Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten: Ein praktischer Leitfaden 9783031378423

Neben der ergänzenden radiologischen Bildgebung ist die körperliche Untersuchung ein wesentliches diagnostisches Element

126 55 9MB

German Pages 212 [236] Year 2023

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten: Ein praktischer Leitfaden
 9783031378423

Table of contents :
Danksagungen
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Teil I Die Hand
1 Einführung in die Hand
1.1 Einige interessante und nützliche Fakten
2 Anatomie und Funktion der Hand
2.1 Knochen und Gelenke
2.1.1 Die Karpalknochen, Metakarpalknochen und Phalangen
2.1.1.1 Karpus
2.1.1.2 Skaphoid
Instabilitätsmuster
2.1.1.3 Lunatum
2.1.1.4 Trapezium
2.1.1.5 Metakarpus
2.1.1.6 Phalangen
2.1.1.7 Sesambeinknochen
2.1.2 Oberflächenanatomie
2.2 Muskeln und Sehnen
2.2.1 Extrinsische Muskeln
2.2.1.1 Beugemuskeln
2.2.2 Unterscheidung zwischen der Wirkung von FDP und FDS
2.2.2.1 Flexor digitorum profundus
2.2.2.2 Flexor digitorum superficialis
2.2.2.3 Extensormuskeln
2.2.3 Intrinsische Muskeln
2.2.4 Zusätzliche Anmerkung zum Testen der Opposition des Daumens
2.3 Nervenversorgung der Hand
2.3.1 Nervus medianus
2.3.2 Nervus ulnaris
2.3.3 Nervus radialis
2.4 Prüfung der motorischen Funktion der drei handversorgenden Nerven
2.4.1 Nervus medianus
2.4.2 Nevus ulnaris
2.4.3 Nervus radialis
2.5 Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests
2.5.1 Nervus medianus
2.5.2 Nervus ulnaris
2.5.2.1 Abduktion der Finger
2.5.2.2 Adduktion der Finger
2.5.2.3 Adduktion des Daumens
2.5.3 Nervus radialis
2.5.3.1 Extension des Handgelenks
2.5.3.2 Streckung der Finger
2.5.3.3 Streckung des Daumens
2.6 Prüfung der sensiblen Funktion der drei handversorgenden Nerven
2.6.1 Testen der Gefäßfunktion
3 Systematische Untersuchung der Hand
3.1 Inspektion
3.2 Bewegungsumfang
3.3 Motorische Kraft
3.3.1 Extrinsisch
3.3.2 Intrinsisch
3.4 Sensorischer Test
3.5 Arterielle Versorgung
3.5.1 Screening-Tests für die motorische und sensorische Funktion der Hand in weniger als 20 Sekunden
4 Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand
4.1 Neurologisch
4.1.1 Karpaltunnelsyndrom
4.1.2 Hinweis: Hohe gegenüber niedrige Läsionen des Nervus medianus
4.1.3 Kubitaltunnelsyndrom
4.1.4 Radialtunnelsyndrom
4.1.5 Ulnarklaue
4.1.5.1 Eine Erklärung der Deformität
Unterschied zwischen ausgeglichener und unausgeglichener Lähmung
Intrinsische Muskelfunktion
4.1.5.2 Erklärung der Klauenhand-Deformität
4.1.5.3 Zusammenfassung
Das Ulnar-Paradoxon
4.2 Tendinopathien
4.2.1 De-Quervain-Tenosynovitis
4.2.2 Laterale Epikondylitis (Tennisellenbogen)
4.2.3 Trigger-Daumen und Trigger-Finger
4.3 Deformitäten
4.3.1 Dupuytren-Kontraktur (Morbus Dupuytren)
4.3.2 Boutonniere-Deformität
4.3.3 Schwanenhals-Deformität
4.3.4 Hammerfinger
4.3.5 Instabilitäten
4.3.5.1 Skapholunäre Instabilität: Watson-Test
4.3.5.2 Ulnares Seitenband des Daumens (Gamekeeper’s Thumb)
4.4 Verschiedene Tests und Anzeichen
4.4.1 Bunnell-Test für intrinsische Straffheit
4.4.2 Schleiftest für OA am Daumengrundgelenk
4.4.3 „OK“-Zeichen (Nervus-interosseous-anterior-Syndrom)
4.4.4 „Benediction sign“
Teil II Das Handgelenk
5 Anatomie und Funktion des Handgelenks
5.1 Das distale Radioulnargelenk
5.2 Das Radiokarpalgelenk
5.3 Das Mittelhandgelenk
5.4 Griffstärke
5.4.1 Hinweis: Aknestis
6 Eine systematische Untersuchung des Handgelenks
6.1 Inspektion und Palpation
6.2 Bewegungsumfang
6.3 Testen der Motorleistung
6.3.1 Beteiligte Muskeln
6.4 Radiale Abweichung (Abduktion)
6.5 Ulnare Abweichung (Adduktion)
7 Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks
7.1 Instabilitäten – Klassifikation
7.2 A: Karpale Instabilitäten
7.3 B: Instabilität des distalen Radioulnargelenks
7.4 C: Längsinstabilität
7.4.1 Watson-Test (Skaphoid Shift)
7.5 Tendinopathien
7.5.1 A: De-Quervain-Tenosynovitis
7.5.1.1 *Finkelstein-Test
7.5.2 B: Intersektionssyndrom
7.5.3 C: Extensor-Tenosynovitis
7.5.4 D: Flexortendinitis
7.6 Osteoarthritis
7.7 Karpaltunnelsyndrom
7.7.1 Symptome
7.7.2 Physische Anzeichen
7.8 Störungen des triangulären Faser-Knorpel-Komplexes (TFCC)
7.9 Kienböck-Krankheit
Teil III Der Ellbogen
8 Anatomie und Funktion des Ellenbogens
9 Systematische Untersuchung des Ellenbogens und Unterarms
9.1 Inspektion und Palpation
9.2 Bewegungsumfang
9.2.1 Pronation vs. Supination
9.3 Testen der motorischen Leistung
9.3.1 Beteiligte Muskeln
9.4 Sensorischer Test
9.4.1 †Pronation vs. Supination
9.4.2 Trizepsfunktion – ein instruktiver Fall
9.4.2.1 *Exzentrische Kontraktion
9.4.2.2 #Antwort zur Trizepsfunktion
10 Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Ellenbogens
10.1 Laterale Epikondylitis (Tennisarm)
10.1.1 Symptome
10.1.2 Anzeichen
10.2 Mediale Epikondylitis (Golferarm)
10.2.1 Symptome
10.2.2 Zeichen
10.3 Läsionen des Nervus ulnaris
10.4 Arthritis
10.4.1 A: Entzündlich
10.4.1.1 Gicht und Pseudogicht
10.4.1.2 Rheumatoide Arthritis
10.4.2 B: Osteoarthritis
10.4.2.1 Anzeichen
10.5 Avulsion der distalen Bizepssehne
10.5.1 Symptome
10.5.2 Zeichen
10.6 Cubitus valgus und varus
10.6.1 Cubitus valgus
10.6.2 Cubitus varus
10.7 Verschiedenes
10.7.1 Olekranon-Bursitis
10.7.2 Osteochondritis dissecans
10.7.3 Freie Körper im Ellenbogen
Teil IV Die Schulter
11 Anatomie und Funktion der Schulter
11.1 Die Gelenke des Schultergürtels
11.1.1 A: Das Glenohumeralgelenk
11.1.2 B: Akromioklavikulargelenk
11.1.3 C: Sternoklavikulargelenk
11.1.4 D: Skapulothorakales Gelenk
11.2 Die Rotatorenmanschette
11.3 Schulterstabilität
11.3.1 Statische Stabilisatoren
11.3.2 Dynamische Stabilisatoren
12 Systematische Untersuchung der Schulter
12.1 Inspektion und Palpation
12.2 Bewegungsumfang
12.3 Motorische Kraft testen
12.3.1 Muskeln der Rotatorenmanschette
12.3.2 Infraspinatus (Außenrotator des Humerus)
12.3.3 Subskapularis (Innenrotator des Humerus)
12.3.4 Teres major (Schulteradduktion – begrenzte klinische Anwendung)
12.4 Muskeln, die an Schulterbewegungen beteiligt sind
12.4.1 Flexion
12.4.2 Extension
12.4.3 Abduktion
12.4.4 Adduktion
12.4.5 Außenrotation
12.4.6 Innenrotation
12.5 Sensorischer Test
13 Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Schulter
13.1 Hinweis: Checkliste
13.2 Rotatorenmanschettenläsionen
13.3 Glenohumerale Instabilität
13.4 Spezielle Tests
13.4.1 Vordere Instabilität
13.4.2 Hintere Instabilität
13.4.3 Untere Instabilität
13.4.4 Multidirektionale Instabilität
13.5 Labrumrisse
13.5.1 Bankart-Läsion
13.5.2 SLAP-Riss
13.5.3 Hintere Labrumrisse (reverse Bankart-Läsion)
13.5.4 O’Brien-Test
13.6 Bizepssehne
13.6.1 Tendinitis
13.6.2 Ruptur
13.6.3 Bizeps-Instabilität
13.6.3.1 Speed-Test
13.6.3.2 Yergason-Test
13.7 Impingement
13.8 Adhäsive Kapsulitis (Frozen Shoulder)
13.9 Akromioklavikulargelenk (ACG)
13.10 Sternoklavikulargelenk (SCG)
13.11 Neurologische Erkrankungen
13.11.1 A: Läsionen des hinteren Astes des Nervus axillaris
13.11.2 B: Supraklavikuläre Nervenverletzung (nur sensorisch)
13.12 Scapula alata
13.13 Checkliste für die Untersuchung der Schulter
Anhang
Referenzen

Citation preview

Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten Ein praktischer Leitfaden Roger Pillemer

123

Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten

Roger Pillemer

Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten Ein praktischer Leitfaden

Roger Pillemer Sydney, NSW, Australia ISBN 978-3-031-37842-3  (eBook) ISBN 978-3-031-37841-6 https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Buch ist eine Übersetzung des Originals in Englisch „Handbook of Upper Extremity Examination“ von Pillemer, Roger, publiziert durch Springer Nature Switzerland AG im Jahr 2022. Die Übersetzung erfolgte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (maschinelle Übersetzung). Eine anschließende Überarbeitung im Satzbetrieb erfolgte vor allem in inhaltlicher Hinsicht, so dass sich das Buch stilistisch anders lesen wird als eine herkömmliche Übersetzung. Springer Nature arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Werkzeugen für die Produktion von Büchern und an den damit verbundenen Technologien zur Unterstützung der Autoren. Übersetzung der englischen Ausgabe: „Handbook of Upper Extremity Examination“ von Roger Pillemer, © The Editor(s) (if applicable) and The Author(s), under exclusive license to Springer Nature Switzerland AG 2022. Veröffentlicht durch Springer International Publishing. Alle Rechte vorbehalten. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Kristopher Spring Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Nature Switzerland AG und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Gewerbestrasse 11, 6330 Cham, Switzerland

Meiner Familie

Danksagungen

Besonderer Dank geht an Dr. Brian Noll, Orthopäde, Kollege und Freund, für seine Ratschläge und Unterstützung bei all meinen Unternehmungen in den letzten 20 Jahren, einschließlich seines bedeutenden Beitrags zu diesem Buch. An Dr. Jerry Jersky, Freund und Mentor, für Ermutigung und Anleitung seit meinen ersten Tagen als Praktikant und bis heute. Vielen Dank auch an Prof. David Sonnabend, Dr. Hari Kapila, Dr. Doron Sher und Dr. David Crocker für das Lesen ihrer speziellen Interessengebiete im Buch und für viele hilfreiche Vorschläge. Alle Fehler sind meine eigenen. Und an Ruth Hadfield für ihre enorme Hilfe und Beratung bei der Vorbereitung dieses Buches. Ganz besonderer Dank an meine Frau Margie für ihre Liebe, Freundschaft und Toleranz seit fast 50 Jahren.

VII

Einleitung

Eines der Hauptziele dieses Buches ist es, die Bedeutung der körperlichen Untersuchung in der medizinischen Praxis zu betonen, eine Fähigkeit, die meiner Meinung nach durch das Aufkommen hochentwickelter Untersuchungsmethoden zunehmend verlorengeht. Als ich das Medizinstudium besuchte, hatte fast jeder Student eine Kopie von Hamilton Baileys Physical Signs in Clinical Surgery, erstmals veröffentlicht im Jahr 1927 und nun in seiner 19. Auflage. Ich kann mir keine bessere Einführung in mein Buch vorstellen als einen Auszug aus dem Vorwort dieser ersten Ausgabe, der besagt: Es gibt eine wachsende Tendenz, sich auf Labor- und andere Hilfsberichte für eine Diagnose zu verlassen. Ein ehemaliger Chef … stellte sich gerne den modernen Absolventen der Medizin vor, der bei einem dringenden Anruf zum Haus des Patienten fuhr, gefolgt von einem Pantechnicon, das eine voll ausgestattete Röntgenanlage und ein Labor mit einer Belegschaft von Assistenten enthielt. Ohne diese Hilfsmittel wäre der zukünftige Arzt nicht in der Lage, eine Diagnose zu formulieren. Die Anamnese und die körperlichen Untersuchungsmethoden müssen immer die Hauptkanäle bleiben, durch die eine Diagnose gestellt wird. Dr. Hamilton Bailey, 1927

Wie relevant ist das heute. Wir müssen dringend zu den Grundlagen der körperlichen Untersuchung und der Erhebung von IX

X

Einleitung

körperlichen Zeichen zurückkehren, wie es Hamilton Bailey vor über 90 Jahren vorgeschlagen hat. Ich habe jeden Teil des Buches in drei Abschnitte unterteilt: Abschnitt 1 • Die Anatomie und Funktion der Region, um die Tests zu erläutern, die wir bei der Untersuchung dieser Region durchführen Abschnitt 2 • Eine systematische Untersuchung, die in jedem Fall durchgeführt wird Abschnitt 3 • Eine Untersuchung für spezifische Zustände in Bezug auf die Region Obwohl dieses Buch hauptsächlich an Medizinstudenten, Praktikanten und Assistenzärzte gerichtet ist, könnte es auch für verwandte Berufe wie Krankenpflege, Ergotherapie und Physiotherapie sehr nützlich sein. Es ist zu hoffen, dass auch viele Fachleute interessante und nützliche Informationen in dem Buch finden. Auch hoffe ich, dass Ihnen das Lesen des Buches genauso viel Freude bereitet wie mir das Schreiben!

Inhaltsverzeichnis

Teil I  Die Hand 1

Einführung in die Hand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Einige interessante und nützliche Fakten. . . . . 4

2

Anatomie und Funktion der Hand. . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1 Knochen und Gelenke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.1 Die Karpalknochen, Metakarpalknochen und Phalangen. . . . . . 13 2.1.2 Oberflächenanatomie. . . . . . . . . . . . . 20 2.2 Muskeln und Sehnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2.1 Extrinsische Muskeln. . . . . . . . . . . . . 24 2.2.2 Unterscheidung zwischen der Wirkung von FDP und FDS. . . . . . . . 28 2.2.3 Intrinsische Muskeln . . . . . . . . . . . . . 34 2.2.4 Zusätzliche Anmerkung zum Testen der Opposition des Daumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.3 Nervenversorgung der Hand . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.1 Nervus medianus. . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.2 Nervus ulnaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.3 Nervus radialis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.4 Prüfung der motorischen Funktion der drei handversorgenden Nerven . . . . . . . . . . . . 43 2.4.1 Nervus medianus. . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.4.2 Nevus ulnaris. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.4.3 Nervus radialis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 XI

XII

Inhaltsverzeichnis

2.5

2.6

Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Nervus medianus. . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Nervus ulnaris . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Nervus radialis. . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der sensiblen Funktion der drei handversorgenden Nerven. . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Testen der Gefäßfunktion. . . . . . . . . .

44 44 46 50 53 58

3

Systematische Untersuchung der Hand. . . . . . . . . . . 63 3.1 Inspektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.2 Bewegungsumfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.3 Motorische Kraft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.3.1 Extrinsisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.3.2 Intrinsisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.4 Sensorischer Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.5 Arterielle Versorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.5.1 Screening-Tests für die motorische und sensorische Funktion der Hand in weniger als 20 Sekunden. . . . . . . . . . . . . . . . . 73

4

Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.1 Neurologisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.1.1 Karpaltunnelsyndrom. . . . . . . . . . . . . 80 4.1.2 Hinweis: Hohe gegenüber niedrige Läsionen des Nervus medianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.1.3 Kubitaltunnelsyndrom. . . . . . . . . . . . 83 4.1.4 Radialtunnelsyndrom. . . . . . . . . . . . . 84 4.1.5 Ulnarklaue. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.2 Tendinopathien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.2.1 De-Quervain-Tenosynovitis. . . . . . . . 89 4.2.2 Laterale Epikondylitis (Tennisellenbogen). . . . . . . . . . . . . . . 89 4.2.3 Trigger-Daumen und TriggerFinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsverzeichnis

4.3 Deformitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Dupuytren-Kontraktur (Morbus Dupuytren). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Boutonniere-Deformität. . . . . . . . . . . 4.3.3 Schwanenhals-Deformität. . . . . . . . . 4.3.4 Hammerfinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Instabilitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Verschiedene Tests und Anzeichen . . . . . . . . . 4.4.1 Bunnell-Test für intrinsische Straffheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Schleiftest für OA am Daumengrundgelenk . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 „OK“-Zeichen (Nervusinterosseous-anterior-Syndrom). . . . . 4.4.4 „Benediction sign“. . . . . . . . . . . . . . .

XIII

91 91 92 92 93 95 98 98 99 100 102

Teil II  Das Handgelenk 5

Anatomie und Funktion des Handgelenks. . . . . . . . . 107 5.1 Das distale Radioulnargelenk. . . . . . . . . . . . . . 107 5.2 Das Radiokarpalgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5.3 Das Mittelhandgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.4 Griffstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.4.1 Hinweis: Aknestis . . . . . . . . . . . . . . . 111

6

Eine systematische Untersuchung des Handgelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.1 Inspektion und Palpation. . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.2 Bewegungsumfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.3 Testen der Motorleistung. . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.3.1 Beteiligte Muskeln. . . . . . . . . . . . . . . 119 6.4 Radiale Abweichung (Abduktion). . . . . . . . . . 120 6.5 Ulnare Abweichung (Adduktion). . . . . . . . . . . 120

7

Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7.1 Instabilitäten – Klassifikation . . . . . . . . . . . . . 121 7.2 A: Karpale Instabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

XIV

Inhaltsverzeichnis

7.3

B: Instabilität des distalen Radioulnargelenks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 C: Längsinstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Watson-Test (Skaphoid Shift) . . . . . . 7.5 Tendinopathien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 A: De-Quervain-Tenosynovitis . . . . . 7.5.2 B: Intersektionssyndrom . . . . . . . . . . 7.5.3 C: Extensor-Tenosynovitis. . . . . . . . . 7.5.4 D: Flexortendinitis. . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Osteoarthritis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Karpaltunnelsyndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7.1 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7.2 Physische Anzeichen. . . . . . . . . . . . . 7.8 Störungen des triangulären FaserKnorpel-Komplexes (TFCC). . . . . . . . . . . . . . 7.9 Kienböck-Krankheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124 124 125 126 126 128 128 129 129 131 132 133 134 135

Teil III  Der Ellbogen 8

Anatomie und Funktion des Ellenbogens. . . . . . . . . . 139

9

Systematische Untersuchung des Ellenbogens und Unterarms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 9.1 Inspektion und Palpation. . . . . . . . . . . . . . . . . 147 9.2 Bewegungsumfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 9.2.1 Pronation vs. Supination . . . . . . . . . . 151 9.3 Testen der motorischen Leistung. . . . . . . . . . . 152 9.3.1 Beteiligte Muskeln. . . . . . . . . . . . . . . 153 9.4 Sensorischer Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 9.4.1 †Pronation vs. Supination. . . . . . . . . . 155 9.4.2 Trizepsfunktion – ein instruktiver Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

10 Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Ellenbogens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 10.1 Laterale Epikondylitis (Tennisarm). . . . . . . . . 159 10.1.1 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 10.1.2 Anzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 10.2 Mediale Epikondylitis (Golferarm). . . . . . . . . 161

Inhaltsverzeichnis

10.2.1 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Zeichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Läsionen des Nervus ulnaris . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 A: Entzündlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 B: Osteoarthritis. . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Avulsion der distalen Bizepssehne. . . . . . . . . . 10.5.1 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Zeichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Cubitus valgus und varus. . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.1 Cubitus valgus. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.2 Cubitus varus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Verschiedenes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7.1 Olekranon-Bursitis. . . . . . . . . . . . . . . 10.7.2 Osteochondritis dissecans . . . . . . . . . 10.7.3 Freie Körper im Ellenbogen. . . . . . . .

XV

161 162 166 166 166 167 167 167 167 170 170 171 171 171 173 174

Teil IV  Die Schulter 11 Anatomie und Funktion der Schulter. . . . . . . . . . . . . 177 11.1 Die Gelenke des Schultergürtels . . . . . . . . . . . 177 11.1.1 A: Das Glenohumeralgelenk. . . . . . . 177 11.1.2 B: Akromioklavikulargelenk. . . . . . . 178 11.1.3 C: Sternoklavikulargelenk. . . . . . . . . 180 11.1.4 D: Skapulothorakales Gelenk . . . . . . 182 11.2 Die Rotatorenmanschette. . . . . . . . . . . . . . . . . 184 11.3 Schulterstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 11.3.1 Statische Stabilisatoren . . . . . . . . . . . 186 11.3.2 Dynamische Stabilisatoren. . . . . . . . . 186 12 Systematische Untersuchung der Schulter. . . . . . . . . 187 12.1 Inspektion und Palpation. . . . . . . . . . . . . . . . . 187 12.2 Bewegungsumfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 12.3 Motorische Kraft testen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 12.3.1 Muskeln der Rotatorenmanschette. . . . . . . . . . . . . 194 12.3.2 Infraspinatus (Außenrotator des Humerus). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

XVI

Inhaltsverzeichnis

12.4

12.5

12.3.3 Subskapularis (Innenrotator des Humerus). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.4 Teres major (Schulteradduktion – begrenzte klinische Anwendung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskeln, die an Schulterbewegungen beteiligt sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.1 Flexion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.2 Extension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.3 Abduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.4 Adduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.5 Außenrotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.6 Innenrotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sensorischer Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 197 199 199 199 200 200 200 200 200

13 Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Schulter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 13.1 Hinweis: Checkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 13.2 Rotatorenmanschettenläsionen . . . . . . . . . . . . 201 13.3 Glenohumerale Instabilität. . . . . . . . . . . . . . . . 203 13.4 Spezielle Tests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 13.4.1 Vordere Instabilität. . . . . . . . . . . . . . . 204 13.4.2 Hintere Instabilität. . . . . . . . . . . . . . . 206 13.4.3 Untere Instabilität. . . . . . . . . . . . . . . . 208 13.4.4 Multidirektionale Instabilität. . . . . . . 209 13.5 Labrumrisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 13.5.1 Bankart-Läsion. . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 13.5.2 SLAP-Riss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 13.5.3 Hintere Labrumrisse (reverse Bankart-Läsion). . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.5.4 O’Brien-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.6 Bizepssehne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 13.6.1 Tendinitis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 13.6.2 Ruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 13.6.3 Bizeps-Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . 214 13.7 Impingement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 13.8 Adhäsive Kapsulitis (Frozen Shoulder). . . . . . 217 13.9 Akromioklavikulargelenk (ACG) . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis

13.10 Sternoklavikulargelenk (SCG). . . . . . . . . . . . . 13.11 Neurologische Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . . 13.11.1 A: Läsionen des hinteren Astes des Nervus axillaris. . . . . . . . . . . . . . 13.11.2 B: Supraklavikuläre Nervenverletzung (nur sensorisch). . . . . . . . . . . 13.12 Scapula alata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.13 Checkliste für die Untersuchung der Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

219 220 220 221 222 224

Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Referenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Über den Autor

Roger Pillemer  OAM, MBBCH (Rand), FRCS (Ed), FRACS, FAOrthA ist ein orthopädischer Chirurg, der seine frühe Ausbildung in Südafrika und Großbritannien absolvierte. Er lebt jetzt in Australien. Er hatte schon immer eine Leidenschaft für das Unterrichten.

XIX

Teil I Die Hand

1

Einführung in die Hand

Die Schönheit in der Funktion der Hand liegt darin, dass sie über einen „Greifmechanismus verfügt, der große Kraft mit fein kontrollierter Genauigkeit verbindet und gleichzeitig als das wichtigste Tastorgan dient“.1 Die Hauptfunktion der restlichen oberen Extremität besteht einfach darin, die Hand dort zu platzieren, wo sie benötigt wird, um ihre Funktion auszuführen. Entfernt man den Daumen und die Finger auf Höhe der Metakarpophalangeal(MP)-Gelenke, verliert man 90% der Funktion der oberen Extremität.2 Abb. 1.1 hebt die Bedeutung der Funktion der Hand hervor und zeigt den Raum, der in den sensorischen und motorischen Kortizes des Gehirns für verschiedene Körperteile eingenommen wird. Es zeigt die relative Bedeutung der Hand, der Lippen und der Zunge.

1 Jack

Last: Lehrbuch der Anatomie, 3. Auflage, 1963.

2  AMA

Guides to the Evaluation of Permanent Impairment Fifth Edition, Seite 213.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_1

3

1  Einführung in die Hand

Zehen Genitalien

Ar m

Kop f Sch ulter

El le Un nbo ter ge ar n m

Fuß

er r a um Nac ken

Bein

Koff



fte

4

Ha

en

el

g nd

k nd

Ha

ine Kle Ring e tt Mi ex Ind en um Da

ge

Au

se

Na

ht

sic

Ge Zähne, Zahnfleisch und Kiefer

Zunge

Pharynx

Abb. 1.1  Die sensorischen und motorischen Kortizes des Gehirns für verschiedene Körperteile, welche die relative Bedeutung der Hand, der Lippen und der Zunge zeigen. (Creative Commons-Bild: OpenStax College derivative work: Popadius – Diese Datei wurde abgeleitet von: 1421 Sensory Homunculus.jpg: CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=88916983)

1.1 Einige interessante und nützliche Fakten • Der Daumen und alle Finger können sich beugen, strecken, adduzieren und abduzieren, wobei der Daumen die zusätzliche Funktion der Opposition hat. • Die Opposition des Daumens ist eine Kombination aus Rotation, Abduktion und Beugung.

1.1  Einige interessante und nützliche Fakten

5

Abb. 1.2  Die Ebene der Beugung und Streckung der Finger steht im rechten Winkel zu der des Daumens

• Die Ebene der Beugung und Streckung der Finger steht rechtwinklig zu der des Daumens. Sie können dies prüfen, indem Sie die Pulpa Ihres Daumens gegen die radiale Seite der Pulpa des Zeigefingers legen, neben dem Nagel (Abb. 1.2). • Der Daumen, der Zeige- und Mittelfinger sind wichtig für feine Bewegungen, während der Kraftgriff hauptsächlich von Ring- und kleinem Finger ausgeführt wird. • Wenn alle Finger gleichzeitig in die Handfläche gebeugt werden, so erfolgt dies in paralleler Weise (Abb. 1.3). Wenn jedoch jeder Finger einzeln gebeugt wird, werden Sie feststellen, dass alle Finger auf einen bestimmten Punkt im distalen Unterarm zusteuern (Abb. 1.4). Daher entwickeln die Finger beim gleichzeitigen Beugen eine Adduktionskraft. (Dies ist wichtig zu beachten, wenn die Funktion des Nervus ulnaris getestet wird – siehe Seite 42 „Adduktion der Finger“.) Nach einer Verletzung ist eine Rotation des Fingers oder der Finger ein Hinweis auf eine Operation.

6

1  Einführung in die Hand

Abb. 1.3  Wenn alle Finger gleichzeitig in die Handfläche gebeugt, so erfolgt dies in paralleler Weise

• Mit den Metakarpophalangeal(MP)- und Interphalangeal(IP)Gelenken in voller Beugung, wie beim Faustschließen sind sowohl der Zeige- als auch der kleine Finger in der Lage, sich unabhängig voneinander zu strecken (Abb. 1.5), was bei Mittel- und Ringfinger nicht möglich ist. Dies liegt daran, dass Zeige- und kleiner Finger unabhängige Extensoren haben, zusätzlich zum Extensor digitorum communis, der die Streckfunktion für alle Finger bereitstellt (Abb. 2.24, 2.25 und 2.26). Testen Sie dies an sich selbst. • Beachten Sie, dass sich die Sehne des Flexor digitorum profundus zum Zeigefinger im Unterarm trennt, während die Sehnen für die anderen drei Finger erst in der Handfläche getrennt werden. Dies erklärt die Fähigkeit, den Zeigefinger unabhängig zu beugen, während die anderen Finger nahezu vollständig gestreckt bleiben. • Der Flexor digitorum profundus und sublimis (extrinsische Muskeln) und ihre Sehnen sorgen hauptsächlich für die Kraft beim Greifen, während die kleinen Muskeln der Hand (intrinsische Muskeln) hauptsächlich die feinen und geschickten Bewegungen der Finger ermöglichen.

1.1  Einige interessante und nützliche Fakten

7

Abb. 1.4  Wird jeder Finger einzeln gebeugt, werden Sie feststellen, dass sich alle Finger auf einen bestimmten Punkt im distalen Unterarm hin beugen

• Beachten Sie, dass, wenn Sie etwas fest greifen, Ihr Handgelenk immer in die Streckung geht (Abb. 1.6). Wenn Sie nun Ihr Handgelenk beugen, während Sie weiterhin greifen, werden Sie feststellen, dass Ihr Griff nach und nach schwächer wird (Abb. 1.7). Die Streckung des Handgelenks erhöht die Länge und damit die Funktion der langen Beuger und entspannt die langen Streckmuskeln. Testen Sie dies an sich selbst. Wenn Ihre Hand entspannt ist, strecken Sie Ihr Handgelenk vollständig und beobachten Sie, wie Ihre Finger sich automatisch beugen, während Sie bei der Beugung des Handgelenks die Finger passiv strecken.

8

1  Einführung in die Hand

Abb. 1.5  Mit den MP- und Interphalangeal(IP)-Gelenken (IP) in voller Beugung wie beim Faustschließen sind sowohl der Zeige- als auch der kleine Finger in der Lage, sich unabhängig voneinander zu strecken

Abb. 1.6  Wenn Sie etwas fest greifen, geht Ihr Handgelenk in die Streckung

1.1  Einige interessante und nützliche Fakten

9

Abb. 1.7  Wenn Sie Ihr Handgelenk beugen, während Sie weiterhin greifen, schwächt sich Ihr Griff allmählich ab

• Es werden vier Arten von Pinzettengriff werden beschrieben (Abb. 1.8): – Schlüsselgriff (lateral): wie beim Benutzen eines Schlüssels (a) – Pinzettengriff: zum Aufnehmen oder Halten kleiner Objekte (b) – Zangengriff: wie beim Halten einer Büroklammer (c) – Dreipunktgriff: Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger gegenüberliegend (d) • Es werden vier Griffarten beschrieben (Abb. 1.9): – Kraftgriff: wie beim Benutzen eines Hammers (a) – Zylindrischer Griff: wie beim Halten eines Glases (b) – Hakengriff: wie beim Tragen eines Koffers (c) – Sphärischer Griff: wie beim Halten eines Balls (d)

1  Einführung in die Hand

10

a

b

c

d

Abb. 1.8  Vier Arten von Pinzettengriff: a Schlüsselgriff, b Pinzettengriff, c Zangengriff und d Dreipunktgriff

• Drei Nerven (N. medianus, N. ulnaris und N. radialis) versorgen die motorischen und sensorischen Funktionen der Hand. Es werden drei Tests für jeden Nerv beschrieben, die zur Überprüfung der motorischen Funktion verwendet werden.

1.1  Einige interessante und nützliche Fakten

a

b

c

d

11

Abb. 1.9  Vier Griffarten: a Kraftgriff, b zylindrischer Griff, c Hakengriff, d sphärischer Griff

2

Anatomie und Funktion der Hand

In diesem Abschnitt werden wir die Anatomie und Funktion der Strukturen, welche die Hand bilden, überarbeiten. Die Strukturen, die wir betrachten müssen, sind Knochen und Gelenke, Bänder, welche die Gelenke stabilisieren, Muskeln und Sehnen, die sie bewegen, Nerven, die alles funktionieren lassen, und die Blutversorgung der Hand.

2.1 Knochen und Gelenke 2.1.1 Die Karpalknochen, Metakarpalknochen und Phalangen 2.1.1.1 Karpus Es gibt acht karpale Knochen, die in zwei Reihen liegen (Abb. 2.1 zeigt die rechte Hand) [1]. Beginnend mit der distalen Reihe am Os hamatum (dem am weitesten medialen Knochen der distalen Reihe) und im Uhrzeigersinn  befinden sich folgende Knochen: Os hamatum (Hakenbein), Os capitatum (Kopfbein), Os trapezoideum (kleines Vieleckbein) und Os trapezium (großes Vieleckbein). In der proximalen Reihe sind es: Os scaphoideum (Kahnbein), Os lunatum (Mondbein), Os triquetrum (Dreieckbein) und Os pisiforme (Erbsenbein). Eine der wenigen Eselsbrücken, die Medizinstudenten lernen © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_2

13

2  Anatomie und Funktion der Hand

14

Handwurzelknochen: Hamate Kapitat Prisiform Triquetral

Handwurzelknochen: Trapezförmig Tapezium Skaphoid

Lunate

Ulna

Radius

Abb. 2.1  Skelett der rechten Hand mit den acht karpalen Knochen [1]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5104491511285) von Dellon [1])

und die in der Öffentlichkeit preisgegeben werden können ist folgende: „Hamlet Came To Town, Shouting Loudly To Polonius“

Die Palmarfläche des Karpus ist konkav, um den Durchgang der Beugesehnen und des Nervus medianus zu ermöglichen, während die dorsale Fläche leicht konvex ist. Das Skaphoid und

2.1  Knochen und Gelenke

15

das Lunatum der proximalen Reihe artikulieren mit dem distalen Radius, um das Handgelenk zu bilden. Ein Teil des Lunatum und des Triquetrum artikuliert mit dem dreieckigen Faserknorpelkomplex (TFCC), der bei der Stabilisierung des distalen Radioulnargelenks hilft (Abb. 2.2) [2]. • Die Knochen der distalen Reihe artikulieren mit den Basen der Metakarpalknochen. • Die karpalen Knochen werden alle durch sehr starke interkarpale Bänder zusammengehalten. • Beachten Sie die folgenden Unterscheidungsmerkmale der karpalen Knochen.

2.1.1.2 Skaphoid Dies ist der Knochen, der am häufigsten frakturiert, da er als Verbindung zwischen den proximalen und distalen Reihen des Karpus dient. Das Skaphoid artikuliert mit dem benachbarten Lunatum, mit welchem es durch das sehr starke Lig.

Kapsel

Triquetrum Lunate

Homologer Meniskus Distale Lamina

TFC Scheibe

Proximale Lamina Ulna

Radius

Abb. 2.2  Ein Teil des Lunatum und des Triquetrum artikuliert mit dem dreieckigen Faser-Knorpel-Komplex (TFCC), der bei der Stabilisierung des distalen Radioulnargelenks hilft [2]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5079691141351) von Current Radiology Reports: Springer Nature Simonet et al. [2])

16

2  Anatomie und Funktion der Hand

scapholunatum (SL-Band) verbunden ist. Ein Riss des SLBands führt zu einer Verbreiterung des Abstands zwischen den beiden Knochen – SL-Dissoziation (Abb. 2.3) – und kann, wenn er schwerwiegend ist, schließlich zum Zusammenbruch des Karpus (SLAC-Handgelenk – fortgeschrittener Kollaps des Lig. scapholunatum) führen (Abb. 2.4). Instabilitätsmuster Instabilitätsmuster werden in Teil 2 „Das Handgelenk“, S. 109 bis 113, ausführlicher besprochen. „Dorsal intercalated segment instability“ (DISI) • Häufigste Form der Karpalinstabilität • Sekundär zur Störung des Skapholunatligamentkomplexes • Das Lunatum ist in die Extension rotiert.

Abb. 2.3  Vollständiger Riss des Lig. scapholunatum zeigt eine Trennung von Skaphoid und Lunatum

2.1  Knochen und Gelenke

17

Abb. 2.4   Zusammenbruch des Karpus (SLAC-Handgelenk – fortgeschrittener Kollaps des Lig. scapholunatum)

„Volar intercalated segment instability“ (VISI) • Zweithäufigste Art der Karpalinstabilität • Sekundär zur Störung des Lunotriquetralbandkomplexes • Das Lunatum ist rotiert in die Flexion. Hinweis  PA-Ulnarabweichungs- und Fauststressansichten sind nützlich, um eine dynamische Skapholunatdiastase nach Handgelenkverletzung zu zeigen.

2.1.1.3 Lunatum Das Os lunatum (Mondbein) ist aufgrund seiner halbmondförmigen Form so benannt (Abb. 2.5). Beachten Sie, dass eine Linie, die durch das distale Radioulnargelenk gezogen wird, das Mondbein trifft. Dies ist hilfreich, um das Mondbein bei der Palpation zu lokalisieren (Abb. 2.12).

18

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.5  Das sichelförmige Os lunatum (Mondbein)

2.1.1.4 Trapezium Die distale gelenkige Oberfläche des Os trapezium ist sattelförmig, ebenso wie die proximale gelenkige Oberfläche des ersten (Daumen-)Metakarpals, was eine Bewegung des Daumens in allen drei Ebenen ermöglicht. Das erste Karpometakarpalgelenk (CMC-Gelenk) des Daumens entwickelt häufig eine Arthrose. 2.1.1.5 Metakarpus Es gibt fünf Metakarpalknochen. Der Metakarpalknochen des Daumens ist kürzer und dicker als die anderen und steht im rechten Winkel zu ihnen. Die Köpfe der Metakarpalknochen bilden die Fingerknöchel.

2.1  Knochen und Gelenke

19

2.1.1.6 Phalangen Jeder Finger hat drei Phalangen, während der Daumen nur zwei hat. 2.1.1.7 Sesambeinknochen Das Os pisiforme ist ein Sesambein in der Sehne des Musculus flexor carpi ulnaris. Es gibt zwei Sesambeine in Bezug auf den Kopf des Daumenmetakarpals, eines innerhalb der Sehne des Musculus flexor pollicis brevis und das andere in der Sehne des Musculus adductor pollicis. Eine zusätzliche, klinisch bedeutsame Anmerkung in Bezug auf Metakarpophalangealgelenke ist wie folgt: • Die Köpfe der Metakarpalknochen sind nockenförmig, so dass der Abstand vom Zentrum des Metakarpalkopfes zu seiner palmarartikulären Oberfläche länger ist als zur distalen Gelenkoberfläche (Abb. 2.6). • Daher sind die Kollateralbänder im gestreckten Zustand des MP-Gelenks relativ locker, während sie bei 90° Beugung aufgrund des Nockeneffekts straffen.

a

b

c

Abb. 2.6  Die Köpfe der Metakarpalknochen sind nockenförmig

20

2  Anatomie und Funktion der Hand

• Eine längere Ruhigstellung in der gestreckten Position kann zu Verkürzung und Kontraktur der Kollateralbänder führen. Die Ruhigstellung der MP-Gelenke sollte daher immer in Beugung erfolgen. • Diese MP-Gelenke (die „Knöchelgelenke“) liegen auf dem Bogen eines Kreises; daher divergieren die gestreckten Finger voneinander, und die gebeugten Finger drängen sich zusammen in die Handfläche.1

2.1.2 Oberflächenanatomie Es gibt mehrere wichtige Orientierungspunkte, die leicht ertastet werden können. • Das Tuberculum des Skaphoids ist leicht über die volare Seite des Handgelenks tastbar, überraschenderweise nur leicht zur radialen Seite der Mitte des Handgelenks etwas distal zur distalen Handgelenkfalte (Abb. 2.7). • Das Os pisiforme ist ebenfalls leicht tastbar, etwas distal zur distalen Handgelenkfalte, auf der ulnaren Seite des Handgelenks, innerhalb der Sehne des Musculus flexor carpi ulnaris (Abb. 2.8) • Legen Sie die Spitze Ihres Zeigefingers einer Hand in die Tabatière der gegenüberliegenden Hand (Abb. 2.9a). Bewegen Sie den Finger leicht distal, und Sie stoßen auf die Basis des Daumenmetakarpals (b). Bewegen Sie den Finger nun leicht proximal, um die Spitze des Processus styloideus radii (c) zu spüren. Lassen Sie nun die Hälfte der Spitze Ihres Fingers auf dem radialen Styloid ruhen, während die andere Hälfte in der Tabatière verbleibt. Wenn Sie das Handgelenk nun ulnar abwinkeln, werden Sie deutlich den Körper des Skaphoids gegen Ihren Zeigefinger stoßen spüren (d).

1 Jack

Last: Lehrbuch der Anatomie, 3. Auflage, 1963.

2.1  Knochen und Gelenke

21

Abb. 2.7  Das Tuberculum des Skaphoids ist leicht über die volare Seite des Handgelenks tastbar

Abb. 2.8  Tasten des Os pisiforme

22

2  Anatomie und Funktion der Hand

a

b

c

d

Abb. 2.9  Palpation des Daumenmetakarpals, Processus styloideus radii und Skaphoid. a Schnupftabakdose, b  Basis des Daumenmetakarpals, c Proc. styloideus radii und d Körper des Skaphoids

• Um das Dorsum der Basis des Skaphoids zu ertasten, schieben Sie Ihren Zeigefinger zwischen den zweiten und dritten Metakarpalknochen auf dem Handrücken nach unten, bis die Spitze Ihres Fingers in eine Vertiefung auf Höhe des Handgelenks fällt (Abb. 2.10). Beugen Sie nun das Handgelenk vollständig,

Abb. 2.10  Palpation des Dorsums der Basis des Skaphoids

2.2  Muskeln und Sehnen

23

Abb. 2.11  Palpation des Dorsums des Lunatum

wobei Sie erneut das Skaphoid gegen Ihren Finger stoßen spüren. • Um das Dorsum des Lunatum zu ertasten, schieben Sie Ihren Zeigefinger zwischen den vierten und fünften Metakarpalknochen nach unten, bis er in eine Vertiefung auf Höhe des Handgelenks fällt (Abb. 2.11). Beugen Sie erneut Ihr Handgelenk vollständig, so werden Sie die glatte, abgerundete Oberfläche des Lunatum leicht spüren, insbesondere bei vollständiger Beugung. Beachten Sie, dass das Lunatum in einer Linie mit dem distalen Radioulnargelenk liegt (Abb. 2.12).

2.2 Muskeln und Sehnen Es ist wichtig, zwischen zwei Muskelgruppen zu unterscheiden, die die Gelenke des Handgelenks und der Hand bewegen. Die erste Gruppe sind die extrinsischen Muskeln, die außerhalb der Hand entspringen und in die Hand einsetzen, nämlich die langen Beuger und Strecker des Handgelenks und der Finger. Diese Muskeln und Sehnen sorgen für die Kraft des Griffs. Die zweite Gruppe sind die intrinsischen Muskeln, die sowohl in der Hand entspringen als auch in der Hand einsetzen. Diese Muskeln und Sehnen sorgen vorwiegend für die feineren, geschickten Bewegungen der Finger.

24

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.12  Das Lunatum liegt in einer Linie mit dem distalen Radioulnargelenk

2.2.1 Extrinsische Muskeln 2.2.1.1 Beugemuskeln • Es gibt drei Beugemuskeln des Handgelenks, Flexor carpi radialis (FCR),Flexor carpi ulnaris (FCU) und  Palmaris longus (PL). • Es gibt zwei lange Beugemuskeln für jeden Finger und einen langen Beugemuskel für den Daumen, sodass neun Sehnen durch den Karpaltunnel mit dem Nervus medianus (Abb. 2.13) [3] verlaufen.

2.2  Muskeln und Sehnen

25

Komprimierter Nerv

Handwurzelband Medianusnerv

Karpaltunnelsyndrom Abb. 2.13  Die neun Beugersehnen und der Nervus medianus, die durch den Karpaltunnel verlaufen [3]. (Creative Commons-Bild: Blausen.comMitarbeiter (2014). Blausen Medical [3])

• Denken Sie daran, dass bei gemeinsamer Beugung aller Finger diese parallel nach unten kommen; wenn sie einzeln gebeugt werden, beugen sie sich auf einen bestimmten Punkt im distalen Unterarm zu. • Der tiefe Muskel des Unterarms ist der Flexor digitorum profundus (FDP) (Abb. 2.14). Jede Sehne setzt an der Basis der distalen Phalanx an, sodass bei Kontraktion des Muskels eine Beugung aller Fingergelenke einschließlich des DIP-Gelenks erfolgt, was dazu führt, dass die Finger in die Handfläche gebeugt werden. Beachten Sie, dass die MP-Gelenke passiv gebeugt werden.

26

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.14  Flexor digitorum profundus

Flexor digitorum profundus

Flexor pollicis longus

• Wie Sie feststellen werden, trennt sich beim Testen dieser Muskeln die Sehne zum Zeigefinger im Unterarm, während die drei medialen Sehnen zu Mittel-, Ring- und kleinem Finger erst in der Handfläche getrennt werden. • Daher haben diese drei medialen Sehnen keine unabhängige Funktion. Sie können dies an sich selbst testen: Versuchen Sie, Ihren mittleren Finger in die Handfläche zu beugen, während die anderen Finger vollständig gestreckt sind, und Sie werden feststellen, dass dies nicht möglich ist (Abb. 2.15). • Auf dem FDP liegt der Flexor digitorum superficialis (Abb. 2.16). Die Sehnen dieses Muskels setzen an der mittleren Phalanx jedes Fingers an und verursachen eine Beugung des PIP-Gelenks; diese Sehnen wirken alle unabhängig voneinander.

2.2  Muskeln und Sehnen

27

Abb. 2.15  Demonstration, dass die drei medialen Sehnen des Flexor digitorium profundus (FDP) keine unabhängige Funktion haben

Abb. 2.16  Flexor digitorum superficialis

Flexor digitorum superficialis

Flexor pollicis lungus

2  Anatomie und Funktion der Hand

28

• Abb. 2.17 zeigt, wie sich die Sehne des Musculus superfi­ cialis vor dem Einsetzen in die mittlere Phalanx aufteilt und der tiefen Beugesehne ermöglicht, durch die Lücke hindurchzugehen und an der Basis der distalen Phalanx anzusetzen.

2.2.2 Unterscheidung zwischen der Wirkung von FDP und FDS 2.2.2.1 Flexor digitorum profundus • Um den FDP zu testen, halten Sie die MP- und PIP-Gelenke in Streckung, um zu verhindern, dass der FDS den Finger beugt; beim Versuch der Beugung erfolgt die einzige Bewegung am DIP-Gelenk aufgrund der Wirkung des FDP (Abb. 2.18). • Dieser Test wird für jeden der Finger durchgeführt. • Für den Daumen können Sie den Flexor pollicis longus auf die gleiche Weise testen, indem Sie das MP-Gelenk des Daumens stabilisieren (Abb. 2.19). FDS-Sehne

FDP-Sehne

Abb. 2.17  Die Sehne des Musculus superficialis teilt sich, bevor sie in die mittlere Phalanx inseriert

2.2  Muskeln und Sehnen

29

Abb. 2.18  Testen des Flexor digitorum profundus

Abb. 2.19  Testen des Flexor pollicis longus

2.2.2.2 Flexor digitorum superficialis • Da die Sehnen des FDP keine eigenständige Funktion haben, wenn Sie drei der vier Finger in Extension halten, wird die Funktion des FDP eliminiert. Wenn Sie dann den ver-

30

2  Anatomie und Funktion der Hand

bleibenden Finger beugen, erfolgt die Beugung nur auf Höhe des PIP- und des MP-Gelenks, jedoch nicht des DIP-Gelenks (Abb. 2.20). Die Beugung des MP-Gelenks ist also passiv. • In dieser Position können Sie testen, wie locker das DIPGelenk ist, was darauf hindeutet, dass der FDP nicht wirkt. • Auch hier wird jeder Finger einzeln getestet. • Es ist nicht ungewöhnlich, dass der FDS des kleinen Fingers entweder fehlt oder nicht funktioniert – dies kann beidseitig oder einseitig sein. Dadurch kann es zur Verwirrung bei der Betrachtung von Verletzungen des kleinen Fingers kommen. Test: Probieren Sie es selbst aus!

2.2.2.3 Extensormuskeln Vielleicht haben Sie dieses Spiel als Kind gespielt, bei dem Sie einen Freund bitten, seine Hände wie in der Abbildung zu positionieren (Abb. 2.21). Sie werden feststellen, dass es in dieser Position einfach ist, die Daumen, Zeige- und kleinen Finger zu trennen, aber es ist nicht möglich, die Ringfinger zu trennen. Wenn Ihnen die Erklärung dafür noch nicht bekannt ist, wird sie im Folgenden gegeben!

Abb. 2.20  Testen des Flexor digitorum superficialis

2.2  Muskeln und Sehnen

31

Abb. 2.21  Kinderspiel

• Die Extensorsehnen des Handgelenks und der Hand befinden sich in sechs separaten dorsalen Fächern (Abb. 2.22) [4]. • Das erste dorsale Kompartiment ist klinisch am wichtigsten, da es an der häufigen Erkrankung der De-QuervainTenosynovitis beteiligt ist. In diesem Kompartiment befinden 6 Streckmuskelbereiche des Handgelenks ListerTuberkel

EPL

EIP

EDC

EDM

Dorsal Ulnar

ECRB ECRL

EPB

Radius

ECU Ulna

APL

Abb. 2.22  Extensorsehnen des Handgelenks und der Hand befinden sich in sechs separaten dorsalen Kompartimenten [4]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5084021381245) von Martin und Awan [4])

32

2  Anatomie und Funktion der Hand

sich die Sehnen des Musculus abductor pollicis longus (APL) und des Musculus extensor pollicis brevis (EPB). • Das dritte dorsale Kompartiment  enthält den Musculus extensor pollicis longus (EPL). • Wenn Sie Ihren Daumen überstrecken und Ihren Finger zwischen den Sehnen dieser beiden Fächer platzieren, befindet er sich in der anatomischen „Schnupftabakdose“ (Abb. 2.23). • Wichtig ist, dass alle Extensorsehnen unter dem Extensor­ retinakulum verlaufen; dies verhindert, dass sich die Sehnen beim Zusammenziehen der Muskeln „aufschnüren“. • Alle Extensorsehnen des Handgelenks und der Finger werden vom Nervus radialis versorgt. • EPL streckt das IP-Gelenk des Daumens und sekundär die MPund Karpometakarpalgelenke des Daumens (Abb. 2.24) [5]. • Die Sehnen des Musculus extensor digitorum communis zu den vier Fingern sind ebenfalls in dieser Abbildung dargestellt. Beachten Sie, dass alle diese Sehnen in variabler Weise durch „Vinculae“ miteinander verbunden sind, sodass die Sehnen nicht einzeln funktionieren können. • Wie in Abb. 2.25 in Blau dargestellt, gibt es zwei zusätzliche Extensoren: einen für den Zeigefinger (Extensor indicis) und einen für den kleinen Finger (Extensor digiti minimi). Diese

Abb. 2.23  Die anatomische „Schnupftabakdose“

2.2  Muskeln und Sehnen

33

Abb. 2.24  Extensor­ sehnen der Hand mit Extensor pollicis longus (roter Pfeil) [5]. (Nachdruck aus Gilroy [5] © 2008 mit Genehmigung)

zusätzlichen Extensoren ermöglichen es dem Zeige- und kleinen Finger, sich unabhängig voneinander zu strecken. • Daumen, Zeige- und kleiner Finger haben also alle eine unabhängige Extensorfunktion, nicht jedoch der Mittel- und Ringfinger. Wenn Sie alle Finger in Beugung halten, wie beim Faustschließen, können Sie Daumen, Zeige- und kleinen Finger unabhängig voneinander strecken, aber nicht den Mittel- oder Ringfinger (Abb. 2.26). • Daher rührt die Unfähigkeit, die Ringfinger im oben erwähnten Kinderspiel zu trennen! • Wir haben jetzt drei Extensorfunktionen, die wir testen können und die wir beim Testen der Funktion des Nervus radialis verwenden (siehe Seiten 40, 46 und 47).

34

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.25  Extensor indices und Extensor digiti minimi (in Blau dargestellt) [5]. (Nachdruck aus Gilroy [5] © 2008 mit Genehmigung)

– Streckung des Handgelenks – Streckung der Finger – Streckung des Daumens • Es ist erwähnenswert, dass bei einer Läsion des Nervus radialis oberhalb des Ellenbogens die Streckung des Handgelenks und der Finger verlorengeht, während bei einer isolierten Läsion des Nervus interosseus posterior (einem distalen Ast des Nervus radialis) die Streckung des Handgelenks erhalten bleibt.

2.2.3 Intrinsische Muskeln • Die intrinsischen Muskeln sind kleine Muskeln, die in der Hand entspringen und einsetzen (Abb. 2.27).

2.2  Muskeln und Sehnen

35

Abb. 2.26  Der Daumen, Zeigefinger und kleine Finger haben alle eine unabhängige Extensorfunktion

• Sie kontrollieren und erzeugen alle feinen Bewegungen der Hand. • Aus praktischer Sicht ist es nützlich, die intrinsischen Muskeln in drei Gruppen zu betrachten: – Thenarmuskeln, die den Daumen steuern – Hypothenarmuskeln, die den kleinen Finger steuern – Intermediäre Muskeln, welche die Finger abduzieren und adduzieren, die MP-Gelenke beugen, wenn die IP-Gelenke in Extension sind, und die IP-Gelenke strecken, wenn die MP-Gelenke in Flexion sind (Abb. 2.28) • Beachten Sie, dass die langen Extensoren nicht funktionieren können, wenn die MP-Gelenke in Flexion sind. Die einzige Möglichkeit, die Finger zu strecken, besteht darin, die intrinsischen Muskeln zu verwenden. • Ebenso können die langen Flexoren die MP-Gelenke nicht beugen, wenn die Finger vollständig gestreckt sind. Die MP-

36

a

2  Anatomie und Funktion der Hand

b

c

Abb. 2.27  a Thenar, b Hypothenar und c intermediäre  Muskeln

Gelenke können nur durch Verwendung der intrinsischen Muskeln gebeugt werden. (Behalten Sie die beiden oben genannten Punkte im Hinterkopf, wenn wir über die Deformität bei Lähmung des Nervus ulnaris sprechen – die ulnare Krallenhand – siehe Seite 76).

2.2  Muskeln und Sehnen

37

Abb. 2.28  MP-Gelenke gebeugt und IP-Gelenke gestreckt

• Alle intrinsischen Muskeln, die den Daumen bewegen, werden vom Nervus medianus versorgt, das heißt, Flexor pollicis brevis (FPB),Abductor pollicis brevis (APB) und der tiefe Muskel, Opponens pollicis (OP) (Abb. 2.29). • Es gibt eine wichtige Ausnahme, und das ist der Adductor pollicis, der vom Nervus ulnaris versorgt wird. Dieser Muskel entspringt aus zwei Köpfen und setzt an der Basis des Daumens an (Abb. 2.30) [5]. • Die einzigen anderen intrinsischen Muskeln, die vom Nervus medianus versorgt werden, sind die beiden lateralen Lumbricales. • Vielleicht erinnern Sie sich an das Mnemonik für intrinsische Muskeln, die vom Nervus medianus versorgt werden, aus Ihren Anatomie-Tagen, nämlich „LOAF“, wieder eine der wenigen Merkhilfen, die gemeinhin verwendet werden können. – Laterale Lumbricales – Opponens pollicis – Abductor pollicis brevis – Flexor pollicis brevis • Alle übrigen intrinsischen Muskeln werden vom Nervus ulnaris versorgt. • Es ist erwähnenswert, dass es *sieben Muskeln gibt, die den Zeigefinger bewegen – vier extrinsische und drei intrinsische. Versuchen Sie herauszufinden, welche das sind!

38

2  Anatomie und Funktion der Hand

Flexor pollicis brevis Opponens pollicis

Großer Schenkelhals

Abb. 2.29  Flexor pollicis brevis (FPB), Abductor pollicis brevis (APB) und der tiefe Muskel, Opponens pollicis (OP)

• Beachten Sie, dass der Nervus radialis keine der intrinsischen Muskeln versorgt. Wenn wir also die drei Tests für die motorische Funktion für jeden der drei Nerven, die die Hand versorgen, beschreiben, testen wir für den Nervus radialis die extrinsische motorische Leistung, während wir für den Nervus medianus und ulnaris die intrinsische motorische Leistung testen.

2.2  Muskeln und Sehnen

39

1. proximale Phalanx Querliegender Kopf Schräger Kopf

Adductor pollicis

Adductor pollicis brevis

Kapitell Trapezförmig Kahnbein

Abb. 2.30  Adductor pollicis [5]. (Nachdruck aus Gilroy [5] © 2008 mit Genehmigung)

2.2.4 Zusätzliche Anmerkung zum Testen der Opposition des Daumens • Es ist erwähnenswert, dass selbst wenn der Opponens pollicis nicht funktioniert, es immer noch möglich ist, die Spitze des

40

2  Anatomie und Funktion der Hand

Daumens zur Spitze eines der Finger mit Hilfe des Flexor pollicis longus zu bringen. • Sie werden jedoch feststellen, dass sich die Bewegungsebene des Daumens in den beiden Situationen deutlich unterscheidet. • Wenn der lange Flexor verwendet wird, in Abwesenheit des Opponens pollicis, ist die Bewegungsebene rechtwinklig zur Handfläche und den Fingern, wie beim Schlüssel-Pinzettengriff (Abb. 2.31a), anstatt in der gedrehten, abduzierten und gebeugten Ebene, die bei normaler Opposition erreicht wird (Abb. 2.31b). • Eine weitere Verwechslung könnte auftreten, wenn eine signifikante Osteoarthritis (OA) des karpometakarpalen Gelenks des Daumens die Opposition aufgrund von Gelenksteifigkeit verhindert, obwohl der Opponens pollicis normal funktioniert. *Die

sieben Muskeln, die den Zeigefinger bewegen:

• Vier extrinsische Muskeln: Flexor digitorum profundus, Flexor digitorum superficialis, Extensor communis und Extensor indicis • Drei intrinsische Muskeln: Interossei palmares und dorsales sowie der Lumbricales zum Zeigefinger

a

b

Abb. 2.31  Schlüsselgriff und normale Opposition. (a) Schlüsselgriff, (b) normale Opposition

2.3  Nervenversorgung der Hand

41

2.3 Nervenversorgung der Hand Die sensorischen und motorischen Funktionen der Hand werden von drei Nerven versorgt: Nervus medianus, ulnaris und radialis. Bevor wir die physiologische Grundlage für die Tests besprechen, die wir für diese Nerven durchführen, ist es sinnvoll, einige wichtige Aspekte ihrer Anatomie zu beachten.

2.3.1 Nervus medianus • Der Nervus medianus hat Anteile an allen fünf zervikalen Nervenwurzeln, d. h. C5, C6, C7, C8 und T1 – Die vom Nervus medianus versorgten Muskeln sind: • Pronator teres (PT) • Flexor carpi radialis (FCR) • Flexor digitorum superficialis (FDS) • Flexor digitorum profundus (FDP) für Zeige- und Mittelfinger • Flexor pollicis longus (FPL) • Pronator quadratus (PQ) • Vom Nervus medianus versorgte intrinsische Muskeln (LOAF) • Drei Tests für die intrinsische Motorik des Nervus medianus werden beschrieben. • Er versorgt die gesamte Handfläche mit Empfindung, mit Ausnahme der medialen Seite der Handfläche, des kleinen Fingers und der ulnaren Hälfte des Ringfingers, die vom Nervus ulnaris versorgt werden (Abb. 2.32). Der Nervus medianus versorgt auch die dorsale Seite der Finger von den Fingerspitzen proximal bis zu den PIP-Gelenken.

2.3.2 Nervus ulnaris • Der Nervus ulnaris hat Anteile von zwei zervikalen Nervenwur­ zeln, C8 und T1, und oft einen Ast vom lateralen Kabel (C6, 7).

2  Anatomie und Funktion der Hand

42

Medianusnerv

Nervus Ulnaris

Oberflächlicher Ast des Nervus radialis

Nervus Ulnaris

Abb. 2.32  Sensible Innervation der Hand. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

• Die vom Nervus ulnaris versorgten Muskeln sind: – Flexor carpi ulnaris (FCU) – Flexor digitorum profundus für Ring- und kleinen Finger – Alle intrinsischen Muskeln der Hand, mit Ausnahme derjenigen, die vom Nervus medianus versorgt werden. • Drei Tests für die intrinsische Motorik des Nervus ulnaris werden beschrieben. • Der Nervus ulnaris versorgt die Empfindung auf der medialen Seite der Hand, sowohl palmar- als auch dorsalseitig, sowie den kleinen Finger und die ulnare Hälfte des Ringfingers (Abb. 2.32).

2.3.3 Nervus radialis • Der nervus radialis hat Anteile von allen fünf zervikalen Nervenwurzeln, d. h. C5, C6, C7, C8 und T1. • Die vom Nervus radialis versorgten Muskeln sind:

2.4  Prüfung der Motorfunktion der drei …

43

– Extensor carpi radialis longus und brevis – Drei Muskeln aus dem gemeinsamen Extensorursprung – Extensor digitorum communis, Extensor carpi ulnaris und Extensor digiti minimi – Drei Daumenmuskeln – Abductor pollicis longus, Extensor pollicis brevis und Extensor pollicis longus – Extensor indicis • Der Nervus radialis versorgt die Empfindung auf der dorsalen Seite der Hand auf der radialen Seite und der dorsalen Seite der radialen drei Finger bis zu den DIP-Gelenken (Abb. 2.32).

2.4 Prüfung der motorischen Funktion der drei handversorgenden Nerven Es werden drei Tests für jeden der drei Nerven beschrieben. Wie bereits erwähnt, testen wir beim Nervus medianus und Nervus ulnaris die intrinsische motorische Funktion, während wir beim Nervus radialis die extrinsische motorische Funktion testen.

2.4.1 Nervus medianus 1. Abduktion des Daumens (Abductor pollicis brevis) 2. Opposition des Daumens (Opponens pollicis) 3. Überprüfung der Atrophie des Thenar

2.4.2 Nevus ulnaris 1. Abduktion der Finger (Interossei dorsales) 2. Adduktion der Finger (Interossei palmares) 3. Adduktion des Daumens (Froment-Zeichen – Adductor pollicis) Erinnern Sie sich an die Merkwörter: Dab = Interosseus dorsalis, Abduktion Pad = Interosseus palmaris, Adduktion

44

2  Anatomie und Funktion der Hand

2.4.3 Nervus radialis • Extension des Handgelenks (Extensor carpi radialis longus und brevis und Extensor carpi ulnaris) • Extension  der Finger (Extensor digitorum communis, Extensor indicis und Extensor digiti minimi) • Extension des Daumens (Extensor pollicis longus und brevis)

2.5 Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests 2.5.1 Nervus medianus • Abduktion des Daumens – bitten Sie den Patienten, die Hand in Supination zu legen und den Daumen gegen Widerstand zur Decke zu heben (Abb. 2.33). • Opposition des Daumens – bitten Sie den Patienten, die Spitze von Daumen und Zeigefinger zusammenzudrücken. Versuchen Sie, dies zu überwinden (Abb. 2.34). • Atrophie des Thenar – überprüfen Sie diese immer (Abb. 2.35).

Abb. 2.33  Abduktion des Daumens

2.5  Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests

45

Abb. 2.34  Opposition des Daumens

Abb. 2.35  Thenar

Anregung zum Nachdenken Bei einer schweren Läsion des Nervus medianus verliert man die Kraft der Daumenabduktion, wie in Punkt eins oben erwähnt. Warum kann dann die Daumenabduktion nicht durch den Abductor pollicis longus durchgeführt werden? (Siehe „Abduktion der Finger“ auf Seite 42; siehe auch Seite 47.)

46

2  Anatomie und Funktion der Hand

2.5.2 Nervus ulnaris 2.5.2.1 Abduktion der Finger • Bringen Sie den Patienten dazu, die Finger vollständig abzuspreizen und gegen Ihren Versuch, die Abduktion zu überwinden, Widerstand zu leisten (Abb. 2.36). • Testen Sie speziell die Abduktion des Zeigefingers, da dies Ihnen die Möglichkeit gibt, den Umfang des ersten dorsalen Interosseusmuskels zu sehen und zu ertasten (Abb. 2.37). • Bei Läsionen des Nervus ulnaris schwindet dieser Muskel dramatisch, wie in Abb. 2.38 gezeigt wird. Hier können Sie deutlich die Atrophie des ersten dorsalen Interosseus und das Krallen des Ring- und kleinen Fingers bei jemandem mit einer Ulnarnervenläsion sehen.

Abb. 2.36  Abduktion der Finger

2.5  Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests

47

Abb. 2.37  Palpation des ersten dorsalen Interosseus

Abb. 2.38  Muskelatrophie des ersten dorsalen Interosseus mit Krallen des Ring- und kleinen Fingers bei einer Läsion des Nervus ulnaris. Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5162190811071) von Wakure et al. [6]

2.5.2.2 Adduktion der Finger • Bitten Sie den Patienten, die Hand flach auf einer Oberfläche zu platzieren und die Finger zu adduzieren, indem sie etwas Dünnes, wie z. B. eine Karte, zwischen ihnen einklemmen.

48

2  Anatomie und Funktion der Hand

Bitten Sie den Patienten, fest zuzugreifen und zu versuchen, die Karte zu entfernen (Abb. 2.39). • (Bei der Prüfung der Adduktion der Finger und des Daumens ziehe ich es vor, einen Teil einer Dokumentenmappe aus Pappe anstelle eines Stücks Papier zu verwenden, das ich für zu dünn halte.) • Wie bereits erwähnt, ist es unerlässlich, dass die Hand flach auf einer Oberfläche liegt, um ein falsches Ergebnis aufgrund einer Adduktorkraft, die von den langen Beugern (Seite 11) ausgeübt wird, und der Anatomie der MP-Gelenke, die auf dem Bogen eines Kreises liegen (wie auf Seite 17 beschrieben) zu vermeiden. • Wenn die Metakarpalköpfe auch nur 1 cm von der Oberfläche angehoben werden, kommt es zu einer signifikanten Zunahme der Adduktorkraft aufgrund der Wirkung der langen Beuger. Testen Sie dies an sich selbst!

2.5.2.3 Adduktion des Daumens • Die Adduktion wird getestet, indem die Daumenkuppe zur radialen Seite des Zeigefingers, wie beim Schlüsselgriff, angenähert wird.

Abb. 2.39  Adduktion der Finger

2.5  Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests

49

• Bitten Sie den Patienten, mit beiden Händen fest ein Stück Papier oder eine Karte zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten, während Sie dies von der gegenüberliegenden Seite aus ebenfalls tun. • Dann bitten Sie den Patienten, zu versuchen, sich das Papier nicht von Ihnen wegnehmen zu lassen. • Bei normaler Funktion des Nervus ulnaris kann der Patient das Papier festhalten. • Bei einer Läsion des Nervus ulnaris hingegen, wenn die Funktion des Adductor pollicis schwach oder nicht vorhanden ist, wird der Patient versuchen, das Papier mit dem langen Beuger des Daumens zu halten, was zu einer Beugung im IP-Gelenk führt (Abb. 2.40). Dies wird als positives FromentZeichen bezeichnet. • Es ist erwähnenswert, dass bei der Prüfung der Adduktion des Daumens in einer normalen Hand das IP-Gelenk des Daumens leicht gebeugt gehalten wird (Abb. 2.41). Testen Sie dies an sich selbst. Dies ist auf die Wirkung des Flexor pollicis longus zurückzuführen. Ohne diese Beugung würde das IP-Gelenk des Daumens einfach in die Überstreckung

Abb. 2.40  Adduktion des Daumens – Froment-Zeichen

2  Anatomie und Funktion der Hand

50

Abb. 2.41  Beugung des IP-Gelenks des Daumens bei Adduktion

gehen. Der lange Beuger stabilisiert daher das IP-Gelenk und arbeitet in Verbindung mit dem Adductor pollicis, um maximale Kraft zu erzeugen.

2.5.3 Nervus radialis 2.5.3.1 Extension des Handgelenks • Bitten Sie den Patienten, das Handgelenk gegen Widerstand zu strecken (Abb. 2.42).

2.5.3.2 Streckung der Finger • Testen Sie die Streckung der Finger bei gestreckten MPGelenken, da die intrinsischen Muskeln die Finger bei gebeugten MP-Gelenken strecken können. • Bitten Sie also den Patienten, bei gestreckten MPGelenken die Streckung der Finger gegen Widerstand aufrechtzuerhalten (Abb. 2.43).

2.5  Wichtige Überlegungen bei der Durchführung der Tests

51

Abb. 2.42  Handgelenkstreckung

Abb. 2.43  Fingerstreckung

2.5.3.3 Streckung des Daumens • Um die Streckung (Retro-Position) des Daumens zu testen, bitten Sie den Patienten, die Hand flach mit der Handfläche nach unten auf einen Tisch zu legen und den Daumen gegen Widerstand zur Decke zu heben (Abb. 2.44).

52

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.44  Daumenstreckung

• Die folgenden Kommentare beziehen sich auf die Funktion des Musculus abductor pollicis longus (APL). Beachten Sie, dass der APL in die Basis des Daumenmetakarpalknochens einsetzt, etwas vor der Sehne des Musculus extensor pollicis brevis, die an der Basis der proximalen Phalanx ansetzt. • Die Sehne des APL und ihre Insertion können leicht ertastet werden, indem man den Daumen kraftvoll abduziert (Abb. 2.45). • Während dieser Muskel möglicherweise bei der Abduktion des Daumenmetakarpalknochens hilft, kann er keine direkte Wirkung auf die Abduktion der Phalangen des Daumens haben. • Laut Last liegt seine ungestützte Aktion irgendwo zwischen Abduktion und Streckung. • Außerdem wird der APL vom Nervus interosseus posterior versorgt, der nur Extensormuskeln versorgt. • Der Begriff Musculus abductor pollicis longus scheint daher ein Missverständnis zu sein, wie die Tatsache nahelegt, dass man bei schweren Läsionen des Nervus medianus den Daumen mit dem Musculus abductor pollicis longus nicht abduzieren kann. Dies liefert die Antwort auf die oben gestellte Frage bezüglich der Daumenabduktion.

2.6  Prüfung der sensiblen Funktion der drei …

53

Abb. 2.45  Kraftvolle Abduktion des Daumens und Ertasten von APLSehne und -Ansatz

2.6 Prüfung der sensiblen Funktion der drei handversorgenden Nerven Abb. 2.46 zeigt die allgemein akzeptierte sensorische Innervation der Hand. • Der Nervus ulnaris versorgt die medialen eineinhalb Finger sowohl der palmaren als auch der dorsalen Aspekte sowie den angrenzenden Teil der Handfläche und des Handrückens. • Der Nervus medianus versorgt den Rest der Palmarfläche der Hand und den Handrücken des distalen Teils der lateralen dreieinhalb Finger bis zu einer Ebene zwischen den DIP- und PIP-Gelenken. • Der Nervus radialis versorgt den restlichen Handrücken. • Trotz der oben gegebenen Beschreibung gibt es einige Überlappungen der sensorischen Regionen. Es ist daher wichtig zu beachten, dass es auch sogenannte autonome Zonen gibt. Hierbei handelt es sich um Bereiche, die sehr spezifisch von einem bestimmten Nerv versorgt werden. • Für den Nervus medianus ist dies die Pulpa des Zeigefingers, für den Nervus ulnaris die Pulpa des kleinen Fingers

2  Anatomie und Funktion der Hand

54

Medianusnerv

Nervus Ulnaris

Oberflächlicher Ast des Nervus radialis

Nervus Ulnaris

Medianusnerv

Nervus Ulnaris

Oberflächlicher Ast des Nervus radialis

Nervus Ulnaris

Abb. 2.46  Vorderseite der Hand, die autonome Zonen des Nervus media­ nus und ulnaris zeigt. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

(Abb. 2.46) und für den Nervus radialis der Zwischenraum auf dem Handrücken zwischen Daumen und Zeigefinger (Abb. 2.47).

2.6  Prüfung der sensiblen Funktion der drei …

55

Medianusnerv

Nervus Ulnaris

Oberflächlicher Ast des Nervus radialis

Nervus Ulnaris

Abb. 2.47  Rückseite der Hand, die autonome Zonen für den Nervus radialis zeigt. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

Wie bei der sensorischen Prüfung im Allgemeinen muss dies langsam und überlegt durchgeführt werden. Der Patient muss verstehen, was Sie tun und genügend Zeit haben, um nachzudenken und zu antworten. Die sensorische Prüfung sollte wiederholt werden, wenn Zweifel bestehen und immer mit der gegenüberliegenden Seite verglichen werden. Meine Präferenz ist die Verwendung eines K-Drahts (Kirschner-Draht) mit einem gebogenen Ende, damit er nicht wegrollt und das spitze Ende nicht scharf genug ist, um die Haut zu durchdringen und eine Blutung zu verursachen (Abb. 2.48). Hinweis  Bei der Beurteilung von Beeinträchtigungen nach AMA5 wird das Ausmaß des Sensibilitätsverlusts anhand der Zwei-Punkt-Diskrimination bestimmt (AMA Guides to the Evaluation of Permanent Impairment, Fifth Edition, Seite 447, Tabelle 16-5). Wie wird die Empfindung in der Hand bei einem bewusstlosen Patienten oder einem Kind, das zu jung ist, um Anweisungen zu verstehen, getestet? Hier sind drei Vorschläge:

56

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.48  K-Draht

• Bei Nervenschäden kommt es zum Verlust der autonomen Versorgung der Finger und zum Verlust der sudomotorischen Funktion (Schwitzen). Infolgedessen fühlt sich die Pulpa des betroffenen Fingers oder der betroffenen Finger im Vergleich zu den nichtbetroffenen Fingern trocken an. Den Unterschied festzustellen, erfordert sorgfältige Untersuchung und Übung! • Der sogenannte Geigentest, der durchgeführt wird, indem man ein glattes Kunststoffobjekt wie einen Stift über den Finger streicht, hilft, den Verlust der Empfindung zu erkennen. Bei normaler Empfindung und damit normalem Schwitzen ist das Streichen eines glatten Gegenstands über den Finger mit einem Gefühl von leichtem Widerstand aufgrund der Feuchtigkeit verbunden (Abb. 2.49). Wenn die Empfindung verlorengeht und die Haut trocken ist (aufgrund fehlenden Schwitzens), gibt es viel weniger Widerstand. Dies kann veranschaulicht werden, indem man den Test zunächst am eigenen normalen Finger durchführt und ihn

2.6  Prüfung der sensiblen Funktion der drei …

57

Abb. 2.49  Geigentest

dann wiederholt, nachdem man ein Stück Papiertaschentuch zwischen den Finger und den Stift gelegt hat (Abb. 2.50). • Der „Pflaumentest“: Wenn Sie viel Zeit im Wasser verbracht haben, werden Sie bemerkt haben, wie die Haut der Fingerpulpa dazu neigt, sich zu kräuseln (Abb. 2.51). Dies geschieht nicht bei denervierten Fingern. Der Mechanismus wird auf Vasokonstriktion zurückgeführt, und es gibt viele Diskussionen über den evolutionären Grund dafür, der in chronischen Fällen beobachtet wird.

Abb. 2.50  Geigentest mit Papiertaschentuch

58

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.51  Pflaumentest

2.6.1 Testen der Gefäßfunktion • Die Blutversorgung der Hand erfolgt über die Arteria radialis und die Arteria ulnaris. Der Radialispuls ist leicht tastbar, der Ulnarispuls jedoch weniger. Mit Geduld und Übung kann er direkt lateral zur Sehne des Musculus flexor carpi ulnaris gefühlt werden. Versuchen Sie es weiter, bis Sie sicher sind, dass Sie ihn fühlen können. • Abb. 2.52 zeigt die Arteria radialis und ulnaris, und Sie können sehen, wie sie über die oberflächlichen und tiefen Palmarbögen frei kommunizieren. • Der Allen-Test wird verwendet, um die Durchgängigkeit dieser Gefäße nachzuweisen. Der Test wird auf folgende Weise durchgeführt: – Verschließen Sie die Arteria radialis und ulnaris, wie in Abb. 2.53 gezeigt. – Bitten Sie den Patienten, die Finger fest drei oder vier Mal zu öffnen und zu schließen und dann die Finger offen zu lassen. Die Hand wird sichtbar blanchiert sein (Abb. 2.54).

2.6  Prüfung der sensiblen Funktion der drei …

59

Richtige palmardigitale Arterien

Radialarterie des Zeigefingers

Gemeinsame digitale PalmarArterien

Oberflächlicher Palmarbogen

Princeps Arteria pollicis

Radialarterie

Tiefer Palmarbogen Arteria ulnaris

Abb. 2.52  Arteria radialis und ulnaris. (Creative Commons-Bild: Verbreitung unter den Bedingungen der Creative Commons AttributionNonCommercial 4.0-Lizenz https://en.wikipedia.org/wiki/Ulnar_artery#/ media/File:Gray1237.svg)

60

2  Anatomie und Funktion der Hand

Abb. 2.53  Beide Arterien (A. radialis und ulnaris) verschließen

Abb. 2.54  Blanchieren nach dem Öffnen und Schließen

2.6  Prüfung der sensiblen Funktion der drei …

61

– Lassen Sie dann die Arteria radialis los und beobachten Sie, wie die Hand durchblutet wird. – Wiederholen Sie den Test von Anfang an, lassen Sie diesmal jedoch die Arteria ulnaris los und bestätigen Sie die Durchblutung.

3

Systematische Untersuchung der Hand

Die systematische Untersuchung der Hand wird unter den folgenden Überschriften besprochen: • Inspektion • Bewegungsumfang • Motorische Kraft – Extrinsische Kraft – Intrinsische Kraft • Sensorischer Test • Arterielle Versorgung Die Untersuchung wird auf einem schmalen Tisch durchgeführt. Alles, was für die Untersuchung benötigt wird, sind das Stück einer kartonierten Dokumentenmappe und ein K-Draht, der an einem Ende gebogen ist (oder etwas Ähnliches mit einer relativ spitzen Spitze). Offensichtlich ist vor der Untersuchung eine Anamnese des Patienten durchzuführen, wobei die spezifischen Beschwerden und insbesondere die Vorgeschichte von Traumata zu beachten sind.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_3

63

64

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.1  Vorderseite der Hand

Abb. 3.2  Rückseite der Hand

3.1 Inspektion • Untersuchen Sie die palmaren (Abb. 3.1) und dorsalen Aspekte der Hand (Abb. 3.2)  sowie die medialen und lateralen Aspekte auf Schwellungen, Narben, Deformitäten, Atrophie des Thenar/Hypothenar oder andere Anomalien.

3.1 Inspektion

65

Abb. 3.3  Kaskade

• Bitten Sie den Patienten, die entspannten Hände mit der Handfläche nach oben auf den Tisch zu legen, um die normale Kaskade der zunehmenden Beugung vom Zeigefinger zum kleinen Finger zu betrachten (Abb. 3.3). • Untersuchen Sie den Handrücken der Unterarme auf Knötchen oder Hautveränderungen (Abb. 3.4).

Abb. 3.4  Dorsum der Unterarme

66

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.5  Öffnen, Schließen, vorne und hinten

3.2 Bewegungsumfang • Bitten Sie den Patienten, die Finger zu öffnen und zu schließen und dabei eine Faust zu bilden, mit den Handflächen nach oben und unten gerichtet (Abb. 3.5). • Untersuchen Sie den Bewegungsumfang der Handgelenke in Beugung, Streckung und radialer und ulnarer Deviation (Abb. 3.6). • Untersuchen Sie den Bewegungsumfang der Pronation (Abb. 3.7) und Supination (Abb. 3.8).

3.3 Motorische Kraft 3.3.1 Extrinsisch • Wie bereits erwähnt, setzt der Flexor profundus an der Basis der distalen Phalanx jeden Fingers an; es ist die einzige Sehne, die das DIP-Gelenk bewegt.

3.3  Motorische Kraft

67

Abb. 3.6  Handgelenkbeugung, Streckung, ulnare Deviation und radiale Deviation

Abb. 3.7  Pronation

• Um die Profundusaktion zu isolieren, halten Sie die MP- und PIP-Gelenke in Streckung, um so die Superficialisaktion zu überwinden.

68

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.8  Supination

• Jede Beugung, die nun am DIP-Gelenk auftritt, ist daher nur auf die Profundusaktion zurückzuführen (Abb. 3.9). • Testen Sie auf diese Weise alle vier Finger und den Daumen (Flexor pollicis longus) (Abb. 3.10). • Die Methode, um die Superficialisfunktion zu isolieren, besteht darin, drei der vier Finger in voller Streckung zu halten, um so eine Profundusaktion zu verhindern. • Das Beugen des Fingers erfolgt nun auf Höhe des PIPGelenks und ist nur auf die Aktion des Superficialis zurückzuführen (Abb. 3.11). Testen Sie dies an sich selbst und beachten Sie, wie „schlaff“ das DIP-Gelenk ist. • Testen Sie jeden Finger auf diese Weise. • Testen Sie nun die Streckung von Handgelenk (Abb. 3.12), Finger (Abb. 3.13) und Daumen (Abb. 3.14). Stellen Sie sicher, dass bei der Streckung der Finger die MP-Gelenke gestreckt sind.

3.3  Motorische Kraft

69

Abb. 3.9  Flexor digitorium profundus (FDP)

3.3.2 Intrinsisch • Wie bereits erwähnt, gibt es drei "Tests" für die motorische Funktion des Nervus medianus und des Nervus ulnaris. – Nervus medianus • Abduktion des Daumens (Abb. 3.15) • Opposition des Daumens (Abb. 3.16) • Atrophie des Thenar (Abb. 3.17) – Nervus ulnaris • Abduktion der Finger (Abb. 3.18) • Adduktion der Finger (Abb. 3.19) • Adduktion des Daumens (Abb. 3.20)

70

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.10  Flexor pollicis longus (FPL)

3.4 Sensorischer Test • Testen Sie das Gefühl der Fingerspitzen und denken Sie daran, jede Seite des Ringfingers zu testen. • Testen Sie die autonomen Zonen für jeden der drei Nerven: die Pulpa des Zeigefingers für den Nervus medianus, die Pulpa des kleinen Fingers für den Nervus ulnaris und den Handrücken im ersten Zwischenraum für den Nervus radialis.

3.4  Sensorischer Test

Abb. 3.11  Flexor digitorium superficialis (FDS)

Abb. 3.12  Handgelenkstreckung

71

72

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.13  Fingerstreckung

Abb. 3.14  Daumenstreckung

3.5 Arterielle Versorgung Schließlich testen wir die Durchgängigkeit beider radialer und ulnarer Arterien mit dem Allen-Test, wie zuvor beschrieben.

3.5  Arterielle Versorgung

73

Abb. 3.15  Abduktion des Daumens

Abb. 3.16  Opposition des Daumens

3.5.1 Screening-Tests für die motorische und sensorische Funktion der Hand in weniger als 20 Sekunden • Vielleicht haben Sie bemerkt, dass bei der Prüfung der Motorik jeder der drei Nerven mindestens einer der Tests den Daumen involvierte: Abduktion für den Nervus medianus

74

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.17  Thenar

Abb. 3.18  Abduktion der Finger

(Abb. 3.21), Adduktion für den Nervus ulnaris (Abb. 3.22) und Extension (die Retro-Position) des Daumens für den Nervus radialis (Abb. 3.23). • Daher kann man die Motorik aller drei Nerven nur mit dem Daumen testen.

3.5  Arterielle Versorgung

75

Abb. 3.19  Adduktion der Finger

Abb. 3.20  Adduktion der Daumen

• Testen Sie als Nächstes die autonomen sensiblen Zonen der drei Nerven. • Ihr Screening-Test für die  motorische und sensorische Funktion ist in weniger als 20 Sekunden abgeschlossen.

76

3  Systematische Untersuchung der Hand

Abb. 3.21  Abduktion des Daumens

Abb. 3.22  Adduktion des Daumens

3.5  Arterielle Versorgung

Abb. 3.23  Extension des Daumens

77

4

Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Diese werden unter den folgenden Überschriften betrachtet: • Neurologisch – Karpaltunnelsyndrom – Kubitaltunnelsyndrom – Radialtunnelsyndrom • Tendinopathien – De-Quervain-Tenosynovitis – Laterale Epikondylitis – Schnappfinger und Schnappdaumen • Deformitäten – Dupuytren-Kontraktur – Boutonniere-Deformität – Schwanenhals-Deformität – Hammerfinger • Instabilitäten – Skapholunäre Instabilität – Watson-Test – Ulnares Seitenband des Daumens – Skidaumen • Verschiedene Tests und Anzeichen – Bunnell-Test für intrinsische Straffheit – Das OK-Zeichen – Das „benediction sign“

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_4

79

80

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

4.1 Neurologisch 4.1.1 Karpaltunnelsyndrom • Dieser Zustand ist auf die Kompression des Nervus medianus zurückzuführen, der durch den Karpaltunnel verläuft (Abb. 4.1) [1]. • Symptome – Taubheitsgefühl und Kribbeln in Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und radialer Seite des Ringfingers, meist besonders schlimm in der Nacht und am frühen Morgen. – Gelegentlich berichten Patienten, dass sie tagsüber Dinge fallen lassen. – Schmerzen bei schwereren Fällen. • Physische Anzeichen – Tinel-Zeichen: Symptome werden durch Klopfen über den Karpaltunnel reproduziert (Abb. 4.2). – Phalen-Test: Symptome werden reproduziert, indem die Handgelenke für 30–60 Sekunden gebeugt gehalten werden (Abb. 4.3). In schweren Fällen können Symptome innerhalb von 10 Sekunden oder weniger auftreten. – Durkan-Test: Symptome werden durch direkten Druck auf den Karpaltunnel mit dem Daumen des Untersuchers reproduziert (Abb. 4.4). – Schwäche oder Atrophie der vom Nervus medianus versorgten Thenarmuskulatur in fortgeschrittenen Fällen.

4.1.2 Hinweis: Hohe gegenüber niedrige Läsionen des Nervus medianus • Hin und wieder trifft man auf einen Patienten, der sich einer Karpaltunneloperation und möglicherweise sogar einem weiteren Eingriff unterzogen hat, jedoch ohne Besserung der Symptome.

4.1 Neurologisch

81

Komprimierter Nerv

Handwurzelband Medianusnerv

Karpaltunnelsyndrom Abb. 4.1  Der Nervus medianus, der durch den Karpaltunnel verläuft [1]. (Creative Commons-Bild: Blausen.com-Mitarbeiter (2014). Blausen Medical [1])

• Es ist daher ratsam, im Hinterkopf zu behalten, dass hohe Nervus-medianus-Läsionen ähnliche Anzeichen und Symptome wie die distale  Karpaltunnelkompression aufweisen können. • Es gibt zwei Anzeichen, anhand deren sich die beiden Zustände eindeutig unterscheiden lassen, eines motorisch und eines sensorisch: – Motorisch: Bei einer hohen Nervus-medianus-Läsion kommt es zu einem Kraftverlust bei der Beugung des

82

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Abb. 4.2  Tinel-Zeichen

Abb. 4.3  Phalen-Test

IP-Gelenks des Daumens (FPL), der bei einer niedrigen Läsion (Karpaltunnelsyndrom) nicht auftritt. – Sensorisch: Beachten Sie, dass der palmare kutane Ast des Nervus medianus oberflächlich zum Karpaltunnel in die Handfläche eintritt, sodass bei einer hohen Läsion ein Sensibilitätsverlust in Handfläche und Thenar auftritt, der bei der niedrigen Läsion nicht vorkommt.

4.1 Neurologisch

83

Abb. 4.4  Durkan-Test

4.1.3 Kubitaltunnelsyndrom • Diese Erkrankung ist auf die Kompression des Nervus ulnaris im Kubitaltunnel oder verwandten Strukturen auf der medialen Seite des Ellenbogens zurückzuführen (Abb. 4.5). • Symptome – Taubheitsgefühl und Parästhesien im kleinen Finger und der ulnaren Hälfte des Ringfingers. Sie treten entweder spontan auf oder können mit einer längeren Beugung des Ellenbogens, wie z. B. bei der Benutzung eines Mobiltelefons, einhergehen. Es kann eine Schwäche der vom Nervus ulnaris innervierten intrinsischen Handmuskulatur auftreten. • Physische Anzeichen – Positives Tinel-Zeichen (Klopfen über dem Nervus ulnaris auf dem posteromedialen Aspekt des Ellenbogens in Verbindung mit Beschwerden von Parästhesien in der Verteilung des Nervus ulnaris). – Schwäche oder Atrophie der vom Nervus ulnaris versorgten intrinsischen Muskulatur. – Schwere Fälle können eine sog. Ulnaklaue entwickeln (Erklärung der Deformität einer Krallenhand siehe unten).

84

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Medialer Epikondylus des Oberarmknochens Nervus Ulnaris Olekranon der Elle Flexor carpi ulnaris Muskel

Aponeurose

Abb. 4.5  Mediale Ellenbogen und Nervus ulnaris. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

4.1.4 Radialtunnelsyndrom • Kompression des Nervus radialis im Radialtunnel, 5 cm in der Länge vom Niveau des Radiokapitellargelenks distal. • Symptome – Schmerzen im dorsoradialen proximalen Unterarm, die in Richtung Handgelenk ausstrahlen – Schwäche aufgrund von Schmerzen • Physische Anzeichen – Druckempfindlichkeit über dem Radialtunnel distal zum lateralen Epikondylus  (nicht zu verwechseln mit mit der Druckempfindlichkeit aufgrund einer lateralen Epikondylitis) – Schmerzen bei widerstandsfähiger Streckung des Mittelfingers

4.1 Neurologisch

85

– Widerstandsfähige Supination reproduziert den Schmerz ebenso wie passive Pronation mit Handgelenkbeugung.

4.1.5 Ulnarklaue 4.1.5.1 Eine Erklärung der Deformität Abb. 4.6 zeigt die typische Deformität einer Ulnarklaue (Klauenhand) mit Streckung auf Höhe der MP-Gelenke und Beugung an beiden PIP- und DIP-Gelenken der Ring- und kleinen Finger. Die Erklärung dieser Deformität ist sehr lehrreich und interessant. Allerdings müssen in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Aspekte verstanden werden. Der erste ist der Unterschied zwischen einer ausgeglichenen und unausgeglichenen Lähmung, und der zweite ist das Verständnis der Funktion der intrinsischen Muskeln der Hand. Unterschied zwischen ausgeglichener und unausgeglichener Lähmung • Nehmen wir zum Beispiel an, eine Person hat eine vollständige Läsion des Nervus radialis im Oberarm, die sich nicht erholt. • Dies führt zu einem Verlust der Streckfunktion des Handgelenks mit daraus resultierendem Handgelenkabfall und

Abb. 4.6   Ulnar-Klauenhand. Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5162190811071) von Wakure et al. [2]

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

86

• • • •

letztendlich Deformität aufgrund der unkontrollierten Wirkung der Handgelenkbeuger. Hierbei handelt es sich um eine unausgeglichene Lähmung, die zu einer Deformität führt. Nehmen wir nun an, eine Person hat eine Läsion des Plexus brachialis mit Verlust sowohl der Flexor- als auch der Extensorfunktion. Hierbei handelt es sich um eine ausgeglichene Lähmung, die zu Flailness führt. Eine unausgeglichene Lähmung führt also zu einer Deformität; eine ausgeglichene Lähmung führt zu Flailness.

Es ist erwähnenswert, dass die Behandlung für jede dieser Erkrankungen sehr unterschiedlich ausfällt. (Bitte beachten: Es handelt sich hier um allgemeine chirurgische/orthopädische Prinzipien, die auf ähnliche Situationen anwendbar wären.) • Im Fall einer unausgeglichenen Lähmung des Handgelenks aufgrund einer Lähmung der Extensormuskeln mit einer noch beweglichen Deformität, besteht die Behandlung darin, eine der Beugesehnen des Handgelenks auf die Extensorsehnen zu übertragen, um eine gewisse Streckfunktion zu geben und somit das Gleichgewicht wiederherzustellen. • Liegt andererseits eine ausgeglichene Lähmung aufgrund einer Lähmung der Flexor- und Extensormuskeln vor, die zu Flailness führt, besteht die Behandlung in einer Stabilisierung, entweder extern durch eine Schienung oder intern durch Fusion des Handgelenks. Zustand

Auswirkung

Behandlung

Unausgeglichene Lähmung →

Deformität →

Sehnenübertragung

Flailness →

Stabilisierung – (extern/intern)

Ausgeglichene Lähmung →

4.1 Neurologisch

87

Abb. 4.7  Intrinsische Funktion: MP gebeugt und IP gestreckt

Intrinsische Muskelfunktion • Das zweite Problem oder Prinzip, das es zu verstehen gilt, ist die Funktion der intrinsischen Muskeln der Hand. • Abb. 4.7 zeigt, dass die Kontraktion der intrinsischen Muskeln eine Beugung an den MP-Gelenken und eine Streckung an den IP-Gelenken verursacht. • Es ist wichtig zu erkennen, dass die langen Beuger keinen direkten Einfluss auf die MP-Gelenke haben und dass die Beugung dieser Gelenke der Beugung der DIP- und PIPGelenke in einer „Roll-up“-Aktion folgt. • Wenn die Finger also gestreckt sind, kann es keine Roll-upAktion geben, und die einzige Möglichkeit, die MP-Gelenke zu beugen, besteht über die intrinsischen Muskeln.

4.1.5.2 Erklärung der Klauenhand-Deformität • Beachten Sie erneut die Deformität bei einer Ulnarklaue mit Extension oder Hyperextension auf Höhe der MP-Gelenke und Flexion an den IP-Gelenken der Ring- und Kleinfinger. • Konzentrieren Sie sich zunächst auf die MP-Gelenke und denken Sie daran, dass die intrinsischen Muskeln eine Beugung dieser Gelenke verursachen. Bei einer Läsion

88

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

des Nervus ulnaris mit Funktionsverlust der intrinsischen Muskulatur kommt es zu einem Verlust der Beugung der MPGelenke, während immer noch eine aktive (unausgeglichene) Extension vorhanden ist. • Es liegt also eine unausgeglichene Lähmung vor, die zu einer Deformität zugunsten der Extension führt. • Auf Höhe der IP-Gelenke funktionieren die langen Beuger noch, während die Extensoren (also die intrinsischen Muskeln) nicht funktionieren, was zu einer Deformität zugunsten der Flexion führt.

4.1.5.3 Zusammenfassung Bei einer Ulnarklaue kommt es zu einer unausgeglichenen Lähmung auf Höhe des MP-Gelenks, die zu einer Deformität zugunsten der Extension führt, und einer unausgeglichenen Lähmung auf Höhe der IP-Gelenke, die zu einer Deformität zugunsten der Flexion führt. Das Ulnar-Paradoxon Im Folgenden wird Unterschied zwischen einer hohen und einer niedrigen Nervus-ulnaris-Läsion betrachtet. • Bei der niedrigen Läsion bleibt die Funktion der langen Beugesehnen erhalten, was zu einer unausgeglichenen Lähmung auf Höhe der IP-Gelenke führt, die wiederum zu einer Deformität zugunsten der Flexion führt, wie oben erwähnt. • Bei einer hohen Läsion des Nervus ulnaris verlieren jedoch die langen Beuger der kleinen und Ringfinger ihre Nervenversorgung (FDP), und anstatt einer unausgeglichenen Lähmung am DIP-Gelenk zugunsten der Flexion kommt es zu einer ausgeglichenen Lähmung, die zu Schlaffheit statt Deformität führt. • Die Deformität ist daher weniger auffällig. • Daher der Begriff „Paradoxon“. Die hohe Nervus-ulnarisLäsion führt zu einer geringeren Deformität als eine niedrige Läsion, obwohl man normalerweise das Gegenteil erwarten würde.

4.2 Tendinopathien

89

4.2 Tendinopathien 4.2.1 De-Quervain-Tenosynovitis • Tenosynovitis mit Beteiligung der Sehnen des ersten dorsalen Extensorfachs (EPB und APL). • Symptome – Schmerzen und Empfindlichkeit in Bezug auf die geschwollenen Sehnen über der radialen Seite des distalen Radius. Die Erkrankung ist häufig mit Schwangerschaft assoziiert und tritt nicht selten bei Frauen mittleren Alters auf. • Körperliche Anzeichen – Schwellung über den beteiligten Sehnen an der radialen Seite des distalen Radius. – Positiver Finkelstein-Test: Bitten Sie den Patienten, den Daumen in der Handfläche zu halten und eine Faust zu machen (Abb. 4.8). Eine ulnare Deviation des Handgelenks führt dann zur Reproduktion der Symptome. Bitten Sie den Patienten, das Handgelenk aktiv ulnar abzuwinkeln, da eine passive ulnare Deviation durch den Untersucher starke Beschwerden verursachen könnte (Abb. 4.8b)!

4.2.2 Laterale Epikondylitis (Tennisellenbogen) • Entzündung der Ansatzstelle der Extensorsehnen am lateralen Epikondylus des Humerus. Am häufigsten ist die Sehne des Musculus extensor carpi radialis brevis beteiligt. • Symptome – Schmerzen über dem lateralen Aspekt des Ellenbogens, die durch Aktivitäten der oberen Extremität und insbesondere durch Heben mit der Handfläche nach unten verschlimmert werden

90

a

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

b

Abb. 4.8  a Neutrale Position; b ulnare Deviation

• Körperliche Anzeichen – Lokalisierte Empfindlichkeit über der lateralen Epikondylenregion • Positiver Provokationstest: – Reproduktion der Symptome bei Widerstand gegen die Extension des Handgelenks bei gestrecktem Ellenbogen – Reproduktion der Symptome bei Widerstand gegen die Extension des Mittelfingers bei gestrecktem Ellenbogen

4.2.3 Trigger-Daumen und Trigger-Finger • Auch bekannt als „stenosierende Tenosynovitis“ mit Verdickung oder Entzündung der A1-Rolle (die Rolle, durch welche die Sehnen an der Basis des Fingers verlaufen), gefolgt von Schwellung der Beugesehne • Symptome – Gefühl einer Verklemmung oder einer Blockierung in Verbindung mit der Beugung des Fingers, begleitet von Schmerzen – Empfindlicher Knoten in der Handfläche nahe der distalen Handlinie – In schweren Fällen kann der Finger in Beugung „blockieren“ und erfordert Kraft oder gelegentlich den Einsatz der anderen Hand, um ihn wieder zu strecken.

4.3 Deformitäten

91

• Physische Anzeichen – Auslösen in Verbindung mit Beuge- und Streckbewegungen des Fingers – Eine tastbare empfindliche Schwellung in der Handfläche

4.3 Deformitäten 4.3.1 Dupuytren-Kontraktur (Morbus Dupuytren) • Hierbei handelt es sich um eine fibrotische Störung, welche die Palmarfaszie der Hand betrifft und häufig zu Knoten und faserigen Bändern direkt unter der Haut führt und zu Beugeverformungen eines oder mehrerer Finger fortschreiten kann. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, und die Genetik kann hierbei eine wichtige Rolle spielen. Am häufigsten sind Ringfinger und kleiner Finger betroffen. • Symptome – Wahrnehmung einer normalerweise schmerzlosen länglichen Verdickung in der Handfläche – Wahrnehmung der Unfähigkeit, den betroffenen Finger oder die betroffenen Finger vollständig zu strecken – In fortgeschritteneren Stadien erschwert die Kontraktur das Ausführen bestimmter Aktivitäten, wie z. B. das Hineinstecken der Hand in eine Tasche; das Waschen des Gesichts kann zu Augenverletzungen führen. • Physische Anzeichen – Tastbare Knoten in der Handfläche entlang der Linie des Mittelhandknochens, die überwiegende Mehrheit davon schmerzlos (98%) – Unfähigkeit, die Hand flach auf einer Oberfläche wie einem Schreibtisch abzulegen – In fortgeschritteneren Fällen Beugekontraktur des MPGelenks, die viele Aktivitäten beeinträchtigt – IP-Kontrakturen können auftreten und sind sehr schwer zu behandeln.

92

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

4.3.2 Boutonniere-Deformität Boutonniere ist Französisch für Knopfloch – so genannt, weil der in den Strecksehnen wie ein Knopfloch aussieht (die Franzosen nennen die Deformität, glaube ich, „la buttonhole“). • Verletzung der Ansatzstelle der Strecksehne an der Basis der Mittelphalanx, welche auch  durch entzündliche Erkrankungen verursacht werden kann • Symptome – Die Unfähigkeit, das PIP-Gelenk des betroffenen Fingers aktiv zu strecken und das DIP-Gelenk zu beugen – Kann akut oder im Laufe der Zeit entstehen • Physische Anzeichen – Charakteristisches Aussehen (im chronischen Fall) von fixierter Beugung am PIP-Gelenk und fixierter Streckung am DIP-Gelenk (Abb. 4.9)

4.3.3 Schwanenhals-Deformität • Hyperextension am PIP-Gelenk des Fingers aufgrund von Lockerheit der volaren Platte und der zugehörigen Bänder;

Abb. 4.9  Boutonniere-Deformität: fixierte Beugung am PIP und fixierte Streckung am DIP

4.3 Deformitäten

93

häufig in Verbindung mit rheumatoider Arthritis (RA), aber manchmal auch nach Trauma • Symptome – Schwierigkeiten beim Greifen von Gegenständen und beim Faustschließen – Schmerzen und Schwellungen, insbesondere in Verbindung mit RA – Der Finger könnte in Hyperextension „eingerastet“ sein und eine anfängliche passive Beugung erfordern, um eine weitere aktive Beugung zu ermöglichen. • Physische Anzeichen – Hyperextension des PIP-Gelenks mit fixierter Beugung des DIP-Gelenks (Abb. 4.10).

4.3.4 Hammerfinger • Traumatische Störung der Insertion der Strecksehne in die Basis der distalen Phalanx, verbunden mit entweder Sehnenriss oder Ablösung eines Knochenstücks (Abb. 4.11) [3] • Symptome – Anfangs schmerzhaft und geschwollen – Unfähigkeit, das DIP-Gelenk aktiv zu strecken

Abb. 4.10  Schwanenhals-Deformität: Hyperextension am PIP-Gelenk und fixierte Beugung am DIP-Gelenk

94

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Riss

Fraktur

Abb. 4.11  Hammerfinger [3]. (Nachdruck aus Brukner [3])

• Physische Anzeichen – Bestätigung der Unfähigkeit, das DIP-Gelenk des Fingers aktiv zu strecken, mit offensichtlicher Beugedeformität

4.3 Deformitäten

95

4.3.5 Instabilitäten 4.3.5.1 Skapholunäre Instabilität: Watson-Test • Das skapholunäre Ligament ist ein interkarpales Ligament, welches häufig verletzt, was zur skapholunären Instabilität führt. Im Röntgenbild zwischen Skaphoid und Lunatum ist eine Lücke sichtbar (Abb. 4.12). Diese könnte bis zu einem skapholunären fortgeschrittenen Kollaps (SLAC-Wrist) fortschreiten. • Symptome – Anamnese einer Verletzung, die möglicherweise zurückliegt – Schmerzhaftes Klicken des Handgelenks und Schwäche • Körperliche Zeichen • Positiver Watson-Test

Abb. 4.12  Skapholunäre Lücke im Röntgenbild

96

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Abb. 4.13  Daumen auf Tuberculum des Skaphoids

– Der Untersucher legt einen Daumen über das Tuberculum des Skaphoids anterior (Abb. 4.13). Dies ist bei der normalen Hand leicht tastbar. – Bei Ulnardeviation und leichter Handgelenkextension verschwindet die Prominenz des Tuberculum. – Das Handgelenk wird dann in Radialdeviation bewegt, während weiterhin Druck ausgeübt wird; das Skaphoid wird als dorsal verlagert wahrgenommen. – Der Druck auf das Tuberculum des Skaphoids wird dann gelöst, und das dorsal verlagerte Skaphoid ist zu spüren, wie es zurück in die radiale Fossa bewegt wird.

4.3.5.2 Ulnares Seitenband des Daumens (Gamekeeper’s Thumb) • Der Gamekeeper’s Thumb (oder Skifahrer-Daumen) ist auf eine Verletzung des ulnaren Seitenbands (UCL) des Daumens zurückzuführen, entweder durch Ablösung eines Knochen-

4.3 Deformitäten

MCPGelenk

97

Riss des UCL-Bandes

Abb. 4.14  Riss des ulnaren Seitenbands (UCL). (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

stücks oder durch Zerreißen der Befestigung des Bandes (Abb. 4.14). • Testen Sie immer auch die Stabilität des radialen Seitenbands. • Symptome – Schmerzen und Schwäche beim Greifen mit den Fingerspitzen

Abb. 4.15  Testen der Stabilität

98

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

• Körperliche Anzeichen – Instabilität des MP-Gelenks des Daumens, getestet mit dem MCP-Gelenk in gestreckter Position (Abb. 4.15). Vergleichen Sie immer mit der gegenüberliegenden Seite.

4.4 Verschiedene Tests und Anzeichen 4.4.1 Bunnell-Test für intrinsische Straffheit • Es ist wichtig, die intrinsische Funktion zu beachten, nämlich Beugung auf Höhe des MP-Gelenks und Streckung an den IPGelenken. • In der normalen Situation, wenn das MP-Gelenk gestreckt ist, gibt es eine freie aktive und passive Beugung am PIP-Gelenk. • Bei intrinsischer Straffheit oder Kontraktur führt jedoch eine Streckung am MP-Gelenk zu einer Einschränkung der Beugung, sowohl aktiv als auch passiv, auf Höhe des PIPGelenks. • Aufgrund der Komplexität der Anatomie in diesem Bereich ist es schwierig, die pathophysiologische Grundlage dieses Tests zu konzeptualisieren. • Eine analoge und leichter verständliche Situation wäre, den Bewegungsumfang der Knöchelstreckung bei gebeugtem und gestrecktem Knie zu betrachten. • Mit gestrecktem Knie ist der Musculus gastrocnemius, der am Femur ansetzt, gedehnt, was wiederum eine Straffung der Achillessehne (TA) bewirkt und die Knöchelstreckung etwas einschränkt. • Mit gebeugtem Knie entspannt sich der Musculus gastrocnemius, wodurch sich die TA etwas lockert und einen größeren Bewegungsumfang der Knöchelstreckung ermöglicht. • Der Bunnell-Test wird mit dem MP-Gelenk in zwei Positionen, Streckung und Beugung, durchgeführt, während

4.4  Verschiedene Tests und Anzeichen

99

der Bewegungsumfang des PIP-Gelenks in beiden MPGelenkpositionen getestet wird. • Es gibt nur vier Möglichkeiten, wie in der untenstehenden Tabelle vorgeschlagen. Bitte nehmen Sie sich etwas Zeit, um die vier beschriebenen Situationen durchzugehen, denn sind sie einmal verstanden, sind die Konzepte äußerst zufriedenstellend! MP-Gelenk in Streckung

MP-Gelenk in Beugung

Diagnose

Normale PIP-Beugung Normale PIPBeugung

Normal

Eingeschränkte PIPBeugung

Normale PIPBeugung

Intrinsische Straffheit

Normale PIPBeugung

Eingeschränkte PIPBeugung

Extrinsische (Extensor-) Straffheit

Eingeschränkte PIPBeugung

Eingeschränkte PIPBeugung

PIPGelenkpathologie

4.4.2 Schleiftest für OA am Daumengrundgelenk • Das karpometakarpale Gelenk des Daumens ist ein sattelförmiges Gelenk, das Bewegungen in allen drei Ebenen ermöglicht. Es entwickelt sehr häufig Osteoarthritis (Abb. 4.16). • Symptome – Schmerzen, die auf den Daumengrund lokalisiert sind, insbesondere in Bezug auf Aktivität – In späteren Stadien Schwäche und Verlust des Bewegungsumfangs • Physische Anzeichen – Inspektion zeigt Schwellung am Daumengrund

100

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Abb. 4.16  Arthritis im Röntgenbild

– Tastbare Osteophyten auf dem dorsoradialen Aspekt des Gelenks – Positiver „Schleiftest“, bei dem eine axiale Last auf den Daumenmetakarpal mit Rotation aufgebracht wird, was Schmerzen verursacht, die oft von Krepitus begleitet werden

4.4.3 „OK“-Zeichen (Nervus-interosseousanterior-Syndrom) • Der Nervus interosseous anterior (NIA) ist ein motorischer Ast des Nervus medianus, der den Musculus flexor pollicis

4.4  Verschiedene Tests und Anzeichen

Abb. 4.17  OK-Zeichen

Abb. 4.18  PulpenKlemme

101

102

4  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Hand

Abb. 4.19  „Benediction sign“

longus (FPL) sowie den Musculus flexor digitorum profundus (FDP) für den Zeige- und Mittelfinger versorgt. • Schäden am NIA können daher zu einer Unfähigkeit führen, das DIP-Gelenk des Zeigefingers und das IP-Gelenk des Daumens zu beugen, wodurch die Unfähigkeit entsteht, das „O“ in „OK“ zu bilden (Abb. 4.17). • Jeder Versuch, einen Pinzettengriff auszuführen, führt zu einem Zangengriff (Abb. 4.18). • Es gibt keinen Sensibilitätsverlust, da der NIA rein motorisch ist.

4.4.4 „Benediction sign“ • Das „benediction sign“ (Abb. 4.19) entsteht durch eine hohe Läsion des Nervus medianus mit Verlust der langen Beuger für Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger.

4.4  Verschiedene Tests und Anzeichen

103

• Beachten Sie, dass der Mittelfinger aufgrund der Verbindungen zwischen den Profundussehnen passiv in die Beugung gezogen wird. • Es ist erwähnenswert, dass bei einer Läsion des Nervus ulnaris ein ähnliches Bild auftreten kann, wenn man versucht, die Finger zu strecken.

Teil II Das Handgelenk

5

Anatomie und Funktion des Handgelenks

• Das Handgelenk ist ein biaxiales Synovialgelenk, dessen Kapsel durch starke vordere, hintere und seitliche Bänder gestützt wird. • Bewegungen umfassen Beugung und Streckung, radiale und ulnare Deviation sowie Zirkumduktion, die eine Kombination dieser Bewegungen darstellt (Abb. 5.1). • Es gibt drei bewegliche Gelenke, die das Handgelenk bilden: – distales Radioulnargelenk, – Radiokarpalgelenk, – Mittelkarpalgelenk.

5.1 Das distale Radioulnargelenk • Wie beim proximalen Radioulnargelenk gibt es keine Rotationsbewegung der Ulna selbst; der Radius dreht sich distal um den Kopf der Ulna. • Die distale Ulna bewegt sich jedoch bei Pronation nach hinten und seitlich und bei Supination nach vorne und medial.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_5

107

5  Anatomie und Funktion des Handgelenks

108

Erweiterung

Radiale Abweichung

Ulnarabweichung

Beugung

Pronation

Supination

Abb. 5.1  Bewegungen des Handgelenks. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

5.2 Das Radiokarpalgelenk • Der distale Radius artikuliert mit dem Skaphoid und dem lateralen Aspekt des Lunatumknochens; der mediale Aspekt des Lunatumknochens und das Triquetrum artikulieren mit dem triangulären Faser-Knorpel-Komplex (TFCC) (Abb. 5.2) [1]. • Der TFCC ist, wie der Name schon sagt, dreieckig (triangulär). Er verbindet die mediale Seite des distalen Radius mit der Basis des Processus styloideus ulnae (Abb. 5.3) [2]. • Der TFCC trennt das Radiokarpalgelenk vom distalen Radioulnargelenk. • Der TFCC stabilisiert auch das distale Radioulnargelenk und erhöht die allgemeine Stabilität des Handgelenks.

5.3  Das Mittelhandgelenk

Kapsel

109

Triquetrum Lunate

Homologer Meniskus Distale Lamina

TFC Scheibe

Proximale Lamina Ulna

Radius

Abb. 5.2  Lunatum und Triquetrum artikulieren mit dem TFCC [1]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5079691141351) aus Current Radiology Reports: Springer Nature Simonet et al. [1])

5.3 Das Mittelhandgelenk • Die proximale Reihe des Karpus (Skaphoid, Lunatum und Triquetrum) artikuliert mit der distalen Reihe des Karpus (Hamatum, Capitatum, Trapezoid und Trapezium) am Mittelhandgelenk (Abb. 5.4) [3]. • Die Handwurzelknochen werden alle durch sehr starke interkarpale Bänder zusammengehalten. • Die wichtigsten und am häufigsten verletzten Bänder sind das Ligamentum scapholunatum und das Ligamentum lunotriquetrum, die zu „Instabilitätsmustern“ (DISI und VISI) führen. • Für Details zu den Karpalknochen selbst, siehe Teil 1 Die Hand, Seiten 11 bis 14; für „Instabilitätsmuster“ siehe Seiten 109 bis 113.

110

5  Anatomie und Funktion des Handgelenks TFCC Anatomie Lunotriquetrales interossäres Lunate Ligamentum

Kahnbein

Ligamentumulnolunatum Tuberculum Lister

Triquetrum Sehne des Extensor carpi ulnaris Ligamentum Ulnotriquetralis Styloid Ulnae PrestyloidAussparung Dreieckiges Ligament

Volares radioulnares Ligamentum Dorsales radioulnares Ligamentum

Abb. 5.3  Anatomie des TFCC [2]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5090681231588) von Dellon [2])

5.4 Griffstärke • Die Griffstärke wird in Teil 1 Die Hand auf den Seiten 11 bis 15 besprochen. Wie bereits erwähnt, geht das Handgelenk beim festen Greifen nicht nur immer in die Extension, sondern auch in eine leichte Ulnardeviation. • Die Griffstärke kann genau mit einem Dynamometer gemessen werden (Abb. 5.5). • Ein Dynamometer ist auch sehr nützlich zur Verifikation.

5.4 Griffstärke

111

Ulna

Radius

Handwurzelgelenk

etru

u Triq

b

hn

Ka

Mittelkarpalgelenk

Gelenksscheibe

Lunate

n ei

PrestyloidAussparung

ue tru

Kap

itell

m

q Tri m

Trapezförmig

Distales Radioulnargelenk

te

H

a am

Ulnares Kollateralband

Mittelhandknochen

Abb. 5.4  Radiokarpalgelenk und Mittelhandgelenk [3]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5080740543124) von Elsevier, Çiğdem Ayhan, Egemen Ayhan Comparative Kinesiology of the Human Body (2020))

5.4.1 Hinweis: Aknestis • Wie bereits erwähnt, dienen die Funktionen der Hand-, Ellenbogen- und Schultergelenke hauptsächlich dazu, die Hand dort zu platzieren, wo sie benötigt wird. • Die Hände können jeden Teil der Körperoberfläche erreichen, außer einem Bereich. • Sie werden sich dessen bewusst, wenn Sie sich einmal den Rücken kratzen mussten, aber ebenjene Stelle nicht mit der

112

5  Anatomie und Funktion des Handgelenks

Abb. 5.5  Dynamometer zur Messung der Griffstärke

Hand erreichen konnten und stattdessen eine Ecke der Wand oder einen Pfosten verwenden mussten. • Der Bereich liegt im interskapulären Bereich und wird mit zunehmendem Alter größer. • Dieser Bereich ist als „Aknestis“ (aus dem Altgriechischen: Aknestis = Wirbelsäule) bekannt, das heißt, der Bereich der Haut, den Tiere (und Menschen) nicht erreichen können, um sich selbst zu kratzen.

6

Eine systematische Untersuchung des Handgelenks

• Wie bei gemeinsamen Untersuchungen im Allgemeinen wird vor der Untersuchung immer eine sorgfältige Anamnese durchgeführt, insbesondere in Bezug auf eine Vorgeschichte von Verletzungen. • Wie bei jedem anderen Gelenk wäre die Untersuchung des Handgelenks unvollständig, ohne die proximalen und distalen Gelenke – den Ellenbogen und die Hand – zu untersuchen. • Jede Untersuchung/Bewertung der oberen Extremität sollte eine Untersuchung des Halses einschließen, da übertragene Symptome aus dem Hals eine häufige Ursache für Armschmerzen sind.

6.1 Inspektion und Palpation • Untersuchen Sie alle Aspekte des Handgelenks auf mögliche Anomalien. • Vergleichen Sie immer mit der gegenüberliegenden Seite. • Mehrere wichtige Orientierungspunkte können in Bezug auf das Handgelenk leicht ertastet werden: – Das Tuberkel des Skaphoids ist leicht über den volaren Aspekt des Handgelenks tastbar, überraschenderweise nur etwas zur radialen Seite der Mitte des Handgelenks leicht distal zur distalen Handgelenkfalte (Abb. 6.1). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_6

113

114

6  Eine systematische Untersuchung des Handgelenks

Abb. 6.1  Tuberkel des Skaphoids

– Das Pisiform ist ebenfalls leicht distal zur distalen Handgelenkfalte, auf der ulnaren Seite des Handgelenks, innerhalb der Sehne des Musculus flexor carpi ulnaris tastbar (Abb. 6.2). – Legen Sie die Spitze des Zeigefingers in die Schnupftabakdose (Abb. 6.3a). Bewegen Sie den Finger leicht distal, und Sie stoßen auf die Basis des Daumenmetakarpals (b). Bewegen Sie den Finger nun leicht proximal, und Sie spüren die Spitze des radialen Styloids (c). Lassen Sie nun die Hälfte der Spitze Ihres Fingers auf dem radialen Styloid und die andere Hälfte in der Schnupftabakdose ruhen. Wenn Sie das Handgelenk jetzt ulnar abwinkeln,

6.1  Inspektion und Palpation

115

Abb. 6.2  Pisiform

spüren Sie deutlich den Körper des Skaphoids gegen Ihren Zeigefinger stoßen (d). – Um das Dorsum der Basis des Skaphoids zu fühlen, schieben Sie Ihren Zeigefinger zwischen den zweiten und dritten Metakarpalknochen auf dem Dorsum des Handgelenks nach unten, bis die Spitze Ihres Fingers in eine Vertiefung auf Höhe des Handgelenks fällt (Abb. 6.4). Beugen Sie nun das Handgelenk vollständig, und Sie werden erneut das Skaphoid gegen Ihren Finger stoßen spüren. – Um das Dorsum des Lunatum zu fühlen, schieben Sie Ihren Zeigefinger zwischen den vierten und fünften Metakarpalknochen nach unten, bis er in eine Vertiefung auf Höhe des Handgelenks fällt (Abb. 6.5). Beugen Sie erneut

116

6  Eine systematische Untersuchung des Handgelenks

a

b

c

d

Abb. 6.3  Schnupftabaksdose (a), Daumenmetakarpal (b), Radialer Styloid (c), Skaphoid bei Ulnarabweichung (d)

Abb. 6.4  Palpation des Dorsums des Skaphoids

Ihr Handgelenk vollständig, und Sie werden die glatte, abgerundete Oberfläche des Lunatum ziemlich leicht spüren, insbesondere bei voller Beugung. Beachten Sie, dass das Lunatum in einer Linie mit dem distalen Radioulnargelenk liegt (Abb. 6.6).

6.1  Inspektion und Palpation

Abb. 6.5  Palpation des Dorsums des Lunatum

Abb. 6.6  Das Lunatum in Linie mit dem distalen Radioulnargelenk

117

118

6  Eine systematische Untersuchung des Handgelenks

6.2 Bewegungsumfang • Alle Bewegungen werden aktiv und passiv durchgeführt und mit der gegenüberliegenden Seite verglichen. • Der Bewegungsumfang wird mit einem Goniometer gemessen. Eine Beugung und Streckung von 60°, eine radiale Abweichung von 20° und eine ulnare Abweichung von 30° gelten als normal. • Bei der Beurteilung von Beeinträchtigungen aufgrund eingeschränkter Beweglichkeit der oberen Extremität wird in den meisten englischsprachigen Ländern die AMA5Kreisdiagramme verwendet. • Bitte beachten Sie die Anhangsseite 212, die eine Tabelle mit den Beeinträchtigungen für eingeschränkte Bewegungsumfänge aller Gelenke der oberen Extremität enthält. • Mit dieser Tabelle müssen Sie nie wieder auf ein Kreisdiagramm zurückgreifen! Ich würde vorschlagen, dass dies die einzige wirklich nützliche Seite in diesem Buch ist; lassen Sie sie kopieren und laminieren, und ich garantiere Ihnen, dass sie Ihnen bei der Beurteilung von Beeinträchtigungen der oberen Extremität nicht mehr von der Seite weichen wird! • Für Ankylose/Arthrodese eines beliebigen Gelenks addieren Sie einfach die in der Tabelle angegebenen Beeinträchtigungen.

6.3 Testen der Motorleistung • Die beste Methode zum Testen der Motorleistung ist isometrisch1 widerstanden. • Testen Sie den Widerstand bei Handgelenksbeugung (Abb. 6.7a) und -streckung (b) sowie die Griffstärke (Abb. 6.8).

1 Die Enden des Muskels werden fixiert, wobei die Kontraktion zu erhöhter Spannung führt, aber bei konstanter Länge.

119

6.3  Testen der Motorleistung

a

b

Abb. 6.7  a, b Handgelenk Beugung und Streckung (isometrisch)

Abb. 6.8  Griff Stärke

6.3.1 Beteiligte Muskeln • Beugung – Flexor carpi radialis (FCR) – Flexor carpi ulnaris (FCU) – (Sekundär: Palmaris longus, Beuger von Daumen und Fingern) • Streckung – Extensor carpi radialis longus (ECRL) – Extensor carpi radialis brevis (ECRB) – (Sekundär: Streckmuskeln der Finger)

120

6  Eine systematische Untersuchung des Handgelenks

6.4 Radiale Abweichung (Abduktion) • Flexor carpi radialis und Extensor carpi radialis longus und brevis gleichzeitig wirkend

6.5 Ulnare Abweichung (Adduktion) • Flexor carpi ulnaris und Extensor carpi ulnaris gleichzeitig wirkend

7

Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

In diesem Abschnitt werden Untersuchungen für die folgenden spezifischen Zustände skizziert: • Instabilitäten • Tendinopathien • Osteoarthritis • Karpaltunnelsyndrom • Störungen des triangulären Faser-Knorpel-Komplexes (TFCC) • Kienböck-Krankheit

7.1 Instabilitäten – Klassifikation A. Karpal B. Distales Radioulnargelenk C. Längs

7.2 A: Karpale Instabilitäten (a) Skapholunäre Dissoziation (b) Lunotriquetrale Dissoziation

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_7

121

122

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

(a) Skapholunäre Dissoziation – Häufigste Form der karpalen Instabilität – Sekundär zur Störung des skapholunären Ligamentkomplexes (Abb. 7.1) – Abb. 7.2a zeigt die normale Position des Lunatum [1]. – Bei der skapholunären Dissoziation ist das Lunatum in die Extension gedreht (Abb. 7.2b). – Bezeichnet als dorsale interkalare Segmentinstabilität (DISI) – In schweren Fällen kann dies schließlich zum Zusammenbruch des Karpus führen – skapholunärer fortgeschrittener Kollaps (SLAC-Handgelenk) (Abb. 7.2d). – Kann einen positiven Watson (Skaphoid-Verschiebung) aufweisen (siehe Seite 113).

LunotriquetralBand

Ligamentum scapholunatum

Ligamentum radioscapholunatum

Abb. 7.1  Riss des skapholunären Ligaments. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

7.2  A: Karpale Instabilitäten

a

123

im Radiolunat-Winkel

Skapholunat-Winkel Normal

b DISI

c VISI

d

Abb. 7.2  a Die normale Position des Lunatum. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5090741335154) von Buchanan und Koester [1]). b Dorsale interkalare Segmentinstabilität (DISI). c Volare interkalare Segmentinstabilität (VISI) [1]. d Karpaler Kollaps (SLAC-Handgelenk – skapholunäre fortgeschrittene Kollaps)

124

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

(b) Lunotriquetrale Dissoziation – Zweithäufigste Form der karpalen Instabilität – Sekundär zur Disruption des Ligamentum lunotriquetrum – Führt zu einer volaren Rotation des Lunatum (Abb. 7.2c) – Bezeichnet als volare interkalare Segmentinstabilität (VISI)

7.3 B: Instabilität des distalen Radioulnargelenks • Die Stabilität dieses Gelenks hängt von starken dorsalen und palmaralen Radioulnarligamenten, dem TFCC, den knöchernen Strukturen und der interossären Membran ab. • Obwohl es sich um eine häufige Erkrankung handelt, wird sie oft übersehen. • Sie ist am häufigsten mit Frakturen des distalen Radius assoziiert, insbesondere wenn es zu einer Fraktur des Processus styloideus ulnae gekommen ist. • Der zuverlässigste Test besteht darin, die radiale Seite des Handgelenks mit einer Hand zu stabilisieren, während mit der anderen Hand Druck auf den Kopf der Ulna ausgeübt wird, um den Kopf der Ulna zu repositionieren; der sog. Ballottement-Test (Abb. 7.3a).

7.4 C: Längsinstabilität • Aufgrund der Fraktur des Radiuskopfes in Verbindung mit einem Riss der interossären Membran • Dies führt zu einer proximalen Migration des Radius und einer sekundären Pathologie des distalen Radioulnargelenks (DRUJ) – der Essex-Lopresti-Läsion (Abb. 7.3b) [2]. • Wie bei der  distalen  Radioulnarinstabilität wird dieser Zustand häufig bei der Erstvorstellung übersehen. • Ein früher Ersatz des Radiuskopfes ist erforderlich, oft in Verbindung mit einer temporären Fixierung des DRUJ. • Die Prognose ist schlecht, wenn sie nicht frühzeitig behandelt wird.

7.4  C: Längsinstabilität

a

125

b

Radialer Kopf

Radius

Ulna Tränenflüssigkeitsmembran

Proximale radiale Migration

Abb. 7.3  a Ballottement-Test, b Essex-Lopresti-Läsion [2]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5083530551021) von Harrison et al. [2])

7.4.1 Watson-Test (Skaphoid Shift) • Der Untersucher legt einen Daumen auf das Tuberculum des anterioren Skaphoids. Dies ist bei der normalen Hand leicht tastbar. • Bei Ulnardeviation und leichter Handgelenkextension verschwindet die Prominenz des Tuberculum (Abb. 7.4a). • Das Handgelenk wird dann in Radialdeviation und leichter Beugung bewegt, während weiterhin Druck ausgeübt wird; das Skaphoid wird dorsal verlagert (b). • Der Druck auf das Tuberculum des Skaphoids wird dann gelöst, und das dorsal verlagerte Skaphoid ist zu spüren, wie es in die radiale Fossa zurückkehrt.

126

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

a

b

Abb. 7.4  Watson-Test – Ulnardeviation (a) und Radialdeviation (b)

7.5 Tendinopathien A. De-Quervain-Tenosynovitis B. Intersektionssyndrom C. Extensortenosynovitis D. Flexortendinitis

7.5.1 A: De-Quervain-Tenosynovitis • Tenosynovitis betrifft die Sehnen des ersten dorsalen Extensorfachs, Extensor pollicis brevis (EPB) und Abductor pollicis longus (APL) (Abb. 7.5) [4]. • Die Erkrankung ist häufig mit Schwangerschaft assoziiert und tritt nicht selten auch bei Frauen mittleren Alters auf.

7.5 Tendinopathien

127 Erstes Dorsalfach

EPB

Retinaculum extensorum

APL

Abb. 7.5  De-Quervain-Tenosynovitis – 1. dorsales Fach [4]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5084021381245) von Martin und Awan [4])

• Symptome sind Schmerzen und Empfindlichkeit in Bezug auf die geschwollenen Sehnen über dem lateralen Aspekt des distalen Radius. – Körperliche Anzeichen, zusätzlich zur Schwellung, beinhalten einen positiven Finkelstein-Test.*

7.5.1.1 *Finkelstein-Test Bitten Sie den Patienten, den Daumen in der Handfläche zu halten und eine Faust zu machen (Abb. 7.6a). Die Ulnardeviation des Handgelenks führt dann zur Reproduktion der Symptome (b). Bitten Sie den Patienten, das Handgelenk aktiv in Ulnardeviation zu bringen (passive Ulnardeviation durch den Untersucher könnte starke Beschwerden verursachen!).

128

a

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

b

Abb. 7.6  a Finkelstein-Test – neutral, b Ulnardeviation

7.5.2 B: Intersektionssyndrom • Diese Erkrankung betrifft die Sehnen der ersten und zweiten dorsalen Handgelenkkompartimente, d. h. die APL und EPB im ersten Kompartiment und den Extensor carpi radialis longus (ECRL) und Extensor carpi radialis brevis (ECRB) im zweiten Kompartiment. • Reibung wird dort vermutet, wo die Sehnen des ersten Kompartiments über die des zweiten Kompartiments kreuzen (Abb. 7.7). • Schmerzen, Schwellungen, Empfindlichkeit und Krepitus können alle vorhanden sein. • Nicht mit De-Quervain-Tenosynovitis verwechseln.

7.5.3 C: Extensor-Tenosynovitis • Zusätzlich zu A und B oben kann Tenosynovitis auch die anderen extensorischen Kompartimente betreffen, nämlich das gemeinsame Extensorenkompartiment oder von ECRB oder Extensor carpi ulnaris (ECU). • Anzeichen und Symptome sind bei all diesen Erkrankungen ähnlich.

7.6 Osteoarthritis

129

Abb. 7.7  Intersektionssyndrom. (Nachdruck mit Genehmigung von Radsource https://radsource.us/tendon-intersection-syndromes/)

7.5.4 D: Flexortendinitis • Flexortendinitis kann die Sehne des Flexor carpi radialis (FCR), Flexor carpi ulnaris (FCU) oder die Flexoren der Finger betreffen. • Die Beteiligung der Flexorsehnen ist viel seltener als die Beteiligung der Extensorsehnen. • Tendinitis kann in einigen Fällen eine nichtentzündliche Erkrankung, also eine „Tendinose“, sein.

7.6 Osteoarthritis • Radiokarpal- und distale Radioulnargelenke: – Osteoarthritis entsteht in der Regel posttraumatisch. – Beide Gelenke können jedoch an entzündlicher Arthropathie beteiligt sein, am häufigsten bei rheumatoider Arthritis oder Gicht.

130

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

– Kann auch mit Kienböck-Krankheit assoziiert sein (siehe unten). – Diagnose wird durch Röntgenbild bestätigt. • Karpometakarpalgelenk des Daumens (Abb. 7.8): – Hierbei handelt es sich um eine degenerative Erkrankung, die am häufigsten bei Frauen mittleren Alters spontan auftritt. – Es wird berichtet, dass sie zwischen einem Zehntel und einem Drittel der Frauen betrifft. – Selten ist sie auf entzündliche Erkrankungen oder frühere Traumata zurückzuführen. – Die karpometakarpale Arthritis steht an zweiter Stelle in der Häufigkeit nach Osteoarthritis der DIP-Gelenke der Finger. – Sie präsentiert sich mit Schmerzen und Schwellungen um die Basis des Daumens.

Abb. 7.8  Karpometakarpale Arthritis

7.7 Karpaltunnelsyndrom

131

Abb. 7.9  Skaphotrapeziotrapazoidale Arthritis (STT)

• Skaphotrapeziotrapezoidalgelenk (STT) (Abb. 7.9): – Hierbei handelt es sich um eine degenerative Erkrankung, die häufig im sechsten Lebensjahrzehnt auftritt. – Präsentiert sich mit Schmerzen an der Basis des Thenars. – Es wird gesagt, dass sie bei bis zu 40% der Menschen in dieser Altersgruppe auftritt, obwohl viele asymptomatisch bleiben. – Die Diagnose wird durch eine Röntgenaufnahme bestätigt.

7.7 Karpaltunnelsyndrom Diese Erkrankung ist auf die Kompression des Nervus medianus zurückzuführen, während er durch den Karpaltunnel verläuft (Abb. 7.10).

132

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

Komprimierter Nerv

Handwurzelband Medianusnerv

Karpaltunnelsyndrom Abb. 7.10  Karpaltunnelsyndrom [3]. (Creative Commons-Bild: Blausen. com-Mitarbeiter (2014). Blausen Medical [3])

7.7.1 Symptome • Dazu gehören Schmerzen, Taubheitsgefühl und Kribbeln in Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und der radialen Seite des Ringfingers, besonders schlimm in der Nacht und am frühen Morgen. • Gelegentlich berichten Patienten, dass sie tagsüber Dinge fallen lassen. • Schmerzen bei schwereren Fällen.

7.7 Karpaltunnelsyndrom

133

Abb. 7.11  Tinel-Zeichen

Abb. 7.12  Phalen-Test

7.7.2 Physische Anzeichen • Tinel-Zeichen: Symptome werden durch Klopfen über den Karpaltunnel reproduziert (Abb. 7.11). • Phalen-Test: Symptome werden reproduziert, indem die Handgelenke für 30–60 Sekunden gebeugt gehalten werden (Abb. 7.12). In schweren Fällen können Symptome innerhalb von 10 Sekunden auftreten.

134

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

Abb. 7.13  Durkan-Test

• Durkan-Test: Symptome werden durch direkten Druck auf den Karpaltunnel mit dem Daumen des Untersuchers reproduziert (Abb. 7.13). • Schwäche oder Atrophie der vom Nervus medianus versorgten Thenarmuskulatur

7.8 Störungen des triangulären FaserKnorpel-Komplexes (TFCC) • Ein Verständnis der Anatomie und Funktion dieser Struktur ist wichtig und wird auf den Seiten 96–97 beschrieben (Abb. 5.3). • Der TFCC ist eine lasttragende Struktur zwischen dem Lunatum und Triquetrum des Karpus und dem Ulnarkopf. • Während Degeneration im Alter häufig ist (diese findet sich bei fast 50% der Menschen über 70 Jahre), wird der er oft durch Verletzungen beschädigt. • Eine Verletzung tritt eher bei Menschen mit positiver Ulnarvarianz auf, bei denen die Gelenkfläche des Kopfes der Ulna distaler als die des Radius liegt. Dies kann entwicklungsgeschichtlich bedingt sein oder nach einer Fraktur des distalen Radius auftreten, die mit Verkürzung verheilt ist.

7.9 Kienböck-Krankheit

135

• Patienten klagen über ulnarseitige Handgelenkschmerzen, die gelegentlich mit Klicken verbunden sind. • Lokalisierte Empfindlichkeit kann zwischen dem Os pisiforme und dem Ulnakopf vorhanden sein.

7.9 Kienböck-Krankheit • Aufgrund des Verlusts der Blutversorgung des Lunatumknochens (avaskuläre Nekrose) • Die Ursache ist oft unbekannt, kann aber mit einer offensichtlichen Verletzung, wiederholten kleineren Traumata oder negativer Ulnarvarianz in Verbindung gebracht werden. • Am häufigsten bei Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren • Vier Stadien werden beschrieben, von den mildesten (Stadium 1), bei denen Veränderungen nur in der MRT zu sehen sind, bis zum Stadium 4, bei dem es zum Kollaps des Os lunatum mit Degeneration in den umgebenden Gelenken kommt (Abb. 7.14).

Abb. 7.14  Kienböck-Krankheit

136

7  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Handgelenks

• Symptome sind dorsale Handgelenkschmerzen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit in den späteren Stadien. • Anzeichen sind lokalisierte Empfindlichkeit auf dem Handgelenkrücken, die sehr spezifisch auf das Os lunatum bezogen ist, und mögliche Schwellungen. • Die Erkrankung wird in der MRT detektiert, insbesondere in den frühen Stadien.

Teil III Der Ellbogen

8

Anatomie und Funktion des Ellenbogens

• Wie in Teil 1 erwähnt, besteht die Hauptfunktion des Ellenbogens sowie der Schulter und des Handgelenks darin, die Hand in die effektivste Position zu bringen, um ihre Funktion auszuführen. • Der Ellenbogen ist ein synoviales Scharniergelenk, bei dem das distale Ende des Humerus mit den proximalen Enden von Radius und Ulna artikuliert (Abb. 8.1). • Auf der lateralen Seite des Ellenbogens befindet sich das Radiohumeralgelenk, bei dem der Kopf des Radius mit dem humeralen Capitellum artikuliert, während auf der medialen Seite der Koronoidfortsatz und das Olekranon der proximalen Ulna mit der humeralen Trochlea artikulieren. • Beachten Sie auch, dass das proximale Radioulnargelenk in die Kapsel des Ellenbogengelenks einbezogen ist. • Die einzige Bewegung, die im Ellenbogengelenk selbst stattfindet, ist Beugung und Streckung. • Obwohl die Pronation und Supination des Unterarms in der Bewertung der Ellenbogenbewegung in AMA5 enthalten sind, beinhalten diese Unterarmbewegungen nur die Rotation des Radiuskopfes in den proximalen Radioulnar- und Radiokapitellargelenken. • Pronation und Supination beinhalten keine Rotationsbewegung der Ulna, sondern nur die Rotation des Radius an den proximalen und distalen Radioulnargelenken. Die Hand folgt dem distalen Radius. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_8

139

140

8  Anatomie und Funktion des Ellenbogens

Trochlea

Capitulum Kopf (des Radius)

Trochlear-Kerbe (der Elle) Radiale Kerbe (der Elle)

Abb. 8.1  Anatomie des Ellenbogengelenks. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

• Die medialen und lateralen Bänder stabilisieren den Ellenbogen in der koronalen Ebene. – Das mediale Band ist dreieckig geformt und hat drei Komponenten (Abb. 8.2); der Nervus ulnaris liegt eng an dem tiefen Teil des Bandes an. – Das laterale Band ist am lateralen Epikondylus unterhalb des gemeinsamen Extensorursprungs befestigt und verschmilzt mit dem Ligamentum anulare (Abb. 8.3). – Das Ligamentum anulare ist am radialen Einschnitt der Ulna befestigt und umschließt den Radiuskopf, wodurch eine freie Rotation innerhalb des Bandes ermöglicht wird (Abb. 8.2 und 8.3).

Medialer Aspekt

Annulares Ligament

Oberarmknochen

8  Anatomie und Funktion des Ellenbogens

141

Medialer Epikondylus

Schrägstrich Vorderer Teil Hinterer Teil

Radius

Transversaler Teil

Mediales Kollateralband

Ulna

Oberarmknochen

Abb. 8.2  Mediales Ligament des Ellenbogens. (Nachdruck mit Genehmigung von Clinicalgate www.clinicalgate.com)

Seitliche Sicherheiten. Bandkomplex

Seitlicher Aspekt

Annulares Ligament

Radiales Kollateralband Radius Seitliches (ulnares) Kollateralband Ulna

Supinator-Kamm

Abb. 8.3  Laterales Ligament des Ellenbogens. (Nachdruck mit Genehmigung von Clinicalgate www.clinicalgate.com)

• Das interossäre Ligament zwischen Radius und Ulna hat wichtige Funktionen: Aufgrund der Ausrichtung seiner Fasern verhindert es eine proximale Verschiebung des Radius auf der Ulna und überträgt die Belastung vom Radius auf die Ulna (und somit vom Handgelenk auf den Ellenbogen) (Abb. 8.4) [12].

142

8  Anatomie und Funktion des Ellenbogens

Radius Interossäre Membran Ulna

Abb. 8.4  Interossäres Ligament [12]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5094040808016) aus Zhang R. Chirurgische Behandlung von RSTS im Unterarm- und Ellbogenbereich. In: Zhang R, Herausgeber. Chirurgie für rezidivierenden Weichteilsarkom. Singapur: Springer; 2020. https://doi.org/10.1007/978-981-15-1232-2_15)

• Bei gestrecktem Ellenbogen besteht eine leichte Valgus­ ausrichtung des Unterarms in Bezug auf den Humerus. Dieser Winkel wird als „carrying angle“ (tragender Winkel) bezeichnet und ist bei Frauen (10–15°) etwas größer als bei Männern (5–10°) (Abb. 8.5). Dieser Winkel ist in der Pronation und bei gebeugtem Ellenbogen nicht erkennbar. • Die Beugung des Ellenbogens erfolgt unter Beteiligung von Bizeps und Brachialis. Der Bizeps ist zusätzlich auch für die Supination des Unterarms zuständig. Die Streckung des Ellenbogens durch den Trizeps verursacht. • Beachten Sie die Beziehung der drei Hauptnerven des Arms zum Ellenbogengelenk (Abb. 8.6).

8  Anatomie und Funktion des Ellenbogens

143

Abb. 8.5  Tragender Winkel („carrying angle“)

– Der Nervus radialis geht vom Extensorkompartiment aus, indem er das laterale intermuskuläre Septum durchsticht, in die Fossa cubitalis eintritt und sich dann in seine beiden Endäste, den sensiblen Ast und den Nervus interosseus posterior, aufteilt. – Der Nervus ulnaris durchsticht das mediale intermuskuläre Septum und verläuft hinter dem medialen Epikondylus des Humerus. – Der Nervus medianus überquert die Vorderseite der Fossa cubitalis, medial zur Arteria brachialis liegend.

8  Anatomie und Funktion des Ellenbogens

144

Radialnerv

Nervus Ulnaris

Medianusnerv

Abb. 8.6  Hauptnerven in Bezug auf das Ellbogengelenk. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

• Die Arteria brachialis überquert die Vorderseite des Ellenbogens in der Fossa cubitalis, lateral zum Nervus medianus (Abb. 8.7).

8  Anatomie und Funktion des Ellenbogens

145

Arteria Brachialis

Radialarterie

Arteria ulnaris

Abb. 8.7  Arteria brachialis vor dem Ellbogen. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

9

Systematische Untersuchung des Ellenbogens und Unterarms

• Wie bei Routine-Untersuchungen im Allgemeinen wird zuvor immer eine sorgfältige Anamnese erhoben, insbesondere in Bezug auf eine Vorgeschichte von Verletzungen. • Beim Ellenbogen sollte immer auch nach Symptomen des Nervus ulnaris gefragt werden. • Wie bei jedem Gelenk wäre die Untersuchung des Ellenbogens unvollständig ohne die Überprüfung der proximalen und distalen Gelenke – der Schulter und des Handgelenks. • Jede Untersuchung/Bewertung der oberen Extremität muss eine Untersuchung des Halses einschließen, da übertragene Symptome aus dem Hals eine häufige Ursache für Armschmerzen sind.

9.1 Inspektion und Palpation • Untersuchen Sie die Vorder- und Rückseite sowie beide Seiten des Ellbogens. • Vergleichen Sie immer mit der gegenüberliegenden Seite. • Achten Sie auf Veränderungen im Tragwinkel. • Es ist wichtig, den Kopf der Speiche zu ertasten, der häufig Verletzungen aufweist. – Beugen Sie den Ellbogen und platzieren Sie Ihren Daumen etwas distal zum lateralen Epikondylus, während Sie den Unterarm mit der anderen Hand drehen (Abb. 9.1a, b). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_9

147

9  Systematische Untersuchung des ...

148

a

b

Abb. 9.1  a, b Palpation des Speichenkopfes in Pronation (oben) und Supination (unten)

– Das sich drehende Speichenköpfchen ist leicht unter Ihrem Daumen tastbar. • Tasten Sie den Nervus ulnaris hinter dem medialen Epikondylus ab. • Testen der Stabilität des Ellbogens (Abb. 9.2a, b). – Dies erfolgt mit dem Ellbogen in 20°–30° Beugung. – Beachten Sie, dass der Ellbogen durch die Konfiguration der Trochlea des Humerus und der proximalen Ulna in Streckung „gesperrt“ ist. – Der Untersucher stabilisiert den Ellbogen mit einer Hand, während er mit der anderen Hand eine Valgus- oder Varusbelastung auf den distalen Unterarm ausübt.

9.2 Bewegungsumfang

a

149

b

Abb. 9.2  a Testen der Stabilität des Ellbogens. b Posterolaterale Rotationsinsuffizienz (PLRI)

• Posterolaterale Rotationsinstabilität (PLRI) (Abb. 9.2b). – Verursacht durch Insuffizienz des lateralen Kollateralbandkomplexes. – Es ist die häufigste Art der Instabilität des Ellbogens. – Die proximale Speiche und Ulna rotieren gemeinsam als Einheit mit einer hinteren Subluxation oder Dislokation des Speichenköpfchens in Bezug auf das Capitulum. – Es gibt keine Instabilität des proximalen Radioulnargelenks.

9.2 Bewegungsumfang • Alle Bewegungen werden aktiv und passiv durchgeführt und mit der gegenüberliegenden Seite verglichen. • Der Bewegungsumfang von Beugung und Streckung wird mit einem Goniometer gemessen (Abb. 9.3a, b). • Der normale Bereich liegt zwischen 0° und 140° (wobei 0° die vollständige Streckung ist).

9  Systematische Untersuchung des ...

150

a

b

Abb. 9.3  a, b Streckung (oben) und Beugung (unten)

• Der Unterarm wird in Supination gehalten, und das Goniometer folgt der Linie des Radius. • Pronation und Supination werden getestet, indem der Ellbogen am Körper gehalten und auf 90° gebeugt wird (Abb. 9.4a, b). • Der normale Bereich liegt zwischen 0° und 80/90°. • Obwohl der Großteil der Bewegung sowohl bei Pronation als auch bei Supination zwischen Radius und Ulna stattfindet, gibt es einen zusätzlichen kleinen Beitrag vom Handgelenk. • Wenn es eine Einschränkung der aktiven Bewegung gibt, sollte immer der passive Bewegungsumfang getestet werden, der helfen kann, die Ursache der eingeschränkten aktiven Bewegung zu ermitteln. Dies könnte eine Knochenverformung,

9.2 Bewegungsumfang

a

151

b

Abb. 9.4  a Supination, b Pronation

Muskel- oder Kapselverengung oder Schwäche aufgrund einer muskulären oder neurologischen Störung sein.

9.2.1 Pronation vs. Supination Hier eine Anregung zum Nachdenken über die relative Bedeutung von Pronation und Supination: • Wenn Sie gezwungen wären, sich zwischen eingeschränkter Pronation oder eingeschränkter Supination zu entscheiden, was würden Sie wählen? • Nehmen wir zum Beispiel an, Sie hätten die Hälfte einer der beiden Bewegungen verloren und hätten nur noch 45° Pronation oder Supination übrig. • Bitte treffen Sie Ihre Entscheidung, bevor Sie die Antwort auf Seite 139† nachschlagen.

9  Systematische Untersuchung des ...

152

a

b

Abb. 9.5  Widerstand gegen Beugung (a) und Streckung (b)

9.3 Testen der motorischen Leistung • Die beste Methode zum Testen der Leistung ist der isometrische1 Widerstand. • Die beste Position: Ellbogen im rechten Winkel, Widerstand gegen Beugung (Abb. 9.5a), Streckung (b), Pronation (Abb. 9.6a) und Supination (b). • Testen Sie auch die den Widerstand gegen eine Beugung (a) und Streckung (b) des Handgelenks (Abb. 9.7).

1 Isometrisch: Die Enden des Muskels werden fixiert, wobei die Kontraktion eine erhöhte Spannung erzeugt, aber bei konstanter Länge.

9.3  Testen der Motorleistung

a

153

b

Abb. 9.6  Widerstand gegen Pronation (a) und Supination (b)

9.3.1 Beteiligte Muskeln Beugung: • Bizeps • Brachialis Streckung: • Trizeps Supination: • Bizeps • Supinator

9  Systematische Untersuchung des ...

154

a

b

Abb. 9.7  a, b Beugung und Streckung des Handgelenks (isometrisch)

Pronation: • Pronator teres • Pronator quadratus

9.4 Sensorischer Test • Das Testen der drei Hauptnerven des Arms wird in Teil 1, Seiten 48 bis 52, beschrieben. • Prüfen Sie auch die medialen, lateralen und posterioren antebrachialen kutanen Nerven (Abb. 9.8a, b).

9.4  Sensorische Prüfung

155

†Pronation vs. Supination 9.4.1 

• Wenn Sie Ihren Unterarm in nur 45° Supination haben, können Sie in keiner Weise Rasierschaum oder Creme auf Ihre gegenüberliegende Wange auftragen, keine Münzen als Wechselgeld annehmen und, während Sie Ihre Hand zwar a

PREVIOUS

POST

Abb. 9.8  a Mediale, laterale und posteriore antebrachiale kutane Nerven. (Creative Commons-Bild: Henry Gray (1918) Anatomy of the Human Body Bartleby.com: Gray’s Anatomy, Plate 811). b Mediale, laterale und posteriore antebrachiale kutane Nerven. (Creative Commons-Bild: Henry Vandyke Carter, Public domain, via Wikimedia Commons). (c) Isometrische, konzentrische und exzentrische Kontraktion. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

9  Systematische Untersuchung des ...

156

b ANTERIOR

POSTERIOR

SupraKlavikular (C3-4) Axillary sup. lat. Schnitt (C5-6) Intercostobrachial (T2)

Radial, dors. antebrach. geschnitten. (cS-6)

Post. brach.cut.

Medialer anterbrachialer Schnitt (T1-2)

Seitliche antebrachiale Kutane. (C5-6)

Inf. lat. Schnitt. Post antebrach. schneiden.

Medialer antebrachialer Schnitt. (C8-T1)

Seitliche antebrachiale Kutane. (C5-6) Radial oberflächlich (C6-8)

Radial, oberflächlich (C6-8)

Palmar

Ulnaris (C8-T1)

Palmar digital

Dorsal

Dorsal digital

Dorsal digital

Richtig palmar digital

Palmar digital Palmar digital

Median (C5-8)

Richtig palmar digital

c Konzentrisch Kontraktion

Exzenter Kontraktion

Isometrisch Kontraktion

Der Muskel kontrahiert mit einer Kraft, die größer ist als der Widerstand, und verkürzt sich.

Der Muskel kontrahiert mit geringerer Kraft als der Widerstand und verlängert sich.

Der Muskel zieht sich zusammen, verkürzt sich aber nicht

Bewegung Bewegung

Keine Bewegung

Abb. 9.8  (Fortsetzung)

zu Ihrem Perineum bringen können, so können Sie nicht wischen! • Der Verlust der Supination ist daher eine bedeutende Beeinträchtigung, da es keine Möglichkeit gibt, Ihre Hand in eine

9.4  Sensorische Prüfung

157

vollständig supinierte Position zu bringen; Ihr Körper kommt Ihnen in die Quere, wenn Sie versuchen, dies zu tun. • Befinden Sie sich andererseits in nur 45° Pronation, so müssen Sie lediglich Ihre Schulter um 45° abduzieren, um Ihre Hand in eine vollständig pronierte Position zu bringen. • Und wenn Sie sitzen und Ihre Hand flach auf den Tisch legen möchten, fügen Sie einfach etwas Innenrotation Ihrer Schulter hinzu. (Es ist interessant, dass AMA5 dem Verlust der Pronation mehr Beeinträchtigung beimisst als für den entsprechenden Verlust der Supination.)

9.4.2 Trizepsfunktion – ein instruktiver Fall Es ist allgemein anerkannt, dass die aktive Trizepsfunktion/ Ellenbogenstreckung benötigt wird, zum Beispiel um Krücken zu benutzen oder einen Rollstuhl zu bewegen. Beachten Sie, dass der Ellenbogen passiv durch Schwerkraft gestreckt wird, teilweise kontrolliert durch exzentrische Bizepskontraktion.* Wie oft wird also aktive Ellenbogenstreckung im täglichen Gebrauch benötigt? Ich sah einmal eine Frau in ihren 60ern, die eine Ablösung ihres Trizeps vom Olekranon erlitten hatte. Aus verschiedenen Gründen war keine Rekonstruktion durchgeführt worden und zum Zeitpunkt meiner Untersuchung konnte sie ihren Ellenbogens nicht aktiv strecken. Sie informierte mich, dass es nur zwei Dinge gab, von denen sie wusste, dass sie sie nicht tun konnte. Denken Sie darüber nach. Siehe Antwort unten!# *Exzentrische Kontraktion 9.4.2.1  Exzentrische Kontraktion klingt wie ein Widerspruch in sich, da es zwar „Kontraktion“ genannt wird, die Muskulatur sich jedoch verlängert. Und niemand weiß wirklich, wie es funktioniert!

158

9  Systematische Untersuchung des ...

Betrachten Sie das Beispiel eines Arms, der ein schweres Gewicht anhebt, wie bei einem Bizeps-Curl. Es gibt drei Möglichkeiten (Abb. 9.8c): (i).  Konzentrische Kontraktion: Der Muskel verkürzt sich, während der Ellenbogen gebeugt wird. (ii). Isometrische Kontraktion: Es gibt keine Veränderung der Muskellänge, und der Ellenbogen bewegt sich nicht. (iii).  Exzentrische Kontraktion: Der Muskel verlängert sich, während der Ellenbogen gestreckt wird. Das Beispiel des Bizeps-Curls ist offensichtlich. Betrachten Sie auch die exzentrische Kontraktion des Quadrizepsmuskels beim Treppabsteigen. Ohne die exzentrische Quadrizepskontraktion würde das Knie einfach zusammenbrechen. Und es gibt viele andere weniger offensichtliche Beispiele. #Antwort zur Trizepsfunktion 9.4.2.2  Die einzigen beiden Dinge, von denen die Dame wusste, dass sie sie nicht tun konnte, waren:

• Ihren Haartrockner benutzen, da er einfach auf ihren Kopf fallen würde. • Fleisch schneiden!

Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen des Ellenbogens

10

10.1 Laterale Epikondylitis (Tennisarm) Entzündung/kleine Risse der Befestigung der Extensorensehnen am lateralen Epikondylus des Humerus. Der Extensor carpi radialis brevis ist die am häufigsten beteiligte Sehne.

10.1.1 Symptome • Tritt oft spontan oder nach kraftvoller/wiederholter Handgelenkextension auf • Schmerzen oder brennendes Gefühl über dem lateralen Aspekt des Ellbogens • Oft verbunden mit einem Gefühl von Schwäche

10.1.2 Anzeichen • Positiver Provokationstest – Lokalisierte Empfindlichkeit über dem gemeinsamen Ursprung der Extensoren (Abb. 10.1) • Reproduktion von Symptomen bei: – Extension des Handgelenks gegen Widerstand (Abb. 10.2) – Extension des Mittelfingers gegen Widerstand (Abb. 10.3) © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_10

159

160

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 10.1  Lokalisierte Empfindlichkeit über dem gemeinsamen Ursprung der Extensoren

Abb. 10.2  Streckung des Handgelenks gegen Widerstand

10.2  Mediale Epikondylitis (Golferellenbogen)

161

Abb. 10.3  Streckung des Mittelfingers gegen Widerstand

– Erzwungene passive Flexion des Handgelenks bei gestrecktem Ellbogen (Abb. 10.4) – Versuchtes Heben mit nach unten gerichteter Handfläche (Abb. 10.5), jedoch nicht mit nach oben gerichteter Handfläche

10.2 Mediale Epikondylitis (Golferarm) Schädigung der Befestigung des gemeinsamen Flexorenursprung am medialen Epikondylus des Humerus mit Degeneration oder Rissen, am häufigsten im Flexor carpi radialis oder Pronator teres.

10.2.1 Symptome • Entstehen oft spontan oder nach kraftvollen/wiederholten Handgelenk- und Handbewegungen • Schmerzen oder brennendes Gefühl über dem medialen Aspekt des Ellbogens, insbesondere in Verbindung mit kraftvoller Nutzung des Handgelenks oder der Hand

162

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 10.4  Erzwungene passive Flexion des Handgelenks

• Oft verbunden mit einem Gefühl der Schwäche • Kann mit Parästhesien von Ring- und kleinem Finger (Beteiligung des Nervus ulnaris) einhergehen

10.2.2 Zeichen • Positiver Provokationstest: – Lokale Empfindlichkeit über dem gemeinsamen Flexorenursprung (Abb. 10.6)

10.2  Mediale Epikondylitis (Golferellenbogen)

163

Abb. 10.5  Heben mit nach unten gerichteter Handfläche

Abb. 10.6  Lokale Empfindlichkeit über dem gemeinsamen Flexorenursprung

164

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 10.7  Beugung des Handgelenks gegen Widerstand

• Reproduktion der Symptome bei: – Beugung des Handgelenks gegen Widerstand (Abb. 10.7) – Pronation des Unterarms gegen Widerstand (Abb. 10.8) – Heben mit nach oben gerichteter Handfläche (Abb. 10.9), jedoch nicht mit nach unten gerichteter Handfläche

10.2  Mediale Epikondylitis (Golferellenbogen)

Abb. 10.8  Pronation gegen Widerstand

Abb. 10.9  Heben mit der Handfläche nach oben

165

166

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

10.3 Läsionen des Nervus ulnaris Diese werden in Teil 1 Die Hand behandelt • Motorische Funktiontests: Seiten 38, 39, 42–45 • Sensorische Funktiontests: Seiten 48 bis 50 • Ulnaklaue (Klauenhand, Krallenhand): Seiten 76 bis 79

10.4 Arthritis 10.4.1 A: Entzündlich Wie bei allen Gelenken ist auch der Ellbogen den verschiedenen Arten von entzündlicher Arthritis ausgesetzt. Die häufigsten Erkrankungen sind Gicht, Pseudogicht und rheumatoide Arthritis.

10.4.1.1 Gicht und Pseudogicht • Betrifft normalerweise die Bursa des Olekranons, kann aber auch das Gelenk selbst betreffen. • Diagnose basiert auf: – Blutuntersuchung auf Harnsäure (Gicht) – Gelenk-/Bursa-Aspiration mit Uratkristallen (Gicht) oder Kalziumpyrophosphatkristallen (CPPD) für Pseudogicht – Röntgenbilder, die Gelenkerosionen (Gicht) oder Chondrokalzinose (Pseudogicht) zeigen

10.4.1.2 Rheumatoide Arthritis • Kann das Gelenk selbst oder die Bursa betreffen • Häufig in Verbindung mit rheumatoiden Knötchen auf der Rückseite des Ellbogens und Unterarms • Häufig Gelenkschwellung mit Verlust des Bewegungsumfangs • In fortgeschrittenen Fällen kann Gelenkzerstörung im Röntgenbild sichtbar sein.

10.5  Avulsion der distalen Sehne des Bizeps

167

10.4.2 B: Osteoarthritis • Kann primär oder nach vorherigem Trauma auftreten. • Symptome sind Schmerzen und Steifheit.

10.4.2.1 Anzeichen • • • •

Verminderter Bewegungsumfang mit Krepitus. Synoviale Verdickung und Osteophyten. Deformität und Instabilität. Röntgenbilder können die typischen Anzeichen von Gelenkspalteinengung, Sklerose, Osteophyten, Erosionen und losen Körpern zeigen.

10.5 Avulsion der distalen Bizepssehne Diese Erkrankung folgt unweigerlich einer akuten Verletzung mit Beugung des Ellenbogens gegen Widerstand. Die Ansatzstelle des Bizeps wird vom Radiusköpfchen weggezogen (Abb. 10.10) [1].

10.5.1 Symptome • Ein Rupturgefühl in Verbindung mit akuten Schmerzen in der Vorderseite des Ellenbogens • Wölbung aufgrund des aufgerollten Bizepsmuskels • Prellungen im Ellenbogen- und Unterarmbereich

10.5.2 Zeichen Die Läsion wird nicht selten übersehen, und nachdem die akute Phase abgeklungen ist, können die folgenden Zeichen erkennbar werden:

168

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 10.10  Bizepsansatz am Radiusköpfchen [1]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5084070660438) von Athwal et al. [1]) Langer Kopf des Bizepsmuskels Kurzer Kopf des Bizepsmuskels

Distale Sehne des langen Kopfes Lacertus fibrosus

Kurzer Kopf distale Sehne

• Wölbung im Oberarm, wie oben erwähnt (Abb. 10.11). • Schwellung und Blutergüsse im Ellbogen- und Unterarmbereich • Schwäche der Ellenbogenbeugung und Unterarmsupination, die beiden Hauptfunktionen des Bizeps1 • Trotz der Schwäche bleibt eine aktive Beugung des Ellenbogens (Brachialis) sowie eine aktive Supination des Unterarms (Supinatormuskel) erhalten

1 Denken Sie daran, dass der Bizeps „den Korkenzieher einsetzt und dann den Korken herauszieht“.

10.5  Avulsion der distalen Sehne des Bizeps

169

Abb. 10.11  Bizepswölbung 

• Der „Hakentest“ (Abb. 10.12) ist sehr nützlich, um Bizepsrisse in verzögerten Fällen zu erkennen.2

2 Mit

dem Ellenbogen im rechten Winkel supiniert der Patient aktiv den Unterarm. Normalerweise kann der Untersucher dann den Zeigefinger unter dem intakten Bizepssehne von der lateralen Seite (Abb. 10.12) einhaken. Bei einem Bizepsriss ist die Sehne nicht mehr tastbar, und es ist einfach eine Lücke vorhanden.

170

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 10.12  Haken Test

10.6 Cubitus valgus und varus Der „carrying angle“ wurde oben erwähnt. Dieser beträgt normalerweise durchschnittlich 5–10° bei Männern und 10–15° bei Frauen.

10.6.1 Cubitus valgus • Der Winkel zwischen Humerus und Unterarm, bei gestrecktem Ellbogen und vollständiger Supination, ist

10.7 Verschiedenes

171

vergrößert; das heißt, der Unterarm weicht von der Körpermitte ab. • Ein erhöhter Cubitus valgus kann bei der Geburt aufgrund des Turner-Syndroms3 oder des Noonan-Syndroms4 vorhanden sein. • Im späteren Leben tritt er aufgrund einer Fehlverheilung einer Fraktur des distalen Humerus auf. • Es kann eine verzögerte Ulnarparese verursachen.

10.6.2 Cubitus varus • Hier ist der Winkel zwischen Humerus und Unterarm verkleinert, und der gestreckte Unterarm weicht zur Körpermitte hin ab. • Dies wird als „Gunstock-Deformität“ bezeichnet und folgt unweigerlich einer Fehlverheilung einer suprakondylären Fraktur.

10.7 Verschiedenes 10.7.1 Olekranon-Bursitis • Die Bursa des Olekranons (Abb. 10.13) liegt über der Spitze des Ellbogens und dient als Polster zwischen Haut und Knochen [2]. • Es handelt sich um einen dünnen Beutel, der eine kleine Menge Schmierflüssigkeit enthält, die es der Haut ermöglicht, sich frei über dem Knochen zu bewegen.

3 Turner-Syndrom:

eine Störung, die nur Frauen betrifft, die mit nur einem X-Chromosom geboren werden.

4 Noonan-Syndrom:

eine genetische Mutation mit verzögerter Entwicklung und Knochenfehlbildungen.

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

172

Oberarmknochen

Radius

Olekranon Entzündung des Schleimbeutels

Ulna

Abb. 10.13  Olekranon-Bursitis [2]. (Nachdruck mit Genehmigung (Lizenznummer 5084080062547) von Fox J., Duquin T. (2017) Olecranon Bursitis. In: Eltorai A., Eberson C., Daniels A, Herausgeber. Orthopedic surgery clerkship. Cham: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-319-52567-9_20)

• Wenn die Bursa entzündet oder infiziert wird, sammelt sich Flüssigkeit an und die Bursa schwillt an. • Es gibt mehrere mechanische Ursachen für OlekranonBursitis, einschließlich anhaltendem Druck, Reibung oder Trauma. Es kann auch ohne offensichtliche Ursache auftreten. • Wie oben erwähnt, können sowohl rheumatoide Arthritis als auch Gicht mit einer Olekranon-Bursitis einhergehen. • Die Hauptbeschwerde ist Schwellung, aber es kann auch zu Schmerzen kommen, insbesondere bei Vorliegen einer Infektion/Entzündung. • Gelegentlich ist es möglich, kleine „Samen“ innerhalb der Bursa zu ertasten, wenn nur eine leichte Schwellung vorhanden ist.

10.7 Verschiedenes

173

10.7.2 Osteochondritis dissecans • Diese tritt meist bei Kindern auf, normalerweise im Alter ab 10 Jahren. • Es kommt zur Nekrose eines Knochensegments unbekannter Genese, aber vermutlich auf vaskulärer Basis. • Es kann mit einem Trauma in Verbindung gebracht werden. • Das Fragment aus Knochen und darüber liegendem Knorpel kann sich lösen und sich zu einem freien Gelenkkörper entwickeln. • Symptome sind Schmerzen, möglicher Verlust der vollen Streckung und Einklemmung oder Blockierung, wenn das Fragment sich gelöst hat. • Anzeichen sind seitliche Ellenbogenschmerzen, möglicher Verlust der vollen Streckung des Ellenbogens und Einklemmung wie oben. • Veränderungen im Röntgenbild zeigen die Läsion; diese können minimal sein oder mit Knocheneinbruch oder einem losen Fragment innerhalb des Gelenks einhergehen (Abb. 10.14).

Röntgenbild von OCD Läsion des Capitellum

Abb. 10.14  Osteochondritis dissecans (OCD)

174

10  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

10.7.3 Freie Körper im Ellenbogen • Die üblichen Ursachen sind Osteochondritis dissecans, Trauma oder Assoziation mit Osteoarthritis. • Hauptbeschwerden sind ein intermittierendes Blockieren und (normalerweise) Entblockieren des Ellenbogens. • Schmerzen können vorhanden sein, insbesondere wenn sie mit Arthritis verbunden sind.

Teil IV Die Schulter

Anatomie und Funktion der Schulter

11

11.1 Die Gelenke des Schultergürtels Der Schultergürtel besteht aus vier Gelenken: A. Glenohumeralgelenk B. Akromioklavikulargelenk C. Sternoklavikulargelenk D. Skapulothorakale Artikulation

11.1.1 A: Das Glenohumeralgelenk • Kugelgelenk und Synovialgelenk mit einem großen Humeruskopf und einem kleinen flachen birnenförmigen Glenoid (Abb. 11.1) [15] • Das Glenoid wird durch das Labrum (Abb. 11.2) etwas vertieft. • Während die Diskrepanz in der Größe eine sehr große Bewegungsfreiheit ermöglicht, bedeutet dies auch, dass das Gelenk potenziell instabil ist. • Die Stabilität wird durch die umgebenden Muskeln und Kapselbänder erhöht. • Fünf Bänder sind beteiligt:  die oberen, mittleren und unteren glenohumeralen Bänder (in  der Kapsel des © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_11

177

11  Anatomie und Funktion der Schulter

178

Coracoclavicular ACJ KapselBänder

Trapezförmig

Konoid

Abb. 11.1   Glenohumeralgelenk [15]. (Nachdruck mit Genehmigung [Lizenznummer 5103380795253] von Marcheggiani Muccioli et al. [15])

­ chultergelenks integriert), die transversalen humeralen und S die korakohumeralen Bänder (Abb. 11.3a). • Der lange Kopf des Bizeps (LHB) entspringt dem supraglenoidalen Tuberculum und verläuft distal durch das Gelenk (Abb. 11.3b).

11.1.2 B: Akromioklavikulargelenk • Ebenes synoviales Gelenk zwischen dem lateralen Ende der Klavikula und dem medialen Rand des Akromions der Skapula.

11.1  Die Gelenke des Schultergürtels Endansicht des Schulterblatts Acromion

Gelenkkapsel (Schnitt) Labrum

179 Schlüsselbein

Processus Coracoidus

Bizepsmuskelsehne (Schnitt) Glenoidhöhle

Abb. 11.2  Glenohumeralgelenk. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Domain)

• Die Gelenkflächen sind von Faserknorpel statt von hyalinem Knorpel bedeckt. • Es gibt eine faserknorpelige Scheibe, die am oberen Teil der Kapsel befestigt ist und das Gelenk teilweise aufteilt. • Es gibt zwei Hauptbänder, die das Gelenk stabilisieren: – Ein intrinsisches Band, das akromioklavikuläre Ligament (Teil der Kapsel) ist ein viereckiges Band, das von oben vom Akromion zur lateralen Klavikula verläuft. – Ein extrinsisches Band, das korakoklavikuläre Ligament, besteht aus zwei Komponenten,  dem konoiden Band (kegelförmig) und dem Trapezband (trapezförmig), die sich vom Korakoidfortsatz zur Klavikula erstrecken (Abb. 11.4). • Das korakoklavikuläre Ligament ist der Hauptstabilisator des Akromioklavikulargelenks und hält die gesamte obere Extremität von der Klavikula.

180

11  Anatomie und Funktion der Schulter

a

b

Abb. 11.3  (a) Fünf Bänder, die das Glenohumeralgelenk stabilisieren [16]. (Nachdruck mit Genehmigung [Lizenznummer 5084620511798] von Yılmaz et al. [16]). (b) Bizepssehne. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Domain)

11.1.3 C: Sternoklavikulargelenk • Synoviales Gelenk, das die Klavikula mit dem Sternum und dem oberen Teil des ersten Rippenknorpels verbindet (Abb. 11.5).

11.1  Die Gelenke des Schultergürtels

181

Korakoklavikulares Ligament Tuberculum conoideum

Ligamentum Trapezförmi conoideum ges Ligament

Akromioklavikulares Ligament Acromion Processus Coracoidus Glenoidhöhle

Suprascapuläre Kerbe

Abb. 11.4  Korakoklavikuläres Ligament. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Domain)

• Merke: Es ist das einzige echte Gelenk, das den Arm mit dem Rumpf verbindet (das skapulothorakale Gelenk ist kein echtes Gelenk – siehe unten). • Das Gelenk ist durch eine fibrokartilaginäre Gelenkscheibe in zwei Kammern unterteilt. • Wie beim Akromioklavikulargelenk sind die Gelenkflächen von Faserknorpel statt von hyalinem Knorpel bedeckt. • Es gibt wichtige und sehr starke Bänder (Abb. 11.6) [17]: – Sternoklavikulär – anterior und posterior – Interklavikulär – Kostoklavikulär • Aufgrund der Stärke dieser Bänder sind Luxationen des Sternoklavikulargelenks selten; die Klavikula bricht normalerweise, bevor eine Verletzung der Bänder auftritt. • Es ist wichtig zu erkennen, dass alle Bewegungen der Schulter, und seien sie noch so geringfügig, immer auch eine Bewegung im Sternoklavikulargelenk beinhalten.

11  Anatomie und Funktion der Schulter

182

Schlüs selbein

Gelenksscheibe

Rippe 1 Manubrium

Abb. 11.5  Sternoklavikulargelenk. (Mit Genehmigung von TeachMeAnatomy reproduziert https://teachmeanatomy.info/upper-limb/joints/sternoclavicular/)

Schlüsselbein Erste Rippe Costoclaviculares Band Intraartikuläres Bandscheibenband Manubrium

Anteriores Kapselband

Interklavikuläres Ligament

Abb. 11.6  Bänder des Sternoklavikulargelenks [17]. (Mit Genehmigung [Lizenznummer 5084560127506] von Geeslin et al. [17] nachgedruckt)

11.1.4 D: Skapulothorakales Gelenk • Betrifft die Gelenke der Skapula mit der hinteren Brustwand (Abb. 11.7) • Es handelt sich nicht um ein „echtes“ Gelenk, da die Oberflächen nicht von Knorpel bedeckt sind und es keine Synovialmembran und keine Gelenkkapsel gibt. Zwischen dem Musculus subscapularis und der Brustwand befindet sich eine Bursa.

11.1  Die Gelenke des Schultergürtels

183

Acromioclaviculargelenk Glenohumeralgelenk

Schulter-ThoraxGelenk

Abb. 11.7  Skapulothorakales Gelenk. (Mit Genehmigung von BioDigital: Powered by BioDigital.com reproduziert)

Bewegungen des skapulothorakalen Gelenks sind eng mit der Bewegung der anderen drei Gelenke des Schultergürtels verbunden, die oben erwähnt wurden. • Darüber hinaus sind Bewegungen der Skapula mit Bewegungen des Akromioklavikular- oder Sternoklavikulargelenks oder beider Gelenke verbunden. • Die auffälligsten Bewegungen der Skapula sind Heben und Senken, wie beim Schulterzucken, und Rotationsbewegung: nach oben, wenn der Arm angehoben wird, und nach unten, wenn der Arm zur Seite zurückkehrt. • Ohne Skapulabewegung wäre die Schultererhebung sehr eingeschränkt.

11  Anatomie und Funktion der Schulter

184

• Die Stabilität der Skapula wird durch die umfangreichen Muskelansätze sowie die Akromioklavikular- und Sternoklavikulargelenke gewährleistet. • Siebzehn Muskeln setzen an der Skapula an (überprüfen Sie Ihr Anatomiebuch!).

11.2 Die Rotatorenmanschette • Die Rotatorenmanschette besteht aus den Sehnen von vier Muskeln, die von der Skapula ausgehen und zusammen mit der Schulterkapsel eine Rotatorenmanschette bilden. • Die Muskeln sind Supraspinatus, Infraspinatus, Subskapularis und Teres minor (Abb. 11.8). • Jeder dieser Muskeln hat eine separate Funktion, aber in Kombination tragen sie erheblich zur Schulterstabilität bei, indem sie den Kopf des Humerus in der Glenoidpfanne stabilisieren und zentrieren. Dies ist besonders relevant, wenn der Deltamuskel die Schulter abduziert. • Die unabhängige Aktion und Nervenversorgung dieser Muskeln sind wie folgt:

Posterior

Vorderseite

Supraspinatus Infraspinatus Subscapularis Teres major Teres minor

Abb. 11.8  Muskeln der Rotatorenmanschette. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

11.3 Schulterstabilität

185

• Supraspinatus: Initiierung der Abduktion (Nervus suprasca­ pularis [C5,6]) • Infraspinatus: Außenrotation des Arms (Nervus suprasca­ pularis [C5,6]) • Subskapularis: Innenrotation des Arms (Nervi subscapulares [C5,6]) • Teres minor: Außenrotation und Abduktion (hinterer Ast des Nervus axillaris [C5,6]) • Spezifische Tests für jeden dieser Muskeln werden im Abschnitt über die „Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen“ besprochen. • Störungen der Rotatorenmanschette sind die häufigste Ursache für Symptome, die in der Schulter auftreten, entweder als Folge von Rissen, Entzündungen oder Verkalkungen in der Sehne. • Beim Anheben des Arms passiert die Rotatorenmanschette das Akromion und das korakoakromiale Ligament (Abb.  11.2). Pathologien in der Manschette oder im Akromion können zu einer Impingement-Symptomatik führen, einer sehr häufigen Ursache von Schulterschmerzen (siehe Seite 202).

11.3 Schulterstabilität • Das Verhältnis der Größe des Humeruskopfes zu der des Glenoids wurde mit dem einer Billardkugel und einem großen Teelöffel verglichen. • Obwohl dies einen enormen Bewegungsumfang ermöglicht, macht es das Gelenk auch sehr instabil. Wie erhält das Glenohumeralgelenk seine Stabilität? • Beachten Sie, dass die Schulterbänder, obwohl sie sehr stark sind, nur straffen und funktionieren, wenn das Gelenk am Ende des Bewegungsumfangs gedehnt wird. • Zu Beginn eines Baseballwurfs, mit dem abduzierten, gestreckten und außenrotierten Arm, sind die vorderen Bänder straff, während am Ende des Wurfs die hinteren Bänder straff sind.

186

11  Anatomie und Funktion der Schulter

• In Ruhe sind jedoch alle Bänder locker, ebenso wie die Gelenkkapsel. • Es gibt zwei Arten von Stabilisatoren: statische und dynamische.

11.3.1 Statische Stabilisatoren • Im Schultergelenk besteht teilweise ein Vakuum, das hilft, den Humeruskopf im Glenoid zentriert zu halten. – Lassen Sie Luft in das Gelenk, und eine Röntgenaufnahme zeigt eine leichte inferiore Subluxation des Humeruskopfes. • Kapsel- und glenohumerale Bänder, die –  wie bereits erwähnt – Verdickungen der Kapsel darstellen.

11.3.2 Dynamische Stabilisatoren • Der Hauptstabilisator des Schultergelenks ist die synergistische Wirkung der Rotatorenmanschettenmuskulatur und, in geringerem Maße, der anderen umgebenden Muskeln. • Der Mechanismus der  Rotatorenmanschette  wird durch Mechanorezeptoren in der Gelenkkapsel ermöglicht, die für Propriozeption sorgen.

Systematische Untersuchung der Schulter

12

• Wie bei gemeinsamen Untersuchungen im Allgemeinen wird vor der Untersuchung immer eine sorgfältige Anamnese erhoben, insbesondere in Bezug auf die Vorgeschichte von Verletzungen. • Jede Untersuchung/Bewertung der oberen Extremität muss eine Untersuchung des Halses einschließen, da übertragene Symptome aus dem Hals eine häufige Ursache für Armschmerzen sind. • Das Ellenbogengelenk muss ebenfalls untersucht werden.

12.1 Inspektion und Palpation • Eine klare Sicht auf die Schulter, von vorne und hinten, ist unerlässlich. • Vergleichen Sie immer mit der gegenüberliegenden Seite. • Die Untersuchung der Schulter sollte systematisch durchgeführt werden. • Wenn man nicht mit der Durchführung von Schulteruntersuchungen vertraut ist, kann es sinnvoll sein, eine Checkliste zu verwenden, bis sich eine Routine etabliert hat (siehe Checkliste). • Es ist auch hilfreich, zuerst die gesunde Schulter zu untersuchen, damit der Patient weiß, was ihn erwartet und hoffentlich entspannter ist. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_12

187

188

12  Systematische Untersuchung der Schulter

• Bei der Inspektion können mehrere signifikante körperliche Zeichen und gelegentlich ihre Ursache festgestellt werden: • Retraktion und Elevation der betroffenen Seite weisen auf eine schützende Muskelkontraktion hin (Abb. 12.1). • a „Popeye“-Wölbung im vorderen unteren Arm – Ruptur der proximalen Bizepssehne. b Wölbung im Oberarm – Ruptur der distalen Bizepssehne • Abflachung des Deltamuskels mit scheinbarer lateraler Abwinkelung des distalen Humerus an der Grenze des oberen Drittels und der unteren zwei Drittel – akute anteriore Schulterluxation (Abb. 12.3a) • Deltamuskelatrophie – Inaktivitätsatrophie oder eine Läsion des Axillarnervs (b) • Atrophie des hinteren Deltamuskels allein – Läsion des hinteren Astes des Axillarnervs (Abb. 12.4)

Abb. 12.1  Retraktion und Elevation der Schulter

12.1  Inspektion und Palpation

a

189

b

Abb. 12.2  a Ruptur des proximalen Bizeps: Popeye-Zeichen. b Ruptur des distalen Bizeps

a

b

Abb. 12.3  a Akute anteriore Dislokation der Schulter. b Atrophie des Deltamuskels

• Atrophie von Supraspinatus und/oder Infraspinatus – Rotatorenmanschettenruptur (Abb. 12.5) oder Schädigung des Nervus suprascapularis • Beachten Sie, dass eine Atrophie des Infraspinatus allein auf eine Schädigung des Nervus suprascapularis hindeutet. • Bei kräftiger gebauten Patienten ist es oft einfacher, die Atrophie von Supraspinatus und Infraspinatus zu fühlen, als sie zu sehen.

190

12  Systematische Untersuchung der Schulter

Abb. 12.4  Atrophie des posterioren Deltamuskels 

Verschwinden des Supraspinatus

Verschwinden des Infraspinatus

Abb. 12.5  Atrophie von Supra- und Infraspinatus

12.1  Inspektion und Palpation

191

Abb. 12.6  Subluxation des Akromioklavikulargelenks

• Prominentes distales Ende der Klavikula – AC-Gelenk-Dislokation/Subluxation (vergleichen Sie mit der gegenüberliegenden Seite, da es eine normale Variante sein kann) (Abb. 12.6) • Scapula alata – häufig aufgrund von Nervenschäden (siehe Seite 167) (Abb. 12.7) • Tasten Sie in folgender Reihenfolge auf Empfindlichkeit ab: – Sternoklavikulargelenk – Processus coracoideus – Akromioklavikulargelenk – Bizepssehne, am besten im Sulcus intertubercularis zu spüren, mit abwechselnder Innen- und Außenrotation des Arms (Abb. 12.8) – Subakromiale Palpation: • Vorne, mit leicht gestrecktem Arm – Supraspinatus • Posterolateral, mit leicht gebeugtem Arm – Infraspinatus • Hinten – Nervus axillaris

192

12  Systematische Untersuchung der Schulter

Abb. 12.7  Scapula alata 

Abb. 12.8  Palpation der Bizepssehne

12.2 Bewegungsumfang • Die Untersuchung erfolgt in drei Ebenen und erfordert sechs Messungen mit einem Goniometer (falls nötig) (Abb. 12.9) • (Hinweis: Bei der Beurteilung von Beeinträchtigungen nach den AMA-Richtlinien werden Innen- und Außenrotationen bei 90° Abduktion der Schulter gemessen.)

12.2 Bewegungsumfang

193

Entführung

Vorwärtsbe ugung Entführung

Horizontale Beugung

Erweiterung Innere Drehung

Neutrale Ebene des Schulterblatts

Außenrotation

Horizontale Ausdehnung

Abb. 12.9  Bewegungsumfang der Schulter. (Dieses Werk wurde von seinem Autor in die Gemeinfreiheit übergeben, der Autor gewährt jedem das Recht, dieses Werk für jeden Zweck zu nutzen, ohne Bedingungen, es sei denn, solche Bedingungen sind gesetzlich vorgeschrieben.)

• Normale Bewegungsbereiche sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Beugung

180°

Streckung

50°

Abduktion

170°–180°

Adduktion

40°

Innenrotation

80°–90°

Außenrotation

70°–90°

• Testen Sie immer den passiven Bewegungsumfang, der typischerweise bei adhäsiver Kapsulitis (Frozen Shoulder) und glenohumeralen Gelenkstörungen eingeschränkt ist. • Wie bereits erwähnt, ist die Überkopfbewegung der Schulter eine Kombination aus glenohumeraler (zwei Drittel) und skapulothorakaler Bewegung (ein Drittel).

194

12  Systematische Untersuchung der Schulter

• Die Beseitigung der skapulothorakalen Komponente wird den Gesamtbereich der Schultererhebung erheblich einschränken; dies kann durch aktives Verhindern der Skapularbewegung durch Drücken auf die Oberseite der Schulter demonstriert werden (Abb. 12.10).

12.3 Motorische Kraft testen Hinweis: „Positive“ Tests, die auf eine verminderte Funktion hindeuten, können auf Sehnenschäden (einschließlich vollständiger oder teilweiser Risse), Denervierung oder schlicht auf Schmerzen zurückzuführen sein.

12.3.1 Muskeln der Rotatorenmanschette • Supraspinatus: stabilisiert den Humeruskopf in der Glenoidhöhle und unterstützt die Abduktion. Die folgenden Tests sind für die Funktion des Supraspinatus: – A: Empty-can-Test • Mit dem Arm in 90° Abduktion, 30° Flexion (in der Ebene der Skapula) und voller Innenrotation (Daumen zeigt nach unten), als ob eine Dose geleert würde,

Abb. 12.10  Verhindern der Skapularbewegung

12.3  Motorische Kraft testen

195

Abb. 12.11  Empty-can-Test

leistet  der Patient Widerstand gegen den abwärts gerichteten Druck auf den Unterarm (Abb. 12.11). • Starke Schmerzen oder Schwäche weisen auf einen positiven Test hin. • Dieser Test ist hilfreich für den gleichzeitig Vergleich mit dem normalen Arm. – B: Drop-arm-Test • Passive Abduktion auf 90° (Abb. 12.12). • Der Patient wird angewiesen, den Arm langsam zur Seite abzusenken.

Abb. 12.12  Drop-arm-Test

196

12  Systematische Untersuchung der Schulter

• Wenn der Arm zur Seite fällt oder der Test mit starken Schmerzen verbunden ist, deutet dies auf einen positiven Test hin.

12.3.2 Infraspinatus (Außenrotator des Humerus) • Mit dem Arm an der Seite, Ellenbogen um 90° gebeugt und neutrale Rotation (Daumen nach oben), ist eine Schwäche der Außenrotation gegen Widerstand ein positiver Test (Abb. 12.13).

12.3.3 Subskapularis (Innenrotator des Humerus) • A: Belly-press-Test – Der Patient wird angewiesen, die Hand flach auf dem Bauch zu halten, während der Ellenbogen vor der Koronalebene ist und der Untersucher eine Außenrotationskraft anwendet (Abb. 12.14).

Abb. 12.13  Infraspinatus – schwache Außenrotation

12.3  Motorische Kraft testen

197

Abb. 12.14  Belly-press-Test

– Die Unfähigkeit, Widerstand gegen die Außenrotationskraft zu leisten, oder wenn der Ellenbogen zurückfällt, gilt als positiver Test. • B: Lift-off-Test – Siehe Seiten 188 und 189 sowie Abb. 13.4.

12.3.4 Teres major (Schulteradduktion – begrenzte klinische Anwendung) • Mit dem Arm in 45° Abduktion versucht der Patient, den Arm gegen Widerstand zu adduzieren (Abb. 12.15a). • Da eine Schwäche durch die großen Schulteradduktoren, Pectoralis major und Latissimus dorsi, verdeckt wird, sollte immer der Muskelbauch posterior, ausgehend vom unteren Winkel des Schulterblatts, palpiert werden (Abb. 12.15b). (Tipp: Um sich an die Funktionen des Teres major zu erinnern, legen Sie die Handrücken auf Ihr Kreuzbein – das

12  Systematische Untersuchung der Schulter

198

a

b

c

Abb. 12.15  a Teres major – Widerstand gegen Adduktion. b Palpation des Teres major. c Teres major und minor. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

12.4  Muskeln, die an Bewegungen der Schulter beteiligt sind

199

Abb. 12.16  Deltamuskel – Widerstand gegen Abduktion

heißt, Innenrotation, Extension und Adduktion. Von zweifelhafter klinischer Bedeutung!) – Deltamuskel (Schulterabduktion): • Mit dem Arm in 45° Abduktion versucht der Patient, den Arm gegen Widerstand zu abduzieren (Abb. 12.16). • Überprüfen Sie immer auf eine Deltamuskelatrophie.

12.4 Muskeln, die an Schulterbewegungen beteiligt sind 12.4.1 Flexion • Pectoralis major (klavikulärer Kopf) • Deltamuskel (vordere Fasern) • Korakobrachialis • Kurzer Kopf des Bizeps

12.4.2 Extension • Latissimus dorsi • Teres major • Deltamuskel (hintere Fasern)

200

12  Systematische Untersuchung der Schulter

12.4.3 Abduktion • Deltamuskel • Supraspinatus initiiert die Abduktion, und die Muskeln der Rotatorenmanschette halten die Stabilität des Humeruskopfes im Glenoid, während die Abduktion vom Deltamuskel ausgeführt wird.

12.4.4 Adduktion • Pectoralis major • Latissimus dorsi • Teres major

12.4.5 Außenrotation • Infraspinatus • Teres minor

12.4.6 Innenrotation • Pectoralis major • Subscapularis • Teres major

12.5 Sensorischer Test • Der sensorische Test rund um die Schulter bei Patienten mit Schulterbeschwerden ist sehr wichtig. Es gibt zwei klinische Bilder, die sehr häufig auftreten, aber oft übersehen werden: – Läsionen des hinteren Astes des Nervus axillaris – Läsionen des Nervus supraclavicularis • Diese beiden Pathologien werden im nächsten Abschnitt über die „Untersuchung auf spezifische Zustände“ ausführlicher besprochen.

Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen der Schulter

13

13.1 Hinweis: Checkliste • Die Untersuchung des Schultergelenks als komplexestem Gelenk im Körper ist sehr anspruchsvoll. • Für Nichtschulterspezialisten ist es sinnvoll, bei der Untersuchung der Schulter eine Checkliste parat zu haben. • Am Ende dieses Abschnitts wird daher eine Checkliste zur Verfügung gestellt.

13.2 Rotatorenmanschettenläsionen In allen Fällen wird ein positiver Test durch Schwäche oder Schmerzen oder beides angezeigt. Bei langanhaltenden Beschwerden kann es Anzeichen einer Muskelatrophie geben. • Supraspinatus: Empty-can-Test – Arme in 90°-Anhebung in der Skapularebene mit voller Innenrotation (Daumen nach unten – leere Dose) (Abb. 13.1). – Patient leistet Widerstand gegen den abwärts gerichteten Druck auf die Arme. • Infraspinatus und Teres minor: – Arm an der Seite, Ellbogen im rechten Winkel. – Patient rotiert nach außen gegen Widerstand (Abb. 13.2). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3_13

201

202

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 13.1  Empty-can-Test

Abb. 13.2  Infraspinatus – schwache Außenrotation

• Subskapularis: – Belly-press-Test: • Hand ruht auf dem Bauch mit der Hand des Untersuchers darunter und dem Ellbogen nach vorne. • Patient versucht, Widerstand gegen die  externe Rotationskraft des Untersuchers zu leisten (Abb. 13.3). – Lift-off-Test (nicht möglich, wenn Innenrotation eingeschränkt oder schmerzhaft ist):

13.3  Glenohumerale Instabilität

203

Abb. 13.3  Belly-press-Test 

• Hand hinter dem Rücken mit dem Handrücken auf der Sakroiliakalregion aufliegend. • Untersucher hebt die Hand vom Rücken ab (Abb. 13.4) und lässt dann los. • Test positiv, wenn Patient diese Position nicht halten kann.

13.3 Glenohumerale Instabilität Die Anatomie der glenohumeralen Instabilität wird in Abschn. 11.1.1 besprochen. Glenohumerale Instabilität ist „die Unfähigkeit, den Humeruskopf in der Glenoidfossa zu halten“ und kann klassifiziert werden nach: • Ursache: – Traumatisch – Atraumatisch (Bandlaxität, strukturelle Störungen) • Grad der Instabilität: – Apprehension – Subluxation – Ausrenkung • Richtung: – Anterior

204

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 13.4  Lift-off-Test

– Posterior – Inferior – Multidirektional

13.4 Spezielle Tests 13.4.1 Vordere Instabilität • Apprehension-Test (gefolgt von Jobes Relocation-Test): – Schulter in 90° Abduktion und in Außenrotation, mit gebeugtem Ellbogen auf 90° (Abb. 13.5). – Der Untersucher erhöht langsam und passiv die Außenrotation. – Der Test ist positiv, wenn der Patient Beschwerden hat oder Schmerzen empfindet.

13.4  Spezielle Tests

205

Abb. 13.5  Apprehension-Test

• Jobes Relocation-Test (nach dem Apprehension-Test): – Wie oben, aber vor der Erhöhung der Außenrotation übt der Untersucher eine posteriore Kraft auf den Humeruskopf aus, um eine vordere Subluxation zu verhindern (Abb. 13.6). – Wenn die Beschwerden/Schmerzen jetzt reduziert/nicht mehr vorhanden sind (nach einem positiven ApprehensionTest), ist dies ein bestätigender Hinweis auf eine vordere Instabilität. • Vorderer Schubladentest (siehe auch hinterer Schubladentest): – Mit dem Patienten in Rückenlage oder aufrecht stabilisieren Sie die Skapula mit einer Hand und v­ ersuchen

206

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 13.6  Jobes Relocation-Test

Sie, den Humeruskopf mit der anderen Hand nach vorne zu bewegen, wobei Sie das Ausmaß der Subluxation beachten (Abb. 13.7). – Vergleichen Sie immer mit der nichtbetroffenen Seite.

13.4.2 Hintere Instabilität • Hinterer Schubladentest (kann zusammen mit dem vorderen Schubladentest durchgeführt werden).

13.4  Spezielle Tests

207

Abb. 13.7  Vorderer Schubladentest

Abb. 13.8  Hinterer Schubladentest

• Mit dem Patienten in Rücken- oder aufrechter Position stabilisieren Sie das Schulterblatt mit einer Hand und ­versuchen, den Kopf des Humerus rückwärts mit der anderen Hand zu bewegen, wobei das Ausmaß der Subluxation zu beachten ist (Abb. 13.8). • Hinterer Apprehension-/Stresstest: Bei gebeugter, adduzierter und innenrotierter Schulter kann der hintere Druck die Instabilität aufzeigen. • Vergleichen Sie immer mit der nichtbetroffenen Seite.

208

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

13.4.3 Untere Instabilität • Sulkus-Zeichen: – Abwärtszug am hängenden und entspannten Arm des Patienten (Abb. 13.9). – Ein Sulkus unter dem Akromion zeigt einen positiven Test an.

Abb. 13.9  Sulkus-Zeichen

13.5 Labrumrisse

209

13.4.4 Multidirektionale Instabilität • Verwenden Sie eine Kombination der oben aufgeführten Tests, insbesondere der vorderen und hinteren Schubladentests und des Sulkus-Zeichens.

13.5 Labrumrisse Die Anatomie und Funktion des Labrums werden in Abb. 11.3 besprochen. Es gibt drei Haupttypen von Labrumrissen: • Bankart-Riss oder -Läsion • SLAP-Riss oder -Läsion • Hinterer Labrumriss

13.5.1 Bankart-Läsion • Die Bankart-Läsion (Abb. 13.10) ist die häufigster Ruptur, die das vordere untere Labrum betrifft. • Häufig nach vorderer Dislokation der Schulter • Spezielle Tests: für vordere Instabilität, wie oben erwähnt

13.5.2 SLAP-Riss • Tritt oberhalb der Mitte des Glenois von 10 bis 2 Uhr auf • SLAP steht für „superior labrum, anterior to posterior“ (von vorne nach hinten) (Abb. 13.11) • Oft in Verbindung mit Schäden am langen Kopf des Bizeps • Spezieller Test: O’Brien-Test (siehe unten)

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

210

Glenoid

Labrum

Bankart-Läsion

Abb. 13.10  Bankart-Läsion

13.5.3 Hintere Labrumrisse (reverse BankartLäsion) • Die seltenste Rupturform – 5% aller Fälle (Abb. 13.12) • Nach posterioren Schulterluxationen • Spezieller Test: wie oben für hintere Instabilität angegeben

13.5.4 O’Brien-Test • Mit der Schulter in 90° Flexion, 20–30° horizontaler Adduktion und maximaler Innenrotation (Daumen nach unten) hebt der Patient den Arm gegen den Widerstand des Untersuchers (Abb. 13.13).

13.5 Labrumrisse

211

Abb. 13.11   SLAP-Ruptur. (Urheberrechtsfreies Bild im öffentlichen Bereich)

• Der Test wird dann mit dem Arm in neutraler Rotation (Daumen nach oben) wiederholt (Abb. 13.14). • Schmerzen in der innenrotierten Position, aber nicht in der neutralrotierten Position, weisen auf eine SLAP-Läsion hin. • Einige Untersucher bevorzugen es, den Test mit dem Ellenbogen in 90° Beugung durchzuführen.

212

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

UMGEKEHRTE BANKARTVERLETZUNG (Labralriss)

Abb. 13.12  Reverse Bankart-Läsion. (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Nabil Ebraheim MD https://www.youtube.com/channel/UCOHfqHMhH vfQCYJDXfpSAiw)

13.6 Bizepssehne • Die lange Sehne des Bizepskopfes entspringt dem Supraglenoidtuberkel und dem Glenoidlabrum und verläuft durch das Schultergelenk und in die Bizepsrinne zwischen den Tuberositas major und minor. • Obwohl die Sehne intraartikulär liegt, ist sie extrasynovial und von einer Synovialscheide umgeben. • Es gibt drei Haupttypen von Bizepssehnenpathologien: – Tendinitis – Ruptur – Instabilität

13.6 Bizepssehne

213

Abb. 13.13  O’Brien-Test – Innenrotation

Abb. 13.14  O’Brien-Test – neutrale Rotation

13.6.1 Tendinitis • Betrifft die Sehne innerhalb der Bizepsrinne, insbesondere im oberen Bereich • Oft in Verbindung mit Rotatorenmanschettenpathologie und Glenohumeralarthrose

214

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

• Spezielle Tests: – Speed-Test (siehe Seite 201) – Yergason-Test (siehe Seite 202) – Palpieren Sie immer auf Empfindlichkeit in der Bizepsrinne.

13.6.2 Ruptur • Die Sehnenruptur kann am Ursprung (selten) oder an der Muskel-Sehnen-Verbindung (häufig) auftreten. • Wie bei Tendinitis ist sie oft mit anderer Schulterpathologie assoziiert. • Der Muskel ist noch teilweise funktionsfähig, da der kurze Bizepskopf intakt bleibt. • Klinisch zeigt sich die Sehnenruptur durch eine auffällige Schwellung im unteren Teil des Arms – das „PopeyeZeichen“ (Abb. 10.11).

13.6.3 Bizeps-Instabilität • Die wichtigen Stabilisatoren des langen Kopfes des Bizeps innerhalb der Bizepsrinne sind die Ansatzstelle der Sehne des Subskapularis sowie die oberen Glenohumeral- und Korakohumeralbänder. • Mediale Subluxation oder Dislokation der langen Bizepssehne ist häufig mit Rissen des Subskapularis verbunden, kann aber auch unabhängig davon auftreten.

13.6.3.1 Speed-Test • Mit leicht gebeugtem Ellbogen und Unterarm in Supination versucht der Patient, den Arm gegen Widerstand anzuheben (Abb. 13.15). • Schmerzen im Bereich der Bizepsrinne gelten als positiver Test für Bizepssehnentendinitis.

13.6 Bizepssehne

215

Abb. 13.15  Speed-Test

13.6.3.2 Yergason-Test • Mit dem Arm an der Seite und dem Ellbogen bei 90° und dem Unterarm in Pronation, leistet der Untersucher dem Versuch des Patienten, den Unterarm zu supinieren, Widerstand (Abb. 13.16). • Wie beim Speed-Test gelten Schmerzen im Bereich der Bizepsrinne als positiver Test für eine Tendinitis der Bizepssehne.

Abb. 13.16  Yergason-Test

216

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

13.7 Impingement • Ein Impingement tritt auf, wenn eine degenerierte oder entzündete Rotatorenmanschette während der aktiven Anhebung des Arms gegen das Akromion und das korakoakromiale Ligament stößt. • Es werden mehrere Tests beschrieben, um ein Impingement zu erkennen, wobei die beiden häufigsten Tests der Neer-Test und der Hawkins-Kennedy-Test sind. – Neer-Test: • Der Untersucher stabilisiert die Schulter mit einer Hand, während er den Arm mit der anderen Hand passiv beugt (Abb. 13.17). • Schmerzen und/oder Angst sind Anzeichen für eine Patho­ logie im Supraspinatus oder im langen Kopf des Bizeps. • Einige bevorzugen es, den Test mit dem um 90° gebeugten Ellenbogen durchzuführen. – Hawkins-Kennedy-Test: • Mit der Schulter und dem Ellenbogen in 90° Beugung und dem Unterarm in der horizontalen Ebene, rotiert der Untersucher die Schulter passiv nach innen (Abb. 13.18). • Schmerzen und/oder Angst sind Anzeichen für eine Pathologie im Supraspinatus.

Abb. 13.17  Neer-Test

13.8  Adhäsive Kapsulitis (Frozen Shoulder)

217

Abb. 13.18  Hawkins-Kennedy-Test

13.8 Adhäsive Kapsulitis (Frozen Shoulder) • Eine gut erkannte Erkrankung unbekannter Ursache, die sich durch starke Schmerzen und Steifheit der Schulter auszeichnet. • Die Erkrankung kann primär ohne auslösendes Ereignis oder sekundär nach Trauma oder Operation an der Schulter auftreten. • Vier anerkannte Stadien: I: Zunehmende Schmerzen bei Erhaltung der Bewegung: Painful II: Anhaltende Schmerzen mit zunehmender Steifheit: Freezing III: Abnehmende Schmerzen bei anhaltender Steifheit: Frozen IV: Langsame Verbesserung des Bewegungsumfangs: Thawing • Endbereichsschmerzen in alle Richtungen sind typisch. • Neigt dazu, selbstlimitierend zu sein, kann sich jedoch möglicherweise nicht vollständig zurückbilden. • Häufiger bei Frauen und im Alter von 40 bis 60 Jahren. • Häufig in Verbindung mit Diabetes (beide Typen), der in bis zu 20% der Fälle von Frozen Shoulder gefunden wird, auch manchmal in Verbindung mit Morbus Dupuytren, Schilddrüsenerkrankungen und Herzkrankheiten

218

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

• Die Pathologie ist eine Entzündung, die eine fibroblastische Proliferation mit Verdickung der Kapsel verursacht, die dann an sich selbst und am Humerus haftet. (Hinweis: Wenn in den Stadien II und III ein zufriedenstellender Bereich der Außenrotation vorhanden ist, ist die Diagnose einer Frozen Shoulder unwahrscheinlich.)

13.9 Akromioklavikulargelenk (ACG) (Die Anatomie und Funktion des ACG werden in Abschn. 11.1.2 beschrieben.) Für die Integrität des ACG werden mehrere Tests beschrieben; drei der gebräuchlicheren und nützlicheren Tests werden hier beschrieben. Bei all diesen Tests wird Schmerz im Bereich des ACG als positiver Test angesehen. • Palpation des ACG – Wird als guter Screening-Test angesehen  • Paxinos-Test: – Der Daumen des Untersuchers wird unter dem posterola­ teralen Aspekt des Akromions platziert, während die Finger oberhalb der Mitte der Klavikula liegen (Abb. 13.19).

Abb. 13.19  Paxinos-Test

13.10  Sternoklavikulargelenk (SCJ)

219

Abb. 13.20  Cross-Body-Adduktions-Test

– Druck wird in anterosuperiorer Richtung mit dem Daumen und in inferiorer Richtung mit den Fingern ausgeübt. • Cross-Body-Adduktionstest: – Schulter auf 90° angehoben, während der Untersucher den Arm über den Körper adduziert (Abb. 13.20) Hinweis: Bezüglich spezieller Untersuchungen wird vorgeschlagen, dass eine Knochenszintigraphie eine höhere Sensitivität bei der Diagnose von ACG-Pathologien bietet als Röntgen- oder MRT-Untersuchungen.

13.10 Sternoklavikulargelenk (SCG) (Die Anatomie und Funktion des SCG werden in Abschn. 11.1.3 beschrieben.) • Eine anteriore Dislokation ist häufiger als eine posteriore Dislokation, obwohl letztere aufgrund der Nähe zu mediastinalen und vaskulären Strukturen gefährlicher ist. • Verletzungen des SCG können traumatisch oder atraumatisch sein. – Traumatisch: • Normalerweise aufgrund eines Hochrasanztraumas wie einem Autounfall.

220

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

• Die Kraft wirkt indirekt auf das Schultergelenk. – Atraumatisch: • Allgemeine Bandlaxität ist der Hauptprädispositionsfaktor, der zu Instabilität führt. • Spontane monoartikuläre degenerative Veränderung. • Klinische Anzeichen und Tests umfassen: – Hervortreten der Klavikula (bei anteriorer Subluxation oder Dislokation) oder Hervortreten des Brustbeins (bei posteriorer Subluxation oder Dislokation) – Schmerzen, Schwellungen und Druckempfindlichkeit bei Palpation – Stabilität wird getestet, indem Kraft auf das Schlüsselbein in der Sagittalebene ausgeübt wird • Die Computertomographie (CT) ist die Untersuchungsmethode der Wahl.

13.11 Neurologische Erkrankungen Zwei mit Schulterschmerzen verbundene Erkrankungen werden beschrieben.

13.11.1 A: Läsionen des hinteren Astes des Nervus axillaris • Diese Pathologie wurde vom Autor im November 2016 beschrieben.1 • Beachten Sie, dass der hintere Ast des Nervus axillaris die gesamte Empfindung des Nervs sowie den posterioren Deltamuskel versorgt. • Es gibt drei typische Anzeichen: – Verminderte Empfindung über dem oberen seitlichen Arm, in jedem Fall vorhanden

1 Roger

Pillemer YouTube: Axillary nerve lesions (November 2016).

13.11  Neurologische Erkrankungen

221

Abb. 13.21  Atrophie des hinteren Deltamuskels (linke Schulter) und normale rechte Schulter

– Tiefe Empfindlichkeit über dem hinteren Teil der Schulter, die der Unterseite der Glenohumeralgelenklinie entspricht und in der Mehrheit der Fälle vorhanden ist – Sichtbare Atrophie des hinteren Deltamuskels, nur in einem Drittel der Fälle vorhanden (Abb. 13.21) • Diese Erkrankung ist sehr häufig und wird oft übersehen. Das Versäumnis, die Diagnose zu stellen, führt häufig zu unnötigen und erfolglosen subakromialen Dekompressionen aufgrund scheinbarer Anzeichen einer „Subakromialbursitis“  in der Sonographie oder der Magnetresonanztomographie (MRT).

13.11.2 B: Supraklavikuläre Nervenverletzung (nur sensorisch) • Dies ist ebenfalls eine häufige Erkrankung, die gerne übersehen wird.

222

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

Abb. 13.22  Supraklavikuläre Nervenverletzung (nur sensorisch)

• In jedem Fall ist die Empfindung über der Oberseite der Schulter im Bereich des supraklavikulären Nervs reduziert (Abb. 13.22). • Die lokale Palpation des Nervs, während er in das posteriore Dreieck hinter dem posterioren Rand des Musculus sternocleidomastoideus eintritt (Abb. 13.23), kann erhebliche Beschwerden verursachen. • Manchmal kann die Palpation starke Parästhesien im sensorischen Versorgungsgebiet hervorrufen (was in einem kostenlosen Video auf YouTube dargestellt wurde).2

13.12 Scapula alata Keine Schulteruntersuchung ist vollständig ohne einen Test auf eine Scapula alata:

2  Roger Pillemer YouTube: Supraclavikuläre Nervenläsionen (November 2016).

13.12 Skapulaflügelung

223

Supraklavikulär n. Medial Zwischenbericht Seitlich

Abb. 13.23  Supraklavikulärer Nerv. (Mit Genehmigung von NYSORA reproduziert; Quelle: NYSORA.COM)

• Die Scapula alata3 ist auf ein Ungleichgewicht der Muskeln zurückzuführen, die normalerweise die Skapula stabilisieren. • Es gibt zwei häufige Arten der Scapula alata: – Mediale Scapula alata (häufigste Form) • Aufgrund einer Dysfunktion des vorderen Serratus (langer thorakaler Nerv)

3  Für

eine ausführliche Diskussion über Skapulaflügelung siehe Roger Pillemer YouTube.

13  Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen …

224

• Häufiger nach Sportverletzungen bei jüngeren Patienten – Laterale Scapula alata • Aufgrund einer Dysfunktion des Trapezius (spinaler akzessorischer Nerv) • Die häufigste Ursache ist eine Schädigung des spinalen akzessorischen Nervs, meist während einer Halsoperation. – Hinweis: Bei posteriorer Schulterinstabilität kann eine Pseudo-Scapula-alata auftreten.

13.13 Checkliste für die Untersuchung der Schulter Inspektion Achten Sie auf Anomalien oder Deformationen, Muskelschwund, prominente ACJ, "Popeye"-Wölbung, Skapulierflügel

Ertasten

In der Reihenfolge von medial nach lateral, von anterior nach posterior: SCJ, Processus coracoideus, Bizepssehne, subacromialer Raum, ACJ und posteriorer Druckschmerz

Umfang der Bewegung

Prüfen Sie das ROM in allen drei Ebenen und notieren Sie bei Bedarf die Werte des Goniometers.

Prüfung der Motorleistung

Supraspinatus (Test der leeren Dose) Infraspinatus (Außenrotation gegen Widerstand) Subscapularis (Bauchpresse oder Lift-off-Test)

Spezielle Tests Impingement (Neer-Test oder Hawkins-Kennedy-Test) Bizeps (Speed-Test oder Yergason-Test) Labralriss (O'Brien-Test) Instabilität (Befürchtungstest, gefolgt von Jobe's Verlagerungstest)

Sensorische Prüfung Nervus axillaris Nervus supraclavicularis

Skapulierbeflügelung Überprüfung auf mediale oder laterale

Anhang

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3

225

226

Anhang

Bewegungsumfang – obere Extremitäten BEWEGUNGSUMFANG - OBERE EXTREMITÄTEN BEEINTRÄCHTIGUNG DER SCHULTER

0 Flex 21 3 Ext hinzufügen 2 Abd 12 5 IR 2 ER

10 16 2 1 10 5 2

20 11 2 1 7 4 1

30 10 1 1 7 4 1

40 10 1 0 6 3 1

50 9 0 0 6 2 1

60 8

70 7

80 7

90 6

100 5

110 5

120 4

130 3

140 3

150 2

160 1

170 1

180 0

6 2 0

5 1 0

5 0 0

4 0 0

4

3

3

2

2

1

1

0

0

70 15 8

80 10 11

BEEINTRÄCHTIGUNG DES ELLENBOGENS

0 Beugung 42 Erweiterung 0

Pronation Supination

10 37 1

–80 28 28

20 34 2

–70 27 22

30 31 3

–60 –50 25 18

BEEINTRÄCHTIGUNG DES HANDGELENKS Erweiterung Beugung

–60 42 42

–50

–30

15

FINGERBEEINTRÄCHTIGUNG MP PIP DIP

Beugung Erweiterung Beugung Erweiterung Beugung Erweiterung

+30

IP

Beugung Erweiterung Beugung Erweiterung

0 39

0

0

+40 10 0

–15

0 49

10 44

8 3

4 5

20 38

30 33

100 6 21

20

30

4 3

3 2

110 4 27 40

50

3 2

60

5

10

15

20

25

30

1

0

2 4

40 27

4 3

1 3

50 22

60 17

70 11

41 30

56 24

71 18

0

0

2

4

12

20

29

37

45

0

0

0

15 10 0 1 0 31

20 9 1 2 1 22

14 15

25 10

36 5

2 2

0 2

27 36

0 11

47 0

80 6

85 12

100

69

80

80

100 6

58

10 5

20 4

30 3

40 2

50 1

60 0

70

1

2

3

5

7

9

11

13

1 6

25 7 1 3 3 13

1 4

3 4

30 5 1

5 3

35 3 3 4 4 9

5 6 5

8 2

10 1

0 0

90 0

0 6

0 8

0 0

50

5 5

12 42

0 13

80

40

3 4

11 21

1 0

30

7 7

10 48

7 26

70

1 1

140 0 42

20

7 54

3 31

130 1 37

60

2 1

5 60

0 36

120 2 32

10 8 8

0

5 9

90 8 17

3 66

+10 7

0 0 45

10

11 10

–5

5 12

0

12 3

0

13 13

–10

9 15

+20 8

0 15

15 4

–10

18 17

+30 9

Fehlende radiale Adduktion Fehlende Radialadduktion cms Fehlende Adduktion Fehlender Widerstand

12 18

0 42

DAUMENBEEINTRÄCHTIGUNG MP

–20

19 4

–20

24 21

+10 54

0 73

60 19 6

21 6

–30

+20 60

80

0 45

22 8

30 25

–25

50 23 5

–40 –30 –20 –10

24 13

–40

36 36

Radiale Abweichung 18 Ulnare Abweichung

40 27 4

1

0

0

15

40 2 5

45 0 8

50 0 9

6 8 3

7 13 1

8 20 0

Anhang

227

AMA-Tabelle Referenzen TABELLENVERWEISE AMA 4 18 18 22 24 30 26 28 32 34 36 40 43 45 48 54 57

f2 f3 f5 f7 f 17 f 10 f5&6 f 19 f 23 f 26 f 32 f 38 f 44 t 11(s) t 15 t 16

OBERE GLIEDMASSEN Amputation:Upp. Extremität Hand Empfindungsverlust Hand Daumen: Ampere/Sinnesverlust Finger: Ampere/Sinnesverlust Daumen

AMA 5

61 t 27 59-63

Einklemmungsneuropathie CRPS Arthroplastik Sonstiges

441 f16-2 442 f16-3 449 f16-8 443 f16-4 447 f16-6 443 f16-5 447 f16-7 456 f16-12 457 f16-15 459 t 16-8 a & b 460 t 16-9 461 f 16-21 463 f 16-23 464 f 16-25 467 f 16-28 469 f 16-31 472 f 16-34 474 f 16-37 476 f 16-40 477 f 16-43 479 f 16-46 482 t 16-10(s) 484 f 16-11(m) 492 t 16-15 493 496 t 16-16 506 t 16-27 501-510

75 t 35 76 t 36 77 t 37 77 t 39

Beinlängendiskrepanz Gangstörung Muskelschwund Muskelschwäche

528 529 530 532

t 17-4 t 17-5 t 17-6 t 17-8

78 t 40 78 t 41 78 t 42 78 t 43 78 t 44 82 t 61

Beeinträchtigung der Bewegung Hüfte Knie Knöchel Rückfuß Rückfußdeformität Beeinträchtigungen der Zehen

537 537 537 537 537 537

t 17-9 t 17-10 t 17-11 t 17-12 t 17-13 t 17-14

27 f13 29 t7 33 f21

Finger

38 f29 41 f35 44 f41

Handgelenk Ellenbogen Schulter

49 t12(m)

Nervendefizite

UNTERE GLIEDMASSEN

79-81 t 48-59 83 t 62 83 t 63 85 t 64 87 t 65 88 t 66 89 t 68

Ankylose Arthritis (Röntgenbild) + CMP Amputationen Diagnostikbasierte Schätzungen Hüftgelenkersatz (Bewertung) Kniegelenkersatz (Bewertung) Hautverlust Nervendefizite

110 t 72 110 t 73 111 t 74 131 3.4

L/S: DRE: Lendenwirbelsäule C/Th: DRE Thorakal Th/L: DRE Gebärmutterhals Becken

SPINE

538-543 t 17-15 – t 17-30 544 t 17-31 545 t 17-32 546 t 17-33 548 t 17-34 549 t 17-35 550 t 17-13 552 t 17-37 482 t16-10(s) 484 t 16-11(m) 384 t 15-3 389 t 15-4 392 t 15-5 428 t 15-19 WCG 3rd Ed, Seite 33, Tabelle 4.3

Referenzen

1. Dellon AL. Radiale Handgelenksdenervation. In: Gelenkdenervation: ein Atlas chirurgischer Techniken. Cham: Springer International Publishing; 2019. S. 45–60. https://doi.org/10.1007/978-3-030-055387_4. 2. Simonet LB, Lenchik L, Wuertzer SD, Szabo RM, Chaudhari AJ, Boutin RD. Das Handgelenk: Sportverletzungen des TFCC. Curr Radiol Rep. 2017;5(9):1–9. 3. Medical B. Medizinische Galerie von Blausen Medical 2014. WikiJ Med. 2014;1(2):1–79. https://doi.org/10.15347/wjm/2014.010. ISSN 2002-4436. 4. Martin A, Awan HM. De Quervain’s Syndrom. In: Eltorai A, Eberson C, Daniels A, Herausgeber. Orthopädisches Chirurgiepraktikum. Cham: Springer; 2017. https://doi.org/10.1007/978-3-319-52567-9_35. 5. Gilroy A, et al. Atlas der Anatomie. 1. Aufl. Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag KG; 2008. 6. Wakure A, Omkumar A, Tharayil J. Klinische Untersuchung der Hand und Finger (Grund- und Oberflächenanatomie) mit speziellen Tests. In: Iyer K, Khan W. (Hrsg.) Orthopädie der oberen und unteren Extremität. Cham: Springer; (2020). https://doi.org/10.1007/978-3-030-43286-7_8. 7. Brukner K. Klinische Sportmedizin, Band 1: Verletzungen 5e. McGraw-Hill Education (Australia) Pty Ltd.; 2017. 8. Dellon AL. Ulnare Handgelenksdenervation. In: Gelenkdenervation. Cham: Springer; 2019. https://doi.org/10.1007/978-3-030-05538-7_5. 9. Angin S, Şimşek IE. Vergleichende Kinesiologie des menschlichen Körpers. Academic Press; 2020. 10. Buchanan GS, Koester A. Karpale Instabilität. In: Eltorai AEM, Eberson CP, Daniels AH, Herausgeber. Orthopädische Chirurgie im Praktikum: Ein Schnellreferenzhandbuch für Medizinstudenten im

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 R. Pillemer, Handbuch der Untersuchung der oberen Extremitäten, https://doi.org/10.1007/978-3-031-37842-3

229

230

Referenzen

letzten Jahr. Cham: Springer International Publishing; 2017. S. 213–20. https://doi.org/10.1007/978-3-319-52567-9_49. 11. Harrison JWK, Chitre A, Lammin K, Warner JG, Hodgson SP. Radiuskopffrakturen bei Erwachsenen. Curr Orthopaed. 2007;21(1):59–64. https://doi.org/10.1016/j.cuor.2006.10.003. 12. Zhang R. Chirurgie bei rezidivierendem Weichteilsarkom. Springer Singapur. 2020. https://doi.org/10.1007/978-981-15-1232-2. 13. Athwal GS, Steinmann SP, Rispoli DM. Der distale Bizepssehnenansatz: Fußabdruck und klinisch relevante Anatomie. J Hand Surg Am. 2007;32(8):1225–9. https://doi.org/10.1016/j.jhsa.2007.05.027. PMID: 17923307. 14. Fox J, Duquin T. Olecranon-Bursitis. In: Eltorai AEM, Eberson CP, Daniels AH, Herausgeber. Orthopädische Chirurgie im Praktikum: Ein Schnellreferenzhandbuch für Medizinstudenten im letzten Jahr. Cham: Springer International Publishing; 2017. S. 91–2. https://doi. org/10.1007/978-3-319-52567-9_20. 15. Marcheggiani Muccioli GM, Giuseppe C, Alberto G, Stefano Z, Maurilio M. Klinische Anatomie und Biomechanik der sportlichen Schulter. In: Funk L, Walton M, Watts A, Hayton M, Ng CY, Herausgeber. Sportverletzungen der Schulter. Cham: Springer International Publishing; 2020. S. 1–21. https://doi.org/10.1007/978-3-030-230296_1. 16. Yılmaz S, Vayısoğlu T, Çolak MA. Schulteranatomie. In: Huri G, Familiari F, Moon YL, Doral MN, Marcheggiani Muccioli GM, Herausgeber. Schulterarthroplastik: der Schulterclub-Leitfaden. Cham: Springer International Publishing; 2020. https://doi.org/10.1007/978-3030-19285-3_1. 17. Geeslin AG, Fritz EM, Millett PJ. Behandlung der Instabilität des Sternoklavikulargelenks. In: Millett P, Pogorzelski J, Herausgeber. Fortgeschrittene Techniken in der Schulterarthroskopie. Cham: Springer; 2019. https://doi.org/10.1007/978-3-030-13503-4_18.

Empfohlene Literatur Als Referenz für dieses Buch wurden eine Reihe von Lehrbüchern und Zeitschriftenartikeln verwendet, die beiden Hauptbücher sind: Last’s Anatomy, Regional and Applied, 10. Auflage. Herausgegeben von C. Sinnatamby; ISBN 0 443 05611 0. Edinburgh: Churchill Livingstone; 1999. Apley’s System of Orthopaedics and Fractures, 9. Auflage. Herausgegeben von L. Solomon, D. Warwick und S; ISBN: 9780340942086. Hodder Arnold; 2010.