könne nur durch die Aufhebung der Trennung von Staat und Gesellschaft im Rahmen einer ‚wahren Demokratie‘ überwunden werden. Tatsächlich entwirft Hegel hier ein neuständisches Repräsentationsmodell, in dem die Bürger entsprechend ihrer korporativen Zugehörigkeit, also nach Berufsständen, wählen. Damit sind zwar ganz gewiss nicht mehr die alten, vorrevolutionären Feudalstände (Adel, Klerus usw.) mit ihren ererbten Privilegien gemeint. Jene andere „atomistische, abstracte Ansicht“ (GW ,: §  Anm.), wonach mittels eines Repräsentativsystems „ A l l e einzeln an der Berathung und Beschließung über die allgemeinen Angelegenheiten des Staats Antheil haben sollen“, wird aber ebenfalls als „abgeschmackt“ (GW ,: §  Anm.) zurückgewiesen. Diese Position ist heute obsolet. Im demokratischen Verfassungsstaat vollzieht sich die Funktion der Repräsentation und Vermittlung von gesellschaftlichem Interessenpluralismus und staatlicher Handlungseinheit institutionell vor allem über politische Parteien und Parlamente. Abgesehen davon, dass die umfassende integrative Funktion, die Hegel den Korporationen zuwies, geschichtlich ohnehin in viel überzeugenderer Weise von den Parteien geleistet wurde. Man denke nur an die Massenintegrationsparteien der Weimarer Republik, wie die SPD oder das Zentrum, die den Einzelnen buchstäblich – ‚von der Wiege bis zur Bahre‘ – in ein Geflecht subkultureller Beziehungen und Institutionen einbanden. Vor den Korporationen und Ständen genießen Parteien zudem das partizipatorische Privileg, da sie auf „freier Werbung“ (Max Weber) beruhen, und somit tendenziell allen Bürgern offenstehen. Dagegen weisen mehrere Beiträge des Bandes zu Recht auf die potenziell exklusiven Tendenzen des Korporationsgeistes hin: Die Korporation hilft ihren Mitgliedern, während sie diejenigen ausschließt, die ihr qua Herkunft, Amt oder persön-

 Vgl. Friedrich Müller, Korporation und Assoziation. Eine Problemgeschichte der Vereinigungsfreiheit im deutschen Vormärz (Berlin, ),  ff.

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lichem Missgeschick nicht angehören (können). An anderer Stelle hebt Hegel deshalb übrigens höchstpersönlich die für das Gemeinwohl förderliche Rolle der politischen Parteien hervor, deren Kampf selbst um die höchsten Ämter im Staat er ausdrücklich billigt (vgl. GW ,: §  Anm.; GW ,: ). So gehört das Motto dieser anregenden Tagung vom Kopf auf die Füße gestellt. Die Gegenwart von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft offenbart sich dort, wo die Korporation zugunsten der Kooperation überwunden wird. Philipp Erbentraut Goethe-Universität Frankfurt am Main

Mario Farina. Critica, simbolo e storia. La determinazione hegeliana dell’estetica [Kritik, Symbol und Geschichte. Die hegelsche Bestimmung der Ästhetik]. Pisa: ETS, .  S. Mit diesem umfangreichen, anregenden Buch legt Mario Farina eine gründliche, ins Detail gehende Analyse des Symbolbegriffs vor, ohne jedoch der Versuchung nachzugeben, sich auf die trocken-sterile Darlegung selbstbezogenen Fachwissens oder aber auf eine bestimmte Periode oder ein einzelnes Werk aus dem unermesslich reichen Schaffen Hegels zu beschränken. Der Autor konzentriert sein Interesse zwar auf die Ästhetik der Reifezeit, aber er fordert uns auf, ihm bei seiner gesamten Erforschung der hegelschen Kunstphilosophie von Jena bis Berlin zu folgen. Dabei kommt auch die Bedeutung anderer, über die Ästhetik hinausgehender Schlüsselbegriffe wie der Geschichte und der Kritik zum Ausdruck. Es entsteht ein komplexes Geflecht, in dem das Symbol zum Paradigma wird, um vor allem die Unvollkommenheit von Form und Inhalt zu erkennen, aber auch, um die umstrittene These des Vergangenheitscharakters der Kunst und damit die Rolle der Kunst im System und in der Geschichte besser zu interpretieren. Im ersten der sechs Kapitel geht der Autor der Entstehung und Entwicklung von Hegels Symbolbegriff nach, der einen zunehmend autonomen Charakter annimmt und sich von Schellings Einfluss, der teilweise noch in der Differenzschrift von  zu spüren war, loslöst. Bei diesem Überblick verfolgt Farina die wesentlichen Schritte der hegelschen Kunstphilosophie und betont die besondere Bedeutung des Jahres , als Hegel und Schelling ihre Zusammenarbeit aufgaben, und zwar nicht nur der Umstände wegen – Schelling hatte einen Ruf an die Universität Würzburg erhalten –, sondern vor allem aus theoretisch-philosophischen Gründen. Ein erster Widerhall dieser Trennung taucht in dem Fragment „Das Wesen des Geistes“ von  auf, wo die Rolle der Kunst von Hegel offenbar eingeschränkt wird (), und zwar in Übereinstimmung mit der Reduzierung der Anschauung auf eine elementarere Erfassung des Wissens und auf die Überzeugung, dass ein symbolisches Verständnis des Absoluten nicht erschöpfend und vollständig sein kann. Im zweiten Kapitel wird der Leser aufgefordert, einen weiteren Zeitschritt zurück zu tun und den Autor bei einer umfassenden Untersuchung des Symbolbegriffs zu begleiten. Er geht von der transzendentalen und ahistorischen Verwendung in der kantischen Kritik der Urteilskraft () aus, kommt zur Historisierung der Frühromantiker, um in der nachkantischen Ästhetik bei Goethes Unterscheidung zwischen Symbol und Allegorie und bei Schellings über Mystizismus und Pansymbolismus hinausreichenden Reflexionen anzu-

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kommen. Vor diesem facettenreichen Hintergrund entfaltet sich Hegels Reflexion, die sich, wie Farina mit Recht unterstreicht, in den ersten Jenaer Jahren noch an Schellings Auffassung des Symbols anlehnt, wie es zum Beispiel aus den Systementwürfen hervorgeht, und später dann zu einer selbständigen Erarbeitung des Symbolbegriffs gelangt, der einige der Kunst als solcher eigene Zentrifugalkräfte in sich verdichtet. Der Symbolbegriff wird nach Meinung des Autors also wegen seines sinnlichen und anschaulichen Charakters zu einer beispielhaften Veranschaulichung sowohl der Unangemessenheit als auch des Vergangenheitscharakters der Kunst (), weshalb das Ende der Kunst als die Unmöglichkeit zu verstehen sei, das Gewusste durch die Sprache der Kunst auszudrücken, da diese immer einen unbewussten Untergrund mit beinhaltet. Ein weiterer bemerkenswerter Weg, den der Autor im zweiten Kapitel einschlägt, um ihn im letzten Kapitel wieder aufzunehmen, betrifft die Entstehung des Begriffs der Kritik, die als Erfindung der Frühromantik gesehen wird (). Übereinstimmend mit den Thesen, die Walter Benjamin im Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik () entwickelt hat, wonach das kritische Nachdenken über ein Kunstwerk dessen künstlerische Natur bezeugt, wird die Kunstkritik der Frühromantik daher von Farina nicht als reiner Bewertungsakt gesehen, sondern vielmehr als Bestätigung, Vervollständigung und Beendigung des Werks. Das steht in drastischem Gegensatz zu Hegels Auffassung: Jede Kunstkritik, die als Verständnis des symbolischen Wesens der Kunst gesehen wird, beinhaltet nämlich eine Überwindung, oder besser eine Aufhebung der Kunst. Im dritten Kapitel widmet sich der Autor dann der eingehenden Untersuchung, wie sich die symbolische Kunstform in den vier Vorlesungen über Kunstphilosophie (/, ,  und /), die Hegel  bis  in Berlin hielt, entwickelte. Er legt besonderen Nachdruck auf die Analyse der Nachschriften der Studenten, die im Laufe der letzten zwanzig Jahre veröffentlicht wurden, aber in ihrer Gesamtheit noch nicht endgültig dokumentiert sind (wir beziehen uns dabei auf einige noch unveröffentlichte Nachschriften von , die im Rahmen der GW herausgegeben werden, und auf die letzte Vorlesung von /, zu der das von A. Gethmann-Siefert und A.P. Olivier herausgegebene Manuskript Heimanns erst vor kurzem erschienen ist). Während Hegel  in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften noch von der ‚Religion der Kunst‘ spricht, vollzieht er in der ersten Berliner Ästhetik-Vorlesung zum ersten Mal eine Trennung von Kunst und Religion. Hier taucht schon eine Definition des Symbols als „eine selbstständige äußerliche Gestaltung, die aber nach ihrer Bedeutung genommen wird“ (GW ,: ), auf. Es geht also um das – immanente, aber immer auch unangemessene – Verhältnis zwischen einer äußerlichen, sinnlichen Gestaltung und einer Bedeutung. Diese Definition wird, wenn auch mit leichten Varianten, bis zur letzten Vorlesung beibehalten und zeigt, wie einige Aspekte sich von Vorlesung zu Vorlesung konsolidieren, während andere ständig überdacht werden. Schon  bemerken wir bedeutsame Änderungen, es fehlt zum Beispiel der Abschnitt über das wahre Symbolische, der in der ersten Vorlesung / vorhanden war. Aber eine wirkliche Wende lässt sich ab der dritten Berliner Ästhetik-Vorlesung beobachten, nicht nur, was eine neue theoretische Behandlung des Symbolischen, sondern auch, was das Geschichtsverständnis betrifft. Die Vorlesung des Sommersemesters  bezeugt das wachsende Interesse Hegels für den Orient, insbesondere für Indien, was auch aus der Humboldt-Rezension hervorgeht, die Hegel über den Aufsatz „Über die unter dem Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Mahabharata“ von Wilhelm von Humboldt verfasste, die ein Jahr später in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik erscheinen sollte. Obwohl er kein Sanskrit konnte, hatte Hegel sich eingehend mit dem Hinduismus befasst,

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so dass er eine recht kritische Auffassung vertreten konnte. Die Behandlung der indischen Kunst ist in dieser Vorlesung tatsächlich durchaus nicht von Begeisterung geprägt und lässt auch nichts von der in den vorhergehenden Jahrzehnten in Deutschland grassierenden Indienmanie verspüren, im Gegenteil. Hegel wertet die indische Kunst wegen ihrer übermäßigen Verschmelzung des Allgemeinen und des Natürlichen ab. Obwohl eine Annäherung an die Dynamik des Symbolischen vorhanden ist, gibt es in Indien keine echte Aufhebung des Natürlichen – wie es stattdessen im Totenkult der ägyptischen Religion der Fall ist, wo das Natürliche geleugnet wird –, und daher kann es in Indien keine wahre Symbolik geben. Hegel bekräftigt dies auch in der letzten Vorlesung /, in der er Indien keinerlei eigene Behandlung widmet. Aber was die Berliner Vorlesung von  wirklich zu etwas Besonderem macht, sieht Farina – in Übereinstimmung mit den Forschungen J.-I. Kwons (insbesondere mit dem Band Hegels Bestimmung der Kunst. Die Bedeutung der „symbolischen Kunstform“ in Hegels Ästhetik (München, )) – in Hegels Tendenz, die Grenzen des Symbolischen zu überschreiten und auf die Moderne auszuweiten, in der er eine bedeutsame Wiederbelebung des Symbolischen zu sehen glaubt, was durch einige Beispiele aus Goethes Divan bekräftigt wird. Hegels letzte Berliner Ästhetik-Vorlesung im WS /, ein Jahr vor der endgültigen Fassung der Enzyklopädie in ihrer dritten Auflage von , erscheint in der von Mario Farina gewissenhaft recherchierten historischen Rekonstruktion als unverzichtbare Beobachtungsplattform, die es erlaubt, Hegels Ästhetik als work in progress zu sehen, eine Ästhetik, die zu Beginn der dreißiger Jahre des . Jahrhunderts vielgestaltig, unermüdlich in Unruhe begriffen war und dann „in ein ruhiges Resultat zusammensinkt“ (GW : ), nämlich in das von Hegel vorgelegte enzyklopädische System. Unter diesem Gesichtspunkt hat die vierte Vorlesung des Wintersemesters / – die der Autor in der Nachschrift von Libelt, die bis heute nur teilweise von Helmut Schneider veröffentlicht vorliegt, konsultierte – im Vergleich zu den drei vorangehenden einen durchaus originellen Charakter. Bei der Anordnung des Symbolischen folgt sie nicht mehr einem historisch-religiösen Prinzip (weshalb der mohammedanische Pantheismus vor dem ägyptischen Symbolismus abgehandelt wird, obwohl er in der Geschichte später auftaucht), sondern einem ausgesprochen darstellenden Prinzip. Außerdem verfolgt Hegel hier nun eine Dreiteilung. Die in den Ästhetik-Vorlesungen noch latent vorhandenen zentripetalen Kräfte, die auf das enzyklopädische System zudrängen, werden von Farina anschließend im vierten Kapitel thematisiert und vertieft. Der Autor legt dar, dass der Übergang zur Enzyklopädie zwangsläufig vollzogen werden muss, wenn der Interpret nicht den gleichen Fehler begehen will wie Heinrich Gustav Hotho – Hegel-Schüler in Berlin, später Kunsthistoriker und Herausgeber der Vorlesungen über Ästhetik (/) –, der in seiner „Vorrede zur ersten Auflage“ () Hegels Ästhetik zu Unrecht ein wie auch immer geartetes systematisches Fundament absprach, während ein solches, wie Hegel selbst in seinen Vorlesungen erklärte, durchaus vorgesehen war und eben in der Enzyklopädie zu suchen ist. Hieraus ergibt sich die von Farina unterstrichene, nachvollziehbare Notwendigkeit, die Analyse des Symbols auf die letzten Jahre in Berlin auszudehnen, wobei der Vergleich mit der ersten Heidelberger () und der zweiten Berliner Edition () unverzichtbar erscheint. Was nun daraus hervorgeht, ist eine eindeutige Ablehnung der von G. Lukács in „Hegels Ästhetik“ vorgeschlagenen Interpretation, die eine zunehmende Autonomie des künst-

 György Lukács, Beiträge zur Geschichte der Ästhetik (Berlin, ),  – .

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lerischen Phänomens von der religiösen Dimension behauptet. Obwohl schon zwischen der ersten Ausgabe der Enzyklopädie von  und der zweiten von  in der Wahl der Überschrift für den der Kunst gewidmeten Abschnitt in der Abteilung „Der absolute Geist“ offensichtlich eine Streichung vorgenommen wurde (aus „Die Religion der Kunst“ wird schlicht „Die Kunst“), besteht Farina auf einer grundsätzlichen Nähe von Kunst und Religion, da die klassische Kunstreligion in der enzyklopädischen Anordnung ihren Vorrang gegenüber den beiden anderen Kunstformen – der symbolischen und der romantischen – behauptet. Damit will Farina nicht für einen utopischen Klassizismus plädieren und noch viel weniger für ein banales und brutales ‚Ende der Kunst‘, das als Vernichtung oder ein Versiegen ihrer Bedeutung in der Moderne zu verstehen wäre. Was sich an dem Buch von Farina als besonders interessant erweist, ist also, dass der Autor von Kapitel zu Kapitel klarer herausarbeitet, wie die Berliner These vom Vergangenheitscharakter der Kunst in Wirklichkeit seit der Jenaer Zeit, wenn auch in anderer Form, in Hegels Reflexion auftaucht. Man denke an die Stelle im dritten Systementwurf aus den Jahren /, wo Hegel in Bezug auf die Kunst vom „Widerspruche mit sich selbst“ (GW : ) spricht und damit einen Konflikt meint, der nicht nur die systematische Funktion der Kunst in ihrem Verhältnis zu Religion und Philosophie, sondern die Bedeutung der Kunstschöpfung selbst und die ihr innewohnende unbewusste Kraft betrifft. Der Autor ist also der Überzeugung, die Berliner These vom Vergangenheitscharakter der Kunst habe ihre Wurzeln in Jena und sei eine unumgängliche, innere Dynamik des sinnlichen und symbolischen Wesens der Kunst. Als Ausdruck des absoluten Geistes bleibt die Kunst daher unmittelbar und annähernd. Sie muss aufgehoben werden, um zu vollkommeneren Verständnisweisen des Absoluten zu gelangen, sie muss dabei aber immer möglich und praktizierbar bleiben ( f). Farina kann also im enzyklopädischen System von  keinerlei nostalgische Töne für die ewige, unerreichbare Schönheit der griechischen Skulptur ausmachen, sondern betont vielmehr die nüchterne Feststellung Hegels, dass die griechische Kunst zweifellos die einzige gewesen sei, die den Geist im Sinnlichen angemessen auszudrücken vermochte. In der antiken griechischen Welt – das heißt in der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte – war die Kunst die Sprache, auf die die Polis vorzugsweise zurückgriff, um sich ihrer selbst und ihrer sozio-politischen Werte, die immer von Religiosität durchdrungen waren, bewusst zu werden. Diese höchste, von der Kunst ausgeübte Funktion, die in der antiken Gesellschaft von allen anerkannt wurde, ist in der Moderne gleichermaßen undenkbar wie unwiederholbar. Daraus soll jedoch nicht auf eine Nutzlosigkeit der Kunst geschlossen werden, sondern vielmehr auf das Unzeitgemäße der Kunst in der Moderne, wenn Kunst noch als bevorzugte Vermittlerin der sozialen Identität und Anerkennung gelten soll. Es ist nämlich anachronistisch, in der sinnlichen Ausdrucksform intellektualistische und immer abstraktere Inhalte, wie sie das post-revolutionäre Europa erfüllen, verstehen zu wollen. Die Analyse des Symbols bleibt jedoch nicht bei diesen hier kurz wiedergegebenen Betrachtungen stehen, so breit sie auch angelegt sein mögen, sondern wird in Kapitel  in der Untersuchung der semantischen Struktur der hegelschen Ästhetik fortgesetzt. Die Grundlage dafür bilden die Abschnitte der Enzyklopädie, die innerhalb der Psychologie der Einbildungskraft gewidmet sind, um dann im letzten, dem sechsten Kapitel zum zerstörerischen Wesen der Kunstkritik zu kommen, die von Hegel auf antiromantische Weise als zersetzendes begriffliches Verständnis der Kunst gesehen wird und einen neuen gedank-

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lichen Zugang zu einigen der originellsten Autoren des . und . Jahrhunderts, wie Agamben und Danto, eröffnet. Francesca Iannelli Università degli Studi Roma Tre

Luca Fonnesu und Lucia Ziglioli, Hgg. System und Logik bei Hegel. Hildesheim: Olms, .  S. Der Sammelband System und Logik bei Hegel ist das Resultat einer Tagung, die im Dezember  stattgefunden hat und bei der die nun veröffentlichten Beiträge in ihren ersten Fassungen vorgetragen und zur Diskussion gestellt wurden. Die Komposition des Bandes erschließt sich dem Leser einerseits aus dem sehr kurz gehaltenen Vorwort und andererseits durch den Blick ins Inhaltsverzeichnis. Der Band ist in drei Sektionen unterteilt. Ihnen voraus geht eine komprimierte Einleitung, in der auf die historische und systematische Relevanz der Logik Hegels für die klassische deutsche Philosophie sowie die heutige Forschung reflektiert wird. Die drei Abschnitte (I., II., III.), durch die dem Band seine übergeordnete Gliederung vorgegeben wird, tragen für sich genommen keine Überschrift. Doch dürfte es dem Leser ausgehend von den Aufsatztiteln wenig Mühe bereiten zu erschließen, wie der Band konzeptionell aufgebaut ist. Der erste Teil kann als eine exoterische Einführung in Hegels spekulatives System interpretiert werden. Im Fokus der Beiträge stehen Analysen der Begriffe ‚Logik‘ und ‚Denken‘, deren Signifikanz entweder durch Abgrenzungen zu alternativen Deutungen – z. B. Kant – oder durch den Verweis auf das Systemganze herausgearbeitet wird. Für den zweiten und dritten Teil richtet sich der Blick ins Systeminnere. Den Hintergrund der Auseinandersetzungen im zweiten Teil bilden die drei Bücher der hegelschen Logik – Seins-, Wesens- und Begriffslogik –, zu denen mindestens ein Beitrag vorliegt. Im Zentrum des dritten und letzten Teils steht die Beschäftigung mit der sogenannten ‚Realphilosophie‘, wozu die Natur- und Geistphilosophie gezählt werden. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Geistphilosophie, für deren drei Abteilungen – subjektiver, objektiver und absoluter Geist – jeweils ein Aufsatz reserviert wurde. Formal betrachtet klingt die Konzeption des Bandes vielversprechend und durchdacht. Als perspektivischer Fixpunkt kann in Anlehnung an die Form, aber auch an die inhaltliche Ausarbeitung des Bandes die hegelsche Logik betrachtet werden: Alle Beiträge haben grosso modo Hegels Logik zur ihrem Anfangs- oder Fluchtpunkt. Vor diesem Hintergrund gibt es mindestens zwei konstitutive Fragen, auf die der Leser eine Antwort erwarten darf: () Was versteht Hegel unter dem Begriff des Denkens und der Logik? () Wie artikuliert sich dieser Begriff für sich in der Logik und in der Realphilosophie? Für eine Interpretation des hegelschen Systems mit Fokus auf die Logik müssen zuerst einmal konstitutive Textpartien identifiziert werden. Zu solchen Partien können u. a. die vorbegrifflichen respektive einleitenden Textpassagen, in denen Hegel in äußerer Reflexion Überlegungen über die Programmatik der philosophischen Wissenschaften anstellt, der Anfang der Logik, die Fortentwicklung der Wesenslogik in die Begriffslogik, das Ideenkapitel, der Anfang der Naturphilosophie, der Übergang der Natur in den Geist und

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nicht zuletzt der absolute Geist mit seinen drei Schlüssen gerechnet werden. Eine hinreichende und einheitliche Interpretation des Systems müsste erstens jeden dieser konstitutiven Systemabschnitte jeweils für sich dezidiert in den Blick nehmen, um sie sogleich zweitens aufeinander zu beziehen und ihre logische Abhängigkeit zumindest in Umrissen kenntlich zu machen. Letzteres ist immer dann ein Kriterium des Systems, wenn der Wahrheitsgehalt einer jeden Gedankenbestimmung wesentlich in ihrer Beziehung auf andere Gedankenbestimmungen begründet liegt. Kurz: Der Begriff eines als Totalität verstandenen Systems muss eine Kontinuität des Gedankens einschließen, worin dieser sowohl die Rolle eines Antezedenz als auch einer Konsequenz einnehmen kann. Diesem doppelten Desiderat trägt der publizierte Sammelband nur in Ansätzen Rechnung. Mindestens drei Gründe können hierfür in Anschlag gebracht werden. Der erste Grund betrifft die Festlegung oder Auswahl der Themen, der zweite ihre inhaltliche und methodische Ausarbeitung und der dritte die innersystematische Beziehung der Bandbeiträge. Der Hauptgrund, dass die Konzeption des Bandes in den Einzelbeiträgen entweder nur vage oder unzureichend widergespiegelt wird, hängt damit zusammen, dass bis auf den allgemeinen Konsens, dass die logischen Denkbestimmungen auch in der Realphilosophie eine tragende Rolle für die Genese des Systems spielen, eine einheitliche Interpretationslinie, die den Band wie ein roter Faden durchziehen würde und an der sich der Leser im Zweifelsfalle orientieren könnte, fehlt. Zu divers sind die interpretatorischen Ansätze und Interessen der zahlreichen Autoren, die aus unterschiedlichen Sprachräumen kommen und verschiedenen Interpretationslinien folgen. Auf diesen Umstand soll im Folgenden anhand einiger Aufsätze exemplarisch und in aller Kürze aufmerksam gemacht werden. Im Hinblick auf den oben erwähnten ersten und zweiten Grund – die Auswahl der Themen und ihre Ausarbeitung – stellt sich beispielsweise die Frage, inwiefern Hegels Kunstbegriff aus der Enzyklopädie die Beziehung von Logik und absolutem Geist erhellen kann. Zwar gelingt es – aus Sicht des Rezensenten – Mario Farina durch die Engführung des Ideals des Schönen und der Idee des Lebens argumentativ nachzuweisen, dass Hegel seinen Kunstbegriff weder auf logische Kategorien reduzieren noch frei von solchen denken wollte. Wie aber die Entwicklung der Idee des Lebens, deren Momente das Individuum, der Lebensprozess und die Gattung sind, mit der Entfaltung des Kunstbegriffs in concreto in Einklang zu bringen ist, bleibt unerwähnt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Fokus des Autors primär darauf gerichtet ist, gegenläufige Forschungstendenzen in Einklang zu bringen. Wenig überzeugen konnte den Rezensenten der Aufsatz „Causality, Violence and Memory“ von Elisa Magrì. Zunächst einmal stellt sich auch hier erstens die Frage, warum gerade ein so spezifisches Begriffspaar wie ‚Gewalt‘ und ‚Gedächtnis‘ für die Interdependenz der logischen und realphilosophischen Kategorien gewählt wurde, und zweitens, ob ihre Zuordnung zu den Kategorien der Kausalität und der Wechselwirkung dem Aufsatz in dieser Form nicht zu viel Beweislast aufbürdet. Ferner bleiben Fragen offen, die einerseits den methodischen Umgang mit den unterschiedlichen Werken, andererseits die textuelle Grundlage betreffen. So wird das Begriffspaar ‚Gewalt‘ und ‚Gedächtnis‘ ausgehend von dem Selbstbewusstseinskapitel der Phänomenologie des Geistes eingeführt. Durch einen Verweis auf einen Zusatz aus der Enzyklopädie, der nicht aus Hegels eigener Schreibfeder stammt, wird dem Leser eine Parallelität zum theoretischen Geist suggeriert. Diese Engführung beider Schriften ist auch deshalb so erstaunlich, weil die vergleichenden Blicke auf das Inhaltsverzeichnis und Hegels spätere Äußerungen zur Stellung der Phänomenologie zu den philosophischen Wissenschaften dem Leser einen anderen Schluss nahelegen (vgl. GW : ; GW : §  Anm.; GW :  f. u. ). Auch bleibt der Schluss der Autorin auf die

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logischen Kategorien der Kausalität und Wechselwirkung aufgrund mangelnder Textevidenz und Analogieschlüssen fraglich (vgl. das Argument auf S. , wo die Autorin von „same process“ spricht). Eine der Schlüsselstellen innerhalb des Bandes nimmt der Beitrag von Guido Frilli „Hegels genetische Exposition des Begriffs. Die methodologische Struktur des spekulativen Wissens“ ein. Anders als der Titel dem Leser prima facie suggerieren könnte, widmet sich Frilli weniger einzelnen Passagen der Begriffslogik, sondern argumentiert im ersten Teil für die These, dass „die besondere Methode des spekulativen Wissens in einer kritischen Fortführung der ostensiven Natur besteht, welche Kant dem Beweis der synthetischen Sätze a priori zuschrieb“ (). Diese These soll dann im zweiten Teil anhand der „immanente[n] Deduktion des Begriffs“ () nachgewiesen werden. Im Fokus der Abhandlung stehen also weniger einzelne Abschnitte der Begriffslogik, sondern deren Genese mittels der objektiven Logik und ganz allgemeine methodische Überlegungen zur Logik selbst. So lesenswert dieser Aufsatz für sich genommen auch sein mag, das Ausbleiben einer textimmanenten Auseinandersetzung mit der Idee – und insbesondere mit der absoluten Idee – muss im Hinblick auf die Gesamtkonzeption und das Thema des Sammelbandes ein Verlust bleiben. Vor diesem Hintergrund sei zuletzt noch auf den dritten und letzten Grund der nur in Ansätzen inhaltlich ausgearbeiteten, formal aber durchdachten Bandkonzeption eingegangen: das Fehlen einer Kooperation der Autoren innerhalb des Bandes. Diese hätte sich gerade bei einem Thema wie ‚System und Logik bei Hegel‘ angeboten. So wären z. B. durch eine kontextuell enger gesteckte Interpretation des spekulativen Wissens vor dem systematischen Hintergrund des Ideenkapitels direkte Bezüge zwischen den Aufsätzen von Farina und Frilli möglich gewesen. Ähnliches wäre auch bei den Aufsätzen von Magrì und Sandra V. Palermo, die beide auf den dritten Abschnitt der Wesenslogik zurückgreifen, denkbar gewesen. Am eindeutigsten aber hätte sich eine direkte Verknüpfung zwischen den Aufsätzen von Stephen Houlgate und Lucia Ziglioli herstellen lassen können: Während Houlgate eine textimmanente Rekonstruktion des Quantitätskapitels der Logik vornimmt, greift Ziglioli bei ihren Erläuterungen von Raum, Zeit und Ort auf eben solche Kategorien zurück. Auch bleiben Querverweise auf namhafte Beiträge des ersten Teils des Bandes, in dem Hegels Begriff der Logik und der realen Wissenschaften erläutert wird, aus, wären an sich betrachtet aber durchaus wünschenswert und angemessen gewesen. Nicht zuletzt lassen sich bei manchen Aufsätzen direkte Bezüge zu anderen Beiträgen des Bandes inhaltlich oder methodisch kaum erschließen. Zu ihnen gehören die Analysen von Claudio Cesa und Michela Bordignon zur Maßlogik und zum Begriff der Dialektik bei Hegel und Priest. Summa summarum hätte gerade bei einem Sammelband, der den Titel System und Logik bei Hegel trägt, jeder Einzelbeitrag von den anderen Beiträgen profitieren können. Um die Beiträge zweckmäßig aufeinander abzustimmen, wäre eine einheitlichere Interpretationslinie und engere Kooperation der Autoren untereinander erforderlich gewesen. Dieser Mangel kann aber auch als eine Stärke angesehen werden. Zu gut haben dem Rezensenten einige Einzelanalysen namhafter Autoren, die sich alle am Thema ‚System‘ und ‚Interdependenz von logischen und realphilosophischen Gedankenbestimmungen‘ abarbeiten, gefallen, als dass er den Band nicht weiterempfehlen könnte. Diejenigen, die nach eben solchen Analysen zum Thema suchen, werden die Kompilation des Bandes zu schätzen wissen. Georg Oswald Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

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Carsten Herrmann-Pillath and Ivan Boldyrev. Hegel, Institutions and Economics: Performing the Social. London et al.: Routledge, .  pp. Hegel, Institutions and Economics is written by two economists from Germany (the Frankfurt School of Finance and Management) and Russia (the Higher School of Economics). Despite the frequently rehearsed call for multidisciplinary research, crossing academic boundaries is not an easy task. Crossing from economics and finance into philosophy is paved with complications. Crossing into moral philosophy is even more challenging and crossing into Hegelian philosophy is almost unachievable. Nonetheless, Carsten Herrmann-Pillath and Ivan Boldyrev’s (CHP and IB as they call themselves) volume  of Routledge’s “Frontiers in Political Economy” has exactly this task. Their book combines economics with Hegel. The authors proceed in five chapters starting with “Setting the scene”, followed by “Hegelian principles of economics”, the “Institutional nature of economic action”, “Hegel, ethics, and economics”, and finally “Hegelian economics in a pragmatic mode”. Somewhat unusually for a book on Hegel, their foreword mentions Charles Sanders “Peirce, the founding father of both pragmatism and semiotics” (xxii). Strangely, the foreword has not too much to say about the subject of the book: Hegel. In the introduction, things get somewhat less clear when CHP and IB note, “this is not a book on Hegel” (). This raises the inevitable question: why is Hegel in the book’s title if it is not a book on Hegel? The authors clarify this by saying, “this is a book on economics inspired by Hegel and some of the subsequent Hegelian scholarship” (). And this is really what this book is about – an economics book with often sketchy excursions into Hegelian philosophy. Nonetheless, the authors are right on the mark when noting, “[i]t is striking that many accounts of Hegel’s social and political philosophy emphasize the role of institutions” () even though Hegel was not an institutional economist. As a consequence, if economists seek to learn from Hegel “to look at institutions in a new way” (), perhaps they might look very seriously at “Hegel’s comprehensive philosophy [that] serves as a unifying framework” (). One, if not a key part of the unifying philosophical framework comes from Hegel’s moral philosophy of Sittlichkeit outlined in, at least, two books missing from this work: Allen Wood’s Hegel’s Ethical Thought (Cambridge, ) and Steffen Schmidt’s Hegels System der Sittlichkeit (Berlin, ). Books like these would have added to their work especially since the authors frequently engage in moral discussions. If one seeks to understand how Hegelian philosophy including his moral philosophy is applied to perfection, one might like to read Sybol Anderson’s work on Hegel’s Theory of Recognition: From Oppression to Ethical Liberal Modernity (London, ). In “Hegel and political economy: a very short introduction”, CHP and IB argue that “markets need to be grounded in relationships of mutual recognition” (). This is done without discussing some of the possible consequences, for example, that when individuals engage in markets they do so not as individuals but as buyers and sellers under specific exchange conditions. Under these, the imperatives of economic exchange replace humanto-human recognition with means oriented actions: selling and buying. Individuals no longer recognise one another as human beings but as a means to an end, namely selling and buying. This destroys, or at least distorts and deforms, Hegel’s human-to-human mutual recognition in favour of capitalism’s “Cold Intimacies”.

 Eva Illouz, Cold Intimacies. The Making of Emotional Capitalism (Cambridge, ).

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Similarly, the author’s note that a “social market could be seen as a market in which all individuals enjoy access to work and therefore mutual recognition” (). Buying and selling labour on something deceptively labelled ‘labour market’ (unlike a commodity market, a person’s labour cannot be sold, only their labour power) simply does not create mutual recognition. Instead, labour markets create structural power asymmetries in which the labour buyer (a business) holds power over a labour seller (a worker). These power asymmetries are, if anything, a form of damaged or “negative recognition”. Unfortunately, the CHP+IB potpourri of economic theories spiced up with Hegel never engages in such discussions. Instead, CHP+IB claim that “continuity, performativity, and recognition […:] These three principles provide the philosophical foundations of the Hegelian perspective on economics” (). Some might be tempted to argue that freedom, recognition, and Sittlichkeit may be better suited as many might not remember having ever seen the term ‘performativity’ in any of Hegel’s writings (German or English). True to standard economist training regimes, CHP+IB note that “the theory of markets is mainly about voluntary interactions between individuals” () even though some might be tantalised to argue that there are forces behind the neo-liberal hallucinations of a ‘free market’. This is quite apart from the fact that nobody seems to have ever seen the free market. In the realm of labour markets, at least, one of the forces behind CHP+IB’s ‘voluntary interactions’ is, for example, not to be exposed to starvation levels within the remaining remnants of rather rudimentary social welfare provisions after neoliberalism’s successful deregulation and austerity pacts. To counteract capitalism’s pathologies and their tendencies to create “Hegel’s Rabble”, Hegel suggested the setting up of the corporation. Perhaps “Hayek is important in our context” () but a comprehensive discussion of Hayek’s ideas remains absent from CHP+IB’s book even though contrasting Hayek from Hegel appears to be, at least intellectually, a seductive proposal. Apart from all this, one of CHP+IB’s highlights is their sub-chapter on “rethinking money in the Hegelian perspective” () that does not mention Hegel much but Georg Simmel () and outlines the role of money. For some reason all this leads the authors to a chapter called “Hegel, ethics, and economics”. CHP and IB start by claiming, “today’s corporations can be seen as cooperative ventures, or as manifestations of ethical life” (). Here one has two choices: either the authors have no idea what Hegel’s corporation was about or they follow the former mayor of Toronto’s famous statement when asked why he took crack cocaine – ‘I was drunk at the time’. In any case, today’s corporations are anything but manifestations of ethical life.

 Thomaus Klikauer, “Negative recognition – Master and slave in the workplace”, Thesis Eleven , ():  – .  Frank Ruda, Hegel’s Rabble. An Investigation into Hegel’s Philosophy of Right (London, ). See also Thomas Klikauer, “The political economy of G.F.W. Hegel, a review article”, International Journal of Social Economics , ():  – ; “Hegel on Profits, Poverty, and Politics”, Radical Philosophy Review , ():  – .  See O.E. Kökerer, Review of Klikauer’s book “Hegel’s Moral Corporation”, http://marxandphiloso phy.org.uk/reviewofbooks/reviews// [accessed August , ].  See e. g. Alasdair MacIntyre, “Why are the Problems of Business Ethics Insoluble”, Moral Responsibility and the Professions, edited by B. Baumrin and B. Friedman (New York, NY, ); Mark Achbar and Jennifer Abbott, The Corporation: The Pathological Pursuit of Profit and Power, DVD,  min (Toronto, ); and Joep Schrijvers, The Way of the Rat – A Survival Guide to Office Politics (London, ).

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Despite all this, CHP+IB are almost correct when emphasising that “ethical commitments are a defining feature of the corporation” (). Shining through their statement is that corporations are really something else while also having to have some sort of ‘ethical commitment’. Hegel, in fact, saw it the other way around by providing Sittlichkeit as an all guiding framework for civil societies, economics, and, of course, the corporation. This means that Hegel’s corporation has to be a thoroughly ethical institution. Sittlichkeit determines the corporation. This is far more substantial than CHP+IB’s ‘ethical commitment’. For Hegel, corporations are nothing more than one institutional expressions of freedom, Sittlichkeit, and mutual recognition. Their final chapter starts with “the emergence of high-powered management incentive schemes” () without ever relating this to, for example, Hegel’s rabble. The development of a rabble mentality under capitalism, for Hegel, applies to what later Marx will be calling the Lumpenproletariat as well as to CHP+IB’s ‘high-powered’ and often overpaid managers. A critical reflection on what Hegel’s moral philosophy means for ‘high-powered management’ remains absent from their book. With that “we thus arrive at a Hegelian transformation of international political economy” () on which the authors conclude, “so, ultimately free trade is only possible in a tightly integrated global institutional regime which puts inter-subjectively achieved justice first and efficiency second” (). Unfortunately, their closing sentence shows the lack of conceptualising Hegel’s ethical thought – a key to understand CHP+IB’s book on Hegel, Institutions and Economics. Thomas Klikauer Western Sydney University

Gianluca Garelli und Maurizio Pagano, Hgg. Sostanza e soggetto. Studi sulla „Prefazione“ alla Fenomenologia dello Spirito di Hegel [Substanz und Subjekt. Aufsätze zur „Vorrede“ der Phänomenologie des Geistes]. Bologna: Pendragon, .  S. Das Thema der in diesem von Gianluca Garelli und Maurizio Pagano herausgegebenen Buch versammelten Beiträge ist Hegels „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes. Das gemeinsame Ziel der Aufsätze besteht darin, auf die Grundthemen des Textes näher einzugehen und einige besonders wichtige Passagen zu beleuchten. Der Kern des Projekts liegt in der Hypothese, dass es durch eine ausführliche und kritische Analyse der „Vorrede“ möglich sei, die wichtigsten Elemente des ganzen hegelschen Denkens darzustellen. Die „Vorrede“ ist bekanntlich ein merkwürdiger Text. Wie die Herausgeber selbst in ihren Beiträgen sagen, wurde sie im Januar , einige Monate nach der Ausarbeitung des Werkes und in einem viel ruhigeren Kontext abgefasst. Diese Ruhe hat Hegel die Gelegenheit geboten, einige im Werk unausgesprochene, aber bereits wirksame theoretische Aspekte weiter auszuarbeiten. In dem Text geht es einerseits darum, was eine Vorrede zu einem philosophischen Text nicht sein darf: Sie darf kein umfassender Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung sein, da dies letztlich eine unwesentliche und nutzlose Zusammenfassung wäre; sie darf ferner keine Erörterung der Methode sein, da die Philosophie – im Gegensatz zur Mathematik – die abstrakte Trennung zwischen Methode und Inhalt kritisiert; und zuletzt kann sie auch keine kurze Übersicht der Positionen der Vorgänger

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sein, da die Auseinandersetzung mit anderen Philosophen schon zur Wissenschaft selbst gehört und außerhalb derselben nur als ein unfundiertes Zustimmen oder Zurückweisen erscheinen würde. Gedacht als Vorrede zum ganzen System der Wissenschaft, scheint die „Vorrede“ andererseits das erklärungsbedürftige Wesen der ganzen Phänomenologie selbst in gewisser Weise zu teilen. Erklärungsbedürftig ist, wie die Einleitung zu einem wissenschaftlichen System selbst bereits Wissenschaft sein kann. In diesem Zusammenhang enthält die „Vorrede“ zunächst eine Untersuchung berühmter philosophischer Einleitungen, z. B. des ersten Buchs der aristotelischen Metaphysik oder der „Einleitungen“ zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Es geht nämlich um das Problem, das eigentliche Gebiet der Philosophie zu bestimmen sowie die Bedeutung der Wissenschaft und das Wesen des spezifisch philosophischen Wissens aufzuzeigen. Diese Aufgabe bearbeitet Hegel in einer Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen, wobei der Zweck nicht bloße Polemik, sondern die genaue Bestimmung dessen ist, was die Philosophie sein muss und was nicht. Die „Vorrede“ ist ein einzigartiger Text, in dem viele Grundaspekte des hegelschen Denkens, die im ganzen System wirksam sind, ausdrücklich thematisiert werden. Die im von Garelli und Pagano herausgegebenen Buch versammelten Beiträge zielen erstens darauf ab, diese Themen zu identifizieren – zu ihnen zählen: Der Sinn der philosophischen Wahrheit im Vergleich zur historischen und mathematischen, die Frage nach dem Negativen, der Sinn des Geistes als Hauptbegriff der Neuzeit, das Thema der Vermittlung sowie das Problem des Urteils und des Verhältnisses von Verstand und Vernunft. Zweitens sollen diese Themen mit anderen Partien des hegelschen Werkes, sowohl im weiteren Fortgang des Textes der Phänomenologie als auch in der Wissenschaft der Logik und in den Berliner Vorlesungen, ausführlich in Verbindung gesetzt werden. Wie im Titel des Buchs schon angedeutet, wird als Kernthema des ganzen Textes die berühmte Behauptung Hegels ausgezeichnet, dass „alles darauf [ankommt], das Wahre nicht als S u b s t a n z , sondern eben so sehr als S u b j e c t aufzufassen und auszudrücken“ (GW : ). Die schwierige und komplizierte Spannung zwischen Substanz und Subjekt wird in allen Aufsätzen der Sammlung unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Die gleichen Passagen werden oft in mehreren unterschiedlichen – und sich fast immer gegenseitig ergänzenden – Weisen gedeutet. Nach Gianluca Garelli ist das Verhältnis zwischen Negativität und Subjektivität das Thema, durch das der ganze Diskurs der Phänomenologie zusammengefasst werden kann (). Maurizio Pagano erkennt in dieser Frage die Überwindung der Notwendigkeit, sich zwischen der Unmittelbarkeit der Romantik und dem Intellektualismus der Aufklärung zu entscheiden, da beide Positionen eine formalistische Einstellung zur Frage nach der Wahrheit vertreten (). Hegels Grundmanöver bestehe in dem Übergang von einem statischen zu einem dynamischen Verständnis des Subjekts, d. h. vom Subjekt als unmittelbarem Grund (hypokeimenon) hin zum Subjekt als absoluter Vermittlung und als Geist. Dieser Aspekt ist auch der Kern des Aufsatzes von Roberto Morani, dessen Analyse des Verhältnisses von Verstand und Reflexion in der „Vorrede“ in Bezug auf die Entwicklung des Denkens Hegels in Jena vom Jahre  bis zur Phänomenologie durchgeführt wird. Morani bemerkt, dass „der theoretische Schwerpunkt, auf den Hegels ganzes philosophisches Projekt ausgerichtet ist, in der Ablehnung jeder Art von Passivität, Untätigkeit und Unmittelbarkeit dessen besteht, was sich als gegeben und gefunden zeigt, ohne von der Tätigkeit der Vermittlung hervorgebracht zu sein” (). In diesem Zusammenhang zeigen sich nach Morani der Verstand und die Reflexion als ein pharmakon: Die Reflexion kann gleichzeitig die innere Reflexion des Inhalts, die die innere

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Tätigkeit der Substanz in ihrer Selbstschaffung zeigt, und die äußere Reflexion sein, die den Verstand in ein bloßes Räsonieren verwandelt, d. h. in einen Blick, der über dem einzelnen Dasein schwebt und es genau deswegen nicht sieht ( f.). Reflexion und Verstand zeigen dann das Wesen jedes Mediums an, so wie es schon in Platons Phaidros analysiert wird: Sie sind gleichzeitig absolute Macht und der Ort der Abstraktion. Das Gleiche passiert auch beim Begriff des Subjekts, der mit der Frage nach der Vermittlung eng verbunden ist. Der Aufsatz von Mario Farina ist der Frage der Bildung in der „Vorrede“ gewidmet und konzentriert sich genau auf das Verhältnis von endlicher und absoluter Subjektivität. Hier gewinnt die Problematik der Phänomenologie, die gleichzeitig eine Einleitung und ein Teil des Systems ist, an Profil; sie ist ein Weg zur Wissenschaft, der selbst schon Wissenschaft sein muss. Der Kern des Problems ist die Gegenüberstellung von einer passiven und einer aktiven Konzeption der Subjektivität. Alle Aufsätze der Sammlung erwähnen das Thema, aber es wird im Beitrag von Guido Frilli ausführlich thematisiert. Frilli setzt sich mit Hegels Idee der Vernunft als ‚das zweckmäßige Tun‘ auseinander und findet in der Physik von Aristoteles das Denkmuster des hegelschen Verständnisses der Vernunft (). Hegel verstehe tatsächlich das Absolute als eine teleologische, nicht aber technisch-absichtliche Tätigkeit (). Obwohl er die aristotelische Beeinflussung des hegelschen Denkens herausstellt, bemerkt Frilli in seinem Aufsatz jedoch auch, dass Hegels Deutung des aristotelischen Begriffs der Form von der Neuzeit wesentlich beeinflusst wurde. Nach Hegel sei tatsächlich das Telos „nicht nur die vollständige Wirklichkeit der Sache […]. Der Zweck ist auch der Prozess, durch den die Intelligibilität des Objekts hergestellt wird: Es geht um eine innere synthetische Tätigkeit, durch die das Mannigfaltige vereint wird“ (). Man könnte in gewisser Weise sagen, dass das Wesen des deutschen Idealismus in einer besonderen und modernen – subjektivistischen – Deutung eines Kernaspektes des klassischen griechischen Denkens besteht, d. h. im tätigen Wesen der Vernunft. Diese Tätigkeit wird von Hegel mit dem Wort ‚Flüssigkeit‘ ausgedrückt, wenn er schreibt, dass man die festen Gedanken ‚verflüssigen‘ müsse. Das ist das Thema des Aufsatzes von Eleonora Caramelli, die die Bedeutung des ‚spekulativen Satzes‘ untersucht und auf die Frage nach dem Urteil, so wie sie in der „Vorrede“ betrachtet wird, näher eingeht. Caramelli verbindet das Problem des ‚Gegenstoßes‘ mit dem Thema der Verkehrung bzw. der Conversio. Im Kern ihrer Analyse steht die von Hegel erwähnte Ähnlichkeit zwischen dem Gegenstoß und dem Verhältnis von Metrum und Akzent sowie Hegels Deutung des Judentums. Der Beitrag von Alberto L. Siani hängt mit dem von Mario Farina eng zusammen. Bei Siani liegt der Fokus auf dem Problem des absoluten Wissens sowie auf dem Verhältnis von Individuum und Wissen. Aber erst im letzten Aufsatz von Michela Bordignon wird das letzte große Thema, das in fast allen anderen Beiträgen berührt wurde, spezifisch behandelt. Bordignon setzt sich mit der Frage des Verhältnisses von Negativität und Falschheit in der „Vorrede“ auseinander, ein Thema, das schon von Gianluca Garelli in seiner Einleitung kurz behandelt wird. Garelli kommentiert die Passagen über die Negation durch einen Vergleich mit einigen Versen des Faust von Goethe. Bordignon fängt mit einer Darstellung der sogenannten Korrespondenztheorie an und bemerkt, dass in Hegels Denken eine Transformation stattfindet: Die Beziehung zwischen truthbearer und truthmaker ist tatsächlich nicht mehr eine Beziehung zwischen dem Denken und etwas Gegebenem. Es geht vielmehr um ein Verhältnis, das innerhalb der epistemischen Beziehung liegt, in der es „das Bewusstsein selbst ist, das sich die Ausmessung seiner eigenen Wahrheit gibt“ (). Die

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phänomenologische Untersuchung bestimmt, „inwiefern das, was das Bewusstsein als sein wahres Objekt und folglich als den Maßstab seiner eigenen Erfahrung betrachtet, der eigentlichen Erkenntniserfahrung des Bewusstseins von jenem Objekt nicht entspricht“ (). In diesem Sinne behauptet Bordignon, dass wie die hegelsche Logik die Darstellung des logischen Gebietes des Wahren ist, die Phänomenologie als die Aufarbeitung des logischen Gebietes des Falschen gedeutet werden könnte. Es gibt bekanntlich zahlreiche Bücher über die Phänomenologie und insbesondere über die „Vorrede“. Die Autoren setzen sich kritisch und ausführlich mit den wichtigsten Studien über das Thema auseinander, sowohl mit den klassischen als auch den neueren Interpretationen. Dennoch zeichnen sich die in diesem Band versammelten Aufsätze dadurch aus, dass die Autoren sich stärker auf den hegelschen Text und die in ihm enthaltenen Verweise auf andere seiner Werke oder auf Hegels Zeitgenossen konzentrieren als auf alternative Interpretationen. Vielleicht ist es genau dieser methodologischen Entscheidung zu verdanken, dass die Beiträge dem Leser originelle Deutungen des Textes anbieten, in denen der Versuch, die Inhalte des Werkes ausführlich darzustellen, mit dem Reichtum unterschiedlicher hermeneutischer Vorschläge perfekt zusammenpasst. Alessandro de Cesaris Università degli Studi di Torino

Susanne Herrmann-Sinai und Lucia Ziglioli, Hgg. Hegel’s Philosophical Psychology. New York et al.: Routledge, .  S. Der Sammelband ist dem dritten und letzten Teil von Hegels Philosophie des subjektiven Geistes, d. h. der „Psychologie“ gewidmet, der Hegel selbst eine wesentliche Rolle innerhalb seines Gesamtsystems zuschreibt. In einem Brief vom Jahr  bekundet Hegel gegenüber seinem Freund Friederich Niethammer die Absicht, nach der Fertigstellung seines Buches zur Logik ein selbständiges Werk über die Psychologie zu veröffentlichen. Bekanntermaßen hat Hegel diese Absicht nie verwirklichen können; seine Darstellung der Psychologie beschränkt sich hauptsächlich (wenn auch nicht ausschließlich) auf die einschlägigen Paragraphen der drei Ausgaben der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse und auf die entsprechenden Kommentare in den Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes, die Hegel in den Sommersemestern  und  und im Wintersemester / an der Berliner Universität hielt. Was die Sekundärliteratur zu Hegels Psychologie anbelangt, bemängelte  der Hegel-Spezialist Friedhelm Nicolin, dass die Psychologie ein Stiefkind der Hegel-Forschung und der Rezeptionsgeschichte der Philosophie Hegels sei. Die Lage hat sich seither teilweise geändert: Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten sind etliche Monographien, Sammelbände und Aufsätze in Fachzeitschriften wie Sammelbänden erschienen, die sich mit Hegels Psychologie, mit Teilen derselben oder mit speziellen Problemen (vor allem der Sprache und

 Vgl. Friedhelm Nicolin, „Hegels Arbeiten zur Theorie des subjektiven Geistes“, in: Erkenntnis und Verantwortung. Festschrift für Theodor Litt, herausgegeben von Friedhelm Nicolin und Josef Derbolav (Düsseldorf, ),  – .

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der Willensfreiheit) befassen, die Hegel in der Psychologie behandelt. Der vorliegende Band soll die im Vergleich zu anderen Teilen des hegelschen Systems immer noch nicht sehr umfangreiche Sekundärliteratur ergänzen. Seine Herausgeberinnen haben  speziell für diesen Band verfasste Beiträge gesammelt: Die Autoren sind etablierte Spezialisten (W. DeVries, R. D. Winfield, S. Houlgate, M. Inwood, A. Nuzzo, P. Stekeler-Weithofer und K. Westphal) und jüngere Hegel-Forscher (L. Corti, S. Herrmann-Sinai, E. Magrì, D. Stederoth, S. Stein und L. Ziglioli; mit L. Braddock ist auch eine in der Philosophie promovierte Psychiaterin vertreten); der Band setzt sich aus Beiträgen sowohl der kontinental-hermeneutischen als auch der sprachanalytischen Tradition zusammen. Das Hauptziel des Sammelbandes ist es, beide Rezeptionstraditionen der Philosophie Hegels über die Auslegung seiner Psychologie ins Gespräch zu bringen, um diese für die Debatten der Gegenwartsphilosophie innerhalb der Philosophy of Mind, der Erkenntnistheorie, der Sprachphilosophie, der Handlungstheorie und der Philosophie der Psychologie fruchtbar zu machen. Hegels Thesen zur Psychologie sowohl für die Hegel-Forschung als auch in ihrem Potenzial als konstruktive Beiträge für die Debatten der Gegenwartsphilosophie herauszuarbeiten, stellt eine besonders anspruchsvolle exegetische und terminologische Herausforderung dar. Die Aufsätze des vorliegenden Sammelbandes sind dieser Aufgabe durchaus gewachsen: Gerade dies zeichnet ihn gegenüber den bisherigen Aufsatzsammlungen zur Psychologie bzw. zur Philosophie des subjektiven Geistes aus. Der Sammelband ist in vier Teile gegliedert. Der erste Teil ist der Analyse von Hegels Psychologie im Kontext seiner Philosophie des subjektiven Geistes gewidmet, wobei in diesem Zusammenhang die Philosophie des subjektiven Geistes im Kontext der Philosophie des Geistes überhaupt bzw. des hegelschen Gesamtsystems verortet wird. In den zwei folgenden Teilen befassen sich die Autoren mit den beiden Disziplinen, welche nach Hegel die Psychologie ausmachen – der Philosophie des theoretischen und der Philosophie des praktischen Geistes (unter der Letzteren wird auch die Form des ‚freien Geistes‘ behandelt, die Hegel in der dritten Fassung der Enzyklopädie einführt). Der vierte Teil, so die Herausgeberinnen in der Vorrede, „concludes by examining the challenges that Hegel’s Psychology poses for contemporary epistemological debates and the philosophy of psychology“ (xiv). Alle Beiträge des zweiten Teils – insbesondere diejenigen von S. Houlgate und R. D. Winfield – setzen sich mit Aspekten der hegelschen Theorie der Intelligenz auseinander, die für die aktuellen Diskussionen der Erkenntnistheorie von direkter Relevanz sind. Wie bereits erwähnt, sind die meisten Autoren des vorliegenden Bandes darum bemüht, Hegels Psychologie in der einen oder anderen Weise für die Gegenwartsphilosophie fruchtbar zu machen. Insofern kann man generell konstatieren, dass die für den vierten Teil des Sammelbandes gestellte Aufgabe auch in den Beiträgen der anderen Teile angegangen wird. Unter Berücksichtigung dieser Anmerkungen lassen sich in der vorliegenden Aufsatzsammlung folgende thematische Schwerpunkte ausmachen: () Die Funktion und Bedeutung von Hegels philosophischer Psychologie wird zum einen diskutiert unter dem Paradigma der Philosophie des Geistes als philosophia prima (Nuzzo), zum anderen unter der Annahme, dass ‚Vernünftig-Sein‘ darin besteht, am ge-

 Siehe etwa Dieter Henrich, Hegels philosophische Psychologie (Bonn, ); Lothar Eley, Hg., Hegels

Theorie des subjektiven Geistes in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (Stuttgart-Bad Cannstatt, ) sowie Franz Hespe und Burkhard Tuschling, Hgg., Psychologie und Anthropologie oder Philosophie des Geistes (Stuttgart-Bad Cannstatt, ).

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samtkulturellen Projekt der menschlichen Lebensform aktiv teilzunehmen (StekelerWeithofer). () Hegels Theorie der raum-zeitlichen Anschauung und seine Auffassung des Verhältnisses zwischen Anschauung und diskursivem Denken werden in ihrer Relevanz für die Debatte über den konzeptuellen oder nicht-konzeptuellen Charakter der sinnlichen Erkenntnis betrachtet (DeVries, Houlgate, Corti). () Es wird Hegels Auslegung des Verhältnisses zwischen Sprache und diskursivem Denken nachgegangen und in diesem Zusammenhang seiner Auslegung des Unterschieds des diskursiven Denkens zur Form des repräsentationalen Erkennens, das Hegel als ‚Vorstellen‘ bezeichnet; dies schließt Hegels Theorie über die Rolle ein, die das Gedächtnis im Übergang vom Vorstellen zum Denken spielt (Winfield, Ziglioli, Magrì). () Hegels Theorie über den freien Willen und dessen Verhältnis zur Tätigkeit der Intelligenz wird herausgearbeitet und hierbei die Bedeutung von Hegels Theorie des subjektiven Willens für eine Handlungstheorie ausgelotet (Stederoth, Stein, HerrmannSinai). () Hegels Idealismus wird als eine Form des philosophischen Realismus ausgelegt (Westphal). () Es wird das Potenzial der philosophischen Psychologie Hegels für die Lösung von bestimmten theoretischen Problemen in der psychoanalytischen Theorie freigelegt (Braddock). Der Aufsatz „Hegel’s Critique of Physiognomy and Phrenology“ (M. Inwood) befasst sich ausschließlich mit einer Problematik, die Hegel der Anthropologie zuordnet, und nimmt dabei keinen Bezug auf die Psychologie und ihre spezifischen Fragestellungen. Trotz des exegetischen Werts der hier geleisteten Rekonstruktion von Hegels Kritik der Physiognomik und der Phrenologie lässt sich seine Aufnahme in einen Band über die hegelsche Psychologie nur schwer rechtfertigen. Des Weiteren wäre ein Anhang mit einer allgemeinen Bibliographie der (zumindest in den europäischen Hauptsprachen) verfügbaren Sekundärliteratur zur Psychologie Hegels wünschenswert gewesen. Es bleibt zum Schluss festzuhalten, dass der von Herrmann-Sinai und Ziglioli herausgegebene Sammelband einen besonders wertvollen Beitrag zur Interpretation von Hegels Psychologie leistet, der sowohl deren Bedeutung für ein genaueres Verständnis des hegelschen Systems aufzeigt als auch ihre Aktualität und ihr theoretisches Potenzial für einschlägige Debatten der gegenwärtigen Philosophie erkennen lässt. Héctor Ferreiro Pontifica Universidad Católica Argentina, Buenos Aires

Holden Kelm. Hegel und Foucault. Die Geschichtlichkeit des Wissens als Entwicklung und Transformation. Berlin et al.: De Gruyter, .  S. Seit ihren fieberhaften Anfängen in den späten er Jahren und dann über Jahrzehnte hatte die deutsche Rezeption des Denkens Michel Foucaults einen hyperbolischen Hang: Der euphorisch-rasanten Ansteckung, die Bücher wie die Archäologie des Wissens in philosophieaffinen studentischen Kreisen von Bochum bis West-Berlin um  induzierten,

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schlug schon früh die Ablehnung aus dem Inneren des universitätsphilosophischen Establishments entgegen, die Mitte der er Jahre in Jürgen Habermas’ Vorlesungen unter dem Titel Der philosophische Diskurs der Moderne einen unrühmlichen Gipfel erreichte. Allzu vorschnell ist man dabei von den verschiedenen interessierten Seiten insbesondere auf Foucaults Aperçu angesprungen, wonach „unsere gesamte Epoche, sei es in der Logik oder in der Epistemologie, sei es mit Marx oder mit Nietzsche, Hegel zu entkommen trachtet […].“ Dabei ist der Umstand durchaus vielsagend, dass man das von Foucault in diesem Kontext gewählte Bild eines „Weges, auf dem man sich von Hegel entfernt und Distanz nimmt“, so gut wie nie vollständig zitiert hat. Denn selbstverständlich steht eine signifikante Differenz auf dem Spiel, wenn Foucault den besagten Weg als eine Bahn beschreibt, auf der man „aber auch wieder zu ihm zurückgeführt wird“, wodurch sich sein Gedanke aus dem vorangehenden Abschnitt, inwieweit nicht „auch unser Anrennen gegen ihn [Hegel] seine List ist, hinter der er uns auflauert“, als rhetorische Frage enthüllt. Foucault spricht also zweifellos auch von seinen eigenen Entwürfen, wenn er zu ermessen versucht, „was in unserem Denken gegen Hegel vielleicht noch von Hegel stammt […].“ Man sieht, wie wenig die fragliche Textstelle dazu angetan ist, das (freilich von Foucault selbst befeuerte) Missverständnis zu stützen, seinen Ansatz als eine radikal postmetaphysische Konzeption und letztlich als schieren „Neo-Nietzscheanismus“ zu identifizieren; und wie sehr sie, ganz im Gegenteil, das prononcierte Problembewusstsein Foucaults für die Operationen einer Dialektik enthüllt, die jede vermeintliche Überschreitung darauf hin befragt, ob nicht an der Überschreitung die Dynamik dessen weiterwirkt, was gerade überschritten und beendet werden sollte. In seiner Dissertation Hegel und Foucault. Die Geschichtlichkeit des Wissens als Entwicklung und Transformation lotet Holden Kelm diese dialektische Sensibilität aus, die sich Foucault, so argumentiert Kelm, nicht nur selbstreflexiv bewahrt habe, sondern die, allerdings auf ambivalente Weise, seine epistemologische Forschung selbst als kritische Fortsetzung von Hegels Phänomenologie des Geistes disponiere. Kelms Studie stellt den aktuellsten und den bislang systematisch elaboriertesten Ausdruck einer noch jungen Linie innerhalb der Sekundärliteratur dar, die mit den hierzulande prävalenten forschungspolitischen Verzerrungen der Wahrnehmung von Foucault bricht. Nicht zuletzt synthetisiert, vertieft und krönt Kelms Untersuchung damit jene Reihe von Lektüren, die sich seit gut anderthalb Jahrzehnten um eine differenzierte Klärung von Foucaults gespaltener Stellung zum hegelschen Denken bemüht haben. An Holden Kelms Beitrag ist nun schlagend originell, dass er sich gerade auf den äquivoken Charakter der Anschlüsse Foucaults an Hegel einlässt: Seine These ist keineswegs als simpler Gegenzug zur traditionellen Disqualifikation Foucaults als ‚Neo-Nietzscheaner‘ ausgerichtet. Diesem Bild tritt Kelm zwar entgegen, indem

 Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France, . Dezember  (Frankfurt a. M., ), .  Ebd.  Ebd.  Charles Taylor, Sources of the Self: The Making of the Modern Identity (Cambridge MA, ), .  Siehe z. B. Angelika Pillen, Hegel in Frankreich. Vom unglücklichen Bewusstsein zur Unvernunft (München, ); Michael Gans, Das Subjekt der Geschichte. Studien zu Vico, Hegel und Foucault (Hildesheim, ); Alexander Schubert, Der Strukturgedanke in Hegels „Wissenschaft der Logik“ (Königstein, ); Fernando Suárez Müller, Skepsis und Geschichte. Das Werk Michel Foucaults im Lichte des absoluten Idealismus (Würzburg, ); Ugo Balzaretti, „Hegels Aufklärung und Foucaults ,Analytik der Endlichkeit‛ als Schwelle zur Moderne“, Hegel-Jahrbuch ():  – .

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er auf dem tiefgehenden Effekt insistiert, den die Begegnung mit Hegels Philosophie auf die Anlage von Foucaults eigener Konzeption gehabt hat; doch befragt er ebenso die Grenzen, an denen Foucaults positive Orientierung an Hegel endet. Wie berechtigt und zugleich schwierig ein solcher Zugriff ist, der weder unterschätzt noch übertreibt, verdeutlicht sich, wenn man an die merkwürdige Geste zurückdenkt, mit der Foucault in der gekürzten zweiten Auflage () von Folie et déraison (Erstauflage ), die mit dem Text der deutschen Übersetzung von  koinzidiert, die Spuren verwischt hat, welche die Auseinandersetzung mit Hegels Dialektik der Geschichte in seinen eigenen Frage- und Problemstellungen hinterlassen hatte. Gleich auf der ersten Seite seiner Untersuchung verankert Kelm die Denkbewegungen Hegels und Foucaults in einer beide Denker antreibenden Schwierigkeit: „Die transzendentalen Bedingungen der Erkenntnis nach ihren historischen Wurzeln zu hinterfragen und damit die Möglichkeit einer geschichtlichen Dimension des Transzendentalen darzulegen, ist eine Aufgabe des philosophischen Denkens, die sich im Ausgang von Kants Vernunftkritik in verschärfter Form gestellt hat“ (). Kelm grenzt sich, um eine in Unschärfen ausufernde Großkonfrontation von vornherein zu unterbinden, auf Hegels Phänomenologie des Geistes und auf Foucaults Archäologie des Wissens als materiale Textbasen für seinen Vergleich ein. Gerade diese exemplarische Beschränkung auf programmatische Schriften soll es ermöglichen, sowohl Hegels spekulative Dialektik des geschichtlichen Erscheinens und Selbstbegreifens des Absoluten als auch Foucaults speziellen turn der französischen Tradition historischer Epistemologie auf der Ebene ihrer systematischen Grundansprüche zu rekonstruieren. Jedoch handelt es sich bei dem Sachproblem, auf das Kelm den Analysegang seines Buches zuspitzt, um eine allemal fluide Klammer: Die Frage nach der immanent geschichtlichen Artikulation des Transzendentalen schließt einen Raum auf, in dem Kelm im weiteren Verlauf seiner Interpretation die unterschiedlichen Beantwortungen (und Verständnisse) dieser Frage bei Hegel und bei Foucault in ihrem Wechselverhältnis ausbuchstabieren kann. Insofern allerdings mit der Formel von der „Geschichtlichkeit des Wissens“ eine Parallelität lediglich in den „theoretischen Positionierungen“, im „programmatischen Anspruch“ () der beiden Autoren getroffen ist, bringt Kelm zur Klärung der „tatsächliche [n] Ausführung“ () ihrer jeweiligen Programmatiken die weit auseinander liegenden „ideengeschichtlichen Konstellationen“ () zur Entfaltung, in denen sich die Philosophien Hegels und Foucaults konstituiert haben. Darum unterlegt Kelm seine Ausführungen zu Hegels spekulativer Dialektik mit einer Rekonstruktion der „systematische[n] Relevanz der Kantischen Philosophie“ () um ; die Entstehung von Foucaults epistemologischen Konzeptionen begründet er hingegen aus einer Absetzbewegung von der anthropologischen Disposition des französischen Hegelianismus der er Jahre. Auf dieser Grundlage rahmt Kelm die jeweiligen Idiome Hegels und Foucaults durch philosophiehistorische Genealogien, die ihnen je spezifisch sind, und hält so ihre wechselseitige systematische Fremdheit aufrecht. Und dennoch taktet Kelm die Darstellung des hegelschen und des foucaultschen Denkens bei aller Einbettung in irreduzible Differenz parallel. Für beide Durchgänge, zunächst durch Hegels und dann durch Foucaults Theoriegebäude, wird nämlich derselbe vierfache Schlüssel angelegt, wodurch sie in ihren Einzelzügen Punkt für Punkt miteinander vergleichbar werden: „. Programm und Struktur, . Begriff des Wissens, . Methodologie und Entwicklungstheorie, . Konzeptuelle Probleme“ (). Den erhofften kritischen Gewinn dieses Parallelismus kommuniziert der Autor im Einleitungsteil: „Mit dieser komparativen Rekonstruktion wird eine strikt antithetische Be-

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stimmung des Verhältnisses Hegel-Foucault permanent problematisiert“ (), denn „historische Distanzen [werden] nicht als hinreichender Grund dafür betrachtet, den Vergleich des Denkens von Hegel und Foucault von vornherein als aussichtslos zu erklären“ (). Das auf die „ideengeschichtlichen Konstellationen“ zielende Kapitel II der Studie unterteilt sich in zwei paritätische Hälften – II. zu Hegel und II. zu Foucault –, die wiederum symmetrisch in je drei Unterabschnitte aufgegliedert sind. Kelm rollt hier die beiden unterschiedlichen genealogischen Vorgeschichten eines Denkens des Geschichtlich-Werdens der Vernunft auf, in die Hegel und Foucault kritisch intervenieren konnten und in die sie sich eingeschrieben haben, um diese Geschichtlichkeit sodann mit den jeweiligen Mitteln ihrer eigenen Ansätze zu explizieren. Zur Verortung des hegelschen Projekts macht Kelm eine Achse sichtbar, die mit Kants tentativen Vorgedanken zu einer „philosophischen Geschichte der Philosophie“ (in den Losen Blättern aus dem Umkreis seines Akademie-Preisaufsatzes von ) ihren Lauf nimmt und über Schellings frühidealistische Geschichtsphilosophie „der allmählichen Realisierung des Absolut-Identischen“ () zu Friedrich Schlegels Skizze einer offenen Dialektik der „Historisierung des Transzendentalen“ () reicht. Das enjeu von Foucaults Philosophie wird hingegen aus der Filiation des „französischen Hegelianismus und (der) historische(n) Epistemologie“ ( – ) vor allem seit den er Jahren rekonstruiert. Foucaults Konzeption sei nicht als ultimativer Bruch mit Hegel, sondern als Gegenperspektive insbesondere gegen Alexandre Kojèves anthropologische Pointierung der hegelschen Dialektik zu deuten ( – ). Kelm platziert die „onto-logische“, vom Primat des Logischen handelnde Hegel-Lektüre Jean Hyppolites ( – ) und Georges Canguilhems auf die Geschichte wissenschaftlicher Begriffe zentrierten Zuschnitt der épistémologie française ( – ) als prägende Quellen für Foucaults ‚Denken gegen Hegel‘, das entschieden kein Denken ohne Hegel sei. In raffinierter Suggestion lässt Kelm bereits auf der Ebene der genealogischen Rahmung untergründige Nähen, argumentative Konkordanzen und Resonanzen anklingen, zugleich aber erstellt er eine Zeichnung scharfer und irreduzibler Grenzen zwischen ihren Denkungsarten. Die beiden systematisch zentralen Kapitel III (zu Hegel) und IV (zu Foucault) der Untersuchung stehen in formaler Symmetrie zueinander, weil sie die jeweiligen ‚Programme‘, die Wissensbegriffe auf beiden Seiten sowie die Verständnisse dessen, was hier wie dort die ‚Geschichtlichkeit‘ der Wissensformen begründet, Schritt für Schritt herauspräparieren. Kelms Darstellung gelingt es durch diesen Kunstgriff, die Paradigmen Hegels und Foucaults zur Konkretisierung der ‚Geschichtlichkeit des Wissens‘ übereinanderzulegen – sie miteinander zu überblenden, aber im gleichen Zug auch voneinander abzuheben –, was eine Komparation ermöglicht, die durch eine präzise umgrenzte Fragestellung diszipliniert wird, die sich jedoch zugleich, gleichsam mikroskopisch, in argumentative Details zu vertiefen vermag. Kapitel III nuanciert die bereits in der Einleitung fixierte Interpretation der Phänomenologie des Geistes als Rekonstruktion „des Absoluten als das Resultat einer stufenförmigen Entwicklung des Selbstwissens des Geistes“ (), „dessen Wirklichkeit wesentlich geschichtlich verfasst ist“ (). Spätestens Hegels vielzitierte Formel, die „das Wahre nicht [nur; T.E.] als Substanz, sondern ebenso sehr als Subject“ (GW : ) expliziert, klärt auf, dass jegliches „Bewusstsein“, als Bewusstsein von etwas, einen „dynamische[n] und vermittelnde[n] Bestandteil der Wirklicheit des Wissens“ () – oder kurz: die unmittelbare Existenz des ‚Geistes‘ – ausmacht. Differenziert wertet Kelm Hegels nachdrückliche Bestimmung aus, wonach das Ganze der reflexiven Selbtrealisierung des ‚Geistes‘ im Durchgang durch die Gestalten des Bewusstseins auf dem Niveau des ‚abso-

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luten Wissens‘ die ‚Form der Wissenschaft‘ erhalte. Kelm bilanziert: „Also erst nachdem die phänomenologische Entwicklung des erscheinenden Wissens durch die subjektiven […] und objektiven […] Wissensformen bestimmt worden ist, kann dezidiert von Wissenschaft gesprochen werden, weshalb die dem natürlichen Bewusstsein vorausgesetzte geistige Substanz dieser Wissenschaft nicht nur in systematischer, sondern auch in zeitlicher Hinsicht vorhergeht“ (). Für Kelms Gesamtvorhaben ist seine Präzisierung dieser Voraussetzungslogik der entscheidende Schritt, der allererst auf den Punkt bringt, dass ‚Geschichtlichkeit‘ bei Hegel, spezifisch für die Phänomenologie des Geistes formuliert, die Einheit „der Progression der Bewusstseinserfahrungen und der Reflexion des wahren Wissens“ () meint. Die zeitlich-geschichtliche Sukzession der ‚Erfahrungen des Bewusstseins‘ erweist sich als nichts anderes als der reflexive Aufstiegsgang des sich für sich selber in einer Bewegung des Begriffs explizierenden ‚Geistes‘ – eine Einsicht, die sich allerdings erst am Ende dieses Prozesses, in dem Sein und Denken vollständig vermittelt sind, gewinnen lässt. „Demnach ergibt sich aus historischer Perspektive die Bestimmung, dass die Wissenschaft zuletzt und als Resultat der Erfahrungen des Bewusstseins hervorgeht und den Bestimmungsgrund ihrer vorhergehenden unvollendeten Realisierungen bildet, wodurch die als An sich vorausgesetzte geistige Substanz und das Für sich des Selbstbewusstseins im sich selbst erkennenden Geist zusammengeschlossen werden“ (). Es ist der Ausweis dieser eminent idealistischen Präambel von Hegels Projekt in der Phänomenologie, also die spekulative „Einheit von Zeitlichkeit und Reflexivität, von historischer Erscheinungsebene und begrifflicher Bedingungsebene“ (), der es Kelm ermöglicht, Hegels Lesart, die ‚Geschichtlichkeit des Wissens‘ zu explizieren, terminologisch mit dem Begriff der ‚Entwicklung‘ zu besetzen. Aus diesen plausiblen Gründen stellt Kelm „Hegels phänomenologische Konzeption der Entwicklung des Geistes“ (so der Titel von Kapitel II) gegenüber Foucaults „archäologische[r] Konzeption der Transformation des Diskurses“ (Kapitel III) auf. Als „gemeinsame Perspektive des Denkens von Hegel und Foucault“ () identifiziert Kelm den „Aufweis von historisch gewordenen – begrifflichen oder diskursiven – Strukturzusammenhängen, die das endliche Subjekt involvieren und sein Wissen bedingen“ (). Mit Hegel treffe sich Foucault in dem kritischen Impuls, „das endliche, empirische und unmittelbare Erkenntnissubjekt nicht zum Ziel- und Ausgangspunkt des Wissens [zu] erheb [en]“ (), sondern die Konstitution von Subjektivität umgekehrt von einem Geschehen der epistemologischen und ontologischen Realisierung des ‚Wissens‘ her zu denken. Im Licht dieser formalen Kongruenz mit dem hegelschen Modell arbeitet Kelm nun sorgfältig heraus, dass der Begriff des Diskurses bei Foucault „eine heterogene Einheit von diskursiven Regelmäßigkeiten“ (), ein „heterogene Elemente in Beziehung setzendes Geflecht“ () markiert. Kelm zögert nicht, Foucaults Konzeption, die Geschichtlichkeit diskursiver Formationen im geschilderten Sinne zu erfassen, als ein Denken in diskontinuierlichen Serien zu beschreiben ( f.). Foucault nimmt also entschieden nicht die hegelsche Denkform der teleologisch-organischen „Entwicklung“ () der Geschichtlichkeit des Wissens in Anspruch; vielmehr intendiert er, in vermeintlich strikt deskriptiver Einstellung, im Abfolgeverhältnis und im Nebeneinander der diskursiven Formationen deren produktive Differenzen und schiere Alterität gegeneinander auszuzeichnen. Und doch kreist Kelm inmitten dieser großen Disproportion zwischen Foucault und Hegel die „Hegelschen Wurzeln“ () zentraler Begriffsfiguren Foucaults ein. Ironischerweise könne Foucault gerade für die „,kleinste […] Einheit‘ des Wissens, […] die Aussage“ (), geltend machen, was Hegel von der Struktur des Absoluten behauptet: dass es sich nämlich um eine

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„Identität der Identität und der Nicht-Identität“ handle, allerdings mit der Pointe, dass eine Aussage, gemäß der Definition Foucaults, „nur in Bezug auf ihr Anderssein mit sich identisch“ () ist. Oder man denke an Foucaults Fassung der episteme, die, sofern sie „eine regelmäßige und zugleich begrenzte Gesamtheit von differenten Aussagen darstellen“, „eine gewisse Ähnlichkeit zu den partikularen Gestalten des Geistes [bei Hegel; T.E.] aufweisen“ (). Mit Holden Kelms Studie liegt eine bewunderungswürdige philosophische Leistung vor: Nicht genug damit, dass der Autor die, wie er selbst unterstreicht, gezielt polemisch durchsetzte, doppelbödige, oft ironisch gehaltene Hegel-Rezeption Foucaults auf ihren systematischen Kern verpflichtet und das foucaultsche Denken damit auf der Höhe der hegelschen spekulativen Dialektik liest. Vielmehr liefert er, gleichsam als hoch konzentriertes Nebenprodukt, vorzügliche, interpretatorisch dichte Einführungen sowohl in die hegelsche Phänomenologie des Geistes im Kontext des umfassenden hegelschen Systems als auch in die foucaultsche Archäologie des Wissens, die differenziert in das werkgeschichtliche Gesamtbild eingebettet wird. Dass Kelm, indem er Foucault und Hegel Seite an Seite vor dem Grundproblem der Geschichtlichkeit des Wissens zusammenführt, eine sehr weit gefasste Perspektive aufschlägt, erweist sich als großer Vorzug, aber ineins damit, paradox genug, zugleich als Hypothek seines Buches. Denn so sehr diese formale Äquivalenz zwischen Foucault und Hegel dazu einlädt, in der Darlegung der jeweiligen Umsetzungswege der Figur einer geschichtlichen Realisierung des Wissens gerade ihre irreduziblen Unterschiedlichkeiten zum Tragen zu bringen, so sehr droht diese formale Klammer, sich in den gelegentlich überbordenden Exkursen und Subthemen des Buches aufzulösen. Im Grunde bringt Kelm mit dem Motiv einer geschichtlichen Artikulation des Transzendentalen, das in der Nachgeschichte der drei kantischen Kritiken über Schelling und Schlegel hinaus die Philosophie seit der Mitte des . Jahrhunderts in Atem hält, die fundamentale Geste einer modernen ‚Kritik der historischen Vernunft‘ von Marx über Dilthey und Nietzsche bis zu Husserl und Heidegger auf den Punkt. So verstanden, gerät die Wendung von der ‚Geschichtlichkeit des Wissens‘ zu einem etwas (zu) weitläufigen Passepartout, das neben oder an Stelle von Foucault all die genannnten Autoren in eine genuine Parallelaktion zu Hegel verwickeln könnte. Dabei tut sich in der spezifischen Konstellierung Hegel/Foucault noch einmal ein gesondertes Problem auf: Wie nämlich sind die philosophischen Semantiken der ‚Subjektivität‘, in denen sich die beiden Denker bewegen, genau zu vermitteln? Während Hegel das philosophische Prinzip des ‚Subjekts‘, expliziterweise in der ‚subjektiven Logik‘, in die Subjektivität der absoluten Idee transformiert, hakt Foucaults Interesse an der macht- und wissensdurchsetzten Konstituierung von Subjektivität (assujettissment) eher, gleichsam hinter Hegels Schritt zurückgehend, an den empirisch-konkreten Instanzen dessen an, was er in seinem Spätwerk als ‚Technologien des Selbst‘ apostrophiert hat. Wie diese beiden philosophischen Vokabulare der Subjektivität aufeinander zu beziehen wären, ohne sie – wie Kelm dies am Ende seines Buches tut, ohne diesen Schritt vollständig plausibilisieren zu können – ausgerechnet in der schlegelschen Romantik des ‚historisch Transzendentalen‘ zu synthetisieren, bleibt eine offene Rückfrage an den Autor, dessen brilliante Studie es allerdings überhaupt erst möglich gemacht hat, dass Fragen dieses Typs heute Eingang in die Forschung halten können. Thomas Ebke Universität Potsdam

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Anton Friedrich Koch, Friedrike Schick, Klaus Vieweg und Claudia Wirsing, Hgg. Hegel –  Jahre Wissenschaft der Logik. Deutsches Jahrbuch Philosophie Band . Hamburg: Felix Meiner, .  S. Es mag ein ‚Wagstück‘ sein, das zweihundertjährige Jubiläum der Erstpublikation der Wissenschaft der Logik ausgerechnet in Weimar mit einer Tagung zu würdigen. Der hier vorliegende, aus einer im Herbst  im Weimarer Schloss und im Goethe’schen Haus am Frauenplan veranstalteten Tagung hervorgegangene Sammelband ist aber aus anderen Gründen ein Wagnis. Der Anspruch, die Wissenschaft der Logik nicht nur von ihrem Anfang bis zu ihrem systematischen Abschluss umfassend zur Darstellung zu bringen, sondern auch einzelne Aspekte der Logik in weitere, zum Teil neue Kontexte zu stellen, verdient den Titel eines anspruchsvollen Vorhabens. Der umfangreiche Band ist in drei Abschnitte gegliedert, die „Anfang und Methode der Logik“, „Sujets der Logik“ und „Aspekte der Logik“ zu erhellen suchen. Dabei geht es den Herausgebern und den Autoren des Bandes nicht um eine Illumination eines als sperrig bekannten Textes. Das einigende Band der hier versammelten Texte lässt sich vielmehr in der Annahme finden, dass Hegels in der Wissenschaft der Logik artikuliertes Anliegen auch in der Philosophie des . Jahrhunderts nicht nur ihre Berechtigung, sondern auch ihren Ort hat. Damit wird gleichsam selbstredend auf die Rezeption der hegelschen Philosophie in der Tradition der sogenannten analytischen Philosophie verwiesen, die in den letzten Dezennien eine zunehmend konstruktive Auseinandersetzung mit den hegelschen Texten gesucht hat. Im Fokus steht aber weder eine bestimmte Rezeption der Wissenschaft der Logik noch zweihundert Jahre Rezeptionsgeschichte, sondern der systematische Gehalt eines vor gut zweihundert Jahren publizierten Werks. Aus dem Rahmen der Gliederung fällt ein wenig der Beitrag von Hans Friedrich Fulda heraus, der Hegels einen Begriff als das Freie sowie die Manifestationen der Freiheit des Geistes thematisiert. Im Grunde genommen ist der freie Begriff ein Aspekt der hegelschen Logik, der besser in den letzten Abschnitt des Bandes passen würde. In seiner grundlegenden systematischen Bedeutung empfiehlt er sich jedoch zugleich auch zur Einführung in den Band. Nicht nur lässt sich über den Begriff der Freiheit eine Verknüpfung zwischen dem Werk Hegels und dem Wirken Goethes herstellen und somit der Wahl des Tagungsortes den Anschein des unsachgemäßen Zufalls nehmen. Darüber hinaus gelingt es Fulda mit seiner Explikation der Freiheit als einer Art ‚Generalthema‘, das sich von der Selbstbestimmung des Begriffs bis zur Philosophie des Geistes spannt, einen systematischen Rahmen für das folgende Ganze anzubieten. Es würde den Raum dieser Rezension sprengen, auf jeden der fünfundzwanzig Aufsätze, die nicht nur aus der Feder namhafter altbekannter, sondern auch vielversprechender junger Hegel-Forscher stammen, im Detail einzugehen. Die äußeren Umständen folgende Beschränkung soll nicht Raum für versteckte Kritik bieten, sondern neugierig machen auf das, was ungesagt bleiben muss. Der Abschnitt über den „Anfang und die Methode der Logik“ beginnt mit einer Reflexion über den Anfang vor dem Anfang. Gemeint ist das oft diskutierte Verhältnis zwischen Phänomenologie und Logik, das Rolf-Peter Horstmann mahnt, in den Kontext des Systems der Wissenschaft zu stellen. Dem Anfang der hegelschen Logik widmet sich der Beitrag von Stephen Houlgate, der sehr klar für eine Bestimmung des Anfangs, die der dem reinen Sein immanenten Dynamik gerecht wird, argumentiert und damit auf eines der zentralen Themen der Wissenschaft der Logik verweist: die Dialektik. Oftmals als eine der einflussreichsten philosophischen Methoden bezeichnet, betont Michael Wolff in seinem

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luziden Aufsatz, dass in Hegels Schriften an keiner Stelle „ausdrücklich die Rede von dialektischer Methode oder von Dialektik als Methode“ () ist. Dialektik ist bewegendes Prinzip, nicht aber eine Methode, die auf etwas angewandt werden und diesem Inhalt in irgendeiner Weise vorausgehen könnte. Das Missverständnis der Dialektik als Methode lässt vergessen, dass für Hegel die Dialektik etwas ist, das selbst zum Inhalt dessen zählt, was mit ihrer Hilfe erkannt werden soll. Kaum als Anfang und auch nicht als Methode ist Hegels Konzeption der Negation zu begreifen. Robert Pippin bietet in seinem Aufsatz einen sehr hilfreichen Überblick über Hegels uneinheitliche Verwendung des Begriffs der Negation, um einen Einstieg in den Fortgang der Wissenschaft der Logik zu erleichtern. Die unter „Sujets der Logik“ zusammengefassten Texte versuchen den Aufbau der hegelschen Wissenschaft der Logik nachzuzeichnen. Im Zentrum stehen dabei für die Seinslogik die Unterscheidung von Qualität und Quantität (Tommaso Pierini), für die Wesenslogik die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung (Claudia Wirsing) und für die Begriffslogik die Unterscheidung von Subjektivität und Objektivität (Anton Friedrich Koch). Dazu kommen die jeweiligen Aufhebungen im Maß (Günter Kruck, Friedrike Schick), in der Wirklichkeit (Folko Zander, Ralf Beuthan) und in der Idee (Christian Georg Martin). Sie bieten damit das Fundament für die anschließend diskutierten Aspekte der Wissenschaft der Logik. Unter „Aspekte der Logik“ findet der Leser Texte versammelt, die scheinbar zu keinem der ersten beiden Themen passen. Hier geht es den Autoren um diverse Themen wie (i) Logik, Metaphysik und Transzendentalphilosophie, (ii) Logik, Epistemologie und Sprachphilosophie, (iii) Logik und Philosophie des subjektiven und objektiven Geistes sowie (iv) Grundgedanken der hegelschen Logik in neuen Kontexten. Elena Ficara sucht Hegels facettenreiche und überaus bedeutsame Bestimmung des Verhältnisses von Logik und Metaphysik auf Aristoteles’ Philosophie zurückzuführen. Angelica Nuzzo zeigt sehr eindrucksvoll auf, wie Hegels Gedanke eines logischen Selbstbestimmungsprozesses des Begriffs im Kontext von Hegels Auseinandersetzung mit Kants transzendentaler Logik zu verstehen ist. Den Abschluss des ersten Aspekts bildet Kai-Uwe Hoffmanns Aufsatz, in dem er sehr kenntnisreich Hegels Jenaer Kritik der Bestimmung synthetischer Urteile vor dem Hintergrund der Konzipierung der Metaphysik darlegt. Den Aspekt der Logik im Verhältnis zu Epistemologie und Sprachphilosophie eruieren die Beiträge von Brady Bowman, Weimin Shi, Christian Spahn und Pirmin Stekeler-Weithofer. Brady Bowman expliziert den spekulativen Charakter der Geometrie in Hegels Philosophie der Mathematik anhand einer detaillierten Analyse der Konzeption der reellen Definition. Weimin Shi schließt mit einer Untersuchung von Hegels Kritik des geometrischen Beweises an, um die Struktur des hegelschen Begriffs zu erhellen. Christian Spahn gelingt es in seinem Beitrag, die vornehmlich in der analytischen Philosophie diskutierten Probleme des Naturalismus mit Hegels epistemischen Einsichten produktiv zu kontrastieren. Pirmin Stekeler-Weithofer beschließt den zweiten Aspekt mit einer sehr materialreichen Interpretation der hegelschen Logik als einer materialbegrifflichen Strukturtheorie der Bedeutung. Dem Aspekt der Logik in ihrem Verhältnis zur Philosophie des subjektiven und objektiven Geistes widmen sich die Beiträge von Holger Hagen, Klaus Vieweg und Jean-François Kervégan. Hier werden die alles andere als trivialen Aspekte der Logik im Kontext der Natur des menschlichen Geistes dargelegt sowie der Versuch unternommen, Hegels Staatskonzeption in ihrer logischen Grundlegung zu explizieren. In seinem kurzen, aber erhellenden Beitrag skizziert Kervégan eine Möglichkeit, über den Ort einer nicht metaphysischen Theorie der Handlung in der Logik nachzudenken. Die den Band abschließenden Texte von Angelika

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Kreß zu Hegel und Luhmann sowie von Michael Quante, der sehr kenntnisreich die Rezeption der hegelschen Logik im Linkshegelianismus und der Kritik der politischen Ökonomie erörtert, verweisen auf neue Kontexte. Der Leser fragt sich jedoch, warum es in diesem letzten Abschnitt nur oder gerade zwei Beiträge sind und was die Neuheit dieser Aspekte konstituiert. Auch wenn Fragen zurückbleiben, belegt der Sammelband dennoch eindrücklich, dass gut zweihundert Jahren nach der Erstpublikation der Wissenschaft der Logik immer noch lange nicht alles über die hegelsche Philosophie gesagt wurde. Myriam Gerhard Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg

Martin Loder. Die Existenz des Spekulativen. Untersuchungen zur neuplatonischen Seelenlehre und zu Hegels Philosophie des subjektiven Geistes. Berlin et al.: De Gruyter, .  S. Loder konstatiert am Beginn seiner Untersuchungen, der Hegel-Forschung fehle „eine Deutung der Philosophie des subjektiven Geistes, die Hegels Neuplatoniker-Rezeption voraussetzt“ (). Der Aufgabe dieser Deutung widmet sich das vorliegende Buch nicht ohne gleich von Beginn an deutlich zu machen, was mit ‚Voraussetzung‘ gemeint ist. Im Anschluss an eine Interpretation neuplatonischer Seelenlehren und ihrer Rezeption durch Hegel, genauer der Lehren von Plotin ( – ), Proklos und Jamblich ( – ), möchte Loder die „Philosophie des subjektiven Geistes als spekulative Seelenlehre begreifbar machen, die auf spätantiken Theoriebildungen fußt und diese in Hegels Absolutheitsphilosophie integriert“ (). Zu diesem Zweck unterzieht Loder zunächst Hegels Philosophie des subjektiven Geistes der bislang fehlenden Deutung ( – ), um sich schließlich Hegels Lesart der genannten neuplatonischen Lehren zu widmen ( – ). Die Arbeit schließt mit einem kurzen Fazit ( – ). Nun haben sich, Loder weist darauf hin, insbesondere die Arbeiten von Hans Joachim Krämer, Werner Beierwaltes, Klaus Düsing und Jens Halfwassen in den letzten Jahren mit der Frage auseinandergesetzt, welche Rolle die Rezeption neuplatonischer Theorien für Hegels Philosophie spielt. In ihren Arbeiten ist deutlich geworden, dass frappante Affinitäten zwischen diesen Theorien und Hegels Denken bestehen. Diese beschränken sich nicht nur auf den Lehrbestand dessen, was über Seele, Bewusstsein, Geist und Wirklichkeit behauptet wird. Sie zeigen sich auch in der Art und Weise, Fragen des Geistes abzuhandeln oder ganz allgemein Philosophie zu betreiben. Jene definitorisch nur schwer einzugrenzende Art des Denkens, die bei Hegel ‚spekulativ‘ heißt, findet bei den genannten neuplatonischen Autoren zweifellos ein bedeutendes Vorbild. Loders Beitrag zu dieser rezeptionsgeschichtlichen Arbeit soll nun darin bestehen, neuplatonische Einflüsse, die bislang vielleicht eher unter allgemeiner Berücksichtigung von Hegels gesamtem Œuvre untersucht wurden, an einem besonders bedeutenden Beispiel im Detail nachzuweisen. Angesichts dieser Zielsetzung verwundert es dann aber sehr, dass der versprochenen Deutung von Hegels Philosophie des Geistes im Rahmen dieser Arbeit so wenig Raum gelassen wird. Gerade die Umetikettierung zur ‚spekulativen Seelenlehre‘ könnte von Lesern, die nicht bereits mit allen Wassern der genannten rezeptionsgeschichtlichen Arbeit gewaschen sind, für besonders erklärungsbedürftig gehalten

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werden. Deshalb ist ja verständlich, dass Loder eine Darstellung der für seine Deutung einschlägigen neuplatonischen Lehren voranstellen muss. Ohne die Lesart dieser Lehren explizit zu machen, verbietet es sich, über ihre rezeptionsgeschichtliche Bedeutung zu sprechen. Wenn überhaupt, weicht Loders Darstellung aber nur marginal von den bekannten Darstellungen der genannten Autoren ab. Was in den Kapiteln zu Plotin und Proklos steht, meint man bereits von Jens Halfwassen zu kennen. Sie sind daher als bündige Zusammenfassung von Standpunkten einer gegenwärtig bedeutenden Schule der Neuplatoniker-Deutung zu empfehlen. Loder ist nicht vorzuwerfen, dass seine NeuplatonikerLesart sich denen seiner Vorbilder anschließt. Aber dieser Umstand hätte im Hinblick auf Loders Hauptanliegen empfehlen können, ihre Darstellung zugunsten einer ausführlicheren Beschäftigung mit Hegels Philosophie des subjektiven Geistes zurückzustellen, ohne Loders stattliches Buch weiter anwachsen zu lassen. Das erklärte Hauptanliegen Loders ist schließlich eine Deutung von Hegels Philosophie des subjektiven Geistes (s. o.). In einem Buch von dreihundert Seiten beansprucht diese Deutung nur knapp fünfzig. Entsprechend sparsam begründet wird auch Loders Deutungsansatz. Es trifft wohl zu, dass der Einfluss des Neuplatonismus in nahezu allen Deutungen von Hegels subjektiver Geistphilosophie bislang wenig beachtet wurde (z. B. meiner eigenen), obwohl er Beachtung verdient. Aber das erklärt nicht, warum eine Deutung, die nun endlich „Hegels Neuplatoniker-Rezeption voraussetzt“ (s. o.), praktisch alle anderen historischen und systematischen Voraussetzungen von Hegels Philosophie des subjektiven Geistes vernachlässigen dürfte. Historisch wäre es kurios, wenn Hegel sich ausgerechnet für diesen Teil seiner Philosophie vorgenommen hätte, ein neuplatonisches Programm wieder aufzulegen, anstatt sich vor allem mit den Standpunkten und Problemkontexten auseinanderzusetzen, die von Descartes bis zu Hegels Gegenwart im Denken Kants, Fichtes und Schellings beim Nachdenken über Seele, Bewusstsein und erkennenden Geist eine Rolle spielen. Loders Beleuchtung des neuplatonischen Einflusses blendet alle anderen Einflüsse nahezu vollständig aus und macht Hegel damit dunkler, als er sein müsste. Systematisch wird nicht nur die Einbettung in das Gesamtprojekt einer Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften zu wenig berücksichtigt – es finden sich nur Überlegungen zu Hegels Geistphilosophie, ohne dass die Bedeutung von Logik und Naturphilosophie für die Philosophie des subjektiven Geistes erkannt wäre. Das alles wäre aber leicht zu verschmerzen. Schwerer wiegt, dass die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text der Vorwegnahme des Interpretationsziels in einer Weise unterstellt wird, die kaum mehr nachvollziehbar erscheint. In einer für sein Anliegen gar nicht nötigen Annäherung an neuplatonische Terminologie bezeichnet Loder den subjektiven Geist in allen seinen Gestalten (Seele in der Anthropologie, Bewusstsein in der Phänomenologie, Intelligenz in der Psychologie) durchgängig als „Seele“ (). Entsprechend meint er sagen zu dürfen, dass die Seele denkt. Das könnte, konzediert man seine terminologische Annäherung, durchgehen, wo es um den subjektiven Geist in der Gestalt der Intelligenz geht. Loder attestiert jedoch bereits der Seele in der Anthropologie, dass sie denkt (, , ). Damit wird seine terminologische Annäherung aus inhaltlichen Gründen unseriös. Die Seele, insofern sie unter diesem Titel terminologisch fixiert bei Hegel eben nur die erste Gestalt des subjektiven Geistes in der Anthropologie darstellt, empfindet und fühlt, das Denken ist ausschließlich der Intelligenz bzw. dem theoretischen und praktischen Geist vorbehalten. Gemäß Loder ist die „Vernunft“ () die höchste Entwicklungsstufe des subjektiven Geistes. Bei Hegel steht sie am Ende der Phänomenologie, auf die noch eine Psychologie folgt, die bei Loder nicht einmal mehr erörtert wird,

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obwohl sie den größten und vielleicht wichtigsten Teil von Hegels Philosophie des subjektiven Geistes darstellt. Die genannten und zahlreiche andere terminologische und inhaltliche Unterscheidungen, vor allem aber die mit ihnen verbundenen systematischen Überlegungen werden von Loder übergangen oder unversehens zusammengeschnurrt, um Hegels Philosophie im Sinne seiner Lesart zurechtzurücken. Zwischen platonisch-neuplatonischem Vokabular und demjenigen Hegels werden voraussetzungsreiche Analogien hergestellt, die nicht weiter erläutert werden. Wo z. B. Hegel gemäß einem Zusatz der Freundesvereinsausgabe von einem „begreifenden Erkennen des Ewigen“ spricht, wittert Loder, „wie im Denken Plotins“, schlicht einen „Transzendenzschritt in die reine Ideenschau des Geistes“ (). Loder erweist seinem eigenen berechtigten Anliegen, die zweifellos große Bedeutung des neuplatonischen Einflusses kompetent darzustellen, letztlich einen Bärendienst: In Loders Überlegungen zur Philosophie des subjektiven Geistes ist Hegel als eigenständiger Denker des frühen neunzehnten Jahrhunderts kaum noch wiederzuerkennen. Selbst wenn es zuträfe (ich lasse diese Frage hier offen), dass sich in Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie „Ausführungen zu Plotin“ finden lassen, die „auch als philosophische Selbstdeutung verstanden werden“ () können, sollte daraus nicht gefolgert werden, dass auch die Philosophie des subjektiven Geistes quasi als Darstellung der plotinischen Seelenlehre gelten darf. Loders trotz beträchtlicher Zitierfreude bestenfalls als textfern zu bezeichnende Deutung belegt jedenfalls die Schwäche dieser Folgerung. Die von Loder konstatierte Lücke in der Forschungsliteratur zu Hegel schließt sich damit nicht wirklich – eine Klärung des neuplatonischen Einflusses auf die Philosophie des subjektiven Geistes müsste sich anders mit ihr auseinanderzusetzen wissen als das vorliegende Buch. Wer von ihm eine solide Darstellung neuplatonischer Seelenlehren im Lichte der genannten Lesarten erhofft, wird dagegen fündig. Jens Rometsch Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Giovanna Miolli. Il pensiero della cosa. Wahrheit hegeliana e Identity Theory of Truth [The Thought of the Thing. Hegelian Wahrheit and Identity Theory of Truth]. Trento: Verifiche, .  pp. What does it mean for Hegel ‘to be true’? What is truth-apt? What are the ontological and epistemological backgrounds of Hegel’s conception of truth? Is Hegel’s conception of truth still relevant to contemporary debates? Giovanna Miolli answers these (and other) questions in her book Il pensiero della cosa [The Thought of the Thing], which is – to my knowledge – the first book-length contribution explicitly devoted to Hegel’s notion of truth. More exactly, Miolli’s reconstruction methodologically uses the answers to the aforementioned questions (except the last one) to answer a more specific question, which is the leading thread of her work: Did Hegel Hold an Identity Theory of Truth? This methodological choice places her volume in a specific field of Hegel studies, which explores the intersections between Hegel’s thought and analytic philosophy (broadly conceived). In parti-

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cular, Miolli’s work situates itself into the debate about the nature of Hegel’s theory of truth. This debate, whose main participants are Thomas Baldwin, Robert Stern, and Christoph Halbig (see chapter ), revolves around the question of whether or not it is possible to consider Hegel as a defender of the identity theory of truth (from now on: ITT). The volume is comprised of five chapters. In the first chapter, Miolli reconstructs the debate concerning the definitions of the ITT and their respective theoretical implications. On the one hand, Miolli discusses the position of the ‘classical’ authors to whom this theory is attributed – Bradley, Frege, the early Russell, and the early Moore. On the other hand, she analyses the recent, more explicit attempts to offer a positive account (but also to highlight the difficulties) of this theory – Baldwin, Candlish, Dodd, Hornsby, Engel, and, with due caution, McDowell. One of the main goals of this survey is to define the meaning of the key-concepts that inform the different versions of ITT, such as: ‘truth’, ‘reality’, ‘thought’, ‘fact’, ‘proposition’, ‘content of thought’, ‘judgment’, ‘content of judgment’, ‘identity’. This preliminary investigation will turn out to be decisive in assessing whether or not Hegel’s position can be interpreted as an ITT. In the second chapter, Miolli reconstructs in detail the debate among Hegel scholars concerning the question of whether or not Hegel was an identity theorist of truth. Miolli classifies the interpreters into three groups (): (i) those who answer the question affirmatively (Baldwin), (ii) those who answer the question negatively (Stern, Levey), and (iii) those who answer affirmatively, but with important restrictions (Halbig, Ellis). This chapter does not only offer an extremely detailed examination of this debate, but it also paves the way for Miolli’s interpretation of Hegel’s theory of truth. From the third chapter on, Miolli explores the meaning that the key concepts – listed in the first chapter – in identity theories of truth assume within Hegel’s philosophical framework. Miolli chooses to focus her analysis on the science of logic – both the extended and the encyclopedic versions (). The argument for such an interpretive choice is explained on pp.  –  and can be roughly summarised as follows: since the whole system is the self-manifestation and self-comprehension of the Idea qua “pure truth”, if we want to know what truth is, we must focus on the logical account of the Idea, because “it is logic, qua realm of pure thought, that exposes ‘truth unveiled, as it is in and for itself’” (). This interpretive move leads to her acknowledgment that: (i) some of the key oncepts of the different versions of ITT (such as ‘fact’ or ‘proposition’) are not properly thematised within Hegel’s texts; (ii) the constitutive concepts of an ITT explicitly thematised by Hegel (such as ‘truth’, ‘reality’, ‘thought’, ‘content of thought’, ‘judgment’, ‘content of judgment’, ‘identity’) assume a very different meaning, which hardly overlaps with the meaning they have in the contemporary debate surrounding ITT. In particular: in the third chapter, Miolli focuses on the notions of ‘thought’ and ‘content of thought’; in the fourth chapter on the notion of ‘identity’; in the fifth chapter on the notions of ‘judgment’ and ‘content of judgment’.

 Thomas Baldwin, “The Identity Theory of Truth”, Mind  ():  – .  Robert Stern, “Did Hegel Hold an Identity Theory of Truth?”, Mind  ():  – .  Christoph Halbig, Objektives Denken. Erkenntnistheorie und Philosophy of Mind in Hegels System (Stuttgart-

Bad Cannstatt, ).  See also Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Science of Logic, translated by George di Giovanni (Cambridge, ), .  The quotation is from Hegel, Science of Logic, .

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In the conclusion, Miolli schematically presents the results of her investigation ( ff.): Hegel’s theory of truth cannot be interpreted as an ITT without necessarily committing an “interpretive mistake” (). As previously stated, by unpacking the relevant concepts in order to answer the leading question of the book, Miolli’s volume aims to offer a global reconstruction of Hegel’s theory of truth. This reconstruction is interpretively in line with the positions of Stern and Levey () and further develops their views. Hegel’s concept of truth (Wahrheit) is, according to them, a technical term which primarily has an ‘ontologic’ connotation (= material truth). This concept is not reducible to the propositional concept of truth, which is at the core of the various versions of ITT. It must be noticed, however, that according to Miolli Wahrheit has both an ontological and an epistemological meaning (see chapter , § .). This leads Miolli to criticise one of Halbig’s main interpretive claims, namely that Hegel would have formulated, beyond a theory of Wahrheit qua material truth, also a theory of Richtigkeit (= correctness), which can safely be compared with contemporary theories of propositional truth (see chapter , in particular §§ . – .). Miolli’s view is rather that Richtigkeit is an inadequate perspective on truth that must be sublated into Wahrheit. It is starting from this interpretive position that Miolli’s reconstruction – at least implicitly – answers the questions which define Hegel’s understanding of truth. What is truth-apt for Hegel? The determinations which are capable of truth (= Wahrheit) are not propositional contents or, much less, subjective acts of thought, but rather contents of thought understood as logical determinations. What does it mean according to Hegel for something ‘to be true’? ‘To be true’, for Hegel, is a gradual feature of ‘logical’ configurations – a feature which has both an ontological and epistemological meaning and is determined within the self-justifying process of self-determination of the logical Idea. ‘To be true’ means, therefore, to express in an adequate way the formal structure of the Idea – defined by Hegel as “the Truth” –, namely the (onto‐) logical structure of reality and, at the same time, the rational structure of thought. What are the ontological and epistemological backgrounds of Hegel’s conception of truth? By virtue of his metaphysics of the Idea, Hegel shares with defenders of the ITT the claim that there is no ontological gap between the contents of thought and reality. However, according to Miolli, this is only a superficial theoretical similarity. As a matter of fact, Hegel articulates this claim differently than the authors who support an ITT ( f.). Is Hegel’s conception of truth still relevant to the contemporary debate? Miolli acknowledges that Hegel’s philosophical framework is different from the framework within which the concept of truth is usually discussed today. However, it is precisely the reconfiguration of key concepts which inform the contemporary theories of truth and, in particular, the ITT, which seems to be – so Miolli – the interesting aspect of Hegel’s theory of truth for the contemporary debate To summarise Miolli’s interpretive position: Hegel’s theory of truth cannot be interpreted as a version of ITT because the key concepts of the various versions of ITT assume in Hegel a substantially different meaning. ‘Truth’ means for Hegel, primarily, a relation of a content to its concept and, more specifically, the process of self-determination in which the concept poses the identity between itself and its reality – this implies that ‘truth’ does not mean a relation between a subjective act of thought and an external reality or between a

 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, The Encyclopaedia Logic (with the Zusätze), translated by T.F. Geraets, W.A. Suchting, and H.S. Harris (Indianapolis et al., ), § .

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content of thought and a fact. ‘Reality’ means for Hegel, primarily, the process of immanent self-differentiation of the Idea – not the totality of the facts. ‘Thought’ means for Hegel, primarily, pure thought, logical thought-determination – not thinkable or, much less, subjective acts of thought. ‘Content’ means for Hegel, primarily, logical content, the content that logical forms have qua logical forms – not propositional content. ‘Judgment’ means for Hegel, primarily, a peculiar relation between the determinations of the concept (universality, particularity, singularity) – not something like the act of affirming or denying a proposition. Hegel’s notion of ‘identity’ cannot be reduced to the static ‘identity’ which seems to be at the core of the ITT. Lastly, ‘fact’ and ‘proposition’ are terms which, as noticed above, do not have in Hegel a positive philosophical meaning for his theory of truth. I cannot do justice to the entire reconstruction put forward by Miolli here or its merits. Miolli manages to reconcile philological attention to Hegel’s texts and the capacity to relate the internal reconstruction of Hegel’s notion of truth with the relevant contemporary debates about the concept of truth. There is maybe one aspect of her analysis that deserves further reflection. As mentioned above, Miolli narrows the scope of her reconstruction to the logical sphere. This focus runs the risk of excluding the possibility that the sphere of the empirical thought and of the finite, ‘real’ (real) concretisations of the logical thought-determinations could constitute a relevant field of inquiry for those who are interested in reconstructing Hegel’s notion of truth – Miolli seems to be aware of this risk (see  –  and chapter , §§ . and .). However, I wonder whether this selective interpretive attitude is not at odds with the ontological and epistemological presuppositions that Miolli attributes to Hegel, in particular with the thesis according to which the logical element concretely informs the structures described by Hegel in the so called Realphilosophie. For example: can we narrow the truth-apt content exclusively to the logical content (= the logical form) and overlook the ‘real’, more ‘concrete’ – and also ‘empirical’ – modalities in which this content is instantiated? Following this line of thought, one might also ask whether this does not have any consequences with respect to the possibility of also finding in Hegel a ‘theory’ (at least an implicit one) of the Richtigkeit. I do not have a ready-made answer to these issues. Moreover, I concede that they might turn out to be unjustified or to already be solved in a manner consistent with Miolli’s interpretive framework. Regardless of this, Miolli’s book deserves to be welcomed as a valuable contribution and to be considered with great attention. Federico Sanguinetti Rio de Janeiro State University (UERJ)

Burkhard Nonnenmacher. Hegels Philosophie des Absoluten. Eine Untersuchung zu Hegels „Wissenschaft der Logik“ und reifem System. Tübingen: Mohr Siebeck, .  S. Nonnenmachers Untersuchung – eine Überarbeitung seiner Dissertation von , die an der LMU München angefertigt wurde – hat drei Teile. Nach einer umfangreichen Einleitung thematisiert der erste Teil ( – ) den „Weg zum Programm einer absoluten Einheit von Ausgedrücktem und Ausdruck“. Hier werden mit Spinoza, Leibniz und Kant wichtige Vorläufer Hegels untersucht, insbesondere wird der zunächst merkwürdig er-

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scheinende Terminus ‚Ausdruck‘ für die Selbstmanifestation des Absoluten im philosophischen System Hegels durch seine begriffliche Vorgeschichte bei Leibniz und Spinoza geklärt. Nonnenmachers Argument dafür, ‚Ausdruck‘ der ‚Darstellung‘ vorzuziehen, besagt, dass im Ausdruck das Ausgedrückte präsent ist, was in der Darstellung mittels eines Repräsentanten nicht der Fall sei. Der zweite Teil, „Hegels Logik und System des Absoluten. Versuch einer Skizze“ ( – ), unternimmt eine auf das Wesentliche eingehende Rekonstruktion der Gesamtstruktur von Hegels reifer Logikkonzeption. Die schon im ersten Teil thematisierte Einheit von Ausdruck und Ausgedrücktem, bzw. von Absolutem und seiner manifestierenden (Selbst‐)Darstellung im System, wird hier vertieft – insbesondere im Rückgriff auf Leibniz’ Gedanken der monadischen Perspektive als Ausdruck des Universums –, ebenso werden die Dialektik von Ganzem und Teil, die absolute Idee, das System als Kreis und das Verhältnis der Logik zur Realphilosophie skizzenhaft und zutreffend rekonstruiert. Der dritte Teil, „Die Durchführung des Entwickelten in den wesenslogischen ‚Reflexionsbestimmungen‘“ ( – ), behandelt mit ‚Identität‘, ‚Unterschied‘, ‚Verschiedenheit‘, ‚Gleichheit‘, ‚Ungleichheit‘, ‚Gegensatz‘, ‚Widerspruch‘ und ‚Grund‘ zentrale Kategorien des Wesens. Den Abschluss der Arbeit bilden ein kurzes Resümee sowie der wissenschaftliche Apparat. Nonnenmachers Studie widmet sich also der reifen Philosophie Hegels und geht davon aus, dass ihr Gegenstand das Absolute ist (). Dieses sei nach wie vor Thema der Philosophie, da sie nach „höchsten und letzten Prinzipien“ () suche. Hegel stehe damit in der Tradition einer konsequenten Aufklärung (), und dies mache seine Aktualität aus. – Dem stimmen sicherlich die wenigsten Philosophen der Gegenwart zu. Auch bei jenen Philosophen, die sich Hegel anschließen – z. B. aus dem englischsprachigen Raum: Brandom, Pippin, Pinkard, McDowell, Priest –, wird meist ein Absolutes, das höchstes Prinzip ist, ausgeblendet oder so uminterpretiert, dass es zwar mit gegenwärtigen philosophischen Bedürfnissen kompatibel ist, aber kaum noch als höchstes oder letztes Prinzip im Sinne Hegels durchgehen kann. Nonnenmacher berücksichtigt die genannten Hegelianer nicht. Nonnenmachers These besagt: Die Darstellung des Absoluten ist ihm nicht äußerlich, da eine solche Trennung eine Verendlichung des Absoluten bewirken würde, bei der Darstellung und Dargestelltes (oder Ausdruck und Ausgedrücktes) voneinander unabhängig und einander begrenzend wären. Die Darstellung ist dem Absoluten daher wesentlich und immanent. Somit ist das philosophische System eine Selbstdarstellung des Absoluten, seine ihm essentielle, begreifende Selbstbezüglichkeit. Ebenso dürfe das Absolute als ein Unendliches, das nichts außer sich haben kann, dem Endlichen nicht äußerlich ausschließend gegenüberstehen, weil es sonst ebenfalls begrenzt wäre. Es dürfe aber auch nicht verendlicht werden. Die Dialektik besteht also darin, das Absolute als endlich-unendlich und seine Darstellung im philosophischen System als seine selbstbezügliche Manifestation zu begreifen, eben als Ausdruck. Das gesamte System und damit jeder seiner Teile, seine Stufen und Momente, ist eine geistige Selbstexplikation absoluter Selbstbezüglichkeit. Dieser klaren und deutlichen These Nonnenmachers ist natürlich vollumfänglich zuzustimmen. Nonnenmacher möchte eine immanente Rekonstruktion von Hegels Systemgedanken des Absoluten leisten, die allererst die Voraussetzungen für eine angemessene Kritik erarbeitet ( ff.). Es geht darum nachzuvollziehen, was Hegel wie denken will. Nonnenmacher verteidigt daher Hegel vor äußerlicher Kritik; bevor die selbstbezügliche Manifestation des Absoluten nicht begriffen sei, müsse Kritik an ihm äußerlich bleiben, und auch jene HegelKritik bleibe äußerlich, die sich nicht auf seine Grundgedanken einlässt. – Doch kann es,

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wenn Hegel korrekt sein sollte, überhaupt äußerliche Kritik an ihm geben? Wenn Hegels System des Absoluten als Manifestation von Allem tatsächlich vollständig ist, dann muss er alle mögliche Kritik schon mitgedacht haben und dann muss jede nach ihm geäußerte Kritik sich schon in seinem System finden. Wenn das aber der Fall ist, dann gibt es gar keine äußerliche Kritik an Hegel. Gäbe es also eine äußerliche Kritik an Hegel, d. h. eine unabhängig von seinen Gedanken vorgetragene Kritik, wäre er widerlegt. Es ist klar, dass Kritik, auch äußerliche Kritik, hier in einem seriösen Sinne mit gedanklich-argumentativem Niveau gemeint ist, die philosophisch Relevantes vorbringt; Geschmacksurteile, Gefühlsbekundungen, unphilosophische Ansichten und falsche Vorurteile zählen nicht. Eine Hegel-Kritik, die () Hegels Grundgedanken nicht teilt, () gedanklich-argumentatives Niveau hat und () sich in seinem eigenen System nicht findet, dürfte aber leicht aufzufinden sein. Z. B. kann man mit dem späten Schelling, mit Heidegger, Russell oder Wittgenstein leicht eine derartige Hegel-Kritik zustande bringen. Bezüglich des zweiten Teils ergibt sich eine interessante Fragestellung ( f.). In diesem Teil der Studie werden wesentliche Bestimmungen aus Hegels Logik skizziert, um den Gedanken des Ausdrucks des Absoluten weiter zu plausibilisieren. Gleichwohl, natürlich von Nonnenmacher auch gesehen, erfordert die Manifestation des Absoluten, sofern sie wirklich sein soll, auch Vollständigkeit, also kein Teil, kein Moment darf fehlen. Daher muss jede Skizze von Hegels Logik oder auch des ganzen Systems unangemessen bleiben, kann also nicht wirklich die Manifestationsbewegung darstellen. Eine ähnliche Problemkonstellation ergibt sich auch für den dritten Teil der Studie, der die gedankliche Bewegung des Unterschieds zum Grund am Anfang der Wesenslogik skizzierend nachvollzieht. In Bezug auf diesen Teil reflektiert Nonnenmacher das Problem nochmals in seinem Schlussresümee ( f.). Darf man überhaupt Hegels Logik und dann auch das ganze System skizzieren? Wegzulassen liegt im Wesen jeder Skizze. Das Problem wird deutlich, wenn Nonnenmacher schreibt, dass er das System „zunächst einmal im Ganzen skizzierte [= Teil ; R.S.] und daran anschließend dann den Versuch unternahm, eine kleinere Passage seiner konkreten Realisierung zu rekonstruieren [= Teil ; R.S.]“ (). Es ist klar, dass Nonnenmachers Darlegungen die entscheidenden Gedanken Hegels zutreffend und erhellend erfassen. Aber das sachliche Problem bleibt: Nicht nur das Ganze muss skizziert werden, auch die Rekonstruktion der kleineren Passage – in Nonnenmachers Fall immerhin die wesenslogische Bewegung vom Unterschied zum Grund – muss bis zu einem gewissen Grad immer skizzenhaft bleiben. Beim Absoluten darf aber nichts weggelassen werden, man würde sonst äußerlich. Das ist auch hinsichtlich der Vermittlung von Hegels System bzw. hinsichtlich der gesamten Hegel-Forschung relevant, man darf es eigentlich nie nur skizzieren. Man darf auch nicht einfach Abschnitte herauspicken und diese abgetrennt darlegen, denn dann verkennt man das Herkommen und die Weiterentwicklung (also die Wahrheit) des jeweiligen Ausschnitts, verfehlt also seinen Sinn. Die Skizze ist Darstellung mittels eines Repräsentanten, nicht mehr Ausdruck in Nonnenmachers Sinn. Hegel selbst hat natürlich auch skizziert, denn er hat sein System nicht vollendet, die Enzyklopädie stellt nur eine Skizze für den Lehrbetrieb an der Universität dar; ausgeführt sind nur einzelne Teile des Systems. Doch dieser Verweis ist noch keine Lösung des genannten Problems; er macht es eher umso schlimmer. Wenn es nicht einmal Hegel selbst gelungen ist, die vollständige Manifestation des Absoluten nachzuvollziehen, was sollen wir, die Hegel-Forscher, dann erst machen? Man muss sich wohl mit der Skizze und dem Fragment in der sicheren Ahnung begnügen, dass es dahinter und davor noch vieles zu denken gibt, man mit dem Denken – wohl glücklicherweise – nie fertig ist.

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Fazit: Nonnenmachers Studie ist eine solide Untersuchung und durch ihre klare und deutliche Argumentation eine Bereicherung der Hegel-Forschung. Hier und da hätte die Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur ausführlicher sein können, einige wichtige gegenwärtige Hegelianer wurden leider gar nicht berücksichtigt. Auch eine Berücksichtigung des Bandes von Fulda, Theunissen und Horstmann, Kritische Darstellung der Metaphysik. Eine Diskussion über Hegels „Logik“ (Frankfurt a. M., ), ist ein Desiderat, denn dort wird reflektiert, inwiefern bei Hegel Darstellung Kritik ist, was auf den Gedankengang Nonnenmachers, dass das Absolute sich in seiner Darstellung in selbstbezüglicher Manifestation bildet, ein bereicherndes Licht wirft, da die Manifestationsbewegung des Absoluten somit auch ein Projekt kritischen Philosophierens ist. Rainer Schäfer Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Filippo Ranchio. Dimensionen der zweiten Natur. Hegels praktische Philosophie. Hegel-Studien, Beiheft . Hamburg: Felix Meiner, .  S. Der Begriff der zweiten Natur erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance, nicht nur, aber vor allem in der Hegel- oder zumindest hegelaffinen Forschung. Der letzte Stuttgarter Hegel-Kongress widmete sich ausschließlich diesem Begriff, was durchaus als Zeichen dafür verstanden werden kann, dass die Beschäftigung mit ihm noch längst nicht vorüber ist. Dies ist aus sachlichen Gründen überaus erfreulich, denn so häufig dieser Begriff gegenwärtig in sozialphilosophischen, anthropologischen, subjekttheoretischen, naturphilosophischen und sogar ästhetischen Kontexten Verwendung findet, so selten wird er dabei in seinen unterschiedlichen Bedeutungen ausreichend geklärt. Einen wichtigen Beitrag zur Klärung dessen, was bei Hegel unter zweiter Natur zu verstehen ist, stellt das Buch von Filippo Ranchio dar. Im Unterschied zu den meisten Untersuchungen, die zu diesem Gegenstand vorliegen, bezieht Ranchio sich in seiner präzisen Arbeit nicht allein auf die einschlägigen Stellen aus der Rechtsphilosophie und der Anthropologie, an denen Hegel den Begriff der zweiten Natur explizit verwendet; er zeigt vielmehr, dass Hegel von seinen frühen Schriften über die Jenaer Systementwürfe, die Phänomenologie des Geistes bis zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts und der Enzyklopädie in variierenden Ansätzen der Sache nach stetig versucht hat, das Problem der zweiten Natur einer Lösung zuzuführen. Dadurch steht Ranchios Arbeit auf einer sehr viel breiteren Textbasis als dies bei Arbeiten zur zweiten Natur sonst der Fall ist. Worin besteht aber nun das Problem der zweiten Natur? Der Begriff der zweiten Natur ist – aus Ranchios Perspektive – für Hegel selbst die Lösung eines Problems, nämlich das der Verhältnisbestimmung von Natur und Geist. Diese Verhältnisbestimmung ist deswegen ein Problem, weil das moderne, an Kant anschließende Verständnis des menschlichen Geistes die Natur nur als geist- und bedeutungslos begreifen kann, der Geist sich aber andererseits schon in der Natur ahnt, animalische Lebensformen

 Eine andere Arbeit zu Hegels Begriff der zweiten Natur, die über eine vergleichbare Textbasis verfügt und ebenso lesenswert wie Ranchios Buch ist, stammt von Maik Puzic: Spiritus sive Consuetudo. Überlegungen zu einer Theorie der zweiten Natur bei Hegel (Würzburg, ).

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bereits etwas von menschlicher Subjektivität vorwegzunehmen scheinen. Dadurch entsteht das Rätsel der Natur: Sie ist einerseits als organische lebendige Natur schon frei und mit einer basalen Spontaneität ausgestattet, sie ist aber zugleich noch nicht frei genug, um die Freiheit eines geistigen Wesens darstellen zu können. Der Geist ist immer das Andere der Natur und kann nicht aus der ersten Natur abgeleitet werden, so Hegel. Die Aufgabe der Philosophie des Geistes besteht dann in Folgendem: „Sie soll die Entstehung geistiger Formen aus der Dialektik des organischen Lebens unter der Bedingung erklären, dass der Geist nicht bloß wie Leben existieren kann.“ () Dabei darf die Philosophie nicht hinter das moderne Verständnis des menschlichen Geistes als autonom zurückfallen. Hegels Theorie der zweiten Natur entwickelt in unterschiedlichen Schritten eine Lösung für dieses Problem – die Ranchio sehr detailliert rekonstruiert –, die jedoch selber ihrerseits in neue Probleme führt. Ranchios zentrales Argument lautet: Der menschliche Geist kann sich nur dann als das entfalten, was er ist – nämlich frei –, wenn er sich auf doppelte Weise verleiblicht; er muss einerseits die menschliche Natur formen, also über einen Körper verfügen können, der sich willentlich bestimmen lässt, er muss sich aber andererseits ebenfalls in den gesellschaftlichen Institutionen niederschlagen, in denen sich das Leben der einzelnen Subjekte nur vollziehen kann. Ranchio unterscheidet deswegen konsequenterweise zwischen einer subjektiven und einer objektiven Dimension der zweiten Natur. Als subjektive Dimension gilt die Stabilität, die ein menschliches Selbstbewusstsein im Laufe seiner Genese gegenüber und mit seiner körperlichen Natur erhält. Dies wird von Ranchio vor allem an Hegels Begriff der Gewohnheit illustriert. Um autonom entscheiden und handeln zu können, müssen menschliche Subjekte einen Bildungsprozess durchlaufen, in dem sie durch die Entwicklung von Gewohnheiten zuerst dazu in die Lage kommen, überlebenswichtige Handlungen wie Gehen, Stehen, Essen, Sprechen etc. zu vollziehen. Auf der Grundlage dieser Gewohnheiten können dann weitere und komplexere Handlungsformen entwickelt werden. Gewohnheiten haben einen Doppelcharakter: Einerseits haben sie die Funktion der Befreiung, indem sie menschliche Subjekte dazu in die Lage versetzen, über ihren Körper verfügen zu können, so dass sie nicht mehr dem Drängen ihrer eigenen Natur ausgeliefert sind. Dies verleiht menschlichen Subjekten erst die nötige Stabilität, um sich dann autonom und selbstbestimmt auf die Welt beziehen zu können, und wird so zu ihrer zweiten Natur. Andererseits können Gewohnheiten als beständige Wiederholungen der immer gleichen Handlungen die auf Spontaneität angewiesene Verwirklichung menschlicher Freiheit gerade einschränken und blockieren. Bereits in seiner subjektiven Dimension zeigt sich der Doppelcharakter der zweitnatürlichen Bestimmung des menschlichen Geistes: Als zweite Natur ist er etwas durch den Geist und damit durch sich selbst Hervorgebrachtes, eben gerade keine bloße Natur; als zweite Natur verselbständigt sich der menschliche Geist gegenüber seinen Trägern und wird zu etwas Mechanischem, das deswegen zwar immer noch nicht bloße Natur, stattdessen aber wie Natur ist. Dieses von Hegel herausgearbeitete Problem wird auch an der objektiven Dimension der zweiten Natur deutlich: Ranchio zeigt in seiner Lektüre der Phänomenologie des Geistes, dass das menschliche Selbstbewusstsein notwendig als praktisch verstanden werden muss, da es ohne die Erfahrung der Selbstbestätigung und der Begrenzung, die es nur in der Beziehung zu einem anderen Selbstbewusstsein machen kann, nicht existieren könnte. Damit erhält das menschliche Selbstbewusstsein aber notwendig einen intersubjektiven und sozialen Index. Es wird nur zu dem, was es ist (und sein soll), in einem ihm bereits vorausgesetzten Rahmen sozialer Institutionen. Subjektive und objektive zweite

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Natur sind also so miteinander verbunden, dass sich die subjektive zweite Natur nur innerhalb des bereits unabhängig von jedem noch werdenden Subjekt bestehenden institutionellen Rahmens, und zwar in der Gewöhnung an diesen, herausbilden kann. Die gesellschaftlichen Institutionen sind als objektive zweite Natur jedoch darauf angewiesen, dass die an ihnen partizipierenden Subjekte sie in ihrer Praxis als vernünftig anerkennen und reproduzieren. Wie im Falle der subjektiven zweiten Natur gibt es auch bei der objektiven zweiten Natur ein notwendiges Maß an Verselbständigung: Würde eine Institution durch jede einzelne in ihr vollzogene Handlung in Frage gestellt, könnte sie nicht existieren und so den Subjekten auch nicht als Verwirklichung ihrer Freiheit dienen. Aber auch hier kann die Verselbständigung der Institutionen dazu führen, dass sie auf die Subjekte nur noch eine repressive Wirkung haben, sie sich also von ihnen entkoppeln und von den Subjekten nicht mehr als Verwirklichung, sondern nur noch als Einschränkung ihrer Freiheit verstanden werden können. Indem Ranchio die Vermittlung von subjektiver und objektiver zweiter Natur aufzeigt, wird es möglich, den beide Dimensionen des zweitnatürlichen endlichen Geistes durchziehenden dialektischen Konflikt zwischen Freiheitsermöglichung und Realisierung einerseits und Repression und Beschränkung andererseits als etwas zu begreifen, das den endlichen Geist zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt seiner Existenz auszeichnet. Damit wird die zweite Natur selbst aber zu einem Problem, das nicht in dem Sinne gelöst werden kann, dass der beschriebene dialektische Konflikt schlicht aufgehoben werden könnte. Ranchio zufolge ging Hegel im Rahmen seiner Geschichtsphilosophie noch davon aus, dass eine abschließende Versöhnung dieses Konflikts nicht nur möglich, sondern zu seinen eigenen Lebzeiten bereits wirklich geworden sei. Dies markiert jedoch den Punkt, an dem Ranchio die Rekonstruktion der hegelschen Überlegungen verlässt und zu einer an die neuere Frankfurter Hegel-Rezeption von Axel Honneth und Christoph Menke anknüpfenden Deutung von Hegels Theorie der zweiten Natur übergeht, der zufolge es nicht darum gehen kann, sich von der subjektiven wie objektiven zweiten Natur in ihren verselbständigten Formen zu befreien, sondern dass menschliche Autonomie gerade darin besteht, sich innerhalb des beschriebenen Konflikts frei zu bewegen. Das impliziert, dass gesellschaftliche Institutionen sich daran messen lassen müssen, ob sie dazu in der Lage sind, sich zu transformieren, wenn die Subjekte, deren Freiheit in ihnen und durch sie realisiert werden soll, sie nicht länger als vernünftig, bzw. als Ausdruck ihrer Freiheit, anerkennen können. So wird in die zweite Natur ein dynamisches Moment eingetragen, das die praktische Stillstellung des beschriebenen Konflikts gerade verhindern soll, weil es menschliche Freiheit ohne diesen Konflikt nicht geben kann. Ranchios Rekonstruktion des hegelschen Begriffs der zweiten Natur ist als überaus gelungen zu bezeichnen. Sein Versuch, die kritischen Potentiale des hegelschen Denkens für eine gegenwärtige Sozialphilosophie herauszuarbeiten und sich dabei gleichzeitig gegen reduktive Naturalisierungs- wie Sozialisierungsversuche des hegelschen Begriffs der zweiten Natur abzugrenzen, ist überzeugend und konsequent. Allerdings besitzen Ranchios Überlegungen so viel Potential, dass mir seine Selbsteinordnung in die aktuellen Frankfurter Hegel-Lesarten etwas vorschnell zu sein scheint. Über diese weist Ranchios Arbeit nämlich insofern hinaus, als sie den Begriff der zweiten Natur in seinen Tiefendimensionen

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so präzise erschließt, dass neuere sozialphilosophische Überlegungen dort eine reiche Quelle finden können, um eigene zu einseitige Verständnisse dieses Begriffs zu korrigieren. Philip Hogh Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

León Rozitchner. Hegel psíquico I (del alma) [Hegel als Psychologe I (der Seele)]. Buenos Aires: Biblioteca Nacional, .  S. Es ist bekannt, dass Hegels Psychologie keine prominente Rolle in der Forschung spielt. Wir beziehen uns mit dieser Aussage nicht so sehr auf die Psychologie im dritten Teil der Philosophie des subjektiven Geistes, sondern vor allem allgemeiner auf die nicht direkt miteinander zusammenhängenden Reflexionen Hegels über verschiedene Themen, die man heutzutage als Teil der Psychologie – auch im Sinne einer von der Philosophie unabhängigen Disziplin – betrachtet. Diese Themen, die Hegel eher in seiner Anthropologie als in seiner Psychologie angeht, beinhalten das Gedächtnis, die Träume, die Beziehung des Bewusstseins zu seinem Leib, die Sexualität, die Geisteskrankheiten usw. Obwohl man in den letzten Jahrzehnten durchaus ein zunehmendes Interesse für diese Themen in der Fachliteratur finden kann, gibt es noch viel in diesem Bereich zu erkunden. Dies ist v. a. in der lateinamerikanischen Forschung dringend, weil es dort noch besonders wenige Arbeiten über diesen Aspekt des hegelschen Werkes gibt. Das jüngst erschienene Buch von León Rozitchner ( – ) Hegel psíquico I (del alma) kann in diesem Kontext als ein entscheidender Beitrag dazu betrachtet werden, die Diskussion der hegelschen Psychologie in Lateinamerika voranzutreiben. Das Buch enthält eine unveröffentlichte Schrift, in der der argentinische Philosoph einen Kommentar zur Anthropologie in der Enzyklopädie von  (§§  – ) vorlegt. Die Herausgeber weisen darauf hin, dass Hegel psíquico I (del alma) nur der erste Teil dieser unveröffentlichten Schrift ist und dass es noch zwei weitere Teile gibt, deren Inhalt nicht vorweggenommen werden soll. Rozitchner kommentiert den hegelschen Text aus einer originellen Perspektive. Hegel psíquico I (del alma) stellt keine systematische Studie dar, die von einem Experten in der

 Eine wichtige Vorarbeit ist die ins Englische übersetzte und kommentierte Ausgabe der Philosophie des subjektiven Geistes von Michael John Petry: Hegels Philosophie des subjektiven Geistes / Hegel’s Philosophy of Subjective Spirit, herausgegeben und übersetzt mit einer Einleitung und Erläuterungen von M. J. Petry,  Bände (Dordrecht, ). Unter den neueren Arbeiten sind die folgenden zu finden: Hans Friedrich Fulda, „Anthropologie und Psychologie in Hegels ‚Philosophie des subjektiven Geistes‘“, in: Idealismus als Theorie der Repräsentation?, herausgegeben von Ralph Schumacher (Paderborn, ),  – ; Dirk Stederoth, Hegels Philosophie des subjektiven Geistes. Ein komparatorischer Kommentar (Berlin, ); David S. Stern, Hg., Essays on Hegel’s Philosophy of Subjective Spirit (New York NY, ). Susanne Herrmann-Sinai und Lucia Ziglioli, Hgg., Hegel’s Philosophical Psychology (New York NY, ).  Als Ausnahmefall kann man den wertvollen Beitrag von Daniel Brauer erwähnen: „La contradicción de la razón consigo misma. Reflexiones en torno a la concepción de la locura en la Antropología de Hegel“, Revista Latinoamericana de Filosofía, XXXV, ():  – .  Rozitchner war ein argentinischer Philosoph, der durch die marxistische Philosophie, die jüdische Tradition, die freudsche Psychoanalyse, die Phänomenologie von Merleau-Ponty und den französischen

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einschlägigen Hegel-Literatur verfasst worden wäre, um unser Hegel-Verständnis zu erneuern, denn Rozitchner hatte sich bis zu diesem Text mit der Philosophie Hegels nur oberflächlich beschäftigt. Er unternimmt in seinem Buch keine Literaturrecherche zur hegelschen Anthropologie. Das Buch ist eher das Ergebnis eines virtuellen Dialogs des Verfassers mit dem deutschen Philosophen bezüglich gemeinsamer philosophischer Gedanken und Probleme: Die Natur der Seele, die Leiblichkeit, der Übergang zum kulturellen Leben, die Bildung des Subjekts u. ä. Rozitchner wendet sich vor allem aber an Hegel, um das Problem zu lösen, wie die Subjektivität „in einem empfindungsfähigen Leib bei der Geburt erzeugt wird und bis zu ihrer Einbindung in ein allumfassendes, symbolischrationales System [un sistema simbólico-racional totalizante]“ fortschreitet (). In der hegelschen Anthropologie findet Rozitchner Überlegungen, die seiner späteren philosophischen Perspektive erstaunlich ähnlich sind, wie z. B. sein „verträumter Materialismus“. Er verfolgt dort besonders die leiblich-sensible Beziehung zwischen Mutter und Kind als archaische Grundlage aller Subjektivierung und Aufnahme in die Kultur (). Aber die hegelsche Anthropologie enthüllt auch – so Rozitchners originelle Auslegung, die offensichtlich aus freudscher Perspektive erfolgt – die zunehmende Verdrängung dieser ursprünglichen Identifikation mit der Mutter als Bedingung für die Einführung des Kindes in die Rationalität sowie in die soziale Rolle des Staatsbürgers. Rozitchner liest Hegel gleichzeitig mit Bewunderung und Misstrauen; er bewundert die Komplexität des hegelschen Idealismus, aber diese Komplexität und sein allumfassender Anspruch widerstreben ihm gleichermaßen ( f.). Der größte Teil des Buches umfasst den Abschnitt, der unmittelbar auf die kurze Einleitung folgt, und dessen Titel „I. Enciclopedia de las ciencias filosóficas [I. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften]“ lautet ( – ). Der Verfasser kommentiert dort nacheinander die verschiedenen Aspekte der hegelschen Anthropologie: Die Seele, die natürliche Seele, die natürlichen Qualitäten, die natürlichen Veränderungen, die Empfindung, die psychische Physiologie, die fühlende Seele und dabei besonders die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit, wo Hegel über die Mutter spricht und auf die die umfangreichste Passage des Kommentars entfällt. Danach analysiert er das Selbstgefühl und die Gewohnheit. Der Band endet mit einem kurzen Anhang „Leyendo la Fenomenología del

Existenzialismus sowie Strukturalismus, obwohl er diesen zugleich auch scharf kritisierte, stark beeinflusst wurde. Seine Hauptwerke sind Moral burguesa y revolución [Bürgerliche Moral und Revolution] (Buenos Aires, ), Ser judío [Jude sein] (Buenos Aires, ), Freud y los límites del individualismo burgués [Freud und die Grenzen des bürgerlichen Individualismus] (México D.F., ); Perón: entre la sangre y el tiempo [Perón: Zwischen dem Blut und der Zeit] (Buenos Aires, ), Freud y el problema del poder [Freud und das Problem der Macht] (Losada, ), La Cosa y la Cruz. Cristianismo y Capitalismo [Das Ding und das Kreuz. Christentum und Kapitalismus] (Buenos Aires, ) und in jüngerer Zeit Materialismo ensoñado [Verträumter Materialismus] (Buenos Aires, ). Seine intellektuelle Produktivität war vom Peronismus geprägt, von den revolutionären Ereignissen in den er und er Jahren in Lateinamerika und von dem während der Bürger- und Militärdiktatur in Argentinien ( – ) erzwungenen Exil. Er konnte  nach Argentinien zurückkehren, wo er bis zu seinem Tode  lebte. Sein Tod löste eine Reihe kritischer Studien zu seinem Werk aus sowie die Neuauflage seiner kompletten Werke durch die argentinische Nationalbibliothek. Siehe insbesondere das Buch, das Beiträge beinhaltet, die im August  auf Tagungen im Gedenken an den Philosophen an der Nationalbibliothek Argentiniens vorgetragen wurden: Bruno Bosteels et al., Hgg., León Rozitchner. Contra la servidumbre voluntaria (Buenos Aires, ). In diesem Kontext wurde der vorerst letzte Band von Rozitchners Werken veröffentlicht, nämlich Hegel psíquico I (del alma).  Rozitchner, Materialismo ensoñado (Buenos Aires, ).

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espíritu [Beim Lesen der Phänomenologie des Geistes]“, wo Rozitchner die „Enstehung des subjektiven Raumes im Leibe“ () zu verstehen versucht, und zwar über das Kapitel III der Phänomenologie des Geistes „Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt“. Im Anhang legt er die überraschende Interpretation vor, dass sich dieses Kapitel als systematische Fortführung der Reflexionen über das Mutter- und Vaterverhältnis mit dem Kinde lesen lasse, dem er sich zuvor in der Anthropologie zugewandt hatte: Das Sinnliche entspricht der archaischen Identifikation mit der Mutter, und das Übersinnliche soll die neue Welt charakterisieren, die für das werdende Subjekt über den Vater zugänglich wird ( f.). Der Anhang endet mit zwei Seiten, die dem Kapitel über Religion in der Phänomenologie des Geistes gewidmet sind. Die Hauptschlüsse, die Rozitchner aus seiner Untersuchung zieht, sind folgende: Das Mutter-Kind-Verhältnis hinterlässt die erste subjektiv-psychische Spur beim Subjekt. Die Mutter ist, in den Worten Hegels, „der G e n i u s des Kindes“ (GW : §  Anm.). Es ist eine passive, symbiotische, archaische und identitätsstiftende Bestimmung, die zwar geleugnet, aber nicht eliminiert werden sollte: Sie bleibt unbewusst erhalten und erzeugt unsichtbare Wirkungen ( f.). Rationalität entsteht durch Ausschließung der Mutter. Der „rationale Genius“ des Vaters wird sich schließlich, so Rozitchner mit Hegel, gegen den „sensiblen und empfindsamen Mutter-Genius“ stellen (). Auf diese Weise eröffnet sich nach und nach ein Raum der Rationalität, der durch die irreversible Trennung des Kindes vom Mutterleib entsteht, obwohl der Leib der Mutter eine bleibende Spur hinterlässt, das „reine Unbewusste“ (). Der Traum, der Wahnsinn, die Geisteskrankheit, das Schlafwandeln und die Hypnose (alles Themen, die Hegel in seiner Anthropologie in Angriff nimmt) sind verschiedene Wege, durch die das Unbewusste für Rozitchner erscheint: „Das erste Auftauchen des Bewusstseins – der rationale Genius – setzt das Dasein eines empfindsamen und sensiblen Feldes voraus, den Gefühlszustand, dessen unbewusste Grundlage der Mutter-Genius ist. Das hegelsche Unbewusste ist ein alles erfüllender Gemüts- und Triebzustand, dessen Grundordnung aus der passiven und symbiotischen Spur des psychischen und empfindsamen Mutterleibes geprägt wird“ (). Das denkende Individuum, dessen Bewusstsein durch die Vernunft bestimmt ist, erfährt seine archaische, unbewusste Grundlage, wenn es psychisch krank ist. „Das Unmittelbare besteht bei ihm zusammen mit dem Vermittelten fort“, behauptet Rozitchner und fragt sich: „Ist die [Geistes‐]Krankheit das Auftauchen des Mutter-Genius ohne Vermittlung, ohne Form oder Zustand, der in das Bewusstsein nicht eingegliedert, nicht überwunden wurde?“ () Meiner Ansicht nach besteht der größte Wert von Rozitchners posthumem Werk darin, dass es sich auf dem Gebiet des hegelschen Systems von einem Fachkommentar entfernt. Obwohl es deshalb wahr ist, dass Hegel psíquico I (del alma) kein Fachkommentar ist, ist es doch auch nicht weniger wahr, dass Rozitchners essayistischer Stil und seine eindringlichen Überlegungen eine genuine Auslegung des hegelschen Textes hervorbringen, die sowohl das Interesse eines breiten Publikums wie auch das des Fachpublikums für einen wenig analysierten – deshalb aber nicht weniger interessanten – Teil des hegelschen Werkes wecken kann. Eduardo Assalone Universidad Mar del Plata

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Tatjana Sheplyakova. Öffentliche Freiheit und Individualität. Hegels Kritik des moralisch-juridischen Modells politischer Kultur. Berlin: Duncker & Humblot, .  S. Recht, Moral, Freiheit, Gleichheit, Autonomie – all diese Größen erhalten unter der Vorgabe einer Trennung oder Entzweiung von Öffentlichkeit und Privatheit, Individuum und Gesellschaft eine spezifische Bedeutung, die sich wesentlich von jener unterscheidet, die sie unter der gegenteiligen Annahme einer wechselseitigen Konstitution von Öffentlichkeit und Privatheit, Individuum und Gesellschaft besitzen. Vom Standpunkt der wechselseitigen Konstitution aus ergeben sich ferner zwei Perspektiven möglicher Kritik an Entzweiung: Zum einen die Ebene – zumindest aus der Perspektive des Kritikers – tatsächlich daseiender Verhältnisse, die durch Entzweiung geprägt sind, zum anderen die Ebene der theoretischen Reflexion und ggf. Konstitution dieser Entzweiung durch fehlgehende Theorie. Ein Theoretiker wechselseitiger Konstitution kann dagegen kaum von einer scharfen Trennung beider Seiten ausgehen. Und schließlich stellt sich die Frage nach den Konsequenzen einer solchen Kritik, die wiederum einerseits theoretisch auf das Zurückweisen fehlgehender Theorie hinauslaufen oder aber praktisch in politischen Forderungen bzw. der Forderung nach Politisierung münden kann, wobei letztlich auch hier beide Seiten in ihrer Wechselwirkung zu betrachten wären. In dieses Dickicht ineinander verschlungener Problemlagen, Inhalte und je nach theoretischem Standpunkt changierender Begriffsbestimmungen dringt Sheplyakova vor, und zwar auf Grundlage von Hegels Naturrechtsaufsatz (GW :  – ), innerhalb dessen sich – in freilich keineswegs anspruchslosem Arrangement – all diese Schichten auffinden lassen. Dabei beschäftigt sich das erste der drei etwa gleich starken Kapitel der Arbeit, in dem zunächst der Naturrechtsaufsatz rekonstruiert wird, mit Hegels Diagnose seiner Zeit: der Entzweiung, der Entpolitisierung und der Pervertierung des Verständnisses von Größen wie Freiheit, Recht und Moral. Im Fokus steht hierbei einerseits Hegels Kritik an den in seinen Augen tatsächlichen Verhältnissen und andererseits Hegels Vorstellung der historischen Genese dieser Verhältnisse, deren Thematisierung wiederum auf die Verdrängung naturrechtlicher Argumentationen zugunsten einer Konzeption der Geschichtlichkeit des Rechts verweist (). Schließlich wird, soweit möglich, Hegels Gegenkonzept wechselseitiger Konstitution herausgearbeitet, d.i. eine „Perspektive auf das Recht“, die „sich mit der Idee des soziogenetischen Ursprungs der Individualität verbindet“ (). Allerdings konzentriert sich Sheplyakova nicht primär auf die vermeintlichen Lösungen, die Hegel resp. dessen spätere Interpreten bezüglich der diagnostizierten Entzweiung anbieten. Die Untersuchung konzentriert sich vielmehr auf die Darstellung des eigentlichen Problems – die von ihm angeführten Argumente, die zugrundeliegenden Motive – durch Hegel. Nicht die Antworten, sondern die Fragen stehen also im Vordergrund (, ). Dieses präzise Offenlegen und Kontextualisieren der von Hegel ausgemachten Probleme ermöglicht es qua Negation () in einem zweiten Schritt, auf dem gleichwohl nicht der Schwerpunkt der Arbeit liegt, eine klare Perspektive darauf einzunehmen, ob die von Hegel selbst – etwa in seiner späteren Rechtsphilosophie – oder von durch Hegel inspirierten Denkern gegebenen Antworten den ursprünglich ausgemachten Problemen gerecht werden, sofern diese Antworten überhaupt noch innerhalb des kritisch erarbeiteten Problemhorizontes verortbar sind (). Vor dem Hintergrund dieses methodischen Vorgehens erweist sich der Naturrechtsaufsatz gerade wegen seiner vielschichtigen Verwinkeltheit als gute Grundlage für eine derartige Untersuchung.

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Das zweite Kapitel der Arbeit wechselt den Gegenstand, insofern es nicht mehr um Hegels Kritik der Verhältnisse, sondern um die Kritik der Darstellung dieser Verhältnisse geht. Hegel wird hier als Ideologiekritiker verstanden (, ), wenn er die Rechtsphilosophie Kants und Fichtes als unbewusste Reflexion der historisch-faktischen Verhältnisse auffasst. Sheplyakova selbst bedauert, dass in ihrer Arbeit lediglich die kantische Position eingehend untersucht, Fichte dagegen vernachlässigt wird (). Ein Schwerpunkt liegt in diesem Kapitel auf dem spezifischen Verhältnis von Recht und Moral bei Kant sowie auf den Auswirkungen der kantischen Konzeption auf die mögliche Auffassung und den praktischen Vollzug sozialer Verhältnisse, denen Hegel sein Modell eines Vorrangs des Rechts vor der Moral gegenüberstellt (). Auch in diesem Kapitel findet – wenn auch nicht ausschließlich – die indirekt vorgehende Methodik in einer weiteren Variante Anwendung. Denn Sheplyakova erschließt hier neben den eingangs bereits angerissenen noch eine weitere Ebene der Untersuchung, wenn sie zwischen Hegels eindimensionaler Darstellung Kants als einem vermeintlichen Protagonisten einer verfehlten sowie Verfehlungen produzierenden Theorie der Entzweiung einerseits und den von Kant tatsächlich eingenommenen, freilich differenzierteren Positionen andererseits unterscheidet. In einem späteren Schritt thematisiert sie vor diesem Hintergrund insbesondere das Verhältnis Hegels zu den von ihm gerade nicht kritisierten bzw. nicht einmal erwähnten Aspekten der kantischen Philosophie. Über diese Thematisierung des von Hegel nicht oder nicht angemessen Kritisierten, aber dennoch Einschlägigen – etwa das Faktum der Vernunft () –, eröffnet sich auch hier eine Perspektive auf mögliche Lösungsmodelle, die den Blick auf die später tatsächlich angebotenen Lösungen schärft (). Beide Varianten indirekter Methodik sind naturgemäß spekulativ und ihre Ergebnisse dementsprechend kritisierbar. Zugleich aber entfaltet sich dem Leser so ein ganzer Raum möglicher Zugriffe auf die komplexe Thematik. Sheplyakova macht damit die in sich verflochtene Vielschichtigkeit der Problemlagen des Naturrechtsaufsatzes für die Ermöglichung eines differenzierten Zugriffs auf Hegels Rechtsphilosophie sowie auf die an diese Rechtsphilosophie anknüpfenden späteren Konzeptionen fruchtbar. Die Ergebnisse der beiden vorangehenden Kapitel setzt Sheplyakova im dritten ‚konstruktiven‘ Kapitel schließlich um. Noch einmal wird Kant, diesmal allerdings in affirmativer Hinsicht, und noch einmal wird der Gedanke einer Genealogie des Rechts – diesmal mit Bezug auf die Phänomenologie – thematisiert. Mit den gewonnenen Erkenntnissen tritt sie schließlich an Hegels Grundlinien heran, um dort einen gegenüber Kant und Fichte modifizierten Rechtsbegriff herauszuarbeiten, der eine Theorie wechselseitiger Verwirklichung von individueller und öffentlicher Freiheit zu entfalten erlaubt. Während der Einstieg in die Grundlinien auf Basis des freien Willens Sheplyakova noch überzeugt, werden ihr zufolge die zuvor herausgearbeiteten Ansprüche in der Sittlichkeit „gerade nicht eingelöst, sondern vielmehr preisgegeben“ (, auch  f.). Insbesondere hier, bei der Arbeit mit den Grundlinien, ist es bedauerlich, dass Sheplyakova nicht die GW zugrunde legt. Im Anschluss an die eingehende Kritik der Sittlichkeit weitet sich der Blick noch einmal, wenn Sheplyakova mit ihren erarbeiteten Ergebnissen an aktuelle Theoretiker des Sozialen wie Pinkard und Brandom herantritt, um als Ergebnis ihrer Untersuchung zu einer Reflexion über die Rolle des Selbstbewusstseins überzugehen. Am Ende steht jedoch Schiller und dessen Version ästhetischer Freiheit. Zwar fehlt der Arbeit ein ausgewiesener Schluss, dafür

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wird der Leser in der ausführlichen Einleitung über Form, Inhalt sowie die Positionierung dieser lesenswerten Arbeit in der Forschungslandschaft informiert. Valentin Pluder Universität Siegen

Pirmin Stekeler. Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein dialogischer Kommentar. Band : Gewissheit und Vernunft. Band : Geist und Religion. Hamburg: Felix Meiner, .  S.;  S. Der vorliegende Kommentar zu Hegels Phänomenologie des Geistes ist, jedenfalls nach Seitenzahlen gerechnet, gut dreimal so lang geraten wie das kommentierte Werk. Allerdings schließt er den kommentierten Text ein. Die naheliegende Frage, ob sich die Lektüre eines gleichwohl äußerst umfangreichen Kommentars lohnt, lässt sich allerdings mit einem klaren ‚Ja‘ beantworten. Dies liegt nicht etwa nur daran, dass Verf. eine Fülle von Hinweisen liefert, die dem Verständnis der Leserin bzw. des Lesers bei der Lektüre der Phänomenologie auf die Sprünge helfen – das leistet der Kommentar auch, und zwar auf hervorragende Weise –, sondern vor allem auch daran, dass hier ein Weg zu einem Verständnis der hegelschen Philosophie insgesamt gebahnt wird, das die ausgetretenen Wege der Interpretation verlässt und zu neuen Einsichten verhilft. Zusammenfassend geschieht dies im Teil  des ersten Bandes („Einführungen“; Bd. :  – ), und zwar besonders in der Einführung des Verf., in der er seinen Zugang zum Werk und zur hegelschen Philosophie insgesamt darlegt und begründet, bevor er Hegels „Vorrede“ (ab ) und „Einleitung“ (ab ) zur Phänomenologie des Geistes kommentiert. Der Aufbau orientiert sich dann weiterhin am Gang der Phänomenologie selbst; der erste Teilband reicht bis zum Ende des Vernunftkapitels, während der zweite Band dann Geist, Religion und absolutes Wissen zum Thema hat. Auch dem zweiten Band hat Verf. eine eigene „Einführung“ vorangestellt (Bd. :  – ), welche mit einer „Begriffs- und Formenanalyse“ und einer „Strukturanalyse subjektiven Bewusstseins und transsubjektiven Geistes“ die Verbindung zwischen dem bewusstseinstheoretischen und dem geistestheoretischen Teil der Phänomenologie reflektiert, ein Vorhaben, das gewissermaßen Hegels Ausführungen zur Methode in seiner „Einleitung“ ergänzt, die sich ja eigentlich nur auf den bewusstseinstheoretischen Teil beziehen. Seine Interpretation der hegelschen Philosophie hat Pirmin Stekeler bereits in zahlreichen Werken dargelegt; sie steht im Hintergrund der hier zu besprechenden Ausführungen, in denen sie aber noch einmal zugespitzt und verdichtet und nicht zuletzt mit treffender Polemik vorgeführt wird. Das „Vorwort“ nennt die Stereotypen einer „Geschwätztradition“ (Bd. : ), von denen Verf. sich abgrenzt: Hegel der Staatsphilosoph, Theologe, Fortschrittsgläubige und Begriffsjongleur. Dagegen sei von Platon und vor allem von Aristoteles her das Programm neu zu durchdenken, dem Hegel sich verschrieben hatte: die Einheit von Logik und Metaphysik als „allgemeine Logik unseres wirklichen Weltbezugs“ (Bd. : ). Realisiert sei dies als Dialektik, nämlich als „eine Logik nicht der Sätze oder Satzfiguren, sondern der Aussagen und Sprechhandlungen im Dialog und im Hin und her von Einzelurteil und gemeinschaftlichem Wissen“ (Bd. : ). Hierbei sei das Analytische „Teil einer Dialektik, in der die Problemartikulation den Anfang macht“ (Bd. : ).

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Dass der hier zu besprechende Kommentar sich als ‚dialogisch‘ versteht, bezeichnet genau diesen Sachverhalt: Er ist dialektisch im Sinne des hegelschen Dialektikbegriffs, der sich zugleich im Mit- und Nachvollzug der hegelschen Gedankenentwicklung selbst bewährt. Diese Auffassung des Dialektischen eröffnet Verf. den Zugang zu Hegels Geistbegriff, der von der Einsicht getragen sei, „dass wir erst vermöge der Teilnahme an einer allgemeinen Praxis zu personalen Subjekten werden, dass also das emphatische Selbstbewusstsein des Ich sich erst aus einem diffusen transzendentalen Wir oder Man entwickelt“ (Bd. :  f.). Damit grenzt Hegel sich von allen Unmittelbarkeitsfiguren des Selbstbewusstseins (namentlich bei Fichte) ebenso ab wie von allen atomistischen Vorstellungen von Individualität: Ein zureichendes Selbstbewusstsein ist erst möglich im Ergebnis der Einsicht in die allgemeinen Bedingungen, unter denen Subjektivität sowohl theoretisch als auch praktisch wird. Das Verstehen, so Verf., vollzieht sich immer auch praktisch, und die philosophischen Einsichten bedürfen insofern auch des Appells an praktische Erfahrungen (Bd. : ). Die hegelsche Phänomenologie als „sinnanalytische[] Dialektik“ (Bd. : ) sei gerade deshalb skeptisch, weil sie vermeintliche Gewissheiten aufzubrechen habe, um zu einem adäquaten (Selbst‐)Verständnis im Rahmen gesellschaftlicher Praxis zu gelangen. Diese Skepsis richte sich gleichermaßen gegen Naturalisierungen und Individualisierungen (Bd. : ) und ziele letztlich darauf, die „erfolgreich praktizierten und reproduzierten Vollzugsformen kooperativ verfassten Lebens“ zu erkennen (Bd. : ). Schon unter dieser Voraussetzung ist deutlich, dass sich die Bewusstseinsstruktur im ersten Teil der Phänomenologie zureichend nur unter Einbeziehung ihrer geistestheoretischen (und damit auch historischen; vgl. z. B.  zum Freiheitsbegriff) Voraussetzungen im zweiten Teil explizieren lässt. Stekelers Kommentar impliziert damit eine starke These zur Einheit des hegelschen Werkes, die methodisch und inhaltlich überzeugt und sich in der Durchführung bewährt: „Das individuelle Handelnkönnen hängt also ab von den Praxisformen des gemeinsamen Tuns, Redens, Planens und der Handlungskontrolle“; Hegels Phänomenologie sei „Analyse der generischen Kooperationsformen, welche alle normativen Richtigkeiten wie der Wahrheit oder des moralisch Guten wesentlich mitbestimmen und eben damit die innere Form der Geistigkeit des Menschen als personale Subjektivität oder als einer sich ihrer Subjektivität bewussten Person allererst konstituieren“ (Bd. : ). Dies bedeutet, eine für die Interpretation Hegels zentrale Einsicht, dass das System der Praxisformen deren Institutionalisierung einschließt (Bd. : ). Der damit vorgezeichnete Reflexionsprozess entfaltet sich mehrstufig, vom Verstand als „Vermögen, die Normen, Schemata und Regeln des Richtigen im einzelnen Tun zu befolgen“ (Bd. : ), über die Vernunft als „methodisch spätere Kompetenz, auf die Normen des Verstandes explizit zu reflektieren und an der Meta-Praxis der gemeinsamen Entwicklung von Schemata und Regeln für den Verstand teilzunehmen“ (Bd. : ). Dies ist im eigentlichen Sinne der Schritt in die Wissenschaft, denn Wissenschaften, so Verf., „sammeln gar keine empirischen Fakten“, sondern „arbeiten […] an der Versprachlichung und Schematisierung von allgemeinem, insbesondere zeitallgemeinem Wissen“ (Bd. : ). Richtet sich der Verstand auf die Norm- und Regelbefolgung und die Vernunft auf die metastufige Aufhebung von Widersprüchen und Problemen des Verstandes (Bd. : ), so bildet der Geist als das „Wir“ oder der Geist, der „wir sind“, den „Hintergrundrahmen“ unseres (immer schon kooperativen) Handelns: „Der absolute Geist ist also das generisch-kollektive Subjekt aller menschlichen Praxisformen“ (Bd. : ). „Das Absolute“, so die ebenso treffende wie nüchterne Formulierung, „sind wir im Vollzug des Lebens selbst“ (Bd. : ). Um diese Einsicht vor Missverständnissen zu schützen, hätte vielleicht eine Auseinandersetzung mit dem Gattungsverständnis der Junghegelianer (v. a. Feuerbachs und Bruno Bauers) gut ge-

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tan, denn die Interpretation Stekelers ist weit davon entfernt, ein solches Gattungssubjekt zu installieren, ist es doch nur eine Entgegensetzung auf Grundlage des als Gott missverstandenen hegelschen Absoluten. In den besonders hervorzuhebenden Ausführungen zum „Programm einer Verweltlichung des Geistes“ (Bd. : ) wird dies insofern nachgeholt, als der Naturalisierung des Geistes als „falscher“ Säkularisierung Hegels Programm der „Verweltlichung geistiger und Verleiblichung mentaler Vollzugs- und Bezugsformen“ (Bd. : ) entgegengesetzt wird. Angesichts der Unklarheiten in Bezug auf die reale Seinsweise geistiger bzw. transzendentaler Gegenstände (z. B. ‚Ich‘ bei Kant und Fichte) plädiert Verf. mit Hegel dafür, die Seinsweise des Geistigen letztlich als Praxisform zu begreifen, weshalb dann auch im zweiten Band des Kommentars Religion als „Praxisform spekulativer Reflexion“ (Bd. :  ff.) thematisiert und Philosophie als explikative Metareflexion des Absoluten vorgestellt wird. Hegel versuche, „jeden inhaltlich ungeklärten Glauben an transzendente Gegenstände und Wahrheiten und damit jede Form der Dogmatik aufzuheben“ (Bd. : ). Der Bezug zur „Welt“ wird praktisch und theoretisch nicht über „Setzungen“ und „Konstruktionen“, sondern über „Unterscheidungen und Gleichsetzungen“ (Bd. : ) hergestellt, wobei es auf die Unterscheidung ebenso ankomme wie auf die relevante Nichtunterscheidung. Dieses Spiel der Reflexion entfaltet sich im Spannungsfeld des Füruns-Seins des Gegenstandes und seines An-sich-Seins, in dem er als Repräsentant der Gattung erscheint (Bd. : ). Die Einheit beider Perspektiven liege darin, dass logisch alle Objekte als „Sein-für-Anderes“ zu gelten haben und insofern die Beziehung auf Subjekte als wesentliche Eigenschaft der Objekte selbst angesehen werden müsse (Bd. : ). Der Weg zur Überwindung des Gegensatzes des Bewusstseins, den Hegel in der Phänomenologie abschreitet, ist damit als notwendig vorgezeichnet und zugleich von allen Mystifikationen befreit. Diesen Weg rekonstruiert Verf. proleptisch (Bd. :  ff.), wobei er der Entwicklung des Selbstbewusstseins aus der „Phänomenologie des bewussten Welt-Bezugs“ (Bd. : ) die Dialektiken der Vernunft, des Geistes und der Religion folgen lässt (Bd. :  ff.), bis schließlich das absolute Wissen die Religion als das „unaufgeklärte[] und unbewusste[] Wissen von der Beziehung von Mensch und Welt ‚an sich‘“ zum Für-sich-Sein dieses Wissens „über uns selbst“ befreit (Bd. : ). – Hiernach beginnt dann der eigentliche Kommentar, der mit Hegels „Vorrede“ zur Phänomenologie einsetzt. Besonders hinzuweisen ist noch darauf, dass – wie erwähnt – dem zweiten Band noch einmal grundlegende Überlegungen speziell zum Verständnis des Übergangs von der Bewusstseinstheorie zur Theorie des Geistes vorangestellt sind. Hier geht es entsprechend zunächst besonders um den Status rein abstrakter Gegenstände (Bd. :  ff.) und symbolische Praxisformen (Bd. :  ff.) als konstitutive Formen für das, was Hegel ‚Geist‘ nennt; in einem weiteren Schritt wird sodann der Übergang vom subjektiven Bewusstsein zum transsubjektiven Geist strukturanalytisch rekonstruiert. Hinweisen möchte ich hier insbesondere auf die nüchterne Interpretation des Kampfes um Anerkennung (Bd. :  ff.), die jede sozialtheoretische Überdehnung dieses Konzepts ausschließt: Es geht um Selbstherrschaft, d. h. die noch bewusstseinstheoretische Konstitution des Subjekts, und nicht um eine Grammatik sozialer Konflikte. In dieser Besprechung konnten naturgemäß nur einige zentrale Aspekte des umfangreichen Werkes angesprochen werden. Festzuhalten aber ist: Der vorliegende dialogische oder vielmehr dialektische Kommentar ist nicht der Eintritt in eine epigonale Kommentatorenphilosophie; er könnte vielmehr – sofern er die Resonanz findet, die er verdient – der Eintritt in eine neue Phase der Aneignung und Aktualisierung des hegelschen Denkens

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jenseits eingeschliffener Missverständnisse und Entgegensetzungen werden. Ein großer Wurf. Andreas Arndt Humboldt-Universität zu Berlin / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Max Winter. Hegels formale Geschichtsphilosophie. Tübingen: Mohr-Siebeck, . XVII,  S. Endlich wieder einmal ein Buch über Hegels Geschichtsphilosophie. Was lange als privilegierter Zugang zu Hegels Philosophie erschien und als ihre Stärke galt (besonders die als „Vernunft in der Geschichte“ verbreitete Einleitung der einschlägigen Vorlesungen erfreute sich sowohl in der deutschen Ausgabe als auch in den Übersetzungen in andere Sprachen hoher Auflagen und zahlreicher Leser), scheint schon seit einigen Jahren als ihre Achillesverse betrachtet zu werden und ist dementsprechend in der Forschung vernachlässigt worden. Liegt es auch erst ein paar Jahrzehnte zurück, dass sich die PhilosophieAbteilungen amerikanischer Universitäten rühmten, über einen Spezialisten der Geschichtsphilosophie unter ihren Professoren zu verfügen und diese Disziplin des Faches so in der Lehre zu vertreten, zitiert der Autor dieser Studie am Ende seiner Einleitung (XVII) zu Recht Frederick Beisers Befund des Jahres : „Considering its historical importance and frequent use as an introduction to Hegel’s philosophy, the dearth of solid sources on Hegel’s Philosophy of History is remarkable. The genesis, context and content of the work remain unexplored.” Die Ambition von Max Winters Studie ist es also offenbar, die von Beiser konstatierte Lücke schließen zu helfen. Bei Winters Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung seiner bei Emil Angehrn in Basel entstandenen und  abgeschlossenen Dissertation. Zuerst ist wohl zu erklären, warum Winter schon im Titel von ‚formaler‘ Geschichtsphilosophie spricht und was er damit meint. Er knüpft offenbar an eine Unterscheidung an ( – ), die Ernst Troeltsch in Auseinandersetzung mit der badischen Schule des Neu-

 Bekanntlich stammt der Titel „Die Vernunft in der Geschichte“ nicht von Hegel selbst, der seine Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte noch nicht in Buchform gebracht hatte, als er  starb, sondern von späteren Herausgebern wie Georg Lasson () und dann besonders Johannes Hoffmeister (). Auch wenn der Titel nicht von Hegel selbst stammt und der schlichtere einer „Einleitung“ in die Philosophie der Geschichte vermutlich angemessener wäre, soll der immanente Vernunftanspruch seiner Geschichtsphilosophie nicht bestritten werden.  Zum Beispiel ist die im Verlag der Cambridge University Press erstmals  erschienene englische Ausgabe – Lectures on the Philosophy of World History: Introduction, Reason in History, übersetzt von H.B. Nisbet, hg. und mit einer Einleitung von Duncan Forbes – bereits acht- oder neunmal (die Verlagsangaben dazu sind nicht ganz klar) nachgedruckt worden.  Frederick Beiser, Hegel (New York NY, ),  f.  Winters Doktorvater Angehrn ist bekanntlich selbst mit gewichtigen Beiträgen zur Geschichtsphilosophie hervorgetreten: Emil Angehrn, Geschichtsphilosophie (Stuttgart, ; . Aufl.: Basel, ); und speziell zu Hegel: „Das Denken der Geschichte. Hegels Theorie des Geistes zwischen Geschichtsphilosophie und Philosophiegeschichte“, Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus  ():  – .

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kantianismus (besonders Heinrich Rickert und Wilhelm Windelband) formuliert hatte: „Die heutige Geschichtsphilosophie ist im Unterschiede von aller früheren keine materiale, sondern eine formale.“ () Es ginge also um den Unterschied und Gegensatz von ‚formaler‘ und ‚materialer‘ Geschichtsphilosophie, wobei es dem ersten Typ (Winter selbst spricht von Typen und „idealtypischer Rekonstruktion“; XIV) kurz um die Epistemologie der Geschichte oder ausführlicher um die „methodisch-wissenschaftstheoretische Analyse geschichtswissenschaftlicher Praxis“ (XI) ginge. Demgegenüber werden ‚materiale‘, ‚substantialistische‘ oder auch ‚spekulative‘ (außerhalb der hegelschen Terminologie sicher ein von pejorativen Assoziationen belastetes Wort) Geschichtsphilosophien als solche verstanden, die von der Analyse der Erkenntnisbedingungen der Geschichtswissenschaft weitgehend absehen, aber „allgemeine Annahmen über [den] Verlauf […] der Geschichte postulieren und ihr somit ein materiales Prinzip, eine Substanz unterstellen“ (XII; Hervorhebung Winters). Davon abgesehen, dass sich der Rez. gefragt hat, wenn der Neukantianismus schon ins Spiel gebracht wird, warum dann nicht auch derjenige der Marburger Schule (bei F.A. Lange und H. Cohen hätte über Geschichte und Gesellschaft doch viel gelernt werden können), kommen der angesprochenen Klassifikation doch erhebliche Schwächen zu. Schon bei Troeltsch, der den Autor offenbar stimuliert hat, in diese Richtung zu gehen, scheint die Lage trotz des zitierten Wortes keineswegs so klar zu sein, wie man denken könnte. Zwar wollte Troeltsch durchaus eine erkenntnistheoretisch fundierte, zugleich aber auch eine inhaltlich gefüllte, doch wieder ‚materiale‘ Geschichtsphilosophie – seine Bemühungen sind wegen seines frühen Todes () ohnehin Fragment geblieben. Während sich Troeltsch immerhin der Terminologie von ‚formaler‘ und ‚materialer‘ Geschichtsphilosophie bedient, benutzt Hegel diese Klassifikation bekanntlich nicht. Gewiss ist Winter zuzustimmen, wenn er betont, dass Hegels „Beitrag zur Verwissenschaftlichung [der Geschichtsschreibung] schwer bestreitbar ist“ (XII), was gut in die von ihm angestrebte Rehabilitierung von Hegels ‚formaler‘ Geschichtsphilosophie passen würde. Ob sich Hegel aber so deutlich von dem absetzen lässt, was der Autor eine ‚materiale‘ Geschichtsphilosophie nennt, mag angesichts des Nachdrucks, den Hegel immer wieder auf Begriffe wie ‚Fortschritt‘, ‚Perfektibilität‘ usw. legt, doch zweifelhaft erscheinen. Winter selbst schreibt mehrfach, dass Hegel, was er ihm vorwirft, einer „Vermengung formaler und materialer Aspekte der Geschichtsphilosophie“ () erliegen würde. Warum dann aber doch eine Klassifikation nachträglich, also anachronistisch auf Hegel anwenden, die der Philosoph nicht benutzt hat und auch nicht kennen konnte? Mag der Titel und die damit zusammenhängende Ausrichtung des Buches unglücklich gewählt sein – jedenfalls konnte Winter den Rez. damit nicht überzeugen –, bedeutet dies keineswegs, dass aus seiner Studie nichts gelernt werden könnte. Unter den Vorzügen der Studie sollen zwei besonders hervorgehoben werden. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Winter in seiner Untersuchung von Hegels Geschichtsphilosophie das Textkorpus erweitert. Werden sonst in der Regel nur die (we-

 Heinrich Rickert, „Über die Aufgaben einer Logik der Geschichte“, Archiv für systematische Philosophie , ():  – ; Wilhelm Windelband, Geschichtsphilosophie: eine Kriegsvorlesung (Berlin, ).  Ernst Troeltsch, „Über den Begriff einer historischen Dialektik. Windelband-Rickert und Hegel“, Historische Zeitschrift , ():  – , hier .  Um den neudeutschen Ausdruck ‚Fokussierung‘, den der Autor verschiedentlich benutzt (z. B. schon XIII u. ö.), zu vermeiden.

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nigen) eigenhändigen Manuskripte Hegels (GW :  – ), die diversen Nachschriften und Editionen der Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte sowie die einschlägigen Paragraphen der Grundlinien der Philosophie des Rechts (§§  – ) und der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (§§  – ) herangezogen, berücksichtigt der Autor auch Hegels Logik (vor allem das zweite Kapitel „Die Idee des Erkennens“ des dritten Abschnitts „Die Idee“) und frühere Teile aus der Enzyklopädie (insbesondere der „Theoretische Geist“ der Abteilung „Subjektiver Geist“; §§  – ). Diese Erweiterung der Textgrundlage ermöglicht es dem Autor, neue Perspektiven auf Hegels Geschichtsdenken zu finden. So kann er etwa der Frage nachgehen, inwieweit die Typologie der „Weisen des Geschichtsschreibens“, von welchen Hegel am Anfang der Vorlesungen von  und  spricht, der erkenntnistheoretischen Struktur der Enzyklopädie folgt. So naheliegend es zunächst erscheint anzunehmen, Hegel habe seine drei Grundtypen „ursprüngliche“, „reflektierende“ und „philosophische Geschichte“ aus den drei Grundformen des Theoretischen Geistes (Anschauung, Vorstellung, Denken) entfaltet, ist Winters Analyse subtiler, denn für ihn ist die „einfache Parallelität“ zwar „durchaus aufschlussreich“, aber „nur bedingt tragfähig“ (), u. a. weil sie für die Untergattungen der reflektierenden Geschichte, die sich bei Hegel finden, „nicht durchgehalten werden kann“ (). Als tragfähiger für den Vergleich bezeichnet Winter Hegels Ausführungen über Gedächtnis und Erinnerung. Er plädiert recht überzeugend dafür, dass die von Hegel unterschiedenen Weisen der Geschichtsschreibung mit dessen Ausführungen über das Gedächtnis übereinstimmen. Programmatisch wird diese These im vierten Abschnitt des vierten Kapitels ( – ) umrissen, ehe Winter in den folgenden Kapiteln  bis  die einzelnen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben, ausführlicher diskutiert. Eine weitere Stärke von Winters Studie liegt darin, dass sie (schade, dass diese wichtigen Gedanken gegen Ende des Buches recht kurz ausgeführt werden) die „fundamental resignative Funktion der Geschichtserkenntnis“ bei Hegel gegen einen „naiven Fortschrittsoptimismus“ betont (). Zu Recht weist Winter auf Kontingenz und Negativität als „Grundphänomene von Geschichte“ hin (). Dass Hegel mit seinem berühmten Wort von der Weltgeschichte als dem Weltgericht an Schiller anknüpft und dem Dichter in diesem Zusammenhang ein kaum zu überbietendes Lob erteilt („Die Worte Schillers, die Weltgeschichte ist ein Weltgericht, sind das Tiefste, was man sagen kann“; V : ), ist bekannt. Der Autor erinnert aber nachdrücklich an etwas, was in diesem Zusammenhang gern übergangen wird, dass Schillers Gedicht, das Hegel heranzieht, nämlich den Titel „Resignation“ trägt! Winter will in Schillers Definition und ihrem „resignativen Moment“ () den eigentlichen „Schlüssel zum Verständnis der systematischen Funktion der Weltgeschichte“ bei Hegel sehen (). Die einschlägigen Ausführungen bilden zweifellos ein zentrales Resultat von Winters Studie. Allerdings ist anzumerken, dass der Autor hier nicht so sehr Neuland betritt, wie er zu denken scheint. Gerade zur Kontingenz der von Hegel verarbeiteten geschichtlichen Erfahrung liegen seit langem gewichtige Untersuchungen vor, die der Autor nirgendwo anführt (eine signifikante Lücke in seiner Litera-

 Friedrich Schiller, Gedichte (Stuttgart, ),  – . Das berühmte Zitat „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.“ beschließt die vorletzte Strophe des Gedichts (). Die Erstfassung des Gedichts „Resignation“ wurde in der Zeitschrift Thalia (, ():  – ) veröffentlicht.  Vgl. Dieter Henrich, „Hegels Theorie über den Zufall“, Kant-Studien  (/):  – ; auch in Dieter Henrich, Hegel im Kontext (Frankfurt a. M., ),  – ; Emil Ludwig Fackenheim, The Religious Dimension in Hegel’s Thought (Chicago, ; Erstausgabe: Bloomington, ).

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turauswertung und Bibliographie). Dass es andere vor ihm gesagt haben, entzieht Winters Analyse natürlich keineswegs ihre Bedeutung. Vielleicht noch ein Wort zur analytischen Philosophie (vgl. das kurze Kapitel  der Studie) und deren vermeintlicher „Durchsetzung der formalistischen Geschichtsphilosophie“ ( – ). Gewiss hat es Vertreter der analytischen Philosophie gegeben, die Hegel und andere kontinentaleuropäische Philosophen ausgrenzen und einen Alleinanspruch der analytischen Richtung auf ‚wissenschaftliche‘ Philosophie erheben wollten – der Autor zitiert (, Anm. ) einschlägigen Passagen, z. B. aus Arthur C. Dantos ( – ) Buch des Jahres . Niemand ist indessen verpflichtet, sich so extremen Stellungnahmen anzuschließen, die einfach in den Kontext einer Zeit gehören, als sich die analytische Philosophie noch einen Platz neben anderen Strömungen erkämpfen musste und in ihrer Polemik sicher zu weit ging. W.H. (von seinen Freunden ‚Richard‘ genannt) Walsh ( – ) hätte hier mehr Aufmerksamkeit verdient (er wird auf nur einer Seite behandelt:  f.), denn dieser für Großbritannien und auch für die USA wichtige Philosoph war zwar durchaus streng analytisch ausgebildet (in Oxford) und hat tatsächlich die analytische von der hegelianischen Geschichtsphilosophie unterschieden, aber niemals die Berechtigung des hegelschen Ansatzes geleugnet, sondern den Philosophen stets in feindseligem Umfeld verteidigt. Sich auf Walsh zu stützen, wäre versöhnlicher und konstruktiver gewesen als auf die gelegentlichen Äußerungen des frühen Danto, der sich bei den ästhetischen Themen, die er später bevorzugt behandelte, Hegel auch wieder näherte. Die Bilanz des Rez. ist also gemischt: Neben den gekennzeichneten Lücken und schwächeren Passagen enthält das Buch viele lesenswerte Ausführungen zur in der neueren Forschung häufig vernachlässigten Geschichtsphilosophie Hegels. Norbert Waszek Université Paris VIII / Ruhr-Universität Bochum

 Arthur Coleman Danto, Analytical Philosophy of History (Cambridge Mass., ); dt. Übersetzung von Jürgen Behrens: Analytische Philosophie der Geschichte (Frankfurt a. M., ).  W.H. Walsh, An Introduction to Philosophy of History (London, ; dritte, erweiterte Auflage: ).  Vgl. z. B. sein noch  Jahre nach seiner Einführung in die Geschichtsphilosophie veröffentlichtes Buch: W.H. Walsh, Hegelian Ethics (London, ). Dankbar kann der Rez. bezeugen, im akademischen Jahr / , kurz vor Walshs Emeritierung, an dessen Seminar zu Hegels Phänomenologie des Geistes an der Universität Edinburgh teilgenommen zu haben: Zwar wurden darin auch Thesen der analytischen Philosophie geboten, doch blieb Walsh ganz frei von dem Willen auf Alleinanspruch, den spätere Vertreter dieser Richtung leider oft erhoben.

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D) Neuerscheinungen zu einzelnen Autoren der klassischen deutschen Philosophie Omri Boehm. Kant’s Critique of Spinoza. Oxford: Oxford University Press, .  S. Die Auseinandersetzung mit Spinoza ist für Kant mindestens seit dem Erscheinen des Buches von Jacobi Über die Lehre des Spinoza () zu einem zentralen Thema geworden. Durch es angeregt sieht er im Spinozismus die einzig rationale Alternative zum transzendentalen Idealismus: „Daher, wenn man jene Idealität der Zeit und des Raums nicht annimmt, nur allein der Spinozism übrig bleibt, in welchem Raum und Zeit wesentliche Bestimmungen des Urwesens selbst sind […].“ (AA V:  f.) Diese Auffassung ist selbstverständlich auch für das Buch von Boehm ein wichtiges Thema, auf das er häufig zu sprechen kommt. Boehm beschränkt sich aber nicht darauf, die Auseinandersetzung Kants mit Spinoza in diesen späten Jahren, in denen es explizite Bezugnahmen auf Spinoza gibt, zu erörtern, er möchte nachweisen, dass dieser auch vorher schon in Kants Denken ständig präsent gewesen ist.  in der Schrift „Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes“ habe Kant selbst eine Spinoza verpflichtete Position vertreten, die Wendung zum transzendentalen Idealismus sei nicht zuletzt durch die Absicht motiviert gewesen, den Spinozismus zu vermeiden (, ). Ein auf der Hand liegender Einwand dagegen ist, dass Kant  in der ersten Kritik Spinoza niemals erwähnt, obwohl sie nach Boehm doch durchgängig gegen ihn gerichtet ist. Dies soll mit ‚politischer Klugheit‘ erklärt werden: „Kant does not explictly name Spinozism as the most consistent form of metaphysics before the break of the Streit. The question is whether this is due to Kant’s ignorance of Spinoza, or to his political prudence.“ () Für Boehm gilt die zweite Option. Erst nach Ausbruch des Pantheismusstreites soll der Spinozismus „kosher“ geworden sein (). Während also Jacobi  den Mut hatte, die Philosophie von Spinoza als die wichtigste dogmatische Metaphysik neu auf die Tagesordnung zu bringen, soll Kant es vier Jahre vorher aus politischer Klugheit vermieden haben, den Namen auch nur einmal zu erwähnen, obwohl es doch, wie Boehm selbst ausführt ( f.), auch vor Jacobi schon eine intensive kritische Diskussion dieser Philosophie gegeben hat. Man muss schon über sehr gute Argumente verfügen, um diese Auffassung plausibel zu machen. Ich bin überzeugt, dass Boehm dies nicht gelungen ist. Weder vertritt Kant  eine spinozistische Position, noch ist die Kritik  gegen eine solche gerichtet, noch ist der transzendentale Idealismus motiviert durch den Versuch, den Spinozismus zu vermeiden. Zunächst nun zum „Beweisgrund“. Kant möchte zeigen, dass, weil notwendigerweise etwas möglich ist, etwas existieren muss und dass dieses das einzige notwendig existierende Wesen ist, in dem alle Möglichkeiten begründet sind, so dass es die traditionell Gott zugeschriebenen Eigenschaften besitzt. Boehm gibt eine sorgfältige Analyse des Argumentes (zusammengefasst auf  f.) und versucht dann zu zeigen, dass es den Spinozismus impliziert. Die Differenzen zum Spinozismus beginnen freilich schon beim Begriff der Möglichkeit selbst. Manche Aussagen von Spinoza legen die Auffassung nahe, dass es nur eine einzige mögliche Welt gibt, die wirkliche. So heißt es in Ep, dass die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden konnten, als sie hervorgebracht sind. In Lehrsatz  wird bestritten, dass es in der Natur der Dinge

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etwas Zufälliges gibt. Für Kant dagegen gibt es (wie für Leibniz) auch  unendlich viele mögliche Welten, auch unverwirklichte (vgl. das Beispiel vom ewigen Juden; AA II: ). Auch Caesar dient als Beispiel für ein Wesen, das existieren oder auch nicht existieren kann (AA II: ). Es gibt Zufälliges (AA II: ). Es heißt: „Wenn ich mir vorstelle, Gott sprach über eine mögliche Welt sein allmächtiges Werde […]“ (AA II: ). Der Gott Spinozas kann ein solches Werde nicht sprechen, er handelt nicht aus freiem Willen, und endliche Dinge können nie unmittelbar aus Gott erklärt werden (Ep). Kant möchte zeigen, dass zu Gott Verstand und Wille gehören (AA II: ), für Spinoza können beide nicht zur „natura naturans“ gehören (Ep). Eine wichtige Differenz zu Spinoza ist auch, dass dieser jede kausale Wechselwirkung zwischen Denken und körperlichen Bewegungen radikal ablehnt (z. B. Ep), während Kant annimmt, dass die Ordnung und die Schönheit der Welt nur durch einen dem Verstand gemäßen Willen erklärt werden können (AA II: ). Auch in späteren Jahren hat Kant einen solchen Interaktionismus stets als möglich unterstellt. Äußere Gegenstände können unser Erkenntnisvermögen affizieren, der Wille ist eine Art von Kausalität, die körperliche Bewegungen veranlassen kann. Gegenwärtige Naturalisten werden in diesem Punkt vielleicht mehr Sympathie mit Spinoza als mit Kant haben; der Interaktionismus wird vielfach abgelehnt. Nun möchte Boehm zeigen, dass aus Kants Beweis der Substanzenmonismus folgt – entgegen der expliziten Versicherung Kants, dass die Welt „nicht ein Accidens“ Gottes ist (AA II: ), ja dass Gott nicht die „einige“ (d. h. wie in der Überschrift aus AA II: : „einzige“) „Substanz ist, die da existiert“ (AA II: ). Seine Argumente finden sich jedoch erstens nicht im Text Kants, sondern stammen von ihm, und sie sind zweitens auch nicht überzeugend. So untersucht er die allerdings wichtige Frage, ob Gott alle Möglichkeiten denkt oder sie exemplifiziert, und meint, die These, dass alle Möglichkeiten in einem einzelnen Wesen begründet sind, verpflichte dazu, dass Gott alle Möglichkeiten exemplifiziert (). Mir scheint dies vollständig unbegründet zu sein. Was soll es überhaupt bedeuten, dass Gott Caesar oder den ewigen Juden exemplifiziert? Zu allen Möglichkeiten gehören für Kant auch einander ausschließende. Exemplifiziert Gott auch Widersprüchliches? Boehm beruft sich darauf, dass nach Kant alle Möglichkeiten in Gott sein sollen, dass Gott sie enthalten soll (). Aber Gott ist ein Geist (AA II: ), dass Möglichkeiten in einem Geist sind bzw. dieser sie enthält, ist verträglich damit, dass dieser sie denkt. Boehm unterstellt sogar, dass der Raum ein Attribut Gottes ist: „Given that Kant arrives at the conclusion that the most fundamental properties, like extension, are a divine determination (attribute), the Spinozist threat is clear. Every contemporary of Kant’s would have to wonder how, or whether, Kant intends to evade the conclusion that extension just is a divine attribute.“ () Es gibt hier aber keinen Anlass zur Verwunderung; Kant selbst klärt die „Vermengung der Begriffe“ auf, die zu der falschen Meinung führt, dass alle mögliche Realität zu den Bestimmungen des realsten Wesens gehören müsse. Undurchdringlichkeit und Ausdehnung werden ausdrücklich als Bestimmungen genannt, die nicht zum realsten Wesen gehören können, weil sie seiner Geistigkeit widersprechen würden (AA II: ). Es würde sich, so Kant, eine „Realrepugnanz“ im notwendigen Wesen ergeben, was nicht sein könne (AA II: ). Die Bestimmungen können also nicht, wie Boehm will, einfach als Prädikate bzw. Attribute interpretiert werden, sie können selbst Folgen sein.

 Vgl. dazu Jonathan Bennett, A Study of Spinoza’s Ethics (Cambridge, ),  ff.

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Dass die endlichen Dinge ontologisch unterschieden von dem notwendigen Wesen und nur im Sinn des Geschaffenseins von ihm abhängig sind, meint Boehm ausschließen zu können, weil das auf ein bloßes Wiederaufgreifen des kosmologischen Beweises hinausliefe (). Das ist jedoch nicht richtig. Die Existenz des notwendigen Wesens soll dadurch bewiesen werden, dass es einen Realgrund für die Gesamtheit der möglichen Welten geben muss (David Lewis hätte dem sicherlich nicht zugestimmt). Da die größte mögliche Realität zu ihm gehören muss, muss es ein Geist sein (AA II: ). Erst danach kann geschlossen werden, dass es nicht nur der Realgrund aller Möglichkeiten ist, sondern auch der Realgrund von allem, was außer ihm wirklich werden kann (AA II: ), und erst danach kann das notwendige Wesen auch als Gott bezeichnet werden (AA II: ). Es gilt, dass die Welt nicht ein Akzidens Gottes sein kann, weil in ihr Veränderlichkeit angetroffen wird, während das notwendige Wesen unveränderlich sein muss (AA II: ). Kant weist selbst auf den entscheidenden Unterschied zum kosmologischen Beweis hin: „Blos daraus, daß etwas schlechterdings nothwendig existiert, ist es möglich, daß etwas eine erste Ursache von anderem sei, aber daraus daß etwas eine erste, das ist, unabhängige Ursache ist, folgt nur, daß, wenn die Wirkungen da sind, sie auch existieren müsse, nicht aber daß sie schlechterdings nothwendiger Weise da sei.“ (AA II: ) Kants Argument ist also durchaus verträglich damit, dass Gott ein personaler Schöpfer einer Welt außer ihm ist. Davon, dass die Schrift von  eine spinozistische Position vertritt, kann also nach meiner Überzeugung keine Rede sein. Da die Überlegungen Kants zum „transzendentalen Ideal“ in der Kritik der reinen Vernunft (KrV B ff.) Gedanken der vorkritischen Schrift in verwandelter Form aufgreifen, will Boehm in ihnen einen ‚regulativen Spinozismus‘ sehen (,  –  u. ö.). Mir scheint auch dies verfehlt zu sein. Schon die Fragestellung ist von der Spinozas verschieden. Kant geht es um den „Grundsatz der durchgängigen Bestimmung“, also um die Möglichkeit, ein Ding vollständig zu erkennen (KrV B). Dieser Grundsatz (der in den Untersuchungen des Opus postumum zentrale Bedeutung erhält) betrifft eine Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung: „[F]olglich ist nichts für uns ein Gegenstand, wenn es nicht den Inbegriff aller empirischen Realität als Bedingung seiner Möglichkeit voraussetzt“ (KrV B). Kant meint nun, dass die Möglichkeit einer solchen vollständigen Erkenntnis einen „Inbegriff aller möglichen Prädikate“ (KrV B) voraussetzt, um von jedem zu entscheiden, ob es auf den zu erkennenden Gegenstand zutrifft oder nicht. Nur so könne man sich der Vollständigkeit der intendierten Erkenntnis gewiss werden. Kant geht aber noch einen Schritt weiter: Diese Menge von Prädikaten werde zu einem durchgängig a priori bestimmten Begriff von einem einzelnen Gegenstand (dem Ideal), allerdings erst dann, wenn man alle abgeleiteten Prädikate daraus entfernt, aber auch alle, die nicht miteinander verträglich sind (KrV B f.). Man darf nun annehmen, dass Kant auch jetzt (wie schon ) die beiden Prädikate ‚ein Geist sein‘ und ‚ausgedehnt sein‘ als nicht miteinander verträglich ansieht, so dass nur eines dem Ideal zukommen kann. Welches von beiden das sein muss, kann nicht zweifelhaft sein. Der Raum gilt ja inzwischen als eine Anschauungsform des äußeren Sinnes, kann also das Mentale nicht betreffen, und das Ideal kann auch kaum den Status eines Phänomens haben. Der ‚regulative Spinozismus‘ darf also ebenfalls verabschiedet werden. Der Abschnitt über das transzendentale Ideal ist freilich nicht der einzige aus der Kritik der reinen Vernunft, in dem Boehm spinozistisches Gedankengut aufspüren möchte. Wie schon bemerkt, sieht er Kants Wendung zum transzendentalen Idealismus motiviert in der Absicht, den Spinozismus zu vermeiden (,  f.). Mir scheint auch dies falsch zu sein. Dieser Idealismus wird begründet in der Theorie von Raum und Zeit, in der Kant die Basis

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seiner ganzen Philosophie gesehen hat. Aus ihr ergibt sich die Notwendigkeit, zwischen Phänomena in Raum und Zeit und Noumena außerhalb zu unterscheiden. In der Rechtfertigung dieser Konzeption setzt Kant sich mit den Raum-Zeit-Theorien von Newton und Leibniz explizit auseinander, nicht aber mit der von Spinoza. Dass dieser in der „Transzendentalen Ästhetik“ keine Rolle spielt, ist sicherlich nicht in ‚politischer Klugheit‘ begründet. Eine Begründung für seine Position hat Kant freilich auch in den Antinomien gesehen, in die jede dogmatische Metaphysik notwendig geraten soll, und es sind diese Überlegungen, in denen nach Boehm Spinoza ständig präsent ist, ohne je genannt zu werden. Im zweiten Kapitel beschäftigt sich Boehm mit der ersten Antinomie. Er hält es nicht für ausreichend, in ihr ein rein sachliches Problem zu sehen, man müsse für beide Seiten historische Vorbilder angeben können. Für die Antithesis soll das Spinoza sein; ihn habe Kant auch schon  im Sinn gehabt (). Nun ist die Frage, ob die Welt zeitlich ohne Anfang ist und räumlich ohne Grenzen, seit der Antike immer wieder diskutiert worden. Thomas von Aquin musste sich mit den Argumenten von Aristoteles für die Anfangslosigkeit der Welt auseinandersetzen. Obwohl Spinoza sich die Welt als einen unendlichen euklidischen Raum denkt, in dem es kein leeres Gebiet gibt, und ebenso als ein zeitlich anfangsloses Geschehen, sehe ich keinen Anlass, in seinen Überlegungen (z. B. in Ep) ein Vorbild für Kants Formulierung der Antithesis zu sehen. Kants Beweis hat keine Entsprechung bei Spinoza. Mir ist auch unklar, weswegen er den Substanzenmonismus voraussetzen soll (, ). Kant macht keine Andeutung in diese Richtung. Die Unterscheidung zwischen einem totum analyticum (das Ganze besitzt Priorität vor seinen Teilen) und einem totum syntheticum (das Ganze ist zusammengesetzt aus ontologisch primären Teilen) ist zwar in verschiedener Hinsicht wichtig, scheint mir aber für die Antinomie irrelevant zu sein. Nach Aristoteles hat sich die Sonne unendlich oft um die Erde gedreht, wegen der strengen Gültigkeit der Konstanz der Arten muss jedes existierende (höhere) Lebewesen unendlich viele Vorfahren haben. Auch für die Frage, ob es endlich oder unendlich viele Sterne gibt, spielt es keine Rolle, ob diese eigene Substanzen oder Modi einer universellen Substanz sind. In allen Fällen würde ein unendliches totum syntheticum vorliegen. Von der Voraussetzung eines Substanzenmonismus ist nichts zu sehen. Im dritten Kapitel geht es um die Freiheitsantinomie. Wiederum möchte Boehm sowohl für die Thesis wie die Antithesis historische Vorbilder benennen. Für die Thesis soll es Leibniz sein, für die Antithesis Spinoza. Auch in diesem Fall sehe ich dafür keinen Grund. Für Spinoza darf unterstellt werden, dass es nur eine einzige mögliche Welt gibt. Für Leibniz gibt es unendlich viele, die alle von Gott gedacht werden, der unter ihnen die beste aussucht. Es soll aber keine Alternativen geben, Verzweigungen möglicher Weltverläufe. Daraus folgert er die Unterscheidung von „certain“ und „necessaire“ in der Metaphysischen Abhandlung: Innerhalb einer Welt ist ein Ereignis stets determiniert durch vorhergehende (also voraussehbar, certain), aber darum nicht notwendig, weil die Verneinung keinen Widerspruch einschließt. Es gibt also mögliche Welten, in denen es nicht vorkommt. Leibniz sieht dies als ausreichend an, um von Freiheit zu sprechen, was schon von Bayle kritisiert worden ist. Für Kant dagegen ist entscheidend die Fähigkeit, eine neue Reihe von Begebenheiten anzufangen, also die Existenz einer Alternative. Es muss nicht nur viele mögliche Welten geben, sondern auch Verzweigungen möglicher Weltverläufe. Wenn es

 Gottfried Wilhelm Leibniz, „Discours de Metaphysique“, in: Band  der Philosophischen Schriften, herausgegeben von K.I. Gerhardt (Berlin, ), .

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wie nach Spinoza nur eine mögliche Welt gibt, gibt es trivialerweise keine Alternativen. Diese Fähigkeit, eine neue Reihe von Begebenheiten zu beginnen, hat kosmologische Bedeutung, soll aber auch z. B. für das Aufstehen von einem Stuhl gelten (KrV B). Die Thesis will diese Freiheit beweisen; in der, die Leibniz annimmt, sieht Kant nur die eines „Bratenwenders“ (AA V: ). Leibniz selbst hatte in der Theodizee die menschliche Seele als einen „automate spirituel“ bezeichnet. Kant konkretisiert also nur den Automaten durch Angabe eines zeitgenössischen Küchengerätes. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Thesis einen leibnizschen Freiheitsbegriff vertritt. Und die Antithesis will auch keinen Nezessitarianismus im Sinne von Spinoza beweisen, sondern das, was Leibniz vertritt, dass jeder Weltverlauf in sich vollständig determiniert ist. Wenn man die Existenz von Alternativen als eine notwendige Bedingung von Freiheit, ja als ihren Kern ansieht, erweisen sich die Theorien von Spinoza und Leibniz als in gleicher Weise die Sache verfehlend. Wenn Boehm annimmt, dass die Konzeption von Leibniz auf die von Spinoza zurückfällt (), so ist das in dieser Hinsicht richtig, obwohl die grundsätzlichen Differenzen bleiben: Für Leibniz gibt es unendlich viele unausgedehnte Substanzen, für Spinoza nur eine unendlich ausgedehnte, für Leibniz gibt es unendlich viele mögliche Welten, für Spinoza kann nichts anders sein als es ist. Kapitel  betrifft Kants Kritik am ontologischen Gottesbeweis. Explizit wendet Kant sich gegen die von Descartes formulierte Version, für Boehm ist auch hier Spinoza der wirkliche Gegner. Er weitet die Fragestellung erheblich aus, indem er behauptet, dass das ontologische Argument als grundlegend für jede rationalistische Metaphysik gelten müsse (). Wenn Existenz kein reales Prädikat erster Stufe sei, müsse das Prinzip des zureichenden Grundes falsch sein. Sofern sich aus den Antinomien ein Argument für den transzendentalen Idealismus ergeben soll, setze dieser die Widerlegung des ontologischen Argumentes voraus. Die Frage, ob Existenz ein Prädikat erster Stufe ist, sei also für die Möglichkeit einer rationalen Metaphysik von grundsätzlicher Bedeutung. Ich bin auch in diesem Punkt skeptisch; Kants Einwand lässt sich so interpretieren, dass es nicht darum geht, ob das Existenzprädikat erster oder zweiter Stufe ist, sondern darum, ob ein anderes Prädikat durch es inhaltlich spezifiziert werden kann. Der ontologische Beweis scheitert nicht daran, dass Existenz kein Prädikat erster Stufe ist. Ohnehin gibt es Versionen, die ohne diese Prämisse auskommen. Boehm bemerkt selbst, dass seine Überlegungen die eigentlichen Positionen von Spinoza und Kant kaum betreffen: „The aim of the present chapter is not to confront Kant with this rationalist position and introduce a Kantian counter-argument. While I do not think this confrontation captures Kant’s and Spinoza’s actual historical positions, it does capture the spirit of the philosophical question at stake.” ( f.) Ich gehe deswegen über zu dem wichtigsten Thema: Kants expliziten Bezugnahmen auf Spinoza nach dem Erscheinen des Buches von Jacobi. Wie schon eingangs zitiert, vertritt Kant in der Kritik der praktischen Vernunft die Ansicht, der Spinozismus sei die einzig rationale Alternative zum transzendentalen Idealismus. In ihm aber seien Raum und Zeit wesentliche Bestimmungen des Urwesens selbst. Boehm kommt selbstverständlich häufig auf diese entscheidende These zu sprechen (, , , ,  u. ö.). Im . Kapitel wird die Sache eigens diskutiert.

 Gottfried Wilhelm Leibniz, „Essais de Théodicée“, in: Band  der Philosophischen Schriften, herausge-

geben von K.I. Gerhardt (Berlin, ), .  Vgl. Joachim Bromand, „Kant und Frege über Existenz“, in: Gottesbeweise von Joachim Bromand und Guido Kreis (Frankfurt a. M., ),  – .

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Die traditionelle, mindestens seit Augustinus die christliche Metaphysik beherrschende Vorstellung ist gewesen, dass Gott ein immaterieller Geist ist, der außerhalb vom Raum in einer zeitlosen Ewigkeit existiert. Auch heute noch dürften viele Theologen und theistische Philosophen diese Auffassung vertreten. Der transzendentale Idealismus sollte dabei nicht vorausgesetzt sein, Raum und Zeit sollten nicht als Anschauungsformen dem menschlichen Erkenntnisapparat zugewiesen werden. Kant hält nun offenkundig diese Konzeption für inkonsistent. Welche Gründe kann er dafür anführen? Die Schrift De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis von  hatte gezeigt, dass die These der transzendentalen Idealität von Raum und Zeit eine neue Begründung liefert für diese Unterscheidung der traditionellen Ontologie. Wenn Raum und Zeit einer menschlichen Perspektive auf die Wirklichkeit entstammen, sollte es neben einer Welt raumzeitlicher Phänomene auch eine außerraumzeitliche Wirklichkeit geben, eine Welt der Noumena. Kant nimmt nun aber offenbar an, diese Unterscheidung lasse sich auch nur auf diese Weise rechtfertigen, nicht so, wie das in den platonisch-neuplatonischen Ansätzen versucht worden ist. Seine rhetorische Frage, ebenfalls erst nach dem Erscheinen des Buches von Jacobi formuliert, mit welchem Recht man die Bedingungen der Zeit und des Raumes von Gott wegschaffen wolle, wenn man sie vorher zu Formen der Dinge an sich selbst gemacht hat (KrV B), hält er für unbeantwortbar. Boehm selbst stellt fest, dass Kant im Kontext der Passage aus der Kritik der praktischen Vernunft keine guten Argumente für seine These nennt (); er erinnere dort nur an ein Argument aus der vierten Antinomie (also an einen Text von ). Kant behaupte dort das folgende Prinzip: „The grounding relation between the unconditioned and the conditioned cosmological series that it grounds must be of the same type as that obtaining between the conditioned members of the series themselves.“ () Dies Prinzip rechtfertige Kants Aussage in der zweiten Kritik. Boehm hält dieses Prinzip für plausibel (), obwohl Philosophen wie Augustinus, Thomas von Aquin und heute Swinburne es bestreiten würden. Kant sieht es in seiner Theorie der Freiheit ja selbst als möglich an, dass „intelligible Ursachen“ (KrV B) in zeitliche Vorgänge kausal eingreifen. Man kann drei Möglichkeiten unterscheiden: () Ein solches Eingreifen einer intelligiblen Ursache in einen zeitlichen Prozess ist grundsätzlich unmöglich – dann allerdings ist Kants Theorie der Freiheit aufzugeben. () Es ist möglich, und zwar unabhängig davon, dass Raum und Zeit Anschauungsformen sind – dann sind Kants Einwände gegen die traditionelle Metaphysik hinfällig. () Es ist möglich, jedoch nur dann, wenn Raum und Zeit subjektive Anschauungsformen sind. Dies muss Kants Auffassung sein, es ist aber schwer zu sehen, wie sie gerechtfertigt werden kann. Die These der Idealität von Raum und Zeit legt zwar die Annahme einer noumenalen Welt nahe, kann aber nicht einsichtig machen, weswegen Einwirkungen aus ihr heraus in zeitliche Vorgänge möglich sein sollen. Auch Boehm macht das nicht verständlich, und das von ihm als plausibel bezeichnete Prinzip scheint es auszuschließen. Es wird also nicht einsichtig, weswegen der Spinozismus die einzig mögliche Alternative zum transzendentalen Idealismus sein und die augustinische Position nicht in Frage kommen soll. Der sachlich angemessene Weg scheint mir darin zu bestehen, eine Theorie der Freiheit zu entwickeln, die ohne die Annahme intelligibler Ursachen auskommt, doch das ist ein anderes Thema.

 Vgl. z. B. den Artikel: Werner Beierwaltes, „Mundus intelligibilis/sensibilis“, in: Band  des Historischen Wörterbuchs der Philosophie, herausgegeben von Joachim Ritter et al. (Basel, ),  – .  Darüber informiert Beierwaltes ebd.

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Boehm weist mit Recht darauf hin, dass die neue Vorrede eine der wichtigsten Ergänzungen ist, die Kant für die neue Auflage der Kritik der reinen Vernunft vorgenommen hat (). In ihr wird ja das Ziel der kritischen Philosophie neu bestimmt. Kant unterscheidet nun einen positiven Nutzen von einem negativen (KrV BXXIV). Der negative entspricht dem, der früher als einziger genannt worden war: der Einsicht, dass wir uns mit der spekulativen Vernunft niemals über die Erfahrungsgrenzen hinauswagen dürfen. Der nun neu eingeführte positive Nutzen soll darin bestehen, dass dem Materialismus, Atheismus, dem freigeisterischen Unglauben, der Schwärmerei und dem Aberglauben die Wurzeln abgeschnitten werden (KrV BXXXIV). Boehm macht überzeugend klar, dass diese neue Beschreibung dessen, was die kritische Philosophie leisten kann und leisten soll, sich aus den Diskussionen erklärt, zu denen es nach dem Erscheinen des Buches von Jacobi gekommen war. Kant hat sich ja auch mit anderen Texten an ihnen beteiligt. Jacobi hat die Philosophie Spinozas als atheistisch und fatalistisch, letztlich als nihilistisch interpretiert. Der Ausdruck ‚Nihilismus‘ wurde von ihm, wie Boehm anführt (IX), geprägt. Kant sehe nun seine Philosophie an als einen Versuch, dieser nihilistischen Herausforderung zu begegnen (XVIII). Diese Interpretation Jacobis ist jedoch keineswegs zwingend. Schon Lessing hat in der Philosophie Spinozas den Versuch gesehen, einen neuen vertieften Gottesbegriff einzuführen. Wie Jacobi über sein Gespräch mit ihm berichtet: „Die orthodoxen Begriffe von der Gottheit sind nicht mehr für mich; ich kann sie nicht genießen.“ (JWA I,: ) Lessing erstrebt keinen Atheismus, sondern einen angemesseneren Theismus, ist also weit entfernt davon, in Spinozas Theorie einen nihilistischen Atheismus zu sehen. Herder hatte schon  in seiner Abhandlung Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele geäußert, Spinoza sei „ohne Zweifel noch göttlicher[]“ als der heilige Johannes. In einem Brief vom Februar  an Jacobi (den „liebe[n], beste[n], extramundane[n] Personalist[en]“) wird ein von Spinoza inspirierter Gottesbegriff verteidigt, ebenso in der Schrift Gott von . So geht es weiter bei Goethe und Schleiermacher. Der amor Dei intellectualis gilt als Vorbild einer vernunftgemäßen und freien Beziehung zu Gott. Den Satz „Wer Gott liebt, kann nicht danach streben, dass Gott ihn wiederliebt“ (Ep) hat Goethe sehr bewundert. Was hat diese Kritik am religiösen Eudämonismus mit Nihilismus zu tun? Auch das Unternehmen von Schelling und Hegel  in Jena, eine Synthese von Spinozismus und transzendentalem Idealismus zu entwickeln, setzt voraus, dass die nihilistische Deutung des ersteren falsch sein muss. Dass Kant die keineswegs selbstverständliche Deutung Jacobis übernimmt, darf als Indiz dafür genommen werden, dass er zwar das Buch von Jacobi gelesen hat, aber auch nach  nicht die Ethica selbst. So wird am ehesten verständlich, dass er zwar im Spinozismus die einzig konsequente Alternative zur eigenen Theorie gesehen hat, ihn zugleich aber für eine große Gefahr gehalten hat, der die Philosophie begegnen muss. Wenn bei Kant überhaupt politische Klugheit vorgelegen hat, dann nicht darin, dass er vor  Spinoza kaum erwähnt, sondern darin, dass er nachher diese ‚schlimme‘ Theorie als die einzig plausible Alternative zu seiner eigenen bezeichnet. Boehms kühner Versuch, im Spinozismus den wichtigsten Gegner der kritischen Philosophie auszumachen, gegen den diese auch dort gerichtet ist, wo sie ihn gar nicht erwähnt, ist in meinen Augen gescheitert. Aber das Buch betrifft ein wichtiges Thema zum Ver-

 Johann Gottfried Herder, Vom Erkennen und Empfinden der Seele (Riga, ), .  Brief Herders an Jacobi vom . . , in: Band I. des Briefwechsels von F.H. Jacobi (Stuttgart-Bad

Cannstatt, ), .

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ständnis der geistigen Situation um  sowie der nachfolgenden Entwicklung hin zum absoluten Idealismus. Eine falsche Generalthese wird mit viel Scharfsinn im Detail und großer Gelehrsamkeit ausgearbeitet. Im Hintergrund steht die noch immer aktuelle Frage – Boehm kommt häufig auf sie zu sprechen –, was Aufklärung sein kann und sein soll. Spinoza und Kant repräsentieren dafür nach seiner Ansicht zwei unterschiedliche Modelle. Obwohl ich alle wesentlichen Thesen für falsch halte, hat mir das Buch großen Respekt abgenötigt. Die eingehende Beschäftigung mit ihm lohnt sich. Peter Rohs Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Jean-Christophe Merle und Andreas Schmidt, Hgg. Fichtes System der Sittenlehre. Ein kooperativer Kommentar. Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann, .  S. Das System der Sittenlehre von  hat im Vergleich zu anderen Hauptschriften Fichtes relativ wenig Resonanz gefunden. Im Unterschied zu Kants Moralphilosophie ist die von Fichte in diesem Werk vertretene Position in der gegenwärtigen Ethik-Diskussion kaum präsent. Und auch wenn die mit dem  beginnenden Erscheinen der Fichte-Gesamtausgabe (GA) verbundene Intensivierung der Fichte-Forschung zahlreiche neuere Einzeluntersuchungen zu Fichtes moralphilosophischer Hauptschrift hervorgebracht hat, können weder der eigentümliche Charakter des von Fichte hier entwickelten Theorieansatzes noch der Aufbau und die zentralen Thesen der fichteschen Sittenlehre als hinreichend geklärt gelten. Der von Jean-Christophe Merle und Andreas Schmidt herausgegebene kooperative Kommentar, der Fichtes Hauptschrift zur Ethik als Ganzes übersichtlich zu machen und ihren systematischen Gehalt zu klären versucht, stellt insofern zweifellos ein Desiderat dar. Durch die in den Beiträgen geleistete eingehende Erörterung aller Teile der fichteschen Sittenlehre wird deutlich, dass diese ein bisher unterschätzter und höchst origineller Versuch ist, die Moraltheorie in einen umfassenden systematischen Zusammenhang zu stellen, der von ihren subjektivitäts- und handlungstheoretischen Grundlagen bis zur Dimension der konkreten Anwendung moralischer Prinzipien reicht. Dabei überrascht nicht, dass zugleich interpretatorische und sachlich-systematische Probleme hervortreten, die weitere Diskussionen erfordern. Auf einige von ihnen soll im Folgenden hingewiesen werden. Fichtes Moraltheorie baut auf einer prä-ethischen Handlungs- und Freiheitskonzeption auf, die ihrerseits eine transzendentale Konzeption von Subjektivität zur Voraussetzung hat. W. Martins Beitrag eröffnet die Kommentierung des fichteschen Texts mit einer eingehenden Erörterung der in der „Einleitung“ der Sittenlehre dargelegten handlungstheoretischen Grundthesen Fichtes. Martin stellt dabei Fichtes eigentümliches methodisches Vorgehen in den Mittelpunkt, das darin bestehe, die phänomenologische Beschreibung von Bewusstseinsinhalten mit der transzendentalen Untersuchung der sie ermöglichenden Bedingungen zu verbinden, so dass Fichtes Theorie in methodologischer Hinsicht als eine „transzendentale Phänomenologie“ charakterisiert werden könne (). Martin macht deutlich, dass Fichte im Ausgang von der transzendentalen Voraussetzung des ‚Ich‘ als präreflexive Identität von Subjekt und Objekt das intentionale Bewusstsein als Sphäre der

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trennenden Erscheinung dieser Identität versteht, in der stets subjektive und objektive Elemente unterschieden und zugleich aufeinander bezogen werden. Der freie Wille, der sich mit einer widerständigen Objektwelt konfrontiert sieht und diese seinen subjektiven Zwecksetzungen anzupassen sucht, ist für Fichte also nichts anderes als die ‚Erscheinung‘ der unmittelbaren Subjekt-Objekt-Identität, die dem Bewusstsein zugrunde liegt. Martin bemerkt zu Recht, dass ‚Erscheinung‘ hier nicht ,Schein‘ oder ‚Illusion‘ bedeutet (). Aber in Fichtes durchaus unkantischer Charakterisierung der Freiheit des Willens als Erscheinung, ja als „sinnliche Vorstellung der Selbstthätigkeit“ (GA I,: ), wird bereits deutlich, dass Fichtes Sittenlehre eine ganz eigenständige systematische Konzeption der Willensfreiheit enthält, die diese als in ihrer Genesis rekonstruierbare Bewusstseinssetzung auffasst und insofern entontologisiert, zugleich aber innerhalb der Aspekte von ,erscheinender‘ Subjektivität situiert und damit in ihrem positiven Zusammenhang mit anderen Eigenschaften des Menschen – seiner Leiblichkeit und seiner durch Neigungen bzw. Triebe geprägten Motivation – zu verstehen sucht. In der Deduktion des Sittengesetzes, der das erste Hauptstück der Sittenlehre gewidmet ist, wird von den Bedingungen konkreter Ausübung der Freiheit noch ganz abgesehen. Fichte will hier vielmehr einen für seine Moraltheorie grundlegenden Zusammenhang allererst sicherstellen: Nichts anderes als das Selbstbewusstsein, sofern es wesentlich das Bewusstsein einschließt, Subjekt von volitiver Selbstbestimmung zu sein, soll als Quelle des Bewusstseins moralischen Verpflichtetseins erwiesen werden (GA I,:  ff.). Der Beitrag von A. Schmidt rekonstruiert Fichtes Deduktionsargument als eine Explikation des im praktischen Selbstbewusstsein eingeschlossenen Freiheitsbegriffs. Fichtes zentraler Gedanke ist es nach Schmidt, dass in unserem Selbstverständnis als freie Akteure zwei auf den ersten Blick gegensätzliche Gedanken zusammengeführt sind: die Konzeption der Freiheit als Fähigkeit, einer inneren Tendenz oder Gesetzlichkeit des Willens zu folgen, und als ‚gesetzloses‘ Vermögen der Selbstbestimmung durch Wahl- bzw. Entscheidungsakte. Schmidt macht deutlich, dass Fichte hier die von Kant in verschiedenen Kontexten seiner praktischen Philosophie ins Spiel gebrachten Konzeptionen der Freiheit als vernünftige Selbstgesetzgebung und als Willkürfreiheit aufnimmt und als gleichermaßen indispensable ‚objektive‘ und ‚subjektive‘ Komponenten unseres praktischen Selbstbewusstseins ansetzt ( ff.). Im Pflichtcharakter des Sittengesetzes, so Schmidts Schlussfolgerung, begegnet nach Fichte dem selbstbewussten Akteur die dem eigenen Willen wesentliche Tendenz zur Selbstbestimmung in der einzigen Weise, die mit seiner Wahlfreiheit verträglich ist – nicht als notwendig-gesetzliches ‚Sein‘, sondern als wesentliches ‚Sein-Sollen‘, das die eigenen Entscheidungen einer unbedingten normativen Anforderung unterwirft ( f.). Schmidt betont zu Recht, dass Fichte mit dieser Schlussfolgerung den Gedanken, dass die Vernunft autonom sein soll, als Prinzip der Moral formulieren will ( – ). Doch stellt sich hier die Frage, ob der durch Fichtes Argument als normatives Prinzip etablierte Gedanke der Maximierung von Selbstbestimmung bereits hinreichend ist, um einen moraltheoretisch adäquaten Vernunftbegriff einzuführen. Ein prozedural definierter Begriff von Vernunft, der die Unterscheidung zwischen moralisch ‚richtigen‘ und ‚falschen‘ Optionen leiten könnte, ist hier jedenfalls noch nicht in Sicht, so wenig wie der von Schmidt ins Spiel gebrachte Begriff von Rationalität als Praxis des Gebens von Gründen, der überdies zu weit ist, um den spezifischen Charakter von sittlicher Vernünftigkeit zu erfassen. Die Frage,

 In seinen einleitenden Ausführungen charakterisiert A. Schmidt Fichtes Sittenlehre daher zu Recht als eine „transzendentale Anthropologie“ ().

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inwiefern Fichtes subjektivitätstheoretische Begründung des Moralprinzips einen moraltheoretisch tragfähigen Vernunftbegriff zu liefern vermag, ist ein zentrales Problem der Sittenlehre, das auch in weiteren Beiträgen des Kommentars wieder hervortreten wird. Fichtes Sittenlehre ist in ihrem größten Teil der Anwendungsdimension des Sittengesetzes gewidmet. Dabei geht es Fichte zunächst (im zweiten Hauptstück der Schrift) um die Bedingungen, die die Anwendbarkeit des Sittengesetzes ermöglichen. Die zentrale Frage ist hier, wie der Handelnde in seinem praktischen Sich-Verhalten zu Gegenständen einen Handlungsweg einschlagen kann, der als Annäherung an das durch das Sittengesetz gebotene ideale Ziel uneingeschränkter Selbstbestimmung zu verstehen ist (GA I,:  ff.). Der Beitrag von M. Quante macht deutlich, dass Fichte im Kontext der Erörterung der Anwendbarkeitsfrage die handlungstheoretischen Grundlagen seiner Moraltheorie weiterentwickelt und präzisiert. Einen wichtigen Beitrag Fichtes zur Handlungstheorie sieht Quante darin, dass Fichte die Grundbedingungen freien Handelns im Ausgang von der Perspektive des Handelnden erörtert und dabei Grundbegriffe, die in der heutigen handlungstheoretischen Diskussion zumeist unbefragt vorausgesetzt werden, philosophisch einzuholen versucht. Entsprechend Fichtes zentraler These, das Freiheitsbewusstsein sei nicht nur als praktisches, sondern auch als theoretisches Prinzip anzusetzen, betrachtet Quante Gesichtspunkte, die zugleich für die theoretische Philosophie von Bedeutung sind, als zentral für Fichtes Erörterung der Bedingungen menschlichen Handelns. So rekonstruiert Fichte nach Quante unsere ‚realistische‘ Einstellung im Sinne der Annahme der Existenz unabhängiger Gegenstände als Implikation unseres Selbstbewusstseins als freie Handelnde – wobei die unabhängige Gegenstandswelt zugleich wesentlich als Handlungsraum, d. h. als durch je eigene Kausalität modifizierbar gedacht wird. Der Kausalitätsbegriff, den Fichte hierbei als notwendiges Element des Handlungsbegriffs ins Spiel bringt, meint nach Quante zwar innerweltliche Wirksamkeit, ist aber keineswegs aus einer externen Beobachterperspektive heraus konzipiert, sondern wesentlich am „Handlungswissen“ bzw. dem Standpunkt der ersten Person orientiert ( – ). Die Beiträge von F. Schick und A. Wood untersuchen Fichtes Konzeption des Verhältnisses zwischen Freiheit und Natur, die ein zentrales Element der in der Sittenlehre gegebenen Erörterung der Anwendbarkeit des Sittengesetzes darstellt. Diese kann nach Fichte nämlich nur sichergestellt werden, wenn die Natur statt als alle Freiheit ausschließende Sphäre determinierter Abläufe gerade als Verwirklichungssphäre der Freiheit begriffen wird. Fichte hält es daher für erforderlich, Gedanken aus Kants Kritik der Urteilskraft, die dort den systematischen Übergang von der Natur zur Freiheit ermöglichen sollen, in die Moraltheorie selbst einzubauen. Für die moraltheoretisch motivierte Harmonisierung von Natur und Freiheit ist die These zentral, dass die Existenz als mit Trieben ausgestatteter Organismus kein Hindernis der Ausübung von Freiheit, sondern im Gegenteil als deren ermöglichende Bedingung zu verstehen ist. Der Beitrag von F. Schick macht deutlich, dass der Triebbegriff von Fichte ganz unter dem Aspekt der Vermittlung von Freiheit und Natur konzipiert wird. Als dem Denken vorgängig sind seine Triebe für den Handelnden natürliche Gegebenheiten; doch zugleich entspricht triebbestimmtes Handeln einer notwendigen Bedingung freien Handelns, sofern es sich nicht der Determination durch äußere Ursachen, sondern dem inneren Antrieb des Handelnden verdankt. Fichte kann daher in Trieben die Quelle der inhaltlichen Bestimmtheit des freien Wollens sehen, das freilich darüber hinaus eine reflektierte, distanziert-selektive Einstellung gegenüber den möglichen Triebbefriedigungen erfordert ( ff.). Schick zeichnet nach, wie Fichte von diesem handlungstheoretischen Gedanken ausgehend eine teleologische, auf dem Triebbegriff

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aufbauende Konzeption der Natur im Ganzen entwirft. Fichtes These, im Rückgriff auf den Triebbegriff sei die Möglichkeit der inhaltlichen Bestimmtheit freien Handelns zu verstehen, erweist sich in Schicks kritischer Diskussion jedoch als fragwürdig, da Fichte über keine haltbare Konzeption der Bestimmtheit des von Trieben Erstrebten verfüge (). Die Explikation der fichteschen Konzeption des ‚Wozu‘ sittlichen Handelns in Sinne der Bestimmung seines Endzwecks – dies ist ein wichtiges kritisches Resultat des Kommentars – erweist sich als eines der interpretatorischen und zugleich systematischen Hauptprobleme, die durch Fichtes Sittenlehre aufgeworfen werden. Der Beitrag von A. Wood diskutiert die abschließenden Schritte der fichteschen Erörterung der Bedingungen der Anwendbarkeit des Sittengesetzes. Wood zeigt, dass Fichte die Möglichkeit, sich zu natürlichen Handlungsantrieben moralisch und selbstbestimmt zu verhalten, auf das reflektierte Selbstverhältnis des Handelnden gegründet sieht. Ein auf sittliche Selbstbestimmung ausgehender Antrieb bildet sich nach Fichte nämlich erst dann aus, wenn der Handelnde seine Wahlfreiheit nicht nur ausübt, sondern darüber hinaus auf sich reflektiert und sich seiner als zur Distanzierung von jedem natürlichen Antrieb fähiges Subjekt bewusst wird. Die Reflexion führt also zu einer von der eigenen Natürlichkeit abgesetzten Selbstbeschreibung, mit der sich ein ‚reiner‘, auf sittliche Selbstbestimmung ausgehender Antrieb ausbildet ( f.). Dieser kann freilich in das Handeln nur insofern eingreifen, als natürliche Antriebe, ohne die wir keine bestimmten Ziele ausbilden können, mit ihm in Harmonie stehen. Moralische Motivation ist insofern weder als ‚natürlicher‘ noch als ‚reiner‘, sondern als ‚gemischter‘ Trieb zu fassen. Dieser Gedanke liegt nach Wood Fichtes Begriff des Gewissens zugrunde: Dieses werde von Fichte als die Fähigkeit konzipiert, sich in konkreten Situationen der inneren Harmonie von ‚reinem‘ Trieb und gegebenem natürlichem Antrieb bewusst zu werden – wobei das fragliche Bewusstsein als gefühlte Evidenz zu fassen ist und nicht etwa durch Anwendung formal-diskursiver Prinzipien hergestellt werden kann. Wood macht deutlich, dass Fichte sich in seiner Gewissenskonzeption von Kants ethischem „Formalismus“ distanziert und zugleich wesentliche Elemente der kantischen Analyse des ästhetischen Urteils über das Schöne in seine Konzeption des moralischen Bewusstseins einbringt ( – ). Dass Fichte sich in seinem Verständnis der Bedingungen der Erkenntnis konkreter Pflichten eher an Kants Analyse der ästhetischen Erfahrung als an dessen Konzeption des moralischen Urteils als Subsumption von Einzelfällen unter ein diskursiv-formales Prinzip orientiert, zeigt, dass auch in Fichtes Untersuchung der Anwendungsbedingungen des Moralprinzips noch kein Begriff von praktischer Vernunft oder ‚Rationalität‘ im Sinne argumentierender, an diskursiven Regeln ausgerichteter Praktiken eingeführt ist. Moralität ist hier als die sich in Handlungen manifestierende, gefühlte Gewissheit einer inneren Integrität verstanden, in der die empirische Motivation zu bestimmten Handlungen mit dem idealen Ziel der Maximierung von Selbstbestimmung in Übereinstimmung steht. J.-Chr. Merle bemerkt zu Recht, dass Fichtes Konzeption der Gewissensevidenz als formales Kriterium der moralischen Richtigkeit von Handlungen den kognitiven Status des moralischen Bewusstseins fraglich werden lässt ( f.). Ein vollständiges Bild des fichteschen Verständnisses von Moralität, aus dem sich auch der darin der Rationalität im Sinne einer diskursiven Begründungspraxis zugeordnete Stellenwert ersehen lässt, ergibt sich jedoch erst, wenn Fichtes Konzeption der Anwendung des Sittengesetzes in die Betrachtung einbezogen wird. Sie wird im umfangreichen dritten Teil der Sittenlehre ausgeführt und stellt als Pflichtenlehre die „Sittenlehre im engern Sinne“ dar (GA ,:  ff.). Merle eröffnet die Kommentierung der fichteschen Pflichtenlehre, indem er deren teleologische

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Struktur deutlich herausstellt: Moralische Handlungen und die handelnden Individuen selbst sind nach Fichte nichts anderes als Mittel der Annäherung an die vollkommene Selbstbestimmung als Endzweck. Dieses Ziel ist überindividuell, sofern in der Formulierung des Moralprinzips von partikularen Eigenschaften selbstbewusster und freier Akteure abgesehen wird ( ff.). Wie Merle deutlich macht, geht Fichtes Erörterung der ‚materialen‘, die Schritte auf dem Weg zum moralischen Endzweck bestimmenden Bedingungen von Moralität über die Konzeption des Gewissens als deren formale Bedingung in bemerkenswerter Weise hinaus: Hier kommen die Individualität als Bedingung des materiellen Inhalts von Pflichten ins Spiel und damit zugleich die intersubjektiven Beziehungen zwischen den Individuen, von denen in der Deduktion des Moralprinzips ja noch ganz abgesehen wurde. In der Gemeinschaft der Individuen sollen die Pflichten allererst bestimmt werden, indem ein Konsens hinsichtlich dessen, was moralisch geboten ist, hergestellt wird ( – ). Genau an dieser Stelle scheint in Fichtes Sittenlehre Rationalität im Sinne der intersubjektiven Praxis des Gebens von Gründen ins Spiel zu kommen. Moralität besitzt für Fichte also sowohl die Dimension der subjektiv-gefühlten Gewissensevidenz als auch die des intersubjektiv-diskursiven Erwägens von Gründen, das auf Objektivierung der moralischen Überzeugung im Sinne der Herstellung intersubjektiver Übereinstimmung abzielt. Wie Fichtes These zu verstehen ist, dass in moralischem Wollen und Handeln das Gewissen als Vermögen eines zu Handlungen motivierenden und in Analogie mit der ästhetischen Erfahrung konzipierten Gefühls innerer Harmonie mit einer intersubjektivobjektivierenden Begründungspraxis zusammenspielt, muss als eine der zentralen Fragen gelten, die Fichtes Moralkonzeption aufwirft. Sie klingt in mehreren Beiträgen des Kommentars an, bedürfte aber einer eingehenderen Untersuchung, um in ihrem sachlichsystematischen Gehalt deutlich zu werden. Die im dritten Teil der Sittenlehre ausgeführte Darlegung bestimmter Pflichten wird in Beiträgen von J.-Chr. Merle, M. Maesschalck, C. De Pascale, A. La Vopa und J.-F. Goubet untersucht. Sie stellt einen ganz wesentlichen Teil der fichteschen Sittenlehre als einer ‚rellen‘, die konkrete Anwendungsdimension des Moralprinzips umfassenden Moraltheorie dar. Die genannten Beiträge lassen in ihrer eingehenden Erörterung der fichteschen Pflichtenlehre deren inhaltliche und methodische Vielschichtigkeit deutlich werden. Schon die von J.-Chr. Merle diskutierte Bestimmung der Pflichten, die nach Fichte a priori aus dem idealen Endziel moralischen Handelns – der uneingeschränkten Selbstbestimmung – ableitbar sind, bietet ein komplexes Bild. Hier finden sich Pflichten erster Stufe, die das moralisch richtige Verhältnis zum eigenen Körper betreffen, aber auch solche, die als „epistemische Meta-Pflichten“ bezeichnet werden können, wie etwa die Pflicht zur genauen Bestimmung seiner Pflichten (). Die „eigentliche Pflichtenlehre“ Fichtes handelt

 Fichte spricht in diesem Sinn von der „Wechselwirkung“ der Individuen (GA I,: ).  So bemerkt A. Wood, dass für Fichte das Gefühl des Gewissens auf eine „kohärentistisch und inter-

subjektiv“ aufgefasste Basis gestellt sei, da es sich nur als Folge von Kommunikation und Reflexion einstellen könne (), und M. Maesschalck verweist darauf, dass das Gewissen material von einem theoretischen Urteil über die Tauglichkeit von Handlungen als Mittel zur Annäherung an den moralischen Endzweck abhängt, das es „formal sanktioniert“ (). Diese Bemerkungen sind sicher zutreffend, lassen aber die Frage offen, wie der Zusammenhang zwischen dem in Entsprechung zur ästhetischen Erfahrung im Sinne Kants konzipierten Gefühl des Gewissens und der objektiven, diskursiv-begrifflich verfassten Kommunikation zu verstehen ist. Der Gedanke eines Folgezusammenhangs zwischen objektiv-diskursiver Kommunikation und Gefühl scheint mit Kants Verständnis der ästhetischen Erfahrung unvereinbar zu sein und die Evidenz des Gewissens eher in die Nähe eines theoretisch-kognitiven Gewissheitsgefühls zu bringen.

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jedoch von Pflichten, die sich nicht a priori ableiten lassen, sondern nur durch eine Reflexion bestimmt werden können, die empirisch-konkrete Bedingungen und Möglichkeiten des Handelns auf das Ziel der Maximierung von Selbstbestimmung bezieht. M. Maesschalcks Beitrag lässt deutlich werden, dass Fichtes Bestimmung der Pflichten einem Kants Konzeption der reflektierenden Urteilskraft verpflichteten Verfahren folgt, das die Konzeption der empirisch bestimmten, aber moralisch entwicklungsfähigen Person zur Grundlage hat. Die Anwendung des Moralprinzips ergibt sich dementsprechend in einer Reflexion, welche die empirische Person und die ihr verfügbaren Möglichkeiten konkreten Handelns daraufhin untersucht, inwiefern sie zur Annäherung an das ideale und allererst zu bestimmende Ziel vollendeter Selbstbestimmung beitragen können ( – ). Dass diese Konzeption moralischer Reflexion der Betrachtung alternativer Handlungsmöglichkeiten erhebliche Bedeutung zukommen lässt und Fichte daher bei der Beurteilung moralischer Konfliktsituationen (wie z. B. dem bekannten Lügenbeispiel) inhaltlich zu anderen Ergebnissen als Kant kommt, macht der Beitrag von C. De Pascale deutlich ( f.). In den abschließenden Teilen der Sittenlehre tritt noch ein weiteres bemerkenswertes Element der fichteschen Pflichtenlehre in den Mittelpunkt: die Bestimmung besonderer, mit der Stellung des Handelnden in der Gesellschaft verbundener Pflichten. Die Untersuchung der nach den Ständeunterschieden differenzierten besonderen Pflichten stellt einen wesentlichen Teil der Sittenlehre als einer ‚reellen‘ Moraltheorie dar. Wie der Beitrag von J.-Fr. Goubet deutlich macht, konkretisiert sich hier die moralteleologische Perspektive der Annäherung an das ideale Endziel vollkommener vernünftiger Selbstbestimmung durch die Bestimmung des spezifischen Beitrags, den Personen je nach ihrer sozialen Stellung zu diesem wesentlich kollektiven Prozess leisten können ( f.). Zugleich erweisen sich Fichtes Ausführungen zu den ständespezifischen Pflichten jedoch als hochgradig zeitbedingt. Dies gilt insbesondere für Fichtes Bestimmung der auf den ‚natürlichen Stand‘ von Mann und Frau bezogenen Pflichten, die für das Eheverhältnis konstitutiv sind. A. La Vopa diskutiert auf höchst aufschlussreiche Weise die Aporien in Fichtes Versuch, die Ehe als Kompatibilisierung einer auf Universalität angelegten Subjektivitätsstruktur mit dem als naturgegebene Ungleichheit verstandenen Geschlechterverhältnis zu konzipieren – womit ein in der Literatur bisher sehr wenig diskutierter Aspekt von Fichtes Rechts- und Moraltheorie zur Sprache kommt ( ff.). Während die im vorliegenden Kommentar enthaltenen Beiträge zu Fichtes Pflichtenlehre zeigen, dass Fichtes Sittenlehre durchaus als interessanter und im Verhältnis zu Kant eigenständiger Beitrag zu Fragen der angewandten Ethik und ihrer Methodologie gesehen werden kann, tritt mit den abschließenden Beiträgen von G. Zöller und D. Breazeale der in systematischer Hinsicht weitgespannte Bogen vor Augen, den Fichtes Sittenlehre durchläuft. Der grosse Anteil von „prä- und proto-ethischen Systemteilen“, in denen eine subjektivitätstheoretisch begründete Handlungstheorie entwickelt und zugleich die Moralphilosophie in den Begründungszusammenhang der Wissenschaftslehre aufgenommen wird, lassen die Sittenlehre nach Zöller sogar als Fichtes systematisch gelungenstes Werk erscheinen, dessen (wenn auch relativ spärliche) Rezeption infolge dieser Eigentümlichkeit des Werks vorrangig eine Auseinandersetzung mit dem Grundansatz der Wissenschaftslehre gewesen sei – Hegels Differenzschrift kann hier als Beispiel angeführt werden (, ff.). Daniel Breazeale schließlich situiert die Sittenlehre innerhalb der Entwicklung, die Fichtes Projekt der Wissenschaftslehre in seiner Jenaer Phase durchlaufen hat. Wie Breazeale überzeugend darlegt, ist Fichtes Hauptschrift zur Moralphilosophie der zweiten von Fichte vorgetragenen Fassung des Grundlegungsteils der Wissenschaftslehre, der sog. ‚Wissen-

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schaftslehre nova methodo‘, zuzuordnen. Angesichts der Tatsache, dass Fichte diese nicht als Ganzes zur Veröffentlichung gebracht hat, hat man die Sittenlehre in ihrer Integration von Grundlegungszusammenhang und Moralphilosophie nach Breazeale daher als bestes veröffentlichtes Zeugnis von Fichtes revidierter Darstellung der Grundlagen der Wissenschaftslehre zu betrachten und nicht nur als Ausführung der Moraltheorie als besonderem Systemteil ( f.). Zusammenfassend ist zu sagen, dass der vorliegende kooperative Kommentar alle Teile der fichteschen Sittenlehre in erhellender und interessanter Weise diskutiert. Eine nicht geringe Tugend des Bands ist insbesondere darin zu sehen, dass er geeignet ist, auch bei ‚Nicht-Fichteanern‘ ein Interesse an Fichtes systematischem Beitrag zur Moralphilosophie zu wecken. Ein abschließendes caveat: Ein kooperativer Kommentar hat den Vorteil, Teile des zu kommentierenden Werks spezialisierten Autoren anvertrauen zu können. Dies bedeutet jedoch zugleich, dass es nicht zur Zusammenschau der von verschiedenen Autoren kommentierten Textteile kommt. Bei einigen zentralen und über den Text als Ganzes hinweg entfalteten Begriffen der Sittenlehre, wie z. B. dem Vernunft- und Freiheitsbegriff, wäre dies aber wichtig, um Fichtes systematische Position als Ganzes zu erfassen. Der Band weist also das Vernetzungsdefizit auf, das ‚kooperative‘ (d. h. arbeitsteilige) Kommentare allgemein charakterisiert. Dies zeigt sich auch darin, dass in der Kommentierung verschiedener Textteile von den Autoren mitunter gegenläufige Interpretationen vertreten werden, ohne dass die sich hieraus ergebenden Konsistenzprobleme thematisiert werden. So stellt der vorliegende Kommentar zweifellos einen grossen Schritt in der Erschließung des systematischen Gehalts der Hauptschrift Fichtes zur Moralphilosophie dar, hinterlässt aber zugleich Fragen, die infolge der Grenzen der gewählten Kommentierungsform in ihm selbst nicht zur Sprache kommen können. Christian Klotz Universidade Federal de Goiás

Michael Quante und David P. Schweikard, Hgg. Marx-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler, .  S. Karl Marx ist zwar nicht mehr in aller Munde, aber doch Objekt erneuter Aufmerksamkeit. Angesichts des Zusammenbruchs des Sowjetregimes und des scheinbar alternativlosen Siegeszugs des Kapitalismus, konterkariert durch die krisenhaften Entwicklungen des globalisierte Finanzkapitalismus, der skandalösen Ungleichverteilung von Reichtum und Armut, der Schwächung sozialstaatlicher Demokratien und der ungelösten Umweltprobleme ist eine erneute und vertiefte Wiederaufbereitung des Autors nur zu verständlich, der vor  Jahren die sicherlich wirkmächtigste und überzeugendste Kritik des Kapitalismus vorgelegt hat. Es ist ein anzuerkennendes Verdienst von Michael Quante und David P. Schweikard, in dieser Situation noch einmal eine philosophische Vergewisserung über

 Dies gilt z. B. hinsichtlich des Verhältnisses der fichteschen Moraltheorie zur stoischen Ethik: A. Wood glaubt in der Sittenlehre eine Annäherung Fichtes an den Stoizismus bemerken zu können (), während M. Maesschalck gerade die Distanz Fichtes zu den Stoikern betont ().

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Leben, Werk und Wirkung Marxens vorgelegt zu haben. Von einem Handbuch kann man, auf dem Stand der Forschung, informative Artikel erwarten. Und diese Erwartung wird auch in zentralen Hinsichten erfüllt, in anderen freilich enttäuscht. Die Herausgeber bieten umfangreiche Artikel zu vier Abschnitten „I. Leben“, „II. Werke“, „III. Grundbegriffe und Konzeptionen“ und zu „IV. Rezeption“, die ihrerseits unterteilt jeweils ein Glossarium zu einzelnen Schriften, Grundbegriffen, Positionen der Interpretation und schließlich zu einzelnen Fachdisziplinen enthalten. Mit Recht beziehen sie sich dabei auf den neusten Stand der historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke von Marx und Engels, die sogenannte MEGA, die seit  zunächst noch von den sowjetischen und ostdeutschen Parteiinstituten für Marxismus-Leninismus, seit  rekonstituiert von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung Amsterdam herausgegeben wird, und zwar seit längerem unter der Federführung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Marxens umfangreiches Schrifttum, Exzerpte, Briefe, Zeitungsartikel und politische Pamphlete, in insgesamt geplanten  Bänden (!), kann damit „in authentischer Form, unter Einbezug der Textgenese und aller Textvarianten“ () studiert werden. Das ist einerseits wissenschaftlich geboten, andererseits kann es zu einer ausufernden Marx-Philologie verführen, deren Raffinesse in Kontrast zur Bedeutung des Behandelten stehen kann. Marx-Zitate werden aber auch, wo möglich, nach der billigen und weitverbreiteten Marx-Engels-Werke-Ausgabe (MEW; Dietz-Verlag, Berlin,  bis ) angegeben. Nach der m. E. zu braven Darstellung von Marxens Leben ( – ) und einem kurzen Exkurs zu Engels ( – ) werden unter II. nacheinander die „Philosophischen Schriften“ ( – ), das „Programm der Kritik der politischen Ökonomie“ ( – ) und die „Politischen Schriften“ ( – ) behandelt. Die Leserin bekommt so einen ersten informativen Abriss der einzelnen veröffentlichten Schriften von Marx. In dem Abschnitt „III. Grundbegriffe und Konzeptionen“, in denen man eigentlich das Kernstück eines Handbuches erwarten könnte, werden unter den Rubriken „Philosophische Grundbegriffe“ ( – ), „Grundbegriffe der Kritik der politischen Ökonomie“ ( – ) und „Philosophische Konzeptionen der Marxschen Theorie“ ( – ) einige Begriffe und Theoreme von Marx, allerdings jeweils in der Perspektive einer Systematik des Autors behandelt. Abschließend folgen im Abschnitt IV. unter „Grundfragen der Marx-Interpretation“ ( – ) und „Philosophische Strömungen“ ( – ) Darstellungen systematischer oder autorenbezogener Interpretationen von Marx. Schließlich werden die Wirkungen marxscher Theoreme in einer Reihe von Einzelwissenschaften („Ausstrahlungen in andere Disziplinen“,  – ) und an Hand von Lenin und Mao „Realisierungsversuche“ ( – ) behandelt (von was?). Angaben zu Werkausgaben und eine doch recht kurze und selektive Auswahlbibliographie ( – ) schließen das Handbuch ab. Das Handbuch will Marxens Werke „primär als philosophisches Programm“ (V) auffassen, trennt dann aber doch die philosophischen Schriften von den ökonomischen und politischen (Abschnitt „II. Werke“). Das erscheint nur auf den ersten Blick einleuchtend. Marx hat sicherlich durch Abbrüche und Fehlentwicklungen zu kennzeichnende, explizit philosophisch-kritische Anstrengungen unternommen, sich mit den philosophischen Autoren seiner Jugendzeit (Hegel und Junghegelianer) auseinanderzusetzen. Aber seine vorbereitenden und dann später veröffentlichten Texte zur politischen Ökonomie und seine lebenslangen Auseinandersetzungen mit den politischen Positionen oder Ereignissen der Arbeiterbewegung sind nicht weniger philosophisch, zumindest da, wo er sich kritisch mit seinem Gegenstand auseinandersetzt. Kritik ist für Aristoteles wie für Marx ein un-

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terscheidendes Urteilsvermögen, in dem Wahres von Falschem, Richtiges von Unrichtigem etc. mit Gründen getrennt und auseinandergelegt wird. Im Laufe seines Lebens entwickelt Marx ganz unterschiedliche Versionen von Kritik, kritisiert die ‚kritische Kritik‘ seiner Gegner wie dann auch selbstkritisch seine eigenen Versuche, aber immer da, wo Marx den Anspruch erhebt, kritisch (in welchem Sinne auch immer) zu sein, ist er philosophisch. Insbesondere erscheint es mir nicht plausibel, dass Marx in seiner Auseinandersetzung mit der politischen Ökonomie, die er ab  in unterschiedlichen Phasen (dazu ), insbesondere im Kapital, führt, nicht mehr philosophisch vorgeht und stattdessen einer positiven Wissenschaftlichkeit sich verpflichtet. Die zunehmende Auseinandersetzung mit den empirischen Wissenschaften seiner Zeit dient ihm gerade dazu, die Begründungen seiner Kritik besser, sachangemessener und eben wissenschaftlicher ausweisen zu können, und es wäre die Aufgabe einer philosophischen Revision von Marx, die Verhältnisse zwischen wissenschaftlich-empirischer Darstellung und philosophischer Tiefenstruktur herauszuarbeiten, gegebenenfalls auch kritisch gegen Marxens immer auch politisch motivierte Selbstinterpretationen. Wie sehr Marx aber auch hier, insbesondere im Kapital, durch seine profunde Kenntnis der Philosophiegeschichte bestimmt und beeinflusst ist, kann man herausarbeiten, wenn die Bedeutungen seiner operativen Begriffe geklärt würden, wie z. B.: ‚Ding‘, ‚Gegenstand‘, ‚Gegenständlichkeit‘, ‚Anschauung‘, ‚Vorstellung‘, ‚Darstellung‘, ‚Substanz‘, ‚Subjekt‘, ‚System‘, ‚Verhältnis‘, ‚Form‘, ‚Ausdruck‘, ‚Praxis‘, ‚Arbeit‘, ‚Spiel‘, ‚Verwirklichung‘, ‚Aneignung‘, ‚Assoziation‘, ‚Vereinigung‘, ‚Kooperation‘, ‚Produktion‘, ‚Reproduktion‘ und viele mehr. Diese Lemmata werden leider im Handbuch nicht explizit behandelt. An ihnen hätte man verdeutlichen können, wie sehr Marx auch da philosophisch denkt und argumentiert, wo er scheinbar nur die Begrifflichkeit der empirischen Wissenschaften aufnimmt. Zugleich ließen sich hier, wie natürlich auch an anderen Auffassungen von Marx, die kritischen Beziehungen zu und Einflüsse von Philosophen wie Aristoteles, Spinoza, Kant, Schelling und durchgehend Hegel (das immerhin wird in vielen Artikeln gemacht), aber auch zur Romantik und jüdischen Denktraditionen behandeln. Auch solche Artikel, wie auch einen zu ‚Kritik‘ (wohl zu ‚Ideologiekritik‘), findet man im Handbuch nicht. Behandelt werden stattdessen die Stichworte, die in der Wirkungsgeschichte des Marxismus prominent geworden sind, die aber zugleich im Lichte unterschiedlicher Sichtweisen betrachtet werden. So werden im Unterabschnitt „Philosophische Grundbegriffe“ nach einer „traditionelle[n] philosophischen Systematik“ von „Erkenntnistheorie, Ontologie und Ethik“, „die Marx fremd ist“ und für die „hier der Name ‚Historischer Materialismus‘ benutzt werden soll“ (), eine lose Reihe von ‚Großbegriffen‘ wie ‚Natur‘, ‚Ideologie‘, ‚Philosophie‘, ‚Dialektik‘, ‚Arbeit‘ und weitere behandelt. Diese ‚Aufbereitung‘ führt freilich zu unterschiedlichen Ergebnissen: Einerseits scheinen mir die Ausführungen eine verständige Erläuterung dieser ‚Grundbegriffe‘ zu sein, anderseits erscheinen sie mir, ohne dass ich das hier aus Platzgründen belegen kann, unklar (was heißt z. B. „Die Macht gerinnt im Strudel des Seins zur Wirklichkeit“?, ) und bei einigen auch nicht überzeugend. Zudem werden einige Begriffe gleich in mehreren Artikeln behandelt, was irgendwie unnötig verwirrend erscheint. Problematisch erscheinen mir auch die Erläuterungen zu den „Grundbegriffen der Kritik der politischen Ökonomie“ ( – ). Es werden die im engeren Sinne ökonomischen Begriffe (von ‚Ware‘, ‚Wert‘, ‚Geld‘ u.s.w. bis zum ‚tendenziellen Fall der Profitrate‘) gewissermaßen innerhalb des Diskurses der politischen Ökonomie verständlich

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erläutert. Dabei wird aber eine Position vertreten, die sich in der Geschichte des Marxismus festgesetzt hat, dass nämlich Marx keine normative Kritik des Kapitalismus unternimmt, sondern nur ‚wissenschaftlich‘ vorgeht. Marx, in kritischer Aufnahme von Hegels KantKritik und in politisch motivierter Absetzung von konkurrierenden Positionen in der Arbeiterbewegung, insbesondere von Proudhons idealistischer Gerechtigkeitskritik, verfolgt das methodische Programm einer kritischen Darstellung der politischen Ökonomie nicht als eine externe, idealistische oder moralisierende Kritik. Aber auch da, wo durch die Darstellung Kritik geübt wird, muss der Maßstab der Kritik rekonstruierbar und begründbar sein. Auch wenn Marx daher an vielen Stellen eine ‚materialistische‘ Auffassung zu vertreten scheint, worunter die Autoren irgendwie eine nicht-normative, empirische Methode und Sozialwissenschaft verstehen, faktisch entwickelt er eine normative, rekonstruierbare und auch hinsichtlich ihrer moralischen, rechtlichen und politischen Maßstäbe ausweisbare und begründbare Kritik der politischen Ökonomie und damit des Kapitalismus. Das kann freilich nur zugleich Marx kritisch nachgewiesen werden. Ich habe den Eindruck, dass im Handbuch Kritik an Marx nur in einigen Artikeln wirklich deutlich wird (z. B. in den m. E. überzeugenden Artikeln zu den politischen Schriften), aber in vielen anderen nur angerissen oder mit einem Hinweis auf die Literatur – ‚die einen sehen das so, die anderen sehen es anders‘ – entschärft wird. Insbesondere werden traditionelle Positionen der Marx-Orthodoxie, die selbstverständlich in einem Marx-Handbuch behandelt werden können, immer wieder angeführt, als ob sie auch heute noch philosophisch ernsthafte und vertretbare Auffassungen wären. Dabei zeigen dann die ihnen explizit gewidmeten Artikel (z. B. der überzeugende zum „Wissenschaftlichen Sozialismus“ ( – )), wie wenig von ihnen philosophisch haltbar ist. Hintergrund für diesen Darstellungszug im Handbuch sind m. E. eine Reihe von Positionen, die Marx, insbesondere in Selbstinterpretationen, und dann später Engels formuliert haben, die aber nichtsdestotrotz in entscheidenden Hinsichten falsch sind. Das fängt schon mit der häufig zitierten Basis-Überbau-These an, dass ‚das Sein das Bewusstsein bestimmt‘, dass ‚die Produktionsverhältnisse‘, ‚die ökonomische Struktur‘ ‚die reale Basis‘ seien, ‚worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt‘ (siehe nur den Artikel „Marx als Kritiker der politischen Ökonomie“;  – ). Es gab in den er Jahren ja einen Wettbewerb, wer die radikalste und ‚authentischste‘ (!?) Marx-Interpretation vertrat, und man hat den Eindruck, dass das Handbuch sich, freilich nicht in allen Artikeln (!), auf die Seite derjenigen schlägt, die, wie der immer wieder zitierte Althusser, den ‚wissenschaftlichen‘ Marx vom normativ-kritischen Autor trennten und für den ‚richtigen‘ Marx hielten. So fehlen für die Gegenseite auch explizite Artikel zu dem zugleich marxkritischen, sogenannten ‚westlichen, kritischen Marxismus‘, z. B. Karl Korschs und dann Jürgen Habermas’, Michael Theunissens u. a. Der Sache nach, auch der philosophischen (!), wären die entsprechenden Schwachstellen von Marxens Kritiken deutlich zu machen, wenn es Artikel zu ‚Moral und Moralkritik‘, ‚Recht und Rechtskritik‘, ‚Demokratie und Demokratiekritik‘ bei Marx geben würde. Denn diese ‚Überbauphänomene‘ sind ja keineswegs nur Instrumente im ökonomisch bestimmten Klassenkampf, sondern, wie man gegen Marxens explizite Selbstinterpretationen festhalten muss, durchaus eigengesetzliche und für einen, wie auch immer gearteten, Sozialismus unverzichtbare Bestandteile einer Kritik des Kapitalismus. Aus dieser Perspektive enttäuscht auch der Artikel „Marx als Gerechtigkeitstheoretiker“ ( f.), der weder den Einfluss von Aristoteles auf Marxens Gerechtigkeitsvorstellungen noch seine berechtigte und unberechtigte Kritik an Gerechtigkeit als normativem Maßstab einer

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KRITIK

Kapitalismuskritik überzeugend behandelt. Und ebenfalls überraschend ist, dass im Artikel „Zur Judenfrage“ ( – ) wie auch in anderen Artikeln Marxens berechtigte und problematische Kritik an den Menschenrechten bestenfalls angedeutet, aber nicht wirklich verdeutlicht wird. Zum Schluss noch ein nicht so wesentlicher Hinweis. Bei den häufig sehr umfangreichen Artikeln hätte ich mir die Namen der Autoren gleich am Anfang gewünscht. Das Handbuch ist insgesamt, trotz der am Schluss geübten Kritik an einer gewissen Einseitigkeit in der ‚Aufbereitung‘, eine beachtliche Leistung der (dreißig) Autoren und (drei) Autorinnen. Es informiert ausgehend vom neusten Stand der Marx-Edition über Marxens Riesenwerk in vielen Artikeln kompetent und aufschließend. Und es fordert zu einer weiteren, kritischen Auseinandersetzung mit Marx heraus – was sicherlich in seinem Sinne wäre. Georg Lohmann Berlin / Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

BIBLIOGRAPHIE LITERATUR ZUR HEGEL-FORSCHUNG



Zusammenstellung und Redaktion: Markus Gante und Johannes-Georg Schülein (Bochum)

Diese fortlaufende Berichterstattung sucht sowohl das nicht selbständig erschienene Schrifttum, also Abhandlungen aus Zeitschriften, Sammelbänden usw., als auch Bücher über Hegel möglichst breit zu erfassen. Sammelbände sowie Periodika-Sondernummern, die ausschließlich der Philosophie Hegels gewidmet sind, werden in der Abteilung Literaturberichte und Kritik als ganze rezensiert. In der Bibliographie werden die einzelnen Abhandlungen solcher Bände nicht mehr angezeigt. Die Beiträge werden alphabetisch nach dem Namen der Autoren angeordnet. An der Bibliographie dieses Bandes haben mitgearbeitet: Daniel Elon (Bochum), Tomoki Hazama (Hiroshima), Kaiyuan Hong (Bochum), Ken’ichiro Matsuoka (Kyoto), Taiju Okochi (Tokio), María del Carmen Paredes Martín (Salamanca), Naohito Takeshima (Okayama), Masao Yamawaki (Koyasan). Die über Hegel arbeitenden Autoren sind freundlich eingeladen, durch Einsendung von Sonderdrucken die Berichterstattung zu erleichtern. Allen, die solche Hilfe bisher schon geleistet haben, sei besonders gedankt.

Hegel-Studien  · © Felix Meiner Verlag · ISSN -

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BIBLIOGRAPHIE

ABHANDLUNGEN

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Wu, Wei-li. „黑格尔理性国家学说的哲学理路 / Philosophical Thinking of Hegel’s Rational State Theory“. 科学·经济·社会 / Science·Economy·Society , ():  – . Xian, Gang. „黑格尔《精神现象学》中的“真相„和“真理„概念 / The concepts of ‚das Wahre‘ and ‚Wahrheit‘ in Hegel’s Phenomenology of Spirit“. 云南大学学报(社 会科学版), ():  – . Xu, Guo-Chao. „黑格尔论私利和公共善的统一及其意义 / Hegel’s Understanding about the Union of the Private Interests and Public Good and Its Meanings“. 集美大学 学报(哲学社会科学版) / Journal of Jimei University (Philosophy and Social Sciences) , ():  – . Yamada, Yukiko. „Über die Möglichkeit der Hegelschen Logik als Ontologie: Aus der Studie vom Begriff des Wiederspruchs in der Wissenschaft der Logik“. Utsunomiyadaigaku-kyoikugakubu-kenkyu-kiyo  ():  – . Yamaguchi, Hirotaka. „Monarch und Begnadigung bei Nishi Shinichiro: Vergleich mit Hegel“. Praxis (Hiroshima Universität)  ():  – . Yamaguchi, Masahiro. „Die Wende der Lehre von der Indifferenz bei Hegel: Der Scheideweg des deutschen Idealismus“. Shiso  ():  – . – . „Die Wiederherstellung der Logik bei Hegel: Zur Rehabilitierung der Metaphysik“. Jokyo (Die te Periode)  ():  – . Yamaguchi, Seiichi. „Explikation der Vorrede von Hegels Phänomenologie des Geistes (§§ – )“. Hoseidaigaku-bungakubu-kiyo (Hosei Universität)  ():  – . – . „Explikation der Vorrede von Hegels Phänomenologie des Geistes (§§ – )“. Hoseidaigaku-bungakubu-kiyo (Hosei Universität)  ():  – . – . „Explikation der Vorrede von Hegels Phänomenologie des Geistes (§§ – )“. Hoseidaigaku-bungakubu-kiyo (Hosei Universität)  ():  – . Yamwaki, Masao. „Urteil und Schluß. Hegels Ontologie der Mitte“. Jokyo (Die te Periode)  ():  – . Yamazaki, Jun. „Symposium I: Versöhnung zwischen Staat und Religion – Von der Privatisierung der Religion zu ihrer Entprivatisierung“. Studien zu Hegels Philosophie (herausgegeben von der Japanischen Hegel-Gesellschaft)  ():  – . Yang, Baofu. On the Relationship Between Husserl and Hegel. Reflection on a Remark of Heidegger“. Philosophical Researches  ():  – . Yao, Xiu-Jie. „先验哲学的理想与本体论的哲学建构—论黑格尔如何推进康德哲 学 / The Idea of Transcendental Philosophy and the Construction of Ontological Philosophy – How does Hegel push on Kant’s philosophy“. 晋阳学刊 / Academic Journal of Jinyang  ():  – . Yashar, Sadr. „Diversion in the Concept ‚Positivity‘ in Hegel’s Political Philosophy“. Philosophical Investigations , ():  – .

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BIBLIOGRAPHIE

Yorikawa, Joji. „Die Entstehung und Entwicklung der Hegelschen Logik: Über den Zusammenhang zwischen der großen Logik, der kleinen Logik und der Vorlesungen über Logik“. Jokyo (Die te Periode)  ():  – . Zhang, Donghui. „On the Meanings and Evolutions of Sitten and Moral“. Philosophical Researches  ():  – . Zhang, Hua-Yong. „《周易》哲学视域下的社会政治秩序之构建及其当代意义 ——兼与黑格尔哲学的“市民社会„相比较 / Zhou Yi’s Philosophy Under the Building and the Contemporary Significance of Social and Political Order: Comparison of the Civil Society with Hegel’s Philosophy“. 西北大学学报(哲学社会科学版) / Journal of Northwest University (Philosophy and Social Sciences Edition) , ():  – . Zhang, Rulun. „Philosophy of Art in the Context of the Problem of Modernity: Rethinking Hegel’s Aesthetics“. Tsinghua Studies in Western Philosophy  ():  – . – . „An Examination of Hegel’s Philosophy in View of His Critique of Kant“. Philosophical Trends  ():  – . Zhang, Tianyi. „神学人格的逻辑解构 – 重思黑格尔到马克思的宗教批判线索 / Logical reconstruction of theological personality: Analysis of Hegel to Marx’s critique of religious clues“. 中南大学学报(社会科学版) / Journal of Central South University (Social Science) , ():  – . Zhao, Dunhua. „The Theoretical Significance and Actuality of Hegel’s Philosophical System“. Wuhan University Journal (Humanity Sciences)  ():  – . Zheng, Li-Ying. „《小逻辑〈导言〉》中黑格尔哲学的三维审视——兼论马克思 主义哲学对黑格尔哲学的扬弃 / The Three-Dimensional Review of Hegel’s Philosophy In The Introduction of Encyclopedia Logic——Talk about The Marxist Philosophy’s Sublation to Hegel’s Philosophy“. 佳木斯大学社会科学学报 / Journal of Social Science of Jiamusi University , ():  – . Zhou, Hai-Jun. „黑格尔所有权理论的政治哲学意蕴 / Hegel’s Theory of Ownership and Political Philosophical Implications“. 科学·经济·社会 / Science·Economy·Society , ():  – . Zhou, Zhishan, und Xuehua Zhang. „马克思哲学批判的两大转向及其存在论筹划 – 基于《〈黑格尔法哲学批判〉导言》的存在论解读 / Two Criticism Transformations of Marx’s Philosophy and Planning of Its Ontology: Ontological Interpretation Based on Introduction to the Critique of Hegel’s Philosophy of Right“. 浙江师范大学 学报(社会科学版) / Journal of Zhejiang Normal University (Social Sciences) , ():  – . Zhuang, Zhen-Hua. „黑格尔与近代理性 / Hegel and the Early Modern Reason“. 云南 大学学报(社会科学版), ():  – . – . „An Examination of Hegel’s Concept of Spirit in View of Phenomenology of Spirit“. Philosophical Researches  ():  – .

Neue Bücher im Berichtszeitraum 

NEUE BÜCHER

IM

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BERICHTSZEITRAUM 

Alessandroni, Emiliano. Potenza ed eclissi di un sistema: Hegel e i fondamenti della trasformazione. Milano, . Alonso Olea, Manuel. Variaciones sobre Hegel. Cizur Menor (Navarra), . Althaus, Horst. Hegel. An Intellectual Biography. New York NY, . Antoón Pacheco, José Antonio, und Juan Antonio Rodríguez Tous. Los días de Hegel en Missouri. Sevilla, . Arndt, Andreas, und Günter Kruck, Hgg. Hegels „Lehre vom Wesen“. Berlin/Boston, . Badiou, Alain. L’infini: Aristote, Spinoza, Hegel:  – . Paris, . Bickmann, Claudia. Hegels Philosophie des Geistes zwischen endlichem und absolutem Denken. Nordhausen, . Binetti, María José. Kierkegaard y el idealismo: lineamientos de su proximidad histórica. México DF, . Bondeli, Martin. . Der Kantianismus des jungen Hegel. Hamburg,  Boveiri, Kaveh, Emmanuel Chaput und Arnaud Theurillat-Cloutier. Hegel, Marx and the Contemporary World. Newcastle, . Browning, Gary. A History of Modern Political Thought: the Question of Interpretation. Oxford, . Buissière, Evelyne. La Dialectique sans la Téléologie: Hegel, Gentile, Adorno. Paris, . Bürger, Peter. „Nach vorwärts erinnern“: Relektüren zwischen Hegel und Nietzsche. Göttingen, . Cantillo, Clementina. Para una crítica de la razón vita: entre Hegel y Ortega. Madrid, . Caramelli, Eleonora. Lo spirito del ritorno: studi su concetto e rappresentazione in Hegel. Genova, . Casanova, Mauricio. La sociología sin método. La raíz hegeliana del pensamiento de Luhmann. Santiago de Chile, . Chediak, Karla de Almeida. Identidade e Diferença: A crítica de Deleuze a Aristóteles e Hegel. Saarbrücken, . Corti, Luca. Pensare l’esperienza: una lettura dell’Antropologia di Hegel. Bologna, . Cuartango, Román G. El poder del espíritu. Hegel y el ethos político. Madrid, . Dri, Rubén. Hegel, la doctrina de la esencia: las contradicciones en el camino de la creación del sujeto y del estado. Buenos Aires, . Ebisawa, Zenich. Hegels Logik und Dialektik. Azusa-shuppan, .

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BIBLIOGRAPHIE

Espinoza Lolas, Ricardo. Hegel y las nuevas lógicas del mundo y del Estado: ¿cómo se es revolucionario hoy?. Madrid, . Eßer, Erich. Der Begriff der Schönheit – die Schönheit des Begriffs: zur systematischen Untersuchung der Hegelschen Ästhetik: unter spezifischer Berücksichtigung des begrifflichen Systems. Frankfurt a. M., . Ferrarin, Alfredo. Il pensare e l’Io. Hegel e la critica di Kant. Roma, . Finkelde, Dominik. Exzessive Subjektivität: Eine Theorie tathafter Neubegründung des Ethischen nach Kant, Hegel und Lacan. Freiburg, . Fonnesu, Luca, und Lucia Ziglioli, Hgg. System und Logik bei Hegel. Hildesheim/Zürich/ New York NY, . Fritzman, J. M. Hegel. New York NY, . Gantner, Nils. Hegel über die tragische Sittlichkeit der sophokleischen Antigone. München, . Godin, Christian. Hegel. Paris, . Gögelein, Simon. Erkenntnis und Logik. Gesammelte Aufsätze zu Hegel. Berlin, . – . Identität und Unterschied Historisch-genetische Untersuchungen zu einem Kategorienpaar bei G.W.F. Hegel. Berlin, . Gonçalves, Bruno Filipe Laranjeira. The reception of Hegel in Portugal: the case of Oliveira Martins. Lisboa, . Hayden, Patrickm, und Kate Schick, Hgg. Recognition and Global Politics: Critical Encounters between State and World. Manchester, . Herrmann-Sinai, Susanne, und Lucia Ziglioli, Hgg. Hegel’s philosophical psychology. New York NY, . Herzog, Lisa. Inventing the Market: Smith, Hegel and Political Theory. Oxford, . Hiltscher, Reinhard. Einführung in die Philosophie des deutschen Idealismus. Darmstadt, . Hirschochs, Christina. Was ist Kunst? Kunst und Philosophie der Kunst bei Hegel, Kant, Heidegger und Adorno: Zu Georg Wilhelm Friedrich Hegels „Vorlesungen über die Ästhetik“. München, . Holsclaw, Geoffrey. Transcending Subjects: Augustine, Hegel, and Theology. New York NY, . Honneth, Alex, Francesc Jesús Hernàndez i Dobon und Benno Herzog, Hgg. Patologías de la libertad. Buenos Aires, . Horino, Ikuo. Der Gedanke des Zusammenlebens der Menschen. Ein grosser Fehler des abendländischen Denkens, insbesondere bei Hegel. Bungeisha, . Ison, Warren G. The Cultural Compromise: an Application of the Hegelian Dialectic to the ChurchCultural Interface. New Dehli, . Jia, Hongyu. Das Prinzip der Reflexivität bei Hegel. Wüzburg, .

Neue Bücher im Berichtszeitraum 

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Kamiyama, Nobuhiro. Hegels Staatswissenschaft. Hoseidaigaku-shuppankyoku, . Klaiber, Julius. Hölderlin, Hegel und Schelling in ihren schwäbischen Jugendjahren: eine Festschrift zur Jubelfeier der Universität Tübingen. Norderstedt, . Klikauer, Thomas. Hegel’s Moral Corporation. New York NY, . Kozatsas, Jannis. Hegels Kritik am Empirismus. Paderborn, . Krollmann, Fritz-Peter. Das Eine-Sein jenseits des Seienden: zur Henologie des Holistischen Idealismus. Essen, . Kupfer, Daniel R. Die Macht der Reflexion. Zum Verhältnis von Kunst, Religion und Philosophie bei G.W.F. Hegel. München, . Laurentiis, Allegra de, und Soren Whited, Hgg. Hegel and Metaphysics: on Logic and Ontology in the System. Berlin, . Lefebvre, Henri, und Mauro Arminño. Hegel, Marx, Nietzsche (o el reino de las sombras). Madrid, . Legros, Robert. Hegel. La vie de l’esprit. Paris, . Lejeune, Guillaume. Hegel Anthropologue. Paris, . Loder, Martin. Die Existenz des Spekulativen: Untersuchungen zur neuplatonischen Seelenlehre und zu Hegels Philosophie des subjektiven Geistes. Berlin/Boston, . Lovato, Brian C. Democracy, dialectics, and difference: Hegel, Marx, and st century social movements. New York NY, . MacGregor, David. Hegel, Marx & the English State. Toronto, . Macherey, Pierre. Hegel o Spinoza. Verona, . Makino, Hiroyoshi. Reden über Hegels Philosophie. Bunrikaku, . – . Widerspruch, Subjekt und Freiheit in Hegels Logik. Mineruva-Shobo,  Mélès, Baptiste. Les Classifications des Systèmes Philosophiques. Paris, . Miolli, Giovanna. Il Pensiero della Cosa: Wahrheit Hegeliana e Identity Theory of Truth. Padova, . Muratori, Cecilia. The first German philosopher: the mysticism of Jakob Böhme as interpreted by Hegel. Dordrecht/Heidelberg/New York/London, . Negt, Oskar. Die Konstituierung der Soziologie zur Ordnungswissenschaft: Strukturbeziehun-gen zwischen den Gesellschaftslehren Comtes und Hegels. Göttingen, . Neuser, Wolfgang, und Pirmin Stekeler-Weithofer, Hgg. Natur und Geist. Würzburg, . Neuser, Wolfgang, und Stefan Lange, Hgg. Natur zwischen Logik und Geschichte: Beiträge zu Hegels Naturphilosophie. Würzburg, . Oberlercher, Reinhold. Hegel für Kinder. Mengerskirchen, .

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BIBLIOGRAPHIE

Palmer, Sheridan. Hegel’s owl: the life of Bernard Smith. Sydney, . Park, Jeong Hoon. Moral, Religion und Geschichte: Untersuchung zum neuzeitlichen Sittlichkeitsbegriff in Hegels Phänomenologie des Geistes. Würzburg, . Peruanskiy, Sergey. A Mystery of Hegel’s Philosophy: it’s Dialectical Materialism within the Idealistic Shell. Moskau, . Pippin, Robert B. Die Aktualität des Deutschen Idealismus. Berlin, . Pisano, Libera. Lo spirito manifesto: percorsi linguistici nella filosofia hegeliana. Pisa, . Quante, Michael. La realtà dello spirito: studi su Hegel. Milano, . Ranchio, Filippo. Dimensionen der zweiten Natur. Hegels praktische Philosophie. Hamburg, . Rendón Alarcón, Jorge. La historia y el derecho en Vico y Hegel. Sevilla, . Rensi, Giuseppe. Hegel, ovvero, l’esistenza di Dio. Roma, . Ripalda, José María. La nación dividida: las raíces de un pensador burgués. G.W.F. Hegel. Madrid, . Rockmore, Tom. German Idealism as Constructivism. Chicago IL/London, . Rohmer, Stascha. Die Idee des Lebens: zum Begriff der Grenze bei Hegel und Plessner. Freiburg/ München, . Roterberg, Sönke. Hegels Begriffslogik und die Embryologie. Würzburg, . Rothhaar, Markus. Die Negativität im Absoluten: zur Struktur von Hegels dialektischer Logik. Dresden, . Ruda, Frank. Abolishing Freedom: a Plea for a Contemporary Use of Fatalism. London, . Rush, Fred. Irony and Idealism: rereading Schlegel, Hegel, and Kierkegaard. Oxford, . Russon, John. Infinite Phenomenology: the Lessons of Hegel’s Science of Experience. Evanston IL, . Sato, Yasukuni. Hegels Philosophie des Rechts zur allgemeinen Bildung. Was heißt das, über den Staat zu philosophieren? Sangensha, . Schirmer, Jakob. Die Göttinger Hegel-Schule: Julius Binder, Karl Larenz, Martin Busse, Gerhard Dulckeit und der juristische Neuhegelianismus in den er Jahren. Frankfurt a. M., . Schlitt, Dale M. German Idealism’s Trinitarian Legacy. Albany, . Schülein, Johannes-Georg. Metaphysik und ihre Kritik bei Hegel und Derrida. Hamburg, . Solarte Rodríguez, Mario Roberto. Violencia e institución. Aportes para una ética de la responsabilidad social. Bogotá, . Sommer, Marc Nicolas. Das Konzept einer negativen Dialektik: Adorno und Hegel. Tübingen, .

Neue Bücher im Berichtszeitraum 

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Takato, Daiki. Die Kunstphilosophie Hegels und die ‚Moderne‘: Zum Verhältnisse der ‚Idee‘ und der ‚sinnlichen Darstellung‘. Dissertation an der Universität Doshisha, . Takayama, Mamoru. Hegel lesen: Zum freien Leben. Sayusya, . Takeda, Seiji. Kann die Philosophie den Kapitalismus verändern? Reinterpretation der Philosophie Hegels. Kadokawa, . Takiguchi, Kiyoei. Einführung in die Philosophie Hegels. Shakai-Hyoronsha, . Tessitore, Fulvio. Trittico anti-hegeliano da Dilthey a Weber: contributo alla teoria dello storicismo. Rom, . Testa, Italo, und Luigi Ruggiu, Hgg. „I that is We, We that is I.“ Perspectives on Contemporary Hegel. Social Ontology, Recognition, Naturalism, and the Critique of Kantian Constructivism. Leiden, . Unger, Daniel. Schlechte Unendlichkeit: Zu einer Schlüsselfigur und ihrer Kritik in der Philosophie des Deutschen Idealismus. Freiburg, . Vega de Orduña, José Luis de la. Iusnaturalismo y eticidad: una aproximación a la sociedad civil en Hegel. Madrid, . Wei, Zhuomin. Collective Works of Zhuomin Wei. Band : Lecture on Hegel’s Lesser Logic, A Commentary to Hegel’s Lesser Logic, On Philosophy of Spirit, etc. Wuhan, . Winfield, Richard Dien. From Concept to Objectivity: Thinking Through Hegel’s Subjective Logic. Firenze, . Yamaguchi, Seiichi. Der Ursprung der Philosophie Hegels. Erläuterung zur Frage der Phänomenologie des Geistes. Hoseidaigaku-Shuppannkyoku, . Yang, Zutao. The Logical Process of the Classical German Philosophy. Beijing, . Yong, Peter Allen. Hegel and the Given: A Phenomenological Interpretation of Hegel’s Philosophy. San Diego CA, . Yorikawa, Joji, Hg. Einführung in die Nachschriften von Hegels Vorlesungen. Hoseidaigakushuppankyoku, . Zhang, Shiying. Collective Works of Shiying Zhang. vol. : Three Studies of Hegel (On Hegel’s Philosophy, On Hegel’s Philosophy of Spirit, The Process of Self-Actualization: An Interpretation of Hegel’s Phenomenology of Spirit). Beijing, . – . Collective Works of Shiying Zhang. vol. : On Hegel’s Science of Logic. Beijing, . – . Collective Works of Shiying Zhang. vol. : A Commentary to Hegel’s Lesser Logic. Beijing, . Zizek, Slavoj, und Ana Bello. El resto indivisible. Buenos Aires, . Zongo, Alain Casimir. Progrès éthique dans la figure de l’esprit objectif chez Hegel. Saarbrücken, . Zuckert, Rachel. Hegel on Philosophy in History. Cambridge, .

AUTOREN

S A L L Y S E D G W I C K LAS Distinguished Professor of Philosophy and Affiliated Professor of Germanic Studies, The University of Illinois at Chicago, Department of Philosophy,  University Hall (MC ),  South Morgan Street, Chicago, IL , USA [email protected] L A U R E C A H E N - M A U R E L Post-Doc Researcher with the Belgian Fonds National de la Recherche Scientifique. Université Saint-Louis – Bruxelles, Centre Prospéro,  Boulevard du Jardin Botanique,  Bruxelles, Belgique [email protected] G U I L L A U M E L E J E U N E Post-Doc Researcher with the Belgian Fonds National de la Recherche Scientifique. Université de Liège, Département de philosophie,  Place du  août,  Liège, Belgique [email protected] T H O M A S M E Y E R Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kopernikusprojekt „Energiewende Navigationssystem (ENavi)“ und im Projekt „Energieverantwortung“, Philosophisches Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Domplatz ,  Münster, Deutschland [email protected] A R N O S C H U B B A C H Oberassistent und Leiter des SNF-Projekts „Begriffe und Praktiken der Darstellung in Philosophie, Chemie und Malerei um “, ETH Zürich, Departement Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften, Professur für Philosophie, Clausiusstrasse ,  Zürich, Schweiz [email protected] G U I D O K R E I S Associate Professor in Philosophy, Aarhus University, School for Culture and Society, Department of Philosophy and the History of Ideas, Jens Chr. Skous Vej , /,  Aarhus C, Danmark [email protected]

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AUTOREN

F R I E D R I K E S C H I C K Außerplanmäßige Professorin am Philosophischen Seminar der Eberhard Karls Universität Tübingen, Bursagasse ,  Tübingen, Deutschland [email protected]. M A R C N I C O L A S S O M M E R Wissenschaftlicher Assistent an der Professur für Geschichte der Philosophie an der Universität Basel, Universität Basel, Departement Medien, Künste, Philosophie, Philosophisches Seminar, Steinengraben ,  Basel, Schweiz [email protected] P I R M I N S T E K E L E R - W E I T H O F E R Professor für Theoretische Philosophie, Universität Leipzig, Institut für Philosophie, Beethovenstraße ,  Leipzig, Deutschland [email protected]