Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts: Band 1 Artusromane bis 1230 9783110217056, 9783110207422

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Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts: Band 1 Artusromane bis 1230
 9783110217056, 9783110207422

Table of contents :
1 Einleitung
1.1 Vorbemerkung
1.2 Thema: Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern
1.3 Forschungsidee und Leitfragen
1.4 Forschungslage und Forschungsperspektiven
1.5 Terminologie
1.6 Konzeption des Handbuchs
1.7 Kurzer Leitfaden zur Tabellenbenutzung
1.8 Siglen
2 Artusromane bis 1230
2.1 Hartmann von Aue, ›Erec‹
2.2 Hartmann von Aue, ›Iwein‹
2.3 Ulrich von Zatzikhoven, ›Lanzelet‹
2.4 Wirnt von Grafenberg, ›Wigalois‹
2.5 Heinrich von dem Türlin, ›Crône‹
2.6 Stricker, ›Daniel von dem Blühenden Tal‹
3 Literaturverzeichnis
3.1 Abkürzungen
3.2 Texte, Quellen
3.3 Handbücher, Lexika, Wörterbücher
3.4 Forschungsliteratur
4 Register
4.1 Wörter
4.2 Sentenz- und Sprichwort-Paraphrasen
4.3 Handschriften

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Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts Band 1

Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts Herausgegeben von Manfred Eikelmann und Tomas Tomasek

De Gruyter

Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts Band 1: Einleitung und Artusromane bis 1230

Bearbeitet von Manfred Eikelmann und Silvia Reuvekamp unter Mitarbeit von Agata Mazurek, Rebekka Nöcker, Arne Schumacher und Sandr a Theiß

De Gruyter

Band 1: Einleitung und Artusromane bis 1230 Band 2: Artusromane nach 1230, Gralromane, Tristanromane

ISBN 978-3-11-020742-2 e-ISBN 978-3-11-021705-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 쑔 2012 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Laufen Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Amicorum communia sunt omnia. Erasmus von Rotterdam: Adagia, I, 1, 1

Vorwort Dieses Handbuch verdankt den ersten Impuls für sein Entstehen jüngeren Diskussionen um die lebensbestimmende Bedeutung, die der Gebrauch von Schrift und Buch im hohen und späten Mittelalter gewinnt. Als 1996 im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 231 ‚Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter‘ die Konzeption für ein Projekt zur ‚Sentenzverwendung im mittelhochdeutschen höfischen Roman‘ entwickelt wurde, konnten die Überlegungen an die gerade neu einsetzende Forschung zu den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kleinformen der Literatur, ihrer medial bedingten Sprachgestalt, Pragmatik und Poetik, anknüpfen (vgl. EIKELMANN/TOMASEK 2002). Allerdings war damals nicht abzusehen, wie viel Zeit und Energie es kosten würde, die in die Erzähltextur der Romane eingewebten Sentenzen und Sprichwörter aufzuspüren und zu erschließen. Die äußeren Voraussetzungen für die Erarbeitung des Handbuchs wurden in zwei Forschungsstellen an den Universitäten Bochum (Leitung: Manfred Eikelmann) und Münster (Leitung: Tomas Tomasek) geschaffen. Daß das Vorhaben in universitätsübergreifender Kooperation realisiert werden konnte, ist seiner Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft zu verdanken. Mit dem Erscheinen des ersten Bandes liegt das Handbuch nun komplett vor. Für die Konzeption des vorliegenden Bandes trage ich die Verantwortung. Seine jetzige Gestalt aber verdankt sich der Zusammenarbeit mit Silvia Reuvekamp: durch ihre Sachkenntnis konnten die konzeptionellen Überlegungen zur Poetik höfischen Erzählens gemeinsam entwickelt und bis in Details der Werkinterpretation erörtert werden. Ihren beharrlichen Anregungen ist es zu danken, daß die intertextuelle und interdiskursive Seite der ‚nachklassischen‘ Artusromane berücksichtigt ist. Sichtung und Auswahl der Kontextmaterialien sind allein ihr Beitrag. In der Anfangsphase des Projekts hat Rebekka Nöcker mit viel Sorgfalt bei der Identifizierung der Texte und Quellen geholfen, Agata Mazurek steuerte generös die von ihr erstmals aus der Überlieferung spätmittelalterlicher Predigtsammlungen erschlossenen Sprichwörterprothemata bei. In den späteren Projektphasen hat Arne Schumacher mit der ihm eigenen Akribie die Textüberlieferung geprüft und das Handschriftenregister eingerichtet. Sandra Theiß besorgte

VI

Vorwort

zupackend die Erstellung des Wort- und des Sentenzen-Registers. Zum Gelingen des Vorhabens haben außerdem Nadine Krolla, Esther Laufer, Katharina Münstermann, Leonora Niehusmann, Kerstin Rüther, Svenja Scherer, Simone SchultzBalluff, Fabian Sietz und Sibylle Winterberg beigetragen. Ihrer engagierten Mitarbeit ist das Unternehmen vielfältig verpflichtet. Viele wertvolle Auskünfte und Hinweise verdanken wir Kolleginnen und Kollegen. Gleich in den Anfängen des Projekts haben sich Wolfgang Achnitz (Münster), Thomas Althaus (Bremen), Hartmut Bleumer (Göttingen), Gudrun Felder (Tübingen), Heiko Hartmann (Berlin), Franz Holznagel (Rostock) und Eckhart Rolf (Münster) an unserer Diskussion über die Rolle der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Erzählen beteiligt. In den vergangenen Jahren waren es zuvorderst Ricarda Bauschke-Hartung (Düsseldorf), Carmen Cardelle de Hartmann (Zürich), Karl A. E. Enenkel (Münster), Udo Friedrich (Göttingen), Klaus Grubmüller (Göttingen), Nikolaus Henkel (Hamburg), Franz Lebsanft (Bonn), Almut Suerbaum (Oxford) und Klaus-Peter Wegera (Bochum), deren Anregungen und Kritik der komparatistischen und wissensgeschichtlichen Perspektivierung des Themas zu Gute gekommen sind. Auch Bibliotheken und Archive sind dem Vorhaben großzügig entgegengekommen und haben bereitwillig Mikrofilme und Digitalisate zur Verfügung gestellt. Die Bayerische Staatsbibliothek München hat freundlicherweise den Abdruck der Illustrationen aus dem Cgm 51 erlaubt. Sehr zu danken haben wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die mehrjährige Förderung des Projekts. Und schließlich danken wir gerne auch dem Walther De Gruyter Verlag, namentlich Brigitta Zeller und Katja Brockmann, die den Druck des Bandes geduldig und hilfsbereit begleitet haben.

Bochum 2012

Manfred Eikelmann

Inhalt 1

Einleitung ...................................................................................................................

1*

1.1

Vorbemerkung .................................................................................................

4*

1.2

Thema: Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern ..............................

4*

1.3

Forschungsidee und Leitfragen ....................................................................... 13* Die Ausgangsbeobachtung: Sentenzen und Sprichwörter im Roman (14*) – Die kommunikative Umgebung: Höfische Gesprächskultur (16*) – Zum Untersuchungsansatz: Pragmatik und Poetik höfischen Erzählens (20*)

1.4

Forschungslage und Forschungsperspektiven ................................................. 21* Vorbemerkung (21*) – Die quellenkundliche Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts (22*) – Sammlungen, Lexika, Quellenwerke: das Problem der Kontextualisierung (24*) – Die Forschungsdiskussion zu den Romanproverbien (26*) – Hartmann von Aue ›Erec‹ und ›Iwein‹ (29*) Wolfram von Eschenbach ›Parzival‹ (32*) – Gottfried von Straßburg ›Tristan‹ (34*) – Poetik und Poetologie des Romans (38*) – Späte Artusromane als primäre Rezeptionsstufe (39*) – Adaptation französischer Vorbilder und komparatistische Gesamtperspektive (40*)

1.5

Terminologie ................................................................................................... 48* Vorbemerkung (48*) – Mittelalterliche Bezeichnungen für Sentenz und Sprichwort (49*) – altsprochen wort, sprichwort (50*) – proverbium, sententia (55*) – Gattungsdefinitionen: Sentenz und Sprichwort (58*) – Anspielungen auf Sentenzen und Sprichwörter (64*) – Fazit: Kriterien für die Identifizierung von Sentenzen und Sprichwörtern (64*)

1.6

Konzeption des Handbuchs ............................................................................. 66* Vorbemerkung (66*) – Das Untersuchungskorpus: chronologische Anordnung und generische Systematik der Texte (66*) – Perspektiven der Korpusbildung (69*) – Quellen und Quellenheuristik (73*) – Das Tabellenformat (75*) – Verborgen schatz vnd wistuom - ein Beispiel (76*)

2

1.7

Kurzer Leitfaden zur Tabellenbenutzung ......................................................... 81*

1.8

Siglen ............................................................................................................... 83*

Artusromane bis 1230 ................................................................................................

1

2.1

3

Hartmann von Aue, ›Erec‹ .............................................................................. Einführung (3) – Tabelle (6) – Auswertung (38)

VIII

2.2

Inhalt

Hartmann von Aue, ›Iwein‹ ............................................................................

47

Einführung (47) – Tabelle (50) – Auswertung (116)

2.3

Ulrich von Zatzikhoven, ›Lanzelet‹ ................................................................ 129 Einführung (129) – Tabelle (132) – Auswertung (184)

2.4

Wirnt von Grafenberg, ›Wigalois‹ .................................................................. 194 Einführung (194) – Tabelle (200) – Auswertung (278)

2.5

Heinrich von dem Türlin, ›Crône‹ ................................................................... 291 Einführung (291) – Tabelle (298) – Auswertung (466)

2.6

Stricker, ›Daniel von dem Blühenden Tal‹ ..................................................... 484 Einführung (484) – Tabelle (488) – Auswertung (526)

3

4

Literaturverzeichnis .................................................................................................. 537 3.1

Abkürzungen ................................................................................................... 539

3.2

Texte, Quellen ................................................................................................. 542

3.3

Handbücher, Lexika, Wörterbücher ................................................................ 564

3.4

Forschungsliteratur .......................................................................................... 566

Register ...................................................................................................................... 583 4.1

Wörter .............................................................................................................. 585

4.2

Sentenz- und Sprichwort-Paraphrasen ............................................................ 596

4.3

Handschriften .................................................................................................. 620

1 Einleitung

3*

1 Einleitung Im Kulturraum des frühen Europa repräsentieren Sentenzen und Sprichwörter ein breit angelegtes ‚Archiv‘ kulturellen Wissens. Dieser Text- und Wissensfundus übergreift mehrere Sprachen, Literaturen und Diskurse. Bis in die Neuzeit prägt er das auf gesellschaftlichen Konsens gegründete sprachliche Handeln. Abhängig von den jeweiligen kulturellen Verhältnissen einer Epoche geben Sentenzen und Sprichwörter daher nicht nur Einblick in elementare Erfahrungen und Orientierungsweisen. Vielmehr sind sie auch zentral für das Verständnis vergangener und historisch fremdgewordener Formen, in denen Menschen und Gemeinschaften mündlich wie schriftlich, alltagssprachlich wie literarisch kommuniziert haben. Bezeichnet ist damit ein Forschungsfeld, in dem die Analyse kleiner literarischer Formen wie Sentenz und Sprichwort, doch auch Gleichnis, Lied, Anekdote, Exempel oder Mythe auf die Frage nach dem menschlichen Erfahrungswissen ausgerichtet ist. Über seinen philologischen Kern hinaus kann dieser Fragezusammenhang für verschiedene Bereiche der Kultur-, Sprach- und Literaturwissenschaft wirksam werden. Die vorliegende Darstellung zielt in die Richtung eines solchen Gesprächs hinweg über die Fächergrenzen. Dem kulturellen Wissen, das in Sentenzen und Sprichwörtern zirkuliert, ist losgelöst von seinen Verwendungskontexten und Funktionen nicht beizukommen; es erschließt sich nur dann, wenn man die Verwendung einer Sentenz oder eines Sprichworts in einer je konkreten kommunikativen Umgebung berücksichtigt. Für die mittelhochdeutschen Romane, die Gegenstand dieses Handbuchs sind, ergeben sich dabei spezifische Erkenntnischancen, wenn man fragt, wie tradierte Wissensresiduen im Erzählen aufgerufen, bearbeitet und genutzt werden. Solche narrativen Verwendungsweisen von Sentenzen und Sprichwörtern und ihre funktionalen Spielräume lesbar zu machen, ist das Hauptanliegen des vorliegenden Handbuchs. Damit soll es zugleich die Tradition der mittelalterlichen Proverbien*, über deren Entstehung, Verbreitung und Wirkmechanismen wir nach wie vor wenig wissen, in einem beispielhaften Ausschnitt – den deutschsprachigen höfischen Romanen des 12. und 13. Jahrhunderts – erschließen. Unser

___________ *

Im Rahmen unseres Handbuchs werden die Ausdrücke ‚Proverbium (Proverbien)‘ und ‚proverbial‘ in verallgemeinerndem Sinne verwendet, so daß sowohl das ‚Sprichwort’ als auch die ‚Sentenz’ einbegriffen sind.

4*

1 Einleitung

Handbuch will insofern gerade nicht ein abgeschlossenes Gesamtbild herstellen, sondern es versteht sich als Erkundung eines Text- und Wissensraumes.

1.1

Vorbemerkung

Eine kurz gefaßte Beschreibung des an den Universitäten Bochum und Münster erarbeiteten zweibändigen Handbuchs der ‚Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts‘ gibt die Einführung im zweiten Band (vgl. Bd. 2, S. VII-XVII). Komplementär dazu stellen die folgenden Abschnitte es ausführlicher vor, ohne eine erschöpfende Darstellung seiner Konzeption, Erträge und Perspektiven anzustreben. Vielmehr geht es uns darum, den Umgang mit dem Handbuch zu erleichtern und dem Benutzer vor allem Hinweise und Anregungen für eigene Recherchen und Forschungen an die Hand zu geben.

1.2

Thema: Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern

Gesellschaftlicher Konsens basiert vielfach auf Verabredungen, die sich in einem Kulturkreis auf Traditionen von langer Dauer stützen und keinerlei weiterer Begründung in je aktuellen Handlungszusammenhängen bedürfen, sondern als grundsätzlich akzeptiert gelten. Zentrales Mittel solcher innergesellschaftlicher Herstellung von Konsens sind seit jeher Sentenzen und Sprichwörter. Abhängig von den jeweiligen soziokulturellen und historischen Verhältnissen einer Epoche ist in ihnen ein Wissen sedimentiert, das nicht nur in alltägliche Erfahrungen und Orientierungsweisen Einblick gibt, sondern auch für das Verständnis höherer Formen des Wissenserwerbs und der Wissenstradierung grundlegend ist.3 Wenn die biblische Weisheit der Väter so wie in der Rede Davids, als er Saul verschont,

___________ 3

Zur elementaren Bedeutung des in Sentenzen und Sprichwörtern überlieferten Erfahrungswissens für den Wissenshaushalt einer Gemeinschaft vgl. BERGER/LUCKMANN 1977, S. 70f. und 100f. Nach ASSMANN 1992, S. 141, „haben es Sprichwörter vornehmlich mit Gemeinsinn als Common Sense zu tun. […] Hier geht es um Werte und Normen, um die Gelingensregeln des alltäglichen Zusammenlebens, die Axiomatik des kommunikativen Handelns.“ Für VON RAD 1982 handelt es sich bei diesem Erfahrungs-, Handlungs- und Weltwissen nicht nur um „ein höchst komplexes Gebilde“ (S. 13), sondern auch „eine ebenso verletzliche Größe“, die „unter der Bedrohung der Vereinfachung und der Verallgemeinerung von Wahrheiten“ (S. 14) steht. Historisch besteht ein enger Zusammenhang mit der Vorstellung des consensus omnium, die das Mittelalter von der antiken Rhetorik und Topik ererbt hat; vgl. dazu BORNSCHEUER 1976, S. 26-90, BLUMENBERG 1981 und VON MOOS 1991a.

Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern

5*

zur Sprache kommt, kann ein Sprichwort zum Argument des Schwächeren werden und über den Rückgriff auf kollektives Orientierungswissen zur Lösung eines Konfliktes beitragen: ‚Sicut in proverbio antiquo dicitur: Ab impiis egredietur impietas: manus ergo mea non sit in te.‘4 Und ein Bibelwort wie Jesu Mahnung der Reichen und Mächtigen zur Demut, ‚quia omnis, qui se exaltat, humilibatur: et qui se humiliat, exaltabitur‘5, konnte gerade auch in seiner Rezeption im christlichen Mittelalter als Sentenz dem „kulturelle[n] Wissen um die Erhöhung des Erniedrigten“6 Geltung verschaffen, seine Tradierung sichern und es literarisch im Lateinischen wie in den Volksprachen enorm produktiv machen. Sentenzen und Sprichwörter sind daher als sprachliche Wiederholungshandlungen zu verstehen, in denen das kulturelle Wissen über allgemein bekannte und von allen geglaubte Regeln und Werte des sozialen Zusammenlebens produziert und reproduziert wird. Differenziert man in diesem begrifflichen Rahmen, wie es gewöhnlich geschieht, so handelt es sich bei Sprichwörtern um sprachlich verfestigte Erfahrungs- und Handlungsregeln, die zum kommunikativen Gedächtnis einer Gemeinschaft gehören (z.B. ›Eile mit Weile.‹, ›Stille Wasser sind tief.‹), während in Sentenzen generalisierende Aussagen formuliert sind, die mit den Namen bekannter Autoren wie Publilius Syrus oder mit bekannten literarischen Werken – ein Beispiel ist das omnia vincit amor, et nos cedamus amori7 aus den ›Eclogen‹ des Vergil – verbunden sind und bevorzugt schriftlich weitergegeben werden (vgl. zu den Termini ‚Sentenz‘ und ‚Sprichwort‘ Kap. 1.5). Proverbien werden über Zeiträume von langer Dauer tradiert. Sie als Randphänomen abzutun, erweist sich bereits bei einem ersten Blick auf ihre bis in die Neuzeit anhaltende Bedeutung als fragwürdig. Gleichwohl ist es allein schon wegen der Fremdheit der Sprache und Textformen nicht ganz leicht, die Erscheinungsformen und Verwendungsweisen einer Sentenz oder eines Sprichworts in der mittelalterlichen Kultur zu beschreiben.

___________ 4

5 6 7

I Sm 24, 14: ‚Wie man sagt nach dem alten Sprichwort: ›Von Gottlosen kompt vntugent.‹ Aber meine Hand soll nicht vber dir sein.‘ (Luther: Deutsche Bibel, IX, 1 [S. 271]). Mit Blick auf das „life setting“ und die „proverb performance“ analysiert die Szene FONTAINE 1982, S. 109127. In diesem Rahmen zeigt sie die Funktion von Sprichwörtern als Mittel verbaler Konfliktlösung und damit der „restoration of order in society“ (S. VIII). Lk 14, 11: ‚Denn wer sich selbs erhohet, der soll ernidriget werden; und wer sich selbs ernidriget, der soll erhohet werden.‘ (Luther: Deutsche Bibel VI, 1 [S. 279]). WITTHÖFT 2007, S. 53; vgl. zur mittelalterlichen Verbreitung TPMA II, S. 186-192. Vergil: Eclogen, X, 69: ‚Liebe besiegt alles, und auch wir wollen der Liebe weichen.‘ (Übersetzung nach TPMA VII, S. 413, Nr. 163)

6*

1 Einleitung

Sentenzen und Sprichwörter werden in der mündlichen Kommunikation der alltäglichen kolloquialen Rede verwendet. Sie treten aber auch schriftlich als vielfältig gestaltete Formen der Literatur auf, und als sprachliches Mittel, das Zustimmung fordert oder Widerspruch provoziert, finden sie sich selbst in hochrangigen fiktionalen Erzählwerken und Erzählgattungen. Auch ein mittelalterlicher Autor wie Chrétien de Troyes leitet seinen Roman ›Erec et Enide‹, den ersten Artusroman überhaupt, mit einer Sentenz ein: Li vilains dit an son respit Que tel chose a l’an an despit, Qui mout vaut miauz que l’an ne cuide. Por ce fet bien, qui son estuide Atorne a san, quel que il l’et […]8

Indem sich der Sprecher des Prologs gleich im ersten Vers auf die Instanz des vilains und ein von ihm gesagtes Sprichwort (respit) beruft, stattet dieser den einleitenden Gedanken vom verborgenen Wert einer verächtlich scheinenden Sache mit der Autorität kollektiven Wissens aus, das nicht an den gelehrten Bildungsstand gebunden ist. Ob der Sprecher damit auf ein mündlich kursierendes Sprichwort oder bereits auf die als Schrifttext verbreitete Sammlung der ›Proverbes au Vilain‹ zurückgreift, ist nicht sicher. Außer Frage steht jedoch, daß sich das zu Beginn aufgerufene Erfahrungswissen nicht nur aus mündlicher Überlieferung speist, sondern eng mit litteraten Wissenskontexten verflochten ist.9 Dabei lehnt sich die Romaneröffnung mittels einer Sentenz oder eines Sprichworts, so wie Chrétien sie gestaltet, zwar an mündliche Kommunikation an, doch ist sie in erster Linie einer poetischen Technik der Gestaltung von Pro- und Epilogen verpflichtet. Diese Technik gehört zu den Konventionen der lateinischen Buchliteratur und sorgt als solche bereits für die kollektive Geltung des Gesagten.10 Was ist in diesem Zusammenhang gemeint, wenn von kollektivem Erfahrungsund Orientierungswissen die Rede ist? Charakterisiert man den Begriff in einem ersten Zugriff, so handelt es sich um Wissen über allgemein gültige Regeln und

___________ 8

9 10

Chrétien de Troyes: Erec et Enide, v. 1-5: ‚Der Bauer sagt in seinem Sprichwort, daß man manches zu verachten pflegt, was viel mehr wert ist, als man annimmt. Darum tut man gut daran, alles, was man gelernt hat, mit Verstand anzuwenden, was es auch sei […].’ (Übersetzung nach: Chrétien: Erec et Enide [Gier], S. 5) Vgl. die Hinweise bei HENKEL 2005, S. 29. Zur Bedeutung der Exordialsentenz im Kontext des ›Erec et Enide‹-Prologs vgl. HAUG 1992, S. 100f.

Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern

7*

Werte des sozialen Zusammenlebens, das nicht an spezifische Bildungsvoraussetzungen gebunden und daher leicht erreichbar ist. Innerhalb einer Gemeinschaft ist dieses Wissen konsensfähig und kursiert sprachlich geprägt in Rede und Schrift. Der Begriff des Erfahrungs- und Orientierungswissens meint daher gerade kein spezialisiertes theoretisches oder systematisches Wissen, mit dem sich ein wissenschaftlich strenger Erkenntnis- und Wahrheitsanspruch verbindet. Wenn der Akzent demgegenüber auf der Sphäre lebenspraktischer Erfahrung und Orientierung liegt, ist an eine andere Art des Wissens und ein epistemisch anderes Verhältnis zur Wirklichkeit gedacht, insofern es um Erfahrungen und Orientierungen geht, die mit einem eigenen praxisbezogenen Wahrheitsanspruch auf dem Konsens aller oder der meisten in einer Gemeinschaft beruhen.11 Exemplarisch sei dafür ein Sprichwort aus Wolframs von Eschenbach ›Parzival‹ angeführt. Als Gahmuret, der Vater Parzivals, erfährt, daß der Kalif von Bagdad von Feinden bedrängt wird, bricht er zum zweiten Mal in den Orient auf, um für den Kalifen zu kämpfen. Herzeloyde wartet sehnsüchtig auf Gahmuret. Noch bevor die Nachricht von dessen Tod eintrifft, beklagt der Erzähler das Schicksal, das sie durch den Verlust des geliebten Gemahls treffen wird (Pz 103,17-24): dô brast ir freuden klinge mitten ime hefte enzwei. ôwê unde heiâ hei, daz güete alsölhen kumber tregt und immer triwe jâmer regt! alsus vert diu mennischeit, hiute freude, morgen leit.12

Mit dieser Vorausdeutung hebt Wolframs Erzähler das Leid Herzeloydes in den Rang eines Exempels für eine Gesetzmäßigkeit des menschlichen Lebens. Am Schicksal der Königin, so einmalig es ist, wird sich die Unbeständigkeit des Weltlaufs bestätigen, die das Los der ganzen Menschheit ist. Insofern ist die Erfahrung zwar zunächst singulär, doch sieht der Erzähler darin zugleich „ein Symptom für die generelle Verfaßtheit einer Welt, in der das Glück vergänglich ist und Gut und Böse abwechselnd die Herrschaft übernehmen.“13

___________ 11 12

13

Vgl. dazu die Hinweise in Anm.1. ‚Da brach die Klinge ihres Glücks mitten im Schwertgriff entzwei. Ach und abermals ach, daß Güte solche Not mit sich bringt und Treue immer wieder Klagen bewirkt. Aber so geht es mit der Menschheit: ›Heute Freude, morgen Leid‹.‘ (Übersetzung nach: Wolfram: Parzival, S. 105). HARTMANN 2000, S. 290.

8*

1 Einleitung

Es kommt nicht von ungefähr, daß Wolfram in dieser Passage das auf den ersten Blick so banale Sprichwort ›Heute Freude, morgen Leid‹ verwendet. Zweifellos dient es auch im ›Parzival‹ dazu, „an einem Einzelfall eine allgemeine Wahrheit sichtbar zu machen“14 und das im Roman erzählte Geschehen mit dem Erfahrungswissen der Rezipienten in Verbindung zu bringen. Dazu muß man wissen, in welche Sinn- und Diskurskontexte es durch seine übliche Verwendungsweise eingebettet ist. Denn wie sich zeigt, geht das Sprichwort auf biblische Traditionen zurück, in denen es mit dem Thema der Kontingenz der Welt verknüpft ist.15 In der volkssprachigen höfischen Literatur findet es sich seit der Zeit um 1200 als Deutungskonzept, das regelmäßig dann abgerufen wird, wenn Reflexion und Argumentation sich auf den unbeherrschbaren, weil für den Menschen nur von Fall zu Fall durchschaubaren Lauf der Welt richten: mir behaget diu werlt niht sô wol; ir gemach ist michel arbeit, ir meiste liep ist ein herzeleit, ir süezer lôn ein bitter nôt, ir lanclîp ein gæher tôt. wir enhân niht gewisses mê wan hiute wol und morgen wê und ie ze jungest der tôt. Daz ist ein jæmerlichiu nôt. 16 umb ritterschaft stat es also: hiut liep, morgen leit, diu bediu sint in bereit17 Hiute liep, morne leit, deist der werlde unstætekeit.18

Schon diese wenigen Belege illustrieren das Verwendungsspektrum des Sprichworts, das sowohl die Vorstellung der Weltverachtung, wie sie – darauf weist das

___________ 14 15 16

17 18

BUMKE 2004, S. 219. Vgl. TPMA III, S. 471-479, und VI, S. 186-192. Hartmann: Der arme Heinrich, v. 708-716: ‚Mir gefällt die Welt überhaupt nicht, ihr Wohlleben ist große Mühsal, ihre höchste Freude nichts als Leid, ihr süßer Lohn ist bittere Not, ihr langes Leben ein jäher Tod. Wir haben keine andere Gewißheit als heute Wohl und morgen Weh und am Ende immer den Tod. Das ist die jammervolle Not.‘ (Übersetzung nach: Hartmann: Der arme Heinrich [Mertens], S. 269) Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 965, v. 6-8: ‚Mit der Ritterschaft verhält es sich so: Heute Freude, morgen Leid, diese zwei stehen für sie bereit.‘ Freidank, 31,16f.: ‚Heute Freude, morgen Leid. Das ist die Unbeständigkeit der Welt.‘

Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern

9*

erste Zitat – für das christliche Contemptus mundi-Denken19 zentral ist, als auch, wie im zweiten Zitat, den Bezug zur adeligen Mentalität einer auf Glück und Zufall setzenden Ritterschaft einschließt. In diesem Sprichwort ist also ein Erfahrungs- und Weltwissen kondensiert, bei dem beachtet sein will, in welche geistlichen und weltlichen Sinnkontexte es gehört und wie es in der Kommunikation angeführt und genutzt wird. Dies ist auch deshalb wichtig, weil sich mit dem Übergang von der Alltagsrede zum romanhaften Erzählen die Bedingungen der Kommunikation, soweit sie für den Sprichwortgebrauch gelten, entscheidend verändern. So zeigen die literarischen Belege, wie klar das Sprichwort die Abstraktheit der Begriffe freude (liep, wol) und leit (wê) hervorhebt und deren Antithetik unterstreicht. Im Kontext höfischen Erzählens setzt das Sprichwort daher „eine rationalisierte Zeit- und Lebenserfahrung voraus, wie sie mythischem Denken fremd ist.“20 Und wie auch die Verwendung in einer Vorausdeutung deutlich macht, führen die Autoren der höfischen Erzählliteratur Proverbien oftmals nicht nur beiläufig an, sondern sie gehen „dazu über, ihr Erzählen daran auszurichten“21, so wie es Wolfram tut, wenn er auf Herzeloydes Schicksal vorausdeutet. Wolframs Erzähler beteiligt den Rezipienten emotional an den im Roman erzählten Ereignissen und lenkt seine Wahrnehmung zugleich auf ein universales Lebensgesetz. Denn wenn das freude-leit-Sprichwort auf den Moment bezogen ist, in dem der Heldentod Gahmurets und das Minneschicksal Herzeloydes zusammentreffen werden, bedeutet das zum einen eine unerhörte „Intensivierung durch Konkretisierung der Regel,“22 weil der Erzähler das einzigartige Schicksal der Königin hervorhebt. Zugleich verbindet er über das Sprichwort damit jedoch das Exemplarische23 des Geschehens, so daß die Hörer und Leser die Erfahrung Herzeloydes gleichzeitig als Beispielfall für den in seiner Wechselhaftigkeit unvorhersehbaren Lauf der Welt reflektieren können, ohne die außergewöhnlichen Umstände dieser Erfahrung ausblenden oder gar übergehen zu müssen. Weil in Sentenzen und Sprichwörtern ein generalisiertes Erfahrungswissen zum Ausdruck kommt, eignen sie sich in besonderem Maße als Rahmenelemente und

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Vgl. dazu den Überblick bei KIENING 1994. HAFERLAND 2000, S. 230. Ebd. S. 231. Vgl. parallel die programmatischen Ankündigungen in Pz 3,28 - 4,1 und Tit 17,4. WACHINGER 1994, S. 15. Vgl. FRIEDRICH 2010, S. 403, der diskutiert, wie Wolfram in seinem Erzählen vom Tod in dieser Passage Formen exemplarischen (‚kalten‘) und romanhaften (‚heißen‘) Erinnerns engführt.

10*

1 Einleitung

als Verständigungsbasis für die literarische Kommunikation. Wirksam wird dabei auch ihre spezifische mediale Qualität, da sie die Grenze zwischen Stimme und Schrift scheinbar mühelos überspielen. Gerade in poetischer Verwendung erweisen sie sich aber fast immer als schriftliterarisch reflektiert und damit als komplex gestaltetes dichterisches Phänomen. In diesem Zusammenhang stellt sich für beide Kleinformen die Frage nach dem Verhältnis von mündlicher und schriftlicher Kommunikation. Denn insbesondere bei Sprichwörtern überlagern sich untrennbar mündliche und schriftliterarische, aber auch alltagssprachliche und gelehrte Verwendungsweisen. Da Sprichwörter, in welcher Form immer, auch in der alltäglichen Kommunikation zirkulieren, ist davon auszugehen, daß sie sich sowohl durch Transformation in die Schrift als auch durch die Verwendung im fiktionalen Zusammenhang verändern. Daher ist es fraglich, ob die gewöhnliche Funktion des Sprichworts und mit Einschränkungen der Sentenz im Medium des Romans sicher zu erkennen ist. Da beide Kleinformen nur schriftlich überliefert sind, bleibt in jedem Fall die Schwierigkeit, daß ihre mündliche Existenzweise nur indirekt und reflexhaft greifbar wird. Umgekehrt sind die Übergänge zwischen mündlicher Kommunikation und literarischer Rede bei ihnen fließend, so daß sie in den höfischen Romanen genutzt werden, um zwischen dem erzählten Weltausschnitt und dem im Erzählen kognitiv mitlaufenden Erfahrungs- und Weltwissen der Rezipienten zu vermitteln. Wenn Sentenzen und Sprichwörter in mündlicher wie schriftlicher Kommunikation Ausdruck eines gemeinschaftlichen Erfahrungs- und Orientierungswissens sind, so müssen sie einerseits zwar als ubiquitäres kulturelles Phänomen gesehen werden, andererseits hängt ihr Verständnis im konkreten Fall aber von historisch spezifischen Wertvorstellungen, Wahrnehmungsformen und Verwendungskontexten ab. So sind im Mittelalter Prozesse sozialer Willensbildung zumeist an face to face-Situationen gebunden. Konsens muß unter Einbeziehung aller, die an der Praxis von Herrschaft oder Recht teilhaben wollen, immer wieder neu hergestellt werden. Was dies für die Analyse der Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern bedeutet, zeigen etwa die Spielregeln, die „in der agonalen Situation einer kontroversen Beratung“24 unter Gleichrangigen galten. Vor allem wohl bei Beratungen im vertraulichen Kreis gehörte der „mittels Sinnsprüchen artikulierte Spott, die beißende Ironie[,]“ zu den wohl bevorzugten Redetechniken, „um

___________ 24

ALTHOFF 1998, S. 44.

Konsensfähiges Wissen in Sentenzen und Sprichwörtern

11*

den Kontrahenten außer Gefecht zu setzen, ihn mundtot zu machen.“25 In den höfischen Romanen lassen sich entsprechend realitätsnah gestaltete Beratungsund Entscheidungsszenen finden, in denen die Figuren Sentenzen als Argument benutzen.26 Will man solche mitunter hintergründigen Redekontexte verstehen, muß man die Spielräume für die Verwendung einer Sentenz ausloten und rekonstruieren, bei welcher Gelegenheit und mit welchen Zielen sie eingesetzt werden konnte. Vertiefende Kontextanalysen können dann zeigen, wie sich das tradierte Wissen mit spezifischen sprachlichen und rhetorischen Qualitäten – argumentativem Geschick, aber auch Witz, Spott und Ironie – verbindet. Die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern ist keineswegs stets auf harmonischen Ausgleich kalkuliert. Dies gilt nicht nur für mündliche Kommunikation, sondern auch für genuin literarisch gestaltete Redeszenen. Gerade in fiktionaler Literatur werden sie genutzt, um ironisierende und aggressive Dialog- und Redestrategien in Szene zu setzen. Beispiele dafür finden sich im ›Ysengrimus‹, dem durch „ironische Verstellung und Gewalt“27 charakterisierten Tierepos, und in Johanns von Tepl ›Ackermann‹, in dem „das Sprichwort keineswegs nur in didaktischer Funktion auftritt, sondern sehr häufig der meist aggressiven, seltener abwiegelnden Partnereinstellung der Kontrahenten“28 dient: Der Ackermann: Alter man newe mer, gelart man vnbekant mere, ferre gewandert man vnd einer, wider den nymant reden tar, gelogen mere wol sagen turren, wann sie von vnwissenden sachen wegen sein vnstraflich.[…]29 Der Tod: Aber als vil als ein esel leiren kan, als vil kanstu die warheit vernemen. Darvmb so sey wir so sere mit dir bekommert. […]30

___________ 25 26 27 28 29

30

Ebd. S. 45. Vgl. bei HENKEL 2005, S. 25f., die Gesprächsszene aus dem ›Tristan‹ des Berol. ALTHOFF/MEIER 2011, S. 170; vgl. speziell zu den Proverbien MANN 1984/1985. HAHN 1984, S. 47. Johannes von Tepl: Ackermann, S. 34: ‚Ein alter Mann darf Neues vorbringen, ein gelehrter Mann Unbekanntes, ein weitgewanderter und einer, dem nicht zu widersprechen ist, Gelogenes, denn angesichts unbekannter Dinge sind sie nicht zur Rechenschaft zu ziehen.‘ (Übersetzung ebd. S. 63). Vgl. zum Sprichwort ‚Alter Mann, neue Mär‘ MIEDER 1992, S. 126f. Ebd. S. 66: ‚Aber sosehr ein Esel Leier spielen kann, sosehr kannst Du die Wahrheit begreifen. Darum haben wir mit Dir solche Mühe.‘ (Übersetzung ebd. S. 67). Vgl. zur mittelalterlichen Verbreitung des antiken Sprichworts vom Esel mit der Leier die Nachweise TPMA III, S. 6466.

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1 Einleitung

Obwohl sich in Drastik der Sprache und Bildlichkeit gattungsbedingt Unterschiede auftun, sind ähnlich ironisierende und aggressiv aufgeheizte Redestrategien auch dem höfischen Roman nicht fremd, wobei es namentlich der scharfzüngige Keie, der Truchseß am Hof von König Artus, ist, dessen Spottreden Proverbien mutwillig verkehren und rhetorisch instrumentalisieren (vgl. Iw 172; 818; 823; 2477; 2485; 2498; Pz 150,16; 150,22; Cr 1255; 1955; 2153; 2249; 2253; 2256). Und auch diese Beispiele führen vor Augen, daß das Argumentieren mit Sentenzen und Sprichwörtern oft gerade nicht harmonisiert, sondern ein Akt der Konsenszumutung und des Dissens in einer durch Machtgefälle geprägten Redesituation ist. Daneben werden Proverbien aber auch, das ist zu beachten, in Situationen eingesetzt, die eine auf Tradition gegründete Deutung verlangen, wie zum Beispiel die Auslegungen der lateinisch wie volkssprachig verbreiteten äsopischen Fabel von Wolf und Lamm31 zeigen. Im frühen Europa kommt in Sentenzen und Sprichwörtern also ein ‚Archiv‘ kulturellen Wissens zum Ausdruck, das, aus antikem Erbe erwachsen, als Text- und Wissensfundus kollektiver Erfahrungen, Argumente, Ideen und Praktiken verfügbar ist und insofern als Bildungs- und Wissenssubstrat wirkt. Räumlich wie zeitlich lange Dauer und Geltung erhält dieser Wissensfundus in der europäischen Latinität, und zwar sowohl durch die weiterhin verfügbaren antiken als auch die im Mittelalter neu erscheinenden Proverbien, die über Sammlungen und Florilegien – z.B. das um 1200 entstandene ›Polethicon‹32 oder die seit dem 16. Jahrhundert europaweit verbreiteten ›Adagia‹ des Erasmus von Rotterdam33 – in Umlauf gelangen und zugleich als literarisch geformte Einzelstücke kursieren.34 Gleichsam wie ein Nährboden versorgt dieser Wissensfundus das konsensorientierte kommunikative Sprachhandeln bis weit in die Neuzeit.

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32 33 34

Beispielhaft ist die durch die Tradition mittelalterlicher Fabeldeutungen vorgegebene Reihe von Sprichwörter in Luthers Epimythion zu Wolf und Lamm: Lere / Der wellt lauff ist, Wer frum sein wil, der muss leiden, solt man eine sache vom alten zaun brechen, Denn Gewalt gehet fur Recht, Wenn man dem hunde zu wil, so hat er das ledder gefressen, Wenn der wolf wil, so ist das lamb vnrecht. (Luther: Fabeln und Sprichwörter, S. 31). Vgl. dazu HENKEL: Polethicon. In: 2VL. Bd. 11 (Nachtragsband). 2004, Sp. 1249-1251. Vgl. EIKELMANN 2008, Sp. 703-708. Gerade Sammlungen von Sentenzen und Sprichwörtern repräsentieren solche Wissensarsenale. Das 16./17. Jh. erneuert diese Sammlungstraditionen und verbreitet sie im Buchdruck. In Rhetorik und Topik werden Proverbien nun als loci communes „auf die verallgemeinerte Problemebene der sog. Gemeinplätze“ (KÜHLMANN/SCHMIDT-BIGGEMANN 2003, S. 646) bezogen.

Forschungsidee und Leitfragen

1.3

13*

Forschungsidee und Leitfragen

Welche Perspektiven sich aus diesem „Thesaurus-Potential“35 für komparatistische Analysen ergeben können, zeigen viele quer durch die Sprachen und Literaturen laufenden Beispiele des ‚Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi‘ (TPMA). Doch obwohl die Bedeutung der europäischen Tradition der Proverbien eigentlich außer Frage steht, ist nach wie vor wenig darüber bekannt, unter welchen Bedingungen sie entsteht und sich entfaltet, über welche sprachlichen und literarischen Formen sie sich verbreitet und welchen Mechanismen sie ihre erstaunliche kulturelle Kontinuität verdankt.36 Bei diesem Punkt setzt die Konzeption unseres Handbuchs an, das sich den mittelhochdeutschen Romanen widmet und damit Entstehung und Verbreitung eines literarischen Proverbien-Korpus in einem spezifischen Segment der mittelalterlichen Gesamttradition erforscht. Die Entscheidung, die Sentenzen und Sprichwörter in höfischen Romanen zu untersuchen, geht von einer Beobachtung zur Vermittlung proverbialen Erfahrungswissens in der Volkssprache aus. Denn anders, als es für lateinische Literatur mit ihrem institutionalisierten Bildungswesen gilt, ist dieses Wissen volkssprachig bis ins hohe Mittelalter fast nur mündlich weitergegeben worden.37 Erst mit dem Aufkommen der höfischen Literatur und der neuen Gattung des Romans zwischen 1185 und 1230 tritt es schriftliterarisch in Erscheinung. Das Schriftlichund Literarischwerden der Kleinformen fällt damit in die Phase der Ausbreitung laikaler Schriftlichkeit, in der sich die Literatur der adeligen Laien etabliert und ihr Verhältnis zur lateinisch gelehrten Kultur neu justiert. Zur Debatte steht daher auch, welche Rolle litterate Verwendungsweisen von Proverbien erhalten, wenn in den volkssprachigen Texten nun Interessen und Wertvorstellungen des adeligen Publikums angesprochen und im Erzählen diskursiviert werden.38 Dieser Vorgang verdient in seinem literatur- und mediengeschichtlichen Moment umso mehr Aufmerksamkeit, als Sammlungen von Sentenzen und Sprichwörtern in der Volkssprache erst viel später auftreten, wie das Beispiel Freidank zeigt.

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38

BALDZUHN 2009, S. 151. Einen instruktiven Überblick gibt HENKEL 2005. Auf den hohen Rang, den Sprichwörter in der mündlichen Kultur des frühen Mittelalters haben, weist HAUBRICHS 1988, S. 98-102, hin; die Entwicklung bis in die Neuzeit skizziert EIKELMANN 2003, S. 487f. Vgl. die Diskussion bei GLAUCH 2009, die dafür plädiert, daß „in den neu als ‚Literatur auftauchenden Gattungen […] keine Entlastung von gelehrter Sinnstiftung“, sondern „eine Anreicherung durch gelehrte Sinnbildungsprozesse“ (S. 15) wirkt.

14*

1 Einleitung

Die Ausgangsbeobachtung: Sentenzen und Sprichwörter im Roman Um 1230 hat der Spruchautor Freidank39 nicht zuletzt durch Rückgriff auf mündlich umlaufende Sprichwörter sowie auf Sentenzen aus lateinischen Florilegien einen neuen Typ der volkssprachigen Proverbiensammlung geschaffen und – wie es zunächst scheint – erstmals Sentenzen und Sprichwörter in großer Zahl in Reimpaarversen verschriftlicht. Ohne diese Leistung in Frage zu stellen, gilt es allerdings doch auf die weniger beachtete Tatsache hinzuweisen, daß wichtige Charakteristika dieses Sammlungstyps bereits früher in den höfischen Romanen auftreten. Romanautoren wie Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg und Heinrich von dem Türlin haben Sentenzen und Sprichwörter in Reimpaarversen mit so hoher Frequenz und so breitem Themenspektrum in ihre Werke eingeschrieben, daß man mit einigem Recht behaupten kann: Signifikant häufige Verwendungen mittelhochdeutscher Proverbien finden sich erstmals im höfischen Roman um 1200. Das heimische Heldenepos verfügte, wie das Nibelungenlied zeigt,40 über diese Bestandteile nur in sehr geringem Maße. Das Vorhandensein von Proverbien in Artus-, Gral- und Tristanromanen ist der Forschung nicht entgangen, doch schon die Frage, in welcher Größenordnung sie in den Werken auftreten, ist nicht geklärt, da bislang umfassende Analysen auf kontrollierter Grundlage und eine transparente Identifizierung von Sentenzen und Sprichwörtern fehlen. In den Untersuchungen, die für unser Handbuch durchgeführt wurden, hat sich ergeben, daß mit Hartmanns ›Iwein‹, Wolframs ›Parzival‹ und Gottfrieds ›Tristan‹ drei der ‚klassischen‘ Romane zwischen 50 und 100 Sentenzen und Sprichwörter aufweisen und damit bemerkenswert hohe Frequenz erreichen. Erstmals liegt nun auch eine Auswertung zu Heinrichs von dem Türlin ›Crône‹ vor, die sogar rund 180 Belege bietet. Wenn man die in den Texten nachweisbaren Anspielungen auf Proverbien einbezieht, so liegen die Zahlenwerte noch um einiges höher. Das hochfrequente Vorkommen von Proverbien in diesen Texten tritt ganz klar hervor, wenn man sie zum einen mit frühen höfi-

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40

Zu Freidanks ›Bescheidenheit‹ und zur Freidankrezeption vgl. GRUBMÜLLER 1994 und HEISER 2006. Zu beachten sind daneben die frühesten deutschen Bearbeitungen der ›Disticha Catonis‹ aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. Selbständig überlieferte Sammlungen deutscher Sprichwörter und Redensarten finden sich erst im 15. Jh. und werden dabei weiterhin poetisch gestaltet, z.B. das wenig bekannte Reimpaargedicht ›Das neue Deutsch‹ (NELLMANN 2004). MIEDER 1997, der allerdings weite Begriffskriterien anlegt, konstatiert, daß „Sprichwörter in der Tat nur sehr minimal im ‚Nibelungenlied‘ vertreten“ (S. 167) sind und das Epos insgesamt „keine hohe Frequenz sprichwörtlicher Sprache aufweist“ (S. 174).

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Forschungsidee und Leitfragen

schen Romanen wie Eilharts ›Tristrant‹ und zum anderen den Werken vergleicht, die so wie Hartmanns ›Erec‹ die Tradition des ‚klassischen‘ Artusromans erst eröffnen und wie Strickers ›Daniel‹ bereits auf der Schwelle zur späteren Tradition stehen (vgl. dazu Abb. 1). Autor/ Werk/ Datierung

Textumfang (Verse)

Proverbien Anspielungen

Eilhart: ›Tristrant‹ 1170-1180

9524

5

2

Hartmann von Aue: ›Erec‹ nach 1180

10192

19

14

Hartmann von Aue: ›Iwein‹ um 1200

8166

50

17

Wolfram von Eschenbach: ›Parzival‹ 1200-1210

24810

73

11

Gottfried von Straßburg: ›Tristan‹ um 1210

19548

99

26

Heinrich von dem Türlin: ›Crône‹ um 1230

30041

179

38

Stricker: ›Daniel‹ 1210-1230

8483

26

14

Abb. 1: Häufigkeit von Proverbien in den deutschen höfischen Romanen um 1200

41

Bei allen Unwägbarkeiten solcher Statistiken, die bedingt sind durch die Definitionen der Kleinformen sowie die Probleme ihrer Identifizierung, geben diese Zahlenwerte doch einen prägnanten Eindruck davon, welches Gewicht dem Sentenz- und Sprichwortmaterial in der neu entstandenen Gattung des höfischen Romans zukommt und in welchem Maße die Proverbien an der Konstitution der Erzähltexte beteiligt sind. Eine durchschnittliche Häufigkeit von einer Sentenz respektive einem Sprichwort pro 80 bis 300 Verse in den Romanen Hartmanns,

___________ 41

Die in Abb. 1 dargestellten Ergebnisse lassen sich durch spätere Romane wie Ulrichs ›Lanzelet‹ und Wirnts ›Wigalois‹ weiter untermauern. Aufschlussreich sind aber auch die Zahlenverhältnisse in den Artusromanen nach 1230 sowie den späten Gral- und Tristanromanen, weil an ihnen – wie TOMASEK 2005 gezeigt hat – die „Entwicklung des Sentenzgebrauchs“ von einem diskursiven zu einem konventionalisierten Romanelement und zur „Popularisierung der volkssprachlichen Sentenz“ (S. 63) abzulesen ist. In einem weiterführenden Schritt müssten Antikenromane sowie Minneromane einbezogen werden.

16*

1 Einleitung

Wolframs, Gottfrieds und Heinrichs läßt sich aber nicht einfach damit erklären, die Autoren hätten ihre Werke aufwerten wollen, indem sie ihnen vortragsbedingt rhetorische oder propädeutische „ad-auditores-Interpretationen“ gleichsam „zum Schul- und Hausgebrauch“42 angehängt haben. Vielmehr muß man sehen, daß vergleichbare Zahlengrößen, wie sie an den deutschen Texten aufzuweisen sind, auch für französische Romane des 12. Jahrhunderts gelten.43 Und: genauso wie bei Chrétien de Troyes zu beobachten, entwickeln die deutschen Autoren in Orientierung an litteraten Mustern eigene Techniken der Proverbienverwendung für die Prolog-, Figuren- wie Erzählerreden in ihren Romanen. In den Zusammenhang gehört nicht zuletzt die kommunikative und performative Leistung der Proverbien, schließlich entfalten sie ihre Wirkung erst als Medium sprachlicher Interaktion. Unter diesem Vorzeichen ermöglicht der spezifische Charakter der Sentenz- und Sprichwortverwendung im höfischen Roman noch eine andere Schlußfolgerung, daß nämlich der neue Romantyp von Beginn an als Bestandteil einer höfischen Gesprächs- und Diskussionskultur konzipiert war.

Die kommunikative Umgebung: Höfische Gesprächskultur Sentenz und Sprichwort sind von jeher Elemente urbaner Eloquenz gewesen,44 nicht zuletzt aber auch Mittel taktisch klugen Gesprächsverhaltens, wie es etwa Engelbert von Admont um 1300 in seinem ›Speculum virtutum‹45 lehrt. In den literaturtheoretischen Partien seines Tugendspiegels behandelt der Admonter Abt die kommunikative Leistung von acht Redeformen, „welche im allgemeinen die Rede unter miteinander Sprechenden gefällig und schicklich machen“ (que generaliter faciunt sermonem inter communiter colloquentes placidum et decentem), und gemeint sind die kleinen literarischen Formen „Sentenz, Sprichwort, Beispielgeschichte, Fabel, Gleichnis, Rätsel, Vergleich und Metapher“ (sententia, proverbium, hystoria sive exemplum, fabula, parabola, enigma, similitudo et metaphora).46 Dabei geht es Engelbert also um jene rhetorischen Qualitäten, die eine im Gespräch angeführte Äußerung ‚gefällig‘ und ‚angemessen‘ machen, so

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RUH 1977, S. 113. Für den Bereich der Romania sind die Ergebnisse bei SCHULZE-BUSACKER 1985, S. 44f. und 62f., einschlägig, die allerdings nur Sprichwörter berücksichtigt. Vgl. ZOTZ 1990, S. 409-413. Hinweise zu Autor und Werk bietet KNAPP 1991; vgl. zu Engelberts Begriffsverständnis von proverbium und sententia zuletzt ausführlich HALLIK 2007, S. 391-396. Engelbert von Admont: Speculum virtutum, Cap. X, XIV, S. 340.

Forschungsidee und Leitfragen

17*

daß sie „auf andere eingängig, evident und annehmbar wirkt.“47 In diesem Rahmen widmet er Sentenz (sententia) und Sprichwort (proverbium) jeweils eigene Kapitel, in denen beide Kleinformen gleichermaßen als Mittel eines zwanglos kolloquialen und indirekten Sprechens charakterisiert werden, zugleich aber auch Unterschiede in den Blick kommen, indem er auf generische Unterschiede in der Sprachgestalt und der Art der sozialen Interaktion sowie im kommunikativen Mehrwert hinweist. Die begriffssprachliche Sentenz beschreibt Engelbert als präskriptive Redeform, die in knapper Form zeigt, „was im Leben und Handeln der Menschen geschieht oder geschehen soll“ (oratio, que, quid sit et quid fieri oporteat in vita et actione hominum, breviter demonstrat).48 Ihre kommunikative Leistung entspricht dem Richterspruch oder dem politischen Rat. Dagegen bestimmt er das Sprichwort (proverbium) als „Rede, die auf Grund ihrer verbreiteten Wahrheit analogisch anzeigt, was im Leben und handeln einzuhalten und anzustreben ist“ (oratio, quae ex sua veritate divulgata indicat consimile aluid in vita et moribus tenendum et agendum, sicut solemus dicere).49 Insgesamt erhalten Sentenz und Sprichwort in diesem Kontext damit ihr spezifisches Profil als „einprägsame[], leicht tradierbare[] und gegebenenfalls einfallsreich auszufaltende[] Elementarteilchen oder Formeln literarischer und mündlicher Kommunikation“50. Bezieht man dieses Verständnis, das die aristotelische ›Rhetorik‹ sowie die ›Rhetorica ad Herennium‹ voraussetzt und von den lateinischen Diskursverhältnissen her gedacht ist, auf die höfischen Romane, so ist zunächst einmal Vorsicht geboten: Die literarische Kommunikation in der adeligen Laiengesellschaft ist primär mündlich und situationsgebunden und weniger fest etabliert als die der lateinisch gelehrten Kultur des hohen Mittelalters. Umso mehr fällt bei näheren Hinsehen jedoch auf, daß die Romanfiguren in zahlreichen Gesprächs- und Beratungsszenen mit Sentenzen und Sprichwörtern argumentieren, so wie es modellhaft zu Beginn von Hartmanns ›Iwein‹ zu beobachten ist (vgl. Iw 172; 193; 206; 207; 209; 249). Und kaum zufällig treten Proverbien gerade auch in solchen Erzählpassagen auf, in denen die gesellige Kommunikation bei Hofe selbst, etwa das Reden über Ehre und Anerkennung (vgl. z.B. Pz 12,27; Da 7180), Thema der Romane ist. Schon daran zeigt sich, wie stark die Romane auf höfische Re-

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VON MOOS

1991b, S. 32. Engelbert von Admont: Speculum virtutum, Cap. X, XV, S. 340; vgl. ›Rhetorica ad Herennium‹, 4, 17, 24. Ebd. Cap. X, XVI, S. 342; als Beispiel schließt Engelbert das Sprichwort ›Eile mit Weile‹ (qui vadit plane, vadit sane) an. VON MOOS 1991b, S. 41.

18*

1 Einleitung

depraktiken und Gesprächsformen bezogen sind. Zu fragen ist aber auch, ob dabei nicht gerade litterate Verwendungsweisen die Gesprächs- und Redeszenen überformen, inwieweit also die höfischen Romane „in Auswahl und Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern in aller Regel nicht auf alltägliche Gebrauchsweisen oder -zusammenhänge rekurrieren, sondern in überwiegendem Maße an gelehrte Diskurse anknüpfen.“51 Einiges spricht also dafür, daß der zeitgenössische adelige Rezipient in den Romanen Modelldialoge für eine höfische Gesprächskultur vorfinden konnte, die sich auch durch ihre Teilhabe an litteraten Traditionen von alltäglicher Kommunikation unterscheidet.52 Sentenz und Sprichwort sind insofern auch kein popularisierendes Romanelement, sondern im Gegenteil, den als Bildungszitat kursierenden Geflügelten Worten des 19. Jahrhunderts vergleichbar,53 als Mittel sprachlicher und sozialer Distinktion zu werten. Durch Proverbien wurden die Rezipienten der höfischen Romane in ihrem kollektiven Erfahrungswissen angesprochen und, sei es sentenzhaft adhortativ, sei es proverbial indirekt und bildlich, in den Prozeß des Erzählens verwickelt, wie eine Passage aus der Vorgeschichte von Gottfrieds ›Tristan‹ zeigt, als der Erzähler über Riwalin, den Vater des Helden, sagt (GTr 266-283):

270

275

280

wan leider diz ist und was ie: ufgendiu jugent und vollez guot, diu zwei diu vüerent übermuot. vertragen, daz doch vil manic man in michelem gewalte kan, dar an gedahte er selten; übel mit übele gelten, craft erzeigen wider craft: dar zuo was er gedanchhaft. Nun loufet ez die lenge niht, der allez daz, daz ime geschiht, mit Karles lote gelten wil. weiz got, der man muoz harte vil an disem borge übersehen oder ime muoz dicke schade geschehen.

___________ 51

52 53

REUVEKAMP 2007, S. 167. Mit Blick auf diese Perspektive sieht BALDZUHN 2009 auch in den deutschen Übersetzungen der ›Disticha Catonis‹ „ein Thesaurus-Potential für eine höfische Gesprächs- und Diskussionskultur“ (S. 151). HENKEL 2005 erinnert an das „Bildungspotential“ von Proverbien und betont, daß sie „durchaus den Bezug zu litteraten Ressourcen evozieren“ (S. 30) können. Vgl. dazu FRÜHWALD 1990.

Forschungsidee und Leitfragen

19*

swer keinen schaden vertragen kann, da wahsent dicke schaden an und ist ein veiclicher site54

Unmittelbar zu Beginn der Handlung strukturieren diese Passage gleich drei Sentenzen (GTr 266; 273; 281), die um das Thema ‚Überheblichkeit und Umgang mit Macht‘ kreisen und adeliges Erfahrungswissen evozieren, das lateinisch wie volkssprachig im Kontext didaktischer, historischer und rechtlicher Werke nachzuweisen ist (vgl. Bd. 2, S. 428-431). Durchaus beispielhaft zeigt sich hier, daß zwei der Sentenzen durch ihre üblichen Verwendungszusammenhänge in bestimmte und gerade auch gelehrte Sinn- und Diskurskontexte eingebettet sind. Dokumentiert man diese kontextuelle Einbettung, so können sich daraus entscheidende Anhaltspunkte für das Verständnis der Romanpassage ergeben – so wie hier die fürstenspiegelartige Einführung der Figur Riwalin. An Beispielen wie diesen wird außerdem deutlich, daß die Aneignung von „Bildungsgütern aus ganz anderem Kontext“ in den Romanen keineswegs „unorganisch“55 ausfällt, sondern die aus unterschiedlichen Bildungssphären und literarischen Kontexten stammenden Wissensinhalte allein schon durch die sprachlich-rhetorische Modellierung argumentativ verschmolzen und narrativ funktionalisiert werden. Zusätzlich zeigt diese Passage, welche Bedeutung in Gottfrieds ›Tristan‹ Gebrauchsspuren in den Handschriften zukommt: in zwei Codices, die im 14. Jahrhundert in Adelsbesitz waren, sind die drei Sentenzen durch Nota-Zeichen markiert.56

Auch sonst rufen Proverbien im Erzählen kollektives Wissen auf. Es handelt sich um Wissen aus verschiedenen Diskursfeldern, so daß es etwa um den Bezug zum adeligen Ehrverständnis und Kriegerethos (z.B. Da 888; 1078; 1380; 2524; Gar 12442; 12948), um Werte und Normen der Rechtspraxis (z.B. Iw 172; Wigm 2227; 4281) oder um antik-gelehrtes Wissen geht (z.B. GTr 1; 5; 21; Lan 1288).

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‚Denn betrüblicher Weise war und ist es stets so, daß aufblühende Jugend und Macht überheblich machen. Nachsicht zu üben, wie es doch viele Menschen, selbst wenn sie sehr mächtig sind, können, kam ihm nie in den Sinn. Böses mit Bösem zu vergelten, Gewalt gegen Gewalt zu setzen, darauf war er bedacht. Nun geht es aber auf die Dauer nicht, daß man alles, was einem widerfährt mit der Strenge Kaiser Karls heimzahlt. Weiß Gott, der Mensch muß sehr viel hinnehmen bei diesem Handel, oder er nimmt zwangsläufig Schaden. Wer keinen Schaden ertragen kann, dem erwächst daraus weiterer Schaden. Das ist eine unselige Regel.‘ (Übersetzung nach Gottfried: Tristan [Krohn], S. 27 und 29) GLAUCH 2009, S. 15. Vgl. dafür die Auswertung zu Gottfrieds ›Tristan‹ in Bd. 2, S. 542f.

20*

1 Einleitung

Zum Untersuchungsansatz: Pragmatik und Poetik höfischen Erzählens In den höfischen Romanen werden Sentenzen und Sprichwörter lange vor den ersten volkssprachigen Sammlungen verschriftlicht. Dabei werden zusammen mit den Kleinformen jeweils auch ganze situative und kommunikative Kontexte gestaltet, die auf reale Gesprächssituationen verweisen oder sie entwerfen. Literarisch inszenierte Gesprächskultur, Funktionalisierung der Proverbien und kommunikative Umgebung der Romane greifen also ineinander. Das macht die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern in den Romanen zu einem Exempel für die Pragmatik höfischen Erzählens. Zum einen deswegen, weil diskurspragmatisch zu zeigen ist, wie sich Status und Sinn der Sentenzen und Sprichwörter im jeweiligen Verwendungszusammenhang spezifisch ändern und durch ihn bedingt sind; und zum anderen, weil beide Kleinformen – beispielhaft für die zwischen Vortrag und Lektüre angesiedelte Medialität der Gattung – die Grenze zwischen mündlicher und schriftliterarischer Kommunikation überspielen und den Rezipienten damit die Möglichkeit geben, die Romanwelt zu zeitgenössischen Diskursen über Adelsethos, Recht und Religion in Beziehung zu setzen. Bei Sentenzen und Sprichwörtern verschlingt sich zugleich die Pragmatik mit der Poetik höfischen Erzählens. So evozieren die der Narration beigemischten Proverbien zwar den Bezug zu Themen und Wissensressourcen, die Interessen der Rezipienten ansprechen. Wie sich jedoch zeigt, werden sie und das in ihnen tradierte Wissen gleichzeitig dem Erzählen dienstbar gemacht. Auch wenn eine Sentenz oder ein Sprichwort in einem der Romane offensichtlich auf Vorwissen und Interessen der Rezipienten bezogen ist, so sind sie doch auch in die Reden des Erzählers und der Figuren eingefügt und für die Zwecke der Erzählung funktionalisiert. Anders als zumeist unterstellt, werden sie daher nicht nur didaktisch verwendet: Mit ihnen verbindet sich vielmehr ein eigener literarischer Kunstanspruch, da sie rhetorisch-stilistisch gestaltet, auf mehreren narrativen Ebenen eingesetzt und ihre Geltung und ihr Sinn im Erzählen reflexiv werden können. Für die in unserem Handbuch angestrebte Darstellung dieses Zusammenspiels von Pragmatik und Poetik des höfischen Erzählens sind zwei Prämissen zentral: 1. Den Sentenzen und Sprichwörtern wird man nur dann gerecht, wenn man ihre Verwendung in einer je konkreten kommunikativen Umgebung berücksichtigt. Bei historischem Material ist diese Umgebung zwar nicht direkt zugänglich, doch hinterläßt sie in der schriftlichen Überlieferung ihre Spuren in der jeweils spezifischen Aufzeichnung einer Sentenz oder eines Sprichworts mitsamt der Kontexte. Diese Umgebung wird in den vorhandenen Sentenzen- und

Forschungslage und Forschungsperspektiven

21*

Sprichwörter-Lexika zumeist ausgeblendet. Im Unterschied dazu zielt unser Handbuch auf eine Darstellung, die Proverbien im Kontext erschließt. 2. In Zusammenhang damit ist insbesondere das in den Sentenzen und Sprichwörtern sedimentierte kulturelle Wissen lesbar zu machen. Wenn dabei von ‚Konsens‘ oder ‚konsensfähigem Wissen‘ die Rede ist, so ist nicht allein das von einer Gemeinschaft geteilte kollektive Erfahrungs-, Handlungs- und Weltwissen, gemeint, sondern auch, daß es um die epistemischen Voraussetzungen eines gemeinschaftlichen Weltverhältnisses geht, wie es in Sentenzen und Sprichwörtern zum Ausdruck kommt.57 In diesem Sinne ist die Überlieferung der Proverbien als Wissensarsenal (bzw. ‚Archiv‘ oder ‚Thesaurus‘ kulturellen Wissens) zu verstehen, dessen Potential für die höfische Gesprächsund Diskussionskultur um 1200 in den Blick zu rücken ist. Analytisch handhaben lassen sich diese Prämissen, wenn man sie in einige Leitfragen umsetzt: Was kennzeichnet das in Proverbien sedimentierte Erfahrungsund Weltwissen? Wie wird das in den Proverbien verdichtete Wissen im jeweiligen Kontext aufgerufen und funktionalisiert? Welche Verfahren der Autorisierung spielen dabei eine Rolle? Inwiefern gewinnen Sentenzen und Sprichwörter rezeptionssteuernde Funktion und lenken den pragmatischen und kognitiven Umgang mit der Erzählung? Verändern sich Proverbien beim Wechsel von einer Gattung in eine andere? Wie wandelt sich die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern in der Geschichte des höfischen Romans?

1.4

Forschungslage und Forschungsperspektiven

Im Folgenden ist keine umfassende Bestandsaufnahme der mediävistischen Sentenz- und Sprichwortforschung angestrebt.58 Vielmehr geht es um einen forschungs- und wissenschaftsgeschichtlichen Überblick, der sachlich wie methodisch auf das engere Handbuch-Thema ausgerichtet ist. Entsprechend der Bedeu-

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Grundlegend dafür ist nach wie vor JOLLES 82006, S. 150-170. Vgl. dafür generell MIEDER 1972, 2002, 2004a und RÖHRICH/MIEDER 1977. Neuere Überblicke aus mediävistisch-literaturwissenschaftlicher Sicht bieten EIKELMANN 2003a und 2003b (Redensart, Sprichwort), REUVEKAMP 2003 (Sentenz), HENKEL 2005 (proverbiales Erfahrungs- und Orientierungswissen) sowie MOREWEDGE THEE 2010 (genereller Überblick). Verlauf und Stand der Diskussion spiegeln mehrere Sammelbände: BURIDANT/SUARD 1984 (Sprichwort in der Romania), HAUG/WACHINGER 1994 (literarische Kleinformen), JANZ 1997 (Sprichwort und Literatur), BIZZARRI/ROHDE 2009 (Sprichwort und Exempel). Für den vorbildlich erschlossenen Bereich der Schulliteratur vgl. HENKEL 1988 und BALDZUHN 2009.

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1 Einleitung

tung, die quellenkundlichen Forschungen für pragmatische Analysen historischen Materials zukommt, werden der Untersuchungsansatz und die Arbeitsweise unseres Handbuchs aus der – mit der frühesten Germanistik einsetzenden – Geschichte der Sprichwortforschung hergeleitet und exemplarisch erläutert. Der Fokus liegt auf den Etappen der mediävistischen Forschung mit ihren wechselnden Interessensschwerpunkten. Leisten soll dieser Zugang zum einen die Verknüpfung unseres Ansatzes mit historischen Fragestellungen, zum anderen aber auch seine inter- oder transdisziplinäre Perspektivierung. Parallele Forschungen in der romanischen und den lateinischen Philologien, neuere Beiträge zur Pragmatik literarischer Kleinformen sowie für parömiologische und phraseologische Ansätze zur Erforschung von Mikrotexten sind insofern berücksichtigt.

Die quellenkundliche Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts Daß die mittelhochdeutschen Romane eine Quelle für Sentenzen und Sprichwörter sind, hat in den Anfängen der Germanistik bereits Franz Joseph Mone in einem Beitrag ›Zur Literatur und Geschichte der Sprüchwörter‹ bemerkt: „Ich finde in der Geschichte unserer Literatur eine Thatsache, welche nach meinem Dafürhalten Beachtung verdient. Vergleicht man die Heldenlieder mit einander, so ergibt sich, daß die Lieder des britannischen (arthurischen) Sagenkreises relativ die meisten Sprüchwörter und Sentenzen enthalten. Weniger findet man in den Liedern des französischen (karlischen) Kreises und die wenigsten im teutschen Heldenbuch.“59

Leitend war für die früheste Germanistik nicht so sehr das Interesse an der künstlerischen Verwendung dieser Kleinformen, es ging es ihr vielmehr um Zeugnisse für die ‚Volkspoesie‘ und speziell für das Sprichwort, wie Wilhelm Grimm es in der Einleitung zu seinem Freidank-Kolleg der 1840er Jahre unvergleichlich beschrieben hat: „die glücklichste form ist das s p r i c h w o r t, hier kann sich die lehre mit einem poetischen gedanken [,] mit einem symbolischen bilde so innig verbinden [,] daß es schwer fällt [,] die verschiedenen elemente zu trennen, daß man nicht selten geneigt wird [,] es als eine gabe zu betrachten, welche die Hand der poesie selbst darreicht. es gleicht einem blitz, der auf einen augenblick eine gegend erhellt und das bild uns ahnden läßt, aber nicht wie die poesie eine anschauung mit dauerndem eindruck

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MONE 1830, S. 200, sowie die Statistik S. 201-204.

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gewährt. eben darum ist das sprichwort auch volksmäßig [,] und die besten sind es fast immer.“60

Aufgegriffen hat diese frühesten Ansätze die positivistisch orientierte Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts, der die hochmittelalterlichen Epen und Romane als ein zentraler Quellenbereich für die Überlieferung deutschsprachiger Sprichwörter und Sprüche überhaupt galten. Im Ergebnis ist das damit initiierte Verständnis zu einem eigenen Forschungsparadigma geworden, das eine Reihe von lange Zeit einschlägigen Lexika (ZINGERLE; SCHULZE), autoren- und werkbezogenen Verzeichnissen (WEISE 1910, S. 49-103; HOFMANN 1939), kommentierten Ausgaben von Sentenzen- und Sprichwörtersammlungen (Freidank: Bescheidenheit [Grimm], Proverbia communia, Bebel: Proverbia Germanica) sowie systematischen Quellenstudien (SINGER 1916; SINGER 1939/40; SINGER 1944, 1946, 1947; SEILER; SEILER 1967, bes. S. 46-50) hervorgebracht hat. Nicht zuletzt verdankt sich dieser Forschungsrichtung der materiale Grundstock für heutige Standardwerke. Die Quellenkunde Friedrich Seilers und erst recht die quellenkritischen Literaturstudien Samuel Singers gehören zum Instrumentarium der historischen Sentenzen- und Sprichwortforschung. Doch wie man dabei sehen muß, ging es in diesen Forschungen primär darum, die im ‚Volksmund‘ umlaufenden ‚Originale‘ der Texte nachzuweisen, so daß die spezifisch mittelalterlichen Überlieferungs- und Verwendungsweisen von Proverbien nur am Rande wichtig waren. Wie sehr diese Fixierung auf den ‚originalen‘ Wortlaut den gesamten Untersuchungsansatz beherrscht, tritt an den mitunter gezwungen wirkenden Bemühungen zutage, im „‚Volksmund‘ also doch am letzten Ende die Quelle“61 auch der mittelalterlichen Sammlungen des Sprichworts zu entdecken. Gerade die lateinischen Kollektionen und Florilegien verlieren damit ihren Wert als selbständige Textzeugen, denn „hier müssen wir die deutschen Originalfassungen aus den lateinischen Versen, so gut es geht, rekonstruieren.“62 So grundlegend die quellenkundliche Forschung in materialer Hinsicht daher auch ist, befangen in den Prämissen ihrer Rekonstruktionsmethodik, hat sie nicht den Weg zu den Überlieferungs-, Erscheinungs- und Verwendungsweisen der Sentenzen und Sprichwörter in ihrer historischen Gestalt gefunden. Noch deutlicher wird dies, wenn man den über-

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Grimm: Einleitung Freidank-Kolleg, S. 111. Zur Unterscheidung von ‚Volks-‘ und ‚Kunstpoesie‘ sowie zum literaturgeschichtlichen Konzept Wilhelm Grimms vgl. STACKMANN 1992. SEILER 1967, S. 66. Ebd. S. 81.

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1 Einleitung

greifenden Bereich der lexikographischen Erschließung von Sentenzen und Sprichwörtern sowie maßgeblicher Quellenwerke einbezieht.

Sammlungen, Lexika, Quellenwerke: das Problem der Kontextualisierung Die historisch orientierte Sentenzen- und Sprichwortforschung hat eine lange Tradition, die bis in die Frühe Neuzeit zurückreicht. Das hat zur Folge, daß eine nicht geringe Anzahl von Sammlungen, Lexika und Quellenwerken zur Verfügung steht (vgl. HARREBOMÉE; WANDER; MORAWSKI: Proverbes français; WALTHER; WERNER; RÖHRICH; ZILTENER). Zuletzt ist zwischen 1995 und 2002 der großangelegte ‚Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi’ (TPMA) in 14 Bänden erschienen. Alle diese Sammlungen bündeln zwar wertvolles Material, aber auch sie sind für weitergehende pragmatische und funktionale Fragestellungen nur in eingeschränktem Maße verwendbar, weil sie von ihrer Konzeption her die Einbettung der Proverbien in Situationen und Kontexte grundsätzlich ausblenden. Denn auch wenn Sentenzen und Sprichwörter als relativ selbständige Formen der Rede gelten können, so ist ihnen mit ‚situationsabstrakten‘ Darstellungen, die deren wechselnde Kontexte, Funktionsbeziehungen und Sinnzusammenhänge ausblendet, nicht beizukommen. Tatsächlich zeichnet sich die mittelalterliche Praxis der Sentenzen- und Sprichwortverwendung in pragmatischer Hinsicht durch spezifische Kontexte aus, die oft umfangreich und diskursiv oder literarisch mehrschichtig sind. Dies gilt nicht für das Vorkommen einer Sentenz oder eines Sprichworts in einer konkreten kommunikativen Umgebung, in der sie als „je ein Wort“63 geäußert werden, darüber hinaus gilt es auch für verschiedenste Sammlungskontexte, die fast immer etwas anderes sind als bloß additive Auflistungen oder beliebige Anhäufungen von Sentenzen und Sprichwörtern. Obwohl deren primäre Verwendungszusammenhänge und Bedeutungen zurücktreten, stellen viele Sammlungen neue Ordnungs- und Sinnzusammenhänge mit eigenen Rahmungen und bestimmten Zwecken her. Insofern ersetzen Sammlungen also die primären durch sekundär neu hergestellte Kontexte, in denen die Proverbien etwa nach thematischen Gesichtspunkten (loci communes) sachlich geordnet, oft auch ihre Bedeutung und ihr pragmatischer Gehalt erläutert oder unter Rückgriff

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Zu dieser für die Überlieferungsweise von Proverbien zentralen Unterscheidung zwischen situationsgebundener Einzelverwendung und Sammlungskontext vgl. WESTERMANN 1974, S. 149f.

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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auf gelehrtes Wissen kommentiert werden.64 Für ein historisches Verständnis ist eine genaue Kenntnis dieser in hohem Maße spezifischen Einzel- wie Sammlungskontexte unverzichtbar. Es ist diese Ausgangssituation, die ein differenziertes und breit gefächertes Vorgehen erforderlich macht, das nur über eine komplexe Darstellung zu gewährleisten ist, in der unterschiedliche sachliche wie methodische Aspekte zusammengeführt werden. Unser Handbuch versucht, diese methodisch zentralen Erfordernisse einzulösen, indem es die pragmatische und poetische Dimension der Proverbien im höfischen Roman erschließt. Damit will es den Zugang zu den im Folgenden noch näher zu erläuternden literatur- wie kulturwissenschaftlichen Fragestellungen öffnen. Zuvor muß man hinzufügen, daß die derzeit neu einsetzende Diskussion um eine korpusbasierte Erschließung historischer Phraseologismen in digitalisierter Form noch in den Anfängen steckt.65 Zu nennen sind etwa die historisch ausgerichteten Projekte zur ‚Formelhaften Sprache und Traditionen des Formulierens (HiFoS)‘ und das ‚Online-Lexikon zur diachronen Phraseologie (OLdPhras)‘. Es handelt sich hierbei um Datenbank-Projekte, die sich auf die deutsche Sprachgeschichte von 750 bis 1650 und ab 1650 erstrecken und den im Vergleich zu unserem Projekt sehr viel weiter gesteckten Bereich phraseologischer Wendungen umfassen.66 Die bisher publizierten Projektergebnisse zeigen den Aufschlusswert einer diachronen Erforschung sprachlicher Formelhaftigkeit, so z.B. für das zumal bei Sprichwörtern klärungsbedürftige Merkmal der sprachlich materiellen oder aber auch inhaltlichen ‚Fixiertheit‘ proverbialer Ausdrücke.67 Allerdings wird sich erst noch genauer erweisen müssen, ob die in diesen Projekten verfolgten primär linguistischen Ansätze spezifisch literarischen Verwendungskontexten, wie höfische Romane sie bieten, gerecht werden.

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Vgl. die Beobachtungen zu spätmittelalterlichen Sammlungen bei EIKELMANN 1994; einen auch für das Verständnis von Kleinformen anregenden Theorierahmen entwickelt Peter Strohschneider: Faszinationskraft der Dinge. Über Sammlung, Forschung und Universität. In: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 8 (2012), S. 9-26. Vgl. die Diskussion zur Sprichwort-Lexikographie bei MIEDER 1984, GRYZBEK 1992 und HRISZTOVA-GOTTHARDT 2010. Für nähere Erläuterungen zu diesen Projekten vgl. die Informationen unter: www.hifos.unitrier.de sowie www.oldphras.net. Methodisch anregend ist das am Mannheimer ‚Institut für deutsche Sprache‘ durchgeführte synchrone multilinguale Projekt ‚SprichWort‘, da es auf pragmatische Aspekte fokussiert; vgl. unter: www.sprichwort-plattform.org. Vgl. BURGER 2010, S. 15-32.

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1 Einleitung

Die Forschungsdiskussion zu den Romanproverbien Das Interesse der germanistischen Forschung an den Sentenzen und Sprichwörtern der höfischen Romane ist seit dem frühen 20. Jahrhundert verstärkt hervorgetreten. Ähnlich wie für die Romania entsteht seit dieser Zeit eine Reihe grundlegender Studien, in denen nicht nur das Material gesammelt und klassifiziert ist, sondern auch nach den Quellen, stilistischen Besonderheiten und spezifischen Verwendungsweisen gefragt wird. Beispielhaft dafür ist Wilhelm Weises Studie zur ‚Sentenz bei Hartmann von Aue‘ (WEISE 1910). Wie der Titel dieser Untersuchung signalisiert, ist es ein wichtiges Kennzeichen bereits der ersten mittelhochdeutschen Romane, daß deren Erzähler wie auch Figuren sehr viel häufiger Sentenzen als Sprichwörter äußern, um Erfahrungen zu generalisieren und Positionen zu markieren. Dieser Besonderheit entsprechen bei Weise terminologische Unterscheidungen wie die zwischen ‚subjektiven‘ und ‚objektiven‘ Sentenzen, die durch die Beobachtung motiviert ist, daß erstere „unmittelbar aus des Dichters Munde kommen,“ (S. 6), während der Dichter letztere „den handelnden Personen in den Mund“ (S. 7) legt. Und, dies ein Aspekt von allgemeiner Bedeutung, nicht nur bei Hartmann von Aue, sondern auch späteren Autoren verbindet sich mit der Sentenz ein litterater Anspruch, so daß man allgemein sagen kann: „je gelehrter der Dichter, desto mehr überwiegt die Sentenz.“68 Wenn es nun in diesem Rahmen zentral um die Frage geht, welche Sentenzen Hartmann von seinem französischen Vorbild entlehnt hat und welche seine „eigene Prägung“ (S. 39) sind, so zählt der komparatistische Zugriff zunächst einmal zweifellos zu den Stärken der älteren Studien. Doch machen sich hier auch Verstehensprämissen bemerkbar, die problematisiert werden müssen. Denn die ältere Forschung hat in den Sentenzen einen Ausdruck der künstlerischen Individualität des Dichters gesucht, durch die sein Werk eine persönliche Prägung erhält: „Zu dieser individuellen Belebung und Durchfärbung der Stoffe dürfen wir mit Fug und Recht jene Einflechtungen rechnen, in denen der Dichter aus dem Rahmen der ‚âventiure‘ heraustritt, um sich direkt an sein Publikum zu wenden, eine allgemeingültige Wahrheit einzuflechten und sie durch den Gebrauch des Präsens seinen Zuhörern eindringlicher und als jetzt und auch in Zukunft gültig hinzustellen. Das ist die Sentenz.“69

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EISMANN 2007, S. 320. WEISE 1910, S. 3.

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Sentenzen und Sprichwörter, mit denen der Erzähler hervortritt, wurden so als direkte Aussagen des Autors und als Merkmal seines individuellen Stils interpretiert, um von da das Bild Hartmanns als moralisierenden Dichters zu konstruieren.70 Auch wenn man die philologische Leistung der älteren Forschung anerkennen muß, so richtete sich ihr Interesse in dieser Hinsicht doch einseitig auf die Frage, wie die dichterische Subjektivität den Sprachstil der Werke ‚beeinflußt‘ und ‚prägt‘, ohne die jeweiligen Bedingungen literarischer Produktion und Rezeption in Rechnung zu stellen. Insofern sind einige ihrer Ergebnisse kritisch zu bewerten, und generell sind sie zu erweitern. Entscheidend ist, daß die idealistische Vorstellung eines ‚Individualstils‘, wie er für die ältere Forschung leitend war, mit dem rhetorischen Stilbegriff des Mittelalters, in dem ‚Stil‘ überpersönlich gedacht ist und verschiedene Faktoren die Wahl eines Stil-Registers oder eines Stilmittels bestimmen, nur bedingt zu vermitteln ist.71 Denn auch die Verwendung einer Sentenz oder eines Sprichworts als Stilmittel ist nicht einfach Ausdruck der Individualität des Dichters. Um sie adäquat zu verstehen, muß man vielmehr nach den Rahmenbedingungen und Kontexten ihres Gebrauchs fragen, um dann beobachten zu können, wie sie in den jeweils neuen Zusammenhängen gestaltet, strategisch eingesetzt und funktionalisiert werden. Damit kommt ein methodischer Ansatz ins Spiel, der sich von der vorhergehenden Forschung insofern grundlegend unterscheidet, als er sich für die Verwendung von Proverbien in ihren spezifisch mittelalterlichen Kontexten interessiert. Seit den 1970er Jahren hat sich dies in Untersuchungen zu Erzählerfigur und Erzähltechnik der höfischen Romane gezeigt, in denen Sentenzen und Sprichwörter nun dezidiert als poetische Mittel und rezeptionssteuernde Sinnangebote verstanden wurden. Bei diesem Verständnis gelten Proverbien als Grundelement höfischen Erzählens, in dem die produktions- und rezeptionsästhetischen Bedingungen der Romane zusammenspielen. Denn einerseits gehört „eine kräftige Beimischung von Sentenz und Lehre […] zum literarischen Handwerk“72 der höfischen Autoren, so daß sie für die Romanpoetik von Belang sind. Andererseits wird durch sie aber auch „der konkrete Einzelfall eingeordnet und mit der Tradition und ihrem Erfahrungsschatz“73 so verknüpft, daß mit dem Übergang aus dem Erzählpräteritum in das Präsens des Erzählens die „in der Vergangenheit spielen-

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Vgl. dafür noch VAN DER LEE 1950, S. 130-133. Für den Bereich der lateinischen Literatur diskutiert das Problem BEZNER 2008. NELLMANN 1973, S. 130. PÖRKSEN 1971, S. 135.

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1 Einleitung

de Geschichte […] zur Gegenwart hin geöffnet und zu aktuellen Erfahrungen und Interessen des Erzählers und des Publikums in Beziehung gesetzt“74 wird. Wenn man diese argumentative Linie weiter auszieht und jüngere Ansätze zu Medialität und Performativität mittelalterlichen Erzählens anschließt, so läßt sich nicht allein zeigen, daß Sentenzen und Sprichwörter als eine Form mündlichkeitsgestützter Rede den Rezipienten beim Vortrag unmittelbar anzusprechen und Handlungsanreize zu geben vermögen. Daneben wird man, wie zum Beispiel Nellmann mit Blick auf die Eingangssentenz von Gottfrieds ›Tristan‹ betont, „auch an die unterschiedlichen Möglichkeiten der damaligen Rezeption denken müssen: die mündliche Vermittlung und die Lektüre.“75 Denn das Sinnspektrum vieler Sentenzen erschließt sich abhängig davon, ob man im Vortrag ihre suggestive Wirkung erfährt oder ob man sie lesend aufnimmt und ihre Sinnbezüge sorgfältig bedenkt, jeweils anders. In dem Maße, in dem man nach den kommunikativen und medialen Bedingungen fragt, die den literarischen Umgang mit Sentenz und Sprichwort konditionieren, in dem Maße klärt sich ihre Bedeutung für die Poetik des höfischen Erzählens. Es zeigt sich nämlich, daß ihre Verwendung bei den höfischen Romanautoren oftmals mit einem hohen Maß an strategischem und rezeptionsorientiertem Interesse verbunden ist. Zur Illustration können die Prologsentenzen in Hartmanns ›Iwein‹, Wolframs ›Parzival‹ sowie Gottfrieds ›Tristan‹ dienen: Während Hartmann einleitend Leitvokabeln wie rehte güete, sælde und êre aufruft, die dem Rezipienten Deutungsanreize für die erzählte Geschichte geben,76 gestaltet Wolfram seine zwîvel-Sentenz mehrdeutig und läßt den Rezipienten so nach den Bezügen zur Erzählung suchen,77 wohingegen Gottfried mit seiner Sentenz auf die „Tradition des Prologs von historischen Werken“ 78 verweist und die Rezipienten – Hörer wie Leser – über die Teilhabe an diesem litteraten Wissen einbezieht. Wenn man zudem auch die produktive literarische Rezeption dieser Sentenzen berücksichtigt, wird noch klarer, wie gezielt die Romanautoren an Vertextungen und Retextualisierungen, semantischen Verschiebungen, aber auch Destruktion und Konstruktion tradierter Proverbien und proverbial geprägter Wissensinhalte arbeiten. Daß auch die mittellateinischen Poetiken den mit Proverbien eröffneten Prolog

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BUMKE 1997, S. 129. NELLMANN 2009, S. 253. Vgl. EIKELMANN 1998. Vgl. BRACKERT 2000. NELLMANN 2011, S. 252,

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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als Exordium empfehlen und damit einen Referenzrahmen für literaturtheoretische Fragestellungen79 bieten, bestätigt diesen besonderen Stellenwert. Allerdings muß man dabei auch den dort vorgezeichneten Schritt tun und die Diskussion auf weitere Verwendungsweisen – neben der Prologsentenz auf ihre Pendants in Romanepilogen (z.B. Pz 827,19), doch auch auf Sentenzen in Erzählerkommentaren (z.B. GTr 4835) und in der Figurenrede (z.B. Iw 172) – ausdehnen. Mit der Verwendung in Prologen ist die Bedeutung der Sentenz für die Romanpoetik jedenfalls erst in einem speziellen Aspekt erfaßt. Überblickt man die Forschung von diesem Punkt aus, ist nicht zu verkennen, daß die Analyse der narrativen Funktionalisierung von Sentenzen und Sprichwörtern nach wie vor als Desiderat gesehen wird. Symptomatisch dafür sind Einschätzungen, die selbst für ein zentrales Werk wie Hartmanns ›Erec‹ noch in jüngster Zeit konstatieren, es sei der bisherigen Forschung „hauptsächlich um die Identifikation der sprichwörtlichen Texte und nicht um deren Interpretation im Sinnzusammenhang des ganzen Werkes“80 gegangen. Wollte man den allemal nötigen Leidensdruck noch erhöhen, ließen sich dem leicht ähnliche Urteile für andere Romane an die Seite stellen. Zusätzlich ließe sich demonstrieren, wie ungleichmäßig und wie divergent sich der Diskussionsstand bei den einzelnen Werken darstellt, sobald man die bisherige Forschung81 zusammenführt. Bei aller Vorläufigkeit und Heterogenität der Interessen und Ergebnisse spiegelt sich in den vorhandenen Analysen jedoch eine Vielzahl und Vielfalt von Aspekten, die nicht nur dem tatsächlichen Vorhandensein der Sentenzen und Sprichwörter gelten, sondern die Kenntnis ihrer Erscheinungsformen und funktionalen Spielräume im Roman erweitern und bereits neu orientieren.

Hartmann von Aue ›Erec‹ und ›Iwein‹ Bei keinem anderen höfischen Roman haben die Sentenzen und Sprichwörter in der Forschung so viel Beachtung erfahren wie bei Hartmanns ›Erec‹ und ›Iwein‹. Dies zeigt bereits der Blick auf die Reihe älterer Studien zu diesem Thema (vgl. JESKE 1909, S. 94-105; WEISE 1910; DRUBE 1930, S. 67-69; vAN DER LEE 1950, S. 130-133). Exemplarisch ist die monographische Untersuchung von Irmingard

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Grundlegend ist HAUG 1992, S. 12f.; vgl. weiterhin HALLIK 2007, S. 321-403. MIEDER 2001, S. 46. Eine Bestandsaufnahme bietet REUVEKAMP 2007, S. 44-47; vgl. dort die Hinweise auf ZELLMANN 1996, S. 74 (Ulrichs ›Lanzelet‹) und TOMASEK 1995, S. 200 (Gottfrieds ›Tristan‹).

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1 Einleitung

Bamberg (BAMBERG 1945), die, im Anschluß an methodisch affine Arbeiten zu neuerer Literatur,82 die „Frage nach der Funktion der Sentenz“ (S. 2) im Romanzusammenhang mit einem texthermeneutischen Anspruch gestellt hat. Sentenzen, so das zentrale Ergebnis, sind nicht bloß äußerliche Textbeigaben, sondern auf die Handlung konkret abgestimmt und auf mehreren Textebenen – bei der Darbietung von Wissen durch den Erzähler, der kompositorischen Gestaltung und der Sinnbildung – funktional in den „Dichtungsorganismus“ (S. 11) eingefügt. Obwohl Bambergs Arbeit von den heutigen Frageinteressen nach narrativen Techniken der Integration und Funktionsweisen von Mikrotexten noch weit entfernt ist, klärt sich hier erstmals der spezifische ästhetische Anspruch, mit dem bei der literarischen Verwendung der Sentenzen und Sprichwörter zu rechnen ist. Und dies ist umso bemerkenswerter, als auch noch spätere Untersuchungen zur Erzähltechnik und Erzählerfigur83 sie einseitig als lehrhaftes Element bewertet und in Hartmann nach wie vor nur einen „didaktische[n] Erzähler“84 gesehen haben. In jüngster Zeit zeichnet sich nun eine Neubewertung ab. Sie geht von der Beobachtung aus, daß für den ›Erec‹ und mehr noch den ›Iwein‹ nicht ein belehrender Redegestus, sondern sehr viel mehr ein im Ton spielerisch-lockerer und ironisch gebrochener Umgang mit Sentenz und Sprichwort spezifisch ist.85 Zudem kommt in Hartmanns Romanen gerade auch ihre Eigenart als sprachliche Wiederholungshandlung zur Geltung, da viele der Proverbien in „einen übergreifenden Zusammenhang“ verweisen, indem sie „Probleme anklingen [lassen], die sich durch den ganzen Text hindurchziehen und über die Funktion der Einbeziehung oder einer Belehrung des Lesers hinaus eine Bedeutung für sein Verstehen haben.“86 Konkret meint dies zitathafte Anspielungen mit programmatischen Aussagen für die gesamte Erzählung (vgl. z.B. Iw 1; v. 8166), ferner intratextuelle Paarbildungen, die korrespondierende und identische Redegesten auf der Handlungsebene markieren (vgl. z.B. Er 980; 1229; Iw 3676; 3691), nicht zuletzt aber Sentenzreihen, in denen eine Kleinform mehrmals in verschiedenen Kontexten wiederholt und ihre Geltung von wechselnden Seiten her beleuchtet und hinterfragt wird (vgl. z.B. Iw 4326; 5349; 6619; 6636).

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Vgl. NIEMEYER 1934. Vgl. dazu mit unterschiedlichen Akzentsetzungen: PÖRKSEN 1971, S. 133-138; KRAMER 1971, S. 90-99, 146-149; KUTTNER 1978, S. 35-59; ARNDT 1980, S. 111-126. MIEDER 2001, S. 50. Vgl. dazu die Hinweise im Stellenkommentar bei MERTENS 2008, z.B. S. 982, 990, 1008. HENNIG 1981, S. 121.

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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Sieht man solche Besonderheiten im Kontext der kulturell gerade erst entstehenden höfischen Literatur, so wird man sie nicht nur mit dem Individualstil Hartmanns erklären können. Vielmehr hat das Frageinteresse den literarischen Strategien zu gelten, die entwickelt werden, um volkssprachiges Erzählen als eigene Kunstform zu stiften und zu etablieren. Wie ja doch auffällt, greift Hartmann nicht nur auf bereits gängige Sprichwörter und Redensarten zurück, sondern er formuliert oder reformuliert die Mehrzahl der Kleinformen neu, wählt sie gezielt aus und plaziert sie geschickt in Erzähler- wie Figurenrede. Zu fragen wäre daher auch, wie einzelne Sentenzen, die jeder Hörer oder Leser irgendwann ‚im Ohr hat‘, durch Hartmanns Verwendung markiert werden und in Umlauf kommen. So sind es Iwein und Gawein, die sich in Gerichtskämpfen mit der biblischen Sentenz ›Gott hilft dem Gerechten‹ (Iw 5274 got gestuont der wârheit ie; 7628 so half ouch got dem rehten ie) auf Gott und die Wahrheit berufen, um ihre Position zu behaupten. Bei späteren Romanautoren hat diese Verbindung von Sentenz und Entscheidungssituation als Vorbild gewirkt und sich schließlich als Redekonvention eingespielt (vgl. Wigl 2772; 2922; 9912; Da 1298; Gar 412; 418; 1157; Tan 4332; Gau 4232). Es gibt eine Vielzahl solcher Prägungen, die in den Romanen rekurrent wiederkehren. Aus Sicht einer historischen Phraseologie böte es sich bei ihnen an, in vergleichenden Analysen nach Sprechaktvielfalt, pragmatischem Gehalt und modellbildender Funktion proverbialer Kleinformen in älterer Erzählliteratur zu fragen.87 Für literatur- wie kulturhistorische Untersuchungen hingegen verdienen die Autorisierungsvorgänge besondere Beachtung, die mit der strategischen Proverbienverwendung im höfischen Roman einhergehen. Fragt man unter solchen Vorzeichen, wie Sentenzen und Sprichwörter bei einzelnen Romanautoren gefunden, eingeführt und wiederholt verwendet werden, so ist zu vermuten, daß diese nicht etwa auf eine vorhandene Rede- und Gesprächskultur zurückgreifen, sondern sie als zentrales Element volkssprachigen Erzählens überhaupt erst formieren, verbunden einerseits mit Redepraktiken, wie sie ein taktisch kluges Gesprächsverhalten auszeichnen, andererseits aber auch mit narrativen und diskursiven Techniken, die spezifische Sinneffekte erzeugen. In einem nächsten Schritt wäre daher zu diskutieren, wie die im Roman inszenierte Gesprächskultur mit den Bedingungen der kommunikativen Umgebung außerhalb des einzelnen Textes zusammenwirkt.

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Vgl. dazu EIKELMANN/TOMASEK 2002, S. 144f.

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1 Einleitung

Wolfram von Eschenbach ›Parzival‹ Die Forschung zu den Sentenzen und Sprichwörtern in Wolframs ›Parzival‹ stellt sich gänzlich anders als für die Romane Hartmanns von Aue dar. Denn nimmt man die Prologsentenz aus, ist dieser Aspekt bis vor wenigen Jahren nie systematisch untersucht worden.88 Bezeichnenderweise sind zwar im Rahmen von Quellenstudien und Stellenkommentaren wertvolle Einzelbeobachtungen zu finden,89 aber als Textelement, das zumal für die „Erzähler-Reden“ eigens zu beachten ist, gelten „Sentenzen und Sprichwörter“90 erst in jüngster Zeit. Insofern überrascht es nicht, daß die Frage nach der spezifischen Verwendungsweise von Proverbien im ›Parzival‹ erst ansatzweise diskutiert wurde. Zu fragen, wie sich Wolframs anspielungsreiche krumbe Schreibweise – im Kontrast zu seinem Antipoden Gottfried von Straßburg – auf den sonst meist eher abstrakten Sentenzen-Stil des höfischen Romans auswirkt, wie er mithin Sentenz und Sprichwort für sein realitätshaltiges Erzählen nutzt, liegt durchaus nahe. Nur muß man dafür zunächst klären, inwiefern seine Sentenzen ungewöhnlich ausgewählt und formuliert sind und worin sie von der vorhandenen Tradition höfischen Erzählens abweichen. Im Kontext des höfischen Romans ganz ungewöhnlich ausgewählt ist etwa das selten belegte Sprichwort vom Werfen des Schlegels, mit dem – gemäß einer seiner bekannten Lesarten – bei Wolfram das Ziel gemeint ist, das der suchend umherirrende Parzival scheinbar zufällig findet (vgl. Pz 180,9). Und wenn Wolframs Erzähler den wüsten Segramors nach dessen schimpflicher Niederlage im Zweikampf gegen Parzival der Lächerlichkeit preisgibt, rechtfertigt er dies so pointiert mit dem Sprichwort ›Den Schaden und dazu den Spott haben‹, wie es kein zweites Mal mehr zu finden ist: der schadehafte erwarp ie spot (Pz 289,11). Das heißt: Wolfram entzieht Sentenzen und Sprichwörter eingewöhnten Erwartungen. Bei ihm können sie nicht von vornherein als Signal gewertet werden, daß der Autor mit einem Publikum rechnet, das den Sinn einer Sentenz oder eines Sprichworts erfaßt. Selbst wenn die Proverbien allgemein gängiges Erfahrungs-

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Das auf den „volkskundlichen Gehalt“ des Romans zielende Verzeichnis bei HOFMANN 1939, S. 65-68, resümiert, „daß wir in Anbetracht der vielen Verse wenig eindeutige Sprichwörter, doch verhältnismäßig viele sprichwörtliche Redensarten“ (S. 65) finden. Eine erste Gesamtdarstellung bietet MIEDER 2004a; den erreichten Diskussionsstand resümiert HARTMANN 2011, S. 159-161. Stellvertretend sei auf SINGER 1898 und den Kommentar von BARTSCH/MARTI (Wolfram: Parzival und Titurel) verwiesen; vgl. auch die Hinweise in neueren Kommentaren, z.B. Wolfram von Eschenbach: ›Parzival‹, S. 445-447 (zu Pz 1,1f.), 538 (zu Pz 150,22) und S. 551 (zu Pz 180,10f.). BUMKE 2004, S. 219.

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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wissen tradieren, sind sie im ›Parzival‹ – stilistisch, semantisch, ko- und kontextuell – oftmals so ungewohnt akzentuiert, daß sie nicht nur im Prolog, sondern auch im Erzählen der Geschichte „durch das Allgemeine auch das Konkrete hindurchscheinen“91 lassen und die Erzählung mit zusätzlichen Sinn- und Problembezügen anreichern (z.B. Pz 103,23; 150,22; 167,29; 272,11; 289,24; 827,19). Bei Sentenzen und Sprichwörtern stehen „im ›Parzival‹ das Allgemeine und das Besondere nicht selten in einem latenten Spannungsverhältnis“92 zueinander. Spätestens in Wolframs Roman erweist sich das Verhältnis von generalisiertem Erfahrungswissen und singulärer Geschichte daher als problematisch, gerade bei ihm wird spürbar, wie prekär dieses Verhältnis ist und welche Fragen es im Romankontext aufwirft: Wie führt der Erzähler die allgemein gültigen Erfahrungsregeln mit den individuellen Geschichten seiner Romanfiguren eng (z.B. Pz 103,23)? Erläutern sie die Handlung, oder stehen sie in Widerspruch zu ihr? Sind sie ernst oder scherzhaft gemeint (z.B. Pz 167,29)? Ist ein Sprichwort im konkreten Kontext passend (z.B. Pz 150,22)? Welche Lesarten sind im Erzählzusammenhang die ‚richtigen‘ (z.B. Pz 180,9)? Wie tarieren die Sentenzen zeithistorisch virulente Themen aus – etwa das in der höfischen Literatur um 1200 reflektierte Spannungsverhältnis von höfischer Kultur und Religion (z.B. Pz 827,19)? Die Fragen ließen sich vermehren. Doch stützen sie sich bisher nur auf wenige Beispiele und wären daher auf breiterer Textbasis zu erörtern. Zudem fehlen Analysen, die nicht nur beim Erzähler, sondern auch auf der Ebene der Figurenrede ansetzen. Schon deswegen ist der Forschungsstand beim ›Parzival‹ vorläufig. Darüber hinaus ist aber auch die Frage nach der Rezeption der ›Parzival‹Sentenzen nicht geklärt. Sie stellt sich, sobald man sieht, daß selbst eine so „besondere Formulierung“ wie weindiu ougn hânt süezen munt (Pz 272,12), mit der Wolframs Erzähler „an das Einverständnis der Kenner, derer, die aus Erfahrung sprechen können“ 93, appelliert, bis ins späte Mittelalter als proverbiales Erfahrungswissen verbreitet war (vgl. das Vergleichsmaterial zu Loh 3831).

___________ 91 92 93

BRACKERT 2000, S. 344. BUMKE 2004, S. 219. SCHMID 2004, S. 232.

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1 Einleitung

Gottfried von Straßburg ›Tristan‹ Angesichts dieser Situation sind die Voraussetzungen für einen tragfähigen Vergleich des ›Parzival‹ mit Gottfrieds ›Tristan‹ noch nicht in Reichweite. Das ist umso mehr zu bedauern, als sich in neuen Arbeiten für die Sentenzen im ›Tristan‹ ein distinktes Verwendungsprofil abzeichnet: „In kaum einem anderen mittelhochdeutschen Versroman werden so viele Sentenzen vom Erzähler gesprochen (etwa 70%) und stellen Sentenzen ein derart wichtiges Mittel zur Profilierung der Erzählerrolle dar.“94 Gesagt ist dies vor dem Hintergrund einer vorwiegend an sprachstilistischen Fragen interessierten Forschung, die nicht über die Präsentation von Beispielreihen und Einzelbeobachtungen hinausging.95 Andererseits finden sich wichtige systematische Beobachtungen, wie sie namentlich Franziska Wenzel zu Gottfrieds souverän agierendem Erzähler beigesteuert hat, oft nur an versteckter Stelle: „Indem Gottfried stets Handlungen oder Erfahrungen der Romanfiguren auf diese allgemeingültigen Weisheiten bezieht, kann er das Ergehen seiner Gestalten seinen Lesern nachvollziehbar mitteilen (z.B. 1115-18), gelegentlich mit didaktischem Unterton (z.B. 12503ff.); Verallgemeinerungen können ferner individuelles Tun und Empfinden als in der gegebenen Lage typisches, nahezu unvermeidliches hinstellen und es damit entschuldigen (z.B. 2485ff.) oder seine Verurteilung mildern (z.B. 17740-45, 17766-69, 17802f.); schließlich weisen Sprichwörter Einzelnes als repräsentativ-mittelmäßig aus und können, wo sie auf die sonst ideale Minne zwischen Tristan und Isolde anspielen, einen tadelnden Beigeschmack haben (1516567).“96

Diese Beobachtungen vermitteln einen ersten Eindruck davon, wie differenziert Gottfried Proverbien verwendet, um die Aktionen seiner Romanfiguren einzuordnen und zu erklären.97 Bei näherem Zusehen zeigt sich die elaborierte rhetorische Technik, die er insbesondere in den Erzählerexkursen nutzt, um Sentenzen und Sprichwörter als kunstvolle Sprachgebilde zur Geltung zu bringen und mit dem Redekontext zu verweben. Darüber hinaus sind die Sentenzen, die zum Minnediskurs gehören, im ›Tristan‹ ein klares Beispiel dafür, wie Wissensinhalte

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TOMASEK 2007, S. 119. Vgl. PREUß 1883, S. 66-75; SCHARSCHUCH 1938, S. 31-37; HOFMANN 1939, S. 69-72; CLAUSEN 1970, S. 86-90; MIEDER 1997. WENZEL 1985, S. 251, Anm. 365; vgl. ebd. S. 644 und im Register unter ‚Sentenzen im ‚Tristan‘. Vgl. für Gottfrieds ›Tristan‹ die Auswertung in Bd. 2, S. 536-547.

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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aus verschiedenen Bildungssphären und literarischen Kontexten angeeignet und im Erzählen präsentiert werden (GTr 17738-17752 und 18042-18047):

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17745

18045

diz was diu alwære, diu herzelose blintheit, von der ein sprichwort da seit: ‚diu blintheit der minne diu blendet uze und inne.‘ si blendet ougen unde sin: daz si wol sehent under in, des enwellent si niht sehen. also was Marke geschehen der wistez warez als den tot […] und enwoltes doch niht wizzen.98 diu enwirdet wîbes namen niht, alse ein warez sprichwort giht: ‚diu manegen minne sinnt, diust manegem ungeminnet.‘ diu gerne da nach sinne, daz al diu werlde minne, diu minne sich selben vor, und zeige al der werlde ir minnen spor.99

Sentenzen und Sprichwörter haben nicht von sich aus Autorität und Wahrheitswert. Das Erfahrungs- und Orientierungswissen, das sie tradieren, muß kontextbezogen autorisiert und mit Geltungsansprüchen ausgestattet werden. Bei Gottfrieds Erzählersentenzen geschieht dies gleich auf mehreren Ebenen. Ihnen wird in so hohem Maße Autoritätswert zugeschrieben, wie es in der höfischen Literatur um 1200 sonst nicht zu finden ist. So verwendet Gottfried, zu einem worthistorisch sehr frühen Zeitpunkt, die Bezeichnung sprichwort, um die Erfahrung von Liebe dort, wo sie direktiv und adhortativ zur Sprache kommt, an eine übergeordnete kommunikative Instanz (ein warez sprichwort giht) rückzubinden und

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‚Hier war jene törichte, empfindungslose Blindheit, von der ein Sprichwort sagt: ›Die Blindheit der Liebe macht außen und innen blind.‹‘ Sie blendet Augen und Verstand. Was sie genau sehen, wollen sie nicht sehen. So war es auch mit Marke. Er wußte es totsicher […] Und doch wollte er es nicht wahrhaben.‘ (Übersetzung nach Gottfried: Tristan [Krohn], S. 469) ‚Die [d.h. die zügellose Liebe] ehrt die Frauen nicht, wie ein wahres Sprichwort sagt: ›Diejenige, die viele lieben möchte, wird von vielen nicht geliebt.‹ Die Frau, die danach strebt, von allen geliebt zu werden, soll sich zunächst selbst lieben und allen die Zeichen ihrer Liebe vorweisen.‘ (Übersetzung nach Gottfried: Tristan [Krohn], S. 487)

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1 Einleitung

abzusichern. Unübersehbar geht es dabei nicht bloß darum, das tradierte Wissen zu beglaubigen, sondern durch die Art, wie der Erzähler die Erfahrung präsentiert, gewinnt auch er selbst Profil als souverän urteilende Instanz, die den Rezipienten gezielt in kritische Reflexionen mit einbezieht. Gewiß lassen sich ähnliche Verfahren der Herstellung von Autorität auch bei Hartmann und Wolfram nachweisen. Auch bei ihnen zeigt sich, daß Sentenzen und Sprichwörter als sprachliche Kunstform gelten, deren Autoritätswert durch Redetechniken ausgestellt wird, die sich an Praktiken der lateinisch-gelehrten Bildungswelt anlehnen. Soweit sich das Interesse aber speziell auf Autorisierungen durch die sprachstilistisch-rhetorische Gestaltung, durch rahmende Beglaubigungsformeln und gelehrte Kommentierungspraktiken richtet, kommt Gottfrieds ›Tristan‹ jedoch ohne Zweifel zentrale Bedeutung für die Frage zu, inwiefern und wie die höfischen Romane als Bestandteil einer elitären Rede- und Gesprächskultur konzipiert waren. In diesem Zusammenhang wäre noch genauer zu klären, wie Gottfrieds Proverbien zur Ermächtigung des Erzählers als autoritativer Wissensinstanz beitragen und dabei eine spezifische didaktische Funktion erhalten. Die bisherigen Beobachtungen sprechen dafür, daß zumal die Sentenzen im ›Tristan‹ ihre Wirkung als Handlungs- und Denkanreize für den Rezipienten entfalten sollten, daß sie also nicht nur Bestehendes konstatieren, sondern emotional inzitativ wirken und zu situationsverändernder „Einsicht und Besinnung“100 führen wollen. Für diese performative Ausrichtung ist nicht zuletzt auf Anhaltspunkte in der handschriftlichen Überlieferung zu verweisen, in der – dies nur eines von mehreren Indizien – zwei Bildern des ›Tristan‹-Codex Cgm 51 lateinische Sentenzen als Überschrift vorangestellt sind, die einen lebenspraktischen Rezeptionsmodus des Romans101 wahrscheinlich machen (Abb. 2 und 3).

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VON MOOS 1997, S. 320. Vgl. zu Text und lebenspraktischer Funktion der Sentenzen die Analyse bei MANUWALD 2008.

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Abb. 2: ›Tristan‹-Handschrift M, fol. 15r (Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 51), mittleres Register: Beisetzung Blanscheflurs mit der Überschrift: omnia vincit amor sed nos cedamus amori - Swer die werlt minnet, dar an im misselinget.102

Abb. 3: ›Tristan‹-Handschrift M, fol. 15v (Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 51), mittleres Register: Tristans Erziehung mit der Überschrift: omnia que discis non aufert fur necque pisc[]is.103

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‚Liebe besiegt alles, aber wir weichen vor der Liebe. – Wer die Welt liebt, dem bekommt das übel.‘ (lateinische Sentenz: Vergil: Eclogen, X, 69; WALTHER 20097; TPMA VII, S. 413).

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1 Einleitung

Poetik und Poetologie des höfischen Romans In der Germanistischen Mediävistik waren die Forschungen zur Poetik des höfischen Romans bis in die jüngere Vergangenheit vor allem auf das Modell des Doppelwegs und verbunden damit auf strukturalistische Romananalysen fixiert. Unter den Vorzeichen dieses Paradigmas wurde die Erforschung der Romanproverbien lange Zeit an den Rand gedrängt, weil man annahm, daß die durch Sentenzen und Sprichwörter angelegte Deutungsebene quer zu anderen Deutungen der Erzählungen steht und insbesondere eine von der Doppelwegstruktur geleitete Konstruktion des Erzählsinns eher verhindert.104 Wie nähere Analysen zeigen, ist eine solche Divergenz zwischen Erzählstruktur und proverbialer Deutungsebene durchaus möglich. Sie wäre aber als Problem, das auch den Romanautoren bewußt war, erst noch herauszuarbeiten, da etwa Chrétien de Troyes und Wolfram von Eschenbach die Vermittlung von Erkenntnis durch lehrhaft gegebene Regeln in Frage stellen.105 Steht die Ebene der proverbialen Sinnbildung also einer strukturellen Interpretation entgegen? Obwohl diese Frage durchaus ihre Berechtigung hat, ist es doch keine befriedigende Lösung, wenn man die Leistung der Proverbien pauschal abwertet. Zunächst müßte man von Roman zu Roman untersuchen, ob es eine eigene proverbiale Deutungsebene gibt und, wenn ja, wie sie sich zu anderen Sinnbildungsebenen verhält. Verfolgt man diesen methodischen Weg, wird einerseits deutlich, daß die höfischen Romane neben dem Doppelweg mit den Sentenzen und Sprichwörtern über ein Darstellungsmittel von anderem Zuschnitt verfügen, insofern diese als Element der Textoberfläche ein spezifisches – stilistisches, erzähltechnisches, mediales und diskursives – Gestaltungs- und Funktionspotential besitzen und anders als eher abstrakte Verfahren der strukturellen Episodenverknüpfung die Hörer und Leser beim Vortrag einzelner Episoden wie bei der Lektüre direkt anzusprechen vermögen. In der poetologischen Diskussion zum höfischen Roman müßten die Proverbien daher mit Blick auf dieses Potential als rezeptionssteuernde Sinnangebote eine zentrale Rolle spielen. Wie sich andererseits zeigt, tragen funktionale Analysen von Sentenzen und Sprichwörtern zu Interpretationen bei, die nicht nur auf intratextuelle Motiv- und Strukturketten in

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‚Alles, was du lernst, trägt weder ein Dieb noch ein Fisch fort.‘ (WALTHER 20047; TPMA VII, S. 376). Repräsentativ für diese Position ist RUH 1977, S. 111-113. Die kontroverse Diskussion zu den Lehren in Wolframs ›Parzival‹ resümiert BUMKE 2001, S. 85-90.

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den Romanen fokussieren, sondern sich vornehmen, deren intertextuelle Referenzen und wissensgeschichtliche Positionen aufzuschließen.106

Späte mittelhochdeutsche Artusromane als primäre Rezeptionsstufe Vor diesem Hintergrund gesehen stellt sich die Forschungssituation bei den späten höfischen Romanen als uneinheitlich und vorläufig dar. Beispielhaft hingewiesen sei dafür auf die späten Artusromane im Zeitraum bis 1230: ›Lanzelet‹, ›Wigalois‹, ›Crône‹ und ›Daniel‹. Der neueren Forschung gelten sie inzwischen als die „vier wichtigsten späten mittelhochdeutschen Artusromane“, die als distinkte Textgruppe zu betrachten sind, „weil sie, in Konzeption und Anspruch durchweg vergleichbar, gewissermaßen die erste Rezeptionsstufe der klassischen Werke Hartmanns und Wolframs darstellen. Zudem heben sie sich von den späteren Romanen – den Dichtungen des Pleier, dem ›Gauriel‹ Konrads von Stoffeln sowie dem ›Wigamur‹ in ihrem innovativen Ausloten der Gattungsgrenzen deutlich ab, in welcher Hinsicht jene eine durchweg konservativere Haltung einnehmen.“107 Wie sich die Romane dabei in Gemeinsamkeiten und Unterschieden verhalten, bedarf abhängig vom jeweils gewählten Untersuchungsaspekt näherer Analysen. Bei der Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern konvergieren sie aber zweifellos darin, daß alle Werke speziell die beiden Romane Hartmanns als Prätexte voraussetzen, indem sie an die dort vorgegebenen Sentenzen und Verwendungsweisen anknüpfen, und zwar jedes Mal unter den Bedingungen eines veränderten Erzählkonzepts. Der Differenzierungsdruck, der auf dieser ersten Stufe der Rezeption der ‚Klassiker‘ wirkt, zeigt sich in den Gesamtprofilen der Proverbienverwendung: In Ulrichs ›Lanzelet‹ trägt sie primär zur Konstituierung der Erzählerfigur bei, während in Wirnts ›Wigalois‹ die positiv bestätigende Darstellung des Helden ins Zentrum rückt; anders verhält es sich wiederum in Heinrichs ›Crône‹, deren Proverbien bevorzugt als intertextuelle Bezugnahmen und dabei als Mittel poetologischer Reflexionen dienen; Strickers ›Daniel‹ schließlich thematisiert einhergehend mit der positiven Darstellung des Helden die Interaktionsregeln der höfisch-ritterlichen Romanwelt.108

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Zur intertextuellen und interdiskursiven Sentenz- und Sprichwortverwendung im höfischen Roman vgl. den Untersuchungsansatz bei REUVEKAMP 2007. WENNERHOLD 2005, S. 10. Vgl. dazu die Auswertungen zu den Romanen in Kapiteln 2.3 bis 2.6 im vorliegenden Band.

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1 Einleitung

In der mediävistischen Romanforschung steht eine systematische Auseinandersetzung mit den Sentenzen und Sprichwörtern der späten Artusromane unter vergleichbaren philologischen, sprachstilistischen und narrativen Gesichtspunkten allerdings noch weitgehend aus. Lediglich der ›Lanzelet‹ bildet eine Ausnahme, da sowohl die wissensvermittelnden als auch spielerisch-ironischen Verwendungs- und Funktionsweisen der Proverbien Ulrichs intensiv diskutiert wurden, ohne daß über deren Bewertung für die freilich umstrittene Interpretation des Romans ein Konsens auch nur annähernd erreicht wäre.109 Ein ähnlich vorläufiges Bild ergibt sich für die Artusdichtungen der Zeit nach 1230, mithin die drei Romane des Pleier, den ›Wigamur‹ und Konrads ›Gauriel‹. Denn so wie es im Falle des ›Wigamur‹ für die Sentenzen aus dem Rechtskontext (vgl. Wigm 2227; 4281) gilt, sind auch bei den anderen Romanen bisher nur Einzelaspekte untersucht worden. Bei den Fortsetzungen von Gottfrieds ›Tristan‹ muß man allerdings differenzieren,110 zumal mit dem Episodengedicht ›Tristan als Mönch‹ eine Dichtung vorliegt, in der Sentenzen und Sprichwörter weder inhaltlich noch stilistisch an das Vorbild Gottfried anschließen und dadurch eine ganz eigene Prägnanz gewinnen (vgl. z.B. TrM 1137; 1543; 2291).

Adaptation französischer Vorbilder und komparatistische Gesamtperspektive Die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern orientiert sich bei den klassischen Romanautoren Hartmann, Wolfram und Gottfried an romanischen Vorbildern und ist insofern auf schriftliche Vorlagen bezogen. Bereits die ältere Forschung hat speziell für Hartmann den Nachweis erbracht, wie eigenständig er mit den Romanen Chrétiens umgeht: „Im ›Erec‹ und ›Iwein‹ liefert der Stoff, den er von Crestien übernimmt, gewissermaßen das Stichwort, um hier Eigenes zu entfalten, Singulares zu Generellem zu erheben.“111 In dieser Hinsicht kommt Hartmann auch deswegen eine Schlüsselrolle zu, weil bei seinen Romanen ein direkter Vergleich mit den Vorlagen möglich ist, so daß – anders als dies für den ›Parzival‹112 und ›Tristan‹113 gilt – durchgehend quellen- und textnah zu beobachten ist, welche Proverbien er seiner Vorlage entlehnt, in welchen Fällen er eine Sen-

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Nähere Hinweise gibt das Forschungsresümee in der Auswertung zu Kap. 2.3. Vgl. LEITZMANN 1942 und TOMASEK 2005. WEISE 1910, S. 20. Im ›Parzival‹ sind nur zwei Sentenzen aus dem ›Perceval‹ übernommen (vgl. Bd. 2, S. 201). Für Gottfrieds ›Tristan‹ ist ein Vorlagenvergleich nur punktuell möglich (ebd., S. 546f.).

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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tenz oder ein Sprichwort verändert, es übergeht oder ersetzt, wie er aber auch ganze Erzählpassagen mit proverbialen Redeformen retextualisiert (vgl. dazu die Auswertung in Kap. 2.2). Welche Fragen Hartmanns Arbeitsweise aufwirft, illustriert ein Beispiel aus dem ersten Romanteil des ›Iwein‹. Als Kalogrenant durch den Wasserguß auf den Zauberbrunnen unwissentlich ein Unwetter ausgelöst hat, wird er vom Quellenritter Askalon beschuldigt, den Landesfrieden gebrochen und das Land verwüstet zu haben. Die Entschädigung für die Verwüstung fordert Askalon ein, indem er mit einer Sentenz sein Recht als Landesherr einfordert: daz kint daz dâ ist geslagen / daz muoz wol weinen und clagen: / alsus clag ich von schulden (Iw 723). Die Sentenz vom Kind, das seinen Schaden beweint, übernimmt Hartmann von Chrétien, in dessen Erzählung der Quellenhüter Esclados das Sprichwort ›Plaindre se doit qui est batuz‹ als Argument verwendet, um Wiedergutmachung zu fordern.114 Hartmann ruft zwar ähnlich wie die Vorlage den Rechtskontext der Fehdeerklärung auf, doch ist der Wortlaut seiner Sentenz durch die neu hinzugefügte Kind-Weinen-Metaphorik zugleich so markant wie überraschend verändert. Überraschend ist die Veränderung deswegen, weil das bei Hartmann anzitierte, lateinisch und deutsch belegte Sprichwort ›Das Kind weint über Schläge, verschweigt aber warum‹ (TPMA VII, S. 35f.) den Fokus der Stelle, in der es um das Recht des Quellenritters geht, insofern erweitert und verschiebt, als nun auch die Berechtigung von Askalons Klage in Frage steht. Hat der deutsche Autor den französischen Text mißverstanden und ohne Rücksicht auf dessen Rechtskontext ein Äquivalent für das im Deutschen unbekannte Sprichwort gesucht? Oder stellt seine Bearbeitung intentional eine Umgestaltung der Vorlage dar? Hartmann hätte dann die deutsche Sentenz verwendet, um den Erwartungen seines Publikums zu entsprechen, er hätte deren Aufmerksamkeit so zugleich auf die nicht erklärten Gründe für Askalons Verhalten und damit auf eine narrative Leerstelle gelenkt. Obwohl es ältere Studien zu den Sentenzen und Sprichwörtern der altfranzösischen Artusromane gibt, die nicht nur das Material gesammelt und klassifiziert, sondern bereits nach Funktionen und Verwendungsweisen gefragt haben,115 sind die heute grundlegenden romanistischen Untersuchungen zu Terminologie, Prob-

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Vgl. für die Rechtsproblematik den Stellenkommentar in Hartmann: Iwein (Mertens), S. 988. Repräsentativ ist KADLER 1886; einen Überblick über die ältere Forschung gibt SCHULZEBUSACKER 1985, S. 9-12.

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lemen der Identifizierung sowie zur funktionaler Analyse erst seit den 1970er Jahren entstanden. Initiale Wirkung ging dabei insbesondere von Diskussionen aus, die nach Rhetorik, Poetik und Performanz der mittelalterlichen Sentenz- und Sprichwortverwendung gefragt haben.116 Ausgehend von den mittelalterlichen Poetiken hat so etwa Marie-Louise Ollier den generischen Unterschied zwischen proverbe und sentence erörtert und unter funktionalem Blickwinkel nach deren Leistung für den „discours d’autorité“ in Chrétiens ›Yvain‹ gefragt.117 Wie sie zeigen konnte, ist die Sentenz – anders als das stets als fremde Rede zitierte Sprichwort – zwar an bestimmte Texte und Diskurse gebunden, doch gewinnt sie gerade durch ihre Text- und Diskursgebundenheit spezifische argumentative Qualität, während das Sprichwort eher assoziativ über Analogien in den Diskurs einbezogen wird: „Le proverbe procédait par analogie, la sentence se constitue comme argument.“118 Im Rahmen systematischer Studien hat Elisabeth SchulzeBusacker diese Diskussion dann für das Sprichwort in den „textes narratifs des XIIe et XIIIe siècles“ weitergeführt, um „son intégration et sa fonction stylistique dans le discours narratif, les interférences entre les premiers recueils de proverbes en langue vulgaire et les textes littéraires de la même epoque“119 zu klären. Völlig zu recht hat sie dabei gegenüber der vorherigen Forschung geltend gemacht, daß die autoritätsstiftende Wirkung von Proverbien nur ein einzelner, wenngleich signifikanter, Funktionsaspekt120 ist. Was demgegenüber überhaupt erst noch ins Blickfeld gerückt werden müsse, und das ist analog für die germanistische Diskussion zu betonen, sei die „complexité stylistique“121 der narrativen Sentenzund Sprichwortverwendung, zu der sowohl die Vielfalt der textuellen Erscheinungs- und Integrationsformen als auch deren breites funktionales Spektrum in Prologen, programmatischen Äußerungen, ironisierenden Bemerkungen, Erzählerkommentaren, Figurenreden und Figurendialogen gehört.

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Eine auf rhetorische Funktionen zielende Beispielanalyse bietet ZUMTHOR 1976; vgl. zu terminologischen Fragen SCHMARJE 1973, Bd. 1, S. 3-77, RODEGEM 1972 und 1984, LIVER 1977; den Diskussionsstand dokumentieren BURIDANT/SUARD 1984 und BIZARRI/ROHDE 2009. Vgl. OLLIER 1976. OLLIER 1976, S. 345; vgl. ebd. das Beispiel aus dem handlungseinleitenden Streitgespräch des ›Yvain‹, in dem der Seneschall Keu eine Sentenz als argumentative Prämisse einsetzt; wie DICKE 2011 am frühneuzeitlichen ›Lalebuch‹ herausarbeitet, wird diese enthymematische Funktion von Sentenz und Sprichwort in scholastischen Argumentationslehren behandelt. SCHULZE-BUSACKER 1985, S. 12; vgl. daneben zur Unterscheidung von proverbe und sentence SCHULZE-BUSACKER 1984, bes. S. 149. Zur auctoritas und autoritätsstiftenden Verwendung von Sentenz und Sprichwort vgl. zuletzt die Diskussion bei REUVEKAMP 2007, S. 71-76. SCHULZE-BUSACKER 1985, S. 47.

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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Den Aufschlußwert dieses Untersuchungsansatzes zeigt die Analyse zu Chrétiens ›Perceval‹. In seinem letzten Roman verwendet Chrétien spezifischer als im ›Yvain‹ die resümierende und schlußfolgernde Funktion des Sprichworts, um die verschiedenen Stufen in der Entwicklung des Helden zu markieren. Denn im Kontrast zu den Gauvain-Partien fällt auf, daß es an den zentralen Wendepunkten der Perceval-Handlung wiederholt Sprichwörter sind, die den Nutzen und Wert von Lehren und Ratschlägen betonen und den Lernprozeß des Helden thematisieren. Als Perceval am Artushof die Rüstung des Chevalier Vermoil anlegt, ist es so etwa das Sprichwort Molt grief chose est de fol aprendre (1173: ‚Schwer ist es, einen Narren zu belehren‘), mit dem der Erzähler die Uneinsichtigkeit des Helden hervorhebt. Perceval scheitert, weil er sich Lehren verweigert und seine Unwissenheit selber verschuldet ist. Neuartig ist dabei einerseits die „fonction thematique“, die den Sprichwörtern für die Handlung zukommt, andererseits aber auch ihre „rôle didactique“122, die z.B. die Ratschläge Gornemants haben. Daß die Sentenz- und Sprichwortverwendung Wolframs anders angelegt ist, ergibt sich schon aus dem Umstand, daß bei ihm an die Stelle der Unwissenheit die tumpheit des Helden tritt. Deren komische wie katastrophale Folgen führen dazu, daß die Erkenntnis- und Wissensvermittlung durch lehrhafte Regeln im ›Parzival‹ selbst in Frage steht. Zu diskutieren wäre, wie Wolframs Regelskepsis auf seine Sentenz- und Sprichwortverwendung zurückwirkt und inwiefern sie das bei ihm sehr spezifische Verhältnis von Narration und proverbialer Sinnbildung erklärt (vgl. die Diskussion S. 32f.* und S. 38*).

Mit der kritisch akzentuierten Erweiterung des Untersuchungsfeldes, wie sie den Diskussionsstand in der romanistischen Mediävistik kennzeichnet, ist für die höfischen Romane des 12. und 13. Jahrhunderts in Frankreich eine beispielhaft korpusbasierte und funktional ausgerichtete Analyseperspektive gewonnen. Eine wichtige methodische Neuerung stellt dabei nicht zuletzt die systematisch gestellte Frage nach den Interferenzen der Romane mit den frühen französischen Sprichwörtersammlungen dar, wobei es allerdings noch darauf ankäme, die von den Erzähltexten selbst mitinitiierte Entstehung volkssprachiger Sammlungskorpora zu klären. Andererseits verdient besondere Beachtung, daß das in der Romanistik entwickelte Forschungskonzept an jüngere interdisziplinäre Diskussion zu literarischen Klein- und Kleinstformen anschließbar ist.123 Im Rahmen dieser primär literatur- und kulturwissenschaftlich orientierten Diskussion werden Sentenz und Sprichwort in einer Reihe mit benachbarten Kleinformen wie Fabel oder

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Ebd. S. 62. Einen Überblick bietet WACHINGER 1994, bes. S. 17-19. Neben dem höfischen Roman ist insbesondere die mittelhochdeutsche Sangspruch- und Lieddichtung für die Sentenz- und Sprichwortverwendung von zentraler Bedeutung; vgl. zuletzt GRUBMÜLLER 2009 und WACHINGER 2009.

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Rätsel gesehen und dabei als Mikrotexte aufgefaßt, die selbstverständlicher und sehr viel enger als Gattungen und Werke der ‚hohen‘ Literatur an die zeitgenössische Lebenswelt und Kultur gebunden sind. Im Zentrum des Interesses stehen daher auch die verschiedenen Überlieferungs-, Entstehungs- und Verwendungskontexte, mit denen Proverbien verknüpft sind und aus deren Kenntnis sich allererst ihre jeweils spezifische Funktionalisierung erschließt. So finden sie sich nicht nur im höfischen Roman, sondern ebenso in der Rechtspraxis, in schulischem Unterricht und im Predigtvortrag sowie in fast allen Gattungen der pragmatischen und fiktionalen Literatur des Mittelalters – vom Brief über die Geschichtschreibung bis zur Lieddichtung und Erzählwerken. Auch wenn es ohne Zweifel Präferenzen gibt, ist die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern wenig beschränkt, so daß die Gründe für ihr Auftreten gerade auch im Roman der Klärung bedürfen: „Wie und warum bedient sich z.B. eine literarische Großform (Roman, Epos oder ein Fachtext) mit dem Sprichwort einer Klein- bzw. Kleinstform? Denkbar ist z.B. […] sein Auftreten als Autorität, Beleg oder als Beweis, als Erklärung oder Argument, als Provokation oder Kritik in einem Diskurs.“124 Wichtiger noch als die Ermittlung dieser funktionalen Möglichkeiten ist die Frage danach, welches spezifische Interesse die Autoren an der Integration proverbialer Kleinformen in ihre fiktionalen Erzählungen hatten. Denn einiges spricht dafür, daß die Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman „nicht dazu dienen, einen Bezug zu der von Oralität bestimmten Alltagswelt des laienadeligen Publikums herzustellen“, sondern stattdessen bevorzugt dazu, „Mündlichkeit zu stilisieren und ein höfisches Gesprächsideal in Anlehnung an gelehrte Konversationsformen zu entwerfen.“125 Dies zu betonen heißt nicht die Bedeutung des Sprichworts für die Alltagskommunikation negieren. Gleichwohl ist insofern ein Perspektivenwechsel postuliert, als auch volksprachige Sentenzen und Sprichwörter als literarisches Phänomen zu gelten haben und ihre Rückbindung an lateinisch gelehrte Proverbientraditionen als primär grundlegend betrachtet wird. Bei aller Differenziertheit greifen die vorgestellten Untersuchungsansätze in diesem Aspekt noch immer zu kurz, obwohl er für die Kontextualisierung von Sentenzen und Sprichwörtern zentral ist. So muß man die spezifische Qualität mittelalterlicher Proverbien auch darin suchen, daß sie nicht ausschließlich an eine einzelne Sprache, Literatur oder Gattung gebunden sind, sondern ihr Vorkommen und ihre Verwendung mehrere Sprachen und Literaturen, Gattungen und Diskur-

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JANZ 1997, S. 4. REUVEKAMP 2007, S. 37.

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se übergreift und dabei quer zu kulturellen, literarischen und generischen Grenzziehungen steht. Will man ihre Verwendungsweisen präzise ermitteln, so bedarf es zunächst – über den Roman hinaus – der Ausweitung auf andere Textgattungen. Vor allem müssen aber auch verschiedene europäische Literaturen einbezogen werden: die der Romania (bes. Frankreich) wie der übrigen Germania (neben dem deutschen Sprachraum vor allem Skandinavien und England). Nicht zuletzt ist der Blick auf das Lateinische auszuweiten, weil es die Grundlage für einen Vergleich der Verfahren und Strategien bietet, mit denen in unterschiedlichen sprachlichen und literarischen Kontexten auf Proverbien und das in ihnen sedimentierte Erfahrungswissen zugegriffen wird. Setzt man unter diesen methodischen Vorzeichen komparatistisch an, so lassen sich für Sentenzen und Sprichwörter eigene Verwendungs- und Diskurstraditionen von europäischem Format rekonstruieren, die im Einzelfall bis ins 17. Jahrhundert reichen. Es geht dabei nicht nur um die Frage, wie eine Sentenz oder ein Sprichwort im jeweiligen Kontext eingesetzt werden und woran ihre kommunikative Leistung zu messen ist. Vielmehr sind sie bis weit in die Neuzeit an bestimmte Sinn- und Diskurskontexte gebunden, die – differenziert nach Sprachen, Literaturen, Gattungen – ihre Verwendung bis in spezielle Einzelkontexte bestimmen. Diese komparatistische Perspektivierung sei anhand eines Fallbeispiels – des Sprichworts ›Freunde werden in der Not geprüft (und versagen zumeist)‹126 – illustriert, das am Ende auf die Frage nach dem Verhältnis von Chrétiens ›Yvain‹ und Hartmanns ›Iwein‹ zuläuft. Das ›Freunde in der Not‹-Sprichwort gehört seit der Antike zu einem eher skeptischen Freundschaftsdiskurs. Es setzt der Feier des besonderen Wertes von Freundschaft die Erfahrung entgegen, daß in elementaren Notsituationen nur allzu häufig kein Verlaß auf diejenigen ist, die sich in guten Zeiten als Freunde ausgewiesen haben.127 Sprachlich verdichtet hält das Sprichwort die grundlegenden Rede- und Argumentationsmuster dieses Diskurses für neue Kontextualisierungen bereit. Insbesondere auch in volkssprachigen Texten wird die freundschaftsskeptische Grundhaltung in mehreren Diskursaspekten – philosophisch, theologisch, rhetorisch – nuanciert, die eigene Verwendungstraditionen und Funktionalisierungen ausbilden. So wird die im Sprichwort gefaßte (eigentlich resignative) Erfahrung im Kontext philosophischer Betrachtungen über Glück und Unglück positiv umgedeutet zum entscheidenden Argument für den Eigenwert elementarer Notsituationen, die den Menschen erst zu einem analytischen Blick auf

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Vgl. TPMA IV, s. v. Freund, S. 26-35. Vgl. Sir 12, 8: Non agnoscetur in bonis amicus, / Et non abscondetur in malis inimicus. – Cicero: De amicitia, 17, 64: Amicus certus in re incerta cernitur.

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die eigene Lebensrealität befähigen und einer nachhaltigen Wertorientierung Vorschub leisten: Erst in der Not lernt man, den Wert wahrer Freundschaft zu schätzen, und erhält die Möglichkeit, die wahren Freunde zu erkennen.128 Damit zielt das Sprichwort aber nicht mehr primär auf die ihm inhärente Freundschaftsproblematik, sondern auf die läuternde Wirkung von Noterfahrung überhaupt. Im Unterschied dazu wird die Unfähigkeit des Menschen zu wahrer und selbstloser Freundschaft in geistlichen Kontexten mit der bedingungslos opferbereiten Liebe des Gottessohnes kontrastiert und – so wie bei David von Augsburg in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts – die Abwendung von weltlicher Gesellschaft als ideale Lebensform propagiert.129 Da der Mensch in der Regel gar nicht fähig sei, einen anderen ohne

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Vgl. Boethius: ›De Consolatione Philosophiae‹, 2, p8, 17-21. Zentraler Beleg dafür ist David von Augsburg, S. 26. Die geistliche Auslegungstradition summiert um 1450 eine lateinische Predigtskizze zum Thema der wahren Freundschaft und Christus als wahrem Freund aus der Überlieferung spätmittelalterlicher Sprichwörterprothemata: Dominica septima. Misereor super turbam. [Mc 8,2] // In noten, so erkent man den frewnt. Pro quo sciendum, quod bonum est habere amicos, Ecci vi: Amico fideli nulla est comparacio. [Sir 6, 15] Et viii Ethicorum: Nullus eligeret vivere sine amicis, habens reliquia ominia bona. [Aristoteles: Nikomachische Ethik, 8, 1] Sed in necessitate probatur amicus, quia communiter dicitur: Wol eim der do frewndt hat, we eim der ir zw nat dorff. Unde in Collacionibus patrum culpam abbatis Joseph habetur quintuplex causa amcicie: Quosdam enim precedens commendacio fecit amicos. Sed illa amicicia non est durativa. Sicut enim verbum commendatum est causa amicicie, sic econverso: Audit verbum criminosum et cessat amicica. Unde Ecci vi: Est amicus secundum tempus, sed non permanebit in tempore tribulacionis. [Sir 6, 8] Quosdam dati accepti contractus. Sed dicit Ysiderus De summo bono: Non sunt fideles in amicicia, artis et studii fecit amicos, ita eciam ut latrones sue sceleris participes diligunt et foveant. Sed ibi attendendum est, quod aliquis debet sibi eligere amicum sibi similem in arte, alias in neccessitate non potest eum iuvare, quia sutor non poetst iuvare lanificem in expansione pannorum. Et sic de similibus. Unde Ysopus ponit fabulam de pisce et leone, qui fuerunt facti amici, sed orto bello neuter alterum potuit iuvare. Talis similtudo etiam attendenda est in amicicia matrimonii. Item quosdam fedus consanguinem iungit, quod non solum in hominibus, verum in omnibus animalibus deprehenditur. Et illa amicicia iterum non est durativa, quia quando homo habundat, multos habet amcios, Prov XIX: Divicie addunt amicos plurimos, a paupere autem et hii, quos habuit, separantur. [Prv 19, 4] Item fratres pauperis hominis oderunt eum insuper et amici procul resserunt ab eo. Et multi reperiuntur inter tales, qui sunt amici mense. Ecci vi, sed non permanent in tempore necessitatis. [Sir 6, 10] Unde Ysopus ponit fabulam: Quomodo cervus quidam infirmabatur, qui colligens pabula venit in pratum amenissimum et posuit illa coram se, ut comederet, quando vellet, vernerunt amici eius ad visitandum eum et paulatim diripiunt et eis ablatis eum miserum derelinquunt. Sic est de amicis. Et ergo illa genera omnia amciorum sicut iunguntur, ita solvuntur. Sed unum solum genus indissolubile est, scilicet quos virtutum iungit. Unde Ieronymus ad Paulinum in Epistola: Vera illa amicicia est et Christi glutino copulata, quam non utilitas rei familiaris, nec presencia coporum tantum, non subdola et palpans adulacio, sed dei timor et divinarum scripturarum studia conciliant. Hec ille. Talis fuit amicicia turbe ad Christum, qui amantes verba divina sue predicacionis sequebatur eum usque ad defectum cibi et in tanta necessitate constanti amicicia Christi ad eos fuit osentensa. Ibi enim cognoscebatur Christum fuisse verum amicum, qui non deseruit eos in necessitate, sed dixit: Miserior super turbam, quia iam reduo sustinent me tec. Sequitur: Atten-

Forschungslage und Forschungsperspektiven

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Rücksichtnahme auf das eigene Schicksal zu unterstützen, sei wahre Freundschaft nur bei Gott und in der Nachfolge Christi erfahrbar. Im Bereich politischer oder zwischenmenschlicher Konfliktführung fungiert das Sprichwort dagegen als rhetorisches Mittel, das dazu dient, Bitten und Forderungen im Rekurs auf ein Freundschaftsverhältnis Nachdruck zu verleihen. Indem der Vorwurf von Selbstsucht und fehlender Hilfsbereitschaft subtil eingespielt wird, werden die Handlungsspielräume des Angesprochenen von vornherein begrenzt, da eine ablehnende Reaktion vorgreifend als Indikator tiefster moralischer Defizienz gewertet wird. Bezeichnend ist, daß über diese rhetorische Instrumentalisierung des Sprichworts gerade dort Druck ausgeübt wird, wo das Geforderte den Rahmen freundschaftlicher Dienstbereitschaft überschreitet. Das in diesem Zusammenhang entwickelte Freundschaftsdenken hat im deutschen höfischen Artusroman mit seinem optimistischen Gesellschaftsentwurf, anders als im Französischen, keinen Niederschlag gefunden. Deutlich wird dies, wenn Hartmann von Aue das Sprichwort „qu‘au besoing, toz jorz le dit an, / doit an son ami esprover.“ (Chrétien: Yvain, 6590f.) in seiner Adaptation von Chrétiens ›Yvain‹ tilgt, obwohl er der Vorlage im engeren Kontext der Beratung von Laudine und Lunete sonst folgt.130 Zu beachten ist auch, daß dieses Sprichwort zu den meist verbreiteten der französischen Literatur gehört, etwa in der Chanson de geste mit ihrem gattungstypischen Freundschaftsethos.

Es zeigt sich, daß solche übergreifenden Analysen erheblichen Erkenntnisgewinn haben können, wenn man in dieser Weise komparatistisch vorgeht, mithin die Text- und Verwendungstradition einer Sentenz oder eines Sprichworts in mehreren Sprachen und Literaturen vergleicht. Allerdings verlangt dies einen methodischen Zugang, der die Disparatheit des untersuchten Materials nicht vorschnell vereinheitlicht und damit der Gefahr begegnet, völlig homogene und in sich geschlossene Verwendungs- und Denktraditionen zu rekonstruieren. Die Prinzipien, denen unser Handbuch dabei verpflichtet ist, lassen sich in zwei Punkten formulieren: 1. Besonderes Augenmerk ist auf die vertiefte Kontextualisierung und Kommentierung einzelner Proverbien zu legen. Dies aber bedeutet, das funktionale und pragmatische Potential einer Sentenz oder eines Sprichwort nicht nur in Text und Kontext, sondern auch in seinen literatur-, kultur- und wissenshistorischen Diskussionszusammenhängen zu erschließen.

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dite a falsis prophetis, qui veniunt etc. cum proverbio: Es ist nicht alles golt, das do gleist, quere in fine ultimi sexterni (München, BSB, clm 12296, f. 200v-201r). Vgl. dazu MAZUREK 2013 (im Druck). Vgl. parallel auch Chrétien: ›Lancelot‹ (Ed. Roques), 6502-6205: Li vilains dit bien voir qu’a poinne / puet an mes un ami trover / de legier puet an esprover / au besoing qui est boens ami.

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1 Einleitung

2. Auszugehen ist dabei von der Beobachtung, daß die je einzelne Sprache und die je einzelne Literatur stets nur ein unvollständiges Bild der funktionalen Möglichkeiten bieten, die eine Sentenz oder ein Sprichwort bietet. Für den Zeitraum des Mittelalters und der Frühen Neuzeit stellen daher die Einzelphilologien übergreifende, komparatistisch ausgerichtete Forschungen eine dringende Aufgabe dar. Im Rahmen unseres Handbuchs können diese Prinzipien allerdings nur an einem wichtigen Ausschnitt der mittelalterlichen Proverbientradition erprobt werden. Insofern ist die Ausweitung komparatistischer Untersuchungen auf andere Gegenstandsbereiche ein dringendes Forschungsdesiderat. Wie nun erst noch näher darzulegen wäre, sind in diesem Sinne historisch orientierte Untersuchungen nicht zuletzt deswegen dringlich, weil sie nicht nur auf dem kultur- und literaturhistorischen ‚Höhenkamm‘-Niveau, sondern bis in regionale und lokale Verwendungskontexte131 das kulturelle Erfahrungswissen dieser Epochen dokumentieren und erforschen können.

1.5

Terminologie

Ziel der folgenden Abschnitte ist die sachliche Eingrenzung des Gegenstandsbereiches unseres Handbuchs. Angestrebt ist eine historisch orientierte Beschreibung der Terminologie von Sentenz und Sprichwort,132 die von wortgeschichtlichen Befunden ausgeht, um von da die im Handbuch verwendeten Begriffe ‚Sentenz‘ und ‚Sprichwort‘ zu explizieren und von verwandten literarischen Kleinformen abzugrenzen. Beansprucht ist damit keine umfassende Erörterung der nach wie vor kontrovers diskutierten Definitionen von Sentenz und Sprichwort.133 Im Wesentlichen geht es darum, die für unsere Untersuchung leitende

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In diesem Zusammenhang müßten ältere ‚volkskundlich‘ interessierte Untersuchungen wie z.B. OHLY 1960 neu bewertet werden; andererseits ließen sich beispielhafte Studien wie SCHÖNE 1991 weiterführen. Vgl. zu den methodischen Fragen den Überblick bei Harald Fricke: Terminologie, in: RLW. Bd. 3. 2003, S. 587-590. Als locus classicus dieser Diskussion kann das Diktum Archer Taylors gelten: „The definition of a proverb is too difficult to repay the undertaking” (TAYLOR 1931, S. 3). Obwohl Taylors Begriffsverständnis („a proverb is a saying current among the folk.”) betont pragmatisch angelegt ist, macht er weder eine Aussage über den Umfang des Gegenstandsbereichs noch das Gattungsfeld, auf die sich seine Arbeitsdefinition beziehen. Dies birgt die Gefahr, den Unterschied zwischen systematischen und historisch ausgerichteten Konzepten von Sprichwort und Sentenz einzuebnen. In Unterschied dazu betont die jüngere parömiologische Forschung, daß intensionale Merkmale wie extensionaler Geltungsumfang dieser Begriffe in Abhängigkeit zum kultu-

Terminologie

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Konzeptualisierung der Grundbegriffe sowie die Kriterien der Identifizierung und Auswahl der in das Untersuchungskorpus aufgenommenen Sentenzen und Sprichwörter vorzustellen.

Mittelalterliche Bezeichnungen für Sentenz und Sprichwort Die in unserem Handbuch verwendete Terminologie stützt sich auf wortgeschichtliche Untersuchungen der mittelalterlichen Bezeichnungen für Sentenz und Sprichwort. Will man diese älteren Bezeichnungen methodisch kontrolliert ermitteln, ist – onomasiologisch – vom modernen Begriffsverständnis auszugehen,134 um dann entsprechende Ausdrücke in den historischen Quellen zu recherchieren. Bei diesem Vorgehen stößt man in den Quellen und jeweiligen Kontexten auf Bezeichnungen wie mittelhochdeutsch altsprochen wort (‚seit alter Zeit gesprochene Rede‘) und sprichwort (‚viel gesprochene Rede‘), deren Verwendung dann wieder semasiologisch untersucht werden können. Wie zu betonen ist, zielt das so ausgerichtete Untersuchungsinteresse nicht darauf ab, die mittelalterlichen Bezeichnungen modernen terminologischen Maßstäben anzupassen. Vielmehr geht es darum, die Bezeichnungen als Quellenmaterial für eine Sicht von Sentenz und Sprichwort zu nutzen, die in dem Sinne historisch konzipiert ist, als sie die mittelalterlichen Selbstbezeichnungen im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache aufschließt und danach fragt, inwiefern mittelalterliches und modernes Begriffsverständnis kon- und divergieren. Es sind zwei Quellenbereiche, die mit dem Blick auf das für den höfischen Roman vorauszusetzende Begriffsverständnis besondere Aufmerksamkeit verdienen: 1. das mittelhochdeutsche Wort sprichwort und konkurrierende Bezeichnungen (z.B. altsprochen wort, spruch), die der Einbindung proverbialer Ausdrücke und Kleintexte im situativen Kontext einer Kommunikationssituation sowie ihrer kotextuellen Rahmung in den Romanen dienen;

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rellen Kontext sowie jeweiligen Gattungsumfeld, in dem Sprichwort und Sentenz je und je situiert sind, variieren (vgl. NORRICK 1985, S. 58f.; weiterhin RODEGEM 1972 und 1984). Beispielsweise haben das alltägliche Gesprochenwerden und die Anonymität des Sprichworts in dem Moment spezifische Bedeutung, in dem es in genuin schrift- und hochliterarischen Kontexten verwendet und überliefert wird. Das heutige Begriffsverständnis, von dem im Sinne einer hermeneutisch notwendigen Hypothese auszugehen ist, stellen RÖHRICH/MIEDER 1977, S. 1, EIKELMANN 2003b und REUVEKAMP 2003 dar.

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1 Einleitung

2. mittellateinische Begriffe und Begriffserklärungen von Sentenz und Sprichwort, wie sie seit dem hohen Mittelalter in gelehrten Text- und Wissenstraditionen – Poetik, Grammatik und Brieflehre – belegt sind. Jeder dieser beiden Quellenbereiche hat einen spezifischen Aufschlußwert für die Wort- und Begriffsgeschichte von Sentenz und Sprichwort bis in das späte Mittelalter und die Frühe Neuzeit. So könnte man anhand des Quellenmaterials zeigen, wie sich sprichwort seit dem späten Mittelalter als Term für Sprichwörter im heutigen Verständnis durchsetzt. Andererseits wäre noch näher zu problematisieren, inwiefern die überlieferten Bezeichnungen das mittelalterliche Begriffsverständnis adäquat abbilden, denn nach wie vor sind wichtige Quellen und Quellengruppen, zu denken ist an Florilegien, Proverbien- und Exzerptsammlungen,135 nicht systematisch erschlossen und vielfach gar nicht oder nur unzureichend ediert.136 Im Rahmen dieser Einleitung muß es allerdings genügen, die für die volkssprachige höfische Literatur bis um 1300 und speziell den Roman dieses Zeitraums relevanten Bezeichnungen überblicksartig darzustellen.

altsprochen wort, sprichwort In der höfischen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts werden mittelhochdeutsche Vokabeln wie altsprochen wort, biwort, sprichwort, spruch und wort als Bezeichnungen für Sentenzen und Sprichwörter verwendet. Belegt sind diese Bezeichnungen fast ausschließlich nur in Ein- und Ausleitungsformeln, wie sie zuerst in der lateinischen Schriftkultur des Mittelalters, später aber auch volkssprachig im höfischen Roman üblich sind. Der Übergang der ursprünglich lateinischen Formeln in die Volksprache ist Schritt für Schritt erstmals bereits um 1020 bei Notker von St. Gallen zu beobachten: Omnia uincit amor. Uuánda óuh proverbium ist. ubi amor. ibi oculus. Fóne diu chît man in proverbio. Qualis radix tales et rami. Témo gehíllet táz prouerbium. Úbele tûo. bézzeren neuuâne.

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Vgl. für diesen Text- und Quellentyp WACHINGER 1994, S. 19-37, GRUBMÜLLER 1994; EIKELMANN 2008, NÖCKER 2011, MAZUREK 2013. Ein zentrales Beispiel ist die im 15. Jh. entstandene lateinisch-deutsche Sprichwörtersammlung Armer man schol niht traeg sein (vgl. EIKELMANN 1995, Sp. 166f.). Obwohl diese Sammlung in einer ihrer fünf Handschriften 136 lateinisch und deutsch-lateinische Sprichwörter umfaßt und mit Sicherheit zu den frühesten Kollektionen deutscher Sprichwörter überhaupt gehört, ist sie selbst in der parömiologischen Spezialforschung nahezu unbekannt (eine Edition wird von Manfred Eikelmann vorbereitet).

Terminologie

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Fóne díu chît iz in bíuuurte. álter ál genímet. Unde íst uuârez pîuúrte. Dáz man chît. Tér fílo hábet. Tér bedárf óuh fílo.137

Formeln wie ‚es ist ein wahres Sprichwort‘, ‚man sagt im Sprichwort‘ oder ‚wie das alte Sprichwort sagt‘ dienen der situativen Einbindung und kotextuellen Rahmung proverbialer Kleinformen. Abhängig von der jeweiligen kommunikativen Umgebung weisen die Formeln eine Sentenz (z.B. Omnia uincit amor.138) oder ein Sprichwort (z.B. alter al genimet.139) als kleine und kleinste Texte mit besonderem Status und Geltungsanspruch aus. Wenn Notker das seit dem hohen Mittelalter im Lateinischen wie in den volkssprachigen Literaturen weit verbreitete ›Wo die Liebe ist, da ist das Auge‹140 als proverbium einordnet, weist er die Sentenz der Sphäre der kollektiven Rede zu und schreibt ihr damit einen entsprechenden Wahrheitswert zu, wie er ihn an anderen Stellen auch explizit formuliert (Unde íst uuârez pîuúrte). Die rahmenden Formeln tragen also zur Beglaubigung der proverbialen Rede bei, indem sie diese „an die Autorität einer Persönlichkeit oder eines Kollektivs knüpfen, das die Wertordnung der Gesellschaft repräsentiert.“141 Auch im schriftliterarischen Kotext haben die Formeln spezifisch performative Funktion, indem sie einen kommunikativen Rahmen für das Aufrufen proverbialen Erfahrungswissens herstellen und dessen spezifische Autorität geltend machen. Der Spielraum für die in diesem Rahmen möglichen Sprechhandlungen ist daran ablesbar, daß deren funktionaler Fokus, abhängig von Redesituationen und Redeabsichten, variabel auf Wahrheit oder Alter, Gebräuchlichkeit oder Bekanntheit der Äußerung der Sentenz oder des Sprichworts gerichtet werden kann.

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Die Schriften Notkers und seiner Schule. Hrsg. von Paul PIPER. Bd. 1. Tübingen 1852, S. 225, 1f.; 186, 29f.; 302, 22f.; 746, 19f.; 93, 22f: ‚›Alles besiegt die Liebe.‹ Während ein anderes Sprichwort besagt: ›Wo die Liebe ist, da ist das Auge.‹ – ‚Deshalb heißt es im Sprichwort: ›So wie die Wurzel beschaffen ist, ist es auch der Zweig.‹ – ‚Dazu paßt das Sprichwort: ›Tust du [jemandem] Übles, erwarte keinen Besseren.‹ – ‚Deshalb heißt es im Sprichwort: ›Das Alter nimmt alles.‹‘ – Und es ist ein wahres Sprichwort, in dem es heißt: ›Wer viel besitzt, der braucht auch viel.‹‘ Vgl. SINGER 1944, S. 57-61. Vgl. dazu den Hinweis in Anm. 5. Vgl. dazu SINGER 1944, S. 60f. Vgl. dazu TPMA I, S. 284-286. LIVER 1977, S. 348.

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1 Einleitung

In den höfischen Romanen illustriert dies eindrücklich die erst seit 1200 belegte Vokabel sprichwort,142 mit der sich in Hinsicht auf ihr performatives Potential der Gestus mündlicher Kommunikation verbindet: do wart diu warheit wol schin des sprichwortes, daz da giht, daz schulde ligen und vulen niht.143 Eyn alt sprichwort giht: ‚Alt schult lijt und rostet niht.‘ Daz wart hie wol schîn144 Als man dick höret sprechen Jn iren sprichwortten die wijsen: Man sal den man prijsen, Der sich also berüchet, Das er die sache versüchet, Ee er mit lichten müt Sich sweche an der hüt, Das er ein ding glaub E, E denn daz end dar an gee. 145 Ein ding vil dick ergat, Das die sprùchwort sprechent: Was diu lute ab gebrechent Ettwann mit vnrecht, Das es mit lust wurt gespeht146 ouch ist ez, als daz sprichwort saget: vremde scheidet herzenliep sô machet state manchen diep.147 nu ergienc daz sprichwort, als ich las: swem got wol, dem nieman übel.148

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Vgl. dazu EIKELMANN 2003b, S. 487. Gottfried: Tristan, v. 5456-5458: ‚Daran zeigte sich die Wahrheit des Sprichwortes, das besagt, daß eine (alte) Schuld zwar liegt, aber nicht fault.‘ Heinrich: Crône, v. 18836-18838: ‚Ein altes Sprichwort sagt: ›Alte Schuld liegt und rostet nicht.‹ Das wurde hier offenbar.‘ Ebd. v. 14824-14832: ‚[…], so wie man oft die Gelehrten in ihren Sentenzen sagen hört: ›Der Mann ist lobenswert, der sich dazu versteht, daß er eine Sache prüft, statt leichtsinnig alle Vorsicht zu vergessen, so daß er etwas schon zu kennen glaubt, noch bevor es beendet ist.‹‘ Ebd. v. 20248-20252: ‚Eine Sache geschieht oft, wie es in den Sprichwörter gesagt wird: ›Was die Leute irgendwann zu Unrecht wegnehmen, das sieht man mit Vergnügen wieder.‹‘ Heinrich: Tristan, v. 318-320: ‚Auch verhält es sich so, wie das Sprichwort besagt: ›Fremdheit und Ferne trennen Liebende, Gelegenheit macht viele Diebe.‹‘

Terminologie

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Diese Beispiele gehören zu den frühesten Belegen für die Vokabel sprichwort, das sich, soweit die worthistorischen Anfänge für uns greifbar sind, zuerst in den höfischen Artus- und Tristanromanen etabliert. Das Wort kommt somit in genuin literarischen Kontexten auf, in denen sich ein Erzähler oder eine Romanfigur in proverbialer Rede äußert. Diese Verwendungsweise läßt sich auch für verwandte Bezeichnungen wie altsprochen wort, spruch, wort und wortelin nachweisen: er sprach: ‚hast du niht gehort ein vil altsprochen wort: daz uzen augen zu dem muote?‘149 der alte spruch der ist wâr: swer guoten boten sendet, sînen vrumen er endet.150 sô wis, herre got, gemant daz aller werlde ist erkant ein wort daz dû gesprochen hâst, und bite dich daz dûz stæte lâst, daz ein man und sîn wîp suln wesen ein lîp151 ez ist doch war ein wortelin: ‚schoene daz ist hoene.‘152

Auf den ersten Blick überwiegen, so wie auch bei den Belegen für sprichwort, die Gemeinsamkeiten in der Verwendung der Bezeichnungen altsprochen wort, spruch, wort und wortelin. Das gilt zunächst einmal für die stabile Zuordnung von Bezeichnungen und bezeichneten Text- und Redetypen, da die Termini ganz regelmäßig auf solche Kleinformen bezogen sind, die einen spezifischen textuellen Status haben, weil sie als geprägte Aussprüche und Sprüche zirkulieren und ihnen Autoritäts- und Wahrheitswert zugeschrieben wird. Betrachtet man die

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Ebd. v. 3192f.: ‚Nun bestätigte sich das Sprichwort, wie ich es gelesen habe: ›Wem Gott wohlgesonnen ist, dem kann niemand schaden.‹‘ Ulrich von Türheim: Rennewart: Tristan, v. 25049-24051: ‚Hast du nicht von dem seit alter Zeit gesprochenen Sprichwort gehört: ›Aus den Augen, aus dem Sinn‹?‘ Hartmann: ›Iwein‹, v. 6064-6066: ‚Der alte Spruch ist wahr: ›Wer einen guten Boten schickt, erreicht am Ende das, was ihm nützt.‹ Hartmann: ›Erec‹, v. 5822-5828: ‚So sei, mein Gott, daran erinnert, daß die ganze Welt ein Wort kennt, das du gesprochen hast, und ich bitte Dich, daß du daran festhältst, daß ein Mann und seine Frau eins sein sollen.‘ Gottfried: ›Tristan‹, v. 17802f.: ‚Ein kleines Sprichwort ist gewiß wahr: ›Schönheit bringt Schaden.‹‘

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1 Einleitung

referentielle Seite der Termini näher, so bezeichnen sie neben Sentenzen und Sprichwörtern insbesondere auch redensartliche Ausdrücke und Sinnsprüche, mithin unterschiedliche Text- und Redeformen, für die wir nach heutigen Maßstäben jeweils spezielle Termini erwarten würden. Allerdings liegt der semantische Schwerpunkt unverkennbar bei Sentenzen und Sprichwörtern und der für sie charakteristischen Überlieferungs- und Verwendungsweise. Denn während die Formeln bei den sicher als Sprichwort identifizierbaren ›Alte Schuld liegt und rostet nicht‹ und ›Aus den Augen, aus dem Sinn‹ den Textstatus als anonym tradierte und kollektiv gebräuchliche Rede akzentuieren, binden sie Sentenzen wie das biblische ›Was du auch tust, bedenke das Ende‹ an Autoritäten oder eine namentlich genannte Sprecher- und Autorinstanz, die das zitierte Erfahrungswissen beglaubigt (vgl. z.B. Cr 6144 Wan ez ist des weisen reht, / Daz daz end e sei erspeht / Lang vor dem anegeng). Zudem vermittelt die Sentenz kein alltägliches, eingängiges, von jeder Bildung unabhängiges Erfahrungswissen, wie es für Sprichwörter kennzeichnend ist, sondern der Man bedenke bei allem das Ende-Gedanke wird dadurch, daß der Erzähler auf Stand und Recht des Weisen verweist, an den gelehrten Weisheits-Diskurs und damit eine spezifische Denktradition rückgebunden, so daß auch auf dieser Ebene der Wissensinhalte die Unterschiedlichkeit von Sentenz und Sprichwort markant hervortritt. Grundlegend für die mittelhochdeutschen Bezeichnungen ist somit ein begriffliches Konzept, das nicht über reine Textmerkmale definiert ist, sondern die spezifische Überlieferungs- und Verwendungsweise ins Zentrum rückt, durch die sich Sentenz und Sprichwort von ausschließlich schriftlich verfaßter Literatur unterscheiden. In diesem konzeptuellen Rahmen werden beide Gattungen als Element des allgemeinen Sprachgebrauchs und dabei in ihrer Medialität als beständig wiederholte Rede umschrieben, die ‚man spricht‘ und ‚sprechen hört‘ und die als ‚oft gesprochenes Wort‘ im Besitz ‚aller‘ oder ‚vieler‘ ist. Signifikant ist das Detail, daß die Sprecherinstanz der Proverbien variierend nach Generalisierungsgrad und Trägergruppen durch das Indefinitpronomen man oder das kollektive Personalpronomen wir, oder durch emphatische Kollektiva wie liute, welt und die wîsen bezeichnet wird. Wenn man die Sentenzen und Sprichwörter der höfischen Romane daher, wie wir mit vorschlagen wollen, als sprachliche Wiederholungshandlungen versteht, in denen Wissen über Regeln und Werte des sozialen Zusammenlebens produziert und reproduziert wird, so ist dieses Verständnis keinesfalls ein bloßes ex post-Konstrukt, sondern durch den dokumentierten wort- und begriffsgeschichtlichen Befund gedeckt und insofern historisch motiviert.

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Ausgehend von diesem Grundverständnis läßt sich die generische Differenz in der Überlieferungs- und Verwendungsweise von Sentenz und Sprichwort weiter konturieren.153 So sind Sprichwörter unabhängig von ihrem Vorkommen in bestimmten literarischen Texten längst bekannt und gebräuchlich. Anders als bei Sentenzen ist ihre Verwendung gerade nicht autor- und textgebunden, sondern sie gehören zur kollektiven Tradition einer Gemeinschaft und werden als fremde Rede, die anonym zirkuliert, jedes Mal von ‚außen‘ in den literarischen Diskurs einbezogen. Sentenzen wiederum sind dagegen autor- und textbezogene Kleinformen, als die sie, in welcher Form auch immer, mit einem Autor oder Werk selbst dann in Verbindung gebracht werden, wenn – anders als bei auctoresZitaten, Autoritätensprüchen und Apophthegmata – die beglaubigende Instanz nicht ausdrücklich genannt wird. Angesprochen sind damit zugleich jene Unterschiede, welche die Ausstattung mit autoritativen Geltungsansprüchen betreffen: Beim Sprichwort ist es der Zeitaspekt der proverbialen Rede, der in Geltungsund Wertaspekte überführt und durch den Hinweis auf Alter oder Geläufigkeit deren Wahrheitswert begründet (vgl. z.B. die Bezeichnung altsprochen wort); im Falle der Sentenz hingegen ist es der Rekurs auf eine personale Instanz (Sprecher, Autor, Gruppe, Institution) oder ein Werk, denen explizit oder auch nur implizit die Autorität zugeschrieben werden, maßgebliches Wissen über soziale Regeln und Werte zu artikulieren und vermitteln (vgl. z.B. die Einleitungsformel Als man dick höret sprechen in iren sprichwortten die wijsen).

proverbium, sententia In der Volkssprache gehören Sentenz und Sprichwort zu den Gattungen, die sich bei allen Einflüssen, Quellen- und Austauschbeziehungen unabhängig von der lateinischen Bildungswelt des Mittelalters entwickeln und behaupten. Allerdings überrascht es gerade dann, wenn man diese Distanz der Literatursphären beachtet, daß das mittelalterliche Begriffsverständnis bei beiden Gattungen erst aus ihrer Thematisierung durch eben diese gelehrte Bildungswelt und Schriftkultur einsichtig wird. So entlehnt die mittelhochdeutsche Literatur nicht nur den Apparat der lateinischen Ein- und Ausleitungsformeln, sondern wie man allein schon wegen der litteraten Bildung solcher maßgebender Autoren wie Hartmann von Aue und Gottfried von Straßburg annehmen muß, orientiert sich das volkssprachige Gattungsverständnis speziell an der in lateinischer Grammatik, Poetik und

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Anzuschließen ist dafür an die Analyse von OLLIER 1976; vgl. dazu oben S. 42f.*

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1 Einleitung

Brieflehre seit der Spätantike entwickelten Begrifflichkeit.154 Wie sich das gelehrte Wissen mit dem literarischen Bewußtsein der höfischen Romanautoren vermittelt, wo Kontaktstellen des Begrifftransfers zu suchen sind und wie sich der Austausch zwischen Latein und Volkssprache auf dieser Ebene des konzeptuellen Wissens gestaltet, bedarf zwar noch erst eingehender Diskussion, die bis in das späte Mittelalter und die Frühe Neuzeit ausgreift.155 Doch muß man bereits im Vorfeld dieser Diskussion beachten, inwiefern und wie die lateinisch gelehrte Begrifflichkeit den wohl zentralen Diskursrahmen für die begriffliche Konzeptualisierung in der Volkssprache bietet. Im Lateinischen stehen in erster Linie die Vokabeln proverbium und sententia als Bezeichnungen für Sentenz und Sprichwort zur Verfügung.156 Wie in der Forschung längst gesehen wurde, handelt es sich bei beiden Vokabeln um relativ unspezifische Rahmentermini für allgemeine Erfahrungs- und Lehrsätze, die als autoritätshaltige Sprüche argumentativ wie stilistisch genutzt werden können und auf viele konkrete Beispielsituationen anwendbar sind.157 So hat proverbium bereits seit der Antike ein weites Verwendungsspektrum, das neben der Bedeutung ‚Sentenz‘ und ‚Sprichwort‘ auch die ‚Bildrede‘ einschließt. Beispielhaft ist die im 12. Jahrhundert verfaßte ›Ars versificatoria‹ des Matthaeus von Vendôme, in der die Begriffe proverbium und sententia synonymisch verwendet werden.158 Noch Galfried von Vinsauf, der das proverbium als generalis sententia bestimmt,159 und Johannes von Garlandia bewegen sich mit ihrer diffinitio proverbii auf der Linie dieses Begriffsansatzes,160 für den repräsentativ auf die sententia-

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Vgl. dazu den Forschungsüberblick bei HALLIK 2007, S. 1-30. Berücksichtigt werden muß daher insbesondere die frühneuzeitliche Gattungsdiskussion, auf deren kaum zu überschätzende begriffsgeschichtliche Relevanz zuerst die Montaignes ›Essais‹ gewidmete Untersuchung von SCHMARJE 1973, S. 39-77, nachdrücklich hingewiesen hat; vgl. weiterhin BAUER 1993; BÄSSLER 2003, S. 25-27; EIKELMANN 2008, Sp. 704f. Nach wie vor instruktiv ist die Darstellung bei WHITING 1932. In stark systematisierter und zudem am Modell der Gerichtsrede orientierter Form expliziert dieses Begriffsverständnis LAUSBERG 1973, Bd. 1, S. 431-434, bes. die Definition S. 431: „Die sententia ist ein ‚infiniter‘ (d.h. nicht auf einen Individualfall begrenzter […]), in einem Satz formulierter Gedanke, der in einer quaestio finita […] als Beweis […] oder als ornatus verwandt wird. Als Beweis gibt die sententia eine auctoritas ab und steht dem iudicatum nahe […]. Als ornatus gibt die sententia dem finiten […] Hauptgedankengang eine infinite […] und damit philosophische Erhellung“. Vgl. Matthaeus von Vendôme: Ars Versificatoria. In: Les arts poétiques du XIIe et du XIIIe siècle. Recherche et documents sur la technique littéraire du moyen age. Hrsg. von Edmond FARAL. Paris 1962. S. 109-193, S. 113. Galfrid von Vinsauf: Poetria nova, S. 269. Johannes de Garlandia: Poetria Nova, S. 889.

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Definition der im Mittelalter wirkungsmächtigen Herennius-Rhetorik zu verweisen ist: Sententia est oratio sumpta de vita, quae aut sit aut quid esse oporteat in vita, breviter ostendit.161 In eben diesem Zusammenhang ist noch einmal auf das ›Speculum virtutum‹ des Engelbert von Admont zurückzukommen (vgl. oben S. 17f.*). Denn während sonst die generische Differenz von Sentenz und Sprichwort bis in die Zeit des Renaissance-Humanismus nur gelegentlich zur Debatte steht,162 unterscheidet Engelbert präzise zwischen begriffsprachlicher sententia (Sentenz) und bildsprachlichem proverbium (Sprichwort), betrachtet die beiden literarischen Kleinformen mithin als eng verwandte Gattungen, die er sorgfältig voneinander abgrenzt, um ihre kommunikative und rhetorische Leistung zu fassen.163 In Anlehnung an die ›Rhetorica ad Herennium‹ bestimmt Engelbert die Sentenz secundum Tullium v. libro secunde Rethorice sue als oratio, quae, quid sit et quid fieri oporteat in vita et actione hominum, breviter demonstrat164 – als knapp gefaßte Rede, die zeigt, was im Leben der Menschen geschieht oder geschehen sollte. Das Sprichwort hingegen ist eine oratio, que ex sua veritate divulgata indicat consimile aliquid in vita et moribus tenendum et agendum165 – ein Redetyp, der anhand einer verbreiteten Wahrheit bildhaft-analogisch auf das hinweist, was im Leben und Handeln zu tun ist. Aus diesem Begriffsansatz gewinnt das ›Speculum‹ nicht nur Definitionen beider Gattungen, sondern in den scholastischen Distinktionen und Explikationen wird auch ein terminologisches Feld erkennbar, das extensional vom Autoritätendiktum über Geflügelte Worte bis hin zum Sinn- oder Lehrspruch reicht und dabei gattungsfunktionalen Unterschieden Rechnung trägt. Beispielsweise differenziert das ›Speculum‹ zwischen feststellenden sententiae assertive und den auf affektive Wirkung zielenden sententie hortative vel dehortative, videlicet que movent et persuadent.166 Die rhetorische Leistung des Sprichworts illustriert das metaphorische ›Eile mit Weile‹: qui vadit plane, vadit sane.167 Dieses proverbium, so Engelbert, sei im Wortsinn wahr (in se verum), zugleich leite es

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Rhetorica ad Herennium, 4, 17, 24: ‚Eine Sentenz (sententia) ist eine aus dem Leben gewonnene Rede, die in kurzer Form zeigt, was im Leben geschieht oder was geschehen sollte.‘ Näher zu diskutieren wären die durch Autoren wie etwa Bene da Firenze repräsentierten Positionen der mittelalterlichen Brieflehre; vgl. VECCHI 1954; HALLIK 2007, Kap. 5. Vgl. Engelbert von Admont: Speculum virtutum, Decima pars, Cap. XIIII-XVI, S. 339-343. Ebd. Cap. XV, S. 340. Ebd., XVI, S. 342. Ebd., XV, S. 340f. Ebd., XVI, S. 342.

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aber per simile dazu an, sich auch in anderen Fällen auf diese Weise zu verhalten, weil jener Erfolg hat, der in allem, was er tun muß, besonnen vorgeht. Engelbert kommt es auf den didaktischen und performativen Handlungsanreiz des Sprichworts an, der sich aus dessen analogischer Übertragbarkeit auf die Praxis des alltäglichen und moralischen Handelns ergibt. Es ist diese Ebene des proverbial oder sentenziös verdichteten Erfahrungs-, Handlungs- und Weltwissens, auf der die generische Affinität von Sprichwort und Sentenz einerseits basiert, die andererseits aber auch wesentliche Unterschiede zwischen den Gattungen ins Blickfeld rückt, quia sententie universaliter et nude indicant, quid sit tenendum vel agendum […], Proverbia vero non nude, sed sub aliqua similitudine.168 Und also: Die Sentenz bringt in allgemein gültiger und unbildlicher Form (nude) zum Ausdruck, was man befolgen und tun muß, das Sprichwort leistet dies non nude, vermittels seiner metaphorisch auf ein typisches Verhaltens- und Handlungsmuster hin angelegte Aussageweise. Deshalb verhalten sich diese beiden Gattungen „als infinite Aussagen (enuntiatio universalis) wie eigentliche und übertragene Rede (nude vs. sub aliqua similitudine, metaphorice) zueinander.“169

Insgesamt ist es die bemerkenswerte argumentative und kategoriale Differenziertheit dieser Begriffsbestimmungen, die zum einen klar macht, daß die generische Unterscheidung zwischen Sentenz und Sprichwort ein spezifisch historisches Phänomen mittelalterlichen Gattungsdenkens betrifft, die, alle Differenzierungen eingeräumt, keineswegs erst neuzeitlich virulent wird. Zum anderen zeigt sich die spezifische Funktion der lateinischen Begriffe proverbium und sententia, insofern sie in den zeitgenössischen Diskurskontexten als Oberbegriff für ein distinktes und differenziertes terminologisches Feld170 dienen: dasjenige des literarischen Spruchs, der als Ein-Satz-Rede einen selbständigen Einzelgedanken apodiktisch aussagt.

Gattungsdefinitionen: Sentenz und Sprichwort Die moderne Terminologie von Sentenz und Sprichwort wäre sehr viel grundsätzlicher zu diskutieren, als es im Kontext dieser Einleitung möglich ist. So wäre erst noch zu klären, ob es zu begründen ist, neben den gut explizierbaren Grundbegriffen ‚Sentenz‘ und ‚Sprichwort‘ auch alltagssprachliche Begriffe und Kategorisierungen wie ‚Redensart‘, ‚sprichwörtliche Redensart‘ oder ‚Redewendung‘

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Ebd., XVI, S. 343. VON MOOS 1991b, S. 33. Vgl. dazu auch EIKELMANN 2003b, S. 486.

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in die wissenschaftliche Terminologie zu übernehmen.171 Als Alternativen zum alltagsprachlichen ‚Redensart‘ bieten sich zwar beispielsweise offene linguistische Begriffe wie ‚Phrasem‘, ‚Phraseologem‘ oder ‚Phraseologismus‘ an. Man muss dann aber auch sehen, daß wort- und begriffshistorisch ausgerichtete Handbücher wie das neue ‚Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft‘ (RLW) nach wie vor ‚Redensart‘ bevorzugen, eben weil dieser Terminus historisch belegt und von da für literatur- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge expliziert werden muß.172 Aus heutiger Sicht sind Sentenz und Sprichwort Redeformen, die als Ein-Satz-Texte funktionieren, während Redensarten oder eben feste Wortgefüge nicht satzwertig sind.173 Doch macht auch die linguistische Forschung darauf aufmerksam, daß solche Wortgefüge syntagmatisch ‚reintegriert‘ werden und sich ähnlich wie bei Sentenz und Sprichwort typische Verwendungskontexte ermitteln lassen. So erklärt sich, warum gerade Sprichwort und Redensart bis ins 17. Jahrhundert als funktional äquivalent galten. In unserem Handbuch finden Redensarten, also geprägte Ausdrücke, die unterhalb der Satzgrenze liegen, keine Berücksichtigung. Dies hätte den Untersuchungsbereich ins Uferlose ausgeweitet. Allerdings wird die generische Nähe redensartlicher Ausdrücke zu Sentenz und Sprichwort sowohl für die Eingrenzung des Themas als auch die Identifizierung der Sentenz- und Sprichwortbelege stets beachtet und, wo nötig und geboten, die meist klar bestimmbaren Unterschiede zwischen nicht-satzwertigen und satzwertigen Redetypen erörtert. Dieser Ansatz hat zum Beispiel die Konsequenz, daß der in Hartmanns ›Iwein‹ belegte biblische Ausdruck ›mit sehenden Augen blind sein‹ (vgl. Iw 1277 wir sîn mit gesehnden ougen blint; vgl. Mt 13, 13) bewußt nicht in unser Handbuch aufgenommen wurde, obwohl einschlägige Lexika ihn nicht als Redensart, sondern Sprichwort klassifizieren.174

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Vgl. dazu die Diskussion bei BURGER/DOBROVOL’SKIJ/KÜHN/NORRICK, S. 5f. Die Autoren weisen daneben auf die an sich selbstverständliche „Interesseabhängigkeit“ der Verwendung von Termini wie ‚sprichwörtliche Redensart‘ hin. Ergänzend zu diesen Überlegungen müsste die wort- und begriffshistorische Dimension mehr Beachtung finden, da die moderne Unterscheidung zwischen Sprichwort und Redensart, so unverzichtbar sie ist, erst im 17. Jh. aufkommt und der Terminus ‚Sprichwort‘ bis dahin oftmals auch ‚sprichwörtlichen Redensarten‘ einschließt. EIKELMANN 2003a weist auf das Terminologie-Problem ausdrücklich hin. Vgl. BURGER 2010, pass. (‚Redensart‘ im Sachregister). TPMA II, S. 35f.; SCHULZE, S. 148.

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Sentenz und Sprichwort sind prägnante Redeformen, in denen konsensfähiges Erfahrungs- und Orientierungswissen zum Ausdruck kommt. Der Begriff ‚Redeform‘ bezieht sich auf die spezifische Überlieferungs- und Verwendungsweise beider Gattungen als sprachliche Wiederholungshandlungen, in denen Wissen über allgemein bekannte und Regeln und Werte des sozialen Zusammenlebens hergestellt und wiederverwendet wird. In diesem Rahmen tradiert das Sprichwort bevorzugt Erfahrungswissen, das nicht der Beglaubigung durch die Autorität eines Weisen oder eines Autors und Werks bedarf. In seiner typischen Erscheinungsform konstatiert es, was gewöhnlich zu geschehen pflegt und wie der Lauf der Welt ist (vgl. z.B. Iw 172 gnâde ist bezzer danne reht; Pz 103,23 alsus vert diu mennischeit, / hiute freude, morgen leit). Wie André Jolles gezeigt hat, kann das Sprichwort in epistemischer und kognitiver Hinsicht als literarische Form gelten, „die eine Erfahrung abschließt, ohne daß diese damit aufhört, in der Welt des Gesonderten zu sein.“175 Im Unterschied dazu greifen Sentenzen stärker in den Bereich des adhortativ auffordernden und mahnenden Orientierungswissens aus, das auf die besondere Legitimation durch eine Autoritäts- und Vorbildfigur angewiesen ist (vgl. z.B. die Sentenz Iw 1: Swer an rehte güete / wendet sîn gemüete, / dem volget sælde und êre. / des gît gewisse lêre / künec Artûs der guote).176 Beide Kleinformen kennzeichnet dieselbe kommunikative Grundfunktion, nämlich das Aufrufen von Konsens und innerhalb einer Gemeinschaft verbindlichem Wissen. Durch diese konsensstiftende Grundtendenz unterscheiden sich Sentenz wie Sprichwort beispielsweise von Geboten und Vorschriften (vgl. z.B. die nicht aufgenommenen Stellen GTr 6933, Wigm 64) oder von religiösen und

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JOLLES 2006, S. 156. Aus welchen Quellen und Traditionen das in Sentenzen und Sprichwörtern sedimentierte Erfahrungswissen stammt und wie es sich zusammensetzt, bedarf von Fall zu Fall konkreter Analysen. Beispielhaft zeigen dies die Untersuchungen von BERGER (1984a, 1984b) zu den hellenistischen Sentenzen und Sprichwörtern im Neuen Testament. Für den Bereich der mittelalterlichen Literaturen läßt sich bei Themen wie sozialem Zusammenleben, Herrscherverhalten oder Bildung ansetzen. Zu diskutieren wäre darüber hinaus das diskursive Profil des ‚empirischen‘ Wissens, das in Sentenz und Sprichwort vermittelt wird; vgl. z.B. MANN 1984/85, der das proverbiale Erfahrungswissen als pratical, prudential, unsystemated wisdom charakterisiert. Mit dieser Unterscheidung ist die lange Zeit kontrovers diskutierte Frage berührt, ob das Sprichwort als ‚lehrhaft‘ verstanden werden kann oder nicht. Initial für diese Kontroverse war die Auseinandersetzung von JOLLES 2006 (S. 158: „Der Spruch ist nicht lehrhaft, er hat keinen lehrhaften Charakter, er hat selbst keine lehrhafte Tendenz.“) mit SEILER 1967, S. 2-4. Differenzierungen finden sich bei SCHMARJE 1973, S. 42f., und BAUSINGER 1980, S. 102-104. Klärend ist die neuerliche Diskussion bei NORRICK 1985, S. 41-43, der deutlich macht, daß Lehrhaftigkeit zwar kein textmorphologisches Definitionsmerkmal ist, „but clearly all proverbs should be usable as directly didactic in some context“ (S. 43).

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theologischen Lehrsätzen (vgl. z.B. die nicht aufgenommenen Stellen Er 8855 und Lan 7906), denen gehorcht oder geglaubt werden soll. Nach reinen Textmerkmalen sind Sentenzen und Sprichwörter apodiktisch formulierte Aussagen, die sich auf einen einzigen Satz und einen einzelnen Gedanken konzentrieren und dabei durch ihre geprägte Form177 allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Syntaktisch können sie gelegentlich auch die Form von Ausrufen oder rhetorischen Fragen annehmen (vgl. z.B. UTr 1342 â diese werlt / kan ze gæhen ende gebn; Er 2527 wer bejagete noch ie / mit slâfe dehein êre?). Wie vorhin bereits ausgeführt, besitzen sie im Unterschied zu Redensarten stets Satzund Textwertigkeit.178 In den höfischen Romanen fungieren Sentenz und Sprichwort als Mikrotexte in einem Makrotext. Während Sprachgestalt und Stil des Sprichworts nicht selten durch extreme Textkürze und idiomatische, oft bildhaft-konkrete Formulierungen bestimmt sind (vgl. z.B. Cr 6807 Selb tet, selb habe; Wigm 1099,45 swaz zĤ nezelen werden sol, / daz sol vruo brennen), die während seiner Verwendungsgeschichte relativ stabil bleiben,179 ist die Sprachgestalt der Sentenz expliziter, umfänglicher und abstrakter und insgesamt weniger fest, als dies für das Sprichwort gilt. Im Vergleich zum Sprichwort finden sich bei der Sentenz ansatzweise argumentative Sprachmuster und der Bildlichkeit des Sprichworts steht die häufige Verwendung abstrakter Begriffe entgegen (vgl. z.B. GTr 1 Gedæhte mans ze

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Das Merkmal der sprachlichen Prägung von Sentenz und Sprichwort verlangt besondere Aufmerksamkeit. In der älteren Forschung herrschte die Auffassung vor, daß es sich bei Sentenzen und Sprichwörtern um Erfahrungssätze oder Lebensweisheiten „in feststehender Prägung“ (WEISE 1910, S. 4) handelt. Formulierungen wie diese haben zu dem Mißverständnis geführt, man habe an einen invarianten, nur in einer ein für alle Mal festgelegten Fassung tradierten Text zu denken. Das Gegenteil davon ist richtig, zumindest für die mittelalterlichen Verhältnisse: der Wortlaut einer Sentenz oder eines Sprichworts ist variabel und kann der jeweiligen Verwendungssituation angepaßt werden. Gerade Sprichwörter gibt es nur als konkreten Text in Gebrauchs-, Vortrags- und Inszenierungsvarianten. Das daraus resultierende Problem der „Festigkeit“ disktuiert eingehend die neuere Phraseologie-Forschung; vgl. zusammenfassend BURGER 2010, S. 15-29; weiterhin BURGER 2000 sowie unter spezifisch parömiologischem Blickwinkel SCHMARJE 1973, S. 72-77. In historischer Perspektive ist das Merkmal der sprachlich materiellen und inhaltlichen ‚Fixiertheit‘ proverbialer Ausdrücke klärungsbedürftig. Darüber hinaus ist eine historisch ausgerichtete Diskussion der Kategorien ‚Gebräuchlichkeit‘ und ‚Bekanntheit‘ nötig, für die sich bei ARORA 1984, RUEF 1995 und HOFMEISTER 1995 ansetzen ließe. Daß insbesondere das Sprichwort ein syntaktisch-semantisch abgeschlossener Ein-Satz-Text ist, der mit freilich wichtigen Einschränkungen „kontextfrei“ (BURGER 2010, S. 106) verstanden werden kann, ist in der neueren Parömiologie und Phraseologie unbestritten. Nach wie vor wichtige Beobachtungen bietet JOLLES 2006, S. 164-167.

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guote niht, / von dem der werlde guot geschiht, / so wærez allez alse niht, / swaz guotes in der werlde geschiht). Der vorhöfische Stil in Eilharts von Oberg ›Tristrant‹ begünstigt längere Sentenzen, wohingegen in den Sentenzen der ‚klassischen‘ höfischen Versromane eine Länge von vier Versen nur äußerst selten überschritten wird (so z.B. in der Schlußsentenz Pz 827,19).180 Längere Beispiele berühren sich mit der Kleinform des Sinn-, Denk- oder Mahnspruchs, der im Unterschied zur Sentenz aus mehreren Gedankenschritten aufgebaut sowie an seiner textuellen Rahmung und Sprechperspektive – zum Beispiel der Nennung einer Autorität, dem Hervortreten einer autoritativen Ich-Rolle, Verfahren der ironischen oder parodistischen Inversion einer Aussage – erkennbar ist.181 Sprichwörter treten, wie die im höfischen Roman mehrfach belegten Bezeichnungen altsprochen wort und sprichwort besagen, mit dem Gestus mündlicher Gängigkeit auf, während bekannte Sentenzen schriftlichen Sammlungen wie derjenigen des antiken Autors Publilius Syrus oder berühmten literarischen Werken wie Ovids ›Metamorphosen‹ entstammen und auch von den mittelalterlichen Romanautoren in großer Zahl geprägt werden. Allerdings erweist sich die Grenze zwischen beiden Kleinformen in nicht wenigen Fällen als fließend, da Sentenzen im Nachhinein anonymisiert und stilistisch umgeformt als Sprichwörter zirkulieren können. Für die Diskussion von Grenzfällen sei hier auf die Reihe von Fallbeispielen in der Einführung zu Band 2 (S. IXf.) verwiesen. Wie fließend die Grenzen zwischen Sentenzen und Sprichwörtern im Einzelfall verlaufen, zeigen zwei proverbiale Varianten des weit verbreiteten Gedankens, daß in der Kindheit erworbene Eigenschaften nicht mehr verloren gehen. Im lateinischen Mittelalter handelt es sich dabei um einen Mikrotext, der sich allmählich von einem Auctores-Zitat und

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Vgl. dazu TOMASEK 2005. Zur Illustration seien ein Autoritätenspruch und zwei Sagwörter angeführt: Gott der herre spricht Wer getaufft ist vnd in rechtem glauben statt Vnd wer mich vnd sein nechsten lieb hatt Vnd hie laydet durch mich vngemach vnd pein Der wurdet behalten vnd ewig bey mir sein. (Bollstatter, Vierzeilersammlung I, 1) „Wol angerent ist halb gefochten,“ sprach ein igel, der hat ein peren erstochen. (München, BSB, clm 4408, fol. 150v) „Ich ken dich wol kreutel“, sprach der teufel, do prenet er sich an ain nessel. (München, BSB, clm 20185, fol. 94v)

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einer autorgebundenen Sentenz zum anonym verfügbaren Sprichwort entwickelt. 182 Ob es unabhängig von gelehrten Traditionen und Wissenskontexten einen hohen Grad an Geläufigkeit erlangt hat, ist jedoch fraglich. Der proverbiale Status des einzelnen Belegs bedarf also von Fall zu Fall sorgfältiger Analyse. Insofern ist es nicht überraschend, daß innerhalb unseres Korpus zwei unterschiedliche Klassifizierungen notwendig waren (Cr 1514 und JT 3308,2). Es ist ein Kernanliegen unseres Handbuches, solchen Grenzfällen gerecht zu werden. Die dargelegten Zusammenhänge zeigen, daß die hinsichtlich der Konsenserzeugung gleichgerichteten Gattungen der Sentenz und des Sprichworts von benachbarten Textsorten wie Gebot und Lehrsatz durch funktionale Kriterien abgrenzbar sind und sich zudem Merkmale finden lassen, die in Kombination geeignet sind, Sentenzen und Sprichwörter voneinander zu unterscheiden. Auf der Grundlage der entwickelten Merkmalskompendien lassen sich die folgenden Definitionen183 formulieren: Sprichwörter sind anonym tradierte Sprüche, die als semantisch und syntaktisch selbständige Ein-Satz-Texte auf das menschliche Leben bezogenes Erfahrungswissen pointiert in apodiktisch-behauptendem Redegestus mit dem Anspruch allgemeiner Gültigkeit aussagen. Sentenzen sind autor- und textgebundene Sprüche, die als semantisch und syntaktisch selbständige Ein-Satz-Texte im schriftliterarischen Kontext auf das menschliche Leben bezogenes Erfahrungs- und Orientierungswissen in stilistisch elaborierter Formulierung mit dem Anspruch allgemeiner Gültigkeit aussagen.

Berücksichtigt sind im Rahmen unseres Handbuchs dabei immer auch Formvarianten (Schreibvarianten, morphologische oder grammatische Varianten, dialektale und regionale Umsetzungen) sowie lexikalische Varianten (Ersetzungen einzelner oder mehrerer lexikalischer Komponenten), wie sich in den für die untersuchten Werke erarbeiteten Tabellen anhand der Rubrik ‚Vergleichsmaterial’ nachvollziehen läßt. Gute Beispiele dafür sind: Er 980; 9362; Iw 2783; 2960; 6513; Lan 1288; 3515; 8582; Wigl 101; 1618; 2295; 2841; 3037; Cr 1486; 1514; 2153; 6144; 9855; Da 1380.

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Das Proverbium ›Das Gefäß schmeckt/riecht nach seinem ersten Inhalt.‹ geht zurück auf Horaz (Epistulae, 1, 2, 64-70); vgl. TPMA IV, S. 271-274, und das Vergleichsmaterial zu Cr 1514 und JT 3308,2. Vgl. für alle weitergehenden Überlegungen REUVEKAMP 2007, S. 7-19.

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Anspielungen auf Sentenzen und Sprichwörter Die Gattungsdefinitionen von Sentenz und Sprichwort werden in unserem Handbuch grundlegend durch die Unterscheidung zwischen der Nennform einer Sentenz oder eines Sprichworts einerseits und Anspielungen andererseits erweitert. Entscheidend dafür ist die immer wieder bestätigte Einsicht, daß in bestimmten Kontexten der interaktionelle Verständigungsmodus einen gelockerten Rückgriff auf den Wortlaut einer Sentenz oder eines Sprichworts erlaubt und im Sinne der kommunikativen Intention sogar verlangt. In solchen Fällen genügen bereits ihr gedanklicher Gehalt und einzelne signifikante Textmerkmale (Signalwörter), um die vorausgesetzte Tradition der Sentenz und des Sprichworts sowie das dahinterstehende kollektive Erfahrungswissen in einem aktuellen Redekontext aufzurufen (vgl. zum Begriff der ‚Anspielung‘ die detaillierten Hinweise der Einführung in Band 2, S. Xf.). Die aus diesem Verständnis entwickelten Kriterien der Identifizierung, Klassifizierung und pragmatisch-funktionalen Betrachtung kontextuell integrierter Sentenzen und Sprichwörtern werden im Folgenden noch einmal kurz erläutert und resümiert.

Fazit: Kriterien für die Identifizierung von Sentenzen und Sprichwörtern Das Problem der Identifizierung und Klassifizierung historisch älterer Sentenzen und Sprichwörter wäre einläßlicher zu diskutieren, als es hier möglich ist. Doch stehen für die Lösung zweifellos vernünftige heuristische Verfahren zur Verfügung. So wird man zunächst nach Kontexten suchen, in denen ein Ausdruck z.B. als proverbium oder als sprichwort bezeichnet wird und von dort aus die Phänomene erschließen. Weitere Suchwege ergeben sich, wenn man innerhalb der Text- und Diskurstraditionen einer Sprache und Literatur vorsichtig aus neuzeitlich oder modern sicher belegten Sentenzen und Sprichwörtern ältere Äquivalente erschließt, oder wenn man komparatistisch verfährt, indem man von einem in einer der beteiligten Sprachen eindeutig erschlossenen Sprichwort ausgeht und prüft, ob sich ein Äquivalent in einer anderen Sprache findet. Entscheidend sind immer überlegte Suchstrategien, die sich insbesondere die Tatsache zunutze machen, daß proverbiale Redeformen oft explizit hervorgehoben (z.B. formelhafte Einleitungen, Beglaubigungen, Terminologie, Notazeichen in Handschriften und Drucken) oder spezifisch kontextualisiert und vergesellschaftet sind (z.B. Proverbien-Reihen, Gruppen sinnverwandter Sentenzen und Sprichwörter in Einzelwerken und Sammlungen, Sprichwort-Kommentare).

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So sind für Identifizierung und Klassifizierung eines Sprichworts oder eines sprichwörtlichen Ausdrucks im Unterschied zur Sentenz das Zusammenwirken und der Stärkegrad dreier Einzelfaktoren ausschlaggebend:‚Sprichwörtlichkeit‘ zeigt sich daran, in welchem Maße (1) ein Kleintext Merkmale wie Kürze und Idiomatik aufweist, (2) das Vergleichsmaterial die Festigkeit charakteristischer Züge möglichst breit dokumentiert und (3) ein vorhandenes Rahmenelement neben der Geläufigkeit eines Wissensbestandes auch dessen sprachliche Geprägtheit – insbesondere durch Bezeichnungen wie ein altsprochen wort, sprichwort, wortelin oder durch rahmende Ein- und Ausleitungsformeln wie man sprichet und si sprechent sus – ausweist.

In einem knapp gehaltenen Resümee ergeben sich auf dieser methodischen Basis für den Gegenstandsbereich unseres Handbuchs und dessen sachliche Eingrenzung die folgenden Grundsätze: - Aufgenommen werden Sentenzen und Sprichwörter, also syntaktisch und semantisch eigenständige, prägnant formulierte Ein-Satz-Texte, die Wissen über Regeln und Werte des sozialen Zusammenlebens prägnant und mit dem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit formulieren. Im narrativen Kontext markiert sind Sentenzen und Sprichwörter häufig durch den Wechsel des Tempus oder durch formelhafte Wendungen, die den besonderen Status der Rede exponieren. - Als Sprichwort klassifiziert werden nur solche Wendungen, für die sich außerdem zeigen läßt, daß sie dem mittelalterlichen Verständnis nach allgemein gebräuchlich oder verfügbar waren. Anzeichen dafür sind neben einer vergleichsweise festgeprägten Formulierung (abgebildet in der Rubrik: Formulierungstradition), die Aufnahme in mittelalterliche und/oder frühneuzeitliche Proverbiensammlungen sowie Einleitungen, die die allgemeine Verfügbarkeit auch explizit benennen oder thematisieren. - Aufgenommen werden Anspielungen auf Sentenzen und Sprichwörter. Darunter verstehen wir Textpassagen, die eine geläufige Sentenz oder ein Sprichwort nicht semantisch und syntaktisch abgeschlossen formulieren, aber deren Kenntnis für das Verstehen des Textes voraussetzen. Das Spektrum reicht dabei von sentenznahen Formulierungen, in denen lediglich ein wichtiger Begriff durch ein Pronomen ersetzt ist, bis hin zu Formulierungen, die proverbiales Wissen weitgehend in den narrativen Kontext integrieren, aber auch der Grenzbereich zwischen Sentenzen oder Sprichwörtern und Topoi bzw. Motiven wurde hier berücksichtigt. Eine Textpassage klassifizieren wir dann als Anspielung, wenn sie den semantischen Gehalt einer Sentenz oder eines Sprichworts indirekt re-

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1 Einleitung

formuliert und dabei einzelne Elemente so übernimmt, daß der Bezug auf den angespielten Text erkennbar bleibt. - Sprichwörtliche Redensarten, Autoritätensprüche und Apophthegmata werden nicht berücksichtigt.

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Konzeption des Handbuchs

In den folgenden Abschnitten stellen wir die Konzeption und die Einrichtung unseres Handbuchs vor. Zunächst sind einige Hinweise zur Auswahl der Texte für das Untersuchungskorpus und zur Quellenbasis erforderlich, danach soll das methodische Kernstück des Handbuchs – die Tabellen mit der Kontextualisierung der Sentenzen und Sprichwörter – erläutert werden.

Das Untersuchungskorpus: chronologische Anordnung und generische Systematik der Texte Im vorliegenden Handbuch werden die Sentenzen und Sprichwörter der Artus-, Gral- und Tristanromane verteilt auf zwei Bände in tabellarischen Übersichten zugänglich gemacht und erschlossen. Flankiert werden diese Übersichten durch einleitende Informationen zu den bearbeiteten Texten sowie Auswertungen, die Hinweise zu Besonderheiten des Proverbiengebrauchs bieten und erste analytische Perspektiven eröffnen. Alle in den verschiedenen Teilen beider Bände zusammengestellten Informationen haben das Ziel, die Sentenzen und Sprichwörter der höfischen Romane des 12. und 13 Jahrhunderts zu identifizieren und in ihren Kontexten zu erschließen. Untersucht werden insgesamt 20 höfische Romane des 12. und 13. Jahrhunderts. Im Einzelnen handelt es sich um: Artusromane: Hartmann von Aue, ›Erec‹ Hartmann von Aue, ›Iwein‹ Ulrich von Zatzikhoven, ›Lanzelet‹ Wirnt von Grafenberg, ›Wigalois‹ Heinrich von dem Türlin, ›Crône‹ Der Stricker, ›Daniel von dem blühenden Tal‹ Der Pleier, ›Garel von dem blühenden Tal‹ Der Pleier, ›Tandareis und Flordibel‹ Der Pleier, ›Meleranz‹

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›Wigamur‹ Konrad von Stoffeln ›Gauriel von Muntabel‹ Gralromane: Wolfram von Eschenbach, ›Parzival‹ Wolfram von Eschenbach, ›Titurel‹ Albrecht, ›Jüngerer Titurel‹ ›Lohengrin‹ Tristanromane: Eilharts von Oberg, ›Tristrant‹ Gottfried von Straßburg, ›Tristan‹ Ulrichs von Türheim, ›Tristan‹ ›Tristan als Mönch‹ Heinrich von Freiberg, ›Tristan‹ Angeordnet sind die untersuchten Werke also in drei großen Textgruppen, die sich an den Gattungen des höfischen Romans und seinen Erzählstoffen. Innerhalb dieser Gruppen erfolgt die Anordnung – soweit die in der Forschung eingeführten Datierungen dies ermöglichen – gemäß der absoluten und relativen Werkchronologie. Sowohl die generische Zuordnung als auch die chronologische Verortung der Werke bedarf in einzelnen Fällen näherer Begründung. Exemplarisch seien zwei Beispiele genannt: Unter thematisch-stofflichen Gesichtspunkten versteht sich die Zuordnung der ›Crône‹ Heinrichs von dem Türlin zur Gruppe der Artusromane nicht von selbst. Heinrichs Roman erzählt im zweiten Handlungsteil – in Auseinandersetzung mit Chrétiens ›Perceval‹ und Wolframs ›Parzival‹ –, wie der Artusritter Gawein zweimal zur Gralsburg gelangt und zuletzt die Gralgesellschaft erlöst. Auch wenn noch die jüngste Forschung deren Bedeutung kontrovers diskutiert,184 bleibt die Gralhandlung in der ›Crône‹ ein episodisches Geschehen, mit dem sich, anders als dies für den Artushof und die literarische Tradition des Artusromans gilt, nicht der Anspruch verbindet, ein Sinnzentrum des Werkes und seiner

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Vgl. BLEUMER 1997, S. 235-237, der das Verschwinden des Grals als eine harmonische Vermittlung von Religiösem und Weltlichem versteht, während VOLLMANN 2008, S. 119-124, darin den konsequenten Zielpunkt einer Darstellung sieht, die das Fehlen eines tieferen Sinnes und damit letztlich die Absenz einer religiös fundierten Wahrheit pointiert.

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Erzählpoetik zu bilden. Dies rechtfertigt die Einordnung der ›Crône‹ in die Gruppe der Artusromane bis 1230. Begründungsbedürftig ist auch die chronologische Verortung von Strickers ›Daniel‹, der das Untersuchungskorpus des ersten Bandes beschließt. Als gesicherter Datierungsrahmen für dieses Werk gilt die Zeit nach 1210 und vor 1243. Innerhalb dieses Rahmens wird in der Forschung eine Entstehung vor 1225 oder um 1230/1235 und damit entweder vor oder zeitgleich mit Heinrichs der ›Crône‹ angenommen (vgl. die Einleitung zu Kap. 2.6). Im Vergleich mit der ›Crône‹ ist das Spektrum der Formulierungs-, Gebrauchs- und Funktionsweisen der Sentenzen und Sprichwörter im ›Daniel‹ jedoch in einer Weise reduziert und typisiert, wie dies sonst erst in den späten ‚nachklassischen‘ Artusromanen zu finden ist. Da der Stricker andererseits jedoch mit einem hohen Reflexionsgrad und mitunter parodistisch die Konventionen arthurischen Erzählens umspielt und überschreitet, kommt dem ›Daniel‹ eine Scharnierstellung zwischen den ‚klassischen‘ und den ‚nachklassischen‘ Artusromanen zu. Aus dieser spezifischen romangeschichtlichen Position erklärt sich die Einordnung von Strickers ›Daniel‹ als letztes Werk unter den Artusromanen bis 1230. Repräsentativ ist unser Untersuchungskorpus insofern, als es zeitlich die Tradition des höfischen Versromans vom Einsetzen um 1170 bis um 1300 in einem beispielhaften Ausschnitt abschreitet. Leitend für die Korpusbildung war überdies die Überlegung, eine als literarisches Gattungs- und Traditionskontinuum abgrenzbare Epoche des mittelhochdeutschen Romans zum Untersuchungsfeld zu machen, und zwar auch deshalb, weil sich allererst im Zusammenhang eines solchen relativ geschlossenen Traditionskomplexes, das jeweils besondere Profil der Einzelbefunde konturieren läßt und deren Vergleichbarkeit untereinander sichergestellt wird. Damit soll freilich nicht der Eindruck erweckt werden, es gebe eine homogene oder kontinuierliche Proverbientradition, an der alle in unserem Handbuch behandelten Werke in vergleichbarer Weise partizipieren. Wie die Ergebnisse zeigen, stehen vielmehr längerfristige Entwicklungstendenzen und lineare Rezeptionsphänomene zum Teil ganz unvermittelt neben punktuellen oder gar okkasionellen Ansätzen der epischen Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern. Der Eindruck von Homogenität stellt sich am ehesten ein, wenn man auf die Themen blickt, die in den einzelnen Werken durch Proverbien pointiert werden, oder wenn man sieht, daß es eine Reihe von Sentenzen und Sprichwörtern gibt, die das Korpus – in zum Teil leicht variierter Form – wie Leitmotive durchzie-

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hen.185 Erheblich disparater wird dieses Bild aber in dem Moment, in dem man das Repertoire der Verwendungsweisen in die Betrachtung einbezieht oder danach fragt, welchen Stellenwert die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern für die Erzählpoetik der einzelnen Werke hat und wie proverbiale Rede im jeweiligen narrativen Kontext funktionalisiert wird. Hier stehen Werke, die mit hoher Frequenz von Proverbien durchzogen werden, neben solchen, die nur punktuell auf dieses Gestaltungsmittel zurückgreifen, und primär intradiegetische Verwendungsweisen in den Reden der Figuren stehen neben solchen, die Proverbien für eine fortschreitende auktoriale Kommentierung der Handlung nutzen oder zum Ausgangspunkt einer poetologischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Erzählen vor dem Hintergrund der Romantradition werden lassen. Dabei kann der Bezug auf allgemein bekannte und akzeptierte Regeln des sozialen Zusammenlebens im Dienste einer vereinfachenden oder didaktisierenden Perspektivierung des Erzählten geschehen, er kann aber auch ganz im Gegenteil dazu genutzt werden, die begrenzte kulturelle Geltung, Standpunktgebundenheit und Relativität allgemein akzeptierter Erfahrungen aufzudecken. Bei aller Heterogenität der Verwendungsprofile gilt es allerdings zu sehen, daß diese immer wieder auch das Ergebnis einer gezielten und produktiven Auseinandersetzung mit traditionsbildenden Werken der Romantradition ist, bei der es einzelnen Autoren ganz offensichtlich darum geht, distinkte Positionen in einem als Kontinuum wahrgenommenen literarischen Feld zu besetzen. Perspektiven der Korpusbildung Unter den beschriebenen Prämissen und Perspektiven hätte das unserem Handbuch zu Grunde liegende Untersuchungskorpus mit guten Gründen auch weiter gefaßt werden können. So läßt sich in den Antiken-, Legenden- wie den Minneromanen des 12. und 13. Jahrhunderts ein ganz ähnliches Themen-, Verwendungs- und Funktionsspektrum proverbialer Rede beobachten, wie in den im Handbuch bearbeiteten Werken, und in all diesen Textreihen gibt es – ebenso wie bei den Artus-, Gral- und Tristanromanen – Werke, in denen Sentenzen und

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Zu diesen Proverbien zählen: ›Hochmut führt zum Fall / zu Schaden.‹; ›Ohne Mühe erwirbt man kein Ansehen / hat man keinen Erfolg.‹; ›Ein ehrenvoller Tod ist besser als ein Leben in Schande.‹; ›Man kann nicht abwenden was geschehen soll / was vorherbestimmt ist.‹; ›Liebe nimmt den Verstand.‹; ›Es sterben nur die zum Tod bestimmten.‹; ›Der Mißgünstige setzt den Rechtschaffenen herab.‹; ›Gott steht immer auf der Seite der Wahrheit / der Gerechten.‹; ›Zwei sind einem überlegen.‹

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Sprichwörter zu den zentralen Gestaltungsmitteln zählen, neben solchen, in denen sie sich nur hin und wieder finden. Ein wichtiges Beispiel ist der ›Eneasroman‹ Heinrichs von Veldeke, in dem Proverbien vergleichsweise selten in den Erzählfluß inseriert werden. Bei einer ersten Auswertung finden sich nur 13 Belege in den 13528 Versen.186 Die Frequenz, mit der sich die Proverbien über den Text verteilen, liegt damit in einem ähnlichen Rahmen, wie ihn andere frühe höfische Romane – beispielsweise Eilharts ›Tristrant‹ – aufweisen.187 Aber nicht nur solche Zahlenverhältnisse zeigen, daß Proverbien für die Erzählpoetik des ›Eneasroman‹ von nachgeordnetem Interesse sind, auch das Verwendungsprofil erscheint wenig differenziert. Sentenzen und Sprichwörter finden sich mit nur einer einzigen Ausnahme ausschließlich in den Reden und Reflexionen der Figuren, die in dilemmatischen oder politisch heiklen Situationen im Rekurs auf verbürgte Erfahrungen nach Orientierung suchen.188 Demgegenüber verwendet Konrad von Würzburg im ›Trojanerkrieg‹ Sentenzen und Sprichwörter in ungleich höherer Frequenz und in ganz unterschiedlichen Situationen sowohl der Erzähler- wie der Figurenrede.189 Dabei erstaunt es nicht weiter, wenn Proverbien immer wieder im Kontext der Kriegsrhetorik der wichtigsten Handlungsträger zu entscheidenden Argumenten werden. Es wäre aber noch genauer zu zeigen, wie solche Verwendungen im Nebeneinander der verschiedenen Parteien und Argumentationen, aber auch im Nebeneinander von Figurenhandlung und Erzählerstimme zu verstehen und bewerten sind. Jedenfalls spricht einiges dafür, daß proverbiale Rede im ›Trojanerkrieg‹ die Grenzen von Figuren- und Erzählerrede überschreitend genutzt wird, um Episoden und Erzählsequenzen so zu korrelieren, daß die Aporien der Handlung und die Problematik des Figurenverhaltens offen zu Tage treten, ohne daß der Erzähler direkt Stellung dazu nehmen oder offen Kritik üben muß.

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Vgl. Veldeke: Eneasroman, 57,13; 139,30; 166,2; 166,36; 258,22; 271,17; 258,19; 297,31; 299,12; 328,40; 330,23; 340,16; 343,16. Vgl. dazu die Auswertung in Bd. 2, Kap. 4. 1. Lediglich bei der Beschreibung der prächtig ausgestatteten Burg des König Latinus spielt der Erzähler auf ein Sprichwort an, um den Wert neuer und dem zeitgenössischen Geschmack entsprechender Gegenstände zu pointieren: man nam da uil luzel ware / auf ein uerblichinez baldechin / vnd auf kateblachen / vnd auf ein altez gewant. / dez niwen man so uil vant, / daz man dez alten vergaz, / wan daz niwe zimt baz (V. 340,12-18). Vgl. TPMA VIII, S. 472f. Eine erste Analyse bietet STECHOW 1921, der etwa 400 Stellen im ›Trojanerkrieg‹ als „sprichwörtlich“ klassifiziert. Nimmt man eine solche Einschätzung als einen vorsichtigen Anhaltspunkt, liegt es durchaus nahe, den ›Trojanerkrieg‹ vergleichend neben den besonders sentenzreichen Werken Hartmanns, Wolframs, Gottfrieds und Heinrichs zu betrachten.

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Solche Beispiele zeigen in ersten Ansätzen, wie ähnlich sich der Zugriff auf proverbiales Wissen in den verschiedenen Gattungen des höfischen Romans gestaltet. Dafür spricht auch, daß die Rezeption, sei es einzelner prägnanter Formulierungen, sei es typischer Verwendungsweisen, Situationskontexte oder poetischer Techniken der Inserierung proverbialer Rede in den narrativen Kontext, quer zu solchen zu Gattungs- oder Typengrenzen verläuft, die primär stofflich begründet sind. Entsprechend lassen sich neben einer Vielzahl von prominenten Sentenzen und Sprichwörtern, eine ganze Reihe von direkten Bezugnahmen und Entlehnungen beobachten. Beispielsweise greift Konrad Fleck in seinem Flore-Roman an verschiedenen Stellen gezielt auf Proverbien aus Hartmanns ›Erec‹ zu. Konrad übernimmt einzelne Formulierungen fast wörtlich (z.B. ez enist niht wirsers dan der tôt Er v. 7936 – ez ist niht wirsers danne der tôt Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur, v. 5405), nutzt solche Anleihen aber auch dazu, Erzählzusammenhänge aus dem Prätext aufzurufen und als Verständnisfolie für sein eigenes Erzählen bereitzustellen. Dafür nur ein Beispiel: Als der Emir von Bagdad das Todesurteil an den beiden Liebenden vollstrecken will, fordert Flore ihn auf, wenigstens Blanscheflur zu verschonen, weil es für einen Herrscher unwürdig sei, einer Frau Gewalt anzutun: joch ist ez niht eins mannes muot, / swer schœnen wîben leide tuot (v. 7105f.). Angelehnt ist diese Formulierung an die Kritik, die der Erzähler im ›Erec‹ an Graf Oringles übt, als der Enite gewaltsam zur Ehe zwingen will: dâ von müeze er unsælic sîn, / des wünschet im der wille mîn, / swer den wîben leide tuot, / wan ezn ist manlîch noch guot (Er v. 5770-5773). Die auf diesem Wege hergestellte Korrespondenz zum ›Erec‹ ist insofern stimmig, als beide Herrscher, gebannt durch die außergewöhnliche Schönheit der Frauen, ihre Heiratspläne und Interessen nicht nur unbarmherzig gegenüber dem Leid, das sie damit verursachen, durchsetzen, sondern auch explizit gegen den Rat der eigenen Fürsten agieren, die in beiden Texten zu Fürsprechern der Liebenden werden, und damit gleichermaßen den Verlust moralischer Orientierung wie herrscherlicher Kompetenz zeigen. Der Verständnisrahmen, den der intertextuelle Bezug eröffnet, weist aber noch deutlich über solche motivlichen Entsprechungen hinaus: In ›Flore und Blanscheflur‹ sehen die Liebenden sich bis zum Ende der Handlung einer Gesellschaft gegenüber, deren Entscheidungsträger durchweg mit Unverständnis und Aggression auf eine Liebe und triuwe reagieren, die insofern bedingungslos ist, als sie nicht durch Trennung, Entfernung und sogar nicht durch den Tod eines Partners begrenzt werden kann. Genau eine solche Liebe ist es aber, die Enite unter Beweis stellt – und erst unter Beweis stellen kann – als sie Erec für tot hält und sich trotz größter Gefährdungen ihrer eigenen Existenz und ihres eigenen Lebens gegen eine Heirat mit dem mächtigen Grafen wehrt, obwohl eine solche

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weder aus der Perspektive feudaler Praxis noch aus der Perspektive christlich fundierter Rechtsvorstellungen problematisch erscheinen würde.190

Beispiele für solche Parallelen in der poetischen Gestaltung proverbialer Rede sowie deren gattungsüberschreitende Rezeption lassen sich mühelos vermehren.191 Sie alle zeigen, wie lohnend es wäre, die Erschließung der narrativen Sentenz- und Sprichwortverwendung über das im vorliegenden Handbuch Geleistete hinaus, auf andere Romantypen auszuweiten. Ein Ansatz ist es, unabhängig von generischen Gesichtspunkten, – sei es möglichst vollständig oder auch nur exemplarisch – diejenigen Romane des 12. und 13. Jahrhunderts in den Blick zu nehmen, die besonders häufig und differenziert Gebrauch von Proverbien machen. Veränderungen im Korpus würden sich unter dieser Perspektive vor allem bei den Werken ergeben, die spätere Phasen des Untersuchungszeitraumes repräsentieren: an Stelle der Artusromane nach 1230, aber auch späterer Bearbeitungen des Gral- und Tristanstoffes würden etwa verstärkt Autorenkorpora wie die Rudolfs von Ems und Konrads von Würzburg ins Blickfeld geraten. Es scheint nämlich so zu sein, daß diese Autoren sehr viel stärker und zugleich weniger konventionell an die diskursiven Verwendungsweisen epischer Sentenzenrede, wie sie von Hartmann, Wolfram, Gottfried und Heinrich entwickelt werden, anknüpfen, als dies die späteren Vertreter der eigenen Gattungstradition tun. Ergebnis eines solchen Vorgehens wäre mit einiger Sicherheit ein homogeneres Untersuchungsfeld, bei dem Fragen der Weiterentwicklung poetischer Techniken und der Fortführung poetologischer Diskussionen eine ungleich größere Rolle spielen. Allerdings muß klar gesehen werden, daß ein repräsentativer Überblick über die ganz verschiedenen Möglichkeiten und Ansätze bei der Integration proverbialen Wissens in die mittelhochdeutsche Erzählliteratur so gerade nicht zustande kommt. Wenn vor dem Hintergrund solcher Überlegungen einer generischen Systematik der Vorzug gegeben wurde, bedeutet dies aber keinesfalls, daß für das Thema wichtige Werke, die nicht in das Untersuchungskorpus aufgenomme-

___________ 190 191

Vgl. auch die Auswertung zu Hartmanns ›Erec‹ in Kap. 2. 1. HAUG 1992, S. 279-289, hat z.B. darauf hingewiesen, daß Rudolf von Ems seinen Prolog zum ›Guoten Gêrhart‹ mit einer Paraphrase der Eingangssentenz aus Gottfrieds ›Tristan‹ eröffne, das Zitat dann aber zum Ausgangspunkt für eine kritische Auseinandersetzung nicht nur mit diesem Prätext mache. Vielmehr nutze Rudolf die erzählerische Ausgestaltung der im Prolog sentenziös verdichteten These, „daß das Gute seine Erfüllung allein in sich selbst“ finde und eben keiner Bestätigung in Form gesellschaftlicher Anerkennung bedürfe, um sein eigenes literaturtheoretisches Konzept gegenüber dem Gottfrieds aber auch Hartmanns und Wolframs zu profilieren.

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ne wurden, damit aus dem Blick geraten. Besondere Beachtung finden sie z.B. bei der Kontextualisierung der in den Tabellen erschlossenen Einzelbelege, wo sie immer wieder als Referenzpunkte für die Verwendung von Proverbien in den Artus-, Gral- und Tristanromanen in Erscheinung treten. Quellen und Quellenheuristik Mit den zuletzt angestellten Überlegungen ist eine weitere für die Konzeption unseres Handbuchs zentrale und für den Umgang mit Proverbien grundsätzlich zu reflektierende Frage angesprochen: Welche Quellenbasis benötigt man, um die Gebrauchstradition einer Sentenz oder eines Sprichworts aussagekräftig dokumentieren zu können? Während sich auf der Ebene des Untersuchungskorpus eine gattungssystematische Auswahl – wie gerade eben gezeigt wurde – gut rechtfertigen läßt, wäre eine solche Eingrenzung bei der Zusammenstellung der Werke, die zur Kontextualisierung der erschlossenen Einzelverwendungen herangezogen werden, dem Gegenstand nicht angemessen. Proverbien sind sprachliche Wiederholungshandlungen, die nicht nur über Zeiträume von langer Dauer tradiert werden, sondern sich darüber hinaus gerade dadurch auszeichnen, daß sie Grenzen, wie sie durch Gattungen und Texttypen, Sprach-, Diskurs- und Kulturräume, Bildungswelten oder mediale Umbrüche markiert sind, ganz selbstverständlich überschreiten. Methodisch ergibt sich daraus die Notwendigkeit, eine ungewöhnlich breit gestreute Textsammlung als gemeinsame bibliographische Basis für die in unserem Handbuch vorgenommenen Formen der Kontextualisierung zu generieren. In Grundzügen erschließbar ist dieses auf den ersten Blick unüberschaubare Untersuchungsgebiet durch den TPMA sowie weitere Handbücher und Lexika (z.B. MORAWSKI: Proverbes français; WALTHER) und deren Quellenverzeichnisse. Selbst wenn man die 250 Seiten umfassende Bibliographie des TPMA zugrunde legt, gilt es jedoch klar zu sehen, daß alle diese Referenzwerke weder über eine modernen Anforderungen genügende Quellensystematik verfügen noch bibliographisch auf dem heute erreichbaren Stand sind. Texte und Belegstellen wählen sie noch weitgehend positivistischen Sammlungsprinzipien folgend aus und stellen sie – gemessen an rezenten Korpus-Theorien – nach opportunistischen Gesichtspunkten zusammen. So sinnvoll und notwendig eine umfassende Systematisierung des so umrissenen Quellenbestandes auch gewesen wäre, hätte sie doch den Rahmen überstiegen, der einem Forschungsvorhaben wie unserem Handbuch gesetzt ist. Dennoch wurden in umfassenden Vorarbeiten die Lücken der vorlie-

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genden Quellenkompendien für alle im Handbuch vertretenen Sprachen und Literaturen erfaßt und eine Reihe notwendiger, wenngleich punktueller Ergänzungen an besonders virulenten Stellen vorgenommen. In einem nächsten Schritt müßte aber der großen Bedeutung, die die mittellateinische Literatur und die vor allen Dingen Gattungs- und Texttraditionen wie beispielsweise Bibelkommentaren, Grammatiken, Florilegien, Enzyklopädien, Predigten, Briefen, Briefstellern oder Poetiken für mittelalterliche (auch volkssprachige) Proverbientraditionen zukommt, noch stärker Rechnung getragen werden. Im Bereich der deutschen Literatur könnte für weiterführende Erschließungsarbeiten das alle Textsorten in repräsentativen Werken erfassende, elektronisch aufbereitete Textkorpus des neuen ‚Mittelhochdeutschen Wörterbuches’192 als Fundus genutzt werden. Vorbereitet ist die Auswertung dieses Korpus schon jetzt durch eine aus dem Material des ‚Mittelhochdeutschen Wörterbuches’ erarbeitete Dissertation (FRIEDRICH). Gleichfalls genutzt werden könnten aber auch die an den Universitäten Bochum, Bonn und Halle entstehenden Referenzkorpora ‚Mittelhochdeutsch’ und ‚Frühneuhochdeutsch’ und das interlingual synchrone Lexikon ‚SprichWort’193. Weitere digitale Rechercheinstrumente mit umfassenden Suchroutinen in einem strukturierten Korpus bietet die ‚Mittelhochdeutsche Begriffsdatenbank’194. Für das Mittel- bzw. Neulateinische und das Französische stehen gleichfalls Online-Ressourcen zur Verfügung. Die Romanistik verfügt zwar über keine der Germanistik vergleichbaren digital gut aufbereiteten Korpora. Es können jedoch die einschlägigen digitalen Versionen der alt- und mittelfranzösischen Wörterbücher (Godefroy, Tobler-Lommatzsch, Anglo-norman Dictionary; Dictionnaire du moyen français) sowie alt-, mittel- und ‚früh‘neufranzösische Textkorpora genutzt werden (‚Corpus de la littérature médiévale’, ‚Nouveau Corpus d’Amsterdam’, ‚Base de français médiéval’, ‚Frantext’). Im Bereich des Mittel- und Neulateinischen stehen Datenbanken und Korpora wie z.B. die ‚Library of Latin Texts’ (A, B), das ‚Corpus Grammaticorum Latinorum’195, die elektronischen ‚Monumenta Germaniae Historica’ (MGH)196, ‚Patrologia Latina Database’197, die ‚Acta Sanctorum Database’198, das ‚Corpus

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Online unter: www.mhdwb-online.de Online unter: www.ids-mannheim.de/lexik/SprichWort Online unter: mhdbdb.sbg.ac.at:8000 Online unter: www.htl2.linguist.jussieu.fr:8080/CGL Online unter: www.mgh.de/dmgh Online unter: www.pld.chadwyck.co.uk Online unter: www.acta.chadwyck.co.uk

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Scriptorum Latinorum’199 bereit. Daneben müßte noch eine Reihe von hoch relevanten, aber nicht digital publizierten oder über die genannten Referenzwerke erschlossenen Einzeltexte und Sammlungen (z.B. Flores- und Sprichwörtersammlungen, Briefe, Predigten) ausgewertet werden. Im Unterschied dazu werden sich antike und spätantike Quellen nur selektiv einbeziehen lassen, d.h. nur insofern, wie sie mittelalterlichen Werken zugrunde liegen. Das Tabellenformat Den Hauptteil und gleichsam das methodische Kernstück des vorliegenden Handbuches bilden die Tabellen, in denen die Proverbien der Artus-, Gral- und Tristanromane erschlossen und nach verschiedenen Parametern kontextualisiert werden. Für jeden einzelnen Beleg werden Informationen geboten, die die Einbindung proverbialer Rede in den jeweiligen narrativen und kommunikativen Zusammenhang eines Romans näher beschreiben. Zugleich wird aber auch der Wissenshorizont nachgezeichnet, in dem die Sentenzen und Sprichwörter unabhängig von einzelnen Verwendungen stehen und vor dem die Besonderheiten ihrer Aktualisierung im Romanzusammenhang Kontur gewinnen. Erst wenn man beide Ebenen der Kontextualisierung konsequent in Beziehung zueinander setzt, wird lesbar, wie produktiv tradierte Wissensensresiduen im Erzählen aufgerufen, bearbeitet und funktionalisiert werden und wie sie gleichzeitig den Anschluß an ganz verschiedene Sinn- und Diskurskontexte ermöglichen. Das zeigt ein näherer Blick auf die einzelnen Felder und Rubriken der Tabelle. Die Verwendung einer Sentenz oder eines Sprichworts im Romankontext erschließen vor allem die Felder der linken Tabellenseiten. Schon im Feld ‚Textstelle‘ werden die Proverbien nicht isoliert abgedruckt, sondern in ihrem unmittelbaren textlichen Umfeld belassen. So bleibt erkennbar, wie sich proverbiale Rede sprachstilistisch in den Romankontext einfügt, in welchen kommunikativen oder argumentativen Zusammenhängen sie steht und ob ihr Status innerhalb dieses Umfeldes hervorgehoben wird. Ergänzend tritt im Feld ‚Kontext‘ eine nähere Beschreibung des situativen Rahmens hinzu, die die zitierte Textstelle überdies in den Handlungszusammenhang des Romans einordnet,200 und schließlich im Feld ‚Paraphrase‘ eine Umschreibung der Bedeutung, die die Sentenz oder das

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200

Online unter: www.forumromanum.org/literature/authors_a.html Vgl. für die konzeptionell eng verbundene Analyse von Sprechakten EIKELMANN/TOMASEK 2002, S. 144f., sowie das Sprechaktregister in Band 2.

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Sprichwort im vorliegenden Kontext entwickelt. Zuletzt weist das Feld ‚Überlieferung‘ aus, ob die Formulierung, Kontextualisierung und Verwendung einer Sentenz oder eines Sprichworts in der handschriftlichen Überlieferung des Werkes auffällig variiert oder weitgehend stabil bleibt. Auf der rechten Tabellenseite stellt dann das Feld ‚Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur‘ den Bezug zur Verwendungsgeschichte eines Proverbiums her. Geboten werden hier vor allem solche Belegstellen, die typische Formulierungs- und Gebrauchsweisen repräsentieren oder Kontexte bieten, die die spezifische Verwendung im vorliegenden Roman in besonderer Weise zu erklären vermögen. Die Tabelle erweist sich dabei als ein Darstellungsmittel, das insofern besonders flexibel genutzt werden kann, als sie ganz verschiedene Möglichkeiten des selektiven wie auch systematischen Zugriffs auf die bereitgestellten Informationen bietet. Steuert man beispielsweise nur einzelne Felder an, kann man sehen, in welcher Formulierung ein Thema an einer bestimmten Stelle sentenziös verdichtet wird, wie proverbiale Rede dort in den Kontext inseriert wird, wer der Sprecher einer Sentenz oder eines Sprichwortes ist, mit welchem kommunikativen Ziel eine solche Äußerung verbunden ist und in welchen situativen Rahmen sie eingebettet wird. Man kann aber ebenso sehen, an welchen Stellen eines Romans ein einmal sentenziös verdichtetes Thema wieder aufgegriffen wird, in welchen Werken, Texttypen oder Gattungen sich eine Sentenz oder ein Sprichwort ansonsten findet und wie sich die Verwendungsspielräume dort gestalten oder wie die Forschung eine Romanstelle bisher kommentiert hat und welche analytischen Ansätze zum Umgang mit proverbialem Wissen in dieser Romanpassage es bereits gibt. Liest man nun aber die Informationen, die in den einzelnen Feldern gegeben werden, im Zusammenhang, führt die Tabelle schnell auch in weiterführende Fragestellungen, sei es zu einer einzelnen Belegstelle oder zum Umgang mit proverbialem Wissen in einer größeren Textpartie bzw. in einem ganzen Roman. Wie und in welchen Situationen nutzt ein Text Proverbien zur Profilierung der Erzählerstimme oder zur rhetorischen Gestaltung von Gesprächen der Romanfiguren? Über welche poetischen Techniken zur Integration proverbialen Wissens verfügt ein Text? An welchen Wissensresiduen partizipiert er und in welchem Verhältnis steht das Erzählte zu diesem Wissen? Wird die Gültigkeit überkommener Regeln und Betrachtungen durch das Erzählte bestätigt oder eher relativiert?

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Selbstverständlich liegt es in der Hand des Benutzers, welche Fragen er an die verfügbar gemachten Informationen stellt. Die Tabellen verstehen sich primär als ein Forschungsinstrument, das eine Grundlage für verschiedenste weiterführende Untersuchungen bietet und nicht schon die Ergebnisse solcher Untersuchungen vorwegnehmen will oder gar abschließend darstellt. Impulse für anschließende Forschungen geben die Auswertungen, die die Tabelle flankieren. Diese Auswertungen stellen die wichtigsten statistischen Befunde – z.B. zur Frequenz, mit der Proverbien in ein Werk inseriert werden, oder zu ihrer Verteilung über den Text – zusammen und bieten erste analytische und interpretatorische Perspektiven. Gezeigt wird vor allem, wodurch sich der Umgang mit proverbialem Wissen in einem Werk auszeichnet und welche Besonderheiten sich im Vergleich mit den anderen Romanen des Untersuchungskorpus erkennen lassen. Verborgen schatz vnd wistuom – ein Beispiel Im Prolog der ›Crône‹ Heinrichs von dem Türlin begründet der Erzähler einleitend, warum er mit seiner Geschichte hervortritt, obwohl er diese nicht für makellos hält. In diesem Zusammenhang wägt er ab, welche Anforderungen an denjenigen gestellt sind, der sich als Sprecher exponieren will, inwieweit aber auch eine Zurückhaltung, die in übertriebener Vorsicht gründet, schädlich sein kann. Dabei pointieren eine ganze Reihe von lose miteinander verbundenen Proverbien verschiedene Positionen, die in der schriftliterarischen Tradition seit der Antike zu diesem Grunddilemma literarischen Sprechens vertreten worden sind.201 Eines dieser Proverbien ist das Sprichwort vom Schatz, der, wenn er im Verborgenen bleibt, ebenso wenig Nutzen zu bringen vermag, wie Weisheit, die nicht zum Wohle aller eingesetzt wird (Cr 1-12): 1

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EJN weis man gesprochen hat, Daz deu red missestat, Diu an witz geschiht; Ouch frumet der sin lutzel iht, Den ein man ein treit. Swer gedenchet vnd niht reit, Daz ist als schadebre, Sam er ein tor wre. Was mag gefrumen sein chvnst

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Vgl. die Tabelle im Kapitel 2.5.

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10 An red vnd ane gunst? Verborgen schatz vnd wistuom, Die sint ze nutz selten frum.202

Die im Sprichwort formulierte Einsicht, daß die Weisheit einzelner Menschen nur wirken kann, wenn sie an andere weitergegeben wird (vgl. das Feld ‚Paraphrase‘), fügt sich insofern bruchlos in die argumentative Linie des Prologauftaktes, als sie die leitende Thematik um angemessenes Reden und Schweigen variierend aufgreift und bildlich verdichtet. Daß das Sprichwort darüber hinaus jedoch auch eine ganz eigene Begründung für den Nutzen des Werkes und die Autorität des Sprechers bietet (vgl. das Feld ‚Kontext‘), erschließt sich aber erst, wenn man sieht, wie es in anderen Zusammenhängen verwendet wird (vgl. Feld ‚Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur‘). Überliefert ist dieses Sprichwort seit der Bibel in relativ fester Prägung. Bis ins 16. Jahrhundert finden sich lateinische Belege neben deutschsprachigen, wobei das Sprichwort im Deutschen seinen Ort offensichtlich vor allem in Proverbiensammlungen und in der didaktischen Literatur hat. Hier demonstriert es, wie widersinnig und absurd es ist, kluge Gedanken zu verschweigen und andere nicht daran teilhaben zu lassen.203 Ein solch widersinniges Verhalten wird aber nicht nur als töricht deklassiert, sondern überdies dem Bereich der Untugenden zugeordnet204 und mit dem Vorwurf verbunden, das Schweigen geschehe weniger aus Bescheidenheit, denn aus Mißgunst gegenüber denjenigen, die von der Lehre profitieren könnten.205 Schon vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß der Erzähler der ›Crône‹ das Sprichwort nutzt, um – in Abgrenzung zu einer solchen Haltung – seine eigene Verantwortung für die Hörer zu inszenieren und seine Sprecherrolle aus dieser Verantwortung heraus zu begründen. Greift man bei den im Vergleichsmaterial gebotenen Parallelbelegen noch konkreter zu, sieht man, daß mit dem Sprichwort im Lateinischen überdies ein im weiteren Sinne poetologischer Diskurs verbunden ist, der es nicht nur für eine

___________ 202

203

204 205

‚Ein weiser Mann hat einmal gesagt, daß die Rede unzureichend ist, die ohne Klugheit ausgeführt wird; andererseits bringt Verstand keinen Nutzen, den ein Mann für sich behält. Wer immer nachdenkt, aber nicht spricht, verursacht genauso viel Schaden, als wenn er ein Narr wäre. Was vermag all sein Können zu nutzen, wenn er nicht spricht und wenn ihm keine Gunst zuteil wird? Verborgene Schätze und verborgene Weisheit bringen keinen Nutzen.‘ Sebastian Franck ordnet das Sprichwort der Gruppe der Absurda oder Praepostera zu, die allesamt Verhaltensweisen ausstellen, die unsinnig sind und einer natürlichen Ordnung der Welt entgegenlaufen. Vgl. Franck: ›Sprichwörter‹, I, 2r (S. 18, Z. 19 - S. 33, Z. 7). Vgl. ›Kolmarer Liederhandschrift‹, S. 126. Vgl. Wernher von Elmendorf, 55-64.

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Verwendung im Prologkontext prädestiniert, sondern die spezifische Funktionalisierung im Kontext des ›Crône‹-Prologes steuert. Im dritten Teil seiner ›Pastoralregel‹ gibt Gregor der Große detaillierte Anleitungen dazu, wie ein Seelsorger, die ihm Anbefohlenen zu unterweisen und im Sinne christlicher Werte zu einer vorbildlichen Lebensführung zu mahnen hat. Schon im Prolog stellt er dabei eine Parallele zur Tätigkeit des Künstlers her: Wie dieser sei auch der Seelsorger gefordert, seine Lehren an den jeweiligen Bedürfnissen, Voraussetzungen und Defiziten der Angesprochenen auszurichten.206 In diesem Zusammenhang handelt Gregor u.a. darüber, wie diejenigen anzusprechen seien, die sich aus Demut dem Predigeramt verweigern, im Gegenzug aber auch mit denen umzugehen sei, die dieses Amt vorschnell und mit überzogenem Eifer übernähmen. Ersteren müsse man – so Gregor – das Ausmaß ihrer Schuld deutlich vor Augen führen und ihnen klar machen, daß es ungleich schlimmer sei, notleidenden Seelen das Wort der Predigt vorzuenthalten als Hungernden Nahrung oder finanzielle Unterstützung zu versagen. Die seine Ausführungen leitende Analogie zwischen Wort und materiellen Gütern verdichtet er resümierend im biblischen Sprichwort vom verborgenen Schatz: Si enim indigentibus proximis ipsi quas haberent pecunias absconderent, audiutores procul dubio calamitatis exstitissent. Quo igitur reatu constringantur aspiciant, qui dum peccantibus fratribus uerbum praedicationis subtrahunt, morientibus mentibus uitae remedia abscondunt. Vnde et bene quidam sapiens dicit: Sapientia abscondita et thesaurus inuisus, quae utilitas in utriusque?207

Bei Gregor steht der Gedanke, daß falsch verstandene Demut in keinem Fall dazu führen darf, daß derjenige verstummt, der eigentlich zum Sprechen bestimmt ist, im Horizont geistlich inspirierter Autorschaft. Die Entscheidung, sich ungeachtet der eigenen Unzulänglichkeit als Sprecher zu exponieren, ist in diesem Zusammenhang dem freien Ermessen des Einzelnen enthoben; dennoch zu schweigen, würde mehr bedeuten, als einen Akt der unnötigen Selbstbeschränkung. Wenn Heinrich das Sprichwort vom verborgenen Schatz in der ›Crône‹ im Rahmen

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Vgl. Gregor der Große: ›Pastoralregel‹, 3, 25, 1-22 (S. 258-260). Gregor der Große: Pastoralregel, 3, 25, 12-18, S. 428: ‚Wenn sie nämlich ihr Geld vor notleidenden Mitmenschen versteckten, so würden sie ohne Zweifel zu deren Elend noch mithelfen. Nun können sie sehen, was für eine Schuld sie auf sich laden, wenn sie das Wort der Predigt ihren sündigen Brüdern entziehen, und vor dahinsterbenden Seelen die lebensspendenden Heilmittel verborgen halten. Darum sagt ein Weiser mit Recht: ›Verborgene Weisheit und ein versteckter Schatz, wozu sind beide nütze?‹‘ Übersetzung nach Bibliothek der Kirchenväter (Universität Freiburg/Schweiz), online unter: www.unifr.ch/bkv/

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seiner Prologtopik verwendet, eignet er sich solche vorgeprägten Argumentationsweisen an, ohne jedoch zu explizieren, worin seine Bestimmung zum Erzählen einer weltlichen Geschichte eigentlich gründet. Das Beispiel zeigt, daß die epische Verwendung proverbialer Rede sich in vielen Fällen erst vor dem Wissenshorizont erschließt, der mit einer Sentenz oder einem Sprichwort verbunden ist. Lesbar wird dieser Wissenshorizont entlang der Belege, die in den Tabellen zum Vergleich bereitgestellt werden. An ein solches Beispiel lassen sich aber auch weiterführende Fragen zum Umgang mit proverbialem Wissen in der ›Crône‹ und in anderen Romanen anschließen. Eine Besonderheit der analysierten Passage liegt z.B. darin, wie gezielt ein volkssprachiger Autor wie Heinrich auf lateinische Prätexte zugreift und deren Kenntnis ein gutes Stück weit auch bei seinen Rezipienten voraussetzt.208 Sieht man vor diesem Hintergrund das in der Tabelle zur ›Crône‹ bereitgestellte Vergleichsmaterial durch, wird man schnell erkennen, daß lateinische Prätexte nicht nur für die in den Prolog inserierten Proverbien von besonderer Bedeutung sind (vgl. die Auswertung in Kapitel 2.5). Ausgehend von solchen Befunden wäre in künftigen Forschungen noch weiter zu klären, wie Proverbien als Schaltstellen für den interkulturellen Transfer gelehrter Inhalte zwischen Latein und Volkssprache genutzt werden. Solche Perspektiven sollen an dieser Stelle allerdings nur angedeutet werden, andere ließen sich ergänzen. Gedacht sind die Überlegungen als Handreichung, die praktisch in den Umgang mit den Tabellen einführen soll. Hinweise zur formalen Konzeption der Tabellen bietet die folgende Übersicht.

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Daß die ›Pastoralregel‹ offensichtlich die direkte Vorlage für Heinrichs Verwendung des Sprichworts vom verborgenen Schatz bietet, zeigt die Übernahme einer weiteren Metapher aus dem unmittelbaren Kontext der zitierten Textstelle. Gregor ergänzt seine Mahnung an die Verantwortung derer, die zur Unterweisung befähigt sind nämlich durch den Hinweis, daß die Rolle des Lehrenden immer auch den Mut erfordert, dem Schutzbefohlenen mit aller nötigen Härte zu begegnen. Diesmal vergleicht er den Prediger mit einem Heilkundigen, der keinesfalls zögern dürfe, zum Schwert zu greifen, wenn er sehe, daß eine Wunde aufgeschnitten werden müsse. Wer schweige statt zu predigen, und in diesem Sinne sein Schwert vom Blut abhalte, mache sich aber wiederum schuldig an dem, dem er seine Hilfe versage (3, 25, 28-37, S. 430). Heinrich schließt in ähnlicher Weise an das Sprichwort vom verborgenen Schatz an, ohne jedoch den Wechsel in die Metaphorik des Kampfes zu erläutern: Doch, wn ich, er selten gesigt, / Der des alle weg phligt, / Daz er sein swert erziehe / Vnd da mit wider fliehe, / E er deheinen slak gesleht (Cr 17-21; ‚Doch meine ich, daß der nie gewinnen kann, der sein Schwert immer nur zieht, dann aber flieht, bevor er auch nur einen Schlag ausgeführt hat.‘). Noch deutlicher als beim Sprichwort vom verborgenen Schatz setzt die Passage die Kenntnis des Prätextes voraus.

Kurzer Leitfaden zur Tabellenbenutzung

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Kurzer Leitfaden zur Tabellenbenutzung

In der Spalte ‚T e x t s t e l l e‘ findet der Benutzer eine identifizierte Sentenz(anspielung) oder ein identifiziertes Sprichwort bzw. eine Sprichwortanspielung nach der maßgeblichen Ausgabe zitiert (mit Erschließungsmöglichkeiten über das Wortregister). Dabei ist die Sentenz oder das Sprichwort bzw. der Teil, der eine Sentenz- oder Sprichwortanspielung ausmacht, fett gesetzt. Rahmenelemente und ggf. kleine Stücke des Kotextes werden unfett hinzugesetzt. Die Spalte ‚K o n t e x t‘ beschreibt die situative Verwendung einer Sentenz oder eines Sprichworts, wobei nicht nur Sprecher, Adressat und Situationsumstände genannt werden, sondern auch die Redeabsicht in Anlehnung an die Sprechakttheorie klassifiziert wird. In der Spalte ‚Ü b e r l i e f e r u n g‘ werden, soweit aus Ausgaben, Faksimilia usw. ersichtlich, für die Sentenzen und Sprichwörter relevante überlieferungsgeschichtliche Befunde vermerkt. In der Spalte ‚P a r a p h r a s e‘ wird das einer Sentenz oder einem Sprichwort zugrundeliegende Orientierungs- oder Erfahrungswissen möglichst präzise und unmetaphorisch erfaßt. Der Spalte kommt eine Brückenfunktion zwischen der Textstelle und dem Vergleichsmaterial zu, indem sie ggf. die Zugehörigkeit des Belegs zu einer in der rechten Nachbarspalte dokumentierten Sentenz- oder Sprichworttradition nachvollziehbar macht. Zudem erleichtert die Paraphrase, die über das Register der Sprichwort- und Sentenz-Paraphrasen erschlossen werden kann, das Verständnis der Textstelle. In der Spalte ‚K l a s s i f i z i e r u n g / V e r g l e i c h s m a t e r i a l / L i t er a t u r‘ wird der Status der in der ersten Spalte angeführten Textstelle bestimmt (z.B. „Sprichwort“) und der Beleg ggf. einer ‚Formulierungstradition‘ zugeordnet. Das in der Rubrik ‚Verwendung‘ gesammelte Material gibt in chronologischer Reihenfolge den in anderen Werken bezeugten Gebrauch sentenzhafter, sprichwörtlicher oder anspielender Vertextungen des in der ‚Paraphrase‘-Spalte angegebenen Orientierungs- und Erfahrungswissens wieder (Kotexte werden unfett wiedergegeben, mit Hilfe von Siglen werden Gattungszusammenhänge angedeutet). Falls eine Roman-Vorlage vorliegt, die eine Parallelstelle aufweist, bzw. ein direktes Rezeptionszeugnis des Belegs existiert oder ein biblischer Hintergrund anzunehmen ist, wird dies anschließend vermerkt. Pfeile verweisen auf textlich nahe Parallelstellen in anderen Werken des untersuchten Textkorpus. Abschließend wird für jede in der ersten Spalte zitierte Textstelle in der Rubrik

82*

1 Einleitung

‚Literatur‘ der Anschluß an die Forschung gesucht, die oft auch Überlegungen zum Textstatus und weiteres Vergleichsmaterial bietet (vor allem Lexika wie TPMA, WALTHER oder WANDER). Die Spalte ‚Q u e r v e r w e i s e‘ dient dazu, die thematische Vernetzung der jeweiligen Sentenz oder des jeweiligen Sprichworts innerhalb des Werks aufzuzeigen. Hier wird auf solche Stellen verwiesen, die den in der Textstelle enthaltenen Gedanken aufnehmen oder weiterführen (sentenzhafte oder sprichwörtliche Querverweise innerhalb der Tabelle sind durch Asterisk gekennzeichnet).

83*

Siglen

1.8

Siglen

Siglen der behandelten Werke

Siglen des Vergleichsmaterials

Cr

Heinrich: Diu Crône

Br

Brief

Da

Der Stricker: Daniel

D

Didaktische Literatur

Er

Hartmann: Erec

Dr

Drama

Etr

Eilhart: Tristrant*

E

Erzählende Literatur

Gar

Der Pleier: Garel*

G

Geistliche Literatur

Gau

Konrad: Gauriel*

L

Lyrik

GTr

Gottfried: Tristan*

S

HTr

Heinrich: Tristan*

Sentenz-/Sprichwortsammlung

Iw

Hartmann: Iwein

JT

Albrecht: Jüngerer Titurel*

Lan

Ulrich: Lanzelet

Loh

Lohengrin*

Mel

Der Pleier: Meleranz*

Pz

Wolfram: Parzival*

Tan

Der Pleier: Tandareis*

Tit

Wolfram: Titurel*

TrM

Tristan als Mönch*

Utr

Ulrich: Tristan*

Wigl

Wirnt: Wigalois

Wigm Wigamur*

*Die Tabellen zu diesen Werken befinden sich im zweiten Band des Handbuchs.

2 Artusromane bis 1230

2.1

Hartmann von Aue: ›Erec‹

Der rund 10100 Verse umfassende ›Erec‹ Hartmanns von Aue entstand wohl nach 11801 und gilt als die erste deutschsprachige Erzählung aus dem Stoffkreis um König Artus und seine Tafelrunde. Textliche Vorlage war der Versroman ›Erec et Enide‹, den der nordfranzösische Autor Chrétien de Troyes wahrscheinlich um 1170 geschaffen hatte. I n h a l t : Der Anfang des ›Erec‹ ist nicht erhalten. Im Ambraser Heldenbuch (Hs. A) ersetzt die Erzählung ›Der Mantel‹ das fehlende Textstück. Der ursprüngliche Beginn der Handlung – die Jagd des Königs Artus auf den weißen Hirschen – läßt sich nur in Umrissen aus der Vorlage erschließen. Der ›Erec‹ der Ambraser Handschrift setzt mitten im Geschehen ein: Während Artus den weißen Hirsch jagt, begleitet Erec, ein junger Ritter, Königin Ginover und ihre Hofdamen beim Ausritt. Auf der Heide begegnet die Gruppe einem fremden Ritter, von dessen Zwerg Erec mit Beschimpfungen und Geißelschlägen gedemütigt wird. Erfüllt von Scham, folgt Erec den Fremden, um sich zu rächen (1-159). So gelangt er nach Tulmein, wo der Herzog Imain ein Fest mit ritterlichen Wettkämpfen um einen als Schönheitspreis ausgelobten Sperber gibt. Nachdem er vergeblich eine Herberge gesucht hat, kommt Erec bei Graf Koralus unter, der, obwohl verarmt, den Gast höfisch aufnimmt und ihm für den Kampf auf Tulmein seine Rüstung und seine Tochter Enite überläßt (160-623). Erec besiegt am nächsten Tag Iders, den fremden Ritter, von dem er nun verlangt, sein Fehlverhalten einzugestehen und am Artushof bei Ginover um Gnade zu bitten. Später kehrt auch Erec mit Enite dorthin zurück (624-1497). Nachdem Artus in Karadigan für das Paar eine prachtvolle Hochzeit und ein Turnier ausgerichtet hat, reiten Erec und Enite nach Karnant. Bei der Ankunft überträgt Erecs Vater, der alte König Lac, beiden die Macht über sein Land, doch vernachlässigen sie im Liebesglück ihre Herrscherpflichten. Als Erec hört, daß seine Untertanen ihn verfluchen, bricht er mit Enite vom Hof auf und gebietet ihr zu schweigen (1498-3105).

___________ 1

Ausgehend von der relativen Werkchronologie setzt CORMEAU (2VL, Bd. 3, Sp. 502) die Anfänge der literarischen Produktion Hartmanns und damit auch den ›Erec‹ „um 1180 oder bald danach“ an. Da Veldekes ›Eneit‹ vor dem ›Erec‹ entstanden sein könnte, erwägen MERTENS 1998, S. 50, und BUMKE 2006, S. 8, eine Datierung nach 1185.

4

2.1 Hartmann: Erec

Im Wald lauern ihnen zweimal Räuber auf, die Erec nur besiegt, weil Enite redet und ihn warnt (3106-3474). Als ein Graf sie entführen will, beantwortet sie dessen Drohungen mit einer List und warnt Erec erneut (3475-4276). Auch bei Erecs Zweikampf gegen den Zwerg Guivreiz greift Enite ein und rettet ihren verwundeten Mann durch einen Schrei. Erec und Guivreiz geben einander als Könige zu erkennen und schließen Freundschaft (4277-4629.5). In einem Wald trifft der von Anstrengung gezeichnete Erec auf Keiin, der sich für einen Spazierritt Gaweins Pferd geborgt hat. Keiin meint, Erec leicht besiegen und ins Lager von Artus bringen zu können, sieht sich aber getäuscht. Wenig später versteht Gawein alles so zu arrangieren, daß Erec und Enite gegen ihren Willen doch für kurze Zeit am Artushof einkehren (4629.6-5287). Als Erec den Ritter Cadoc aus der Gewalt zweier Riesen befreit, bricht seine Wunde auf, und er sinkt scheinbar tot zu Boden. Im Wald trifft Graf Oringles auf die klagende Enite, die sich aufgewühlt vom Schmerz das Leben nehmen will (5288-6114). Oringles führt sie auf seine Burg Limors und zwingt sie, ihn zu heiraten. Enite aber verweigert ihm jede Gemeinschaft, bis der Graf die Beherrschung verliert und sie schlägt. Ihr lautes Klagen und Schreien läßt Erec erwachen. Er tötet Oringles und kann mit Enite von Limors fliehen (6115-6701). Unterwegs beendet Erec sein befremdliches Verhalten gegenüber Enite, erkennt sie nun als vollkommene Ehefrau an und bittet sie um Verzeihung (6702-6813). Durch einen Irrtum kommt es erneut zum Kampf mit Guivreiz, in dem Erec unterliegt und noch einmal von Enite gerettet wird. Doch klärt sich alles auf, auch weil Guivreiz und Erec den Kampf bedauern (6814-7788). Bei ihrer Rückkehr zum Artushof gelangen Erec, Enite und Guivreiz zufällig auf den Weg nach Brandigan. Obwohl Guivreiz vor den Gefahren der Burg warnt, setzt Erec unbeirrt den Weg fort. In einem paradiesischen Baumgarten trifft er auf Mabonagrin, den grausamen Hüter des Gartens. Bevor sie gegeneinander kämpfen, fordern sich beide Gegner mit Spott- und Drohreden heraus. Durch seinen Sieg kann Erec die Joie de la curt (Freude des Hofes) wiederherstellen und 80 edle Damen an den Artushof zurückführen (7789-9970). In Karnant wird er mit großem Aufwand empfangen und feierlich gekrönt (9971-10135).2

___________ 2

Zur Analyse der Handlungs- und Erzählstruktur vgl. KUHN 1948, S. 122-147, sowie die Diskussion bei BUMKE 2006, S. 73-77.

Einführung

5

Fünf Textzeugen. Einzige fast vollständige Handschrift: A: Wien, ÖNB, Cod. Ser. nov. 2663, f. 30rb-50vb (Ambraser Heldenbuch), 1504-1515/16. Fragmente: K: Koblenz, LHA, Best. 701, Nr. 759, 14b, 1. Hälfte 13. Jh.; V: St. Pölten, NÖLA, Hs. 821, vor 1400; W: Wolfenbüttel, HAB, Cod. 19.26.9 Aug. 4°, um 1250; Z: Zwettl, Stiftsbibliothek, Fragm. Z 8-17, 2. Viertel 13. Jh. Zugrunde gelegt wird die in der 7. Auflage von GÄRTNER besorgte Ausgabe LEITZMANNS (Hartmann: Erec).

6

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle 348 man sol dem wirte lân sînen willen, daz ist guot getân.

432 swen dise edeln armen niht wolden erbarmen, der was herter dan ein stein.

643 er hæte harte missesehen, swer ein wîp erkande niuwan bî dem gewande. man sol einem wîbe kiesen bî dem lîbe ob si ze lobe stât unde niht bî der wât.

Kontext

Überlieferung

Koralus weist Erecs Bitte zurück, Enite den Pferdedienst abnehmen zu dürfen.

Paraphrase Der Gast soll dem Gastgeber gehorchen.

Der Erzähler führt Koralus und seine Familie ein.

A 432: Wenn. edel Man soll an der armen*. Armut edler Menschen Anteil neh* Bech (1867) und men. Leitzmann (1937) lesen edelarmen.

Erec lehnt Imains Angebot ab, Enite besser zu kleiden (Sperberkampf).

A 643: misseiehen. A 644: Wer.

Man soll eine Frau nicht nach ihrer Kleidung beurteilen.

7

zu: 348, 432, 643

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Sentenz Verwendung: - (D) bî vrömdes wirtes brôte / hüet dîner rede genôte; / merke waz der wirt tuo / und swîc du alle zît dar zuo. / sô der wirt iht vrâge dich, / sô antwurt im unde sprich Der deutsche Cato, 123-128. - (S) Quod iubet hospes, agas, si non vis tollere plagas! Werner: Sprichwörter, q 205 (Hs. 15. Jh.). Literatur: Hofmann 1939, S. 58 [führt dieseTextstelle an]. Mieder 2001, S. 58: „Sprichwort“. Walther, Nr. 25834. Weise 1910, Nr. 125 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf eine Sentenz

3757-3765; 53275334.

Formulierungstradition: - (S) Swâ rîcher man gewaltic sî, / dâ sol doch gnâde wesen bî. / Man sol sich gerne erbarmen / über die edeln armen Freidank, 40, 13-16. - (E) du solt dich alle zîte / von herzen lân erbarmen / den frumen edelarmen, / der dîner helfe ruoche Konrad von Würzburg: Partonopier und Meliur, 2886-2889. Verwendung: - (S) Qui non compatitur miseris, quid habet pietatis? Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 457. - (D) Ob ich mir herren welen solde, / wizzet daz ich den nemen wolde / der got vürhte unde êre. / [...] / wizzet daz er von rehte sol / barmunge über die armen hân, / ob er got ervürhten kan Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 12411-12428. - (E) Armuot. / [...] Man sol den armen ellenden barmherczig syn, wann die zyt komt, daz es vergolten würt Heinrich Steinhöwel: Esopus, S. 352. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Foeneratur Domino qui miseretur pauperis, Et vicissitudinem suam reddet ei Prv 19, 17. Wer sich des Armen erbarmet, der leihet dem HERRN, Der wird jm wider Guts vergelten. Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 63). Œ Lan 6932. Literatur: Bamberg 1945, S. 52: „sentenziöse Aussage“; S. 103: „Sentenz“. Freytag 1978, S. 237: „ans Publikum gewendete moralisatio über die rechte Einstellung zur Armut“. Hartmann: Erec (Scholz), S. 643. Mieder 2001, S. 58: „Sprichwort“. TPMA I s.v. ADEL 3.1.2. Armer Adel verdient Verehrung und Erbarmen [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 16897. Hübner 2003, S. 43f. Jackson 1988, S. 289-299. Pérennec 1984, S. 112-115. Schönbach 1894, S. 206.

Sentenz Verwendung: - (Br) Quemadmodum stultus est qui equum empturus non ipsum inspicit sed stratum eius ac frenos, sic stultissimus est qui hominem aut ex veste aut ex condicione, quae vestis modo nobis circumdata est, aestimat Seneca: Epistulae morales, 47, 16. - (L) man hât den man als man in siht; / doch sint dâ guoter witze niht, / swer die liute erkennen wil niuwan bî liehter wte: / und trüege ein wolf von zobel ein hût, nâch künne er dannoch tte Namenlos h KLD Nr. 38, 21, 7-10. - (S) Len ne connoist pas les genz aus drapiaus Morawski: Proverbes français, 1481 (Hs. 13./14. Jh.).

1406-1411

8

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

864 sît daz er im entlêch sîn guot, daz galt er als jener tuot der dâ mêre entnemen wil.

980 hetet ir iuwer hôchvart ein lützel baz an mir bewart, sehet, daz wære iu nû guot. nû hât iuch iuwer übermuot hiute hie gevellet und dem schaden gesellet.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt den Schlagabtausch zwischen Erec und Iders (Sperberkampf).

Wer erneut borgen will, zahlt bereitwillig zurück.

Erec erklärt dem A 985: dem] den. am Boden liegenden Iders, warum er den Kampf nicht gewinnen konnte (Sperberkampf).

Hochmut führt zum Fall / Hochmut führt zu Schaden.

9

zu: 864, 980

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Bamberg 1945, S. 53: „ausgebaute Sentenz“; S. 66: „Sentenzkomplex“; S. 103: „Sentenz“. Kraß 2006, S. 170: „moralische Sentenz“. Kuttner 1978, S. 242f. [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 58: „Sprichwort“. TPMA VII s.v. KLEID 2.1. Kleider lassen den Menschen nicht erkennen. 2.1.2. Speziell [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 17387. Weise 1910, Nr. 152 [führt diese Textstelle an]. Brüggen 1989, S. 149. Bumke 2006, S. 90f. Hartmann: Erec (Scholz), S. 650-652.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) Est quater undenis hec larua tibi insita lustris, / Nec tu credis adhuc hanc senuisse satis? / Exue! fructus erit duplex tibi: debita soluis, / Et noua succrescens dat tibi cappa decus. / Et quam ferre diu potuit, scis leniter illum / Supportasse; sue nunc eget ipse rei. / Credita qui reddit, rursus debere meretur; / Redde nec excusa nec tibi quere moram! Nivardus von Gent: Ysengrimus, VI, 435-442. - (E) diu minne m)s engelten / daz sie uf valsh kan borgen. / swa diu heimliche ist verborgen, / diu minne des engiltet. / der borg mit g(te giltet, / der mag borgen deste baz Ulrich von Türheim: Rennewart, 32338-32343. Verwendung: - (S) Qui bien paie bien li doit len croire Morawski: Proverbes français, 1846 (Hs. 13. Jh.). - (D) ich meine die pfenninge dur die want. / Der vater brâhte si zehant / enem hein, der im si lêch, / wan er im selten iht verzêch, / das er eht iendert moht getuon. / swer gerne giltet, der gewinnet sîn ruon / und nuz, als ich )ch bescheiden wil: / man borgt im wênig oder vil, / das im dike nüze wirt. / swer ungern giltet, das birt / einem ieklichen ungunst Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 17379-17389. - (S) die wel betaelt mach weder borghen / Huic creditor prestat creditum qui soluere curat Proverbia Communia, 248. Œ Iw 7147; 7155. Literatur: TPMA XIII s.v. ZAHLEN 1.3. Wer gut zahlt, kann wieder borgen und Schulden machen. Walther, Nr. 3691; Nr. 11246. Wander I s.v. Bezahlen, Nr. 22. Hartmann: Erec (Scholz), S. 658f. Haupt 1871, S. 338-343. Huby 1983, Anm. 61. Okken 1993, S. 35f. Ruberg 1970, S. 484-486.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart geben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 62-66. Verwendung: - (S) Omnis superbia tanto in imo iacet, quanto in alto se erigit; tantoque profundius labitur, quanto excelsius eleuatur. Qui enim per propriam superbiam adtollitur, per Dei iustitiam inclinatur Isidor: Sententiae, II, 38, 3 (S. 168). - (G) Non ueniat mihi pes superbie. Fuôz déro úbermûoti nechóme mir . uuanda ih an démo gestân ne-mág. V̗ bermuôti ist also eînfuôzîu . uuanda si iêo sâr fallet . unde lango stân ne-mag Notker III von St. Gallen: Psalter I, 117, 16-18.

763f; *1229; 2576-2583.

10

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

1229 ez ist eht als man dâ seit, daz unrehter hôchmuot dem manne lîhte schaden tuot. des hân ich mich enstanden nâch grôzen mînen schanden und bin es an ein ende komen

Kontext

Iders gesteht am Artushof sein Fehlverhalten ein.

Überlieferung

Paraphrase

Hochmut führt zu Schaden.

11

zu: 1229

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (E) der chunich imz harte revorhte, / er machete sich parvuoz unt wullîn,/ vil tiure flêget er mînen trehtîn./ daz cruce er zuo im vie,/ vil frôlîche er durch die porte gie. / er truog ez ze Jerusalêm in daz templum. / daz ist uns armen gesaget ad exemplum: / von diu suln wir unseren hêrren / vurhten unde flêgen / mit zuhten unt mit guote,/ mit grôzer deumuote./ ubermuot ist sô getân: / diu gescendet ie den man./ Herâclîus rihte rômisc rîche vur wâr / zwai unde drîzech jâr./ unt dar uber sehzehen tage Kaiserchronik, 11333-11348. - (E) dinis overtruwen scaden. / ich ne mochtis dir zende nie gesagin. / du versmades harde got, / der uns ze levene gebot / unde volgedis deme vertrivenin / die legede dich dar nidere. / unbe diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin geswimmin noch gewadin! / Von du mach du wol verstan / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde overmut, / dar von der tuevel gewan, / daz ime nimer zeran / ochis noch achis, / noch allis ungemachis / des hat he immer genuch / unde giver is och dir, of du na ime dust! König Rother, 4549-4568. - (D) dô was der wîs man worden tôr, / dô wart der keiser ze kneht: / er het dô niht keisers reht. / dô wart der heilige ein diep: / im was daz spil niht ze liep. / dâ viel dô diu übermuot / under, als si dicke tuot. / Wir sîn des wol zende komen / und habenz gesehen und vernomem / daz unmâze und hôhvart / die müezen dicke vallen hart. / swer hôhe vert zaller zît, / wizzet daz er nider lît. / swenn ein man sînen muot / ie hôher hebt an übermuot, / so er ie verrer ist von got / nidere durch sîn gebot Thomasin von Zerklære: Der welsche Gast, 10626-1042. - (S) Hoffart thet nie keyn gut. Hoffart und ubermut ist alle zeit von anbegyn der welt hochlich gestraffet worden/ also daß/ was sich auß eynem ubermut uber ander leutte erhebet/ das muß herunder/ es geschehe uber kurtze oder uber lang. Hoffart stieß die edelste creatur/ den Engel Lucifer auß dem hymel. Adam unnd Eva auß dem Paradeiß/ die Juden auß iren knigreichen und herschafften/ Die Rmer von lande und leutten. [...] Freydanck sagt/ Wer fliegen will der flige also/ Weder zu nider noch zu hoh/ Daß yhm zuletzt nit geschehe alsus/ Als Phaeton und Icarus/ Von hoffart ward der erste fal/ Der ye von hymel fiel zuthal Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 50 (S. 41, Z. 6-25). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Contritionem praecedit superbia, / Et ante ruinam exaltatur spiritus Prv 16, 18. - Wer zu grund gehen sol, Der wird zuuor Stoltz, hoffertig und stoltzer mut, kompt fur dem fall Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 53). Œ Lan 7395 Œ Wigl 2672; 7960; 10087 Œ Cr 3819; 22353 Œ Gar 2756; 6357; 7007 Œ Tan 6730 Œ Mel 6566; 8014 Œ Wigm 5980 Œ Gau 1314 Œ Pz 472,17; 473,4 Œ JT 1923,2 Œ GTr 7080; 7227. Literatur: Friedrich s.v. hôchmuot, S. 224. Hartmann: Erec (Mertens), S. 636: „Der Erzähler paraphrasiert das Sprichwort‚ Hochmut kommt vor dem Fall“. Mieder 2001, S. 59: „Sprichwort“. Reuvekamp 2007, S. 124-139. Schulze, Nr. 70, S. 56-58. TPMA VI s.v. HOCHMUT 5.1.2. Hochmut fällt (bringt zu Fall); 5.5. Hochmut ist nichts Gutes, sondern schadet nur. Walther, Nr. 2773; Nr. 8603. Wander II s.v. Hochmuth, Nr. 16; Nr. 21; IV s.v. Uebermuth, Nr. 5; Nr. 10. Hartmann: Erec (Scholz), S. 662f. Hrubý 1977, S. 204. Okken 1993, S. 39f.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart geben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 62-66. Verwendung: - (S) Cito ignominia fit superbi gloria Publilius Syrus: Sprüche, c 10. - (E) dinis overtruwen scaden. / ich ne mochtis dir zende nie gesagin. / du versmades harde got, / der uns ze levene gebot / unde volgedis deme vertrivenin / die legede dich dar nidere. / unbe

*980.

12

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

2527 wer bejagete noch ie mit slâfe dehein êre?

Kontext

Überlieferung

Ein wortgewandter A 2527: beiagt. Knappe tadelt die schlafenden Artusritter, weil sie den Beginn des Hochzeitsturniers versäumt haben.

Paraphrase

Im Schlaf erwirbt niemand Ansehen.

zu: 2527

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

13

Querverweise

diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin geswimmin noch gewadin! / Von du mach du wol verstan / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde overmut, / dar von der tuevel gewan, / daz ime nimer zeran / ochis noch achis, / noch allis ungemachis / des hat he immer genuch / unde giver is och dir, of du na ime dust! König Rother, 4549-4568. - (D) dô was der wîs man worden tôr, / dô wart der keiser ze kneht: / er het dô niht keisers reht. / dô wart der heilige ein diep: / im was daz spil niht ze liep. / dâ viel dô diu übermuot / under, als si dicke tuot. / Wir sîn des wol zende komen / und habenz gesehen und vernomem / daz unmâze und hôhvart / die müezen dicke vallen hart. / swer hôhe vert zaller zît, / wizzet daz er nider lît. / swenn ein man sînen muot / ie hôher hebt an übermuot, / so er ie verrer ist von got / nidere durch sîn gebot Thomasin von Zerklære: Der welsche Gast, 10626-1042. - (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. Œ Lan 7395 Œ Wigl 2672; 7960; 10087 Œ Cr 3819; 22353 Œ Gar 2756; 6357; 7007 Œ Tan 6730 Œ Mel 6566; 8014 Œ Wigm 5980 Œ Gau 1314 Œ Pz 472,17; 473,4 Œ JT 1923,2 Œ GTr 7080; 7227. Literatur: Bamberg 1945, S. 54: „Sentenz“. Friedrich s.v. hôchmut, S. 224: „Sprichwort“. Hartmann: Erec (Scholz), S. 668: „Sentenz“. Kuttner 1978, S. 43f. [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 59: „Sprichwort“. Reuvekamp 2007, S. 124-139. TPMA VI s.v. HOCHMUT 5.5. Hochmut ist nichts Gutes, sondern schadet nur [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Hochmuth, Nr. 21 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 87 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. HOCHMUTH, S. 70 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Verwendung: - (S) Mit senfte nieman êre hât, / als nû diu werlt stât. / Nieman hât ân arebeit / wîstuom, êr, grôz rîcheit. / Der fûle gert niht mêre / wan senfte leben ân êre Freidank, 92, 5-10. - (L) Ie grôzer sin, ie merre nôt; / mit senfte nieman êre hât. / riuwe ist aller sünden tôt; / vil liep mit leide gar zegât Namenlos h KLD Nr. 38, 24, 1-4. - (E) Der turney was zesamen gar / chomen, ietweder zwo schar / waren und deheine mer. /die minnegernden muotes her / taten ez des tages so, / da von ir lop muoz stigen ho, / ir lip erwarp da werdecheit / deswar mit grozer arbeit. // Nu habt ez uf die triwe min: / swelhes mannes lip wil müezic sin, / daz der eren niht bejagt; / iu si für war gesagt, / daz hohez lop und müezic leben / got hat zesamen niemen geben, / swer hohez lop erwerben wil, / der muoz unmuoze haben vil Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1068, 1 - 1069, 8. - (E) Do sprach der kunig herre / „Sanfftes leben und ere / Mugen nicht pey ain ander wesen. / Das hör ich in den pücheren lesen: / Wer nach eren streben wil, / Der muß understunden vil / Ungevertes leyden. / [...] / Ainen frummen man zimpt wol / Das er turnay suchen soll.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 6199-6212. Œ Iw 7171; 7175 Œ Da 1371 Œ Wigl 2871; 2879; 2880 Œ Cr 4332 Œ GTr 4426; 4430. Literatur: Bamberg 1945, S. 58: „ausgeprägte Sentenz“. Friedrich s.v. slâf, S. 361: „Sprichwort“. Mieder 2001, S. 60: „Sprichwort“. Reuvekamp 2007, S. 84f. TPMA IX s.v. RUHE 4.3. Wer ruht, kann keine Ehre erlangen. Wander I s.v. Ehre, Nr. 36. Weise 1910, Nr. 236 [führt diese Textstelle an]. Green 1979, S. 327f. Hartmann: Erec (Scholz), S. 720.

2745-2751; 40344039; *4096; *4101.

14

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle 3242 daz ich von wîben hân vernomen, daz ist wâr, des bin ich komen vol an ein ende hie: swaz man in unz her noch ie alsô tiure verbôt, dar nâch wart in alsô nôt daz sis muosten bekorn.

3691 dô tete im untriuwe kunt diu kreftige minne und benam im rehte sinne.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Erec wirft Enite die A 3245: Was. Übertretung des Schweigegebots vor, als er die Räuber besiegt hat.

Frauen reizt es, Verbote zu übertreten.

Der Erzähler erklärt entlastend das Verhalten des Grafen (Erste Grafen-Episode).

Liebe nimmt den Verstand.

15

zu: 3242, 3691

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf eine Sentenz

Querverweise 4125-4128.

Formulierungstradition: - (E) Femina precipue, que prohibentur, avet Albert von Stade: Troilus, 3, 14. Verwendung: - (D) Nonne etenim mulier Eva prima, quae manu quoque fuit formata divina, et inobedientiae vitio deperiit et gloriam immortalitatis amisit suaque culpa cunctos successores suos ad mortis deduxit interitum? Si vis ergo, mulierem facere quidquam, ei praecipiendo contraria obtinebis Andreas Capellanus: De amore, S. 348f. - (E) „ir erkennet niht des wîbes art. / diu unslde ist ir beschert, / swaz man in ernestlîchen wert, / daz sie des aller meist gert, / Ob sies doch nimmer wirt gewert, / alsô br#de ist ir der lîp. / gedenket an daz êrste wîp, / von der ist in disiu nôt beliben. / durch ir gelust wart sie vertriben / ûz dem sch#nen paradîse“ Otte: Eraclius, 4176-4185. - (S) Fame veult touz jours faire ce que len luy vee Morawski: Proverbes français, 742 (Hs. 15. Jh.). Œ GTr 17928. Literatur: Bamberg 1945, S. 60: „Sentenz“. Mieder 2001, S. 61: „Sprichwort“. TPMA III s.v. FRAU 1.6.4. Die Frau trachtet nach dem, was ihr verboten ist [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Frau, Nr. 738. Weise 1910, Nr. 132 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WEIB, S. 167 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Erec (Scholz), S. 767. Pérennec 1984, S. 94.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Herzelieber mære / der wart ich vil dicke / von der minneclîchen frouwen mîn. / ich wær âne swære / wan daz ich erschricke: / dur die lieben trage ich senden pîn. / daz ist endelîche wâr: / liebe nimt die sinne, / liebe machet missevar. / wizzet daz ich brinne / in der liebe alse ein gluot Schenk von Limburg KLD Nr. 34, 1, 2, 1-11. - (E) Belobent daz wibes minne / Manegem nimpt die sinne / Als och ainem fuchz beschach / Der sin selbs schatten sach / In ainem sod do nachen. / Er begund dar gachen / Daz jn der sinn entwande / sin wip er sechen wande / Dur jr lieb sprang er dar Fuchs und Wolf, 1-9. Verwendung: - (E) sie jehent, die des hânt bekort, / ez beneme diu minne / vil wîsem man die sinne, / daz er niht wol mac bewarn, / ern müeze dicke missevarn / und sich der êren sô bewiget, / daz er enruochet wâ sîn lop geliget. / des ist diu minne vil gemeit: / sie kan ouch.(deist diu wârheit) / den tumben wol gelêren / sprechen unde tuon nâch êren Otte: Eraclius, 2550-2560. - (E) Mörlin zw einer zeite / kam aus Norchumerlannd. / der künig vil ser sichs frewte. / er tet im seinen kumer gross pekanndt, / wie er pelesstet wär mit starcker mynne / gen der fürstin von Tyntayol, / die im penem mit all nach witz und synne Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 904, 1-7. Œ Iw 1335 Œ Lan 4330; 6538 Œ Da 1586 Œ Wigl 4156; 9658 Œ Cr 8433; 8826 Œ Tan 4175 Œ Mel 1825 Œ GTr 12017.

2924-2931; 77097711.

16

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

3694 wan an der minne stricke vâhet man vil dicke einen alsô kargen man den niemen sus gewinnen kan.

4096 swer sîne sache wendet gar ze gemache, als ich hînaht hân getân, dem sol êre abe gân unde schande sîn bereit.

4101 wer gewan ie vrumen âne arbeit? mir ist geschehen vil rehte.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler erklärt entlastend das Verhalten des Grafen (Erste Grafen-Episode).

Paraphrase

Die Minne bezwingt selbst den klügsten Mann.

Der Graf gibt sich die Schuld an der Flucht Erecs und Enites (Erste Grafen-Episode).

A 4096: Wer.

Bequemlichkeit führt zum Verlust des Ansehens.

Der Graf gibt sich die Schuld an der Flucht Erecs und Enites (Erste Grafen-Episode).

A 4101: âne] vnd.

Ohne Mühe hat niemand Erfolg.

zu: 3694, 4096, 4101

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

17

Querverweise

Literatur: Bamberg 1945, S. 23; S. 67; S. 95; S. 101: „Sentenz“. Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.2. Liebe nimmt (und verkehrt) Weisheit und Verstand, Vernunft und Sinne. Walther, Nr. 4024. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31. Hartmann: Erec (Scholz), S. 778f. Schnell 1985, S. 398f.

Sentenz

1858; 3706-3709; 3718f; 6340.

Œ Lan 4851 Œ Wigl 7782 Œ Cr 8106; 8334 Œ Tan 829 Œ Mel 1378. Literatur: Mieder 2001, S. 62 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 170 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Erec (Scholz), S. 780.

Sentenz Verwendung: - (D) Sun, wil dir lieben guot gemach, / sô muostû êren dich bewegen: / an jungen man ich nie gesach / diu zwei gelîcher wâge wegen. / waz touc ein junger lîp verlegen, / der ungemach niht lîden kan / noch sinneclîch nâch êren stegen? / ez ist mir âne zwîvel kunt, / ez loufet selten wîsiu mûs / slâfender vohen in den munt Winsbecke, 42, 1-10. - (E) Der turney was zesamen gar / chomen, ietweder zwo schar / waren und deheine mer. /die minnegernden muotes her / taten ez des tages so, / da von ir lop muoz stigen ho, / ir lip erwarp da werdecheit / deswar mit grozer arbeit. // Nu habt ez uf die triwe min: / swelhes mannes lip wil müezic sin, / daz der eren niht bejagt; / iu si für war gesagt, / daz hohez lop und müezic leben / got hat zesamen niemen geben, / swer hohez lop erwerben wil, / der muoz unmuoze haben vil Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1068, 1 - 1069, 8. - (E) der knabe neic im unde sprach / „êre enfüeget niht gemach, / unsenfte hât nâch êren strît. / her künec, habt ir gezürnet sît, / dêst mir leit. ich enmohte hie / belîben niht, dô daz ergie / daz si alle riten dâ hin: / dar nâch stuont ouch mir der sin […]“ Biterolf und Dietleib, 3909-3916. Œ Iw 7171; 7175 Œ Da 1371 Œ Wigl 2871; 2879; 2880 Œ Cr 4332 Œ GTr 4426; 4430. Literatur: Bamberg 1945, S. 59; S. 65; S. 67; S. 90: „Sentenz“. Hartmann: Erec (Scholz), S. 787: „Sentenz“.Mieder 2001, S. 62: „Sprichwort“. TPMA IX s.v. RUHE 4.3. Wer ruht, kann keine Ehre erlangen [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Müßiggang, Nr. 44. Weise 1910, Nr. 237 [führt diese Textstelle an]. Green 1979, S. 327.

Sentenz Verwendung: - (S) Mit senfte nieman êre hât, / als nû diu werlt stât. / Nieman hât ân arebeit / wîstuom, êr, grôz rîcheit. / Der fûle gert niht mêre / wan senfte leben ân êre Freidank, 92, 5-10. - (E) grôz êre kumet selten / ân erbeit; sicher, daz ist wâr Boner: Edelstein, 64, 40f. Œ Iw 7171; 7175 Œ Da 1371 Œ Wigl 2871; 2879; 2880 Œ Cr 4332 Œ GTr 4426; 4430.

*2527; 27452751; *4096.

18

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

4226 die andern wâren alle zagen: die vluhen âne nâch jagen.

4559 wâ wart ie triuwe merre dan vriunt sînem vriunde sol, die beide ein ander getrûwent wol?

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler verur- A 4227: nâch fehlt. teilt die Flucht der Ritter des Grafen vor dem Kampf gegen Erec (Erste Grafen-Episode).

Guivreiz bietet Erec nach dem ersten Zweikampf seine Freundschaft an und fordert ihn auf, ihn auf seine Burg zu begleiten.

A 4560: Dann freundt bey freunde sol. W 4561: getriwen ander.

Paraphrase

Es ist ein Zeichen von Feigheit, zu fliehen bevor der Kampf beginnt.

Ein Freund schuldet dem Freund größte Treue.

zu: 4226, 4559

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

19

Querverweise

Literatur: Bamberg 1945, S. 59; S. 65; S. 67; S. 90: „Sentenz“. Friedrich s.v. êre, S. 150. Mieder 2001, S. 62: „Sprichwort“. Reuvekamp 2007, S. 84f. TPMA I s.v. ARBEIT 2.3.1. Ohne Mühe und Arbeit hat man kaum (wenig) Nutzen und Gewinn [führt diese Textstelle an]; II s.v. EHRE 5.4. Mühe und Arbeit. Wander I s.v. Gewinn, Nr. 59. Weise 1910, Nr. 237 [führt diese Textstelle an]. Green 1979, S. 327.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) er ist ein bl#der jungelinc / und ein herzelôser zage, / swer fliuhet, ê daz man in jage / und ê man im iht leides tuo: / jô wirde ich dennoch alze fruo / gefl#het und verborgen, / swenn ich beginne sorgen / umb den lîp und umb daz leben Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 14492-14499. Verwendung: - (E) Et ille: „Vecordis et timidi animi est, qui ante bellum fugam inierit aut qui priusquam necessitas exegerit se aduersario submiserit. Si autem meorum armorum adeo teneris cupidus, eorum obtestor uirtutem, te ipsa duris comparaturum colaphis“ Ortus Waluuanii, S. 86f. - (E) und sol ich leben, ich t)n iuch b)z / iwers k(nclichen namen. / iwer wirde m)z sich shamen, / daz ir so gar sit verzaget; / der vliuht e man in jaget, / des herze ist gar ane ellen Ulrich von Türheim: Rennewart, 8270-8275. - (G) Etwenne kemphet der bet#rte mensch in im selben wider etwen, mit gedanken, mit zorne, als ob man in hin wider anvehte, und erwirfet ime selben einen strît âne nôt von sîner ungedult und vliuhet dâ im nieman nâch jaget, als er sînen schaten anvihtet David von Augsburg, S. 312, Z. 35 - S. 313, Z. 1. - (E) swer fliuhet ê daz man in jaget, / entriuwen, der ist niht ein man. / ob ez mich iht gehelfen kan, / ich wil mîn lougen bieten / und wil mich rede nieten / daz wir beide unschuldic sîn Konrad von Würzburg: Engelhard, 3434-3439. - (E) ez wirt an dînem râte schîn, / daz du ze schuole bist gesîn / unde in strîte lützel kanst, / sît daz du werde ritter manst, / daz sie vliehen sam die zagen, / ê daz man si beginne jagen, / und daz si mit unêren / hin strîchen unde kêren / ûf die snellen widervart Konrad von Würzburg: Partonopier und Meliur, 19635-19643. Vgl. den biblischen Gedanken: - Fugit impius, nemine persequente Prv 28, 1. - DEr Gottlose fleucht, vnd niemand jaget jn Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 91). Œ Cr 17 Œ Pz 340,7. Literatur: Bech 1867, S. 140: „sprichwörtliche Redensart“. Friedrich s.v. vliehen, S. 432. Mieder 2001, S. 62: „Sprichwort“. TPMA III s.v. FLIEHEN 6.3. Fliehen, ohne gejagt zu werden (, ist ein Zeichen von Feigheit). Wander I s.v. Fliehen, Nr. 32.

Sentenz Verwendung: - (L) Swâ ein vriunt dem andern vriunde bî gestât / mit ganzen trûwen gar ân alle missetât, / dâ ist des vriundes helfe guot Spervogel MF 24, 9-11 (MFMT VI, 2, 1, 1-3). Œ GTr 1791.

4872-4879; 62136215; 6848f.; 9823-9825.

20

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

4801 nû enmac doch daz nieman bewarn daz im geschehen sol.

5052 swer hin ze hove kumt dâ ez im sô lützel vrumt als ez mir nû hie tuot, dem wre dâ heime alsô guot. swer ze hove wesen sol, dem gezimet vreude wol und daz er im sîn reht tuo: dâ enkan ich nû niht zuo 5452 rehter affe, nû sich, dû unwirdest dich daz dû vrâgest alsô vil daz dir niemen sagen wil.

Kontext

Keiin erklärt seine Niederlage gegen Erec mit der Macht des Schicksals und bittet diesen, ihm das Pferd zurückzugeben, das Gawein ihm geliehen hatte.

Überlieferung

Paraphrase

A 4801: Nu mag Niemand kann doch des nyemands abwenden, was ihm bewarn. vorherbestimmt ist. W 4801-4802: Nieman kan daz wol bewarn swaz dem [?] sol.

Erec begründet, A 5056: Wer. warum er sich weigert, von Gawein an den Artushof gebracht zu werden.

Bei Hofe soll man sich angemessen verhalten.

Einer der Riesen, die Cadoc gefangen halten, beschimpft Erec, weil er sich einmischt.

Wer zu viel fragt, verliert sein Ansehen.

zu: 4801, 5052, 5452

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

21

Querverweise

Literatur: Bamberg 1945, S. 67: „Sentenz“. Mieder 2001, S. 63: „sprichwörtlich“. Okken 1993, S. 122f. TPMA IV s.v. FREUND 3.4.2. Wahre Freundschaft ist nicht ohne Treue denkbar. Wander I s.v. Freund, Nr. 173. Weise 1910, Nr. 115 [führt diese Textstelle an]. Haferland 1989, S. 131.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) Nû swîget stille und lât ez varn, / ez enkan nie man bewarn, / Daz dem manne geschehen sol Rüdeger von Munre: Studentenabenteuer B, 1019-1102. Verwendung: - (E) Swaz sich sol gefüegen, wer möhte daz understên? Nibelungenlied, 1677, 1 (1680, 1). - (S) Rem grave mutari, quamcumque necesse parari Werner: Sprichwörter, r 43 (Hs. 15. Jh.). Vgl. das Sprichwort: - (S) Swaz geschehen sol, daz geschiht Freidank, 132, 6. Œ Iw 6566 Œ Lan 6953; 6440 ŒDa 230 Œ Wigl 2295; 6839 ŒCr 7214; 7528; 11037; 19314 Œ Gar 156 Œ Tan 1584 Œ GTr 6772. Literatur: Bamberg 1945, S. 68: „Sentenz“; S. 74; „Schicksalssentenz“; S. 118: „Sentenz“. Friedrich s.v. geschëhen, S. 163. Mieder 2001, S. 63: „Sprichwort“. TPMA IV s.v. GESCHEHEN 4.2. Was geschehen muß, kann man nicht verhindern [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 26553. Wander I s.v. Geschehen, Nr. 53. Weise 1910, Nr. 223 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

2974-2983; 29892995; 3635-3641; 5063-5065; 80028006; 9591-9595; 9759f.

Literatur: Bamberg 1945, S. 72: „Sentenz“. Kuttner 1978, S. 42f. [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 63: „Sprichwort“. Weise 1910, Nr. 30 [führt diese Textstelle an]. Feistner 1999, S. 246. Hartmann: Erec (Mertens), S. 665. Hartmann: Erec (Scholz), S. 809. Schmid 1999, S. 77. Young 1998, S. 9.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (S) vele vraghens onweert sere. / Sepe fit ingratus qui quesitare paratus Proverbia Communia, 734. - (S) Vil fragens ist vnwerdt Franck: Sprichwörter, II, 105v (S. 473, Z. 37). - (S) Wer z)vil fragt / wirdt unwerdt. Masse ist z)allen dingen g)t/ darumb wer es über macht/ macht die leütte überdruß unnd unlustig/ unnd sonderlich/ wenns nicht z) rechter zeit geschicht Agricola: Sprichwörtersammlungen, II, 16 (S. 43, Z. 6-10). Verwendung: - (S) Swer alliu dinc befrâgen wil, / der hât wîsheit niht ze vil Freidank, 79, 1f.

88-91; 7110.

22

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

5770 dâ von müeze er unsælic sîn, des wünschet im der wille mîn, swer den wîben leide tuot, wan ezn ist manlîch noch guot.

5803 mahtû des, herre, bilde geben daz dir aller herzen grunt ist gesihteclîchen kunt, wan dir mac niht verborgen sîn, daz tuo durch dîne erbermde schîn.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler A 5772: Wer. nimmt Enites Leid zum Anlaß, gewalttätiges Verhalten gegenüber Frauen zu verurteilen (Enites Klage).

Es ist schändlich, gewälttätig gegen Frauen zu sein.

Enite fordert Gott A 5805: sitlichen. auf, sie zu töten, da sie ohne Erec nicht weiterleben will (Enites Klage).

Gott bleibt nichts verborgen.

zu: 5770, 5803

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

23

Querverweise

Literatur: TPMA III s.v. FRAGEN 3.3. Zuviel fragen ist töricht und schädlich. Walther, Nr. 27119. Wander I s.v. Fragen, Nr. 72.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) „[…] swenn ez kumet an daz zil / daz ir mich hânt erslagen / daz mac man wol mit êren sagen, / und bin schiere wol verclaget; / erslüegent aber ir die maget, / daz wr ein unbilde / und wr ze mren wilde. / joch ist ez niht eins mannes muot, / swer schœnen wîben leide tuot.“ Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur, 7098-7106. - (E) „Ich wil“ sprach der Bernre / „den grozen jamer schowen, / den Ermrich an den vrowen / hat begangen und getan. / Owe, er ungetriwer man, / er ist nie von vrowen chomen! / Ich han daz ofte wol vernomen, / im gevolget nimmer sælde noch g)t, / swer an wiben misset)t.“ Dietrichs Flucht, 8393-8401. Verwendung: - (E) den künic dûhte der gewin / an der frowen daz beste; / swie sî doch muotveste / an riuwende wre / von herzeclîcher swre, / der sî hâte ze vil. / ir gelimpf und ir spil / hiez sî trûren unde weinen; / sî hâte trôst dekeinen, / dâ sî vergze ir leides mite. / daz ist noch guoter frouwen site: / swenn in getuot grôz herzeleit / ein man durch sîne törperheit, / so enblandent siez den ougen / offenbâr und tougen, / si enmügen sich sus gerechen. / dâ von sô wil ich sprechen / „daz in got hie schende, / swer frouwen fröude wende / swer aber daz gemache / daz ein frouwe lache, / dem müeze ir minne werden teil!“ / daz ist ze der werlde daz beste heil Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur, 444-466. - (S) Eyn man hatt des kleyne ehre/ wenn er ein weib schlecht. Eyn man soll nicht mit weibern zancken/ und im fall/ daß eyn weib sich wider ein man legt/ so solt ir der man/ als eyn vernünfftiger weichen/ unnd wenn yhr zorn uber ist/ sie mit wortten darumb straffen/ sonst wo er sich entrüsten lest/ und schlecht mit feüsten drein/ so schlecht er sein schande/ daß er sein manheyt nit baß bewisen kan/ denn an eym armen weib Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 413 (S. 336, Z. 9-17). Œ Lan 7380. Literatur: Friedrich s.v. wîp, S. 468. TPMA III s.v. FRAU 4.2.4. Man schlage und verletze die Frau nicht. Weise 1910, Nr. 71 [führt diese Textstelle an]. Fisher 2001, S. 90. Hartmann: Erec (Mertens), S. 670. Hartmann: Erec (Scholz), S. 835f. Schirok 1999, S. 199.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Gote ist niht verborgen vor, / er siht durch aller herzen tor Freidank, 2, 6f. Verwendung: - (E) Nieman mac der liute sin / Rehte wissent wider in / Wan eht got dem ist kvnt / Aller herzin sinne grunt Hugo von Langenstein: Martina, 202,103-106. Œ Wigl 1334; 1338. Literatur: Bamberg 1945, S. 77: „sentenzhafte Form“. Mieder 2001, S. 64f.: „Sprichwort“. TPMA V s.v. GOTT 11.1. Gott ist nichts verborgen (Gott sieht in alle Herzen, weiß alles) [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gott, Nr. 377; Nr. 792.

54-57; 77f.; 38483855; 6520-6523.

24

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle 5822 sô wis, herre got, gemant daz aller werlde ist erkant ein wort daz dû gesprochen hâst, und bite dich daz dûz stæte lâst, daz ein man und sîn wîp suln wesen ein lîp, und ensunder uns niht

6004 daz ich dicke hân vernomen, des bin ich an ein ende komen: swaz man dem unsæligen tuot, sîn gelücke wirt doch nimmer guot.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Enite begründet ihren Wunsch, Erec in den Tod zu folgen (Enites Klage).

Mann und Frau gehören zusammen.

Enite erklärt Erecs A 6006: Was. vermeintlichen Tod mit dem auf ihr lastenden Unglück (Enites Klage).

Wem ein Unglück bestimmt ist, dem kann niemand helfen.

25

zu: 5822, 6004

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Sprichwort Formulierungstradition: - (G) wan man und wîp ist ein lîp Berthold von Regensburg, II, S. 195, Z. 7f. Verwendung: - (D) Nieman ist sô hêre / sô daz reht zwâre, / wande sich got selbe vermaz, / dô er in sînem wîstuome saz, / dâ er selbe saz unde lêrte, / die christenheit bechêrte: / swâ zwêne zesamene giengen / unde an daz reht viengen, / daz er der dritte wolde sîn / daz ist ein michil guotin, / samt in sitzen unde stân / unde daz reht begân. / von diu sol der man unde daz wîp / sîn als ein lîp. / wande die diche samet stânt / unde sizzent unde gânt, / zwei samet enbette gânt, / zwei an dem rehte gestânt, / got mage vil wol sîn / undir ir beidir dechin / der dritte geselle Vom Rechte, 345-365. - (E) er sol vil gewîslîche bestân, / êlîch hîrât, / als in got geboten hât, / daz baide man unde wîp / sîn als ain lîp, / âne sunde kinden, / got vurhten unde minnen: / sô ist der hîrât stâtic, / êwic unde hailic Kaiserchronik, 9533-9541. - (E) hie velschet sich daz alte wort, / daz wart missemeilic dort, / daz ein man und sîn wîp / solden haben einen lîp Reinbot von Durne: Georg, 4611-4614. - (E) Es ist ain altes sprichwort; / das haun ich vil oft gehort: / ain man und auch sein eweib / zwuo sel und ainen leib / süllen mit ainander haun. / was ir ainem wirt getaun, / es seie guot oder pein, / das sol in baiden gschehen sein Kaufringer, 8 (Die Suche nach dem glücklichen Ehepaar), 1-8. Vgl. die Rezeption: - (E) Auch biß gemannt, / Wann aller welt ist bekannt / Ain wort das du gesprochen hast, / Das du das war last, / Das ain man und sein wib / Sllent sein ain lib. / Darumb schaid uns nicht: / Wann mir anders geschiht / Von dir unrechter gewalt, / Ob du mir nit tailst din erb rmd manigfalt Friedrich von Schwaben, 6385-6394. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Quam obrem relinquet homo patrem suum et matrem, et adhaerebit uxori suae: et erunt duo in carne una Gn 2, 24. - Darumb, wird ein Man seinen Vater vnd seine Mutter verlassen, vnd an seinem Weibe hangen vnd sie werden sein ein Fleisch. Luther: Deutsche Bibel, VIII (S. 43). Œ Cr 8421 Œ Pz 173,1; 203,4; 740,29 Œ GTr 1801 Œ UTr 354. Literatur: Bamberg 1945, S. 77; „sentenznahes Zitat“. Friedrich s.v. man, S. 286. Hofmann 1939, S. 59 [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 65: „Sprichwort“. TPMA VII s.v. LEIB 4. Mann und Frau (Freunde) sind ein Leib (und zwei Seelen) [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 1, S. 11-13 [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Mann, Nr. 1307. Angenendt 2007, S. 166f. Reuvekamp 2012, S. 54-60. Schmidt-Wiegand, S. 151; S. 225. Scholz 2004, S. 839. Schönbach 1894, S. 206f.

Sentenz Verwendung: - (E) Wes Vnglúck lagt, / Dem músz vngeholffen sin Heinrich: Crône, 26604f. Œ Tan 4101; 10238.

*4801.

26

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

6019 dern möhte von einem troume niht sêrer sîn betrogen

Kontext

Enite gibt sich die Schuld an Erecs Tod (Enites Klage).

Überlieferung

Paraphrase

Auf Träume darf man sich nicht verlassen.

zu: 6019

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Literatur: Bamberg 1945, S. 37; S. 80: „Sentenz“. Hofmann 1939 [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 66 [führt diese Textstelle an]. TPMA XII s.v. UNGLÜCK 4.3. Den Unglücklichen kann man nicht helfen [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Unglück, Nr. 14. Weise 1910, Nr. 238 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Erec (Scholz), S. 844f.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) sus lag er und gedâhte / gar in sorgenlîcher pfliht / „ist ez wâr ald ist ez niht / daz du in tröumen hâst gesehen? / nein, ich h#r die wîsen jehen / daz tröume dicke triegen / und trugenlîche liegen: / sus hânt sî ouch getrogen mich.“ / sô dâht er aber wider sich / „nein, benamen ez ist wâr. / wir hân gelesen offenbâr, / swaz got wîlent meinde, / daz er daz erscheinde / dicke in slâfe tougen, / daz des lîbes ougen / sliefen und des herzen niht./ […]“ Reinfried von Braunschweig, 13418-13433. - (E) Der trmb ist vszdermassen g)t! / Habt, fraw, nun g)ten m)t, / Wann trämb das sein trüg! Hätzlerin: Liederbuch, 2, 4, 125-127. Verwendung: - (G) Wenn aber ein vision, dú dem menschen wirt in dem schlaf, wenn dú mug ald súl heissen ein warsagendú vision, - als in der alten e dem kúnig P f a r a o von siben vaissen rindern und von siben magren tromete, und dez glich vil von trmen, daz dú heilig scrift seit, - wie man hie kunne underschaid der warheit vinden, wan die trme gemeinlich triegent und och ane allen zwivel underwilent war sagent Seuse: Vita, S. 183, Z. 16-22. - (G) De uno martire. Quid prodest homini, si universum mundum etc. Matth xvi [16,26]; Luc xiiii. Dicitur de sompnijs: Man zal nicht an trewme gleuben, zy trigen. Sompnia ne cures, nam fallunt sompnia plures. Et Eccli 34 [34,7]: Multos errare fecerunt sompnia et exciderunt sperantes in eis. Fallacia illorum est multiplex. Nam apparet sompnianti pauperi, quod sit dives et cum evigilaverit, nichil habet. Sic captivo videtur, quod sit liberatus et cum expergefactus fuerit, sedet conpeniatus. Sic ceco videtur, quod bene videat, sed dolet se adhuc cecum esse. Unde rigmus Fre[y]dank: Deme blinden ist mit trewmen wol, scilicet cum apparet in sompno, quod videat wachinde ist her leydis fol, quando videlicet reperit se delusum per sompnium Breslau, UB, I Q 363, 187r, 2. Hälfte 15. Jh. (Proverbia Fridanci, 423). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Multos enim errare fecerunt somnia, / Et exciderunt sperantes in illis Sir 34, 7. - Denn trewme betriegen viel Leute, vnd feilet denen, die darauff bawen Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 241). Œ Iw 3547 Œ JT 51,1; 51,3. Literatur: Schulze, Nr. 173, S. 123f. [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TRAUM 1.2.1. Träume lügen und trügen. Walther, Nr. 30026; Nr. 30027. Wander IV s.v. Traum, Nr. 47. Weise 1910, Nr. 12 [führt diese Textstelle an]. Schönbach 1894, S. 208.

27

Querverweise

28

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle 6230 diz ist der sch#niste list der vür schaden wæne ich vrum ist, daz man sichs getr#ste enzît, wan langiu riuwe niht engît wan einen bekumberten lîp. dar an gedenket, sch#nez wîp. und möhtet ir im daz leben mit weinenne wider geben, sô hulfen wir iu alle klagen und iuwer swære gelîche tragen: des enmac doch leider niht geschehen.

6254 dâ dicke ein man grôzen schaden nimet an, daz verkêret sich vil ringe ze lieberme dinge, als sich, vrouwe, iuwer wân hiute hie hât getân: 6351 got hete den gewalt und er den wân.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Graf Oringles drängt Enite, ihre Klage zu beenden (Zweite GrafenEpisode).

A 6233: lannger.

Übermäßige Trauer richtet den Menschen zugrunde.

Graf Oringles drängt Enite, den Verlust Erecs durch eine erneute Heirat zu ihrem Vorteil zu nutzen (Zweite GrafenEpisode).

A 6256: verkerte.

Ein Unglück verkehrt sich leicht zum Guten.

Der Erzähler deutet voraus, daß Oringles' Versuch, Enite zur Ehe zu zwingen, scheitern wird (Zweite Grafen-Episode).

Was der Mensch auch denkt, letztlich lenkt Gott das Schicksal der Menschen.

zu: 6230, 6254, 6351

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

29

Querverweise

Sentenz Verwendung: - (E) „jr herren, jr súlt essen / vnd ewrs laides vergessen. / jch scham mich, dz jr sitzet so. / nu esset, jch mach ew schir fro. / wie seit jr also verzagt? / mir hat mein wirt von ew gesagt, / das jr hoch herren seit / vnd habt so jámerleich dy zeit / pey vnns all hie vertriben, / dz wir freúden los sein beliben. / durch vnseren willen gehabt ew wol. / nieman lannge trawren sol. / es macht hertz vnd leib entwicht Mai und Beaflor, 9055-9077. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Fili, in mortuum produc lacrimas, / Et quasi dira passus incipe plorare; / Et secundum iudicium contege corpus illius, / Et non despicias sepulturam illius. / Propter delaturam autem amare fer luctum illius uno die, / Et consolare propter tristitiam; / Et fac luctum secundum meritum eius / Uno die, / vel duobus propter detractionem; / A tristitia enim festinat mors, et cooperiet virtutem, / Et tristitia cordis flectet cervicem Sir 38, 16-19. - MEin Kind, wenn einer stirbt, So beweine jn, vnd klage jn, als sey dir gros leid geschehen, Vnd verh(lle seinen Leib, geb(rlicher weise, vnd bestate jn ehrlich zum Grabe. Du solt bitterlich weinen, vnd hertzlich betr(bt sein, vnd leide tragen, darnach er gewest ist, zum wenigsten ein tag oder zwen, auff das man nicht vbel von dir reden m(ge. Vnd trste dich auch widder, das du nicht traurig werdest, Denn von trauren kompt der tod, vnd des hertzen traurigkeit schwecht die kreffte. Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 251f.). Œ Cr 7315. Literatur: Bamberg 1945, S. 84: „Sentenz“. Hofmann 1939, S. 59 [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 67: „Sprichwort“. TPMA VII s.v. LEID 7.5. Leid verzehrt Leib und Herz, Leben und Gesundheit [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Reue, Nr. 19. Weise 1910, Nr. 37 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Erec (Scholz), S. 852. Jones 2000, S. 293f. von Moos 1971/1972, S. 86. Reuvekamp 2012, S. 57-60.

Sentenz

6355; 6357; 6685-6687.

Literatur: Bamberg 1945, S. 85: „Sentenz“. Mieder 2001, S. 67: „Sprichwort“. Wander IV s.v. Schade, Nr. 124. Weise 1910, Nr. 38 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (Br) Scis optime, quanta intentione rex ille clarissimus filio suo praeparavit, ut arbitrabatur, regnum heredi; sed, ut rerum eventus demonstrabat, exemit. Inde poteris saecularem intellegere sapientiam, et quam verum est, ut psalmista canit: „Nisi dominus edificaverit domum, in vanum vigilant, qui custodiunt eam“. Homo cogitat, Deus iudicat Alkuin: Epistulae, S. 182, 36-40. - (E) Mox duci Bawarie tamquam auctori huius rei minatur mala, cum sibi proxime vacaverit, irrogare. Hec cogitavit. Homo enim cogitat, sed Deus ordinat. Postea enim volente Domino vel nostris peccatis exigentibus aliter contigit, sicut postea miserabilis rei exitus comprobavit Chronica de gestis principum, S. 75, Z. 8-13.

539-544; 5527; 6113-6123; 63556357.

30

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

6543 dâ bestât doch niemen zuo ze redenne übel noch guot, swaz ein man sînem wîbe tuot.

Kontext

Überlieferung

Graf Oringles A 6545: Was. weist die Kritik des Hofes an seinem Verhalten gegenüber Enite zurück (Zweite GrafenEpisode).

Der Erzähler stellt Enites ungewöhnwan slege tuont selten iemen vrô. lich duldsames Verhalten gegenüber Oringles Schlägen heraus (Zweite GrafenEpisode).

swelch man t#rlîche tuot, wirts im gelônet, daz ist guot.

Erec gibt sich selbst die Schuld an den Wunden, die ihm Guivreiz im Zweikampf zugefügt hat.

Niemand hat das Recht, darüber zu urteilen, wie ein Mann seine Frau behandelt.

Schläge erfreuen niemanden.

6556

7010

Paraphrase

A 7010: Welicher. A 7011: Wirt es. belonet.

Für unbesonnenes Verhalten muß man zu Recht büßen.

31

zu: 6543, 6556, 7010

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Verwendung: - (E) dat selve schiff der meister voirte / den anderen so na, dat it sy roirte. / entsticket wart dat schiff myt brande / ind solde vur Coelne - dat was schande - / die schiff verbernen myt kreischen vuyre, / ind eme geveile schentliche eventure / ind brante sich selve zo der stunt, / dat mannich man saich, in Rynes grunt. / dat kreische vuir vlois den Ryn neder / als bernende, dat saich men seder. / were der Ryn do alle verbrant, / des hedde entgulden manich lant. / mennich mensche denckit, s)s sal it gain, / ind Got deit it in anders gain Gottfried Hagen: Reimchronik, 779792. Literatur: Bamberg 1945, S. 33: „Sentenz“. Hartmann: Erec (Mertens), S. 673. Mieder 2001, S. 68: „Sprichwort“. TPMA V s.v. GOTT 15.1. Der Mensch denkt (plant) und Gott lenkt (bestimmt, richtet, teilt zu), Ähnlich [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 11102. Wander III s.v. Mensch, Nr. 104. Weise 1910, Nr. 153 [führt diese Textstelle an]. Green 1979, S. 141f.; S. 262. Hartmann: Erec (Scholz), S. 855.

Sentenz

Literatur: Bamberg 1945, S. 87: „Sentenz“. Weise 1910, Nr. 154 [führt diese Textstelle an]. Bumke 2006, S. 54; S. 107. Hartmann: Erec (Mertens), S. 674. Hartmann: Erec (Scholz), S. 860.

Sentenz

1330; 6552.

Literatur: Bamberg 1945, S. 43; S. 86: „Sentenz“. Mieder 2001, S. 68: „Sprichwort“. Weise 1910, Nr. 31 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Vgl. das afrz. Sprichwort: - (S) Qui fait la folie si la boive Morawski: Proverbes français, 1939 (Hs. 14. Jh.). Literatur: Bamberg 1945, S. 37; S. 88: „Sentenz“. Friedrich s.v. tôre, S. 409. Hofmann 1939, S. 59 [führt diese Textstelle an]. Kuttner 1978, S. 40, Nr. 15 [führt diese Textstelle an]. Mieder 2001, S. 71: „Sprichwort“. TPMA VIII s.v. NARR 22. Wer eine Torheit begeht, muß sie büßen [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v.THOREN, S. 147 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 92 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Erec (Scholz), S. 888-890. Jones 1994, S. 231f.; S. 238f. Schulze-Busacker 1985, S. 295, Nr. 2083. Tax 1963, S. 280f.

6532-6534.

32

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle 7936 ez enist niht wirsers dan der tôt.

8619 manlîcher sorgen was sîn herze niht gar vrî, wan man wil daz er niht sî gar ein vollekomen man der im niht vürhten kan, und ist zen tôren gezalt.

9049 ich enahte niht ûf iuwer drô und wil si wol genôzen zwein bergen grôzen. die swuoren bî ir sinnen daz si wolden gewinnen in selben ein gezæmez kint, ein grôzez, als ouch si dâ sint. dô verhancte des got daz ez wart der liute spot, und gebâren eine veltmûs.

Kontext Erec drängt Guivreiz, ihm sein Wissen über die Aventiure Joie de la Curt preiszugeben (Joie de la Curt-Episode).

Überlieferung A 7936: enist] ist.

Paraphrase Etwas Schlimmeres als den Tod gibt es nicht.

Der Erzähler beA 8624: ze. gründet, warum Erecs Furcht vor dem Kampf gegen Mabonagrin berechtigt ist (Joie de la Curt-Episode).

Nur ein Narr fürchtet sich nicht.

Erec weist vor dem Kampf im Baumgarten spöttisch die Drohungen Mabonagrins zurück (Joie de la CurtEpisode).

Große Ursachen haben oft kleine Wirkung.

zu: 7936, 8619, 9049

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

33

Querverweise

Sentenz Formulierungstradition: - (E) sô sulnt ir rehte wizzen / daz ich iemer bin geflizzen / ze allen iuwern êren, / swâ ich sie mac gemêren, / und daz ich niemer, swie ez gevar, / lîp noch guot vor iu gespar / durch deheiner slahte nôt. / ez ist niht wirsers danne der tôt, / daz mir dâ von widervert. / dâ mit ist mir unerwert / ich enhalte, swâ ich mac, / mîn triuwe unz an den suonetac Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur, 5399-5410. Verwendung: - (E) „ […] ez ist bezer, danne ich verderbe, / wan ich schiere sterben m0z, / mirn werde der hizen b)z. / ich weiz !ch wol, nehein not / ist arger danne der tot. / swie so mir si iedoch, / ich stirbe vngerne noch, / die wile ich mach lebendich beliben Heinrich von Veldeke: Eneasroman, 285, 16-23. - (E) „swie es mir chomen si iedoch, / ich stirbe vngeren noch, / wan neheiner slachte not ist so grimme so der tot.“ / Do erbarmet es dem troian, / daz Turnus der edel man / also chlageleichen sprach Heinrich von Veldeke: Eneasroman, 330, 27-33. Œ Tan 1573 Œ GTr 7930. Literatur: Mieder 2001, S. 72: „Sprichwort“. TPMA XI s.v. TOD 6.1. Der Tod ist für alle schmerzlich und grausam. 6.1.1. Allgemein. Wander IV s.v. Sterben, Nr. 108. Weise 1910, Nr. 216 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

6648-6653; 86328634.

Vgl. den biblischen Gedanken: - Sapiens timet, et declinat a malo; / Stultus transilit, et confidit Prv 14, 16. - Eyn Weyser furcht sich vnd meydet das arge, Eyn narr aber feret hyndurch th(rstiglich Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 46). Literatur: Bamberg 1945, S. 91: „absolute Sentenz“, 97; S. 112; S. 144; S. 150: „Sentenz“. Mieder 2001, S. 73 [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. FURCHT 1.3.1.2. Ein Narr fürchtet sich nicht vor wirklicher Gefahr. Weise 1910, Nr. 64 [führt diese Textstelle an]. Rolf/Roolfs 2003, S. 96.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) quid dignum tanto feret hic promissor hiatu? / parturient montes, nascetur ridiculus mus. / quanto rectius hic, qui nil molitur inepte Horaz: Ars poetica, 138-140. Verwendung: - (S) Famosos postquam genuit dea Terra gygantes, / Post fama et magnos reges peperit quoque mures Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 1097f. - (S) PARTURIUNT MONTES, NASCETVR RIDICULUS MVS / […] / Senarius prouerbialis dici solitus in homines gloriosos et ostentatores, qui magnificis promissis tum vultus vestitusque autoritate miram de se mouent expectationem Erasmus von Rotterdam: Adagia 814 (I, IX, 14, S. 336, Z. 270-275). - (S) 157. Viel r(hmens/ vnd nichts darhinder. / Viel Stro/ vnd wenig Korn. / Viel geschrey/ vnd wenig Wolln sprach der Teufel / beschor ein Saw. / Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus. / Diß Sprichwort ist von den gedicht/ Die viel verheissen/ halten nicht [...] Das heist: Viel wort vnd nichts darhind. / Daruon man auch die Fabel findt. / [Holzschnitt] / Von der das Sprichwort

7423-7425; 8035; *9059; 9237.

34

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle

9059 ouch sint verbrunnen grôziu hûs von wênigem viure.

Kontext

Überlieferung

Erec weist vor dem A 9059: sein. Kampf im Baumgarten spöttisch die Drohungen Mabonagrins zurück (Joie de la CurtEpisode).

Paraphrase

Kleine Ursachen haben oft große Wirkung.

35

zu: 9059

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

im Latein / Vielleicht erstlich mag kommen sein. / Vor etlich Jahrn ein gschrey entstand / Vielleicht in der schlaur Affen Land / Wie das darinn ein Bergk fast groß / Dick auffgelauffen schwanger was / Und jetzt sein St(ndlein nah herbey / Daß er geberen / kommen sey. / In solchem wehtag schrey er bald / Daß es im gantzen Land erschalt. / Die Leut kamen mit grosser Summ / Zu sehn das grausame Monstrum / Das der groß Bergk w(rd bringen herf(r. / Und als er lang mit vmbgieng hier / Und jederman fleissig zu sach / Ein kleines Meußlein herf(r kroch. / Dessen ein jeder lachet dar / Das der groß Bergk nicht mehr gbar / Dann diß lecherlich Meußlein klein. / Dergleich stimpt hiemit vberein / Das wort/ neq compluitur, / Neq sole aduritur Eyering: Proverbiorum Copia, III, S. 355-358. Literatur: Dicke/Grubmüller, Nr. 56 [führt diese Texstelle an]. Friedrich s.v. bërc, S. 116: „Sprichwort“. Hartmann: Erec (Mertens), S. 961. Mieder 2001, S. 74: „klassisches Sprichwort“. Okken 1993, S. 236: „Anspielung auf die Fabel vom Kreißenden Berg“. Otto s.v. Mus, Nr. 8, S. 234f. Reuvekamp 2007, S. 27-33. TPMA I s.v. BERG 4. Unter großem Lärm gebiert der Berg eine Maus. Walther, Nr. 20746. Wander I s.v. Berg, Nr. 22. Hagby 2003. Hartmann: Erec (Scholz), S. 963f. Schmuhl 1881, S. 31. Wright 1994, S. 28-36.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) also die mous dem lewen tet; / wan vil dicke ein arm man / dem richen wol gedienen kan. / was dar umbe hat er gutes niht? / so kumt vil lichte die geschicht / daz er im zu staten kumt, / daz er im vil wol gefrumt. / Des nemet bilde bi der mous. / kleines fewer brennet ein michels hous, / so leschet ein trouf einen kol, / da von ein hous verbrunne wol Löwe und Maus, 38-48. Verwendung: - (G) Well kein t!ber liebhaber in einer úppikeit sinen zek und schimpf an dich werffen, dem solt du nit gelosen, weder im noch siner botschaft. Es vacht vil klein an und wirt dick ein unmessige búrdi dar usz, die man vil kum ab leit, so man dar hinder kumt. Von einem ganaisten brint ein hus. Dar umb h(t dich und flúh! Seuse: Großes Briefbuch, 27. Brief, S. 483, Z. 12-17. - (D) Men heft dicke geseen an / Dat de cleyne den groten vorwan, / Dat ok de mynste hupe mede / In stride beholt de stede, / Dat in stride behelt / De mynste hupe dat velt. / Ouidius maket vns wis: / Eyn slange, de gar cleyne is, / Eynen groten ossen stecket dot. / Noch mer secht he ok al blot / Dat eyn cleyne hundelyn / Beholt eyn grot euerswin. / Van eyner vunken bernet dan / Eyn dorp, so sprikt eyn wis man Der Leyen Doctrinal, 150a, 17-30 (S. 220). - (S) Tactu scintillae fit saepe perustio villae Werner: Sprichwörter, t 1 (Hs. 15. Jh.). - (S) Van eender voncken bernet een huys / Sola scintilla perit hec domus aut domus illa Proverbia Communia, 731. Vgl. den biblischen Hintergrund: - A scintilla una augetur ignis Sir 11, 34. - Aus einem funcken, wird ein gros Fewr Luther: Deutsche Bibel, XII [Sir 11, 33] (S. 180). Literatur: Friedrich s.v. viur, S. 430: „Sprichwort?“. Hofmann 1939, S. 59 [führt diese Textstelle an]. Kuttner 1978, S. 40, Nr. 39 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Erec (Mertens), S. 691: „Sprichwort“. Mieder 2001, S. 74: „Sprichwort“. Reuvekamp 2007, S. 27-33. TPMA III s.v. FEUER 1.4.2. Kleiner Funke und kleines Feuer greifen über und brennen Großes ganz nieder. Walther, Nr. 29938. Wander I s.v. Feuer, Nr. 11. Weise 1910, Nr. 3 [führt diese Textstelle an].

*9049.

36

2.1 Hartmann: Erec

Textstelle 9362 mich bedunket des vil verre daz mir daz minner werre ob ich mit êren sterbe dan an êren verderbe.

Kontext Mabonagrin bittet Erec, sich zu erkennen zu geben.

Überlieferung A 9365: an den.

Paraphrase Ein ehrenvoller Tod ist besser als ein Leben in Schande.

37

zu: 9362

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (G) Bessir ist mit eren gestorben, wen mit schanden gelebit. Et de huius veritate iiii Ethicis: „Melius est mori quam facere contra bonum virtutis“. Hoc elegit venerabilis Eleasarus, scilicet mortem gloriosissimam pocius quam vitam. Perswasum fuerat sibi, quod simularet se paganizare per comestionem carnium suillaurum, 1 Mach vi. Hii eciam fuerunt sancti dei preelegentes martirium ydolatrie, luxurie, eciam peccatis, et precipue multe virgines: Ka, Doro, Agnes, Ursula etc., que potuissent a morte fuisse liberate per ydolatriam et nuptum paganorum. Et communiter omnes martires maluerunt mori quam inpudice idolatrare. Carnes suilles fuerunt inhibite Iudeis, ne viderentur paganis imitare, quorum cibi fuerunt. Eciam moraliter significant inmundicias luxurie, propter que refutanda sancti elegerunt mortem dicentes: Bessir ist etc Breslau, UB, I Q 363, 185r, 2. Hälfte. 15. Jh. (Proverbia Fridanci, 414). Verwendung: - (E) quod a me attinet, iam pridem mihi decretum est neque exercitus neque ducis terga tuta esse. proinde et honesta mors turpi vita potior, et incolumitas ac decus eodem loco sita sunt Tacitus: Agricola, 33, 6. - (E) „Absit“, inquit, „optimi commilitones, ut hodie faciam, quod numquam feci, scilicet ut inimicis meis terga vertam et gloria nominis nostri infametur. Melius nobiliter mori, quam ignominia vitam servare […]“ Regino von Prüm: Chronica, S.107. - (E) man klaget mich niht ze vil, / ob ich von im tôt gelige: / ist aber daz ich an im gesige, / sô bin ich êren rîche / iemer êwiclîche. / daz wizze man unde wîp, / mir ist lieber daz mîn lîp / bescheidenlîche ein ende gebe / dan daz ich lasterlichen lebe Hartmann: Gregorius, 2058-2066. - (E) leit ein man mit eren tot, / daz ist ein loberlicher not, / denne er sin ere uf gebe / und dar nach lsterliche lebe. / so er vil schande erwirbet / und in den schanden stirbet, / - man enwelle iz danne verchern -, / so lge er baz mit eren Der Stricker: Wolf und Gänse, 147-154. - (G) V i r i l i t e r a g i t e, e t c o n f o r t e t u r c o r v e s t r u m, o m n e s, q u i s p e r at i s i n d o m i n o! So ein frumer ritter ein lereknappen bi der hant also geweffenten in den ring stritberlicher (bung des ersten in f(ret, so weget er sin h bt und sprichet z) im: ‚neina, zier helt, nu t) húte als ein frumer man und gebar kechlich und strit frilich! Las dir din hertze nút enpfallen: es ist besser erlich sterben, denn unerlich leben. So der erste just úbertruket wirt, so wirt es lihter.’ Alsus geistlich erm(tet der k(ne ritter David einen ieglichen erst anevahenden menschen, und f(ret in in den ring des geistlichen strites Seuse: Großes Briefbuch, 17. Brief, S. 459, Z. 10-19. - (L) Ich man dich, lieb, der wort / mit williklichem trost. / bedenck das kleglich mort, / da mit ich werd erlost! / Vil besser ist mit eren kurz gestorben zwar, / wann mit schanden hie gelebt zwai hundert jar Oswald von Wolkenstein, 65, III, 1-6. Vgl. den biblischen Gedanken: - At ille gloriosissimam mortem magis quam odibilem vitam complectens, voluntarie praeibat ad supplicium II Mcc 6, 19. - Aber er wolt lieber ehrlich sterben, denn so schendlich leben, vnd leid es ged(ltig Luther: Deutsche Bibel, XII, 2 (S. 447). Œ Lan 6475 Œ Da 888; 1078; 1380; 2524 Œ Gar 12442; 12948. Literatur: Bamberg 1945, S. 100, Anm. 1: „sentenzhafte Aussage“. Nöcker/Rüther 2002. Reuvekamp 2007, S. 118-124. TPMA XI s.v. TOD 5.3.2.1. Ehrenvoller Tod ist besser als ein Leben in Schande. Wander IV s.v. Sterben, Nr. 13; IV s.v. Tod, Nr. 8. Haubrichs 1996, S. 46.

Querverweise 2840f.

38

2.1 Hartmann: Erec

Auswertung Die Sentenzen und Sprichwörter des ›Erec‹1 sind in ihren Themen – ritterlichhöfisches Verhalten, Liebe und Ehe, Reden und Schweigen – ersichtlich auf die Handlung des Romans abgestimmt. Dabei treten die proverbialen Sprechakte vorwiegend intradiegetisch in der direkten Figurenrede, in Gesprächen und Selbstreflexionen auf, wo sie als strategische Redemittel in Szene gesetzt werden. In einigen Fällen stellt der Text dabei auch Bezüge zu übergreifenden Diskursen (Ehe, Herrschaft) her. Die anhand der Sentenzen aufgerufenen Handlungsregeln, Normen und Werte werden jedoch durchweg nicht als simplifizierende und über die Handlungswelt hinausweisende Lehren präsentiert. F r e q u e n z : Bei einer Gesamtzahl von 33 Sentenzen und Sentenzanspielungen auf 10192 Versen tritt durchschnittlich alle 306 Verse ein Beleg auf. Sieht man nur die 19 Vollsentenzen (darunter zwei Sprichwörter), so liegt die Frequenz bei einer Sentenz auf 531 Versen. Zehn der Belege sind sprichwörtlich. Die Belegstellen verteilen sich gleichmäßig über den gesamten Text. Auffällige Häufungen weisen nur zwei zusammenhängende Passagen auf: die Totenklage Enites (5803; 5822; 6004; 6019) und die zweite Grafen-Episode (6230; 6254; 6351; 6543; 6556). Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden nach den zugrunde gelegten Begriffen folgende in der Forschung als sentenzhaft oder sprichwörtlich klassifizierte Stellen: 167: Arndt 1980, S. 111; Mieder 2001, S. 57; Weise 1910, Nr. 68. 393: Arndt 1980, S. 111; Mieder 2001, S. 58; Weise 1910, Nr. 59. 395: Bamberg 1945, S. 22; 52; 215; Weise 1910, Nr. 59. 540: Mieder 2001, S. 58; Weise 1910, Nr. 183. 637: Mieder 2001, S. 59. 638: Mieder 2001, S. 59. 1323: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 17; 29f.; 53; Weise 1910, Nr. 131. 1875: Bamberg 1945, S. 63f. 1961: TPMA VII, S. 164, Nr. 48. 2169: Arndt 1980, S. 111; Weise 1910, Nr. 24. 2208: Bamberg 1945, S. 5; Mieder 2001, S. 60. 2254: Bamberg 1945, S. 57; Mieder 2001, S. 60; Weise 1910, Nr. 23. 2385: Bamberg 1945, S. 98. 2493: Bamberg 1945, S. 23; 57; Weise 1910, Nr. 235. 2678: Arndt 1980, S. 111; Mieder 2001, S. 60; Weise 1910, Nr. 48. 2815: Mieder 2001, S. 60. 2859: Bamberg 1945, S. 98. 2923: Bamberg 1945, S. 65; 90. 3249: Weise 1910, Nr. 132. 3254: Mieder 2001, S. 61; Weise 1910, Nr. 132. 3694: Bamberg 1945, S. 12; 23; 67; 95; 101; Mieder 2001, S. 62; Weise 1910, Nr. 170. 3698: Bamberg 1945, S. 112; Weise 1910, Nr. 170. ___________ 1

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den ›Erec‹ der Ambraser Handschrift A.

Auswertung

39

3706: Bamberg 1945, S. 12; Weise 1910, Nr. 170. 3848: Weise 1910, Nr. 153. 3876: Bamberg 1945, S. 33; Mieder 2001, S. 62; Weise 1910, Nr. 20. 4017: Bamberg 1945, S. 32f.; Weise 1910, Nr. 42. 4289: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 66; Mieder 2001, S. 63; Weise 1910, Nr. 49. 4575: Bamberg 1945, S. 68. 4753: Bamberg 1945, S. 69; 74. 5071: Bamberg 1945, S. 72f.; Mieder 2001, S. 63; Weise 1910, Nr. 116. 5176: TPMA V, S. 390, Nr. 383. 5328: Bamberg 1945, S. 104. 5334: Bamberg 1945, S. 104. 5603: Arndt 1980, S. 111. 5669: Bamberg 1945, S. 36; 39; 74; 105f.; Mieder 2001, S. 64; Weise 1910, Nr. 224. 5764: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 17f.; 23; 70 Anm. 2; 76; Mieder 2001, S. 64; Weise 1910, Nr. 133. 5781: Bamberg 1945, S. 77. 5786: Bamberg 1945, S. 77. 5896: Mieder 2001, S. 65. 5915: Bamberg 1945, S. 77f.; Mieder 2001, S. 65f.; Weise 1910, Nr. 215. 5924: Weise 1910, Nr. 215. 5941: Bamberg 1945, S. 37; 79; Mieder 2001, S. 66. 5965: Bamberg 1945, S. 37; 80; Weise 1910, Nr. 91. 5985: Bamberg 1945, S. 37; 69; 80; Mieder 2001, S. 66; Weise 1910, Nr. 184. 6008: Weise 1910, Nr. 12. 6213: Mieder 2001, S. 67. 6296: TPMA VII, S. 231, Nr. 11. 6340: Bamberg 1945, S. 33; Mieder 2001, S. 67. 6350: Bamberg 1945, S. 33. 6462: Bamberg 1945, S. 86. 6632: TPMA X, S. 71, Nr. 23. 6648: Bamberg 1945, S. 21; 87; Mieder 2001, S. 69; Weise 1910, Nr. 63. 6655: TPMA VIII, S. 149, Nr. 114. 6781: Bamberg 1945, S. 87; Mieder 2001, S.69f.; TPMA V, S. 127, Nr. 123. 7242: Bamberg 1945, S. 22; 90. 7816: Mieder 2001, S. 71. 7830: Weise 1910, Nr. 33. 8120: Bamberg 1945, S. 91. 8252: Bamberg 1945, S. 28; 139. 8425: Bamberg 1945, S. 91. 8535: Mieder 2001, S. 73. 8630: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 95f. 8855: Bamberg 1945, S. 97; Mieder 2001, S. 73; Weise 1910, Nr. 239. 8930: Bamberg 1945, S. 10. 8974: Bamberg 1945, S. 91. 9061: Mieder 2001, S. 74; Weise 1910, Nr. 50. 9330: Weise 1910, Nr. 51. 9417: Bamberg 1945, S. 98; Weise 1910, Nr. 155. 9422: Mieder 2001, S. 75; TPMA III, S. 385, Nr. 783; Weise 1910, Nr. 155; 9438: Bamberg 1945, S. 99; Mieder 2001, S. 75. 9510: Bamberg 1945, S. 91; 99f.; Weise 1910, Nr. 256. 9620: Bamberg 1945, S. 23f. 9786: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 27; 102f.; 215; Weise 1910, Nr. 86. 9823: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 33; 105; Mieder 2001, S. 76; Weise 1910, Nr. 117. 10085: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 30; 70; 106; 108; Weise 1910, Nr. 240. 10112: Bamberg 1945, S. 107; Mieder 2001, S. 76; Weise 1910, Nr. 74. 10133: Mieder 2001, S. 76.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Sentenzen und Sprichwörter in Hartmanns ›Erec‹ unter verschiedenen Perspektiven betrachtet. Neben der philologischen Erschließung des Sentenzmaterials gehören dazu stil- und erzählanalytische Fragestellungen.2 S p r e c h e r : Neun Belegen in der Erzählerrede stehen 24 in Figurenreden gegenüber. Von den elf Romanfiguren, deren direkten Reden eine oder mehrere ___________ 2

Grundlegend für die Deutung der Sentenzen sind noch immer WEISE 1910 und BAMBERG 1945; vgl. weiterhin: JESKE 1909, S. 94-105; VON DER LEE 1950, S. 130-133; KRAMER 1971, S. 90-99; KUTTNER 1978, S. 35-59; ARNDT 1980, S. 111-126; MIEDER 2001, S. 57-76.

40

2.1 Hartmann: Erec

Sentenzen beigegeben werden, äußert Erec allein acht Mal und damit am häufigsten Sentenzen. Die einzige Sprecherin ist Enite mit vier Sentenzen in ihrer Klage um Erec. Die in die Figurenreden inserierten proverbialen Sprechhandlungen sind gemessen am Gesamtkorpus der untersuchten Romane wie auch an den übrigen Erzählwerken Hartmanns3 überdurchschnittlich stark vertreten. V e r w e n d u n g : In den Reden der Romanfiguren stellt der Text bevorzugt solche proverbialen Sprechakte dar, mit denen der Sprecher das eigene oder das Verhalten anderer lenken und bewerten will. Speziell bei Konflikten besteht die kommunikative Leistung der Sentenz darin, einen allzu aggressiven Umgangston zu dämpfen und die oft direktiven und imperativischen Sprechakte – Ablehnen, Bitten, Ermahnen, Fordern, Drohen – mit höfischem Anstand zu vermitteln. So legt Koralus Erec Zurückhaltung nahe, indem er sein Recht als Gastgeber einfordert (348). Wenig später lehnt Erec das Angebot des Herzogs Imain ab, Enite besser zu kleiden und sich den Erwartungen des Hofes anzupassen (643; vgl. 1406-1411). Dieser Gestus – das Behaupten einer Position außerhalb der Gemeinschaft – kehrt noch einmal wieder, als Erec sieht, daß er gegen seinen Willen von Gawein an den Artushof geführt wurde (5052). Nach dem Sperberkampf klärt Erec den besiegten Iders über seinen Hochmut und sein unhöfisches Verhalten auf (980), was Iders später am Artushof ausdrücklich wiederholt und eingesteht (1229). Auch diese Konstellation wird in der späteren Handlung noch einmal gespiegelt, wenn Erec Mabonagrins Drohreden spöttisch zurückweist (9049; 9059).4 Die Sentenzen und Sprichwörter unterstreichen damit nicht nur die von den Romanfiguren behaupteten Ansprüche, Ideale und Wertvorstellungen, sondern der Text operiert zugleich auch mit deren agonaler rhetorischer Leistung und bezieht sie thematisch auf übergreifende Diskurse: Als Enite Erec tot glaubt, will sie ihrem Leben gewaltsam ein Ende setzen. Für die Rechtfertigung des Selbstmordes beruft sie sich an Gott gewandt auf das biblische duo in carne unaProverbium (vgl. 5822), so daß in freilich zugespitzter Argumentation die Vorstellung von der über den Tod hinaus bestehenden Unauflösbarkeit der Ehe Gel___________ 3 4

Eine Übersicht bietet ARNDT 1980, S. 118f. Daneben kommen Sentenzen häufig in Situationen vor, in denen eine Figur sich selbst anklagt und beschuldigt, sei es öffentlich (4096; 4101; 4801; 7010) oder auch in einer Selbstreflexion (6004; 6019).

Auswertung

41

tung bekommt. Graf Oringles hingegen will Enite dazu bringen, ihre Trauer zu beenden und ihn zu heiraten. Er vertritt eine an der feudalen Heiratspraxis orientierte Ehe-Auffassung. In Anlehnung an die biblischen Weisheitsbücher stellt er vor diesem Hintergrund die Schädlichkeit übermäßiger Trauer heraus und sieht in der ehelichen triuwe einen Wert, der mit dem Tod des Partners erlischt (6230).5 Beide Positionen verweisen so auf den zeitgenössischen Diskurs über die Ehe, doch im Kontext dessen, was Enite und Oringles tun und denken, erscheinen sie äußerst forciert. Der Erzähler tritt vergleichsweise selten mit Sentenzen hervor.6 An den Stellen, an denen Sentenzen in die Erzählerrede einfließen, dienen sie dazu, das ungewöhnliche Handeln und Verhalten der Romanfiguren zu entlasten bzw. zu verurteilen (3691; 4226; 5770; 8619), oder dazu, die Zuhörer durch pointiert gegen das Erwartete und Übliche formulierte Bemerkungen in die erzählte Geschichte zu verwickeln (432; 6556) und die Aufmerksamkeit ironisch auf das spätere Geschehen zu lenken (6351). Beachtet man die Perspektivierung der Erzählung, so fällt auf, daß die Erzähler-Sentenzen wiederholt eine veränderte Fokalisierung markieren, also dann eingesetzt werden, wenn der Erzähler bezogen auf die Romanfigur, von der erzählt wird, zwischen Innen- und Außensicht wechselt (3691; 6351; 6556; 8619). Figurenverhalten wird daher nicht nur auktorial bewertet, sondern der Innenraum der Figur mit der Außennorm korreliert. Insofern ist evident, daß es im Text nicht einfach um Didaxe und belehrende Vermittlung von Handlungsmustern geht, vielmehr sich Erklärung und Bewertung von Verhalten am Einzelfall und seinen besonderen Umständen bemessen. Ü b e r l i e f e r u n g : Für die Bewertung der Überlieferung wurden das Faksimilie der Ambraser Handschrift (A) sowie die in der Forschung bereitgestellten Abbildungen und Transkriptionen der Wolfenbütteler Fragmente (W) herangezogen.7 Die Edition LEITZMANNS (Hartmann: Erec) wurde mit den ›Erec‹-Ausgaben von HAUPT (2. Aufl.), BECH und SCHOLZ verglichen.

___________ 5 6 7

Vgl. dazu REUVEKAMP 2012, S. 54-60. Vgl. dagegen ARNDT 1980, S. 126, KRAMER 1971, S. 94f., und MIEDER 2001, S. 50, denen die Sentenzverwendung als Indiz für einen lehrhaften Erzählgestus gilt. Vgl. zu den Wolfenbütteler Fragmenten: MILDE 1982, GÄRTNER 1982, S. 207-230 u. 360-430, NELLMANN 1982a, S. 28-78 u. 1982b, S. 436-441. So weit bisher entziffert, bieten die Zwettler Bruchstücke (Z) keine Textpartie, in der Chrétiens Erzählung Sentenzen aufweist.

42

2.1 Hartmann: Erec

Hinsichtlich der Sentenzen bereitet die handschriftliche Überlieferung kaum Probleme. Da die Textstellen aber nur wenige Male und auch nur in den alten Wolfenbütteler Fragmenten (W III, VI) und im ›Friedrich von Schwaben‹ (FvS) parallel überliefert sind, kann sich diese Beobachtung allerdings fast ausschließlich auf das Zeugnis des Ambraser ›Erec‹ stützen. Bei der Mehrzahl der in den Texteditionen gebotenen Lesarten handelt es sich um Eingriffe der Herausgeber, die den Wortlaut von A in der Regel normalisieren. Dagegen ist die Zahl der offensichtlichen Fehler und Textverderbnisse relativ gering: 985, 2527, 4101, 5059, 5805, 6237, 6256, 6258, 9052. Schwierigkeiten bereitet die Textherstellung an einer Stelle: 4559-4561. In A ist der fehlende Anfang des ›Erec‹ bekanntlich durch einen Prolog und die Erzählung ›Der Mantel‹ ersetzt.8 Bezieht man den neu hinzugedichteten Prolog probeweise auf den ›Erec‹, so fällt auf, daß bereits in der Exordialsentenz (1) die Erec auszeichnende vrümekeit angesprochen wird.9 Im Prolog folgen noch drei weitere Sentenzen (8; 13-15; 46-49). T h e m e n : Folgende inhaltliche Schwerpunkte werden auch in Sentenzen reflektiert: – Ansehen und Ehre: 2527; 4096; 4101; 5452; 9362. – Freude: 5052. – Gott und Mensch: 5803; 6351. – Liebe und Ehe: 3691; 3694; 6543; 5822. – Mitleid: 432. – Reden und Schweigen: 3242; 5452; 6543. – Tapferkeit und Feigheit: 4226; 8619. – Verhalten gegenüber Frauen: 643; 5770; 6543.

Die Sentenzen und Sprichwörter tragen zur Formierung des im ›Erec‹ selegierten Ensembles höfischer Normen und Werte bei.10 S t i l : Sentenzen und Sentenzanspielungen halten sich im ›Erec‹ nahezu die Waage. Unter den Vollsentenzen begegnen ein- und zweiteilige Formen, die ___________ 8

Vgl. dazu ›Der Mantel‹; zum Forschungsstand BUMKE 2006, S. 10-13. Daneben wird vrümekeit dem König Artus als Leittugend zugeschrieben (vgl. 29-35). 10 Eine kontrovers diskutierte und auch deswegen aufschlußreiche Ausnahme stellen die Verse 5770-5773 dar; vgl. die Hinweise bei Hartmann: ›Erec‹ (Scholz), S. 835f. 9

Auswertung

43

auffallend konzis formuliert sind (6004; 6556; 7010; 7936). Semantisch konterkarieren die Sentenzen wiederholt das Erwartbare und Normale, wie dies der im ersten Moment widersinnig anmutende Kommentar des Erzählers zu den edeln armen in Tulmein zeigt (432). Auf das stilistische Repertoire, das Hartmann im ›Iwein‹ nutzen wird, weisen bereits einige swer der-Formulierungen (643; 5052; 7010), rhetorische Fragen (2527; 4101; 4559) sowie Einleitungen mit kausalem wan (8619) hin. Ähnlich wie in Hartmanns späterem Artusroman gibt es auch im ›Erec‹ textübergreifend korrespondierende Sentenzen, die hier das soziale Ansehen und die Ehre der Hauptfiguren als durchgehendes Romanthema markieren (2527; 4096; 4101). Kontextualisierende Formeln, die Alter, Bekanntheit oder Wahrheit der Sentenzen und Sprichwörter beglaubigen, finden sich fast nur in der Figurenrede, in die sie nicht selten kunstvoll eingewebt sind: Einleitungsformeln: – daz ich von wîben hân vernomen / daz ist wâr, des bin ich komen / vol an ein ende hie … (zu 3242; Erec) – sô wis, herre got, gemant / daz aller werlde ist erkant / ein wort daz dû gesprochen hâst, / und bite dich daz dûz stte lâst … (zu 5822; Enite) – daz ich dicke hân vernomen, / des bin ich an ein ende komen … (zu 6004; Enite) Ausleitungsformeln: – … als ich hînaht hân getân (zu 4096; Graf) – … mir ist geschehen vil rehte (zu 4101; Graf) – … des wünschet im der wille mîn (zu 5770; Erzähler) Umrahmungen: – ez ist eht als man dâ seit, / daz … / des hân ich mich enstanden / nâch grôzen mîn schanden / und bin es an ein ende komen (zu 1229; Iders) – diz ist der schœniste list / der vür schaden wæne ich vrum ist, / daz man sichs getrœste enzît, / wan … / dar an gedenket, schœnez wîp (zu 6230; Oringles)

V o r l a g e : In Chrétiens ›Erec et Enide‹ (rd. 7000 Verse) hat die Forschung bislang 42 Sentenzen und Sprichwörter nachgewiesen: 1: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2313; TPMA XII, S. 130. 6: Schulze-Busacker 1985, Nr. 866. 15: TPMA XIII, S. 145. 61: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1593; Kuttner 1978, Nr. 1,

44

2.1 Hartmann: Erec

TPMA VII, S. 136. 231: Schulze-Busacker 1985, Nr. 754; TPMA VIII, S. 353. 244: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2351. 510: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1716; Kuttner 1978, Nr. 2. 1014: TPMA III, S. 434. 1218: Schulze-Busacker 1985, Nr. 777; Kuttner 1978, Nr. 3; TPMA IX, S. 191. 1443: Kuttner 1978, Nr. 4. 1540: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1716; Kuttner 1978, Nr. 5; TPMA I, S. 206. 1753: Kuttner 1978, Nr. 6. 2584: SchulzeBusacker 1985, Nr. 2297; Kuttner 1978, Nr. 7; TPMA XIII, S. 385. 2606: SchulzeBusacker 1985, Nr. 1356; Kuttner 1978, Nr. 8; TPMA X, S. 165. 2935: SchulzeBusacker 1985, Nr. 434; Kuttner 1978, Nr. 9. 2938: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1320; Kuttner 1978, Nr. 10; TPMA IV, S. 250. 3342: Kuttner 1978, Nr. 11. 3816: Kuttner 1978, Nr. 12. 3998: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2499; TPMA XI, S. 246. 4162: TPMA III, S. 472. 4392: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1822. 4408: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2243; Kuttner 1978, Nr. 13; TPMA VI, S. 93. 4410: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2128; Kuttner 1978, Nr. 13; TPMA VIII, S. 13. 4592: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2246; Kuttner 1978, Nr. 14; TPMA XIII, S. 259. 4758: TPMA VII, S. 57. 4901: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2288; TPMA IV, S. 392. 4975: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2086; Kuttner 1978, Nr. 15. 5529: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2482; Kuttner 1978, Nr. 16; TPMA XII, S. 403. 5540: Schulze-Busacker 1985, Nr. 220. 5604: Kuttner 1978, Nr. 17. 5781: Kuttner 1978, Nr. 18; TPMA VI, S. 74. 5869: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1437; Kuttner 1978, Nr. 19; TPMA VIII, S. 366. 5873: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2430; TPMA II, S. 305. 5874: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2347; Kuttner 1978, Nr. 20; TPMA XI, S. 57. 5876: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2427; Kuttner 1978, Nr. 20; TPMA VI, S. 128. 5878: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1953; Kuttner 1978, Nr. 20; TPMA III, S. 309. 5882: Schulze-Busacker 1985, Nr. 761. 6008: Kuttner 1978, Nr. 21. 6144. 6468: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1927; Kuttner 1978, Nr. 22. 6560: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1886; Kuttner 1978, Nr. 23.

Wie ein Vergleich zeigt, finden sich Sentenzen und Sprichwörter im Ambraser ›Erec‹ nicht nur weniger häufig, sondern sie sind auch an keiner Stelle aus der Vorlage direkt übernommen.11 Selbst Proverbien mit einprägsamer Bildlichkeit und ironischer Färbung (vgl. ›Erec et Enide‹, 2938; 4408), doch auch Verhaltensregeln, die speziell das Thema der Herrschaft betreffen (ebd. 1753; 2706; 6468), werden übergangen. Gelegentlich mag Chrétiens Erzählung ein Pendant angeregt haben (864; 7010), doch weicht der deutsche Text gerade an bedeutsamen Stellen von der Vorlage ab, so z.B. wenn er das Fehlverhalten von Iders anhand von Sentenzen auf die „entscheidenden Begriffe übermuot und hôchvart“12 bringt.

___________ 11

Diesen Befund hat die Forschung als Indiz für die Eigenständigkeit Hartmanns gewertet; vgl. WEISE 1919, S. 18-28; KUTTNER 1978, S. 35-59. 12 Hartmann: ›Erec‹ (Scholz), S. 662.

Auswertung

45

Entsprechungen ›Erec et Enide‹ – ›Erec‹: – 1014 entspricht 5770 (dort an anderer Stelle) – 2584 entspricht 5965 – 4392 entspricht 4585 – 4592 entspricht 5943 – 4758 entspricht 6236 – 5873 entspricht 9049 – 4975 entspricht 7010 – 6008 entspricht 9510

In diesen Fällen, in denen Chrétiens Sentenzen eine Entsprechung bei Hartmann finden, wird der französische Text umschreibend wiedergegeben oder durch sinnverwandte Prägungen substituiert. Ähnlich gilt dies für die Sinnakzente, die der deutsche Text neu setzt, so wenn der Erzähler den höfischen Habitus von Koralus und seiner Familie ausmalt (348; 432) oder wenn er den bei Chrétien angelegten Diskurs über Adelsherrschaft hin auf eine höfische Lebensform verschiebt, die Rittertum, eheliche Liebe und das Leben bei Hof aufeinander bezieht (2527; 5052; 5822). Im Unterschied dazu ist die Verteilung der Sentenzen auf die Figuren- und Erzählerrede nicht signifikant verändert.13 Obwohl der deutsche Text die direkte Rede zugunsten des Erzählers sogar verringert, überwiegt auch in ihm, wie eingangs gesagt, die intradiegetische Sentenzverwendung.

___________ 13

Zu Chrétien die Hinweise bei SCHULZE-BUSACKER 1985, S. 48f.

2.2

Hartmann von Aue: ›Iwein‹

Der rund 8000 Verse umfassende ›Iwein‹ gilt als zweiter Artusroman Hartmanns von Aue; er ist eine um 1200 entstandene1 Bearbeitung des afrz. Romans ›Le chevalier au lion/Yvain‹, den Chrétien de Troyes wohl um 1180 geschaffen hat.2 Hartmanns ›Iwein‹ folgt der Vorlage sehr viel enger als der zeitlich frühere ›Erec‹.3 I n h a l t : Im Anschluß an den Prolog, der König Artus als Vorbildfigur einführt und den Wert des Erzählens von Vergangenem profiliert (1-30 u. 48-58), beginnt die Handlung des ›Iwein‹ mit einem Pfingstfest am Artushof. Während sich König Artus mit seiner Frau Ginover zurückgezogen hat, erzählt der Ritter Kalogrenant im kleinen Kreis von einer Jahre zurückliegenden mißglückten Aventiure an einem Zauberbrunnen, bei dem er durch Begießen eines Steins ein gewaltiges Unwetter ausgelöst und den Kampf gegen den zum Schutz der Quelle herbeigeeilten Landesherrn verloren hat. Während seiner Erzählung kommt es zum Streit, weil Kalogrenant die plötzlich hinzutretende Königin als einziger bemerkt und sie grüßt, ohne die anderen auf ihr Kommen aufmerksam zu machen. In den Streit mischen sich auch die Königin und Iwein ein, die den Truchsessen Keie wegen seiner Spottlust verurteilen. Iwein beschließt – nicht zuletzt wegen der Provokation durch Keie –, heimlich aufzubrechen, um die Schande seines Verwandten Kalogrenant zu rächen und sein eigenes Ansehen zu mehren (31-47 u. 59-944). Wie schon Kalogrenant weist auch ihm ein wilder Tierhüter den Weg zum Zauberbrunnen, auch er löst ein Unwetter aus und wird von Ascalon, dem Herrn des Brunnens, zum Zweikampf gefordert. Iwein aber verwundet seinen Gegner und tötet ihn auf der Flucht (945-1134). Als er dabei auf Ascalons Burg zwischen zwei Fallgittern eingeschlossen wird, versteckt ihn die Zofe Lunete aus Dankbarkeit für eine früher erwiesene Freundlichkeit. Aus seinem Unterschlupf beobachtet Iwein die Landesherrin Laudine bei ihrer Totenklage und verliebt sich in sie. Verzweifelt bittet er Lunete, ihm zu helfen, Laudine

_____________ 1

2 3

CORMEAU (2VL, Bd. 3, Sp. 501f.) setzt den ›Iwein‹ nach 1200 an, weist mit Rücksicht auf die Forschungsdiskussion jedoch darauf hin, daß die auf 1205 datierbaren ›Iwein‹-Verweise in Wolframs von Eschenbach ›Parzival‹ eine „zehn Jahre“ frühere Entstehung nicht ausschließen. Vgl. SCHMOLKE-HASSELMANN (LdM, Bd. 2, 1983, Sp. 1901). Zu Hartmanns Bearbeitungspraxis vgl. den knappen Überblick bei CORMEAU/STÖRMER 2007, S. 198-200.

48

2.2 Hartmann: Iwein

für sich zu gewinnen. Tatsächlich kann diese ihre Herrin schließlich dazu bewegen, Iwein zu heiraten und zum Hüter des Brunnens zu machen (11352445). Kurz darauf erreicht auch der nachgereiste Artushof die Quelle und erkennt, nachdem Keie zunächst über Iweins Abwesenheit gespottet hatte, in deren Hüter Iwein als neuen Landesherren. Noch während der Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit des Paares rät Gawein seinem Freund allerdings, sich auch weiterhin als Ritter zu bewähren und mit ihm auf Turnierfahrt zu gehen. Laudine läßt Iwein unter der Bedingung ausziehen, daß er innerhalb eines Jahres zu ihr zurückkehrt und seine Herrscherpflichten wieder aufnimmt. Nachdem Iwein jedoch die ihm gesetzte Frist versäumt hat, erscheint Lunete am Artushof und verstößt ihn im Namen ihrer Herrin (2446-3200). Iwein verfällt dem Wahnsinn, flieht in die Wildnis, wo er ein Leben fernab jeder höfischen Zivilisation führt. Gerettet wird er erst durch eine Zaubersalbe der Dame von Narison, nachdem eine ihrer Hofdamen ihn trotz seiner äußerlichen Veränderung erkannt hat (3201-3654). Dankbar befreit er die Dame von der Belagerung durch den Grafen Aliers, lehnt allerdings ihr Heiratsangebot ab und fährt erneut auf aventiure aus. Begleitet und in seinen Kämpfen unterstützt wird er von nun an durch einen Löwen, den er vor einem Drachen retten kann (3655-3922). Auf seinem Weg kommt er auch in das Land Laudines, wo er Lunete begegnet, die man inzwischen wegen seiner untriuwe des Verrats an ihrer Herrin angeklagt hat. Er verspricht, im für den nächsten Tag angesetzten Gerichtskampf für sie einzutreten, gerät aber in einen Terminkonflikt, weil er in ein weiteres Abenteuer verwickelt wird. In einem angrenzenden Herrschaftsbereich wird nämlich ein Burgherr vom Riesen Harpin bedroht, weil er ihm seine Tochter nicht zur Frau geben will. Gawein, der der Bruder der Landesherrin ist, konnte nicht zu Hilfe kommen, weil er die Verfolgung eines fremden Ritters aufgenommen hat, der die Königin Ginover vom Artushof entführt hatte, und so ist die Familie dem Riesen schutzlos ausgeliefert. Iwein entscheidet sich dafür, auch hier zu helfen, und kommt beinahe zu spät zum Gerichtskampf für Lunete. Nachdem er die drei Ankläger im Kampf besiegt hat, lädt Laudine Iwein, ohne ihn zu erkennen, ein, sich in ihrem Land von seinen Kämpfen zu erholen und seine Wunden zu kurieren. Er lehnt das Angebot aber ab und gibt an, nicht ruhen zu wollen, bis er die Gunst seiner Herrin wiedererlangt habe. Da aber auch der Löwe schwer verwundet ist, wird Iwein

Einführung

49

gezwungen, zum Ausruhen auf einer Burg einzukehren, wo er freundlich aufgenommen und versorgt wird (3923-5624). Zur gleichen Zeit begibt sich eine junge Frau auf die Suche nach Iwein, der inzwischen als Ritter mit dem Löwen einigen Ruhm erworben hat. Sie möchte ihn bitten, ihre Verwandte, die jüngere Tochter des Grafen vom Schwarzen Dorn, in einem Erbstreit gegen deren ältere Schwester zu vertreten, die ihr ihren Anteil am väterlichen Nachlass verwehrt und bereits am Artushof Gawein als Vertreter für einen Gerichtskampf gewinnen konnte. Iwein stellt sich für diesen Kampf zur Verfügung, gerät jedoch abermals in einen Terminkonflikt: Auf seinem Weg zum Artushof kommt er zur Burg zum Schlimmen Abenteuer, wo sich 300 edle Damen in der Gewalt von zwei Teufelsrittern befinden. Das Hilfegesuch des Burgherrn lehnt er zwar zunächst ab, kämpft dann aber doch. Gerade noch rechtzeitig erreicht er den Artushof und tritt gegen Gawein an, ohne daß sich die Freunde gegenseitig erkennen. Erst als beide nach langem unentschiedenem Kampf ausruhen müssen, offenbart sich ihre wahre Identität, und sie weigern sich, eine Entscheidung herbeizuführen. Allerdings kann Artus die ältere Schwester vom Schwarzen Dorn durch eine List dazu bringen, ihr Unrecht einzugestehen, und den Streit so gütlich beilegen (5625-7721). Iwein kehrt in die Gemeinschaft der Artusritter zurück, verläßt den Hof aber gleich wieder, um Laudines Gunst zurückzugewinnen. Mit Lunetes Unterstützung kann er diese tatsächlich dazu bringen, sich mit ihm zu versöhnen (55417780).4 32 Textzeugen (15 vollständige Handschriften, 17 Fragmente). Besonders zu beachten sind: A: Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 397, 2. Viertel 13. Jh.; B: Gießen, UB, Hs. 97, 2. Viertel 13. Jh.; P: Köln, Historisches Archiv der Stadt, Best. 7020 (W*) 6, 1. Viertel 13. Jh. [Verse 21-25 u. 1-10 einschließlich der Prologsentenz als Federprobe auf Blatt 119v]; b: Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 391, Mitte 15. Jh.; e: Ergänzung der Textlücken in Hs. B, 1531; f: Dresden, SLUB, Mscr. M 65, 1415; l: London, BL, Ms. Add. 19554, 1468; p: Paris, BNF, Ms. allem. 115, Ende 14. Jh.; r: Rostock, UB, Ms. philol. 81, Anfang 15. Jh.; z: Nelahozeves, Lobkowitzsche Bibliothek, Cod. VI Fc 26, früher Prag, NKP, Cod. R VI Fc 26, 1464-1467. Zugrunde gelegt wird die in der 7. Ausgabe von WOLFF besorgte Textedition BENECKES und LACHMANNS (Hartmann: Iwein). Hinzugezogen ist die kommentierte Ausgabe von MERTENS (Hartmann von Aue: Iwein [Mertens]).

_____________ 4

Zur Analyse der Handlungs- und Erzählstruktur RUH 1977, S. 141-165.

50

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 1 Swer an rehte güete wendet sîn gemüete, dem volget sælde und êre. des gît gewisse lêre künec Artûs der guote

14 sî jehent er lebe noch hiute: er hât den lop erworben, ist im der lîp erstorben, sô lebet doch iemer sîn name.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler eröffnet den Roman mit einer allgemeinen Erfahrung (Prolog).

d 1: güete] zeite.

Der Erzähler setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern König Artus als Vorbild gegenwärtig ist (Prolog).

15: den] ouch dieß b c. ain l. D 15: Das lob hot er. D 16: Vnd. z 16: Im ist. p 17: doch] nach. z 17: Das doch lobet. l 17: name] werder nam.

Die Prologverse 1-10 sind in der vor 1225 datierenden Handschrift P als Federprobe überliefert. Gärtner deutet diese Aufzeichnung als „ein Experimentieren mit dem Layout“ (Gärtner 2003, S. 107).

Paraphrase Wer sich dem Guten zuwendet, dem werden Heil und Ansehen zuteil.

Ruhm bleibt nach dem Tod bestehen.

zu: 1, 14

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

51

Querverweise

15-20; 2770Sentenz 2780; *3969; 4854-856; 6858Verwendung: - (S) Lingua uiri quae sint patientia debita pandit. / Laude manet dignus, qui nititur esse be- 6866; *7171; *7175; 8166. nignus Otloh von St. Emmeram: Liber proverbiorum, l 39f. - (D) Der ps hat dreyer hande schadn, / Da mit so whrt er uberladn: / Der werld ungunst und gotes haz / Die hell verdient, nu merchet daz! / Sein er, sein lob mit im vertamt. / Iַ er hochgetewerten, davon schamt / Euch haubets(nd und missetat. / Hrt, waz der piderbe lones hat: / Der werlde lob und gotes gunst, / In himelreiche, mit vernunst, / Di ewig vreud an ende gar Suchenwirt, 21, 165-175. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 3: „Sentenz“. Chinca/Young 2001, S. 618f: „sententia“. Eikelmann 1998, Nr. 1 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. güete, S. 187: „Sprichwort?“; s.v. slde, S. 342. Haug 1992, S. 122: „charakteristische Sentenz als Prologauftakt“. Hübner 2003, S. 164: „gegen Chrétien vorangestellte Prologsentenz“. Kern 1973, S. 247: „proverbium“. Kern 1974b, S. 21: „Sentenz“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 49f.; S. 71f. Schneider 1994, S. 115: „Sentenz“. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 2.4.1. Die Guten verdienen und empfangen Gutes. Walther, Nr. 13548. Weise 1910, Nr. 246 [führt diese Textstelle an]. Wenzel 2001, S. 100: „Sentenz“. Bätz 2003, S. 72. Chinca/Young 2001, S. 618-626. Cramer 1966. Endres 1966. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 976. Kern 1974a, S. 247. Mertens 1977, S. 352f. Haug 1992, S. 122-127. Hübner 2003, S. 164f. Bindschedler 1963.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) Deyr fé, / deyja frndr, / deyr sjálfr it sama; / en orðstírr / deyr aldregi / hveim er sér góðan getr. // Deyr fé, / deyja frndr, / deyr sjálfr it sama; / ek veit einn / at aldri deyr: / dómr um dauðan hvern Hávamál, 76-77. - (E) der lop wert, sô der lîp vergât Ulrich: Lanzelet, 8680. Verwendung: - (E) in freta dum fluvii current, dum montibus umbrae / lustrabunt, convexa polus dum sidera pascet, / semper honos nomenque tuum laudesque manebunt, / quae cumque uocant terrae Vergil: Aeneis, I, 607-610. - (Br) INVIDE, quid laceras Nasconis carmina rapti? / non solet ingeniis summa nocere dies, / famaque post cineres maior venit Ovid: Ex ponto, 4, 16, 1-3. - (E) Hie vor ein werder fürste was / der zuht und êr ie an sich las / mit milt und ritterlîcher tât, / dâ von sîn lop geblüemet stât / früht iemer unverdorben / im ist der lîp erstorben, / wel nôt? sîn lop doch hôhe swept / wê dem verzagten der sô lept / swenn im der lîp alhie verstirbt, / daz sîn lop mit dem lîb verdirbt Reinfried von Braunschweig, 65-74. - (L) Ir fürsten, ir sult wachen, / diu liute vrölich machen, / mit den ir sult uf erden hie nach eren streben. / ez komt iu heim an ritterlichen sachen: / die herren mit der ritterschaft / vil selten pris bejagen. / Künig Artus mit ritterschaft / vil hohen pris erwarb; / swie daz er doch erstorben si, / sin reinez lop doch nie verdarb / künig Alexander, der ouch hie / in hohen wirden starb Frauenlob, IX, 4, 7-18. - (S) Omnia si perdas, famam servare memento! Werner: Sprichwörter, o 62 (Hs. 15.Jh.). ŒLan 8680 ŒCr 199.

52

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

172 gnâde ist bezzer danne reht.

Kontext

Überlieferung

Keie bittet um Gna- f 172: pezzer vil de und weist Gino- wenn. vers Vorwürfe zurück (Kalogrenants Erzählung).

Paraphrase

Gnade ist wirkungsvoller als strenge Rechtsausübung.

zu: 172

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

53

Querverweise

Literatur: TPMA VIII s.v. NAME 4.2. Guter Name und Ruf lebt nach dem Tode weiter [führt diese Textstelle an]; IX s.v. RUHM 2. Weiterleben des Ruhmes nach dem Tod. Walther, Nr. 10318; Nr. 18492a; Nr. 20032; Nr. 20063; Nr. 27955. Wander III s.v. Name, Nr. 4. Bätz 2003, S. 75. Chinca/Young 2001, S. 619. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 977. Haug 1992, S. 123. Kern 1973, S. 249. Schirok 1999, S 189.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) Der grâve sprach: „Daz muoz sîn / leider mir, die wîle ich lebe. / Gerne ich nach gnaden strebe: / Gnade ist bezzer denne reht. / Ich bin, vrow, din eigen kneht. / Vnd wilt du dich niht erbarmen / Vber dinen armen, / Der ist mer denne halber tôt.“ Die Heidin B, 920-927. - (E) Ob ich mit urlaub reden sol, / So ist genade pesser dan recht. / Ir seyt mein herr, ich pin ewr knecht. / Ich will geren ewr gevangen sein Heinrich von Neustadt: Apollonius, 3321-3324. - (S) Ghenade es beter dan recht. / Dura iusticia gracior est venia Proverbia Communia, 373. Verwendung: - (E) man sol dem sündre / ringen sîne swære / mit senfter buoze, / daz im diu riuwe suoze. / daz reht ist alsô swre, / swer dem sündre / ze vaste wil nâch jagen, / daz enmac der lîp niht wol vertragen. / ob er genâde suochen wil, / gît man im gâhes buoze vil, / vil lîhte ein man dâ von verzaget, / daz er sich aber gote entsaget / und wirt wider des tiuvels kneht. / dâ von gât gnâde vür daz reht. / sus kunde er rehte mâze geben / über geistlîchez leben, / dâ mite der sündre genas / und der guote stte was Hartmann: Gregorius, 3809-3826. - (G) Genade ist pesser den recht. Hoc dicit aliquis, qui multa demeruit et insufficiens est ad reconpensam; puto, quod uxor adulterans et filius seu servus faciens contra patrem vel dominum. Potest autem congrue hoc dicere peccator, qui non habet a se, unde satisfaciat pro eo, quod peccando abstulit […]. Ex quo sequitur, quod abstulit anime pulchritudinem suam […]. Et sic trahit maculam et perdit pulchritudinem. Et sic patet primum. Item bonum naturem stat in debito ordine, ut scilicet sit deo subiecta et tunc sibi subiciuntur alia. Illo autem non facto tunc in peccato tota natura hominis deordinatur. Item tercium patet, quia ante peccatum homo est liber et non obligatur ad penam eternam, ad quam post peccatum obligatur. Sed neutrum potest solvere a se München, BSB, Clm 12296, 195r (Proverbia Fridanci, 221). - (S) Besser ist gnad dann recht. / Man hat mehr verrecht dann errecht. / Nachgeben stillt vil krieg. / Ein wenig weichen vnnd nachgeben stillt offt vil krieg/ vnd kost alles nachgeben nit so vil als ein krig/ darumb spricht man: Rechten ist recht/ aber vnfreuntlich. Das grßt recht ist von seinem rechten weichen/ sonst wirt etwa zu vil recht/ vnrecht Franck: Sprichwörter, II, 178r (S. 442, Z. 26-32). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Iudicium enim sine misericordia illi qui non fecit misericordiam: superexaltat autem misericordia iudicium Iac 2, 13. - Es wird aber ein vnbarmhertzig gericht vber den gehen, der nit barmhertzigkeit than hat, vnnd die barmhertzigkeyt rhumet sich widder das gericht. Luther: Deutsche Bibel, VII (S. 392). ŒGau 2226 ŒETr 7256.

1614-1622; 77037709.

54

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

193 mir ist ein dinc wol kunt: ezn sprichet niemannes munt wan als in sîn herze lêret: swen iuwer zunge unêret, dâ ist daz herze schuldec an.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Kalogrenant verurteilt Keies beleidigende Reden (Kalogrenants Erzählung).

l 194: ezn] fehlt. 194: niemannes] chaines mannes f. yemancz l. 195: wan] Niewant D J. nicht wann f. Nuer l. p 195: also als. b c 195: sîn] daz.

Jeder spricht, wie es ihm sein Inneres eingibt.

zu: 193

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

55

Querverweise

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 2 [führt diese Textstele an]. Friedrich s.v. genâde, S. 162: „Sprichwort“. Graf/Dietherr, S. 397, Nr. 601-603; S. 399: „Mit Rücksicht auf die wohlthätigen Wirkungen der Gnade heißt es geradezu: ‚die Gnade gehe für das Recht’, sei sogar besser als das Recht.“ Hartmann: Iwein (Mertens) S. 982: „gut überliefertes Rechtssprichwort“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Schmidt-Wiegand, S. 147f. TPMA V s.v. GNADE 4.1. Gnade geht (gehe) vor Recht [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 6801. Wander I s.v. Gnade, Nr. 21. Weise 1910, Nr. 88 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 19-26; S. 111-116. Schnell 1991, S. 62. Sieverding 1985, S. 111f.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Mînes vîendes munt / lobet mich ze keiner stunt, / und ist, daz er mir guotes giht, / deist doch in sînem herzen niht. / Ez sî durch wârheit oder durch haz, / son lobt man niemen âne ein daz. / Nieman sol ze langer frist / loben, daz ze schelten ist. / Vil lîhte sprichet der munt, / daz dem herzen ist kunt Freidank, 62, 2-11. Verwendung: - (D) dabî sult ir vil guoten wîp / erkennen wol ir aller lîp, / die übel gên iu sprechent, / gên iu mit worten brechent / ir zuht mit worten zu aller stunt. / sît ofte spricht des mannes munt / als im daz herze ist gemuot. / dabî sint si ze erkennen guot Ulrich von Liechtenstein: Frauenbuch, 1681-1688. - (G) Swaz nu dem senenden hertzen / kan ringen sinen smertzen / und ist beslossen und verrigelt, / in ez geschriben und versigelt / und im ze nhst dan lit / und trost vor allen dingen git, / ez ist joch denn dem hertzen lait / daz dú zúng ez doch ze velt trait. / daz sprichet man ze maniger stunt: / ‚der munt t)t us daz hertze kunt‘ Der Slden Hort, 5723-5732. - (S) Als dat herte denket, so sprikt de munt. / Qualis homo, profert tales e pectore voces Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1302. Vgl. das Sprichwort: - (E) welcherlei das herz vol stee, / das des der munt übergee Hans Rosenplüt: Die Disputation, 357f. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Quae autem procedunt de ore, de corde exeunt, et ea coinquinant hominem: de corde enim exeunt cogitationes malae, homicidia, adulteria, fornicationes, furta, falsa testimonia, blasphemiae Mt 15, 18-19. - Was aber zum munde eraus gehet, das kompt aus dem hertzen, vnd das verunreiniget den Menschen. Denn aus dem hertzen komen arge gedancken, mord, ehebruch, hurerey, dieberey, falsche gezeugnis, lesterung Luther: Deutsche Bibel, VI (S. 73). Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 3 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. munt, S. 302: „Sprichwort“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 191. TPMA VI s.v. HERZ 3.2. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Herz, Nr. 341 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 34 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. MUND, S. 104 [führt diese Textstelle an]. Chinca/Young 2001, S. 622. Haug 1992, S. 129f. Hübner 2003, S. 178f. Kraß 2005, S. 95f. Wenzel 2001, S. 98.

204f.; 837-854.

56

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 206 der humbel der sol stechen

207 ouch ist reht daz der mist stinke swâ der ist

209 der hornûz der sol diezen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Kalogrenant verurteilt Keies beleidigende Reden (Kalogrenants Erzählung).

206: humbel] hiemel c. engel p. himel r. 206 D l: der fehlt. 206 D: mv࢛ s.

Jedes Lebewesen verhält sich gemäß seiner Natur.

Kalogrenant verurteilt Keies beleidigende Reden (Kalogrenants Erzählung).

A 207: ist iz. dar der Jedes Ding verhält mist. sich gemäß seiner r 207f.: Ouch was Natur. in dem hertzen ist Das sprichet der munt ze aller frist. 208: stinke] Vbel si swecher D. Ymmer smecke bc. Smacket p. a c z 208: er. f 208: er ligent ist.

Kalogrenant verurteilt Keies beleidigende Reden (Kalogrenants Erzählung).

209: diezen] bißen a. fehlt p.

Jedes Lebewesen verhält sich gemäß seiner Natur.

57

zu: 206, 207, 209

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise 204f.; *207; *209.

Vorlage: - a mialz vaillant et a plus sage, / mes sire Kex, que je ne sui, / avez vos dit honte et enui, / car bien an estes costumiers. / Toz jorz doit puïr li fumiers, / et toons poindre, et maloz bruire, / et felons enuier et nuire Chrétien: Yvain, 112-118. ŒCr 1498. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 4 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. humbel, S. 228: „Sprichwort?“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VI s.v. HUMMEL 1. Hummeln summen und stechen [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 18660. Weise 1910, Nr. 13 [führt diese Textstelle an]. Daiber 1999, S. 168-170. Kraß 2005, S. 95-97. Reuvekamp 2007, S. 158-165. Wenzel 2001, S. 99.

Sentenz

204f.; *206; *209.

Formulierungstradition: - (D) Wer vil hat/ der will han z) vil / Vß richtum vberm)t entspringt / Richtum gar seltten dem)t bringt / Was soll eyn dreck wann er nit stinckt Brant: Narrenschiff, 67, 74-77. - (S) Was were dreck wenn er nicht stüncke Luther: Sprichwörtersammlung, 347. Vgl. das verwandte Sprichwort: - (Dr) Ie mer man den dreck rurt, ie fester er stinkt Hans Rosenplüt: Fastnachtspiele, 527, 18. - (S) zo men den drec meer ruert so hi meer stinct / Res satis est nota fetent plus stercora mota Proverbia Communia, 799. Vorlage: - a mialz vaillant et a plus sage, / mes sire Kex, que je ne sui, / avez vos dit honte et enui, / car bien an estes costumiers. / Toz jorz doit puïr li fumiers, / et toons poindre, et maloz bruire, / et felons enuier et nuire Chrétien: Yvain, 112-118. ŒCr 1486. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 5 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. DRECK 2.2 Dreck stinkt. 2.2.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Mist, Nr. 34 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 6 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. DRECK, S. 192 [führt diese Textstelle an]. Daiber 1999, S. 168-170. Kraß 2005, S. 95-97. Reuvekamp 2007, S. 158-163. Schirok 1999, S. 194f. Schulze-Busacker 1985, S. 318, Nr. 2410 A1b. Wenzel 2001, S. 98f.

Sentenz Vorlage: - a mialz vaillant et a plus sage, / mes sire Kex, que je ne sui, / avez vos dit honte et enui, / car bien an estes costumiers. / Toz jorz doit puïr li fumiers, / et toons poindre, et maloz bruire, / et felons enuier et nuire Chrétien: Yvain, 112-118. ŒCr 1489.

204f.; *206; *207.

58

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

249 man verliuset michel sagen, man enwellez merken unde dagen.

723 daz kint daz dâ ist geslagen, daz muoz wol weinen unde clagen: alsus clag ich von schulden.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Kalogrenant fordert die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer ein (Kalogrenants Erzählung).

D J l 249: Wand Nur der gute Zuhöman. rer erfaßt den Wert d 249: vil sagen. der Rede. b c 250: man] wan. 250: enwellez] ne williz A B. enwelle D. wolle dann a. welhe b c. wellz dann f. will p. wolle r. wellen z. b c 249-250: vertauscht.

Askalon klagt Kalogrenant wegen der Verwüstung seines Reiches an (Kalogrenants Erzählung).

J 723: Also daz. daz dâ fehlt. b 723: daz fehlt. D l z 723: wirt. p 723: erslagen. f 724: daz fehlt. D J c f p r 724: muoz] mach. a l 724: wol fehlt.

Wem Schaden zugefügt wird, der hat das Recht, sich zu beklagen.

59

zu: 249, 723

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 6 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. humbel, S. 228: „Sprichwort“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VI s.v. HUMMEL 1. Hummeln summen und stechen [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 18660. Weise 1910, Nr. 14 [führt diese Textstelle an]. Daiber 1999, S. 168-170. Kraß 2005, S. 95-97. Reuvekamp 2007, S. 158-165. Wenzel 2001, S. 98f.

Sentenz Verwendung: - (S) Parolle qui n’est escoutee ne vault rien Morawski: Proverbes franPais, 1594 (Hs. 15. Jh.). Vorlage: - des qu’il vos plest; or escotez! / Cuers et oroilles m’aportez, / car parole est tote perdue / s’ele n’est de cuer entandue Chrétien: Yvain, 149-152. ŒDa 21 ŒWigl 82 ŒETr 26. Literatur: Bamberg 1945, S. 35: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 7 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Schneider 1994, S. 115: „Zweite Eröffnungssentenz“. TPMA VI s.v. HÖREN 2.3. Wo nicht gehört wird, nützt das Reden nichts [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Hören, Nr. 92. Weise 1910, Nr. 35 [führt diese Textstelle an]. Haug 1992, S. 130f. Kartschoke 2002, S. 29. Wenzel 2001, S. 97f.

Sentenz Vgl. das Sprichwort: - (L) Ich rate, daz der werde man / alle vrouwen ere. / Ist dar denne iht wankels an, / wer kan (daz) gekeren? / Sleht und reht hat selden eine krümbe: / daz kint daz klaget slege vil, ez enseit och niht, warümbe Anonymus, 24, 4, 1-6 (HMS III, S. 423). - (S) Mal batuz longuement plore Morawski: Proverbes franPais 1159 (Hs. 13. Jh.). Vorlage: - Mes se je puis, sire vasax, / sor vos retornera cist max / del domage qui est paranz; / en viron moi est li garanz / de mon bois qui est abatuz. / Plaindre se doit qui est batuz; / et je me plaing, si ai reison, / que vos m’avez de ma meison /fors chacié a foudre et a pluie Chrétien: Yvain, 497-505. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 8 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. KIND 5.7.4. Das Kind weint über Bestrafung und verschweigt seine Schuld; X s.v. SCHLAGEN 4.4. Wer geschlagen worden ist, beklage sich (nicht). Walther, Nr. 25994. Wander II s.v. Kind, Nr. 218. Weise 1910, Nr. 22 [führt die Textstelle an]. Perennec 1984, S. 17. Schulze-Busacker 1985, S. 240, Nr. 1159, A1b.

202f.

60

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 795 Ich hân einem tôren glîch getân, diu mære der ich laster hân, daz ich diu niht kan verdagen

818 wînes ein becher vol der gît, daz sî iu geseit, mêre rede und manheit dan vierzec unde viere mit wazzer ode mit biere.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Kalogrenant bedauert die öffentliche Preisgabe seiner Niederlage (Kalogrenants Erzählung).

z 795: tôren] tön. A 797: niene. dagen. A a 797: kunde. r 797: getagen. niene fehlt. z 797: niene fehlt. p 795-797: fehlen.

Der Narr kann nicht verschweigen, was ihn bewegt.

Keie belehrt Iwein in spöttischem Ton wegen seines übereilten Entschlusses, Kalogrenants Niederlage zu rächen (Kalogrenants Erzählung).

818: Gutes weins f. Wann wines r. l 819: der fehlt. J 819: der gît] Ver geit. A 820: Mer craft. b 820: und frumkeit. D 821: unde] oder. c 821: Den es tun vier oede. D J b l 822: mit] von beidemal.

Wein macht redselig und übermütig.

61

zu: 795, 818

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Bî rede erkenne ich tôren, / den esel bî den ôren. / Der tôre verhilt deheine frist, / swaz in sîme herzen ist Freidank, 82, 10-13. Verwendung: - (E) Ich tuon reht als die toren, / die da bringent z’oren / swaz in kumet in den muot: / ez si übel oder guot, / si lâzen’z her ûz snallen / und ûz dem munde vallen, / Als man si es gebeten habe; / sus tuon ich tôrehter knabe, / Wan ich mit krankem sinne / eine red‘ beginne, / Diu mir ist ze swre; / ich wil sagen ein mre Ruprecht von Würzburg: Die Treueprobe, 1-12. - (S) Stultus nil celat; quod habet sub corde revelat Werner: Sprichwörter, s 192 (Hs. 15. Jh.). - (S) Der ist ein narre/ der da redet was im einfellet. / [...] / Quintilianus fragt/ wie es zugehe/ daß die ungelerten gesehen werden/ als sind sie mehr beredet denn die recht gelerten/ und gibt solche antwort/ Die ungelerten reden alles auff ein mal/ [...] Wil nu yemand einen weisen vor einem narren erkennen/ so hab er achte darauff/ Redet er was yhm einfellet und unterscheydet es nicht/ so ist er eygentlich ein narr/ helt er aber masse unnd vernunfft/ thut yhm nicht zuvil/ auch nicht zu wenig/ so ist er eygentlich ein weyser man Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 220 (S. 164, Z. 6-30). Vorlage: - Si vos ai conté come fos / ce c’onques mes conter ne vos Chrétien: Yvain, 579f. Literatur: Friedrich s.v. tôre, S. 409. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 989: „Moralisatio“. TPMA VIII s.v. NARR 7.4. Narren (, Kinder und Betrunkene) können nichts für sich behalten (sagen die Wahrheit) Walther, Nr. 30479. Wander III s.v. Narr, Nr. 407. Hübner 2003, S. 179. Kartschoke 2002, S. 29f.

Sentenz Verwendung: - (S) So der wîn kumt in daz houbet, / so ist der muot betoubet Freidank, 94, 11f. - (D) Noê der seit den sünen sîn, / das von dem bûwe empfienge der wîn / mislich kraft. / [...] / swer über die mâsse trinken wil, / sô siht man dike unde vil, / das der wîn wirt sigehaft, / sô das er mislich kraft / an im würket nâch der tiere art, / von der bluot gemachet wart / der mist, als man siht geschriben stân / dâ vor. Ma siht mengen hân / von übrigem wîne des löwen art. / kein löwe nie sô küene wart / noch sô zornig, als vil menger wirt / von übrigem wîn. der wîn ouch birt / an vil mengem des swînes site: / das swîn sich besolwet mite / horwe dike und mit unsûverkeit Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 10779-10799. - (S) Post vinum verba, post imbrem nascitur herba Werner: Sprichwörter, p 88 (Hs. 15. Jh.). - (S) Als die dranc comt so is die reden wt / Quando venit potus cessat sermo quasi totus Proverbia Communia, 3. - (S) QUOD IN CORDE SOBRIJ, ID IN LINGUA EBRIJ. / Was der nüchtern denckt/ das redt der voll. / Der wein ist ein warsager. / Wann der wein nidersitzt/ so schwimmen die wort entpor Franck: Sprichwörter I, 29r (S. 56, Z. 36-39). Vorlage: - Bien pert que c’est aprés mangier, / fet Kex, qui teire ne se pot: / plus a paroles an plain pot / de vin qu’an un mui de cervoise; / l’en dit que chaz saous s’anvoise. / Aprés mangier, sanz remuer, / vet chascuns Loradin tüer, / Et vos iroiz vengier Forré! Chrétien: Yvain, 590-597.

2460-2464.

62

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

823 sô diu katze gevrizzet vil, zehant sô hebet sî ir spil: herre Iwein, alsô tuot ir. rât ich iu wol, sô volget mir. iu ist mit der rede ze gâch: slâfet ein lützel darnâch.

871 ouch enhebet er niht den strît der den êrsten slac gît: unz in der ander vertreit, sô ist der strît hin geleit. ichn wil mich mit dem munde niht gelîchen dem hunde, der dâ wider grînen kan, sô in der ander grînet an.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Keie belehrt Iwein in spöttischem Ton wegen seines voreiligen Entschlusses, Kalogrenants Niederlage zu rächen (Kalogrenants Erzählung).

J 823: Sa wenn. 823: gißet D J b. verißet p. gewurtzet z. B D l p r z 824: so fehlt. 824: zehant sô hebet] So hebt sich zu hant f. Darnach habet z. d 824: ir ein spil.

Wem es zu gut geht, der wird übermütig.

Iwein begründet, warum er die Provokation durch Keie widerspruchslos hinimmt (Kalogrenants Erzählung).

D 871: Ja. p z 871: erhebit. D b f l 871: der. r 871: nit an. r 872: Denn der. 872: eren S. erste z. 873: unz] Vnd alsin A. Wan vnz B d z. Di wile D J S. Biz a Vnd c r. Wan ob l. Bitz das p. 873: in] ez B D S a c p. imz J. yme b l. daz d r. 873: Der den andern f. ime vertreit c. das vertrayt l.

Erst derjenige, der auf eine Herausforderung eingeht, beginnt den Streit.

63

zu: 823, 871

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 9 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. vierzec, S. 426: „Sprichwort?“; s.v. wîn, S. 461: „Sprichwort?“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA XII s.v. WEIN 1.8.1. Wein macht beredt und geschwätzig [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 22071; Nr. 23564. Wander V s.v. Wein, Nr. 175. Weise 1910, Nr. 7 [führt diese Textstelle an]. Schulze-Busacker 1985, S. 270, Nr. 1647, B1b. Wandhoff 1999, S. 114f.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Man siht vil selten rîchez hûs / âne diep und âne mûs. / Swâ junger miuse loufet vil, / dâ hebt diu katze gerne ir spil Freidank, 141,15-18. Vgl. das Sprichwort: - (E) Sic alacer cattus, dum prenso mure iocatur Nivardus von Gent: Ysengrimus, I, 63. - (S) Cattus saepe satur cum capto mure iocatur Werner: Sprichwörter, c 30 (Hs. 15. Jh.). Vorlage: - Bien pert que c’est aprés mangier, / fet Kex, qui teire ne se pot: / plus a paroles an plain pot / de vin qu’an un mui de cervoise; / l’en dit que chaz saous s’anvoise. / Aprés mangier, sanz remuer, / vet chascuns Loradin tüer, / Et vos iroiz vengier Forré! Chrétien: Yvain, 590-597. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 10 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s. v. katze, S. 241: „Sprichwort?“ Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VI s.v. KATZE 7.5. Die (satte) Katze spielt mit der Maus; 13. Wenn die Katze gut genährt ist (ein glänzendes Fell hat), wird sie übermütig (wild) [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 2502. Wander II s.v. Katze, Nr. 534. Weise 1910, Nr. 15 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. KATZE, S. 79 [führt diese Textstelle an]. Schulze-Busacker 1985, S. 266, Nr. 1563, B1a. Woledge 1986.

Sentenz Vgl. das afrz. Sprichwort: - (S) Qui se retourne fait la mellee Morawski: Proverbes franPais, 2136 (Hs. 15. Jh.). Vorlage: - Or, savez vos bien se je mant; / mes je n’ai cure de tancier, / ne de folie ancomancier; / que cil ne fet pas la meslee / qui fiert la premiere colee, / einz la fet cil qui se revange Chrétien: Yvain, 638-643. ŒCr 1493.

815-817.

64

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

z 871: fehlt. z 873: fehlt.

1298 bî sîner genist nim ich war, unz der man niht veige enist, sô nert in vil cleiner list.

Der Erzähler stellt Iweins Rettung vor den Untertanen Askalons als beispielhaftes Geschehen heraus* (Iweins Weg zu Laudine).

*Hartmann: Iwein (Mertens), S. 996: „Der Erzähler ironisiert die wunderbare Rettung Iweins.“

1335 daz im ir minne verkêrten die sinne

Der Erzähler beschreibt die Wirkung Laudines auf Iwein (Iweins Weg zu Laudine).

1299: unz der] Swenne A. Di wile D J R a p r. Das c. Vntz das z. b 1299: eine man. f 1299: vnvaige. 1300: hilfet im J. a f r z 1300: vil fehlt. c 1300: vil] doch ein. 1300: list fehlt p.

Nur der stirbt, dem der Tod bestimmt ist.

c 1335: ir frewlich. Liebe nimmt den 1336: verkêrten] Verstand. Virkerte A D E a c l p r z. Benam vil gar R. J a b c l f 1336: seine. 1336: alle r.

zu: 1298, 1335

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

65

Querverweise

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 11 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Schulze-Busacker 1985, S. 298f., Nr. 2136, A1c. TPMA X s.v. SCHLAGEN 1.3. Wer den ersten Schlag führt, macht noch keine Schlacht [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 52 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Formulierungstradition: - (E) „ […] swer mich wil striten leren, / der sol vil prises han erstriten. / unpris der hat mich noch vermiten, / swie ich nu hie gewirbe. / f(r war ich hiut erstirbe, / oder ich gerite iu so vor / daz min pris vil hohe enbor / m)z vor iwerm prise sweben. / ich will iu die lere geben / und nach dem prise zeigen: / ez sterbent nit wan die veigen.“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 8290-8300. Verwendung: - (E) wirne sculn nicht entwiche / sunter froliche / uon dem wige scaiden. / hi nerstirbet nimen wan di uaigen Pfaffe Konrad: Rolandslied, 8399-7402. - (E) „Daz wer et wir mit swerten“, sô sprach Gêrnôt. / „dâ sterbent wan die veigen: die lâzen ligen tôt. / dar umb ich niht vergezzen mac der êren mîn. / die unsern vîande suln uns willekomen sîn.“ Nibelungenlied, 148, 1-4 (150, 1-4). - (E) stürb ieman wan die veigen / sô wre ich tôt vor maneger zît Die böse Frau, 502f. - (L) Das er oft ainen sterben ltt / Vnrechtes tods in Jungen tagen. / Darumb chain manhait sol verzagen, / W man keckhait sol erzaigen, / Wann es sterben nur die faigen, / Die auch dahaym solten sterben. / Chain man mag preis erwerben, / Der den leib nicht wagen wil Hätzlerin: Liederbuch, 2, 2, 220-227. ŒLan 1612 ŒWigl 10201 ŒCr 20679 ŒGar 8087; 13115 ŒJT 1936,4 ŒUTr 2308. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 109: „Sentenz". Eikelmann 1998, Nr. 12 [führt diese Textstelle an]. Mone 1930, S. 208; S. 212 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TOD 1.4.3. Wer sterben muß, ist nicht zu retten; 4.1.3. Es sterben nur die Todgeweihten. Weise 1910, Nr. 225 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Herzelieber mære / der wart ich vil dicke / von der minneclîchen frouwen mîn. / ich wær âne swære / wan daz ich erschricke: / dur die lieben trage ich senden pîn. / daz ist endelîche wâr: / liebe nimt die sinne, / liebe machet missevar. / wizzet daz ich brinne / in der liebe alse ein gluot Schenk von Limburg KLD Nr. 34, 1, 2, 1-11. - (E) Belobent daz wibes minne / Manegem nimpt die sinne / Als och ainem fuchz beschach / Der sin selbs schatten sach / In ainem sod do nachen. / Er begund dar gachen / Daz jn der sinn entwande / sin wip er sechen wande / Dur jr lieb sprang er dar Fuchs und Wolf, 1-9. Verwendung: - (E) sie jehent, die des hânt bekort, / ez beneme diu minne / vil wîsem man die sinne, / daz er niht wol mac bewarn, / ern müeze dicke missevarn / und sich der êren sô bewiget, / daz er enruochet wâ sîn lop geliget. / des ist diu minne vil gemeit: / sie kan ouch.(deist diu wârheit) / den tumben wol gelêren / sprechen unde tuon nâch êren Otte: Eraclius, 2550-2560. - (E) Mörlin zw einer zeite / kam aus Norchumerlannd. / der künig vil ser sichs frewte. / er tet im seinen kumer gross pekanndt, / wie er pelesstet wär mit starcker mynne / gen der fürstin von Tyntayol, / die im penem mit all nach witz und synne Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 904, 1-7.

1519-1521; 32493256; 3405f.

66

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

1499 er ist ein vil wîser man der tumben gedanc verdenken kan mit wîslîcher getât: swes sin aber sô stât daz er an allen dingen wil volbringen mit den werken sînen muot, daz enist niht halbez guot.

1875 ich weiz baz wâ vonz geschiht daz man sî alsô dicke siht in wankelm gemüete: ez kumt von ir güete.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Lunete weist Iwein wegen seiner Unbeherrschtheit beim Anblick Laudines zurecht (Iweins Weg zu Laudine).

B 1499: Ez. c 1499: Sie sprach. vil fehlt. vnweyser. f 1499: Sie sprach. torat. 1499: vil fehlt J f p. uil ain r. d 1500: Wer. a 1500: tumben] tobende. b r 1500: gedanc] mut. c f 1500: nicht verdencken. 1501: wîslicher] der weisen J. gewisser a. flissiger r.

Wer törichten Gedanken mit vernünftigem Handeln begegnen kann, ist klug.

Der Erzähler rechtfertigt (ironisch) Laudines widersprüchliche Haltung gegenüber Iweins Heiratsangebot (Iweins Weg zu Laudine).

b 1876: sî fehlt. Frauen sind unbe1876: nit stede ständig. insicht p. in wancken gen sicht z. 1877: wankelm] czwifelhaftigeme a. grossem wanckelm c. l 1877: muet. 1878: Daz B E J. Der z. c f 1878: kumt] machet. 1878: von] niht wan von J. fehlt f. z 1877: fehlt. b 1878: fehlt.

67

zu: 1499, 1875

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

ŒEr 3691 ŒLan 4330; 6538 ŒDa 1586 ŒWigl 4156; 9658 ŒCr 8433; 8826 ŒTan 4175 ŒMel 1825 ŒPz 287,9 ŒGTr 12017. Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.2. Liebe nimmt (und verkehrt) Weisheit und Verstand, Vernunft und Sinne. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31. Bätz 2003, S. 145. Hübner 2003, S. 135.

Sentenz

Vorlage: - mes gardez vos de dire outrage, / car qui se desroie, et sormoinne, / et d’outrage feire se poinne, / quant il en a et eise et leu, / je l’apel plus malvés que preu. / Gardez, se vos pansez folie, / que por ce ne la feites mie. / Li sages son fol pansé cuevre / et met, s’il puet, le san a oevre Chrétien: Yvain, 1322-1330.

Literatur: Bamberg 1945, S. 109: „Sentenz“. Bätz 2003, S. 141. Eikelmann 1998, Nr. 13 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 999: „Prologrefrain im Munde Lunetes, die damit Züge einer Autorrepräsentanz bekommt“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. GEDANKE 11. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 94 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WEISE, S. 170 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) non fugis hinc praeceps, dum praecipitare potestas? / iam mare turbari trabibus saevasque videbis / conlucere faces, iam fervere litora flammis, / si te his attigerit terris Aurora morantem. / heia age, rumpe moras! varium et mutabile semper / femina sic fatus nocti se inmiscuit atrae. Vergil: Aeneis, IV, 565-570. Verwendung: - (E) Molt me tarde, molt me demore / que ja la bele me secore. / Or est l’ore, s’est repentue, / car cuers de femme tost se mue Roman d’Eneas, 9957-9960. - (G) Ex facili causa mulier mutatur et aura; / nam brevis est anima, cesarie vesteque longa Proverbia Wratislaviensia, 209 (Hs. um 1412). - (S) Urbs expugnatur, ubi nulla repulsa paratur; / Si locus ipse datur, mulier stabilis variatur Werner: Sprichwörter, u 97 (Hs. 15. Jh.). - (S) Cueur de femme est tost mué Morawski: Proverbes franPais, 435 (Hs. 15. Jh.). Vorlage: - D’or en droit ai ge dit que sages, / que fame a plus de cent corages. / Celui corage qu’ele a ore, / espoir, changera ele ancore; / ainz le changera sanz espoir Chrétien: Yvain, 1439-1443.

1866-1870.

68

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

2153 swer volget guotem râte, dem misselinget spâte. swaz der man eine tuot, und enwirtz dar nâch niht guot, sô hât er in zwei wîs verlorn: er duldet schaden und vriunde zorn.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Lunete fordert Lau- 2153: guotem] seim Wer gutem Rat dine auf, für ihre c. meinem d. weism folgt, hat Erfolg. Heirat mit Iwein die f. irem r. Zustimmung ihrer Untertanen einzuholen (Iweins Weg zu Laudine).

zu: 2153

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

69

Querverweise

Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Achnitz 2000, S. 139: „sentenziöse Form“. Bamberg 1945, S. 14: „Reflexion“; S. 27; S. 115: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 14 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 1.2.1.1. Die Frau ist wandelbar und unbeständig. Walther, Nr. 8252; Nr. 32906. Weise 1910, Nr. 136 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1002. Heimann-Seelbach 2001, S. 270-273. Hübner 2003, S. 187. Kragl 2005, S. 375f. Ranawake 1982, S. 106-108. Ruh 1965, S. 47. Schulze-Busacker 1985, S. 201, Nr. 435, A1c.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) der bischolf sprach: „ich erkenne, / daz ich wîlen dô hôrt, / ein altez sprichwort: / swer volget guotem râte, / dem misselinget spâte; / swaz der man ân rât tuot, / wirt ez hernâch niht guot, / sô hât er zwein enden verlorn: / er dult schaden und friunde zorn. / alsô möht geschehen mir. / die besten friunt sît ir, / die ich ze mînen sachen hân: / swaz iu dunket guot getân, / des sol ich iu volgen. / swer dem andern wr erbolgen, / er solde sich billich kêren, / swer in iht guotes möht gelêren Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 29079-29095. Verwendung: - (E) Rennewart und der markis / die bedahten sich in maniger wis / und volgten dem wisen, / der kunde sie wol gewisen / swaz sich gezoch gein prise. / der getriwe, stte, wise, / swaz der ratet, daz ist g)t. / vil selten ieman misset)t / swer volget g)tem rate. / swaz er geraten hate, / der volge sie beide jahen Ulrich von Türheim: Rennewart, 3017-3027. - (E) Wer in urlig gesigen sol, / der bedarf guotes râtes wol. / wîsheit und râtes meisterschaft / gesigent dik ân überkraft. / daz kraft ân wîsheit nicht enschaft, / daz tuot wol wîsheit âne kraft. / wer mit guotem râte tuot / sîn werk, daz wirt im dicke guot. / vürsichtekeit und guoter rât / nâriuwen ir enwederz hât Boner: Edelstein, 70, 47-56. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Vir consilii non disperdet intellegentiam; / Alienus et superbus non pertimescet timorem: / Etiam postquam fecit cum eo sine consilio, / Et suis insectationibus arguetur. / Fili sine consilio nihil facias, / Et post factum non poenitebis Sir 32, 22-24. - EJn vern(nfftiger Man veracht nicht guten Rat, Aber ein wilder vnd hoffertiger f(rchtet sich nichts, Er habe gleich gethan was er wlle. Thu nichts on Rat, So gerewets dich nicht nach der that. Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 237). ŒDa 6018 ŒCr 6140 ŒJT 1232,1; 2065,1. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 15 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. rât, S. 325: „Sprichwort“. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1005: „Sentenz“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA IX s.v. RAT 5.5 Wer gutem Rat folgt, hat Erfolg [führt diese Textstelle an]; 5.6 Wer gutem Rat folgt, hat keine Reue. Walther, Nr. 3148. Weise 1910, Nr. 120 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. RATH, S. 117 [führt diese Textstelle an]. Henrici 1886, S. 199.

826; 1793-1795; 2020-2024; 45904592; 6154-6156.

70

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 2395 ein ros daz willeclîchen gât, swer ouch daz mit sporn bestât, sô gât ez deste baz ein teil.

2477 ez ist ze vehtenne guot dâ niemen den widerslac tuot.

2485 Ez swachet manec b#se man den biderben swâ er iemer kan: ern begât deheine vrümekheit, und ist im gar ein herzeleit swem dehein êre geschiht.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kommentiert in ironischem Ton die Zustimmung der Untertanen Laudines zur Heirat mit Iwein (Iweins Weg zu Laudine).

a 2395: ors. 2395: Wer willig ist, den vil billich a. E f kann man gut an2396: Der. treiben. 2396: ouch fehlt B D E J b c d f l. ez a. daz fehlt p. das ouch r. a b c l r 2396: den sporn. 2396: slat A. ouch bestat B a d. daz [in E gelöscht] bestat E p. J p r 2397: Iz get. 2397: baz] gerner J. belder b. f 2397: sô […] ein] Daz get noch sneller einen. z 2395-2397: fehlen.

Keie spottet über Iweins Abwesenheit (Artushof im Quellenreich).

K z 2477: ze fehlt. Es ist leicht, ohne 2477: also gvt J. da Widerstand zu gut b. kämpfen. 2478: niemen] man b d f l. fehlt r. d 2478: dâ […] widerslac] dar wider nit. 2478: ne tuot A. nit dut b c d f l. p 2477: fehlt.

bedachte Frau tigt keine Aufsicht. (Artushof im Quellenreich).

p r 2485: swachet] hasset. b c f l p r 2486: biderben] frumen. D J 2486: iemer fehlt.

Der Mißgünstige setzt den Rechtschaffenen herab.

zu: 2395, 2477, 2485

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

71

Querverweise

Sentenz Vgl. das Sprichwort: - (S) men sal die willeghe paerden niet seer vermoeden: / Sit supportatus mannus portare paratus Proverbia Communia, 510. - (S) Willige perde sal men nicht mit sporen stoten. / Non opus est calcar veloci subdere manno Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1239. Vorlage: - Et les proieres rien n’i grievent, / einz li esmuevent et soulievent / le cuer a feire son talant: / li chevax qui pas ne va lant / s’esforce quant an l’esperone; / veant toz ses barons se done / la dame a mon seignor Yvain Chrétien: Yvain, 2145-2151. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Eikelmann 1998, Nr. 16 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. ros, S. 333: „Sprichwort“. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1008: „Sprichwort“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA IX s.v. PFERD 4.4 Sporn und Peitsche treiben das träge und das willige Pferd an [führt diese Textstelle an]; 5.1. Man soll das (gute) Pferd nicht überfordern. Walther, Nr. 18114. Wander III s.v. Pferd, Nr. 335; Nr. 790. Weise 1910, Nr. 16 [führt diese Textstelle an]. Hübner 2003, S. 187. Ranawake 1982, S. 108. Reuvekamp 2007, S. 77-79. Schulze-Busacker 1985, S. 58, Anm. 66. Siewerts 1998, S. 104.

Sentenz Verwendung: - (S) Est pugnare leue ut non repugnat quisque / Es ist gut streytten, wan niemant widerstett Prag, KNP, Cod. 37, 121ra (Hs. 2. Hälfte. 15. Jh.). Vgl. die Rezeption: - (E) Manicher sere kallet / mit red zue aller zeit! / vil leicht er lauttes schallet, / da man im nicht den wider schlage geit! / er möcht schweigen alls ich zue allen dingen: kains ruemes ich mir selb vergich, / wie mir dick thuet an hohem preis gelingen! Fuetrer: Buch der Abenteuer, 4203, 1-7. ŒCr 3830. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 18 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VI s.v. KAMPF 1.12. In günstiger Position lässt sich gut kämpfen [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Streiten, Nr. 23. Weise 1910, Nr. 53 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Verwendung: - (D) Swâ ein frome wîb kumit / unde si ein bôsin ginimit, / diu nah êron ist gizogin, / diu wirt alsô harte bitrogin / wande demo bôsin demo ist leit / allir slahte frumicheit Scopf von dem lone, 77-82. - (D) ich bin von Frîûle geborn / und lâze gar âne zorn / swer âne spot mîn getiht / und mîne tiusche bezzert iht. / ich heiz Thomasîn von Zerklre: / b#ser liute spot ist mir unmre. / hân ich Gâweins hulde wol, / von reht mîn Key spotten sol. / swer wol gevellt der vrumen schar, / der missevellt den b#sen gar. / swer vrumer liute lop hât, / der mac wol tuon der b#sen rât. / ist iemen vrum der rehte tuot, / daz dunket niht den b#sen guot, / wan swaz der vrume guots tuon mac, / daz muoz sîn der b #sen slac Thomasin von Zerclre: Der Welsche Gast, 71-86.

108-112; 140152; 810-814; 4110-4118.

72

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

2498 iedoch sô vürdert er sich, swâ sich der bose selbe lobet; wand niemen vür in gerne tobet, der sîne bôsheit prîse.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Keie spottet über Iweins Abwesenheit (Artushof im Quellenreich).

A J l p r 2498: sô fehlt. 2498: vürdert] wundert d. entert l. vnwirdet r. p 2499: Swa] Do. J 2499: sich der bose] der pös sich. l p r 2499: selbe fehlt. 2500: nieman] ieman A. vngerne ymant p r. 2500: vür in gerne] gerne vur in B d f z. gern fur den andern J. B 2501: hofscheit. b 2498-2501: fehlen.

Der Schlechte muß sich durch Eigenlob selbst in den Vordergrund spielen.

zu: 2498

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

73

Querverweise

- (E) nû vindet man selten âne nît / die b#sen hoveliute. / ichn weiz, waz ez bediute: / als dem gaste wol geschiht, / daz lânt sie âne rede niht. / sie sprâchen offenbre, / daz ez allez ein goukel wre, / dâ mit er umbe gienge. / dern an einen galgen hienge, / der füere im harte rehte mite. / ez was ie der b#sen site, / daz sie den guoten übel sprâchen / und enwesten wazs an in râchen. / daz sie got gehazze Otte: Eraclius, 1220-1233. - (E) iedoch si sanden boten hin / gegen Metzen durch den nît: / den kom er alsô nâhen sît / daz in wol gesâhen die. / [...] / ez was ie der b#sen site / daz man die frumen hazzen tuo. / ez reit der junge recke duo / gegen Metze sîne strâze dan. / durch daz ez in was kunt getân, / sô heten sich ir zwelve dar / (ez was ouch gr#zer niht ir schar) / nâch im gerihtet ûf die slâ: / sie wânden an im ertwingen dâ / allez daz si dûhte guot Biterolf und Dietleib, 2478-2495. ŒLan 7; 7804 ŒWigl 94 ŒCr 22620 ŒETr 3119; 3134 ŒGTr 8395 ŒHTr 3035. Literatur: Bamberg 1945, S. 117: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 19 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. biderbe, S. 118; s.v. bœse, S. 126; s.v. vrum, S. 438. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA X s.v. SCHLECHT 2.2.5. Die Schlechten hassen und schädigen die Guten. Weise 1910, Nr. 109 [führt diese Textstelle an]. Hübner 2003, S. 173f. 39-44; 10401042; 1818f.; 2085f.; 2472Verwendung: - (E) Die wîsen jehent, swer sich lobe / sunder volge, daz er tobe. / nâch der lêre ich kêre / mit 2476. mîner kranken lêre / gegen wîser und an tumber diet. / dise lêre mir beschiet / ein mre, daz mit wârheit / nâch rehter ebenmâze seit, / wie sêre ein man missevert / des ruom sîn lob sô gar verzert / daz man in fürbaz prîset niht / wan als er im selben giht. / des lob hât vil kurzen prîs Rudolf von Ems: Der guote Gêrhart, 37-49. - (S) Merket, swer sich selbe lobet / âne volge, daz der tobet / Mîn eines loben ist ein wiht, / volgents ander liute niht. / Sich selben nieman loben sol; / swer frum ist, den gelobt man wol. / swer sich lobt al eine, / des lop ist leider kleine Freidank, 60, 23 - 61, 6. - (E) ich wne, daz er sêre tobet, / wer unverschult sich selber lobet. / so beite, der nicht welle toben, / unz daz in ander liute loben Boner: Edelstein, 68, 55-58.

Sentenz

Vgl. den biblischen Hintergrund: - Laudet te alienus, et non os tuum; / Extraneus, et non labia tua Prv 27, 2. - Las dich einen andern loben, vnd nicht deinen Mund, Einen frembden, vnd nicht deine eigen lippen Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 89). Vorlage: - „[…] Molt est hardiz qui loer s’ose / de ce dont autres ne l’alose, / ne n’a tesmoing de sa loange, / se ce n’est par fausse losange. / [...] / Ne por qant, certes, bien m’acort / a malvés, qu’il n’a mie tort; / s’il ne le dit, qui le dira? / Tant sa teisent d’ax li hera / qui des vaillanz crïent le banc, / et les malvés gietent au vant / qu’il ne truevent qui por aus mante; / fos est qui se prise ne vante.“ Chrétien: Yvain, 2189-2208. Vgl. die Rezeption: - (E) Manicher sere kallet / mit red zue aller zeit! / vil leicht er lauttes schallet, / da man im nicht den wider schlage geit! / er möcht schweigen alls ich zue allen dingen: kains ruemes ich mir selb vergich, / wie mir dick thuet an hohem preis gelingen! Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 4203, 1-7.

74

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

2702 als ouch die wîsen wellen, ezn habe deheiniu grozer kraft danne unsippiu geselleschaft, gerâte sî ze guote; und sint sî in ir muote getriuwe under in beiden, sô sich gebruoder scheiden.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt die Freundschaft zwischen Iwein und Gawein (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

c 2703: deheiniu] kein trew. 2704: danne] Als f. Das l. A 2705: sî] dy.

Nichts bindet stärker als Freundschaft unter Nichtverwandten.

zu: 2702

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur ŒDa 5354 ŒCr 9855; 9859 ŒGar 4095 ŒJT 869,4; 4558,2; 4558,3. Literatur: Bamberg 1945, S. 117: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 20 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. loben, S. 280. TPMA VIII s.v. LOB 1.7. Eigenlob ist ein Zeichen von Torheit und Eitelkeit. Walther, Nr. 16264. Wander III s.v. Loben, Nr. 117. Weise 1910, Nr. 110 [führt diese Textstelle an]. Schulze-Busacker 1985, S. 298, Nr. 2128, A1b.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) „Willehalm, din got dir sende / swaz dir g)tes zu staten gestê. / des engan dir kein heiden me, / daz wizze, )ber al die heidenshaft. / die triwe hat vil groze kraft / under ungesippen gesellen, / so sie beginnent stellen / ir herze in stte gantze. / ez enwart nie kein fiantze / stter under kunpanen. / heiz mich dinen Kruchanen. / ich t)n mit dienste swaz du wilt […].“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 13690-13701. Verwendung: - (S) Assidue gelidi flant ex affinibus euri Walther, Nr. 1599 (Nürnberg, GNM, Cod. 1966, 12. Jh.; Zürich, Wasserkirche, 58, 275, nach 1172). - (E) Genühtec man an sippeschefte, prüeve in dîme sinne, / wie dîn getriuwer dienest und dîn lûterlîchiu minne / friunde gnuoc gewinne, / die zuo dir in der n#te traben. / ein trûtgeselle ist bezzer danne vil unholder mâge; / dâ von du flîzeclichen des mit dînem dienste lâge, / der sich bî dir wâge, / sô dich die sorge al umbegraben Konrad von Würzburg: Lieder und Sprüche, 32, 136-143. - (S) Frembde leutte thun offt mehr/ denn die blutfreunde. / Diß leret auch die erfarung/ Wo ein man bey frembden leutten eingesitzet / und machet yhm fremhde leutte durch sein geschickligckeyt und trewe zu freunden / so thun sie mehr denn seine eygene blutsverwanten Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 140 (S. 101, Z. 25-30). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Vir amabilis ad societatem / Magis amicus erit quam frater Prv 18, 24. - Ein trewer Freund liebet mehr, Vnd stehet fester bey, denn ein Bruder. Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 61). Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 119; S. 129: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 22 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. BRUDER 2.1. Ein guter Freund ist mehr wert als ein leiblicher Bruder [führt diese Textstelle an]; IV s.v. FREUND 4.4.1. (Wenig) Freunde sind besser und liebevoller als (viele) Verwandte [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 1599. Wander I s.v. Freundschaft, Nr. 45. Weise 1910, Nr. 118 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. GESELLE, S. 53 [führt diese Textstelle an]. Bätz 2003, S. 166. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1011.

75

Querverweise

76

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 2731 wan zewâre ez ist guot, swer gerne vrümeclîchen tuot, daz mans im genâde sage, daz er dar an iht verzage (wan dâ h#rt doch arbeit zuo)

2783 sît iu nû wol geschehen sî, sô bewaret daz dâ bî daz iuch iht gehœne iuwers wîbes schœne.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt Gaweins Dankbarkeit gegenüber Lunete (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

a l p r 2731: wan Man soll dem Tüch[…] guot] Man hat tigen dankbar sein. [hat auch l] michil recht da czu. c 2731: vil guet. 2732: so gerne A. fehlt D. 2732: vrümeclichen] ur)me lichte A. gvetleichen J. fruntlichen b p. frümbkait d. z 2731-2738: fehlen.

Gawein warnt Iwein vor den Nachteilen eines häuslichen Lebens (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

2785: ze hone E. geschne noch geh(ne z. J 2786: fraven.

Die Schönheit der Frau ist gefährlich.

zu: 2731, 2783

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

77

Querverweise

3075f.; *3077; Sentenz 5554-5563; 56825689; 6013-6015; Formulierungstradition: - (E) swer gerne frumiclichen tuot, / der dem lônet, daz ist guot, / in lust der arbeit dester baz. 7746-7748. / die Stîrr wol verdienten daz / des tages - si teten frumiclich - / daz si der kunic solt machen rîch / umb ir frumiclich gebârd. / wand dô der strît erhaben wart, / des wart gen in begunnen Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 7302-7310. Verwendung: - (E) Swaz ein man durch guoten muot / ze guote in guotem muote tuot, / des sol man im ze guote jehen, / wan ez in guote muoz geschehen. / swen sîn gemüete lêret / daz er ze gote kêret / herze sinne unde muot, / daz er daz beste gerne tuot / der hüete an dem guote sich, / sô ist ez guot und lobelich Rudolf von Ems: Der guote Gêrhart, 1-10. - (S) Ein b#ser man mê êren gert, / dan er sich selben dunke wert. / Swer der frumen hulde hât, / der tuot der b#sen lîhten rât. / Den frumen man iemer loben sol, / sô tuot er deste gerner wol; / den b#sen nieman sol vertragen, / man sol in doch ir laster sagen Freidank, 89, 20-27. ŒLan 2445 ŒDa 4964 ŒGTr 5. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 120: „Sentenz“; S. 123: „Regel“. Eikelmann 1998, Nr. 23 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.4. Wohltat verdient Dankbarkeit [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Wohlthat, Nr. 3. Weise 1910, Nr. 24 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) ez ist doch war ein wortelin: / ‚sch#ne daz ist h#ne‘ Gottfried: Tristan, 17802f. - (S) Wîbes schœne manegen hât / verleit ûf grôze missetât. / Der wehsel nieman missezimt, / swer guot für die sch#ne nimt. / Man siht vil manege sch#ne, / diu doch ist vil h#ne. / Adâm unde Samsôn / Dâvît unde Salomôn / die heten wîsheit unde kraft, / doch twanc si wîbes meisterschaft Freidank, 104, 16-25. Verwendung: - (E) er iruolte daz altsprochene wort; / ia ist gescrieben dort: / ‚under sconem schade luzet, / iz en ist nicht allez golt daz da glizzit.‘ / Genelun was michel unde lussam, / er muse sine nature began. / michels boumes schone / machet dicke hoene: / er dunchet uzzen gr)ne, / so ist er innen d)rre; / so man in nieder meizzet, / so ist er w)rmbeizech, / er ist innen u)l unde )ble getan. / daz bezeichenet den man / der uzen wole redet / unde ualches in deme herzen phleget Pfaffe Konrad: Rolandslied, 1956-1971. - (L) Frouwe, diu mir vor in allen / wîlent muoste wol gevallen, / noch vernemt ein liedelîn: / ir sît âne lougen sch#ne, / doch ist sch#ne dicke h#ne; / daz ist leider an iu schîn. / nû wil ich mîn singen kêren / an ein wîp diu tugende lêren / kan und alle fröide mêren: / seht, der diener wil ich sîn Ulrich von Winterstetten KLD Nr. 59, 9, 3, 1-10. - (E) Nummet abir er ein wîp z)r e, / „E was im wol, nu ist vm we“, / zihet yn maniger m)ter kint. / Blibet er ane, man sprichet: „Er vindt / keine, die vn wulle nehmen“. / Nimpt er ein hezzelich, er hat ein schemen. / Ist si schone, / so ist sie hne; / er muz ir undertenig weren Wer kann allen recht tun, 119-127. - (E) Vnd sprach nain frowe rain / In minem mut ich daz main / Das mich fröwt vnd tut so wol / Das ich vch an sechen sol / Mit ganzem lust und willen / Daz mag mich nit befillen / Doch üwers libes schön / Wil werden mir ze hön / Mit gantzem lait vnd vngemach / Das ich wird an fröden swach Der geprüfte Minner, 133-142. - (S) Schön ist gern hön. / Si bene formosum credo stibio maculosum St. Galler Proverbien, 46 (Hs. 15. Jh.).

78

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

2838 dâ horet grôz kumber zuo, swer daz hûs haben sol

2850 der wirt hât wâr, und doch nicht gar. daz hûs muoz kosten harte vil: swer êre ze rehte haben wil, der muoz deste dicker heime sîn

2890 ein wîp die man hât erkant in alsô sttem muote, diun bedarf niht mêre huote niuwan ir selber êren.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Gawein warnt Iwein vor den Nachteilen eines häuslichen Lebens (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

J 2838: Ja. 2838: sorge B E. angest J. sorge und kumer a. weiß got sorge b d. a 2839: Der. z 2839: fehlt. r 2838-2839: fehlen.

Wer einen Haushalt führt, hat große Sorgen.

Gawein warnt Iwein vor den Nachteilen eines häuslichen Lebens (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

B D E b c d f 2852: Der. D c l 2852: êre] ez. J a f r 2852: ze fehlt. J 2852: drinne haben. D J 2853: Er. 2853: muoz] Vnd muß b. müsse p. 2853 B D E J b c l: ofter. 2853: da heyme dester dicker [offte r] a r. offter haben synn d. deste kerner affter heime p.

Wer einen Haushalt vorbildlich führen will, muß anwesend sein.

Gawein begründet, warum Iwein unbesorgt auf Turnierfahrt gehen kann (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

J 2890: vrawen. a 2891: stetigeme. A D a z 2892: Die ne darf. 2892: niht mêre] nummer c. chainer f. nicht l. b 2890-2893: fehlen.

Die auf ihr Ansehen bedachte Frau benötigt keine Aufsicht.

zu: 2838, 2850, 2890

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

79

Querverweise

Vgl. den biblischen Hintergrund: - Fallax gratia, et vana est pulchritudo Prv 31, 30. - Gonst ist falsch vnd sch#ne ist eytel Luther: Deutsche Bibel, X 2 [1524] (S. 102). ŒGar 894 ŒTan 2893; 17654 ŒPz 514,17 ŒGTr 17802 ŒHTr 3919. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 24 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. sch#ne, S. 352. Singer 1947, S. 60f. TPMA X s.v. SCHÖN 2.1. Schönheit ist gefährlich und trügerisch. Wander IV s.v. Schönheit, Nr. 13. Bamberg 1945, S. 124.

Sentenz

*2850; 65386541.

Verwendung: - (S) Tout a mestier en mesnage Morawski: Proverbes franPais, 2384 (Hs. 15. Jh.).

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 25 [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Haus, Nr. 455. Weise 1910, Nr. 46 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 26 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 47 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Swie sêre ein wîp behüetet sî, / dannoch sint ir gedanke frî. / Dehein huote ist sô guot, / sô die ein wîp ir selbe tuot. / [Der b#sen wîp man hüeten sol, / die frumen hüetent selbe ir wol.] / Unrehtiu huote / kumt selten ze guote Freidank, 101, 5-12. Verwendung: - (D) DVRE uir, imposito tenerae custode puellae / nil agis: ingenio est quaeque tuenda suo. / si qua metu dempto casta est, ea denique casta est; / quae, quia non liceat, non facit, illa facit Ovid: Amores, III, IV, 1-4.

*2838; 65386541.

80

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

2960 Daz scheiden tete ir herzen wê

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler beb 2960: Irem schreibt Laudines herczen dete daz Schmerz bei Iweins scheiden. Abschied (Artushof im Quellenreich / Gawans Rat).

Paraphrase

Der Abschied von einem geliebten Menschen bereitet Schmerz.

zu: 2960

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

81

Querverweise

- (D) Ich wil dîn, tohter, hüeten niht: / dîn stter muot dîn hüeten muoz. / [...] / diu huote prüevet dicke schaden: / swer hüetet anders, danne er sol, / der wil ze hûs unêre laden. / Ein reinez wîp in tugenden wert, / diu wol ir êren hüeten kan / und niht wan stter triuwen gert, / die sol man selbe hüeten lân. / man sol die huote heben an / an einem wîbe tumber site, / diu niht ir selber êren gan Winsbeckin 29, 1 - 30, 7. - (E) An swachen frowen ist alle huote gar verlorn. / und hete ein man sîn hundert tûsent eide gesworn, / sîn huote hülfe in niht, im müeste wahsn ein horn, / swanne ein swache frouwe wil, er kan sich niht gefristen. / Ez enwart bezzer huote nie ûf erden / wane die ein reinez wîp ir selber tuot Kolmarer Liederhandschrift, 55, 96-101. ŒLan 5879 ŒCr 10327 ŒGTr 17871; 17873. Literatur: Bamberg 1945, S. 127: „Sentenz“. Friedrich s.v. hüeten, S. 228: „Sprichwort?“. TPMA III s.v. FRAU 1.13.2.2. Die (gute) Frau ist selbst ihre beste Hüterin; 1.13.2.3. Die böse (unkeusche) Frau kann man nicht hüten, die gute (keusche) Frau braucht man nicht zu hüten [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Frau, Nr. 46. Weise 1910, Nr. 137 [führt diese Textstelle an]. Bätz 2003, S. 168. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1013. Siewerts 1998, S. 106f.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Scheiden, daz tuot wê und muoz doch sîn. / ich muoz den tôt erlîden, / sol ich si lenger mîden, / die vrouwen mîn: / sie ist so fîn! Winli, 3, 1-5. Verwendung: - (E) ich wn, ez t)t vil we der segen / den ein liep dem liebe t)t, / so uf sheiden stat ir m)t / mit libe und mit herzen; / ez zerf)ret herzen smerzen, / so sie wider gesament sich Ulrich von Türheim: Rennewart, 16582-16587. - (L) Nun ker herwider, trautt geselle mein, / Dein schaiden pringt mir sicher pein. / Der wachter rüffet aber me: / Von hertzen liebe schaiden, das t)t we! / Doch pesser wär ein zuuersicht, / Dann das es nymmer mer geschicht. / Da taget es wunneclich Hätzlerin: Liederbuch, 1, 9, 2329. - (E) Et cetera. So gie daz lied, / Bis daz ieder seinen hiet, / Die da warent an dem tantz. / Da mit so was die fröde gantz. / „Do sprungen plüemlen durch den cle, / von liebe schaiden daz tuot we,“ sungen sei da in dem gras Wittenwiler: Der Ring, 6356-6362. - (L) Ach senliches leiden, / meiden, neiden, schaiden, das tüt we, / besser wer versunken in dem see. / zart minnikliches weib, / dein leib mich schreibt und treibt gen Josophat. / herz, müt, sin, gedanck ist worden mat. / es schaid der tod, / ob mir dein gnad nicht helfen wil / auss grosser not Oswald von Wolkenstein, 51, I, 1-10. - (S) van lieuen vrienden eest quaet scheyden / Rebus ab amatis dolor est abscedere gratis Proverbia Communia, 736. - (S) Ye elter/ ye kerger. / […] Darumb ist diß wort eyn beweisung unser aller schwacheyt / wie wir so garnichts g)ts vermgen von uns selbs / ich halt aber es sey die ursach / daß sie das am hchsten lieben / das sie verlassen sollen / wie das sprichwort lautet / Scheyden th)t wehe Denn unser Herrgott machet es gern also / daß wenn man eyn ding am liebsten hette / so muß man es verlassen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 671 (S. 487, Z. 8-21). Literatur: Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1015: „sentenzhafter Kommentar“. TPMA X s.v. SCHEIDEN 4. Scheiden tut weh (fällt schwer). 4.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]; 4.2. Speziell. Trennung von geliebten Menschen (Dingen) ist schwer und schmerzlich. Walther, Nr. 26374. Wander IV s.v. Scheiden 10 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. SCHEIDEN, S. 131 [führt diese Textstelle an].

328-330; *6513.

82

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 2964 mit lachendem munde truobeten im diu ougen.

3031 durch nôt bescheid ich iu wâ von: wan diu werlt ist des ungewon, swer vrumen gesellen kiese, daz er dar an verliese. zewâre geschach ez ê nie, ez geschach doch im, und sage iu wie. 3077 swer gerne vrümeclîchen tuot, der dem gnâdet, daz ist guot: in gezimt der arbeit deste baz.

Kontext Der Erzähler beschreibt Iweins Schmerz beim Abschied von Laudine (Artushof im Quellenreich / Gaweins Rat).

Überlieferung

Paraphrase Hinter Freude verbergen sich oft Sorgen.

Der Erzähler deutet voraus, daß Iwein durch Gaweins Rat in Schwierigkeiten geraten wird (Artushof im Quellenreich / Gawans Rat).

f 3032: des] sein ye. Durch einen guten b 3033: vrumen] Freund gerät man guten. nicht ins Unglück. A 3033: sellen ge kiese. 3034: er dar an] dar an iht D E a p r. der an nyemt f. davon nicht l.

Der Erzähler lobt Artus' Dank für Iweins und Gaweins ritterliche Taten (Iweins Wahnsinn).

l 3077: Wan wer. Man soll dem Tüch3077: tigen dankbar sein. vrümeclîchen] frumkeit a. fruntlichen b. D 3078: Swer. E 3078: den. p z 3077-3078: fehlen.

83

zu: 2964, 3031, 3077

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf eine Sentenz

Querverweise 4403-4431.

Formulierungstradition: - (S) Daz herze weinet manege stunt, / sô doch lachen muoz der munt Freidank, 32, 15f. Verwendung: - (L) Sô der lîb der welte lachet, / so ist ez umb daz herze alsô, / daz ez in den sorgen krachet: / sölcher fröide bin ich vrô! / möcht ich trôst von liebe erringen, / sô hette ich mit beiden wârer, gantzer fröiden pflicht Meister Heinrich Teschler 11, II, 5-11 (SMS 21). - (S) Sunt qui ridenti respondent omnia vultu, Quamvis possideat interiora dolor Werner: Sprichwörter, s 220 (Hs. 15. Jh.). - (S) Tel rit et fait bonne chiere qui est courcé et dolent en cueur Morawski: Proverbes franPais, 2369 (Hs. 15. Jh.). ŒDa 3914. Literatur: TPMA VII s.v. LACHEN 2.4. Mit dem Mund (Nach außen) lachen, im Herzen (darunter) weinen und traurig sein [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. HERZ, S. 67 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

3029f.

ŒWigm 4309. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 129: „Sentenz“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. GESELLE 6.4. Hoher Wert und Nutzen der Gesellschaft. 6.4.1. Allgemein. Weise 1910, Nr. 119 [führt diese Textstelle an]. *2731; 3075f.; 5554-5563; 56825689; 6013-6015; Formulierungstradition: - (E) swer gerne frumiclichen tuot, / der dem lônet, daz ist guot, / in lust der arbeit dester baz. 7746-7748. / die Stîrr wol verdienten daz / des tages - si teten frumiclich - / daz si der kunic solt machen rîch / umb ir frumiclich gebârd. / wand dô der strît erhaben wart, / des wart gen in begunnen Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 7302-7310.

Sentenz

Verwendung: - (E) Swaz ein man durch guoten muot / ze guote in guotem muote tuot, / des sol man im ze guote jehen, / wan ez in guote muoz geschehen. / swen sîn gemüete lêret / daz er ze gote kêret / herze sinne unde muot, / daz er daz beste gerne tuot / der hüete an dem guote sich, / sô ist ez guot und lobelich Rudolf von Ems: Der guote Gêrhart, 1-10. - (S) Ein b#ser man mê êren gert, / dan er sich selben dunke wert. / Swer der frumen hulde hât, / der tuot der b#sen lîhten rât. / Den frumen man iemer loben sol, / sô tuot er deste gerner wol; / den b#sen nieman sol vertragen, / man sol in doch ir laster sagen Freidank, 89, 20-27. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 123; S. 129; S. 154: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 27 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.4. Wohltat verdient Dankbarkeit [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Wohlthat, Nr. 3. Weise 1910, Nr. 249 [führt diese Textstelle an].

84

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

Kontext

Der Erzähler kommentiert in ironials in der huonger bestuont, schem Ton Iweins sô teter sam die tôren tuont: Leben in der Wildnis (Iweins Wahnin ist niht mêre witze kunt niuwan diu eine umbe den munt. sinn). 3267

3279 sîn salse was diu hungers nôt, diuz im briet unde sôt daz ez ein süeziu spîse was, und wol vor hunger genas.

Der Erzähler kommentiert in ironischem Ton Iweins Leben in der Wildnis (Iweins Wahnsinn).

Überlieferung

Paraphrase

D 3269: in] Den. Der Narr denkt nur A 3269: ne ist. ans Essen. a 3269: wisheit. b 3269: in […] kunt] Den wirt nymer wiß kunt. 3270: Wan B D E b l p r z. Wenn a. r 3270: diu] das. z 3270: eine] alein.

3279: salse] salbe J. Hunger läßt einfache smalcz a z. Speisen gut schmeb f l 3279: diu] des. cken.

85

zu: 3267, 3279

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Der frume sorget sêre / umb liute, guot und êre, / der minner umbe minne, / der girege umbe gewinne, / der tôre sorget alle tage / wie er brîen vil bejage Freidank, 58, 17-22. Verwendung: - (L) ouch hat der wise ein arbeit / die nie dehein tore erleit, / ob er ie liebes wart gewent, / so sich dar nach sin herze sent. / des hat der tore ein bezzer leben: / got hat im lihten sin gegeben, / sin senfter sin ist sorgen fri; / waz senelicher kumber si, / daz ist im gar unerkant: / ein stücke brotes in der hant / ist älliu sin minne Das Büchlein, 201-211. - (S) Swenne ein tôre kse hât / son ruochet er, wie das rîche stât Freidank, 83, 27 - 84, 1. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Eikelmann 1998, Nr. 29 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. NARR 8.1. Narren essen und trinken gern. Weise 1910, Nr. 95 [führt diese Textstelle an]. Hübner 2003, S. 141.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (G) uuánda mir suôzze ist dîn gnâda. In sô mîchelên arbêiten bîn ih . daz mir nôte suôzze sî dîn gnâda. Mîchel húnger tuôt prôt suôzze. mîchel arbêite tuônt cnâda suôzza Notker III. von St. Gallen: Der Psalter II, 238, 13-16. - (S) Swer âne hunger ezzen sol, / dem wirt mit spîse selten wol. / Sô satez kint niht ezzen mac, / sô bittert ime des honeges smac; / swem aber wê der hunger tuot, / den dunket sûriu spîse guot Freidank, 124, 23 - 125, 4. Verwendung: - (E) „[…] herre, ich was in hungers dol. / daz han ich nu geb(zzet. / der hunger die spise s(zet, / die niht so s(ze wre, / so der buch niht st)nde lre. / der groze hunger mir gebot / daz ich han gezzen iwer brot. / daz t)n ich nymmer mere.“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 1077210779. - (S) Der hunger ist eyn guter koch. / Eyner hungerigen seelen ist alles bitter/ suesse/ sagt Salomon. Eyner hungerigen maus ist das mehl auch suesse/ Man darff eynem hungerigen nicht vil die speise wurtzen es schmeckt alles wol/ denn der hunger kochet yhm selbs/ und machet yhm die speyse schmackhafftig/ also daß er keinen mangel daran findet. Freydanck sagt/ Wem der hunger weh thut / Den dunckt eyn yeglich speiß gut. / Der hunger ist der beste koch / Der ye ward und ist auff erden noch Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 147 (S. 104, Z. 1-12). Vorlage: - n’avoit mie .xx. solz costé / li sestiers don fu fez li pains, / qu’a toz mangiers est force fains / desatranpree et desconfite; / tot menja le pain a l’ermite / mes sire Yvains, que boen li sot Chrétien: Yvain, 2849-2853. Vgl. das Sprichwort: - (S) Der hunger ist der beste koch, / der ie wart oder wirdet noch Freidank, 124, 17f. ŒWigm 1070.

*3306.

86

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

3306 daz suozt im diu hungers nôt; wand er dâ vor, daz got wol weiz, sô jmerlîches nie enbeiz.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kommentiert in ironischem Ton Iweins Leben in der Wildnis (Iweins Wahnsinn).

DEabcdflprz 3306: suozt] bvzte. 3306: Des E J a f l p r z. do f.

Hunger läßt einfache Speisen gut schmecken.

87

zu: 3306

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. hunger, S. 228. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1019: „Sprichwort“. TPMA VI s.v. HUNGER 4.9.1.2. Hunger ist die beste Würze [führt diese Textstelle an]; 4.9.2.1. Hunger macht auch Bitteres und Unschmackhaftes süß und wohlschmeckend. Walther, Nr. 3804. Wander II s.v. Hunger, Nr. 80. Hübner 2003, S. 141. Mohr 1971, S. 77. Reuvekamp 2007, S. 116f.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (G) uuánda mir suôzze ist dîn gnâda. In sô mîchelên arbêiten bîn ih . daz mir nôte suôzze sî dîn gnâda. Mîchel húnger tuôt prôt suôzze. mîchel arbêite tuônt cnâda suôzza Notker III. von St. Gallen: Der Psalter II, 238, 13-16. - (E) „[…] herre, ich was in hungers dol. / daz han ich nu geb(zzet. / der hunger die spise s(zet, / die niht so s(ze wre, / so der buch niht st)nde lre. / der groze hunger mir gebot / daz ich han gezzen iwer brot. / daz t)n ich nymmer mere.“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 1077210779. Verwendung: - (S) Swer âne hunger ezzen sol, / dem wirt mit spîse selten wol. / Sô satez kint niht ezzen mac, / sô bittert ime des honeges smac; / swem aber wê der hunger tuot, / den dunket sûriu spîse guot Freidank, 124, 23 - 125, 4. - (S) Der hunger ist eyn guter koch. / Eyner hungerigen seelen ist alles bitter/ suesse/ sagt Salomon. Eyner hungerigen maus ist das mehl auch suesse/ Man darff eynem hungerigen nicht vil die speise wurtzen es schmeckt alles wol/ denn der hunger kochet yhm selbs/ und machet yhm die speyse schmackhafftig/ also daß er keinen mangel daran findet. Freydanck sagt/ Wem der hunger weh thut / Den dunckt eyn yeglich speiß gut. / Der hunger ist der beste koch / Der ye ward und ist auff erden noch Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 147 (S. 104, Z. 1-12). Vorlage: - n’avoit mie .xx. solz costé / li sestiers don fu fez li pains, / qu’a toz mangiers est force fains / desatranpree et desconfite; / tot menja le pain a l’ermite / mes sire Yvains, que boen li sot Chrétien: Yvain, 2849-2853. Vgl. das Sprichwort: - (S) Der hunger ist der beste koch, / der ie wart oder wirdet noch Freidank, 124,17f. ŒWigm 1070. Literatur: Friedrich s.v. hunger, S. 228. TPMA VI s.v. HUNGER 4.9.1.2. Hunger ist die beste Würze; 4.9.2.1. Hunger macht auch Bitteres und Unschmackhaftes süß und wohlschmeckend. Walther, Nr. 3804. Wander II s.v. Hunger, Nr. 80. Hübner 2003, S. 141. Mohr 1971, S. 77. Reuvekamp 2007, S. 116f.

*3279.

88

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 3320 nu erzeicte der tôre zehant daz der tôre und diu kint vil lîhte ze wenenne sint.

3547 swer sich an troume kêret, der ist wol gunêret. Troum, wie wunderlich dû bist! dû machest rîche in kurzer vrist einen alsô swachen man der nie nâch êren muot gewan: swenner danne erwachet, sô hâstû in gemachet zeinem tôren als ich.

3580 ich möhte mich wol ânen rîterlîches muotes: lîbes unde guotes der gebristet mir beider.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kommentiert in ironischem Ton Iweins Leben in der Wildnis (Iweins Wahnsinn).

3321: der tôre] die Kinder und Narren toren B D E J b c d. sind leicht an alles torn f. baide torn l. zu gewöhnen. f l 3321: diu fehlt. f 3322: vil] Gar.

Iwein ermahnt sich selbst, nicht von einem ritterlichen Leben zu träumen (Iweins Wahnsinn).

b f 3547: Der. f 3548: Vnd ist. r 3548: wirt. D 3548: ist benamen. d 3548: geweret. E a p z 3547-3548: fehlen.

Wer an Träume glaubt, setzt sein Ansehen aufs Spiel.

Iwein reflektiert die Unvereinbarkeit seiner ritterlichen Gesinnung mit seiner äußeren Erscheinung (Iweins Wahnsinn).

a 3581: rîterlîches] Etlichis. f 3582: Leibes vnd auch gutes. c f 3583: der […] beider] Alsolichen kumber leit er.

Ein Ritter braucht Stärke und Besitz.

zu: 3320, 3547, 3580

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

89

Querverweise

Sentenz Verwendung: - (S) Chindl vnd v rl verwent man leicht. / Plene consuescit homo porcum dum invenescit Freidank (Graz) 282. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 132: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 30 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GEWOHNHEIT 1.4. Kinder und Narren (Ferkel) lassen sich leicht gewöhnen [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 96 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. THOREN, S. 148 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Verwendung: - (D) Somnia nec cures; nam mens humana, quod optat, dum vigilat, sperat, per somnum cernit id ipsum Disticha Catonis, II, 31. - (D) Du solt niht tröume ruochen; / wir lesen an den buochen, / der troum sî wan üppikeit. / Ouch hant die wîsen uns geseit, / des ein man wachende ger, / daz in des lîhte ein troum gewer Der deutsche Cato, 331-336. - (E) „Swer sich an troume wendet“, sprach dô Hagene, / „der enwéiz der rehten mre niht ze sagene, / wenn ez im ze êren volleclîchen stê […]“ Nibelungenlied, 1507, 1-3 (1510, 1-3). Vgl. die Sentenz: - (E) ich h#r die wîsen jehen / daz tröume dicke triegen / und trugenlîche liegen Reinfried von Braunschweig, 13422f. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Multos enim errare fecerunt somnia, / Et exciderunt sperantes in illis Sir 34, 7. - Denn trewme betriegen viel Leute, vnd feilet denen, die darauff bawen. Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 241). ŒEr 6019 ŒWig 5808 ŒJT 51,1; 51,3. Literatur: Bamberg 1945, S. 132: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 32 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 173, S. 173f. [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TRAUM 2.1. Man soll Träume nicht beachten (Träumen nicht glauben oder vertrauen) [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 30027; Nr. 30028. Wander IV s.v. Traum, Nr. 16 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 19 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. TRAUM, S. 150 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1021f. Hübner 2003, S. 141f. Kraß 2006, S. 120. Müller 2007, S. 241-245. Wehrli 1969. Wolf 2007, S. 186f.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (L) Nieman ritter wesen mac / drîzec jâr und einen tac, / im gebreste muotes, / lîbes alder guotes. / lîbes alder guotes, / im gebreste muotes, / drîzec jâr und einen tac / nieman ritter wesen mac Walther von der Vogelweide, 58, VI, 1-8 (L 88, 1-8). - (S) Nieman ritter wesen mac / drîzec jâr und einen tac, / im gebreste guotes, / lîbes oder muotes Freidank, 57, 6-9. - (G) sit daz der ritter ab nimpt / stete sunder sinen dank / und dú natur ist also crank / daz nieman ritter wesen mag / vierzig jar und ainen tag, / im gebrest m)tes, / libes oder g)tes, / des sol sich nieman inder jugent / sumen an de kainer tugent Der Slden Hort, 6382-6390.

827-831; 35693572.

90

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

3676 waz hilfet älliu huote? wan daz man niht behalten sol, daz verliuset sich wol.

3691 niemen habe seneden muot umbe ein verlornez guot des man niht wider müge hân. hie mite was der zorn ergân.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Die Dienerin erzählt eine Lügengeschichte über den Verlust der Zaubersalbe (Die Dame von Narison).

B b l 3677: swaz. l 3677: niht fehlt. A 3677: behahten. a 3677: Daz nicht behaltin wesin sol. p 3677: fehlt. z 3678: verliuset sich wol] verkuࡋ set man nit. D 3678: chan sich selbe verliesen. 3678: wol] alzeit c. leicht l.

Die Dame von Narison sieht der Dienerin den Verlust der Zaubersalbe nach (Die Dame von Narison).

A 3691: habe] ne Man soll nicht um hebe einin. das Verlorene trauD 3691: Ovch habe ern. nieman. 3692: ein] dehein so E. ein so J. ein gar b. D 3693: man] er. a d 3693: müge] mag. A 3693: wider niht ne moge han. a l 3693: hân] gehan. f 3693: müge hân] pringen chan. B l 3691-3694: unterstrichen.

Was man nicht behalten soll, verliert man.

91

zu: 3676, 3691

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: TPMA IX s.v. RITTER 1.2. Der Ritter muß Besitz, körperliche und geistige Stärke haben [führt diese Textstelle an]. Hübner 2003, S. 141f. Müller 2007, S. 241-245. Singer 1947, S. 25.

Sentenz

*3691.

Vorlage: - Ha! dame, or dites vos molt bien / que ce seroit trop vileins geus / qui feroit d’un domage deus Chrétien: Yvain, 3124-3126. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 33 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. behalten, S. 112: „Sprichwort?“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. HALTEN 2.3. Es ist schwierig zu behalten, was man nicht behalten soll [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Behalten, Nr. 13. Weise 1910, Nr. 226 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. HUTH, S. 76 [führt diese Textstelle an]. Schulze-Busacker 1985, S. 221, Nr. 784, A1c.

Sentenz Verwendung: - (E) Dô sprach aver daz vogelîn: / „Nu merke wol die rede mîn: / Daz dû niht mügest gevâhen, / darnâch ensoltû niht gâhen. / Swaz sô dû verliesest, / ob dû daz selbe kiesest / daz dûz niht mügest wider hân, / daz enlâ dir niht ze nâhe gân. / Swer dir saget ein mære / daz unmügelich wre, / saget man dir daz iemer, / daz engloube niemer. / Disiu driu gebot hüete wol, / nu ich dir alsus râten sol.” Otto II. von Freising, 3879-3892. - (E) Darnach dy kunigein pey irem herren lag / und maniger hand freuden er mit ir pflag. / sy sprach: „kunig Walgunt, liebr herre mein, / wie sol man darzu geparen, das nicht anders mag gesein / Und auf der weld chan niemant undrstan?“ / des antbort ir der herre: „das sol man varen lan.“ / „des gebt mir ewr trewe, das es mug stet gesein.“ / er sprach: „ich brich es nymer, viel liebe frawe mein.“ Wolfdietrich B, 198, 1 - 199, 4. Vorlage: - s’en ot la dame molt grant ire / et dit: „Ci a molt leide perte, / que de ce sui je tote certe / qu’ele n’iert ja mes recovree. / Mes des que la chose est alee / Il n’i a que del consirrer. / Tel hore cuide an desirrer / son bien, qu’an desirre son mal […]“ Chrétien: Yvain, 3110-3117. ŒDa 3476 ŒWigl 1207; 2030 ŒGau 1191.12. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 34 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1024: „Sentenz“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. HABEN 3.5. Was man nicht haben kann, soll man lassen (nicht wünschen, nicht beweinen); XII s.v. VERLIEREN 10.1. Man sei nicht allzu betrübt über einen Verlust. Walther, Nr. 7131. Wander IV s.v. Verlieren, Nr. 45. Weise 1910, Nr. 39 [führt diese Textstelle an]. Dicke/Grubmüller, Nr. 570. Reuvekamp 2007, S. 85-89.

3674f.; *3676.

92

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 3723 Dô liez er sîne vrouwen ab der were schouwen daz ofte kumet diu vrist daz selch guot behalten ist daz man dem biderben manne tuot.

3854 wan alsô ist ez gewant, als ez ouch undern liuten stât: sô man aller beste gedienet hât dem ungewissen manne, sô hüete sich danne daz ern iht beswîche. dem was diz wol gelîche.

3969 Er ist noch baz ein sælec man der nie dehein êre gewan dan der êre gewinnet und sich sô niht versinnet daz er sî behalten künne.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler deutet Iweins Hilfe für die Dame von Narison als beispielhaftes Geschehen (Die Dame von Narison).

3725: ofte] dike Es bringt Nutzen, A a p z. uil oft l. dem Anständigen p 3726: selch] selig. Gutes zu tun. c f 3726: solch gast gut zu. a 3727: dem] den. b r 3727: biderben] frumen. f 3727: manne] gutlichen. l 3727: pider man.

Der Erzähler erklärt, warum Iwein zögert, dem Löwen im Kampf gegen den Drachen beizustehen (Befreiung des Löwen).

A 3856: aller fehlt. b 3856: veste. l 3856: gedingen. a 3857: ungewissen] vngetruwin. 3858: hüete] h)ter A E c l p. huote man a. behut r. c 3858: danne vor ime. l 3859: im niht geswiche. f z 3856-3859: fehlen. E 3857-3858 vertauscht.

Man soll sich vor Betrug hüten, wenn man einem Unbekannten einen Dienst erwiesen hat.

Iwein beklagt nach dem Drachenkampf erneut den selbstverschuldeten Verlust von Frau und Land (Befreiung des Löwen).

3969: Er] Der D d. Es J. Also z. 3969: Noch ist er B b. Er ist vil pas f. noch fehlt r. b 3970: nie fehlt. A 3970: nie nege wan. êre fehlt. 3970: nie nach eren m0t B. mut vnd ere nye b. f 3971: dan] Wenn. d 3971: der] wer.

Es ist besser, nie Ansehen erworben zu haben, als erworbenes Ansehen zu verspielen.

93

zu: 3723, 3854, 3969

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise *3854; 66606675; 7981-7987.

ŒLan 746 ŒWigl 1243 ŒCr 210. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 133: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 35 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1024: „Sprichwörtliche Redensart“. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.1. Es lohnt sich, Gutes zu tun. Walther, Nr. 2003. Weise 1910, Nr. 121 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

*3723.

Verwendung: - (S) Swer b#sen liuten dienet iht, / des wirt im zwâre niemer niht / gedanket kleine als umbe ein hâr: / er muoz im selbe tuon für wâr Freidank, 88, 27 a-d. - (S) Al verloren datmen den onbekenden doet / Ingrato quid agis hoc semper et undique perdis Proverbia Communia, 13. - (S) Wer eynem andern dienet / der gedenck nicht / daß mans yhm dancken werde. / Den spruch hatt die lang erfarung gefunden/ dafür auch unser Herrgot nit sicher ist/ denn et thette der welt das beste/ so thett sie yhm das ergeste. Er schickte zu den Juden Propheten/ die erwürgten sie. Er schickte zun Juden und Heyden seinen Sone/ den schlugen sie yhm an eyn Creütze. Marcus Cicero bey den Rmern halff dem Keyser Augusto zum Keyserthumb/ darnach ließ er yhn erwürgen und sahe durch die finger Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 375 (S. 312, Z. 10-20). Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Eikelmann 1998, Nr. 36 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1026: „Erzählerkommentar im Stil einer allgemeinen Weisheit“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 12402. Weise 1910, Nr. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 15. Hübner 2003, S. 146-149.

Sentenz

*1; 946-948; 2770-2912; *7171; *7175.

94

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

z 3972: sô niht] doch. 3973: er sî] erz E p. er ez a. si er z. b 3973: künne] kome. Iwein erkennt im Verhalten des Löwen sein eigenes Verschulden gegenüber Laudine (Befreiung des Löwen).

r 4005: die rechte. 4005: rehtiu triuwe] herzen leit mir D. herczen rewe b.

Wem wahre Verbundenheit erwiesen wird, den berührt sie tief.

Lunete erklärt Iwein, wie es zu ihwan daz ist gar der sælden slac, rer Anklage durch den Truchsessen swer sînem zorne niene mac getwingen, ern überspreche sich. kommen konnte leider alsô tet ich mich. (Hilfszusage für Lunete).

l 4141-4144: Ich hab mich betwungen Darnach hab ich gerungen. 4141: daz] ie D. es b f. des p. 4141: sælden] schuldin a. todes b. selen p. E a b p 4142: Der. 4142: niene] niht D a b f p. nirgent c. 4142: getwingen mach D. en mag b p r. 4143: getwingen] Gestriten b. fehlt d. Betwingen p. Gewencken r. r 4143: ern] vnd. z 4141-4143: fehlen.

Wer im Zorn unüberlegt spricht, setzt sein Glück aufs Spiel.

a 4192: swer dy man. z 4192-4193: fehlen. J 4193: Der. B a b c d f l r 4193: gehret. D 4193: langer] grozer.

Es braucht viel Zeit, einen Menschen richtig kennenzulernen.

4001 nû gît mir doch des bilde dirre lewe wilde, daz er von herzeleide sich wolde erstechen umbe mich, daz rehtiu triuwe nâhen gât 4141

4191 er behagete mir ze gâhes wol: wan swer den man erkennen sol, dâ h#ret langer wîle zuo.

Lunete bereut ihr voreiliges Vertrauen in Iwein (Hilfszusage für Lunete).

95

zu: 4001, 4141, 4191

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Bamberg 1945, S. 134f.; S. 137; S. 154: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 37 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 250 [führt diese Textstelle an]. Hübner 2003, S. 143.

Sentenz Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 38 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. nâhe, S. 306. Weise 1910, Nr. 99 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1027.

Sentenz Verwendung: - (S) In zorne sprichet lîhte ein man, / daz wirste, daz er danne kan Freidank, 65, 2f.

ŒTan 6. Literatur: Bamberg 1945, S. 136: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 39 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 67 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1027. Siewerts 1998, S. 107f.

Sentenz

Literatur: Bamberg 1945, S. 138: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 40 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. erkennen, S. 150: „Sprichwort?“; s.v. man, S. 286: „Sprichwort?“. Weise 1910, Nr. 159 [führt diese Textstelle an].

2020-2029.

96

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 4250 ich hete êren genuoc: waz half mich daz ich golt vant? ez ist eht vil unbewant zuo dem tôren des goldes vunt: er wirfet ez doch hin zestunt.

4319 mir wr der rede gar ze vil: und wizzet daz ich immer wil den willen vür diu werc hân: ir sult der rede sîn erlân.

Kontext Iwein gesteht Lunete sein Fehlverhalten ein (Hilfszusage für Lunete).

Überlieferung

Paraphrase

f 4252: Wand ez ist. Der Narr ist nicht in 4252: eht] oh A r. der Lage, sein Glück fehlt B D J a b c d l. zu nutzen. et E. ye f. recht p. ouch r z. 4252: viel fehlt f l z. 4252: unbewant] vbel bewant B D a b d l z. vngewant E. vnbechant f p. 4253: zuo] fehlt f r. Bey l. 4253: Eynen ydem tôren f. Ainem toren r. 4253: dem] der J. den a. a 4254: Sy werffenz. doch hin yn kurczer stunt. 4254: doch] fehlt B D E b. auch c. hin doch l. da p. ye doch r. Bde 4254: sa zestunt. z 4253-4254: fehlen.

Lunete lehnt Iweins A 4321: werc] were. Die gute Absicht Angebot ab, sie im zählt mehr als die Gerichtskampf zu Tat. vertreten (Hilfszusage für Lunete).

97

zu: 4250, 4319

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) nû sprechent doch die wîsen daz, / Vinde der tôre goldes iht, / ezn muge in doch gehelfen nicht: / Swer sich der êren niht wert, / ir ist im dester mê beschert Ehestand, Tod und Hochzeit, 538-542. Verwendung: - (L) Beidiu grüezen unde lachen / daz sult ir dem muotes swachen / vor verbergen, dast mîn rât. / waz frumt liehter schîn den blinden? / waz touc tôren golt ze vinden / der ûf golt niht muotes hât? / guotes wîbes hulde, / goldes übergulde, / diu enzimt dekeinem zagen: / niemer müeze er sie bejagen! Der Tugendhafte Schreiber KLD Nr. 53, 4, 3, 1-10. - (S) Swie grôzen schatz der tôre vant, / der was des wîsen sâ zehant Freidank, 81, 9f. - (E) Nu dar, gedenk, wie gar behend / Sind die hohen tugend gnent! / Daz frümpt dir dannocht alz ein wicht, / Hörsthr gpott und lere nicht; / So get dir hören nit ze handen / Und daz lesen unverstanden. / Waz hulffi dann daz funden golt, / Ob man es nicht behalten wolt? / Dar umb, mein lieber sun, vil gern, / Was die tugend singin, lern! Wittenwiler: Der Ring, 44464455. ŒPz 292,24.

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 41 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. tôre, S. 409: „Sprichwort“. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1028: „Zitat Prv 21,20“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 73, S. 60 [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. NARR 8.8.3. Reichtum und Ehre nützen dem Narren nichts [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Narr, Nr. 973 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 97 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. THOREN, S. 146 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 137. Hübner 2003, S. 192.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Got rihtet nach dem muote / ze übele unde ze guote. / ein iegelîcher lôn enpfât / dar nâch, als im sîn herze stât. / der wille ie vor den werken gât / ze guote und ouch ze missetât Freidank, 3, 9-14. Verwendung: - (G) Im was aber sô niht, er hete sô grôze liebe ze gote, unde hæte er alliu künicrîche gehabet, diu hte er alliu gelâzen durch die liebe die er ze gote hete. Und alsô tuot der almehtige got hiute, der in mit rehtem herzen minnet unde sich genzlîche an in verlât: er nimt den willen für diu werc Berthold von Regensburg, I, S. 26, Z. 12-17. Literatur: TPMA XIII s.v. WOLLEN 1.2. Der (gute oder schlechte) Wille allein ist ausschlaggebend [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 32364. Wander V s.v Wille, Nr. 38 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WILLE, S. 175 [führt diese Textstelle an].

759-762.

98

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 4326 diz ist gar wider den siten daz einer kempfe drî man. die liute habent sich joch dar an daz zwêne sîn eines her

4389 Swer ie kumber erleit, den erbarmet des mannes arbeit michels harter dan den man der nie deheine nôt gewan.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Lunete lehnt Iweins B E J a d f p 4326: Zwei sind einem Angebot ab, sie im zwêne] zwene/zwen überlegen. Gerichtskampf zu man. vertreten (Hilfszu- z 4329: fehlt. sage für Lunete).

Der Erzähler lobt den Empfang Iweins durch die vom Riesen Harpin bedrohten Burgbewohner (Kampf gegen Harpin).

A 4389: fehlt A. p 4389: Der. erleit] geleit. E d f l 4390: Dem. 4390: erbarmte a p r. erparmt f. a 4390: dises ritters arbeit. b 4390 dy [mannes fehlt auch D] arbeit. p 4390: des andern arbeit. f 4390: arbeit] lait. 4391: michels] fehlt E. vil d.

Wer selbst Not erlitten hat, der empfindet auch die Not anderer.

zu: 4326, 4389

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

99

Querverweise

4656-4660; Sprichwort *5349; 5397; 6337-6341; 6598Formulierungstradition: - (S) Tveir ro eins herjar; / tunga er hfuðs bani; / er mér í heðin hvern / handar vni 6601; *6619; *6636. Hávamál, 73. - (E) „Aspicis o turres, Reinarde, in frontibus horum? / Anne parum nobis ora timenda putas? / Dentibus iratis non est colludere tutum, / Et (fateor) piscis dens michi rete tulit. / Ire libet, certe non sum giometer, an essem, / Si male metirer, te duce tutus ego? / Quattuor hic fortes, duo sunt exercitus uni, / Unius occubitu seuiet ira trium […].“ Nivardus von Gent: Ysengrimus, II, 305-312. - (E) Du solt von rehte fliehen, wir haben deheine wer. / du hast auch wol geh#ret: / zwên sint eines her. / so koment vil lîhte tûsent und vehtent alle ûf dich: / warumbe wilt du t#ten dich selbe unde mich? Wolfdietrich A, 374, 1-4. - (S) twee mannen sijn altoos eens mans here / Omni fine soli dominantur ibi duo soli Proverbia Communia, 703. Verwendung: - (E) „Pider man gar verwegen, / Gib dich gevangen, werder degen! / Du stest in dein ains wer: / Wann zwen die sein ains her, / Du ergibest ane schande dich: / Laß dich sicherleichen an mich.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 8013-8018. - (S) Duo viri sunt uno robustiores Bebel: Proverbia Germanica, 168 (S. 50). - (S) CEDENDVM MVLTITVDINI. / Der vile sol man weichen. / Zwen sind eins herr/ drei fressen gar. / Halt still wo vil. Vil hund sind der hasen tod Franck: Sprichwörter, I, 15r (S. 37, Z. 1215). ŒCr 6138 ŒJT 5615,3. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 42 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. her, S. 209: „Sprichwort“. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1029: „Sprichwörtlich“. TPMA II s.v. EIN 4.7.1. Mehrere sind stärker als einer [führt diese Textstelle an]; XIII s.v. ZWEI 4.1.2. Zwei richten mehr aus als einer; 4.1.4. Zwei sind stärker als einer. Wander V s.v. Zwei, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 54 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. ZWEI, S. 186 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 58; S. 104-111; S. 141.

Sentenz

100

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

4391: dan] fehlt c. wenn f. 4391: den] dem E. der z. z 4392: nie] ye. B b l 4392: deheine fehlt. B D b l 4392: nôt] ch0mber. p 4391-4392: fehlen. 4544 swaz ir gebietet hie ze hûs, des sît ir alles gewert, ist daz ir betelîchen gert.

Artus gewährt Meliakanz eine Bitte unter dem Vorbehalt, daß sie angemessen ist (Kampf gegen Harpin / Bericht von der Entführung der Königin).

r 4546: beschaidenliche.

Wer angemessen bittet, wird erhört.

zu: 4544

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur  

  ŒGar 949. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 138; S. 140: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 43 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LEID 12.1. Man leide(t) mit dem Traurigen; XII s.v. WEINEN 7.1. Teilnahme und Trost. Wander III s.v. Noth (Subst.), Nr. 339. Weise 1910, Nr. 84 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) ein man sol betelichen gern, / den mach man deste baz gewern. / swer unbetelichen gert, / der hat sich selben gar entwert Der Stricker: Wolf und Weib, 59-62. Verwendung: - (E) dô sie hâten messe vernomen / und ze hove wâren komen, / vür den keiser sie giengen. / ir bete sie an viengen, / daz sie ím vielen zuo den füezen. / „obe wir iuch bitten müezen, / so erloubt uns, herre, mit guten siten / ein bete der wir iuch wellen biten / und daz ez sî âne zorn.“ / Dô sprach der fürste wol geborn / „Stêt ûf unde sît gewert, / ob ir betelîche gert. / lât h#ren, waz der bete sî.“ Herzog Ernst B, 1105-1117. - (S) Swer mich der dinge bte, / diu ich doch gerne tte, / der bete solte ich in gewern, / wolt er ir zühteclîchen gern Freidank, 132, 12-15. - (L) Swer biten muz unt biten sol, / und betelicher gabe gert, / Des biten zimt zu hören wol, / und ist nicht übel, wirt er gewert. / Ein betelich gabe, ein billich bieten, / die zwei sint wol von einer art. / unbillich bete hat sich bewart / vor wisen, vorbedachten siten Frauenlob, XIII, 8, 18. - (G) Noch mues ich dich vragen me: / Dw hast ein wort gesprochen ee, / Das der mensch werde gewert / So er betelicher bete gert. / Nu dunchet mich wie des sey, / Und han gemerchet das da bey: / Vil maniger bittet gar bettleich / Und sprichet: „herre Got von himelreich, / Hylf mir von sunden und aus not / Und das mich der gehe tot, / Herre Got, nicht begreiffen muesse / Uncz ich dier wol puesse!“ / Den Got doch nicht erhoret hat Heinrich von Burgeis: Der Seele Rat, 2629-2641. - (E) Yedoch hat mich die fraw vor fert / Gewert, des ich heǢr da pitt, / Das sy in raines weibes sitt / Sich tü enthalten hin, als her. / Des kann sy mer, dann ich beger, / Vnd versaget mir ir keins. / Wer b ttlich kan begeren ains, / Der wirt gewert dester Ee, / Vnbättlich bätt für oren gee; / Das ratt ich meinen friunden Hätzlerin: Liederbuch, 2, 58, 346-355. ŒCr 1033; 5033 ŒLoh 4691; 7024 ŒHTr 4275. Literatur: TPMA II s.v. BITTEN 4.4. Unberechtigte Bitte wird abgelehnt; 4.5. Einer berechtigten Bitte wird entsprochen (soll man entsprechen). Althoff 1999, S. 60-62. Brant 1980, S. 326. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1030f. Kugler 1996, S. 121-123. Reuvekamp 2007, S. 142-158. Wander I s.v. Bitte, Nr. 14.

101

Querverweise

102

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 5274 wnet ir daz ich eine sî? got gestuont der wârheit ie: mit ten beiden bin ich hie.

5349 er bedorfte wol kraft unde wer: wan zwên sint iemer eines her.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Iwein behauptet sich gegen die Drohungen des Truchsessen (Gerichtskampf für Lunete).

D l 5275: Got der. D 2575: stvnd. z 5275: fehlt.

Gott steht immer auf der Seite der Wahrheit.

Der Erzähler beschreibt den ungleichen Kampf zwischen Iwein und den Brüdern des Truchsessen (Gerichtskampf für Lunete).

b p 5350: zwen Zwei sind einem man. überlegen. r 5350: die sint. B E a f 5350: waren. 5350: iemer] ie B. fehlt D E J a b c p r. ye f. J 5349-5350: vertauscht. l z 5350: fehlt.

103

zu: 5274, 5349

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise *7628.

Vgl. die Sentenz: - (E) got gestuont dem rehten ie Der Pleier: Garel, 1157. Vorlage: - Bien croi quan qu’ele dit m’en a; / si la desfandrai, se je puis, / que son droit en m’aïe truis. / Et qui le voir dire an voldroit / Dex se retint de vers le droit, / et Dex et droiz a un s’an tienent Chrétien: Yvain, 4434-4439. ŒDa 1298 ŒWigl 2772; 2922; 9912 ŒGar 1157 ŒTan 4332 ŒGau 4232 ŒJT 1569,3. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 46 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 251 [führt diese Textstelle an]. 4656-4660; *4326; 5291; 5397; 6337-6341; Formulierungstradition: - (S) Tveir ro eins herjar; / tunga er hfuðs bani; / er mér í heðin hvern / handar vni 6598-6601; *6619; *6636. Hávamál, 73. - (E) „Aspicis o turres, Reinarde, in frontibus horum? / Anne parum nobis ora timenda putas? / Dentibus iratis non est colludere tutum, / Et (fateor) piscis dens michi rete tulit. / Ire libet, certe non sum giometer, an essem, / Si male metirer, te duce tutus ego? / Quattuor hic fortes, duo sunt exercitus uni, / Unius occubitu seuiet ira trium […].“ Nivardus von Gent: Ysengrimus, II, 305-312. - (E) Du solt von rehte fliehen, wir haben deheine wer. / du hast auch wol geh#ret: / zwên sint eines her. / so koment vil lîhte tûsent und vehtent alle ûf dich: / warumbe wilt du t#ten dich selbe unde mich? Wolfdietrich A, 374, 1-4. - (S) twee mannen sijn altoos eens mans here / Omni fine soli dominantur ibi duo soli Proverbia Communia, 703.

Sprichwort

Verwendung: - (E) „Pider man gar verwegen, / Gib dich gevangen, werder degen! / Du stest in dein ains wer: / Wann zwen die sein ains her, / Du ergibest ane schande dich: / Laß dich sicherleichen an mich.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 8013-8018. - (S) Duo viri sunt uno robustiores Bebel: Proverbia Germanica, 168 (S. 50). - (S) CEDENDVM MVLTITVDINI. / Der vile sol man weichen. / Zwen sind eins herr/ drei fressen gar. / Halt still wo vil. Vil hund sind der hasen tod Franck: Sprichwörter, I, 15r (S. 37, Z. 1215). ŒCr 6138 ŒJT 5615,3. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Eikelmann 1998, Nr. 47 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. her, S. 209: „Sprichwort“. TPMA II s.v. EIN 4.7.1. Mehrere sind stärker als einer [führt diese Textstelle an]; XIII s.v. ZWEI 4.1.2. Zwei richten mehr aus als einer; 4.1.4. Zwei sind stärker als einer. Wander V s.v. Zwei, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. ZWEI, S. 186 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 58; S. 104-111; S. 141.

104

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 5589 man mac den gast lîhte vil geladen der belîben wil.

6064 der alte spruch der ist wâr: swer guoten boten sendet, sînen vrumen er endet.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler spielt bei Iweins Empfang auf der Burg auf dessen Bedürfnis nach Erholung an (Gerichtskampf für Lunete).

D 5589: laden vil. 5590: Laden E a f. Genaden l. E J a 5590: der doch. p 5590: der selbe. D 5590: Da er doch. b r z 5589-5590: fehlen.

Es ist leicht, den Gast einzuladen, der bleiben will.

Iwein verspricht der Botin der jüngeren Schwester Hilfe im Kampf um das Erbe ihrer Herrin (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

D f l 6065: guoten] Wer einen guten Bovrvmen. ten ausschickt, der f 6066: sînen] Der erreicht sein Ziel. selb seinen. er fehlt. B D 6066: vrumen] willen. A C 6066: her uir endet. a 6066: vollendit. p z 6065-6066: fehlen.

zu: 5589, 6064

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 25: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 48 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 127 [führt diese Textstelle an].

Sprichwort Formulierungstradition: - (G) er sprach „ich hôrte sagen ie, / swer guoten boten sende, / sîn gewerf er gâhes ende. / ein boten hân ich mir erkorn, / der ist von der h#hsten tugent erborn. / der bot hât vier und zweinzec namen, / die enein hellent zesamen, / swaz ie der bote wirbet, / daz daz niht verdirbet. / [...] / ein wîssagen hât ie der bot, / den ich dâ senden wil ze got, / daz bist du, reine maget, al ein […].“ Reinbot von Durne: Georg, 2714- 2729. Verwendung: - (S) Qui mittit stultum, differt sua commoda multum Sprichwörter MSD XXVII, 2, 183 (Wien, ÖNB, Cod. 2521, 8; Zürich, Wasserkirche, 58, 275, nach 1172). - (E) als die küniginne sprach, / der bote schuof, daz ez geschach. / swer guoten boten sendet, / ob sîn gewerp niht wol sich endet, / wirt sîn wille niht erfult, / daz ist ungelückes schult; / ez sol ein ieglîch wîser man / ze wirde guoten boten hân Herzog Ernst D, 5309-5316. - (E) si sprach: ›lieber pot, nu var / snelle vnd chum schire wider / vnd lege dich niht vnder wegen nider / durch dehein dinen mut. / swer sendet woten gut, / der fudert alle sin ere, / daran gedenche sere. / Salomon der weise man / gesprochen hat, da gedench an, / wand ez noch geschriben stat: / „als der rouch den ougen schat / vnd als der ezich den zenden, / also chan er sich schenden, / der bose boten sendet, / wan er sinen vrum wendet.“ Mai und Beaflor, 51545168. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Nuntius impii cadet in malum; Legatus autem fidelis, sanitas Prv 13, 17. - Ein gottloser Bote bringet vngl(ck, Aber ein trewer Werber ist heilsam. Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 43). Literatur: Bamberg 1945, S. 143: „zitierende Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 49 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. bote, S. 126: „Sprichwort“. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. BOTE 9. Gute Boten sind wertvoll und gewinnbringend [führt diese Textstelle an]; BOTE 10. Schlechte Boten bringen keinen Vorteil. Walther, Nr. 24285; Nr. 24916. Weise 1910, Nr. 124 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. BOTE, S. 22 [führt diese Textstelle an].

105

Querverweise 5806-5811.

106

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle 6513 Wand im tete daz scheiden wê.

Kontext Der Erzähler betont Iweins Schmerz beim Abschied von der jüngeren Tochter (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

Überlieferung b 6513: scheiden von ir. a 6513: scheiden] senden. z d l p 6513: fehlt, dafür l: Wan es ward vntter in paiden Ain vnmuetlich schaiden.

Iwein spricht sich z 6567-6568: fehnach dem Empfang len. gehabe dich wol, wis unverzaget: durch die Torwächdir geschiht daz dir geschehen sol, ter Mut zu und anders niht, daz weiz ich wol. (Burg zum Schlimmen Abenteuer). 6566

Paraphrase Der Abschied von einem geliebten Menschen bereitet Schmerz.

Es geschieht nur, was vorbestimmt ist.

107

zu: 6513, 6566

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf ein Sprichwort

Querverweise 328-330; *2960.

Formulierungstradition: - (L) Scheiden, daz tuot wê und muoz doch sîn. / ich muoz den tôt erlîden, / sol ich si lenger mîden, / die vrouwen mîn: / sie ist so fîn! Winli, 3, 1-5. Verwendung: - (E) ich wn, ez t)t vil we der segen / den ein liep dem liebe t)t, / so uf sheiden stat ir m)t / mit libe und mit herzen; / ez zerf)ret herzen smerzen, / so sie wider gesament sich Ulrich von Türheim: Rennewart, 16582-16587. - (L) Nun ker herwider, trautt geselle mein, / Dein schaiden pringt mir sicher pein. / Der wachter rüffet aber me: / Von hertzen liebe schaiden, das t)t we! / Doch pesser wär ein zuuersicht, / Dann das es nymmer mer geschicht. / Da taget es wunneclich Hätzlerin: Liederbuch, 1, 9, 2329. - (E) Et cetera. So gie daz lied, / Bis daz ieder seinen hiet, / Die da warent an dem tantz. / Da mit so was die fröde gantz. / „Do sprungen plüemlen durch den cle, / von liebe schaiden daz tuot we,“ sungen sei da in dem gras Wittenwiler: Der Ring, 6356-6362. - (L) Ach senliches leiden, / meiden, neiden, schaiden, das tüt we, / besser wer versunken in dem see. / zart minnikliches weib, / dein leib mich schreibt und treibt gen Josophat. / herz, müt, sin, gedanck ist worden mat. / es schaid der tod, / ob mir dein gnad nicht helfen wil / auss grosser not Oswald von Wolkenstein, 51, I, 1-10. - (S) van lieuen vrienden eest quaet scheyden / Rebus ab amatis dolor est abscedere gratis Proverbia Communia, 736. - (S) Ye elter/ ye kerger. / […] Darumb ist diß wort eyn beweisung unser aller schwacheyt / wie wir so garnichts g)ts vermgen von uns selbs / ich halt aber es sey die ursach / daß sie das am hchsten lieben / das sie verlassen sollen / wie das sprichwort lautet / Scheyden th)t wehe Denn unser Herrgott machet es gern also / daß wenn man eyn ding am liebsten hette / so muß man es verlassen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 671 (S. 487, Z. 8-21). Literatur: TPMA X s.v. SCHEIDEN 4. Scheiden tut weh (fällt schwer). 4.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]; 4.2. Speziell. Trennung von geliebten Menschen (Dingen) ist schwer und schmerzlich. Wander IV s.v. Scheiden, Nr. 10 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. SCHEIDEN, S. 131 [führt diese Textstelle an]. Hübner 2003, S. 155f.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) „Ich verbiute ime vröide niemer; / lâze eht eine rede, sô tuot er wol. / des bite ich in hiut und iemer: / deme ist alsô, daz manz versagen sol.“/ „Vrouwe, nû verredent iuch niht. / er sprichet: allez daz geschehen sol, daz geschiht“ Reinmar, MF 177, 16-21 (MFMT XXI, XXVII, 2, 1-6). - (S) Swaz geschehen sol, daz geschiht: / des guoten volge ich, ‘s übeln niht. / swerz ze rehte merken wolte, / ez geschiht vil, des niht geschehen solte Freidank, 132, 6-9. Verwendung: - (E) Und wil den degen iemer han / An aines liebes sunes stat, / Wan sin gem(te nie getrat / Us manlicher st tekait: / W re es al der welte lait, / Es geschicht doch swas geschehen sol: / Das hat sich bew ret wol / An disen selben dingen. / Wem kunde also gelingen / Als im nu gelungen ist, / Es vĤgete danne der s(ze Krist? Rudolf von Ems: Willehalm von Orlens, 1433614346. - (G) „[…] sô denne die Rômære / gevreischent die niuwen mre, / sicherlîche, die choment mit her. / wider die sî wir âne wer. / waz touc diu rede mêre? / si nement uns guot und êre.“ / „Tuot sô zägelîchen niht! / swaz geschehen sol, daz geschiht,“ / sprach Cayfas der wîse Konrad von Heimesfurt: Diu urstende, 105-113.

4987f.

108

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

6619 ja gelinget einem ofte an zwein.

6636 wan zwêne sint iemer eines her.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Burgherr drängt Iwein zum Kampf gegen die Teufelsritter (Burg zum Schlimmen Abenteuer).

c 6617-6619: Was Oft siegt einer über besser ist ob einem zwei. man An zweien mannen wol getan. 6619: ja] Es D J c d f l p r z. Joch a. E a 6619: gesiget einer. p 6619: de keyme. 6619: ofte] fehlt p. 6619: oft einem mann J. offt einem b c d f l. dick aim z.

Iwein gibt sich feige, um dem Kampf gegen die Teufelsritter zu entgehen (Burg zum Schlimmen Abenteuer).

6636: zwen man b. zwene die r. 6636: waren B J M a c f l. werent p. 6636: iemer] ie B J M a c f. fehlt D E b d l p r. p 6636: herren. z 6636: fehlt.

Zwei sind einem überlegen.

zu: 6619, 6636

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

109

Querverweise

ŒEr 4801 ŒLan 6953; 6440 ŒDa 230 ŒWigl 2295; 6839 ŒCr 7214; 7528; 11037; 19314 ŒGar 156 ŒTan 1584 ŒGTr 6772. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 52 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. geschëhen, S. 163. TPMA IV s.v. GESCHEHEN 4.1. Was geschehen muß und vom Schicksal bestimmt ist, geschieht auch [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Geschehen, Nr. 54. Weise 1910, Nr. 227 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. GESCHEHEN, S. 50 [führt diese Textstelle an]. Bätz 2003, S. 242.

Sentenz

4656-4660; *4326; *5349; 5344; 5391; 6337-6341; 65986601; *6636.

Vgl. das Sprichwort: - (E) zwên sînt eines her Wolfdietrich A, 374, 3. ŒCr 6138 ŒJT 5615,3. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 53 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 56 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 58; S. 104-111. 4656-4660; *4326; *5349; 5391; 6337-6341; Formulierungstradition: - (S) Tveir ro eins herjar; / tunga er hfuðs bani; / er mér í heðin hvern / handar vni 6598-6601; *6619. Hávamál, 73. - (E) „Aspicis o turres, Reinarde, in frontibus horum? / Anne parum nobis ora timenda putas? / Dentibus iratis non est colludere tutum, / Et (fateor) piscis dens michi rete tulit. / Ire libet, certe non sum giometer, an essem, / Si male metirer, te duce tutus ego? / Quattuor hic fortes, duo sunt exercitus uni, / Unius occubitu seuiet ira trium […].“ Nivardus von Gent: Ysengrimus, II, 305-312. - (E) Du solt von rehte fliehen, wir haben deheine wer. / du hast auch wol geh#ret: / zwên sint eines her. / so koment vil lîhte tûsent und vehtent alle ûf dich: / warumbe wilt du t#ten dich selbe unde mich? Wolfdietrich A, 374, 1-4. - (S) twee mannen sijn altoos eens mans here / Omni fine soli dominantur ibi duo soli Proverbia Communia, 703.

Sprichwort

Verwendung: - (E) „Pider man gar verwegen, / Gib dich gevangen, werder degen! / Du stest in dein ains wer: / Wann zwen die sein ains her, / Du ergibest ane schande dich: / Laß dich sicherleichen an mich.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 8013-8018. - (S) Duo viri sunt uno robustiores Bebel: Proverbia Germanica, 168 (S. 50). - (S) CEDENDVM MVLTITVDINI. / Der vile sol man weichen. / Zwen sind eins herr/ drei fressen gar. / Halt still wo vil. Vil hund sind der hasen tod Franck: Sprichwörter, I, 15r (S. 37, Z. 1215). ŒCr 6138 ŒJT 5615,3.

110

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

7033 ez ist minne und hazze zenge in einem vazze.

7147 Swer gerne giltet, daz ist guot: wan hât er borgennes muot, sô mac er wol borgen. daz muosen sî besorgen, swer borget und niht gulte, daz er des lîhte engulte. borgetens âne gelten, des vorhten sî engelten

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler reflektiert die Frage, wie es zum Kampf zwischen den Freunden Iwein und Gawein kommen konnte (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

7033: ez ist] Ez Liebe und Haß sind were D. Ist es der d. unvereinbar. Wie mag f. b 7033: und hazze] by hasse. l 7033: fehlt. 7034: zenge in] Wonen in f. Ze enge habn in l. Ziehent die in p. Z) samen in z. p 7032-7033: vertauscht. A c 7033-7034: fehlen.

Der Erzähler betont die Ausgeglichenheit des Kampfes zwischen Iwein und Gawein (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

BDEHJblpr 7147: Der. r 7147: gerne fehlt. 7148: wan] Vnd D J d f l. fehlt b. War r. p 7148: er hat. 7148: borgennes] geldenes des A. borges a r. porgens f. b)rgendes p. J 7149: vil wol. f 7149: wol] dest sicherer. c 7147-7149: fehlen.

Wer Geliehenes bereitwillig zurückgibt, der kann selbst wieder borgen.

zu: 7033, 7147

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

111

Querverweise

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. Friedrich s.v. her, S. 209: „Sprichwort“. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1042: „Sprichwort“. TPMA II s.v. EIN 4.7.1. Mehrere sind stärker als einer [führt diese Textstelle an]; XIII s.v. ZWEI 4.1.2. Zwei richten mehr aus als einer; 4.1.4. Zwei sind stärker als einer. Wander V s.v. Zwei, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 57 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. ZWEI, S. 186 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 58; 104-111.

Sentenz

7015-7054; 74917494; 7590-7699.

Vorlage: - Mes ne s’antreconurent mie / cil qui conbatre se voloient, / qui mout ent’ramer se soloient. / [...] / Par foi, c’est mervoille provee / que l’en a ensanble trovee / Amor et Haïne mortel Chrétien: Yvain, 5991-6017. ŒCr 15635. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 57 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 4.9.1. Liebe und Haß schließen einander aus [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Faß, Nr. 38; III s.v. Minne, Nr. 10. Weise 1910, Nr. 176 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. FASS, S. 32 [führt diese Textstelle an]. Achnitz 2000, S. 139f. Bamberg 1945, S. 147. Bauschke 2005, S. 78f. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1044f. Hübner 2003, S. 160. Reuvekamp 2007, S. 141. 7143-7146; *7155; 71577170; 7200f.; Formulierungstradition: - (E) diu minne m)s engelten / daz sie uf valsh kan borgen. / swa diu heimliche ist verborgen, / 7995-7997. diu minne des engiltet. / der borg mit g(te giltet, / der mag borgen deste baz Ulrich von Türheim: Rennewart, 32338-32343.

Sprichwort

Verwendung: - (E) Est quater undenis hec larua tibi insita lustris; / Nec tu credis adhuc hanc senuisse satis? / Exue! fructus erit duplex tibi: debita soluis, / Et noua succrescens dat tibi cappa decus. / Et quam ferre diu potuit, scis leniter illum / Supportasse; sue nunc eget ipse rei. / Credita qui reddit, rursus debere meretur; / Redde nec excusa nec tibi quere moram! Nivardus von Gent: Ysengrimus, VI, 435-42. - (S) Credita qui reddit, rursus debere meretur Proverbia Ysengrimi (Ghent, UB, Ms. 267, 76ra, Ende. 13./ A. 14 Jh.; Berlin, SBB-PK, Ms. theol. lat. fol. 381, 183r, 1467-1468). - (S) Qui bien paie bien li doit len croire Morawski: Proverbes français, 1846 (Hs. 13. Jh.). - (D) ich meine die pfenninge dur die want. / Der vater brâhte si zehant / enem hein, der im si lêch, / wan er im selten iht verzêch, / das er eht iendert moht getuon. / swer gerne giltet, der gewinnet sîn ruon / und nuz, als ich )ch bescheiden wil: / man borgt im wênig oder vil, / das im dike nüze wirt. / swer ungern giltet, das birt / einem ieklichen ungunst Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 17379-17389. - (S) die wel betaelt mach weder borghen / Huic creditor prestat creditum qui soluere curat Proverbia Communia, 248. - (S) De wol betâlt, de mach wedder borgen. / Qui large solvit, recipit cum pignore merces Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 407. ŒEr 864.

112

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

7155 wand ers ofte engiltet swer borc niene giltet.

7171 verlegeniu müezekheit ist gote und der werlte leit: dâne lât sich ouch nieman an niuwan ein verlegen man.

7175 Wer gerne lebe nâch êren, der sol vil starke kêren alle sine sinne nâch etelîchem gewinne, dâ mit er sich wol bejage und ouch vertrîbe die tage. alsô heten sî getân

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler betont die Ausgeglichenheit des Kampfes zwischen Iwein und Gawein (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

7155: Wenn man Wer Geliehenes sin dicke entgiltet a. nicht zurückgibt, der Da forchten si muß dafür büßen. entguࡋ ltet z. 7155: ofte] dicke A. vil offt b. B D J d l 7156: Der. J D r z 7156: porgt vnd. DEHJadlrz 7156: niht. 7156: giltet] wider giltet d. zalt l. H 7155: fehlt. f p 7155-7156: fehlen. b 7156: fehlt.

Der Erzähler lobt die Kampfbereitschaft Iweins und Gaweins (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

7171: Sus ist Faulheit ist Gott und verlegne f. der Welt zuwider. b 7171: vnmußikeit. 7172: ist] fehlt f. Die ist p. 7172: vnd oh A. vnd auch f. r 7172: vil der. p 7172: kleit.

Der Erzähler lobt die Kampfbereitschaft Iweins und Gaweins (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

J 7175: Swer. A 7175: strebet. 7176: vil starke] vil vaste B d f z. vaste J l. vil gerne p. nun starcke r. d 7177: Mer seine. 7178: solhem D r. edelem J. J d f l 7178: Daz er. 7178: vil wol E H p b r z. dester paz J d f l.

Wer Ansehen erlangen und lange behalten möchte, der soll sein Handeln auf Erfolg ausrichten.

zu: 7155, 7171, 7175

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

113

Querverweise

Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Bamberg 1945, S. 147: „Sentenz“. Eikelmann 1998, Nr. 58 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA XIII s.v. ZAHLEN 1.3. Wer gut zahlt, kann wieder borgen und Schulden machen [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 3691; Nr. 11246. Wander I s.v. Bezahlen Nr. 22. Weise 1910, Nr. 122 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. GELTEN, S. 195 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Vgl. das Sprichwort: - (E) der borg mit g(te giltet, / der mag borgen deste baz Ulrich von Türheim Rennewart, 32341f. - (S) die wel betaelt mach weder borghen / Huic creditor prestat creditum qui soluere curat Proverbia Communia, 248. ŒEr 864. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 58 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 123 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

544-546; 27702912; *7175.

ŒEr 2527; 4096; 4101 ŒDa 1371 ŒWigl 2871; 2879; 2880 ŒCr 4332 ŒGTr 4426; 4430. Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Eikelmann 1998, Nr. 59 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FAUL (träge) 2.2 Negative Beurteilung. 2.2.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Müßigkeit, Nr. 2. Weise 1910, Nr. 252 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. MUSZE, S. 105 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

ŒEr 2527; 4096; 4101 ŒDa 1371 ŒWigl 2871; 2879; 2880 ŒCr 4332 ŒGTr 4426; 4430.

*1; 946-948; 2770-2912; *3969; 48544856; 6864-6866; *7171.

114

2.2 Hartmann: Iwein

Textstelle

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

b p z 7180: ouch fehlt. a 7175-7180: fehlen. 7628 sô half ouch got dem rehten ie: des wr ich tôt von sîner hant, het ez diu naht niht erwant.

7674 jâ gesprichet lîhte ein wîp des sî niht sprechen solde.

7818 b#ser stete der ist vil: iedoch ist diz diu b#ste stat dar ûf ie hûs wart gesat.

Gawein begründet gegenüber Artus, warum er den Kampf gegen Iwein nicht hätte gewinnen können (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

7628: sô] Es f. Also Gott hilft dem Gep. rechten. A 7628: halb. D d 7628: ouch fehlt. B J 7628: den. z 7628: rechte.

Die ältere Schwester vom Schwarzen Dorn widerruft ihr voreiliges Schuldeingeständnis (Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn).

J c d f l r 7674: Iz. b 7674: Leicht spricht. J l 7674: uil leicht. 7674: lîchte] fehlt b. dikch f. a c l p z 7675: Daz. z 7675: niht] nutz. A 7675: ne solde.

Die Untertanen Laudines verfluchen die Schutzlosigkeit ihres Landes.

l 7818: Poster. Es gibt viele üble f 7818: Guter purge Orte. vindet man. r 7818: der fehlt. 7818: ist] sint a. ist so r.

Frauen sagen leicht etwas, was sie nicht sollten.

115

zu: 7628, 7674, 7818

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Arndt 1980, S. 111 [führt diese Textstelle an]. Eikelmann 1998, Nr. 60 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 252 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

*5274.

Formulierungstradition: - (E) Die faigen müsten geligen: / Gott halff den rechten gesigen. / Waz hulffe umb werbe? / Gott alle die verderbe / Die irem eben menschen laid / Fügend durch ir uppekaitt! Göttweiger Trojanerkrieg, 11125-11130. Verwendung: - (E) uon himele chom den christen ain liecht, / diu hitze war in mere nicht: / si komen wider zu ir chreftin. / got erhorte ie di rechtin, / di an in geloubint / unt im durhnachtlichen getriwent: / den kumet er ie ander not. / der haiden chunc gelac da tot Pfaffe Konrad: Rolandslied, 85638570. - (D) Die psen warff man hin tzu tal, / (Die warn gar an trewen lam) / Got die gerechten nicht enlat, / Sam Danieln tzu dem mal, / Der blaib gesunt, dez nemet bar Suchenwirt, 43, 49-53. Vgl. den biblischen Gedanken: - Quoniam brachia conterentur, / Confirmat autem iustos Dominus Ps 36, 17. - Denn der Gottlosen arm wird zubrechen, Aber der HERR enthelt die gerechten Luther: Deutsche Bibel X, 1 [Ps 37, 17] (S. 217). ŒDa 1298 ŒWigl 2772; 2922; 9912 ŒGar 1157 ŒTan 4332 ŒGau 4232 ŒJT 1569,3. Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 61 [führt diese Textstelle an]. Hartmann: Iwein (Mertens), S. 1047: „Psalmzitat“. TPMA V s.v. GOTT 26.11. Gott hört auf die Rufe der Gerechten und steht ihnen bei [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gott, Nr. 1033. Weise 1910, Nr. 253 [führt diese Textstelle an]. Bätz 2003, S. 252.

Sentenz

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 62 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 1.9. Geschwätzigkeit, Zungenfertigkeit und Unverschwiegenheit der Frau. Weise 1910, Nr. 139 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Eikelmann 1998, Nr. 63 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 8 [führt diese Textstelle an].

6293-6296; 76767687.

116

2.2 Hartmann: Iwein

Auswertung Gegenüber dem ›Erec‹ nimmt im ›Iwein‹ die Verwendung proverbialer Redeformen als spezifisch literarischer Gestaltungsmittel signifikant zu: Sentenzen und Sprichwörter durchziehen mit hoher Frequenz den gesamten Text, oft haben sie konzise Sprachgestalt und sind intratextuell miteinander verknüpft, vor allem jedoch erfahren ihre narrative Präsentation und Funktionalisierung erhebliche Differenzierungen. Obwohl Sentenz und Sprichwort häufiger als im ›Erec‹ dem Erzähler zugewiesen werden, führt dies nicht zu einer ‚Didaktisierung‘ in Form auktorialer Belehrungen des Rezipienten. Vielmehr dienen die Sentenz- und Sprichwort-Inserierungen dazu, die begrenzte kulturelle Geltung, Standpunktgebundenheit und Relativität allgemein akzeptierter Erfahrungen aufzudecken. F r e q u e n z : Im ›Iwein‹ verteilen sich 67 Sentenzen, Sprichwörter und proverbiale Anspielungen auf 8166 Reimpaarverse, so daß im Durchschnitt alle 122 Verse ein Beleg auftritt. Im Vergleich mit dem ›Erec‹ ist das ein auffallend hoher Wert. Wenn man die 50 Vollsentenzen und Sprichwörter für sich betrachtet, liegt das durchschnittliche Vorkommen bei einer Sentenz auf 163 Versen. 14 Belege sind sprichwörtlich. Sentenzen und Sprichwörter sind zwar über den gesamten Text verteilt, doch in acht Passagen häufen sich die Belegstellen: (1) Kalogrenants Erzählung (Streitgespräch): 172; 193; 206; 207; 209; 249. (2) Kalogrenants Erzählung (Keies Spott): 818; 823; 871. (3) Artus im Quellenreich (Keies Spott): 2477; 2485; 2498. (4) Gaweins Rat: 2702; 2731; 2783; 2838; 2850; 2890. (5) Iweins Wahnsinn: 3279; 3306; 3320; 3547; 3580. (6) Hilfszusage für Lunete: 4141; 4191; 4250; 4319; 4326. (7) Burg zum Schlimmen Abenteuer: 6566; 6619; 6636. (8) Gerichtskampf für die Schwestern vom Schwarzen Dorn: 7147; 7155; 7171; 7175.

Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden folgende in der Forschung als sentenzhaft oder sprichwörtlich klassifizierte Stellen:

Auswertung

117

15: TPMA VIII, S. 345, Nr. 67. 18: Arndt 1980, S. 111. 198: Weise 1910, Nr. 108. 251: TPMA VI, S. 188, Nr. 67; Weise 1910, Nr. 35. 546: Bamberg 1945, S. 13. 605: TPMA VII, S. 231, Nr. 12. 818: TPMA XII, S. 429, Nr. 87. 871: TPMA X, S. 112, Nr. 68. 1174: Bamberg 1945, S. 109. 1357: Arndt 1980, S. 111. 1458: Bamberg 1945, S. 114f. 1507: Bamberg 1945, S. 112. 1547: Weise 1910, Nr. 171. 1551: Weise 1910, Nr. 171. 1567: Weise 1910, Nr. 172. 1580: TPMA VI, S. 177, Nr. 78; Zingerle, S. 72. 1705: Bamberg 1945, S. 125. 1748: Weise 1910, Nr. 219. 1866: Bamberg 1945, S. 14f., 26f., 115; Weise 1910, Nr. 136. 2425: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 43, 114f., 117, 121; Eikelmann 1998, Nr. 17; Weise 1910, Nr. 157. 2446: Bamberg 1945, S. 34. 2472: Weise 1910, Nr. 53. 2524: Weise 1910, Nr. 60. 2593: Bamberg 1945, S. 119. 2683: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 119f.; Eikelmann 1998, Nr. 21; Weise 1910, Nr. 126. 2693: Weise 1910, Nr. 126. 2770: Bamberg 1945, S. 49, 117, 124f.; Weise 1910, Nr. 248. 2851: Weise 1910, Nr. 47. 2860: Bamberg 1945, S. 127; Weise 1910, Nr. 158. 2960: TPMA X, S. 44, Nr. 4; Zingerle, S. 131. 3016: Bamberg 1945, S. 20, 22f., 129; Weise 1910, Nr. 173. 3098: Bamberg 1945, S. 129. 3161: Bamberg 1945, S. 130. 3175: Bamberg 1945, S. 130f. 3179: Eikelmann 1998, Nr. 28. 3224: TPMA X, S. 339, Nr. 16. 3268: Eikelmann 1998, Nr. 29; Weise 1910, Nr. 95. 3407: TPMA XI, S. 325, Nr. 14. 3490: Arndt 1980, S. 111; Eikelmann 1998, Nr. 31; Weise 1910, Nr. 102. 3547: TPMA XI, S. 418, Nr. 80. 3549: TPMA XI, S. 415, Nr. 35. 3812: Arndt 1980, S. 111. 3861: Bamberg 1945, S. 15. 4005: Eikelmann 1998, Nr. 38; Weise 1910, Nr. 99. 4095: TPMA XI, S. 325, Nr. 15. 4320: TPMA XIII, S. 208, Nr. 73. 4326: Weise 1910, Nr. 54. 4413: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 24, 139, 140; TPMA VI, S. 245, Nr. 58; Weise 1910, Nr. 69. 5012: TPMA III, S. 426, Nr. 1439; Zingerle, S. 132. 5196: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 141, 155, 157; Eikelmann 1998, Nr. 44; Weise 1910, Nr. 174. 5244: Eikelmann 1998, Nr. 45; Weise 1910, Nr. 220. 5806: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 25. 6344: Eikelmann 1998, Nr. 50; Schulze 1860, S. 153, Nr. 222; TPMA V, S. 148, Nr. 140; Weise 1910, Nr. 186. 6463: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 9-11, 43f., 144f; Eikelmann 1998, Nr. 51; Weise 1910, Nr. 138. 6500: Bamberg 1945, S. 20. 6513: TPMA X, S. 44, Nr. 5; Zingerle, S. 131. 6574: Bamberg 1945, S. 20, 146; Weise 1910, Nr. 103. 6579: Bamberg 1945, S. 146; Weise 1910, Nr. 103. 6626: Eikelmann 1998, Nr. 54; Weise 1910, Nr. 160. 6663: Arndt 1980, S. 111; Eikelmann 1998, Nr. 56; TPMA IX, S. 469, Nr. 164; Weise 1910, Nr. 40; Zingerle, S. 128. 6935: Arndt 1980, S. 111; Weise 1910, Nr. 104. 6997: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 16f., 18, 25, 146; Weise 1910, Nr. 58. 7015: Weise 1910, Nr. 175. 7055: Weise 1910, Nr. 32. 7147: TPMA XIII, S. 337, Nr. 21. 7360: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 30, 149; Weise 1910, Nr. 105. 7385: Weise 1910, Nr. 9. 7679: TPMA III, S. 436, Nr. 1582; Zingerle, S. 168. 7792: TPMA VII, S. 232, Nr. 13. 7851: TPMA IX, S. 198, Nr. 296; Zingerle, S. 168. 7877: Bamberg 1945, S. 151. 7995: Bamberg 1945, S. 151. 8104: Weise 1910, Nr. 211. 8139: Arndt 1980, S. 111; Bamberg 1945, S. 34, 115-117, 157; Eikelmann 1998, Nr. 64; Weise 1910, Nr. 161.

118

2.2 Hartmann: Iwein

Die ältere Forschung hat Sentenzen und Sprichwörter im ›Iwein‹ unter philologischen, sprachstilistischen und narrativen Aspekten erforscht.1 Besondere Beachtung fand die Exordialsentenz, mit der Hartmann den Prolog eröffnet und anhand der Leitbegriffe rehte güete, sælde und êre mit den Schlußversen des Romans verklammert.2 Erst in jüngster Zeit zeichnet sich ausgehend von der Einsicht, daß für Hartmann gerade nicht ein didaktisch-belehrender, sondern ein sehr viel mehr spielerisch distanzierter und ironisch gebrochener Umgang mit Sprichwort und Sentenz typisch ist, eine Neubewertung der proverbialen Sprechhandlungen des Romans ab.3 S p r e c h e r : Gegenüber den 27 Belegen in der Erzählerrede haben die Reden der Romanfiguren mit 40 Belegstellen ein deutliches Übergewicht. 30 Sentenzen und Sprichwörter verteilen sich auf männliches, neun auf weibliches Romanpersonal. Von den elf Figuren, in deren direkten Reden eine oder mehrere Sentenzen inseriert sind, äußert Iwein neunmal, und damit am häufigsten, Proverbien. Keie, Kalogrenant und Lunete sind jeweils sechs, Gawein fünf Sentenzen zugewiesen. V e r w e n d u n g : Wie bereits im ›Erec‹ überwiegt in den Figurenreden des ›Iwein‹ ein rhetorisch-strategischer Umgang mit Sentenzen und Sprichwörtern. Innerhalb der Welt der erzählten Geschichte wird deren Geltungspotential so dargestellt, daß die Romanfiguren proverbialen Redeformen argumentativ nutzen, um eigene Positionen zu untermauern und fremde zu entkräften (Keies Auseinandersetzung mit Kalogrenant, Keies Spottreden), um das Verhalten anderer in die gewünschte Richtung zu lenken (Ratschläge Lunetes, Gaweins Rat) oder zum eigenen Vorteil zu manipulieren (Burgherr zum Schlimmen Abenteuer).4 Noch klarer als im ›Erec‹ findet sich eine Konzentration auf konflikthafte Streit-, Rat- und Entscheidungssituationen, wobei auch der Redegestus der proverbialen Sprechhandlungen insofern verschärft ist, als

___________ 1

2

3 4

Grundlegend waren die Untersuchungen von WEISE 1910 und BAMBERG 1945; erzähl- und textstrukturelle Aspekte behandeln KRAMER 1971, ARNDT 1980 und HENNIG 1981; mit Blick auf die Literarizität sowie die narrativen und diskursiven Funktionsweisen proverbialer Redeformen setzen OLLIER 1976, SCHULZE-BUSACKER 1985, EIKELMANN 1998 und REUVEKAMP 2007 neu an. Zu Hartmanns Exordialsentenz vgl. ENDRES, 1966; MERTENS 1977; KELLERMANN 1992; HAUG 1992, S. 122f. u. 128. Beispielhaft dafür Hartmann: Iwein (Mertens), S. 982 u. pass. Zu den Sprechhandlungen im ›Iwein‹ und ihrer normsetzenden und -orientierten Leistung vgl. ZUTT 1979.

Auswertung

119

es nicht mehr darum geht, einen allzu aggressiven Umgangston zu dämpfen, sondern ganz im Gegenteil darum, individuelle Positionen polemisch zuzuspitzen (723), einen Gegner herabzuwürdigen (193; 206; 207; 209) oder der Lächerlichkeit preiszugeben (818; 823). Ein in diesem Sinne strategischer Gebrauch zeigt sich exemplarisch dort, wo Sentenzen gezielt für Täuschungsmanöver genutzt werden. So, wenn sich Iwein gegenüber den Provokationen Keies betont gelassen gibt (871), obwohl dies, wie die spätere Handlung zeigt, nicht seiner wirklichen Haltung entspricht (3676). Oder wenn der Protagonist im Gespräch mit dem Burgherrn zum Schlimmen Abenteuer vorgibt, nie gegen eine Übermacht von Gegnern anzutreten, obwohl er zuvor solche Kampfsituationen bereitwillig auf sich genommen hat (6636). In vielen Fällen rekurrieren die Figuren also nicht so sehr auf das in Sentenzen und Sprichwörtern kondensierte Erfahrungswissen, um den eigenen Standpunkt vor dem Hintergrund verbindlicher Ideale oder Wertvorstellungen zu konturieren, sondern sie machen sich vor allem deren suggestive Überredungs- und Überzeugungskraft zunutze. Die dafür notwendige rhetorische Wirkung entwickeln diese aber in aller Regel erst durch den Rückbezug auf übergreifende Diskurse, deren Wertungsmaßstäbe sie in semantisch verdichteter Form in die aktuelle Rede einspeisen. Offensichtlich wird dies, als Keie sich gegen die harschen Anschuldigungen der Königin Ginover verwehrt, indem er ihr Verhalten am rechtsethischen Prinzip der misericordia mißt, das fest im Tugendkatalog des christlichen Herrschers verankert ist (172). Mit dem Sprichwort gnâde ist bezzer danne reht bezieht er sich auf die im theologischen wie weltlichen Rechtsdiskurs geführte Diskussion um die Möglichund Notwendigkeit einer an christlichen Maßstäben orientierten Rechtsprechung. Daß er selbst allerdings gar nicht bereit ist, durch öffentlich demonstrierte Reue erst die Voraussetzung für die Wirksamkeit des von ihm eingeforderten Gnadenprinzips zu schaffen, deckt die rhetorisch-strategische Instrumentalisierung auch dieses Sprichworts auf.5 Noch größere Bedeutung als in den bis hierher betrachteten Dialogszenen hat die Orientierungsleistung von Sentenzen und Sprichwörtern in Reflexionen und Selbstgesprächen der Romanfiguren, in denen es darum geht, das eigene Verhalten im Rekurs auf kollektive Erfahrungen und verbürgtes Wissen zu erklären und bewerten (795; 3547; 3580; 3969; 4001; 4141; 4191; 4250). Dabei manifestiert sich gerade auch in diesem Zusammenhang die subjektiv

___________ 5

Vgl. dazu REUVEKAMP 2007, S. 111-116.

120

2.2 Hartmann: Iwein

begrenzte Sichtweise der Figuren und ihre Abhängigkeit vom Wissensstand, den sie jeweils erreicht haben. Ein Beispiel ist Lunetes Verhalten, als sie sich vorwirft, sie habe Iwein voreilig, ohne ihn genügend zu kennen, bei der Werbung um Laudine geholfen (4191). Denn anders als sie hat der Rezipient Einblick in Iweins Gedanken und kann daher wissen, daß nicht die Hilfe für Iwein übereilt war, sondern ganz im Gegenteil der gegen ihn gerichtete Vorwurf mangelnder triuwe. Obwohl das mit der Sentenz aufgerufene Modell der Situationsdeutung grundsätzlich zutrifft, kann die Figur es aufgrund ihres Informationsdefizits nicht adäquat anwenden. Im Vergleich zum ›Erec‹ finden sich zwar in der Erzählerrede des ›Iwein‹ verhältnismäßig mehr Sentenzen und Sprichwörter, doch dienen diese auch hier nur selten einer im eigentlichen Sinne auktorialen Kommentierung der Handlung. Wo dies doch geschieht, nutzt der Erzähler proverbiale Rede sehr pointiert, um seine Souveränität als Vermittlungsinstanz auszustellen, so etwa wenn er bei Gawans Rat auf den Verlauf der Freundschaft mit Iwein vorausdeutet (1875) oder im Vorfeld des finalen Kampfes am Artushof retardierend die eigene rhetorische Kunst inszeniert (7033). Auch die ironischen Kommentare zu Laudines Sinneswandel (1875) wie zum willigen Verhalten ihrer Gefolgsleute (2395) gehören hierher. Daß solche Verwendungen relativ selten sind, ist aber nicht etwa Indiz für eine blasse Ausgestaltung der Erzählerrolle, sondern Folge einer Perspektivierung, bei der die Vergabe von Informationen über weite Strecken der Handlung konsequent am kognitiven Horizont der Figuren ausgerichtet ist.6 Im Zuge dieses fokalisierten Erzählens erhalten Sentenzen und Sprichwörter besonderes Gewicht, indem sie immer wieder die Erlebnisweisen, Gefühle und Gedanken der Figuren und insbesondere Iweins beschreiben, so z.B. die Wirkung der Liebe zu Laudine (2964), seine Gewöhnung an die Speisen in der Wildnis (3320) und seine inneren Zweifel im Kampf gegen den Drachen (3854). In solchen Passagen verleihen proverbiale Redeformen der Innenraumdarstellung einen analytischen Zug,7 indem das Welterleben einer Figur in Relation zum kollektiven Weltwissen gesetzt wird, jedoch geschieht dies in den meisten Fällen, ohne daß sich die Erzählerstimme evaluierend von der Figurenperspektive löst. Aber auch unabhängig von der Figurendarstellung, das verdient narratologisches Interesse, ist die Verwendung von Sprichwör-

___________ 6 7

Vgl. dazu HÜBNER 2003, S. 199. Vgl. zu 3854 ebd., S. 146-149.

Auswertung

121

tern und Sentenzen durch die Annäherung des eigentlich außerhalb der Handlungswelt situierten Erzählers an die intradiegetische Ebene geprägt. Selbst dort nämlich, wo der Erzähler, ausgehend von der Handlung, allgemeine Wahrheiten illustriert (1298) oder höfische Normen und Werte exemplifiziert (2731; 3077; 3725; 5589), geschieht dies situationsorientiert, also nicht von einem die gesamte Handlung überblickenden Standpunkt aus. Deutlich wird dies zum Beispiel, wenn er die besondere Kraft der Freundschaft zwischen Gawein und Iwein zunächst herausstellt (2702) und kurz darauf die Fatalität von Gaweins Rat einräumt (3031). Oder wenn er Artus’ Dankbarkeit für Gaweins und Iweins Tüchtigkeit auf der Turnierfahrt in dem Moment ausdrücklich lobt (3077), in dem Lunete am Artushof erscheint, um Iwein aus eben demselben Grund zu verfluchen. Ein für den höfischen Roman bezeichnendes Verfahren ist die thematische Verknüpfung und, damit verbunden, die im Erzählablauf erkennbare Strukturierungsleistung von Sentenzen und Sprichwörtern. Im ›Iwein‹ lassen solche intratextuellen Rekurrenzen und Sequenzbildungen – wie zuerst HENNIG gezeigt hat – Probleme anklingen, die „sich durch den ganzen Text motivisch hindurchziehen und über die Funktion der Einbeziehung und oder einer Belehrung des Lesers hinaus eine Bedeutung für sein Verstehen haben.“8 So stellt die den Prolog eröffnende Exordialsentenz (1) eine perspektivierende Rahmung des Romangeschehens her, deren Funktion für den Hörer oder Leser darin besteht, daß er situationsabstrakte Leitbegriffe wie güete und êre interpretierend auf die erzählte Geschichte bezieht und semantisch füllt.9 Auch sonst heben proverbiale Reden romanspezifische Themen auf der Textoberfläche hervor, wie etwa zwei Sentenzen mit dem im ›Iwein‹ virulenten Motiv des eiligen und voreiligen Redens zeigen (4141; 7674). In einem anderen Fall wird durch die Sequenzbildung der Geltungsbereich eines Sprichworts hinterfragt, wenn Iwein das von Lunete als Warnung zitierte zwene sîn eines her (4329) durch seine ritterlichen Taten widerlegt, während er die interessengeleitete Umkehrung des Sprichworts durch den Herrn der Burg zum

___________ 8 9

HENNIG 1981, S. 121. Die textübergreifende Funktion der Prologsentenz wird weiter ausgestaltet in einer Reihe von Sentenzen, die zentrale Begriffe wie êre, vrümekheit und wîsheit aufnimmt und aus wechselnden Figurenperspektiven beleuchtet (1499; 2731; 3077; 3696; 7175). Auch durch die Verknüpfung der Exordialsentenz mit der Vorbildfigur des König Artus (4-20) gewinnt die Sentenzverwendung bei Hartmann an Gewicht. Der Romananfang des ›Yvain‹ bietet eine Sentenz (Chrétien: Yvain, v. 31: car molt valt mialz, ce m’est a vis, / uns cortois morz c’uns vilains vis), die bei Hartmann keine direkte Entsprechung hat.

122

2.2 Hartmann: Iwein

Schlimmen Abenteuer (6619) nachdrücklich zurückweist. Dieses Verfahren ist in hohem Maße geeignet, die Unterschiede im Wissensniveau und in den Sichtweisen der Romanfiguren aufzudecken. Die Wiederholung von Formulierungen und Gedanken demonstriert also verschiedene Möglichkeiten der Instrumentalisierung der Standpunktabhängigkeit von Äußerungen mit hohem Geltungsanspruch. Festzuhalten bleibt, daß im ›Iwein‹ wie im ›Erec‹ Sentenzen und Sprichwörter häufiger in der Figuren- als der Erzählerrede vorkommen. Allerdings tun sich in weiteren Aspekten grundsätzliche Unterschiede zwischen den zwei Artusromanen auf. Sehr viel deutlicher als im ›Erec‹ kann man im ›Iwein‹ sehen, dass die Sentenzen und Sprichwörter funktional auf den Handlungsweg des Protagonisten bezogen sind, auch im Sinne der Erzählstruktur. Ü b e r l i e f e r u n g : Die handschriftliche Überlieferung wurde anhand der kritischen Apparate von WOLFF und SCHRÖDER 1992 zur Edition von BENECKE/LACHMANN/WOLFF (Hartmann von Aue: Iwein) sowie der bei HENRICI (Hartmann: Iwein [Henrici]) und MERTENS (Hartmann: Iwein [Mertens] verzeichneten Lesarten verglichen. Im Falle der Handschriften A, B, a, b, c, d, f, l, r und der Federprobe in P ist die Überlieferung zudem an Faksimiles, Mikrofilmen und Digitalisaten überprüft worden. Obwohl es sich bei den ältesten Handschriften A und B „um zwei selbständige“10 Parallelfassungen handelt, weichen beide Textzeugen hinsichtlich Sentenzen und Sprichwörter nur geringfügig voneinander ab. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle finden sich kleinere Änderungen und Ersetzungen im Wortlaut, die aber nicht den Sinn berühren, wie beispielsweise in 207 (A), 249 (A, B), 797 (A), 823 (B), 871 (B), 1299 (A), 1875 (B), 2396 (A, B), 2498 (A), 3320 (B), 3691 (A), 3969 (B), 7175 (A). Offensichtliche Versehen und Verderbnisse kommen dagegen nur punktuell vor: 4321 (A), 4389 (A), 7628 (A). Durch Verlust einer längeren Textpassage fehlt A eine in B überlieferte Sentenz: 7033 (A). Lediglich bei den wenigen Lesarten mit Sinnverschiebungen fallen die Unterschiede zwischen beiden Handschriften ins Gewicht: 818 (A), 2498 (B), 2838 (B), 4250 (B), 4326 (B), 5349 (B), 6064 (B), 6636 (B). Während die Sentenzen und Sprichwörter des ›Iwein‹ in A und B also gut bezeugt sind, ist die Varianz in der weiteren Überlieferung und speziell in

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BUMKE 1996, S. 41; jüngster Forschungsüberblick bei HAUSMANN 2001.

Auswertung

123

jenen Handschriften, die als Kurzfassungen11 gelten, ungleich größer. So fallen in b, f, p und z die zahlreichen Auslassungen auf, die sich bei z dann sogar über den gesamten Text erstrecken: b: 1875; 2498; 2890; 5589; 7155 f: 3854; 7155 p: 795; 2477; 3077; 3547; 3676; 4389; 6064; 6513; 7155 z: 249; 871; 1875; 2395; 2731; 2838; 3077; 3547; 3854; 4141; 4191; 4250; 4326; 5274; 5349; 6064; 6513; 6566; 6636

Dieses Ergebnis stützt bisherige Beobachtungen, wonach b und f in relativ geringem Maße variieren, während p und z den Text in nur noch „gerüsthafter Form“12 bieten. In diesen wie in einigen weiteren Fällen tragen Kürzungen meist dazu bei, daß sich die Narration stärker auf das Handlungsgeschehen konzentriert (vgl. noch E 3547; a: 3547, 7175; c: 7033, 7147; d: 6513; l: 5349; r: 2838, 5589). Von der gezielten Ersetzung einer Sentenz ist nur an einer Stelle auszugehen: 207 (r). Besonderheiten der Überlieferung: In der Kölner ›Wigalois‹-Handschrift A (= ›Iwein‹-Handschrift P) sind neben zwei weiteren Einträgen die zehn Eingangsverse des ›Iwein‹ auf dem letzten Blatt als Federprobe bezeugt, die mit Blick auf ältere Traditionen der Texteinrichtung einerseits als „Experimentieren mit dem Layout“13 zu deuten sein kann, andererseits aber durch den Modus der Präsentation verdeutlichen könnte, daß das „klassisch gnomisch einsetzende“ Exordium nicht auf schriftbezogene Rezeption zielte, sondern primär „für den Vortrag“14 angelegt war. In den Handschriften B und l ist eine Reihe von Sentenzen und Sprichwörtern durch Unterstreichungen markiert, die auf eine exzerpierende Lesepraxis hindeuten. In B sind diese Unterstreichungen dem Schreiber zuzuordnen, der 1531 Ergänzungen vorgenommen hat,15 in l datiert man sie auf das Jahr 1541.16 T h e m e n : Folgende inhaltliche Schwerpunkte des Textes werden auch in Sentenzen und Sentenzanspielungen reflektiert:

___________ 11

Übersicht bei HENKEL 1993, S. 44. ebd. S. 54. 13 GÄRTNER 2003, S. 107. 14 MÜLLER 2005, S. 434. 15 Vgl. dazu HEINRICHS 1964, S. XIV; BECKER 1977, S. 56. 16 Vgl. ebd. S. 70. 12

124

2.2 Hartmann: Iwein

– Ansehen und Ehre: 1; 14; 2890; 3547; 3969; 7171; 7175. – Dank und Anerkennung: 2485; 2498; 2731; 3077; 3854. – Eiliges und voreiliges Sprechen: 193; 249; 795; 818; 4141; 7674. – Kampf und Gewalt: 723; 871; 2477; 3580; 4326; 5349; 6619; 6636. – Torheit und Unvernunft: 795; 1335; 1499; 3267; 3320; 4250. – Natur und Gewohnheit: 193; 206; 207; 209. – Verhalten von und gegenüber Frauen: 1875; 2783; 2890; 7674. – Verstehen und Handeln: 249; 4191.17 – Wille und Werk: Sentenz 1499; 4319.18

S t i l : Sprachlich-stilistisch erreicht Hartmann im ›Iwein‹ das hohe Niveau von Chrétiens ›Lancelot‹ und ›Yvain‹.19 Im Vergleich zum ›Erec‹ fällt das ausdifferenzierte Formenspektrum auf: Es schließt sowohl geschliffene Prolog- und Erzählersentenzen (1; 3077; 4389) als auch in dialogischen Interaktionen funktionalisierte und mit dem jeweiligen Redekontext verschmolzene proverbiale Sprechhandlungen ein. Reichhaltig ist auch das sprachstilistische Repertoire, zu dem verschiedenartige Formulierungs- und Satzmuster, Sentenz-Reihen, kommentierende Auslegungen einzelner Sentenzen, Reduktionsund Anspielungsformen sowie variable Ein- und Ausleitungsformeln gehören. Hartmanns auf konzise Klarheit und ironische Brechungen zielenden Stil illustrieren nicht zuletzt solche Proverbien, die pointiert formuliert sind (2153; 2477; 7033; 7818), unerwartete Bild- und Themenbereiche aufrufen (206; 207; 209; 815; 823) und den Ernst des Geschehens drastisch karikierend aufheben (207; 1298; 2395), und – in Anlehnung an Chrétien – verbreitete Sprichwörter in ihr Gegenteil verkehren (723; 2395).

___________ 17

Während Chrétien, den Regeln der lateinischen Poetik folgend, dem richtigen Verstehen besonderes Gewicht gibt und auf das Matthäus-Evangelium (Mt 13, 14) anspielt, betont Hartmann in der entsprechenden Textpassage neben dem Verstehen den Aspekt des richtigen Zuhörerverhaltens (249). Das für den ›Iwein‹ zentrale Thema richtigen Verstehens und Handelns wird durch eine Sentenz (4191) sowie die zweimalige Verwendung der biblischen Redensart „mit sehenden Augen blind sein“ (1277; 7058) markiert. Vgl. WOLEDGE 1986, Bd. 1, S. 64. 18 Zu diesem für die Interpretation des ›Iwein‹ zentralen Romanthema: RAGOTZKY/WEINMAYER 1979, S. 212-216; SCHNELL 1991, S. 30. 19 Dafür zu Chrétien die Hinweise bei SCHULZE-BUSACKER 1985, S. 57f.

Auswertung

125

Kontextualisierende Formeln, die Alter, Bekanntheit oder Wahrheit der Sentenzen und Sprichwörter beglaubigen und das Geschehen oder dessen Erleben in Bezug zu kollektivem Wissen setzen, finden sich gleichermaßen in Figuren- wie Erzählerrede: Einleitungsformeln: – mir ist ein dinc wol kunt … (zu 193; Kalogrenant) – ouch ist reht daz … (zu 207; Kalogrenant) – bî sîner genist nim ich war … (zu 1298; Erzähler) – als ouch die wîsen wellen …(zu 2702; Erzähler) – als in der huonger bestuont, / sô teter sam … (zu 3267; Erzähler) – nu erzeicte der tôre zehant / daz … (zu 3320; Erzähler) – Dô liez er sîne vrouwen / ab der were schouwen / daz … (zu 3723; Erzähler) – nû gît mir doch des bilde / dirre lewe wilde, / daz er von herzeleide sich / wolde erstechen umbe mich, / daz … (zu 4001; Erzähler) – die liute habent sich joch dar an / daz … (zu 4326; Lunete) – der alte spruch der ist wâr: … (zu 6064; Iwein) Ausleitungsformeln: – … des gît gewisse lêre / künec Artûs der guote (zu 1; Erzähler) – … alsus clag ich von schulden (zu 723; Erzähler) – … herre Iwein, alsô tuot ir. / rât ich iu wol, sô volget mir (zu 823; Keie) – … leider alsô tet ich mich (zu 4141; Lunete) – … alsô heten sî getân: (zu 7175; Erzähler) Umrahmungen: – durch nôt bescheid ich iu wâ von: … zewâre geschach ez ê nie, / ez geschach doch im, und sage iu wie (zu 3031; Erzähler) – wan alsô ist ez gewant, / als ez ouch undern liuten stât: … dem was diz wol gelîche (zu 3854; Erzähler) – gehabe dich wol, wis unverzaget: … daz weiz ich wol (zu 6566; Iwein)

126

2.2 Hartmann: Iwein

Einschub: – … daz sî iu geseit … (zu 818; Keie)

Die Sentenzen und Sprichwörter des ›Iwein‹ waren zitierfähig. Prägnante Beispiele dafür bietet die wiederholte Rezeption der Exordialsentenz (1), für die neben der erwähnten ›Wigalois‹-Handschrift A (s.o.) auf das sehr viel spätere Zeugnis einer Entlehnung in Handschrift H von Eilharts ›Tristrant‹ (Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 346, 1460-1475) zu verweisen ist: wer von hertzen minnet,/ ere und dar nch ringet,/ dem volget seld und hail (3113-3115). Die zitierende Aufnahme einzelner Sentenzen illustriert daneben das in Ottokars ›Steirischer Reimchronik‹ aufgenommene Proverbium vom guten Rat, den zu beachten Erfolg bringt (2153).20 In anderen Fällen haben spätere Autoren Sentenzen und Sprichwörter mit ihren Kontexten, wie sie das Streitgespräch am Artushof bietet, in intertextuellen Bezugnahmen aufgenommen.21 Noch näher zu untersuchen wäre die Rezeption des ›Iwein‹ in Ulrich Füetrers ›Iban‹.22 Da Füetrers Version kaum reflexive Erzählerpassagen enthält und längere Dialogpartien (Streitgespräche, Ratszenen, Gawans Rat) auf ein Minimum kürzt, finden sich im ›Iban‹ mit nur einer einzigen Ausnahme23 keine Sentenzen aus dem ›Iwein‹. V o r l a g e : In Chrétiens ›Yvain‹ lassen sich in Anlehnung an die Forschung24 und noch im Vorfeld einer genaueren Untersuchung 41 Textstellen als sentenzhaft oder sprichwörtlich bewerten: 31: Ollier 1976, S. 342; Schulze-Busacker 1985, Nr. 1257. 98: Ollier 1976, S. 345. 116: Ollier 1976, S. 342; Schulze-Busacker 1985, Nr. 2410; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 63. 117: Ollier 1976, S. 342; Schulze-Busacker 1985, Nr. 2410; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 63. 151: Ollier

___________ 20

Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 29079-29083. Eine Zusammenstellung der Entlehnungen aus dem ›Iwein‹ bietet Hartmann: ›Iwein‹ (Henrici), S. 195-204. 21 Zu 871: Heinrich: ›Diu Crône‹, 1486-1498 u. 17802-17809; zu 2485: Thomasin von Zerklre: ›Der welsche Gast‹, 71-86 u. 206. Zu beachten ist daneben der Rekurs auf den Zweikampf Iweins gegen den unbekannten Freund (7033) bei Heinrich: ›Diu Crône‹, 1563315642 u. 15521-15525. 22 Ulrich Füetrer hat sich bei seiner Bearbeitung wahrscheinlich auf die kürzende ›Iwein‹Handschrift f gestützt; vgl. CARLSON 1927. 23 Lediglich im Zusammenhang mit Keies Spott über Iweins (vermeintliche) Abwesenheit bei der Ankunft des Artushofes im Quellenreich findet sich eine Übernahme von zwei Formulierungen aus Hartmanns ›Iwein‹ (2477; 2498): Manicher sere kallet / mit red zúe aller zeit! / vil leicht er lauttes schallet, / da man im nicht den wider schlage geit! / er möcht schweigen alls ich zúe allen dingen: kains rúemes ich mir selb vergich, / wie mir dick thúet an hohem preis gelingen! (Füetrer: Buch der Abenteuer, 4203, 1-7). 24 Vgl. den Forschungsüberblick bei SCHULZE-BUSACKER 1985, S. 46f.

Auswertung

127

1976, S. 352; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 64. 502: Ollier 1976, S. 353; Schulze-Busacker 1985, Nr. 1159; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 83. 592: Ollier 1976, S. 352f.; SchulzeBusacker 1985, Nr. 1563 u. 1647. 594: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1647; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 86f. 632: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2283. 641: Ollier 1976, S. 336f.; SchulzeBusacker 1985, Nr. 2136 (vgl. 2102). 998: Ollier 1976, S. 337f. u. 346. 1329: Ollier 1976, S. 356; Schulze-Busacker 1985, Nr. 794. 1405: Ollier 1976, S. 333 u. 336. 1432: Ollier 1976, S. 347. 1439: Ollier 1976, S. 354; Schulze-Busacker 1985, Nr. 435; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 112. 1644: Ollier 1976, S. 354; Schulze-Busacker 1985, Nr. 742. 1727: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2446. 2137: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2026. 2148: Ollier 1976, S. 339; SchulzeBusacker 1985, S. 58, Anm. 66. 2189: Ollier 1976, S. 349; Schulze-Busacker 1985, Nr. 2128. 2193: Schulze-Busacker 1985, Nr. 696. 2463: Schulze-Busacker 1985, Nr. 225. 2509: Ollier 1976, S. 337; Schulze-Busacker 1985, Nr. 136. 2515: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1549. 2521: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2469. 2589: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1545. 2850: Ollier 1976, S. 353; Woledge 1986/1988, Bd. 1, S. 166. 3116: Ollier 1976, S. 334; Schulze-Busacker 1985, Nr. 2328. 3125: Schulze-Busacker 1985, Nr. 784. 3206: Schulze-Busacker 1985, Nr. 127. 3536: Ollier 1976, S. 347. 3555: Schulze-Busacker 1985, Nr. 161. 3877: Schulze-Busacker 1985, Nr. 127. 3928: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1356. 4274: Schulze-Busacker 1985, Nr. 303. 4408: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1570. 4417: Schulze-Busacker 1985, Nr. 2061. 4437: Schulze-Busacker 1985, Nr. 161. 4566: Schulze-Busacker 1985, Nr. 1891. 6590: Ollier 1976, S. 341; Schulze-Busacker 1985, Nr. 170. 6770: Ollier 1976, S. 334; Schulze-Busacker 1985, Nr. 535; Woledge 1986/1988, Bd. 2, S. 172.

Hartmanns Bearbeitung hält sich in der Anfangspartie des Romans auffällig eng an den ›Yvain‹.25 Wörtliche Übersetzungen, variierende Entlehnungen sowie der Austausch von Sentenzen finden sich beispielhaft in den Streitgesprächen der Kalogrenant-Episode (206; 207; 209; 249; 723; 795; 818; 823; 871). Eine markante Sinnverschiebung findet sich innerhalb des Gesprächs über den Verlust der Zaubersalbe (3676; 3691). Andererseits schließt die Übernahme der Vorlage durchaus Sentenzen und Sprichwörter mit drastischer Bildlichkeit sowie ironische Prägungen ein (207; 818; 823; 2395). Bei erläuterungsbedürftigen Stücken wie dem ironisierenden Tant as tant vaus, et je tant t’ain. (Chrétien: Yvain 632) sind Form und Inhalt des französischen Sprichworts jedoch aufgegeben (Chrétien: Yvain 4566 – Hartmann: Iwein 54295435). In anderen Fällen modifiziert Hartmann die Vorlage partiell, um ein Sprichwort ins Metaphorische zu wenden (Hartmann: Iwein, 723 – Chrétien: Yvain, 502). Dieser quellenorientierte Bearbeitungsstil verändert sich in den späteren Partien des Romans grundlegend, da Hartmann – neben Auslassungen und Ersetzungen – verstärkt eigene Sentenzen und Sprichwörter bietet. Während er

___________ 25

Nach wie vor nützlich für Analysen der Sentenz-Adaptation Hartmanns sind die Beispiele in der Untersuchung von WEISE 1910, S. 18-28, sowie die Diskussion bei KUTTNER 1978, S. 46-59; weiterführende Überlegungen bei EIKELMANN 1998, S. 81-84.

128

2.2 Hartmann: Iwein

vorher Sentenzen meist in den vorgegebenen Kontexten verwendet (z.B. 2477; 2498), fügt er nun einzelne Sentenzen und ganze Sentenz-Reihen neu in den Erzählzusammenhang ein (4326; 5349; 6619; 6636). Gerade in der zweiten Romanhälfte, in der Chrétiens Erzählung nur noch wenige Belege aufweist, intensiviert er die Verwendung proverbialer Redeformen. Im Vergleich zum ›Yvain‹ ist die Verteilung der proverbialen Redeformen auf Figuren- und Erzählerrede dabei auch insofern verändert, als die dem Erzähler zugewiesenen Sentenzen und Sprichwörter merklich größeres Gewicht erhalten.

2.3

Ulrich von Zatzikhoven: ›Lanzelet‹

Der rund 9400 Verse umfassende ›Lanzelet‹ ist das einzige bezeugte literarische Werk Ulrichs von Zatzikhoven1. Nach den Aussagen des Epilogs handelt es sich bei dem Artusroman um die Bearbeitung einer nicht bekannten französischen Vorlage. Zumeist datiert man den ›Lanzelet‹ auf die Zeit nach 1194. Bezüge zu Wolframs von Eschenbach ›Parzival‹ legen jedoch nahe, daß der Roman erst um 1205 entstanden sein könnte.2 I n h a l t : Der Roman beginnt mit einem Prolog, in dem der Erzähler um die Gunst des Publikums bittet und seinen Helden vorstellt (1-40). Die Handlung wird durch die Elternvorgeschichte eröffnet: Lanzelets Vater, König Pant, herrscht tyrannisch über das Land Genewîs, verliert jedoch Herrschaft und Leben durch einen Aufstand seiner Vasallen. Eine Meerfee rettet Lanzelet und entführt ihn auf eine Insel fern der höfischen Welt, auf der er, ohne seine Herkunft zu kennen, aufgezogen wird (41-402). 15-jährig zieht Lanzelet aus, um seinen Namen zu erfahren. Er wird, nachdem sein Pferd vor Plûrîs einen Geißelschlag von einem Zwerg erdulden muss, in zwei Tagen zum Ritter ausgebildet (403-666). In einer ersten Kette von Aventiuren gewinnt Lanzelet dreimal die Minne und das Land einer Dame, indem er den Landesherrn im Zweikampf tötet. Zuerst heiratet er die Tochter des Galagandreiz auf Môreiz, die sich erfolglos seinen Begleitern Kurâus und Orphilet, dann Lanzelet für eine Liebesnacht angeboten hat (667-1356). Danach zieht Lanzelet weiter zur Burg Lîmors, wo er zuerst gefangengesetzt wird, dann aber die Hand Ades gewinnt (1357-2238). Auf der Suche nach weiteren Abenteuern treffen Lanzelet und Ade auf Wâlwein, der sie zum Artushof einlädt, was Lanzelet jedoch ablehnt. Er erweist sich in dem von Wâlweins Vater ausgerichteten Turnier von Djoflê, bei dem auch Artus anwesend ist, als herausragender Ritter und schließt Freundschaft mit Wâlwein (2239_____________ 1

2

Allgemein wird angenommen, daß es sich bei dem Verfasser um einen 1214 urkundlich belegten Uolricus de Cecinchouin, einen Dorfprediger aus dem schweizerischen Thurgau, handelt. Gegen diese Identifikation werden wiederholt gute Gründe angeführt. Vgl. dazu die Diskussion bei FELBER-REUVEKAMP 2003, S. 107-111, sowie WENNERHOLD 2005, S. 21f. NEUGART (2VL, Bd. 10, Sp. 61-68) begründet ihre Frühdatierung mit dem Hinweis auf die Vorlage, zieht jedoch auch eine spätere Datierung, die sich an dem Verhältnis zum ›Parzival‹ orientiert (1204/1205), in Betracht (Sp. 66).

130

2.3 Ulrich: Lanzelet

3521). Kurz darauf wird Lanzelet in Schâtel le mort zum Gefangenen, wo Mâbûz, der feige Sohn der Meerfee, lebt. Durch einen Zauber wird er zum Feigling, woraufhin sich Ade, beraten durch ihren Bruder Diepalt, von ihm trennt (3522-3825). Lanzelet wird ausgesandt, um gegen den mit Mâbûz befeindeten Iweret von Dôdône zu kämpfen. Im Blumental Vâls Iblê erfüllt sich Lanzelets Bestimmung, indem er durch den Sieg über Iweret Iblis gewinnt. Durch eine Botin der Meerfee erfährt er Namen und Abstammung (3826-4959). Am Artushof besiegt er den Ritter Valerîn, der Ansprüche auf Ginover geltend gemacht hat, und wird in die Runde der Artusritter aufgenommen (4960-5428). Zu Beginn des zweiten Romanteils zieht Lanzelet, um sich für den Geißelschlag zu rächen, alleine nach Plûrîs, wo er zum vierten Mal die Hand einer Dame gewinnt (5429-5678). Während Lanzelet in Ehegefangenschaft gehalten wird, führt die Botin der Meerfee am Artushof eine Mantelprobe durch, bei der sich Iblis als untadeligste aller Damen erweist (5679-6129). Schließlich wird Lanzelet von vier Artusrittern befreit (6130-6562). Nachdem sie zusammen beim Ritter Gilimâr eingekehrt sind, der als Treuebeweis für seine Minneherrin den Stummen spielt, gelangen sie zurück zum Artushof (6563-6672). Um Ginover zu befreien, die unterdessen von Valerîn in den Verworren tan entführt worden ist, brechen Artus und seine Ritter auf. Sie besiegen Valerîn jedoch erst mit Hilfe des Zauberers Malduc, der als Gegenleistung Erec und Wâlwein als Geiseln erhält (6673-7444). Lanzelet und weitere Artusritter befreien die beiden aus dem schrîenden mor (7445-7816). In einer letzten Romanepisode küsst Lanzelet einen Drachen, der sich daraufhin in Elidiâ von Thîle verwandelt. Sie führt er als Schiedsrichterin in Minnefragen an den Artushof (7817-8040). Zuletzt übernehmen Lanzelet und die freigebige Iblis die Herrschaft über Genewîs und Dôdône (8041-9308). Der Roman schließt mit einem Epilog, in dem die Entstehung des Werks und das weitere Leben des Paares geschildert werden (9308-9445).3

_____________ 3

Zur Analyse der, abhängig von divergierenden literar- und gattungshistorischen Annahmen, nach wie vor höchst kontrovers diskutierten Handlungs- und Erzählstruktur vgl. bes. TRENDELENBURG 1953, S. 10f.; RUH 1980, S. 34-49; PERENNEC 1993 , S. 129-140; MERTENS 1998, S. 98. Allerdings stehen Analysen, die alternativ die Romantopographie (höfische vs. mythische vs. archaisch-heroische Orte und Räume) ins Zentrum rücken, noch aus; vgl. dazu SCHULZ 2007.

Einführung

131

Sechs Textzeugen (zwei vollständige Handschriften, vier Fragmente). P: Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 371, datiert 1420 [Textlücken: v. 5479-5624, 7524-7716]; W: Wien, ÖNB, Cod. 2698, Anfang 14. Jh. [Textlücke: v. 8943-9082]. Fragmente: B: Oxford, Bodleian Library, Ms. Germ. b. 3, f. 9-10, 1. Viertel 13. Jh. [v. 2259-2285; 2304-2327; 23462369; 2389-2412]; S: Straßburg, Stadtbibliothek, Cod. A 107 (verbrannt), um 1300 [v. 3089-3214; 3472-3598]; G: Goldhahns Fragment aufbewahrt in Cambridge (Mass.), Harvard University, Houghton Library, Ms. Ger 80, 1. Hälfte 14. Jh. [v. 4422-4542, 5270-5387]; GK: Klagenfurt, UB, Perg.-Hs. 47 [zu Hs. G gehörig: v. 3628-3891 mit Lücken]. – Die Prologverse 11-20 sind außerdem im Rahmen einer Sammlung von Reimpaarsprüchen aus dem 15. Jh. bezeugt in Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 355, f. 15r. Zugrundegelegt wird die von KRAGL besorgte Edition (Ulrich: Lanzelet). Hinzugezogen sind die erste Ausgabe von HAHN (Ulrich: Lanzelet [Hahn]) sowie der Abdruck von W bei DEUTSCHER (Ulrich: Lanzelet [Deutscher]).

132

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 1 Swer rehtiu wort gemerken kan, der gedenke, wi ein wîse man hi vor bî alten zîten sprach, dem sît diu welt der volge jach. In dûhte der niht wol gemuot, der aller der liut willen tuot.

7 den frumen hazzent ie die zagen - daz sol er mæzeclîchen klagen -, sît ez in an ir herze gât, sô sîn dinc wol ze sælden stât.

Kontext Der Erzähler leitet den Roman mit einer allgemeinen Erfahrung ein (Prolog).

Der Erzähler leitet den Roman mit einer allgemeinen Erfahrung ein (Prolog).

Überlieferung P 6: liut] welte.

Paraphrase Es ist unklug, es allen recht machen zu wollen.

Tüchtige Menschen werden stets von den Feigen befeindet.

zu: 1, 7

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

133

Querverweise

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (L) Mich beswaerent alle die, / der herze niht sô sinnic sîn, / daz si lebent, sîne wizzen wie, / und spottent doch dar under mîn. / Die sint übel und bin ich guot, / wand ich niemer rehten man / gehazzen wil, sô er rehte tuot. // Staeten lop er nie gewan, / swer al der werlte willen tuot. / mêr umbe êre sol ein man / sorgen denne umb ander guot / Und des besten vlîzen sich. / vrâge in ieman, wer im daz / gerâten habe, sô nenne er mich Reinmar MF 192, 11-24 (MFMT XXI, XLIII, 3 u. 4). Verwendung: - (L) Der vogel singet als ime der munt / gewazzen steit zu sange. / Nu spreche manlich of he muge / tifer unde vorebaz / Den ich han, so‘z der werlde tuge, / tut he‘z den ane widersaz, / So tut he daz e nie ne geschach / neman den lüten allen / Zu danke levete noch ne sprach; / man wil ouch mich verscallen. // Ja zweient mit mier manege stunt, / de sich versinnen aller best, / So ist mir doch de warheit kunt / unde wirt min volge groz zu lest Eike von Repgow: Sachsenspiegel, Vorrede, 47-60. - (E) es wisse got der riche, / daz bi disen iaren / der welte willen gevaren / nieman alle kvnst kan Johann von Konstanz: Minnelehre, 26-29. - (L) Al der welte nieman kan / sô gebaren, daz si alle dunke guot Ulrich von Singenberg 19, IV, 1-2 (SMS 12). Œ Cr 2766. Literatur: Friedrich s.v. liute, S. 280: „Sprichwort?“; s.v. wërlt, S. 456: „Sprichwort?“; s.v. wille, S. 460: „Sprichwort“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1071: „Exemplum“. McLelland 2000, S. 35: „aphorism“. Singer 1919, Nr. 5 [führt diese Textstelle an]. TPMA I s.v. ALL 2.3.1. Man kann es nicht allen recht machen. Wennerhold 2005, S. 39: „verbürgte Sentenz“; S. 40: „exemplifizierte Sentenz“. Zellmann 1996, S. 38: „sentenziöses Incipit“ (mit Bezug auf V. 1-3); S. 69: „Sentenz“ (mit Bezug auf V. 5); S. 283 Anm. 6: „Lehrsatz“. Kragl 2006, S. 1066f. Münch 2005, S. 7-9; S. 49-52; S. 61-64. Pérennec 2004, S. 45-47. Ranawake 2000, S. 49. Salowsky 1975.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) nû vindet man selten âne nît / die b#sen hoveliute. / ichn weiz, waz ez bediute: / als dem gaste wol geschiht, / daz lânt sie âne rede niht. / sie sprâchen offenbre, / daz ez allez ein goukel wre, / dâ mit er umbe gienge. / dern an einen galgen hienge, / der füere im harte rehte mite. / ez was ie der b#sen site, / daz sie den guoten übel sprâchen / und enwesten wazs an in râchen. / daz sie got gehazze Otte: Eraclius, 1220-1233. - (E) iedoch si sanden boten hin / gegen Metzen durch den nît: / den kom er alsô nâhen sît / daz in wol gesâhen die. / [...] / ez was ie der b#sen site / daz man die frumen hazzen tuo. / ez reit der junge recke duo / gegen Metze sîne strâze dan. / durch daz ez in was kunt getân, / sô heten sich ir zwelve dar / (ez was ouch gr#zer niht ir schar) / nâch im gerihtet ûf die slâ: / sie wânden an im ertwingen dâ / allez daz si dûhte guot Biterolf und Dietleib, 2478-2495. Verwendung: - (S) Virtus semper inuidiae patet Otloh von St. Emmeram: Liber proverbiorum, v 52. - (D) Swâ ein frome wîb kumit / unde si ein bôsin ginimit, / diu nah êron ist gizogin, / diu wirt alsô harte bitrogin / wande demo bôsin demo ist leit / allir slahte frumicheit Scopf von dem lone, 77-82.

17-26; *7804.

134

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

Kontext

Der Erzähler leitet den Roman mit eiNuo horent, wi ich ez meine: ner allgemeinen Erfahrung ein er belîbet friunde aleine, swer nieman für den andern hât. (Prolog). ez ist mîn bet und ouch mîn rât, daz hübsche liut mich vernemen, den lop und êre sol gezemen. 11

Überlieferung

P 12: fruntlich. P 13: den] die.

Paraphrase

Wer bei den Menschen nicht unterscheidet, der geDie Prologverse 11- winnt keine Freunde. 13 sind in der um 1450 datierenden Handschrift cpg 355 auf Blatt 15r im Rahmen einer Spruchsammlung überliefert (Miller/Zimmermann 2007, S. 202).

zu: 11

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur - (D) ich bin von Frîûle geborn / und lâze gar âne zorn / swer âne spot mîn getiht / und mîne tiusche bezzert iht. / ich heiz Thomasîn von Zerklre: / b#ser liute spot ist mir unmre. / hân ich Gâweins hulde wol, / von reht mîn Key spotten sol. / swer wol gevellt der vrumen schar, / der missevellt den b#sen gar. / swer vrumer liute lop hât, / der mac wol tuon der b#sen rât. / ist iemen vrum der rehte tuot, / daz dunket niht den b#sen guot, / wan swaz der vrume guots tuon mac, / daz muoz sîn der b #sen slac Thomasin von Zerclre: Der Welsche Gast, 71-86. - (S) Swann ich der bœsen hulde hân, / sô hân ich etewaz missetân. / Man sol hân mit den besten pfliht, / die bœsen hœren unde volgen niht. / Wer mac die besten ûz gelesen, / sô nieman wil der bœste wesen? / Ein bœser man ungerne siht, / swâ dem frumen guot geschiht. / Swer gîtekeit und erge hât, / deist gruntvest aller missetât Freidank, 90, 21 - 91, 3. - (L) swen die bœsen hazzent âne sîne schult, / daz kümet von sîner frumecheit. / Trœstet mich die guote alleine, / diu mich wol getrœsten mac, so gbe ich umbe ir nîden cleine Walther von der Vogelweide 50, III, 3-6 (L 73, 37 - 74, 3). ŒIw 2485 ŒWigl 94 ŒCr 22620 ŒMel 98 ŒETr 3119; 3134 ŒGTr 1; 8395 ŒHTr 3035. Literatur: Friedrich s.v. biderbe, S. 118; s.v. vrum, S. 438: „Sprichwort“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1073: „sprichwörtlich“. Leitzmann 1931, S. 300 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 35: „wise saying“; S. 40: „key aphorism around wich the prologue is built“. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXVIII [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 32 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.8. Wohltat wird oft nicht geschätzt; X s.v. SCHLECHT 2.2.5. Die Schlechten hassen und schädigen die Guten [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Haß. Nr. 25. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 5: „Sprichwort/Merkvers“. Zingerle s.v. ZAG, S. 181 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 44-46. Münch 2005, S. 53-55; S. 61-64.

Sentenz Verwendung: - (S) Swer den liuten allen / welle wol gevallen, / armen unde rîchen / muoz er sich gelîchen, den übelen unde den guoten, / den tôren unde den fruoten; / wil er der aller hulde hân, / sô muoz er selten müezec gân Freidank, 133,5-12. - (S) alder liede vrient is alder lieder lieden sot / Stultus cunctorum fit quiuis amicus eorum Proverbia Communia, 65. - (S) Aller leut freundt, iedermans geck. Rechte freundschaft ist wie ein Eh mit wenigen vnnd g)ten/ vnnd ist nit mglich/ daß der iedermans freund iemand zum freund hab/ dann das gemeyn hebt als vnreyn niemand auff/ Die h)rn so iederman lieben/ lieben niemand/ vnnd werden von niemand geliebt. Man findt leut/ die so ein weite lange breyte lieb vnd freundtschafft haben/ daß sie sich zu iederman zuflicken/ vnd wie kat ans rad hencken/ die laßt man auch wie kat am rad hangen/ vnd wirfft sie ie ein speych als ein bürd vnnd vnflat dar/ biß das rad gar vonn sich wirfft / bald henckt es sich an ein ander rad. Also sind die gsellen mit jrer grossen freuntschafft Franck: Sprichwörter, II, 159v-160r (S. 422, Z. 11-20). Literatur: Friedrich s.v. vriunt, S. 436: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1073: „Solidaritätsappell“. Leitzmann, S. 300 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXVIII [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 72 [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. FREUND 3.1.1. Zur Freundschaft gehören zwei [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Freund (Subst.), Nr.1. Zellmann 1996, S. 69: „Der Solidaritätsapell wird wiederholt in Maximen wachgehalten“; S. 70: „Klugrede“; S. 283 Anm 6: „Lehrsatz“. Münch 2005, S. 55-57; S. 61-64.

135

Querverweise

136

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 114 des engalt, ders frumen nie gewan.

129 Der künic wart erværet. dô wart daz wort bewæret: er belîbet dicke sigelôs, swer di sîne verkôs.

Kontext Der Erzähler schildert den Kriegszug König Pants gegen seine Landsleute (Geschichte der Eltern).

Überlieferung P 114: der des frommen.

Der Erzähler erläu- P 132: Wer die tert, warum König sinen. Pant keine Hilfe im Kampf gegen die aufständigen Vasallen erfährt (Geschichte der Eltern).

Paraphrase Häufig muß jemand für etwas einstehen, von dem er keinen Nutzen hatte.

Wer seine Gefolgsleute vernachlässigt, kann nicht mit ihrem Beistand rechnen.

zu: 114, 129

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

137

Querverweise

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Mancher muß des entgelten/ des er nye genossen hatt. Es machet eyn bser b)be/ daß sein mancher frommer man entgelten m)ß/ denn wir sind also gesynnet/ daß wo uns eyner eyn mal eyn tuck th)t/ so glauben wir yhm nymmer. Wer eyn mahl stilt/ der m)ß sein lebtag eyn dieb sein/ wie wol wir hierinn unrecht th)n/ denn wir seind gebrechlich/ knden yrren und sündigen/ und dennoch widerkeren. Und dieweil wir dem urteyl folgen/ so m)ß mancher engelten des er nye genossen hat/ das ist/ mit unschult m)ß ers engelten Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 592 (S. 431, Z. 10-22). Verwendung: - (E) San nach disen worten / Diomedes antworte / Eya selic frouwe / Vwer wort sin ane drouwe / Sie sint doch harte spehe / Mir were also wehe / Daz ir mir sagetet uwern mvt / Als ir vmbe rede tut / Daz ich troylo han getan / Des enwil ich vch niht zu buzze stan / Daz ich in dar nider stach / Daz selbe mir von im geschach / Sin orse ich im nam / Also tet er mir sam / Daz vch fin ors wart gefant / Da sit ir niht mite geschant / Ich tet ez vch niet zv smacheit / Iedoch ist ez mir leit / Ich sante ez vmbe daz da hare / Daz ir wurdet geware / Daz ich zv strite comen tar / Bi vwern hulden ez ist war / Daz uwer zorn ist so groz / Des engildet der ez nie genoz. / Oder ich werde des wert / Daz ouch min ein wip gert Herbort von Fritzlar: Liet von Troye, 94829507. - (G) Dem ouch der krône was gedâht / rîcheit und êre, wan daz er niht wolde mîden / einen schalc, dem hât der tiuvel valschen rât ze munde brâht; / dâ von si beide ein sûrez muosten lîden. / sul wir engelten des, und daz Adâm und Eve den apfel az, / so engulte ich, des ich nie genôz. Got hêrre, vüege uns allez baz! Bruder Wernher, 1, 7-12. - (E) kumet mir daz ze ungemache / daz ich han gegen dir triuwe groz, / so engilt ich des ich nie genoz / und mac mir iemer wesen leit / min triuwe und ouch min sttikeit Appet: Ritter unter dem Zuber, 224-226. - (D) Swer engiltet des er sölte geniezen, / Den mac sîner arbeit wol verdriezen. / Swelch krâmer füere in verriu lant / Dâ grôziu gezierde im wêre bekant, / Und swenne er kost und arbeit / .f rîlich krâmwât hête geleit, / Der er gebezzern sich gedêhte / Swenne er si heim ze lande brêhte: / Ob sînen krâme denne nieman suochte / Und sînes koufschatzes nieman geruochte / Der lustic und ouch nütze wêre, / Sölte daz sînem herzen niht sîn swere? / Alsô ist mîn frouwe G r a m a t i c â / Unwert hie worden und anderswâ Hugo von Trimberg: Der Renner, 1671316726. - (S) Mancher m)ß engelten/ des er nie genossen hat. Auf diese weiß sagt man: Der herrn sünd/ der bauren b)ß Franck: Sprichwörter, II, 36v (S. 279, 2f.). Œ Cr 2758; 25194. Literatur: Friedrich s.v. eng lten [führt diese Textstelle an]. Kragl 2006, S. 1079: „Sprichwort“. Münch 2005, S. XLIV [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. BUSSE 2.1. Für etwas büßen, wovon man keinen Vorteil gehabt hat [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Entgelten.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) von Raabs der künec Oukîn / moht ouch Poidwîzen klagen, / sînen werden sun, von dem man sagen / muoz durh guote rîterschaft. / waz half sîn grôziu heres kraft, / die im sîn vater schuof ze wer, / manege sunder rotte, über mer? / ûz den het er sich erstriten, / daz er in ze verre was entriten. / swer die sînen ie verkôs, / der wart ouch eteswenne sigelôs / daz in der schêtîs eine sluoc, / daz kom dâ von. daz ors in truoc / durh den rinc des künec Grohier Wolfram: Willehalm, 412,10-23.

108-113; 33883393; 47204729; *7322; 8200-8213; 8729-8741; 9208-9217.

138

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

746 ez mac im harte wol gevromen, swer daz beste gerne tuot.

1016 diu vrouwe sprach: 'daz ist wâr: er gewan nie manlichen muot, der niht tôrlîche tuot etswenne durch diu wîp.'

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Lanzelet zeigt sich P 747: Wer. zuversichtlich, auf Moreiz bestehen zu können (MoreizEpisode).

Es bringt Nutzen, Gutes zu tun.

Die Tochter des P 1017: engewan. Galagandreiz drängt Orphilet ihrem Liebesverlangen nachzugeben (MoreizEpisode).

Richtige Männer müssen sich bisweilen um einer Frau willen töricht verhalten.

139

zu: 746, 1016

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (E) swer di sîne î vorkôs, / dem es iz seldin wol irgân. / swer bî den fromden sal bestân, / di wert gerne sigelôs Berthold von Holle: Demantin, 5790-5793. - (E) Man siht yn dick segelôs/ der sine had vorkorn Heinrich von Mügeln: Sangspruchdichtung, 1, IV, 4, 15. Verwendung: - (E) Swer ie die sînen smâhte / und suochte frömder liute rât, / dick ez dem geschadet hât Reinfried von Braunschweig, 14358-14360. - (D) Swie ich eins hie niht gelesen hân, / sô gedenk ich hiebî doch daran, / dâvon ichs ouch hie wil verjehen, / das gar dike ist beschehen / und mag vil wol beschehen mê / (als ich hab gesprochen ê): / swelch herre sîn volk ze herte hât, / das dem vil lîhte missegât / und beschiht under wîlen das ouch / - swer das tuot, der ist ein gouch -: / swer sîn volk über die mâsse st(ret, / der selbe daran verl(ret / daran er w nt gewinnen Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 18429-18441. Literatur: Friedrich s.v. sigelos, S. 357: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1079: „Die Sentenz formuliert prägnant die Problematik von Pants Regentschaft, die Wendung ist sprichwörtlich“. Leitzmann 1931, S. 300 [führt diese Textstelle an]. McLelland S. 51, Anm. 57; S. 59. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIV [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 238 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. EIGEN 7.5. Wer die Seinen preisgibt, schadet sich selbst [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 166: „Spruch“. Kerth 2005, S. 150. Münch 2005, S. 126. Pérennec 2001, S. 372. Wennerhold 2005, S. 58f.

Sentenz Verwendung: - (S) Res bene gesta dabit mensure premia plenae Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 419. - (S) Ki bontes fait bontez atant Morawski: Proverbes franPais, 1863 (Hs. 14. Jh.). - (E) Wîsheit ist bezzer denn gewalt. / der lange lebet, der wirt alt. / wa gewalt ist âne wîsheit, / dâ von kunt dik grôz erebeit. / gewalt mit wîsheit, der ist guot. / Er vindet wol, der gern wol tuot. / gewalt ân wîsheit wert nicht mê, / denn vor der sunnen hitz der snê Boner: Edelstein, 16, 37-44. - (S) die wel doet die baet es sijn / Res bene quisquis agens lucra sit inde ferens Proverbia Communia, 308.

6666-6670; 7666-7671; 9403-9408.

ŒIw 3723 ŒWigl 1243 ŒCr 210. Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1108: „Klugrede“. Leitzmann 1931, S. 300 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 7; S. 60: „generally accepted sentential truth“. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.1. Es lohnt sich, Gutes zu tun [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gutes, Nr. 18. Zellmann 1996, S. 203f.; S. 283, Anm 6: „Lehrsatz“. Zingerle s.v. BESTE, S. 19 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 60: „generally accepted sentential truth“. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 3.2.1.1.2. Die Frau macht viele zu Narren [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Mann, Nr. 1073. Zellmann 1996, S. 207f.; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

4345.

140

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 1233 als ez dicke noch ergât: swâ man sich der milt enstât, dâ verklaget man wol des argen schaden.

1288 ez wære ein michel schande, daz ich flüge ungeveder.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler erklärt die Bereitschaft der Vasallen des Galagandreiz in Lanzelet den Mörder ihres Herren zu unterstützen (MoreizEpisode).

P 1234: Wa man di miltikeit enstat. W 1235: Do. scha. P 1235: men.

Wo man Freigebigkeit kennt, klagt man nicht, wenn ein Geiziger zu Schaden kommt.

Lanzelet weigert sich, den Artushof aufzusuchen (Moreiz-Episode).

P 1289: flüge] geflige.

Man soll nicht tun, wozu man nicht fähig ist.

zu: 1233, 1288

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXVIII [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) Wer stte ruowe welle hân, / der sol ân vliegen sich begân. / wer aber ân vliegen nicht wil sîn, / der volge doch dem râte mîn, / und beit unz er gevedre wol: / ungeveder nieman vliegen sol Boner: Edelstein, 64, 45-50. Verwendung: - (Dr) Syncerastus: „sine pinnis uolare hau facilest: meae alae pennas non habent.“ Plautus: Poenulus, 871. - (G) Admonendi sunt ut considerent quod pulli avium si ante pennarum perfectionem volare appetant, unde ire in alta cupiunt, inde in ima merguntur Gregor der Große: Pastoralregel, 3, 25. - (E) dem shilte zement niht die zagen; / daz han ich vil wol gehret, / daz ez sint wol gere wort, / von mime vater Tybalt. / er hat dicke mir gezalt / wie vil er nte habe erliten. / ir s(lt mich, herre, des nit biten / daz ich selbe mich betr(ge. / Ich wn, vogel ie gefl(ge / e im gew(chse das gevidere / min pris der lge da niedere, / so mir der kraft gebrche / und man mich sl(ge und stche. / wr ane wer ich danne, / daz zme niht werdem manne Ulrich von Türheim: Rennewart, 11662-11676. - (G) Someliche wollint fligen er si verdern gewinnen. Hane der Karmelit, S. 12, Z. 30. - (S) Oiseaux ne puet voler senz eles Morawski: Proverbes franPais, 1435 (Hs. 14. Jh.). - (S) Ante volare cave, quam procrescant tibi pennae! Werner: Sprichwörter, a 95 (Hs. 15. Jh.). - (S) SINE PENNIS VOLARE HAVD FACILE EST / Manet etiam hodiernis temporibus vulgo celebre, quod est in Poenulo Plautina, ‚sine pennis volare haud facile est’ Erasmus von Rotterdam: Adagia 2484 (III, V, 84, S. 338, Z. 245-247). - (S) Es solt keyner fliegen/ die federn seind yhm denn gewachsen. Zum fliegen gehren federn/ wie wir an allen fliegenden thieren sehen/ die federn und flügel haben. Denn durch die federn werden sie hoch erhaben. Also seind das alles federn/ da durch eyn mensch fürschub/ hilff/ und radt s)chet/ und holet ettwas anzufahen. Es ist aber in disem wort einem ygklichen/ der was fürhatt/ ein maß und zil gesteckt/ das er ja nicht hher wll/ denn seine federn leiden m)gen. Das niemand etwas anfahe das ym zu hoch unnd schwer sey/ oder daß er nicht erlangen mge/ und m(sse endtlich davon abstehen mit schanden. Die Heyden haben die far bey der that gezeychent. Icarus wolt fliegen/ unnd ersoff im mr/ Phaeton understund sich der Sonnen wagen z)f(ren/ und kam zu grossem schaden Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 327 (S. 283, Z. 1-15).

141

Querverweise

142

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

1600 swâ guoten liuten wol geschiht daz gefüeget sich wol alsô.

1612 dô en moht ez niht alsô ergân, wan nieman ersterben mac, ê im kumt sîn endes tac.

Kontext

Der Erzähler deutet die Abwesenheit des Burgherrn als schicksalhaft (Limors-Episode).

Überlieferung

Paraphrase

P 1600: Wa rechten. Es ist angemessen, P 1601: sy wol da wenn dem Rechtzuo.* schaffenen Gutes geschieht. * Hahn, S. 38, liest: da gefüeget sich Wîlsaelde zuo.

Der Erzähler betont 1614: ch0nt W. kimt Niemand stirbt vor die Aussichtslosig- P. dem für ihn bekeit von Liniers stimmten Zeitpunkt. Vorhaben, Lanzelet zu erschlagen (Limors-Episode).

143

zu: 1600, 1612

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. vliegen, S. 432 [führt diese Textstelle an]. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1119: „Das schon antike Sprichwort der avicula implumis findet sich in einer großen Zahl lateinischer und deutscher Texte des Mittelalters“. Münch 2005, S. XLVI [führt diese Textstelle an]. Otto s.v. Pinna, Nr. 3. Singer 1944, S. 114. TPMA III s.v. FLIEGEN 5. Ohne Federn (Flügel) fliegen [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Flügel, Nr. 5. Zellmann 1996, S. 210: „Das Sprichwort von der avicula implumis hat Tradition und ist vorwiegend in lehrhafter Literatur anzutreffen“. McLelland 2000, S. 67.

Sentenz

3022; 3402.

Literatur: Friedrich s.v. liute, S. 279: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland, S. 51, Anm. 57. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXIX [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gutes, Nr. 129. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz Verwendung: - (Br) Si me quidem velis audire, hoc meditare et exerce, ut mortem et excipias et, si ita res suadebit, accersas: Interest nihil, illa ad nos veniat an ad illam nos. Illud imperitissimi cuiusque verbum falsum esse tibi ipse persuade: „bella res est mori sua morte”. Nemo moritur nisi sua morte. Illud praeterea tecum licet cogites: nemo nisi suo die moritur. Nihil perdis ex tuo tempore; nam quod relinquis alienum est Seneca: Epistulae morales, 69, 6. - (E) „stat sua cuique dies. Breve et inreparabile tempus / omnibus est vitae; sed famam extendere factis, / hoc virtutis opus. Troiae sub moenibus altis / tot gnati cecidere deum, quin occidit una / Sarpedon, mea progenies; etiam sua Turnum / fata vocant metasque dati pervenit ad aevi.” Vergil: Aeneis, X, 467-472. - (D) Tempora longa tibi noli promittere vitae: / quocumque ingrederis, sequitur mors corporis vmbra Disticha Catonis, IV, 37. - (E) Nyemant stirbt vor seiner zeitt! Hätzlerin: Liederbuch, 2, 2, 209. - (E) der brister sprach: „ach, fraw myn, / wirt aber eyner also erschlagen, / die fraw die sund must dragen / die yn hett gesendet dar. / darumb nempt uwer selbs war / unnd seczent von bulschafft üwer gemut!“ / die fraw sprach: ‚darvor mich behutt / Maria unnd der sues gott, / wen der da lebt in mym gebot, / dem bin ich billich underthan. / herr, wissent das an argwan: / nyemant stirbt e sinr zitt. / unns des wol ein urkunt gitt / das mencher wirt alt / der doch sin dag ein degen bald / gewesenn ist unnd unverczagt, / unnd lib unnd leben hatt gewagt / dick unnd nit zu eyner stund, / dem doch got der seld gund / das er rechts dots erstarb; / unnd einer der nye erwarb / weder bris noch eer in keyner stat, / der got mengen sterben lat / unrechts dots by jungen dagen [...].“ Die Beichte einer Frau, 152-175. Vgl. das Sprichwort: - (E) hi nerstirbet nimen wan di uaigen Pfaffe Konrad: Rolandslied, 8402. - (E) ez sterbent nit wan die veigen Ulrich von Türheim: Rennewart, 8300. ŒIw 1298 ŒWigl 10201 ŒCr 20679 ŒGar 8087; 13115 ŒJT 1936,4 ŒUTr 2308.

*1612; *7343.

144

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

1615 den enwendet brest noch genuht, ze dem tôde stêt dehein fluht.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler betont P 1616: stêt dehein] Dem Tod kann keidie Aussichtslosig- stat in keine. ner entrinnen. keit von Liniers Vorhaben, Lanzelet zu erschlagen (Limors-Episode).

zu: 1615

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

145

Querverweise

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1127: „Sentenz“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 205 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXIX [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 268 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TOD 4.1.2. Man stirbt nur zur festgesetzten Zeit [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Sterben, Nr. 53; Nr. 93. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 5: „Sprichwort/Merkvers“. Zellmann 1996, S. 215f.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Ez ist ein nôt, daz niemen mac / dem tôde entrinnen einen tac; / [daz solten wir nû sehen an / und got deste baz vor ougen hân.] / Wirn mugen mit keinem sinnen / dem tôde niht entrinnen Freidank, 175, 18-23. Verwendung: - (D) O di immortales! quam magnum est personam in re publica tueri principis! quae non animis solum debet, sed etiam oculis servire civium. Domum recipere legatum hostium, in cubiculum admittere, etiam seducere hominis est nihil de dignitate, nimium de periculo cogitantis. Quod autem est periculum? Nam si maximum in discrimen venitur, aut libertas parata victori est aut mors proposita victo, quorum alterum obtabile est, alterum effugere nemo potest. / Turpis autem fuga mortis omni est morte peior Cicero: Philippicae, VIII, 29. - (L) nec forma aeternum aut cuiquam est fortuna perennis: / longius aut propius mors sua quemque manet. / tu quoniam es, mea lux, magno dimissa periclo, / munera Dianae debita redde choros, / redde etiam excubias diuae nunc, ante iuuencae; / uotiuas noctes, ei mihi, solue decem! Properz, 2, 28, 57-62. - (S) Sic an sic, fratres, nos hinc transibimus omnes Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 587. - (S) Per nullam sortem poteris depellere mortem Werner: Sprichwörter, p 42 (Hs. 15. Jh.). - (S) Der todt schonet niemandts. Der todt nimpt weder gifft noch gabe/ Daß er vor dem reichen uberdrabe./ Knig/ Keyser/ arm/ reich/ jung/ alt/ Weib/ man/ groß/ kleyn/ frist der tod kalt. Droben ist auch von diser erfarung geredt worden im wort/ Es kemmen eben so vil kelberhewt zum marckt/ als ochsenhewte. Der todt ist Gottes straffe/ und Gott ist warhafftig/ und gerecht/ darumb muß sein scepter eyn scepter der gleicheit sein/ das einem yeden th)t wie dem andern/ und keyner keynen fürzug habe/ er sey gleich reich/ gewaltig/ alt oder jung Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 527 (S. 401, Z. 25 - S. 402, Z. 4). - (S) Zittern hilft nicht fur den tod. Luther: Sprichwörtersammlung, Nr. 22. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Et quemadmodum statutum est hominibus semel mori, post hoc autem iudicium: sic et Christus semel oblatus est Hbr 9, 27. - Und wie den Menschen ist gesetzt, eyn mal zu sterben, darnach aber das gerichte, also Christus ein mal geopfert Luther: Deutsche Bibel, VII (S. 366). ŒCr 20676 ŒGar 10599 ŒJT 307,4; 1055,2. Literatur: Kragl 2006, S. 1127: „Sentenz“. Mone 1830, S. 205 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TOD 1.2.1.1. Alle müssen (Alles muß) sterben. Walther, Nr. 13955. Wander IV s.v. Tod, Nr. 16.

*1612; 5881; *7343.

146

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 1635 dâ von volgent mîner lêre. ez ist ein unêre, swer sich alsô rîchet, daz man im übel sprichet.

1639 diu buoz ist bezzer dan der tôt.

2445 ez ist ein wîslicher muot, swelch degen frümeclîchen tuot, daz ez in niht geriuwe. ûf mîne triuwe, daz wâren ie di sinne mîn.

Kontext Ade erbittet und fordert Gnade für Lanzelet (LimorsEpisode).

Überlieferung

Paraphrase

P 1636: vnere steht nach durchgestrichenem ere. P 1637: Wer.

Wenn man sich rächt und nicht auf seinen Ruf bedacht ist, ist das unehrenhaft.

Ade erbittet und fordert Gnade für Lanzelet (LimorsEpisode).

Walwein beteuert, Lanzelet in guter Absicht an den Artushof eingeladen zu haben (Kampf gegen Walwein).

Es ist besser Buße zu fordern, als zu töten.

P 2446: Wellich.

Es ist gut, wenn vorbildliches Verhalten anerkannt wird.

147

zu: 1635, 1639, 2445

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise 438f.; 18431847.

Verwendung: - (E) Stultum est ulcisci uelle alium poena sua Publilius Syrus, s 20. - (D) Din leit in rich nicht zu sere. / tustu iz, daz iz din ere. / manic iz zu der rache zu balt / vnd wirt iz lichte sere gevalt. / weistu was Ouidius sprichit? / 'der sin leit zu sere richit, / her machit sich selben schuldic' / bis an dineme zorne geduldic Wernher von Elmendorf, 661-668. - (S) Der tumbe in zorne richet, / der wîse sich besprichet. / Erst tump, der richet sînen zorn, / dâ von er selbe wirt verlorn. / Swer in zorne frâget, wer er sî, / da ist niht guoter witze bî. / In zorne sprichet lîhte ein man, / daz wirste, daz er danne kan. / Gelust, nît, hôchvart unde zorn / diu sint uns leider an geborn. / Herzelieber friunde zorn / der wirt schiere verkorn. / Swer sîn leit sô richet / daz er sich selbe stichet, / der hât sich übele gerochen, / dêr sich selbe hât erstochen Freidank, 64,20-65,11. - (E) ich h#re wîse liute jehen / und si gemeine sprechen, / daz sînen schaden rechen / vil maneger dicke welle, / der mit der râche velle / sich in grœzer ungemach / Troiren ouch alsô geschach, / die wolten sich gerochen hân, / swaz in ze schaden was getân, / seht, dô geschah in michel wirs Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 13058-13067. - (E) man sol die râche mîden, / diu schaden ûf den rücke ladet. / swer alsô richet, daz er schadet / im selben, der ist wîse niht Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 19068-19071. Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1127: „sentenzhaft“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57; S. 60: „generally accepted sentential truth“. Mone 1830, S. 205 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVI [führt diese Textstelle an]. TPMA IX s.v. RACHE 3.1. Rache zum eigenen Schaden und Nachteil ist schlechte Rache; 3.2. Rache zum eigenen Nachteil und Verderben ist töricht. Wander III s.v. Rächen, Nr. 8. Zellmann 1996, S. 214; S. 283, Anm 5: „Lehrsatz“.

Sentenz

5340-5343.

Literatur: Friedrich s.v. buoz, S. 130: „Sprichwort?“ Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 205 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. BUSSE 1.1.1. Buße ist gut und weise [führt diese Textstelle an].

Sentenz Formulierungstradition: - (E) swer gerne frumiclichen tuot, / der dem lônet, daz ist guot, / in lust der arbeit dester baz. / die Stîrr wol verdienten daz / des tages - si teten frumiclich - / daz si der kunic solt machen rîch / umb ir frumiclich gebârd. / wand dô der strît erhaben wart, / des wart gen in begunnen Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 7302-7310. Verwendung: - (E) Swaz ein man durch guoten muot / ze guote in guotem muote tuot, / des sol man im ze guote jehen, / wan ez in guote muoz geschehen. / swen sîn gemüete lêret / daz er ze gote kêret / herze sinne unde muot, / daz er daz beste gerne tuot / der hüete an dem guote sich, / sô ist ez guot und lobelich Rudolf von Ems: Der guote Gêrhart, 1-10. - (S) Ein b#ser man mê êren gert, / dan er sich selben dunke wert. / Swer der frumen hulde hât, / der tuot der b#sen lîhten rât. / Den frumen man iemer loben sol, / sô tuot er deste gerner wol; / den b#sen nieman sol vertragen, / man sol in doch ir laster sagen Freidank, 89, 20-27. ŒIw 2731; 3077 ŒDa 4964 ŒGTr 5.

7940-7946.

148

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

3515 Si reten von ein ander wol, als ein getriuwer friunt sol, wan friuntschaft ze ougen gewant und danne wenken zehant, sô man des man nienân siht, daz ist ein lasterlich geschiht. ditz wart von in vil wol vermiten.

Kontext

Der Erzähler lobt die Freundschaft zwischen Lanzelet und Walwein (Turnier von Djofle).

Überlieferung

Paraphrase

3517: ze ougen] zuo Es ist nicht gut, eigen P. zoegen S. wenn man einen P 3519: nyene. Freund vergißt, sobald man ihn nicht mehr sieht.

zu: 3315

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 205 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVI [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.4. Wohltat verdient Dankbarkeit. Wander II s.v. Gutes, Nr. 53. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Quantum oculis, animo tam procul ibit amor Properz, 3, 21, 10. - (E) Ach, lieb, es lit ein gemeinez wort / Verborgen uff mins herzen port / Und wirft mangen vntrost dar in / Daz sprichet also frowe myn: / Sicht ûz den ougen der ist ûz muot / Lieb gar weh disz wort mir tut Konstanzer Liebesbriefe Nr. 12, S. 59. Verwendung: - (E) Nu gieng der minne gernde man / hin da saz diu s(ze / und sprach: „iwer got der m(ze / iuch wol bewarn, vrawe g)t. / und wizzet daz mins hertzen m)t / ymmer an iuch sinnet her.“ / des antwurte im do Malfer. / er sprach: „Hast du niht gehort / ein vil alt sprochen wort: / daz uzen augen uz dem m)te? / v(rhte nit der minnen r)te, daz si dich iht me bl(we. […]“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 25042-25053. - (G) Der awes den awgen ist, der ist ouch aus dem gemuthe berlin, Ms. Theol. Fol. 612, bl. 405rb-405va (Proverbia Fridanci, 231). - (S) Res, quae privatur oculis, a corde fugatur Werner: Sprichwörter, r 63 (Hs. 15. Jh.). - (S) Die vten oghen es, is vter herten / Quid procul est oculis a lumine cordis Proverbia Communia, 166. - (S) Quod procul est ab oculis, facile a pectore excidit; in mulieres inconstantes dicitur. Ut ego olim adolescens ad Rosiam puellam scripsi: ‚Quantum oculis, tantum discedis mente, Cupido: Estque per aeternum nulla in amore fides’ Bebel: Proverbia Germanica, 395 (S. 107). - (S) NON SUNT AMICI QUI PROCUL DEGUNT. / Es sind nit freund die ferr sindt. / Auß den augen auß dem sinn/ was weit hindan/ das leßt man gan. Verr hat nit ehr. / Beiwonung macht kundtschfft. Mann denckt an die/ die wonen hie Franck: Sprichwörter, I, 9r (S. 29, Z. 610). - (S) Wenn es euch wolgehet/ so gedencket unser auch. Die natur ist also gifftig/ daß sie nur ir eygen gesuche treibet/ und wenn es ir wolgehet so hatt sie anderer leutte leichtlich vergessen/ darumb ist diß wort ein weißliche/ vernünfftige erinnerung/ daß man der leutte im glücke unnd wolgehen nit vergessen soll/ wie man sonst pflegt. Wir brauchen diser rede/ wenn ein freündt von dem andern urlaub nimpt/ und yrgendt von yhm hyn weg scheydet. S)che/ Auß den augen auß dem synne Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 558 (S. 418, Z. 1-10). Literatur: Friedrich s.v. vriuntschaft, S. 437: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 310 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 205 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVIII [führt diese Textstelle an]. Otto s.v. Oculus Nr. 8. Singer 1916, Nr. 20 [führt diese Textstelle an]. TPMA I s.v. AUGE 7. Aus den Augen, aus dem Sinn [führt diese Textstelle an]. Wander s.v. Auge, Nr. 25. Zellmann 1996, S. 223 „Merkspruch“, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

149

Querverweise

150

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 3658 als uns di wîsen hânt gezalt, sô siht man an dem ende beidiu lop und missewende.

Kontext

Paraphrase

Diepalt überzeugt 3660: beidiu fehlt P Zuletzt kommen die Ade davon, daß sie GK. wahren Eigenschafsich in Lanzelet geten zu Tage. irrt hat (MabuzEpisode).

Iblis verleiht ihrer Freude über Lanzelets Werbung swelich vrouwe sich des an Ausdruck (Kampf genimet, daz si gern wol tuot, swâ siu kan, gegen Iweret). diu êret alle hübsche man. dêswâr, der muget ir wol einer sîn. 4296

Überlieferung

P 4296: Wele. P 4297: swâ] wo.

Frauen, die Gutes tun, vergrößern das Ansehen der Männer.

151

zu: 3658, 4296

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Sentenz Formulierungstradition: - (E) jô mac ir lop verderben / ê daz diu ritterschaft zergê. / swie vaste ez nu geblüemet stê, / sô mac ez doch hie werden kranc. / man sol des dinges anevanc / besehen und daz ende. / Prîs oder missewende / lît ze jungest an dem zil / vil maneger an dem zabelspil / von êrst gewinnes wirt gewon, / der mit verlüste gêt dervon Konrad von Würzberg: Partonopier und Meliur, 13970-13980. Verwendung: - (S) Extrema semper de ante factis iudicant Publilius Syrus, e 17. - (Br) Ubi est maritus quem tibi dedit? Etiam si amabilis, etiam si bonus fuisset, mors rapuisset omnia: et copulam carnis solvisset interitus. Arripe, quso, occasionem, et fac de necessitate virtutem. Non quruntur in Cristianis initia, sed finis. Paulus male c#pit, sed bene finivit. Jud laudantur exordia; sed finis proditione damnatur Hieronymus: Epistulae, 54, 6 (Sp. 552f.). - (Br) De tanta rerum turba factisque parentis sedit in ingenio Cressa relicta tuo. Quod solum excusat, solum miraris in illo; heredem patriae, perfide, fraudis agis. Illa - nec invideo - fruitur meliore marito inque capistratis tigribus alta sedet. At mea despecti gugiunt conubia Thraces, quod ferar externum praeposuisse meis. Atque aliquis ‚Iam nunc doctas eat’ inquit ‚Athenas, armiferam Thracen qui regat, alter erit. exitus acta probat.’ careat successibus, opto; quisqzis ab eventu facta notanda putat At si nostra tuo spumescant aequora remo, iam mihi, iam dicar consuluisse meis Ovid: Heroides, 2, 75-88. - (D) Finis quippe rei cantica laudis habet. / Liberat a p#na miserum qui interficit ipsum, / Si p#na penitus vita futura vacat. / Est igitur pietas miser non parcere vite, / Si post hanc vitam nulla sequatur eam Abaelard: Ad Astralabium, 172f. - (L) Ich han gehrt von den weisen, / man s(lle chain anvanch preisen / man sull daz end sehen an Heinrich der Teichner, 251, 1-3. - (L) Ich spriche ez nâch den wîsen, / man sol kein dinc niht prîsen, / biz man besiht wie ez ein ende welle geben Kolmarer Liederhandschrift, 20, 1-3. - (S) Te minime iacta, quoniam probat exitus acta! / Praemia iustorum pendent in fine bonorum Werner: Sprichwörter, t 11 (Hs. 15. Jh.). Vgl. das Sprichwort: - (S) Ist das end g)t/ so ists alles g)t Franck: Sprichwörter, I, 40r (S. 72, Z. 17). ŒJT 5979,1; 5979,2; 5979,3; 5981,1. Literatur: Friedrich s.v. ende, S. 146: „Sprichwort“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1156: „Sentenz“. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Münch 2005, S. XLIV [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. ENDE 1.3.1. Das Ende erweist und entscheidet alles. 1.3.1.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 8481; Nr. 8615; Nr. 31114. Wander I s.v. Ende, Nr. 73. Zellmann 1996, S. 225 „Redensart“.

Sentenz

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIII [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Frau, Nr. 268. Zellmann 1996, S. 283, Anm 6: „Lehrsatz“.

1274-1286.

152

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 4330 diu minne schuof, daz siu vergaz ir wîsheit und ir witze.

4389 Minne ist nieman bereit, ez enkome von grôzer sælicheit.

4391 swen Minne ie herzelîche traf, den vervie nie krût noch sîn kraf.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beP 4331: Daz wisheit Minne nimmt den schreibt Iblis' Angst vnd ir wisse. Verstand. vor dem Kampf (Kampf gegen Iweret).

Iblis beklagt, daß 4390: seilicheit W. der Kampf zwischen Lanzelet und ihrem Vater unausweichlich ist (Kampf gegen Iweret).

Die Liebe unterstützt nur die Auserwählten.

Iblis beklagt, daß P 4392: Den enruwe Gegen die Liebe gibt der Kampf zwinit crut noch es kein Heilmittel. schen Lanzelet und wurtzen safft. ihrem Vater unausweichlich ist (Kampf gegen Iweret).

153

zu: 4330, 4389, 4391

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Herzelieber mære / der wart ich vil dicke / von der minneclîchen frouwen mîn. / ich wær âne swære / wan daz ich erschricke: / dur die lieben trage ich senden pîn. / daz ist endelîche wâr: / liebe nimt die sinne, / liebe machet missevar. / wizzet daz ich brinne / in der liebe alse ein gluot Schenk von Limburg KLD Nr. 34, 1, 2, 1-11. - (E) Belobent daz wibes minne / Manegem nimpt die sinne / Als och ainem fuchz beschach / Der sin selbs schatten sach / In ainem sod do nachen. / Er begund dar gachen / Daz jn der sinn entwande / sin wip er sechen wande / Dur jr lieb sprang er dar Fuchs und Wolf, 1-9.

Querverweise 4046-4057; 4379-4385; 4398-4406; 5630-5640; *6538.

Verwendung: - (E) sie jehent, die des hânt bekort, / ez beneme diu minne / vil wîsem man die sinne, / daz er niht wol mac bewarn, / ern müeze dicke missevarn / und sich der êren sô bewiget, / daz er enruochet wâ sîn lop geliget. / des ist diu minne vil gemeit: / sie kan ouch.(deist diu wârheit) / den tumben wol gelêren / sprechen unde tuon nâch êren Otte: Eraclius, 2550-2560. - (E) Mörlin zw einer zeite / kam aus Norchumerlannd. / der künig vil ser sichs frewte. / er tet im seinen kumer gross pekanndt, / wie er pelesstet wär mit starcker mynne / gen der fürstin von Tyntayol, / die im penem mit all nach witz und synn Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 904, 1-7. ŒEr 3691 ŒIw 1335 ŒDa 1586 ŒWigl 4156; 9658 ŒCr 8433; 8826 ŒTan 4175 ŒMel 1825 ŒPz 287,9 ŒGTr 12017. Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.2. Liebe nimmt (und verkehrt) Weisheit und Verstand, Vernunft und Sinne. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31.

Sentenz

*4391.

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm 57. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLI [führt diese Textstelle an].

Sentenz Formulierungstradition: - (Br) Quaecunque herba potens ad opem radixque medendi / utilis in toto nascitur orbe, mea est. / Me miseram, quod amor non est medicabilis herbis! / Deficior prudens artis ab arte mea Ovid: Heroides, 5, 147-150. - (E) inventum medicina meum est, opiferque per orbem / dicor, et herbarum subiecta potentia nobis: / ei mihi, quod nullis amor est sanabilis herbis, / nec prosunt domino, quae prosunt omnibus, artes! Ovid: Metamorphosen, I, 521-524. Verwendung: - (S) Herba nec antidotum poterit depellere loetum; / Quod te liberet a fato, non nascitur horto Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 725f. Vgl. das Sprichwort: - (S) Für den todt/ ist kein kraut gewachsen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 200 (S. 142, Z. 1f.).

*4389.

154

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

4574 guot antwürte vröut den ellenden man. vrouwe, nuo gedenkent dran und sprechent mir güetlîchen zuo. 4851 wan einer sprach dâ vor: 'quid non audet âmor?' daz spricht: 'was getar diu minne niht bestân?'

4855 minne ist ein werender unsin.

4858 minne hât mâze vertriben; sine mugent samit niht bestân.

Kontext

Überlieferung

Lanzelet bittet Iblis, P 4574: vröut] seine Frau zu wer- fromete. den (Kampf gegen Iweret).

Paraphrase

Freundliche Rede erfreut den Fremden.

Der Erzähler zitiert eine Inschrift auf Lanzelets Zelt.

P 4853: wes en getar.

Minne bezwingt alles.

Der Erzähler zitiert eine Inschrift auf Lanzelets Zelt.

P 4855: werender] suosser.

Die Liebe macht unvernünftig.

Der Erzähler zitiert eine Inschrift auf Lanzelets Zelt.

P 4858: mosse.

Liebe und Zurückhaltung sind unvereinbar.

155

zu: 4574, 4851, 4855, 4858

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLI [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.9.1. Liebe ist ein verfluchtes Kraut. Walther, Nr. 3346; Nr. 10687. Wander III s.v. Liebe, Nr. 231; Nr. 772; Nr. 773. Zellmann 1996, S. 242; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz

2209-2217.

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIII [führt diese Textstelle an]. TPMA I s.v. ANTWORT 1. Freundliche Antwort wirkt Gutes. 1.3. Vereinzelt [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 5: „Redewendung“.

Sentenz Formulierungstradition: - (D) ipsa capit clavamque gravem spoliumque leonis / conditaque in pharetra tela minora sua./ sic epulis functi sic dant sua corpora somno, / et positis iuxta secubuere toris: / causa, repertori vitis quia sacra parabant,/ quae facerent pure, cum foret orta dies./ noctis erat medium. quid non amor improbus audet? / roscida per tenebras Faunus ad antra venit: / utque videt comites somno vinoque solutos,/ spem capit in dominis esse soporis idem Ovid: Fasti, 2, 325-334.  ŒEr 3694 ŒWigl 7782 ŒCr 8106; 8334 ŒTan 829 ŒMel 1378.

875-882; 45974601; 66446648; 92449250.

Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1194: „Spruch“. Münch 2005, S. XLI [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 1.3.6. Liebe besiegt (bezwingt) alles und alle; 1.3.7. Gegen die Liebe richtet niemand etwas aus. Walther, Nr. 25110. Wander III s.v. Liebe, Nr. 420. Feistner 1995, S. 251f. McLelland 2000, S. 124; S. 192. Zellmann 1996, S. 38f. Kragl 2006, S. 1194-1196. Pérennec 1970, S. 110. Schnell 1985, S. 178. Seeber 2010, S. 113.

Sentenz

*4330; 43794385; *6538.

Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1194: „Spruch“. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLI [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31. Zellmann 1996, S. 249: „Über der goldenen Pforte des Minnezeltes prangen Devisen, aber sie rufen nicht die Ordnungsmacht der Liebe aus, sondern behaupten das glatte Gegenteil“. Kragl 2006, S. 1194-1196. Feistner 1995, S. 251f. McLelland 2000, S. 124. Pérennec 1970, S. 110. Schnell 1985, S. 178. Seeber 2010, S. 113.

Sentenz Formulierungstradition: - (L) errat, qui finem uesani quaerit amoris: / uerus amor nullum nouit habere modum. / terra prius falso partu deludet arantis, / et citius nigros Sol agitabit equos, / fluminaque ad caput incipient reuocare liquores, / aridus et sicco gurgite piscis erit, / quam possim nostros alio transferre dolores: / huius ero uiuus, mortuus huius ero Properz, 2, 15, 29-36.

6644-6648.

156

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

5358 wan swer die triuwe hât verkoren, der hât die beste verlân; des sulnt die guoten sich verstân.

5879 starkiu huot und ungetriuwer muot, di machent stætiu wîp unguot. daz ist gewis sam der tôt.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler deutet voraus, daß Valerin das Sicherheitsgelübde gegenüber Artus brechen wird (Kampf gegen Valerin).

P 5358: Wer. verlorn. P 5359: beste habe gelon.

Wer seine Aufrichtigkeit verliert, der hat den besten Besitz verloren.

Die Botin der Meer- P 5879: Starck. fee erklärt, warum der Zaubermantel Ginover nicht paßt (Mantelprobe).

Aufsicht und Mißtrauen verderben eine treue Frau.

157

zu: 5358, 5879

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (E) swer nû mit minne sî begriffen / oder mit herzen lieb besliffen, / dem müez ez fürbaz ze herzen gân. / diu minne kan niht mâze hân. / adel, schAne und rîchheit, / gewalt sterke, und wîsheit, / und waz man davon singt oder seit, / und waz ein mensche fröude treit, / der wirt vil gar vergessen, / swen minne hât besezzen Pyramus und Thisbe, 368-380. Verwendung: - (D) Diz bringet allez muotwille zuo, / Der manige sêle spât und fruo / Leider in die helle senket: / Wênic ieman daz bedenket: / Dâ von sprach meister Ovîdius / In einem sînem buoche alsus: / ‚Nahtminne unde wîn / Künnen niht wol mêzic sîn, / Wenne die enschement sich niht.‘ Hugo von Trimberg: Der Renner, 11485-11493. - (D) Der ist eyn narr/ der b)len will / Vvnd meynt doch haltten masz vnd zil / Dann das man wyßheit pfleg und b)l / Mag gantz nit ston in eynem st)l Brant: Narrenschiff, 13, 87-90. - (S) Modus in amore; est: nullus modus Bebel: Proverbia Germanica, 588 (S. 153). Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1194: „Spruch“. Haupt 1845, Sp. 111. Münch 2005, S. XLI [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 4.5.1. Wahre Liebe kennt kein Maß und keine Grenzen. Wander III s.v. Liebe, Nr. 462. Zellmann 1996, S. 249: „Über der goldenen Pforte des Minnezeltes prangen Devisen, aber sie rufen nicht die Ordnungsmacht der Liebe aus, sondern behaupten das glatte Gegenteil“. Kragl 2006, S. 1194-1196. Feistner 1995, S. 251f. McLelland 2000, S. 124. Pérennec 1970, S. 110. Schnell 1985, S. 178. Seeber 2010, S. 113.

Sentenz

6488-6490.

- (Br) fides est fundamentum omnium virtutum Ivo von Chartres: Epistolae, II (Sp. 13B). - (L) Diu triuwe ist ein diu beste tugent Boppe, VIII, 1, 1. ŒJT 5966,2. Literatur: Friedrich s.v. triuwe, S. 411f. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 300 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIV [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TREUE 2.1.1. Treue ist das Beste [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Treue 91 [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 258 „Merkspruch“; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“. Zingerle s.v. TREUE, S. 151 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Formulierungstradition: - (L) Wê der huote, / die man reinen wîben tuot! / huote machet / staete vrouwen wankelmuot. / Man sol vrouwen schouwen unde lâzen âne twanc Heinrich von Morungen MF 137, 4-8 (MFMT XIX, XVIII, 4, 1-4). Verwendung: - (D) non proba fit, quam uir servat, sed adultera cara: / ipse timor pretium corpore maius habet. / indignere licet, iuuat inconcessa voluptas: / sola placet, ‘timeo’ dicere si qua potest. / nec tamen ingenuam ius est seruare puellam, / hic metus externae corpora gentis agat Ovid: Amores, III, IV, 29-34. - (S) Swie sêre ein wîp behüetet sî, / dannoch sint ir gedanke frî. / Dehein huote ist sô guot, / sô die ein wîp ir selbe tuot. / [Der b#sen wîp man hüeten sol, / die frumen hüetent selbe ir wol.] / Unrehtiu huote / kumt selten ze guote Freidank, 101, 5-12.

875-882; 950954; 5868-5878.

158

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

6011 ez ist noch maniger vrouwen site, diu sich wirden wænet dâ mite. nein, siu swechet sich vil sêre! ez ist laster und unêre, swelich wîp des mannes gâbe enpfât und im doch ungelônet lât.

6046 man sol dem übel sprechen, der weder lützel noch vil sînem wîb entwîchen wil. 6092 er ist tump, swer niht enkan entwîchen, an sîm strîte belîbet zaller zîte.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Die Botin der Meer- P 6015: Welich. fee erklärt, warum gobe. der Zaubermantel P 6016: doch fehlt. Loifilols Freundin nicht paßt (Mantelprobe).

Eine Frau soll Gaben des Mannes belohnen.

Die Botin der Meer- P 6048: Sime fee erklärt, warum wibe nit entwichen der Zaubermantel wil. Kailets Freundin nicht paßt (Mantelprobe).

Wer sich ständig bei seiner Frau aufhält, der ist zu verachten.

Die Botin der Meerfee erklärt, warum der Zaubermantel Iwans Freundin nicht paßt (Mantelprobe).

P 6092-6094: Er ist Es ist unklug, immer dumb der nit auf der eigenen Posientwichen kann Vnd tion zu beharren. der an sime strite Belibet zuo aller zite.

159

zu: 6011, 6046, 6092

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (D) Ich wil dîn, tohter, hüeten niht: / dîn stter muot dîn hüeten muoz. / [...] / diu huote prüevet dicke schaden: / swer hüetet anders, danne er sol, / der wil ze hûs unêre laden. / Ein reinez wîp in tugenden wert, / diu wol ir êren hüeten kan / und niht wan stter triuwen gert, / die sol man selbe hüeten lân. / man sol die huote heben an / an einem wîbe tumber site, / diu niht ir selber êren gan Winsbeckin 29, 1 - 30, 7. ŒIw 2890 ŒCr 10327 ŒGTr 17871; 17873. Literatur: Friedrich s.v. huote, S. 231: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1222. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLII [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 268 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 1.13.2.6. Die (gute) Frau wird durch Überwachung verdorben [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Frau, Nr. 46. Zellmann 1996, S. 78: „Gewissheitsklausel“; S. 283, Anm. 6.

Sentenz

8008-8032.

Verwendung: - (L) Doch ist ein site der niemer zimet, / swer dienst ungelônet nimet / doch es leider vil geschehe Heinrich von Rugge MF 104,19-21 (MFMT XV, VII, 3-5). Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1223: „Sentenz“. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVIII [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. DIENEN 5.3.1. Wer den Dienst unbelohnt läßt, ist gemein (verdient Strafe). Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“. Kerth 2005, S. 210. Peters 1972, S. 127f.

Sentenz Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVIII [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz - (D) Vlêge got mit sinnen. / dîn vriunde soltu minnen. / habe dîne mâge liep. / suoche den market. vliuch den diep. / mit guoten ginc unde lebe. / gerne behalt daz man dir gebe. / kum nimmer an den rât / dar man dich niht gebeten hât. / wis reine. grüez die liute. / dîn êlich wîp die triute. / Du solt dîm merren entwîchen / vertrac dîm ungelîchen. / wîs dînem meister undertân Der deutsche Cato, 53-65. Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 206 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVIII [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. NACHGEBEN 2. Dem Mächtigeren, Größeren und Stärkeren muß man nachgeben (weichen). Wander III s.v. Nachgeben, Nr. 7. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

5916-5923.

160

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 6440 sô aber daz dinc niht wesen sol, sô enhilft niht, swaz ieman tuot.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Walwein räumt sei- P 6440: sô] Wenne. Was geschehen soll, ne Niederlage auf 6441: mit was P. kann man nicht änPluris ein (Befreiniht waz W. dern. ung aus der Minnegefangenschaft).

Walwein räumt sei- P 6442: versuochen] Man soll nichts unne Niederlage auf bistüm. versucht lassen. ein versuochen ist etswenne guot. Pluris ein (Befreiung aus der Minnegefangenschaft). 6442

6475 daz tuot mir inneclîche wê, und wolt nemelîche ê lebende werden begraben, danne ich ditz laster müese haben, daz si mîn êre fuorten hinnen.

Lanzelet erbittet von der Königin von Pluris die Erlaubnis, gegen einen der Artusritter antreten zu dürfen (Befreiung aus der Minnegefangenschaft).

P 6478: müese haben] wollte tragen. P 6479: êre fuorten] vnnere fuorte.

Es ist besser, in Ehren zu sterben als mit Schande zu leben.

161

zu: 6440, 6442, 6475

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf eine Sentenz

Querverweise *6953.

Formulierungstradition: - (E) Aber was nit sein soll, das schickt sich auch nit Zimmerische Chronik, II, 564, 15. Vgl. das Sprichwort: - (S) Swaz geschehen sol, daz geschiht Freidank, 132, 6. Vgl. die Sentenz: - (E) Swaz sich sol gefüegen, wer möht daz understên? Nibelungenlied, 1677, 1 (1680, 1). ŒEr 4801 ŒIw 6566 ŒDa 230 ŒWigl 2295; 6839 ŒCr 7214; 7528; 11037; 19314 ŒGar 156 ŒTan 1584 ŒGTr 6772. Literatur: Friedrich s.v. dinc, S. 135: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 199 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXIX [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. GESCHEHEN 4.2. Was geschehen muß, kann man nicht verhindern [führt diese Textstelle an]; X s.v. SEIN 1.5. Es geschieht nur, was sein muß [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Geschehen, Nr. 53. Zingerle 1864 s.v. GESCHEHEN, S. 51 [führt diese Textstelle an]. Seeber 2010, S. 122.

Sentenz

5140-5145.

Verwendung: - (E) „waz touc et unversuochet?“ sprach Wolf hêr Dietrîch Wolfdietrich A, 412, 4. - (S) besucken eest naest / Est vulgi fama docet experiencia cuncta Proverbia Communia, 136. Literatur: Friedrich s.v. versuochen, S. 424: „Sprichwort?“. Proverbia Communia, S. 144 [führt diese Textstelle an]. TPMA IX s.v. PRÜFEN 1.1. Prüfen (Versuchen) ist gut und weise. 1.1.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Versuchen, Nr. 8 [führt diese Textstelle an]; s.v. Unversucht, Nr. 1. Zingerle s.v. VERSUCHEN, S. 159 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (G) Bessir ist mit eren gestorben, wen mit schanden gelebit. Et de huius veritate iiii Ethicis: 'Melius est mori quam facere contra bonum virtutis'. Hoc elegit venerabilis Eleasarus, scilicet mortem gloriosissimam pocius quam vitam. Perswasum fuerat sibi, quod simularet se paganizare per comestionem carnium suillaurum, 1 Mach vi. Hii eciam fuerunt sancti dei preelegentes martirium ydolatrie, luxurie, eciam peccatis, et precipue multe virgines: Ka, Doro, Agnes, Ursula etc., que potuissent a morte fuisse liberate per ydolatriam et nuptum paganorum. Et communiter omnes martires maluerunt mori quam inpudice idolatrare. Carnes suilles fuerunt inhibite Iudeis, ne viderentur paganis imitare, quorum cibi fuerunt. Eciam moraliter significant inmundicias luxurie, propter que refutanda sancti elegerunt mortem dicentes: Bessir ist etc. Breslau, UB, I. Q. 363, f. 185r , 2. Hälfte. 15. Jh. (Proverbia Fridanci, 414).

1762-1784; 2530-2538.

162

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

Kontext

Der Erzähler kommentiert die List, ir wizzent wol: durch ein swachez mit der es Lanzelet gelingt, die Königin geben muoz maniger mit vröude leben, von Pluris zu verlassen (Befreiung und fromet ein grôz gâbe niht, dô man sich triuwen niht versiht. aus der Minnegefangenschaft). 6505

Überlieferung

W 6505: geben] lebn. P 6506: maniger] manig man.

Paraphrase

Unaufrichtige Geschenke bringen keine Freude.

zu: 6505

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Verwendung: - (E) quod a me attinet, iam pridem mihi decretum est neque exercitus neque ducis terga tuta esse. proinde et honesta mors turpi vita potior, et incolumitas ac decus eodem loco sita sunt Tacitus: Agricola, 33, 6. - (E) „Absit“, inquit, „optimi commilitones, ut hodie faciam, quod numquam feci, scilicet ut inimicis meis terga vertam et gloria nominis nostri infametur. Melius nobiliter mori, quam ignominia vitam servare […]“ Regino von Prüm: Chronica, S.107. - (E) man klaget mich niht ze vil, / ob ich von im tôt gelige: / ist aber daz ich an im gesige, / sô bin ich êren rîche / iemer êwiclîche. / daz wizze man unde wîp, / mir ist lieber daz mîn lîp / bescheidenlîche ein ende gebe / dan daz ich lasterlichen lebe Hartmann: Gregorius, 2058-2066. - (G) V i r i l i t e r a g i t e, e t c o n f o r t e t u r c o r v e s t r u m, o m n e s, q u i s p e r at i s i n d o m i n o! So ein frumer ritter ein lereknappen bi der hant also geweffenten in den ring stritberlicher (bung des ersten in f(ret, so weget er sin h bt und sprichet z) im: ‚neina, zier helt, nu t) húte als ein frumer man und gebar kechlich und strit frilich! Las dir din hertze nút enpfallen: es ist besser erlich sterben, denn unerlich leben. So der erste just úbertruket wirt, so wirt es lihter.’ Alsus geistlich erm(tet der k(ne ritter David einen ieglichen erst anevahenden menschen, und f(ret in in den ring des geistlichen strites Seuse: Großes Briefbuch, 17. Brief, S. 459, Z. 10-19. - (L) Ich man dich, lieb, der wort / mit williklichem trost. / bedenck das kleglich mort, / da mit ich werd erlost! / Vil besser ist mit eren kurz gestorben zwar, / wann mit schanden hie gelebt zwai hundert jar Oswald von Wolkenstein, 65, III, 1-6. Vgl. den biblischen Gedanken: - At ille gloriosissimam mortem magis quam odibilem vitam complectens, voluntarie praeibat ad supplicium II Mcc 6, 19. - Aber er wolt lieber ehrlich sterben, denn so schendlich leben, vnd leid es ged(ltig Luther: Deutsche Bibel, XII, 2. Vgl. zur Formulierung: - (E) vrouwe, lât mir den lasterpîn, / ich sol in billîchen haben. / ich wolde lebende sîn begraben, / daz mit diz niht waere Ulrich: Tristan, 1808-1811. ŒEr 9362 ŒDa 888; 1078; 1380; 2524 ŒGar 12442; 12948. Literatur: Nöcker/Rüther 2002. Reuvekamp 2007, S. 118-124. TPMA II s.v. EHRE 4.16. Lieber ein ehrenvoller Tod als ein Leben in Schande. Wander IV s.v. Tod, Nr. 8. Haubrichs 1996, S. 46.

Sentenz Verwendung: - (S) Affectus mentis pateat tibi multa volentis; / Nam dantis votum modico censu valet amplum Werner: Sprichwörter, a 56 (Hs. 12. Jh.). - (S) Ich weiz wol, daz ein milter man / genuoc ze gebenne nie gewan. / Geben tuot dem milten baz / dan enpfâhen, wizzet daz. / Dem milten tuot verzîhen wê, / doch schamet sich der bitende ê. / Diu milte niht von herzen gât, / swer nâch gâbe riuwe hât. / Diu milte niht ze lobe stât, / der gît, dêr selbe niht enhât. / Milte machet werdiu lant; / von obeze wirt der boum erkant. / Ern wart nie rehte milte, / den milte bevilte Freidank, 86, 10-23. - (D) Der ist eyn narr/ der schencken d)t / Vnd das nit gibt mit g)ttem m)t / Und dar z) sur/ vnd übel sicht / Das eym nüt liebs dar von geschicht Brant: Narrenschiff, 96, 1-4. - (S) Es halten nit alle gab die prob./ Vnzeitige gab ist nit dancks werdt./ Die gaben macht der will g)t./ Geschencktem pferd sihe nit ins maul Franck: Sprichwörter, I, 33v (S. 63, Z. 7-4).

163

Querverweise

164

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

6538 diu tôtvinster naht der bitterlichen minne, diu benam ir di sinne und ir varwe und ir kraft

6682 wan ez kumet dicke alsô, sô dem man iht leides geschiht, daz im des sîn herze vergiht dâ vor mit ungedulticheit.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt das Leid der Königin von Pluris bei Lanzelets Flucht (Befreiung aus der Minnegefangenschaft).

P 6539: minne] grume. P 6540: sinne] stume.

Minne nimmt den Verstand.

Der Erzähler deutet auf das Leid durch die Entführung der Königin voraus (Zwischeneinkehr bei Gilimar).

P 6683: geschiht] sol geschehen. P 6684: Daz ime dez müß sin hertze iehen.

Wem Leid geschehen soll, der ahnt es voraus.

zu: 6538, 6682

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

165

Querverweise

Vgl. den biblischen Hintergrund: - in omni dato hilarem fac vultum tuum et in exultatione sanctifica decimas tuas Sir 35, 11. Was du gibst / das gib gern / Vnd heilige deine Zehenden frlich. Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 242).  ŒDa 30. Literatur: Friedrich s.v. g ben, S. 157: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 206f. [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXIX [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. GEBEN 5.1. Man gebe gern, fröhlich und lächelnd, nicht widerwillig, unhöflich und weinend.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Herzelieber mære / der wart ich vil dicke / von der minneclîchen frouwen mîn. / ich wær âne swære / wan daz ich erschricke: / dur die lieben trage ich senden pîn. / daz ist endelîche wâr: / liebe nimt die sinne, / liebe machet missevar. / wizzet daz ich brinne / in der liebe alse ein gluot Schenk von Limburg KLD Nr. 34, 1, 2, 1-11. - (E) Belobent daz wibes minne / Manegem nimpt die sinne / Als och ainem fuchz beschach / Der sin selbs schatten sach / In ainem sod do nachen. / Er begund dar gachen / Daz jn der sinn entwande / sin wip er sechen wande / Dur jr lieb sprang er dar Fuchs und Wolf, 1-9. Verwendung: - (E) sie jehent, die des hânt bekort, / ez beneme diu minne / vil wîsem man die sinne, / daz er niht wol mac bewarn, / ern müeze dicke missevarn / und sich der êren sô bewiget, / daz er enruochet wâ sîn lip geliget. / des ist diu minne vil gemeit: / sie kan ouch (deist diu wârheit) / den tumben wol gelêren / sprechen unde tuon nâch êren Otte: Eraclius, 2550-2560. - (E) Mörlin zw einer zeite / kam aus Norchumerlannd. / der künig vil ser sichs frewte. / er tet im seinen kumer gross pekanndt, / wie er pelesstet wär mit starcker mynne / gen der fürstin von Tyntayol, / die im penem mit all nach witz und synne Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 904, 1-7. ŒEr 3691 ŒIw 1335 ŒDa 1586 ŒWigl 4156; 9658 ŒCr 8433; 8826 ŒTan 4175 ŒMel 1825 ŒPz 287,9 ŒGTr 12017. Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.2. Liebe nimmt (und verkehrt) Weisheit und Verstand, Vernunft und Sinne. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31. Kragl 2006, S. 1229. McLelland 2000, S. 149.

Sentenz Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIV [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Gewissheitsklausel“.

4046-4057; *4330; 43794385; 43984406; 56305640.

166

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 6932 diu klageliche riuwe sol durch nôt erbarmen di rîchen zuo den armen

Kontext Lout beklagt vor den Artusrittern die Entführung seiner Mutter (Befreiung Ginovers).

Überlieferung P 6932-6933: Die manigen geruwe Muoß note erbarmen.

Lanzelet fordert den P 6955: ez […] klagenden Lôut auf, wan] Es enwurt neve, stillent iuwer klage nicht zu verzweifeln nicht wanne. und geloubent mir, daz ich iu sage. (Befreiung Ginovers). ez geschiht niht, wan daz sol geschehen. 6953

Paraphrase Der Reiche soll mit dem Armen Mitleid empfinden.

Es geschieht nur, was vorherbestimmt ist.

167

zu: 6932, 6953

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise 8653-8661.

Formulierungstradition: - (L) der edele sol erbarmen sich / über die armen, daz râte ich: / so erbarmet sich got über in. / swer alsô tuot, daz ist rehter sin Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1494, 5-8. - (D) gedenke wol die wîl du lebest, / ob dir ieman habe wol getân, / des soltu in geniezen lân. / du solt dich erbarmen / an gerihte über den armen / sprich rehte urteile; / dîn zunge sî niht veile Der deutsche Cato, 108-114. Verwendung: - (S) Qui non compatitur miseris, quid habet pietatis? Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 457. - (S) Swâ rîcher man gewaltic sî, / dâ sol doch gnâde wesen bî. / Man sol sich gerne erbarmen / über die edeln armen. / Swer rîche ist, ob erz teilen wil, / der hât iemer friunde vil Freidank, 40, 13-18. - (D) Wizzet daz er von rehte sol / barmunge über die armen hân, / ob er got ervürhten kan Thomasin von Zerklaere: Der welsche Gast, 12426-12428. - (S) Nil valet hic pietas, quae parcere nescit egenis Werner: Sprichwörter, n 74 (Hs. 15. Jh.). - (S) De ryken is sullen de armen trôsten. / Est hominis miserum solari ditis egentem Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 406. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Foeneratur Domino qui miseretur pauperis, Et vicissitudinem suam reddet ei Prv 19, 17. Wer sich des Armen erbarmet/ der leihet dem HERRN / Der wird jm wider Guts vergelten Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 63). ŒEr 432. Literatur: TPMA I s.v. ARM (Adj.) 7.1.1. Man soll sich des Armen erbarmen und ihm helfen; IX s.v. REICH 6.8. Die Reichen sollen den Armen helfen. Walther, Nr. 16897; Nr. 4385. Wander III s.v. Reiche (der), Nr. 112.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) Uns mag nit geschechen / wann das uns geschechen sol Die gute Frau, 858. Verwendung: - (S) Absque suo nihil euentu consistere dicunt. - Nihil potest fieri, quod non eueniat secundum predestinationem suam Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 6. Vgl. das Sprichwort: - (L) swaz geschehen sol, daz geschiht Reinmar MF 164,2 (MFMT XXI, XXVII, 2). ŒEr 4801 ŒIw 6566 ŒDa 230 ŒWigl 2295; 6839 ŒCr 7214; 7528; 11037; 19314 ŒGar 156 ŒTan 1584 ŒGTr 6772.

*6440.

168

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

7322 si erscheinden an ir vröude daz, daz ez im dicke wol ergât, swer di sîne willic hât.

7343 si bedâhten sich des wol, daz nieman ersterben sol wan einest und niht mêre.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beP 7323: dicke fehlt. schreibt den Emp- P 7324: Der die fang von Artus sinen willig lat. durch seine Untertanen bei der Rückkehr vom Magier Malduc (Befreiung Ginovers).

Dem ergeht es gut, der sich die Zuneigung der Seinen erhält.

Der Erzähler referiert Erecs und Walweins Entschluß, sich in die Hände des Magiers Malduc zu geben (Befreiung Ginovers).

Man stirbt nur einmal.

zu: 7322, 7343

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

169

Querverweise

Literatur: Friedrich 2006 s.v. geschëhen, S. 163. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an], S. 1238: „Eines der häufigsten Sprichwörter im Mittelhochdeutschen“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 60; S. 153. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIV [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 93 [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. GESCHEHEN 5. Es geschieht nur, was geschehen muß [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 213. Wander I s.v. Geschehen, Nr. 54. Zellmann 1996, S. 61: „sprichwörtlich“; S. 76 „Allerweltssentenz“; S. 266: „rhetorische Devise“. Seeber 2010, S. 122.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Vil manic laster in vergât, / der sîne gebûre willic hât Freidank, 121,16f. Verwendung: - (E) min lieber sun Baldewin / der scol iû wole beuolhen sin: / ziht in u ze eren; / zucht sch)lt ir in leren. / heizet in herlichen lebe: / er mach wole mildeclichen gebe, / er habe willich sine man Pfaffe Konrad: Rolandslied, 1694-1700. - (S) Gloria principis est mens pia, larga manus Werner: Sprichwörter, g 17 (Hs. 14. Jh.).

108-113; *129; 3388-3393; 4720-4729; 8200-8213; 8731-8763; 9208-9217.

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1245: „Sprichwort“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57; S. 59. Münch 2005, S. XXXVIII [führt diese Textstelle an]. TPMA VI s.v. HERR 4.4.1 Der Herr soll milde und gerecht sein; 4.4.3 Einem verhaßten Herrscher fällt das Herrschen schwer (ergeht es schlecht). Zellmann 1996, S. 270: „Sentenz“; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) „junffrouwe, ich sagen dir n) als e: / de eins stirft, hie en stirft neit me.“ Gottfreid Hagen: Reimchronik, 214f. Verwendung: - (D) ain fackel, dvָ bran eweclich, / dem helle for vil gelich. / Ir flammen und ir wildes for / duchtan mich als vngehore, / daz vil groz min ungemach / wart, do ich dis wunder sach / vnd ich nah verzaget waz. / doch genant ich vnd genaz, / swie mir were von klopfen we. / ich gedaht: du kanst nvָ t me / wan aines dodes ersterben. / Solt du da von verderben / du m0st es fragen etwas Johann von Konstanz: Minnelehre, 225-237. - (E) Als Maller das vername, da viele er von syme pferde von grossem leyde, das er da von hatt. „Ewiger got“, sprach Maller, „wer sol nü dem andern getrüwen, die wile ein ein bruder dem andern das t)t! - Llieber (herre)“ sprach Maller, „wes wellent ir nü begynnen? Wellent ir nit vndersten, dise boßheit zu rechen? So myr got, der mich geschaffen hat: Hett ich uch die hantglüe nit getan, ich wolte yetz widder vmb riten vnd wolt üwern bruder erstechen! / Solte ich wol darvmb erhangen werden, man möchte mir doch nit mee dann eynen tot anget)n Elisabeth von Nassau-Saarbrücken: Loher und Maller, f. 60r. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Et quemadmodum statutum est hominibus semel mori, post hoc autem iudicium: sic et Christus semel oblatus est Hbr 9, 27. - Und wie den Menschen ist gesetzt, eyn mal zu sterben, darnach aber das gerichte, also Christus ein mal geopfert Luther: Deutsche Bibel, VII (S. 366). ŒCr 20670.

*1612; *1615.

170

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

7387 wan swer wibe lasters gert der wirt selde vnd ere entwert

7395 Dô Valerîn durch sîn übermuot alsus verlôs lîp und guot

Kontext

Der Erzähler [in P Malduc] kommentiert die Ermordung Valerins (Befreiung Ginovers).

Der Erzähler schließt den Bericht über Valerins Ermordung ab (Befreiung Ginovers).

Überlieferung

Paraphrase

P 7387-7388: Jr su- Es ist schändlich, esser mynne vn er- Frauen Gewalt an zu wert So hettent sie tun. jn wol ernert.

Hochmut führt zu Schaden.

171

zu: 7387, 7395

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. erst rben, S. 151: „Sprichwort“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1245: „proverbiale Wendung“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXIX [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 254 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TOD 4.1.1. Man stirbt nur einmal [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 30324c. Wander IV s.v. Sterben, Nr. 84. Zellmann 1996, S. 270 „Binsenweisheit“; S. 283, Anm 6: „Lehrsatz“.

Sentenz Verwendung: - (E) „Ich wil“ sprach der Bernre / „den grozen jamer schowen, / den Ermrich an den vrowen / hat begangen und getan. / Owe, er ungetriwer man, / er ist nie von vrowen chomen! / Ich han daz ofte wol vernomen, / im gevolget nimmer sælde noch g)t, / swer an wiben misset)t.“ Dietrichs Flucht, 8393-8401. - (S) Qui dehonestat mulieres, senes et sacerdotes, vel eorum famae detrahit, nunquam publicam infamiam evitabit Bebel: Proverbia Germanica, 122 (S. 38). ŒEr 5770. Literatur: Friedrich s.v. wîp, S. 468. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1247: „Sentenz“. McLelland 2000, S. 51: „saying“. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVI [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart geben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 6266. Verwendung: - (E) der chunich imz harte revorhte, / er machete sich parvuoz unt wullîn,/ vil tiure flêget er mînen trehtîn./ daz cruce er zuo im vie,/ vil frôlîche er durch die porte gie. / er truog ez ze Jerusalêm in daz templum. / daz ist uns armen gesaget ad exemplum: / von diu suln wir unseren hêrren / vurhten unde flêgen / mit zuhten unt mit guote,/ mit grôzer deumuote./ ubermuot ist sô getân: / diu gescendet ie den man./ Herâclîus rihte rômisc rîche vur wâr / zwai unde drîzech jâr./ unt dar uber sehzehen tage Kaiserchronik, 11333-11348. - (E) dinis overtruwen scaden. / ich ne mochtis dir zende nie gesagin. / du versmades harde got, / der uns ze levene gebot / unde volgedis deme vertrivenin / die legede dich dar nidere. / unbe diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin geswimmin noch gewadin! / Von du mach du wol verstan / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde overmut, / dar von der tuevel gewan, / daz ime nimer zeran / ochis noch achis, / noch allis ungemachis / des hat he immer genuch / unde giver is och dir, of du na ime dust! König Rother, 4549-4568. - (S) Uberm)ot strafft Gott/ überm)t thet nie kain g)t. R. Bistu weise so fürchte Gott / Und halt mit fleisse sein gebott / Das ist ain yetzlich Mensche schuldig / Bekenne dich selbs und sey gedultig / Z) groß m)twille wirdt nimmer g)t / Der übels mehr dann g)tes t)t / Als thet ain übel Künig hie z)vor / Der hieß Nabuchodonosor / Dem traumt ains nachtes da er lag / Auff seinem bett und r)he pflag / Ain Traum / deß er vergaß z)handt / Des morgens ward vil balde gesandt / Nach allem Maistern und weissagen / Die er bekante bey seinen tagen / Das sy den Traum im sagen sollten / Ob sy ir leben behalten wollten / Und was der Traum solte bedeüten /

6038-6042.

172

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

7504 wan nieman ist sô rîche, in sweche an sîner hübscheit ein zorn und ein herzeleit und nâhe gândiu riuwe. 7670 wan ez kumet dicke âne bete lôn, des vriunt dem andern tuot. der des gedenket, daz ist guot.

Kontext

Der Erzähler beschreibt Lanzelets Leid um die Not seiner Gefährten (Befreiung Erecs und Walweins).

Überlieferung

Paraphrase

P 7504: Wanne es Starke Affekte kann nieman. man nicht beherrP 7505: In schen. entsweche. P 7506: minne zorn und hertzeleit. P 7507: fehlt.

Der Erzähler lobt P 7670-7671: fehdas Verhalten der len. Artusritter gegenüber der Tochter des Magiers Malduc (Befreiung Erecs und Walweins).

Die Hilfe für einen Freund wird belohnt.

173

zu: 7504, 7670

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Solcher m)twille mchte seinen leüten / Wol grosse forcht und angste machen / Dann er umb die selbe sachen / Ließ tdten manchen weisen man / Was m)twillen ich vernommen han / Der ist dem selben ungenoß / Gotts g(te Daniels hertz auffschloß / Das er des Traumes in beschied / Anders were ain gantze diet / Weissagen und weiser man verlorn / So m)twillig was sein fraydig zorn / Darumb was er auch wol siben Jar / Ain Ochß und aß Hew / das ist war / Biß das er selbes sich erkandte / Und Gott seinen schpffer nandte Agricola: Sprichwörtersammlungen, II, 312 (S. 201, Z. 12 - S. 202, Z. 14). Vgl. das Sprichwort: - (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. ŒEr 980; 1229 ŒWigl 2672; 7960; 10087 ŒCr 3819; 22353 ŒGar 2756; 6357; 7007 ŒTan 6730 ŒMel 6566; 8014 ŒWigm 5980 ŒGau 1314 ŒPz 472,17; 473,4 ŒJT 1923,2 ŒGTr 7080; 7227. Literatur: Friedrich s.v. übermuot, S. 418. TPMA VI s.v. HOCHMUT 5.5. Hochmut ist nichts Gutes, sondern schadet nur. Wander IV s.v. Übermuth, Nr. 5.

Sentenz

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXIX [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 272: „Sentenz“; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) er sprach: daz ein gebvre dem andern tvt, / Kumet dicke lon, des hore ich iehen Heinrich: Reinhart Fuchs, 298f. Verwendung: - (G) Nû êrst huoben si ir spot. / si sprâchen: „geselle, sô dir got! / noch verdenche dich baz, / lâz uns gevallen etwaz / von disme gewinne! / ob dir her nâch zerinne, / daz ez dir danne gefrume; / sô geluckes rat her umbe chume. / des verchunnen wir uns niht: / wan sîn vil dicke lôn geschiht, ez sî übel oder guot, daz gebûr anderem tuot / ouch ist uns dicke geseit, / ez sî ein grôz sælichkeit, / swer sîne vreude unt sîn chlagen / in rehter mâze chunne tragen, / sî sînes liebes niht ze vrô / unt chlage sîn leit alsô, / daz er sîn iht mêre […]“ Konrad von Fußesbrunnen: Kindheit Jesu, 1613-1631. - (E) „Ich wne, mîn her Meriôn, / ir müezen des enphâhen lôn, / daz iuwer tôrheit hât gefrumt. / ze gelte ez etewenne kumt, / daz ein gebûr dem andern tuot. / lânt sehen, ob ir nû gemuot / sît, als ir wârent wider mich, / dô mir gestochen wart ein stich / von iu mit eime scharpfen sper? / wes bîtent ir? wol aber her! / wir hân ze strîte rûmes vil. / vür wâr ich iu daz sagen wil, / daz ir mich sluogen âne schult. / ze buoze ir mir des komen sult, / ê daz ir kêrent hinnen! Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 36513-36527. Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1250: „Sprichwort“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57; S. 159f.: „aphorism“. Münch 2005, S. XLVI [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. LOHN 1.5. Lohn wird oft dafür zuteil, was einer dem andern tut [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Freund (Subst.), Nr. 111. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Gewissheitsklausel“.

4602-4607; 5199-5208; *7788.

174

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 7712 wan ez kumet dicke alsô, dâ eim manne leide geschiht, dar umbe gæbe ein anderr niht, wan ez ist ouch ein leit niht al der liut, ist uns geseit.

7754 der selbe site muoz imer sîn, daz von liebe und ouch von leide diu ougen trüebent beide.

7782 Joch enzimet nieman untrôst wan bosen liuten eine.

7788 er verzaget niht an lône, swer sô setzet sînen muot, daz er den frumen dienst tuot.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt die Freude am Artushof (Befreiung Erecs und Walweins).

Viele Menschen berührt des anderen Leid nicht.

Der Erzähler beschreibt die Wiedersehensfreude bei Erecs und Walweins Rückkehr an den Artushof (Befreiung Erecs und Walweins).

Freude wie Leid lassen die Menschen weinen.

Der Erzähler beschreibt die Freude auf dem Begrüßungsfest am Artushof (Befreiung Erecs und Walweins).

P 7782: Jo. Hoffnungslosigkeit P 7783: Wanne dem soll nur dem bösen man alleine. Schlechten zuteil werden.

Der Erzähler beschreibt die Freude auf dem Begrüßungsfest am Artushof (Befreiung Erecs und Walweins).

P 7788: verzaget] envervohet. P 7789: Wer also. sin. P 7790: fromen luten.

Wer den Rechtschaffenen dient, der wird belohnt.

175

zu: 7712, 7754, 7782, 7788

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Non omnis mundus tristatur, si dolet unus Werner: Sprichwörter, n 220 (Hs. 15. Jh.). - (S) Non omnis mundus tristatur, si dolet unus. / Ains laid ist nit menklichs laid Münchener Sprüche, 37.

Querverweise 1802-1810; 1996-2005; 6857f.

Verwendung: (S) Diaux en vile n’est pas onis Morawski: Proverbes franPais, 577 (Hs. 13. Jh.). Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57; S. 159f.: „aphorism“. Münch 2005, S. XL [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 169 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LEID 1.2. Leid trifft nicht alle zusammen [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 18155. Wander III s.v. Leid (Subst.), Nr. 18. Zellmann 1996, S. 283: „Gewißheitsklausel“.

Sentenz

6841-6857.

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57; S. 60. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLV [führt diese Textstelle an]. TPMA I s.v. AUGE 24. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Weinen, Nr. 16. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Gewißheitsklausel“. Zingerle s.v. AUGE, S. 15 [führt diese Textstelle an]. Seeber 2010, S. 113.

Sentenz

Literatur: Mc Lelland 2000, S. 159f.: „aphorism“.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Qui bon seigneur sert bon loyer en atent Morawski: Proverbes franPais, 1861 (Hs. 15. Jh.). Verwendung: - (E) on rûwet sîn vorlorne stunt, / swenn om wert sîn sûrheit kunt / und om di zît vorswunden is. / des mûz he ummer sîn gewis, / swer dînet eime bôsen man, / daz he dâr niht erwerbin kan. / swer aber dem gûten dînest tût, / deme wert daz ende dicke gût. / getrûwe herze lônen kan, / trûwe râtet trûwem man Berthold von Holle: Demantin, 6365-6374. Vgl. die Umkehrung: - Swer bsen liuten dienet iht, / des wirt im zwâre niemer niht / gedanket kleine als umbe ein hâr Freidank, 88, 27-29.

1214-1216; 1315-1321; 2286-2289; 4602-4607; 7630-7655; *7670.

176

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

7804 sîn heil verdruht im ouch den nît, daz seltsæn ist und unvernomen, wan di bœsen hazzent ie die fromen. gelücke huot sîn dar an.

Kontext

Der Erzähler beschreibt die Anerkennung, die Lanzelet am Artushof genießt (Befreiung Erecs und Walweins).

Überlieferung

P 7806: bœsen] falschen.

Paraphrase

Die Schlechten mißgönnen dem Rechtschaffenen seinen Erfolg.

177

zu: 7804

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1250: „Sprichwort“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57; S. 159f.: „aphorism“. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIII [führt diese Textstelle an]. Singer 1946, S. 86. TPMA II s.v. DIENEN 7.4.2. Wer einem Guten (guten Herrn) dient, bekommt guten Lohn; 7.4.3. Wer einem Guten (guten Herrn) dient, gewinnt (verliert nichts) dabei. Zellmann 1996, S. 275: „Diese Wendung ist einem im Romanischen weit verbreiteten Sprichwort entlehnt“; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) nû vindet man selten âne nît / die b#sen hoveliute. / ichn weiz, waz ez bediute: / als dem gaste wol geschiht, / daz lânt sie âne rede niht. / sie sprâchen offenbre, / daz ez allez ein goukel wre, / dâ mit er umbe gienge. / dern an einen galgen hienge, / der füere im harte rehte mite. / ez was ie der b#sen site, / daz sie den guoten übel sprâchen / und enwesten wazs an in râchen. / daz sie got gehazze Otte: Eraclius, 1220-1233. - (E) iedoch si sanden boten hin / gegen Metzen durch den nît: / den kom er alsô nâhen sît / daz in wol gesâhen die. / [...] / ez was ie der b#sen site / daz man die frumen hazzen tuo. / ez reit der junge recke duo / gegen Metze sîne strâze dan. / durch daz ez in was kunt getân, / sô heten sich ir zwelve dar / (ez was ouch gr#zer niht ir schar) / nâch im gerihtet ûf die slâ: / sie wânden an im ertwingen dâ / allez daz si dûhte guot Biterolf und Dietleib, 2478-2495. Verwendung: - (S) Virtus semper inuidiae patet Otloh von St. Emmeram: Liber proverbiorum, v 52. - (D) Swâ ein frome wîb kumit / unde si ein bôsin ginimit, / diu nah êron ist gizogin, / diu wirt alsô harte bitrogin / wande demo bôsin demo ist leit / allir slahte frumicheit Scopf von dem lone, 77-82. - (D) ich bin von Frîûle geborn / und lâze gar âne zorn / swer âne spot mîn getiht / und mîne tiusche bezzert iht. / ich heiz Thomasîn von Zerklre: / b#ser liute spot ist mir unmre. / hân ich Gâweins hulde wol, / von reht mîn Key spotten sol. / swer wol gevellt der vrumen schar, / der missevellt den b#sen gar. / swer vrumer liute lop hât, / der mac wol tuon der b#sen rât. / ist iemen vrum der rehte tuot, / daz dunket niht den b#sen guot, / wan swaz der vrume guots tuon mac, / daz muoz sîn der b #sen slac Thomasin von Zerclre: Der Welsche Gast, 71-86. - (S) Swann ich der bœsen hulde hân, / sô hân ich etewaz missetân. / Man sol hân mit den besten pfliht, / die bœsen hœren unde volgen niht. / Wer mac die besten ûz gelesen, / sô nieman wil der bœste wesen? / Ein bœser man ungern siht, / swâ dem frumen guot geschiht. / Swer gîtekeit und erge hât, / deist gruntvest aller missetât Freidank, 90, 21 - 91, 3. - (L) swen die bœsen hazzent âne sîne schult, / daz kümet von sîner frumecheit. / Trœstet mich die guote alleine, / diu mich wol getrœsten mac, so gbe ich umbe ir nîden cleine Walther von der Vogelweide 50, III, 3-6 (La 73, 37 - 74, 3). ŒIw 2485 ŒWigl 94 ŒCr 22620 ŒMel 98 ŒETr 3119; 3134 ŒGTr 1; 8395 ŒHTr 3035. Literatur: Friedrich s.v. b#se, S. 126: „Sprichwort?“. Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 300 [führt diese Textstell an]. McLelland 2000, S. 44: „The keyaphorism around wich the prologue is built [...] echoed in the main body of the text“; S. 159f.: „aphorism“. Mone 1830, S. 207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XXXVIII [führt diese Textstelle an]. Singer 1916, Nr. 32 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.8. Wohltat wird oft nicht geschätzt; X s.v. SCHLECHT 2.2.5. Die Schlechten hassen und schädigen die Guten. Wander II s.v. Haß, Nr. 25. Zellmann 1996, S. 275 „Wiederholung der Prologsentenz“; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“. Zingerle s.v. ZAG, S. 181 [führt diese Textstelle an].

*7; 17-26.

178

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 8046 doch enlebet dehein man, der ie gewan zer werlte muot, ern habe gern selbe guot, wandez irlât in blûger bet. hi von gedâhte Lanzelet an sîn erbe ze Genewîs

8398 er wirbet sæliclîche, swer mit frümicheit begât, daz er dâ heim wirde hât; wan den lop von den lantliuten sol nieman verkiuten.

8436 ez ist ein alt gewonheit, daz man dem sæligen ie gerne diende, swi man ez an gevie.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler berichtet, warum Lanzelet trotz der Gastfreundschaft am Artushof, seine eigene Herrschaft antreten möchte (Heimkehr nach Genewis).

8047: zuo der werlte P. zerwerte W . * P 8048: Er enhabe selber gerne guot. P 8049: wandez irlât] Wanne es ir erlag.

Der Erzähler beschreibt Lanzelets Freigebigkeit (Heimkehr nach Genewis).

P 8402: Das sol.

Paraphrase Wer über eigenen Besitz verfügt, braucht nicht als Bittsteller aufzutreten.

* Hahn, S. 188, liest zer welte.

Der Erzähler beP 8438: swi […] schreibt die Loyali- gevie] Was er ane tät der Untertanen gie. (Heimkehr nach Genewis).

Die Anerkennung des eigenen Volkes ist nicht gering zu schätzen.

Dem vom Glück Begünstigten wird bereitwillig gedient.

zu: 8046, 8398, 8436

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Münch 2005, S. XL [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 168: „allgemeiner Lehrsatz“; S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz Verwendung: - (D) Quamquam hoc animo semper omnes fuimus in patriae proditoribus opprimendis, ut, quoniam futura esset nostra gloria, periculum quoque et invidiam nostram putaremus. Nam quae mihi tribuenda ipsi laus esset, cum tantum in consulatu meo pro vobis ac liberis vestris ausus essem, si id quod conabar sine maximis dimicationibus meis me esse ausurum arbitrarer? Quae mulier interficere sceleratum ac perniciosum civem non auderet, si periculum non timeret? Proposita invidia, morte, poena qui nihilo segnius rem publicam defendit, is vir vere putandus est. Populi grati est praemiis adficere bene meritos de re publica civis; viri fortis ne suppliciis quidem moveri ut fortiter fecisse paeniteat Cicero: Pro T. Annio Milone, 29, 82. - (L) ez enwart nie mannes lop sô guot / sô daz von sînem hûse vert, / dâ man in wol erkennet Spervogel MF 20, 4-5 (MFMT VI, I, 1, 4-5). - (S) Man lobt nâch tôde manegen man, / der lop zer werlde nie gewan. / Maneger lobt ein fremedez swert, / het erz dâ heime, ez wre unwert. / Swer lop in sîme lande treit, / deist diu gr#ste werdekeit Freidank, 61, 9-14. - (S) In propria patria qui laudis dona meretur, / Cum sit res cara, laudandus iure videtur. / Lob im eigenen lande / Ist her an schande Freidank (Görlitz), 1736. - (S) Laus est in propria laudari maxima turba Werner: Sprichwörter, l 28 (Hs. 15. Jh.). Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1263: „proverbiale Sentenz“. Leitzmann 1931, S. 301 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Münch 2005, S. XLIII [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. LOB 3.13. Lob im eigenen Land (Haus) ist von größtem Wert [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Lob, Nr. 29 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. LOB, S. 93 [führt diese Textstelle an]. Zellmann 1996, S. 168: „allgemeiner Lehrsatz“.

Sentenz Verwendung: - (Br) illud amicitiae quondam uenerabile nomen / prostat et in quaestu pro meretrice sedet. / quo magis admiror, non, ut torrentibus undis, / communis vitii te quoque labe trahi. / diligitur nemo, nisi cui Fortuna secunda est; / quae, simul intonuit, proxima quaeque fugat. / en ego, non paucis quondam munitus amicis, / dum flavit velis aura secunda meis,/ ut fera nimboso tumuerunt aequora vento, / in mediis lacera nave relinquor aquis Ovid: Ex Ponto, 2, 3, 19-28. - (S) Diligitur nemo, nisi cui fortuna secunda est Werner: Sprichwörter, d 95 (Hs. 13. Jh.). Literatur: Kragl 2006, S. 1263: „Sprichwort“. Leitzmann 1931, S. 302 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XL [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GLÜCK 8. Wirkung des Glücks auf die Umwelt. 8.7. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Glück, Nr. 676. Zellmann 1996, S. 169; S. 283, Anm. 6: „Gewißheitsklausel“; S. 286.

179

Querverweise

180

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle 8582 ir zwîvel wart gebüezet, dem ie di liute fluochten, wan si funden, daz si suochten. Unkünde, daz sint unminne.

8680 der lop wert, sô der lîp vergât.

Kontext Der Erzähler beschreibt das Wiedersehen von Lanzelet und Iblis mit den Boten aus Dodone (Lanzelet als König von Dodone).

Überlieferung P 8485: daz fehlt.

Der Erzähler lobt P 8680: Daz lop. Iblis' Freigebigkeit (Lanzelet als König von Dodone).

Paraphrase Ungewißheit ist unangenehm.

Ruhm bleibt nach dem Tod bestehen.

181

zu: 8582, 8680

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Sentenz Formulierungstradition:. - (L) Ich han din keine kunde, / ich hete gerne kunde din. / unkunde ist unminne, / daz wirt noch alle tage schin Frauenlob, VII, *43, 1-4. Verwendung: - (D) quod latet, ignotum est; ignoti nulla cupido: / fructus abest, facies cum bona teste caret. / tu licet et Thamyram superes et Amoebea cantu, / non erit ignotae gratia magna lyrae. / Si Venerem Cous nusquam posuisset Apelles, / mersa sub aequoreis illa lateret aquis. / quid petitur sacris, nisi tantum fama, poetis? / hoc uotum nostri summa laboris habet. / cura deum fuerant olim regumque poetae, / praemiaque antiqui magna tulere chori, / sanctaque maiestas et erat uenerabile nomen / uatibus, et largae saepe dabantur opes Ovid: Ars amatoria, 3, 397-408. - (G) wie dû aber dîner götelîchen nâtûre aller minnenclîchest sîst, sô kunden wir dich doch dar inne niht ze rehte geminnen, wan unkünde machet unminne, wan dînen götelîchen hêrtuom kunde unser tunkel bekantnisse niht gereichen. Dar umbe was des nôt, daz dû mensche würdest, daz wir die nâtûre an dir minneten David von Augsburg: Offenbarung, S. 23. - (E) sie quâmen in die guoten stat / die ir muoter inne hât, / der willic liute unde lant / gewarten ir klâren hant. / sie wolden vrâgen, wistens wen, / ze dem sie vriuntschaft mohten jên. / unkunde noch unminne sint. / hie wâren muoter unde kint / unwizzende nâhe einander komen Ulrich von Etzenbach: Wilhelm von Wenden, 5703-5711. - (S) onkunde maect onminne / Vt notos clare non notos quis scit amare Proverbia Communia, 570. - (S) Ex aspectu nascitur amor. [...] Extat et hodie tritißimus sermo apud nostrates: Ansehen/ th)t freien. Hiuc contraria est Hollandica illa parœmia: Onkennisse/ maet on minne. Huc alludit prouerbium illud uulgo celebratum: Was das auge nit sihet/ das beschweret auch das hertz nit Tappe: Germanicorum adagiorum centuriae septem, VII, V, 4 (223b - 224a). ŒPz 351,13 ŒJT 3489,4; 5828,1. Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]; S. 1267: „Sentenz“. Harrebomée II, 134. Leitzmann 1931, S. 302 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLV [führt diese Textstelle an]. Proverbia Communia, S. 250 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 2.4.1. Liebe setzt Bekanntschaft und Prüfung voraus [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Unkunde, Nr. 2.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) Deyr fé, / deyja frndr, / deyr sjálfr it sama; / en orðstírr / deyr aldregi / hveim er sér góðan getr. // Deyr fé, / deyja frndr, / deyr sjálfr it sama; / ek veit einn / at aldri deyr: / dómr um dauðan hvern Hávamál, 76-77. Verwendung: - (E) in freta dum fluuii current, dum montibus umbrae / lustrabunt con uexa, potus dum sidera pascet, / semper honos nomenque tuum laudesque manebunt, / quae cumque uocant terrae Vergil: Aeneis, I, 607-610. - INVIDE, quid laceras Nasconis carmina rapti? / non solet ingeniis summa nocere dies, / famaque post cineres maior venit Ovid: Ex ponto, 4, 16, 1-3. - iam cinis est; et de tam magno restat Achille nescio quid parvum, quod non bene conpleat urnam. at vivit totum quae gloria conpleat orbem. haec illi mensura viro respondet, et hac est par sibi Pelides, nec inanis Tartara sentit Ovid: Metamorphosen, XII, 615-619. - (L) at mihi quod uiuo detraxerit inuida turba, / post obitum duplici faenore reddet Honos; / omnia post obitum fingit maiora uetustas: / maius ab exsequiis nomen in ora uenit Properz, III, 1, 21-24.

9430f.

182

2.3 Ulrich: Lanzelet

Textstelle

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

W 9040: fehlt.

Gott mißbilligt Schande.

P 9400: swelich] welich selig. P 9402: daz ist guot] daz duot.

Ein Herrscher soll durch vorbildliches Handeln Ruhm erlangen.

Der Erzähler lobt, P 9405: vrumen] den Roman abfrowen. schließend, die auVon übel genæme, ßerordentliche Freidaz lob ist niht zæme, wan ez den vrumen niht behaget. gebigkeit Lanzelets durch daz sî iu daz gesaget, und Iblis' (Epilog). daz der herre Lanzelet allez an daz beste tet.

Man darf für schlechtes Handeln kein Lob erhalten.

Der Erzähler lobt den Zug des ArtusWanne got selber hasset schande. hofes zum Hoftag nach Dodone (Lanzelet als König von Dodone). 9040

9400 swelich herre daz begât, daz er ze lobe wirt durch milten muot und niht durch schalcheit, daz ist guot. 9403

Der Erzähler lobt, den Roman abschließend, die außerordentliche Freigebigkeit Lanzelets und Iblis' (Epilog).

183

zu: 9040, 9400, 9403

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (E) Hie vor ein werder fürste was / der zuht und êr ie an sich las / mit milt und ritterlîcher tât, / dâ von sîn lop geblüemet stât / früht iemer unverdorben / im ist der lîp erstorben, / wel nôt? sîn lop doch hôhe swept. / wê dem verzagten der sô lept / swenn im der lîp alhie verstirbt, / daz sîn lop mit dem lîb verdirbt Reinfried von Braunschweig, 65-74. - (E) almeist ich die selben sach, / und hôrte die von wârer sage, / wie er an wirde von tage zu tage / uf wûhs grôzlîche / und nam zû volkumenlîche, / sô daz sîn name lebet immer, / sîn prîses enmac verleshen nimmer Die Kreuzfahrt Landgraf Ludwigs des Frommen, 5464-5470. - (L) Ir fürsten, ir sult wachen, / diu liute vrölich machen, / mit den ir sult uf erden hie nach eren streben. / ez komt iu heim an ritterlichen sachen: / die herren mit der ritterschaft / vil selten pris bejagen. / Künig Artus mit ritterschaft / vil hohen pris erwarb; / swie daz er doch erstorben si, / sin reinez lop doch nie verdarb / künig Alexander, der ouch hie / in hohen wirden starb Frauenlob, IX, 4, 7-18. - (S) Omnia si perdas, famam servare memento! Werner: Sprichwörter, o 62 (Hs. 15. Jh.). ŒIw 14 ŒCr 199. Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an], Mone 1830, S.207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLIII [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. NAME 4.2. Guter Name und Ruf lebt nach dem Tod weiter; IX s.v. RUHM 2. Weiterleben des Ruhms nach dem Tod [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 10130; Nr. 27955; Nr. 30320. Wander III s.v. Name, Nr. 4.

Sentenz Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Leitzmann 1931, S. 302 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S.207 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLV [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Herrscher, Nr. 7.

Sentenz

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. McLelland 2000, S. 51, Anm. 57. Münch 2005, S. XLVI [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Lob, Nr. 39. Zellmann 1996, S. 283, Anm. 6: „Lehrsatz“.

Sentenz

Literatur: Kragl 2006, S. 961 [führt diese Textstelle an]. Münch 2005, S. XLVII [führt diese Textstelle an]. TPMA VIII s.v. LOB 3.5. Unverdientes Lob ist wertlos und schädlich.

5398-5403; 5594-5619; 5761-5765.

184

2.3 Ulrich: Lanzelet

Auswertung In Ulrichs ›Lanzelet‹ ist die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern ein Stilmerkmal, das vor allem die Erzählerstimme prägt. Sich mit explizierenden oder simplifizierenden Sentenzen und Sprichwörtern in die Erzählung einzumischen, erscheint geradezu als Eigenschaft der Erzählerfigur, wobei sich Spannungen zwischen Handlung und Kommentar auftun können und zu ironisierenden Effekten führen. Bei aller sprachlichen wie semantischen Prägnanz gehören die Proverbien in Ulrichs Werk nicht in den Kontext einer lebenspraktisch orientierten Adelslehre, sondern haben als Phänomen der Erzählpoetik zu gelten – sie dienen dazu, die Narration variabel und spielerisch mit rezeptionssteuernden Modellen beispielhaften Handelns und Verhaltens zu perspektivieren. F r e q u e n z : 57 Sentenzen und Anspielungen auf Sentenzen und Sprichwörter verteilen sich auf 9444 Verse, so daß durchschnittlich alle 166 Verse ein Beleg vorkommt. Betrachtet man nur die 48 Vollsentenzen (darunter 3 Sprichwörter), so liegt die Frequenz bei einem Beleg auf 197 Versen. Die Proverbien sind ziemlich gleichmäßig über das gesamte Werk verstreut, doch häufen sich die Belegstellen in folgenden Passagen und namentlich im zweiten Romanteil: (1) Lanzelets Aufenthalt in Limors: 1600; 1612; 1615; 1635; 1639. (2) Kampf gegen Iweret: 4296; 4330; 4389; 4391. (3) Befreiung aus der Minnegefangenschaft: 6440; 6442; 6475; 6505; 6538. (4) Befreiung Ginovers: 7322; 7343; 7387; 7395. (5) Rückkehr Erecs und Walweins: 7712; 7754; 7782; 7788; 7804.

Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden folgende in der Forschung als sentenzhaft oder sprichwörtlich klassifizierte Stellen: 9: Münch 2005, S. XXXVIII. 47: TPMA I, S. 412, Nr. 149. 48: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XXXVIII. 915: Münch 2005, S. XLI. 917: Münch 2005, S. XLI. 919: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLI. 923: Mone 1830, S. 204; Münch 2005, S. XLI. 1034: Mone 1830, S. 204. 1907: Mone 1830, S. 204. 2326: Mone 1830, S. 205. 2352: Kragl 2006, S. 961; Mone 1830, S. 205; Münch 2005, S. XXXIX. 2452: Mone 1830, S. 205; Münch 2005, S. XLVII. 2461: Mone 1830, S. 205; Münch 2005, S. XLVI. 2619: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLIII. 2905: Mone 1830, S. 205; Münch, 2005, S. XLVII. 3388: Münch 2005, S. XXXVIII.4048: TPMA XIII, S. 236, Nr.73. 4054: Kragl 2006, S. 961; Mone 1830, S. 205f.; Münch 2005, S. XLV; Zellmann 1996, S. 283. 4345: Kragl 2006, S. 961; Mone 1830, S. 206. 4595: Münch 2005, S. XXXIX. 4598: Münch

Auswertung

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2005, S. XLI. 4602: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLIII. 4767: Kragl 2006, S. 961; Zellmann 1996, S. 283. 5020: Kragl 2006, S. 961; Zellmann 1996, S. 283. 5542: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLIV. 5636: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLII. 5639: Zellmann 1996, S. 283. 5874: Kragl 2006, S. 961; Mone 1830, S. 206; Münch 2005, S. XLV. 6039: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLIII; Zellmann 1996, S. 283. 6644: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLII. 6666: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLV. 7379: Zellmann 1996, S. 283. 7380: Münch 2005, S. XLVII. 7764: Kragl 2006, S. 961; Zellmann 1996, S. 283. 7966: Mone 1830, S. 207. 8003: Kragl 2006, S. 961; Zellmann 1996, S. 283. 8008: Mone 1830, S. 207; Münch 2005, S. XLV. 8029: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLIV. 8350: Mone 1830, S. 207. 8351: Kragl 2006, S. 961. 8397: Zellmann 1996, S. 283. 8676: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLIII; Zellmann 1996, S. 283. 8685: Münch 2005, S. XL. 8728: Münch 2005, S. XL. 8910: Leitzmann 1931, S. 302; Münch 2005, S. XLVI. 8913: Kragl 2006, S. 961. 8973: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XL; Zellmann 1996, S. 283. 9247: Kragl 2006, S. 961; Münch 2005, S. XLII. 9371: Kragl 2006, S. 961.1

Die Forschung zum ›Lanzelet‹ hat sich intensiv mit den Sprichwörtern und Sentenzen des Werkes auseinandergesetzt.2 Das schlägt sich nicht nur in zahlreichen Listen und Verzeichnissen nieder,3 sondern auch in Versuchen, die Verwendung und Funktionalisierung der Proverbien in die nach wie vor kontroversen Überlegungen zu einer Gesamtdeutung des Romans einzubeziehen.4

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Vgl. außerdem noch das ganz vorläufige Verzeichnis bei Alexander Neumaier: Der ›Lanzelet‹ des Ulrich von Zatzikhoven. Teil 2. Programm des Gymnasiums Troppau 1882 u. 1883, S. 14-16. Ursächlich dafür war wohl der lange herrschende Eindruck, daß der Text Sentenzen und Sprichwörter in besonders großer Dichte enthalte. PÉRENNEC 2001, S. 372, und im Anschluß KRAGL (Ulrich: Lanzelet [Kragl]), S. 961 und S. 1007 weisen auf das Fehlen einer vergleichenden Untersuchung mit zeitgenössischen Romanen hin. Zieht man einen solchen Vergleich, erweist sich die Frequenz, mit der Proverbien in den ›Lanzelet‹ inseriert sind, als durchschnittlich. So u.a. Ulrich: Lanzelet (Hahn), S. VI, f.; LEITZMANN 1931, S. 300-302; ZELLMANN 1996, S. S. 283; MÜNCH 2005, S. XXXVIII-XLVIII; Ulrich: Lanzelet (Kragl), S. 961. Eine Zusammenstellung und Diskussion bietet KRAGL (Ulrich: Lanzelet [Kragl]), S. 960f. ZELLMANN 1996 versteht den ›Lanzelet‹ als eine auf die Vermittlung von Wissen ausgerichtete, biographisch strukturierte Erzählung. In diesem Zusammenhang sei es die Funktion der Sentenzen und Sprichwörter, dem Publikum die zentralen Inhalte in kompakter und einprägsamer Form darzubieten. Demgegenüber betont MCLELLAND 2000, S. 59f., gerade die kommunikative Leistung der Proverbien, die sich in einer eher auf Unterhaltung denn auf Didaxe ausgerichteten Erzählweise entfalte. Beide Ansätze zeigen, wie sehr die Bewertung der Sentenzen und Sprichwörter noch von der Gesamtdeutung des Textes abhängt, ohne daß bereits ein stimmiges Bild von deren Verwendungs- und Funktionsweisen im narrativen Kontexte entstehen würde. Einen Diskussionsanstoß gibt KRAGL (Ulrich: Lanzelet [Kragl]), S. 962, der den Kontextbezug der Erzählerkommentare und speziell der Sentenzen als problematisch bzw. erklärungsbedürftig reflektiert.

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2.3 Ulrich: Lanzelet

S p r e c h e r : Mit 37 von insgesamt 57 Belegstellen sind Sentenzen und Sprichwörter signifikant häufiger in die Reden des Erzählers inseriert als in Gespräche und Reflexionen der Romanfiguren. Intradiegetisch verteilen sich die Belege auf vergleichsweise viele Sprecher, und zwar auch auf solche, die in der Handlung keine zentrale Rolle spielen. Am häufigsten werden Lanzelet (5), der Botin der Meerfee (4), Walwein (3) und Iblis (3) Proverbien zugewiesen. Deutlicher als in allen Vergleichstexten ist die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern im ›Lanzelet‹ ein Stil- und Funktionsmerkmal weiblicher Rede. Daß der Umgang mit proverbialen Redeformen intertextuell reflektiert ist, zeigen die Inschriften auf Lanzelets Zelt, die vom Erzähler geschildert werden. V e r w e n d u n g : Wie in den Romanen Hartmanns dominiert auch in den Figurenreden des ›Lanzelet‹ ein rhetorisch-strategischer Gebrauch proverbialer Redeformen. Die Figuren nutzen Sentenzen und Sprichwörter bevorzugt dazu, in konflikthaften Situationen eigene Positionen zu behaupten und fremde zu entkräften (746; 1288; 2445) oder das Verhalten anderer in die gewünschte Richtung zu lenken (1016; 1635; 1639; 3658; 4574; 6475; 6932; 6953). Besonders zugespitzt erscheint die strategische Instrumentalisierung von Proverbien in solchen Fällen, in denen die vertretenen Standpunkte und das eingeforderte Verhalten verbindlichen Idealen oder Wertvorstellungen entgegenstehen. Beispiele dafür bieten die Szenen, in denen die Tochter des Galagandreiz Orphilet drängt, ihrem Liebesverlangen nachzugeben (1016), und wenn Diepalt Ade dazu bringt, die triuwe gegenüber Lanzelet zu brechen (3658). Allerdings handelt es sich hier um wenige Ausnahmen, denn sonst pointieren Sentenzen und Sprichwörter Positionen der Romanfiguren, die innerhalb der erzählten Welt durchaus konsensfähig sind und die Autorität des Sprechers unterstreichen. Speziell Lanzelet wird in verschiedensten Situationen mit sehr unterschiedlichen kommunikativen Anforderungen als souveräner Sprecher dargestellt. So wenn er gegenüber Weggefährten seine Unerschrockenheit demonstriert (746), seiner Werbung um Iblis Nachdruck verleiht (4574), sich mit einer List aus der Minnegefangenschaft befreit (6475) oder nach der Entführung Ginovers deren Sohn auffordert, zuversichtlich zu bleiben (6953).5 In all diesen Fällen geht es um eine Darstellung vorbildlichen höfischen Sprechens, die darauf zielt, die Exzeptionalität der Hauptfigur über

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Vgl. zur Verwendung des Sprichworts ez geschiht niht, wan daz sol geschehen (6955) SEEBER 2010, S. 122, der darauf hinweist, daß das in der Forschung positiv bewertete Gemeinschaftshandeln der Artusritter allenfalls auf der Ebene kolloquialer Verständigung zu finden, kaum jedoch für die brutale Kampfpraxis der Artusritter in Anspruch zu nehmen ist.

Auswertung

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deren ritterliche Qualitäten hinaus zu demonstrieren. Ganz deutlich wird das, wenn Lanzelet seiner Weigerung, den Artushof aufzusuchen, bevor er seine Identität kennt, im Rückgriff auf das antik-gelehrte Proverbium avicula implumis 6 einen eigenen Verständnishorizont unterlegt und zusätzlich Gewicht verleiht (1288).7 Das Bekenntnis des – durch das fehlende Wissen um die eigene Herkunft begründeten – gesellschaftlich inferioren Status wird durch den stilistisch markierten Redegestus Lanzelets fast schon konterkariert. Auch die zahlreichen Sentenzen und Sprichwörter in den Kommentaren und Reflexionen des Erzählers dienen allem voran dazu, Souveränität und Autorität der auktorialen Vermittlungsinstanz zu profilieren. Der Erzähler erläutert und bewertet das Verhalten der Figuren konsequent von einem übergeordneten Standpunkt aus (114; 129; 1233; 3515; 4330; 6505; 6538; 7322; 7387; 7395; 7504; 7670; 7712; 7754; 7782; 7788; 7804; 8046; 8398; 8436; 8582; 8680; 9040; 9400; 9403) oder deutet auf zukünftiges Geschehen voraus (1612; 1615; 5358; 6682). Meist sind die Proverbien recht genau auf das erzählte Geschehen bezogen. Wenn der Erzähler etwa die Schreckensherrschaft König Pants schildert und in diesem Zusammenhang mit einer proverbialen Wendung auf das Leid der unbeteiligten Landbevölkerung verweist (114), gewinnt der vorangegangene Bericht zusätzlich an Plastizität und Intensität. Und auch als Lanzelet mit seinen Genossen von der Burg des Zauberers Malduc heimkehrt, hebt er eindrücklich die außergewöhnliche Emotionalität des Empfangs der Ritter durch die Königin Genover hervor (7754).

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Dieses Sprichwort ist in seinen Verwendungstraditionen eng mit dem Motiv fehlenden Wissens um die eigene Identität oder mangelnden Bewußtseins für den in der eigenen Identität begründeten gesellschaftlichen Status verbunden. Bereits im ›Poenolus‹ des Plautus wird es z.B. im Zusammenhang mit der Geschichte von zwei Schwestern verwendet, die im Kindesalter entführt und von einem Kuppler erzogen werden, ohne sich ihrer Abstammung aus der städtischen Oberschicht bewußt zu sein. In Boners ›Edelstein‹ markiert es die Hybris einer Schnecke, die nicht länger am Boden zu kriechen bereit ist, und bei dem Versuch, das Fliegen zu erlernen, umkommt. An der Schnittstelle dieser beiden typischen Verwendungsweisen dokumentiert der Gebrauch durch Lanzelet dessen Bereitschaft, die gesellschaftlichen Konsequenzen der durch das eigene Schicksal begründeten Unkenntnis zu tragen. Profil gewinnt die Episode auch im intertextuellen Vergleich. Wie Lanzelet weigert sich der Protagonist in Hartmanns ›Erec‹, bei Artus einzukehren, weil er sich noch nicht für hoffähig hält (Er 5052). Anders als bei Lanzelet liegen die Gründe dafür allerdings im Bereich eigenen Verschuldens. Entsprechend vermag Erec zwar die gesellschaftlichen Anforderungen der höfischen Gemeinschaft, denen er selbst zu diesem Zeitpunkt nicht genügt, verallgemeinernd zu formulieren, nicht aber sein Versagen davor zu relativieren.

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2.3 Ulrich: Lanzelet

Zentral für die Interpretation der Erzähler-Proverbien ist die descriptio des wunderbaren Minnezeltes, das Lanzelet von einer Botin der Meerfee, seiner Ziehmutter, als Dank für die Rache an Iweret überbracht wird. Als der Erzähler die auf der Tür des Zeltes angebrachten Inschriften (4851; 4855; 4858) wiedergibt, macht er seine Kompetenz als Vermittler der erzählten Welt zum Thema (vgl. 4849f.: Dâ stuonden buochstaben an, / der ich gemerken nienâ kan; 4854: daz ist mîn wân; 4856f.: sît ich ze ellende worden bin). In diesem Rahmen nutzt er souverän eine gelehrte Sentenztechnik, da Ovid lateinisch zitiert und wörtlich übersetzt wird, so dass für gebildete Rezipienten das Klassiker-Zitat als intertextuelle Bezugnahme sicher erkennbar war.8 Darüber hinaus ist die narrative Funktionalisierung beachtenswert, wenn man die Inschriften nämlich als Warnung vor den negativen Wirkungen der Minne liest. Im zweiten Teil des Romans müsste Lanzelet eigentlich Ritter und Liebhaber Genovers werden, nur daß dies bei Ulrich gerade nicht der Fall ist. Insofern markieren die drei Inschriften, wie immer man sie deutet, in jedem Fall eine Schlüsselstelle des Romans. Strategien perspektivischen und fokalisierenden Erzählens, wie sie im ›Erec‹ oder ›Iwein‹ zu beobachten sind, kennt der ›Lanzelet‹ nicht. Selbst dort, wo der Erzähler Überzeugungen der Figuren referiert oder innere Vorgänge beschreibt, markiert er nicht deren ‚Subjektivität‘, sondern stellt sie vielmehr in den Horizont eines übergreifenden Wertediskurses. Und wie sehr an solchen Stellen subjektives Erleben hinter kollektivem (Regel-)Wissen zurücktritt, verdeutlicht die Reaktion Erecs und Walweins auf die Geiselforderung des Magiers Malduc (7343). Obwohl beide Ritter wissen, daß dieser wegen eines früheren Konflikts grausame Rache an ihnen nehmen wird, begeben sie sich ohne zu zögern in seine Gewalt, um die Befreiung der Königin Genover aus den Händen Valerins zu ermöglichen. Dargestellt wird dabei jedoch kein Reflexionsprozeß, etwa in Form von Gedankenreden oder inneren Monologen. Vielmehr verschwimmen in der summarischen Wiedergabe der Gedanken durch den Erzähler die Grenzen von Innenraumdarstellung und Kommentar. Dies gilt umso mehr, als das den Figuren zugeschriebene Regelwissen mit dem des Erzählers korrespondiert. Denn dieser hatte schon an früherer Stelle in ganz ähnlicher Weise die Lanzelet durch Liniers drohende Gefahr relativiert (1612; 1615).

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Vgl. weiterführend die auf die Kompetenz des Erzählers ausgerichtete Deutung bei SEEBER 2010, S. 113.

Auswertung

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Der narrative Wertediskurs verwischt somit die Grenze von Figuren- und Erzählerrede. Er weist jedoch nicht, wie in der Forschung häufig konstatiert,9 im Sinne einer lebenspraktischen Unterweisung des Publikums aus dem literarischen Text heraus. Vielmehr strukturiert er die erzählte Welt, indem das Geschehen immer wieder auf bestimmte Modelle typischen oder vorbildlichen Agierens bezogen wird. Sehr dezidiert geschieht dies, wenn an verschiedenen Stellen die Grundlagen funktionierender Herrschaft zum Gegenstand des Erzählens gemacht werden (114; 1233; 1635; 7322; 7712; 7754; 7782; 7788; 7804; 8398; 8436; 8680; 9400; 9403) und so letztlich die Regentschaft von Lanzelet und Iblis kontrastierend der von Pant, Galagandreiz oder Liniers, bzw. überbietend der von Artus gegenübergestellt wird. Aber auch im Bereich der Minnehandlung lassen sich solche strukturierenden Wiederaufnahmen beobachten, z. B. wenn die Versuche von Iblis, Lanzelet zur Flucht vor ihrem Vater zu überreden, in gleicher Weise mit der verwirrenden Macht der Liebe erklärt werden wie der Versuch der Königin von Pluris, Lanzelet zur Liebe zu zwingen (4330; 6538). Nicht zuletzt wird damit über textuell korrespondierende Sentenzen eine Analogie zwischen dem Erzählen als höfischer Praxis und den Interaktionsweisen der Figuren hergestellt. Entscheidender Anhaltspunkt dafür ist der Umstand, dass der Erzähler sich im Prolog in ähnlicher Weise Angriffen böswilliger Neider ausgesetzt sieht, wie auch Lanzelet es – außerhalb der Wertegemeinschaft des Artushofes – ist (7; 7804). Neben der beschriebenen handlungslogischen Strukturierung tragen die Sentenzen und Sprichwörter des ›Lanzelet‹ auch zur buchtechnischen Gliederung des Textes bei. Immer wieder stehen sie am Anfang (1; 11; 129; 1288; 2445; 4330; 4389; 6953; 7395; 8582; 9403) oder Ende (7; 1600; 4858; 5358; 5879; 6011; 6092; 6442; 6475; 6505; 6682; 7322; 7712; 7754; 7788; 8398; 8436; 8680; 9040) der durch Initialen markierten Erzählabschnitte, sie schließen Handlungsoder Gedankengänge ab und leiten zu neuen über. Insgesamt zielt die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern im ›Lanzelet‹ Figuren- und Erzählerrede übergreifend darauf, Maßstäbe für die Bewertung des Erzählten bereitzustellen und im Verlauf der Handlung bewußtzuhalten. Vor dem Hintergrund des so konturierten Wertehorizontes wird der Protagonist in seiner

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Vgl. zuletzt ZELLMANN 1996, S. 74-78.

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2.3 Ulrich: Lanzelet

Exzeptionalität in verschiedenen Situationen und im Vergleich mit anderen Figuren der Handlung wie der Romantradition10 entscheidend profiliert. Für die literaturgeschichtliche Einordnung des ›Lanzelet‹ verdienen nicht zuletzt intertextuelle Rückgriffe auf die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern in früheren höfischen Romanen Beachtung. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Bewertung entsprechender Parallelstellen im Einzelfall Probleme bereitet. Denn wie es scheint, setzt Ulrichs sprachstilistisch wie narrativ reflektierter Umgang mit proverbialen Redeformen die volkssprachige höfische Romantradition mit Prätexten wie Hartmanns ›Iwein‹ als Vorwissen der Rezipienten voraus. Ü b e r l i e f e r u n g : Abgesehen von zwei durch längere Textlücken fehlenden Belegstellen (7670; 7712) stimmen die Sentenzen und Sprichwörter der jüngeren Handschrift P mit dem Bestand von W überein. Für mehrere Stellen hat P abweichende, nicht in jedem Fall proverbiale und zudem deutungsbedürftige Lesarten (1600; 4391; 6538; 6932; 6953; 7322; 7380; 7387; 7504). Bei der Mehrzahl der gemeinsam überlieferten Proverbien sind die Abweichungen jedoch gering. T h e m e n : Folgende inhaltliche Schwerpunkte des Textes werden auch in Sentenzen und Sentenzanspielungen reflektiert: – Dank und Anerkennung: 7; 1600; 2445; 3658; 4574; 6505; 7788; 7804; 8680; 9403. – Freundschaft: 11; 3515; 7670. – Kluges und umsichtiges Verhalten: 1; 746; 1288; 1635; 6092; 6442. – Liebe: 4330; 4389; 4391; 4851; 4855; 4858. – Herrschaft: 129; 1233; 7322; 8398; 9400. – Verhalten von und gegenüber Frauen: 1016; 4296; 5879; 6011; 6046; 6538; 7387.

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Nachzugehen wäre in diesem Zusammenhang – vorbehaltlich der Diskussion um die Datierung des ›Lanzelet‹ – möglichen intertextuellen Bezugnahmen auf Hartmanns ›Iwein‹. Recht deutliche Anklänge in Formulierung, Kontextualisierung oder Verwendung finden sich z.B. an folgenden Stellen: Lan 2445 – Iw 2731; Lan 3515 – Iw 3031; Lan 8680 – Iw 14. Zu überlegen wäre, ob etwa die Freundschaft von Lanzelet und Walwein positiv gegenüber der ambivalenten Darstellung der Beziehung zwischen Gawein und Iwein profiliert wird oder der Herrschaft von Iblis und Lanzelet im Rekurs auf den Prolog des ›Iwein‹ ein ähnlicher Nachruhm zugesprochen wird, wie Artus selbst.

Auswertung

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S t i l : Eine „ausgesprochene Vorliebe für proverbiale Wendungen“11 gilt der Forschung bis heute als ein Stilmerkmal des ›Lanzelet‹.12 Daß dieser Eindruck entsteht, liegt aber wohl weniger an der quantitativen Frequenz, mit der Sentenzen und Sprichwörter in den Text integriert werden – hier unterscheidet sich der ›Lanzelet‹ nämlich kaum von zeitgenössischen Romanen, wie etwa dem ›Iwein‹, dem ›Tristan‹, dem ›Wigalois‹ oder der ›Crône‹. Außergewöhnlich ist eher die sprachstilistische Gestaltung, die Proverbien deutlicher als in den Vergleichstexten gegenüber dem narrativen Kontext profiliert. Besonders betont werden die Grenzen durch die vielen kontextualisierenden Formeln, die den herausgehobenen Status der Proverbien markieren. Demgegenüber finden sich nur sehr selten Reduktions- oder Anspielungsformen, die proverbiales Wissen in die Narration einweben oder eine Ausweitung von Sentenzen und Sprichwörtern in Reflexionen oder Kommentaren. Auch im Bereich der Satzsyntax ist ein Bemühen um sprachliche Klarheit deutlich zu erkennen. Als charakteristisch erweisen sich besonders konzise Formulierungen und die Syntagmen, deren geschliffene Einfachheit komplizierte Satzfügungen vermeidet.13 Dabei zeigt die Vorliebe für bestimmte Formulierungsmuster,14 daß die sprachliche Inszenierung proverbialer Rede im ›Lanzelet‹ weniger auf kunstvolle Variation zielt denn auf autoritative Präsentation. Dem entspricht auch, daß der Text – mit nur einer einzigen Ausnahme (1288) – auf bildliche Proverbien verzichtet. All dies trägt dazu bei, daß der Sentenzenstil des ›Lanzelet‹ beinahe formalistisch wirkt. Einzelne Beispiele zeigen aber, daß artifiziellere Formulierungs- und Integrationsweisen durchaus zum Repertoire des Textes gehören. Neben der bereits erwähnten Anspielung auf das antik-gelehrte Sprichwort der avicula implumis

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Ulrich: Lanzelet (Kragl), S. 955. Vgl. den Forschungsbericht in Ulrich: Lanzelet (Kragl), S. 955-961. 13 Dazu gehören konstatierende Äußerungen mit einfachen Satzmustern (z.B. 7: den frumen hazzent ie die zagen; 1615: ze dem tode stêt dehein fluht; 4855: minne ist ein werender unsin; 8582: unkünde, daz sint unminne) ebenso wie zweiteilige Konstruktionen mit korrelativen Satzanschlüssen (z.B. 4391: swen Minne ie herzelîche traf, / den vervie nie krût noch sîn kraf; 7387: swer wibe lasters gert, / der wirt saelde und êre entwert 7387). 14 So z.B. 11: er belîbet friunde aleine, / swer nieman für den andern hât; 129: er belîbet dicke sigelôs, swer di sîne verkôs; 1016: er gewan nie manlichen muot, / der niht tôrliche tuot / etswenne durch diu wîp; 7788: er verzaget niht an lône, / swer sô setzet sînen muot, / daz er den frumen dienst tuot oder 746: ez mac im harte wol gevromen, / swer daz beste gerne tuot; 1635: ez ist ein unêre, / swer sich alsô rîchet, / daz man im übel sprichet; 2445: ez ist ein wîslicher muot, swelch degen frümeclîchen tuot, / daz ez in niht geriuwe; 8436: ez ist ein alt gewonheit, / daz man dem sligen ie / gerne diende, swi man ez an gevie. 12

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2.3 Ulrich: Lanzelet

(1288), die neben ihrer durchaus komplexen Funktionalisierung im narrativen Kontext15 auch stilistisch anspruchsvoll in Lanzelets Rede eingewoben ist, fällt insbesondere die Umformulierung Sprichworts ‚Es ist besser in Ehre zu sterben, als mit Schande zu leben’ auf (6475)16. Die ansonsten eher schlichte Präsentation proverbialen Wissens erscheint vor diesem Hintergrund als bewußt gewähltes Stilmittel. Dafür spricht auch die Souveränität, mit der der Text an verschiedene Sentenzentraditionen anschließt. Neben Proverbien gelehrt-lateinischer Provenienz (z.B. 1288; 4851) stehen Entlehnungen aus der eigenen Romantradition (z.B. 7; 746; 6955) und Neuschöpfungen, die in ihrer sprachlichen Prägnanz den Belegen mit schriftliterarischer Tradition nicht nachstehen (z.B. 4391; 4588). Kontextualisierende Formeln, die Alter, Bekanntheit oder Wahrheit der Sentenzen und Sprichwörter beglaubigen, stellen in der Figuren- wie der Erzählerrede den autoritativen Status des Gesagten aus: Einleitungsformeln: – Swer rehtiu wort gemerken kan, / der gedenke, wi ein wîse man / hi vor bî alten zîten sprach, / dem sît diu welt der volge jach … (zu 1; Erzähler) – Nuo h#rent, wi ich ez meine: … (zu 11; Erzähler) – dô wart daz wort bewæret:… (zu 129; Erzähler) – daz ist wâr:…(zu 1016; Tochter des Galagandreiz)

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Vgl. dazu oben Anm. 6. Eigentlich folgt das Sprichwort einer antithetischen Grundstruktur, in der die paradoxe Entscheidung, den Tod dem Leben vorzuziehen, in der Anwendung eines kriegerethischen Ehrbegriffs aufgehoben wird. Im ›Lanzelet‹ werden die in der Antithese korrelierten Handlungsoptionen aber verschoben. Nicht einen im Sinne eines älteren Kriegerethos ehrenvollen Tod will der Held einem schändlichen Leben vorziehen, sondern eine grausame Form der Hinrichtung, die keine Möglichkeit mehr zur Demonstration der eigenen Kampfkraft bietet. Die für die Pragmatik des Sprichworts zentrale Glorifizierung des Heroentodes wird damit konterkariert, gleichzeitig aber die Alternative zum feigen Verzicht auf einen Kampf drastisch verschärft. Die sehr ungewöhnliche Sprachgestalt und semantische Modifizierung korrespondiert auch hier mit Besonderheiten der Verwendung im Erzählzusammenhang. Die Anspielung auf das Sprichwort ist Teil einer List, mit der Lanzelet sich aus der Minnegefangenschaft bei der Königin von Pluris befreien will. Zentrales Mittel dieser List sind Formen des uneigentlichen Sprechens, wie z.B. das Versprechen, nach Pluris zurückzukehren, sobald er gegen einen der Artusritter gekämpft hat. In Wirklichkeit hat Lanzelet aber gar nicht vor, überhaupt einen Kampf zu bestreiten und entsprechend auch nicht, seine Beziehung mit der Königin fortzusetzen.

Auswertung

193

– als ez dicke noch ergât:… (zu 1233; Erzähler) – dô en moht ez niht alsô ergân, / wan … (zu 1612; Erzähler) – dâ von volgent mîner lêre… (zu 1635; Ade) – als uns di wîsen hânt gezalt,… (zu 3658; Diepalt) – wan einer sprach dâ vor:… (zu 4851; Erzähler) – ir wizzent wol: … (zu 6505; Erzähler) – wan ez kumet dicke alsô, … (zu 6682; Erzähler) – neve, stillent iuwer klage / und geloubent mir, daz ich iu sage.… (zu 6953; Lanzelet) – si erscheinden an ir vröude daz, / daz…(zu 7322; Erzähler) – si bedâhten sich des wol, / daz … (zu 7343; Erzähler) – der selbe site muoz imer sîn, / daz … (zu 7754; Erzähler) – daz seltsæn ist und unvernomen, / wan … (zu 7804; Erzähler) – ez ist ein alt gewonheit, daz… (zu 8436; Erzähler) Ausleitungsformeln: – … ditz wart von in vil wol vermiten (zu 3515; Erzähler) – … dêswâr, der muget ir wol einer sîn (zu 4296; Iblis) – … vrouwe, nuo gedenkent dran (zu 4574; Lanzelet) – … des sulnt die guoten sich verstân (zu 5358; Erzähler) – … daz ist gewis sam der tôt (zu 5879; Botin der Meerfee) – … der des gedenket, daz ist guot (zu 7670; Erzähler) – … hi von gedâhte Lanzelet / an sîn erbe ze Genewîs (zu 8046; Erzähler) Umrahmung: – wan ez kumet dicke alsô, / … / ist uns geseit (zu 7712; Erzähler)

2.4

Wirnt von Grafenberg: ›Wigalois‹

Der rund 11700 Verse umfassende ›Wigalois‹ wird zwischen 1210 und 1220 entstanden sein.1 Wirnt von Grafenberg verbindet in ihm die Motivik altfranzösischer Erzähltexte wie des Romans ›Le Bel Inconnu‹ mit dem von Hartmann und Wolfram geprägten Typus des Artusromans.2 Darüber hinaus zeichnet sich der Roman durch verschiedene Gattungsmerkmale aus, die sich etablierten Erzählformen wie Legende und Heldenepik zuweisen lassen. I n h a l t : Im Anschluß an den Prolog, in dessen Zentrum die Bitte um eine wohlwollende Aufnahme des Werkes bei Lesern wie Hörern steht (1-144), setzt die Handlung mit der Geschichte von Wigalois’ Eltern ein. Am Artushof erscheint König Joram und bietet der Königin einen Zaubergürtel als Geschenk an, der seinem Träger Kraft und Weisheit verleiht. Für den Fall, daß Ginover diese Gabe nicht anzunehmen bereit sei, fordere er die Artusritter zum Zweikampf. Als die Königin, auf Gaweins Rat hin, den Gürtel an Joram zurückgibt, unterliegen ihm nacheinander mehrere Ritter der Tafelrunde. Zuletzt muß sich sogar Gawein dem durch die Zauberkraft des Gürtels unbesiegbaren Herausforderer ergeben und ihm in sein Reich folgen. Auf dem Weg dorthin offenbart Joram dem Artusritter allerdings die Quelle seiner Stärke und macht den Gürtel nun ihm zum Geschenk. Als Gast wird Gawein in Jorams Heimat mit großem Prunk empfangen. Er trifft auf Florie, die außerordentlich schöne Nichte des Herrschers, verliebt sich in sie und nimmt sie zur Frau. Schon kurz nach der Hochzeit zieht es Gawein aber wieder zum Artushof, und so verläßt er seine schwangere Frau, nicht ahnend, daß er ohne den Gürtel oder die Begleitung Jorams niemals in der Lage sein wird, zurückzukehren (145-1219).

___________ 1

2

ZIEGELER (2VL, Bd. 10, Sp. 1254-1256) setzt die Datierung innerhalb der durch den Tod Bertholds IV. von Andechs-Meranien sowie die Handschriften A und E gesicherten Grenzen zwischen 1204 und 1230 an. Die zahlreichen wörtlichen Bezugnahmen auf Wolframs ›Parzival‹ machen eine Entstehung zwischen 1210 und 1220 wahrscheinlich. Vgl. dazu auch den Forschungsbericht bei WENNERHOLD 2005, S. 78-80. Zuletzt plädiert NELLMANN 2010, ältere Diskussionen aufgreifend und neu perspektivierend, entschieden für eine frühere Datierung des ›Wiaglois‹. Vieles spreche dafür, daß Wirnt nicht den gesamten ›Parzival‹ gekannt habe, sondern ihm lediglich eine Teilveröffentlichung der Bücher I-VI zugänglich gewesen sei, die bereits deutlich vor 1220 greifbar gewesen sein könnte. Den Stand zur Quellenforschung repräsentiert bei allen Unsicherheiten noch immer CORMEAU 1977, S. 95-106. Vgl. dazu die Diskussion in Wirnt: Wigalois, S. 263-268, und den forschungsgeschichtlichen Überblick bei FASBENDER 2010, S. 8-12.

Einführung

195

Jahre später beschließt der inzwischen herangewachsene Wigalois, sich auf die Suche nach seinem Vater zu begeben. Zwar versucht Florie, ihn davon abzuhalten, als sie aber erkennen muß, daß dies unmöglich ist, stattet sie ihren Sohn unter anderem mit dem Zaubergürtel aus und läßt ihn ziehen. Wigalois gelangt zum Artushof, wo er zunächst dadurch Aufsehen erregt, daß er sich völlig unbekümmert auf einem Tugendstein niederläßt, der bis dahin nur für den König selbst zugänglich gewesen war. Daraufhin betraut Artus Gawein mit der Erziehung des jungen Ritters, ohne daß die beiden sich als Vater und Sohn erkennen. Unmittelbar nach Wigalois’ Schwertleite erscheint die Botin Nereja am Hof und bittet um Hilfe für ihre Herrin Larie. Auf sein Drängen hin wird Wigalois für diese Aufgabe ausgewählt, obwohl Nereja ihren Unmut über seine Unerfahrenheit kundtut und erbost den Hof verläßt (1220-1921). In einer Reihe von Aventiuren gelingt es Wigalois jedoch, seine ritterliche Tüchtigkeit und außerordentliche Kampfkraft unter Beweis zu stellen: Zunächst besiegt er einen Burgherrn, der ihm und Nereja nur dann Unterkunft gewähren will, wenn Wigalois ihn im Zweikampf besiegt, tötet seinen Herausforderer aber versehentlich. Anschließend befreit er eine Jungfrau aus der Gewalt zweier Riesen und gewinnt einem Ritter – auch er wird im Kampf erschlagen – einen wunderschönen Bracken ab, den er Nereja zum Geschenk macht. Für Elamie, die Königin von Tyrus, erstreitet er ein Pferd, einen Papagei und einen Zwerg zurück, die ihr als Schönheitspreis zugesprochen, aber vom Roten Ritter Hojir von Mannesvelt gewaltsam wieder entwendet worden waren. Als Wigalois sich dann weigert, Elamie in ihr Reich zu folgen, entfernt diese sich enttäuscht und läßt den Schönheitspreis zurück, den Wigalois nun Nereja übergibt. Zuletzt tötet der junge Ritter im Zweikampf den König Schaffilun, der ihn fordert, weil er die von Nereja in Aussicht gestellte Aventiure für sich selbst beansprucht (1922-3606). Damit gewinnt Wigalois endgültig die Gunst seiner Begleiterin, die ihm nun auch erklärt, worin seine eigentliche Aufgabe besteht. Er soll Korntin, das Erbland von Nerejas Herrin Larie, aus der Gewalt des heidnischen Teufelsbündlers Roaz von Glois befreien, der zehn Jahre zuvor den König Jorel heimtückisch überfallen, ermordet und seine Tochter auf die Felsenburg Roimunt vertrieben habe. Als Preis für denjenigen, der Raoz besiege, sei die Hand der inzwischen herangewachsenen und unermesslich schönen Larie ausgesetzt. Den Weg zur Aventiure weise ein gekrönter Leopard, dem schon viele Bewerber gefolgt seien, ohne aber je zurückzukehren. Bei seiner Ankunft in Roimunt muß Wigalois seine Tapferkeit noch einmal im Kampf gegen den Truchsessen demonstrieren, der vor der Burg Wache hält. Doch danach wird er von der Hofgesellschaft freudig begrüßt

196

2.4 Wirnt: Wigalois

und als Erlöser gefeiert. Schon bei der ersten Begegnung verlieben sich Wigalois und Larie ineinander und bezeugen sich ihre gegenseitige Zuneigung durch zärtliche Blicke. Nachts sieht Wigalois von seinem Fenster aus ein Feuer und erfährt auf Nachfrage, daß das Schloß Jorels seit dessen Ermordung in jeder Nacht unter den Schmerzensschreien seiner Bewohner bis auf die Grundmauern abbrennt, am nächsten Morgen aber keinerlei Zeichen von Zerstörung mehr aufweist (36074369). Bei Tagesanbruch rüstet Wigalois sich zum Aufbruch. Er erhält von einem Hofgeistlichen einen Schutzbrief gegen bösen Zauber und von Larie ein Brot, das auf wundersame Weise Hunger stillt. Nun erscheint der Leopard, dem Wigalois in Richtung Korntin folgt. Dort trifft er zunächst auf eine Schar von Rittern, die von Gott dazu verdammt sind, unentwegt turnieren zu müssen. Da Wigalois in das Geschehen nicht einzugreifen vermag, wendet er sich dem Schloß zu. Vor den Augen des jungen Ritters betritt der Leopard einen paradiesischen Anger, in dessen Mitte ein Baum in herrlich duftender Blüte steht, und er verwandelt sich dort in König Jorel. Dieser erklärt, daß die turnierenden Ritter genau wie er selbst im Höllenfeuer gefangen seien und so lange keine Ruhe finden könnten, bis jemand die Schreckensherrschaft des Teufelsbündlers beende. Ihm allein sei es erlaubt, für eine Stunde am Tag auf dem Anger auszuruhen. Um das Land endgültig zu erlösen, müsse Wigalois zunächst den Drachen Pfetan besiegen und dann gegen Roaz selbst antreten. Zum Abschied segnet der König den jungen Ritter. Wigalois erhält eine Blüte des Baums, deren wunderbarer Duft ihn vor dem tödlichen Atem des Drachen schützen soll, und einen Speer, den ein Engel ihm für den Kampf gesandt hat. Von Jorel erfährt Wigalois auch, daß Gawein sein Vater ist (4370-4835). Auf seiner Suche nach Pfetan begegnet Wigalois Beleare, die beklagt, daß der Drache ihren Mann, den Grafen Moral, verschleppt hat. Wigalois rüstet sich, verfolgt die Spur und schafft es tatsächlich, den Speer durch den Drachenkörper zu stoßen. Allerdings wird er dabei von dem bereits tödlich verwundeten Tier schwer verletzt und bleibt ohnmächtig am Ufer eines Sees liegen. Als ein armer Fischer und seine Frau ihn finden, droht zunächst neue Gefahr: Das Paar raubt Wigalois die Rüstung, und die Frau schlägt vor, den Hilflosen zu töten, ist dann aber von der Schönheit seines nackten Körpers so eingenommen, daß sie ihm zu trinken gibt und sich dann entfernt. Gerettet wird Wigalois von Beleare, die sich auf die Suche nach ihm begibt und dem Fischer eine reiche Belohnung verspricht, damit er ihr den Weg weist. Wigalois ist zwar inzwischen aus seiner Ohnmacht erwacht, kann sich aber nicht an seine frühere Existenz erinnern und

Einführung

197

flieht deswegen vor Scham in den Wald. Erst mit Beleares Unterstützung erlangt er seine Erinnerung zurück und folgt ihr auf ihr Schloß, wo er sich von seinen Verletzungen erholt. Von dort aus bricht Wigalois nach Glois auf, um sich Roaz zu stellen, wird aber unterwegs vom Waldweib Ruel überwältigt und in eine Höhle verschleppt. Er kann nur entkommen, weil Ruel das Wiehern seines Pferdes für das Brüllen des Drachen hält und flieht (4836-6483). In Glois wird Wigalois bereits von dem in ein Löwenfell gekleideten Ritter Karrioz erwartet. Es kommt zu einem langen und harten Kampf, bei dem er seinen Gegner schwer verletzt. Karrioz flieht daraufhin in ein mit tödlichem Nebel bedecktes Moor. Als sich der Nebel hebt, sieht Wigalois eine Brücke, an deren Ende sich eine mit einem Schwertrad gesicherte Pforte befindet. Machtlos gegen das Wunderwerk gibt er sein Schicksal in Gottes Hände und legt sich schlafen. Daraufhin bringt Christus selbst das Rad zum Stehen, und Wigalois kann unbeschadet passieren. Auf der anderen Seite des Moors trifft er auf ein Mischwesen aus Mensch und Tier, das seine Rüstung mit einem Zauberfeuer in Brand steckt. Wigalois gelingt es, das Feuer mit dem Blut der Kreatur zu löschen, doch muß er sogleich auch gegen zwei Ritter kämpfen, die Roaz’ Burg bewachen. Als er einen der beiden getötet hat, ergibt sich der andere, Graf Adan, und leistet einen Treueschwur (6483-7272). Nachdem Wigalois sich so den Zugang zur Burg erstritten hat, trifft er endlich auf seinen Gegner. Roaz erscheint voll gerüstet in einer festlichen Prozession, und es kommt zu einem erbitterten Kampf. Nur mit großen Mühen kann ihn Wigalois für sich entscheiden: Er versetzt Roaz einen tödlichen Schlag, bricht selbst aber völlig entkräftet und schwer verletzt zusammen. Japhite, die Gemahlin des heidnischen Herrschers, stirbt ihrem Mann in tiefer triuwe nach. Die nur aus Damen bestehende Hofgesellschaft verfällt in tiefe Trauer um den getöteten Herrscher. Graf Adan kann gerade noch verhindern, daß sie an dem wehrlosen Wigalois Rache nehmen, indem er erklärt, dieser habe Roaz zu Recht getötet, denn der habe sich der Selbstüberhebung schuldig gemacht. Eine Schar von Teufeln trägt Roaz’ Leiche fort und Japhite wird ehrenvoll bestattet. Während Wigalois sich auf den Rückweg zu Moral macht, übernimmt Adan, der sich zum christlichen Glauben bekehrt hat, die Sorge um Glois. Moral bestätigt Wigalois, daß er nun Laries Hand und die Herrschaft über Korntin und Jeraphin gewonnen hat. Boten werden ausgesandt, um Larie nach Joraphas zu holen, die Fürsten zu einem Hoftag nach Korntin zu laden und die Nachricht von Wigalois’ Erfolgen dem Artushof zu überbringen. Im Rahmen eines großen Festes wird die Hochzeit und Krönung des jungen Herrscherpaares gefeiert, als Gawein in Begleitung von Erec,

198

2.4 Wirnt: Wigalois

Iwein und Lanzelet in Korntin eintrifft. Zum ersten Mal begegnen sich Gawein und Wigalois als Vater und Sohn, wobei Gawein sich über Wigalois’ Glück freut, gleichzeitig aber die Trennung von Florie beklagt (7273-9770). Noch bevor die Feierlichkeiten zu Ende sind, erscheint ein Knappe und berichtet, daß Lion, der Herzog von Namur, seinen Herrn, den König Amire von Libyen, getötet hat. Seine Herrin, Liamere, habe Lion in seine Gewalt gebracht, gerade als diese auf dem Weg zu Wigalois’ Hochzeit waren. Der junge Herrscher entsendet daraufhin einen Boten zu Lion, um ihm Fehde anzusagen. Der Bote kehrt allerdings bald darauf mit der Nachricht vom Tod Liameres zurück, die aus Trauer um den geliebten Mann gestorben ist. Mit großem Aufwand wird ein Heerzug nach Namur vorbereitet, bei dem auch Larie Wigalois begleitet. Während die Belagerung Namurs den Streit nicht entscheiden kann, gelingt es Gawein, Lion im Zweikampf zu töten. Unter großen Klagen werden Lion, Amire und Liamere beigesetzt. Bevor sie in ihr Reich zurückkehren und ihre Herrschaft antreten, begleiten Wigalois und Larie die Artusritter zurück nach Nantes. Auf dem Weg dorthin erreicht Wigalois die Nachricht vom Tod seiner Mutter, die aus Kummer um den Verlust von Mann und Kind gestorben ist (9771-11604). Der Roman endet mit einem Ausblick auf die glückliche Ehe von Wigalois und Larie und auf die ruhmreiche Zukunft ihres Sohnes Lifort Gawanides. In einem Epilog wird abschließend die Bitte um eine wohlwollende Aufnahme des Werkes aus dem Prolog noch einmal aufgenommen (11605-11708).3 39 Textzeugen, davon 13 vollständige und 31 fragmentarische Handschriften. Drei Textzeugen haben besondere Bedeutung, weil sie noch zu Lebzeiten des Autors entstanden sein könnten: A: Köln, Historisches Archiv der Stadt, Best. 7020 (W*) 6, 1. Viertel 13. Jh.; E: Freiburg/Br., UB, Fragm.-Hs. 445; New Haven, Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, MS 481, no. 113; Wien, ÖNB, Cod. 14612, 1220/30; F: Vorau, Stiftsbibliothek, Cod. 118a, 2. Drittel 13. Jh. Für die Textherstellung ist neben A, E, F noch eine spätere, reich illuminierte Handschrift zentral: B: Leiden, UB, Ltk. 537, 1375. Zugrundegelegt ist die von KAPTEYN erarbeitete Ausgabe (Wirnt: Wigalois). Beigezogen wurden die alten Ausgaben von BENECKE (Wirnt: Wigalois [Benecke]) und PFEIFFER (Wirnt: Wigalois [Pfeiffer]).

___________ 3

Zur Analyse der Handlungs- und Erzählstruktur vgl. CORMEAU 1977, S. 66-68; außerdem die Kapiteleinteilung und die Inhaltsparaphrasen in Wirnt: Wigalois, S. 3-261; FASBENDER 2010, S. 29-31 und S. 48-134.

Einführung

199

Wie die Forschung längst bemerkt hat, ist KAPTEYNs textkritischer Apparat nicht immer transparent und leicht benutzbar.4 Bei der folgenden Tabelle geben wir daher in der Rubrik zur Überlieferung sehr viel häufiger als sonst ausdrückliche Hinweise auf erklärungsbedürftige Angaben des Herausgebers.

___________ 4

Vgl. dazu die kritischen Hinweise bei HILGERS 1971b, S. 259-262.

200

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 20 Swer nâch êren sinne, triuwe und êre minne, der volge guoter lêre daz vürdert in vil sêre unde vlîze sich dar zuo wie er nâch den getuo den diu werlt des besten giht

64 waz frumt den rîchen argen man, der al der werlt guotes erban, ob er tûsent marke heizet in sîner arke vil vaste besliezen? wer mac des geniezen, ern wellez teilen unde geben?

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler leitet den Roman mit einer allgemeinen Erfahrung ein (Prolog).

20: Wer B. Der M. T 20: sich nach eren besinne. k 20: nâch] noch. S 20: ern vnn sine. S 21: Nach treu. minne] libe. 21: Triwe A. Truࡆ we B. Trúwe k.Trew M. 21: eren B. er T S. T 22: der] V?. k 22: volget. M 22: volge guoter] volig meiner.

Wer nach Ansehen und Aufrichtigkeit strebt, der soll guter Lehre folgen.

Der Erzähler begründet den Nutzen, den sein Werk ungeachtet möglicher Unzulänglichkeiten hat (Prolog).

Wertvolle Dinge, die 64: fr)mt A. fruࡆ met B. frumet verborgen werden, sind unnütz. k. B T Z 64: dem. k 64: rîchen argen] armen richen. 65: Der al der werlde g)tes enban A. Dem al die welt guotes verban T. Der aller welte guotes verban k. 67: heizet] Heizer A. Hette T. Hies k. 68: besliezen] besleizen B. beslossen liezen T. beslossen k. k 69: des] den. 69: gheniezen B. genizen T. genissen k. 70: Ern wollez B. Er welles T. Er welles k. S 64-74: fehlen.

zu: 20, 64

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

201

Querverweise *82; 1601-1603; 11531-11565.

Formulierungstradition: - (S) Frâge und wîsiu lêre / die bringet michel êre Freidank, 78, 23f. - (D) Er sprach: „sun, eine wîle dage / und vernim waz ich dir sage. / swer volget guoter lêre, / der gewinnet frum und êre: / swelch kint sînes vater rât / ze allen zîten übergât, / daz stât ze jungest an der schame / und an dem schaden rehte alsame Wernher der Gärtner: Helmbrecht, 329-336. Verwendung: - (E) des sag er dem wirte danc / der ez im allez riet / und im ez allez beschiet, / daz er ez volendet hât. / dicke wîses mannes rât / wîsem man ze guote ergat: / der guote lêre und witze hât / unde sich dar an lât, / der ist behuot vor missetât Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur, 53205328. Œ Da 1; 6025 Œ JT 2065,1. Literatur: Hahn 1994, S. 38: „Lehre als Mittel der Demonstration“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LEHRE 1.1. Gute Lehre ist wertvoll und förderlich. Wander II s.v. Lehre, Nr. 17. Wirnt: Wigalois (Seelbach), S. 287: „Ein gegenüber dem Iwein Hartmanns von Aue (1-20) deutlich reduziertes ethisches Programm“. Haug 1992, S. 276. Lienert 1997, S. 269. Mertens 1990, S. 87.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (D) iz in hilft vbir al nicht, / daz man enburnet eyn licht / und besturzit iz vndir eyn vaz: / so in sehet niman deste bas. / ouch ein sal her nvmer riche werden, / der sinen schatz begrebet vunder der erden. / diz selbe gedute / get an di lute, / di di anderin wol gelerin kunnen / vnd in der selikeit nicht gunnen Wernher von Elmendorf, 55-64. - (S) Begraben schatz, verborgen sin, / deist verlust âne gewin Freidank, 147, 9f. Verwendung: - (G) Vnde et bene quidam sapiens dicit: Sapientia abscondita et thesaurus inuisus, quae utilitas in utrisque? Gregor der Große: Pastoralregel, 3, 25, 17f. (S. 428). - (L) Drî untugent. / Verborgen schaz, verborgen kunst, / die sint unwirdic aller gunst, / in rîchtuom unbarmherzikeit, / die driu sint gote harte leit Kolmarer Liederhandschrift, S. 126. - (S) Was sol ein INGENIUM/ gelt/ reichtumb/ kunst/ die man nit braucht. / Nit die gab/ sonder der brauch der gaben ist g)t. / Was sol g)t on m)t. / ABSCONDITI THESAURI NULLUS USUS. Verborgner schatz nicht werdt Franck: Sprichwörter, I, 2r (S. 18, Z. 33 - S. 19, Z. 2). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Sapientia absconsa, et thesaurus invisus, / quae utilitas in utrisque? Sir 20, 32. - Ein weiser man, der sich nicht brauchen lesst, vnd ein vergrabener schatz, Wozu sind sie beide n(tz? Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 202). Œ Cr 11.

Literatur: Friedrich s.v. schaz, S. 348. Schulze, Nr. 158, S. 112-114 [führt diese Textstelle an]. TPMA IV s.v. GEIZ 5.6.2. Der Geizige hat nichts von seinem Raffen [führt diese Textstelle an]; XII s.v. VERBERGEN 11.1. Verborgene Weisheit (Kunst), verborgenes Wissen und verborgener Verstand sind wertlos und verloren. Wander IV s.v. Schatz, Nr. 34. Zingerle s.v. SCHATZ, S. 131.

*75; 124f.

202

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 75 Si wellent daz daz iht witze sîn, swer rôtez golt under diu swîn werfe und edel gesteine

82 swer guote rede minne und si gerne h#re sagen, der sol mit zühten gedagen und merken si rehte: daz ist im guot.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler fordert k 76: Wer gǎtes Aufmerksamkeit für golde fúr die. sein Werk (Prolog). S 76: Wer. diu fehlt.

Es ist unnütz, denen kostbare Dinge zu geben, die sie nicht zu schätzen wissen.

Der Erzähler fordert k 82: Wer. Aufmerksamkeit für S 82: Wen wer sein Werk (Prolog). nach red liebe. B 83: si] die. horte k. hört S. horet T.

Wer einer vortrefflichen Erzählung aufmerksam folgt, dem nützt das.

zu: 75, 82

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

203

Querverweise

*64; *94; *101; Sprichwort *118; 2189-2193; 2626-2631; Formulierungstradition: - (S) swie dicke ein tôre in spielgel siht, / er kennet doch sîn selbes niht. / erst tump, der lieben 6366f. sâmen / sæt in starke brâmen. / swer berlîn schütet vür div swîn, / die mugen niht lange rein sîn Freidank, 123, 2-7. - (S) Men sal de perlen nicht vor de swyne werpen / Porcellis gemmas, gallo quis spargeret aurum? Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 6. Verwendung: - (E) Ne sculun gi suînum teforan / iuuua meregrîton macon ettho mêðmo gestriuni, / hêlag halsmeni, huuand siu it an horu spurnat, / suluuiad an sande: ne uuitun sûΰreas geskêÿ, / fagaroro fratoho Heliand, 1720-1724. - (G) doch ist es nút der wille min / daz man nu werf fúr dú swin / die edeln magariten / indekeinen ziten, / ich main hie fúr den lúten / die nit zem besten túten / nu merken went die merlin / und t)nt alsam dú verlin, / die daz luter wasser lant / und in den pf)l sich legen gant Der Slden Hort, 5747-5756. - (S) Verborum gemmae non sunt porcis tribuendae Werner: Sprichwörter, v 21 (Hs. 15. Jh.). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Nolite dare sanctum canibus: neque mittatis margaritas vestras ante porcos, ne forte conculcent eas pedibus suis, et conversi dirumpant vos Mt 7, 6. - Ihr solt das heythum nicht den hunden geben, vnnd ewere perlen solt yhr nit fur die sew werffen, auff das sie die selbigen nitt zur tretten, mit yhren fussen, vnnd sich wenden, vnnd euch zu reyssen Luther: Deutsche Bibel, VI (S. 36). Literatur: Friedrich s.v. berle, S. 117: „Sprichwort“; s.v. swîn, S. 396 [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA X s.v. SCHWEIN 1.1. Perlen (Edelsteine, Blumen, Muskat) vor die Schweine werfen [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. SCHWEIN, S. 137 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Formulierungstradition: - (E) man verliuset michel sagen, / man enwellez merken unde dagen Hartmann: Iwein, 249f. Verwendung: - (G) Detrahis vero tripliciter: aut ut inventor, aut ut relator, aut ut non invitus auditor. Nam si desit qui audiat, deest qui dicat. Sicut autem detractoris est bona minuere, et mala augere: sic adulatoris e contrario Helinand von Froidmont: Sermones 15 (Sp. 598 C). - (S) Parolle qui n'est escoutee ne vault rien Morawski: Proverbes franPais, 1594 (Hs. 15. Jh.). Œ Iw 249 Œ Da 21 Œ ETr 26. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA VI s.v. HÖREN 2.3. Wo nicht gehört wird, nützt das Reden nichts. Wander II s.v. Hören, Nr. 92.

2-7; *20; 30183021; 1151911552.

204

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 94 swâ von dem guoten guot geschiht, daz dunket die b#sen gar enwiht, wand in vil wênic ze herzen gât guotiu rede und guot getât.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler fordert S k 94: Wo. Aufmerksamkeit für A 94: g0te [?] sein Werk (Prolog). geschiet [Textlücke durch schadhaftes Pergament]. M 94: Vnd wa gut den guten g(t geschiht. S 95: dunket] zimbt. T S 95: die] den. k 95: gar fehlt. 95: eynwicht B.* vngericht k. enbiht S.

Paraphrase Was guten Menschen nützt, erscheint schlechten als wertlos.

* Kapteyn, S. 5, liest: eyn wicht. 101 swaz den von mir wirt geseit, daz ruofte ich gerner in einen walt: dâ vünde ich doch die tagalt daz mir mîn ôre würde erschalt.

Der Erzähler fordert 102: r)ft A. rief B Aufmerksamkeit für T. r(ffe k. rueft M. sein Werk (Prolog). rieff S. M 102: geren. S 102: einen] den. M 103: ich] man. k 104: mîn] daz. 104: oren wurden M. orn wurdn S.

Es ist unnütz, schlechten Menschen etwas Wertvolles mitzuteilen.

zu: 94, 101

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

205

Querverweise *75; *101; *118; *120; 856-862.

Verwendung: - (S) Swer hazzet den, der rehte tuot, / des sin erdunket mich niht guot. / Nieman alsô rehte tuot, / daz ez alle liute dunke guot. / Swer sîme rehte unreht tuot, / dâ wirt daz ende selten guot. / Mich müet, swie wol ieman tuot, / ezn hât der fünfte niht für guot Freidank, 106, 18a-23. - (E) ich hân lange h#ren sagen / daz underwîlen niht muge vertragen / ein man und nemen vür guot, / wanne man im wol tuot: / daz machet übermuotes craft / und komet von senfter hêrschaft Ulrich von Etzenbach: Alexander, 17825-17830. - (D) werdent si an eim gewar, / das er der l(te gunst hat / sô zîhent si in ûf der stat, / das er verdienet habe die gunst / mit smeichenne und mit falscher kunst, / und dunket si ze nihte guot, / swas ieman vor in guotes tuot Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 372-378. Œ Iw 2485 Œ Lan 7; 7804 Œ Cr 22620 Œ ETr 3119; 3134 Œ GTr 1; 8395 Œ HTr 3035.

Literatur: TPMA V s.v. GUT (Adj.) 4.3.8. Wohltat wird oft nicht geschätzt [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. GUT, S. 62 [führt diese Textstelle an].

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) EXTREMUM hunc, Arethusa, mihi concede laborem:/ pauca meo Gallo, sed quae legat ipsa Lycoris, / carmina sunt dicenda: neget quis carmina Gallo? / sic tibi, cum fluctus subterlabere Sicanos, / Doris amara suam non intermisceat undam: / incipe; sollicitos Galli dicamus amores, / dum tenera attondent simae uirgulta capellae. non canimus surdis, respondent omnia silvae Vergil: Eclogen, X, 1-8. - (S) Ich wil armen wârsagen / selten mînen kumber klagen. / Swie man ze walde rüefet, / daz selbe er wider güefet: / ein minne d' andern suochet, / ein fluoch dem andern fluochet Freidank, 124, 1-6. Verwendung: - (L) Der sô lange rüeft in einen touben walt, / ez antwürt ime / dar ûz eteswenne. / nû ist diu klage vor ir dicke manicvalt / gegen mîner nôt, swie sis niht erkenne Heinrich von Morungen MF, 127, 12-15 (MFMT XIX, VI a, 2, 1-4). - (L) Doch mangez wirt geletzet / daz wænet hin gelangen, / swer ez wol undersetzet, / ez hat sich umb ein schelkel balde ergangen. / Die fohen man mit fohen widerstillet. / Swie man ze walde r)fet / billîch alsô der galm widerhillet Hadamar von Laber: Jagd, 430, 1-7. - (D) Der ist eyn narr der andern d)t / Das er von keym mag han für g)t / l)g yeder/ was er andern t(g / das jn do ouch wol ben(g / Wie yeder vor dem wald in byllt / des glich jm allzyt widerhylt / Wer andere stossen wil jnn sack / Der wart ouch selbs des backenschlack Sebastian Brant: Narrenschiff, 69, 1-8. - (S) NAUTUA NAUTAE. / Wie man dir r)fft oder dich gr(ßt/ also antwort. / Wie man inn den wald schreiet/ also schillt es widder herauß. / Wann zwey gleiche auff einander stossen/ bß auff bß/ vnnd wie der ein fragt/ r)fft oder gr(ßt/ der ander antwort/ Als so ein pfaff eim priester begegnet/ vnd einander mit eim gnadhern zalen. Wir sagen: Er hat sein gleichen funden/ Es reufft ein teufel den andern/ leg sich niemand drein/ Es ist ein pfaff an einn juden gerathen/ Ein Esel vff ein mülthier gestossen/ Der r uber dem brenner begegnet/ Ein h)r hat der andern zum hauß gsagt/ den kittel gewaschen/ Er ist bezalt/ Sie tragen wol wasser an einer stangen Franck: Sprichwörter II, 109v (S. 364, Z. 21-30).

*75; *94; *118, *120; 2810.

206

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

118 wer mac den guot gelêren der ein valschez herze treit?

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler fordert S 118: den icht Aufmerksamkeit für guotes. sein Werk (Prolog). 118: gutes k. fehlt M. B 118: gelêren] ir leren. k 119: Das.

Der Erzähler fordert 120: beuellet k. Aufmerksamkeit für bewaltzt M. er bewillet sich mit der bôsheit sein Werk (Prolog). verwicklt S. M k 121: sich als sich daz swîn mit horwe tuot. fehlt. 121: mit horwe tvt A. mit hore tut B. in dem har tuot M. mit horbe tuot S. mit dem hor dǎt k. 120

922 daz ich mich nu n#te der gedanke alsô verre, ich wæne ez mir niht werre, wan von gedanken kumt der muot der dem lîbe sanfte tuot.

Der Erzähler kommentiert seine Beschreibung der Schönheit Flories (Joram-Episode).

B 925: van. M 925: von den gedanken. L 925: kunt. S 925: der] ir. M 926: Die.

Paraphrase

Schlechte Menschen hören nicht zu, was man sagt.

Schlechte Menschen sind nicht zum Guten zu bewegen.

Gedanken rufen angenehme Stimmungen hervor.

zu: 118, 120, 922

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

207

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. walt, S. 449 [führt diese Textstelle an]. TPMA XII s.v. WALD 5. Der Wald gibt stets einen Widerhall. Ähnlich [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 29606; Nr. 29626; Nr. 29634. Wander IV s.v. Wald, Nr. 47.

Sentenz

8-13; *75; *94; *101; *120; 2810.

Verwendung: - (S) Malae naturae numquam doctore indigent Publilius Syrus, m 20. - (S) Peruersi difficile corriguntur Otloh von St. Emmeram: Liber proverbiorum, p 11. - (S) Ja de l’ome mauvés ne fera on prodome Morawski: Proverbes français, 966 (Hs. 14. Jh.). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Quoniam in malevolam animam non introibit sapientia Sap 1, 4. - Denn die weisheit kompt nicht ynn eine bshafftige seele Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 56). Literatur: Schulze, Nr. 132, S. 95. TPMA X s.v. SCHLECHT 2.2.2. Die Schlechten sind dem Guten (Lehren, Bitten) nicht zugänglich. Walther, Nr. 11823. Wander II s.v. Herz, Nr. 292. Fasbender 2010, S. 140.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Die saw legt sich nach der schwemm wider ins kat Franck: Sprichwörter II, 43r (S. 287, Z. 2). Verwendung: - (L) Er ist zen wysen nit gezelt / Der gallen f(r daz honig welt / Er ist an allen witzen blint / Der sterben f(r daz leben nimpt / Wer s(nd f(r tugent minnet / Der ist in im besinnet / Nit anders wann ain tumbez swin, / Daz schn( pluemen lazzet sin / Und in dez bsen horwez pfuol / Suochet siner ruwe stuol Das Gnaistli, 863-872. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Contigit enim eis illud veri proverbii: Canis reversus ad suum vomitum: et, Sus lota in volutabro luti II Petr 2, 22. - Es ist yhn widderfaren das ware sprichwort, Der hund frisset widder das er gespeyet hat, vnd die sew waltzet sich nach der schweme ym dreck Luther: Deutsche Bibel, VII (S. 320). Œ Mel 96. Literatur: TPMA X s.v. SCHWEIN 2.1. Das Schwein zieht die Suhle dem klaren Wasser (einem sauberen, schönen) Ort vor; 2.5. Sich in den Sünden wälzen wie die Sau im Dreck [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: TPMA IV s.v. GEDANKE 11. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Gedanke, Nr. 14.

*75; *94; *101; *118; 2810.

208

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 945 wan swes diu Sælde ze gesellen gert, der muoz gar âne wandel sîn; daz was wol an der mägde schîn, wan si vor allem valsche was lûter als ein spiegelglas.

Kontext Der Erzähler beschreibt Flories Schönheit (JoramEpisode).

Der Erzähler lobt Gaweins kluges dô teter als der biderbe man, Verhalten, als dieser erkennt, daß er der sich des wol getr#sten kan nicht zu seiner Frau swes er niht gehaben mac. Florie zurückkehren swer ie guoter sinne pflac, der habe ouch noch den selben sit: kann (JoramEpisode). dâ vristet er sîn êre mit. 1207

1243 daz beste ie nâch dem besten tuot.

Der Erzähler lobt Wigalois' vorbildliches Verhalten während seiner Erziehung (Wigalois' Jugend).

Überlieferung L 945: swoz. k 945: swes diu Saelde] wer die solte. 945: ze gesellen] ztuࡆ sellen B. z) ir gesellen C. C 946: âne] sunder.

Paraphrase Das Glück wird nur dem zuteil, der vorbildlich ist.

1207: der] ain G C Was man nicht haM S k. der vil A. ben kann, darauf soll 1207: biderbe] man verzichten. wiser C. bider M S k. L 1208: doz. M 1208: des vil wol trosten. 1209: Dez C k. Wez M.

C 1243: Der. B 1243: beste] guࡆ te. 1243: ie] fehlt G. gern S.

Der Beste strebt immer nach dem Besten.

209

zu: 945, 1207, 1243

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise 24-32; *1243; *3836.

Vgl. die Sentenz: - (D) fortis enim non modo fortuna adiuvat, ut est in vetere proverbio, sed multo magis ratio, quae quibusdam quasi praeceptis confirmat vim fortitudinis Cicero: Tusculanae disputationes, II, 4, 11, 4-7. - (E) iuvitque virum fortem fortuna Widukind von Corvey, I, XXX. - (E) fortnna iuvante virtutem Otto von Freising: Gesta Frederici I. imperatoris, II, 37. - (E) „gl(ck den k(nen selten nie verließ“ Der elende Knabe: Der Minne Gericht, 1092. - (S) FORTES FORTUNA IUUVAT Erasmus von Rotterdam: Adagia, II, 1, 145 (I, ii, 45). Œ Cr 6092 Œ Pz 548,12. Literatur: TPMA V s.v. GLÜCK 12. Bei wem das Glück ist; XII s.v. WAGEN (Vb.) 1.2.1. Wer wagt, dem helfen Gott und das Glück. Walther, Nr. 9804. Wander I s.v. Glück, Nr. 34.

Anspielung auf eine Sentenz

*2030.

Formulierungstradition: - (E) Habit ir !ch ainen herren / An minem herren nu verlorn, / So ist an andre ú geborn, / Min vil liebes kindelin, / An dem sont ir ergezzet sin / Des herren min. gehabt úch wol! / Swes man sich getrsten sol / Und das nieman mac gehan, / Das sol man g)tlichen lan Rudolf von Ems: Willehalm von Orlens, 1704-1713. Verwendung: - (E) „Dame, dist il, c’est chose voire / Que consirrer par force estuet / De ce que l’an avoir ne puet.” Chrétien: Philomena, 910f. - (D) frow Mynn sprach: „syd er haut zerprochen / sein lieb, st tte, trúw an dir, / rain s lig wib, nun folg mir / und ker von im, wann er ist varnde hab, / und schrib im er sy ouch schabab. / syd nun die schuld din nit ist, / so wigs ouch ring z) aller frist / und gedenck: ‚was ich nicht haben sol, / des trúw ich mich verwegen wol.‘/ wann er haut (bel an dir geton, / dar umb soltu in faren lon. […].“ Der Minne Gericht, 182-192. Œ Iw 3691. Literatur: TPMA V s.v. HABEN 3.5. Was man nicht haben kann, soll man lassen (nicht wünschen, nicht beweinen). Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schröder 1986, S. 263. Thomas 2005, S. 80f. 122f.; 172-175; *945; 1232f.; 1494; 2708f.; Formulierungstradition: - (E) der wirt niht sparen wollte / In deheine slahte sîn guot, / er het einen gerehten muot: / der *3836. best‘ ouch nâch dem besten tuot Ruprecht von Würzburg: Die Treueprobe, 216-219.

Sentenz

Verwendung: - (S) Der b#se dez b#ste merken sol, / sô tuot dem frumen daz beste wol. / Der b#se dicke dulten muoz / unwirde unde swachen gruoz Freidank, 89, 8-11. - (E) ez mac im harte wol gevromen, / swer daz beste gerne tuot Ulrich: Lanzelet, 746f. - (E) Ez zimt doch den besten wol / Tuon wol, swa man schol Heinrich: Crône, 210f. Œ Iw 3723 Œ Lan 746 Œ Cr 210.

210

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

1334 herre got, der mägde kint, sît dir diu herze offen sint und alle willen ûf getân, wie hâstu mich alsô verlân!

1338 keiser, herre, reiner Krist, sît dir niht verborgen ist und ân dich niht genesen mac, lâ mich geleben noch den tac daz ich gesehe den ich trage in mînem herzen alle tage beidiu mit jâmer und mit klage!

Kontext

Überlieferung

Florie beklagt den Verlust Gaweins und bittet Gott um ein Wiedersehen (Wigalois' Jugend).

S 1335: diu] alle. M 1336: aller wil ist auf getan. S 1336: aller will.

Gott bleibt nichts verborgen, er sieht in das Innere der Menschen.

Florie beklagt den Verlust Gaweins und bittet Gott um ein Wiedersehen (Wigalois' Jugend).

b 1338: H [?]* v herre reiner christ. 1338: reiner] ihesu B. min k.

Gott bleibt nichts verborgen.

* Nach Knoll, S. 60 u. 61, unleserlich.

Paraphrase

zu: 1334, 1338

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

211

Querverweise

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt dieseTextstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 2.2.2. Die Guten handeln (von selbst) gut [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gute (der), Nr. 13.

Anspielung auf eine Sentenz

*1338; 51505156; 6847f.

Formulierungstradition: - (D) Wer kan sô gewis nu sîn ûf erden, / Daz fliegende gedanke sîn gebete / Niht irren, swie gern er andâht hête? / Doch sül wir unser gebete sprechen: / Swie dicke ez wilde gedanke zerbrechen, / So belîbet sîn ungelônt doch niht: / Got unsern willen aleine ansiht, / Im ist niht versperret vor, / Er siht durch aller herzen tor Hugo von Trimberg: Der Renner, 11016-11024. Verwendung: - (S) Gote ist niht verborgen vor, / er siht durch aller herzen tor Freidank, 2, 6f. - (E) dir ist niht verborgen vor, / dû sihst durch aller herzuen tor / in menschlîcher sinne grunt; / dir sint älliu herzen kunt Rudolf von Ems: Barlaam und Josaphat, 59-62. - (E) Nieman mac der liute sin / Rehte wissent wider in / Wan eht got dem ist kvnt / Aller herzin sinne grunt Hugo von Langenstein: Martina, 202, 103-106. - (S) Wer kan eynem yeglichen in das hertz sehen. / Wer handeln und wandeln will auff erden/ der muß mit worten kauffen unnd verkauffen/ er muß den wortten des mannes glauben geben/ sein hertz kan er nicht kennen. […]/ Gott yrret nicht inn worten noch wercken / denn er ist eyn hertzkenner. Alle menschen muessen yrren/ denn sie muessen nach dem eusserlichen richten/ Got betreugt niemandt/ niemand kann auch betriegen/ die menschen aber betriegen/ und werden betrogen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 196 (S. 137, Z. 11-31). Vgl. den biblischen Hintergrund: - omnia enim corda scrutatur Dominus, et universas mentium cogitationes intellegit I Par 28, 9. - Denn der herr sucht alle hertzen, vnd verstehet aller gedanken tichten Luther: Deutsche Bibel, I [Chron 29, 9] (S. 279). - Scio quia omnia potes, et nulla te latet cogitatio Iob, 42, 2. - Ich erkenne das du alles vermagst, vnd keyn gedancken ist dyr verborgen Luther: Deutsche Bibel, X, 1 (S. 90). Œ Er 5803. Literatur: TPMA V s.v. GOTT 11.1. Gott ist nichts verborgen (Gott sieht in alle Herzen, weiß alles). Wander II s.v. Gott, Nr. 1002.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Gote ist niht verborgen vor, / er siht durch aller herzen tor Freidank, 2, 6f. - (D) Wer kan sô gewis nu sîn ûf erden, / Daz fliegende gedanke sîn gebete / Niht irren, swie gern er andâht hête? / Doch sül wir unser gebete sprechen: / Swie dicke ez wilde gedanke zerbrechen, / So belîbet sîn ungelônt doch niht: / Got unsern willen aleine ansiht, / Im ist niht versperret vor, / Er siht durch aller herzen tor Hugo von Trimberg: Der Renner, 11016-11024. Verwendung: - (E) Nieman mac der liute sin / Rehte wissent wider in / Wan eht got dem ist kvnt / Aller herzin sinne grunt Hugo von Langenstein: Martina, 202, 103-106. - (E) dir ist niht verborgen vor, / dû sihst durch aller herzuen tor / in menschlîcher sinne grunt; / dir sint älliu herzen kunt Rudolf von Ems: Barlaam und Josaphat, 59-62.

*1334; 51505156; 6847f.

212

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

1358 swer sînen rât læt an diu wîp, dern ist niht ein wîser man.

1408 daz machet sîn vil reiner muot; er was gewizzen unde guot den tumben tump, den wîsen vruot.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Wigalois beharrt gegenüber Florie auf seiner Absicht, als Ritter auszuziehen und seinen Vater zu suchen (Wigalois' Jugend).

B b k 1358: Wer. legt S. C 1358: diu fehlt. 1359: dern] Negationspartikel laut Kapteyn nur in A B. c 1359: einer. M 1359: wîser] sinnig.

Wer sich in seinen Entscheidungen auf Frauen stützt, ist unklug.

Der Erzähler beschreibt bei Wigalois' Abschied dessen unverfälschte Gesinnung (Wigalois' Jugend).

k 1410: Dem bei- Mit den Weisen ist demal. man weise, mit den S 1410: Darum Törichten töricht. ward sein ent gut. 1410: vruot] gvt b. gnǎg k.

zu: 1358, 1408

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur - (S) Wer kan eynem yeglichen in das hertz sehen. / Wer handeln und wandeln will auff erden/ der muß mit worten kauffen unnd verkauffen/ er muß den wortten des mannes glauben geben/ sein hertz kan er nicht kennen. […]/ Gott yrret nicht inn worten noch wercken / denn er ist eyn hertzkenner. Alle menschen muessen yrren/ denn sie muessen nach dem eusserlichen richten/ Got betreugt niemandt/ niemand kann auch betriegen/ die menschen aber betriegen/ und werden betrogen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 196 (S. 137, Z. 11-31). Vgl. den biblischen Hintergrund: - omnia enim corda scrutatur Dominus, et universas mentium cogitationes intellegit I Par 28, 9. - Denn der herr sucht alle hertzen, vnd verstehet aller gedanken tichten Luther: Deutsche Bibel, I [Chron 29, 9] (S. 279). - Scio quia omnia potes, et nulla te latet cogitatio Iob, 42, 2. - Ich erkenne das du alles vermagst, vnd keyn gedancken ist dyr verborgen Luther: Deutsche Bibel, X, 1 (S. 90). Œ Er 5803. Literatur: TPMA V s.v. GOTT 11.1. Gott ist nichts verborgen (Gott sieht in alle Herzen, weiß alles). Wander II s.v. Gott, Nr. 1014.

Sentenz Verwendung: - (S) Malo in consilio feminae vincunt viros Publilius Syrus, m 16. - (E) molt por est fols ki femme creit Roman d'Eneas, 1590.

Literatur: TPMA II s.v. ENTSCHLUSS [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Rath, Nr. 32. Fuchs 1997, S. 120.

Sprichwort Formulierungstradition: - (S)  ich ein tôre wolte sîn, / ich liez ê Rôme, wære ez mîn. / Manic man hât wîsen muot, / der doch vil tumplîche tuot. / Mit tumben tump, mit wîsen wîs, / daz was nû der werlde prîs. / Erst wîse, der verliesen klaget / und gewinnes stille daget Freidank, 85, 9-12. - (E) Er was der vrowen dienstman, / mit rehten triuwen undertân: / er was in holt, er sprach in wol, / alsô ein islîcher ritter sol. / er was milte, er was guot, / er was küene, hôch gemuot, / mit tumben tump, mit wîsen wîs: / dâ von sô het er lobes pris Ulrich von Lichtenstein: Frauendienst, 8, 21-28. Verwendung: - (E) ǁch kund er dienstliche / So nach der welte werdekait / Dienen das im was berait / Gemanlichen der welte pris; / Mit den wisen was er wis, / Den tumben tump, den g)ten g)t, / Den starken stark und hohgem)t, / Armen unde richen / Kund er sich wol gelichen Rudolf von Ems: Willehalm von Orlens, 226-234. - (S) Reddere persone scit quisquis congrua cuique, / Laudibus extolli mundanis debet ubique / Mit tummen thum, mit weisen weis, / Dasz was je der werld preisz Freidank (Görlitz), 355. - (S) Cum stultos stultus, sapiens sis cum sapiente! Werner 2, c 209 (Hs. 15. Jh.). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Qui cum sapientibus graditur sapiens erit; / Amicus stultorum similis efficietur Prv 13, 20. Wer mit den weysen umbgehet, der wird weyse, Wer aber der Narren geselle ist, der wird ungl(ck haben Luther: Deutsche Bibel X, 2, Spr 13, 20 (S. 42).

213

Querverweise

214

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

1618 gelückes er dar zuo genôz daz im vil selten missegie, wand er hêt vor ougen ie got, der die sînen nie verlie.

Kontext

Der Erzähler beschreibt Wigalois' vorbildliches Verhalten (Wigalois' Ankunft am Artushof).

Überlieferung

C 1621: Het got. die sînen] in. k 1621: der fehlt.

Paraphrase

Gott verläßt die Seinen nicht.

zu: 1618

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

215

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. tump, S. 416: „Sprichwort“. TPMA VIII s.v. NARR 4.5. Mit den Weisen ist man weise, mit den Narren töricht [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 61, S. 95f. [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Weise (der), Nr. 6. Zingerle s.v. WEISE, S. 171 [führt diese Textstelle an]. *2772; *2922; *6482; 64846507; 8161-8164; Formulierungstradition: - (D) Lip, daran gedenke wol / und gebare als ein man sol: / […] / und gebare rehte also: / ‚got *9912; *11529. also guot, ich bin hie‘, / jane verliez got den sînen nie Hartmann: Die Klage, 801-808. - (G) do hub er uf unt tranch / froliche uor in allen. / sie wanten in nider uallen / 3 uerderben da ze stete, / iedoch got gnadeklicher tete, / der die sîne niemer uerlat / unt in an den noten bigestat. / Do stunt er ane wende Priester Wernher: Driu liet von der maget, 3342-3349. - (E) Willehalm zu den sinen sprach: / „nu wenden unser ungemach / daz uns Terramer da t)t! / wir s(ln da ere und g)t / an den heiden nu bejagen; / nieman darf dar wider sagen. / wartet uf ein ander hie! / got die sinen nie verlie / swa sie warn bentet […]“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 5853-5861.

Anspielung auf ein Sprichwort

Verwendung: - (D) Wie daz die schelcke richezent hie, / So soltu wizzen wol für wor, / Das got den sinen nie verlie Winsbecke, 46g, 6-8 (Anhang, S. 74). - (E) swaz werk er ie geworhte, / diu wâren an untæte laz, / wan er der êren nie vergaz: / der kunde er wol geschônen. / des wolt ouch got im lônen / in himel dort, ûf erden hie, / wan got den sînen nie verlie / in keiner nôt gestecken. / der âne zwîvels flecken / ie sîner helfe ruohte / und gnâde an in suohte, / dem was sîn trôst und helf bereit Reinfried von Braunschweig, 44-55. - (S) Resurrexi et adhuc tecum sum, Ps [138,18]. Proverbium: Got der lezzet dy zeÿnen nicht. Veritas huius patet Eccli ii [Sir 2,11-12]: Respicite filii hominum naciones, usque ibi: et despexit illum. Idem Job 3 [4,7]: Recordare obsecro, quis umquam innocens periit. Ps (rR 36) [36,26]: Junior fui et enim senui et non vidi iustum derelictum etc. Exempla huius patent in Susanna, Dan xiii et xiiii, qui dixit ad deum [Dn 14,37]: Recordatus es mei, qui non derelinquis (126v) querentes te. Et ideo confidere debemus domino deo, qui non deserit nos, quia disponit omnia secundum suam laudem et salutem animarum nostrarum. Hoc principalissime patet in suo unigenito, scilicet Christo domino nostro, superni patris, quem non derelinquit (lR precipue) in morte, id est iacens in sepulcro. Secundum illud Ps [15,10]: Non derelinquas animam meam in inferno et parte inferni, que est limbus. Et de hoc beneficio regraciantis loquitur Christus in verbis propositis Breslau, UB, I Q 363, 126r, 2. Hälfte 15. Jahrhundert (Proverbia Fridanci, 149). - (S) Gott verlesset die seinen nicht. / Diß ist eyn wort des glaubens/ Got werde an die seinen/ die yhm trawen und glauben/ gedencken/ und sie nicht verlassen/ noch yhrer vergessen. Die vernunfft und Heyden sagen/ Gott sey denen holt/ und erhre das gebette der frommen leutte/ Und ist diß alle geschriffte voll/ […] Wenn nun Got yemand geholffen hat auß eyner kranckheyt/ unfal/ wie er mag namen haben/ also daß es uns unmuglich duncket/ sagen wir/ Ey got verlesset die seinen nicht Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 99 (S. 75, Z. 1-22). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Propter quod nunquam quidem a nobis misericordiam suam amovet: corripiens vero in adversis populum suum non derelinquit II Mcc 6, 16. - Derselben hat er seine barmhertzigkeit noch nie von uns gar genomen, vnd ob er uns mit einem ungl(ck gez(chtiget hat, hat er dennoch sein volck nicht gar verlassen Luther: Deutsche Bibel, XII, 2 Macc 6, 15 (S. 444). - Quia Dominus amat iudicium, / Et non derelinquet sanctos suos Ps 36, 28. - Denn der HERR hat das Recht lieb und verlesset seine Heiligen nicht Luther: Deutsche Bibel, X, 1, Ps 37, 28. Œ Gau 4382.33 Œ GTr 1710.

216

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2030 doch tâtens als der biderbe man: swenne erz niht gebezzern kan, sô dunket ez in ein rât swaz er danne hât, als ez im an die nôt gât.

2097 wan swaz diu werlt vreude hât, diu kumt uns von den wîben. wie möhte wir vertrîben die langen naht und unser leit niwan mit ir sælicheit?

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt die Widrigkeiten, denen Wigalois und Nereja bei ihrer Übernachtung im Wald auf dem Weg nach Roimunt ausgesetzt sind (Ausfahrt mit Nereja / Befreiung der Jungfrau).

S 2030-2033: Si taten als ein biderman Wan erz niht pesern kann So zimt es in ein rat Swaz er danen hat. M k 2030: ein biderman. 2031: Swennez A. Wen B. So C. Wanne k l. M 2031: Der sein dinch niht. M 2032: dunket in dann des ein rat. C L 2032: ez in ein] in das allis [allez L]. k 2032: ez fehlt. B 2033: Waz her. L 2033: Swaz so. 2033: er danne] er ich denne T. so denne C. 2033: dann da l M [do l]. k 2034: im fehlt.

Wenn man etwas nicht ändern kann, soll man sich mit dem behelfen, was man hat.

Der Erzähler begründet, warum das Mitleid, das Wigalois für die von zwei Riesen geraubte Jungfrau zeigt, beispielhaft ist (Ausfahrt mit Nereja / Befreiung der Jungfrau).

G 2097: swaz] daz. 2097: frdon C. frden l. M S l 2098: Das. B G M S 2098: uns fehlt. 2098: den] guten G S. fehlt k.

Alle Freude der Welt entsteht durch die Frauen.

217

zu: 2030, 2097

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: TPMA V s.v. GOTT 26.10. Gott verläßt (vergißt) die Seinen nicht (hilft den Seinen) [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gott, Nr. 1096. Cormeau 1077, S. 45; S. 121. Lienert 1997, S. 269.

Anspielung auf eine Sentenz

*1207.

Formulierungstradition: - (E) Daz man niet mac gebuzin, / Daz sal man uarn lazin Makkabäer, 61. Verwendung: - (E) „[…] her Gawan, lont die rede gar, / sün enhört nüt me darzuo fürwar. / waz man enmag gebesseren niht, / daz sol man varen lon die riht.“ Rappoltsteiner Parzifal 305, 36.

Œ Iw 3691 Œ Da 3476 Œ Gau 1191.12.

Literatur: Fasbender 2010, S. 141: „sentenziös verknappt“. Lienert 1997, S. 269: „Belehrung scheint gezielt an das Publikum gerichtet“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA I s.v. BESSERN 1.1. Was man nicht verbessern kann, soll man erdulden (sein lassen). Wander II s.v. Klug, Nr. 12. 879-884; 970-981; *2388; 2687-2692; *5477; 8884-8887; Formulierungstradition: - (D) Durch fröude frouwen sint genant: / ir fröude erfröuwet alliu lant; / wie wol er fröude *9698; *10463; 10603-10605. erkande, / der s‘ êrste frouwen nande! Freidank, 106, 4 - 106, 7. - (L) Wîb ist ein gâb der fröuden, / diu alle fröud bekr#net, / von der ist wol zu göuden / diu ir pris, ir wîplîch êre nicht verh#net. / Ez hât ein wîb nicht bezzers dann ir êre; / wirt diu an ir verkêret, / wie sol ein man sich an ir fröuwen mêre? Hadamar von Laber: Jagd, 722, 1-7.

Anspielung auf eine Sentenz

Verwendung: - (D) Sun, wiltû zieren dînen lîp, / sô daz er sî unvuoge gram, / sô minne und êre guotiu wîp, / der tugent uns ie von sorgen nam. / si sint der wunne ein bernder stam, / dâ von wir alle sîn geborn. / er hât niht zuht noch rehter scham, / der daz erkennet niht an in: / der muoz der tôren einer sîn, / und hete er Salomônes sin Winsbecke, 11, 1-10. - (L) Junger man, wis hôhes muotes / dur diu reinen wol gemuoten wip, / fröwe dich libes unde guotes, / unde wirde dinen jungen lîp. / Ganzer fröide hâst dû niht, / sô man die werdekeit von wîbe an dir niht siht. // Er hât rehter fröide kleine, / der sî von guoten wîben niht ennimt Walther von der Vogelweide, 61, I, 1 - II, 2 (L 91, 17-24).

218

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2295 swaz dem manne geschehen sol, daz geschiht im âne wende; sînes lîbes ende wær dâ vürnames niht gewesen, wan daz er doch niht solde genesen.

Kontext

Der Erzähler deutet voraus, daß der Besitzer des schönen Bracken im Kampf mit Wigalois den Tod finden wird (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Besitzer des Bracken).

Überlieferung

Paraphrase

2295: geschen B l. Es geschieht, was beschehen k. vorbestimmt ist. A B 2296: geschit. C k 2296: im fehlt.

zu: 2295

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

219

Querverweise

- (E) Wol im, dem ein reinez wîp, / Bewart guot, êre, sêle und lîp! / Der sol got loben von herzen grunde, / von sinnen, von kreften, von süezem munde / Und immer im gerne sagen danc, / Wenne ez sprach her F r î d a n c: / ‚Von fröuden frouwen sint genant, / Wenne die gefröuwent elliu lant. / Wie wol er fröude erkante, / Der frouwen von êrste sie nante!‘ / Swer ir tugent erkennen kan, / Sô sint si tiurre denne die man: / Si schement sich maniger missetât, / .f die ein man niht ahte hât. / Man sol irre tugent nehmen war, / Ir dinc sol nieman wizzen gar. / Sölte êwigiu fröude âne frouwen sîn, / Sô hête der engel der künigîn / Niht gesegent ir kindelîn / Daz si gebar âne alle pîn, / Und magt noch ist und magt dô was / Dô si des selben suns genas, / Und reiniu magt sol immer sîn / Und aller meide spiegel schîn Hugo von Trimberg: Der Renner, 13069-13092. Œ Cr 231; 13886; 29989 Œ JT 1990,4. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Mulier fortis oblectat virum suum Sir 26, 2. - Ein heuslich weib ist jrem manne eine freude Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 216). Literatur: Friedrich s.v. wîp, S. 468: „Sprichwort?“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 3.1.5. Die (gute und schöne) Frau ist der Inbegriff und die Quelle der Freude (für den Mann). Wander I s.v. Frau, Nr. 535. Schröder 19986, S. 267.

Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Swaz geschehen sol, daz geschiht: / des guoten volge ich, 's übeln niht. / swerz ze rehte merken wolte, / ez geschicht vil, des niht geschehen solte Freidank, 132, 6-9. Verwendung: - (S) Absque suo nihil euentu consistere dicunt. - Nichil potest fieri, quod non eueniat secundum predestinationem suam Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 6. - (L) „Ich verbiute ime vröide niemer; / lâze eht eine rede, sô tuot er wol. / des bite ich in hiut und iemer: / deme ist alsô, daz manz versagen sol.“ / „Vrouwe, nû verredent iuch niht. / er sprichet: allez daz geschehen sol, daz geschiht.“ Reinmar, MF 177, 16-21 (MFMT XXI, XXVII, 2, 1-6). - (E) Und wil den degen iemer han / An aines liebes sunes stat, / Wan sin gem(te nie getrat / Us manlicher st tekait: / W re es al der welte lait, / Es geschicht doch swas geschehen sol: / Das hat sich bew ret wol / An disen selben dingen. / Wem kunde also gelingen / Als im nu gelungen ist, / Es v)gete danne der s(ze Krist? Rudolf von Ems: Willehalm von Orlens, 14336-14346. - (G) „[…] sô denne die Rômre / gevreischent die niuwen mre, / sicherlîche, die choment mit her. / wider die sî wir âne wer. / waz touc diu rede mêre? / si nement uns guot und êre.“ / „Tuot sô zägelîchen niht! / swaz geschehen sol, daz geschiht.“ / sprach Cayfas der wîse Konrad von Heimesfurt: Diu urstende, 105-113. - (S) Rem grave mutari, quamcumque necesse parari Werner: Sprichwörter, r 43 (Hs. 15. Jh.). Œ Er 4801 Œ Iw 6566 Œ Lan 6440; 6953 Œ Da 230 Œ Cr 7214; 7528; 11037; 19314 Œ Gar 156 Œ Tan 1584 Œ GTr 6772. Literatur: Lienert 1997, S. 269: „Belehrung scheint gezielt an das Publikum gerichtet“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Singer 1944, S. 93f. TPMA IV s.v. GESCHEHEN 4.1. Was geschehen muß und vom Schicksal bestimmt ist, geschieht auch; 5. Es geschieht nur, was geschehen muß. Zingerle s.v. GESCHEHEN, S. 50 [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 213. Wander I s.v. Geschehen, Nr. 54; Nr. 109.

2312; *6834; *6838.

220

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 2337 jâ geniuzet man vil selten der b#sen gesellen.

2388 swer immer b#siu mære gesage von den guoten wîben, des vreude müeze belîben mit jâmer unz an sîn ende, wan si sint âne wende der werlte ein vil süezez spil.

2672 der grôzer hôchverte pflac, diu dem manne ist gar ein slac.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler nimmt Wigalois' ehrenhaftes Verhalten nach dem Kampf um den Bracken zum Anlaß für einen zeitkritischen Kommentar (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Besitzer des Bracken).

2337: jâ] Man C M. Ir S. 2337: genusಾet B. genússet C k. genevsst M S. l 2337: vil fehlt.

Schlechte Gesellschaft bringt niemals einen Nutzen.

Der Erzähler nimmt den Umstand, daß die Königin Elamie von Tyrus alleine durch den Wald reitet, zum Anlaß für einen zeitkritischen Kommentar (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

B S k l 2388: Wer. Man soll nicht böse Gerüchte über gute C 2388: Swer dú Frauen verbreiten. bsen m r sag. M 2388-2391: Vnd wer immer bose mer böse mer sag Von den reinen wiben Der […] an ir ende. 2388: immer] dú C. nun k. k S 2388: b#siu mære] poshait. l 2390: Der. S 2390: müeze fehlt. 2391: unz] biz B l. fehlt C k. l 2391: sîn] ir.

Der Erzähler beschreibt den Roten Ritter (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

2672: ritterscheffte k. hoffart M. 2673: gar fehlt C. fehlt k S.

Hochmut führt zum Fall / Hochmut führt zu Schaden.

zu: 2337, 2388, 2672

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

221

Querverweise 2384-2387.

Verwendung: - (L) Ist alliu diet gesellen / ze dem, dem sie da füegen, / hab dich ze den die wellen / bî wirden sîn, lâ dich von in benüegen, / hab faste nâch swâ ir prîs h#her krieche; / du hâst ouch ie gehôret / daz man von b#sen gesellen dicke sieche Hadamar von Laber: Jagd, 279, 1-7. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA X s.v. SCHLECHT 2.3.1.3. Man soll sich vor den Bösen hüten und ihren Umgang meiden. Wander III s.v. Nützen, Nr. 16. Lienert 1997, S. 271. Schiewer 1993, S. 155f.

Sentenz

738-741; 23642369.

Verwendung: - (S) Swer wîben sprichet valschiu wort, / der hât fröuden niht bekort Freidank, 103, 25f. - (D) Pessimus homo omnis male loquens de muliere. Nam de muliere nascitur omnis homo, et qui dehonestat muliebrem sexum, nimium vituperandus est Dialogus Salomonis et Marcolfi, XII (S. 35, Z. 10-12). - (D) Rusticus est vere, qui turpia de muliere / dicit; nam vere sumus omnes de muliere Facetus (dt.), 186. - (S) Rusticus est vere, qui turpia de muliere / Dicit; nam vere sumus omnes de muliere Werner: Sprichwörter, r 81 (Hs. 15. Jh.).

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 4.2.3. Man schmähe, tadle und verachte die Frau nicht. Wander I s.v. Frau, Nr. 676. Lienert 1997, S. 271. 2339-2344; 2760; 2935-2940; 3004f.; 3990Formulierungstradition: 4004; *6471; - (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste *7960; 8321f.; val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. 8576f.; *10087. - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart geben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 62-66.

Anspielung auf ein Sprichwort

Verwendung: - (S) Omnis superbia tanto in imo iacet, quanto in alto se erigit, tantoque profundius labitur, quanto excelsius eleuatur. Qui enim per propriam superbiam adtollitur, per Dei iustitiam inclinatur Isidor: Sententiae, II, 38, 3 (S. 168). - (G) Non ueniat mihi pes superbie. Fuôz déro úbermûoti nechóme mir . uuanda ih an démo gestân ne-mág. V̗ bermuôti ist also eînfuôzîu . uuanda si iêo sâr fallet . unde lango stân ne-mag Notker III von St. Gallen: Psalter I, 117, 16-18. - (E) der chunich imz harte revorhte, / er machete sich parvuoz und wullîn, / vil tiure flêget er mînen trehtîn. / daz crûce er zuo im vie, / vil frôlîche er durch die porte gie. / er truog ez ze Jerusalêm in das templum. / daz ist uns armen gesaget ad exemplum: / von diu suln wir unseren hêrren / vurhten unde flêgen / mit zuhten unt mit guote, / mit grôzer deumuote. / ubermuot ist sô getân: / diu gescendet ie den man Kaiserchronik, 11333-11345.

222

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2772 daz nider got und rihtez hie, wand er gestuont dem rehten ie.

Kontext

Überlieferung

Der Papagei, den sie als Schönheitspreis erhalten hat, begrüßt Elamie und bestätigt, daß er ihr gehört (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

2772: nider got und rihtez] richt got vnd niderez C. wider got und recht ist k. A 2773: rehtem. S 2773: ie] nie.

Paraphrase

Gott hilft den Gerechten.

zu: 2772

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

223

Querverweise

- (E) Dinis ouer truwen scanden. / ich ne mochtis dir ze nie gesagin. / Du uersmades harde got, / der uns ze leuene gebot / unde uolgedis deme uertriuenin/ die legeden dich dar nidere. / Unbe diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin gesuimmin noch gewadin. / Von du mach du wol uerstan / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde ouermut, / dar uon der tueuel gewan, / daz ime nimer zeran / ochchis noch achis, / noch allis ungemachis/ des hat he immer genuch/ undegiuer is och dir, of du na ime dust König Rother, 4550-4569. - (D) dô was der wîs man worden tôr, / dô wart der keiser ze kneht: / er het dô niht keisers reht. / dô wart der heilige ein diep: / im was daz spil niht ze liep. / dâ viel dô diu übermuot / under, als si dicke tuot. / Wir sîn des wol zende komen / und habenz gesehen und vernomem / daz unmâze und hôhvart / die müezen dicke vallen hart. / swer hôhe vert zaller zît, / wizzet daz er nider lît. / swenn ein man sînen muot / ie hôher hebt an übermuot, / so er ie verrer ist von got / nidere durch sîn gebot Thomasin von Zerklære: Der welsche Gast, 10626-1042. - (S) Hoffart thet nie keyn gut. Hoffart und ubermut ist alle zeit von anbegyn der welt hochlich gestraffet worden/ also daß/ was sich auß eynem ubermut uber ander leutte erhebet/ das muß herunder/ es geschehe uber kurtze oder uber lang. Hoffart stieß die edelste creatur/ den Engel Lucifer auß dem hymel. Adam unnd Eva auß dem Paradeiß/ die Juden auß iren knigreichen und herschafften/ Die Rmer von lande und leutten. [...] Freydanck sagt/ Wer fliegen will der flige also/ Weder zu nider noch zu hoh/ Daß yhm zuletzt nit geschehe alsus/ Als Phaeton und Icarus/ Von hoffart ward der erste fal/ Der ye von hymel fiel zuthal Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 50 (S. 41, Z. 6-25). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Contritionem praecedit superbia, / Et ante ruinam exaltatur spiritus Prv 16, 18. - Hoffart geht fur dem verderben her, Und stoltzer mut, kompt fur dem fall Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 52). Œ Er 980; 1229 Œ Lan 7395 Œ Cr 3819; 22353 Œ Gar 2756; 6357; 7007 Œ Tan 6730 Œ Mel 6566; 8014 Œ Wigm 5980 Œ Gau 1314 Œ Pz 472,17; 473,4 Œ JT 1923,2 Œ GTr 7080; 7227. Literatur: Friedrich s.v. hôchmuot, S. 224. TPMA VI s.v. HOCHMUT 5.1.2. Hochmut fällt (bringt zu Fall); 5.5. Hochmut ist nichts Gutes, sondern schadet nur. Wander II s.v. Hochmuth, Nr. 16; Nr. 21; IV s.v. Uebermuth, Nr. 5; Nr. 10.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) got gestuont dem rechten ie; / den getriuwen man er nie verlie Der Pleier: Garel, 1157f. - (E) „Veracht wir des hofes recht, so spricht gar mengclich, das wir ungerecht seyen; sollen die von der tavelrund urtail sprechen, so näm ir chainer aller wellt guet, das er ain valsche urtail spreche; sol die fraw gerichten, das mag si wol thuen, und wir werden hie mit zu spot; wann got gestuond ye dem rechten.“ Ulrich Füetrer: Prosaroman von Lanzelot, S. 97. Verwendung: - (E) uon himele chom den christen ain liecht, / diu hitze war in mere nicht: / si komen wider zu ir chreftin. / got erhorte ie di rechtin, / di an in geloubint / unt im durhnachtlichen getriwent: / den kumet er ie ander not. / der haiden chunc gelac da tot Pfaffe Konrad: Rolandslied, 85638570. - (D) Die psen warff man hin tzu tal, / (Die warn gar an trewen lam) / Got die gerechten nicht enlat, / Sam Danieln tzu dem mal, / Der blaib gesunt, dez nemet bar Suchenwirt, 43, 49-53. - (E) Nû bittent alle durch sînen tôt / den rîchen got, daß er in nôt / dem kume ze helfe, die mich ie / gestûrten, daz ich ane vie / diz buoch und disiu mære ze tihtene! helfebære / müeze er ouch

*1618; 2599f.; *2922; 30563064; *9912.

224

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2775 guot trôst was ie zer n#te guot: swie manhaft ein herze sî, ist dâ niht guotes trôstes bî, ez kumt vil lîhte daz ez verzaget.

2813 daz was ie der tumben slac daz si sich durch ir tumpheit ofte grôzer arbeit underwindent; waz hilft sie daz?

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler begründet, daß die Worte des Papageien Wigalois mit Zuversicht erfüllen (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

C k l M 2775: guot fehlt. L 2775: ie fehlt. 2775: zer] in M. zen C.

Trost hilft in Bedrängnis.

Der Rote Ritter lehnt es ab, das Pferd Elamies zurückzugeben (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

M 2814: sich al durch. 2814: öre l. 2815: Vil ofte M. Ofte vill S. Vil k. Dicke so l. D 2815: Dest grsser.

Die Mühen der Narren bleiben oft nutzlos.

zu: 2775, 2813

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

225

Querverweise

den in n#ten sîn, / die dar ûf kêrten ir pîn, / daz ez hie würde vollebrâht, / wie si sîn doch habent gedâht / mit werken und mit worten, / dâ von er ze allen orten / müeze alsô ir schirmer wesen, / daz si an der sêle genesen, / sô hie der lîp erstorben sî, / daz si des himelrîches frî / niemer müezen werden. / ouch müezen si ûf erden / besitzen hôhen rîchtuom / und den weltlichenruom / an êren unde an wirde grôz / und danne varn in sînen schôz, / der uns des het gewalt gegeben, / daz wir lîp unde leben / und die sêle behalten / wol mugent, ob wir walten / sô guotes lebens hie, / wan er die rechten nie verlie, / er enteilte in êweclichen dort / sînen hohen himelhort, / den muoz er ouch in teilen sô, /daz si gesetzet werden hô / zuo der liehten engel scharn Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg - Fortsetzung, 49785-49817. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Quoniam brachia conterentur, / Confirmat autem iustos Dominus Ps 36, 17. - Denn der arm der Gottlosen wird zubrechen, aber der HERR enthellt die gerechten Luther: Deutsche Bibel X, 1 [Ps 37, 17] (S. 216). Œ Iw 5274; 7628 Œ Da 1298 Œ Gar 1157 Œ Tan 4332 Œ Gau 4232 Œ JT 1569,3. Literatur: TPMA V s.v. Gott 26.11. Gott hört auf die Rufe der Gerechten und steht ihnen bei. Wander II s.v. Gott, Nr. 1033.

Sentenz Œ Cr 7309. Literatur: Fasbender 2010, S. 141: „sentenziös verknappt“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TROST 1. Trost macht froh (hilft in der Not) [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. TROST, S. 151 [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Trost, Nr. 7. Lienert 1997, S. 263.

Sentenz Verwendung: - (G) De eodem thema aliud. „Nolite solliciti esse“, Mt vi [6,34]. Juxta proverbium: Torheyt macht erbeyt. Spiritualiter: Et sic spiritualis stultitia facit multum sollicitum et laboriosum ad temporalia. De qua stulticia dicit Augustinus De libero arbitrio: „Stulticia est rerum appetendarum et vitandarum viciosa ignorancia“. volunt enim scire, quod salutis esset, quod tamen deberent appetere. De quibus Prov i [1,22]: „Stulti, qui sibi noxia sunt“. Petunt scilicet terreni boni cumulacionem, ventris replecionem, non considerantes anime dampnacionem, respicientes vitam caducam, non meditantes eternam Breslau, UB, I F 752, 434rb/va, 1448/51 (Proverbia Fridanci, 42). - (S) Torheit macht erbeit Luthers Sprichwörtersammlung, 442. Literatur: TPMA VIII s.v. NARR 8.8.2. Der Narr schädigt sich selbst [führt diese Textstelle an]. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Narr, Nr. 190.

2159-2163; 62306235; 9715.

226

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 2841 Im was der bart und daz hâr beidiu rôt, viurvar. von den selben h#re ich sagen daz si valschiu herze tragen; des gelouben hân ich niht: swie man den getriuwen siht, in swelher varwe er schînet, sîn herze sich doch pînet ûf triuwe und ûf güete. ob ein valscher blüete als ein rôse diu dâ stêt, ûz im doch niwan valschez gêt. swie sîn hâr ist getân, ist et er ein getriuwer man, diu varwe im niht geschaden kan.

2871 im was dâ heime unmære sich ze verligen einen tac, wan mit gemache niemen mac grôze êre erwerben.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt den Roten Ritter (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

l 2841: Deme ritRothaarige Mentere was bart und schen sind falsch. har. k S 2841: sein part. 2841: daz] sin k. fehlt S. l 2842: Vor und fúr var. 2842: rot unt ui0re uar A. rott vnd auch viurvar S. 2842: fúr war C k.

Der Erzähler lobt die ritterliche Tüchtigkeit des Roten Ritters (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

M 2874: Grezze. 2874: erberwen S. irwerben B.

Ohne Mühe erwirbt man kein Ansehen.

zu: 2841, 2871

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

227

Querverweise

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) Die plaichen gleicht man den toten, / Vntriu haiszt man die rotten, / Die schwartzen haiszt man moren, / Die weissen zagen oder toren, / Der graw zu dem tod plüent, / Von dem Jungen: leücht müt! Hätzlerin: Liederbuch, 2, 13, 88-93. - (L) man spricht, in sinem rucke steke ein schyt, / wo er gat oder riit / Die kuctzen und die grozzen / daz sint knorzen oder gebozzen; / so m)zen ouch die dunnen sin / Sant Martinis werender schin / Die bleichen glichent toden. / Uuntruwen zichet man die roden. / die blaichen glichent den toten / Die swarzen daz sint moren. / Die wizen sint zagen und toren Wer kann allen recht tun, 87-94. - (S) Roter bart/ vntrewe art. / Rot bart vnd Erlin bogen/ Gerathen selten/ ist nit erlogen. / Rot haer ist entweder gar fromb/ oder gar b ß Franck: Sprichwörter, I, 77r (S.126, Z. 5-7). Verwendung: - (E) er sprach: „waz sol ich sagen dir? / der ber hât vil gerûnet mir, / und lêrt mich sunderlîche daz, / und sprach: du solt dich hie nâch baz, / vor dem, der ûf dem boume stât, / hüeten; sich, daz ist mîn rât! / wan wenne ez gât an rechte nôt, / sô lât er dich, wan er ist rôt.“ / Es süllen vrouwen unde man / den rôten gesellen lâzen gân. / des guoten gesellen wirt man gesunt, / des argen man in arbeit kunt. / mit dem guoten wirt man guot; / der b#se niemer wol getuot Boner: Edelstein, 73, 41- 54. - (D) Wan menger nidet den andern an / Der doch iem nie laid hat getan. / Darzuo lachet er in an / Der selb boese schalkhaftig man, / Und im doch nit guotes gan. / Er blagt dik den kropff / Das im umb gat der kopff. / So gat diser zuo dem win / Und lat im recht wol sin / Und lat den nidigen grisgrammen und grinen, / wan er ist valsch usnan und innen. / Judas was ouch der selben art / Nidig, hässig, mit rotem part, / stekt er voll zuo aller stund: / Das bewært er an gottes mund, / den er kust mit ainem gruos Des Teufels Netz, 377-393. - (S) Proverbium est: Longos et procerare staturae raro esse sapientes, breves autem raro demissos et humiles, et rufos minus fideles Bebel: Proverbia Germanica, 36 (S. 18). Literatur: Lienert 1997, S. 263: „banale Lebensregel“; S. 270: „Binsenweisheit“. Schröder 1986, S. 267: „sprichwörtlich“. TPMA IX s.v. ROT 1. Der Rothaarige (Rotbärtige) ist von übler Gesinnung (treulos) [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Rothhaariger. Zingerle s.v. ROTH, S. 124 [führt diese Textstelle an]. Thomas 2005, S. 89f. Wirnt: Wigalois (Seelbach), S. 294. 1350-1357; *2879; *2880; *2883; *2885; Verwendung: - (S) Mit senfte nieman êre hât, / als nû diu werlt stât. / Nieman hât ân arebeit / wîstuom, êr, 9528-9539. grôz rîcheit. / Der fûle gert niht mêre / wan senfte leben ân êre Freidank, 92, 5-10. - (D) Sun, wil dir lieben guot gemach, / sô muostû êren dich bewegen: / an jungen man ich nie gesach / diu zwei gelîcher wâge wegen. / waz touc ein junger lîp verlegen, / der ungemach niht lîden kan / noch sinneclîch nâch êren stegen? / ez ist mir âne zwîvel kunt, / ez loufet selten wîsiu mûs / slâfender vohen in den munt Winsbecke, 42, 1-10. - (E) Der turney was zesamen gar / chomen, ietweder zwo schar / waren und deheine mer. /die minnegernden muotes her / taten ez des tages so, / da von ir lop muoz stigen ho, / ir lip erwarp da werdecheit / deswar mit grozer arbeit. // Nu habt ez uf die triwe min: / swelhes mannes lip wil müezic sin, / daz der eren niht bejagt; / iu si für war gesagt, / daz hohez lop und müezic leben / got hat zesamen niemen geben, / swer hohez lop erwerben wil, / der muoz unmuoze haben vil Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1068, 1 - 1069, 8. - (E) der knabe neic im unde sprach / „êre enfüeget niht gemach, / unsenfte hât nâch êren strît. / her künec, habt ir gezürnet sît, / dêst mir leit. ich enmohte hie / belîben niht, dô daz ergie / daz si alle riten dâ hin: / dar nâch stuont ouch mir der sin […]“ Biterolf und Dietleib, 3909-3916.

Sentenz

228

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2879 wan b#se gemach ist êren vrî.

Kontext

Der Erzähler lobt die ritterliche Tüchtigkeit des Roten Ritters (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

Der Erzähler lobt die ritterliche Tüchtigkeit des Roten swer sich an êren wil erholn, der muoz benamen kumber doln Ritters (Ausfahrt mit Nereja / Kampf und underwîlen arbeit. mit dem Roten Ritter). 2880

Überlieferung

Paraphrase

C 2879: Gros gemach.

Trägheit bringt kein Ansehen.

A 2880: an fehlt. k 2881: Das. S 2881: benamen] offt. M 2882: Und fehlt. 2882: underwillen] wirt von l. S 2882: fehlt.

Ohne Mühe erwirbt man kein Ansehen.

zu: 2879, 2880

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

229

Querverweise

Œ Er 2527; 4096; 4101 Œ Iw 7171; 7175 Œ Da 1371 Œ Cr 4332 Œ GTr 4426; 4430. Literatur: Friedrich s. v. êre, S. 150. TPMA II s.v. EHRE 5.4. Mühe und Arbeit; IX s.v. RUHE 4.3. Wer ruht, kann keine Ehre erlangen [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 75, S. 95 [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Müßiggang, Nr. 44. Zingerle s.v. GEMACH, S. 49 [führt diese Textstelle an]. Fasbender 2010, S. 139f. Thomas 2005, S. 16f. 1350-1357; *2871; *2880; *2883; *2885; 9528-9539. Verwendung: - (S) Mit senfte nieman êre hât, / als nû diu werlt stât. / Nieman hât ân arebeit / wîstuom, êr, . grôz rîcheit. / Der fûle gert niht mêre / wan senfte leben ân êre Freidank, 92, 5-10. - (D) Sun, wil dir lieben guot gemach, / sô muostû êren dich bewegen: / an jungen man ich nie gesach / diu zwei gelîcher wâge wegen. / waz touc ein junger lîp verlegen, / der ungemach niht lîden kan / noch sinneclîch nâch êren stegen? / ez ist mir âne zwîvel kunt, / ez loufet selten wîsiu mûs / slâfender vohen in den munt Winsbecke, 42, 1-10. - (E) Der turney was zesamen gar / chomen, ietweder zwo schar / waren und deheine mer. /die minnegernden muotes her / taten ez des tages so, / da von ir lop muoz stigen ho, / ir lip erwarp da werdecheit / deswar mit grozer arbeit. // Nu habt ez uf die triwe min: / swelhes mannes lip wil müezic sin, / daz der eren niht bejagt; / iu si für war gesagt, / daz hohez lop und müezic leben / got hat zesamen niemen geben, / swer hohez lop erwerben wil, / der muoz unmuoze haben vil Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1068, 1 - 1069, 8. - (E) der knabe neic im unde sprach / „êre enfüeget niht gemach, / unsenfte hât nâch êren strît. / her künec, habt ir gezürnet sît, / dêst mir leit. ich enmohte hie / belîben niht, dô daz ergie / daz si alle riten dâ hin: / dar nâch stuont ouch mir der sin […]“ Biterolf und Dietleib, 3909-3916.

Sentenz

Œ Er 2527; 4096; 4101 Œ Iw 7171; 7175 Œ Da 1371 Œ Cr 4332 Œ GTr 4426; 4430. Literatur: Friedrich s. v. êre, S. 150. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA IX s.v. RUHE 4.3. Wer ruht, kann keine Ehre erlangen [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Müßiggang, Nr. 44. Fasbender 2010, S. 139f.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Mit senfte nieman êre hât, / als nû diu werlt stât. / Nieman hât ân arebeit / wîstuom, êr, grôz rîcheit. / Der fûle gert niht mêre / wan senfte leben ân êre Freidank, 92, 5-10. - (D) Sun, wizze daz, verlegenheit / ist gar dem jungen manne ein slac. / ez sî dir offenlîch geseit, / daz nieman êre haben mac / noch herzen liebe sunder klac / gar âne kumber und âne nôt: / der luhs gêt sô niht in den sac. / swer sich vor schanden wil bevriden. / der mac geborgen niht dem lîbe, / noch dem guote noch den liden Winsbecke, 43, 1-10. - (E) Do sprach der kunig herre / „Sanfftes leben und ere / Mugen nicht pey ain ander wesen. / Das hör ich in den pücheren lesen: / Wer nach eren streben wil, / Der muß understunden vil / Ungevertes leyden. / [...] / Ainen frummen man zimpt wol / Das er turnay suchen soll.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 6199-6212.

1350-1357; *2871; *2879; *2883; *2885; 9528-9539.

230

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2883 ez wirt vil selten hirz erjeit mit slâfendem hunde

2885 træges wolves munde geschiht von spîse selten guot; der dinge was er wol behuot: ern hêt sich heime niht verlegen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt die ritterliche Tüchtigkeit des Roten Ritters (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

k 2883: wurt. C 2883: vil fehlt. 2883: hirz erjeit] eyn hirz geleyt l. kurcz krieget k. 2883: irieit B. errait L. 2884: shaufendem C. M k l 2884: slafenden hunden.

Trägheit bringt keinen Erfolg.

Der Erzähler lobt die ritterliche Tüchtigkeit des Roten Ritters (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

C S 2885: vogels. B 2886: Gheschit. C 2886: mit spise.

Trägheit bringt keinen Erfolg.

zu: 2883, 2885

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

231

Querverweise

Verwendung: - (E) Der turney was zesamen gar / chomen, ietweder zwo schar / waren und deheine mer. / die minnegernden muotes her / taten ez des tages so, / da von ir lop muoz stigen ho, / ir lip erwarp da werdecheit / deswar mit grozer arbeit. // Nu habt ez uf die triwe min: / swelhes mannes lip wil müezic sin, / daz der eren niht bejagt; / iu si für war gesagt, / daz hohez lop und müezic leben / got hat zesamen niemen geben, / swer hohez lop erwerben wil, / der muoz unmuoze haben vil Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1068, 1 - 1069, 8. - (G) Sît niemen niht guotes noch êren noch liebe in dirre werlde mac âne müe gehaben, waz klage wir denn an dem einen, daz müelich sî und swre, daz aleine ist gar nütze unde wol besttet allenthalben David von Augsburg, S. 309, Z. 12-15. Œ Er 2527; 4096; 4101 Œ Iw 7171; 7175 Œ Da 1371 Œ Cr 4332 Œ GTr 4426; 4430. Literatur: Friedrich s. v. êre, S. 150; s.v. hirz, S. 223: „Sprichwort?”. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. EHRE 5.4. Mühe und Arbeit. Schulze, Nr. 75, S. 95 [führt diese Textstelle an]. Thomas 2005, S. 16f. 1350-1357; *2871; *2879; *2880; *2885; Formulierungstradition: - (S) Exhaustis canibus bene non uenaberis umquam Egbert von Lüttich: Fecunda ratis I, 176. 9528-9539. - (S) Velox capriolus cane pigro non capietur Werner: Sprichwörter, v 10 (Hs. 15. Jh.).

Sprichwort

Verwendung: - (E) Schlauffendem bracken / Kumpt jn iren backen / Groß fuchs selten Der Minne Klaffer, 129, 31-33. Literatur: Friedrich s.v. hirz, S. 223: „Sprichwort?”; s.v. slâfen, S. 361: „Sprichwort?“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schröder 1986, S. 267: „sprichwörtlich“. TPMA VI s.v. HUND 10.6. Mit müden und faulen Hunden ist schwer zu jagen [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. HUND, S. 75 [führt diese Textstelle an]. Thomas 2005, S. 16f. 1350-1357; *2871; *2879; *2880; *2883; Formulierungstradition: - (S) Vulpi stertenti non currit glirio denti: / Ergo laboranti debetur laus et habenti Werner: 9528-9539. Sprichwörter v 142 (Hs. 15. Jh.). - (S) Non volat ovis in os lupi dormientis; hoc est: vigilantes et non dormientes, desidiosique res magnas consequuntur Bebel: Proverbia Germanica, 396 (S. 107).

Sprichwort

Verwendung: - (E) sjaldan liggjandi úlfr / lr um getr / né sofandi maðr sigr Hávamál, 58. - (E) nec luporum quisquam cubando cadaver invenit Saxo Grammaticus: Gesta Danorum, S. 130. - (D) waz touc ein junger lîp verlegen, / der ungemach niht lîden kann / noch sinneclîch nâch êren stegen? / ez ist mir âne zwîvel kunt, / ez loufet selten wîsiu mûs / slâfender vohen in den munt Winsbecke, 42, 5-10. - (S) Den slapende wolf en loopt gheen scaep inden mont. / Si dormit lupula non currit in os ouis vlla Proverbia Communia, 171.

232

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

2922 wand er nam ie des rehten war

Kontext

Überlieferung

Wigalois beanS 2922: nimt. sprucht Gottes Hilfe grechtn. für sich (Ausfahrt M 2922: des] der. mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

Paraphrase

Gott hilft den Gerechten.

zu: 2922

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

233

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. hunt, S. 230: „Sprichwort?“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Proverbia Communia, S. 154 [führt diese Textstelle an]. TPMA XIII s.v. WOLF 8.3. Dem schlafenden Wolf läuft kein Schaf in das Maul (Variiert) [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WOLF, S. 178 [führt diese Textstelle an]. Thomas 2005, S. 16f.

Anspielung auf eine Sentenz: Formulierungstradition: - (E) uon himele chom den christen ain liecht, / diu hitze war in mere nicht: / si komen wider zu ir chreftin. / got erhorte ie di rechtin, / di an in geloubint / unt im durhnachtlichen getriwent: / den kumet er ie ander not. / der haiden chunc gelac da tot Pfaffe Konrad: Rolandslied, 85638570. - (D) Die psen warff man hin tzu tal, / (Die warn gar an trewen lam) / Got die gerechten nicht enlat, / Sam Danieln tzu dem mal, / Der blaib gesunt, dez nemet bar Suchenwirt, 43, 49-53. Verwendung: - (E) Nû bittent alle durch sînen tôt / den rîchen got, daß er in nôt / dem kume ze helfe, die mich ie / gestûrten, daz ich ane vie / diz buoch und disiu mære ze tihtene! helfebære / müeze er ouch den in n#ten sîn, / die dar ûf kêrten ir pîn, / daz ez hie würde vollebrâht, / wie si sîn doch habent gedâht / mit werken und mit worten, / dâ von er ze allen orten / müeze alsô ir schirmer wesen, / daz si an der sêle genesen, / sô hie der lîp erstorben sî, / daz si des himelrîches frî / niemer müezen werden. / ouch müezen si ûf erden / besitzen hôhen rîchtuom / und den weltlichen ruom / an êren unde an wirde grôz / und danne varn in sînen schôz, / der uns des het gewalt gegeben, / daz wir lîp unde leben / und die sêle behalten / wol mugent, ob wir walten / sô guotes lebens hie, / wan er die rechten nie verlie, / er enteilte in êweclichen dort / sînen hohen himelhort, / den muoz er ouch in teilen sô, /daz si gesetzet werden hô / zuo der liehten engel scharn Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg - Fortsetzung, 49785-49817. - (E) „Veracht wir des hofes recht, so spricht gar mengclich, das wir ungerecht seyen; sollen die von der tavelrund urtail sprechen, so näm ir chainer aller wellt guet, das er ain valsche urtail spreche; sol die fraw gerichten, das mag si wol thuen, und wir werden hie mit zu spot; wann got gestuond ye dem rechten.“ Ulrich Füetrer: Prosaroman von Lanzelot, S. 97. Vgl. den biblischen Gedanken: - Quoniam brachia conterentur, / Confirmat autem iustos Dominus Ps 36, 17. - Denn der Gottlosen arm wird zubrechen, Aber der HERR enthelt die gerechten Luther: Deutsche Bibel X, 1 [Ps 37, 17] (S. 217). Œ Iw 5274; 7628 Œ Da 1298 Œ Gar 1157 Œ Tan 4332 Œ Gau 4232 Œ JT 1569,3. Literatur: TPMA V s.v. Gott 26.11. Gott hört auf die Rufe der Gerechten und steht ihnen bei. Wander II s.v. Gott, Nr. 1033. Fuchs 1995, S. 131.

*1618; *2772; 2599f.; 30563064; *9912.

234

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 2953 wan swer daz verdienen kan daz im diu werlt sprichet guot, der sol vor leide sîn behuot

3037 er hêt in nâch ûf sînen tôt gespart, als vil maneger tuot der durch sînen hôhen muot sînes vîndes schônet, wand er im des lônet mit dem tôde, swenne er mac.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler erklärt, warum Wigalois vor dem Kampf mit dem Roten Ritter die Sympathien auf seiner Seite hat (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

S 2954f.: Verse umgestellt.*

Der Erzähler schildert den Kampf zwischen Wigalois und dem Roten Ritter (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

S 3037: auf den tod. A 3041: imd des.

Paraphrase Wer Ansehen in der Welt genießt, der ist vor Leid sicher.

* Angabe Kapteyn, S. 126.

Wer seinen Feind verschont, bringt sich selbst in Schwierigkeiten.

zu: 2953, 3037

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

235

Querverweise

Sentenz

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Ansehen (das), Nr. 4. Schröder 1986, S. 268.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) durch zimier sul wir sie houwen / mit herten swerten, die wir tragen, / dâ von wir werden prîs bejagen. / ir habt ie liebe mir verjehen / und triwen, daz lât mich hiute sehen. / wann ir sô gewerbet / daz ir die vînde ersterbet / und ich von iu verhouwen sehe / iuwer helme, schilde, alrêst ich jehe / daz ir mit triuwen meinet mich, / der ich gegen iu versehe mich. / wizzet, wer sîne vînde spart, / daz sich der niht wol bewart. / rechent hiute alden nît, / den von alder her an dise zît / gegen uns die Persân tragen Ulrich von Etzenbach: Alexander, 7564-7579. - (S) Swer seinen veint spart, / der sich selb übl wewart. / Hosti si fueris lenis digne pacieris Freidank (Graz), 168-171. Verwendung: - (S) Non hosti parcas, artes nec discere cesses Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 104. - (E) Sic alacer cattus, dum prenso mure iocatur, / raptum deponit depositumque rapit, / Ille silet raptus, nullo diuertit omissus, /Tam fugere indi pauens, quam remanere dolens; / Denique si fidens obliquat lumina uictor, / Oblitus fidei fit memor ille fuge, / Luditur illusor, mus absque uale insilit antrum, / Oberseruatorem non sibi deesse querens; / Liber ut euasit, non iret in oscula rursum / Ob quicquid fului habent eris Arabs. / Ha, rudis infaustusque, uie qui parcit et hosti! / Ambiguum finem res habet usque sequens Nivardus von Gent: Ysengrimus, 1, 63-74. - (E) solte ich sparn die vînde, daz taete ich ûf mich selben Kudrun, 1491, 3. - (E) ich wil dir wærlîche sagn / daz niht vür vorhte ist alsô guot / sô herren unverzageter muot. / sô daz her mit sorgen lebt / und in grôzen n#ten strebt, / ob dann der herre rîtet / und vrevellîche strîtet / und die sîne ûf strîten mant, / sô müeste er iemer sîn geschant / der im denne entrünne / ê er die vluht gewünne. / sus lât diu unervorhte schar / die vorht ûz dem muote gar / und strîtent vrevellîche / ist ir herr ellens rîche. / dû solt die vîende niht sparn / ze vorderst iemer ûf sie varn. / vliehent sie, so jage dû nâch, / sô wirt den dînen mit dir gâch Rudolf von Ems: Alexander, 1608-1626. - (E) Nam sibi, qui pacit hostibus, hostis erit Albert von Stade: Troilus, 2, 421. - (E) Nemrott vil ser erschrack, / Do er dy lewte alle wagk. / Er sprach „nu sey dar das sey! / und gelte es halt drey! / Mir geschicht aber rechte: / Ich volgte meynem knechte, / Das ich in hab lassen leben: / Das mag mir kummer vil geben. / Hett ich in do geschlagen zu tot, / So entdorfft ich nicht diser not. / Pidermann er nie wart / Wer sein veint lange spart. / Das hatt gemachet Climodin: / Das giltet auch das leben sein.“ / Heinrich von Neustadt: Apollonius, 10429-10442. - (S) Hosti qui parcit, hic dicatur suus hostis Werner: Sprichwörter, h 52 (Hs. 15. Jh.). - (S) Wer seinen feind sparet/ und seinen freundt erzürnet/ der kumpt in ungemach. / Dolus an virtus/ quis in hoste requirat/ sagt Vergilius. Eyn feind hatt nichts guts im synne/ darumb soll man eyns feinds nicht verschonen/ sonder yhn beschedigen und abbrechen wo man kan. Denn wo man verzeucht/ und den feind sparet/ so kumpt er wider zu krefften/ und dem geschicht ungemach/ der niht nach gedrungen hatt. Julius Csar ward von dem Senat zu Rom/ und der statt

6514-6528.

236

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

3280 wan von grôzem guote stîgent diu herze hô; von armuot wirt niemen vrô.

3283 daz hôrte ich ie die wîsen sagen daz die rîchen hôhe tragen, die armen trûren unde klagen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt Nerejas Freude darüber, daß Wigalois ihr den Schönheitspreis geschenkt hat (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

L 3281: sigent. M l 3281: herze] gemüte [gem(t M]. C 3282: wirt] ist.

Besitz bringt Freude, Armut nicht.

Der Erzähler beschreibt Nerejas Freude darüber, daß Wigalois ihr den Schönheitspreis geschenkt hat (Ausfahrt mit Nereja / Kampf mit dem Roten Ritter).

3284: fehlt M l. hochuart S. hoch k. l 3285f.: Die arme […] clagen Ir armüt si ouch nummer gedagen.

Die Reichen freuen sich, die Armen beklagen sich.

zu: 3280, 3283

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

237

Querverweise

fur eynen feindt geschetzt/ der halben wolt er nicht feyren/ sonder sagt/ Tolle moras/ nocuit differre paratis. Ettliche leutte rieten yhm/ er solt schon faren/ er keme sein noch wol/ er hette auch noch zeyt genug. Aber er sagt/ Es gilt hie nicht harrens/ wer sein feind sparet/ der kumpt inn ungemach/ unnd greifft frisch z)/ unnd richtet auß waß er wolt. Im Heldenbuch reytt Künig Otnit under eyn grünen Linden/ unnd findet eynen Zwerch Elberich schlaffend/ unnd da er yhn wecket/ m)st er mit dem Zwerg streitten. Unnd da Otnit/ der zwölff mannstercke hette/ so hart mit feusten von dem kleynen Zwerg Elberich geschlagen ward/ ward er zornig und sprach/ Otnit der sprach geschwinde / Wer seine feinde spart / Und auch erzürnet seine freünde / Der ist nicht wol bewart / Er mag z) allen stunden / Wol grossen schaden nehmen. / Kleiner feind und schmeher wunden / Darff sich eyn man nit schemen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 729 (S. 540, Z. 16 - S. 541, Z. 13). Literatur: TPMA III s.v. FEIND 5.3.3. Man darf die Feinde nicht schonen. Wander I s.v. Feind, Nr. 193.

Sentenz Verwendung: - (S) Als eenen wast sijn goet wast hem sinen moet / Dum quis ditatur animo floresse [l. animosior esse] probatur Proverbia Communia, 8. - (S) Gut macht mut / Ex copia ferocia. / Alß gemeyn diß ist/ also war ist es auch/ unnd bezeuget auch solchs der vorige spruch daß er recht sey. Denn wo gut ist/ do ist auch m)t. Wo keyn gut ist/ do ist auch wenig m)t. Wo m)t ist/ da ist auch hoffart/ auß hoffart wechset krieg/ krieg macht arm)t/ arm)t macht bettler./ […] Also ists war/ Gut macht mut/ es ist aber nicht gut. Christus sagt im Evangelio/ Selig sind die senfftmuetigen/ denn sie werden besitzen die erden. Die aber also feindtlich scharren/ und uber ander leutte her wollen fallen/ und oben schweben/ die m)ssen gesturtzt werden. Die aber still und sanfft seind/ mussen empor unnd uber sich steigen/ Unnd ist eyn schande vor Gott unnd der welt/ daß eynem ein stuck golds oder silbers/ welchs doch lautter erde ist/ sol eynen m)t machen/ und wo es nicht vorhanden ist/ soll es eynen verzagt machen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 51 (S. 41, Z. 26 - S. 42, Z. 25).

*3283; *5691; *5694; 83568363; 1053520537.

Vgl. den biblischen Hintergrund: - Facultates et virtutes exaltant cor, / Et super haec timor Domini Sir 40, 26. - Geld und Gut macht mut, Aber viel mehr die furcht des HERRN Luther: Deutsche Bibel XII (S. 260). Literatur: Friedrich s.v. rîche, S. 327: „Sprichwort“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Subst.) 1.3. Gut verschafft (frohen) Mut, Freude und Trost. Wander II s.v. Gut (Subst.), Nr. 144.

Sentenz Verwendung: - (S) Armiu schame deist ein nôt, / diu machet dicke ougen rôt Freidank, 42, 21f. - (S) Est miseri querula sors felicisque superba Werner: Sprichwörter, e 75 (Hs. 15. Jh.). Literatur: Friedrich s.v. rîche, S. 327: „Sprichwort“. Lienert 1997, S. 270: „Binsenweisheit”. TPMA I s.v. ARM (Adj.) 2.1. Armut ist hart und schmerzlich [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Reiche (der), Nr. 104. Zingerle, s.v. ARM, S. 14 [führt diese Textstelle an].

*3280; *5691; *5694; 8356-8363; 10535-20537.

238

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 3836 swer welle daz im werde buoz sîner schande die er hât, der lâze sîne missetât und volge den besten; deist mîn rât.

4156 der ê vlühtic ein her und mangen vrumen rîter vie, dern kunde sich gevristen nie mit deheiner sîner kraft ern müese dulden meisterschaft von der starken minne. hie liez er sîne sinne bî der mägde wol getân

5306 got der was erbarmic ie; daz erzeiget er an manger stet, wan swer mit lûterm gebet an in genâde suochet, sîn barmunge in beruochet, als wirz an den buochen lesen; ern welle und genædic wesen, unser einer möhte niht genesen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt Wigalois' Tapferkeit, als Nereja von der Aventiure in Korntin berichtet (Geschichte Korntins).

M l 3837: schanden. B 3838: die] de࢒ r. 3838: Die B. Den l. C k 3839: den] dem.

Wer seine Schande überwinden will, der soll sich von den Besten leiten lassen.

Der Erzähler beschreibt Wigalois' entflammmende Liebe zu Larie (Begegnung mit Larie).

S 4161: liebe. M 4162: Alhie.

Liebe nimmt den Verstand.

Der Erzähler beschreibt, wie Wigalois von dem armen Fischerpaar gefunden wird (Wigalois' Ohnmacht).

C l S 5306: der fehlt. S 5306: ist erparmung. 5306: barmung M. erbarmherczig k. barmherczig l.

Gott ist barmherzig.

239

zu: 3836, 4156, 5306

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise * 945; *1243; 1601-1606.

Verwendung: - (D) Guotiu geselleschaft bringet frumen, / Von b#ser siht man schaden kumen Hugo von Trimberg: Der Renner, 15747f. - (E) Es süllen vrouwen unde man / den rôten gesellen lâzen gân. / des guoten gesellen wirt man gesunt, / des argen man in arbeit kunt. / mit dem guoten wirt man guot; / der b#se niemer wol getuot Boner: Edelstein, 73, 49-54. - (S) Die metten goeden omme gaet wort des geerne ghebetert / Qui conuersatur cum sanctis sanctificatur Proverbia Communia, 230. Œ Da 72. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 2.3.2. Umgang mit den Guten ist erfreulich und nützlich (, mit den Schlechten verderblich) [führt dieseTextstelle an].

Anspielung auf ein Sprichwort

4215-4219; *9658.

Formulierungstradition: - (L) Herzelieber mære / der wart ich vil dicke / von der minneclîchen frouwen mîn. / ich wær âne swære / wan daz ich erschricke: / dur die lieben trage ich senden pîn. / daz ist endelîche wâr: / liebe nimt die sinne, / liebe machet missevar. / wizzet daz ich brinne / in der liebe alse ein gluot Schenk von Limburg KLD Nr. 34, 1, 2, 1-11. - (E) Belobent daz wibes minne / Manegem nimpt die sinne / Als och ainem fuchz beschach / Der sin selbs schatten sach / In ainem sod do nachen. / Er begund dar gachen / Daz jn der sinn entwande / sin wip er sechen wande / Dur jr lieb sprang er dar Fuchs und Wolf, 1-9. Verwendung: - (E) sie jehent, die des hânt bekort, / ez beneme diu minne / vil wîsem man die sinne, / daz er niht wol mac bewarn, / ern müeze dicke missevarn / und sich der êren sô bewiget, / daz er enruochet wâ sîn lop geliget. / des ist diu minne vil gemeit: / sie kan ouch.(deist diu wârheit) / den tumben wol gelêren / sprechen unde tuon nâch êren Otte: Eraclius, 2550-2560. - (E) Mörlin zw einer zeite / kam aus Norchumerlannd. / der künig vil ser sichs frewte. / er tet im seinen kumer gross pekanndt, / wie er pelesstet wär mit starcker mynne / gen der fürstin von Tyntayol, / die im penem mit all nach witz und synne Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 904, 1-7. Œ Er 3691 Œ Iw 1335 Œ Lan 4330; 6538 Œ Da 1586 Œ Cr 8433; 8826 Œ Tan 4175 Œ Mel 1825 Œ Pz 287,9 Œ GTr 12017. Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.2. Liebe nimmt (und verkehrt) Weisheit und Verstand, Vernunft und Sinne. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31.

Sentenz Verwendung: - (S) Gots gnad erfült die welt Franck: Sprichwörter, II, 4v (S. 242, Z. 32). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Suavis Dominus universis; / Et miserationes eius super omnia opera eius Ps 144, 9. - Der Herr ist jderman freundlich, Und seyne barmhertzkeyt vber allen seynen wercken Luther: Deutsche Bibel, X, 1 [Ps 145, 9] (S. 576).

*6482.

240

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

5393 ez ist ouch noch ein übel wîp wirser danne dehein man, wan si niht bedenken kan waz ir dar nâch kümftic sî.

5470 ich h#re sagen daz diu wîp nâch grôzer ungüete vil snelle guot gemüete gevâhent von der minne

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler bewertet die Absicht der Frau des armen Fischers, Wigalois zu töten, um sich seiner Habe zu bemächtigen (Wigalois' Ohnmacht).

M S k 5393: ouch fehlt. l 5393: noch ouch. M 5394: Vil wirser. 5394: Boser B. Böser k. Erger l. Pöser S.

Der Erzähler führt den Sinneswandel der Fischerin, Wigalois nicht wie beabsichtigt zu töten, auf den Anblick seines schönen Körpers zurück (Wigalois' Ohnmacht).

C 5472: Die Minne läßt hochgemüete. Frauen ihre Harther5473: Genahent A. zigkeit vergessen. Genahen B. Gewinnent k. Enphaen l. S 5473: Geuahen. liebe.

Eine böse Frau ist schlimmer als jeder Mann.

zu: 5393, 5470

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GOTT 20.1. Gottes Barmherzigkeit erstreckt sich über alles (ist unermesslich, ungeteilt). Wander II s.v. Gott, Nr. 651. Lienert 1997, S. 263; S. 270; S. 274.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Res mala vir malus est; mala femina pessima res est Werner: Sprichwörter, r 57 (Hs. 15. Jh.). Verwendung: - (S) Malo in consilio feminae vincunt viros Publilius Syrus, m 16. - (E) man list an der niwen e, / daz sehs tusent tievel und me / in einem menschen waren, / die daz allesamt verbaren, / daz si mit ein ander niht striten / und ein ander gutlich liten. / da merchet ubeliu wip bi: / swie wit, swie lanc ein hus si, / der zwei ubeliu wip drin tæte, / ir leben wær unstæte, / si liezen ein ander niht genesen, / solten si ensamt dar inne wesen, / si tæten en anderm solich not, / daz si beide musen ligen tot. / da bi bechennet man den list, / daz ein ubel wip wirs ist / denne dehein creatiure, / gehiure ode ungehiure Der Stricker: Von bösen Frauen, 705-722. - (G) Seneca so secht ok, dat vorstad; / Wiff van guder tire gat / Bouen alle gud vnde richheyd / De men in desser werlde weyt. / Des bosen wyues wredicheyt / Bouen alle wredicheit geit. / De beste selschap dede mach syn: / Eyn wijff gud, reyne vnde fin. / Is iuwe wijff gram vnde quat, / Vordraghet se wol, dat is myn rat, / So gi dat best konnen don Der Leyen Doctrinal, 131d, 7-17 (S. 176). - (S) Ain bses weib/ ist über alle bse würme. / Renner. / Selten wirt seins laides rath / Der ain übel weib genommen hat / Die gr(nen birn seind selten g)t / Manch weib also auch th)t / Dann ain weib von übeler art / Ist erger dann kain thier nye wart Agricola: Sprichwörtersammlungen, II, 301 (S. 302, Z. 9-17). Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 1.4.2.3. Die böse Frau ist an Bosheit allem überlegen [führt diese Textstelle an]. Lienert 1997, S. 267. Schröder 1986, S. 267.

Sentenz Literatur: Fuchs 1995, S. 157: „misogyn-hausbackener Kommentar“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schiewer 1993, S. 157f.: „Erzählerkommentar, der unmissverständlich auf Hartmanns Gregorius Bezug nimmt, indem er die berühmte Ehesentenz Hartmanns […] verfremdend zitiert.“ TPMA VII s.v. LIEBE 1.4.7.2.1. Liebe bringt von jeder Sünde, Missetat und schlechten Gesinnung ab [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Liebe, Nr. 381. Zingerle s.v. WEIB, S. 166 [führt diese Textstelle an]. Schröder 1986, S. 267.

241

Querverweise

242

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 5477 diu reinen wîp sint alle guot; si gebent ofte guoten muot dem der nâch ir willen tuot.

5691 ez hêt diu grôze armuot zuo im gehûset in den glêt, dâ selten vreude bî bestêt

5694 diu armuot mit jâmer lît, diu rîcheit niwan vreude gît.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler führt den Sinneswandel der Fischerin, Wigalois nicht wie beabsichtigt zu töten, auf den Anblick seines schönen Körpers zurück (Wigalois' Ohnmacht).

3477: also S.

Makellose Frauen sind gut.

Der Erzähler lobt die Vorbildlichkeit des Fischers, der trotz seiner großen Armut Wigalois' Rüstung nicht geraubt hat (Wigalois' Ohnmacht).

5691: Wan es dj vil gros armute S. Er hatte daz gosze ermüt l. 5693: Da selden vrowe bi stet B. Da bey selten freude bestet M. Da von selden freude enstet l.

Armut macht niemanden froh.

Der Erzähler lobt die Vorbildlichkeit des Fischers, der trotz seiner großen Armut Wigalois' Rüstung nicht geraubt hat (Wigalois' Ohnmacht).

B l 5694: Daz. Armut bringt Kum5694: mit] in S. mer, Reichtum fehlt k. macht froh. l 5694: ermuࡆ t yemmerliche lit. M 5694: lait. S 5695: diu fehlt. l 5695: Da richtum. 5695: niwan] allez B. fehlt S. C L 5694: fehlt.

zu: 5477, 5691, 5694

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

243

Querverweise 738-741; *2097; 2687-2692; *9698; *10463; 10603-10605.

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schröder 1986, S. 267.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (G) Dô her des kindes wart gewar / daz dô stûnt âne schû, / zu dem kinde ginc her dû / und treibiz ûz dem kôre. / der alwêre tôre / hub sich sân zuhant hin vur / und weinte sêre vor dem tur / und cleite sîn armût, der seldin îman lîbe tût. / an vrôlîchen sachen / kan armût vroude swachen. / swem daz armut wanet bî, / der wirt seldin sorgin vrî. / di lûte sprechen noch ein wort, / daz hân wir dicke wol gehort, / „Wê dir armûte! / du hâst vil lutzel gûte / und noch minner êren“. / daz wort wil ich vorkêren: / alsô mac iz nicht gesîn. / mich dunket an den sinnen mîn, / ein reine armûte / daz hât vil grôze gûte / êrin hât iz cleine / in al der werlde gemeine. / ze hemele hât iz werdikeit, / als uns di scrift hât ûz geleit Heinrich der Klausner: Marienlegende, 236-262.

*3280; *3283; *5694; 8356-8363; 10535-10537. .

Verwendung: - (S) Armuot mac niht tugende hân, / wan sie kan êren niht begân. / Armiu schame deist ein nôt, / diu dicke machet ougen rôt. / Armuot mit werdekeit / deist verborgen herzeleit Freidank, 42, 19-24. - (S) Pauper et ignotus miser exstat undique totus Werner: Sprichwörter, p 22 (Hs. 15. Jh.). Vgl. die Sprichwörter: - (S) Arm)t wee th)t Franck: Sprichwörter, I, 39r (S. 70, Z. 32). - (S) L Anghe arm langhe onsalich / Ille diu miser est qui longe pauper inops est Proverbia Communia, 450. Literatur: Friedrich s.v. armuot, S. 108. TPMA I s.v. ARM (Adj.) 2.1. Armut ist hart und schmerzlich. Wander I s.v. Armuth, Nr. 124.

Sentenz Verwendung: - (S) Armuot mac niht tugende hân, / wan sie kan êren niht begân. / Armiu schame deist ein nôt, / diu dicke machet ougen rôt. / Armuot mit werdekeit / deist verborgen herzeleit Freidank, 42, 19-24. - (S) Est miseri querula sors felicisque superba Werner: Sprichwörter, e 75 (Hs. 15. Jh.).

Literatur: Friedrich s.v. armuot, S. 108: „Sprichwort”. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA I s.v. ARM (Adj.) 2.1. Armut ist hart und schmerzlich. Wander II s.v. Gut (Subst.), Nr. 144. Zingerle s.v. ARM, S. 14 [führt diese Textstelle an].

*3280; *3283; *5691; 83568363; 1053510537.

244

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 5776 und behabte iedoch den strît alsô daz werder ist ein sinnic man dem der in erkennen kan danne ein man der allen rât âne ganze sinne hât; die rede ir mich niht liegen lât.

5808 allez mîn leben ist ein troum.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler debattiert mit seinem personifizierten Verstand über die Bedeutung von Besitz (Wigalois' Ohnmacht).

5777: Zwar der ist C M. Do wider ein k. M S 5778: dem fehlt. C S 5778: in recht erkennen. Denn h. die übrigen: Da. A 5779: man der der allen. A 5780: An. sinne. k 5779-5781: fehlen.

Verstand ist mehr wert als Besitz.

Wigalois erwacht aus seiner Bewußtlosigkeit (Wigalois' Ohnmacht).

5808: Als C L S. Alle l.

Das Leben ist wie ein Traum.

zu: 5776, 5808

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz Verwendung: - (S) Nam summi pretii melior sapientia gemmis Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 430. - (S) Ich nme eîns wîsen mannes muot / für zweier rîcher tôren guot Freidank, 80, 16f. - (E) ein man wol guot gewünne, / het er eht sinnerîchen muot; / sô möhte ein man verlieren guot, / der sinne niht enhæte. / schaz unde rîch geræte / bedarf wol guoter witze. / swie kunst vil ofte sitze / rîchtuomes unde gülte vrî, / sô wont ir doch diu sælde bî / und alsô ganzer wirde lôn, / daz von ir sprichet Salomôn, / wîsheit sî bezzer denne golt Konrad von Würzburg: Trojanerkieg, 2038-2049. - (S) Omnes divitiae succumbunt philosophiae Werner: Sprichwörter, o 41 (Hs. 15. Jh.). - (S) Wat batet rykdom, als men neine wysheit kopen kan? / Quod gazae prosunt, quum non mercaberis artes? Tunnicius: Sprichwörtersammlungen, 913. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Beatus homo, qui invenit sapientiam, / Et qui affluit prudentia. / Melior est acquisitio eius negotatione argenti, / Et auri primi et purissimi fructus eius Prv 3, 13. - Wol dem menschen, der weysheyt findet, vnd dem Menschen dem verstand zusteusst, Denn es ist besser die selben keuffen denn sylber, vnd jr eynkomen besser den gold Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 16). - Melior est enim sapientia cunctis pretiosissimis, / Et omne desiderabile ei non potest comparari Prv 8, 11. - Denn weysheyt ist besser denn perlen, Und alles was man w(ndschen mag, kan yhr nicht gleichen Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 26). - Posside sapientiam, quia auro melior est Prv 16, 16. - Erwirb weysheyt denn sie ist besser denn gold Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 52). Literatur: Fuchs 1995, S. 158: „Das moralische Exempel, daß auch in Armut Nutzen und Würde liegen kann, wird durch die erzählte Handlung desavouiert.“ TPMA XIII s.v. WEISE 5.2. Weisheit ist besser (vermag mehr) als Reichtum [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Verstand, Nr. 2. Wirnt: Wigalois (Seelbach), S. 300.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (L) Irdisch leben daz ist ein troum Damen, Hermann (HMS III, 166b). - (G) Umbe diz vnstete lehin / Daz doch schiere endet / Vnd vnsir frovde wendet / Mit dem tode gebendet / Uon hinnan verellendet / Vnsir lebin ist ein trovn / Daz merke an dem bovn / Wie wunneclich er diuzit / So ole von im fluzit / Und von reben süezin win / Waz mohte minneclicher sin / So merke wie dv fliezist / Waz dv von dir giezist / Dv guotes vnd eren arn / Daz vil vnreine harn / Fluzit von dir alle stunt / Als vns allen ist kvnt / Gedenkint tumben toren / Waz gat vz den oren / Nv vnd zallir friste / Uon vnreinem miste / Och gat ane lovgen / Die von dinen ovgen / Vnflates widerzeme / Und gar vngeneme / Och merke in dinem sinne / Waz von der nasen rinne / Dar ab vns vnwillet / Und die nature villet / Gedenke alle stunde / Waz von dinem munde / Unflates vf die erde / Von dir geworfen werde / Och merke vnverdrossen / Waz hie kome geflozzen / Uon dines libes porten / Daz ich doch ze worten / Vil vngerne brehte / Swer abir sich bedehte / Waz er wirt vnd ieze ist / Der demuote sich alle frist / Merke armer sieche / Waz von dem bovme riche / Uil menic süezer smac / Der dir armen horsac / smeckit vngeliche Hugo von Langenstein: Martina 123, 50-95. Verwendung: - (E) Noch wær mîn rât alsô getân, / daz dû geruochtest dich verstân, / daz al diu welt unde ir kint / dem dürren heu gelîchet sint / mit allem ir ruome. / reht als ein heubluome / lebet daz mensche, anders niht. / des bluomen wünneclîch gesiht / dorret schiere, er wirt verzert. / alsam ein ringer schate vert / und als ein troumlîcher muot / der liute leben, der welte guot. / sô wert diu gotes lêre / vil stæte iemer mêre Rudolf von Ems: Barlaam und Josaphat, 8477-8490.

245

Querverweise

246

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

Kontext

Der Erzähler beschreibt, wie die von missetriuwe vil ofte geschiht starke Ruel den arglosen Wigalois daz den liuten missegêt. swer daz gerne understêt, überwältigt (Kampf der sî gewarnet zaller zît: mit der Riesin vil lîhte erz anders missegît. Ruel). alsô übergap erz dâ.

sus sint die minne mislîch: diu eine ist arm, diu ander rîch.

6471 er nidert hôch gemüete und h#het alle güete

Paraphrase

6366: vil fehlt A l. 6366: fehlt S k. C 6367: misselinget.

Falsches Vertrauen führt zu Schaden.

Der Erzähler beschreibt, wie Ruel den gefangenen Wigalois fortschleppt (Kampf mit der Riesin Ruel).

S 6404: Sunst ist ir lieb misleich. C L 6404: mislîch] vngelich. S 6405: ist fehlt.

Das eine Mal macht die Liebe froh, das andere Mal unglücklich.

Der Erzähler deutet die Rettung Wigalois' vor der starken Ruel als göttliche Fügung (Kampf mit der Riesin Ruel).

S 6472: erhöcht all diemut. 6472: allez g(t C. allez g)t L.

Gott bestraft Hochmut und belohnt Güte.

6366

6404

Überlieferung

247

zu: 6366, 6404, 6471

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (G) swer sich von súnden rihten / niht wil und gar verhertet, / sus straufet er und gertet: / „kint natren und der slange, / wie ist es dir ergangen, / sit dir din selbes hertzen seit / daz du der helle bitterkait / m)st liden úmmer, ewanclich! / unrainú fruht, beker dich! / nit lenger du insúnde wags! / es lit ain wol geslifen ags / bi des leptagen wurtzen. / du m)st ze allen sturtzen; / schier abhowen wirt der bom. / hin gat daz leben als ain tr!m Der Sælden Hort, 3516-3530. Œ Iw 3547. Literatur: TPMA VII s.v. LEBEN 1.1.2.2. Das Leben ist wie ein Traum [führt diese Textstelle an]. Wander s.v. Leben (Subst.), Nr. 38 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. LEBEN, S. 87 [führt diese Textstelle an]. Mertens 1990, S. 88. Wirnt: Wigalois (Seelbach), S. 300.

Sentenz

3684-3692; 36933704.

Literatur: Gerok-Reiter 2009, S. 169: „didaktisierende Einlage des Erzählers“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TRAUEN 2.1.2.2.2. Leichtes Vertrauen bringt manchen ins Verderben [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Trauen, Nr. 55.

Sentenz

*9417.

Literatur: Gerok-Reiter 2009, S. 169: „didaktisirende Einlage des Erzählers“. TPMA VII s.v. LIEBE 1.5.2. Liebe ist nicht denkbar ohne Freude und Leid, Honig und Galle, Gutes und Übles. Wander III s.v. Liebe, Nr. 496. 2339-2344; *2671; 2760; 2938; 3004f.; Formulierungstradition: - (S) Got hœhet alle güete / und nidert hôchgemüete. / Gote ist niht verborgen vor, / er siht 3990-4004; 6597durch aller herzen tor. / Ez sî übel oder guot, / swaz ieman in der vinster tuot, / od in dem her- 6600; *7960; zen wirt erdâht, / daz wirt doch gar ze liehte brâht. / Al diu werlt lôn enpfât / von gote, als sie 8321f.; 8576f.; *10087; *10512. gedienet hât Freidank, 2, 4-13.

Anspielung auf ein Sprichwort

Verwendung: - (G) Sin stimma . diu ist stimma des préchenten diê cedros . i . superbos . […] …ffen lybano monte uuerdent die hóhesten cedri . diê brîchet er . Die hôhost kestîgen sint in uúerlte . diê gediêmuôtet er . […] Vnde gediemûotet siê . nah îmo selbemo Notker III. von St. Gallen: Der Psalter, 28, 5 (S. 85). - (E) wirt Constantino icht getan, / so si wir sculdich irkorn / unde sin eweliche verloren. / Constantinum den richen / vorchtich vreisliche: / nu sal he des geniezen! / der uns gewerden hieze, / got der gildet harde vil! / swenne sich der mensche ovir wil, / so tut he unrechte. / ia sprichit unse trechtin, / swer in bit truwen meine, / der si in ewin reine König Rother, 44674479.

248

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

6482 got der was genædic ie; daz erzeigter an disem rîter hie.

6834 noch mac mîn wol werden rât: wes got mit mir gedâht hât, daz muoz benamen doch geschehen

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler deutet die Rettung Wigalois' vor der starken Ruel (Kampf mit der Riesin Ruel).

S l 6482: der fehlt.

Gott ist barmherzig.

Wigalois vertraut sich in seiner aussichtslosen Lage vor dem Schwertrad Gott an (Schwertrad-Aventiure).

6835: Swes A B. Was C k. M l 6835: hat gedaht. l M 6836: doch fehlt.

Gottes Wille geschieht.

249

zu: 6482, 6834

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (E) da waren siben hundert apgot: / Machmet was der herest unter in. / dar cherten si allen ir sin: / daz lob si im sungen, / siben tusent horn da clungen. / siben tusent golt uaz, / ze eren buten si im daz, / di luchten tac unt nacht. / der liute was so groziu craft / daz diu uelt waren bedechet, / daz di erde nine blechet, / daz si niemen machte gesehen, / daz wir fur war m)gen gehen / daz sulch hêr nie gesamnet wart. / da gelac michel hochuart / bewaret unser herre siniu wort. / sent Johannes hat gescriben dort: / daz diu diem)t hin ze himele stiget, / daz di uberm)t nider niget / in di iunstern helle: / da bi bezzer sich swer der welle Pfaffe Konrad: Rolandslied, 3492-3512. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Qui autem se exaltaverit humiliabitur, et qui se humiliaveit exaltabitur Mt 23, 12. - denn wer sich selb erhohet, der wird ernydriget, und wer sich selbst ernyddert, der wird erhohet Luther: Deutsche Bibel, VI (S. 102). Literatur: Cormeau 1977, S. 121: „könnte geradezu eine Sentenz nach dem Armen Heinrich sein“. GerokReiter 2009, S. 169: „didaktisierende Einlage des Erzählers“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 228, S. 158-160 [führt diese Textstelle an]. TPMA II s.v. DEMUT 3.4. Wer sich erhöht, wird erniedrigt, und wer sich erniedrigt, wird erhöht [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gott, Nr. 1096. Zingerle s.v. HOCHMUTH, S. 70 [führt diese Textstelle an]. Wirnt: Wigalois (Seelbach), S. 303.

Sentenz

*5306.

Verwendung: - (S) Gots gnad erfült die welt Franck: Sprichwörter, II, 4v (S. 242, Z. 32). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Suavis Dominus universis; / Et miserationes eius super omnia opera eius Ps 144, 9. - Der Herr ist jderman freundlich, Und seyne barmhertzkeyt vber allen seynen wercken Luther: Deutsche Bibel, X, 1 [Ps 145, 9] (S. 576). Literatur: TPMA V s.v. GOTT 20.1. Gottes Barmherzigkeit erstreckt sich über alles (ist unermesslich, ungeteilt). Wander II s.v. Gott, Nr. 651. Fuchs 1995, S. 159f. Grubmüller 1985, S. 231; S. 234.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) Swaz got wil, daz muoz geschehen. / Wan ir dicke hât gesehen: / Sich sol nieman verkunnen, / Wil im got heiles gunnen, / Sîn enwerde wol gedaht Dulciflorie, 939-943. - (E) „Swaz got wil, daz muoz geschehen. / her rise, ir müezent anders jehen: / ich getar wol mit iu strîten.“ / man sach sî zuo einander gân / mit starken slegen ûf dem plân Virginal, 721, 1-5. - (E) swaz got wil, daz m0z geschehen! / nv svm vns not vnd pflig der warte. / Tybalt sol verdienen harte, / e er mir nem die konigin Ulrich von dem Türlin: Arabel, 150, 10-13. - (E) swaz Got wil, daz muz geschen, / nieman kan durch den stein gesehn. / min groze arbeit, / die ich uf den bou han geleit / manchen chumberlichen tack, / als ich wol bewisen mak, / daz achte ich allez als ein kle Der Bergmann, 445-451.

*2295; 23102312; 2919-2922; 3499-3502; *6839.

250

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

6839 wan swaz mir geschehen sol, dazn mac doch niemen understên.

Kontext

Überlieferung

Wigalois vertraut sich in seiner aussichtslosen Lage vor dem Schwertrad Gott an (Schwertrad-Aventiure).

f k 6839: Wanne was. l 6839: Es gesche waz mir geschen sal. 6840: Das C S l. Es k.* M k l 6840: doch fehlt.

Paraphrase

Man kann nicht abwenden, was geschehen soll.

* Negationspartikel fehlen laut Kapteyn in C k l S.

6874 got ist niht ze swære noch ze grôz sîner kraft.

Der Erzähler deutet Wigalois' Rettung durch einen von Gott gesandten Wind (SchwertradAventiure).

M 6874: Got dem ist. M 6875: groz in seiner. S 6875: kraft] maisterschaft. B 6870-7089: fehlen l 6875-6884 fehlen.

Gott vermag alles.

251

zu: 6839, 6874

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Verwendung: - (D) sic ait: „immensa est finemque potentia caeli / non habet, et, quicquid superi voluere, peractum est Ovid: Metamorphosen, 8, 618-620. - (S) Absque suo nihil euentu consistere dicunt. - Nihil potest fieri, quod non eueniat secundum predestinationem suam Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 6. - (E) „gehabent iuch vr#lîche, / herre mîn, sint niht unvrô. / sît ez got hât gefüeget sô / daz er an iu erzeigen wil / mit wunder sîner krefte vil, / sô sult ir niht unvreude phlegen; / ir sult iuch klagender nôt bewegen. / swaz got wil, daz muoz geschehen. / daz wunder lât uns an iu spehen; / daz frumt iu sunder werren.” Rudolf von Ems: Der guote Gêrhard, 4134-4143. Œ Gar 7760 Œ Gau 4998 Œ GTr 7309 Œ UTr 1558. Literatur: Cormeau 1977, S. 46: „Maxime“; S. 57f.; S. 121. Friedrich s.v. got, S. 172. Schulze, Nr. 116, S. 88. TPMA V s.v. GOTT 14.1. Gottes Wille geschieht (geschehe). Wander I s.v. Gott, Nr. 1321.

Anspielung auf eine Sentenz: Formulierungstradition: - (E) Swaz sich sol gefüegen, wer möht daz understên? Nibelungenlied, 1677, 1 (1680, 1). - (E) Nû swîget stille und lât ez varn, / ez enkan nie man bewarn, / Daz dem manne geschehen sol Rüdeger von Munre: Studentenabenteuer B, 1019-1102.

*2295; 23102312; *6834; *10201.

Verwendung: - (S) Rem grave mutari, quamcumque necesse parari Werner: Sprichwörter, r 43 (Hs. 15. Jh.). Vgl. das Sprichwort: - (L) allez daz geschehen sol, daz geschiht Reinmar, MF 164, 2 (MFMT XIII, 2, 9). - (S) Swaz geschehen sol, daz geschiht Freidank, 132, 6. Œ Er 4801 Œ Iw 6566 Œ Lan 6440; 6953 Œ Da 230 Œ Cr 7214; 7528; 11037; 19314 Œ Gar 156 Œ Tan 1584 Œ GTr 6772. Literatur: Friedrich s.v. geschëhen, S. 163. TPMA IV s.v. GESCHEHEN 4.1. Was geschehen muß und vom Schicksal bestimmt ist, geschieht auch. Walther, Nr. 26553. Wander I, s.v. Geschehen, Nr. 54.

Sentenz Formulierungstradition: - (E) sus lebete er sibenzehen jâr. / daz dunket manigen niht wâr: / des gelouben velsche ich. / wan gote ist niht unmügelich / ze tuonne swaz er wil: / im ist deheines wunders ze vil Hartmann: Gregorius, 3134-3136. - (S) Drîer slahte menschen waren ê, / dern wirt noch wart nie menschen mê. / der eine mensche was ein man, / der vater noch muoter nie gewan. / der ander vater nie gewan / noch muoter und quam doch vom man. / diu zwei wunder grœzer sint, / dan daz ein maget gebar ein kint / von deme, der tuon mac, swaz er wil:/ gote ist deheiner kraft ze vil Freidank, 19, 7-16. Verwendung: - (E) gote ist niht unmegelîch Kaiserchronik, 9084. - (E) got tut wol swaz er wil, / got ist niht vnmuglich / ze tuonne. Er is helflich Mai und Beaflor, 8192-8194. - (S) God es alle dings machtich / Cuncta potest facere deus omnipotens scio vere Proverbia Communia, 355.

5155f.

252

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler deutet Wigalois' Rettung durch einen von swer nâch sînem lône gedienet, der ist der sælden kint. Gott gesandten Wind (SchwertradAventiure).

6883: Verdient M. M 6883: saelden ein chind. B 6870-7089: fehlen.

Der, der Gottes Lohn anstrebt, erfährt Heil.

Der Erzähler erklärt, daß Roaz sich vor seinem Kampf mit Wigalois täuscht (Kampf mit Roaz).

C 7349: an aím ander. F 7349: oft an mit chraft. S 7349: Ofte an einem der. k 7349: Mit siner kunst einem andern der.

Körperliche Stärke garantiert im Kampf nicht den Sieg.

6882

7347 dâ überdâhte er sich an, wand ez gesigt ein kurzer man vil oft mit kunst an einem der spannen lenger ist dan er.

zu: 6882, 7347

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

253

Querverweise

Vgl. den biblischen Hintergrund: - Aspiciens autem Iesus, dixit illis: Apud homines hoc inpossibile est: apud Deum autem omnia possibilia sunt Mt, 19, 26. - Jhesus aber sahe sie an, vnd sprach zu yhn, bey den Menschen ists vnmuglich, aber bey gott sind alle ding muglich Luther: Deutsche Bibel VI (S. 86). Œ Cr 16823 Œ Gau 4998 Œ Loh 311. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schulze, Nr. 222, S. 153f. [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GOTT 10.1. Gott ist nichts unmöglich. Wander II s.v. Gott, Nr. 678. Cormeau 1977, S. 56f. Lienert 1997, S. 269f.

Anspielung auf eine Sentenz

25-32; *7667; *7762.

Formulierungstradition: - (G) Er reffet mit gewalte. / di herren unde di schalche. di frow- / en unde di diwe. daz t)nt di sine / trowe. sver im gerne dinot, deme / wirt wol gelônot Vorauer Moses 71, 14-18. - (S) Al diu werlt lôn enpfât / von gote, als sie gedienet hât / Vil selten ieman missegât, / swer sîniu dinc an got verlât. / swer lebt ân gotes vorht und segen, / der mac keines guotes pflegen Freidank, 2, 12-15b. Verwendung: - (S) Getrewen dienst belonet Gott. / Gott ist trewe/ unnd helt was er zusagt/ Darumb gefelt yhm auch trew wol/ unnd untrew ubel. [...]/ Joseph ist seinem herren getrew/ an gut/ und weibe/ unnd aller seiner habe/ unnd wirt yhm doch von seinem herren nicht belohnet. Denn da yhn das weib unrecht beleuget und anklagt/ ist aller seiner trewe vergessen/ und wirt von seinem herren ins gefenckniß gelegt drey jar lang. Aber dieweil Joseph dem herren dienet/ nicht umb lohn/ so wachet Gott uber Joseph/ und hilfft yhm zu eym solchen regiment/ daß er hernach Kniglichen gewalt hatt uber gantzes Egypten/ machet Recht und ordnung/ wie sich das gantz landt richten und halten soll. Also ists war/ Gott belohnet trewen dienst Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 101 (S. 76, Z. 18 - S. 77, Z. 25). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Et iuxta opera manuum suarum retribetur ei Prv 12, 14. - Und dem Menschen wird vergollten, nach dem seyne hende verdienet haben Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 40). Literatur: TPMA V s.v. GOTT 19.20. Gott belohnt den, der Gutes tut und ihm dient. Wander II, s.v. Gott, Nr. 2262. Fuchs 1995, S. 167f.

Sentenz Verwendung: - (S) Fortis ab inualido metuat persona periculum Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 36. - (D) Corporis exigui vires contemnere noli: / consilio pollet, cui vim natura negavit Disticha Catonis, II, 9. - (S) Wâ diu wîsheit wesen sol? / diu ist in kleinen liuten wol / und vermîdet manegen grôzen man, / der wîsheit niht gepflegen kan Freidank, 80, 26-29. - (D) Niht versmhe kraft unde list / des mannes der wênec ist: / der am lîbe nicht krefte hât, / der gît doch dicke guoten rât Der deutsche Cato, 277-280.

6588-6605.

254

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

7581 Nâch vrouwen minne lît manger tôt; si vüegent jâmer unde nôt, herzeliebe und herzeleit. dise rîter wârn bereit ze dienen nâch ir hulden. 7667 wan swer nâch gotes lône in dirre werlt gedienet hât, swen ez im an die zît gât daz er niht lenger leben sol, der vert sæliclîche wol; alsô müeze ouch uns geschehen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler betont die Bedeutung der Minne für Roaz und Wigalois (Kampf mit Roaz).

S 7581: frouwen lieb leit. manger] fehlt. S 7581: Maniger sich fügt yammer vnnd nott. k 7581: manig.

Durch Frauen erleiden Männer Kummer, Not und mitunter den Tod.

Der Erzähler deutet den Tod des Heiden Roaz (Kampf mit Roaz).

A 7667: Wand der gotes. 7667: der C. wer M S k. l 7667: wer noch. B 7667: nach sinem lone. 7668: dirre] der M. dieser S. 7669: Wen B l. Wenn M. Wanne k. S 7669: Wan. im fehlt. 7669: an die zît] daran A. an die vart M. an den lip l. A 7669: im dar an ergat. B C 7671: der vert] Dem wirt. S 7671: vert so s liklich. k 7671: sæliclichen vnd wol.

Wer in der Welt nach Gottes Lohn strebt, wird zum Heil gelangen.

zu: 7581, 7667

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

255

Querverweise

- (D) An disem schachzabelbuoch hân ich mê gelesen, / das die riter stark sont wesen / niht alleine von dem lîbe, / mê an dem muote. ich schribe / dis hie in t(tsch, das ich vant / in latîn. mir tets bekant / dis buoch, das man vil dike vint / grôsse l(te, die doch zaghaft sint. / dis geloube ich harte wol. / eines ich doch sprechen sol: / und hat ein grôsser kechen muot, / das er verre mêre tuot, / denne ein kleiner müge tuon. / doch hat meng kleiner man den ruon, / das er grôsses muotes sî Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 7237-7251. - (S) Corpore subtilis animi solet esse sagacis Werner 2, c 119 (Hs. 15. Jh.). Œ Da 1502. Litertaur: Fasbender 2010, S. 141: „sentenziös verknappt“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. Schröder 1986, S. 267: „sprichwörtlich“. TPMA VII s.v. KLEIN 1.1.7. Der Kleine ist weise und erteilt guten Rat [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Stärke, Nr. 20. Zingerle s.v. KUNST, S. 86 [führt diese Textstelle an]. 4055-4061; 41394152; 4215-4219; 4222-4227; 7555Verwendung: - (E) Sal. Von minnen lidet mancher not, / Daz er lit krank biz in den dot / Mar. Ein liep wip 7570; *7749; *8036; 9529uff der ziechen / hat balde genert den siechen Salomon und Markolf, 573-576. 9539. Literatur: Lienert 1997, S. 270: „Binsenweisheit“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA III, s.v. FRAU 3.2.8. Verleitung (zum Bösen), Verderben und Tod. 3.2.8.1. Allgemein; VII s.v. LIEBE 1.6.8.3. Liebe bringt Krankheit und Tod. Wander I s.v. Frau, Nr. 66.

Sentenz

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Al diu werlt lôn enpfât / von gote, als sie gedienet hât / Vil selten ieman missegât, / swer sîniu dinc an got verlât. / swer lebt ân gotes vorht und segen, / der mac keines guotes pflegen Freidank, 2, 12-15b. Verwendung: - (S) Getrewen dienst belonet Gott. / Gott ist trewe/ unnd helt was er zusagt/ Darumb gefelt yhm auch trew wol/ unnd untrew ubel. [...]/ Joseph ist seinem herren getrew/ an gut/ und weibe/ unnd aller seiner habe/ unnd wirt yhm doch von seinem herren nicht belohnet. Denn da yhn das weib unrecht beleuget und anklagt/ ist aller seiner trewe vergessen/ und wirt von seinem herren ins gefenckniß gelegt drey jar lang. Aber dieweil Joseph dem herren dienet/ nicht umb lohn/ so wachet Gott uber Joseph/ und hilfft yhm zu eym solchen regiment/ daß er hernach Kniglichen gewalt hatt uber gantzes Egypten/ machet Recht und ordnung/ wie sich das gantz landt richten und halten soll. Also ists war/ Gott belohnet trewen dienst Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 101 (S. 76, Z. 18 - S. 77, Z. 25). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Et iuxta opera manuum suarum retribetur ei Prv 12, 14. - Und dem Menschen wird vergollten, nach dem seyne hende verdienet haben Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 40).

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA V s.v. GOTT 19.20. Gott belohnt den, der Gutes tut und ihm dient. Wander II, s.v. Gott, Nr. 2262. Heinzle 1973, S. 270f.

25-32; *6882; *7762.

256

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 7749 herzeliebe ist arbeit; ir ende bringet herzeleit. daz wart wol an der vrouwen schîn

7762 er ist ein sælic muoterbarn, swer dise werlt gebûwet alsô daz sînes tôdes sîn sêle ist vrô; des leider nû niht vil ergêt.

7782 als ir der minne kraft gebôt. diu twinget manic herze

7784 ir ende ist jâmers smerze, als ich iu hie bescheide; liep zergêt mit leide.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt Japhites Trauer um Roaz (Kampf mit Roaz).

C 7749: ist] vnd.

Liebe bringt Mühsal mit sich.

Der Erzähler beklagt das Schicksal des Heiden Roaz (Kampf mit Roaz).

k 7762: Es. mǎter warm. S 7762: ist von säliger muter porn. k l 7763: Were. 7763: pauet M. geborn k. D M S l 7763: also] so. 7764: sîn sêle] die werlt M. diu sele D. 7764: ist] wirt D C. wir L.

Wer so gelebt hat, daß er das Seelenheil erlangt, der ist glücklich.

Der Erzähler beS 7782: di lieb richtet, daß Japhite craft. aus Trauer um Roaz l 7782f.: gebôt gestorben ist Daz waz eyn (Kampf mit Roaz). jemmerliche not. l 7783-7789: fehlen.

Liebe bezwingt den Menschen.

Der Erzähler berichtet, daß Japhite aus Trauer um Roaz gestorben ist (Kampf mit Roaz).

Liebe endet mit Leid.

7786: erget D. zt)get B.

zu: 7749, 7762, 7782, 7784

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

257

Querverweise

7723-7736; Sentenz *7784; *8036; 8475-8490; Literatur: Lienert 1997, S. 270: „Binsenweisheit“. Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA 8985f.; *9417; VII s.v. LIEBE 1.6.7. Liebe bringt Übel und Leid, Schmerzen und Qualen (Mühen). 1.6.7.1. 9529-9539; 9650Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Liebe, Nr. 287. Zingerle s.v. LIEBE, S. 88 9671; 9735f.; *10231. [führt diese Textstelle an].

Sentenz

25-32; *6882; *8282.

Verwendung: - (S) Gote dienen âne wanc / deist aller wîsheit anevanc. / Swer umbe dise kurze zît / die êwigen fröude gît, / der hât sich selbe gar betrogen / und zimbert ûf den regenbogen Freidank, 1, 5-10. - (E) „Vil lieber sun, daz sage ich dir. / dêswâr, daz geloube mir, / gestâstû bî ritterschaft, / sich, sô mêret sich diu kraft / dîner tägelîchen missetât / und enwirt dîn niemer rât. / dâ von sô lâ dîn irrikeit / die dû an hâst geleit / unde diene gote hie. / ja enübersach er dienest nie. / sun, nû stant im hie ze klage / und verkoufe dîne kurze tage / umbe daz êwige leben. / sun, den rât wil ich dir geben Hartmann: Gregorius, 1785-1798. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA X s.v. SEELE 3.1. Man soll sich um die Seele bekümmern. Wander IV s.v. Seele, Nr. 54. Lienert 1997, S. 270.

Anspielung auf ein Sprichwort

*4156; *9658.

Formulierungstradition: - (D) ipsa capit clavamque gravem spoliumque leonis / conditaque in pharetra tela minora sua. / sic epulis functi sic dant sua corpora somno, / et positis iuxta secubuere toris: / causa, repertori vitis quia sacra parabant, / quae facerent pure, cum foret orta dies. / noctis erat medium. quid non amor improbus audet? / roscida per tenebras Faunus ad antra venit: / utque videt comites somno vinoque solutos, / spem capit in dominis esse soporis idem Ovid: Fasti, 2, 325334. Œ Er 3694 Œ Lan 4851 Œ Cr 8106; 8334 Œ Tan 829 Œ Mel 1378. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 1.3.6. Liebe besiegt (bezwingt) alles und alle; 1.3.7. Gegen die Liebe richtet niemand etwas aus. Walther, Nr. 25110. Wander III s.v. Liebe, Nr. 420.

Sentenz Formulierungstradition: - (L) vil liep mit leide gar zergât Namenlos h, KLD Nr. 38, 24, 4. - (E) liep zerget mit leide! Albrecht: Jüngerer Titurel, 1055,4. - (E) owe des, ir liep zergat mit leide! Albrecht: Jüngerer Titurel, 1075,2. - (L) Ez ist ein reht daz ich lâze den muot / der mir ûf minne ie was rîche unde guot: / ich wil gebâren als ez mir nu stât. / owê daz minne ie daz b#se ende hât! / swer sich mit stæte an ir unstæte lât, / wê wie unsanfte dem ein scheiden tuot! / alsô hât mir dâ daz selbe getân. / liebe muoz dick mit leide zergân. / wie sanft im ist der sich ir hât behuot! Hiltbolt von Schwangau KLD Nr. 24, 8, 1-9.

3570-3575; 76017623; 7673-7682; 7723-7736; *7749; 78787883; 8038; *9417; 99699976; 9991-9997; 10127-10132; 10209-10218; 10231f.

258

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

7960 sîn übermuot der valte in nider

Kontext

Überlieferung

Graf Adan rettet Wigalois vor den trauernden Jungfrauen, indem er ihnen erklärt, daß Roaz den Kampf zu Recht verloren hat (Rettung durch Graf Adan).

M k 7960: velt. M 7960: in da nider. A 7806-8525: fehlen.

Paraphrase

Hochmut führt zum Fall.

zu: 7960

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

259

Querverweise

Verwendung: - (E) nû half der bruoder dâ zestunt / trûren sîner swester: / sîn jâmer wart noch vester. / An disem ungewinne / erzeicte ouch vrou Minne / ir swære gewonheit: / si machet ie nâch liebe leit. / alsam ist in erwallen / daz honec mit der gallen Hartmann: Gregorius, 448-456. - (E) sô gar âne mâzen / Minten si sich under in, / si heten herze unde sin / Sô genzlîch in ein geweben, / daz ich ir minneklîchez leben / An keiner rede zele; / noch lieber, dan ir sêle, / Si heten under ein ander sich. / ach, herre Got von himmel rîch, / Daz si niht immer solten leben, / sît daz in von dir gegeben / Was der sin und ouch der muot, / daz si sich, sam irs herzen bluot, / beide minten under in, - / daz muoz dir geklaget sîn. / Nû ist ez leider, als man jiht, / daz man die liebe selten siht, / Si enmueze mit leide ende hân; / daz mügt ir hie wol prueven an Der Schüler zu Paris, 114-132. - (E) Ich sage dir aber ander mere: je mer dir liebes wirt, je mer dir leides widerfert; hettestu dich vor liebes überhaben, so werestu noch leides überhaben; je größer lieb zu bekennen, je größer leit zu enberen liebe. Weib, kinde, schatz und alles irdisch gut muß etwas freuden am anfang und mer leides am ende bringen. Alle irdische liebe muß ze leide werden: leit ist liebes ende, der freuden ende trauren ist, nach lust unlust muß kommen, willens ende ist unwillen. Zu solichem ende laufen alle lebendige ding. Lerne es baß, willtu von klugheyt gatzen! Johannes von Tepl: Ackermann, XII (S. 65, Z. 15-23). Œ Gar 19108 Œ Tan 3886 Œ JT 1055,4; 1075,2; 2934,3; 4892,3. Literatur: Friedrich s.v. liebe, S. 270. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.7. Liebe bringt Übel und Leid, Schmerzen und Qualen (Mühen). 1.6.7.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Freude, Nr. 6. 2339-2344; *2672;2760; 2935-2940; Formulierungstradition: 3004f.; 3990- (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste 4004; *6471; val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. 6597-6600; - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart ge8321f.; 8576f.; ben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 62-66. *10087; *10512.

Anspielung auf ein Sprichwort

Verwendung: - (S) Omnis superbia tanto in imo iacet, quanto in alto se erigit, tantoque profundius labitur, quanto excelsius eleuatur. Qui enim per propriam superbiam adtollitur, per Dei iustitiam inclinatur Isidor: Sententiae, II, 38, 3 (S. 168). - (G) Non ueniat mihi pes superbie. Fuôz déro úbermûoti nechóme mir . uuanda ih an démo gestân ne-mág. V̗ bermuôti ist also eînfuôzîu . uuanda si iêo sâr fallet . unde lango stân ne-mag Notker III von St. Gallen: Psalter I, 117, 16-18. - (E) der chunich imz harte revorhte, / er machete sich parvuoz unt wullîn,/ vil tiure flêget er mînen trehtîn./ daz cruce er zuo im vie,/ vil frôlîche er durch die porte gie. / er truog ez ze Jerusalêm in daz templum. / daz ist uns armen gesaget ad exemplum: / von diu suln wir unseren hêrren / vurhten unde flêgen / mit zuhten unt mit guote,/ mit grôzer deumuote./ ubermuot ist sô getân: / diu gescendet ie den man./ Herâclîus rihte rômisc rîche vur wâr / zwai unde drîzech jâr./ unt dar uber sehzehen tage Kaiserchronik, 11333-11348. - (E) dinis overtruwen scaden. / ich ne mochtis dir zende nie gesagin. / du versmades harde got, / der uns ze levene gebot / unde volgedis deme vertrivenin / die legede dich dar nidere. / unbe diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin geswimmin noch gewadin! / Von du mach du wol verstan / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde overmut, / dar von der tuevel gewan, / daz ime nimer zeran / ochis noch achis, / noch allis ungemachis / des hat he immer genuch / unde giver is och dir, of du na ime dust! König Rother, 4549-4568.

260

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

8036 als ich iu ê hân geseit, herzeliebe ist arbeit; ir ende bringet herzeleit. 8282 im selben er sælde koufet swer umb den andern vrumt gebet.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler bittet Gott um Gnade für die tote Japhite (Rettung durch Graf Adan).

l 8037: ist] ir. A 7806-8525: fehlen.

Liebe bringt Mühsal mit sich.

Der Erzähler beschreibt die Inschrift auf Japhites Grab (Rettung durch Graf Adan).

8282: selben fehlt Wer für andere beM. tet, der erringt das 8282: sælde] sele eigene Seelenheil. k. fehlt l. M 8282: er sælde koufet] seld er taufft. 8283: Wer frumb vm den andern ped S. Selde wer den anderen fremit gebet l. 8283: vrumt] frevnt M. frúnt k. A 7806-8525: fehlen.

zu: 8036, 8282

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

261

Querverweise

- (D) dô was der wîs man worden tôr, / dô wart der keiser ze kneht: / er het dô niht keisers reht. / dô wart der heilige ein diep: / im was daz spil niht ze liep. / dâ viel dô diu übermuot / under, als si dicke tuot. / Wir sîn des wol zende komen / und habenz gesehen und vernomem / daz unmâze und hôhvart / die müezen dicke vallen hart. / swer hôhe vert zaller zît, / wizzet daz er nider lît. / swenn ein man sînen muot / ie hôher hebt an übermuot, / so er ie verrer ist von got / nidere durch sîn gebot Thomasin von Zerklære: Der welsche Gast, 10626-1042. - (S) Hoffart thet nie keyn gut. Hoffart und ubermut ist alle zeit von anbegyn der welt hochlich gestraffet worden/ also daß/ was sich auß eynem ubermut uber ander leutte erhebet/ das muß herunder/ es geschehe uber kurtze oder uber lang. Hoffart stieß die edelste creatur/ den Engel Lucifer auß dem hymel. Adam unnd Eva auß dem Paradeiß/ die Juden auß iren knigreichen und herschafften/ Die Rmer von lande und leutten. [...] Freydanck sagt/ Wer fliegen will der flige also/ Weder zu nider noch zu hoh/ Daß yhm zuletzt nit geschehe alsus/ Als Phaeton und Icarus/ Von hoffart ward der erste fal/ Der ye von hymel fiel zuthal Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 50 (S. 41, Z. 6-25). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Contritionem praecedit superbia, / Et ante ruinam exaltatur spiritus Prv 16, 18. - Wer zu grund gehen sol, Der wird zuuor Stoltz, hoffertig und stoltzer mut, kompt fur dem fall Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 53). Œ Er 980; 1229 Œ Lan 7395 Œ Cr 3819; 22353 Œ Gar 2756; 6357; 7007 Œ Tan 6730 Œ Mel 6566; 8014 Œ Wigm 5980 Œ Gau 1314 Œ Pz 472,17; 473,4 Œ JT 1923,2 Œ GTr 7080; 7227. Literatur: Friedrich s.v. hôchmuot, S. 224. TPMA VI s.v. HOCHMUT 5.1.2. Hochmut fällt (bringt zu Fall); 5.5. Hochmut tut nichts Gutes, sondern schadet nur. Wander II s.v. Hochmuth, Nr. 16, Nr. 21; IV s.v. Uebermuth, Nr. 5; Nr. 10. 7723-7736; *7749; *7784; 8405-8410; 8475Literatur 8490; 8985f.; TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.7. Liebe bringt Übel und Leid, Schmerzen und Qualen (Mühen) *9417; 95291.6.7.1. Allgemein. 9539; 9650-9671;

Sentenz

Sentenz Formulierungstradition: - (G) Cum autem pro his qui in pœna sunt oratis, et vos ipsos liberatis, quia [qui] pro alio orat, se ipsum liberat Honorius Augustodunensis: Speculum Ecclesiae, III (1084 D). - (E) Man giht, er sî sîn selbe bote, / unde erloese sich dâ mite, / swer über des anderen schulde bite Hartmann: Der arme Heinrich, 26-28. - (S) Almuosen bitet für den man, / der selbe niht gebiten kan. / Merkt, swer vür den andern bit, / sich selben lœset er dâ mit Freidank, 39, 16-19. Verwendung: - (E) ir herren, nemet selbe war, / mir sint verwandelt vil gar / der sin, der lîp und die site / die dem von rehte wonent mite / der grôzes gewaltes phlegen sol: / ich enzime ze bâbest niht wol. / vil sæligen liute, / nû lât mir daz hiute / ze einem heile sîn geschehen / daz ir mich hie habet gesehen / und gerouchet iuch erbarmen / über mich vil armen / und gedenket mîn ze gote. / wir haben daz von sînem gebote, / swer umbe den sündre bite, / dâ lœse er sich selben mite Hartmann: Gregorius, 3557-3573. - (S) Qui por autrui ore por soi meïsmes labore Morawski: Proverbes franPais, 2099 (Hs. 14. Jh.).

3595-3602.

262

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

9417 herzeliebe ist ein schûr, dem lîbe ein herter nâchgebûr; ir süeze wirt vil ofte sûr.

9658 dîner minne spîse nam mir dicke mînen sin.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler schildert Wigalois' Gefühle bei der Eheschließung mit Larie (Vermählung mit Larie).

9418: naht geb0r P. 9419: vil] dik C. fehlt S.

Liebe verkehrt sich oft ins Gegenteil.

Gawein beklagt das Leid, das er Florie zugefügt hat (Krönungsfest in Korntin).

S 9658: lieb.

Liebe nimmt den Verstand.

zu: 9417, 9658

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

263

Querverweise

Literatur: TPMA IV s.v. GEBET 3.2. Wer für andere betet, wirkt für sich selbst [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 24550. Schröder 1986, S. 257.

Sentenz

*6404; *7784.

Formulierungstradition: - (E) Ja nü wart die rede nye belogen, / Die man lang hat gesprochen, / Vnd wart auch nye zebrochen: / Wa mynne ist nachtgebuwr, / Sie werd yme also suwr, / Wie man sprech, das sie süsze sij Heinrich: Crône, 17199-17204. Verwendung: - (E) Groß not ich durch lieb gelitten han: / Deß gibt sy hǠt mir j merigen lon. / Der lieb anfang was sieß behennd, / Sur und bitter ist der lieb ennd Friedrich von Schwaben, 7211-7214. - (E) Ach, min, dîn suezer anvank / gît manegen bittern ûzgank Hero und Leander, 1f. Vgl. zur Formulierung: - (E) Ich spriche daz wol überlut, / daz keiner slahte nezzelcrut / nie wart so bitter noch so sur / alse der sure nachgebur Gottfried: Tristan, 15047-15050. - (E) Ist zwîfel herzen nâchgebûr, / daz muoz der sêle werden sûr Wolfram: Parzival, 1,1f. Œ Cr 17199. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.7. Liebe bringt Übel und Leid, Schmerzen und Qualen (Mühen). 1.6.7.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Liebe, Nr. 685. Zingerle s.v. LIEBE, S. 90 [führt diese Textstelle an]. Schröder 1986, S. 240.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Herzelieber mære / der wart ich vil dicke / von der minneclîchen frouwen mîn. / ich wær âne swære / wan daz ich erschricke: / dur die lieben trage ich senden pîn. / daz ist endelîche wâr: / liebe nimt die sinne, / liebe machet missevar. / wizzet daz ich brinne / in der liebe alse ein gluot Schenk von Limburg KLD Nr. 34, 1, 2, 1-11. - (E) Belobent daz wibes minne / Manegem nimpt die sinne / Als och ainem fuchz beschach / Der sin selbs schatten sach / In ainem sod do nachen. / Er begund dar gachen / Daz jn der sinn entwande / sin wip er sechen wande / Dur jr lieb sprang er dar Fuchs und Wolf, 1-9. Verwendung: - (E) sie jehent, die des hânt bekort, / ez beneme diu minne / vil wîsem man die sinne, / daz er niht wol mac bewarn, / ern müeze dicke missevarn / und sich der êren sô bewiget, / daz er enruochet wâ sîn lop geliget. / des ist diu minne vil gemeit: / sie kan ouch.(deist diu wârheit) / den tumben wol gelêren / sprechen unde tuon nâch êren Otte: Eraclius, 2550-2560. - (E) Mörlin zw einer zeite / kam aus Norchumerlannd. / der künig vil ser sichs frewte. / er tet im seinen kumer gross pekanndt, / wie er pelesstet wär mit starcker mynne / gen der fürstin von Tyntayol, / die im penem mit all nach witz und synne Ulrich Füetrer: Buch der Abenteuer, 904, 1-7. Œ Er 3691 Œ Iw 1335 Œ Lan 4330; 6538 Œ Da 1586 Œ Cr 8433; 8826 Œ Tan 4175 Œ Mel 1825 Œ Pz 287,9 Œ GTr 12017.

*4156; 42154219; *5776; *7782.

264

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

9698 der sch#ne ist gar der vreuden zil und werltlîchiu wünne.

Kontext

Der Erzähler betont die Bedeutung der anwesenden Frauen für die Festfreude bei den Hochzeitsfeierlichkeiten (Krönungsfest in Korntin).

Überlieferung

9698: zil] spil S. 9699: werlichiu S.* lustlichiu k. * Nach Kapteyn, S. 411, hat mind. eine Hs. weltlichiu (ohne Angabe der Sigle[n]).

Paraphrase

Die Schönheit der Frauen erfüllt die Welt mit Freude.

zu: 9698

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

265

Querverweise

Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.2. Liebe nimmt (und verkehrt) Weisheit und Verstand, Vernunft und Sinne. Wander III s.v. Liebe, Nr. 31. 878-884; 970974; *2097; *2388; 2687Formulierungstradition: 2692; *5477; - (D) Durch fröude frouwen sint genant: / ir fröude erfröuwet alliu lant; / wie wol er fröude 8884-8887; erkande, / der s‘ êrste frouwen nande! Freidank, 106, 4 - 106, 7. 9441f.; *9698; - (L) Wîb ist ein gâb der fröuden, / diu alle fröud bekr#net, / von der ist wol zu göuden / diu ir 9743f.; *10463; pris, ir wîplîch êre nicht verh#net. / Ez hât ein wîb nicht bezzers dann ir êre; / wirt diu an ir 10603-10605. verkêret, / wie sol ein man sich an ir fröuwen mêre? Hadamar von Laber: Jagd, 722, 1-7.

Anspielung auf eine Sentenz

Verwendung: - (L) Junger man, wis hôhes muotes / dur diu reinen wol gemuoten wip, / fröwe dich libes unde guotes, / unde wirde dinen jungen lîp. / Ganzer fröide hâst dû niht, / sô man die werdekeit von wîbe an dir niht siht. // Er hât rehter fröide kleine, / der sî von guoten wîben niht ennimt Walther von der Vogelweide, 61, I, 1 - II, 2 (L 91, 17-24). - (D) Sun, wiltû zieren dînen lîp, / sô daz er sî unvuoge gram, / sô minne und êre guotiu wîp, / der tugent uns ie von sorgen nam. / si sint der wunne ein bernder stam, / dâ von wir alle sîn geborn. / er hât niht zuht noch rehter scham, / der daz erkennet niht an in: / der muoz der tôren einer sîn, / und hete er Salomônes sin Winsbeckin, 11, 1-10. - (L) Diu hohe fröide an wîben lit, / dâ von sich h#het mannes muot. / zer werlte wart nie niht so guot, / sô daz den herzen fröide gît. / daz tuot sô volleclîche niht, / als ich die besten h#re jehen, / sô tugende gernder wîbe lîp. / mag ieman frô sîn âne wîp? / ze rehte des kan ich niht spehen Der von Obernburg KLD 40, 4, 1, 1-9. - (E) Wol im, dem ein reinez wîp, / Bewart guot, êre, sêle und lîp! / Der sol got loben von herzen grunde, / von sinnen, von kreften, von süezem munde / Und immer im gerne sagen danc, / Wenne ez sprach her F r î d a n c: / ‚Von fröuden frouwen sint genant, / Wenne die gefröuwent elliu lant. / Wie wol er fröude erkante, / Der frouwen von êrste sie nante!‘ / Swer ir tugent erkennen kan, / Sô sint si tiurre denne die man: / Si schement sich maniger missetât, / .f die ein man niht ahte hât. / Man sol irre tugent nehmen war, / Ir dinc sol nieman wizzen gar. / Sölte êwigiu fröude âne frouwen sîn, / Sô hête der engel der künigîn / Niht gesegent ir kindelîn / Daz si gebar âne alle pîn, / Und magt noch ist und magt dô was / Dô si des selben suns genas, / Und reiniu magt sol immer sîn / Und aller meide spiegel schîn Hugo von Trimberg: Der Renner, 13069-13092. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Mulier fortis oblectat virum suum Sir 26,2. - Ein heuslich weib ist jrem manne eine freude Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 216). Œ Cr 231; 13886; 29989 Œ JT 1990,4. Literatur: TPMA III s.v. FRAU 3.1.5. Die (gute und schöne) Frau ist der Inbegriff und die Quelle der Freude (für den Mann). Wander I s.v. Frau, Nr. 115. Lienert 1997, S. 267.

266

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 9912 und wil got des rehten pflegen, als er ie hât getân, so wæn uns niht geschaden kan.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Gawein ermutigt Wigalois, gegen Lion in den Krieg zu ziehen (Heerzug gegen Lion).

A 9912: rehtes. g 9912: enphlegen. L 9913: er her ie. k 9913: Als er hat hat getan. S 9913: Als er noch her [hat]* getan.

Gott steht immer auf der Seite der Gerechten.

* Nach Kapteyn, S. 419, unsicher, ob her anstatt oder mit hat steht.

10087 dîn hôchvart wirt geneiget und dîn gewalt verkêret.

Der Knappe Amires überbringt Lion die Herausforderung der Artusritter (Heerzug gegen Lion).

k 10087: wurt.

Hochmut führt zum Fall.

zu: 9912, 10087

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

267

Querverweise

*1618; 2599f.; Anspielung auf ein Sprichwort 2681f.; *2772; 2824-2826; Formulierungstradition: - (E) uon himele chom den christen ain liecht, / diu hitze war in mere nicht: / si komen wider zu *2922; 3056ir chreftin. / got erhorte ie di rechtin, / di an in geloubint / unt im durhnachtlichen getriwent: / 3064; 9938-9945. den kumet er ie ander not. / der haiden chunc gelac da tot Pfaffe Konrad: Rolandslied, 85638570. - (D) Die psen warff man hin tzu tal, / (Die warn gar an trewen lam) / Got die gerechten nicht enlat, / Sam Danieln tzu dem mal, / Der blaib gesunt, dez nemet bar Suchenwirt, 43, 49-53. Verwendung: - (E) Nû bittent alle durch sînen tôt / den rîchen got, daß er in nôt / dem kume ze helfe, die mich ie / gestûrten, daz ich ane vie / diz buoch und disiu mære ze tihtene! helfebære / müeze er ouch den in n#ten sîn, / die dar ûf kêrten ir pîn, / daz ez hie würde vollebrâht, / wie si sîn doch habent gedâht / mit werken und mit worten, / dâ von er ze allen orten / müeze alsô ir schirmer wesen, / daz si an der sêle genesen, / sô hie der lîp erstorben sî, / daz si des himelrîches frî / niemer müezen werden. / ouch müezen si ûf erden / besitzen hôhen rîchtuom / und den weltlichen ruom / an êren unde an wirde grôz / und danne varn in sînen schôz, / der uns des het gewalt gegeben, / daz wir lîp unde leben / und die sêle behalten / wol mugent, ob wir walten / sô guotes lebens hie, / wan er die rechten nie verlie, / er enteilte in êweclichen dort / sînen hohen himelhort, / den muoz er ouch in teilen sô, /daz si gesetzet werden hô / zuo der liehten engel scharn Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg - Fortsetzung, 49785-49817. - (E) „Veracht wir des hofes recht, so spricht gar mengclich, das wir ungerecht seyen; sollen die von der tavelrund urtail sprechen, so näm ir chainer aller wellt guet, das er ain valsche urtail spreche; sol die fraw gerichten, das mag si wol thuen, und wir werden hie mit zu spot; wann got gestuond ye dem rechten.“ Ulrich Füetrer: Prosaroman von Lanzelot, S. 97. Vgl. den biblischen Gedanken: - Quoniam brachia conterentur, / Confirmat autem iustos Dominus Ps 36, 17. - Denn der Gottlosen arm wird zubrechen, Aber der HERR enthelt die gerechten Luther: Deutsche Bibel X, 1 [Ps 37, 17] (S. 217). Œ Iw 5274; 7628 Œ Da 1298 Œ Gar 1157 Œ Tan 4332 Œ Gau 4232 Œ JT 1569,3. Literatur: TPMA V s.v. Gott 26.11. Gott hört auf die Rufe der Gerechten und steht ihnen bei. Wander II s.v. Gott, Nr. 1033. Fuchs 1995, S. 197. 2339-2344; *2672; 2760; 2935-2940; Formulierungstradition: - (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste 3004f.; 39904004; *6471; val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. 6597-6600; *7960; 8321f.; Verwendung: 8576f.; *10512. - (S) Omnis superbia tanto in imo iacet, quanto in alto se erigit, tantoque profundius labitur, quanto excelsius eleuatur. Qui enim per propriam superbiam adtollitur, per Dei iustitiam inclinatur Isidor: Sententiae, II, 38, 3 (S. 168).

Anspielung auf ein Sprichwort

268

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

10201 ez sterben niwan die veigen, die lægen doch dâ heime tôt, daz si niht schiuhen dise nôt.

Kontext

Überlieferung

Lion nimmt die Herausforderung der Artusritter an (Heerzug gegen Lion).

10201: streben A. strebent C k. stirbet l. 10201: niwan] nun S. lichter k. nymant danne l. S 10201: die fehlt.

Paraphrase

Die zum Tode bestimmten müssen sterben.

zu: 10201

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

269

Querverweise

- (G) Non ueniat mihi pes superbie. Fuôz déro úbermûoti nechóme mir . uuanda ih an démo gestân ne-mág. V̗ bermuôti ist also eînfuôzîu . uuanda si iêo sâr fallet . unde lango stân ne-mag Notker III von St. Gallen: Psalter I, 117, 16-18. - (E) der chunich imz harte revorhte, / er machete sich parvuoz unt wullîn,/ vil tiure flêget er mînen trehtîn./ daz cruce er zuo im vie,/ vil frôlîche er durch die porte gie. / er truog ez ze Jerusalêm in daz templum. / daz ist uns armen gesaget ad exemplum: / von diu suln wir unseren hêrren / vurhten unde flêgen / mit zuhten unt mit guote,/ mit grôzer deumuote./ ubermuot ist sô getân: / diu gescendet ie den man./ Herâclîus rihte rômisc rîche vur wâr / zwai unde drîzech jâr./ unt dar uber sehzehen tage Kaiserchronik, 11333-11348. - (E) dinis overtruwen scaden. / ich ne mochtis dir zende nie gesagin. / du versmades harde got, / der uns ze levene gebot / unde volgedis deme vertrivenin / die legede dich dar nidere. / unbe diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin geswimmin noch gewadin! / Von du mach du wol verstan / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde overmut, / dar von der tuevel gewan, / daz ime nimer zeran / ochis noch achis, / noch allis ungemachis / des hat he immer genuch / unde giver is och dir, of du na ime dust! König Rother, 4549-4568. - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart geben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 62-66. - (D) dô was der wîs man worden tôr, / dô wart der keiser ze kneht: / er het dô niht keisers reht. / dô wart der heilige ein diep: / im was daz spil niht ze liep. / dâ viel dô diu übermuot / under, als si dicke tuot. / Wir sîn des wol zende komen / und habenz gesehen und vernomem / daz unmâze und hôhvart / die müezen dicke vallen hart. / swer hôhe vert zaller zît, / wizzet daz er nider lît. / swenn ein man sînen muot / ie hôher hebt an übermuot, / so er ie verrer ist von got / nidere durch sîn gebot Thomasin von Zerklære: Der welsche Gast, 10626-1042. - (S) Hoffart thet nie keyn gut. Hoffart und ubermut ist alle zeit von anbegyn der welt hochlich gestraffet worden/ also daß/ was sich auß eynem ubermut uber ander leutte erhebet/ das muß herunder/ es geschehe uber kurtze oder uber lang. Hoffart stieß die edelste creatur/ den Engel Lucifer auß dem hymel. Adam unnd Eva auß dem Paradeiß/ die Juden auß iren knigreichen und herschafften/ Die Rmer von lande und leutten. [...] Freydanck sagt/ Wer fliegen will der flige also/ Weder zu nider noch zu hoh/ Daß yhm zuletzt nit geschehe alsus/ Als Phaeton und Icarus/ Von hoffart ward der erste fal/ Der ye von hymel fiel zuthal Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 50 (S. 41, Z. 6-25). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Contritionem praecedit superbia, / Et ante ruinam exaltatur spiritus Prv 16, 18. - Hoffart geht fur dem verderben her, Und stoltzer mut fur dem fall Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 52). Œ Er 980; 1229 Œ Lan 7395 Œ Cr 3819; 22353 Œ Gar 2756; 6357; 7007 Œ Tan 6730 Œ Mel 6566; 8014 Œ Wigm 5980 Œ Gau 1314 Œ Pz 472,17; 473,4 Œ JT 1923,2 Œ GTr 7080; 7227. Literatur: Friedrich s.v, hôchmuot, S. 224. TPMA IV s.v. HOCHMUT 5.1.2. Hochmut fällt (bringt zu Fall). Thomas 2005, S. 91.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) „[…] f(r war ich hiut erstirbe, / oder ich gerite iu so vor / daz min pris vil hohe enbor / m)z vor iwerm prise sweben. / ich will iu die lere geben / und nach dem prise zeigen: / ez sterbent nit wan die veigen.“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 8294-8300.

2312; *2295; *6838.

270

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

10224 owê und wol dir, Minne! du twingest die küniginne gelîch der vil armen diet. dîn kraft nie niht underschiet dune zügest ez gar in dîn gebot. du kanst in ernest und in spot twingen allez daz du wil.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler kommentiert die Nachricht über den Tod Amires und Liameres (Heerzug gegen Lion).

S 10224: Minne] liebe. S 10225: twingest die] entbingst deu. A 10230: Twingest swaz du.

Paraphrase

Die Liebe bezwingt jeden.

zu: 10224

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Verwendung: - (E) ich wane der christen nit / uns uil harte gewerre. / idoch sage ich dir, herre: / wir sculn bi dir ersterben / oder din ere erweruen. / wirne sculn nicht entwiche / sunter froliche / uon dem wige scaiden. / hi nerstirbet nimen wan di uaigen / Amhoch den uan nam: / im uolgoten zehenzec tusent man, / mit allem gerechte Pfaffe Konrad: Rolandslied, 8394-7405. - (E) „Daz wer et wir mit swerten“, sô sprach Gêrnôt. / "dâ sterbent wan die veigen: die lâzen ligen tôt./ dar umb ich niht vergezzen mac der êren mîn. / die unsern vîande suln uns willekomen sîn." Nibelungenlied, 150, 1-4. - (E) Dô sprach ein wert wîser man / „juncfrowe, des müest wir laster hân, / gegbt ir iuch unbetwungen. / manegen ritter jungen / habt ir und liute volle kraft. / wir suln unser ritterschaft / volfüeren und erzeigen. / ez geligen doch niur die veigen. / wir wellen unser heil versuochen […].“ Ulrich von Etzenbach: Alexander, 23835-23842. - (E) die cristen wurden alle dô / von deme strîte gar unvrô. / die rede lâze wir nû wesen. / der veigen mac keiner genesen Livländische Reimchronik, 6095-6098. - (L) Das er oft ainen sterben ltt / Vnrechtes tods in Jungen tagen. / Darumb chain manhait sol verzagen, / W man keckhait sol erzaigen, / Wann es sterben nur die faigen, / Die auch dahaym solten sterben. / Chain man mag preis erwerben, / Der den leib nicht wagen wil Hätzlerin: Liederbuch, 2, 2, 220-227. Œ Iw 1298 Œ Lan 1612 Œ Cr 20679 Œ Gar 8087; 13115 Œ JT 1936,4 Œ UTr 2308. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA XI s.v. TOD 4.1.3. Es sterben nur die Todgeweihten [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Sterben, Nr. 92. Schröder 1986, S. 248.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) Nun hon ich mir gedacht syder, / Das Liebe alle ding betzwingt / Und dasselb herwider pringt, / Es sey frawen oder man Suchenwirt, 46, 150-153. Verwendung: - (L) “[…] non illum nostri possunt mutare labores, / nec si frigoribus mediis Hebrumque bibamus / Sithoniasque niues hiemis subeamus aquosae, / nec si, cum moriens alta liber aret in ulmo, / Aethiopum uersemus ouis sub sidere Cancri. / omnia vincit Amor: et nos cedamus Amori.” Vergil: Eclogen, X, 64-69. - (E) umbe di minne ist iz aver sô getân: / da nemac niht lebentiges vor gestân Kaiserchronik, 4607f. - (E) kain macht gesigt mir an, / als manger dir hät getön. / ich bin yederman berait, / so bistu mangem versait, / der dich, Pfenning, nit hät / und dient mir fr( und spät. / […] / dar umb soltu mir billich wichen. / daß t), so gang ich min fart. / wan es ist ain alt gespröchen wort: / lieb (berwint alle ding Der elende Knabe: Minne und Pfennig, 63-75. - (G) minne gewinnit alliz daz si gewinnin wil; ur inist nicht zu ture ere noch guit noch alliz daz in himmele ist, und joch Got selber. Augustinus: ‚daz allewis unmugilich ist, daz ist der minne muglich zu gewinnene.‘ ‚minne‘, sprichit der wise man, ‚ist ein uberwindinde craft, di da uberwindit alliz daz si will.‘ Giselher von Slatheim, S. 89, Z. 6-10. - (S) AMOR OMNIA UINCIT. / Die lieb th)ts alles. / Die lieb (berwindt alle ding Franck: Sprichwörter, I, 10r (S. 30, Z. 23-25). Œ Er 3694 Œ Lan 4851 Œ Cr 8106; 8334 Œ Tan 829 Œ Mel 1378.

271

Querverweise

272

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

10231 dîn ende daz treit jâmers vil: den tôt er nâch im ziuhet.

10252 swer nû wâre minne treit und triuwe, der ist vil manges spot.

10463 wan dem herzen niemen kan sô herzenlîche vreude geben als der reinen wîbe leben.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kommentiert die Nachricht über den Tod Amires und Liameres (Heerzug gegen Lion).

A 10231: Din ende treit endes iamers vil.

Liebe endet mit Leid und Tod.

Der Erzähler kommentiert die Nachricht über den Tod Amires und Liameres (Heerzug gegen Lion).

10252: minne] lieb S. libe l. M 10253: triuwe] mynne. M S k l 10253: vil fehlt. 10253: manes S. maches l.

Häufig wird der verspottet, der aufrichtig liebt.

Der Erzähler hebt die Trauer um Liamere hervor (Heerzug gegen Lion).

S 10463: here. k 10463: gan. A C 10464: So fehlt. S 10465: rain weib.

Nichts erfreut so sehr wie vorbildliche Frauen.

zu: 10231, 10252, 10463

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

273

Querverweise

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA VII s.v. LIEBE 1.3.6. Liebe besiegt (bezwingt) alles und alle. Walther, Nr. 990. Lienert 1997, S. 270. 3570-3575; 76017623; 7673-7682; 7723-7736; Formulierungstradition: - (D) Sal. Von minnen lidet mancher not, / Daz er lit krank biz in den dot / Mar. Ein liep wip *7749; *7784; 7878-7883; uff der ziechen / hat balde genert den siechen Salomon und Markolfus, 573-576. - (E) Wer nach wîbes minne / Stellet sine sinne, / Den lerett sy verderben, / Minne lerett sterben *9417; 99699976; 9991-9997; Göttweiger Trojanerkrieg, 23952-23955. 10127-10132; 10209-10218. Verwendung: - (E) Groß not ich durch lieb gelitten han: / Deß gibt sy hwt mir j merigen lon. / Der lieb anfang was sieß behennd, / Sur und bitter ist der lieb ennd Friedrich von Schwaben, 7211-7214.

Anspielung auf eine Sentenz

Œ Cr 8102. Literatur: Friedrich s.v. minne, S. 296. TPMA VII s.v. LIEBE 1.6.8.3. Liebe bringt Krankheit und Tod.

Sentenz

Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. 879-884; 970974; 2091-2095; *2097; *2388; Formulierungstradition: - (D) Durch fröude frouwen sint genant: / ir fröude erfröuwet alliu lant; / wie wol er fröude 2687-2692; *5477; 8884erkande, / der s‘ êrste frouwen nande! Freidank, 106, 4 - 106, 7. - (L) Wîb ist ein gâb der fröuden, / diu alle fröud bekr#net, / von der ist wol zu göuden / diu ir 8887; 9441f; pris, ir wîplîch êre nicht verh#net. / Ez hât ein wîb nicht bezzers dann ir êre; / wirt diu an ir *9698; 9743f.; 10603-10605. verkêret, / wie sol ein man sich an ir fröuwen mêre? Hadamar von Laber: Jagd, 722, 1-7.

Sentenz

Verwendung: - (D) Sun, wiltû zieren dînen lîp, / sô daz er sî unvuoge gram, / sô minne und êre guotiu wîp, / der tugent uns ie von sorgen nam. / si sint der wunne ein bernder stam, / dâ von wir alle sîn geborn. / er hât niht zuht noch rehter scham, / der daz erkennet niht an in: / der muoz der tôren einer sîn, / und hete er Salomônes sin Winsbeckin, 11, 1-10.

274

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle

10542 daz sî iu allen samt geseit: daz ungeslähte treit übermuot.

10805 angenomen milte schiere zergêt. seht wie daz mülrat gestêt swenne ez niht snelles wazzers hât!

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler rechtfertigt Laries kostbare Ausstattung auf dem Kriegszug gegen Lion (Heerzug gegen Lion).

S 10543: unslecht tret hohn muot.

Gewöhnlichkeit bringt Hochmut mit sich.

Der Erzähler lobt die Großzügigkeit Elamies (Heerzug gegen Lion).

10805: milte] die werlt M. fehlt k.

Vorgetäuschte Großzügigkeit ist nicht von Dauer.

zu: 10542, 10805

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

275

Querverweise

- (L) Junger man, wis hôhes muotes / dur diu reinen wol gemuoten wip, / fröwe dich libes unde guotes, / unde wirde dinen jungen lîp. / Ganzer fröide hâst dû niht, / sô man die werdekeit von wîbe an dir niht siht. // Er hât rehter fröide kleine, / der sî von guoten wîben niht ennimt Walther von der Vogelweide, 61, I, 1 - II, 2 (L 91, 17-24). - (L) Diu hohe fröide an wîben lit, / dâ von sich h#het mannes muot. / zer werlte wart nie niht so guot, / sô daz den herzen fröide gît. / daz tuot sô volleclîche niht, / als ich die besten h#re jehen, / sô tugende gernder wîbe lîp. / mag ieman frô sîn âne wîp? / ze rehte des kan ich niht spehen Der von Obernburg KLD 40, 4, 1, 1-9. - (E) Wol im, dem ein reinez wîp, / Bewart guot, êre, sêle und lîp! / Der sol got loben von herzen grunde, / von sinnen, von kreften, von süezem munde / Und immer im gerne sagen danc, / Wenne ez sprach her F r î d a n c: / ‚Von fröuden frouwen sint genant, / Wenne die gefröuwent elliu lant. / Wie wol er fröude erkante, / Der frouwen von êrste sie nante!‘ / Swer ir tugent erkennen kan, / Sô sint si tiurre denne die man: / Si schement sich maniger missetât, / .f die ein man niht ahte hât. / Man sol irre tugent nehmen war, / Ir dinc sol nieman wizzen gar. / Sölte êwigiu fröude âne frouwen sîn, / Sô hête der engel der künigîn / Niht gesegent ir kindelîn / Daz si gebar âne alle pîn, / Und magt noch ist und magt dô was / Dô si des selben suns genas, / Und reiniu magt sol immer sîn / Und aller meide spiegel schîn Hugo von Trimberg: Der Renner, 13069-13092. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Mulier fortis oblectat virum suum Sir 26, 2. - Ein heuslich weib ist jrem manne eine freude Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 216). Œ Cr 231; 13886; 29989 Œ JT 1990,4. Literatur: Mone 1830, S. 203 [führt diese Textstelle an]. TPMA III s.v. FRAU 3.1.5. Die (gute und schöne) Frau ist der Inbegriff und die Quelle der Freude (für den Mann).

Sentenz

Literatur: Lienert 1997, S. 270: „Binsenweisheit“. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Lienert 1997, S. 269: „Moralisatio“. Mone 1830, S. 204 [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Gabe, Nr. 3.

*2672; *6471; *7960; *10087; *10512.

276

2.4 Wirnt: Wigalois

Textstelle 11529 swer herzelîche minnet got, der ist behalten hie und dort.

Kontext Gawein gibt Wigalois Ratschläge mit auf den Weg (Einkehr am Artushof).

Überlieferung

Paraphrase

B M S k l 11529: Wer Gott liebt, der Wer. wird überall be11529: herzelîche] schützt. minneclichen C. von herzenleichen M. von herczen S. l S 11529: minnet] libet.

277

zu: 11259

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz Formulierungstradition: - (E) nurâ jungelinge, / gedenkit an die vromigheit / und lât ûch die bôsheit wesin leit! / swer gôt von herzen minnet / und nâch den êrin ringet, / dem volgit selden unheil. / ouch mag her wol sîn teil / gewinnen, al des er bedarf. / ôwol in daz er î wart! / Swer bedirwe und getrûwe ist / unde dan wîse list / mit setin an sîme herzin hât, / der mag des habin gûtin rât, / ab in die bôsen nîden Eilhart: Tristant, 3110-3123. Verwendung: - (G) Der Gote getrúuuet . den scírmet oûh Got. Der aber ubermuôte ist . unde sih ze ímo selbemo fersiêhet . der fállet Notker III. von St. Gallen: Psalter II, Ps. 90,1. - (S) Semper in extremis bene erit dominum metuenti Egbert von Lüttich: Fecunda ratis I, 556. - (E) iuh en darf sin nicht wunder nemen: / swer sich gote wil ergeben, / dem nelat er an nihte misse gan. / des wir gut urchunde han: / Gedeon het driu hundert man, / di er zedem wazzer uz nam / ane allerslachte wicwer: / er uerswant ain vil michel hêr / ane stich unt ane slâc. / ia iageter si allen ainen tac / mit prinnenten oluazzen: / si ertrancten sich selben in dem wazzer Pfaffe Konrad: Rolandslied, 5010-5020. - (E) wan im nimer missegât / der sich ze rehte an in verlât Hartmann: Gregorius, 697f. - (D) swer ze sînem jungesten tage lât, / daz er sîn sünde niht gebüezet hât, / der muoz durch vorht di bîhte hân / dier durch minn solt hân getân. / swer dienet got durch vorhte und minne, / der hât tugende unde sinne / und ist gar gotes kint. / sô wizzet daz die schalke sint, / swer tuot sîne bîhte niht / niwan swenn er den tôt siht Thomasin von Zerklaere: Der Welsche Gast, 83338342. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Qui sperat in Domino sublevabitur Prv 29, 25. - Wer sich aber auff den HERRN verlesst, wird besch(tzt Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 96). Œ Loh 6413. Literatur: Fasbender 2010, S. 123: „höfische Lebenslehre“; S. 141: „Gaweins Tugendlehre“. Wirnt: Wigalois (Seelbach), S. 315: „kleine Fürstenlehre“. TPMA V s.v. GOTT 32.5. Wer sein Vetrauen und seine Hoffnung auf Gott setzt (Gott liebt, fürchtet, ihm dient), dem ergeht es gut (der wird von Gott nicht verlassen) [führt diese Textstelle an]. Wander II s.v. Gott, Nr. 650. Zingerle s.v. GOTT, S. 59 [führt diese Textstelle an]. Mertens 1990, S. 88.

Querverweise *1618.

278

2.4 Wirnt: Wigalois

Auswertung Im Vergleich mit Hartmanns ›Erec‹ und ›Iwein‹ erweist sich die Verwendung proverbialer Redeformen im ›Wigalois‹ sowohl mit Blick auf die sprachstilistische Präsentation als auch die narrative Funktionalisierung weniger differenziert. Das bedeutet aber nicht, daß Sentenzen und Sprichwörter von geringerem Interesse für die Erzählpoetik des Romans sind oder ohne Belang für die Prozesse der narrativen Sinnbildung bleiben. Die Reduktion sprachlicher wie funktionaler Vielfalt steht vielmehr im Zeichen einer konsequenten Ausrichtung proverbialer Rede auf eine positiv bestätigende Darstellung des Helden. Sehr deutlich zeigt sich dies in einer Reihe intertextueller Übernahmen von Sentenzen und Sprichwörtern aus den Romanen Hartmanns, bei deren Integration problematisierende Aspekte der Prätexte gezielt ausgeblendet werden. In diesen Zusammenhang gehören zudem intratextuelle Paar- und Reihenbildungen, die die heterogenen Erzählwelten, in die Wigalois gelangt, verklammern, indem die Aufgaben, die sich ihm stellen, jeweils auf ganz ähnliche Grundmuster zurückgeführt werden. F r e q u e n z : Im ›Wigalois‹ verteilen sich insgesamt 78 Sentenzen und Sentenzanspielungen auf 11708 Verse, durchschnittlich tritt also alle 150 Verse ein Beleg auf. Sieht man nur die 49 Vollsentenzen (darunter 7 Sprichwörter), so liegt die Frequenz bei einem Beleg auf 239 Versen. Sentenzen und Sprichwörter sind zwar über den gesamten Text verteilt, allerdings häufen sich in den folgenden fünf Passagen die Belegstellen: (1)

Prolog: 20; 64; 75; 82; 94; 101; 118; 120.

(2)

Wigalois Kindheit: 1334; 1338; 1358; 1408.

(3)

Kampf mit dem Roten Ritter: 2772; 2775; 2813; 2841; 2871; 2879; 2880; 2883; 2885; 2922; 2953.

(4)

Wigalois am Schwertrad: 6834; 6839; 6874; 6882.

(5)

Japhites Trauer: 7749; 7762; 7782; 7784.

Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden folgende in der Forschung als sentenzhaft oder sprichwörtlich klassifizierte Stellen: 90: Mone 1830, S. 203. 112: TPMA IX, S. 40, Nr. 92; Zingerle, S. 111. 486: TPMA IX, S. 275, Nr. 28. 738: Mone 1830, S. 203. 1044: Zingerle, S. 57. 1265: Mone 1830, S. 203. 2104: Mone 1830, S. 203. 2146: Mone 1830, S. 203. 2378: Mone 1830, S. 203. 2378: Mone 1830, S. 203. 2384: Mone 1830, S. 203. 2708: Mone 1830, S. 203. 2779: Mone

Auswertung

279

1830, S. 203. 2846: Mone 1830, S. 203. 2850: TPMA XII, S. 9, Nr. 151. 2853: Mone 1830, S. 203; Zingerle, S. 124. 2956: Mone 1830, S. 203. 2961: Mone 1830, S. 203. 2964: Mone 1830, S. 203. 3293: Mone 1830, S. 203. 3570: Mone 1830, S. 203. 3679: Mone 1830, S. 203. 4244: Mone 1830, S. 203. 4244: Mone 1830, S. 203. 4248: Mone 1830, S. 203. 4259: Mone 1830, S. 203. 4264: Mone 1830, S. 203; TPMA X, S. 37, Nr. 190. 5154: Mone 1830, S. 203. 5308: Mone 1830, S. 203. 5311: Mone 1830, S. 203. 5395: Mone 1830, S. 203. 5397: Mone 1830, S. 203. 5400: Mone 1830, S. 203. 5403: Mone 1830, S. 203. 5408: Mone 1830, S. 203. 5410: Mone 1830, S. 203. 5474: Mone 1830, S. 203. 5478: Mone 1830, S. 203. 5505: Mone 1830, S. 203. 5756: Mone 1830, S. 203. 6194: Mone 1830, S. 203. 6338: TPMA I, S. 476, Nr. 54. 7876: Mone 1830, S. 203. 7284: Mone 1830, S. 203. 7562: Mone 1830, S. 203. 7661: Mone 1830, S. 203. 7750: Mone 1830, S. 203; TPMA VII, S. 439, Nr. 721; Zingerle, S. 88. 8054: Mone 1830, S. 203. 8444: TPMA XIII, S. 353, Nr. 16. 9528: Mone 1830, S. 203. 9702: Mone 1830, S. 203. 9704: Mone 1830, S. 203. 9708: Mone 1830, S. 203. 9863: Mone 1830, S. 203; TPMA X, S. 25, Nr. 15. 10233: Mone 1830, S. 203. 10235: Mone 1830, S. 203; TPMA VI, S. 351, Nr. 57; Zingerle, S. 181. 10291: Mone 1830, S. 203. 10293: Mone 1830, S. 203. 10302: Mone 1830, S. 203. 10459: Mone 1830, S. 203. 10461: Mone 1830, S. 203. 10466: Mone 1830, S. 203. 10469: Mone 1830, S. 203. 10471: Mone 1830, S. 203. 10536: Mone 1830, S. 203. 10538: Mone 1830, S. 203.

Eine systematische Auseinandersetzung mit den Sentenzen und Sprichwörtern des ›Wigalois‹ unter philologischen, sprachstilistischen oder narrativen Gesichtspunkten steht bisher noch aus. Die Frage nach dem Status und der Funktion proverbialer Rede wird bisher allenfalls punktuell im Zusammenhang der anhaltenden Debatte um das Verhältnis von Handlungs- und Diskursebene gestellt.1 Die seit der frühen Forschung immer wieder gemachte Beobachtung, daß die zahlreichen Erzählerkommentare und -reflexionen, Zeitklagen und religiösen Erörterungen des ›Wigalois‹ nur oberflächlich mit der Narration verbunden zu sein scheinen oder gar in Kontrast zu ihr treten,2 hat dabei sehr verschiedene Beurteilungen erfahren. Besonders exponiert wird die These vertreten, die Erörterungen auf der Diskursebene (und mit ihnen dann auch die zahlreichen Sentenzen und Sprichwörter) zielten gar nicht auf eine Erläuterung oder Auslegung des Geschehens, sondern nähmen dieses lediglich zum Anlaß für eine auf die Lebenspraxis der Rezipienten gerichtete Lehre.3 Demgegenüber stehen Positionen, die im Zusammenspiel von Erzählerstimme und Handlungswelt ein Indiz für eine tiefgreifende

___________ 1 2

3

Vgl. z.B. LIENERT 1991, S. 263; BRINKER 1995, S. 89; BEIFUSS 2010, S. 157. So z.B. WEHRLI 1969, S. 226; LIENERT 1991; FUCHS 1997, S. 158 und S. 158, S. 216 und S. 227235. Vgl. den Forschungsbericht bei WENNERHOLD 2005, S. 111-114. WILDT 1953, S. 239; BRINKER 1995, S. 89; HAUG 1984, S. 143; LIENERT 1991; SCHIEWER 1993; FASBENDER 2010, S. 143 und S. 183.

280

2.4 Wirnt: Wigalois

Skepsis gegenüber4 oder eine produktive Auseinandersetzung mit5 dem Normendiskurs früherer Artusromane erkennen. Gerade solche Überlegungen zum Traditionsbezug und Werteverständnis des ›Wigalois‹ könnten und müßten durch eine eingehende Beschäftigung mit den proverbialen Redeformen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Im Vergleich mit früheren Texten der Romantradition wäre zu klären, welche spezifischen Interessen und literarischen Verfahrensweisen sich im Umgang mit Sentenzen und Sprichwörtern dokumentieren. Erst vor diesem Hintergrund ließe sich dann die häufig gestellte Frage nach der Pragmatik des Textes sinnvoll anschließen. S p r e c h e r : Mit 63 von insgesamt 78 Belegstellen sind Sentenzen und Sprichwörter im ›Wigalois‹ mit sehr viel höherer Frequenz in die Reden des Erzählers inseriert als in die der Figuren. Proverbiale Rede ist also, so markant wie in keinem anderen Artusroman, ein Merkmal der Erzählerstimme. Die wenigen Belege, die sich in Gesprächen und Reflexionen der Figuren finden, sind auf vergleichsweise viele Sprecher verteilt. Ihrer Bedeutung für den Handlungsverlauf entsprechend werden dabei Wigalois (5), Gawan (3) und Florie (2) am häufigsten Proverbien zugewiesen. Eine Besonderheit ist der sprechende Papagei, der bei seiner Begrüßung Elamies ein Sprichwort verwendet (2772). V e r w e n d u n g : Auch wenn im ›Wigalois‹ Proverbien nur sehr vereinzelt in die Reden der Romanfiguren inseriert sind, zeichnen sich spezifische Verwendungsweisen ab. Zwei typische Situationen sind dabei von besonderer Bedeutung: In konfliktgeladenen Auseinandersetzungen wird der autoritative Gestus proverbialer Rede genutzt, um die eigene Position zu markieren und zu behaupten (1358; 2772; 2813; 2922; 7960; 9912; 10087; 10201), in krisenhaften Momenten dient proverbiales Wissen der Reflexion des Geschehenen und der eigenen Vergewisserung (1334; 1338; 5808; 6834; 6839; 9658). Damit orientieren sich die intra-

___________ 4

5

FUCHS 1997, S. 216 und S. 227-235 sieht in dem Umstand, daß im Handeln des Helden die Ethik der höfischen Literatur und Gesellschaft dispensiert sei, der Erzähler aber gleichwohl an derselben festhalte, die Möglichkeit kultureller Normvermittlung und Konsensualisierung angesichts herrschender Praxen der Machtausübung im 13. Jahrhundert hinterfragt. SEELBACH/SEELBACH erkennen im ›Wigalois‹ einen Gegenentwurf zur Problematisierung von Normen bei Hartmann und Wolfram. Anders als in den früheren Werken fokussierten hier weder die Handlung noch die Kommentare dilemmatische Situationen oder Aporien der Entscheidungsfindung einzelner Figuren. Stattdessen sei der Versuch erkennbar, eine wesentlich konsistentere, konsequent auf das Ideal des christlichen Herrschers ausgerichtete Wertewelt zu entwerfen (Wirnt: Wigalois, S. 278-280).

Auswertung

281

diegetischen Verwendungsweisen von Sentenzen und Sprichwörtern in den Figurenreden des ›Wigalois‹ an den Romanen Hartmanns, wo ganz ähnliche situative Kontexte proverbialer Rede vorherrschen. Allerdings lassen sich innerhalb dieses Rahmens deutliche Unterschiede erkennen. So stehen die Sentenzen und Sprichwörter in Streitgesprächen weniger im Dienste einer agonalen Dialogführung und Rhetorik, als daß sie Positionen pointieren, die innerhalb der erzählten Welt durchaus konsensfähig sind. Dies zeigt sich z.B., wenn Graf Adan die Rechtmäßigkeit von Wigalois’ Sieg über den Teufelsbündler Roaz bestätigt, indem er diesen der Selbstüberhebung beschuldigt (7960). Die Hofdamen, die in ihrer Trauer um den Herrscher und die ihm nachgestorbene Ehefrau gerade noch im Begriff waren, den vor Erschöpfung ohnmächtig am Boden liegenden Wigalois zu meucheln, lassen nicht nur von ihm ab, sondern begeben sich auch sogleich in seinen Dienst. Ein vergleichbares Verfahren läßt sich auch beobachten, als Gawein Wigalois mit Nachdruck auffordert, unverzüglich gegen Lion zu Felde zu ziehen (9912). Damit tritt er zwar dem Rat der Fürsten entgegen, in Anbetracht der militärischen Stärke Lions zunächst Verbündete zusammenzuziehen, doch hat Wigalois bereits im Vorfeld des Fürstenrates klar zu erkennen gegeben, daß er unbedingt gewillt ist, den Mord an Amire und die Entführung Liameres umgehend zu rächen. Insofern formuliert Gawein an dieser Stelle nur eine Position, die dem herrschenden Tenor ohnehin entspricht. Eine vergleichbare Tendenz zur Entschärfung oder Entproblematisierung proverbialer Rede läßt sich auch in den Reflexionen der Figuren beobachten. Wenn sich Florie in ihrer Klage um den Verlust Gaweins an Gott wendet, dem allein es möglich sei, in das Innere der Menschen zu sehen und der über die Geschicke aller Menschen verfüge (1334; 1338), sind sowohl mit Blick auf den situativen Kontext wie die Formulierung deutlich Anklänge an Enites Totenklage (Er 5803) zu erkennen. Im Vergleich erscheinen die Folgerungen, die Florie aus diesen Glaubenssätzen zieht, aber deutlich weniger brisant als die Enites. Während diese in zuspitzender Argumentation für sich das Recht einfordert, Erec nachsterben zu dürfen, bittet Florie lediglich um die Aussicht, Gawein eines Tages wieder zu sehen. Dabei hinterfragt sie weder das Wirken Gottes, noch bezweifelt sie die triuwe Gaweins, der sie bereits kurz nach der Hochzeit verlassen hat. Auch bei Wigalois’ Erwachen aus seiner Ohnmacht nach dem Kampf gegen den Drachen Pfetan, stellt ein Proverbium einen intertextuellen Bezug her, diesmal zu Hartmanns ›Iwein‹. Beide Helden finden sich nach einer Zeit des Kontrollverlusts nackt im Wald wieder und halten ihre frühere Existenz für einen Traum (Iw 3547; Wig 5808). Abermals zeigen sich allerdings trotz deutlicher Analogien in

282

2.4 Wirnt: Wigalois

der kontextuellen Situierung wie in der Formulierung gravierende Unterschiede mit Blick auf die Situationsdeutung, die durch die proverbialen Rede vorgenommen wird, darauf hat die Forschung mit Nachdruck hingewiesen.6 Während die Reflexion über sein früheres Leben bei Iwein die schrittweise Überwindung einer tiefen Entfremdung von der eigenen Lebensform einholt, hat Wigalois lediglich wegen einer im Kampf erfahrenen Verletzung vorübergehend seine Erinnerung verloren. Anders als in den Artusromanen Hartmanns wird proverbiale Rede im ›Wigalois‹ an kaum einer Stelle genutzt, um die Standpunktabhängigkeit oder Subjektivität der Positionen einzelner Figuren aufzudecken. Ganz im Gegenteil scheint der Gebrauch von Sprichwörtern und Sentenzen in den Figurenreden insgesamt in sehr viel höherem Maße als im ›Erec‹ oder ›Iwein‹ affirmativ auf den (durch einen göttlichen Heilsplan vorgezeichneten) Weg des Helden bezogen zu sein. Dies gilt nicht nur, wenn die Rechtmäßigkeit von Wigalois Ansprüchen explizit durch andere bestätigt wird (2772; 7960), sondern auch dann, wenn Ratschläge an ihn nur unterstreichen, was ohnehin seinem Habitus entspricht (9912; 11529), oder wenn sein Handeln (bzw. das Handeln seines Vaters) nicht problematisiert wird, obwohl dies nahezuliegen scheint (1334; 1338). In diesen Zusammenhang gehört es auch, daß sich Wigalois in scheinbar ausweglosen Situationen der Gnade und Hilfe Gottes gewiß ist (2922; 6834; 6839). Auch die ungleich zahlreicheren Sentenzen und Sprichwörter in den Kommentaren und Reflexionen des Erzählers dienen zum größten Teil dazu, die Vorzüge des Helden zu exponieren und dessen Handeln als beispielhaft zu herauszustellen (1243; 1408; 1618; 2030; 2097; 2953; 3037; 3836; 6882). Ganz ähnlich wie im Bereich der Figurenrede lassen sich auch hier Verfahren einer eher entproblematisierenden Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern beobachten. So hebt etwa der Hinweis des Erzählers, Wigalois habe bei seiner ersten Begegnung mit Larie den Verstand verloren (4156) lediglich den Beginn einer Liebe hervor, die aber im weiteren Handlungsverlauf gerade keine negativen Folgen für den Helden hat. Die noch bei Hartmann mit dem Proverbium verbundene kritische Bewertung der Liebe, deren außerordentliche Macht selbst vorbildliche Menschen zu fragwürdigen Handlungsweisen verleitet, wird konsequent abgewiesen. Weder der Graf, der affiziert durch Enites Schönheit zu einer Entführung bereit ist (Er

___________ 6

Vgl. u.a. FUCHS 1997, S. 147-154 sowie den Forschungsbericht bei WENNERHOLD 2005, S. 101104.

Auswertung

283

3691), noch Iwein, der ungeachtet größter Gefahren für sein eigenes Leben beschließt, die Witwe des eben erst von ihm getöteten Herrschers zu heiraten (Iw 1335), bieten nämlich eine adäquate Vergleichsfolie für Wigalois, dessen Liebe zu Larie seine Motivation für die ihm gestellten gesellschaftlichen Aufgaben nicht etwa mindert oder blockiert, sondern größer werden läßt. Auf den ersten Blick erklärungsbedürftig erscheint, daß der Erzähler nicht nur das Handeln des Protagonisten mit positiven Kommentaren versieht, sondern auch dessen Gegner oft eindringlich lobt (2841; 2871; 2879; 2880; 2883; 2885; 5470; 5477; 5691; 5694; 7762). Besonders auffällig ist dies im Falle des Roten Ritters, dessen Tüchtigkeit mit einigem rhetorischen Aufwand in Szene gesetzt wird, obwohl der Erzähler bereits bei der Einführung der Figur die Selbstüberhebung als disqualifizierendes Merkmal benennt (2672) und damit letztlich auf die unausweichliche Niederlage gegen Wigalois vorausdeutet. Die relativ große Aufmerksamkeit, die der Erzähler dem Roten Ritter zukommen läßt, dokumentiert aber kein tieferes Interesse an dieser Figur. Vielmehr ist auch hier das Erzählen auf den Weg des Helden fokussiert. Mit dem Roten Ritter wird Wigalois ein Gegner an die Seite gestellt, der ihm in den Anforderungen der ritterlichen Kampfkultur ebenbürtig ist. Was ihn jedoch disqualifiziert, ist die hochvart, der Wigalois entgegentritt, indem er sein Geschick in die Hände Gottes legt (2922). Eine ähnliche Konstellation wiederholt sich am Ende des Romans. Auch Roaz von Glois, der als Teufelsbündler kaum geeignet scheint, moralische Werte zu demonstrieren, erfährt mit Blick auf seine Liebesfähigkeit eine Würdigung (7749; 7782; 7784; 8036), die die Klagen um ihn rechtfertigt und ihn zumindest in diesem Punkt Wigalois ähnlich werden läßt (7581). Disqualifizierend ist wieder die hochvart, im Sinne einer Selbstüberhebung gegenüber dem göttlichen Heilsplan, als dessen Vertreter Wigalois agiert. Wie schon in den Romanen Hartmanns und Wolframs werden auch in Wirnts ›Wigalois‹ Sentenzen und Sprichwörter innerhalb des Textes miteinander verknüpft. Solche intratextuellen Paar- und Reihenbildungen dienen insbesondere dazu, verschiedene Situationen und Vorgänge der Handlungswelt in Bezug zueinander zu setzten und auf die gleichen als regelhaft gedachten Erfahrungen zurückzuführen (z.B. daß Gott die Gerechten unterstützt: 2772; 2922; 9912 oder daß die Menschen der Macht der Liebe hilflos ausgeliefert sind: 7782; 10224). Dabei geht es allerdings nicht darum, den lehrhaften Gehalt des Werkes betont auszustellen, um besonders nachhaltig auf die Rezipienten zu wirken, wie dies

284

2.4 Wirnt: Wigalois

verschiedentlich in der Forschung angenommen wurde.7 Vielmehr werden die Herausforderungen der Handlungswelt, in der Wigalois sich bewegt, in wenigen typischen Konstellationen repräsentiert, auf die der Held dann entsprechend in immer ähnlicher Weise reagiert. Anders als beispielsweise im ›Iwein‹ arbeitet der Text so nicht an einer multiplen Erzählwelt, in der bestimmte Themen und Fragestellungen in wechselnden Perspektiven und Sichtweisen gebrochen und korreliert werden, sondern an der narrativen Konstruktion eines Raumes, der höchst unterschiedliche Schauplätze miteinander verbindet, die bei aller Heterogenität die gleichen oder doch sehr ähnliche Problemkonstellationen aufweisen. Die der höfischen Sphäre zugehörige Nereja zeigt sich in ihrem Verhalten Wigalois’ gegenüber letztlich genauso durch Gaben und Geschenke beeinflußbar wie das im Wald lebende Fischerehepaar (3280; 3283; 5691; 5694). Der Rote Ritter, als eigentlich vorbildlicher Vertreter der höfisch-ritterlichen Kultur, macht sicher in ganz ähnlicher Weise der Selbstüberhebung schuldig wie das fernab jeder Zivilisation hausende Waldweib Ruel, der heidnische Teufelsbündler Roaz und der mächtige Herrscher Lion (2672; 6471; 7960; 10087). Insgesamt hat die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern im ›Wigalois‹ also Figuren- und Erzählerrede übergreifend das Ziel, den Weg des Helden aus verschiedenen Perspektiven bestätigend und positiv verstärkend zu begleiten. Anders als in der Forschung häufig konstatiert,8 bezieht sich proverbiale Rede in beinahe allen Fällen unmittelbar auf die Handlung und trägt damit zur narrativen Sinnbildung des Romans bei. Eine auf die Lebenswelt der Rezipienten und deren Bedürfnisse ausgerichtete Didaxe (z.B. im Sinne eines Fürstenspiegels) ist – zumindest in der Funktionalisierung proverbialer Redeformen – nicht zu beobachten, auch wenn die Sentenzen und Sprichwörter des Prologs dies zunächst nahe zu legen scheinen. Ü b e r l i e f e r u n g : Im Vergleich mit anderen höfischen Romanen wird die handschriftliche Überlieferung des ›Wigalois‹ zu recht als „in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich“9 bewertet: Sie bietet nach Wolframs ›Parzival‹ die meisten Textzeugen, setzt früh – wahrscheinlich noch zu Lebzeiten des Autors – in zeitlicher wie räumlicher Nähe zur Entstehung des Textes ein und konzentriert sich dabei stark auf das 13. Jahrhundert, und zusätzlich weist sie noch die Besonderheit auf,

___________ 7 8 9

Vgl. zuletzt BRINKER 1995, S. 89. Vgl. oben Anm. 2. FASBENDER 2010, S. 31.

Auswertung

285

daß von den insgesamt dreizehn Vollhandschriften neun Wirnts Roman nicht im Rahmen einer Sammlung, sondern als Einzelwerk präsentieren. Allerdings ist die ›Wigalois‹-Überlieferung nicht so aufbereitet, wie man es nach heutigen Kriterien erwarten könnte, da der Lesarten-Apparat der maßgebenden Edition nicht immer leicht zu benutzen ist und die handschriftlichen Zeugnisse nur in zwei Fällen – dem des in New Haven aufbewahrten Fragments der frühen Handschrift E10 und der späten Dresdener Handschrift U11 – als Volldigitalisate zugänglich sind. Für den folgenden Vergleich der Überlieferung wurden daher der Apparat der ›Wigalois‹-Ausgabe KAPTEYNS sowie die von SEELBACH und SEELBACH notierten Abweichungen (Wirnt: Wigalois) berücksichtigt. Ergänzend ist die Überlieferung anhand von Mikrofilmaufnahmen der insbesondere auch für die Textherstellung wichtigen Handschriften A und B überprüft worden. In diesem Rahmen ist der Vergleich insbesondere bei den Handschriften A, B, C, k, l, L, M, S ergiebig. So erweist sich die Überlieferung hinsichtlich der in A und B nachweisbaren Proverbien als höchst stabil und zuverlässig. Nicht nur ist der Textbestand weitgehend identisch, auch die Textvarianz bewegt sich in engen Grenzen, wie – beispielhaft – in 20 (A Swer, B Wer; A Triwe, B Truլ we; A vnt, B vnd) und 64 (A der al der werlde gĤtes enban, B der al der werlt guլ tes erban; A heizer in siner arke / vil vaste besliezen, B heizet in siner arke / vil vaste besleizen; A geniezen, B gheniezen; A er en wellez, B Ern wollez), aber auch 922 (A von, B van) und 945 (A gesellen, B sellen) deutlich wird. Daneben finden sich nur einige kleinere Änderungen und Ersetzungen im Wortlaut, die marginal den Sinn berühren: 101 (B), 118 (B), 1243 (B), 1338 (B), 2097 (B), 5393 (B), 5470 (A B), 5695 (B), 7784 (B), 10231 (A). Auch offensichtliche Fehler und Versehen stellen vereinzelte Ausnahmen dar: 2773 (A: rehtem), 5691 (B: Da selden vrowe bi stet). Durch Verlust einer längeren Textpassage fehlen in A drei von B bezeugte Sentenzen: 7960, 8036, 8282; in B gilt dies für zwei in A überlieferte Sentenzen: 6874, 6882. Profiliertere Sinnverschiebungen sind nur an einer einzigen Stelle zu finden: 7667 (AB). Es braucht nicht unbedingt zu überraschen, daß die Textvarianz in der späteren Überlieferung ersichtlich zunimmt. Daß aber in mehreren der späten Handschrif-

___________ 10

New Haven, Yale Univ., Beinecke Library, MS 481, no. 113, 2. Drittel 13. Jh.; vgl. das Digitalisat unter: http://beinecke.library.yale.edu/dl_crosscollex/getSETS.asp?ITEM=2003694 11 Dresden, SLUB, Mscr. M 219, Mitte 15. Jh.; online unter: http://www.slub-dresden.de /index.php?id=5363&tx_dlf[id]=17638

286

2.4 Wirnt: Wigalois

ten, zumal solchen des 15. Jahrhunderts, der Wortlaut und Sinn der Sentenzen und Sprichwörter durchgehend verändert werden, ist doch als auffälliger Rezeptionsbefund zu werten: C/L, Ende 13. Jh.: 922, 945, 1243, 1358, 1618, 2030, 2097, 2295, 2337, 2388, 2672, 2772, 2775, 2841, 2879, 2885, 3280, 3836, 5306, 5470, 5694 (fehlen), 5776, 5808, 6404, 6471, 6839, 7347, 7581, 7667, 7762, 9912, 11529. k, 1. Hälfte 15. Jh.: 20, 64, 75, 82, 94, 101, 118, 120, 945, 1207, 1338, 1358, 1618, 2030, 2295, 2388, 2672, 2772, 2841, 2883, 3283, 5393, 5470, 5694, 5776 (drei Verse fehlen), 7347, 7667, 7762, 7960, 8282, 9698, 9912, 10087, 10201, 10805, 11529. l, Ende 15. Jh.: 2097, 2337, 2388, 2775, 2841, 2883, 3280, 3283, 3836, 5306, 5393, 5470, 5691, 5694, 5808, 6482, 6834, 6839, 7667, 7762, 7782 (ein Vers fehlt), 8036, 8282 (ein Vers fehlt), 10201. M, 2. Hälfte 15. Jh.: 20, 94, 101, 118, 121, 922, 1207, 1334, 1358, 2030, 2097, 2337, 2388, 2775, 2813, 2871, 2883, 2922, 3280, 3283, 3836, 4156, 5306, 5393, 5691, 5694, 5776, 6834, 6839, 6874, 6882, 7667, 8282, 9658, 10805. S, Ende 15. Jh.: 20, 64 (fehlen), 75, 82, 94, 101, 118, 922, 1207, 1243, 1334, 1408, 2030, 2337, 2773, 2880 (zwei Verse fehlen), 2922, 3037, 4156, 5393, 5470, 5477, 5691, 5694, 5776, 6366 (fehlen), 6404, 6471, 6482, 6874, 7347, 7581, 7667, 7762, 7782, 8282, 9698, 9912, 10542, 11529.

Dieser Befund wäre erst noch in den Gesamtzusammenhang der einzelnen Handschrift und im Vergleich aller späten Textzeugen einzuordnen. Unabhängig davon ist zu erkennen, daß die Proverbien oft sprachlich und stilistisch variiert, einige Male auch gezielt ersetzt, nicht selten aber auch semantisch abgewandelt und umcodiert werden. Der ›Wigelis‹ Dietrichs von Hopfgarten und Füetrers ›Wigoleis‹ übernehmen im Zuge der Kürzungen in Erzählerdiskurs wie Figurenrede kaum Sprichwörter und Sentenzen aus Wirnts ›Wigalois‹. Auffällig ist jedoch, daß in den wenigen vorlagenungebundenen Passagen dennoch die Möglichkeit genutzt wird, eigene Anspielungen auf redensartliche Wendungen einzuführen.12 Offensichtlich hatten die Bearbeiter die Absicht, den Handlungskern kürzend wiederzugeben und, wo möglich, mit eigenen wertenden Implikationen zu füllen, andererseits aber auch subjektivierende Elemente wie Erzählerkommentare oder Figurenrede ohne bedeutende Handlungsfunktion zu streichen. Ging es ihnen jedoch um die bündige Formulierung eigener Erzählinteressen bot es sich in diesem Rahmen wiederum

___________ 12

›Wigelis‹: 20 (S. 72); ›Wigoleis‹: 3004; 3216; 3237.

Auswertung

287

an, auf das narrative und diskursive Potential von Sprichwörtern und Sentenzen zurückzugreifen.

Besonderheit der Überlieferung: Wie bereits zu Hartmanns von Aue ›Iwein‹ angemerkt, sind in der Kölner ›Wigalois‹-Handschrift (A) neben zwei weiteren Einträgen die zehn Exordialverse von Hartmanns Roman als Layout-Probe überliefert. Diese Probe unterstützt die Beobachtung, daß sich im Prolog des ›Wigalois‹ mit der in Vers 20 einsetzenden proverbialen Rede insofern ein medialer Wechsel vollzieht, als es der Text nicht mehr auf eine schriftbasierte Rezeption absieht, sondern nun der Erzähler als Instanz hervortritt und sich im Vortragsmodus an sein Publikum wendet.13 T h e m e n : Folgende inhaltliche Schwerpunkte des Textes werden auch in Sentenzen und Sentenzanspielungen reflektiert: – Ansehen und Ehre: 2871; 2879; 2880; 2883; 2885; 2953; 6882. – Hochmut und Selbsterhebung: 2672; 7960; 10087; 10542. – Liebe: 4156; 5470; 6404; 7749; 7782; 7784; 8036; 9417; 9658; 10224; 10231; 10252. – Macht und Wirken Gottes: 1334; 1338; 1618; 2772; 2922; 5306; 6471; 6482; 6834; 6874; 6882; 7667; 9912; 11529. – Verhalten von und gegenüber Frauen: 1358; 2097; 2388; 5393; 5470; 5477; 7581; 9698; 10463. – Wert von Vorbildern und guter Lehre: 82; 1243; 1408; 2337; 3836.

S t i l : Der ›Wigalois‹ gilt der Forschung seit jeher als ein Text, der sich in besonderer Weise auf die vorangegangene Romantradition bezieht. Wirnt entwickelt nicht nur die eigene Erzählpoetik in Auseinandersetzung mit den Werken Hartmanns und Wolframs, sondern schließt auch in der sprachstilistischen Gestaltung an seine Vorgänger an.14 Es verwundert also nicht weiter, wenn die Präsentation proverbialer Rede nahezu alle von der Tradition bereitgestellten Satz- und Formulierungsmuster wie auch die üblichen Techniken der Integration einschließt. Bei aller Konventionalität lassen stilistische Eigenheiten der Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern allerdings den Eindruck einer besonderen situati-

___________ 13 14

Vgl. dazu MÜLLER 2005, S. 434f. Vgl. zuletzt FASBENDER 2010, S. 25-28.

288

2.4 Wirnt: Wigalois

ven Präsenz des Erzählers entstehen. Charakteristisch sind neben der beinahe exklusiven Bindung proverbialer Rede an die Diskursebene allem voran konzise Formulierungen und Syntagmen15 sowie die Ausweitung sentenziösen Sprechens in Kommentaren und Erläuterungen. Anders als beispielsweise in der ›Crône‹ stehen im ›Wigalois‹ auch die bildhafen Prägungen im Dienste der Explikation, indem zuvor bereits Gesagtes insistierend veranschaulicht wird oder einmal gewählte Bildfelder in variierenden Formulierungen weitergeführt werden (64; 75; 101; 120; 2883; 2885). Insgesamt sind die Sentenzen und Sprichwörter einem geschliffenen, luziden Stil verpflichtet, der weniger auf Reflexion oder Irritation zielt als auf autoritativ gestützte Teilhabe am Erzählgeschehen. Insofern korrespondiert die sprachliche Inszenierung proverbialer Rede der Tendenz zur Entdifferenzierung und Entproblematisierung im Bereich der Verwendungsweisen. Für die literaturgeschichtliche Einordnung des ›Wigalois‹ bildet die Fülle der intertextuellen Bezugnahmen auf frühere Romane eine wichtige Grundlage. Neben verschiedenen Formen von Motiv- und Schemazitaten greift Wirnt auch auf den Sentenzenbestand seiner Vorgänger zurück. Dabei ist zu beobachten, daß er vor allem solchen Proverbien entlehnt, die auch sonst zum festen Repertoire vieler höfischer Romane zählen.16 Da gerade diese gängigen Sentenzen und Sprichwörter im Verlauf der Handlung mehrfach wieder aufgegriffen werden, entsteht der Eindruck eines sehr dichten Traditionsbezugs. Allerdings täuscht dies insofern, als sich Wirnt bei der Formulierung seiner Sentenzen und Sprichwörter ansonsten als eher eigenständig erweist. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Neuprägungen, für die keine Vorbilder greifbar sind, sondern auch Reformulierungen von Proverbien der Vorgänger (z.B. Er 4096: swer sîne sache / wendet gar ze gemache, / […] / dem sol êre abe gân / unde schande sîn bereit; Wig 2871: wan mit gemache niemen mac / grôze êre erwerben; Wig 2879: wan bœse gemach ist êren vrî oder Pz 1,1: Ist zwîfel herzen nâchgebûr, / daz muoz der sêle werden sûr; GTr 15047 Ich sprich daz wol überlut, / daz keiner slahte nezzelcrut / nie wart so bitter noch so sur / alse der sure nachgebur; Wig 9417: herzeliebe

___________ 15

Über den gesamten Text verteilt finden sich vergleichsweise viele konstative Äußerungen mit einfachen Satzmustern (z.B. 2775: guot trôst was ie zer nœte guot; 2879: gemach ist êren vrî). Daneben stehen vorwiegend zweiteilige Konstruktionen mit korrelativen Satzanschlüssen (z.B. 94: swâ von dem guoten guot geschiht, / daz dunket die bœsen gar enwiht; 11529: swer herzelîche minnet got / der ist behalten hie und dort). 16 Gott steht immer auf der Seite der Gerechten (2772; 2922; 9912); es geschieht, was vorbestimmt ist (2295; 6839); Hochmut führt zum Fall (2672; 7960; 10087); Liebe nimmt den Verstand (4156; 9658); Die zum Tode bestimmten sterben (10201).

Auswertung

289

ist ein schûr, / dem lîbe ein herter nâchgebur; / ir süeze wirt vil ofte sûr). Nachfolgende Autoren haben gelegentlich auf die geschliffenen Sentenzen des ›Wigalois‹ zugegriffen. Wörtliche Anklänge, die auch mit Blick auf die allgemeine Formelhaftigkeit proverbialer Rede herausstechen, finden sich aber eher selten.17 Kontextualisierende Formeln, die Alter, Bekanntheit oder Wahrheit der Sentenzen und Sprichwörter beglaubigen und das Geschehen in Bezug zu kollektivem Wissen setzen, stehen fast ausschließlich in den Kommentaren und Reflexionen des Erzählers: Einleitungsformeln: – Si wellent daz daz iht witze sîn … (zu 75; Erzähler) – doch tâtens als … (zu 2030; Erzähler) – daz hôrte ich ie die wîsen sagen / daz … (zu 3283; Erzähler) – ich h#re sagen daz …(zu 5470; Erzähler) – noch mac mîn wol werden rât:… (zu 6834; Wigalois) – als ich iu ê hân geseit … (zu 8036; Erzähler) – daz sî iu allen samt geseit: / daz … (zu 10542; Erzähler) Ausleitungsformeln: – … daz ist im guot (zu 82; Erzähler) – … daz was wol an der mägde schîn (zu 945; Erzähler) – … waz hilft sie daz? (zu 2813; Der Rote Ritter) – … der dinge was er wol behuot: (zu 2885; Erzähler) – … swer daz gerne understêt, / der sî gewarnet zaller zît: / vil lîhte erz anders missegît./ alsô übergap erz dâ (zu 6366; Erzähler)

___________ 17

Ein Beispiel findet sich in der ›Crône‹ (17199: Jâ wart diu rede nie belogen, / die man lange hât gesprochen, / unde wart ouch nie zebrochen: / Swâ minne ist nâchgebûre, / Sie werde im alsô sûre, / swie man spreche, daz sie süeze sî). Auch die Prosafassung ›Wigoleis vom Rade‹ (1483/1493) übernimmt Sentenzen und Sprichwörter aus dem ›Wigalois‹ oder paraphrasiert sie in einem ähnlichen Wortlaut (z.B. S. 201, Z. 26; S. 212, Z. 10; S. 201, Z. 4). Unabhängig von solchen direkten Übernahmen arbeitet der spätere Text zudem insofern produktiv mit den Proverbien seiner Vorlage, als sie auch an andere Stellen im Handlungszusammenhang transferiert werden (z.B. S. 192, Z. 17; S. 216, Z. 35; S. 217, Z. 7; S. 226, Z. 35).

290

2.4 Wirnt: Wigalois

– … daz erzeigter an disem rîter hie (zu 6482; Erzähler) – … alsô müeze ouch uns geschehen (zu 7667; Erzähler) – … daz wart wol an der vrouwen schîn (zu 7749; Erzähler) –… des leider nû niht vil ergêt (zu 7762; Erzähler) Umrahmungen: – dô teter als […] swer ie guoter sinne pflac, / der habe ouch noch den selben sit: / dâ vristet er sîn êre mit (zu 1207; Erzähler) – und behabte iedoch den strît alsô / daz […] die rede ir mich niht liegen lât (zu 5776; Erzähler) Einschub: – … daz vürdert in vil sêre … (zu 20; Erzähler)

Die Verwendung von Sentenzen und Sprichwörtern ist im ›Wigalois‹ ein Stilmerkmal der Erzählerstimme, die insgesamt zu einem Diskurs in ‚sentenzhafter Form’ tendiert. Das Bestreben, als autoritative Instanz mit großer Präsenz hervorzutreten, zeigen die charakteristischen Rahmungen, die mit zwei Ausnahmen ausschließlich in den Reden des Erzählers vorkommen. Noch bemerkenswerter aber ist die Markierung des Sprecherwechsels vom buoch zum Erzähler im Prolog: Die Exordialsentenz eröffnet nicht den Roman, sondern setzt erst in Vers 20 den Auftritt des Erzählers in Szene. Mit seinem Erscheinen wird die zuvor entworfene schriftbasierte Buch-Rezeption abgelöst durch eine auf die Gegenwärtigkeit der Vermittlungsinstanz angewiesene Vortragssituation. Zur Fiktion einer so konturierten Kommunikationssituation tragen die Sentenzen und Sprichwörter des Textes in ihrer sprachlichen Prägnanz und zielgerichteten narrativen Funktionalisierung entschieden bei.

2.5

Heinrich von dem Türlin: ›Crône‹

Die rund 30000 Verse umfassende ›Crône‹ Heinrichs von dem Türlin dürfte gegen 1230 entstanden sein.1 Der Text versteht sich – nach Ausweis des Epilogs – als Summe der Abenteuer des arthurischen Musterritters Gawein und ist somit in besonderer Weise durch die produktive Anverwandlung von Stoff- und Motivkomplexen gekennzeichnet, die aus der literarischen Tradition entlehnt werden. Dabei greift Heinrich auf die zeitgenössische deutsche Romantradition und darüber hinaus reichende französische Erzähltexte zurück. I n h a l t : Im Anschluß an den Prolog, der das literarische Selbstverständnis sowie das gelehrte Selbstbewußtsein des Werkes profiliert und König Artus als zentrale Figur der folgenden Geschichte einführt (1-465), setzt die Handlung mit einem Weihnachtsfest am Artushof ein. Als die Ritter auf aventiure wartend an der Tafelrunde versammelt sind, erscheint der fischschuppige Bote des Meerkönigs Priure und überreicht der Festgesellschaft einen Becher, aus dem niemand zu trinken vermag, der ein valschez herz besitzt. An dieser Tugendprobe scheitern nacheinander – König Artus ausgenommen – alle (zum größten Teil bereits aus früheren Romanen bekannte) Mitglieder des Hofes und werden deswegen von Keie verspottet. Den Boten, der die Probe ebenfalls besteht, fordert Keie sogar zum Kampf, unterliegt allerdings erwartungsgemäß (466-3176). Unmittelbar nachdem der Bote den Hof verlassen hat, erreicht die Ritter die Nachricht von einem bevorstehenden Turnier, und sie brechen ohne Wissen ihres Herren heimlich auf. Verärgert begibt sich Artus mit den wenigen Zurückgebliebenen auf die Jagd, bricht diese aber wegen der winterlichen Kälte bald ab und wärmt sich am heimischen Kaminfeuer. Das mißfällt Ginover so sehr, daß sie ihren Mann nicht nur wegen seines unwürdigen Verhaltens zurechtweist, sondern ihm auch mit viel Bewunderung von einem Ritter erzählt, der allnächtlich nur mit einem Hemd bekleidet Minnelieder singend durch Schnee und Eis reitet, ohne zu frieren. Gekränkt beschließt der König, dem Unbekannten mit Hilfe von Keie, Gales und Amaugwin aufzulauern, um die Richtigkeit von Ginovers Worten zu überprüfen und das Geheimnis des Fremden zu erkunden. Tatsächlich treffen die

___________ 1

Den Rahmen für eine Datierung zwischen 1210 und 1240 bilden der Tod Hartmanns von Aue, auf den Heinrich sich in einem Nachruf bezieht, und die Erwähnung der ›Crône‹ im Literaturkatalog des Alexanderromans Rudolfs von Ems. CORMEAU (2VL, Bd. 3, Sp. 895) plädiert „aus Gründen der Gattungsentwicklung” wie auch KNAPP 1994, S. 549, gegen eine Frühdatierung des Textes und setzt seine Entstehungszeit gegen 1230 an. Vgl. die Diskussion bei VOLLMANN 2008, S. 2.

292

2.5 Heinrich: Crône

Artusritter nacheinander auf den ‚Ritter im Hemde‘, der ihnen allerdings jede Auskunft über seine Person verweigert und sie allesamt mühelos im Kampf besiegt. Zu erkennen gibt sich der Fremde erst Artus selbst, nennt nun seinen Namen Gasoein, behauptet aber zugleich, der rechtmäßige Geliebte der Königin zu sein, die ihm von Geburt an versprochen sei. Von Zweifeln an der Treue seiner Frau gequält, vereinbart Artus daraufhin einen Gerichtskampf mit Gasoein, der eine Klärung der Ansprüche herbeiführen soll (3132-5464). In der Zwischenzeit ist Gawein einem Boten des Königs Flois begegnet, der an den Artushof gesandt wurde, um Hilfe für den Kampf gegen den Riesen Assiles zu erbitten. Dieser hat bereits zehn Königreiche unterworfen und fordert als Zins von den unterlegenen Herrschern in jedem Jahr einen Ritter, der versklavt wird, wenn es ihm nicht gelingt, Galaas, den Handlanger des Riesen, im Zweikampf zu besiegen. Da schon 500 Ritter in seine Gewalt geraten sind, stehen nun keine weiteren Kämpfer mehr zur Verfügung. Gawein macht sich auf den Weg zu König Flois, wird aber bereits an den Grenzen von Assiles’ Machtbezirk aufgehalten und vom Pförtner Riwalin eindringlich vor den bevorstehenden Gefahren gewarnt. Allerdings steht diese Warnung unter falschen Vorzeichen: Riwalin erkennt Gawein nämlich nicht und erklärt, daß allein Gawein in der Lage sei, Assiles und seinen Helfern entgegenzutreten. Tatsächlich besiegt dieser mühelos vier Zöllner des Riesen und gelangt auf das Schloss Ansgiure. Dort wird seine Anwesenheit durch das Hornsignal eines ehernen Standbildes verraten, und die Hofgesellschaft verfällt augenblicklich in große Trauer um den vermeintlich verlorenen Helden. Wieder besiegt Gawein aber ohne große Anstrengung die herbeieilenden Vorboten des Riesen. Zum finalen Kampf gegen Galaas und Assiles selbst kommt es aber zunächst nicht, da Gawein zum Opfer weiblicher List wird (54657666). Gleich nach seinem Sieg erscheint nämlich die schöne Aclamet in Ansgiure und fordert im Auftrag ihrer Herrin Amurfina, daß Gawein sie in ihre Heimat begleiten soll, um Amurfina in einem Erbschaftsstreit gegen ihre jüngere Schwester Sgoidamur zu vertreten. Gawein verwahrt sich zwar gegen die Forderung, begleitet das Mädchen aber freiwillig, und schon auf dem Weg nach Serre zeigt sich, daß er Amurfina liebt, ohne sie je gesehen zu haben. Sein Begehren wächst noch einmal, als er von Amurfina auf ihrem Bett empfangen wird. Bevor es zur Vereinigung der beiden kommt, muß Gawein allerdings eine weitere Tugendprobe bestehen. Über dem Bett befindet sich ein Zauberschwert, das die triuwe und die stte der Minne eines jeden Werbenden prüft: In dem Moment, in dem Gawein Amurfina berührt, fährt das Schwert herab und umgürtet den Helden mit einer

Einführung

293

solchen Gewalt, daß er zu ersticken droht. Im Angesicht des Todes schwört Gawein Amurfina ewige Liebe, stellt damit seine Aufrichtigkeit unter Beweis, und das Schwert läßt von ihm ab. Nach dem Liebesakt wird Gawein ein Trank gereicht, der ihn seine frühere Existenz und seine Identität vergessen läßt, so daß er glaubt, schon seit vielen Jahren Landesherr in Serre zu sein. Amurfina will so sicher gehen, daß Gawein nicht an den Artushof zurückkehrt und dort von Sgoidamur als Vertreter im Erbschaftsstreit gewonnen werden kann. In Wahrheit hatte nämlich Amurfina nach dem Tod des Vaters ihre jüngere Schwester um Erbe und Herrschaft betrogen. Am übernächsten Morgen wird dann, nach einer weiteren gemeinsam verbrachten Nacht, auch offiziell die Ehe zwischen den Liebenden geschlossen. Gaweins Aufenthalt als Landesherr in Serre dauert aber nicht lange an: Bei einem Festmahl erkennt er sein Bildnis auf einer Schale, die seinen Sieg über Amurfinas Vater dargestellt. Die Bilder bringen den Helden wieder zu sich, und indem er sich selbst ein Messer durch die Hand sticht, beendet er den Zauberbann endgültig. Liebevoll verabschiedet Gawein sich von seiner amie Amurfina und macht sich nun auf den Weg zu Assiles (7667-9128). Unterwegs befreit er zunächst eine junge Frau aus der Gewalt eines Wassermanns und eine Dame aus der Gefangenschaft des Riesen Reimambram, eines Verwandten von Assiles, wird aber zwischendurch selbst noch von einem riesenhaften wilden Weib verschleppt. Schließlich gelangt er in das Land des Königs Flois, tötet Galaas und Assiles und befreit damit auch die 500 versklavten Ritter. Die ihm offerierte Landesherrschaft lehnt Gawein allerdings ab und macht sich auf den Rückweg zum Artushof (9129-10112). Dort sind nun alle Vorbereitungen für den zwischen Artus und Gasoein vereinbarten Gerichtskampf getroffen worden. Obwohl die Mächtigen des Landes bereits alle versammelt sind, wartet Artus noch drei Tage lang auf Gaweins Rückkehr, beschließt dann aber, selbst gegen den Herausforderer anzutreten. Gasoein erscheint zwar prächtig gerüstet zum Kampf, verweigert diesen dann aber, weil er einen Zweikampf (vorgeblich) für einen einem König nicht würdigen Weg der Konfliktlösung hält. Er schlägt vor, Ginover stattdessen selbst zwischen den Kontrahenten entscheiden zu lassen. Nach kurzem Zögern weist die Königin Gasoein zurück, und dieser verläßt daraufhin den Hof. Nun sieht allerdings Ginovers Bruder Gotegrin durch das Zögern seiner Schwester die Familienehre verletzt und bringt Ginover in seine Gewalt, um sie fernab der Hoföffentlichkeit zu töten. Dies kann nur verhindert werden, weil Gasoein Gotegrin die Königin im Kampf wieder abgewinnt, nun aber seinerseits mit ihr flieht. Gasoein will Ginover in sein Reich führen und dort zu seiner Frau machen, unterbricht die Reise

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2.5 Heinrich: Crône

allerdings in der Wildnis und vergeht sich (beinahe?) an der Königin. Gerade in diesem Moment erscheint Gawein und verhindert weitere Gewalttaten. Es kommt zu einem langwierigen und für beide Kontrahenten kräftezehrenden Zweikampf, den Gawein vor allem deswegen nicht für sich entscheiden kann, weil er immer wieder absichtlich seine eigene Position schwächt, um sich selbst keinen Vorteil zu verschaffen. Als beide Ritter völlig erschöpft sind, wird abermals ein Gerichtskampf am Artushof vereinbart, diesmal zwischen Gawein und Gasoein. Auch dieser Gerichtskampf findet aber nicht statt, da Gasoein am Artushof angekommen ganz unvermittelt die Unrechtmäßigkeit seiner Ansprüche an Ginover eingesteht (10113-12610). Kurz darauf trifft Sgoidamur, die um ihr Erbe betrogene Schwester der Amurfina, auf einem ungezäumten Maultier reitend am Artushof ein und bittet nun ihrerseits um ritterlichen Beistand. Um sie wieder ins Recht zu setzen, muß ein Ritter in ihrem Auftrag den Zaum des Maultieres, der die Herrschaft im Erbreich garantiert, in einer Reihe von aventiuren zurückgewinnen. Nachdem Keie schon an den ersten Aufgaben scheitert, macht sich Gawein auf den Weg und besteht die Abenteuer des Zauberschlosses von Amurfinas Onkel Gansguoter. Er erhält den Zaum, gewinnt sich damit allerdings letztlich seine eigene Herrschaft wieder ab, die er durch die Eheschließung mit Amurfina erlangt hatte. Gleichwohl gelingt es, den Schwesternstreit am Artushof beizulegen, indem Sgoidamur Gasoein zur Frau gegeben wird und Gawein Amurfina (noch einmal) heiratet (12611-13924). Nachdem die Hochzeitsfeierlichkeiten zu Ende sind, ziehen die Ritter zu einem Turnier nach Montelei. Allerdings verliert Gawein seine Gefährten und begegnet in einem Wald einer Jungfrau, die, einen toten Ritter im Arm tragend, Parzivals unterlassene Frage beklagt. Er reagiert nicht und gleich darauf ziehen ein Schwert und ein Speer, die über weißen Pferden schweben, an ihm vorbei. Während Gawein dieser Erscheinung nachjagt, begegnen ihm eine ganze Reihe von phantastischen oder grausamen Szenen und potentiellen Abenteuern, die er zwar wahrnimmt, aber nicht eingreift, obwohl er Mitleid mit den Opfern empfindet (erste Wunderkette). Letztlich gelangt der Held auf eine Burg, wo er zunächst in der Kapelle das Schwert und die blutende Lanze sieht und später Zeuge wird, wie ein alter Mann Blut aus einer Schale trinkt. Als er aber nach den Hintergründen des Gesehenen fragen möchte, ist der Greis bereits gestorben. Am nächsten Morgen erwacht Gawein auf offenem Feld, und die Burg ist zu seinem großen Erstaunen verschwunden (13925-14934).

Einführung

295

Für das folgende Geschehen wird vor allem ein Konflikt bestimmend, der durch eine in die Vorgeschichte des Romans gehörende Tat Gaweins ausgelöst wurde: Der Ritter Fimbeus hatte Ginover einen wundermächtigen Gürtel als Minnepfand angeboten und ihr zur Wahl gestellt, diesen als Geschenk zu behalten oder zu einem späteren Zeitpunkt zurückzugeben. Daraufhin hatte aber Ginover Gawein gebeten, mit Fimbeus um den Besitz des Gürtels zu kämpfen, weil sie diesen zwar behalten, nicht aber in einem moralisch zweifelhaften Verhältnis zu Fimbeus stehen wolle. Den Sieg konnte Gawein nur davontragen, nachdem er im Gefecht zufällig den für die Zauberkraft des Gürtels entscheidenden Edelstein aus seiner Fassung geschlagen und die Macht des Steins für sich genutzt hatte. Aus Rache für diesen zweifelhaften Sieg lockt nun Giramphiel, die amie des Fimbeus, Gawein auf den gefährlichen Weg zu ihrer Schwester Frau Slde, im festen Glauben, daß er dabei umkommen werde. Gawein jedoch besteht die ihn hier erwartenden Abenteuer, in deren Verlauf er unter anderem einen Drachen besiegen und einen Zauberfaden erbeuten kann, und gelangt so zum Palast der Slde. Dort wird ihm ein triumphaler Empfang bereitet, und das Rad der Fortuna bleibt zu seinen Ehren stehen. Zum Abschied erhält Gawein einen Zauberring, der Artus’ Herrschaft dauerhaft sichern soll. Auf dem Weg zum Artushof gerät er allerdings in ein heftiges Unwetter, und abermals wird er Zeuge von grauenerregenden Szenen und potentiellen Abenteuern, in die er aber wiederum nicht eingreift, diesmal weil er von Boten der Frau Slde davor gewarnt oder gar daran gehindert wird (zweite Wunderkette). Auf der Weiterreise begegnet Gawein bald darauf drei streitenden Rittern, von denen ihm einer so ähnlich ist, daß er den Namen der ander Gawein trägt. Gawein schlichtet den Streit, ohne dessen Ursachen zu kennen und verschuldet damit letztlich den Tod seines Doppelgängers, der von den beiden anderen kaltblütig ermordet wird, nachdem Gawein sich entfernt hat. Einer von ihnen bringt darauf das Haupt des Toten (im Auftrag von Giramphiel) an den Artushof, um die Gesellschaft Glauben zu machen, Gawein selbst sei im Kampf gefallen. Der Plan gelingt, und der Hof versinkt in lähmende Trauer (13925-17311). Währenddessen gelangt Gawein auf eine Insel, deren Königin ihn vor die Wahl zwischen ihrer Liebe und ewiger Jugend stellt. Er entscheidet sich für Letzteres und durchläuft nun die zum Teil schon aus dem Parzival-Stoff bekannten Abenteuer: Als Ritter des Mädchens Quebeleplus tritt er gegen den Geliebten von deren älterer Schwester Flursensephin an und kann so einen verfahrenen politischen Konflikt lösen. Im Schloß Karamphi wird Gawein, während er mit der Tochter des Burgherrn unbewaffnet beim Schachspiel sitzt, von deren Bruder in

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2.5 Heinrich: Crône

meuchlerischer Absicht überfallen, weil dieser den Tod seines Bruders an ihm rächen will. Gerade noch zur rechten Zeit erscheint der Burgherr und legt den Streit bei, indem er Gawein zur Gralsuche verpflichtet. Zunächst erlöst Gawein jedoch ein ganzes Geschlecht vom Zorn Gottes, indem er dessen Racheengel in der Gestalt eines schwarzen Ritters besiegt. Später wird Gawein durch seinen alten Feind Lohenis seines Pferdes beraubt, kann aber dessen ungeachtet die Abenteuer des von Gansguoter erbauten Zauberschlosses Salie bestehen und Artus’ Mutter Igern befreien. Diese trägt ihm in Unkenntnis der Verhältnisse die Hand seiner eigenen Schwester Klarisanz an, mit deren Geliebten Girmelanz er zusätzlich in Konflikt gerät. Es gelingt Gawein jedoch, die Streitigkeiten beizulegen und so wird gemeinsam mit dem nach Salie gerufenen Artushof, der seinen Ritter nun wieder am Leben weiß, die Hochzeit von Klarianz und Girmelanz gefeiert (17312-22989). Während Gawein von den durchlittenen Abenteuern berichtet, erscheint eine Botin seiner Widersacherin Giramphiel mit einem Handschuh, der die rechte Seite seines Trägers unsichtbar zu machen vermag, falls dieser eine untadelige Gesinnung besitzt. Diese erneute Tugendprobe (Handschuhprobe) besteht neben Artus diesmal auch Gawein. Bald darauf erscheint ein elsternfarbener Ritter auf einem Bock, der den zweiten Handschuh an den Hof bringt und erklärt, daß nur mit Hilfe dieser beiden Utensilien sowie dem Stein aus dem Gürtel des Fimbeus und dem Zauberring der Frau Sælde der Gral gefunden werden könne. Genau diese Kleinodien bringt er dann aber mit einer List in seinen Besitz und prophezeit als Folge dieses Raubs den Untergang des Artusreiches (22990-24699). Daraufhin machen sich Gawein, Keie, Lanzelet und Kalocreant auf den Weg zu Gansguoter, mit dessen Hilfe sie Giramphiel und Fimbeus besiegen und die Kleinodien wieder in ihren Besitz nehmen können. In einer Feuerwolke wird Gawein auf die Burg Manburs gebracht, die Gansguoters Schwester und außerdem die Hüterin des Grals ist. Sie rät dem Helden, auf der Gralburg nichts zu trinken, um nicht wieder einzuschlafen und erklärt ihm, wann er die Erlösungsfrage zu stellen hat. Versehen mit diesen Hinweisen bricht Gawein auf, und sein Weg führt ihn durch verschiedenste Länder, in denen er abermals seltsame Szenen und potentielle Abenteuer schaut ohne einzugreifen (3. Wunderkette). Endlich gelangt Gawein zur Gralsburg, wo er einmal mehr freundlich empfangen wird. Den Ratschlägen Manburs folgend gelingt es ihm, die Gralgesellschaft zu erlösen. Mit Ausnahme Keies, der noch in weitere Abenteuer verstrickt wird, kehren die Artusritter daraufhin an den Hof zurück (24700-29909).

Einführung

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Der Roman endet mit einem Epilog, der abschließend noch einmal das künstlerisch-ästhetische Selbstverständnis des Werkes auch in der Auseinandersetzung mit möglicher Kritik dokumentiert (29910-30000).2 Sieben Textzeugen. Einzige vollständige Handschrift: P: Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 374, 1479; die sog. Windenhagensche Handschrift bezeugt nahezu die Hälfte des Textes: V: Wien, ÖNB, Cod. 2779, f. 131ra-170vc, 1. Viertel 14. Jh. Fragmente: D: Linz, OÖLA, Sch. 3 II/4e, 1. Viertel 14. Jh. (zu V gehöriger Buchdeckelfund); G: Berlin, SBBPK, Ms. Germ. fol. 923,9, Ende 13. Jh.; ܳ: Schwäbisch Hall, Stadtbibliothek, (verschollen), Ende 13. Jh. (zu G gehörig); K: Kiel, UB, Cod. Ms. K. B. 48i, Mitte 14. Jh.; Kö: Köln, USB, 5 P 62, 1. Hälfte 14. Jh. Zugrundegelegt wird die von KNAPP/NIESNER und EBENBAUER/KRAGL besorgte Neuausgabe (Heinrich: Diu Crône). Hinzugezogen ist die alte Edition von SCHOLL (Heinrich: Diu Crône [Scholl]) sowie die neue Studienausgabe von FELDER (Heinrich: Diu Crône [Felder]) und die neue Übersetzung von KRAGL (Heinrich: Diu Crône [Kragl]).

___________ 2

Zur Analyse der Handlungs- und Erzählstruktur vgl. CORMEAU 1977, S. 155-157; FELDER 2006, S. 727-730; VOLLMANN 2008, S. 12-17.

298

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 1 [E]jn weis man gesprochen hat, Daz deu red missestat, Diu an witz geschiht

4 Ouch frumet der sin lutzel iht, Den ein man ein treit. Swer gedenchet vnd niht reit, Daz ist als schadebre, Sam er ein tor wre. Waz mag gefrumen sein chvnst An red vnd ane gunst?

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler be2: deu] den V. die gründet den Nutzen P. seines Werkes (Prolog).

Ohne Verstand zu sprechen, schadet nur.

Der Erzähler begründet den Nutzen seines Werkes (Prolog).

Kluge Gedanken, die nicht ausgesprochen werden, bleiben wirkungslos.

P 6: Wer da gedenckt vnd nit rett. V 6: mer gedenchet. P 7: als] so. P 8: Sam] als ob.

zu: 1, 4

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

299

Querverweise *4; *13; 34863489; 3528-3534.

Formulierungstradition: - (D) Saepe et multum hoc mecum cogitavi, bonine an mali plus attulerit hominibus et civitatibus copia dicendi ac summum eloquentiae studium. [...] ac me quidem diu cigitantem ratio ipsa in hanc potissimum sententiam ducit, ut existimem sapientiam sine eloquentia parum prodesse civitatibus, eloquentiam vero sine sapientia nimium obesse plerumque, prodesse numquam. quare si quis omissis rectissimis atque honestissimis studiis rationis et officii consumit omnem operam in exercitatione dicendi, is inutilis sibi, perniciosus patriae civis alitur; qui vero ita sese armat eloquentia, ut non oppugnare commoda patriae, sed pro his propugnare possit, is mihi vir et suis et publicis rationibus utilissimus atque amicissimus civis fore videtur Cicero: De inventione, 1, 1. - (G) Haec autem sententia nec illos fugit, qui artem rhetoricam docendam putarunt. Fassi sunt enim sapientiam sine eloquentia parum prodesse civitatibus, eloquentiam vero sine sapientia nimium obesse plerumque, prodesse numquam Augustinus: De doctrina christiana, IV, V, 18. Œ Da 7652. Literatur: Felder 2006, S. 20: „Eingangssentenz“. Haug 1992, S. 278: „Eingangssentenz“. Menzel-Reuters 1989, S. 83: „Exordialsentenz“. TPMA XIII s.v. WORT 32.2. Man rede nicht unbedacht und töricht, sondern weise [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 192: „einleitende Sentenz“. Wander III s.v. Rede, Nr. 87 [führt diese Textstelle an]. Wennerhold 2005, S. 195: „Den Beginn des Werkes bildet eine Sentenz.“ Zingerle s.v. REDE, S. 119 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 71-73; S. 84. Suchomski 1975, S. 214f.

Sentenz Formulierungstradition: - (D) Saepe et multum hoc mecum cogitavi, bonine an mali plus attulerit hominibus et civitatibus copia dicendi ac summum eloquentiae studium. [...] ac me quidem diu cigitantem ratio ipsa in hanc potissimum sententiam ducit, ut existimem sapientiam sine eloquentia parum prodesse civitatibus, eloquentiam vero sine sapientia nimium obesse plerumque, prodesse numquam. quare si quis omissis rectissimis atque honestissimis studiis rationis et officii consumit omnem operam in exercitatione dicendi, is inutilis sibi, perniciosus patriae civis alitur; qui vero ita sese armat eloquentia, ut non oppugnare commoda patriae, sed pro his propugnare possit, is mihi vir et suis et publicis rationibus utilissimus atque amicissimus civis fore videtur Cicero: De inventione, 1, 1. - (G) Haec autem sententia nec illos fugit, qui artem rhetoricam docendam putarunt. Fassi sunt enim sapientiam sine eloquentia parum prodesse civitatibus, eloquentiam vero sine sapientia nimium obesse plerumque, prodesse numquam Augustinus: De doctrina christiana, IV, V, 18. Literatur: Felder 2006, S. 20: „Eingangssentenz“. Haug 1992, S. 278: „Eingangssentenz“. Menzel-Reuters 1989, S. 83: „Exordialsentenz“. TPMA XIII s.v. WORT 32.2. Man rede nicht unbedacht und töricht, sondern weise. Wander III s.v. Rede, Nr. 87 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. REDE, S. 119 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 73; S. 84. Suchomski 1975, S. 214f.

*1; *11; *13; *17; *2223.

300

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 11 Verborgen schatz vnd wistuom, Die sint ze nutz selten frum.

13 Red mit weistuom frumet. Vil ofte daz chvmet, Daz an der red vlt der sin Vnd stet gar an gewin.

17 Doch, wn ich, er selten gesigt, Der des alle weg phligt, Daz er sein swert erziehe Vnd da mit wider fliehe, E er deheinen slak gesleht.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beP 12: selten] cleine. gründet den Nutzen seines Werkes (Prolog).

Weisheit kann keinen Nutzen bringen, wenn sie nicht weitergegeben wird.

Der Erzähler begründet den Nutzen seines Werkes (Prolog).

Zu jeder Rede gehört Weisheit.

Der Erzähler relativiert mögliche Mängel seines Werkes (Prolog).

P 18: alwegen.

Wer schon vor dem Kampf flieht, kann nicht gewinnen.

zu: 11, 13, 17

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Begraben schatz, verborgen sin, / deist verlust âne gewin Freidank, 147, 9f.

301

Querverweise *4; *17; 24-27; *2223; 7308f.; *29934.

Verwendung: - (G) Vnde et bene quidam sapiens dicit: Sapientia abscondita et thesaurus inuisus, quae utilitas in utrisque? Gregor der Große: Pastoralregel, 3, 25, 17f. (S. 428). - (D) iz in hilft vbir al nicht, / daz man enburnet eyn licht / und besturzit iz vndir eyn vaz: / so in sehet niman deste bas. / ouch ein sal her nvmer riche werden, / der sinen schatz begrebet vunder der erden. / diz selbe gedute / get an di lute, / di di anderin wol gelerin kunnen / vnd in der selikeit nicht gunnen Wernher von Elmendorf, 55-64. - (L) Drî untugent. / Verborgen schaz, verborgen kunst, / die sint unwirdic aller gunst, / in rîchtuom unbarmherzikeit, / die driu sint gote harte leit Kolmarer Liederhandschrift, S. 126. - (S) Was sol ein INGENIUM/ gelt/ reichtumb/ kunst/ die man nit braucht. / Nit die gab/ sonder der brauch der gaben ist g)t. / Was sol g)t on m)t. / ABSCONDITI THESAURI NULLUS USUS. Verborger schatz nicht werdt Franck: Sprichwörter, I, 2r (S. 18, Z. 33 - S. 19, Z. 2). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Sapientia absconsa, et thesaurus invisus, / quae utilitas in utrisque? Sir 20, 32. - Ein weiser man, der sich nicht brauchen lesst, vnd ein vergrabener schatz, Wozu sind sie beide n(tz? Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 202). Œ Wigl 64. Literatur: Felder 2006, S. 21: „Sentenz“. Friedrich s.v. schaz, S. 348: „Sprichwort“. Schulze, Nr. 158, S. 112-114 [führt diese Textstelle an]. TPMA XII s.v. VERBERGEN 11.1. Verborgene Weisheit (Kunst), verborgenes Wissen und verborgener Verstand sind wertlos und verloren [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Schatz, Nr. 34 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. SCHATZ, S. 131 [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 192.

Sentenz

*1; *4; 34863489; 3528-3534.

Literatur: Felder 2006, S. 22: „Sentenz“. Gouel 1993, S. 68: „Sentenz“. Reuvekamp 2007, S. 73; S. 84. TPMA XIII s.v. WORT 31.2. Man rede nicht unbedacht und töricht, sondern weise [führt diese Textstelle an].Wander II s.v. Rede, Nr. 71 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. REDE, S. 119 [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 192.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Keyn zager legt nymmer mehr ehr ein. Die auff der fliehenden seiten/ haben nie gesigt Franck: Sprichwörter, I, 51r (S. 87, Z. 7f). Verwendung: - (E) Et ille: „Vecordis et timidi animi est, qui ante bellum fugam inierit aut qui priusquam necessitas exegerit se aduersario submiserit. Si autem meorum armorum adeo teneris cupidus, eorum obtestor uirtutem, te ipsa duris comparaturum colaphis“ De Ortu Waluuanii, 86f.

*11; 24-27; *28; 130-134; 2154221558.

302

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

22 Swer den rauhen ziegel tweht, Der sihet ie lenger diker hor.

Kontext

Der Erzähler relativiert mögliche Mängel seines Werkes (Prolog).

Überlieferung

P 22: Wer.

Paraphrase

Es ist sinnlos, ändern zu wollen, was sich nicht ändern läßt.

303

zu: 22

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

- (E) und sol ich leben, ich t)n iuch b)z / iwer k(neclichen namen. / iwer wirde m)z sich shamen, / daz ir so gar sit verzaget; / der vliuht e man in jaget, / des herze ist gar ane ellen Ulrich von Türheim: Rennewart, 8270-8275. - (E) er ist ein bl#der jungelinc / und ein herzelôser zage, / swer fliuhet, ê daz man in jage / und ê man im iht leides tuo: / jô wirde ich dennoch alze fruo / gefl#het und verborgen, / swenn ich beginne sorgen / umb den lîp und umb daz leben Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 14492-14499. - (E) swer fliuhet ê daz man in jaget, / entriuwen, der ist niht ein man. / ob ez mich iht gehelfen kan, / ich wil mîn lougen bieten / und wil mich rede nieten / daz wir beide unschuldic sîn Konrad von Würzburg: Engelhard, 3434-3439. - (E) ez wirt an dînem râte schîn, / daz du ze schuole bist gesîn / unde in strîte lützel kanst, / sît daz du werde ritter manst, / daz sie vliehen sam die zagen, / ê daz man si beginne jagen, / und daz si mit unêren / hin strîchen unde kêren / ûf die snellen widervart Konrad von Würzburg: Partonopier und Meliur, 19635-19643. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Fugit impius, nemine persequente Prv 28, 1. - DEr gottlos fleucht und niemand iagt yhn Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 90). Œ Er 4226 Œ Pz 340,7. Literatur: TPMA III s.v. FLIEHEN 6.3 Fliehen, ohne gejagt zu werden (, ist ein Zeichen von Feigheit). Wander I s.v. Fliehen, Nr. 32. Vollmann 2008, S. 192.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Den ziegel und den b#sen man / nieman volle waschen kan; / sô daz daz luter ab in gê; / si sint ze jungest trüebe als ê. / Des môres hût unsafte lât / ir swarze varwe, die si hât: / des lêbarten hiute sam geschiht, / diu enlat ir maneger flecken niht: / als wizzet, daz ein übel man / sîn übel niht vermîden kan Freidank, 88, 15-18. Verwendung: - (S) Ille paenitentiam digne agit, qui sic praeterita mala deplorat ut future iterum non committat. Nam qui plangit peccatum, et iterum admittit peccatum, quasi si quis lauet laterem crudum, quem quanto magis eleuerit, tanto amplius lutum facit Isidor: Sententiae, II, 13, 7 (S. 121). Vgl. die Redewendung: - (Dr) quod quom audierit, quod eius remedium inveniam iracundiae? Loquarne? incendam. taceam? instigem. purgem me? laterem lavem Terenz: Phormio, 1, 4 (185). - (D) ‚Litus arat, laterem lavat, auram verberat.‘ Istae / Sunt species, per quas transsumptio verba colorat Galfrid von Vinsauf: Poetria nova, 943f.

*2056.

304

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

28 Er schol vil wol wizzen, Swer vehten vnd vliehen sol, Der bedarf guoter witz wol, Wan im ze fliehen oft geschiht, Dem zagen, so er swert pleken sicht.

40 [M]ir ist ouch diu rede chvnt, Daz dehein menschleicher mvnt Müge gar sunder wandel sein. Jch enger ouch niht, daz der mein Sei gar wandels ane.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler relativiert mögliche Mängel seines Werkes (Prolog).

P 29: Der. P 30: Wie yn sin schirme stùre wol.

Man muß klug sein, um zu wissen, wann man fliehen und wann man kämpfen soll.

Der Erzähler relativiert mögliche Mängel seines Werkes (Prolog).

P 41: mvnt] funt. P 42: Müge gar sunder] Mag gar one. V 42: sünden.

Nichts von dem, was der Mensch hervorbringt, ist vollkommen.

zu: 28, 40

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

305

Querverweise

- (S) PISCEM NATARE DOCES. / Die fisch schwimmen leren. / LUPI ALAS QUAERIS. / Des wolffs flügel s)chen. / BOUE UENARI LEPOREM. / Mit ochsen hasen jagen. / Dise sprichwort zeigen hflich alle vergebne arbeit an/ Wie auch: Lauare coruum, laterem. Ein ziegel waschen Franck: Sprichwörter, I, 4r (S. 22, Z. 6-13). Literatur: Bezzenberger (Freidank), Kommentar zu 88, 15-18 [führt diese Textstelle an]. Felder 2006, S. 22: „Sentenz“. Friedrich s.v. ziegel, S. 486: „Sprichwort“. Harrebomée s.v. Tigchel, 330a. Seiler V, S. 285: „griechisches Sprichwort: Zenobius, 6, 48.“ TPMA XIII s.v. ZIEGEL 2. Der Ziegel wird um so dreckiger, je mehr man ihn wäscht [führt diese Textsstelle an]; 3. Einen Ziegel waschen. Wander V s.v. Ziegel, Nr. 7. Zingerle, S. 182 s.v. ZIEGEL [führt diese Textstelle an].

Sentenz

*17; 130-134; 21542-21558.

Verwendung: - (D) Daz selbe ich ouch an mir bekenne, / Swenne ich den louf ein teil zetrenne / An mînem getihte und mit im renne, / Swar ez mich hin treit mit gewalt. / Swer vehten muoz, daz er sî balt / Des ist vil nôt, und daz er niht / B#slichen vliehe, des vil geschicht. / Swer rennet, der mac niht wol bewarn / Er müeze durch stoup und lachen varn, / Über gruoben und graben, über rûch und sleht, / Über stoc und stein - daz ist sîn reht - / Über bluomen, über heide, über manic unflât / Und swâ sînes rosses louf durch gât, / Dem er niht wol geziehen kan, / Daz in etswenne sô verre hin dan / Treit, daz erz kûm bringet wider / Und etswenne mit im vellet dernider: / Alsô ist mir ze mînem getihte: / Swenne ich ez einhalp hin rihte, / Sô loufet ez anderhalben hin / Ûf ein velt, dâ vor mîn sin / Ân zwîfel nie geneiget wart Hugo von Trimberg: Der Renner, 13908-13929. - (E) als schier daz rint den löwen sach, / besintlîch ez zim selber sprach: / „ich mag im nicht gestrîten; / ich sol sîn nicht gebîten. / allein mit vlucht mag ich genesen; / vliehen sol mîn kemphen wesen. / wer vliuhet daz man vliehen sol, / sicher der hât gevochten wol.“ Boner: Der Edelstein, 78, 11-18. Literatur: Friedrich s.v. vliehen, S. 432. Reuvekamp 2007, S. 82-84. Vollmann 2008, S. 193. 140-150; *2016; *2023; *2048; *2052; *2054; Formulierungstradition: - (S) Nieman ist sô vollekomen, / daz er dem wandel sî benomen; / ân wandel niemen mac *20412. gesîn, / deist an al der werlde schîn Freidank, 120, 17-20.

Sprichwort

Verwendung: - (L) Ich wânde, daz si wre missewende frî, / nû sagent si mir ein ander mre. / si jehent, daz niht lebendiges âne wandel sî, / sô ist ouch mîn frowe wandelbre. / Ich kan aber niht erkennen, waz ir missestê, / wan ein vil kleine: / si schadet ir vîende niht, und tuot ir friunden wê. / lât sî daz eine, / swie vil ich suoche, ich vinde niht mê Walther 34, II, 1-5 (L 59, 19-27). - (D) Ich wais chain mensch an wandels vrey, / Daz der pr(der ledig sei: / hochfart, unkeusch, neid und has, / Trachait, trunchenhait und vras, / Geitichait und auch der tzoren, / Die s(ben pr(der haben gesworen / Deinem willen pr·derschaft; / Mensch, dem wer mit gantzer chraft, / Daz er in icht nachhenge Suchenwirt, 40, 15-23. - (L) wer lebt dem man niht wandels giht? / Nieman ist âne bresten gar: / dâvon der niht erschrecke / bî dem gefüeger wandel stecke; / swer dar umbe wil / mîden hôher êren vil / daz im gelît ein laster obe, / der ist bescheidenheite bar Konrad von Würzburg: Lieder und Sprüche 25, 100-107.

306

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

45 Nah menschlichem wane Mercht man des mannes sin. Ob ich der sinne p#ser pin, Daz schol man mir vertragen. 49 Wan h#rt daz ofte sagen, Daz etswenne gevalle Ein swachiu cristalle Nahen ze einem smareise.

151 Wan siht oft wachen Vnwitz vnd chvnst slaffen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler relativiert mögliche Mängel seines Werkes (Prolog).

P 46: Mercht] Rümet.

Die Kunstfertigkeit eines Werkes wird nach menschlichem Ermessen beurteilt.

Der Erzähler relativiert mögliche Mängel seines Werkes (Prolog).

52: mareyse P. smarcise V.

Mitunter werden auch vergleichsweise minderwertige Dinge geschätzt.

Der Erzähler bittet um eine wohlwollende Aufnahme seines Werkes (Prolog).

Unverstand begegnet häufiger als Können.

zu: 45, 49, 151

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

307

Querverweise

- (S) Nemo sine defectu; hoc est: nemo ex omni parte perfectus Bebel: Proverbia Germanica, 365 (S. 99). - (S) Es ist kein mensch on ein aber. / Es hat ein hecklin. / Es ist kein mensch/ er hat einn wandel/ hats nit alle vier. Es wirt niemand on laster gborn/ spricht der poet/ Der best ist der/ der die wenigsten an jm hat. Die natur henckt einem ieden ein schellen an/ hat er nit den hals voll hangen/ wie ein schlitten pferd [...] drumb sol man eim ieden menschen was tragen vnnd nachgeben/ ingedenck/ daß man auch sein schelln klingeln hren m)ß Franck: Sprichwörter, II, 115v-116r (S. 371, Z. 41 - S. 372, Z. 8). Literatur: Felder, S. 25: „Anspielung auf eine Sentenz“. Jillings 1980, S. 142. TPMA XI s.v. SÜNDE 2.1. Alle Menschen sündigen (haben Fehler). Wander III s.v. Mensch, Nr. 580; Nr. 612; V s.v. Wandel, Nr. 5. Schonert 2009, S. 73f.

Sentenz Literatur: Felder 2006, S. 25: „Aussage im Stil einer Sentenz“. TPMA X s.v. SCHELTEN 4.3. Wer andere tadeln will, gehe zuerst in sich und bedenke, daß alle Fehler haben.

Sentenz Verwendung: - (L) swer edel steine nie gewan, / den diuhte lîhte guot, / fünd er ein kriechesch glas Namenlos h KLD Nr. 38, 20, 4-6. - (E) undr in allen vant er niet / eine, der in gezme, / diu dem riche rehte kme / als er gerne wolde. / er sach daz mit golde / kupfers vil ger#tet was. / ein edel stein und ein glas / gelichent ein ander dicke. / von tumber ougen blick / wirt vil wiser man betrogen Otte: Eraclius, 20982107. Literatur: Felder, S. 25: „Sentenz“. TPMA II s.v. EDELSTEIN 4. Edelsteine und Glas lassen sich oft schwer voneinander unterscheiden [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 192f.

Sentenz Literatur: Felder 2006, S.33: „Sentenz“. TPMA VIII s.v. NARR 3.1. Es gibt viele Narren (mehr Narren als Weise).

53-60; 53095316.

308

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 199 Leider ob der leip erstarp, Jm lebt doch sein reiner nam

210 Ez zimt doch den besten wol Tuon wol, swa man schol.

212 Jmmer svnder widerwanch Haben di p#sen vndanch

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler führt König Artus als Vorbild ein (Prolog).

P 200: So lebte doch nach yme sin.

Ruhm bleibt nach dem Tod bestehen.

Der Erzähler führt König Artus als Vorbild ein (Prolog).

P 211: swa] was. Felder liest: swae.

Die Besten sollen gut handeln, wo immer es notwendig ist.

Der Erzähler führt König Artus als Vorbild ein (Prolog).

P 212: Jmmer] Je mynnre.

Dem Schlechten wird niemals gedankt.

zu: 199, 210, 212

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

309

Querverweise

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) Deyr fé, / deyja frndr, / deyr sjálfr it sama; / en orðstírr / deyr aldregi / hveim er sér góðan getr. // Deyr fé, / deyja frndr, / deyr sjálfr it sama; / ek veit einn / at aldri deyr: / dómr um dauðan hvern Hávamál, 76-77. - (E) der lop wert, sô der lîp vergât Ulrich: Lanzelet, 8680. Verwendung: - (E) in freta dum fluvii current, dum montibus umbrae / lustrabunt, convexa polus dum sidera pascet, / semper honos nomenque tuum laudesque manebunt, / quae cumque uocant terrae Vergil: Aeneis, I, 607-610. - (Br) INVIDE, quid laceras Nasconis carmina rapti? / non solet ingeniis summa nocere dies, / famaque post cineres maior venit Ovid: Ex ponto, 4, 16, 1-3. - (E) Hie vor ein werder fürste was / der zuht und êr ie an sich las / mit milt und ritterlîcher tât, / dâ von sîn lop geblüemet stât / früht iemer unverdorben / im ist der lîp erstorben, / wel nôt? sîn lop doch hôhe swept / wê dem verzagten der sô lept / swenn im der lîp alhie verstirbt, / daz sîn lop mit dem lîb verdirbt Reinfried von Braunschweig, 65-74. - (L) Ir fürsten, ir sult wachen, / diu liute vrölich machen, / mit den ir sult uf erden hie nach eren streben. / ez komt iu heim an ritterlichen sachen: / die herren mit der ritterschaft / vil selten pris bejagen. / Künig Artus mit ritterschaft / vil hohen pris erwarb; / swie daz er doch erstorben si, / sin reinez lop doch nie verdarb / künig Alexander, der ouch hie / in hohen wirden starb Frauenlob, IX, 4, 7-18. - (S) Omnia si perdas, famam servare memento! Werner: Sprichwörter, o 62 (Hs. 15.Jh.). Œ Iw 14 Œ Lan 8680. Literatur: Ebenbauer 1981, S. 53. Felder 2006, S. 37: „weit verbreitete Sentenz“. Haug 1992, S. 199. TPMA VIII s.v. NAME 4.2. Guter Name und Ruf lebt nach dem Tode; IX s.v. RUHM 2. Weiterleben des Ruhms nach dem Tod. Wander III s.v. Name, Nr. 4.

Sentenz

17221-17225.

Œ Iw 3723 Œ Lan 746 Œ Wigl 1243. Literatur: Felder 2006, S. 37: „Sentenz“. Haug 1992, S. 281. TPMA V s.v. Gut (Adj.) 4.1.1. Man soll Gutes tun. Wander V s.v. Beste (der), Nr. 16.

Sentenz Verwendung: - (S) Der b#se dez b#ste merken sol, / sô tuot dem frumen daz beste wol. / Der b#se dicke dulten muoz / unwirde unde swachen gruoz Freidank, 89, 8-11. Literatur: Felder 2006, S. 37: „Sentenz“. TPMA X s.v. SCHLECHT 2.5.3. Die Bösen verdienen und erfahren Schlechtes.

22143-22150.

310

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 214 Triwen di frumen han fruom. Ern preis vnd tugend ruom Tuot in schein an dem druom.

231 Vnd da mit er weibes gruoz Verdient, den der haben muoz, Der ze der werlt vr#den gert.

Kontext Der Erzähler führt König Artus als Vorbild ein (Prolog).

Der Erzäler appelliert an seine (weiblichen) Zuhörer (Prolog).

Überlieferung

Paraphrase

P 214: Truwen Den Tüchtigen nützt haben die frommen. ihre Aufrichtigkeit.

Alle Freude der Welt entsteht durch die Frauen.

zu: 214, 231

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

311

Querverweise 22143-22150.

Verwendung: - (S) Laude manet dignus, qui nititur esse benignus Otloh von St. Emmeram: Liber proverbiorum, l 40. - (E) swaz man den biderben êre tuot, / daz ist billîch unde guot Herzog Ernst D, 1831f. - (S) BONIS OMNIA IN BONUM. / Den reynen ist all ding reyn. / Den g)ten kompt all ding z) g)t Franck: Sprichwörter, I, 54r (S. 93, Z. 3-5). Literatur: TPMA V s.v. Gut (Adj.) 2.4.1. Die Guten verdienen und empfangen Gutes. *4348; *4374; *4908; 49754984; *6971; Formulierungstradition: 18718-18721; - (D) Durch fröude frouwen sint genant: / ir fröude erfröuwet alliu lant; / wie wol er fröude 24328-24331; erkande, / der s‘ êrste frouwen nande! Freidank, 106, 4 - 106, 7. 28144-28153; - (E) Wîb ist ein gâb der fröuden, / diu alle fröud bekr#net, / von der ist wol zu göuden / diu ir 28455-28457; pris, ir wîplîch êre nicht verh#net. / Ez hât ein wîb nicht bezzers dann ir êre; / wirt diu an ir *29989. verkêret, / wie sol ein man sich an ir fröuwen mêre? Hadamar von Laber: Jagd, 722, 1-7.

Anspielung auf eine Sentenz

Verwendung: - (D) Sun, wiltû zieren dînen lîp, / sô daz er sî unvuoge gram, / sô minne und êre guotiu wîp, / der tugent uns ie von sorgen nam. / si sint der wunne ein bernder stam, / dâ von wir alle sîn geborn. / er hât niht zuht noch rehter scham, / der daz erkennet niht an in: / der muoz der tôren einer sîn, / und hete er Salomônes sin Winsbecke, 11, 1-10. - (L) Junger man, wis hôhes muotes / dur diu reinen wol gemuoten wip, / fröwe dich libes unde guotes, / unde wirde dinen jungen lîp. / Ganzer fröide hâst dû niht, / sô man die werdekeit von wîbe an dir niht siht. // Er hât rehter fröide kleine, / der sî von guoten wîben niht ennimt Walther von der Vogelweide, 61, I, 1 - II, 2 (L 91, 17-24). - (E) Wol im, dem ein reinez wîp, / Bewart guot, êre, sêle und lîp! / Der sol got loben von herzen grunde, / von sinnen, von kreften, von süezem munde / Und immer im gerne sagen danc, / Wenne ez sprach her F r î d a n c: / ‚Von fröuden frouwen sint genant, / Wenne die gefröuwent elliu lant. / Wie wol er fröude erkante, / Der frouwen von êrste sie nante!‘ / Swer ir tugent erkennen kan, / Sô sint si tiurre denne die man: / Si schement sich maniger missetât, / .f die ein man niht ahte hât. / Man sol irre tugent nehmen war, / Ir dinc sol nieman wizzen gar. / Sölte êwigiu fröude âne frouwen sîn, / Sô hête der engel der künigîn / Niht gesegent ir kindelîn / Daz si gebar âne alle pîn, / Und magt noch ist und magt dô was / Dô si des selben suns genas, / Und reiniu magt sol immer sîn / Und aller meide spiegel schîn Hugo von Trimberg: Der Renner, 13069-13092. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Mulier fortis oblectat virum suum Sir 26, 2. - Ein heuslich weib ist jrem manne eine freude Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 216). Œ Wigl 2097; 9698; 10463 Œ JT 1990,4. Literatur: Friedrich s.v. wîp, S. 468. TPMA III s.v. FRAU 3.1.5. Die (gute und schöne) Frau ist der Inbegriff und die Quelle der Freude (für den Mann). Wander I s.v. Frau, Nr. 115.

312

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 1033 Er schol von schulden sein gewert, Der so betlich gert. Da sich die von schaident, Die die bet laident. Daz ist schad vnd schande

1255 Krench prüeft oft vnhail, Als si nv hat getan.

1486 [S]wer daz hor vnd den mist Rüeret, daz ervulet ist, Der vindet niht wan stanch.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Bote des Meer- P 1034 so] sie. königs Priure verdeutlicht, daß er in guter Absicht an den Artushof gekommen ist (Becherprobe).

Wer angemessen bittet, wird erhört.

Keie spottet über P 1255: Blöde den Zauberbecher, prüfet dick. als dieser nach dem Trinkversuch der Königin von Lantfrucht an Ginover weitergegeben wird (Becherprobe).

(Körperliche) Schwäche bewirkt oft Unglück.

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

P 1486: DEr. Wenn man Unrat P 1487: der da aufwühlt, stinkt dieverfulet. ser nur noch mehr. P 1488: gewynnet núst denn gestanck. V 1488: niht n0r wan.

zu: 1033, 1255, 1486

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) ein man sol betelichen gern, / den mach man deste baz gewern. / swer unbetelichen gert, / der hat sich selben gar entwert Der Stricker: Wolf und Weib, 59-62. Verwendung: - (S) Quod iustum est petito vel quod videatur honestum, / nam stultum petere est quod possit iure negari Disticha Catonis, I, 31. - (E) dô sie hâten messe vernomen / und ze hove wâren komen, / vür den keiser sie giengen. / ir bete sie an viengen, / daz se im vielen zuo den füezen. / „obe wir iuch biten müezen, / so erloubt uns, herre, mit guoten siten / ein bete der wir iuch wellen biten / und daz ez sî âne zorn.“ / dô sprach der fürste wol geborn / „stêt ûf unde sît gewert, / ob ir betelîche gert. / lât h#ren waz der bete sî.“ Herzog Ernst B, 1105-1117. - (S) Swer mich der dinge bte, / diu ich doch gerne tte, / der bete solte ich in gewern, / wolt er ir zühteclîchen gern Freidank, 132, 12-15. - (L) Swer biten muz unt biten sol, / und betelicher gabe gert, / Des biten zimt zu hören wol, / und ist nicht übel, wirt er gewert. / Ein betelich gabe, ein billich bieten, / die zwei sint wol von einer art. / unbillich bete hat sich bewart / vor wisen, vorbedachten siten Frauenlob, XIII, 8, 1-8. - (E) Yedoch hat mich die fraw vor fert / Gewert, des ich heǢr da pitt, / Das sy in raines weibes sitt / Sich tü enthalten hin, als her. / Des kann sy mer, dann ich beger, / Vnd versaget mir ir keins. / Wer b ttlich kan begeren ains, / Der wirt gewert dester Ee, / Vnbättlich bätt für oren gee; / Das ratt ich meinen friunden Hätzlerin: Liederbuch, 2, 58, 346-355.

313

Querverweise 1021-1032; 11471152; 2703f.; 2785-2788; *5033; 59235930; 1448214486; 15578f.; 15896f.; 1761617618; 17914; 20673-20675; 21047-21049; 21162f.; 21565f.; 24937-24976; 25240-25242.

Œ Iw 4544 Œ Loh 4691; 7024 Œ HTr 4275. Literatur: TPMA II s.v. BITTEN 4.5. Einer berechtigten Bitte wird entsprochen (soll man entsprechen) [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 142-158.

Sentenz

*6092; 72857303; *20682; *22619.

Literatur: Felder 2006, S. 78: „Sentenz“. Mentzel-Reuters 1989, S. 122.

Sprichwort Formulierungstradition: - (S) So man das kchöt v mer rürt, so es vaster stinkchet. / Quo mage fex teritur, in fetorem magis itur Freidank (Graz), 155. - (S) zo men den drec meer ruert so hi meer stinct / Res satis est nota fetent plus stercora mota Proverbia Communia, 799. Verwendung: - (G) Haec cum ita sint, quicumque boni et mali pariter adflicti sunt, non ideo ipsi distincti non sunt, quia distinctum non est quod utrique perpessi sunt. Manet enim dissimilitudo passorum etiam in similitudine passionum, et licet sub eodem tormento non est idem uirtus et uitium. Nam sicut sub uno igne aurum rutilat palea fumat, et sub eadem tribula stipulae comminuuntur frumenta purgantur, nec ideo cum oleo amurca confunditur, quia eodem preli pondere exprimitur.

*1489; *1493; 6297-6301.

314

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

1489 Ouch gewinnet er sein selten danch, Der durch ein swachen dvz Die wefs vnd den hornvz Von seinem amt st#ret. 1493 Swer vngern h#ret Keches hvndes pellen, Der sol im gehellen Vnd sol niht mit der rahen Jn stundelichen wider slahen. Da von meret sich schal.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

P 1491: wefftzen. V 1491: den] die.

Es ist nicht gut, den Angriffslustigen auch noch herauszufordern.

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

P 1493: Wer. Den AngriffslustiP 1494: Ratzen vnd gen sollte man behunde. sänftigen.

zu: 1489, 1493

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

315

Querverweise

ita una eademque uis inruens bonos probat purificat eliquat, malos damnat uastat exterminat. Vnde in eadem adflictione mali Deum detestantur atque blasphemant, boni autem precantur et laudant. Tantum interest, non qualia, sed qualis quisque patiatur. Nam pari motu exagitatum et exhalat horribiliter caenum et suauiter fragrat unguentum Augustinus: De civitate Dei, I, 8, 34-47. - (S) Stercus olet foedum, quo plus uertendo mouetur Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 113. - (D) Sal. Noli arguere derisorem, ne oderit te! / Mar. Quando aliquis plus mouet merdam, plus fetet Dialogus Salomonis et Marcolfi, 77 a-b. - (D) Sal. Nit enbeschilt den spottere; / anders er wirt dich hazzen sere. / Mar. So du me zudribest den quat, / ie bosern roch daz iz dan hat Salomon und Markolf, 395-398. - (S) Stercus quo plus commovetur et agitatur, tanto plus foetet; hoc dici solet in eos, qui aliquam infamiam incurrerunt, quorum dedecus tanto notius fit, quanto plus tractatur Bebel: Proverbia Germanica, 66 (S. 25f.). - (S) Den dreck sol man nit rüthlen/ er stincket sonst nur desto mehr. Man sol nit stro ins feur legen/ vnnd ll zum flammen th)n. Der zürnt/ den still. Ein schellig roß sol man nit jagen/ sonder auff fahen. / Zorn gebirt zorn Franck: Sprichwörter, I, 28v (S. 56, Z. 1-4). Œ Iw 206; 207; 209. Literatur: Felder 2006, S. 83: „verbreitetes Sprichwort“. Friedrich s.v. humbel, S. 228. TPMA II s.v. DRECK 2.2.2.1. Je mehr man im Dreck rührt, um so mehr stinkt er [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 166f.: „Lehre“. Walther, Nr. 252638; Nr. 26765. Wander s.v. Dreck, Nr. 34. Zingerle, s.v. DRECK S. 26 [führt diese Textstelle an]. Daiber 1999, S. 168. Reuvekamp 2007, S. 33-36; S. 158-163.

Sentenz

*1486; *1493.

Literatur: Felder 2006, S. 83: „Sentenz“. Röhrich Bd. 5 s.v. Wespennest, S. 1720. TPMA XIII s.v. WESPE 1. Wespen reizen (ist dumm und gefährlich) [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 166f.: „Lehre“. Wander V s.v. Wespennest, Nr. 4; Nr. *6. Reuvekamp 2007, S. 33f.; S. 158-165.

Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Man sol streichen fremeden hunt, / daz er iht grîne z'aller stunt Freidank, 138, 7f. - (S) Debet molliri manibus rabidi canis ira, / Ut latrare sinat aliquando vox sua dira. / Man sol streichen senfte gegen den hunt, / Dasz her nicht greint zcu aller stundt Freidank (Görlitz), 379. Verwendung: - (L) Stillen sol man fraidigen hund, / das er nicht grein zu aller stunt, / das w r hubsch, wer es kund / Der mit im selbs zü aller frist / neur vicht, das ist ain herter streit. / Gedingen freuet manchen krist, / und der nie herzen lieb gefreit Oswald von Wolkenstein, 115, V, 101-107. - (S) Ne latret, catulus leniri debet iniquus Werner: Sprichwörter, n 10 (Hs. 15. Jh.). Œ Iw 871.

*1486; *1489; 17802-17809.

316

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

1505 Swer den argen heizet Nah werltlicher tugent leben, Dem ist an eiter vergeben, Wan ez nimmer mak gesein.

1509 Jr sehet wol, wazer vnd wein, Die gebent vngleichen smach. Sam tuot naht vnde tak. Div gebent vngleichez lieht, Als man alle tage sieht.

1514 Swes der vogel wont von neste Vnd swaz wazzers der teste Wider erst gewinnet, Des smaches im zerinnet Nimmer mer vürbaz.

Kontext

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

Überlieferung

P 1505: Wer. argen] andern. V 1505: argen] anger. P 1506: weltlichen tùgenden. V 1506: werlicher. P 1508: Wenn das mag nymmer sin.

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

Paraphrase

Es ist vergeblich, einen schlechten Menschen bessern zu wollen.

Dinge haben von Natur aus unterschiedliche Eigenschaften.

P 1515: was wazzes. P 1516: gewynnes.

Früh erworbene Eigenschaften gehen nicht verloren.

zu: 1505, 1509, 1514

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

317

Querverweise

Literatur: Felder 2006, S. 83: „Sprichwort“. TPMA VI s.v. HUND 39.6. Man beschwichtige den Hund, damit er nicht mehr bellt (knurrt). Ähnlich [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 166f.: „Lehre“.Walther, Nr. 5195. Reuvekamp 2007, S. 34; S. 158-164.

Sentenz

*1486; *1489; *1493.

Literatur: Felder 2006, S. 84: „sentenzartige Rede“. TPMA X s.v. SCHLECHT 2.2.2. Die Schlechten sind dem Guten (Lehren, Bitten) nicht zugänglich. Reuvekamp 2007, S. 34; S. 158f. Vollmann 2008, S. 166f.

Sentenz

122-132; 1809; *6302.

Verwendung: - (S) Non idem sensus potoris aqu atque Falerni: / Vinum sepe facit, quod non ualet haustus aquarum Egbert von Lüttich: Fecunda ratis I, 787f. - (L) Der beste tranc, der ie gewart, daz ist der guote win, / dar umbe enmac daz wazzer niht dem wine gelich genaeme sin Friedrich von Sonnenburg 49, 1f. Literatur: Felder 2006, S. 84: „Sentenz“. Reuvekamp 2007, S. 34-36; S. 158-160. TPMA XII s.v. WEIN 4.2. Wein bewirkt mehr als Wasser. Vollmann 2008, S. 166f.

Sprichwort Formulierungstradition: - (Br) Si ergo ex hac occasione te afflixit, et rebus tuis nudavit quorumdam violentorum rapax avaritia, non hoc ex se fecit injusta eorum violentia, sed justa et correctioni [correptioni] tu consulens Dei sapientia, faciens etiam per malos, quamvis nescientes, bona sua, cujus vestem scindere conabaris rationibus humanis armata, sed tamen infecunda facundia (epist. 207). Cum vero multis exemplis ethici tractatoris veram constet esse sententiam: Quo semel est imbuta recens servabit odorem Testa diu. Horatius, lib. I, epist. 3 Ivo von Chartres: Epistolae, VII (Sp. 17 BC). - (G) Bringest dû dîn kint in die gewonheit der rehten mâze, ez ist iemer deste mziger an ezzen und an trinken. ‚Swaz eht des êrsten in den haven kumet, dâ smâcket er iemer mê gerne nâch.‘ Dâ von sult ir iuwer kint ûf guotiu dinc wîsen, wan gewonheit ist eteswenne rîcher danne diu natûre. Alsô ein kint mit dem êrsten lernet steln, daz ez eim andern kinde eteswaz nimt oder stilt, sâ zehant slahez mit einem rîse dar umbe, unde solt ez niht erlân, ez müeze ez an die selben stat hin wider tragen Berthold von Regensburg, I, S. 35, Z. 27-35. Verwendung: - (Br) fingit equum tenera docilem cervire magister / ire, viam qua monstret eques; venaticus, ex quo / tempore cervinam pellem latravit in aula, / militat in silvis catulus. nunc adbibe puro / pectore verba puer nunc te melioribus offer: / quo semel est inbuta recens servabit odorem / testa diu Horaz: Epistulae, 1, 2, 64-70.

*1519; *22523.

318

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

1519 Gewonheit wirt nimer laz. Sie greiffet vür nature.

Kontext

Der Erzähler wendet sich gegen Greinagrandvans Kritik an Keie (Becherprobe).

Überlieferung

Paraphrase

Der Mensch wird durch Gewöhnung stärker bestimmt als durch seine natürlichen Anlagen.

zu: 1519

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

319

Querverweise

- (D) Has primum audiet per, harum verba effingere imitando conabitur. et natura tenacissimi sumus eorum, quae rudibus animis percepimus: ut sapor quo nova imbuas durat, nec lanarem colores, quibus simplex ille condor mutatus est, elui possunt Quintilian: Institutio oratoria, I, 1, 5. - (S) Sapiunt uasa quidquid primum acceperunt Sententiae Varronis, 58a. - (E) des giet uns urkunde dat latin: / quod nova testa capit, / inveterata sapit; / so wat die nuwe schale veit, / der smach ir iemer ane heit. / ouch m)z smachen die vrucht / na ir erden inde ir lucht; / ouch zount der minsche sinen smach / des vazzes da he inne lach Morant und Galie, 42-50. - (S) Ein ieglich kint sich dâ nâch sent, / als ez diu muoter hât gewent. / Swer sîn kint nicht ziehen kan, / daz ziuht vil lîhte der lantman. / Den niuwen vazzen niemen mac / benemen wol ir êrsten smac: / den site ein man unsanfte lât, / den er von jugent gewonet hât Freidank, 108, 11-18. - (G) Und dar umbe sint die tiuvel vil frô, daz ir iuwer kint sô gezîte bôsheit lêret beide sprechen und ouch tuon. Swaz mit dem êrsten in den niuwen haven kumt, dâ smacket er iemer gerne nâch. Unde dâ von, wer von êrste daz niuwe kint guotiu dinc lêret, dâ tuot ez iemer gerne nâch; unde wer ez b#siu dinc lêret, dâ tuot ez iemer gerne nâch Berthold von Regensburg, I, S. 34, Z. 19-25. - (E) O grosser dor/ merck z(vnd hr / Die jugent ist z) behaltten gering / Sie mercket wol vff alle ding / Was man jn nüwe h fen schitt / Den selben gsmack verlont sie nit Brant: Narrenschiff, 6, 12-16. - (S) Was man zuerst in einn newen hafen th)t/ dauon schmeckt es alweg. Jung thon/ alt gewon/ drumb ist alten füchsen vnd sch lcken bß zu helffen/ Alt b um sint bß zu biegen/ Also an alten h fen vnd sch lcken ist alls waschen verlorn/ vnd nicht dann einn rappen baden/ das er nun schw rtzer würdt. Jung fahe an/ was du alt wilt t)n/ Es ist Crisam vnd tauff an alten hunden verloren/ Alt hewt seind z he/ vnd drfen vil gerbens/ das sie aber nit leiden/ Drumb m)ß man mit der iugent anfahen/ das leben vnd regiment zu bessern Franck: Sprichwörter, II, 36v (S. 279, Z. 14-20). Œ JT 3308,2. Literatur: Felder 2006, S. 84: „vielfach belegtes Sprichwort“. Friedrich s.v. gewonheit, S. 165. TPMA IV s.v. GEFÄSS 5.5. Das Gefäß riecht nach seinem (ersten) Inhalt [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 25711; Nr. 25948. Wander I s.v. Gefäß, Nr. 10; II s.v. Faß Nr. 76; V s.v. Topf 41. Zingerle s.v. FASS, S. 31 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 34; 158-162. Vollmann 2008, S. 166f.

Sentenz Formulierungstradition: - (G) Bringest dû dîn kint in die gewonheit der rehten mâze, ez ist iemer deste mziger an ezzen und an trinken. ‚Swaz eht des êrsten in den haven kumet, dâ smâcket er iemer mê gerne nâch.‘ Dâ von sult ir iuwer kint ûf guotiu dinc wîsen, wan gewonheit ist eteswenne rîcher danne diu natûre. Alsô ein kint mit dem êrsten lernet steln, daz ez eim andern kinde eteswaz nimt oder stilt, sâ zehant slahez mit einem rîse dar umbe, unde solt ez niht erlân, ez müeze ez an die selben stat hin wider tragen Berthold von Regensburg, I, S. 35, Z. 27-35. Verwendung: - (E) Finierat Theteus sed paucos repperit huius / Voti participes. aliorum pectora uicit / Consuetudo potens natura fortior ipsa. / Quorum consilio concurrens Magnus optimus / Non solum partitur agros sed prodigus addit / Es uariosque greges et leti farris aceruos / Ne frumenta solo desint, cultoribus era Walter von Châtillon: Alexandreis, Buch 6, V. 290-296.

*1514; *22523.

320

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

1644 Künges wort sül wesen sleht. Daz bedarf deheins wanches. Ez schol alles chranches Vil gar wesen ane Nach gar gemeinem wane. Also ist iz her chomen.

1666 Valsch geheiz vnd chünigs liegen, Der swachet ietwederz den namen Vnd prüeft lasterleich schamen, Swa man ez hin vernimt, Wan ietwederz missezimt. Des schült ir erlazen sein.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Bote hält Artus 1644: suࡋ ln V. sùllen Das Wort eines Köan, auch selbst aus P. nigs soll aufrichtig dem Becher zu und verlässlich sein. trinken (Becherprobe).

Artus bestätigt sei- 1667: Die swechent Ein König muß sein ne Bereitschaft, P. Div swachent V. Wort halten. auch selbst aus dem V 1667: den fehlt. Becher zu trinken (Becherprobe).

zu: 1644, 1666

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

321

Querverweise

Vgl. den antiken Gedanken: - (S) Gravissimum est imperium consuetudinis Publilius Syrus, g 8. - (D) consuetudinis magna vis est Cicero: Tusculanae disputationes, 2, 17. Œ JT 139,4; 3132,4; 3292,1; 3308,3; 5403,3. Literatur: Felder 2006, S. 84: „Sentenz“. Friedrich s.v. gewonheit, S. 165: „Sprichwort“. Singer 1947, S. 69. TPMA V s.v. GEWOHNHEIT 3.3.2. Gewohnheit ist stärker als Natur [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Gewohnheit Nr. 46; Nr. 67 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. GEWOHNHEIT, S. 55 [führt diese Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 158-160. Vollmann 2008, S. 166f.

Sentenz

1650-1656; *1666; 10996f.

Verwendung: - (D) Sal. Sermo regis debet esse immutabilis. / Mar. Cito retornat qui cum vulpe arat Dialogus Salomonis et Marcolfi, 53 a-b. - (E) „Rennewart, ich wil gern, / des sol din lip mich gewern: / la mich varn hin zu lande. / ich laze dir hie zu pfande / miner krone hohen namen. / ein k(nc sol sich valshes shamen / und lazen war waz er geseit.“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 1601-1607. - (D) Sal. Eines koniges wort, sicherlich, / ensal nummer me gewandeln sich. / Mar. Wer mit fossen wil eren, / der muz zitlich wider keren Salomon und Markolf, 343-346. - (E) ich erman euch ewer eeren und küngklicher trewen, alls ir mein gevencknüss geschworen habt, so wenne ich eüch erman, das ir dar ein chömen wellt; nu süllen ye königs und fürsten wort und trew stätt und gerecht sein Ulrich Füetrer: Prosaroman von Lanzelot, S. 18. Œ Gar 457; 11315 Œ JT 2507,1 Œ GTr 9818. Literatur: Felder 2006, S. 88: „Womöglich als Sentenz zu verstehen“. TPMA VII s.v. KÖNIG 3.3.4. Der König soll nicht lügen (, sondern die Wahrheit sagen) [führt diese Textstelle an]; 3.3.5 Der König soll sein Wort halten.

Sentenz Verwendung: - (D) Sal. Sermo regis debet esse immutabilis. / Mar. Cito retornat qui cum vulpe arat Dialogus Salomonis et Marcolfi, 53 a-b. - (E) „Rennewart, ich wil gern, / des sol din lip mich gewern: / la mich varn hin zu lande. / ich laze dir hie zu pfande / miner krone hohen namen. / ein k(nc sol sich valshes shamen / und lazen war waz er geseit.“ Ulrich von Türheim: Rennewart, 1601-1607. - (D) Sal. Eines koniges wort, sicherlich, / ensal nummer me gewandeln sich. / Mar. Wer mit fossen wil eren, / der muz zitlich wider keren Salomon und Markolf, 343-346. - (E) ich erman euch ewer eeren und küngklicher trewen, alls ir mein gevencknüss geschworen habt, so wenne ich eüch erman, das ir dar ein chömen wellt; nu süllen ye königs und fürsten wort und trew stätt und gerecht sein Ulrich Füetrer: Prosaroman von Lanzelot, S. 18. Œ Gar 457; 11315 Œ JT 2507,1 Œ GTr 9818. Literatur: Felder 2006, S. 88: „Die Antwort des Königs lehnt sich an Rechtssprichwörter an“. TPMA VII s.v. KÖNIG 3.3.4. Der König soll nicht lügen (, sondern die Wahrheit sagen).

*1644; 16501656; 10996f.; 22605-22614.

322

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 1740 Jr seit ein wek an glatem eise, Dar an man leiht vellet.

1756 Jr seit iv niht selben holt. Wer scholt ivch danne minnen?

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Artus weist Keie P 1740: an] vf. wegen seiner P 1741: an man] uf Scheltreden zurecht man gar. (Becherprobe).

Wer sich in Gefahr begibt, kommt leicht zu Schaden.

Artus weist Keie P 1756: selbs nit. wegen seiner Scheltreden zurecht (Becherprobe).

Nur der kann von anderen geachtet werden, der sich selbst achtet.

323

zu: 1740, 1756

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (I) Qui currit glaciem, se monstrat non sapientem MSD, 27, 2, 180 (Hs. Wasserkirche Zürich, Cod. 58, 275; f. 45; 12.Jh.). - (S) Auff dem eyse ist nit gut gehen/ denn es hatt keyne balcken. / Wie wol diß an yhm selbs war ist/ so warnet doch diß sprichwort/ daß man sich vor ungewissen fehrlichen dingen fursehen und hueten soll/ Denn gewiß treuget niemandt/ ungewiß aber treuget wol alle welt Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 82 (S. 66, Z. 5-10). Verwendung: - (E) Mit andrer red, / die slso spricht: / Is ein man auf hälem eis, / Der ge vil gmach, so ist er weis / Und hab sich auf entwedern tail, / So vert er seine strass mit hail! / Also rat ich ze der sach, / Daz wir beleiben mit gemach Wittenwiler: Der Ring, 7730-7736. Literatur: Röhrich II s.v. Eis, S. 371b. TPMA II s.v. EIS 1. Auf dem (Über das) Eis gehen, laufen. Wander I s.v. Eis, Nr. 16. Walther, Nr. 24008. Daiber 1999, S. 169. Schonert 2009, S. 52-55; S. 64. Vollmann 2008, S. 167.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) Oiez la reproce au vilein / Qui gueres ne parla en vein: / „Mout vaut asez meuz ennoree, / Ce sachiez, que ne fet ventree.“ / Ki sei meëmes ne tient chier / Kil devreit donkes eshaucier? / Nului, per certes, ce m’est vis, / Quant il de gré abat sun pris, / E se de ce est costumier, / Sovent en avra reprovier Robert de Ho, 2464-2473. - (E) Morir et et jugement atendre / Covient; ce ne puet nus deffendre. / Avocas, qui t'escusera, / Quant il t’esteura conte rendre? / Poins ert passés de consaus prendre, / Car tes pechiés t'acusera. / Puis que tos li mons tranlera, / Pense, quel tes tormens sera! / Te presta Dieus lange por vendre? / Rent tes tors fais, Dieus t’ aidera! / Se tu te hes, qui t’amera? / Tu pues bien trop sor ti despendre Robert d’Arras: Li vers de la mort, XLIV, 1-12. Verwendung: - (E) Qui n’a a soy mesme amittié / De toute amour est deffiez. / Et, se de vous n’avez pitié, / D’autri pitié ne vous fiez. / Mais soiez tout certiffiez / Que je sui celle que je fus. / D’avoir mieulx ne vous affiez / Et prenez en gré le reffus Alain Chartier: La belle dame sans mercy, 633640. Œ GTr 18025. Literatur: Felder 2006, S. 91: „Anspielung auf eine womöglich dem frz. Sprachraum zugehörige Sentenz“. TPMA VII s.v. LIEBE 7.3.1. Wer sich selbst nicht liebt, den liebt niemand [führt diese Textstelle an]. Daiber 1999, S. 169. Schonert 2009, S. 52-55; S. 64. Vollmann 2008, S. 167.

Querverweise *6562.

324

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 1762 Spot tuot nah schaden we. Des sült ir ivch mazen.

1955 Slden chint hat slden stift Vnd vertreibet vnglükes gift. 2016 Kleinr chranch birget grozen wert.

2017 Div schand vrones weges gert

Kontext

Überlieferung

Artus weist Keie wegen seiner Scheltreden zurecht (Becherprobe).

Paraphrase Es schmerzt, nach erlittenem Schaden auch noch verspottet zu werden.

Keie spottet über das Scheitern von König Brisanz (Becherprobe).

P 1955: Selig.

Die, die vom Glück begünstigt sind, haben nie Unglück.

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

P 2016: chranch] tranck.

Bereits kleine Verfehlungen können schwerwiegende Folgen haben.

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

Die Schande sucht sich einen leichten Weg.

zu: 1762, 1955, 2016, 2017

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

325

Querverweise 2528-2537; *3180; *5181.

Formulierungstradition: - (E) Ich han horen sagen ee / Spott der tüe nach schaden we. / Wisset das der werde Got / Hasset alle schamahen spot. / Ir posen spottere, / Ir seyt Got unmare: / Ewr spot vellet ew nach / Zu Satan in der helle lach Heinrich von Neustadt: Apollonius, 19217-19224. - (S) Dampnum cui cedit, magis hunc derisio ledit / Spot tuot nach schaden we Freidank (Stettin), 242, 15. Vgl. das Sprichwort: - (E) Ist ein altes sprich wort / Als ir dicke hant gehort / Schade der het gerne spot Hugo von Langenstein: Martina, 63, 89-91. Œ Pz 289,11. Literatur: Felder 2006, S. 91: „Sentenz“. Friedrich s.v. schade, S. 345: „Sprichwort“; s.v. spot, S. 369: „Sprichwort“. TPMA XI s.v. SPOTT 1.3. Der Spott ist nach (nebst) dem Schaden schlimm und schmerzhaft [führt diese Textstelle an]. Daiber 1999, S. 169. Schonert 2009, S. 52-55; S. 66. Vollmann 2008, S. 167.

Sentenz Literatur: Felder 2006, S. 93: „Sentenz“.

*1255; *6092; 7285-7303; *11040; 1910919117.

*40; 140-150; *2023; 20272030; *2048; Formulierungstradition: - (D) Fel modicum totum mel amaricat; unica menda / Totalem faciem difformat Galfrid von *2052; *2054; *2273. Vinsauf: Poetria nova, 68f. - (S) Omne bonum, quod habes, contaminat unica labes Werner: Sprichwörter, o 29.

Sentenz

Vgl. das Sprichwort: - (S) van clene dinghen comt dick groot hinder / De rebus minimis fit sepe molestia grandis Proverbia Communia, 732. - (S) Van kleynen schaden komen de groten. / De minimis crebo fiunt quam maxima damna Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1081. Literatur: Felder 2006, S. 95: „Sentenz“. Gutwald 2000, S. 115: „Exemplum“. TPMA XI s.v. SÜNDE 3.2. Ein kleiner Fehler schadet viel [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Ding, Nr. 1200; IV s.v. Schade, Nr. 138. Vollmann 2008, S. 168.

Sentenz Literatur: Gutwald 2000, S. 155f: „Exemplum“. Vollmann 2008, S. 168.

326

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2023 Ez birget ein rot goltgrouz Ein swartzer ruoztropfe.

2048 Doch haben wir sein bilde, Daz werc von lieht valwet. Ein sch#n weip salwet Oft von liehter svnnen.

2052 Ein gar lautern brunnen Trüebet ein vil chleinr mist.

2054 So daz ors ie blencher ist, So ez ie lihter sich besleht.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

V 2023: golt gruoz in golt griez verbessert. 2024: Ein swartzer r)szes kopf P. Ein swartzrn r)z tropfen V.

Das Kostbare verliert schon durch einen kleinen Makel an Wert.

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

Das Kostbare verliert schon durch einen kleinen Makel an Wert.

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

P 2053: Trubet dick Das Kostbare verein. liert schon durch einen kleinen Makel an Wert.

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

Das Kostbare verliert schon durch einen kleinen Makel an Wert.

zu: 2023, 2048, 2052, 2054

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Literatur: TPMA IX s.v. RUSS 3. Verschiedenes [führt diese Textstelle an].

327

Querverweise *40; 140-150; *2016; *2048; *2052; *2054; *2273; *7113; *18116; *29934.

Vollmann 2008, S. 168.

Sentenz Vgl. kontrastierend: - (S) diu sunne schînt durch ganzes glas: / so gebar si Krist, diu maget was Freidank, 24, 10f. - (L) Dîn gewalt vil manecvalt / Der machte nâch ir kiuschem lîbe dich gestalt, / alsam nâch einem glase diu sunne verwet sich. /swâ si ganz ân allen schranz / dur ez geschînet, dâ gllîchet sich ir glanz Konrad von Würzburg: Lieder und Sprüche, 1, 41-45.

*40; 140-150; *2016; *2023; *2052; *2054; *2273.

Literatur: Gutwald, S. 156: „exemplum“. TPMA III s.v. FRAU 2.5. Geringer Wert der Frau und ihrer Schönheit. 2.5.5. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]; XI s.v. SONNE 4.3. Die Sonne scheint ohne Folgen durch Glas. Zingerle s.v. WEIB, S. 169 [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 168. *40; 140-150; *2016; *2023; *2048; *2054; Literatur: Felder 2006, S. 95: „Sprichwort“. Friedrich s.v. brunne, S. 129: „Sprichwort“. Gutwald 2000, S. *2273. 156: „exemplum“. TPMA II s.v. DRECK 4.1.2. Kleiner Dreck verdreckt viel [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. BRUNNEN, S. 23 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Vollmann 2008, S. 168. Zatloukal 1991, S. 303. *40; 140-150; *2016; *2023; *2048; *2052; Formulierungstradition: - (S) Albus equus pellem celare nequit lutulentam: / Albatis nusquam sordes indignius herent *2273. Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 869f. - (S) Est pollutus equo non quisque turpior albo Werner: Sprichwörter e 93 (Hs. 12. Jh.).

Sprichwort

Literatur: Felder 2006, S. 95: „Sprichwort“. Gutwald 2000, S. 156: „exemplum“. TPMA IX s.v. PFERD 11.1. Pferdefarben [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 168.

328

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2056 Da wider der die kran tweht, Da von meret sich ir swartzer glantz. Swa valsch ist vnd vnstt gantz, Da scheint ein chleiniu tugend niht

2060 Sam vil auz dem wazer iht Ein vanch mak gebrinnen.

Kontext Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

Der Erzähler relativiert Gaweins Scheitern (Becherprobe).

Überlieferung

Paraphrase

P 2056: der] swere. Der ganz und gar schlechte Mensch ist nicht zu ändern.

Gutes und Schlechtes können nicht beieinander sein.

329

zu: 2056, 2060

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Swelch man nu hât ein liebez kint / daz er dâ heime erzogen hât mit flîze, / daz stêt ze hove als ein rint, / ein swarziu krâ, swer sie gebât, sô wirt sie doch niht wîze. / als dem beschiht der gern wr edel und doch niht edel ist: / der wirt versmht an manger stat / und wirt ze einem tôrn in kurzer frist Kolmarer Liederhandschrift, 144, 39-45. Verwendung: - (S) Albior estne quidem cornix studiosa lauandi? - Imminente pluuia cornix se magis aquis immergit, sed niger color naturaliter insitus in albedinem nunquam uertur: (sic) sunt multi quidem, qui lautiores uolunt uideri quam sunt [sint], sed id nulla sana [sua] ratione merentur Egbert von Lüttich: Fecunda ratis, I, 63. - (S) Cornicem lotam crebro non aspicis albam Werner: Sprichwörter, c 116 (Hs. 12. Jh.). - (S) Sich badet diu krâ in allem flîz / und wirt durch daz doch niemer wîz Freidank, 142, 15. - (S) Vergebene arbeyt. / Ein Esel bescheren. / Ein sackpfeiffen beropffen. / Ein beltz waschen. / Einn rappen oder morn baden Franck: Sprichwörter, I, 27r (S. 53, Z. 26-30). Literatur: Felder 2006, S. 96: „Sprichwort“. Friedrich s.v. krâ, S. 250: „Sprichwort“. Gutwald 2000, S. 156: „exemplum“. TPMA VII s.v. KRÄHE 1.1. Die Krähe (Der Rabe) wird nicht weiß, wie sehr man sie (ihn) auch wäscht (badet) [führt diese Textstelle an]. Walther, Nr. 759; Nr. 1910. Wander II s.v. Krähe, Nr. 99 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. KRÄHE, S. 84 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Verwendung: - (D) an, quia cunctarum contraria semia rerum / Sunt duo discordes, ignis et unda Ovid: Fasti, 4, 787f. - (Br) Quomodo ignis et aqua simul esse non possunt, sic spirituales et carnales deliciae in eodem se non partiuntur Bernhard von Clairvaux: Epistulae, 2, 10 (S. 20, Z. 20f.). - (E) „Ich bin dir holt, getriwer friunt. Nu sprich ist daz minne? / […] / ez brinnent elliu wazzer, ê diu liebe an mir verderbe.“ Wolfram: Titurel, 77, 1-4. - (D) man mac daz wazzer slahen zaller vrist, / daz ez doch enviuwert niht, / wan im daz viur ze hân niht geschiht Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 14644-14646. - (S) V(r unde water haten sik. / Ignis aquae, liquidus terrae contrarius a r Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 986. - (S) AQUAM IGNI MISCERE. / Feur vnd wasser in einander mischen. / Das ist krieg anrichten. Das har auff ihens har reytzen/ Dann feur vnd wasser zemischen sind gar vneins/ so mans mischen wil/ das eins das ander zu vertilgen begert Franck: Sprichwörter, I, 4v (S. 22, Z. 26-30). Literatur: TPMA XII s.v. WASSER 10.1.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Funke, Nr. 12. Vollmann 2008, S. 168.

Querverweise *22.

330

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2153 Jegleicher sach ist ir zeit guot.

2223 Sweigen tuot vil dik schaden. Sam wart er da mit geladen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Keie spottet über 2153: Jglich sach Lanzelets Scheitern ist zü ir zijt güt P. (Becherprobe). sein zeit V.

Alles hat seine Zeit.

Der Erzähler erklärt Parzivals Scheitern mit seinem Versagen auf der Gralburg (Becherprobe).

Schweigen schadet.

zu: 2153, 2223

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

331

Querverweise

Sprichwort Formulierungstradition: - (D) Diu werlt behaltet noch ein teil / der stte, daz kumt uns ze heil: / wan wir behaltens nihtes niht, / daz ist ein wunderlich geschiht. / an der werlde stte lit / daz ieglich dinc hât sîn zît Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 2193-2198. - (S) Nâch fröuden dicke trûren gât, / manc trûren fr#lich ende hât. / Ein ieglîch zît hat sîn zît, / leit nâch fröuden trûren gît. / Man sol bî fröuden wesen frô, / bî trûren trûren, kumt ez sô Freidank, 117, 16-21. Verwendung: - (E) Ieklich zît sich richtet / als ez got hât getichtet / in sîner hôhen wîsheit: / der sumer sch#ne vrüchte treit, / der herbest nâch sumer gât, / an dem ein kalter winter stât; / der ist herte unde fûr, / er twinget manege krêatûr, / daz si muoz suochen, wâ si sich / generen müge, als ouch ich / von einem slangen hân gelesen Boner: Edelstein, 13, 1-11. - (D) Des schickt jn gott keyn Jonas me/ All ding die hant jr zyt und zyl / Und gant jr stroß noch / wie gott wil Brant: Narrenschiff, 25, 20-22. - (S) alle ding es een wile / Stant modica puncta mundana negocia cuncta Proverbia Communia, 63. - (S) Omnia ad tempus certum durant; ad hoc alludit: ‚Nulla potentia longa’ Bebel: Proverbia Germanica, 203 (S. 58). - (S) Eyn yeglich ding hatt sein zeit. / Diß Sprichwort hat Salomon im Prediger reichlich außgelegt/ und wenn eyn yeglichs geschicht da es geschehen soll/ so ist es ehrlich unnd n)tzlich/ wo nicht/ so ist es unnütz./ [...] Die weil eyns yeden glück und unglück sein zeit hatt/ so soll eyn yeder sein unglück manlich tragen/ denn es kan nicht allzeit glück sein/ Tu quamcunque Deus tibi fortunaverit horam/ Grata sume manu. Mann m)ß der zeit gebrauchen wie sie kumpt/ man m)ß der zeit yhr recht thun/ man m)ß auch der zeit erwarten/ biß es besser wirt. [...] Man m)ß die zeit nemen wie sie kommet/ wie auch Hiob saget in seinem unglück/ Hab ich g)ts empfangen von der hand des Herren/ warumb solt ich das bße auch nit leiden? Die zeit gibt es also. Z) dem so th)t diß alles Gott/ es were auch das unglück wie lang es wlle/ sonst wo auch der m)t sich an das ungluck hengt so wirt der mensch verderben Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 394 (S. 325, Z. 3 - S. 326, Z. 10). Vgl. den biblischen Hintergund: - Omnia tempus habent, / et suis spatiis transeunt universa sub caelo Ecl 3, 1. - Eyn iglichs hat seyne zeyt Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 112). Literatur: Felder 2006, S. 98: „Sprichwort mit biblischem Hintergrund“. Schulze, Nr. 114, S. 86f. TPMA XIII s.v. ZEIT 4.1.1.1. Alles hat und dauert seine Zeit [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Ding, Nr. 18; III s.v. Sache, Nr. 153; V s.v. Zeit, Nr. 6.

Sentenz Verwendung: - (E) Qu’ausi bien se puet an trop taire / Com trop parler a la foiee Chrétien: Perceval, 3250f. - (D) man sol ze vil doch swîgen niht, / wan von vil swîgen dicke geschiht / daz von vil klaffen mac geschehen. / man sol die mâze wol ersehen / an allen dingen, daz ist guot: / ân mâze ist niht wol behuot Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 719-724. - (S) Schweigen ist nit alweg g)t. / Das ist/ es ist nicht so g)t/ man mag jm zuuil th)n/ Honig essen ist gesundt/ zu vil gessen machet speien/ Man sol in all ding ein maß haben Franck: Sprichwörter, I, 49v (S. 84, Z. 30-32).

*4; *11; *17.

332

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

2249 Emzigiv trat tuot blozen wech, Ouch get man leiht gewonen stech. Des ist tugend an iv gewon Vnd selwet schande da von. 2253 Er wirt gar verswachet, Swes hertz ist vermachet Sam ein ertz vnd ein gunterfeit. 2256 Valschen muot div schande ieit Vnd ist triwen tugent leit. 2269 Wan daz ist der werlde site, Daz si der niwe volget. Vil oft sich besolget, Der niwe wege kivset. 2273 Dik ouch man verlivset Groz guot nah cleinem val.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler erklärt P 2249: Emszige Das, was einem beParzivals Scheitern tritt machent blosze kannt ist, bewältigt mit seinem Versa- wege. man ohne Mühe. gen auf der Gralburg (Becherprobe).

Der Erzähler erklärt Parzivals Scheitern mit seinem Versagen auf der Gralburg (Becherprobe).

P 2253: gar] vil dick. P 2255: Als ein dupple ader ein contrafeit.

Wer innerlich verhärtet ist, der wird verachtet.

Der Erzähler erklärt P 2257: ist der Parzivals Scheitern truwen tugend mit seinem Versa- geleit. gen auf der Gralburg (Becherprobe).

Wer falsch ist, der wird Schande erfahren.

Der Erzähler reflek- P 2271: Vil dick tiert in ironischem sich da. Ton die Frage, ob er seinen Bericht an dieser Stelle abschließen sollte (Becherprobe).

Es ist riskant, Neues zu versuchen.

Der Erzähler reflek- P 2273: man auch. tiert in ironischem Ton die Frage, ob er seinen Bericht an dieser Stelle abschließen sollte (Becherprobe).

Ein kleiner Fehler bringt oft großen Schaden.

333

zu: 2249, 2253, 2256, 2269, 2273

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Felder 2006, S. 100: „Erzählerkommentar in Sentenzform“. TPMA X s.v. SCHWEIGEN 2.2. (Zuviel) Schweigen ist nicht immer gut und von Vorteil [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Schweigen, Nr. 112; Nr. 223. Zingerle s.v. SCHWEIGEN, S. 135 [führt diese Textstelle an]. Gutwald 2000, S. 151.

Sentenz

*2269.

Verwendung: - (S) Quo plus calcatur callis, plus notificatur Werner: Sprichwörter, q 194 (Hs. 15. Jh.) Literatur: Schröder 1996, S. 138: „Sentenz“. TPMA XII s.v. WEG 1.2. Der vielbegangene Weg ist graslos und gut sichtbar [führt diese Stelle an].

Sentenz

Sentenz

Sentenz

*2049.

Literatur: Felder 2006, S. 102: „Sentenzenfolge“. TPMA VIII s.v. NEU 1.1.3. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]; XII s.v. WEG 10.3. Alte Wege führen nicht in die Irre wie neue [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Weg (Subst.), Nr. 214.

Sentenz Vgl. den Gedanken: - (S) van clene dinghen comt dick groot hinder / De rebus minimis fit sepe molestia grandis Proverbia Communia, 732. - (S) Van kleynen schaden komen de groten. / De minimis crebo fiunt quam maxima damna Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1081. Literatur: Felder 2006, S. 102: „Sentenzenfolge“. TPMA VII s.v. KLEIN 3.3. Kleines richtet großen Schaden an. 3.3.1. Allgemein. Walther, Nr. 5089. Wander II s.v. Gut (Subst.), Nr. 202.

*2016; *2023; *2048; *2052; *2054.

334

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2275 Swa zweir dinge div wal, Da nimt man liht daz arge.

2277 Als leiht vellet der karge An chvnst sam der vnvruot, Der ez von vnwitzen tuot.

2367 Jn enmoht niht leiht bechrenchen Ein man, der zweir zvngen phlak Vnd der vil bittern nahslach Hinden nah dem manne sleht Vnd im vorn ab di schande twecht.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler reflektiert in ironischem Ton die Frage, ob er seinen Bericht an dieser Stelle abschließen sollte (Becherprobe).

P 2275: Wa. dinge ist die. V 2276: liht] niht. P 2276: arge] erger.

Wo man die Wahl hat, entscheidet man sich leicht für das Schlechtere.

Der Erzähler reflek- P 2277: karge] tiert in ironischem kerger. Ton die Frage, ob er seinen Bericht an dieser Stelle abschließen sollte (Becherprobe). Der Erzähler reflektiert, warum Hartmann von Aue nicht alle Ritter am Artushof namentlich nennt (Becherprobe/Nachruf auf Hartmann von Aue).

Der Verständige kann ebenso fehlgehen wie der Unverständige.

P 2369: bitter nach Schlechte Menschen dem slag. reden auch schlecht P 2371: vorn zü die über andere. schand abtweht.

zu: 2275, 2277, 2367

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

335

Querverweise

Sentenz Verwendung: - (G) sed e duobus eligam quod levius est Hieronymus: Apologia adversus libros Rufini, 1, 11 (Sp. 406A). - (E) iu volget l(tzel witze mit / ob ir verderbet disen man / wizzet daz er hat reht getan / der uz zwain sachen daz bste kan geswachen / und daz best im uz erweln Johann von Würzburg: Wilhelm von Österreich, 5658-5663. Literatur: Felder 2006, S. 102: „Sentenzenfolge“. TPMA XIII s.v. ZWEI 1.2.2. Wahl der bessern (schlechteren) Sache 1.2.2.1. Allgemein [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 102: „Sentenzenfolge“. TPMA XIII s.v. WEISE 8.12. Weise benehmen sich oft wie Narren.

Anspielung ein Sprichwort Formulierungstradition: - (E) Zwô zungen menlîch schiuhen sol. / wie mag iemean sicher sîn / vor dem, der ganzer triuwe schîn / vor in sînem munde treit, / und hinden nicht wan arges seit. / er ist ein unstter man, / den man zwô zungen sîhet hân. / mang hûs müest #de blîben, / sölt man si alle vertrîben, / die zweier zungen hânt gewalt / [...] / si slâhent manegen hinderslag / ûf den selben dâ zehant, / den si vor gelecket hânt. / si tuont alsô der scorpiô: / der lecket vor, und ist auch vrô, / so er sich balde richet, / und mit dem sweife stichet. / arger ist zweier zungen munt / und b#ser denn ein vûler hunt. / vor im mag nieman sicher wesen, / noch guot noch b#ser mag genesen Boner: Edelstein, 91, 48-74. Verwendung: - (L) Got gibet ze künege, swen er wil, / dar umbe wundert mich niht vil, / uns leien wundert umbe der pfaffen lêre. / si lêrten uns bî kurzen tagen, / daz wellent si uns nû widersagen. / nû tuonz dur got und dur ir selbes êre, / Und sagen uns bî ir triuwen, / an welcher rede wir sîn betrogen. / volrechen uns die einen wol von grunde, / die alten, ê die niuwen, / uns dunket, einez sî gelogen, zwô zungen stânt unebene in einem munde Walther von der Vogelweide, 4, VI, 1-12 (L 12, 30 - 13, 3). - (S) Du solt hinderreden niht / den liuten, des doch vil geschiht Der deutsche Cato, 191f. - (S) Cavendam esse volunt nostri felem, quae a fronte limgat et a tergo laedat; hoc est: cavendum ab homine qui a fronte blandus est et amicus, in absentia rodit Bebel: Proverbia Germanica, 191 (S. 55). - (S) Vornen leckt er/ hinden kratzt er Franck: Sprichwörter, I, 40r (S. 72, Z. 22). Literatur: Friedrich s.v. zunge, S. 488. Röhrich V s.v. Zunge, S. 1778. TPMA XIII s.v. ZUNGE 13.8. Zwei Zungen haben, mit zwei Zungen reden, doppelzüngig sein. Wander IV s.v. Vorn, Nr. 13; V s.v. Zunge, Nr. 233.

75-88; 23612366.

336

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2543 Daz lon wirt vil geswinde, Daz man gar mit hazze geit

2545 Vnd swa neit wider neit Sich üeben beginnet, Da wirt geunminnet. Einz oder beidiv tail Wirbet dar vnder vnheil. 2712 Wan sol an allen dingen Di rehten maz chvnnen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kommentiert den Spott des Boten, als dieser Keie zum trinken auffordert (Becherprobe).

P 2543: Der. P 2544: Den man mit.

Im Haß wird (zu) schnell Vergeltung geübt.

Der Erzähler kommentiert den Spott des Boten, als dieser Keie zum trinken auffordert (Becherprobe).

P 2545: nijt 4ber nijdt. V 2547: fehlt.

Wer Mißgunst mit Mißgunst begegnet, schürt Feindschaft.

Artus verurteilt Keies Feindseligkeit gegenüber dem Boten und warnt ihn vor einem Zweikampf (Becherprobe).

Es ist wichtig, in allen Angelegenheiten Maß zu halten.

zu: 2543, 2545, 2712

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

337

Querverweise

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 111: „Folge von wohl von Heinrich geprägten Sentenzen“. TPMA IX s.v. RACHE 5.2. Man räche sich nicht zu schnell.

Sentenz

*3787; *4058; *4064; *4177; *6084; 2801328016; *29678.

Literatur: Felder 2006, S. 111: „Folge von wohl von Heinrich geprägten Sentenzen“.

Sprichwort Formulierungstradition: - (D) man sol die mâze wol ersehen / an allen dingen, daz ist guot: / ân mâze ist niht wol behuot Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 722-724. Verwendung: - (D) ez enwirt ouch niemer guot, / swaz man âne mâze tuot. / Swer kan behalten unde geben / ze rehte, der solt iemer leben. / Swer schône in sîner mâze kan / geleben, derst ein wîse man; / dâ bî mit spotte maneger lebt, / der ûz der mâze sêre strebt Freidank, 114, 5-12. - (S) Omnis in omni re debet moderamen habere Werner: Sprichwörter, o 75 (Hs. 15. Jh.). - (L) Diu mâze ist zallen dingen guot, / diu mâze nimmer missetuot, / diu mâze decket schanden gluot, / diu mâze ist guot vür schulde. / Diu mâze ist ein rîcher hort Kolmarer Liederhandschrift, 111, 1-5. - (D) d( mâsse ist geb re / zuo allen guoten dingen Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 15448f. - (S) Mate es goet tot allen dinghen / Fertur in omne quod est mensuram ponere prodest Proverbia Communia, 469. - (S) Mensura omnium rerum optima Bebel: Proverbia Germanica, 292 (S. 82). - (S) Man sol in all ding ein maß haben. Zu lützel vnd zu vil verderbt all spil Franck: Sprichwörter, I, 49v (S.84, Z.32f.). - (S) Maße ist zu allen dingen gut. / Wo nicht maße gehalten wurt auch ynn den besten dingen/ so ists strefflich/ Allzu weise/ allzu from tauge nicht/ alzu bse/ allzu verzagt/ allzu blde tauge auch nicht. Man sol klug sein wo es not ist/ wo es nicht not ist da sol mans verbergen/ Denn weißheyt ist nyemand nütz on not/ sonst wirt weißheyt torheyt/ unnd witze wirt unverstandt/ wo man der selbigen nicht recht brauchet Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 38 (S. 37, Z. 10-21). Vgl. den antiken Hintergrund: - (Dr) modus omnibus in rebus, soror, optimum est habitu Plautus: Poenulus, 238. - (D) est modus in rebus, sunt certi denique fines, / quos ultra citraque nequit consistere rectum Horaz: Sermones, 1, 1, 106f. Literatur: Felder 2006, S. 113: „Weit verbreitetes Sprichwort“. Friedrich 2006 s.v. mâze, S. 290. TPMA VIII s.v. MASS (MÄSSIGKEIT) 2.3. Maß muß (bei allem) herrschen und angewendet werden. Wander III s.v. Maß, Nr. 54.

3096-3098; *7281; 19900; 25192f.

338

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2758 Mir ist sam, der des engalt, Des er nie genoz.

2762 Von schulden ist der wolf gra, Wan swaz er in der werlt tuot, Ez sei übel oder guot, Wan hat ez doch vür arch.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Keie verwehrt sich gegen Artus' Kritik (Becherprobe).

2758: sam dem der es entgalt љ. als dem der des entgalt P. 2759: nie nicht genoz љ. nye nihts genoz P.

Häufig muß jemand für etwas einstehen, von dem er keinen Nutzen hatte.

Keie verwehrt sich gegen Artus' Kritik (Becherprobe).

љ P 2762: so gra.

Manchem wird nur Schlechtes unterstellt.

zu: 2758, 2762

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Mancher muß des entgelten/ des er nye genossen hatt. / Es machet eyn bser b)be/ daß sein mancher frommer man entgelten m)ß/ denn wir sind also gesynnet/ daß wo uns eyner eyn mal eyn tuck th)t/ so glauben wir yhm nymmer. Wer eyn mahl stilt/ der m)ß sein lebtag eyn dieb sein/ wie wol wir hierinn unrecht th)n/ denn wir seind gebrechlich/ knden yrren und sündigen/ und dennoch widerkeren. Und dieweil wir dem urteyl folgen/ so m)ß mancher engelten des er nye genossen hat/ das ist/ mit unschult m)ß ers engelten Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 592 (S. 431, Z. 10-22). Verwendung: - (E) San nach disen worten / Diomedes antworte / Eya selic frouwe / Vwer wort sin ane drouwe / Sie sint doch harte spehe / Mir were also wehe / Daz ir mir sagetet uwern mvt / Als ir vmbe rede tut / Daz ich troylo han getan / Des enwil ich vch niht zu buzze stan / Daz ich in dar nider stach / Daz selbe mir von im geschach / Sin orse ich im nam / Also tet er mir sam / Daz vch fin ors wart gefant / Da sit ir niht mite geschant / Ich tet ez vch niet zv smacheit / Iedoch ist ez mir leit / Ich sante ez vmbe daz da hare / Daz ir wurdet geware / Daz ich zv strite comen tar / Bi vwern hulden ez ist war / Daz uwer zorn ist so groz / Des engildet der ez nie genoz./ Oder ich werde des wert / Daz ouch min ein wip gert Herbort von Fritzlar: Liet von Troye, 9482-9507. - (E) kumet mir daz ze ungemache / daz ich han gegen dir triuwe groz, / so engilt ich des ich nie genoz / und mac mir iemer wesen leit / min triuwe und ouch min sttikeit Appet: Ritter unter dem Zuber, 224-226. - (D) Swer engiltet des er sölte geniezen, / Den mac sîner arbeit wol verdriezen. / Swelch krâmer füere in verriu lant / Dâ grôziu gezierde im wêre bekant, / Und swenne er kost und arbeit / .f rîlich krâmwât hête geleit, / Der er gebezzern sich gedêhte / Swenne er si heim ze lande brêhte: / Ob sînen krâme denne nieman suochte / Und sînes koufschatzes nieman geruochte / Der lustic und ouch nütze wêre, / Sölte daz sînem herzen niht sîn swere? / Alsô ist mîn frouwe G r a m a t i c â / Unwert hie worden und anderswâ Hugo von Trimberg: Der Renner, 1671316726. - (S) Mancher m)ß entgelten/ des er nie genossen hat. / Auff dise weiß sagt man: Der herrn sünd/ der bauren b)ß Franck: Sprichwörter, II, 36v (S. 279, Z. 2f.). Œ Lan 114. Literatur: Felder 2006, S. 113: „Sentenzhafter Vergleich“. Friedrich s.v. engëlten, S. 147. TPMA II s.v. BUSSE 2.1. Für etwas büßen, wovon man keinen Vorteil gehabt hat [führt diese Textstelle an]. Schonert 2009, S. 68-71.

Sentenz Literatur: Gutwald 2000, S. 166, Anm. 102. TPMA XIII s.v. WOLF 37. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Wolf, Nr. 332 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WOLF, S. 178 [führt diese Textstelle an].

339

Querverweise *25194; 25247; 28163f.

340

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 2766 Wer ist so slich vnd so karch, Der vollechleich bei seinen tagen Allr der werlt mög behagen?

3180 Da pei sült ir wizzen daz, Swer spotes alle weg phliget, Daz den dehein laster bewiget, Swie oft ez im wider vert.

3474 Swer weip lat ze verre vür, Der gwinnet sein vil chlein gevüer. Daz ist an meiner vrowen schein.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Keie verwehrt sich gegen Artus' Kritik (Becherprobe).

P 2767: da völliclichen.

Niemand kann es allen recht machen.

Der Erzähler erläutert, warum Keie auch nach seiner Niederlage im Zweikampf gegen den Boten seine Spottreden nicht unterläßt (Becherprobe).

P 3180: bi so sollent. 3183: oft] dicke ez G. dick es P. ez] er V. G 3180-3183: Im Bereich der Verse 3180-3183 Randnotiz: Ciceronis Sententiae.

Den Spötter belastet auch die eigene Schande nicht.

Keie verurteilt Ginovers Vorwürfe gegen Artus (Erste Gasoein-Episode / Beratung vor dem Aufbruch).

Ein Mann hat keinen Vorteil davon, einer Frau zu viel zuzugestehen.

zu: 2766, 3180, 3474

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

341

Querverweise

Sentenz Formulierungstradition: - (D) Wie könde ein man getuon aleine, / Daz aller der werlde geviel gemeine? Hugo von Trimberg: Der Renner, 2245f. Verwendung: - (L) An liuten hât diu gotes craft / für elliu dinc gewundert: / beschouwe ich menschen tûsent hundert / âne valschen list, / bî den allen, wizze Crist, / sint zwên gelîch einander niht; / ir lîbes bilde ist an geschaft / in mange wîs gesundert: / ouch wirt ir herzen sin gemundert / dar ûf alle frist, / daz er underscheiden ist. / dâvon diz wunder hie geschiht, / daz ein man gevallen / allen liuten mac niht wol, / jâ müest er gelückes vol / nâch ganzem wunsche liuhten, / des tugende vollekomen diuhten Konrad von Würzburg: Lieder und Sprüche, 25, 81-97. - (S) Swer den liuten allen / welle wol gevallen, / armen unde rîchen / muoz er sich gelîchen, / den übelen unde den guoten, / den tôren unde den fruoten; / wil er der aller hulde hân, / sô muoz er selten müezec gân Freidank, 133, 5-12. - (D) nu mohte ich des mit nihte enbern, / ich müeste der bîschefte wern, / die dâvor geschriben stânt / und alle ûf die materie gânt, / das nieman ist, der allen / l(ten wol gevallen / müge. wan ünser herre got / leid ûf erde sm ht und spot; / swie guot doch sîne lêre was / und etsliche sprâchen, das / er selber guot w re: / das er ein verkêr re / w re, sumeliche sprâchen das Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 555-567. - (L) Und solt ein man gevallen allen / liuten alzît wol, / sich, sô müest er gelückes vol / gar wirdic sîn durchliuhte Kolmarer Liederhandschrift, 107, 13. - (S) Nemo omnibus placet. Sic quidam versificatus est: ‚Qui cunctis placeat, non credo quod modo vivat.’ […] id est, ‚Omnium difficillimum hoc scilicet multis placere.’ Heinrich Bebel: Proverbia Germanica, 281 (S. 80). Œ Lan 1. Literatur: Friedrich s.v. wërlt, S. 456. TPMA IV s.v. GEFALLEN 3. Allen zu gefallen ist unmöglich (äußerst schwierig) [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Gefallen, Nr. 2; Nr. 20. Schonert 2009, S. 68-71.

Sentenz

Literatur: TPMA X s.v. SCHERZ 4. Gelegenheit und Bereitschaft zum Scherzen. 4.2.3. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 167: „Lehre“.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 141: „sentenzartige Rede“.

*1762; 25282537; *5181.

342

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 3483 [E]in man oft des vraget, Des in vil leiht betraget, Ob er ez horte sagen.

3490 Swem sein weip ze lieb ist, Der vrag lützel von ir, Wan im wahset dann zwir Leit, chvmber unde chlag Von seinr vrag vnd ienes sag. 3499 Doch tet er als ein weis man, Der sich selben getr#sten chan Nach vil leidem mre. Swaz dem manne prüeuet swre, Des sol er selb trost nemen. Ez ensolt niht den besten zemen, Daz ein kvmber krench ir leip Sam ein herzen senend weip. 3609 Vnbesiht, daz wizzet ir wol, Div ist sttes endes hol. Da mit si mangen ierret, Dem daz dar an gewierret.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beP 3483: des dick. schreibt den Schmerz, den Keies Urteil über Ginover Artus bereitet (Erste Gasoein-Episode / Beratung vor dem Aufbruch).

Man soll nicht nach Dingen fragen, die man nicht wissen will.

Der Erzähler beschreibt den Schmerz, den Keies Urteil über Ginover Artus bereitet (Erste Gasoein-Episode / Beratung vor dem Aufbruch).

Es ist unklug, alles über die geliebte Frau in Erfahrung bringen zu wollen.

Der Erzähler lobt Artus' besonnene Reaktion auf Keies Kritik an Ginover (Erste GasoeinEpisode / Beratung vor dem Aufbruch).

Ein Mann soll sich selbst über erlittenes Leid hinwegtrösten.

Artus schlägt seinen V 3609: Vmb siht. Begleitern vor, sich getrennt auf die Suche nach Gasoein zu begeben (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Wer unbedacht handelt, scheitert oft.

343

zu: 3483, 3490, 3499, 3609

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Sentenz Verwendung: - (L) vrâge ouch nieman lange des, / daz er ungerne hoere sagen Reinmar MF 162, 14 (MFMT XXI, XII, 8f.). - (S) Successus qualis mihi sit, fit quaestio talis; / Si bene proficeret mihi, quaerens inde doloret Werner: Sprichwörter, s 205 (Hs. 15. Jh.). Literatur: Felder 2006, S. 141: „sentenzhaft formulierte Passage“. TPMA III s.v. FRAGEN 2.3. Mancher fragt, was er nicht wissen will [führt diese Textstelle an]. Vollmann 2008, S. 177: „Lehre“. Wander IV s.v. Verdriessen, Nr. 4 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. VERDRIESSEN, S. 159 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 141: „sentenzhaft formulierte Passage“. TPMA III s.v. FRAU 4.1.3. Gelassenheit und Gleichgültigkeit gegenüber der Frau. 4.1.3.5. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WEIB, S. 169 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Verwendung: - (E) Oxîatres, der bruoder sîn, / sprach „herre und bruoder mîn! / dû hâst sô hôhen gewalt / Alexander nû gezalt / daz ich mich verstân niht wol / waz man dir gegen im râten sol. / dû zwîveltst doch daz dû dîn lant / behaben mügest von sîner hant / und er trîb uns von Persîâ / ê wir in von Elladâ, - / wer mâc gestr#sten den man / der sich nicht selbe tr#sten kan? / dunket dich sîn leben guot, / sô soltû tuon als er tuot […].“ Rudolf von Ems: Alexander, 4928-4940.

Literatur: Stein 2000, S. 262, Anm. 711. TPMA XI s.v. TROST 3. Man sollte sich selbst trösten können.

Sentenz Verwendung: - (S) Sîn êre selten wenket, / der sich enzît bedenket. / Unverdâchtiu mre / sint dicke wandelbre Freidank, 91, 24 - 92, 2. Literatur: Friedrich s.v. unbedaht, S. 418. TPMA XII s.v. UNVORSICHTIGKEIT [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Unbedacht, Nr. 2 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. UNBEDACHT, S. 154 [führt diese Textstelle an].

*21080.

344

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 3787 Er lie in niht engelten Sölher starch vnvuoge, Als doch genuoge Da wider heten getan. Wan dest ein vnbesprochen man, Der guot wider arch sprichet. Swer sich also richet, Daz er schelten wider schelten geit, Daz heizt man swachen weibes streit. Daz het der riter wol bedaht.

3819 [H]oher muot wird leiht betrogen.

Kontext Der Erzähler lobt Gasoeins besonnene Reaktion auf Keies Scheltreden (Erste GasoeinEpisode / Begegnung im Wald).

Überlieferung 3791: Wenn das ist P. Wan ist V. P 3792: Der da g)ts. arges.

Der Erzähler deutet P 3819: Gaher. Keies Niederlage voraus (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Paraphrase Es ist vernünftig, boshafte Rede freundlich zu beantworten.

Hochmut führt zu Schaden.

zu: 3787, 3819

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

345

Querverweise

*2545; *4058; Sentenz *4064; *4177; 6084; 28013Verwendung: - (S) Swer übel wider übel tuot, / daz ist menneschlîcher muot; / swer guot wider übel tuot, / daz 28016; *29678. ist gotelîcher muot; / swer übel wider guot tuot, / daz ist tiuvelîcher muot Freidank, 107, 2-7. - (G) Darnach z) einem anderen male, do ich aber vúr in bat, do vant ich in in einem vúrigen wolken. Do bat er, das man ime was gebe. Do sprach ich mit aller maht z) únserm lieben herren: „Eya lieber herre, gnne mir des, daz ich m(sse úbels mit g)tem lonen.“ Mechthild von Magedeburg, 41, 11-16 (S. 612). - (D) Wort g ndt vmb wort/ ist narren wiß / G)ts g nt vmb bß/ hatt hohen priß / Wer gibt das bs vmb g)tes vß / Dem kumbt bs/ nyemer vß sym huß Brant: Narrenschiff, 68, 11-14. - (S) Bß m)ß man mit g)tem vberwinden/ vnnd nitt teuffel mit teuffel schlagen/ Wolff mit wolff fahen Franck: Sprichwörter, I, 31r (S. 59, Z. 8f.). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Noli vinci a malo, sed vince in bono malum Rom 12, 21. - Laß dich nicht das bose vberwinden, sondern vberwinde das bose mit gutem Luther: Deutsche Bibel, VII (S. 68). Œ Gar 18204. Literatur: Felder 2006, S. 146: „Sentenz“. Schulze, Nr. 254, S. 171. TPMA X s.v. SCHLECHT 6.11.3. Böses mit Gutem vergelten. Vollmann 2008, S. 178: „Lehre“. Wander I s.v. Böse (das), Nr. 33; Nr. 50. Zingerle s.v. thun, S. 148.

Sentenz Verwendung: - (S) Cito ignominia fit superbi gloria Publilius Syrus, c 10. - (E) „[…] dinis overtruwen scaden, / ich ne mochtis dir zende nie gesagin. / Du versmades harde got, / der uns ze levene gebot / unde volgedis deme vertrivenin, / die legede dich dar nidere. / unbe diesin wer iz bezzir, / gener legit dich in daz wazzir, / dar du inde dine gadin / ne mugin geswimmin noch gewadin! / von du mach du wol verstan, / daz nechein dinc dem man / grozeren scaden dut, / dan der leyde overmut, / dar uon der tuevel gewan, / daz ime nimer zeran / ochis noch achis, / noch allis ungemachis / des hat he immer genuch / unde giver is och dir, of du na ime dust!“ König Rother, 4549-4569. - (D) dô was der wîs man worden tôr, / dô wart der keiser ze kneht: / er het dô niht keisers reht. / dô wart der heilige ein diep: / im was daz spil niht ze liep. / dâ viel dô diu übermuot / under, als si dicke tuot. / Wir sîn des wol zende komen / und habenz gesehen und vernomem / daz unmâze und hôhvart / die müezen dicke vallen hart. / swer hôhe vert zaller zît, / wizzet daz er nider lît. / swenn ein man sînen muot / ie hôher hebt an übermuot, / so er ie verrer ist von got / nidere durch sîn gebot Thomasin von Zerklære: Der welsche Gast, 10626-1042. - (S) Durch hôchvart maneger vellet, / der sich zuo ir gesellet. / Von hôchvart was der êrste val, / der von himele viel ze tal Freidank, 30, 1-4. - (E) wol veil ist iu ungemach; / ir sullent lang in armuot leben. / sölken lôn kan hôchvart geben. / übermuot wirt niemer guot; / übermuot grôzen schaden tuot Boner: Edelstein, 51, 62-66. Œ Er 980; 1229 Œ Lan 7395 Œ Wigl 2672; 7960; 10087 Œ Gar 2756; 6357; 7007 Œ Tan 6730 Œ Mel 6566; 8014 Œ Wigm 5980 Œ Gau 1314 Œ Pz 472,17; 473,4 Œ JT 1923,2 Œ GTr 7080; 7227. Literatur: Felder 2006, S. 146. Friedrich s.v. muot, S. 303. TPMA VI s.v. HOCHMUT 5.5. Hochmut ist nichts Gutes, sondern schadet nur. Vollmann 2008, S. 178: „Lehre“.

2558f.; 59755981; *9730; 15440-15546; 17810-17813; 17835f.; 1942019427; 2004320047; *22353; 25645f.

346

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 3830 Ein man slüeg wol ein her, Ob ez ane wer wre. Daz ich leiht bewre.

3836 Swer sich trivget an not, Wer scholt die swr chlagen, Di er muoz von dem schaden tragen? Sam nv an Keyn geschah, Wan er sich starch übersprach. 3858 [W]az wirret einer starchen aich Ein wind lind vnd weich, Ob er sei vnderwt?

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler deutet P 3830: wol fehlt. Keies Niederlage voraus (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Paraphrase Den Übermächtigen kann man nur besiegen, wenn er wehrlos ist.

Der Erzähler deutet P 3838: Di er Wer sich selbst etKeies Niederlage schanden halb müsz was vormacht, dem voraus (Erste tragen. wird es schaden. Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Der Erzähler deutet Keies Niederlage voraus (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Die Angriffe des Schwachen können den Überlegenen nicht beirren.

347

zu: 3830, 3836, 3858

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Sentenz Formulierungstradition: - (D) Swen man vindet âne wer, / den überrite ein krankez her; / funde ich âne wer ein lant, / daz twunge ich wol mit einer hant. / Man rîtet ein werhaften man / in sîme zorne ungerne an. Freidank, 131, 11-16. Verwendung: - (D) swer hât ân ruom durch reht strît, / dem mac niht werden an gesît. / Jonathas und sîn geselle / die mahten eins tages snelle / vlühtic ein vil grôzes her; / si wâren alle âne wer. / daz ist noch geschriben hiute / wie Gedêôn mit lützel liute / überk#me ein grôzez her: / die kômen ouch sô niht ze wer Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 12931-12940. Œ Iw 2477. Literatur: Singer 1947, S. 92. TPMA VI s.v. KAMPF 1.12. In günstiger Position lässt sich gut kämpfen. Wander V s.v. Streiten, Nr. 23.

Sentenz Verwendung: - (S) Schdelik is de de sik sulven bedrücht./ Perniciosa nimis res a se fallier ipso Tunnicius: Sprichwörtersammlung 927.

Literatur: TPMA XII s.v. TRUEGEN 16. Sich selbst betrügen.

Sentenz Vgl. das Sprichwort: - (S) den boom en valt ten eersten slaghe niet / Est arbor dura decies ferenda [l. ferienda] casura: / Arbor per primum queuis non coruit [l. corruit] ictum Proverbia Communia, 200. - (S) Nulla arbor uno ab ictu cadit Bebel: Proverbia Germanica, 458 (S. 124). Vgl. den umgekehrten Gedanken: - (E) Uf einem berge stuont ein eich, / diu keinem winde nie entweich, / wan si was stark, lang unde grôz. / [...]. / diu eich vil wol gewurzet was: / si stuont vast âne wenken. / wer möchte daz gedenken, / daz si sölti vallen nider? / dâ was ir kraft vil vaste wider. / und dô si lang gestuont alsô, / dô kam ein wint, heizt aquilô. / vil krefteklîch er wâte; / ûz der erde er drâte / mit wurzen und mit esten grôz / die eich; in daz môs er si schôz. / [...] / Sô stark ist nieman noch sô grôz, / etswâ vinde er sîn genôz. / wer etswenn nicht entwîchen kan, / der dunkt mich nicht ein wîser man. / der vaste stande der hüete sich / daz er nicht valle; daz rât ich. / sô hôher berg, sô tiefer tal, / sô gr#zer kraft, sô swrer val. / wer den mantel kêret dar, / da er des windes wirt gewar, / und überkraft entwîchen kan, / der mag wol deste baz gestân. / wer velt, der kumt vil kûme wider; / daz rôr gestuont, diu eich vil nider Boner: Edelstein, 83, 1-60. - (S) Saepe cadit quercus, quae vento firma resistit Werner, s 2 (Hs. 15. Jh.). Literatur: Gutwald 2000, S. 115: „exemplum“. TPMA II s.v. EICHE 4. Die große Eiche wird (vom Wind) eher gefällt als kleine, biegsame Pflanzen. Wander I s.v. Eiche, Nr. 11; V s.v. Wind, Nr. 187.

*3861.

348

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 3861 Swa sich ein hagel blt, Da er niht gewerren mach, Da vertreit man leiht sein slach. Sam stet ez vmb des mannes muot, Der michels me mit der rede tuot, Dann er mit den werchen tuo.

3901 [O]ft nimt man nah wan, Daz man ez gern an Wurd, moht man dar nah. Swem ze dehein sachen wirt ze gah, Den mak ez geriwen.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler deutet Keies Niederlage voraus (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Der Erzähler deutet Keies Niederlage voraus (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Paraphrase Man fürchtet nicht, was nicht zu schaden vermag.

P 3904: Wem da wùrt zü einer sachen so gach. P 3905: es wol geruwen.

Wer übereilt handelt, der wird es bereuen.

349

zu: 3861, 3901

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

Querverweise *3858.

Verwendung: - (E) Sich hebet manig grôzer wint, / des regene doch vil kleine sint. / nâch grôzem donre dik beschicht, / daz man gar kleinez wetter sicht. / ez dröut mit worten manig man, / der doch wêning schirmen kan. / daz urlig halbez daz sint wort; / der hânt die vrouwen grôzen hort. / ein kleiniu sache dicke tuot / grôz vorcht in maneges menschen muot. / als disen liuten hie beschach: / ein kleine sache ir herze brach Boner: Edelstein, 29, 19-30. - (D) Noch wil ich einen rât geben: / ein herre sol niht vil drô phlegen. / dâ von daz nâch dem liehtblicke / kumt der donerslac dicke, / dâ von ist man ân vorhte niht, / swenne man den liehtblic siht. / ob der doner zaller vrist / slüege, swennez bleczend ist, / sô vorhte man in aver baz / dan man tuot. wizzet daz, / swie grôz der schal des doners sî, / solde der slac niht wesen derbî, / man vorhte in lützel ode niht. / wizzet daz alsam geschiht / einem herrn der drôn wil / unde tuot doch niht ze vil. / swelhem herren daz geschiht, / daz er drôt und tuot niht, / sîne drô machent daz, / daz man wese sicher baz. / sîn drôn mir sicherheit gît, / swer âne werc dreut zaller zît, / wan er tuot drônde ûf vil gar, / daz er mit werc niht tuon getar Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 13237-13260. - (S) Non omnes nubes producunt pluviam; hoc est: non omnia, quae nobis minantur priculum, nocent. Dici solet in eos, qui nobis mala minitantur Bebel: Proverbia Germanica, 211 (S. 60). - (S) Es schlegt nit alweg/ wann es gleich dondert Franck: Sprichwörter, I, 82r (S. 132, Z. 32). Literatur: Gutwald 2000, S. 115: „exemplum“. TPMA II s.v. DONNERN 4. (Großer) Donner bringt kleines und kurzes Unwetter. 5801-5806; 61416143; 7560-7564; 17978-17985; Formulierungstradition: - (S) Ze manegen dingen ist mir gâch, / daz mich geriuwet dar nâch. / Unrehtiu ghe schaden 26322f.; 26476tuot, / reht gebite diu ist guot / Sich vergâht als lîhte ein man, / als er sich versûmen kan. / Swem 26479. gâch ist z' allen zîten, / der sol den esel rîten Freidank, 116, 19-26.

Sentenz

Verwendung: - (L) des jâres kumt vil lîhte ein tac, / daz erz wol verenden mac. / unrehter ghe nieman wonet, ern müeze ir dicke engelten: / guoter bite gebrast noch nie mit zühten harte selten Namenlos h KLD Nr. 38, 17, 7-10. - (D) Lât iu noch sagen mêre: / ein herr sol haben dise lêre, / daz im niht gâch wesen sol: / ane rât tuot selten iemen wol / swer âne rât gerne tuot, / der treit dicke riwegen muot. / swer tuot swaz er tuotmit rât, / den riuwet selten sîn getât Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 12993-13000. - (D) Swenne dîn gesinde dich / erzürne, lieber sun, sô sich, / daz dir werde iht sô gâch / daz dich geriuwe dar nâch Der deutsche Cato, 223-226. - (S) Res est damnosa, quae fit nimis impetuosa Werner: Sprichwörter, r 50 (Hs. 15. Jh.). - (S) Eilen thet nye keyn g)t. Y/ e g her ye vnn her. / Schnell spil vbersihet vil Franck: Sprichwörter, II, 89v (S. 143, Z. 20-22). Œ Tan 6. Literatur: Bleumer 1997, S. 61: „sprichwortartige [...] Sentenz“. Felder 2006, S. 148: „Sentenz“. TPMA II s.v. EILE 3. Zu große Eile ist unangebracht und bringt Nachteil; 3.5. Zu große Eile bringt Reue. Wander I s.v. Eile, Nr. 4. Zingerle s.v. JÄH, S. 76 [führt diese Textstelle an].

350

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 3906 Wan ze des anegengs triwen Sol sich niemen verlazen, Ern müg e gemazen, Welh dar nah sein ende sei

3951 Solt iemen sterben von dro, Jch hiet niht so lang gelebt.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler deutet P 3906: anegengs] Keies Niederlage anfangs. voraus (Erste P 3908: Er mag. Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Man soll am Anfang seines Handelns das Ende mitbedenken.

Gasoein verspottet Keie (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Niemand stirbt durch Drohungen.

P 3951: Solte man sterben von dră.

zu: 3906, 3951

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

351

Querverweise

*6144; *7555; Sentenz 8360-8364; *19172; 20212f.; Formulierungstradition: - (E) „[…] man sol dis dinges anevanc / besehen und daz ende. / prîs oder missewende / lît ze 24397; 25130jungest an dem zil. / vil maneger an dem zabelspil / von êrst gewinnes wirt gewon, / der mit 25134. verlüste gêt dervon.“ Konrad von Würzburg: Partonopier und Meliur, 13974-13980. Verwendung: - (D) Neque enim quod ante oculus situm est, sufflecerit intueri: rerum exitus prudentia metitur Boethius: De Consolatione Philosophiae, II, 1, 46f. - (D) Tvlius sprichet von deme ratgeben, / her sulle selbe wislich leben / vnd sulle an allen sachin vor sehen, / waz da nach muge geschen, / waz zu beiden handen muge komen, / beide zu schaden vnd zu fromen, / daz her da nach nicht in durfe sagen, / als man den schaden beginnet clagen, / daz her dez lutzel dechte, / daz ez also kumen muchte. / her schamet sich ouch zu spate / nach dem schedelichen rate. / Dan abir sprichet alsus / der wise man Bohetius: / „iz in kumit nicht zu dr wisheite, / daz man sich donach breite, / daz nu geschaffin ist: / man sal daz ende prufen mit rechter list.“ Wernher von Elmendorf, 91-108. - (E) swer sich des underwinden wil, / daz er bestê griuslîchiu dinc, / der trahte, wie er der ursprinc / ze sleclichem ende kume. / jô lît an aller dinge drume / prîs oder missewende. / wie stât ein armez ende an einem rîchen urhabe. / man tuo sich des beginnes abe, / des man niht vollebringen müge, / sô daz sîn zil den êren tüge / und werdeclichem prîse. / der biderbe und der wîse / der ahte, wie sîn anevanc / gewinne guoten ûzganc, / sô mac er leides sich entladen. / wir hân genomen grôzen schaden, / den suln wir alsô rechen, / daz nieman dürfe sprechen, / daz unser leit gemêret sî Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 18302-18321. (E) daz lese wir kuntlich: / eim wîsen man ich den gelîch, / der sîn dinc alsô geschaffen hât, / daz ein hûs gebûwet stât / ûf ein gruntveste, / diu steinîn ist und veste. / daz bû, daz got meinet, / dâmit er uns bescheinet, / sô ein ieglich man / iht wil grîfen an / sachhafter dinge, / wil er, daz im gelinge, / sô sol er niht vergezzen, / er sol vil eben mezzen, / ê der anevanc ergê, / wie daz ende bestê. / swenn er daz ahtet / und wîslich betrahtet / und ouch dâ gedenket an, / so mac im unmuglich missegân. / dem tete niht gelîche / von Bêheim der kunic rîche: / der macht den anevanc whe - / wie aber dem ende geschhe, / darûf enaht er selber niht Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 80330-80354. - (S) OCULUS IN METAM. / Erwig das end/ wohin all ding reych Franck: Sprichwörter, I, 61r (S. 101, Z. 29f). Vgl. den biblischen Hintergrund: - In omnibus operibus tuis memorare novissima tua, / et in aeternum non peccabis Sir 7, 40. Was du thust, so bedencke das ende, so wirstu nimer mehr vbels thun Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 170). Literatur: TPMA II s.v. ENDE 1.3.3. Man bedenke bei allem das Ende [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Anfang, Nr. 13; I s.v. Ende, Nr. 71.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Van druwen stervet nummant. / Nemo minis obiit, nullum mala verba trucidant Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 396. Vgl. das Sprichwort: - Die van dreyghen sterft salmen met dreeten ouerluden. / Dum minis quis obit pulsans campana culus fit / Qui moritur minis compusabitur sibi bombis Proverbia Communia, 236. Œ Tan 5683.

3884-3892; *4152; *4162; *4568; *26959.

352

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

3963 Div zvng baz sneidet dann daz swert An iv, daz han ich wol gesehen.

4058 Daz sint zwei gleichiv lone, Swa guot dem guoten widervert. Des doch manger wirt behert, Dem wider guot gevellet arch.

4064 Daz im nv widervüere Guot wider guot, des gert er, Seit guot guotes ist gewer.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Gasoein verspottet Keie (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

P 3963: snijdet basz.

Der Erzähler beschreibt Gales' Versuch, Gasoein durch freundliche Ansprache zu gewinnen (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Es ist angemessen, P 4058: waren n) zwen glich. Gutes mit Gutem zu P 4059: Wa ein güt vergelten. dem andern güt widder veert.

Der Erzähler beschreibt Gales' Versuch, Gasoein durch freundliche Ansprache zu gewinnen (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Worte können mehr verletzen als Waffen.

Das Gute bringt noch mehr Gutes hervor.

zu: 3963, 4058, 4064

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

353

Querverweise

Literatur: Harrebomée, I, 349, 12. TPMA II s.v. DROHEN 10. Drohungen verletzen und töten nicht. 10.1. Allgemein [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Drohen, Nr. 15.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) Gedenckent allewegen noch eren zu streben, diebe und verreter von uch zu stossen. Ein böse, falsche zunge ist vil schedelicher dann ein sere stechens swert Elisabeth von NassauSaarbrücken: Loher und Maller, f. 1v. - (S) quade tonghen sniden meer dan zwaerden / Scindit mendosa gladio plus lingua dolosa Proverbia Communia, 602. - (S) Mala lingua plus gladio laedit Bebel: Proverbia Germanica, 370 (S. 101). Verwendung: - (E) Der mit der zungen schaden tuot, / vor dem ist kûm ieman behuot; / diu valsche zunge stiftet mort. / noch sneller ist des argen wort, / denne von der armbrost sî / der phîl. wer mag denn wesen vrî, / daz er müg hin ân rede komen / der argen? daz ist nicht vernomen Boner: Edelstein, 3, 53-60. - (S) Ein bß maul ist scherpffer dann ein schwert. / Ehr vnd gfier kan man keynem mit dem schwerdt oder hand entwenden/ aber mit dem maul/ drumb ist das maul ein scherpffer schwert dann das von eisen Franck: Sprichwörter, I, 86v (S. 138, Z. 35-38). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Multi ceciderunt in ore gladii; / Sed non sic quasi interierunt per linguam suam Sir 28, 22. Viel sind gefallen, durch die scherpffe des schwerds, Aber nirgent so viel, als durch b#se meuler Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 224). Literatur: Friedrich s.v. zunge, S. 489: „Sprichwort“. TPMA XIII s.v. ZUNGE 7.6 Die Zunge verletzt schlimmer, ist und schneidet schärfer als (scharf wie) ein Schwert (ein Messer, eine Lanze) [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Zunge, Nr. 15 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. ZUNGE, S. 184 [führt diese Textstelle an]. *2545; *3787; *4064, *4177; *6084; 28013Verwendung: - (S) Swer übel wider übel tuot, / daz ist menneschlîcher muot; / swer guot wider übel tuot, / daz 28016; *29678. ist gotelîcher muot; / swer übel wider guot tuot, / daz ist tiuvelîcher muot Freidank, 107, 2-7.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 149: „Sentenz“. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 7.17.1. Man soll Gutes mit Gutem vergelten. Vollmann 2008, S. 178: „Lehre“.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 149: „Sentenz“. Friedrich s.v. guot, S. 189. TPMA V s.v. Gut (Adj.) 4.3.6. Eine Wohltat ruft die andere hervor (verlangt nach Vergeltung). Vollmann 2008, S. 178f.: „Lehre“. Wander II s.v. Gut (Subst.), Nr. 39; Nr. 158.

*2545; *3787; *4058; *4177; * *6084; 2801328016; *29678.

354

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 4144 Wizzet ir, daz Glüches rat Jst vertig vnd sinewel. Ez wirt mir leiht also snel Zem besten alsam iv.

4152 Ezn zimt niht guoten chnehten, Daz si so vil gedröwen, Wan daz beginnet vröwen Jenen vast vnd sterchen: Wan sol den zagen merchen Bei seinr hohen antwurt. 4162 Mich muoz wol belangen Jwer also starcher dro, Wan si ist gar ze ho, Vnd tuot ir lützel dar nach. Jv ist ze vehten niht so gah, So iv ze der red ist.

Kontext

Überlieferung

Gasoein nimmt Gales' Herausforderung an (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Paraphrase Das Glück ist wechselhaft.

Gasoein nimmt Ga- P 4156: den] einen. Drohen ist ein Zeiles' Herausfordechen von Feigheit. rung an (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Gasoein nimmt Ga- P 4166: Zü den les' Herausfordewercken ist ùch nit rung an (Erste so goh. Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Wer viel droht, der kämpft nicht gerne.

zu: 4144, 4152, 4162

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sprichwort Formulierungstradition: - (E) si sprach: „ gelücke daz ist sinewel: / mir was nû lange trûren bî - / dâ von bin ich ein teil nû vrî. […].“ Wolfram: Willehalm, 246, 28-30. - (L) Das glück ist synwell, als man spricht, / Des hab ich g)t gedingen; / Mein hoffnung vnd mein zuuersicht / Sol mich ze fräden pringen. / Seid nyemant lieb on laid nit hat, / Wes solt ich denn genyssen? Hätzlerin: Liederbuch, 1, 53, 24-29.

355

Querverweise 2776-2779; *5965; 1583415848; *21513.

Verwendung: - (S) Gelücke ist rehte als ein bal: / swer stîget, der sol fürhten val Freidank, 114, 27 - 115, 1. - (E) slde diu ist sinewel / und walzet umbe als ein rat. / dô ich sî mit vlîze bat / daz sî mir ze wîbe / gbe diu mînem lîbe / wre wol ze mâzen, / daz hât sî leider lâzen, / und hât mir ein wîp gegeben, / daz bî mir alle die nû leben / immer sint gebezzert Die böse Frau, 240-249. - (D) so sprichet ain maister denne, / den ich wol erkenne: / ‚est rota fortune / variabilis ut rota lune: / crescit, decrescit, / in eodem sistere nescit.‘ / diz sprichet: ‚gelok ist sinwel, / es ist ze wenkende snel, / ist ez iez in der hant, / ist balde in ain ander lant.‘ Johann von Konstanz: Minnelehre, 1995-2004. - (S) Das glück ist sinwel. / Das glückrad geht vmb. / Das glück ist ein freund der vnbleiblichen ding/ vnd kan nit still stehn/ sonder des glücks rad/ f(rt einn auff den andern ab Franck: Sprichwörter, I, 80r (S. 130, Z. 14-17). - (S) Holt dy an de dogede! dat gelucke is runt. / Fidito virtuti semper: fortuna rotunda Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1301. Œ Gau 4982. Literatur: Friedrich s.v. gelücke, S. 161: „Sprichwort“. TPMA V s.v. GLÜCK 3.1.2.1. Das Glücksrad dreht sich, und Fortuna dreht das Rad und sich mit ihm; 3.2. Das Glück ist rund (wie ein Ball, eine Kugel). Wander I s.v. Glück, Nr. 116; Nr. 117; Nr. 133; s.v. Glücksrad, Nr. 2.

Sentenz Verwendung: - (E) so will ich verfügen Es ist der forchtsamen leüt gewonhait das si grosse trwort pruchen und wenig auß richten. Darumb merck auf wie scharpf diser zag trt Hans Neithart: Eunuchus, 145.

3884-3892; *3951; *4162; *4568; *26959.

Literatur: TPMA II s.v. DROHEN 2. Drohungen zeugen von Furcht. Wander I s.v. Fürchten, Nr. 60.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) ez dröut mit worten manig man, / der doch wênig schirmen kan Boner: Edelstein, 29, 23f. - (S) Alle dreyghers en vechten niet / Non omnis pugnat minans qui fortia clamat Proverbia Communia, 103. Verwendung: swer zallen zîten drôn will, / den sol man vürhten niht ze vil Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 13385f.

3884-3892; *3951; *4152; *4568; *26959.

356

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

4177 Arch niht wan arch schvndet.

4332 Ich was ein tore, Daz ich durch dehein weip So verderb meinen leip, Nuor daz man seit, Daz der man von seinr arebeit Groz werdecheit gewinne.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Gasoein nimmt Gales' Herausforderung an (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Das Schlechte bringt noch mehr Schlechtes hervor.

Artus reflektiert seine Entscheidung, nach Gasoein zu suchen (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Nur durch Mühe erlangt man Ansehen.

zu: 4177, 4332

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

357

Querverweise

- (S) Sich hebet manic grôzer wint, / des regene doch vil kleine sint: / man hebet manege sache hô, / diu schiere gelît mit kleiner drô. / nû merket, swer ze vil gerdôt, / den fürhtet nieman umbe ein brôt Freidank, 123, 20-25. - (S) Non omnes nubes producunt pluviam; hoc est: non omnia, quae nobis minantur periculum, nocent. Dici solet in eos, qui nobis mala minitantur Bebel: Proverbia Germanica, 211 (S. 60). - (S) Alle druwers en vechten nicht. / Audent marte minus, verbis qui sepe minantur Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 150. - (S) Die eim trawen/ wllen eim nicht th)n Franck: Sprichwörter, I, 82r (S. 133, Z. 4). Literatur: Felder 2006, S. 150: „Hinter diesen Aussagen steht ebenfalls eine Sentenz“. TPMA II s.v. DROHEN 6. Drohende fechten und beißen nicht immer. Wander I s.v. Droher, Nr. 2. *2545; *3787; *4058; *4064; *6084; 28013Verwendung: - (D) Ein übel daz ander kan entzünde, / Des vinde wir in den buochen vil Hugo von Trimberg: 28016; *29678. Der Renner, 9716f.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 150: „möglicherweise Heinrich zuzuschreibende Sentenz“. TPMA X s.v. SCHLECHT 1.2.1. Ein Übel bringt weitere mit sich [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Böse (das), Nr. 26.

Sentenz Verwendung: - (S) Mit senfte nieman êre hât, / als nû diu werlt stât. / Nieman hât ân arebeit / wîstuom, êr, grôz rîcheit. / Der fûle gert niht mêre / wan senfte leben ân êre Freidank, 92, 5-10. - (L) Ie grôzer sin, ie merre nôt; / mit senfte nieman êre hât. / riuwe ist aller sünden tôt; / vil liep mit leide gar zegât Namenlos h KLD Nr. 38, 24, 1-4. - (D) Sun, wil dir lieben guot gemach, / sô muostû êren dich bewegen: / an jungen man ich nie gesach / diu zwei gelîcher wâge wegen. / waz touc ein junger lîp verlegen, / der ungemach niht lîden kan / noch sinneclîch nâch êren stegen? / ez ist mir âne zwîvel kunt, / ez loufet selten wîsiu mûs / slâfender vohen in den munt Winsbecke, 42, 1-10. - (E) Der turney was zesamen gar / chomen, ietweder zwo schar / waren und deheine mer. /die minnegernden muotes her / taten ez des tages so, / da von ir lop muoz stigen ho, / ir lip erwarp da werdecheit / deswar mit grozer arbeit. // Nu habt ez uf die triwe min: / swelhes mannes lip wil müezic sin, / daz der eren niht bejagt; / iu si für war gesagt, / daz hohez lop und müezic leben / got hat zesamen niemen geben, / swer hohez lop erwerben wil, / der muoz unmuoze haben vil Ulrich von Liechtenstein: Frauendienst, 1068,1 - 1069,8. - (E) der knabe neic im unde sprach / „êre enfüeget niht gemach, / unsenfte hât nâch êren strît. / her künec, habt ir gezürnet sît, / dêst mir leit. ich enmohte hie / belîben niht, dô daz ergie / daz si alle riten dâ hin: / dar nâch stuont ouch mir der sin […].“ Biterolf und Dietleib, 3909-3916. - (E) Do sprach der kunig herre / „Sanfftes leben und ere / Mugen nicht pey ain ander wesen. / Das hör ich in den pücheren lesen: / Wer nach eren streben wil, / Der muß understunden vil / Ungevertes leyden. / [...] / Ainen frummen man zimpt wol / Das er turnay suchen soll.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 6199-6212. Œ Er 2527; 4096; 4101 Œ Iw 7171; 7175 Œ Wigl 2871; 2879; 2880 Œ Da 1371 Œ GTr 4426; 4430. Literatur: Felder 2006, S. 152: „Anspielung auf eine Sentenz“. Friedrich s.v. êre, S. 150. TPMA II s.v. EHRE 5.4. Mühe und Arbeit; IX s.v. RUHE 4.3. Wer ruht, kann keine Ehre erlangen. Wander I s.v. Arbeit, Nr. 5.

6799-6808.

358

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 4348 Ez sei chrvmp oder sleht, Des went si han gewalt Ze ernst vnd ze tagalt, Des sint ir schimpf reich. Si tuont wol dem geleich, Als ouch ist, sam an in Ste allr vr#den gewin. Des sol man ir rede vertragen.

4374 Vil mangiv weip vleizent sich, Daz sie vrivnden freude deken. Wer sol daz erreken, Waz si da mit meinent, Wan daz si bescheinent Hertzlieb, da han ich ez vür. 4568 Gedrowen vil vnd reden ho, Daz zimt nuor weiben. Guot riter, lat beliben So weiplichz bagen!

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Artus reflektiert seine Entscheidung, nach Gasoein zu suchen (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Alle Freude der Welt entsteht durch die Frauen.

Artus reflektiert P 4375: Das sie ire seine Entscheidung, frùnde erschrecket. nach Gasoein zu suchen (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Häufig streben Frauen danach, die Freude ihres Mannes/ Geliebten Freude zu zerstören.

Gasoein weigert sich, Artus seinen Namen zu nennen (Erste GasoeinEpisode / Begegnung im Wald).

Drohen ist kein Zeichen von Tapferkeit.

P 4569: zymmpt nyeman denn den wijben.

zu: 4348, 4374, 4568

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

359

Querverweise

*231; *4374; Anspielung auf eine Sentenz *4975-4984; *6971; 18718Formulierungstradition: - (D) Durch fröude frouwen sint genant: / ir fröude erfröuwet alliu lant; / wie wol er fröude 18721; 2432824331; 28144erkande, / der s‘ êrste frouwen nande! Freidank, 106, 4 - 106, 7. - (E) Wîb ist ein gâb der fröuden, / diu alle fröud bekrœnet, / von der ist wol zu göuden / diu ir 28153; 28455pris, ir wîplîch êre nicht verhnet. / Ez hât ein wîb nicht bezzers dann ir êre; / wirt diu an ir ver- 28457; *29989. kêret, / wie sol ein man sich an ir fröuwen mêre? Hadamar von Laber: Jagd, 722, 1-7. Verwendung: - (D) Sun, wiltû zieren dînen lîp, / sô daz er sî unvuoge gram, / sô minne und êre guotiu wîp, / der tugent uns ie von sorgen nam. / si sint der wunne ein bernder stam, / dâ von wir alle sîn geborn. / er hât niht zuht noch rehter scham, / der daz erkennet niht an in: / der muoz der tôren einer sîn, / und hete er Salomônes sin Winsbecke, 11, 1-10. - (L) Junger man, wis hôhes muotes / dur diu reinen wol gemuoten wip, / fröwe dich libes unde guotes, / unde wirde dinen jungen lîp. / Ganzer fröide hâst dû niht, / sô man die werdekeit von wîbe an dir niht siht. // Er hât rehter fröide kleine, / der sî von guoten wîben niht ennimt Walther von der Vogelweide, 61, I, 1 - II, 2 (L 91, 17-24). - (E) Wol im, dem ein reinez wîp, / Bewart guot, êre, sêle und lîp! / Der sol got loben von herzen grunde, / von sinnen, von kreften, von süezem munde / Und immer im gerne sagen danc, / Wenne ez sprach her F r î d a n c: / ‚Von fröuden frouwen sint genant, / Wenne die gefröuwent elliu lant. / Wie wol er fröude erkante, / Der frouwen von êrste sie nante!‘ / Swer ir tugent erkennen kan, / Sô sint si tiurre denne die man: / Si schement sich maniger missetât, / .f die ein man niht ahte hât. / Man sol irre tugent nehmen war, / Ir dinc sol nieman wizzen gar. / Sölte êwigiu fröude âne frouwen sîn, / Sô hête der engel der künigîn / Niht gesegent ir kindelîn / Daz si gebar âne alle pîn, / Und magt noch ist und magt dô was / Dô si des selben suns genas, / Und reiniu magt sol immer sîn / Und aller meide spiegel schîn Hugo von Trimberg: Der Renner, 13069-13092. Œ Wigl 2097; 9698; 10463 Œ JT 1990,4. Literatur: Felder 2006, S. 152: „spielt auf eine Sentenz an“. Friedrich s.v. wîp, S. 468. TPMA III s.v. FRAU 3.1.5. Die (gute und schöne) Frau ist der Inbegriff und die Quelle der Freude (für den Mann). Wander I s.v. Frau, Nr. 115.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 152: „Sentenz“.

Sentenz

Literatur: TPMA II s.v. DROHEN 1. Drohungen zeugen von Torheit und kindischem (weibischen) Verhalten [führt diese Textstelle an]. Wander V s.v. Drohen, Nr. 34.

*231; *4348; *4908; 49754984; *6971; 18718-18721; 24328-24331; 28144-28153; 28455-28457; *29989. 3884-3892; *3951; *4152; *4162; *26959.

360

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 4701 [S]wer daz ervindet, des er gert, Den hat Fortuna wol gewert, Als si dise reken beid getet, Wan daz was ir beider bet, Daz si einander vunden. 4904 Ez enwart nie gar swarer haft Dem man an seinem leibe, Dann den von liebem weibe Ein werd man tragen muoz.

4908 Vil süez ist der weibe gruoz, Ob man ir mit triwen phligt. An swem aber chvmber gesigt, Den man von lieb weibe hat, Da ist leides also starch rat, Daz sich ir liebe dar an Nimmer wol geleichen chan. 5033 Btet ir betlichen, So moht ich ivch gewern. Swen man so h#ret gern Vnbetlicher sach, Daz in vngewert mach Daz reht an der gewonheit, Daz ist lang her geseit. Da von habt ir iv verzigen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kom- P 4701: O Wer da mentiert das gegen- vindt das er begert. seitige Erkennen von Artus und Gasoein (Erste Gasoein-Episode / Begegnung im Wald).

Wer findet, was er sucht, ist vom Glück begünstigt.

Der Erzähler gibt Artus' Bestürzung darüber wieder, daß Gasoein Anspruch auf Ginover erhebt (Erste GasoeinEpisode / Begegnung im Wald).

Männer werden durch die Liebe einer Frau gefangen genommen.

P 4904: gar fehlt. V 4905: Den. P 4906: lieben wijben. P 4907: werd] werlt.

Der Erzähler gibt P 4909: ir fehlt. Artus' Bestürzung darüber wieder, daß Gasoein Anspruch auf Ginover erhebt (Erste GasoeinEpisode / Begegnung im Wald).

Wer eine Frau beständig liebt, wird dafür belohnt.

Artus stimmt 5033: Betdent P. Gasoeins Vorschlag Bitet V. zu, über dessen Anspruch auf Ginover in einem Gerichtskampf zu entscheiden, obwohl er diesen Vorschlag für unangemessen hält (Erste GasoeinEpisode / Begegnung im Wald).

Wer angemessen bittet, wird erhört.

zu: 4701, 4904, 4908, 5033

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

361

Querverweise

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 154: „Sentenzkommentar des Erzählers“.

Sentenz

4910-4914.

Literatur: TPMA III s.v. FRAU 3.2.3. Unterdrückung, Unfreiheit und Sklaverei.

Sentenz

*231; *4348; *4374; 49754984; *6971; 18718-18721; 24328-24331; 28144-28153; 28455-28457; *29989.

Literatur: Felder 2006, S. 162: „Sentenz“.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (E) ein man sol betelichen gern, / den mach man deste baz gewern. / swer unbetelichen gert, / der hat sich selben gar entwert Der Stricker: Wolf und Weib, 59-62. Verwendung: - (S) Quod iustum est petito vel quod videatur honestum, / nam stultum petere est quod possit iure negari Disticha Catonis, I, 31. - (E) dô sie hâten messe vernomen / und ze hove wâren komen, / vür den keiser sie giengen. / ir bete sie an viengen, / daz se im vielen zuo den füezen. / „obe wir iuch biten müezen, / so erloubt uns, herre, mit guoten siten / ein bete der wir iuch wellen biten / und daz ez sî âne zorn.“ / dô sprach der fürste wol geborn / „stêt ûf unde sît gewert, / ob ir betelîche gert. / lât h#ren waz der bete sî.“ Herzog Ernst B, 1105-1117. - (S) Swer mich der dinge bte, / diu ich doch gerne tte, / der bete solte ich in gewern, / wolt er ir zühteclîchen gern Freidank, 132, 12-15. - (L) Swer biten muz unt biten sol, / und betelicher gabe gert, / Des biten zimt zu hören wol, / und ist nicht übel, wirt er gewert. / Ein betelich gabe, ein billich bieten, / die zwei sint wol von einer art. / unbillich bete hat sich bewart / vor wisen, vorbedachten siten Frauenlob, XIII, 8, 1-8. - (S) Gewerlîcher dinge ger, / wildu daz man dich gewer: / er ist niht wîse, swer des gert / des man in mit rehte entwert Der deutsche Cato, 201-204. - (E) Wer b ttlich kan begeren ains, / Der wirt gewert dester Ee, / Vnbättlich bätt für oren gee / des ratt ich meinen friunden Hätzlerin: Liederbuch, 2, 58, 352-355.

1021-1032; *1033; 11471152; 2703f.; 2785-2788; 59235930; 1448214486; 15578f.; 15896f.; 1761617618; 17914; 20673-20675; 21047-21049; 21162f.; 21565f.; 24937-24976; 25240-25242.

362

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

5149 Artus sich erholte Seins vngemüetes mit in. Wan vindet oft trostes gwin Nach vil grozem vngemach.

5181 Swer schimpf bivtet vnd nimt, Ob dem schimph missezimt, Daz ist an im ze schelten. Wan h#rt vil selten Deheinen schimphr, Daz in schimpf beswr, Swie ser er merchend sei. Als ouch nv geschach Key 5334 [L]eit suochet trostes rat Vnd siecher leip den artzat. Swem iht leides widervert, Swa mit er sich des erwert, Daz üebet er mit willen.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler gibt Artus Schadenfreude beim Wiedersehen der besiegten Ritter wieder (Erste Gasoein-Episode / Rückkehr an den Artushof).

Nach Leid findet man häufig Freude.

Der Erzähler gibt die Reaktionen der besiegten Artusritter auf Artus' Spott wieder (Erste Gasoein-Episode / Rückkehr an den Artushof).

P 5181: DEr. Wer selber spottet, P 5182: schimpfen. der muß auch selbst Spott hinnehmen können.

Der Erzähler erklärt P 5334: DJe wijle den Wunsch der sùchent. besiegten Ritter, V 5334: rat fehlt. den verabredeten Gerichtskampf für Artus bestehen zu dürfen (Erste Gasoein-Episode / Rückkehr zum Artushof).

Im Unglück sucht man nach Hilfe.

zu: 5149, 5181, 5334

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

363

Querverweise

Œ Iw 4544 Œ Loh 4691; 7024 Œ HTr 4275. Literatur: Felder 2006, S. 163: „Anspielung auf eine Sentenz“. TPMA II s.v. Bitten 4.4. Unberechtigte Bitte wird abgelehnt [führt Verse dies Textstelle an]. Reuvekamp 2007, S. 142-158. Schu 1999, S. 343. Stein 2000, S. 264.

Sentenz

Œ Mel 4117 Œ Pz 548,6; 776,1 Œ JT 2465,1.

Literatur: Felder 2006, S. 165: „Sentenz“. Friedrich 2006 s.v. leit, S. 267.

Sentenz

*7304; *7309; *7312; 1352513528; 1445614459; 1910319118; 1930919313; *20823; 22873-22880; 24867-24873; 29480-29485; 29510-29512. *1762; 25282537; *3180.

Literatur: TPMA XI s.v. SPOTT 4.3.2. Der Spötter wird selbst verspottet werden. Vollmann 2008, S. 179: „Lehre“. Schonert 2009, S. 106.

Sentenz Verwendung: - (S) Zen siechen h#ret der arzât, / die gsunden tuont sîn guoten rât Freidank, 59, 6f. - (D) des löwen smerze der was grôz, / des dornes in gar sêr verdrôz; / er wist nicht waz er sölte tuon, / noch minre denn ein toubez huon. / wer nicht ist siech, noch siech nie wart, / der suoche enkeinen arzât. / doch der löwe kan in den muot, / daz er gedâchte, waz im guot / ze sînem siechtag möchte wesen, / daz er möcht an den vuoz genesen. - / wer siech ist, der gelernet wol. / kleine wunden nieman sol / versmâhen; secht daz ist mein rât! / wand in vil dicke missegât. - / den löwen lêrte sîn natûr / und ouch sîn wunde (diu was sûr), daz er eins arzâtes begert; / des wart er vil schier gewert Boner: Edelstein, 47, 15-32. Vgl. den biblischen Hintergrund: - At Iesus audiens, ait: Non est opus valentibus medicus, sed male habentibus Mt 9, 12. - Da das Jhesus horet, sprach er zu yn, Die starcken durffen des artztes nit, sondernn die krancken Luther: Deutsche Bibel, VI (S. 44). Literatur: Felder 2006, S. 167: „Sentenzenfolge mit biblischem Hintergrund“. Friedrich s.v. siech, S. 356. TPMA I s.v. ARZT 1.1.2. Der Arzt wird vom Kranken benötigt (und nicht vom Gesunden) [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Leid, Nr. 21 [führt diese Textstelle (V. 5334) an]. Zingerle s.v. LEID, S. 88 [führt diese Textstelle an].

*5149; *7309; *7310; 1930919313.

364

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 5919 Wan sol geweren vnd versagen Nah eren ze rehte, Daz zimt guotem chnehte, Vnd wese dar an stte. 5965 Wan glüch ist sinewel Vnd ist ze dem argen also snel Leider sam ze dem besten.

5998 Dem habech ist oft enphlogen Der reiger vnd genas, Als ez dann an dem heile was.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Gawein gibt sich V 5919: geren. zuversichtlich, ge- P 5920: eren vnd gen die Zöllner des zü. Riesen bestehen zu können (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Bitten sollen nach den Grundsätzen von Ehre und Recht gewährt oder zurückgewiesen werden.

Ywalin warnt Gawein vor einem Kampf gegen die Zöllner (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Das Glück ist wechselhaft.

Ywalin warnt GaK V 5998: wein vor einem gevlogen. Kampf gegen die Zöllner (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Es geschieht nicht selten, daß der Schwächere dem Stärkeren entkommt.

zu: 5919, 5965, 5998

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

365

Querverweise 5913-5918; 59235930.

Literatur: Felder 2006, S. 178: „sentenzhafte Formulierung“. Wander I s.v. Geben, Nr. 36.

Sprichwort Formulierungstradition: - (E) gelücke daz ist sinewel: / mir was nû lange trûren bî - / dâ von bin ich ein teil nû vrî Wolfram: Willehalm, 246, 28-30. - (L) Das glück ist synwell, als man spricht, / Des hab ich g(t gedingen; / Mein hoffnung vnd mein zuuersicht / Sol mich ze fräden pringen. / Seid nyemant lieb on laid nit hat, / Wes solt ich denn genyssen? Hätzlerin: Liederbuch, 1, 53, 24-29.

2776-2779; *4144; 1583415848; *21513.

Verwendung: - (S) Gelücke ist rehte als ein bal: / swer stîget, der sol fürhten val Freidank, 114, 27 - 115, 1. - (E) slde diu ist sinewel / und walzet umbe als ein rat. / dô ich sî mit vlîze bat / daz sî mir ze wîbe / gbe diu mînem lîbe / wre wol ze mâzen, / daz hât sî leider lâzen, / und hât mir ein wîp gegeben, / daz bî mir alle die nû leben / immer sint gebezzert Die böse Frau, 240-249. - (D) so sprichet ain maister denne, / den ich wol erkenne: / ‚est rota fortune / variabilis ut rota lune: / crescit, decrescit, / in eodem sistere nescit.‘ / diz sprichet: ‚gelok ist sinwel, / es ist ze wenckende snel, / ist ez iez in der hant, / ist balde in ain ander land.‘ Johann von Konstanz: Minnelehre, 1995-2004. - (S) Das glück ist sinwel. / Das glückrad geht vmb. / Das glück ist ein freund der vnbleiblichen ding/ vnd kan nit still stehn/ sonder des glücks rad/ f(rt einn auff den andern ab Franck: Sprichwörter, I, 80r (S. 130, Z. 14-17). - (S) Holt dy an de dogede! dat gelucke is runt. / Fidito virtuti semper: fortuna rotunda Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1301. Œ Gau 4982. Literatur: Bleumer 1997, S. 88: „Sprichwörtliches“. Felder 2006, S. 179: „Sprichwort“. Friedrich s.v. gelücke, S. 161: „Sprichwort“. TPMA V s.v. GLÜCK 3.1.2.1. Das Glücksrad dreht sich, und Fortuna dreht das Rad und sich mit ihm; 3.2. Das Glück ist rund (wie ein Ball, eine Kugel). Wander I s.v. Glück, Nr. 116; Nr. 117; Nr. 133. Reuvekamp 2007, S. 103. Stein 2002, S. 192.

Sentenz Vgl. zur Bildlichkeit: - (E) nû quam der keiser […] gein gevarn, / rehte als ein habech, der eines reigers gert Lohengrin 2840. Literatur: Friedrich 2006 s.v. habech, S. 190. TPMA IX s.v. REIHER 3. Verschiedenes [führt diese Textstelle an].

3824-3829.

366

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 6008 [N]iht mag man den gleren, Der sich selben cheren Kan ze dem besten. Der mak sich gevesten An allen tugentsachen. 6017 Gelük ist manigem rich, Manigem ist ez arm.

6030 Ez gesihet vnd ist blint.

6033 Niendert ist ez stt Wan an vnstt aleine.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler beschreibt Gaweins gelassene Reaktion auf Ywalins Warnung (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

6008: LJhte K. Miht V. 6010: Je kann nach K. Enkan nach dem P.

Wer von sich aus nach dem Besten strebt, der kann nicht belehrt werden.

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

K 6017: manigen. K 6018: Manigen.

Glück wird nicht jedem in gleichem Maße zuteil.

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

K P 6030: gesieht wol vnd.

Das Glück ist blind.

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

P 6033: Nirgent.

Das Glück ist wechselhaft.

zu: 6008, 6017, 6030, 6033

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

367

Querverweise

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 183: „sentenzhaft“. TPMA V s.v. GUT (Adj.) 2.2.2. Die Guten handeln (von selbst) gut. VII s.v. LEHRE 2.4.2. Gewisse Leute sind nicht bildungsfähig (-willig). 2.4.2.1. Allgemein [führt diese Textstelle an].

Sentenz

*6042; 1584015848.

Vgl. das Sprichwort: - (S) Den das glück reich macht/ den macht es auch wider arm. Den das glück entpor hebt/ den wirffts auch wider ins kot Franck: Sprichwörter, II, 108v (S. 477, Z. 12f.). Literatur: Knapp 1977, S. 261. TPMA V s.v. GLÜCK 3.7. Das Glück erhöht und erniedrigt, macht reich und arm.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) Das glück ist blind/ vnd macht blind Franck: Sprichwörter, I, 26r (S. 52, Z. 18). Verwendung: - (S) Cum sis incautus nec rem ratione gubernes, / noli fortunam, quae non est, dicere caecam Disticha Catonis, IV, 3. - (S) Du lerne allez daz dar ist / gelernstu einen guoten list / der selbe dich nimmer lât, / sô dir gelücke abe gât. / Nimstu selbe niht war / wiez umbe dîniu dinc var, / sô sprich niht ze keiner vrist, / slde sî blint, des si niht ist Der deutsche Cato, 435-442. Vgl. den antiken Gedanken: - (D) Non enim solum ipsa Fortuna caeca est, sed eos etiam plerumque efficit caecos, quos complexa est Cicero: De amicitia, 15, 54. Literatur: Knapp 1977, S. 261. TPMA V s.v. GLÜCK 5.1. Das Glück ist blind. Wander I s.v. Glück, Nr. 89; Nr. 90.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (D) passibus ambiguis Fortuna uolubilis errat/ et manet in nullo certa tenaxque loco, / sed modo laeta venit, vultus modo sumit acerbos Et tantum constans in levitate sua est Ovid: Tristia, 5, 8, 15-17. - (S) Constantia fortunae; est: nulla constantia Bebel: Proverbia Germanica, 589 (S. 154).

5968-5974; 6075f.; *21513.

368

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

6038 Ez vellet vnd steiget, Ez neiget vnd seiget, Ez nidert vnd h#het

6042 Ez ermet vnd reichet

Kontext

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

Überlieferung

K P 6038: vnd] es.

Paraphrase

Das Glück wird denjenigen, den es erhöht hat, auch wieder fallen lassen.

Das Glück wird denjenigen, den es reich gemacht hat, auch wieder arm machen.

zu: 6038, 6042

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

369

Querverweise

Verwendung: - (L) O Fortuna levis! cuiuis das munera que vis, / Et cui vis queuis auferet hora brevis. // Passibus ambiguis Fortuna uolubilis errat / Et manet in nullo certa tenaxque loco; / Set modo leta manet, modo uultus sumit acerbos, / Et tantum constans in leuitate manet // Dat Fortuna bonum, sed non durabile donum Carmina Burana, 18, 1, 1 - 3, 1. Œ Gau 4982. Literatur: Felder 2006, S. 184. Knapp 1977, S. 261. TPMA V s.v. GLÜCK 3.1. Das Glück ist kurz, veränderlich und immer in Bewegung (geht immer auf und ab). 3.1.1. Allgemein. Wander I s.v. Glück, Nr. 138.

Anspielung auf eine Sentenz

25204-25209.

Formulierungstradition: - (S) Gelücke ist rehte als ein bal: / swer stîget, der sol fürhten val Freidank, 114, 27 - 115, 1. Verwendung: - (E) sî wâren hôhe gestigen / ûf des glückes rat, / nû müezen si von der stat / aber nider rucken: / ungevelle wil sie drucken / und ir fröude geswachen Konrad Fleck: Flore und Blanscheflur, 6148-6153. - (E) gelücke ist gar ein wildez lôz, / daz dicke walzet an und abe. / sô maniger wnet, daz sich habe / heil unde slde z'ime geleit, / sô nâhet im unslikeit / und ein verlüsterîcher schade / swer hiute sitzet ûf dem rade, / der sîget morne drunder. / uns mac noch heiles wunder / und hôher êren widervarn. / ob wir die vînde niht ensparn / und alter schulde an in gehügen, / sô wizzen, daz wir aber mügen / sitzen ûf gelückes rat Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 18400-18413. - (E) ich hain vil ducke horen sagen, / geluckes rait geit up ind neder, / eyn velt, der ander stigit weder. / men hait so mennich wonder vernomen, / wilt Got, wir mogen scheire intkomen Gottfried Hagen: Reimchronik, 1768-1773. - (E) Quem vult exaltat, quem vult fortuna relaxat Proverbia Wratislaviensa, 497 (Breslau, UB, I Q 50, 15. Jh.). Literatur: Felder 2006, S. 184. Knapp 1977, S. 261. TPMA V s.v. GLÜCK 3.7 Das Glück erhöht und ernidrigt, macht reich und arm. 3.7.1. Allgemein. Walther, Nr. 23794.

Anspielung auf eine Sentenz Formulierungstradition: - (S) D„n dat gelucke ryke mâkt, d„n mâkt it ôk wedder arm. / Praecipitatur humi, vaga quem fortuna levavit Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1097. - (S) Den das glück reich macht/ den macht es auch wider arm Franck: Sprichwörter, II, 108v (S. 477, Z. 12). Verwendung: - (L) Quos uult sors ditat et quos uult sub pede tritat Carmina Burana, 18, 4. - (E) er dunket mich ein wîser man, / der alsô spot zerst#ren kan / mit schalle. daz ist bezzer vil, / denn der mit worten dröuwen wil. / hiute ist er arm, der ê was rîch; / daz glücke rat louft ungelîch. / wer stât, mag er, der valle nicht nider; / velt er, vil kûme kunt er wider. / an dirr welt ist kein sttekeit Boner: Edelstein, 75, 41-49.

*6017; 1584015848.

370

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

6044 Ez geit vnd nimt, Dar nah vnd ez gezimt.

6073 Swer glüches helf ie verwarf, Dem muost misselingen.

6083 [H]Eils rat geit getriwen muot

Kontext

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

Überlieferung

P 6044: vnd] es.

Paraphrase

Das Glück gibt und nimmt danach auch wieder.

Gawein begegnet Ywalins Warnungen mit Zuversicht (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

Wer die Unterstützung des Glückes nicht annimmt, kann keinen Erfolg haben.

Der Erzähler lobt P 6083: getruwer. Ywalins Sorge um Gawein (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Die Unterstützung des Glücks macht den Menschen aufrichtig.

zu: 6044, 6073, 6083

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

371

Querverweise

- (S) Glücket es einem/ so glücket es hunderten nicht. / Wir erfaren teglich/ wie offt einem ein glück auffstehet/ darnach er nie getrachtet hat/ und hundert sollen die weyl verderben/ die auch darnach trachten/ und widderferet yhnen doch nicht/ Sonderlich aber wo fundt gruben sind und bergwerck/ Denn daselbs sol einem ein glück angehen/ und reych werden/ unnd andere hundert die da reych sind/ sollen neben yhm verderben Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 189 (S. 189, Z. 9-17). Literatur: Felder 2006, S. 185. TPMA V s.v. GLÜCK 3.7 Das Glück erhöht und ernidrigt, macht reich und arm. 3.7.1. Allgemein. Wander I s.v. Glück, Nr. 176.

Anspielung auf ein Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Levis est Fortuna: cito reposcit, quod dedit Publilius Syrus, l 64. - (L) Gelücke wenket unbesorget, / ez gît vil manegem ê der zît / unt nimt hin wider swaz ez gît: / ez t#ret den, swem ez ze vil geborget Reinmar von Zweter, 91, 9-12. Verwendung: - (L) O Fortuna levis! cuiuis das munera que vis, / Et cui vis queuis auferet hora brevis. // Passibus ambiguis Fortuna uolubilis errat / Et manet in nullo certa tenaxque loco; / Set modo leta manet, modo uultus sumit acerbos, / Et tantum constans in leuitate manet // Dat Fortuna bonum, sed non durabile donum Carmina Burana, 18, 1, 1 - 3, 1. - (S) O fortuna levis, cuivis das munera quaevis! / Et cui das quae vis, destruit hora brevis Werner: Sprichwörter, o 6 (Hs. 15. Jh.). - (S) Dat dat gelucke gift, dat nimtet al wedder. / Instabilis quaecunque dedit sors, perdit et aufert Tunnicius: Sprichwörtersammlung, 1334. - (S) LEUIS EST FORTUNA, QUAE DEDIT, REPOSCIT. / Glück fordert bald wider/ das es gelihen hat Franck: Sprichwörter, I, 70v (S. 115, Z. 15f). Literatur: Knapp 1977, S. 261. Felder 2006, S. 185. TPMA V s.v. GLÜCK 3.6. Das Glück nimmt wieder, was es gibt. Wander I s.v. Glück, Nr. 54.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 185: „als Sentenz formulierte Beobachtung“. TPMA V s.v. Glück 15.6 Man verschmähe das Glück nicht.

Sentenz Verwendung: - (Br) et cum fortuna statque caditque fides Ovid: Ex ponto, 2, 3, 10. - (D) üns seit dis schachzabelbüechlîn / das maneger tr(we erzeiget / einem andern, die wîl sich neiget / zuo im das gelücke. / aber swenne es im wirt vlüke / alsô das es in vl(het / der ungetr(we balde sch(het / den, zuo dem er sich ê neigt / und ime tr(we erzeigt, / die wîle er in gelücke bestuont. / alsus die ungetr(wen tuont Konrad von Ammenhausen: Schachzabelbuch, 11132-11142. Literatur: Felder 2006, S. 187: „Sentenz“. TPMA V s.v. GLÜCK 8.3. Dem Glücklichen ist man treu, dem Glücklosen nicht.

7217-7221.

372

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 6084 Guot prüevet nuor guot. Also was an disem wirt schein.

6092 Gelük ist dem wgen teil Zallen zeiten gern mit, Dar an hat ez stt sit.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt Ywalins Sorge um Gawein (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Das Gute bringt nur Gutes hervor.

Ywalin ermahnt P 6092: wege ein Gawein, den er teil. nicht erkennt, sich P 6094: staten. nicht mit außergewöhnlichen Rittern wie Gawein zu vergleichen (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Das Glück unterstützt die Überlegenen dauerhaft.

zu: 6084, 6092

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

373

Querverweise

*2545; *3787; Sentenz *4058; *4064; *4177; 28013Verwendung: - (D) Welch edel kneht daz leithus minnet / und der bosen hulde da gewinnet, / der hat dar umb 28016; *29678. der werden haz. / un pruvet, welchez im zeme baz. / der zweier er verirret wirt, / gut ritter und gut wirt. / dicke kostet ez in mere: / sele lip guot und ere / get mit der unfure hin / und krenket mangen guten sin. / ein bosheit von der andern wirt, / ein frumkeit ouch die andern birt, / ein schade dicke den andern bringet, / eine tugent nach den andern dringet. / den tumben lip und sele verdirbet, / so der wise frum und ere erwirbet. / man wirt bi reinen leuten gut, / bi bosen lernt man valschen mut. / wederhalp der man wil keren, / daz kan in gewonheit leren Konrad von Haslau: Der Jüngling, 453-472. Literatur: Friedrich s.v. guot, S. 189. TPMA V s.v. GUT (Adj) 4.3.6. Eine Wohltat ruft die andere hervor (verlangt nach Vergeltung). Wander II s.v. Gut (Subst.), Nr. 39; Nr. 158.

Sentenz Verwendung: - (E) Ob quod Henricus rex movit castra contra Karolum eiusque saepius fudit exercitum, iuvitque virum fortem fortuna. Nam Huga, cuius pater Rodberhtus, filius Odonis, ab exercitu Karoli ossisus est, misit et dolo eum cepit posuitque in custodia publica, donec vitam finiret. Heinricus autem rex audiens casum Karoli, dolebat, humanaeque mutabilitatis communem admiratus est fortunam, quia non minori claruit religiositate quam armorum virtute. Iudicavitque abstinere quidem ab armis, verum potius arte superaturos superavit Lotharios, quia gens varia erat et artibus assueta, bellis prompta mobilisque ad rerum noitates Widukind von Corvey, I, XXX. - (E) „gl(ck den k(nen selten nie verließ“, / sprach frow Fenus Der Minne Gericht, I, 1, 1092. - (S) FORTES FORTUNA ADIVVAT. Cicero Tusculanarum quaestionum libro II.: Fortes enim non modo fortuna adiuuat, vt es in vetere prouverbio, sed multo magis ratio. [...] Admonet adagium fortiter periclitandam esse fortunam; nam his plerunque res prospere credere. Propterea quod id genus hominibus fortuna quasi faueat, infensa iis, qui nihil audent experiri, sed veluti cochleae perpetuo latent intra testas Erasmus von Rotterdam: Adagia, II, 1, 145 (I, ii, 45). - (S) FORTES FORTUNA IUUAT. / Wagen gewint/ wagen verleurt. Es m)ß gewagt sein/ man fahe an was man wll. / Wer all stauden wil fliehen/ der kompt nimmer mehr in kein wald [...] Es ger th aber gemeyngklich die es dapffer hinein setzen/ Dann wie man ein schlacht gewint/ nit mit fliehen/ sonder mitt freydigkeyt/ also m)ß man das glück erobern. Es heyßt nit wigs/ wags Franck: Sprichwörter, I, 12rv (S. 33, Z. 25 - S. 34, Z. 12). Vgl. die antike Formulierung: - (D) fortis enim non modo fortuna adiuvat, ut est in vetere proverbio, sed multo magis ratio, quae quibusdam quasi praeceptis confirmat vim fortitudinis. te natura exelsum quendam videlicet et altum et humana despicientem genuit; itaque facile in animo forti contra mortem habita insedit oratio Cicero: Tusculanae disputationes, II, 4,11. Œ Pz 548,12. Literatur: Ebenbauer 1977, S. 39, insbesondere Anm. 56. Felder 2006, S. 187: „Sentenz antiken Ursprungs“. Keller 1997, S. 147. Knapp 1977, S. 259, Anm. 28. Otto, s.v. Fortuna, Nr. 9, S. 144. Reuvekamp 2007, S. 110. Stein 2000, S. 192. TPMA V s.v. GLÜCK 12. Bei wem das Glück ist. 12.5. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]; s.v. WAGEN (Vb.) 1.2.1. Wer wagt, dem helfen Gott und das Glück. Walther, Nr. 9804. Wander I s.v. Glück, Nr. 34; Nr. 91; Nr. 211.

*1255; 72857303; *20682; *22619.

374

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 6138 Eins her sint leider zwen.

6140 [Z]allen dingen h#ret rat. So ez aber also stat, Daz man in gachlichen geit, Da von niwet sich ein streit.

Kontext Ywalin bedauert, Gawein nicht vom Kampf gegen die Zöllner des Riesen abhalten zu können (Erste AssilesEpisode / Gespräch mit Ywalin).

Der Erzähler kommentiert die Tatsache, daß Ywalin Gawein nicht erkennt und seine Ratschläge daher fehlgehen (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Überlieferung P 6138: Eines herren.

Paraphrase Zwei sind einem überlegen.

Es ist in jeder Angelegenheit wichtig, Rat einzuholen.

zu: 6138, 6140

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sprichwort Formulierungstradition: - (S) Tveir ro eins herjar; / tunga er hfuðs bani; / er mér í heðin hvern / handar vni Hávamál, 73. - (E) „Aspicis o turres, Reinarde, in frontibus horum? / Anne parum nobis ora timenda putas? / Dentibus iratis non est colludere tutum, / Et (fateor) piscis dens michi rete tulit. / Ire libet, certe non sum giometer, an essem, / Si male metirer, te duce tutus ego? / Quattuor hic fortes, duo sunt exercitus uni, / Unius occubitu seuiet ira trium […].“ Nivardus von Gent: Ysengrimus, II, 305312. - (E) Du solt von rehte fliehen, wir haben deheine wer. / du hast auch wol geh#ret: / zwên sint eines her. / so koment vil lîhte tûsent und vehtent alle ûf dich: / warumbe wilt du t#ten dich selbe unde mich? Wolfdietrich A, 374, 1-4. - (S) twee mannen sijn altoos eens mans here / Omni fine soli dominantur ibi duo soli Proverbia Communia, 703. Verwendung: - (E) „Pider man gar verwegen, / Gib dich gevangen, werder degen! / Du stest in dein ains wer: / Wann zwen die sein ains her, / Du ergibest ane schande dich: / Laß dich sicherleichen an mich.“ Heinrich von Neustadt: Apollonius, 8013-8018. - (S) Duo viri sunt uno robustiores Bebel: Proverbia Germanica, 168 (S. 50). - (S) CEDENDVM MVLTITVDINI. / Der vile sol man weichen. / Zwen sind eins herr/ drei fressen gar. / Halt still wo vil. Vil hund sind der hasen tod Franck: Sprichwörter, I, 15r (S. 37, Z. 12-15). Œ Iw 4326; 5349; 6619; 6636 Œ JT 5615,3. Literatur: Felder 2006, S. 188: „Sprichwort“. Friedrich s.v. her, S. 209. TPMA II s.v. EIN 4.7.1. Mehrere sind stärker als einer [führt diese Textstelle an]; XIII s.v. ZWEI 4.1.2. Zwei richten mehr aus als einer; 4.1.4. Zwei sind stärker als einer. Wander V s.v. Zwei, Nr. 55 [führt diese Textstelle an]. Weise 1910, Nr. 54 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. ZWEI, S. 186 [führt diese Textstelle an].

Sentenz Verwendung: - (E) Rennewart und der markis / die bedahten sich in maniger wis / und volgten dem wisen, / der kunde sie wol gewisen / swaz sich gezoch gein prise. / der getriwe, stte, wise, / swaz der ratet, daz ist g)t. / vil selten ieman misset)t / swer volget g)tem rate. / swaz er geraten hate, / der volge sie beide jahen Ulrich von Türheim: Rennewart, 3017-3027. - (D) Lât iu noch sagen mêre: / ein herr sol haben dise lêre, / daz im niht gâch wesen sol: / ane rât tuot selten iemen wol / swer âne rât gerne tuot, / der treit dicke riwegen muot. / swer tuot swaz er tuotmit rât, / den riuwet selten sîn getât Thomasin von Zerklre: Der welsche Gast, 12993-13000. - (E) Wer in urlig gesigen sol, / der bedarf guotes râtes wol. / wîsheit und râtes meisterschaft / gesigent dik ân überkraft. / daz kraft ân wîsheit nicht enschaft, / daz tuot wol wîsheit âne kraft / wer mit guotem râte tuot / sîn werk, daz wirt im dicke guot. / vürsichtekeit und guoter rât / nâriuwen ir enwederz hât Boner: Edelstein, 70, 47-56. - (S) Consilio facta non paenitet esse peracta Werner: Sprichwörter, c 86 (Hs. 15. Jh.). - (S) Es gehet selten wol auß/ was on rath wirt angefangen. / Grosse sache wllen ein groß bedencken haben / sie bedurffen es auch wol/ denn wo fürwirtz und unbedacht regiern/ da wirt das ende ye nit gut künden sein/ aber der schade groß Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 728 (S. 539, Z. 29 - S. 540, Z. 1).

375

Querverweise

376

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

6144 Wan ez ist des weisen reht, Daz daz end e sei erspeht Lang vor dem anegeng.

Kontext

Überlieferung

Der Erzähler kom- P 6145: e sei] sich mentiert die Tatsa- Ee. che, daß Ywalin Gawein nicht erkennt und seine Ratschläge daher fehlgehen (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Paraphrase

Weise Menschen bedenken bereits bevor sie handeln mögliche Folgen.

zu: 6144

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

377

Querverweise

Vgl. den biblischen Hintergrund: - Vir consilii non disperdet intellegentiam; / Alienus et superbus non pertimescet timorem: / Etiam postquam fecit cum eo sine consilio, / Et suis insectationibus arguetur. / Fili sine consilio nihil facias; / Et post factum non poenitebis Sir 32, 22-24. - Ein vern(nfftiger man veracht nicht guten rat, Aber ein wilder vnd hoffertiger f(rcht sich nichts, er hab gleich gethan was er wil. Thu nichts on rat, so gerewet dichs nicht nach der that Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 236). Œ Iw 2153 Œ Da 6018 Œ JT 1232,1; 2065,1. Literatur: Felder 2006, S. 188: „Sentenz, die biblische Vorläufer hat“. Friedrich s.v. rât, S. 325. Mone 1830, S. 208 [führt diese Textstelle an]. TPMA IX s.v. RAT 5.5 Wer gutem Rat folgt, hat Erfolg; 5.6 Wer gutem Rat folgt, hat keine Reue. Walther, Nr. 3148. Weise 1910, Nr. 120 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. RATH, S. 117 [führt diese Textstelle an]. *3906; *7555; 8360-8364; *19172; 24397; Formulierungstradition: - (E) „[…] man sol dis dinges anvanc / besehen und daz ende. / prîs oder missewende / lît ze 25130-25134; jungest an dem zil. / vil maneger an dem zabelspil / von êrst gewinnes wirt gewon, / der mit ver- 25212f. lüste gêt dervon.“ Konrad von Würzburg: Partonopier und Meliur, 13974-13980.

Sentenz

Verwendung: - (D) Neque enim quod ante oculus situm est, sufflecerit intueri: rerum exitus prudentia metitur Boethius: De Consolatione Philosophiae, II, 1, 46f. - (E) swer sich des underwinden wil, / daz er bestê griuslîchiu dinc, / der trahte, wie er der ursprinc / ze sleclichem ende kume. / jô lît an aller dinge drume / prîs oder missewende. / wie stât ein armez ende an einem rîchen urhabe. / man tuo sich des beginnes abe, / des man niht vollebringen müge, / sô daz sîn zil den êren tüge / und werdeclichem prîse. / der biderbe und der wîse / der ahte, wie sîn anevanc / gewinne guoten ûzganc, / sô mac er leides sich entladen. / wir hân genomen grôzen schaden, / den suln wir alsô rechen, / daz nieman dürfe sprechen, / daz unser leit gemêret sî Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 18302-18321. - (E) daz lese wir kuntlich: / eim wîsen man ich den gelîch, / der sîn dinc alsô geschaffen hât, / daz ein hûs gebûwet stât / ûf ein gruntveste, / diu steinîn ist und veste. / daz bû, daz got meinet, / dâmit er uns bescheinet, / sô ein ieglich man / iht wil grîfen an / sachhafter dinge, / wil er, daz im gelinge, / sô sol er niht vergezzen, / er sol vil eben mezzen, / ê der anevanc ergê, / wie daz ende bestê. / swenn er daz ahtet / und wîslich betrahtet / und ouch dâ gedenket an, / so mac im unmuglich missegân. / dem tete niht gelîche / von Bêheim der kunic rîche: / der macht den anevanc whe - / wie aber dem ende geschhe, / darûf enaht er selber niht Ottokar von Steiermark: Steirische Reimchronik, 80330-80354. - (D) Tvlius sprichet von deme ratgeben, / her sulle selbe wislich leben / vnd sulle an allen sachin vor sehen, / waz da nach muge geschen, / waz zu beiden handen muge komen, / beide zu schaden vnd zu fromen, / daz her da nach nicht in durfe sagen, / als man den schaden beginnet clagen, / daz her dez lutzel dechte, / daz ez also kumen muchte. / her schamet sich ouch zu spate / nach dem schedelichen rate. // Dan abir sprichet alsus / der wise man Bohetius: / “iz in kumit nicht zu der wisheite, / daz man sich donach breite, / daz nu geschaffin ist: / man sal daz ende prufen mit rechter list.“ Wernher von Elmendorf, 91-108. - (S) OCULUS IN METAM. / Erwig das end/ wohin all ding reych Franck: Sprichwörter, I, 61r (S. 101, Z. 29f). Vgl. den biblischen Hintergrund: - In omnibus operibus tuis memorare novissima tua, / Et in aeternum non peccabis Sir 7, 40. Was du thust, so bedencke das ende, so wirstu nimer mehr vbels thun Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 170).

378

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

6169 Swer daz har also nahen schirt, Daz er di haut villet, Dan wirt niht gestillet, Svnder mer geseret.

6173 Swer den man leret Beidiv schand vnd schaden, Der het mer auf in geladen, Dann er im hab geringet, Wan im der rat bringet Ein vest warnunge. Nah des rates wandelunge Gawein daz selbe tet. Beidiv rates unde bet Ward er mer enzündet. Swes rat also schündet, Daz wr bezzer verborn. 6185 Vrivndes rat birt oft zorn, Daz doch oft ist erchorn.

6302 [D]er nahtegal vnd der kra sanc, Die gebent vnglichen chlanc. Sam tuot der galander, Der hat tvgent ander Dann der withopf Ze zagel vnd ze chopf.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler kom- P 6171: nicht mit mentiert die Tatsa- gestillet. che, daß Ywalin Gawein nicht erkennt und seine Ratschläge daher fehlgehen (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Wenn man einem Menschen mehr Schaden als Nutzen bringt, so hilft das nichts.

Der Erzähler kommentiert die Tatsache, daß Ywalin Gawein nicht erkennt und seine Ratschläge daher fehlgehen (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Wenn man einem Menschen einen schlechten Rat gibt, hilft man ihm nicht.

P 6174: schade vnd schande. P 6175: auf in] uf sich. P 6176: im] in. V 6177: im] in.

Der Erzähler kom- P 6185: birt oft] mentiert die Tatsa- gebirt dick. che, daß Ywalin Gawein nicht erkennt und seine Ratschläge daher fehlgehen (Erste Assiles-Episode / Gespräch mit Ywalin).

Der Rat eines Freundes ruft oft Unmut hervor.

Der Erzähler deutet P 6302: krewen das unterschiedligesang. che Redeverhalten Gaweins und Gomeranz' (Erste Assiles-Episode / Kampf mit den Zöllnern).

Gutes und Schlechtes sind nicht miteinander zu vergleichen.

zu: 6169, 6173, 6185, 6302

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

379

Querverweise

Literatur: TPMA II s.v. ENDE 1.3.3. Man bedenke bei allem das Ende [führt diese Textstelle an]. Wander I s.v. Anfang, Nr. 13; I s.v. Ende, Nr. 71.

Sentenz

Literatur: TPMA X s.v. SCHEREN 12. Verschiedenens [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 189: „sentenzhafte Rede“. TPMA IX s.v. RAT 3.2. Schlechter Rat ist schädlich.

Sentenz Vgl. das Gegenteil: - (S) Der freündt radt ist g)t Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 725 (S. 537, Z. 28f.).

Literatur: Felder 2006, S. 189. TPMA IV s.v. FREUND 4.3.3. Ein guter Freund ist ein vorbildlicher Lehrer und Ratgeber.

Sentenz Formulierungstradition: - (S) Der esel und diu nactegal / singent ungelîchen schal. / Die nahtegal dicke müet, / swâ ein esel od ohse lüet. / Ich nme der nahtegalen sanc / für der süezen harpfen klanc Freidank, 142, 7-12. Verwendung: - (S) Vox asini quid ad philomelam? id est: nulla est comparatio Bebel: Proverbia Germanica, 538 (S. 143).

122-132; *1509; 1809.

380

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle

6315 Da schalcheit wüetet, Da ist tugent vnd zuht Jr selber huote vnd vluht. Des was hie beidenthalben schin.

6562 Niemen sol daz versprechen, Der sich auf di wag lat, Ob im dar an missegat.

6741 Wan daz man oft h#ret iehen, Daz ouch ich gelouben sol: Heien wizen herren willen wol, Da tuont si vil gerne nach.

6745 Dem rinde ist nah der krippe gach, So vürhtet daz lamp des wolves schah.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Bosheit vertreibt Tugendhaftigkeit und gutes Benehmen.

Der Erzähler deutet das unterschiedliche Redeverhalten Gaweins und Gomeranz' (Erste Assiles-Episode / Kampf mit den Zöllnern). Der Erzähler schildert den Kampf zwischen Gawein und Eumenides (Erste AssilesEpisode / Kampf mit den Zöllnern).

P 6562: das widder sprechen.

Wer sich in Gefahr begibt, der muß mit Schaden rechnen.

Der Erzähler lobt die Pflege, die Gawein nach dem Kampf mit den Zöllnern im Haus Ywalins zuteil wird (Erste AssilesEpisode / Einkehr bei Ywalin).

6743: Hiwen wissent P. Neien V.*

Diener kennen die Wünsche ihrer Herren.

* Lesart Scholl, S. 416; keine Anmerkung bei Knapp.

Der Erzähler lobt P 6745: nah] zü. die Pflege, die Ga- P 6746: lamp] wein nach dem schoff. Kampf mit den Zöllnern im Haus Ywalins zuteil wird (Erste AssilesEpisode / Einkehr bei Ywalin).

Die Schwachen suchen nach Schutz.

381

zu: 6315, 6562, 6741, 6745

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur

Querverweise

Literatur: Felder 2006, S. 192 (Anm. 84): „Eingangssprichwort“. TPMA VIII s.v. NACHTIGALL 4. Die Nachtigall und die Krähe (Lerche, der Kuckuck) singen nicht gleich [führt diese Textstelle an]. Wander III s.v. Nachtigall, Nr. 19 [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. NACHTIGALL, S. 106 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 192. TPMA X s.v. SCHLECHT 6.7. Schlechtes beeinträchtigt Gutes.

Sentenz Verwendung: - (S) Denn wer mit beche umbgeet/ an dem klebt es gern. Salomon sagt/ Wer die fahr liebet / der wirt darinn umbkommen Agricola: Sprichwörtersammlungen, I, 226 (S. 170, Z. 27-29). Vgl. den biblischen Hintergrund: - Et qui amat periculum in illo peribit Sir 3, 27. - Denn wer sich gern inn fahr gibt, der verdirbt drinne Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 158). Literatur: Felder 2006, S. 197.TPMA IV s.v. GEFAHR 3. Wer die Gefahr liebt und sie nicht meidet oder fürchtet, wird darin umkommen. Wander I s.v. Gefahr, Nr. 48; Nr. 56.

Sentenz Vgl. das Sprichwort: - (S) Der Hund waißt seins Herren willen wol. / Es ist der Herr wie der Knecht/ und der Knecht wie der Herre/ Man syhet gar bald am hoffgesinde wie der Herre gegen ainem gesinnet ist. / [...] / Das haißt dann recht/ Der Hund kennet seines Herren willen wol/ dann als bald der Hund sihet seines Herrn zorn/ so kreücht er auf dem bauche/ biß er in widerumb lachen sihet/ Sihet er in aber lachen/ und lockt im/ so kan er auch wol schwentzeln/ unnd gegen im frlich springen Agricola: Sprichwörtersammlungen, II, 153 (S. 97, Z. 26 - S. 99, Z. 14). Literatur: Felder 2006, S. 199: „Sentenzenfolge“. TPMA II s.v. DIENEN 11. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]; VI s.v. HUND 2.2. Der Hund kennt den Willen seines Herrn.

Sentenz Verwendung: - (G) et per aeternam iam contemplationem refici appetit, sed quia Redemptoris sui speciem necdum conspicit, quasi bos ad praesepe uacuum litigatus gemit Gregor der Große: Moralia, VII, XII, 14 (Sp. 774 A). - (S) Non praesepe bovem, sed bos praesaepe requirit Werner, n 231 (Hs. 15. Jh.). Literatur: Felder 2006, S. 199: „Sentenzenfolge“. TPMA IX s.v. RIND 5.1. Das Rind frißt gern [führt diese Textstelle an].

*1740.

382

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 6807 Selb han ich ez mir gegeben, Nv sol ichz ouch von schulden tragen, Wan ich ie hort sagen: Selb tet, selb habe.

6971 Weibes gewizzen lieb speht

Kontext

Überlieferung

Gawein bekräftigt sich selbst seine Bereitschaft, den beschwerlichen Weg nach Ansgiure auf sich zu nehmen (Erste AssilesEpisode / Gawein in Ansgiure).

Gawein bedauert in Gedanken, sich nicht ungestört mit Sgaypegaz unterhalten zu können (Erste AssilesEpisode / Gawein in Ansgiure).

Paraphrase Man muß die Folgen des eigenen Handelns tragen.

P 6971: gewizzen] grüszen.* *Knapp kommentiert seinen nach V erstellten Text: "Die Kenntnis (Verständigkeit) einer Frau beurteilt (erkennt?) die Liebe"

Der freundliche Gruß der Frauen verspricht Liebe.

zu: 6807, 6971

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sprichwort Formulierungstradition: - (L) Wer hât ir gesaget maere, / daz mir ieman lieber waere? / der müeze als unsanfte ringen, / als ich tuon mit seneden dingen. / Sol mir an ir misselingen, / sô muoz in mîn sorge twingen! / tôre, kum dîns vluoche abe: selbe taete, selbe habe! Rudolf von Neuenburg, MF 85, 15-22 (MFMT VIII, 3, 1-8). - (S) TUTE HOC INTRISTI, OMNE TIBI EXEDENDUM EST. / Den brei hastu dir selbs kocht/ iße jn auß./ Selbs einbrockt/ selbs außgeessen. / Selbs thon/ selbs gehon. / Das günckelin so du angelegt/ m)stu selbs abspinnen. / Hastu wol gekocht/ so richt wol an. / Wiltu sanfft ligen/ so bett dir wol. / Eittel guldine Sprichwrter/ das einer b(ß was er thon/ vnd niemand dann jm selbs die schuld gebe Franck: Sprichwörter, II, 81v (S. 331, Z. 1-9). Verwendung: - (G) Selbe tte, selbe habe. Sô wirt der blint, sô wirt der lam; dû maht halt ûzsetzic werden von unmâze der stinkenden sünde, diu t#telt. Selbe tte, selbe habe. Daz dû dir selber gebriuwen habest, daz trink auch selber Berthold von Regensburg, I, S. 435, Z. 18-22. - (E) ez wre urlig oder vride, / si muosten dienen bî der wide, / und muosten iemer eigen sîn. / Selb tet, selb hab, der schade sî dîn! / ez ist noch wol (sô helf mir got!), / daz der lîd schaden unde spot, / der im selben niht engan / der êren, die er wol möcht hân, / und nicht erkent, sô im ist wol Boner: Edelstein, 24, 37-45. - (S) zelue dede zelue hebbe / Quod fecit sibimet quisquis hoc tollere debet Proverbia Communia, 787. Œ JT 242,1 Œ Loh 7499. Literatur: Felder 2006, S. 200: „Sprichwort“. Friedrich s.v. tte, S. 404f.: „Sprichwort“. Harrebomée III 377. Schmidt-Wiegand, S. 285. TPMA X s.v. SELBST 4.4.1.1. Selbst getan, selbst gehabt [führt diese Textstelle an]. Wander IV s.v. Selber, Nr. 13 [führt diese Textstelle an]; IV s.v. Selbst, Nr. 38. Zingerle s.v. SELBST, S.138 [führt diese Textstelle an].

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 203. TPMA III s.v. FRAU 6. Ursachen und Auswirkungen von Wesen, Wirken und Verhalten der Frau. 6.5. Verschiedenes [führt diese Textstelle an]. Zingerle s.v. WEIB, S. 169 [führt diese Textstelle an].

383

Querverweise

384

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 7113 [S]wer dem golde mit vivr Wolt velschen sein tivr, Der vlür michel arebait, Die er an daz brennen leit, Wan ez da von ie bezzer wirt.

7118 Freise wan dem küenen birt Starchz hertz vnd vesten muot, Also daz golt tivrt di gluot.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt P 7113: O Wer. Gaweins Unerschrockenheit angesichts der schlimmen Vorahnungen, die die Schloßbewohner von Ansgiure nach dem Erschallen des Signalhorns quälen (Erste AssilesEpisode / Gawein in Ansgiure).

Das Wertvolle wird durch harte Prüfung noch besser.

Der Erzähler lobt P 7118: wone Gaweins Unerkùnem. schrockenheit angesichts der schlimmen Vorahnungen, die die Schloßbewohner von Ansgiure nach dem Erschallen des Signalhorns quälen (Erste AssilesEpisode / Gawein in Ansgiure).

Große Gefahr macht den Tapferen nur noch entschlossener.

zu: 7113, 7118

Klassifizierung / Vergleichsmaterial / Literatur Sentenz

385

Querverweise *7118; 1603616040; *29934.

Formulierungstradition: - (D) Daz gold bedewt die gothait, / Di menschait weyroch sei gesait, / So sol dem mirren sein geleich / Sein pitter leiden auf erdreich. / Wer ein golt tzimentet hat / Auf vir und tzwanzig karat, / Daz ist so ertig und so g·t, / Ez nimpt nicht ab in fewrs gl·t, / Jm schat auch nicht als umb ein har, / Leg es in erden tausent iar, / Ez mag gewinnen chainn rost; / Hitz, noch fewhte, noch der frost / Dem golde chainn wandel trait: / So ist die lauter gothait, / So gar volkomen unde g·t Suchenwirt 41, 569-583. Verwendung: - (S) Tamquam fornacis rutilans aurum probat ignis, / Sic deus electos purgabit in igne doloris Otloh: Liber Proverbiorum, t 42. - (L) Sît si wil versuochen mich, / daz nim ich vür allez guot. / sô wirde ich golde gelîch, / daz man dâ brüevet in der gluot / Und versuochet ez baz. / bezzer wirt ez umbe daz, / lûter, schoener unde klâr Burggraf von Rietenburg, MF 19, 17-23 (MFMT V, V, 1-8). - (E) sîn wille und sînes herzen gir / gereinet wurden von der nôt, / daz sîn gemüete in leide sôt / unde in jâmer alle tage. / daz er dur si truoc senede clage, / dâ von was ir sîn herze holt. / als in der gluot ein edel golt / wirt von hitze lutervar, / sus wart sin edel herze gar / von seneclicher swre an triuwen lûterbre / und âne mein erkennet. / sîn valsch wart ûz gebrennet / in heizer minne fiure Konrad von Würzburg: Trojanerkrieg, 16030-16043. Vgl. den biblischen Hintergrund: - Sicut igne probatur argentum et aurum camino, ita corda probat Dominus Prv 17, 3. - Wie das feur sylber, vnd der offen gold, Also pr(ffet der HERR die hertzen Luther: Deutsche Bibel, X, 2 (S. 54). - Quoniam in igne probatur aurum et argentum, / Homines vero receptibiles in camino humiliationis Sir 2, 5. - Denn gleich wie das gold durchs feur, also werden, die so Gott gefallen, durch fewr der tr(bsal bewerd Luther: Deutsche Bibel, XII (S. 154). Literatur: Felder 2006, S. 206: „bildhafte Sentenz“. Reuvekamp 2007, S. 93-103; S. 111; S. 140, Anm. 276. TPMA V s.v. GOLD 4.2. Gold wird durch das Feuer geprüft und gereinigt. Walther, Nr. 31031. Wander I s.v. Feuer, Nr. 96 - 98; I s.v. Gold, Nr. 125.

Sentenz

Literatur: Felder 2006, S. 206: „Sprichwort“.

*7113; 2282522828.

386

2.5 Heinrich: Crône

Textstelle 7121 Gawein was vil vnerschraht, Wan eins lewen muot verdaht An im eins lambes vel.

7177 Waz mag div chlag gelten Oder iemen wol gestiuren Wan b#sern vnd vntivren? Daz ist der trost, den si geit. Klag ist der vr#den widerstreit Vnd lieber slde leider neit. 7214 Ja ist ein gemeiniv sage, Daz da wider stivret niht: Swaz geschehen sol, daz geschiht.

Kontext

Überlieferung

Paraphrase

Der Erzähler lobt Gaweins Unerschrockenheit angesichts der schlimmen Vorahnungen, die die Schloßbewohner von Ansgiure nach dem Erschallen des Signalhorns quälen (Erste AssilesEpisode / Gawein in Ansgiure).

Ein harmloses Äußeres kann leicht täuschen.

Gawein spricht der P 7182: liebet Herrin von Ansgi- selden leider nit. ure nach dem Ertönen des Signalhorns Mut zu (Erste Assiles-Episode / Gawein in Ansgiure).

Übermäßiges Klagen vertreibt Freude und Glück.

Gawein spricht dem Herrscherpaar von Ansgiure nach dem Ertönen des Signalhorns Mut zu (Erste Assiles-Episode / Gawein in Ansgiure).

Es geschieht, was vorbestimmt ist.

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