Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze. [2nd ed.]

417 14 94MB

German Pages 752 Year 1923

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze. [2nd ed.]

Citation preview

1} t3i83

"'

�-i65 Kritik einer In deY Literatur bereits vertreteneu Lebre vom Bechtsaat�e ala eiuem bypothetillchen Urtelle: die A.n.achanung ZITJ!LJUlOIS. Un•erinderlichkelt der Natur lies objekti•en Becbtea nud somit seiner Jo gillchen J,'orm. - J mperativ nnd Urteil. - Die _i.llgemeine Geltnng.. des Imperatin , daa sogenaunte .,indlridnelle, nnttbertragbate Moment des l mpentiva". - Der Wille des Guetzgeben. Die Ubereiustimmung du Zl1'BL11UK1Jschen Formulierung mit der Imperativtbeorie. - Unbedingte Unterluaungaptlichteu der Untertanen. - J3edillgte HanWungapft.icbt des Staatea. - Einfach bedingte Bandlungspfticht der Untertanen - doppelt hedingte Hand­ lnngapflicht des Staatea • . . . . . . . . • . • . . . . 26f>-28S Der Reobtaaatz ala bypotbetiecbes Urteil bei Boi.o voN FDB.sa. - Das aogen. Sitnationsrecbt. - Der Kolliaiooerau. - Die bliturtige Exiatens de.a objektiven Recht.es. - Du Recht ala iaktltohes JMIJ· chiacbea Geacheben, die Jnrisprndeu a.ls erkllrende Natunriaaenacba!t. - Kritik dieser Methode. - Die Kolliaion von Dnrcbachnit.ta­ inte.reasen. - Bedentnng dieaer Konstruktion . . . . . . . . 263-268 Gnu1d.&-l1ge einer reill form&len Syatematlk des objektiven Bechtes. Ablebnung der nach Zweckgesicbtapnnkten erfolgten Einteilung in Print,. und IJff'entliches RechL - Allee Recht Staatarecht . • . 268-270

Inhaltaverzeichnis.

XXXI Selte

. 270-S0B X. J[apltel. Die Normeatheorle BI.dlnp aH 'l.'laou . . . . Die ]300)1No ache Untencheidnng E1riachen Strafrec:hta&tz lllld Norm. Der Auagangspunkt der Bummoschen Konatruktion. - Der Sprach­ gebranch, - Du oltjektive Becht alt Friede, d. b. als Zuatand der Ordn'llJl8' und .nicht ala das Ordnende. - Das Unrecht Bruch oder Ve.r-letzung clea Friedenmista.ndea, nicht des ordnenden Priuipes. Die Un•erletzbarkeit der Norm. - Die Unznlbsigkeit des Zweck­ momentea fl1r die jnristische Konetruktion - Die Bnmmosche Tren.oung vonBechtsaatz und Norm. - Die verschiedeuen Fnnktionen von .Becbtesau und Norm bei Bnm1No. - Jhmm,o s mittelbarer Nachweil der Normen aua den Strafgeaetzen. - Die Identitlt von Norm lllJd Recbt:saatz: Widerlegnng der Bumuioschen Argumente ftlr die Selbstlndigkeit der Norm. - Der Zweck von Norm nnd RechtaeatL - GehorsaD1JJpl:licht nnd Rechtspflicht. - leges imperfectae. - Schuld- UJJd Strafrechtsaatz. - Zeilliche DiJferenz zwische:n Nonn u.nd Straf,er,htasatz. - Du Bl&D1'ett.rechtasatz. - Geltnngsgebiet von Norm UDd Strafgesetz. - Wandhmg und Anfheb nng der Norm bei unverllndertem Stn.fgesetz. - Rllckwidrung von Geset.zen. - Fortbesteben der Norm, Aufhebung 9S Der WnmsCBBJ.Dsche Begriif des subjektiveu B.echw. - Das subjeki tive Recht als Willensmacht. - Wlle und foteresse. - Der Wille der Rechtsordnnng als Snbstrat des subjekti.ven Recht.ea. - Der flktive Cbarakter des Willensmomentes. - Der Einflu8 der THON· schen Theorie auf WINDSCBEID. - Das subjektire Recht als Wollendllrfen. - Der natnnechtlicbe Charakter der Willenstheorie. Das Reoht auf eigenes Verhalten . . . . . . . . . . . . . 58j-593 XXIV. KaplteL Die Komblnatlonstheorle . . . . . . . . . . 598-618 Die Theorie B&a.'IATzms. - Die Verbindung des Zweck- und des Willens­ momentes. - Das Verbllltllis zu JK£1UNGS lnteressentbeorie. lnteressenschn_tz durch ein.en dem Staate gegenilber selbetAndigen ,villen. - Die Einrinmung von Parteirechten. - Der Recht.eschntz. - Die Terminologie des Gesetzgebers . . : . . . . . . . . 593-600 Die A.nsllbu.ng fremden RechteS. - Die Rechtssubjektivitit des Staates. - Der Gesamtzweck. - Der Staatszweck als Substrat der Staat. personlicbkeit. - Das lnteresse an der Organfnnktion. - Das Recht anf Organatellnng. - Das .geteilte" Recht. - Das zwischen Staat nnd :Monarchen gewlte Recht. - Das zwischen Staat nnd Wilhler getej)te Recht. . . . . . . . . . . . . . • . . • . . 600-616 Die Kombinationstheorie JELLINEKS • • . • • • • • • • • • • 616-618 B. Die subjektiven Rechte des Staates und di,e subjektiven Reohte gegen den Staat. XXV. Kapltel Die A.bleJtll1lg des subjektlnn Becht.es aus de.m Reehtaatz& lm engeren Slane . . . . . . . . . . . . . 618-629 Die auf du eubjektive Recht ziele.nde Problemstellnng. - Die TaoNsche Konstrnktion dee enbjektiven Bechtes. - Die lmperativtheorie nnd der Begriff des snbjektiven Rechtes. - Der Begriff" des subjektiveu Recbtes. - Der Unrechtstatbestand im weiteren Sinne und die actio. - Das Unrecht im engeren Sinne uud de.r Rechtstatbestand. - Das snbjektive Recht, im potentiellen und in aktllellen Znstande. Die Spannnng zwischen dem potentielleu und dem aktnellen Znstande 618-629 XXVI. Kapltd. Das sub;je.ktll'e 6Jrentllehe Reeht . . . . . . . . 629-655 Offentliche nnd private Reehte. - Das subjektive 6ff'enUiche Recht JEJ..1.J:NBKs. - Das D1lrfen. - Das Erlanben. - Die rechtliche Relevanz. - Das Gewlihren. - Das KlSnnen. - Erlanben und Ge­ wihren. - Dllrfen und KlSnncn. - Die gekonnte, aber verbotene Handlung. - Dilrfen nnd Kl!nnen. - ldentitlit von Dllr{en nnd

XXXVI

lnbaltsverzeichni.s.

Ki!nnen. - Das Ki!nnen als Relation znm Ubergeordneteu Subjekte. - Staat und Rechtsordnung. - Rechtlicb irrelevant und rechtlich gleichgll.ltig. ·- Die Erweitunug der llandl!llllgsfih.iglteit. - Die Identitlt von Konnen nnd Dllrfen • . . • . . . . . . . • 629--655 XXVII. 1'aplte1. A.bleltuur des subJekthen Reehtes aus dem Reclttssatze Im welttten Slnne . . . . • . . • . . . . • . • . 655-664 Privates nnd IUJentliches Recht. - Subjekt.ive Rech� gegen den Staat und gegen andere Personen. - Die Mtiglicbkeit der Rechtsverfolgung. - Daa subjektive Recht gegen den St.aat. - Der Ansprnch. Der allgemeine Begriff des sobjektiven Becbtes • • . • . • . 655-664 O. Die subjektiven Rechte der Staat.sorgane nnd da.s Recht auf Orguatellung.

xxvm.

XaplteL Die Terpfflchtenden Rettte und berechtlgenden Pfflebten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664-6'79

Das Recht auf die Organfunlttion. - Die berechtigenden Pflichten und verpflichtenden Recbte. - Sollen und Dllrfeo • . . . . . • . 664-670 Daa subjektive Recht ala Ktlwieu (HOLD vos F&IUI.J'.CK). - Das Durch­ ecbuittsinteresse. - Der Idealbegriff. - Differenz.ierung zwischen snbjektivem nnd objektivem Recbte. - Recht uud Pfticht. - Die komplementliren Handlungen . . . . . • . . . . . . . . 6'70-6'7!1 XXIX. KaplteL Die Reclrtsstellung des Wlhleni und des llonurehen 679--698 Die Subjektiviernng des Wnltlrecbtssatzes. - Die Wahlpfticht. - Der staatliche und geseUscbaftliche Charakter des Wahlaktes . • . • fi79-684 Die staatliche und · au8erstaatlicbe Stelluug des Monarcheo. - Die Stellu.ng des Monarchen innerhalb der Legislative. - Die !St�lluog des :Monarchen i11J1erhalb der Exekuti-ve. - Die Reohtsverpllichtung des Mooarcben. - Die Recbtsverpflichtnng dea Ministers. - Monarch und Minister. - De.r Doppelcharakter der monarchiBCheu Funktion. - Das subjektive Recht des Mouarcben . • . . . • . . . . 684-69S XXX. Kapltel. 0.rganschaft und Stelhertretuog . . . . . . . . 693-7011 Stand der Frage. - Der Unterschied zwischen Organscha(t und Stell­ vertretung nach herrscl1ender Lehre. - Die Mebrheitder Subjekte. Die spez:iftscbe Verbiudung. - Organscl1aft. nnd StellvertretWlg nach orgauiscber Staatstheorie. - Gesamtwille und Gesamtpersonlichkeit. - Organwille und Gesamtwille. - Dlffereozierung und ldeutifl­ zienmg von Organpersou nnd Gesamtperson. - Die spezifisch organische Beziebung. - Das Gewaltverh1iltnis zwischen Gesamtwillen und Organwillen . . . • . . . . . . . . . • . . 693-'702 Die Koustruktion mit der eintachen Ebene. - Privat- und llffentliches Recht. - Das Rechcsverllaltnis ah Verhilt.ois zur Rechtsordnuug. - Die Ubereinstlmmnug zwischeu Organschaft und SteJlvenretung. - Die Zurechnuog bei Organschaft nnd Stellvertretuog • . . . 702-7011

I. Buch.

Voruntersuchungen.

;

Ke 1 s e 11, Hauptprobleme der Slaals:rechtslehre.

4

Herkuuft des Gesetzesbegriffes.

Man pflegt gewobnlicb den Naturgesetzen, die das tataachlich Bestehende erkliren, alle andern Arten von Gesetzen, die ein Sollen statnieren, wie die Sitten- und Reohtsgesetze, logische, grammatische, istbetische Gesetze, als N o r m e n gegeniiberzwitellen 1). Allein aucb der Normbegriff wird mitnnter fiir alle Arten von Gesetzen gemein­ aa.m verwendet und ihm die doppeJte Bedentung beigelegt: neinmal dessen, was allgemein, generiscb geschiebt, dann dessen, was ge­ sobehe!l soU, wenngleich es vielleicbt nicht gescbieht" 2). Diese Gemeinsamkeit des Spracbgebraucbes fiir zwei voneinander verschiedene Begriffe findet ibre Begriindung in der Geschichte der Begriffsbildnng3). Der Begriff des Gesetzes oder der Norm ist ur­ spriinglicb in dem Vorstellungskreiso der Politi.k entsta.nden und die a:lteste Recbts- und Staatswissenscbaft war es, die ihn ansgebildet hat 4). Erst von bier aus ist er von den iibrigen Disziplinen iibemommen worden und hat dort eine eigenartige Umwandlung erfahren, eine Tatsache, die fiir die Erkenntnis des Gesetzesbegriffes von groBter Bedeutung ist �). Der Staat mit dem Hemcher an der Spitze, der durcb Gesetze, d. i. von den Untertanen zn hefolgende Befeble, die V erbiltnisse der Gemeinschaft regelt, das gab der altesten mensch­ lichen Erkenntnis das Analogon fiir die Ordnung der Natur, deren Elemente man einem obersten, gottlioben Willen ebenso unterworfon dachte, wie man die Burger den Vorsohariften des Gesetzgebers ge­ horchen sah. Wie im staatlicben Leben das Handeln der Untertanen, RO fiihrte man in der Natur das Verh�llen aller Ohjekte aul eineo au..6er- und iiberbalb stehenden Willen zuriiok, den man im Universnm wie im Staate ala G e s e t z bez�icbnete 6). Mit dew tieferen Eindringen der erklii.renden Naturwi888nscba.ft in das Wesen ihres Gegenstandes, mit der Ema.nzipation von der Vorstelhmg eines obersten WiUeDB, dem 1, Vgl. WumELB,um, Normen undNamrgesetze, in: Praludien, Freiburg i. B. s. 211 ff. 2) Snow., EillleituDg in die Moralwissenscue.ft, Berlin 1692. S) Vgl. EvoEEN, Geiatige Stromungeu der Gegenwart, 1909, S. 164. 4) Vgl. WUNDT, Logik, 3. Aun. 1906. I. Bd. s. 56 f. fl) Treffend bemerkt EvcKXN a. a. 0. S. 154: .,Der Begriff des Geaetzes ist vom Bereicbe des Menschen zur Natur gewandert, hat hier eine neue Gestalt gewoDJlen nnd kehrt mit ihr zum .Menscben zurllck, nm auch sein Leben und Handeln in eio neues Licht zo rtlcken. Es ist e.in sinnfli.lli,tes Beispiel der Er­ lCheinnng, daB der Mensch sein eigenes Bild in das All hinein.sieht nnd es, er­ weitert wie umgewandelt, aus ihm zurilckempfilngt. Dem einen dtlnkt das ein blo.Ger Zirkel und Anthropomorphismus, der andere erbofft von solchem A.1l.8gehen und Zurllck.keb.ren eine innere Erweiterung des Menscheo.'· 6) Von "SWrwigen� im Begriffe des Naturgesetzes noch in n_e_uerer Zeit spricht Evc:u:N a. a. O. S. 158. Sie ,,kommeu aw; einem mebr oder minder ver­ s�kten Fortwirken des alte r e n G esetzesbegriffes mitseiner Beziebnng auf 1884,

Nonnativ und explikativ.

5

die beseelte und unbeseelte Natur wie einem Herrscber genorcht, vollzog siob eine vollstiindige Wandlong in der Bedentnng des von der Politik entlehnten Gesetzesbegriffes de:r Natnrwissensebaften, und so steht heute daa Naturgesetz der erkliirenden Oisziplinen in einem soharfen Gegensatze zn dem Recbtsgesetze, dem ihm verwandten Sittengesetze, dem grammatischen und a.sthetischen Gesetze der nor­ mativen Disziplinen, der Norm im eigentlichen und engeren Sinne. Dieser Gegensatz, der fiir die ?llethode der normativen Disziplinen und insbesondere der Rechtswissenscbaft von gro6ter Bedentung ist, berubt anf einer Verscbiedenheit des Standpnnktes, von dem aus man die Objekte betracbtet 1). Wabrend es sicb die Naturwissensebaften zur Aufgabe macben1 das tatsa.cblicbe Verbalten der Dinge anfzuzmgen und zu erklliren, das Sein zn erfa.ssen, stellen andere Disnplinen Regeln auf, die ein Verbalten vorschreiben, ein Scio oder Nicbtsein fordern, das heil3t ein Sollen statuieren. Den ersteren Standpnnkt bezeichnet man als den explikativen, den letzteren als den normativen, und die ein Solien stntuierenden Regeln aJs Normen, wahrend die Regeln des Seins ala Naturgesetze im weitesten Sinne gelten. Dementspreebend wird das Wort Gesetz im Sinne von Natnrgesetz als eine Aussa.ge betrachtet dariiber, da6 in der Natur etwas tatsach­ lich gescbiebt. Das Natorgesetz ist ein Urteil, das ein Gescheben als notwendige Folge eines anderen in einer Grappe gleicharliger Aufeinanderfolgen zusammenfa.6t und damit erkJartJ So lautet die bekannte Helmboltzscbe Definition des Natnrgesetzes 1): rJedes Natnr­ gesetz sagt aus, dai auf Vorbedingungen, die in gewisser Bez:iebnng gleich sind, immer Folgen eintreten, die in gewisser and.erer Beziebung gleich sind.Oa das Gebiet des Naturgesetzes die Welt des Seins, des wirk­ licben Gescbehens iat, stellt aich jedes Naturgesetz ala spezielle An­ wendung des aUgemeinen Kansalgesetzes dar; es zeigt eine besondere Art des Gescbebens als notwendige Fo]ge eines andern, dal3 etwas nod warum es so und niobt anders gescbehen kann, also gescheben mulP): es riickt das tatsaohliche Geschehen dem menschlicben Ver­ s tlindnis nab er, es e r k la r L eiu ttberlegendes Wollen; das geschieht wenn Denker des 17. und 18. Jahrhunderts 11us de.r Gesetzlichkeit der Nat:ur eine gesetzgeben_de Gottheit glaoben erscltlieBen zu konnen." I) VgL W!Th'DT, Ethik, S. Auflage, Stuttgart 1903,.S. 1 ff. 2) v. HaLllHOLTZ, Vortrage und Reden n. 1884, s. 226. S) Damit soll natttrlicb keineswegs gesagt sein, dall die Naturgeseu:e Regeln seien, "nach welcben die Vorglinge der Natur sich richten mil s s en, lihnlicb den bl\rgerlichen Gesetzen, nach welchen die Handluogen der Bllrger sich richten s o llen", welche Bedeutnug des Begriffes "Nat:urgesetz" llica, Erkenntnis und

6

Der normative Charakter der Rechtswissenschaft.

In einem vollig andern Sinne wird das Wort Gesetz gebrauoht, wenn man - nicht vom explikativen, sondern normativen Standpunkte ans - darunter jene Satze versteht, die ein bestimmtes Gescbeben vorscbreibeo, indem sie die Forderung ein� gewissen Verhaltens auf­ stelleo, ein Sein oder Nichtsein befehlen: &in Solien statuieren. Die Logik, Grammatik, Astbetik, Ethik nod RechtswissenRchaft �d die Disziplinen, die eich mit so)chen .Normen" befassen; ihre Betrach­ tungsweise wird darum als normative bezeiohnet Die Sitten- und Recbtsgesetze, die Normen der Logik, Grammatik nnd Aslbetik sind nicbt, wie die Naturgesetze, Erklarungen des Seienden; sie bebaupten nioht ein wirklicbes Geschehen, sie fordem bloB ein solobes; sie sagen nicbt aus, daB etwas vor sich gegangen ist oder vor sich geht, well es so vor sicb gehen mu6, sondern daB es �or eich gehen soll. Die Norm ist keine Anwendung des Ka.usalgesetzes, denn sie erfa6t das Gescbehen nicbt als notwendige Folge einer Ursacbe: aJs gemuOt, sondern lediglicb als g�llt. Wiibrend die N atnrgesetze das Ge­ sehehen, das sie aussagen, als ein wirkliches, tatsachliob sich vo11ziebendes, also in seiner Re a l i t at betracbten, kommen die Tatsachen, die den Inhalt der Normen hildeo, filr diese nur in jener ganz be­ sonderen Relation der l d e a l i t at in Betracbt, namlicb als gesollte. Wenn hier die Recbtswissensobaft zn den normativen Disziplinen gerechnet wird, so bedarf diese Cbarakterisierung nooh einer gewissen Einscbriinkung, damit ein ruogliches Mi6verstandnis vermieden werde. Der normative Charakter der Rechtswissenscbaft iu6ert sich negativ darin, daB sie - wie bereits bemerkt - tatsachliohes1 der Welt des Seins angehoriges Gescbellen nicbt zu erkUiren hat, d. b. also keine explikatfre Disziplin isl; positiv aher darilll, daO sie zn ihrem Gegen­ staode No r m e n hat, aus denen - und nicht ans dem wirklichen1 nnter dem Kausalgesetz stehenden Leben - ihre besonderen Rechts­ begriffe abzuleiten siod. bamit ist jedoch keineswegs der R� ��n�e n_ur eipe Wissenscbaft des positiven Recbfes sein kaiin-=-- jenereiiamkter gegeben, dessentwegen ii)';n mit �onem Recbte heute die N aturrechtssysteme verwirft Denn wenn der mo­ dern en Rechtswissenscbaft zur Anfgabe gestellt ist, nicbt, was tat­ sachlicb geschieht, kausal zu erkl!iren, sondern Normen zn gewinnen, die statnieren. was geschehen soil, so darf der Inhalt dieser Normen - es sind die Recbtssatze - nfobt - wie es die Naturrechtslebrer lrrtnm, 2. Au6. Leipzig 1906, S. 4-19 mit Recht zurtlckweiRt. Auch liegt dRS Naturgesetz keinettwegs in den Objekteu, sondern ist lediglich eine gedanklicbe Formel zu deren eioheltlicber Zusnrumenfassnng odel', wie MACH, a. a. 0. S. 458 f. sagt, ,.ein Erzengnis nnseres psychologischen Bediirfni5$es, nus in der Natur zu­ recht zu lindeu. den Vorg!ingen nieht fremd und verwirrt gegenl\ber zu stehen."

Sein und Sollen.

1

get.an baben - aus der ,.,V emunft" 1 aus der ,,Natu.r der Sache" oder nus soost eioem au.Oerreehtlichen Prinzipe, sondern atl88ch1ielllich und alleio aua dem positiven Reebte gebolt we.rden. Nicbt darnm ist das allgemeine Staatsrecbt der naturrecbtlichen SchuJe zu verweden, weil es normativen Charakter batte, sondern darum, weil die Norman, die es systematiecb daretellte, keine Normen eines positiven Reebtes und darnro iiberhanpt keine Recbtsnormeo, sondem - wie die folgenden Untersucbungen noch zeigen werden - Normen der Moral, Beligion und anderer sozialer Macbte waren 1J. Ein vollkommener Geg�atz zwiscben Naturgesetz und Norm ist nur moglicb auf Grund einer vollkommeMn Disparitat von Sein und Solien. Wie ich von etwas bebaupte: es ist 1 so kann ich von ebeo demselben sagen: es soil sein, und babe in beiden Fallen etwas vollig Verscbiedenes ansgesagt. Sein und Solien sind allgemeioste Denk­ bestimmungen, • worunter wir alles in nns nod au8er uns fassen" 2). Treffend sagt Simmel: .pas Solien ist eine Kategorie, die, zu der sacblioben Bedeutung der Vorstellong hinznttetend, ihr eine bestimmte Stelle fiir die Praxis anweist, wie sie eine solche auch durcb die Begleitvorstellung des Seina, des Nicht.seins., des Gewolltwerdens usw. erhalt" 3). Ebenso wie das Sein isl das SoUen eine ,, ... ursprtinglicbe Kategorie" 1 nod ebensowenig1 wie man beschreiben kann, was da.e Sein oder das Denken ist, ebensowenig gibt es eine Definition des Sollene 4 ). Das SoJlen ,,betrifft Vorstellnngen, denen wir das Sein nocb absprechen, oder wenigstens in.soweit nicbt ZUBprechen, als sie eben bloll gesollt werden und dennooh nicht in der Gleicbgiiltigkeit des Nicbtseins verbarren" )). • Das Solleo ist ein DenkmodlJB wie 1) In diesem Sinne ist der Gegensatz, deu B.uscm:e:, Allgemeines Staats­ recht, Goscben 1909, 1. S. 13 ff. und: Konventiona.lregeln oder tlber die Grenzen der naturwisseuachaftlicben Begriffsbildung lm tltf,entlichen Rechte (Jahrbuch des 5ff'entl. Recht.es der Gegenwart, heraUBg. v. Jellinek, Laband nnd Piloty. 1909) S. 48 ft zwischen dem modernen Positivismus nnd d!er naturrechtlicben Sohule an­ uimmt, zu modi.fiz.ieren. Man kann durcbaus auf dem Standpun.kte des modemen Positivismus steben, der besagt: "Nur W1\S allS den oflizieUen Rechtsquellen, Gesetz und Gewohnheitsrecht (bei manchen auch Wissenschaft) stammt, ist Recht , alles audere ist Naturrecht• 1 UDd doch dem allgemeinen Staatsroobte einen normativen Oharakter 1W1Chreiben; nach IIATSCR&KJJ Darstellnng scheint letzwes unricbtjg. Allein aueh darin gleicbt die Rechtswissenschaft der gerade von Ril8CIIEJL sehr geistreich zum Vergleiche herangezogenen Grammatik, Lallerdinga nicbt der l1istoriach-psychologillcb-explikativen 1 die erklliren will, warum, wie es gekomme.n ist, dall man so oder so tats!ichlich sprfoht, sondern der rein normativen Grammatik, die feautellt, wie man spreoben soll, den Inhalt imtritt, daB eine Norm tat­ sachlich nicbt befolgt wi.rd; denn dies bedeutet keine Ausnahme von ibrer ,,Geltung", d. i. von ihrem Solien, das ja ancb diesem FaJle gegentiber bestehen bleibt, sondern von ihrer ..Wi.rkung··. Der Geltung des Naturgeselzes and der .A.osnabme biervon ent­ spricbt bei emer vergleichsweisen Aualogie mit der Norm nicbt deren tatslichliches Befolgtwerden und das vieJleicbt ausnahmsweise Nicht­ befolgtwerden - sondem deren Befolgtwerdensollen und etwaiges Nicht-befolgtwerdensollen. Vom objektiven Standpnnkte e.iner hetero­ nomen Gesetz1tebong ist es gewi.B unricbtig, einen Fall der Nicht­ hefolgnng der Norm als ,.Ausnahme tr von dieser Norm zu betracbten. 11 PAt"LSEN, System der Etbik, i. Aufl. 1906, S. 13. 2) PA11LSJ:N a a. O. S. l3.

28

Die Normwidr.igkeit a.ls ,.A.wmahme".

Deno die Geltnng der Norm ist fiir diesen Fall gar niobt ausgenommeo, auch fiir diesen Fall ,,gilt-' die Norm d. b. soil sie befolgt werden, nnd DUJ' weil sie gilt, stellt sich dieser lt,all als ein besonderer gegen­ iiber den andero dar: als Normwidrigkeit. Als ,,Ausnahme" steht eio Fall jener Regel gegeniiber, die - obgleicb der betreffende Fall dem Inhalt der Regel nacb unter diese fallt - deonocb fiir ibn nicht zutrifft j eio solober Fall ist dem exakten Naturgesetze gegentiber gleicb bedentend mH dessen Verniohtung; bei eioer blo6en - niebt ausnahmslosen - Regel zeigt er jedenfalls, da.6 eine Geltung des Gesetzes fUr ibn nioht bestebt. Man runO eben - stebt man auf einem objektiven Standpunkte - scbarf zwischen der Bedeutung unterscbeiden, die ,.Gel­ tung" beim Naturgcsetz nod bei der ,.Norm" bat. Und man mn_B vermeiden, die .,Wirk11Ilg" der Norm d. i ihr tatsacbliohes Befolgt­ werden mit der nGeltung" des Naturgesetzes zu vergleicben; wetoh letztere ibre Analogie bei der Norm ebenfaJJs in deren ,,Geltung• d. i. deren ,.Befolgtwerdensollen" findet. Betraobtet man die Tatsaohen des sittlicben Lebens, das sittliobe Verbalten der Menscben unter dem Gesiohtspunkte der �plikativen1 erkllirenden Disziplinen, mu6 sich das normgemiOe Verhalten, das Befolgen der Mornlvorschrifteo seitens der Mensobeo als ein ebenso naturnotwendiges1 also noter Natnrgesetzen stehendes Faktum darstellen wie jeder tatsliobliche Vorgang. Kommt man auf Grund der Beobacbtung des tatsachlichen Verb:altens zu der Erkennlnis, da6 das Verhalten der Menschen in den meisten Fa.lien den Nor­ men entspricht. die sie sicb znr Riobtsclmur ibres Lebens nebmen, kann man die Regel aufstellen, daB die Menscben im allgemeinen die Normeo befolgen. Dieser Naturregel gegeniiber ist der Einzelfall einer Nichtbefolgung eine nAusnabme"; und diese Regel des tatsach­ licben Verhaltens ist es 1 die einem solcben Falle gegenilber versagt, nicht gilt, wiihrend die formate Norm auch in diesem Falle befolgt werden soil, also in ibrem besooderen eigensten Sinne ,,gilt". D as Moralgebot: fremdes Eigentum zu achten1 gilt auch fiir den Dieb, wah­ rend die Regel, da.6 die Menschen im allgemeinen fremdes Eigentum respektieren1 dem einzelnen Diebstable gegeniiber ausgenommen ist. Die Normwidrigkeit ist nicbt eine Ausnabme von der Ge l tu n g der Norm, sondern von der ibre latsachliche W i r k n n g konstatierenden Regel - einem Naturgesetze im weitesten Sinne. Auch dieser Gegensatz zwisoben Naturgesetz und Norm verliert stark an Bedentung, wenn man den bier bereits wiederbolt cbarak­ terisierten snbjektiven Standpunkt der antonomen Gesetzgebnng ein­ nimmt und die Norm ibrem Inbalte nacb als Kulturhistoriker be­ tracht.et.

Das Sittengesetz e.ls more.liaoh-diatetische Regel.

29

Beriicksichtigt man, daO jede Norm nur ein Verhalten statuiert, das regelmi6ig eiotritt, also ibrem Inha.lte nacb aueh eine Regel des tatsachlichen Handelns und Unterlassens der Menschen iat, dann stellt die normwidrige Handlung oder Unterlassnng eine Ausnahme jener Regel dar, die man als Sobstanz der Norm erkennt.- Als typisch flir diese Anscbauungsweise kannen die Ausfiihrungen gelten, diePAlJISEN l) fiber diesen Pnnkt in besonderer Beriicksichtigung des Verb!Utnisses zwischen Naturgesetz und Norm in seiuem System der Ethik gibl Nachdem er als Naturgesetze in einem we1teren Sinne aucb die niobt ausnahmslosen Regeln der Biologie ond der mediziniscben Duitetik erklart bat, falirt er fort: ,.In diesem Sinne kann ma.n auch die Sitze der Ethik Na.turgesetze nennen: Sie driicken ebenfalls regelmaOige Zusammenhange zwischen Verhaltuogsweisen und Riickwirkungen auf die Lebensgest.alhmg aus. Liige bat die Tendenz, Milltrauen her­ vorzurufen, Mil3trauen hat die Tendeoz, mensehlicbes Gemeiosehafts­ leben zu staren ond zu zerstoren, das sind Generalisieruogen von derselben Art wie die, dafl Alkohol die Tendenz hat, Uig verfehlt bezeichnet werden, weon man versucbt, die Derogierung des Gesetzesrechtes infolge recbtswidrigen Funktionierens der Staats­ organe - und nnr anf diesem Wege kann siob eine dem Recbts­ satze entgegenstehende Gewobnbeit bilden - jnristiscb zu regelo, indem man z. B. zur Derogieruog fordert, da6 der Rechtsaatz in der Mebrzabl der Fane, oder dureb eine bestimmte Zeit, noter be­ stimmten Umstanden nicbt zur Anwendung gekommen sei. Denn ganz abgesehen davon, da6 die angeftihnen Momente sioh zumeist Uberbaupt nicbt feststellen lassen, - wie konnte man wohl eine Majo­ ritii.t von Fallen nachweisen, in denen ein Rechtssatz haUe zur An­ wendung kommen sollen, obgleich er nicht angewendet wurde? - sinrl alle derarligen FormuliernDgen willktirlicb ond vom Standpunkte des positiven Beobtes ans irrelevant. Wie die letzten Fragen naob Zen­ gung und Vemiobtung des Seine von den erklirenden Disziplinen keine Antwort erbalten, metapbysiscber Natur sind, so steht das Problem der Entstehung ond Zerstorung dee Recht� - nicht einz-elner Rechtsverhaltnisse - jenseits der Grenzen formale.r Reebtsbetracbtung, ist, um einen trelienden AU.Sdruck G.EoRG JELLINEX.8 zu ge­ braucben 1): metajuristiscber Natur. Es eriibrigt nunmehr, den Rechtssatz in seiner Beziehung zur Recbtswidrigkeit mit dem Sittengesetze in seiner Relation zum norm­ widrigen Verbalten und mit. dem Naturgesetze in seinem Verhaltnis zur Ausnahme zu vergleichen. Auf den Zweck der Norm wtude achoo frilher hingewiesen. Auch die Normen des Bechtes, die Rechtssatze, haben Zwecke, inso­ feme aie namlieb ein bestimmtes Verbalten der Menscben herbei­ zufilhren beabsicbtigen. Da der Zweck der Norm duroh verschiedene llittel, d. i. in verschiedenen Formen erreicbt werden kann und die Norm als solche nicbt an eine- bestimmte Form gebonden is� bat sicb gezeigt, da.6 auch diatetiscbe Re geln, Naturgesetze im weitesten Sinne, die einen natumotwendigen Zusammenhang aussagen, als Normen fungieren konneo. Die Iriiber dargelegteo Ausfiihrungen PAt.i.SENS babeo gerade von diesem Punkte ibren Ausgang genommen, um die Beziebungen zwischen Norm und Natnrgesetz aufzuzeigen. Weon PAUL.SEN die Sittengesetze als Regeln formuliert, welcbe die natiirt) JelliJlek, Die reuhtllche Natur der Staatsver'trlge; , Wien 1880 8. S. 4•

52

Reebtsnonn und Recbtswidrigkeit.

Hchen Riickwirknngen des unsittlichen Verbaltens auf die Gesellschaft konstatieren - so ist dagegen nicltts ieinzuwendcn; bloO darauf mu6te scbon friiher anfmerksam gemacl\t wf'rden, daO die einzelne Unsittlicbkeit nicbt etwa eine .Aus:nabme von dieser Regel hedeutet, sond&n nur von jenem Satze t der das regelmli.6ige sittlicbe Verhalten der Menschen hebau1ltet. Denn die Liige-, beispielsweise, isl immer nod unter alien Umstanden der Gesellschaft scbadlicb und daber ver­ boten, auch in dem Falle, wo latsachlicb gelogen wird1 wabrend die Regel, daO die Menschen meistens die Wahrbeit sprechen, fiir den ein­ zelnen Fall der LUge nicbt gilt d. b. ausge, nommen ist. Fiir den Reohtssatz muB diese Unterscheidung nocb im beson­ deren Ma13e hervorgehoben werden. Es sei zunachst dahingestell� welobes die dem Recbtssatze eigentiimliche logiscltc Form ist. welcl1es die spezifiscben MiUel sind1 durcb die der Zweclc des Recbtes erreicbt wird; - es wfrd Aufgabe eines der folgenden Kapitel sein, diese Frage prinzjpiell zu erortern. - Bait man sicb an die von PAt.-u,F.N selbst akzeptierte Formulierung: Unter gewissen Voraussetz�en tritt cine bestimmte Unrecbtsfolge ein - dann ist offenkundig. dafi der Rechtssatz nicbt identisch ist mit der Regel, welche die natiirliche, die naturnotwcndige Folg� des Unrecbtes auf die Gesellschaft ausspricbt. Yielmebr ist es die durcb den Willen des Sta.ates, also kiinsUich gescbaffene Unrechtsfolge - wie z. B. Strafe - die der Recbtssatz beinbaltet; und es ist keine Folge fiir die Gesamt.beit, sondern die Reaktion anf den EinU?lnen - den Reclttsbrecher - die im R�chts­ satze in Aussicht gestellt wird. Wenn PAULSEN darauf himveist, da6 das Rechtsgesetz seinen Grund in der Natur der Dinge babe iibrigens die spezifiscbe Vorstellong des Naturrecbtes - in dem kaosalen Zusammenbange zwischen Han.

2) a. a. 0. S. 952.

Die Voratelhmg eiuer mlSglfoben Wahl.

62

keinem kilnftigen Ereignis mit Sicberheit voraUBSai:,"'eD, daJS es ge­ scbehen wird. Allein icb muB annebmen: Wenn es geschiebt, dann erfolgt es kausal notwendig. Auch bier muO iob mir mebrere Er­ folgsmogliobkeiten vorstellen. Wenn iob ein Thermometer iiber eine Flamme gehalten sehe, werde ioh mir als kUnftigen Erfolg das Steigen der Queckailbersaule vorstellen. Allein icb mull aucb mit der Mog­ licbkeit rechnen 1 da6 dieser E r f o l g u n t e r b l e i b e n ko nnte, namliob wenn,. was ich nicbt mit Bestimmtl1eit voraussehen kann, die Flamme das Thermometerglas abscbmilzt und das Queoksilber infolgedessen, statt in der Rohre zo steigen, abllie6l So ztigt sioh auch bei der Vorstellong eioes anderen als eines durcb micb zu bewirkenden kilnf­ tigen Erfolges, was STAWCLER als das Spezifiknm der Zweoksetzung, der Vorstellong eines kiinftigen Handelns a.ls zu bewirkend1 kurz des Wollens behauptet: da13 wir ,,den zu erreichenden Erfolg als einen .solchen neb10en, der aucb unterbleiben konnte". Darom ist falscb, was STA?tnn.ER bebauptet: ,,In jeder Zweoksetzung liegt inbaltlicb die Vorstellung, da6 ein Erfolg unabhingig vom kausalt-n Werden des-­ selben besobafft werden soil." In jeder Zwecksetzong liegt inbaltlich die Vorstellnng, da6 ioh einen Erfolg k au sa l herbeifilhren wiU. Ond falsch ist, wenn STAMMLER fortfahrt: "Sieht man ein, da6 ein he­ stimmtes Gesohehnis auf Grund erkannter Natnrgesetzlicbkeit kausal unvermeidliob kommen wird, so ist es widersprucbsvoll und sinnlos. von diesem Ereignis nocb zu sagen, da8 man es herbeifuhren w o l l e". Denn selbst wenn eine vollkommene Voraussicbt alles Kiinftigen moglicb ware, so kann man doch einseben, da.6 ein bestimmtes Er­ eignis kausal notwendig eintreten werde nod dennocb sagen, da6 ruan es berbeifiibren w ol l e, wenn man sein eigenes Wollen als Orsacbe des Ereignisses voraussiebt. Siebt man aber ron dem unmoglicben Falle vollkommener Voraussicbt ab, so liegt keinerlei Widersprucb darin, zu wissen, dall alles, was kiinftig gesohehen wird , durcb dn.s eigene Handeln natnrnotwendig gescbeben wird, und dennoch Kiinf­ tiges zu wollen. Denn da.s Wollen - a ls psyc h i s c ber Vor g a n g - muO ebenso i n der Kausalreihe gedaclbt werden wie alles andere. Die Erkenntnis der inneren Zusammengeborigkeit von Teleologie und Kausalitit ist eine der niodernen Logik durcbans geliiufige. So sagt SmwART all8drilcklicb1 daB der Zweck 11 dem KausaJbegriffe nicbt entgegengesetzt ist, sondern denselben eins,cbJieiW' •). Die teleologiscbe Betraobtung nach llittel uod Zweok nnd die kan.sale nach Ursacbe und Wirkung stellen nicht zwei verscbiedene Verbinduogen unter den von der Erkenntnis einheitlich zu ordnenden Elementen her; vielmebr l) a. a. 0. 11

s.

251.

Zueammengehlirigkeit Ton Kauaalitlit uud Teleologie.

63

ist es stets dieselbe Verbindung, nur von verscbiedenen Gesicbts­ punkten betracbtet, die in beitlen Fallen vorliegt Stets ist es nor Ursacbe und Wirkung, die unter Umstanden als Mittel und Zweck angeseben werden konnen, und immer stelU• da.s Verbiiltnis von llittel und Zweck - unter einem anderen Gesicht.spunkt betracbtet - ein solcbes voo Ursache u.nd Wirknng dar. Treffenn statuiert, sondern eie ist da.s Mi tte l zn einem Zwecke 1); und ihr Zweek ist: dasjenige Verha1ten, 1) VgL dagegen 81GWABT, Logik. IP S. i43, wo von einem anderen als oben. eingenommenen Standpunkte aus ,,allgemeine Nonnen, die ich fllr mein Handeln setze" und ,,Zwecke rueines l:Jandelns" identifi.ziert werden. FaOt man, wie Sxow.&JtT, den Zweck ala einen Erfolg, der erreicht werden ,,soll", und ver­ gleicbt mu da.mit 11Nunnen", die man aich fO.r sein Handeln setzt. dann ist der fo'nnale Uutencbied von Norm und Zweck von vornberein eliminiert; aber nur, weil Bollen und Wollen bei inbaltlicher Obereinstimmung ideuti�iert werden. Anders freilicb stellt sich das Verbil.ltnis von Nonn und Zweck dar, weun man die Norm und das Bollen ohne R\lcksicbt darauf betraclitet, dall sie fl1r d&.'I eigene Ha.ndelu .,gesetzt" wird, d. h. ohne Rilcksicht darauf, ob der lnbalt einer Norm oder eines Sollena zum lnhalt eines Wollens gemacbt wird oder. was dasselbe ist, zu meinem Zweclt gesetzt wird (sicb Nonnen fur sein Handeln setzen beiBt ja von vornhereiD nicht.s anderes, ale sicb lnbalt von Norme11 1'Um lnbalte eigenen Woll81ls macben, m. a. W. zom Zwecke setzen), und wenn man des weiteren den Zweck subjektiv nicbt als einen ErfoJg, der berbejgefiibrt werden s oil. sondern den man berbe.iftthnn w il l, und objektiv ale ieinen Erfolg, der herbeige_fO.hrt wird, betracbtet. Da.nn kuu dem ,,Zwecke aetze.u" ein ,,Normieren" nicht gleichgestellt werden, achon deahalb, weil mit dem einen em Wollen, mit. dem a�dern eiD Solien geae�t. w1irde, aber vor allem deshalb, weil du Normieren,

dero

Die teleologiscbe Betracbtung der Norm.

69

das sie als ge s o l l t beinbaltet, ta t s a cblieh h e r beizufiibren, in der Seinswelt zn realisieren (dadurcb, da6 sie motivierend auf die Individnen wirkt). Ein tatsacblicbes Verhalten, ein Geschehen ist der Zweck der Norm, etwas anderes also als das Bollen, dessen A� druck die Norm ist, wenn aucb der In b a It dieses So liens mit dem lnhalt des Zweckes, des ta.tsacblichen Geschehens (dessen Form das Sein ist) iibereinstimmt Das Solien der Norm ist aucb an sicb niobt Zweck des lndiridooms, an das die Norm gerichtet ist. Nor sofeme das lndividuum das w i 11, was d ie Norm als gesollt statniert, macht es sicb den Zweck der Norm zu seinem eigenen Zweck, indem es den lnllalt seines Wollens, nacb dem lnhalte der Norm resp. des Sollens bestimmt d..b. seinen Zweck init dem der Norm iq Uber­ einstimm ung bringt. Zweck der Norm, das tatsli.cbliche Verha l t e n a Is s ei e n d (und zwar als kilnftig seiend, was etwas anderes ist als u 11 ge so l l t ) gedacht, ist daher formal zu trennen vom Solien dieses Verbaltens. das die Norm statoiert. Ei n e n Zweok aber ba t d i e N o r m n ur insofe r n e , a l s s i e z n m G e ge n stand e t e l eo logi s c h e r Betra o h t u ng gem a c b t wi r d. Und diese Betracbtung ist keineswegs die einzig m15glicbe. Eine metbodisob vollig verschiedene liegt vor, wenn die Norm nicht auf den Zweck bin, sondern auf das Sollen geprfift wird. Zwar, wenn man nach dem In b a It des Soll ens fragt, das die Norm statuiert, nach dem, was auf Grund der Norm gesollt ist., dann kommt man, auf einem anderen Wege , so doch zu dem selben R�ultate, wie wenn man tel�ologisch fragte: was b ez w e c k t die Norm? Denn der In halt des Sollens ist eben der Zweck. Allein nebe.n dieser materieU-normativen Problemetellung (d. b. einer auf den In ha lt des S o l i e n s gesteUten) ist aucb eine rein formale moglich; diese riohtet sioh nicht auf den In ha It der Norm , sondem auf deren F o rm; es fragt sicb bierbei nicbt, wa s gesoll4 sondem w i e gesollt wird, auf welche Weise, in welcber an6eren Gestalt die Norm da.s Sollen statuiert (oder in der teleologisch.en Terminologie: Wie der Zweck verfolgt wird, was inhaltliob diesetbe Antwort ergibt). Die s e l etzt e r e for m a l-no r m at i ve Fngestel l u n g ist v o n b e s o n d e rer Bedeu t u n g fiir d i e Metbo d e d e r Rec b ts w i s s e n­ s c ha f t. D e n n n n r a u f d i e sem Wege gela n gt s ie z n r Los n n g d es i hr s p ezif i s chen P r o b l em s i n Bez ug a u f d e n sofem danmter nicbt die auf Eneuguog eines Norminhaltes gerichtete Willens­ tatigkeit verstanden wil-d, Uberbaupt keinen dem Zweckesetzen vergleichbaren Seinsvorgang, sondern das Solien selbst bedeutet.. ,,.Nonnieren" im Sinne von etw&.S wollen, das dann den lnbalt eines SolleDB bildet, hat mit ,,Nonn" a.ls Ausdruck eines Sollens nichts zu tun. Der Terminll8 ist iueltlhrend.

70

Die Form der Rechtsnorm.

R eeb t s s a t z. Das haben ja die Recbtssa.tze mit alien iibrigen Nor­ men gemein1 da6 sie ein SoUen (d. b. subjekth-e Pfiichten) statuieren. Und ancb beziiglich des I n h a l t es werden die Normen des Recht.a mit aolcben der Sitte, Sittliobkeit oder Religion iibereinstimmen. Weon es also iiberhanpt selbstindi ge, von den l\foralgesetzen und sonstigen sozialen Normen verschiedene Normen des Rechtes gibt, dann kann deren spezifische W esenheit nur in ibrer Form gelegen sein, in der Art nnd Weise, w i e das rechtliche Solien, die Rechtapflicht statuiert wird. D a r um ia t es d i e b es o n d e re A u f g a b e d e r Ju ris­ p r u d e n z, d i e se s p e z if i s c h e Form de s R e o ht s s at z e s f e s t ­ z u s t e l l e n. Da.13 die Nor m a I s s o I c h e I das Statuieren eines Sollens iiber­ haupt, an keine liu8ere Form gebunden ist, wurde schon in einem anderen Zusammenhange hervorgehoben. Auf alle mogliche Weise konnen Snbjekte du:rcb die kompetenle Autoritiit v e r p f l i oh t e t werden: du.rob eine Gebarde, ein Wort durcb einen gesprochenen oder gescbriebenen Satz u. a. m. Da konnte denn die Frage anf­ geworfen werden, warum denn gerade die eine Tatsach e, oder wenn man, wie ilbliob, an den gramma.tikalisoben Ansdruck der Norm denkt - gerade der eine Satz als ein Solien statuierend, d. b. also als Norm anerkannt wird, der andere aber nicht? AUein dafiir, daU etwas a.ls Norm gilt oder m.a.W. daO etwas als g e s o l l t angesehen wird, gibt es ebensowenig eine Erklarungi wie da.fii.r, daO etwas als seiend erkannt wird. Das Solien ist wie das. Sein eine letzle niobt weiter ableitbare Kategorie. Insbesondere ware es verfehlt, die Norm als solche mit irgendeiner grammatikalischen Form zu identifizieren, etwa jeden lmperativ oder jeden ,:S o l l 11 -Satz a1s Norm zu betrachten. Die Norm als solche - nicht etwa die besondere R.ecbtsnorm - ist iiberbaupt nicbt an einen sprachlichen Ausdruck gebunden und kann, wenn sie in W orten ersoheint, ebensognt als Imperativ wie als In­ finitiv, ala Soll-Satz oder als bypotbetisobes Urteil erscbeinen 1). Es gibt Imperative, die nicht verpflicbten, und Pflichten, die auf bypo­ thetischen Urteilen bemhen. Was insbesondere die Soll-Satze betriff� so bedeutet ein: dn sollst ... ein Urteil iiber eioe bestehende Pflicht, es konstatiert ein bereits gesetztes Solien, ist also an sicb deklarativer nicbt konstitntiver Natur; in dieser Wortverbindung wohnt keineswegs die immanente Kraft, ein Solien zn statuieren. Zwar kann sicb der Gesetzgeber bei Schaffung von Pfiichten auch eines solohen Aus­ drnckes bedienen, allein nicbt anders und nicht mit mehr Wirkung aJs etwa eioes Imperatives oder eines stmfandrohenden Urteils. Die 1) Vgl die Auafllhnmgen des 1. Xapitels.

Zweck nnd Wirkoug der Recbtsnorm.

71

Normen des Dekalogs ,,Ehre Yater nnd Multer 11 , ,,Du sollst nicht begehren deioes Nacbsteo Gut" und 11 Weir meinen Namen zum fal­ scben ausspricbt, den will icb bis in das dritte Glied strafen" setzen in gleicber Weise sittlicb-religiose Pflichten. Nur scheinbar ein Kriterinm liefert, wer ala Cbarakteristikum der Norm, ala ErkenntniSt,,"Tund dafur, da6 etwas g e s o l l t ist, angibt, es stamme von der kompetetenten Autoritat. Denn dann ist die Frage zn beantworten, woran die 1,.utoritat zn erkennen sei ; und die Ant­ wort darauf kann nicbt anders Jauten, als: an der Fabigkeit, zu ver­ pfliobten, Norruen zu setzen, ein Sollen zu atatuieren. Damit ist aber der circulns vitiosus gesehlossen. Und auch darauf wnrde schon hiogewiesen, daO es nicbt angebt, das WesensmerkmaJ filr den Norroeharalt.ter einer Tatsacbe oder insbesondere eines Wortes oder Satzes in dem Zweck e zu erblicken, den die teleologische Betracbtu:ng der NoYm aufzeigt. Die Veran­ lassung zu einem bestimmten Verha.lt.en !hat die Norm mit vieJen anderen TatSacben gemein, denen keineswegs die Qualitat, ein S o l I e n zn st&tuieren, eine Pflicht zu begriinden zukommtl). Vom Sta.ndpunkte der teleologiacben Betracbtung ans enebeint als Zweck der Norm ein tatsiicblicbes VerbaJten der Snbjekte, das dadurcb herbeigefiihrt wird, da.6 die Norm im BeW1JOt.sein der Norm­ unterworfeneu motivierende Wirkung ansilbL Diese teleologiscbe Be­ traebtong der Norm ist sona.ch von der kansalen dnrehaus nicbt wesensverschiedeo, deuo aJs Zweck der Norm erscheint nicbts aoderes als ihre gedanklicb antizipierte Wirk110g nnd zwar k au s a l e Wir­ .kung, die durcb die Norm als Ursache bervorgerufen wird. Die kausale wie die teJeologiscbe Betracbtung erfaflt die Norm aJs Be­ wufltseinstatsacbe, wie sie in der Kansalkette der SeinsweJt stehl Tn diesem Sinne bat es der Psychologe, der Historiker oder der Soziologe mit der Norm zu tun; in diesem Sione ist die Norm Gegenstand ex­ plikativer, d. b. erkliirender Disziplinen. Dabei soil nocb besonders bervorgehoben werden, dafl diese spezifisch-teleologische Verbindnng zwisehen der Norm und ibrer prii.snmptiven Wirkung zu erkennen ist, eine Verbindung, die von einem auderen Standpnnkte aus sich auch als kausale darslellt. Vollig anderer Natur aber ist die Verbindung, die zwisoben den innerbalb der Norm zusammengefaf.lten Elementen bestebt, jene Ver­ bindung, die grammatiscb durcb das 11 soll" hergestellt wird. Zwei Bestandteile siod es namJicb, die im lnbalte jeder Norm zu nnter­ sobeiden sind: das SoJl-Snbjekt, das ist dasjenige, das sol� die 1) Vgl. die Aosfllhrungen des 1 Kapitels.

72

Die ZU1echnung.

Person, der das Soll �ilt, an die das Soll geriobtet ist, und das Soll­ O bj e k t 1 das ist dasjenige, was gesont wi.rd. Die Anwendung der Norm auf die Tatsa�ben der Seinswelt kann nun ein Doppeltes er­ geben: entweder. die Ubereinstimmung eines Seins-Tatbestandes mit der Norm, d. b. die Existenz eines Gescbehens, das inhaltlicb der Norm entspricht, oder einen Seiostatbestand, der inbaltlich der Norm wider­ spricbl (11 lnhaltlich", denn formell mull sicb jedes tatsacblicbe Ge­ scbeben eben durch die S e i n s f o r m von der Solleosform unter­ scheiden 1 in der das inbaltlicb gleicbe Geschehen in der Norm er­ soheint. Damm ist ja die der Norm entsprecbende Haodlung nicbt die 11 gesollte" 1 sondero blo0 ein& mit der gesollten inbaltlicb iiberein� stimmeode.) 1st aber von irgend einem Seiostatbestande durch den Vergleicb mit einer Norm Ubereinstimmuog oder Widersprucb zum Objekt des Norminbaltes festgestellt, dann erbebt sich sofort die Frage nach dem Norm-(Soll)-Snbjekt. Wer ist schnld daran? lantet die Frage bei einem normwidrigen Tatbestand; wer bat das Verdienst daran? bei einem noTmentsprecbenden. Nur da6 die letztere Frage unserem Bewu6tseio ungewohnter und seltener ist, da man eber geneigt ist zu bestrafen als zu belobnen, da Strafe sozial wicbtiger nod not­ wendiger ist als Lohn. Die Antwori auf beide Fragen liefert die Norm, die ja als einen der beiden Bestandteile die Bezeichnung des SoUsubjektes enthill Die auf Grund der Norm vorgenommene Ver­ knilpfung zwischen einem Seinstatbestaode und einem Subjekte ist die Z u r e c b n u n g. Sie ist eine ganz eigenartige, von der kansalen und teleologiscben vollig verschiedene und unabbaogige Verknupfung von Elementen. Man kann sie, weil sie auf Grund der Normen edolgt, als eine normative bezeicbnen. Die Unterscheidung von SoU-Subjekt und Sol1-Objekt ist von gro.L\ter Bedentung. };in Fehler wire, beides zn identifizieren, etwa von der Voraussetzung ausgehend, gesollt sei stets n11r ein Verhalten des Snbjektea. Denn abgeseben davon, da6 aucb in diesem FaUe Subjekt und Verbalten des Subjektes nicbt zu.sammenfalle� kann obne weiteres aucb etwas anderes, kann vie] mebr als ein Verhalten, das hei6t bei menschlicben Subjekten, eine Korperbewegung oder deren Unterlassung geaollt sein. Die Norm kann prinzipiell alles fordero, auch Dinge, die nur in einem sebr weiten (kansalen) Zusamq1enbange oder auoh in gar keinem Zusammenbange mit korperliohen Bewegungen des Normsubjektes stehen. Insbesondere soweit es sicb um soziale Normen bandelt, wird das durob die Norm GeboteQe letzlich nicbt ein Zustand des NoTIDsubjektes, sondem seiner Mibnenschen sein, z. B. der mogliohe ii.uJ.\ere Erfolg aolcber korper­ lichen Bewegungen, da der Endzweck sosialer Normen niobt ist, daa

Die �ecbtlicbe Znrechnu11g.

73

Verbalten des Normsubjektes an sich zu erzielen, sondern weitere nacbteilige oder vorteilige Zustande der iibrigen zu verhindem oder berbeizufilhren. So statuieren die Normen des Bechtes als gesollt die Be{riedigung des Gliiubigers, das Nichtgetotetwerden des Neben­ menscheo, und ahnlicbes. Gera-0e die r e c b t l i c b e Zurecbnung, dae ist die Znrechonng auf Grund der Recb tsnormen, zeigt, da.6 zwischen Noi-mobjekt nnd Norm81lbjekt die grollte Distanz, drul nicbt · eiomal ein kausa.ler oder teleologischer Zusammenbang bestehen molt Das SolJ-Subjekt der Reehtsnormen ist - um zo.nacbst anf dem Gebiete des Strafrecbtes zu verbleiben - dadnreb zu eruieren. dats es in der Strafreebtsnorm fiir den Fall eines normwidrigen Tatbe.standes mit Strafe bedrobt ist. Die Antwort anf die Frage, wer zu bestrafen ist, sagt zugleicb, wem der normwidrige Tatbestand zu.zurecbnen ist. Nun bestimmt z. B. ein Reohtssatz des roruischen Rechtes, daO mit einer hoben Geldstrafe der Eigentiimer jenes Hauses zu belegen sei, von dessen Dach ein Gegen­ stand herabgefallen ist, der beim Herabfalleo jemanden getotet bat Der Tod des Passanten wird dem Eigentiimer des Hauses zngerecbnet. F.s k.ann keinem Zweifel unterJiegen, dall zwiscben der Person des Eigen­ tiimers und dem Tode des Passanten kein wie immer gearteter k:ansaler oder teleologischer Zusammenbang besteht oder doch besteben muL\. Weder ist der Eigeotiimer, der moglicherweise vom Hause weit abwesend ist, vielleicbt von- seinem Eigentume gar nicbts weiB, die Ursache von dem Tode des Passanten, nooh der Tod sein Zweok g� wesen. Nun mag man ja das Postulat steUen, jede Norm solle nur gebieten, was kausal herbeizufiibren in der Macht des Normsubjektes steht, oder verbieten, was zu verbindern das Normsubjekt imstande ist. Allein so gereeht diese Forderung sein mag, so vergesse man docb nicbt, daO es eben our cin ideales Postulat ist, dem keineswegs alle geltenden Normen nod am wenigsten die positiven Recbtsnormen entspreoben, anf Grund deren aber ausschlief.\lich nnd allein die recbt­ licbe Zur-ecbnung erfolgen kann. Auch ware seJbst die Erfiillung dieses Idealpostnlates fur die Frage der Zurecbnung bedeutungslos. Jeder Fall einer Normverletzung ist ja - vom deterministisoben Standpunkte aus - nor ein Beweis dafiir, dan das Normsubjekt tatsicblich nicht bewirken oder verbindem konnte, was es sollte, was aber keineswegs die Zureobnung au.fheben. ,vird. Denn i>ei der Zu­ rechnung fragt es sich niemals, was dRS Subjekt getan oder unterlassen hat, sondern lediglich, was g e s o l lt war und ,ver g e s o l lt bat.. Gewi6 gibt es zahlreicbe Falle, in denen die Zurecbnung Uings einer K:i.usalreihe liuft, in denen es zwei kausal miteinander verkniipfte Glieder sind, die durcb die Zmecbnung verbunden w�rden, z. B. der

74

Aka�r Cbarakter der Zurechnung.

Tod des Gemordeten mit dem �torder. Allein es ware irrig zu glanben, das Znreohnnngsprinzip sei bier die Ka.usahtat, der Erlolg werde dem Titer desbalb zugerecbnet, weil er vom Tater kausal herbeigefttbrt worden sei. Gerade bier zeigt sich deutlich, da.6 das Kausalitiitsprinzip keinerlei Kriterium dafiir gibt, ans der -iach alien Seiten unendlicben Kette kausal verbundener Glieder gera.de diese beiden heranszubeben, die ka.u s at alien anderen gleicb stclten. Erfolgte die Zurecbnung au( Grund der KausalverknUpfung, milfite jede Wirkung jeder ihrer Ursa.chen zugerechnet werden, was keineswegs der Fall ist, aber jeden­ lalls niobt in jenem Sinue geschiebt, wie bei der rechtlicben oder siu­ lichen Zurechnuug. Denn fUr die kausal-mecbanische Betraebtung hat die eine Ursaehe niebt mehr und niclit weniger Schuld oder Verdienst an einer Wirkung, als die niichste und zweitnachste dieser Wirknng vorangebende Ursache an dieser oder einer folgenden Wirkung. Dazu kommt noch, daB eine Wirkong regelma.Big nicht eine einzige Ursaebenreibe hat, sondern mebrere, an deren Schnittpunkt gleichsam der znzurecbnende Erfolg steht. All diese Reihen stehen, unter dem Gesicbtspunkte des K a u s a I pri oz i pes betracbtet, ein· ander gleich, dennoch greift die Z n r e c b n u n g nur auf eine dieser Reihen, namlich jene. zuruck 1 in der sich eine bcstimmt qualifizierte und zwar normativ qualifizierte menscbliclte Handlung lindet. Das Kausalprinzip kann jedenfalls nicht filr diese Auswabl ma.6gebend seiu. Bei der Zurechnung von Unterlassnngstatbe8tiinden aber - ein iiber· ans wichtiger Fall recbtlicber und sittlicher Zureclmung - ist keine wie immer geartete Kausalverbindung zwischen dem nicht handelnden (also aucb kausal nicht wirkenden) Normsubjekte und dem Norm­ objekte herzusteUeu. Zudem kommt, da6 von den beiden Elementen, die durcb die Zu­ rechnung miteinander verkniipft werden, dasjenige, welcbes als Orsache zu fungieren batte, - ware Zurecbmmg nur ein Kausalnexus - gerade fur die kausale Betrachtung gar nicbt besteht. Als O r s a c b e kommt nur eine Bewegung oder Verinderung in der korperhchen oder geistigen Seinswelt. in .Betracbt. Die Zurecbnung erfolgt aber zu einer P e rs o n , zu etwaa nicht in Beweguog, sondern in Ruhe Gedachtem, d. h. eben nicht zuru ,,Menschen" im Sinne einer b1ologiscb-psycbologischen Ein­ heit gewisser auf einen bestimmten Zweck bezogener Lebensprozesse (Organismus), sondero zu eioem au0erbalb der Welt tatsachlichen Ge­ acbehens gedachten normativen Konstruktionspunkte. Nur der ,,Mensch·, d. b. die kBrperlichai und psychischen Bewegnngen, deren Trager er ist, kann Ursa.obe sein, nicht aber die Person, die Subjekt der Verantwortung, Zurechnongs-Subjekt ist. Ebensowenig ,vie die kansale ist die teleologische Verkniipfnng

Ateleologlscher Charakter der Zurechnung.

75

zwiscben Normsubjekt und Nom1objekt fiir die Zurechnuog von Be­ deutung. Der Umstand1 daU der norruwidrige Tatbestaml ein Zweck des Subjektes war, das hei6t vom Subjekte gmvollt wurde, ist keines­ wegs ein wesentlicbes Merk.ma! der Zurccbnung. Das Gewollt-Sein des Tatbestandes k a n n , muO aber nicbt zu den Unrecbtsmerkmalen geMren. Wo die Norm auclt iter s o l l den gaozen Ertrag der Arbeit (wie er nur durcb Zusammeowirken mit Kapital uod Land kaosal bewirkt wird) a.Hein erhalteo. Zurech­ nungsurteil uod Norm siod hier gerade20 identiacb. Was in Form

Znrechnung zur Pflicbt und znm Recht.

81

eines Zo-recbnungsurteils auftritt, ist das gleicbe wie die Norm: eine Vorschrirt fUr gerecbte Ertragsaufteilong. Was diese wirtscbaftlicbe Zurechnung von den bisher bebandelten Fallen sittJicher und recbtlicber Zurecbnung unterscbeidet, ist der _ Umstand, da8 es sich nicbt wie bei diesen letzteren bisher ins Aage gefal\ten Fi.lien um Z o r eo h n u n g z u r P f l i c b t, sondem um Zu­ r ec b n o n g z u m Rec b t e bandell In de.r Norm: der Arbeiter soil den vollen Arbeitsertrag erhalten, ist � grammatiscbe Satzsubjekt offenbar nicbt in demselben Sinne Soll- oder Normsubjekt, wie e.twa in der Norm: der Soldat soil tapfer sein. Niobt der Arbeiter ,,soil" etwas in dem Sinne., daG er dazu verpflicbtet ist, der Arbeiter ist vielmehr berechtigt Ein Pflicbt-Norm- oder SoHsobjekt kommt in der er­ wibnten wirtscbaftlicben_ Norm tatsicblicb nicbt zom Vorscbein; doch kann es keinem Zweifel unterliegen, an wen diese Norm gericbtet ist: An die Gesellscbaft, d. h. an alle aoderen Subjekte ausscblieGlicb des in der Norm bezeicbneten Arbeit.ers. An diese ergebt in der Norm die Auf­ forderung, dem Arbeiter den volleo Arbeitsertrag zu tiberlassen, ihm den Arbeitsertrag zuzuteilen oder doch nicbt wegzunebmen. Die Pmeht der andem ist gleicbbedeutend mit dem Rechte des eioen. Die allgemeine grammatische Moglichkeit, nicbt nur den Ver­ pftiohteten 1 sondem auch den Bereobtigtrn als Subjekt einea Sollens erscbeinen zn !assen, hat tiefere Bedeotong, als es aof den ersten Blick scheinen mag; denn offenbar bestebt eioe ganz analoge Ver­ bindnng zwischen dem, wozo man bereehtigt ist, dem Recbtsobjekt, und dem Berecbtigten, dem Recbtssnbjekte, wie sie zwiscben dem Soll- oder Pflicbtobjekte nnd dem Soll- oder Pfliohtsubjekte bestebl Denn aneb diese erstere Verbindnng wird durcb eine Norm bergestellt und auf dieser Norm berubt die ZnrechnnDg, dnrch die irgend etwas als Recht mit irgend jernand verknUpft wird: die Znrecbnong zum Recbte. Es ist eine dem Juristen bek¬e Ta.tsache, da6 man dens�lben Sacbvcrbalt, den man als Recht des einen ausdrtickt, aucb als Pnicbt des andern darstcllen kann. Jemand hat �in Recht darauf1 ist gleicb­ bedeutend: ein anderer ist dazu verpflicbtet, d. b. s o 11. Die Zu­ rechnong zum Berecbtigten erfolgt auf Grund derselben Norm, wie die Zarecbnnng zum Verpfliobteten 1 so da6 man die Norm onter Umstanden mit zwei Subjekten, einem iuL\eren, dem Pflicbtsubjekte, nod einem inneren 1 dem Rechtssnbjekte , denken kaon. Docb mu6 man sicb stets vergegenwartigen, da6 aucb die Verbindong, dennfolge zwiscben Subjekt nnd Objekt das Verbaltnis des Recbtes bestebt, eine normative, eine Sollverbinduog ist, wenn aucb nu.r eine mittelbare Sollverbindnng, gleicbsa.m durcb die primare, zwischen Pflicbtsobjekt und -objekt berge13tellte. Denn man ist nur insofem zu etwas berechtigt, X e I s e n, Hauplprobleme du St.aata.recblalehJ'e.

6

82

Zurechnnng zur Pfticht und zum Recht.

als ein anderer dazu verpflicbtet isl So ist das Eigentumsrecht d88 Recht auf Unterlassung von Eingriffen seitens alter anderen, d. b. aber nicbts anderes a1s die Pflicbt, das Solien aller anderen, diese Eingriffe zu nnterlassen. Die wirtscbaftlicbe Norm, die da lautet: der Arbeiter bat das Recht auf den vollen Arbeitsertrag, oder: der Arbeiter s o l l den vollen Arbeitsertrag erbalten, ist our eine Transformation der Norm: die Gesellscbaft soil dem Arbeiter den vollen Arbeitsertrag ilberJassen. Die Gesellscbaft ist bier das liuOere Norm- oder Sollsubjekt, m. a. W. da.s Pflicbtsubjekt, der Arbeiter das innere �form- oder Sollsubjekt m. a. W. da.s Recbtssubjekt, der voile Arbeitsertrag aber das SolL objekt und zwar Pflicbt- nod Rechtsoujekt zugleich. Woranf es im wesentlichen ankommt, ist die Tatsache, da6 auch die RechtSs verbindung ebenso wie die Pflicbtverbindun� eine normative, da6 die Zurechnung zum Recht ebenso wie die Zurechnung znr Pflicbt von der kausalen oder teleologisohen Verlmiipfung wesensverschieden ist. Allerdings - und das muO in diesem Zusammenbange schon envahnt werden - bat man aucb die Verhindung des Bechts­ subjektes mit dem Recbtsobjekte - ebenso wie die zwischen PfJicht­ subjekt und PflichtoLjekt , wie. iiberbaupt die zwisclum Zurecbnungs­ snbjekt LER, a. a. 0. S. 10; Pim,-ss a. a. 0. S. 567. 2) Da der Zwec.k ebenso 'Irie die Kausa dem Satte vom Grunde unterworfen iat und l.mnmi& Uberdies alU!drftcklich das Zweckgesetz als psychologische Kausa.litl!.t aufgefa.Ot "WisaeD will, so ka.nn man, wie STAJJllLEl!. L a. 0. S. S4S nicht mit Ulll'eCht benorhebt, �os Motto, da.8 nder Zweck der &hl!pfer des Recht.es" se.i, aucb durcb den Satz wiedergeben: Die a.ls Recht ergehenden menacli­ lichen A.no:rdnungen haben ihre Ursachen." Nacb der 1.muu:Moscben Tenniuologie muilte es wobl beiaen: baben ihren nGrund", da. nach IH:EBIKO der nGrund" der Oberbegrill ist, unter den Ursache und Zweck, 'Wie unter den Satz Tom Gnmde das Ursacbengesetz: "Kein Grund ohne Ursaehe" und das Zweckgeset.%, die mecba.ni.Bche und die psychologische KausalitAt fallen.. Docb :i8t STJ..JllJlUR TlUlig 111Zutimmen, wenn er meint. dieser Satz sei nfreilicb ebenao richtig wie selhs� verstindlicb".

Teleologischer Cbarakter hiatorisch-so.ziologiscber Betraebtnog.

89

eine spezifiseh-j uristische, sondem eine .a.uf das Sein, das tatsiob­ liohe Gesoheben in seinem kansalen, also moglioberweise aoch teleolo­ gisehen Zl1.8&Dlmenbange gericbtete, somit eine historisch-soziologiscbe Betracbtnng. Denn nur diese, ni oh t aber die normativ-formale, Jediglich auf das Sollen gericbtete Betrach.tnng der Jorisprndenz kann tiberhaopt die ,,S c ho pfun g des Recht.es". die Rechtswerdoog, die E r zeog u ng des rechtlicben Sollens, dieses m e taj ur i st i s c h e Problem erfassen 1). Der m:E.BJNGsche Standpunkt, von dem aus der Zweck im Recht erblickt wird, kann niemals zo R e e b ts begriffen, sondern stets our zn soziologisoben, sei es okonomischen oder psycho­ Jogiseben Begriffen fiihren. AJlerdiogs bat IRERING das Zweckmoment nicht nur bei seinen soziologiscb-historiscben Betracbtungen beriick­ sicbtigt. Er hat es auch vieJfach seiner fonnal-jorisriseben Kon­ stroktion zu Grande geleg4 und oicht zu Unrecbt berufen sicb daber die Vertreter der teleologiscben Begriffsbildong in der formalen Joris­ prodenz auf ihn. So hat z. 8. IBERING seinen Begriff des sobjek­ tiven Rechtes, der in den spa.teren U ntersochungen noch oaber zo prilfen sein wird, dorcbaus als einen Zweckbegriff konstitniert, iodem er es als ,,Interesse" qualifizierte, was ja nur eioe andere Bezeichoong fiir den Zw e c k im subjektiven Sinne ist. Dies sagt !BERING selbst, wenn er seine Definition des subjektiven Recbtes als rec_btlicb ge­ scbiitztes I nt e r e sRe dahin erliiotert l): ,,Zwei Momente sind es, die den Begrifi des Reohtes koostituieren; ein substantielles , in dem der praktische Zw e ck desselben Liegt, namlich der Nutzen1 Vorteil, Ge­ winn, der durch das Recht gewabrleistet werdeo soil, und ein for­ melles, welcbes sich zo jenem Zweck blo6, a.ls ?tfittel verblilt". Dabei stellt natilrlich das ,,Interesse" das subst:antielle Zweckmoment, der Schutz das formaJe Element dar. In eben demselben Werke aher , in dem diese das Zweckmomeot als wesentlicbes Begriffsmerkmal ent­ baltende Definition des sobjektiven Rechtes, also eines Recbtsbegriffes aufgestellt wird, findet sich folgende Uberaus scba.rfe, inbaltlicb ganz mil den friiher zitierten Ausflihrongen LABM-"DS fibereinstimmende Polemik gegen die teleologische Begriffsbildung in der Jurispradenz'): 1) Pnuss sagt L a. 0. S. 367: ,, Wohl steht das politische Handeln im weiieaten Sinne , al.so auch die legislative wie die administrative Titigkeit, unter dem Zweekgesetze; und fli,r die Betrachtung der :&!chtse»twicklung, des Recht.es in Bewegung, ist daher d&11 Zweckmoment von gTl!8tu, vielleicht vou ent­ echeideuder Bedeutung; da findet es auch an der tatsttchlichen Entwicklung st&ndig Mallst.ab und Xorrektiv. Die juristisohe :Begtlffakonstruktion jedoch h.at daa in all.em Wecbsel der Encheinungen Dauemde und Bleibeode gedanklicb n erfaasen; und bier bedeutet daa Zweckmoment die souverAne Willktlr des Antors". 2J Geist des TISmischen Recht.es, ills. 8. Sa9. S) Geist des rlSmiscben Rechtes, lh. S. S64.

90

lherings Polemik gegen teleologiscbe Begriff'sbildung.

"Der Begriff erfafit also den Korper, in deru was er ist. Allein worin liegt dies ,,Ist"? Man konote meineo in dem Zweckmomente, deno die praktiscbe Aufgabe, die er zn losen babe, entbalte den Grund, warum er iiberbaupt existiere, warum er gerade so und nicht anders sei, kurz seioen logischeo Scbliissel. Ieh will nun allerdings nicbt leugnen, daO das Zweckmomeot f ilr das (fob meine nicht blo6 rechta­ pbilosophische, soodern aucb praktiscb juristische) Verstindnis bocbst wicbtig, ja unerlaBlicb isl; w as i c b a b er b e s tr e i t e, i s t o u r , d a 6 d i e ju r i st i s ch e Tbe o r i e d a rn a c b d e f i o i e r e n d a rf". Hier sehaltet laERING eine Anmerkung (511) ein, in der er gegen ,,die t e l e oJogi s c h e n D e f i n i t i o n e nCl innerbalb der Jurisprudenz pole­ misiert. Als solche bezeicbnet er speziell die EINERI ache Definition des Wecbsels, die denselben falscblicber Weise na.cb seioem prak­ tiscben Zwecke, nicbt aber oa.cb seiner ,,jnristischen Natur a erfasse. Der teleologiscben setzt IBERING die ,.ontologiscbe" Definition a.ls die der jnristiscben Metbode entsprecbende entgegen. Im Texte aber fahrt er dann folgendermaOen fort: ,,1st denn aber z. B. die Definition des Depositums und Commodate.s als Ilingabe zum Z w e c k e der Aufbewahrung und Benutzung eine fehlerharte? GewiB nicb� aber aucb our aus dem Grun de, weil bier das Worl Zweck nnr ein an­ derer Ausdruok ftir lobalt ist. Hingabe znm Zwecke der Aufbewah­ rung oder Benutzuog heiOt bier nichts, als Hingabe mit der Ver pf l i c b t u n g zur Au!bewahTUng, mjt dem Re c ht e der Benntzung. Wo wir aber den Ausdruck in seinem recbten Sinne gebrancben, meinen wir mit dem ,,Zweck" des lnstitutes etwas dem Inhnlt Ent­ gegengesetztes, etwas Boheres 1 a u.Ber i bm l i e g e n d e s, z u d e m l e t zt e r e r s e l b s t s i c h o u r a l s Mi tt e l verbiilt. Ist nun aber no­ sere Wissenscbaft nur eine T b e o r ie der Mi ttel, ·sozusagen der materia medic.a, die das Recht fur die Zwecke des Lebens in Bereit­ sehaft hal� so milssen ,vir die Mittel n aoh Mo m e o te n , d i e i h n e n i m m a n e n t sind, bestimmen, ganz abgesehen davon, daO tiine Be­ stimmung derselben n a c b Zw e e k e n , wenn viellcicbt anch bei ein­ zt:ilnen denkba.r, im a l l g e m e i n e n u nau s f iihrbar sein wiirde". Auch bier fiigt llIERING cine sebr cbarakteristische Anmerkung (5 t 2) ein. Er sagt: '"Wo so lite z. B. die ,orru undscbaft ibreo Platz finden? Wo de:r Ususfruktus? Ware d e r Z w e o k d a s m a6ge b e n d e Mo m e n t, so mii6te der Pacbtkontrakt, die Empby­ tbeusis und der Ususfruktus an Grondstiicken an einer Stelle zn­ sammengestellt werden !" Im Texle fahrt er dann fort: ,,Denn nicbt bloO sind diese Zwecke etwas bocbst unbestimmtes, scbn•ankendes und durcbkreuzen siob in einer oft unentwirrbaren Weise, andern und wecbseln olrne da.O mit dem Institute selbst die geringste !nderung

D1erings Konstruk:tioo des subjektiveu Rechtes.

91

vor sicb gebt 1 sondern cs gibt aucb cine ansehnliche Zahl von Recbts­ korpern, bei denen ein Zweck iiberhaupt gar nicbt angegeben werden kann, da sie nicht einem praktiscben Bediidnis (ntilitas) sondern nur der juristischen Konsequenz oder Notwendigkeit (ratio iuris) ibren Ur­ sprung v·erdanken, nur existieren, weil sie nicht niob t existieren konnen. D efi n i e r e n a b er d ad mnn n u r no.ob 1\lo men tt>n, n a ob d e n c n m a n a u ch k l a s s i f i z i e r e n k a n n. Ein Gesichtspunkt. der fur die Bestimmung samtlicher Korper oder die Systematik des Ganzen un­ geeignet ist, ist es aoch filr die Bestimmung des Einzelnen. Wir definieren den Korper also nicbt naob dem, was er soil oder was er leistet, sondern nacb seiner Struktur, seinen anatomisohen Momenten". Es soil bier nicbt darauf ankommen, die in einzelnen Details unrichtigen und mitunter unklaren Ausfilhrnngen IHERINGS nacb­ zuprilfen. Nur in Parenthese sei bemerkt, daO die von llIERINO bier angenommene Gegensatzlichkeit von Zweokmoment und Inbalts­ moment oicbt akzeptiert werden kann, vielmebr in den Gegens.atz­ paaren lnbalt und Form einerseits und Zweck nnd 1\littel andererseits dem Ioli.alt der Zweck I der Form das Mittel entspricht 1). lelmrNo selbst bat ja. in seiner obenerwalmten Definition des subjektiven Recbtes 6 ist - wie spi:iler nocb naher darzulegen sein wird - keineswegs ein Staatsakt, eine Han.dlung des Staates, ein der Staatsperson zuzurecbnender \'organg. Vielmebr ist dieser Proze6 ganz ebenso wie die gewohnheitliche Obung sozialer und nicbt sta.atJicber Natur. Was ihn vom der letzleren unterscheidet, ist blo6 die Tatsacbe, da.D er in dtr R e c hts o r d n u n g a J-s V o r ans­ s e t z u n g d afil r f ix i er t i s t , w a s als Recht zu. gelten batj ganz eb1m­ so wie die 'l'l'Stamentserrichtung desbnJb noch kein Staatsakt ist, weil in der Reobtsordnung bestimmt wird, nnter welchen Voraussetzungen eine letztwillige Verfiignng ein rechtsgiltiges Te!:itament isl. Zu meinen aber, da6 der Gesetzgebungsproze0 darum ein Sta::i.tsakt se� weil die damn beteiligten Persooen Staatsorgane sind, ist scbon deshaJb ver­ kebrt, weil dte Qnalitat des Staatsorgaos aus der Tnlsacbe geschlossen werden mu6, daD eine Ilandlung des Staa.te� vorliegt und nicht um­ gekehrt. Sonst ware jede Ilandlung c-ines Staatsorgans titantshandlong, was offenbar nicbt zntrifft. Da6 das Recht im objektiven t-1nn, d. b. die Rechtsordnung, Wille des Staates ist, bedeutet nicbt, daO der Staat das Uecht nerzeugt", sondern da.6 der Slaat T r a g e r dieser Ordnung is� deren lnbalt durch �inen sozialen Proze6 nerzeugl .. wiTd, wenn auch dieser soziale Proze6 staatlicher Rt>gelung insoferne unterworfen

Recht als Staatswille oder Vl)lkswille.

99

ist, als die Recht.snormen ibn als Yo r a u s s e t zu n g des Ilechtes feststellen. Die tamachlicbe - wenn auch sehr eingeschriinkte - Geltung des Gewobnbeitsrecbtes neben dem Gesetzesrecbte im modernen Staate bat aucb manche neueren Theoretiker veranlaOt, bei der Konstruktion des objektiven Uecbtes auf eine einbeitliche Formel zu verzichten und iosoferne eine dualist.is-Obe FormuJierung zu akzeptieren, als sie das Recht je na.cli seiner E n t s t e b u o g s a r t als Wille des Staates o d er aber als Volkswille auffassen. Nnr dem Gesetzesrechte wird die Eigensobaft, St:i.atswille zn seio, zugesprochen, wabrend das Ge,vohn­ beitsrecht als Volkswille zu gelten hat. So sagt z. B. JELLUjkK 1): ,,AJs reobterzeugendes Organ aber kennt die Jurisprudenz nut'� \ Wl,8 dee Yolk in...seiD!!r natiirli�hep Existenz, das auf dem \\rege der Gewobnheit sicb der Nonnen �wu6t wird, welcbe das Tun und �en der Volksgenossen regelt(,"a.!lilUfraeHs das Yolk als orga.nisierte �inbc� i al s Slut, welcber als sonveriiner Wille der Gesamtheit das Recht setzt und erbalt. Als Wille der Gesamtbeit, sei es des Volkes, sei es des Staates mu6 ein jeder Satz nacbgewiesen werden, dt>r den Ansprnch erheht, als Rechtssatz zu gelten." Demgegeniiber muB bier jedoch an dem Prinzipe fet!tgehalten werden, �a6 jwr Satz, der ein lw,hts§atz seiq §Qll, f'jpen Wj 11eo--d.e�&t'irthalteJJ roPA Diesc These kann in ihrer ganzen Bedeutnng erst durch die allseitige Klarstellung d�r Begrif£e Recbtssatz und Staatswill" dar­ gelegt nnd voll gerechtfertigt werden. In diesem Zusammenhange geniigen die folgenden Hinweisungen. Eine dualistisehe Formulierung des objektiven Recbtes ist nicht als befriedigende Konstruktion anzusehen. Das Postulat der Einheitlicbkeit der Konstruktion bleibt dabei nnerftillt. �wilit man zunial den Will des Vo ·rd roan schw�rlicb.,7,n...eiiwD esten Suh.fil!_Ute g_elangen. Y,on�inem Wilkn.des\"� psycbo­ lQgis.chen-Sinne alfL cipem Geeamtw.!!lN1sakt.e d..er das Staat,svolk bildenden Menscben wird man w..ohLkaum.. ernallich ..re.den. konnen. Dazn ist es ilbera.us bedenklich, die juristische Person des Staates neben dem Volke 11 in seinH uatiirlicben Existenz", wie JELLlNEK sagt, unter einen gemeinsaruen Oberbe::rifi ,,Gesamtheit u zu bringen. .Q_eid9 sind offeubar Begriffe ganz verschiedener..l(a.t.eg.ocie, Einheiten, �b a.,uf Grund zweier gruiz_ urschiedener Betrachtnngsweisen ergebeo: �er sqziologiscilie.n Jilld der jnristischJ_D. Juristisch betrachtet wii.re clas Volk. wcn n i h m e i n ,,W i l l e "' zuerko.ont w i r d , ebenso Pe r so n wie der Staat, der ja uucb our, 1SOfern er willensbegabt ist )

(

l) Die rechtliche Natu.r der Staatenvertrlige.

1880. S. 2.

I

100

Staat nnd Volk,

als Recbtssubjekt gilt. 1st aber das IIVolk.. eine vom Staate ver· scbiedene Person und die Rechtsordnnng teils Wille des Staates, teils Wille des Volkes, dann ist von einer einbeitJichen Staats· und Recbts· kon!itrnktion keine Rede; ganz abgesehen davon, daO scblecbterdiogs nicbt zu begreifen ware, in was filr Verhaltnis die Staatsperson zur Volksperson zu bringen ist, es ware deon, daU man das Volk als Organ des Sta.ates fdte, was ja tatsacblich von mancben Autoren gesohiebt -; dann aber rednzierte sicb der Volkswille, wie jeder Organwille, docb wieder auf einen Staatswilleo. � 'LJ>.l)[. peraonifiz��s9fe:oe-ibm eill'""8Dheitlich� Will� {wie er aicb im �wohnbeitsrecbte manifestiert) zugesprocben wird, ist darunter nicbts a.oder� zu versteben als d�r Sta.at, wenn man, wie JELLINEK, den letzteren mit dem ,, Volke als organisierte Einhe.it" 1dentifiziert 1). Denn eio ,, Wille" ist juristiscb our bei organisierter Einheit denkbar, ja· Wille ist - wie spater nocb nailer gezeigt werden wird - juristiscb gar nicbts anderes als organisierte Einheit, genauer: einbeitlicbe Organisation. DiPse f!.1LDZ8 Gegeoiiberstellung von Staat uod Volk, Gesetzes· recbt und Gewobnbeitsrecbt ist ein Ergebnis historiscb-genetiscber Betracbtuog der Rechtserscbeinnng. Sie resnltiert auf die Frage: Wie entBtebt das Recht? Das Problem der Rechtserzeugung, Reeb� werdung ist aber - wie ja scbon friiher betont - metajoristischer Natur. J uristisch fragt es sicb aber gar nicbt: Wer erzengt da.s Recht? oder: Wie gebt das Recht (im objektiven Sinne) unter?- in Parantbese: die Antwort auf die erstere Frage lautet oicbt: Stant oder Gesellschafi (Volk), sondern stets nor: die Gesellscbaft - vielmebr bat die Recbts­ wissenst:baft immer nor die Frage zu beantworten: Wer ist Trager des Recbtes, Subjekt der Reobtsordnung? Uod diese Antwort lantet stets: Der Staat. Auch im Falle des Gewobnheitsrecbtesl Diese ErkenntniR ist es, die im Grunde genommen scbon zo der altromiscben fl'iktion vom tacitus consensus popnli geftihrt ba.t, mit der man dem Oe,vobnbeits­ recbte jnristiscb beiznkommen versuchte 2). Eine solcbe Fiktion ist freilicb verfeblt, aber our, weil sie, wie ilbrigens jede echte Fiktion, ej.p a,!!_Oerjuristisches P_!!>bl�ur1stiscb ko!!!,_truie�n will, niimlich: -. 1) Streng genommen ist der Sta.at niemals das Volk, aoch uicht dRS organi· _aierte Volk, ebensowenig wie der Staat mit seinem Gebiet� oder sonst i.rgend· einem der rea.len ,,Staatselemente" iclentiseh ist. 2) Wenn Jll.LLL'IEK a. IL O. S. 2 Anm. l den Recht erzeugenden Willen der autouomischen Korperschaften als Staatswillen erkll\rt mid sioh dabei der Fik�on des tacitus consensus bedient, 80 iilt eigentlich nicht eiozosehen, warum er dieselbe Methode nicbt auch dem Gewohnheitarecht eueogenden Vo I k s willeo gegenilber anwendet. Wenn man die stillschweigende Anerkennung eines Willens darc.b

Koustruktion des Gewohnheitsrecht.".

101

wie die Gewohnheit zum Reehte w i r d. Richtig aber ist die Voraus· setznng dieser Fiktion, daO alles Recht, aucb das im Wege der { Gewobnheit entstandene1 soierne es Recht ist, Wille des Staates sein mn.B. Denn alles Recht muO vom Staate resp. dessen Organen an g e­ w e n d e t we r d en. Es ist mit dem Prinzipe der Staatssouveriinitat schlecbterdings unvereinbar, da6 St.aatsorgane einen anderen Willen als den ihres Slaates znr Ausfubmng bringen. Ond diese Organe horen auf, Staatsorgane zu sein und daher Recht zu setzen, wenn 11ie eioen anderen Willen ausiiben. Ebenso, wie es nicht angebt, daO Staat:sorgane den Willen der Kircbe oder eines fremden Staates � realisieren, ebenso wenig kaoo man annebroen, daO sie den Willen des Volkes ausftihren. Es mag wobl der Staatswille seineru Inbalte nacb der Volksiiberzeugung entspringen, seinen lnbalt dem VolkswiUen entnehmen, ja die Erzeugung des StaatswilJeos mag stets - auch im Falle des Gesetzesrechtes - als soziale und oicht als sta.atlicbe Funktion i erkannt werden, allein nu.- insoferne_ Volkswille oder Volkajib.er- ' � zeugung_ for,!!!_ell i3taatswi�!.or!len midi-�nnen sie. YOO gen Organeo des Staates. zur Anwendung kommen, Inhalt eines Recbts­ { satzes sein. Wenn Gewohnbeitsrtlr erlautert. Man • will" nicbt, aber wa.n 11 wiioscht", daO die Sonne aufgehe, weil man die BeCriedignng d� Bediirfniases nacb Tageslicbt positiv wie negativ von seiner eigenen Tiitigkeit unabbiingig weill. Das Aufgeben der Sonne wird wobl als ein kilnftiger, iur Befri�digong eines Triebes geeigneter Vor­ gang vorgestellt, dennocb ist diese Vorstellt111g rucbt Inhalt eines 1) Vg l. StOWART , a. a. 0.

s.

118.

Die eigene

A.ktivitllt.

111

Wollens, sondern eines bloBen Wilnscbens, weil es im Bewu6tsein an der Vortstellnng einer eigenen Aktivitlil fehH, weil der Wollende weder den Einu-itt dieses Kiinftigen durch sicb selbsl verursacht weiO nocb auch irgendein diesem Eintritte mi.iglicherweise entgegenstehendes llinder­ nis sdbst wegzoraumen oder nnr wegranmen zn konnen glanl,t. Allerdmgs mu_O betont w�rden, dnD Wiinscben nnd Wollen sich nicht etwa. nach der o bjek tiv e n Moglichkeit oder Unmoglicbkeit, die Triebbefriedigung durch eigene Til1igkeit herbeizufiibren (resp. den Nicbteintritt zn verhindl•rnJ scheidet. Es kommt lediglicb auf die sub­ jektive lfcinung an. W'er etwas als )(ittel seiner Bediirfnisbefriedigung vorstellt u_nd im icrtilrulicben Glauben, es nicht berl,eifilbren zu konnen, auf eine eigene Aktion verzichtet, wiinscbt bloD, obgleicb er wollen konnte; und urugekehrt, wer etwn.s berbei(iibren zu_ konnen glaubt, obgleicb es tatsiicblich filr ibn unruoglicb ist und in diesem irrigeo Glauben selust UHig wird, wilJ, weongleicb er veroiinftiger­ weise bloO wUnschP.n sollte, wie der beriibmte Hahn, der durcb sein Krahen den Sonntmaufgang zu hcwirken glaubte, auch wirklicb w i 11, daD die Sonne aufgehe. Schwierigl'r gestaltet sicb die Abgrenmng zwischen Wollt!n und Wiinscbeo in jenen Fallen, in denen die eigene Aktivitiit nicht in einem korperhohen Aktc wirklicher oder vermeintlicber Veruraacllw1g des kiinftig als :Mittel der Triebbefriedigung Vorgestellten, sondern letliglich in der Hin­ wegrliuruuug eines deru erwarteteo Erfolge die gelobt oder getadelt, belohnt oder gestraft, die zur Verantwortung gezogen wird, sondem die Person. Es ist oattirliob, da13 fiir die Disziplinen, innerhalb deren sich dieser ProzeD der Zurecbnung vollziebt, das Bedilrfnis besteht, jene eigeoartige Fabigkeit, Subjekt der Znrechnung, Person, d. · i. ethisch­ juristische Einbeit in einem andern als dem zoologisob-psychologiscben Sinne der Einheit ,,-Mensch" zu sein, besonders zu bezeicbnen. Die Zureobnung, der die einzelne normgemaf3e oder normwidrige Handhmg oder Unterlassung nur Durcbgangspunkte sind, suobt siob - figiirliob gesprooben - im lnnern des Menscben einen Endpunkt: d i e s e, i m 1 n n ·e r n d e s M e n s c b e n g e d a c b t e I a I s E n d p u n k t d e r Z n r e c b n u n g f u n g i e r e n d e Ko n s t r u k t i o n- u n d n i c h t s a n d e r e s - i s t e s, w a s d i e Te r m i n o l o g i e d e r E t b ik u n d Jur i s p r u d e n z a l s ,,Wi l l e" b e z e i o b n et Die Lokalisieru.ng des Zureohnungsendpu.nktes Wille" mu.6 keioes­ wegs notwendig in das Inoere des Menscben'' erfolgen; die etbiscb­ juristiscbe Einbeit der Person muO durcbaus nicht immer mit der zoologisch-psychologischen zusammenfallen. Es mufi mit Nachdruck bervorgehoben werden , da.6 es ganz im Belieben der Norm liegt, auch etwas anderem a.ls dem Einzelmenschen die Personen- oder \Villensqualitat zn verleihen, so wie es ja ancb nur von ibr abbangt, ob iiberbaupt der Menseb uod insbesondere welcber Mensch Person, d. b. willensta.big wird. Zur Illustration des G�oten diene die bekanote T&t.sache, da6 mitunter menscbliohe Wesen von einer Reobts­ ordnung nicht als Subjekte von Pfliohten oder Recbten anerkannt sind, man denke an die Stellnng der Sklaven im alteren Rechte und weiter, da6 es auf Grund der Gesetze Pflicbt- und Recbtssubjekte gibt, die nioht Menscben sind - man vergegenwartige aich den Gegensatz von p bysi s cb e n und juristiscben Personeo - fiir das Gebiet der Ethik: die Personlicbkeit Gottes, der ,,Wille" Gottes, der sicberlich nichts anderes ist als eioe durcb die n o rm a t i v e Weltbetraohtung postulierte Konstruktion, der Z u r e c b nun g se ndp'u n k t fiir den G e s a m t-Ta t b e s t a o d des Seins, das ein metapbysiscbes Bediidnis letzlicb auf dem S o11 eines t.ranszeodenten Werdegebotes griindet. Der Normalfall freilicb filr das Recht sowohl, wie iruibesondere aucb f Ur die Ethik ist die Koiuzidenz von Men s c h uod Person, die 11

11

Ke Is en, Hauptpl'Obleme der StaatsreehlBlehre.

10

146

Psychologiscber nnd jnristiseher "Wille".

Lokalisation des Zurechnungspunktes, genannt ,, WilJe", in den Menechen. Dieser Wille der Etbik und Juriaprudenz ist aber etwas viillig anderes ale dasje� was die Psychologie mit diesem Terminus heute bezeiobnet. Was die Psycbologie im Auge hat, ist e i ne der psychiechen Ti.tigkeiten des Menschen neben Denken und Fiihlen. Der Wille im etbisob-ju.ristiecben Sinne ist identiseb mit der Gesamt­ Einheit, aJs die das lndividuum fur Etbik und Jurisprudenz in Be­ tracht kommt Willenstahigkeit nnd Fii.higkeit, Person, d. h. Subjekt der recbtlicben und ethischen Zurecbnnng Z,U sein - Zurechnungs­ fahigkeit :_ sind eins. Der Wille der Psychologie ist eine empiriecb durcb Selbstbeobaobtung festzustellentle Tat s a ch e, die der Welt des Seins angebort, - der Wille der Etbik- und Jurisprudenz ist eine unter dem Gesichtspunk:te der Noro:i , des S o11 e n s vollzogene Ko n s t r u k t i on, der im realen Seelenleben des Menschen kein kon­ k.reter Vorgang entspricht. Es gehiirt zu den gro.Llten und folgensehwereten lrrtiimern der Jurisprudenz, diesen Unterscbied zwiscben dem psychologiscben und juristischen Willensbegriffe nicbt immer erkannt zu haben; und /!8 sind die seltsamsten und wunderijcbsten Resultate, zu denen das belle Bemiihen jener noch heote so hochgescbatzten ,,psychologischen Jnrisprudenz" geffihrt hat) den juristischen Spracbgebraucb in irgend­ einen .Einklang mit den Ergebnissen psycbologiscber Untersuchung zu bringen. Zur Illustration und teilweise aucb zur Erganznng dessen, was bisber ilber den Gegensatz zwischen juristiscber und psycholo­ giscber Metbode und fiber das Verb<ois zwischen dem juristischen ond psycbologiscben WiUensbegriffe gesagt wu:rde, ist es notwendig, an einem typischen Falle die ,. psychologisch-juristischen" Untersuchungen zu iiberpriifen , die zu jenem seltsamen Zwitterbegriff gefiihrt haben, den man heute dem W orte ,, Wille" in der Rechtswissenechaft zu unterstellen pflegt Der in der neueren J urisprudenz herrschende Willensbegriff gebt anf ZITEIMANN ') zuriick. Er gibt sich fii.r einen psycbologischen ans und ist es aucb insofem, ais es ein psycbiseber Vorgang ist, den er zu beinhalten behauptel Allein mit den Resultaten der modernen psychologiscben Forechung steht er in Widersprnch. Der Wille ist nach Zmi:r,vur"1 ,,derjenige psychische Akt, welcher unmittelbar auf die motorischen Nerven einwirkt und so UJ'S&che einer eigenen korper­ liohen Bewegung ist. Der Wille iat an sicb weder bewut\t nocb un1) Irrtum und Rechtsgeschift. Eine payc hologiach-juriatiacbe UnteJ1t1chnng. Lpzg. 1897.

Kaunlel' WilleMbegriJf du .psychologiscben" Jurisprndenz.

147

bewdt, er wird bewuJSt oder unbewu.L\t genannt, je nachdem er von der Vorstelhmg seines lnhaltes begleitet isl oder nicbt"... Die Unbaltbarkeit dieses Willensbegriffes · filr die Psychologie ist von kompetenter Seite erwiesen worden. Schon S1ow.A1tt hat gezeigt. da.6 ein unbewo!Ster Wille ein Widerspruch in sicb selbst ist '). Auch steht es mit dem psychologiscben Tatbestande vollig im Widerspruch , den in der Bewegung titigen Willensakt zu isolieren; .denn die Bewegungsimpulse treten ja uicht ge.sondert und selbstindig auf, sondern nnr ala Teile eines nmf.aasenderen Vorganges, sie sind von der Vorstellung des Erfolges und einer auf seine Verwirklicbung gerichteten inneren Bewegnng abhangig2)." Ferner li.13t die ZrrELMANN· ache Definition alle jene Willensakte unberiicksicbtigt, die nioht auf eine Korperbewegung, sondem auf die Herbeifiihnmg innerer Zustiinde gericbtet Bind und die sicb, psyc h o log i s c b betracbtet, vollig gleichartig erweisen jenen, die sicb a.uf korperlicbe Bewegung beziehen 3). Mit dem von ihm selbst auf psychologiseher Basis gescbaff@en Willensbegriile findet jedoch ZtTELMANN gerade fil:r die spezifiscb joristiscben Zwecke, die den Ansto6 zu seiner Bildnng gegeben haben, kein Ausle.ngen. Denn filr die juristiscbe Betracbtoog baben nicbt nur die k6rperliobe Bewegung , sondem andere anLlere Tatbestinde, die wobl durcb die k6rperliche Bewegong - aber aucb dorcb andere Ursachen - herbeigefiihrt werden konnen, ala gewoUt zn gelten. Wo also ein au.6eres G88cbeben 1 das keine eigene korperlicbe Be­ weguug ist, aber durcb eine solcbe berbeigefiihrt wird, ala Mittel zu einer Bediirfnisbefriedigung vorgestellt wird, da nimmt Zl'J'ELMANB oeben dem unmittelbaren und unbewut.lten Willen znr Korperbewegung einen mittelbaren bewuJSten Willen znm Erfolge an�). Diesen nennt er Absicht und definiert ihn ala einen ,,den unmittelbaren Willen in Wirksamkeit setzenden psychiscben Zustand, der in einem Trieb oder Streben nebst der VorsteUung bestebt , dal.l &08 einem dorcb die be­ stimmte k6rperlicbe Bewegung zu verorsacbenden .Erfolg die Auf heboog vorhandener Unlust folgen werde �)". ,,Absicht ist bewuJSter mittelbarer Wille" 6). Allein aucb dieser erweiterte Willeosbegriff kann den epezifisch juristiscben Bediirfn:issen nicht genilgeo, was ZtTELJiLnm keineswegs verborgen bleibl Denn ala Gegenstand des mittelbaren Willens erscbeint nor der­ jenige Zustand oder Vorgang, der, durcb die eigene Korperbewegong herbeigefiihrt, zur unmittelbaren Bedilrfnisbefriedigong geeignet scheint. Die zabJreichen anderen Folgeo, die durcb die Korperbeweguug hervor2) a. a. o. s. 188. l) a. a. 0. S. 1\1. 8) Slow.AM a. a. 0. 8. 138. 4J a. a. 0. s. 115. o) a. a. o. s. 125. 6) a. a. o. S. us.: 10•

De.r Willensbegritf Zit�lmann.s.

148

gerufen werden und die niobt zur unmittelbaren Bediirfnisbefriedigung gereicben, bilden nicbt Inbalt dieses Willens. Nun erkliirt ZrrELMANN wobl alle hie zu dem gewollten Zwecke fiib:renden kausalen Zwieohen­ glieder - aJs Mittel zum Zwecke - fur mitgewollt. alien Ubrigen jedoob - also den kausalen Folgen des ala Zweck fungierenden Gliedes der kaueaJen Kelle - sprioht Zl'l'ELMANN den Charakter eines .Mittels Zllm Zwecke ab und erkUi.rt sie daber ala nicbt mitgewollt. Er sagt '): n Immer aber werden am der Folge, aus welcber die .A_uf­ bebung der Unlnst folgt , noch andere Folgen hervorgeben, die ich fiir die Erreiobung meines Zweckes entbehren konnte. Wenn icb nur daa Bewufltsein babe, da.6 meine Bandlung mittelbar oder un­ mittelbar die Aufbebung der Unlust zur Folge baben werde, daO sie aber aullerdem aocb von der Weren Folge F werde begleitet werden. so iat es offenbar widersinnig zu sagen, da6 ich iru priizisen Sinne des Wortes den Willen hatte, die Folge F herbeizufuhren; im Gegen­ teil, vielleioht perhorresziere ich diese sogar . . . Immer ist die Folge einer Handlung zwar gewdt, abe.r nicht gewollt, wenn sie mir weder Mittel noob Zweck iet , wenn weder direkt nocb durcb VermittJung einer weiteren Folge aus ibr die Aufhebnng einer Unlust in mir er­ wartet wird.'' Nun iat hier Z� zunachat vorzuwerfen, da6 er den Begriff des Willens zu eng fa.6t Es ist fiir die psycbologiscbe Betrachtung ganz gleicbgiiltig, ob der mit dem angeetrebten, gewollten Zwecke notwendig verbundene Vorgang vor oder oach dem als Zweck fungierenden Gliede der Kansalreibe liegt. Die Vorstellong seiner kawmlnotwendigen V erbindung mit dem Zweoke, das Bewu6t­ sein, da5 der Zweok niobt ohne diesen - viel1¢cbt perhorreszierten Vorgang zu realiaieren ist, macbt diesen. Vorgang m i t g e w o I It. Und da ist es dann irrelevant, ob er ale Ursache oder Wirkuog de!t Zweokes, ante oder post finem erfolgt. Da6 sein Begriff des ,, Willens zum Erfolge" ftir Etbik nnd Jnrisprudenz (d. h. aber nor fiir die Zwecke der Zurechnung) nicltt ausreioht, sieht ZrrELMANN aofort ein und betont , daB Etbik nnd Jnrisprudenz den blo6 bewuflten und den mittelbar gewolJten Erfolg gleichwertig bebandeln. ,,U nd mit Recht "' , bemerkt er, ,. denn_ wenn aucb zugegeben ist, dal3 m a n n i c h t sa.geo k a n n, j e ner Er f o l g s e i g e w o l l t, s o i s t e s doeh a n d e r e r s e i t s wa.h r , d a6 e r w e n1g s t e n a n i c ht n i c h t g e w o l l t i sl. .. " DieseArgumenta­ tion muB jedocb verworfen werden, denn sie bernbt auf einer Ver­ quickung der psychologisch-explikativen mit der ethisoh-normativen Metbodej fur die psycbologiscbe Betrachtung ist das Nicbt - Nicbt1) a. a. 0. S. 14!1.

Der Willeosbegriff' Zitehnanus.

149

woUen ein Nichts, iibeihaupt kein psychiscber .A.kt und absolut ungeeigne� eintm ilu6ern Zustand - resp. die Vorstellnng eines solchen - psychologiscb zu qualifiziueo. Nur insofeme von einer Norm ein Nicbtwollen, d. h. das Verhindem oder Unterlassen eines hestimmten Erfolges gefordert, als gesollt statuiert wird, kann das Nicbt-Nichtwollen eine Bedeutung haben, und zwar nicht die �ines snbjektiv-psychisc6en Vorganges, sondern einer objektiveo Normverletzuog. - Auf Grund dieser Argumeotierung kommt nun ZIJ"ELMANN zu einem abermals erweiterten Willensbegriff, der auch den blo6 vorausgesebenen Erfolg als gewollt erfa.6t, indem er erklart: ,,Der vorhergesahene, aber nicht erstrebte Erfolg, dessen Ursacbe ich gewollt babe, darf und mu6 als mitgewollt gelten" 1). So gelaogt ZrrELltA..�� zu der seltsamen Kon­ sequenz, da6 er etwas als gewollt be,zeicboet, was lediglich gewuBt ist und wo von einem Willen in seinem Sinne nicht mehI die Rede sein kano. Er selbst �at; da.6 es beziigHch des ,·on ihm friiher als m i t ­ g e w o 1 l t bezeicbnet.en Edolges einer Handhmg auf den Wi 11 e n gar nicbt ankomme, nacb ihm braucbe gar nicht gefragt z u werde.n, sondem nm nacb dem Bewuiltsein iiber den Erfolg z). Uod fiir die explikativ-psychologisobe mit normativ-ju.ristischen Gesiobtspnokten vermengende Methoae ZITE�Ns sind die folgeodeo Satze Uberaus cbarakteristisch 3): "Ein Erfolg wird dann voU zu g e r e c h n e t (sic!), wenn die See.le ihn als Erfolg, der eintreten wit-d, betrachtet, wenn also jener hinter einer kleineren oder gr66eren Reihe von Mitteln stehende Erfolg in ihrem Gesiohtsfelde ist, wenn sie v o r a u s siebt, wobin die Kan.saJreihe fiihreo werde. . . . .A.Ile Folgen, welcbe ein Beebtsakt nach positivem Recht hat, gelteo, wenn sie nicht ausdrucklicb dnrcb Parteibestimm1,1ng ansgescWossen sind1 als m i t gew o l l t, sobald sie our g e w u.6t sind, eventuell usw.... " Dentlich geht aus diesen Au.sfiibrongen der Konnex bervor , der zwischen dem ,,Zurechnen" eines Tatbestandes und dem im rechtlichen Sinne aJs ,,Gewollt"-Gelten desselben besteht, ein Zusammenhang, der so stark ist, da6 ein Tat­ bestand, der im psycbologischen Sinne offenkundig nicht gewollt, sondern bloO gewuOt ist, dennoch - sofern er zngerecbnet wird fiir den Bereicb des Recbtes als ,,gewoUt" bezeicbnet wird. Man 01116 blind sein , um nicht zn sehm, da6 bier ein selbstiindiger , spe­ zifiscb joristiscber, von aller Psychologie unabha.ngiger ,, Wille" vor­ liegt, dessen in der Sprache festgewurzelte Existenz, statt s.elbstandig zu deuten, ein irregefiihrtes Strebeo mit dem gleicbnamigen Begriffe der Psycbologie zn identifizieren bemiiht ist. Aus der Gleichstellung der Fa.lle des Gewollthabens und des l) a. a. 0. s. 161.

2) a. a. a. 0. S. 151.

SI a a. 0. S. 151.

t 50

Verqnicknng nonnativer und explikativer Betrachtnng.

I 01\ en GewuJ3thabens ergibt sich ftir Z1TE.LMANN ein 13egriff der A b ­ s i c b t I die das ganze Gebiet der Voraussicbt umfa.6t. Allein tatsii.cblicb ist dieser Begriff noch weiter ! Denn Zl'rELMAllt""N kann in Wahrbeit aogesiohts der Tatsacbe nicbt stebeo bleiben, da.6 Etbik und Juris� prudellz dem eigentlicb gewollten Erfolge oicbt nor den bloJS gewdten, sondem aucb den weder gewollten nocb gewu6ten Erfolg in vielen FiJlen gleich setzeo, nimlich dann, wenn der Erfolg - es ist bisher nor von dem Erfolg der eigenen K6rpe.rbewegung die Rede - zwar nicht vorhergeseben wurde, aber docb hatte vorbergesehen werden konnen und soll en. Da.6 in diesen Fallen von einem psycbischP.n Vorgaoge tiberhaupt keine Spur ist, bedarf keiner besonderen Betonung; bezeiohnet man solchen Erfolg als gewoUt, so hat der Terimnus Wille lii.ngst keine psychologische 13edeutung mehr und ist, vom Standpunkte der Psychologie aus, eine Fiktion. Dennocb hat ZITELKANJs nicbt gezogert, seinen p s yo h o l ogis c he n Willensbegriff aucb auf diesen Fall auszudebnen. Seite 52 sagt er: ,,AHe Fol gen . . . gelten als mitgewom, sobald sie our gewu13t sind, ev e n t u e l l ... b i t t e n g e w ul.lt e e i n miissen". Damit bat er den Standpnnkt und die Methode der Psyehologie bereits verlassen und ist mit dem cinen Fn1\ in daa Gebiet und die Methode der Ethik und Jnrisprndenz geatiegen. D i e s e s ist der wesentlicb erweiterten Begriff des Willens, den ZITELMANN als ,,indirekte {uneig1mtliobe) Absicbt" bezeichnet, im Gegensatze zu der oben cbarakterisierteo Absicbt, dem uuttelbaren Willen zum Erfolge. Die Definition, die eich als das.Ergebois dieser .psycbologisch­ juristischen" Untersucbung darstellt, entspricbt durebaus der ein­ gtlSOhlagenen Metbode: ,,A.bsicbt ist das bewuL\te Wollen oder wenigstens N i e h t-N i ch t w o l l e n eines Erfolges, s.ie. ist die Gesamtheit der psychi s c h e n P r o z e s se, welche die Folge der Handhmg zu einer zu r e ch e n b a r e n machen". Sie enthilt die Zumntung, das ,,Nicht­ nicbtwollen" als psychiscben Prozef.\ gelten zu !assen und filhrt die Zureebnung aol psycbiscbe Prozesse im Zurechouogssubjekt zurtick, obgleiob das ,,Niob�Niohtwollen" offenbar nur die Negation eines psycbischen Prozesses bedeutet. Fragt man sich, worauf eigentlicb die Gleiobstellung des ge­ woJlten mit dem blol.l vorhergesebenen und dem nicbt t'inmal vorbergesebenen {fabrlassigen) Erfolge durcb die Jurisprndenz beroht, jene Gleiohstelluog, die ZrmlMANN veranlaJ3te, aeinen urspriioglich auf die Verursacbung der Korperbewegung eingescbrinkten Willen� begriff zur direkten und soblieL\liob indirekten Absicbt auszudehnen, t) a. a. 0.

s. 153.

Bedeutung der Z111eclun111g im Willensbegriff Zitelmanns.

151

so ist die Antwort daraaf: die Z u r eoh n u n g. Die eigene Korper­ bewegung wird dem Menscben vom Rechle ebenso zuge.recbnet, wie der dnrcb sie herbeigefilbrte gewollte oder blo6 gewnl\te, ja, der nicbt einmal vohergesehene Erfolg. W eon in alien diesen Fallen der zu­ gerechnete Erfolg nach jnristiscber Terminologie als gewoUt bezeichnet wird, so kann dieser Begriff des Willens gewi.6 o.icht mebr den so be­ nannten psychischen Ak:t, ja, mit Riicksicbt auf die Zurechnnng des fahrlissigen Erfolges iiberhaupt keinen psychischen Akt bezeichneo, nnd jeder V ersuoh, den psychologischen Willensbegriff zu dem Um­ fange des jnristischen ausznrenken , muJ3 als methodischer Fehler erkannt werden. Solange ant.er Wille oder Absicht irgendein real­ psycbischer Vorgang verstanden wird, ist es unmoglicb, die Zurecbnung von diesem Willen abliangig zu maohen und darum ist es vollkommen verfehlt, wenn ZITELMA..NN 1) sagt: ,, . . . ob der Er!olg eioer Handluog zurechenbar ist, bestimmt das Vorhandensein der ,Absicht'", sofem er dabei den voo ibm gescbaffenen Begriff der indirekten und uneigent­ licben Absicbt irgeodeinen psychischen Vorgang beinhalten Ja..Llt. Der Zl.TELMANNsche Willensbegriff bezieht sich nnr auf die eigene Korperbewegung und den durch diese kausal berbeigeftibrten Erfolg. Allein die e.thisch-juristiscbe Betracbtung stellt nicbt nur den gewollten dem blo6 vorausgesebenen und dem fabrlassig nicht einmal vor­ ausgesebenen Erfolge gleich, aoweit dit'Jler Erfolg dnroh die eigene korperliche Bewegung verursaobt ist, aie atellt alle diese Er:folge auch jenem vo!Jkommen gleich, der durch andere Ursachen als die e.igene Korpe.rbewegting bewirkt , von dem Individnum aber - sei es vor­ bergeseben, sei es fabrlassig unvorhergesehen - nicbt verhindert wurde. DaJl .aucb ein aolcher Erfolg, nnr fiir den Fall, als er vorhe.rgesehen iet, unter Umatinden den Inbalt einer Vorstellnng bilden kann, die Gegenstand eines Wi l l ens ist, wurde bereits oben ausgefiibrt. Jeden­ falls aber - nnd auch das wurde here.its bemerkt - ist dieser Willensakt voru Standpnnkte de.r ethisoh-juristischen Be.tracbtung ftly die Zurecbnung nicht von Bedentung. Und die Zurechnung des Er­ folges findet auch bier ohne Riicksicht darauf statt, ob die ent­ aprechende Vorstellung des Erfolges gewollt war oder nicbt, ja, in den meisten Fallen b·otz des Mangels jedes psychiscben Aktes, der zu dem zugerecbneten ·Erfolg in irgendeine Beziebung gebracht werden konnte. Der Versucb, dieZurechnnng des niebt verbinderten, von anderen Ursaoben als der eigenen korpe.rlicben Bewegung bewirkten Erfolges bei Untetlassungen au£ den Willen oder iiberh.aupt einen psychiscben Akt zu begriinden, muJS in den meisten Fallen von vomherein daran II a. a. 0. S. 151.

162

Konsequenz eiues rein kansalen Willeusbegriffes.

scbeitern, da6 der spezifisch ethisch-jnristische Begriff der Unterlassung geradezn bedeutet, da6 etwas n i ch t getan und n i c b t gewollt wnrde, was batte getan , gewollt werdeo s o I) e n. In den Fiillen der Zu­ recbnung eines durch •eigene Korperbewegong bewirkten Etfolges mag ja der Trngscbluf3 nahe liegen, dafl zugerechnet wird, weil ehvas getan, also gewoJJt wn.rde, die Zurecbnung daber an den verursachen­ den Willen anknupfen miisse. In diesen Fallen mag man ve:rgessen konnen, da6 die Zurecbnung erlolgt , weil etwas nicbt getan oder getan resp. gewollt oder nicbt gewollt werden s o 11 t e , was getan resp. nicbt getan, gewollt resp. nicbt gewollt wurde. AJlein bei der normwidrigen Unterl.a.ssung zeigt sicb dentlich, da6 nicht der psycbisebe Wille das Etwas ist, an das die Znrecbnung anknilpft, und da01 wenn aucb bier das Zugereclmete als gewollt bezeicbnet wird, dieser ,., Wille" kein realer psycb.ischer Akt sein kann, sondern nur eine etbiscb­ juristiscbe Konstruktion. Dennocb sind solche Versuche , alles Zu­ gerechnete als p s y c b i s cl1 gewollt zu erfassen, gemacbt worden; aie alle beruhen auf der volligen Verkennuog des metbodisch grund­ legenden Untersclliedes zwiseben psychiscbem und elhiscb-jnristiscbem Willensbegriffe. Der Willensbegriff Zfl:ELMANSs ist ein kausaler. Der Wille ist bier als U rs a che erfa6t nnd zwar a.ls Ursacbe det· Bewegnng der motoriscben Netven und der durch diese Bewegung verursacbten Mu.skelkontraktion, der Korperbewegung. Ist Wille Ursache , dann muO gewoHt identiscb sein mit verorsacht 1 duroh den Willen v.er­ ursacbt, und dann baben - mit Biicksicbt anf die von ZIT.ELl1ANN hebauptete Unabhangigkeit des Willens vom BewuBtsein - alle Glieder der dnrch den Willen hervorgerufenen Kausalreibe als ge­ wollt, we.ii dnrcb den Willen verursacbt, zu ge)ten, gleicbgUltig1 ob sie vorbergesehen sind oder nicbt. Auch ist es, genau ge­ nommen, inkonseqnent, etwa nor das erste Glied der durcb den Willen hervorgerufenen Kawwreibe, also die unmittelbare Wirkung des Willens, die Innervation, als gewollt zu betracbten, wie dies ZrrEL­ MANN fur seinen Willensbegriff im engsten Sinne tut. Denn die erste Folge einer Ursacbe stebt zu dieser, vom kausalen Stand­ punkte aus betrachtet, prinzipiell im gleiohen Verhiltnisse wie die von der ersten Folge ve.rtl1'88cbte zweite Folge usw. Alie Glieder der kausalen Kette sind im gleicben Sinne Folgen der ersten Ursache, im gleichen Sinne von derselben Kausa verursacbt. Die nabere oder entfemtere Mitte)barkeit ist bier von nebensacblicber Bedeutnng. Da­ mm ist die unmittelbare Innervation vom Willen ebenso verursacbt, • wie die Korperbewegung, die ja nur das entfemte Glied einer bereits langen Kansalreihe ist, und ganz ebenso verursacht, wie ein noch so

Der Willeusbegrui Bi11di11gs.

153

entfemter, duroh die Korperbewegung verorsachter Erfolg. Fa6t man den Willen als Verursaohung, dann muti konseqnenterweise alles durch den Willen Verursaohte als gewoUt betrachtet werden. ZrrELYAX� und seine Schule baben diese Konsequenz bekanntlicb nicbt gezogen. Dies bat nnr BINDING- 1) ·getan. Auch er behauptet wie ZrrELlt:AN� - einen vom BewuL\tsein vollig losgelosten Willen, der in keiner V erbindung mit der VorsteUung zu denken sein soll, was filr die hetl'Sohende Psychologie eine Unmoglicbkeit bedeutet. Zur Kritik des Bn.'DING-scben Willensbegriff es, demzufolge alles durcb den Willen Verursachte aucb gewollt ist, sagt treffend RADBRUCB a. a. 0.: ,.Da er (Bn.-»lNG) in dem Banne des Irrtums steb4 der Begri(f der Willens­ scbuld verlange, da.6 jeglicber scbuldbaf t verursacbte Erfolg anch gewollt sei, mu6 er den a.llgemeinen Willensbegriff dnrcb eioen solchen ersetzen: welcber ibru auch den fahrlassig herbeigefilhrteo Erfolg als gewollt zn bezeichnen erlaubt. Da diese·r aber zu dem Willen in keioem engeren Verbiltnis steht, als der zufa.llig herbeigefiibrte ErfoJg, kann er auch dem letzteren die Bezeicbnu · ng des Gewolltseins nicbt vorentbalten·'. Da6 dieser Willensbegriff mit dem psyehologischen nichts mehr zu tun hat und sich, wie RADBRUCB treffend sagt: .r e s t l os auf j u r i s t i s c he E r wii.g u o g e n z-uril c kfiihr e n l i 0t '", ist auf den ersten Blick klar. Nichtsdestoweniger ist Br�"DTNG weit davco entfernt, seinen WiJlensbegriff als ju:ristiscbe Konstruktion zu erkennen, der eine durcbaus andere Bedeutnng zukommt. aJs rlem eine real-psychiscbe Tatsacbe beinbaltendeo Begriffe der Psycho­ logie. Vielmebr sucbt Bnmmo die Gehp.og seines Willensbegriffes auch fiir die Psycbologie zu erweisen 2). Diesen Versuch bat Sm-­ WART mit Entscbiedenheit zuriickgewiesen. Er sagt: ,.Der Versucb aber, alle recbtlicben Folge-n eines Tuns (oder gar Unterlasseos) ala Folgen eines wirklicben Wollens darzustellen, m u.6 der p s y c h o­ l o g i s c h e n Auff a ss u n g Gew a l t a n t u n. Denn von dem wirk­ lichen Erfolge riickwiirts gehend, geJangt man zunicbst nur zu der Bew8t:,aung nnd kann, wenn der Mensch ilberhaupt bei Sinnen war, vora11SSetzen, da0 diese gewollt war, weil die regelmlillige Ursache der Bewegnng der Willensimpuls ist; aber weiter zuriick reicbt der SchloU aus ihrem objektiven Erfolge nicht; denn w a s mit ihr gewollt ist, dariiber entscheidet nicht der wirkliche, sondem der vorgestellte Er­ folg; so gewil\ das Wollen des Zweckes 1ein rein p s y ch i s c b e r A k t i s t , so gewill kann iiber sein Wesen nicht die Erkenntnis de1· l) Die Yonneu und ihre Ubertret1lllg ll 1&77 S. 104-115. 21 Er stlltzt sich dt.bei auf Goll.Il\a (Tgl. dessen Schrilt: Uber dle 10enscb­ liche Freiheit und Zurech»ungalllbigkeit. 1876) und die Pbilosophie EnuARD v.

BA RT>I A.'l'NS.

Die ZWll ,.Willen" flihrende jorlstiscbe .Betrachtung.

J 54

iu6eren Wirkung filr siob, sondern nur die psyobologiscbe Betraobtung entscbeiden" 1). Und treffend sagt SIGWART von dem Widersprucb, in welqbem der von Juristen konstruierte in dem Begriff der:Verursacbung v6llig aufgehende, von der VorsteJlnng losgeloste Willensbegriff zu dem psycbologiscben "Begriffe des WoUens stebt: ,,Nim mt man a.us dem Begriffe des Wollens die Vorstellung dessen, was gewollt wird, beraus, und Uitlt nur das Moment der realen Kausalitit steben, so wird der p s y c b o l o g i s ohe B e g r i f f d e s Wi l l e n s z e r s t o r t und ein Abstraktum gescba.ffen, das in unserem BewuOtsein nirgends vorkommt" 2). Auch muU bemerkt werden, dlill das dorch den Willen Bewirkte psyobologisch ganz irrelevant ist Was in der Au6enwelt kansal vor sicb geht, interessiert die psycbologiscbe Betracbtung nicbt; der Wille der Psycbologie ist ein ganz und gar innerlicber Seelenvorgang. Es geht daber nicbt an, vom Willen in einem doppelten Sinne, sowobl a.ls Tat.Bache der lonenwelt, wie aucb ala Tatsacbe der AnBen­ welt zu sprecben :1) und unter dem letz.eren die Wirkungen des WilleM in der Korperwelt zu versteben; der WiJle ist keine Tatsache der Au&nwelt und seine Wirlmnge.o, soweit von solchen, streng ge­ nommen, gesprocben werden kann, diirfen mit ibm nicbt identifiziert werden. Der Weg, auf dem die J uristen zu diesem rein orsaoblicheo Willensbegriffe ge]angt sind, macht das mit der Psychologie so dis­ harmonierende Resultat wobl begreiflieb, obne es freilich zu reobt­ fertigen. Wenn man zunicbst nnr die Handlungen, das sind jene TatbesUiode ins Au�e fa!St, die in einer Korperbewegong oder deren Erf olg bestehen, und die der juristiscbe Spraobgebraucb als gewollt bezeiobnet, und wenn man nun die Kausalreih·e in der Ricbtung der Ursaobe verfolgt, gerat man scblie6licb zur Muskelkontraktion, dann zu der verursacbenden Nervenbeweguog und scblie6licb zu deren unmittelbaren psycbiscben Ursacbe. Diese unmittelbare, der Selbst­ beobaehtung gar nicbt Z1Jglingliehe Einwirkung der Psyche auf die motorischen Nerven bildet - wie die vom Innern des Menscbeo awi­ gebende psycbologiscbe Untersnchung lehrt - nur einen nioht isolier­ baren Teilakt des Willenavorganges. We:nn nun die Yon au6en an .das Subjekt herantretende juristisohe Betra.chtungsweise gerade diesen Teilakt herausgreift und ibn allein als den recbtlieh in Betra.cbt kommenden Willen erklart, so hat dies seinen Grund darin, dall die psycbologiscb allein ma.Ogebende Gesamterscheinung des Wollens dem spezifischen Zwecke der juristiscben Betracbtung - und das hei.lSt: der l)

a, a. 0. 8. 182.

21

ft. ft.

0. 8. 17i.

SI

So

8.A.oBBUCH

a.

8. (). �-

12'i.

Differens nrischen J)8ychologi8Cher und juristiacher Hethode.

1 55

Zurecbnung - in keiner Weise entspricbt. Allein es ist eine Selbst­ tiu.sehung und ein, methodiseher Fehler, d&.Bi was juristiseh als Wille in Betracht kommt, mit diesem psyohologiseh gar nicht isolierbaren Wtllen.simpuls zu identifizieren. Nor das irrtiimliche Streben , &ls Wille im juristischem Sinne einen real psychiseben Akt aufzuzeigen, bat m diesem kuriosen Resultate gefttbrt, dall &ls Wille im Recbts­ Binne ein psycbischer Akt bezeiohnet wird, der in dieser Form psychUMili - unm6gliob ist. Der 'Wille BINDINGS wie ZrrEUJA.1'"NS ist darum durohau.s kein psycbologiseber Begriff, sondem eine rein juristische Konstruktion. Und diese Konstruktion ist eine unzulangliche, denn sie entsprioht dem Zwecke nicht, dem sie ofiensichtlioh angepaL\t werden sollte: der Zurechnung. In demeelben Sinne nimlicb und aus demselben Grunde, &118 welchem der dolose wie der fahrJassig herbeigefiihrte Erfolg rechtlicb als gewollt gilt, mull aucb der ilberbaupt nicht kau.sal durch eigene Korperbewegung herbeigeftlhrte Erfolg - im Falle der norm­ widrigen U nt e rla s s u n g - a1s gewollt bezeichnet werden. Da ein solcber Tatbestand niobt &ls dorcb das Unterlassen kausal ht:rbei­ geffihrt gelten kann - eine korperliobe Bewegung· gar nicht vorliegt - kann er im Sinne des rein kausalen Willensbegriffes Z1TEU1ANNs und BINDINGS ilbel'haupt nicbt gewollt sein, obgleicb er - und da­ rin liegt die Ironie dieses ,,psychologiscben" Willensbegriffes - vom streng psycbologiscben Standpunkte aus unter gewissen Umstanden - die allerdings juristiscb nicbt in Betr:acbt kommen - wobl ge­ wollt, wenn aucb nicbt verursaobt sein ka.nn. Der Begriff der Ver­ orsacbung darf weder Jiir den psycbologischen , nocb aucb fur den joristischen Willensbegriff die alJgemeine Grundlage bilden. Die Erkenntnis, daL\ der psycbologische Willensbegriff vom juristiseben Spracbgebrauehe des Wortes Wille wesentlicb differiert und ein psycbisobes GewoUtsein des Tatbestandes nor in wenigen Fallen der Zureobnung angenommen werden kann , iat durch­ aus nicbt vereinzelt Mit groJem Nacbdrnck bat sobon SIGWART auf die Verscbiedenheit der psychologischeo von der juristiscben B&­ trachtung bingewiesen 1). Er betont, daD die Rechtsordnung die iulleren Tatbestinde mit Unrechtsfolgen verknilpft und von au6en an den Meuschen herantritt, diesen filr dasjenige, was er gstan oder unterlassen hat , nicbt darum verantwortlicb macht , weil er gerade dieses gewollt hat , sondem weil er, als willensfibiges Wesen, so ge­ bandelt oder unterlassen bat. Die Psycbologie dagegen, sagt SmwART 2), ,,bmeinschaft erkannte Gesamtwille dasjenige eein, was die Jnrisprudenz noter Staatswille verstebt? Die organiscbe Staatstheorie bat nicht gezogert, diese Frage zu bejaben. Der bedentendste Vertreter dieser Ricbtnng, Gn:R>-E J), bezeicbnet als ,,Substanz 14 des Staates den ,,allgemeinen Willen" 2), nacbdem er den Sta.at selbst ala eine Form menscblicber Oemeinscbaft erkl.iirt nnd die Realitiit dieser Gemeinscbaft auf den tatsacblioben geistigen Weebselbeziebnngen zwisoben den Individuen begriindet bat, oboe die der Mensch, ala {@o,, noJ.Lnxd,,, gar niobt denkbar ist ,,Der Mensch" - sagt GIERKE 3)- ,,k8nn gar kein SelbstbewnBtsein baben, ohne sicb glticbzeitig als Besonderheit und als Teil einer Allgemeinheit zu wissen. Sein W i 11 e empfangt lnbalt und Rich tung nnr znm Teile aus sicb selbst, zum anderen Teile wird er durcb anderen Willen bestimmt14 . In diesen Tatsaoben erblickt GrERKE das ,,Gemein­ bewuiltsein 14 nnd den ,,Gemeinwillen" der Gemeinschalt, deren Realitat nicbt angezweifelt werden kann. Es ist kfar, dall GlERKE mil seinem GemeinbewuJ3tsein, als dessen AnsfluO ibm das Recht erscheint �}, und mit seinem Gemeinwillen oder allgemeinen Willen e . der ibm Snb­ stanz des Staates ist nod den er mit dem Staatswillen identifiziert, die gleichen Tatsaeben iru Auge hat, weJcbe die Volkerpsyubologie als GesamtbewuL\tsein nnd Gesamtwillen einer geistigen G�meinscbaft erkennt �). Allein die Antwort, welobe die organische Staatstheorie au! die Frage nacb dem Wesen des Staatswillens gibt, derzufolge 11

I) Die Grmu1begri.ffe des Sta.atsrechtea Ulld die neuesten Staatsrechtstheorien. In: Zeitscb.rilt ftlr die gesamte Staatswissenschaft. SO. Bd. 1874. S. 294 ff. a. a. sot. 4) a. a. SI t. 2) a. a. S04. C,) Ahnlich wie Gu.BICE begrUndet scbon Fmoua Q.ie Einheit des Staatea a1s Organismus. Vgl. Die PetsiSnlichkeit des Staates iu: Zeitschrift fiir die ge­ geaamte Staatswissenschaft. 25. Bd. 1869. S. 29ft. lnsbesondere S. Si: "ln der Tat baben wir also in einem menscblichen Organismus leiblich lUld real nichta vor uns, a1s die menschlichen Individuen, '\li'elche seine Glieder 1,ind. Und doch berecbtigt t1ll6 das nicht, den Or ganismus, das Ganze zu ncgicren. D e n n d i e se 1.o d i v i d ne n fi nd e n un a b ha n g i g v o n i hrem i n d i v i d u e l le n Wi lle u e t was i n s i c h g e le gt, das U be r d a s E i nz e l w e s e n h i n a u sgeht on d illm d a s B ewu.Bt se i n gi b t, einem Ganzen zn d i e n e n." - Die besonderen eeeliidlen Weehselbeziehtmgen zwuchen deD Gliedem der Gemeiuschaft charakte­ :ri.aiert treffend RICJLU1D ScmDDT, Allgemeine Staa-tslehre (Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften, lII. A.bt. 1. .Bd.) L S. :228, a1s Hrundlage der vou der organ:iscben Staatstheorie behaopteten nGesamtpersl!nlichkei:t11 des Staates: ,,Der Nachweis eiuer Oesamtpel'80n kann nur mit Hille des Naehweises gefilbrt werden, daJS rule Glieder eiuea Oemeinwesens sich in einem eigenartigen seelisclten Zo­ stande befinden, der mit natilrlicher Notwendigke.it lh.neu 8ilmtlich gemeinsam 1st, wahrend er den AngebiSrigen fremder Staaten fehlt. Dies wird in der Tat von den Hsoptvertretern der Theorie behauptet. Sie schreiben dem Staat.svolke einen realeu lobendi�n Gesamtwillen• zu.Y

o. s.

s,

o. s.

o. s.

Der Staatswille ala Gesamtwille des Staatsvolkes.

l 65

derselbe ala eine massenpsycbiscbe Tatsacbe, ala ein gesellscbaftliohcr Gesamtwille zu ge1ten bat, ist mit Enfschicdenheit zu verwerfen. Deno die Gemeinschaft, fiir welcbe die Volkerpsyobologie die Existenz eines Gesamtwilleos bebauptet, ist nie und oimmer der Staat, ge­ oaner das Staa.tsvolk. Es ist eine geistige Qemeinschait, die nur in­ sofern bestebt, als durch tatsli.cblicbe geistige Wechselbeziebungen ein reales geiatiges Band gegehen ist, und keine blo6 rechtliche Ge­ meinschaft, die einen seeHschen Zusammenhang und Zusammenklang der Individoen nicbt zur wesentlicben Voraussetzung bat; ,- isl.2i, Ge sellscba.ft im (}egensa.tz zum S t a�t e 1 emeYo��cbologiscbe und soziolo_giscbe keiue .inristiscne Einhei� Die geistige \leme� ) innerbalb dereo sich ein Gesamtwille bildet, isl durcbaus nicbt an die willkiirlich4!11 Grenzt,n des Staatsgeoietes oder den rein an6erlicben Verband der das Staatsvolk bildenden Personen gebuoden. Die �istige _Gemeinscbaft. die.- im Sinne d�r _V..lilkerpsychologi� einen Gesamtwillen darstellt, wird nur durchjene Indiriduen gebiltlet, bei denen die geiatige Wecbselwirkung tatsa.cblicb gleicbe Willensricbtungen �- Kann solcbes_ ern.stlich von jenen Mensclien behagptet werden, �erhalb der Greiize"';'ines Staatsgebietes lebeo? Und wenn man das Staatsvolk ala den lnbegriff der Staats­ bilrger betrachtet, konnen die auOerbalb jedes ortlicben und geistigen Kontaktes mit den Staa.tsein,vobnem lebeoden auswartigen Staats­ bilrger dieser einen Gesamtwillen bildenden Gemeinschaft zugez.ablt werden, und solleo etwa die im innigsten Wecbselverkebre mit den inlaodiscbt?n StaatsbUrgern lebenden Angehorigeo fremder Sta.aten von dieser Gemeinscbaft ausgescblossen sein? Sollte wirklicb die geistige Gerueinschaft an den Staatsgrenzen anfboren oder mit der blo!Sen Tataa.cbe der rechtlicben Zugeborigkeit oboe Rilcksicbt auf jeden iooereo Zusammeobang gegebeo sein? Eioe geistige , soziale und nicbt reobtliche Gemeioscbaft greift ebenso Uber die Sto.atsgrenzen bioaus, wie sie sich 1nnerhalb derselben spalte� was mit dem einheit­ licbeo Staatswillen unvereinbar ist. F§....isL �� Staatnolk aJs eioe ein!D_Gesam!willen �roduzierende �tige �mein­ scbaft im Sinne der Volkerpsycbologie zu bezeichnen. Deon gerade vom volkerpsychologischen Standpunkte ans stellt sich dns Staats­ volk durchaus nicbt ala Einbeit dar; gesellscbafllicb ist es in zahl­ rwcbe geistige Gemeinscbaften zersplittert. In nationalen I reliJrl§jeo1 wi.ssenscbaftlicben Gemeinschl!_ften mag es zu eioem Gesamtwillen V kommen, oicbt aber i�m�flichen, im sta.atlicbeo Verbande. Das, was bier als einbeitlicber Wille eraoheint. das Gesetz und die auf demselben bernbeode Tatigkeit der Orgaoe, kano unmoglich ala Gesamtwille des Staa.tsvolkes gelten. Das von der )lehrbeit des

166

Vermeuguug sozio loitischer lllld juristiseher Betrachtung.

Pnrlamentes besohlossene und vom l\looarchen eanktionierte Gesetz ist Staatswille, ohne daB der Wille des f:taatsvolkes dabei iibcr­ haupt in Tatigkeit komru� ist StaatswilJe- aucb dann, wenn es nocb so seht gegea den sogenannten ,,_Vo)ks.willen N verstolll Dal3 die Mebrbeit der Parlamentarier nnd dcren Willensii.nBerung ideotiscb sei mit dem gesamten Staatsvolke und dessen WilJen, ist eine joristische Fiktion. die vom !->tandpunktc der Psychologie - und das ist in dieser Frage der der organischen Staatstheorie - nnbaJtbar ist. Oder glaubt rulln wirklicb, dall der lnbalt der zahlrcicben und komplizierten Gesetze, in denen der Wille des modernen Staates znm Ansdrucke kommt , in der gemeiosamen Willensriohton� aller Staatsbiirger ge­ legen sei, die doch von den Bestimmungen dieser Gesetze, ja hiiufii; selbst von deren allgemeinen Tendenz keine Vorstellung uaben? Solien diese - p sycbo l o gi s c h be t r a c h t e t - tatsiicl.1lich etwas gewo11t baben, was in ihrer Vorstellung iiberbanpt niehl gegeben war? Wenn es der Gesamtwille der Volkerpsycholo�e ist, auf d�ssen f?ewi6 oicht zu hezweifelnder Realitiit die organische Staatstheorie ihren Begriff �iner realen Gesamtversonlichkeit griindet, dann ist es gewi.6 nicht der Stant, dessen Personlichkeit diese Tbeorie als r e a l e bewiesen bat 1). 1hr metbodiscber Febler , der in der Vermengung 11 Anch 11111 rRealitat- unil zwl\r als 11nkorper l i c b e Realit!it wird der Staat l"On B£lvJ!R erfaOt, desseu Lehre vom Wesen des .B«htes und dessen, Methode znr GewinuUDg der juristisehen Grundbegrille, die er neue.stens in dem Y \ erke: Grundbegriffe des Recllte.s und lllilgriffe der Gesetzgebung, ]3erlin and Leipzig t !l t O, darst�t, z,1 dem Merkwttrdigsten geblSrt, du die juristische Literatlir aufzuwe.isen hat. BEKXKR geht von der Erkenntnis aus, daJl es neben den korper­ lichen - das ist: solchen D i ng en, die einen Raum ausfilllen - auch unktirper­ liche gibt, denen wir dennocb nicht "die reale Exist.e1u absprechen dUrfun: ·z. R. einem GoETBEschen Gedichte, Sinfonie von B'UTBov&N, W.a.oNEBscher Ope:r, Er­ iindung EDtson, e.iner wisse:nschaftlichen Hypothese." (a. a. 0. S. 16.) Bm."XEB verwahrt Sith dagegen, ilie&en Gtgensatz mit dem der ainnlich wahmebmbnren und nicbt wahrnebmbaren Dinge zusa:mmen[allen ?JU lassen nnd fiihrt als Bei.spiel die ,,Elel.'1li.zitlit.'- an, tlie sin 11lieh nicbt wabrnehmbar sei, der wir aber angeblicb ,,die Korperlichkeit nicht absprecbe.n mlSehten". Die unkBrperlicben Realilllten seien dagegen untcr Omstlinden wabrnehmbar! Schwerlich wird man B£KJCEJIS Unterschied begreifen konnen 11nd etwas, das 11·ahruehmbar ist, das also geselten, gebiirt, getastet oder gescbmeckt werden kann, aJs unkl!r p e r l i c b gelten lassenl Eine Sinfonie ist, wenn man damit et.was du.rcb die GeMrsempti.ndung Wahc­ n eh m b a r e s vc.rstebt, eine Aufeinanderfolge von TISnen, das sind Sebwingnngen von Luftteilohen, ein Vurgang, der keineswegs raumlos ist, well er nur im Raum vor sich geht, da er nicbts ala die Bewegung eiDes K!lrpers ist. Vemtebt man aber unter Sinfonie die To n e mpflnd u n g e n, dann kann von keiner Wabr­ uetunbarkeit mebr die Rede sein, denn diese s.i:od die Wahrnehmung aelbst. Es ist scltlechterdings tmbegreiflieh, weshalb die .EJektrizitat�, richtiger die eiu.zelnen nnter diesem Be.griffe z 11sammengefaflten Erseheinungen, kl!rperlich, aber nicht wahrnehmbar sein sollen, als ob man nooh keine elektrisehen F'unken gesehen,

Das Problem der Realitll.t.

167

soziologischer und juristiscber Betracbtuog bestebt, zeigt sich nirgeocls deutlicher, als gerade bier, wo sie eine zweifeJlos gesellschaftJicbe 'l'atsacbe, den Gesamtwillen, der Konstruktion eines Reohtsbegriffes, keinen elektrischen Schlag gespilrt batt.e. Der Be griff nElektrizitlt" aber ist nnkorperlich, gMS ebenso wie der Begriff ,,Sinfome"-. Auch die konkrete Bewegung Iles KISrpers A ist natilrlich &n sicb kein KISrperliclies, sonde.m der Zustand eines lCISrpen und bildet eben zusammen mit dessen llbrigen wahrnehmbaren Qualitlit�n seine KISrperlichkeit. BEKKER bat fU-r seine juristischen UntersuchUDgen so ziemlich den gefihr­ lichsten Ausgangspunkt gewahlt, den dal! menscliliche Denken ttberhaupt biet�t: da.s von der philosophischen Spekulation ooch bis heute nicht eindeutig geloste Pr o b l e m d e r R e a I i t ii. t. Nun kano es wohl keinem Theoretiker, auch eioem Juristen nicbt, verwehrt werden, seine Untersuchungen so tief als ml!glich zn fnndieren. Allein wenn B>:JCKJ:R sein gauzes w i s s e n s c h&ft l i ches System auf der Unterscheidung von kllrperlichen nnd unkllrperlichen R.ealitiiten grilndet, dann darf er bei Einfllhrung dieser llberaus sehwierigen Begrilfe die Resultate philosophischer Unte?Snehnngen nicht einCe.ch iguorieren; dann mull es blSchst bedenklich erscheinen, wenn sich BEKKER bei Oarstellung dieser Grundlagen selbst ansdtUcklich ,,anf die laienbafte und dl\ftlJll" - freilich keineswegs, wie B£IOO!I: meint - nnuch laienverstAutllicbe Betre.chtu»g der Oberfliiche" beschrll.nkt (a. a. O. 8. 17.) Des Eindruckes des Laienhaften kann man sich allerdings auch bei den weiteren Ergebnissen der BEKKERscllen Konstruktion nicht erwehren. Unter den Nichtk6rpern hebt B.&KJtE&, als fllr seine Untersuchungen von lnteresse, die sog. "Geiste11produkte· ·hervor und maeht nun auf einen eigenartigen Vorgang autmerksam, den er die ,, Verkorperung" dieses Geistesprodnktes nennt. Er ver11teht darnntu z. B. das Aussprechen eines Gedankens, das Vorlragen eines Ge­ dichtes, das bis.her our im Kopfe des Diebters best.anden bat, und Ahnliebes, wofii.r der vulgi\re, bildhafte Spre.chgebraucb sich der Bezeicbnnng n VerkorperungJ bedieut. Dieser Spre.cbgebrauch ist es aueh, anf dem BltllK&R die ,.reale Existenz· seiner unkoq)eflicheo Dioge griindet, so wenn er geltend macht, das Gedi.eht "lebt\ ,,bis der letzte Bl:lrer, von dem keine weitere Yitteilung ausgegangen, venstorben ist." Und ernstlich geht BEKXEll daran, die ,,Lebeosdauer" seiner unk!irperlichen .Realitiiten exakt zu bestimmeu: ,Biemach schreiben 'wir also Diogen, denen die rilumliche Existez abgebt, eine zeitliche Existenz zu; und legen diese zwischen zwei Vorgange, die sicb im Raum abspielen, von der erst.en Wahrnehmung seitens des Urhebers bis znm Uutergang der letzten Verkl:lrperung.'­ (a. a. 0. S. 23.) Seine geistigen Realitaten stattet 13.&KKBR mit einer entsprechen­ den Wlrksamkeit ans. In den geistigen lualitaten rube eine "lebendige Kraft.'' Beispiel: Die begeisternde Wirknug einer Lekttlre von '.GOETDBS Fan�t, - die Wirknng der Aulfilhrong einer Bt:ETtJOV.ENschen Si.:nfonie. - Ja BEKKP.& scheut aiob nieht, die Redensarten wiJr tlich zu uehmen, die metapborisch von eioem Willen sprechen: so z, B. ,.das Testament will". BEKK-ER sagt: ,.Kann 11.berhaupt i rgendwelche geistige Kruit in dem Korper stecken, der uns ala Prodnkt des Verk6rper11Dgaprozesses gegeni\bersteht, warum uicht auch Wille ( =Kraft, zn wollenl ?� U.uter cliesen Umstiuden steckt allerdiDgs in dem beschriebenen Blatt Papier, da9 WU' Testament nennen, ein Wille. Dann mi\ssen wir in den So»»en­ atrablen einen Willen vermuten, von deueu die Dichter sagen: sie wol le n , da.8 im Frtthling die Blllmlein sprielleo, und vielen anderen Dingen, von deneu die Sp r a c h e sagt: sie wollen. Eine neue Psychologie! Ja, BttKER u.ntezsucht

168

Die Realitilt des Stutes bei Bekker.

der Staatsperson, zu Grunde legt. Wenn ein bervorragender Ver­ treter der Gn:1tKE scben Richtung, PREUSS,. in einer monograpbiscben diesen Willen auch juri.stisch und fragt, ob die Menschen, die dem Eindro('k entsvrechend handeln, den sie von einer mit \Villenskraft begabteu Verkilrperung einer geistigen Realitlit empfangen, als ,,Organe" oder nStellvertreter� handelu. Bmun:a entscheidet inch filr das erstere! Und nun lltelle man sich vor: Jemand h!irt ein Lied, das seine Hllrer rilhren ,,will", und weint ,,Der in der geistigen Realitat liegende Wille wirkt auf die bierzu ebeuso durch ihre eigene �atnr v.ie durch die Lage der Utnstilnde geeigneteu lfenschen; handeln dies_e nnn dem empfangenen Eindrucke entsprechend, so handeln sie gewill nicbt als Vertrete­ der geistigen Bulitat, die ja selber nicht handeln kann, wohl aber als dereu dienende Organe, da sie ein Wollen, das wenigstens seinem Ursprunge nach nicht das ihre ist, iur Ansftihtung bringen." Han wei:nt also Ills Organ und 1dcl1t als Stellvertreter eines riihrenden Liedes! Wenn B.:KKER von dem Menscben spricht, der nnter dem Eindrnck eines in einer geistigen Realitat steckenden Willens bandelt. so denkt er nicht blo8 an die geistige Realitat Lied oder sonst ein kUnstlerisches Prodnkt, sonderu anch an: d i e S t a ats g e w al t. Und das ist nun freilich der Hllhepunkt seiner Theorie: Staat und Staatsgewalt ist dieselbe geistige �alit;at, wie ein Gedicht \"OD GoE"mE, eine Sinfonie von BEll!'BOVES. Dabei sind die den Staat bildenden Menschen im VerhiUtnis tum Staat , was der Dicbter im Verbliltnis zum Oedicht ist: die geiatigen F"rodnzenten eines geistigen Prodnktes. Das Staataorgan aber ent­ spricht dem - Deklamator. A. a. 0. S. Sa 56 hei6t es: ,.Auch bier (bei den Ver­ bilnden) gewl!hnt man sich, die Baudlnngen bestimmter Jndividuen nkht bald dieser, bald jener sondem wiederkebrend derselben, ale fl\r nnd wider den ganzen Ver­ band wirksam zu betrachten. Untl nun vollzieht sirh wieder der sehon oben ge­ zeichnete Wechsel der anf geistige Realitllten genchteten Anschanllllgt!D_, das Produkt triH an die Stelle des Prodnzt'nten, nicbt Jer Dicbter entztlckt tlllS, sonderu sein Oedicht, nicbt die kl!rperlich existierenden Verband&glieder bandeln, sonderu ,der Verband', der gewollte, an sinh 1mkorperliche Znsammenhang nnter diesen; das Tun der Verbandsorgane aber entspricbt dem .de$ Deklamators, S11ezialisiernng und Verkllrpernug des Verband8"rillens." Es ist sclLwei, dieser mit dem grl!6ten Emst vorgetragenen Theorie ernst :zu begegnen. In trivialen Hedensarten liegende Analogien sind bier die Sttitzen der Begrlftsbildung. Wie innerlich widersprucbsvoll dieses ganz.e auf Worte ge­ }>aute System ist, zeigt deutlicb der BE.KKEasche Organbegriff. S. 25 siud Organe die Menschen, die dem Eindrucke entsprechend handeln, den der in der geistigen Realltl\t liegende Wille auf eie maeht. Sie bringen fremdes Wollen zur Aus­ filhrung. Anf derselben Seite 2S wircl von einem Willen des Gesetz.es gesprochen, winl der Redeneart: ,.das Geset.z gebietet" die Ml!glichkeit eines wlSrtlichen Sinn eszn• gestanden. Es ist klar, daJl nach all dem die dR.S Gesell, respektive den im Geseu verkorpertAln imperativischen Staatawillen befolg-enden, ansflihrenden Meuschen, die Untertanen, Organe der geistigen Realitlt: Staat sein mtissen. - S. 36 er­ kl� B. als Verbandsorgane jene, welcbe den Verbandswillen v e r kllr pern. Die Untertanen - diejenigen, welche den anf ihr recbtmll6igea ''erhalten ge­ richteten Willen des Staates 1.usfubren - aind pll!tzlich die E rz e ug e r der geutigen Realit.it: Staat geworde11! Der Wert des BEXK11Bschen Orgnnbegriiles uigt eich am deutlichaten darin, di.JI so ziemlich a l l e s, w a s d i e S p r a c h e Organ neut - und das aiDd

Der Staatswille als Willeusa.kt von Staatsorganen.

169

Untersucbung des fraglicben Problems') sagt I vom Standpunkte der organischen Staatstheorie sei die Rechtssubjektivitiit der Gesamt­ person ilber der Recbts.c;ubjektivitlil der Gliedpersonen ,,lediglich der juristische Ausdruck filr die soziologiscbe Tatsacbe, daO sich aus individuellen Willenspartikeln die organische Einbeit eines Gemein­ willens gestaltet bat·, so kann dieser Febler nicbt deutlicber ein­ gestanden werden. Denn ein ,.juristischer Ausdruck" kann nnr der Ausdruck einer juristiscben Taisacbe sein; und der Ausdrnck einer soziologiscben Tatsaclie kann nie einen Rechtsbegriff darstellen . Und dieser Fehler ist durcbaus jenem analog, aer darin he.stebt, die Rechtspersonlichkeit des Individunms auf dem p s y c b i s c b e n.A.kte des Individualwillens a.uf:zubauen. Nun ware es vielleicht moglich, nm den Staatswillen als psychischen Akt nachzuweisen, ibn, wenn scbon nicht als GesnmtwiUen dllusch-juristischeo Welt nur die Willensakte der Gemeinscbnft" Allein der geislige Proze6 1 der sicb hei dieser ethisch-juristiscben Hetrnchtuog vollzieht, ist keine Abstraktion, kein W eglassen, sondern �erarle das Gegenteil: ein Hinzudenken einer Eigensohaft, d. b. die .Annahme einer Qualit.iit, die filr die auf das S e i e n d e gerichlete. sei es nun aus Seiendem abstrahierende oder dns Seiende differenziereode Belrnchtnng nicbt erkannt werden kann. Die als Eigenscbaft kon­ kreter , der Welt des Seins angehoriger und nor einer explika_tinn Erkenntois zuganglicber psycbischer Willensakle a.ufgefatlte Qualitiit, Staalswi1le zu sein, ist selbst keine Tatsacbe der psychischen oder physischen W�lt des Seios , sondern eine Konstruktion der auf das Sullen gericbteten etbiscb-juristischen Betrachtung. Wenn die Abstraktioo, wie JELLINEK a.usfiihrt1), im Gegensatze 1) a. a. 0. S. 30.

2) Mit JIIL.l.JlfBK ilbereinatimmend REJn1, A1lgeU1ei11e Staats!� 1Handbnch des ISffenUfoben Rechts. Einleil1111gsba.nd). Freibnrg 1899. S. 156: "Der Staat

Der Staatswille ala Fiktio11.

179

zur Fiktion lediglicb auf dem Gesobebeneo , also dem Sein beruht, dann ist nicbt einzusebeo, wie sie zn einem anderen Begriffe als eanem d& ex-plikativen Disziplinen fiibren kann, und, wenn die Ab· straktioo lediglicb von psycbischen Tatsaeben aUBgebt, wie man anf dcm Wege derselbeo zu einem andern als einem rein psycbologischen, etwa, wie JELLINEK andentet, zu einem spezifjscb ethiscb-jnristiscben Begriffe gelangen kann. Gerade bei JELI.CNEK, der in so vorbildlicber Weise den Gegensatz zwischen psycbologisch-soziologiscber und ethisch· juristiscber Methode gelebrt bat, mnfi eio solcbes Resnltat Wunder nebmen. Und es lliBt sich niobt leognen, daJ3 aueb de.r JELLIN.EKscbe StaatswiUensbegriff, wcnn er etwas anderes hedenten solJ als Wille eiozelner physiscber Personen, nach JELLINEKS eigener Definition, eine Fiktion ist, wenn auch vielleicht eine kraft irgendeioer Denk­ notwendigkeit vollzo�eoe Fiktion. Denn daO tler Wille einzeloer pbysischer Personen nicht etwa nur kraft Recbtsgebotes, sondern kraft der in der ethiscb-juristischen Betrachtung gelegenen Denknotwendig­ keit als \Ville einer eiobeitlicben jnristiscbeo Pel'Bon - des Staates - zu gelten bat, kann daran nichts andern, daL\ die Eigeosobaft, �taatswille zu st:in 1 keine Tatsacbe der physisch natiirlichen Welt in der nacb JELLlNEKS eigener Auffassung our die Willensakte der Iodivitluen vorli�en - sondern eine ,,ersonnene", d. b. im Sinne der JELLINF�sohen Definition eine Fiktiom ist 1). i11t von nuserem Standpunkte aus keine Fiktion, sondem eine Abstrakt.ion. Die Fiktion -rnht. anf Erfuodenem, die Abstraktion aof Gesehebenem. Hinter der }'iktion steht uioha real Ex.istierendes, die Abstraktion sieht nu1· real .Existierendes a1tders an, als es de-r Wirklicl,keit eotspricbt. Die Abstraktiou deutet. eioen 1mtlulicbe11 Tatbestand um, die Fiktio11 erfindet einen in der Natnr nicbt be­ grllndeten Tatbestaud." WRB Rllml dei· JBLLINHK.scben Unterscheidung hirumf'dgt, i�t allerdings uicbt ganz richtig. Man kann nicbt sageu, daJl die Abstraktiou etwas real Existierendes anders i,iebt, als es der Wirklicbkeit entapricht, indem sie es nmdeutet! Die Absuaktiou sieht steta nur Wirklicbes und nor so wie es dcr Wirklicbkeit entspricbt, 11ie sieht 11ur 11icbt die gallZe Wirklichkeit, betrncht.et unr einen Teil derselben, indem sie vun gewissen Eigenschafteu eines konllreteu Dinges absiebt und our die iibrigeu Eigeuschafteu, die es mit arulern gemeinsam hat, herausllebt, wie ja ouch die sinnliche Betra.chtung bluB einzelne Qualitaten einel! Dinges ins Auge fa.�sen kann. Das ist. jedoch durchans keine Umdeutung. Eine solcbe liegt allerdings vor, wellll man den psycbiscben Willen�akt gewisser Alenschen als den des StaAtes geltttn lli:Bt, eiu Jleaultat, das aber durch keine wie immer gea.rtete Abstraktion zu erreichen isti ! 1) RtCRAltD ScmcmT, Allgemeine Staatslehre. I. S. 220. fllhrt a11B, d11.8 es tiemlioh gleichgl\ltig sei, ob man die ideeUe Znsarumenf:h-sung der Vielheit zur Einheit., ruit Hilfe dere11 man zum Begriffe der Staat..-person aufsteigt, .nur all! eine von der Reclitswi.ssenscbaft fur ihre Zwecke vorgenommene ansab, die Per­ s6nlichkeit deii Staateis als eine solche, die clurch Fiktion der psychisch-natllrlieheu Einzelpemnlichkeit gleicbgestellt wird, wie die illtere Lebre - oder ob mau, wie 11 •

180

Fiktion nod Koustruktion.

Die Scheu vor der Fiktion, als einem nicht auf tatsa.cblichem Gescbeben bernhenden geistigeu Gebilde, muO eigentlicb in einer Dis­ ziplin nicht ganz selbstverstiiodlich erscbeinen, deren Aufgabe es gar nichtist,das tatsiiohliche Gesobeben geistig zu etfa.ssen. Ganz unbegreiflicb aber ist eine Polemik gegen die Fiktion, die mit Argnmenten operiert. wie solcben, da6 die persona ficta ein salt- und kraftloses G-espenst, ein Phantom sei, da11 kein eigenes Leben, keine Wirkung babe! 1) .Als ob das nicbt von alien Begriffen tiberhaupt gesagt werden kT im St:aatsorganismus a.ls Ganzem - und nicbt etwa in Einzelmenscben - folgenderma6en n.acbznweisen 2). Dafi jcder Sta.at Orgaoismus ist, setzt er voraus. ,,Innerbalb desselben ist aber in gewissen Organen die Vorstellung eines wiinscbenawerteo Erfolgea, d. i. bier das wirklicbe Randeln der Untert&nen nacb dem geplanteo Gesetz enengt worden. Weiter war in eben denselben ancb das Bewu.fitsein vorhanden, da.13 dieser Erfolg durch eine bestimmte Haodlung eines aoderen Organs (Publi­ k.ation des Gesetzes durch den Kaiser 3) ) verwirklioht werdeo konoe. Daraufhin ist nun von ibnen bewnllt eine Lage herbeigefiihrt worden, a.us der fiir dieses letztere der Anreiz, die Veranlassung zo J) a.. a. 0. $, 25. 2) a. IL. 0. S. 26. S) Als Typos dient i1un daa deutsehe Reich.

Die Analogie zw1SChen lndividualwillen und Staatswillen.

t 97

einem entspreebtinden aktiven Eingreifen in die AaOeowelt resultiert und erwachst". Deutlioh zeigt sich in dieser Argumentation, da6 Smnmm, an­ geblicb selbstandiger u:nd vom Individualwilleo verscbiedener Staals­ wille im Wege eiuer Analogie zu dem lodividualwillensakte entstanden ist. Diese Analogie weist aber gerade im wesentlichsten Ponkte eine grobe Differenz auf ! Den ersten Bestandteil des indi­ vidoaJ-psychisoben Willensaktes, die · VorsteUong des zur Befrie­ i digung fibrenden Mittels, findet SceMIDT beim staatlicben Organismus in den gewissen Vorstellungen bestimmter Organe. Diese Organe sind offenbar die gesetzgebenden Faktoren. Es soi nun dabin gestellt, ob .solcbe Vorstellungen tatsachlich ,vesentlicbe Bestandteile des Gesetz.. gebungsprozesses sein konnen, jedenfaUs iat diese in Vorstellungen nicbt in ia0erem VerhaJten bestebende ,,Organtiitigkeit" seb.r merk­ wttrdig. Sind diese Vorstellongen aber wirklicb Funktion von Staatsorgan� dann miisscn sie konsequent als 'fatigkeit des Staates erkannt werden. Man mi18te also · ebenso wie von eioem Staats­ willen, von einer .,Staatsvorstellang" sprechen; dabei waren diese Staatsvorstellungen etwas a.nderes als die sozialpsychiscbe Tatsache eines �meinbewul3tseins, denn Scmm>T bescbriinkt diese V or­ slellungen auf die sog. legislativen Organe. Allein es fallt ScRMIDT selbst nicht ein, den Staat als Subjekt dieser Vorstellungen gelteo zu lassen. Sondern er unterscbeidet ausdriicklicb 1) zwiscben diesen dem Staatswillen vorat1Sgehenden Bewu6tseinsvorgii.ngen, beziiglich deren der Staat aaf physische Menschen a.ngewiesen sei, und dem anfierbalb der lndividualpsycbe gelegenen faktischen Znsta.nd des ta.atswillens. Damit zerstort er aber seine eigene Analogie, deon er mutet einem za, fUr moglicb zu ha.lten, d-86 die Vorst"6llnng des ge­ eigneten Mittels zor Bediirlnisbefriedigung - welcben psycbiscben Akt er a1s wesentlich fiir den Willen e?Mbtet - in einem anderen Sahjekte sicb vollziehe als der von dies�r Vorstellung antrennbare Willensakt. Nor auf die vollkommenste Yerwirrnng aller , aucb der primitivsten methodiscben PriDZ1pien 1 die ganzliche Grenzverwiscbung zwisoben psycbologischer und juristiseber Betrachtungsweise ist es zuYiiokzu.fiihren, da6 ein derartiges wissenschaftliohes Kauderwelscb moglicb und. in der Literatur durebans nicbt selten ist. Den besonderen nioht in einem individnalpsychiscben Aktti ge­ legenen Willen des Staa.tes sieht nun ScmDDT in dem durob die Tatigkeit der ein Gesetz scbaffenden legislativen Faktoren berbei­ gefilbrten Zustand, darch welcben das Publikationsorgan zur Publi1) a.. a. 0. S. 48.

J 96

Die Analogie z.wjschen Individnalwillen nnd St:aatswillen.

kation dieses GeRetzes veranla.6t wird. Diese Einwirkung aof das · Publikationsorgan denkt sicb Scmm>T in Analogie zu jenem Akte, der sicb innerbalb eines menschJicben Individiums vollzieh� das einen aul fremdes V erbalten gericbteten Willen zu au.Gem beabsicbtigt und nno die Sprachwerkzeoge in Beweguog setzt, da es die gesprocheneo Worte des BPfehles als Mitt.el zur Herbei filhrong des gewoUteo Er­ folges vorstellt Wer in einem Befeble fremdes Verbalten will, will auch den Befebl aossprecben. Allein diese Analogie ist ebenfalls unzutreffend i denn der staatliobe Willen zur Poblikation und die entsprecbende Pflicbt der Staatsorgane, eintn sanktionierten Bescblu6 des Parlameotes zu publizieren, beruht nicht auf ebeo diesem Gesetze, das ja erst durch die Poblikation voo ei.nem bloBen Bescblusse zu einem Gesetze wird, erst nacb der Publikatioo - die ein formal weaentliober Bestandteil des Geaetzes ist - verbindlicbe Kraft hat, sondem auf jener Recbtsnorm, welcbe die Publikation der Gesetze vor­ schreibt, als Willen des Staates erkUirt, und weiter auf jenen Rechts­ aiitzen, welobe die Publikatioo von Gesetzen zur Pllicht bestimmter Organe macheo. Der in alien andem Rechtsslltzen ausgedriickte Wille des Staates ist nicbt aul Publikation, soudern auf ein aoderes Verhalteo des Staates gerichtet. ScHMID'1" li.6t allerdiogs - der berrscbenden Meioung folgend - den Staat das Verbalten der Untertaoen als Zweck (und die eigene Tatigkeit des Publizierens als Mittel) ,,wollen'\ und ist daber gentitigt die Analogie zu dem auf das Verbalt.en eioes andem gerichtete-o lmperativ des mensobliohen Individuums wohl oder Ubel durcb1.ufiihreo. Dabei kann sicb aber ScHMIDT oicbt ganz verbehleo, d� sein im Grunde genommeo kausaler Willensbegriff tjn Wollen fremden Verbaltens mit Rilcksicbt au£ die Freiheit des dem fremdeo Verbalten unroittelbar zo Gmnde liegenden Willens nicbt gut moglicb macbt. GewoHt ist ja naoh seiner eigeoen Definition our was durcb eineo eigeoeo korperlicben Akt kausal berbeigefiihrt ist, oder docb herbeifilbrbar gedacht wird. llier soll nicbt der inoere Widersprucb oaber untersucbt werden1 der dadurcb gescbatren wird, da6 8cmru:Yr in seiner Definition des Willens neben das ob­ jektive Kriterium des kansalen Berbeigefiibrtseins das snbjektive der Vorstellung eines moglicben Herbeifiibrens stellt 1st �wollt, was als berbeifilhrbar vorgestelit ist, oboe Rilcksicbt darauf, daO es wirk­ licb herbeigeffibrt wird - beziebt eicb der Wille auf eioe Vor­ steUnng nnd nicbt aof ein faktiscbes .Ereignis der AuOenw�lt, so ist damit uovereinbar, als gewollt zu betracbten, was tatsachlicb herbeigefiihrt wurde 1). Auch diese Definition Scmt:ml'S zeigt dessen t) Vgl. oben S. 111 ff.

Das Wollen fremder Verhalten11 bei Br. Schmidt.

199

vlSllige, geradezu naive Metbodenlosigkeit I Hier sei nur naber ins Au� gefaOt, wie SCHMIDT das Wollen fremden Verhaltens bei seinem kausalen Willensbegriffe mit der Willensfreiheit - an der er fest­ hilt - in Einklang zu bringen glaubl Er beginnt zunaobst mit dem nacbdriicklicben Hinweise 1) darauf, ,,dail jedes Wollen in erster Linie stets auf ein eigenes Siob-Verhalteo geh4 in weiterem Sinne auf das, wozu man hiedurcb den Ansto6 geben zn konnen meint. Daraus folgt, daO zwar jeder Mensch sofort und oboe weiteres alles das zn wollen vermag, was dorcb Naturkausalitat herbeigefiibrt werden kann, nicht dagegen fiir gewohnlieh das, was durch Handeln eines anderen Menscben erzielt werden soil, denn bier tritt ja die eigene freie Willensfahigkeit des letztern hemmend dazwischen. Soll daber trotzdem in dieser Weise ,,gewollt" werden konnen, so miissen besondere Umstiinde vorbanden sein, die den ,, Wollenden" zu der Annabme berecbtigen, dall jener andere seine an eicb lreie Entschlull­ wabl our in s e i n ero Sinne treffen werde". Nun sobeint es von vomherein fraglicb, ob es iibe.tbaupt Umslinde geben kan� die eineo, der an die Freiheit des Willens - im landliiufigen Sinne - glaubt, zur Annabme berechtigen, den Willen und dadnrcb das entsprecbende Verbalten eines andern im Wege der Naturkansalit.a.t herbeifiihren zn konnen. (Die originellste Konsequenz der Scmm>T'seben Willens­ definition ist, nebenbei bemerkt, die, dalO wobl ein Determinist niobt aber ein Jndeterminist fremdes Wollen nnd Randeln wollen kann1 da nur der erstere Wollen nnd Handeln fiir kansal gebnnden hilt und daber nor er das Verbalten eines andem kausal herbeifiibren zu konnen glanbtl) Die Annabme, da6 es solcbe Umstinde iiberhanpt gibt, wire nichts anderes ale die Aufgabe des vorangeatellten Prin­ zipes der Willensfreihcit! Was sind es nun aber fiir ,,besondere" Um­ Rtinde, die naoh $clll[Jl)Ts Ansicbt die MiJgliehkeit geben, den ,,freien" Willen eines andem kausal herbeizufiibren? Die Antwort ScmmYr's lautet: ,,Eine sotobe Erweiterung 1des gewobn lichen Umfanges der nat1lrlicben 2) Willens und Handlnngsfabigkeittritt nun aber vor allem dortein1 wo der Wotlende Organ ist". DieOrganqualitat soll es alsosei� die einem Menscben das Recht gibt, die Willensfreihcit, an die alle andem glanben milssen Zll1 negieren? Die Sinnloeigkeit einer eolaben Auffassung darzulegen enthebt einen ScHMIDT selbet, da er im nichsten Satze, der sicb ale Erklarung des ersten ausgibt, tatsacblich diesen vollkommen umst3Llt; er lautet: ,,Hier ist er (der Wotlende als Organ) in der Tat d e n i b m n n t e r ge:b e n e n O r g a n p e rso n e n 1) a. a. 0. S. 4S ff . 2 ) 8omw>T hebt iu der Allmerlumg mit Nachdruet henor, daB bier in keiner Weiae an die juriatische Willens- und HandJungt­ fihigkeit n dennn sei.

Staatsorgrui und Untertan.

200

gegeniiber za der obigen Annahme berecbtigt, kann den dazwiscben liegenden freien Willen de:r letzten als ganz eliminiert ansehen u . Nicht also als Organ kann man fremdes Handeln wollen, sondern da.s Handeln von Organspersonen kann von anderen gewollt sei?l I Das iat eine voll.kommen andere Bebauptong als die des ensten Satzes! Und dieser Behauptung kann .zweifellos ein Sinn abge­ wonnen werden. Der Wille des Organs kann dar11m als eliminiert betracbtet werden, weil seine Organhandlung niobt als eigeo� sondem ala die des Staates gilt, d. b. nicht dem Organe, sondern dem Staate zugerecbnet wird. Ala .,Wollend" kann aber der Organpersoo gegeniiber nicbt eine andere Organperson gedacbt werden - mii0te man docb bei dieser den gleicben Eliminierungsproze6 vornebmen sondern nu:r die Staatsptu·son ! Freilich kommt in diesem Sinne der Wille in seiner spezifiscb juristischeo, niobt psycbologiscben Be­ deutong in Anwendung; Sc.HllIDT akzeptiert wobl diesen ,,Eliroini­ ru.ngsprozei\", ist sicb jedocb des Wesens desselben nicht bewu!lt, das in der besondern Art der Zurechnung bestebt, die bier nicht beim korperlieb handelnden Individuum halt macht, sondern durch dasselbe hindnrch geht 1). Den n Willen" eliminieren beult nicbts anderes, als den ,,Z u re c b n un g s p u n k t" nicbt in das Individuum selbst, sondem auGerhaJb desselben aetzen. Die realpsychische Tatsacbe des Wollens Jafit sicb nicht ,,eliminieren". So zeigt sicb auch hier wieder ein typisches Beispiel fiir die unheill'olle Verqmokung juristischer und psycbologischer Begri-Ue I - Die Tat.sache, da6 Organbandluogen von einem fremden Willen gewollt werden k6nnen, ist, selbst wenn sie 8cmm>T bewiesen batte, keine Reebtfertj gn n� dafiir, da6 er den Staat da.s Verbalten aller Uotertanen wollen la6tl Da. hilft sich nun 8cmmYr einfAch dadurch, daB er in einer Anmerkuog 2) einfacb den Satz, da0 ein Organ nntergebenen Organspersoneo gegeoUber deren VerhaJten ,. wolleo" konne, folgendermailen erganzt: ,..Ta mehr noch sogar in Bezug auf samtliche Glieder des Organismus iiberbaupt (konne ein Organ fremdes Verbalten wolleo), insofem nii.mlieh anch diese die innerbalb seiner (des Organs) Kompetenz erlassenen Anorderungen stets respektieren und ftir ihre eigenen Willenaband­ lllDgen bestimmend sein !assen". Mit dieser Erganzung bat nun ScmmYr die zu erginzende Bebauptung ebenso umgewoden, wie er mit der letzteren jene aufgegeben ha� der aie zur Erklii.rnng dienen sollte. Man braucbt 8omrrD'r nur beim Worte, d. b. bei seinen eigenen W orten zu nehmen, um die vollige BaJtlosigkeit seiner letzten Bebanptung aufzuzeigen. WP.nn wirklicb das recbtmiiJ3ige Verbalten 1) Vgl. obeu 8. 184.

2) Anmerlrung 2. 8. «.

KoneequeJW der llethodenlosigkeit,.

201

der Untertanen vom Staat.e - deseen Willens- und Handlnngafihig­ keit Scmm>T mit der der Organe identifiziert 1) - ebenso gewollt werden kann wie das ala Staatsbandlnng geltende Verbalten der a - wenn wirklich der Wille der Untertanen dem Staate Orgne gegenilber als neliminiert" betracbtet werden soil - wo liegt dann der Unterschied zwiscben Ontertanen und Staatsorganen? Dann siod alle recbtmruligen Handlongen und Unterhssungen der Untertanen Stantsfunktionen, denn sie aind in gleicher Weise Inhalt eines Staats­ willens., dann sind alle Untertanen soweit sie die Gesetze befolgen, Staatsorgane, denn ibr eigener Wille, anf dem ibre Handlungen onge noch lange lebeo, - wo die Gesetzesform keinen anderen Zweck bat, als die besondere Feierlichkeit des Aktes zu dokumentieren? Wodurch unterscheidet sich dieser Wu n s ch der Gesetzgeber von dem verbindlichen W i II en dee Staates? Etwa cladurch, daO er keine imperativische Natur hat? Ja, aber das gerade iet zu zeigen, w a r u m er keine imperativiscbe Natur bat! \Venn BIERLINo 1) behauptet: ,, Wo aucb der einzeloe Rechtssat:z nicbt schon seiner unmittelbaren Gestaltuog nach, wie im jildischen und alteren romischen, in ,len nordiscben und altdeutschen Reohten, als Imperativ auftritt, da wird es deonuch niemals an einer Eingangs- oder Schlu� .formel maogeln, durcb welcbe dem fraglichen lnhalte der im-perativiscbe Cbarakter aufgepriigl wird." Es ist zu erw1dern, da8 eine derartige Formel, wie z. B. die der osterreichischen Gesetze: ,,Mit Zu­ stimmung etc. finde icb a.n z u o r d n e o wie folgt:" fiir die materielle Verbindlicbkeit - das ist aber der imperativische Charnkter - des Inba.ltes volJig gleichgiiltig ist, da sie einem du:rchaus unverbindlicben Geset:zesinba.lte in gleicber Wejse ,•oranstehen mu6 und nur ein Cbarakteristikum des Gesetzes im formellen Sinne, nicbt jenes im materiellen Sinne ist, dem allein der imperntivische Oharakter zu. kommt. Verbiodlichen Obarakler batten die Gesetze auf Grund ihres spezifischen Inbaltes auch dann, wenn flir ibre Form nach der Ver­ fa.ssung. keine eolche Publikationsklausel vorgeschrieben ware. Weon BIERLING dann fortfahrt: ,,Fehlt aber wurkJicb solche Formel vollig oder lliOt sicb der darunter geborige Inha.1t nur teilweise mit ibrem S in n e ,·e r e in i g e o , so ist dies stets ein Beweis dafiir1 da.O entweder gar kein Gesetz oder eine derartige Misohong von Satzung, Lebre, Er:2ahlung vorlie.gt , drul eine sachliche Scbeidnng nur nach Gesichts­ punkteo erfolgen kann, die man bereits a nderswober gewonnen hat,.: so mull entgegnet werdeo, da6 es eben darauf ankommt, das Kriterium festzustellen, wann und warum e10 Gesetusinbalt mit dem imperati­ vischen Sinne der Eingangsformel nicht vereinigt werdeo kann, und da6 der Gesichtspunkt, nacb dem das m a t e r i e l l e Gesetz von eioer blo1\ in Gesetzesform gebiillten ErzahJuog oder Lebre zu scbeiden is� stets und unter alien Umstanden anderswober a.ls von der Eiogangs­ formel zu nehmen ist, nie formaler, sondern stets our materieUer Natur . sein kann, d. h. aus dem In h a l t selbst hervorgebt: Das im Gesetze, sei es nun imperativisoh oder nicht imperativisch, bezeicbnete Verhalten J) Kritik der jnristischen

Grnndbegrift"e

U. 1883 S. 16.

Unm!lglicbkeit eines ,.Zwanges" gegen den Staat.

245

der Subjekte ist our dann Gegenstand einer Rechtspflioht und der beziigliche Gesetzesinbalt materiell-verbindlicher Nator1 wenn die Be­ ziebong zu einem Wollen and Handeln des Staates zu einer Unreohtsfolge, einer Sanktion gegeben· ist.

IX. Kapitel.

Der Reoht.ssatz im weiteren Si nne. (Der den Staat verpflichtende Rechtssatz.) Die bisberigen Ausflihrungen baben our den die Untertanen verpflichtenden R�htssatz beriicksicbtigt. Jene Theorie mm, welcbe den Rechtssatz ausnahmslos und in allen Fallen a.ls Ausdruck eines staatlichen Willens, unter gewissen Bedingungen zu strafen oder zu exequieren, oder, wie man sich ungenau ausdriickt, einen Zwang auszuliben, erkeooen will, derzufolge jede Rechtspflicbt flir ein Reohtssubjekt our in Bezug auf jenes Verbalten bestebt, bei desseo Nichteintritt die im Recbtssatze ausgesprochene Unrecbtsfolge verwirkt wird , - diese gemeinhin als ,,Zwangst-beorie" bezeichnete Anschannog muO sicb in ihrer engen Formnlierung tat&i.chlicb als unzulanglich erweisen, sobald sicb die .Recbtswissenscbaft das Postulat stellt, aucb den Staat als eio der Rechtsordnung nnterworfenes Snb­ jekt von Pflicbten und Rechten, d. h. als Person zu erfassen, nod man die Staatsperson den tibrigen Personen recbtlich koordiniert. Denn fiir den Sta.at kann die Unrecbtsfolge der Strafe oder Exekution als Kriterium der Rechtspflicbt nicbt in Betracbt kommen, da eio Zwang des Staates gegen sich selbs� in welcher Form immer1 '.sei es als physischer oder psycbischer Zwaog1 uoden .kbar ist. Dies setze einen zwiespaltigen Willen voraus, indem der St:aat auf der einen Seite als Subjekt des Rechtszwaoges, das ist als Trager des Straf- und Exekutionswillens - etwas beabsichtigte, was er als Subjekt der un­ erfiillt gelassenen Pflicht n i c h t wollte. Der Wille des Staates, der in der Recbtsordnung zum Ausdrucke kommt, sttinde in einem Widerspruche zu dem tatsaohlicben Verbalteo des Staates als Rflicbtsnbjekt. Dies ware aber gleicbbedeutend mit einer Spaltung des Staatswillens, auf