Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte: Geschichte des europäischen Staatensystems 1559–1660 [Reprint 2019 ed.] 9783486758054, 9783486758047

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Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte: Geschichte des europäischen Staatensystems 1559–1660 [Reprint 2019 ed.]
 9783486758054, 9783486758047

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Allgemeine Literaturangaben
Bibliographien
Quellen und Literatur
Einleitung
Abschnitt I. Die Konstellation und die Glieder des europäischen Staatensystems um 1559
Abschnitt II. Geschichte des europäischen Staatensystems von 1559 bis zum Beginn des 30 jährigen Krieges
Abschnitt III. Geschichte des europäischen Staatensystems von 1618 bis 1660
Personen- und Ortsnamenregister

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HANDBUCH DER MITTELALTERLICHEN UND NEUEREN GESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON

G. VON BELOW +, F. MEINECKE UND A. BRACKMANN ABTEILUNG II

POLITISCHE GESCHICHTE WALTER PLATZHOFF

GESCHICHTE DES EUROPÄISCHEN STAATENSYSTEMS 1559-1660

MÜNCHEN UND B E R L I N 1928 DRUCK UND VERLAG VON R.OLDENBOURG

GESCHICHTE DES EUROPÄISCHEN STAATENSYSTEMS 1559-1660 VON

DR. WALTER PLATZHOFF PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT FRANKFURT A.M.

Iii

S

MÜNCHEN UND BERLIN 1928 DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG

Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten Copyright 1928 by R. Oldenbonrg, München und Berlin Printed in Germany

Vorwort. Für die Anlage des Buches lagen für die neuere Geschichte in den Werken von E. Fueter, M. Immich und A. Wahl verschiedenartige Vorbilder vor. Entsprechend dem Charakter und Zweck eines Handbuches habe ich meine Aufgabe darin erblickt, eine Geschichte des Zeitalters der Gegenreformation auf Grund des Standes der historischen Forschung zu geben. Sie nur auf den Quellen aufzubauen, war für eine zeitlich wie räumlich so umfassende Darstellung nicht möglich, ganz abgesehen von den sprachlichen Schwierigkeiten, die sich dem für die meisten der nordost- und osteuropäischen Länder entgegenstellten. Das eigene Urteil konnte und sollte weder in der Gesamtbetrachtung noch bei umstrittenen Einzelfragen ausgeschaltet werden, indes habe ich mich bemüht, es gemäß der Bestimmung dieser Sammlung tunlichst zurückzudrängen. Ein zweites Erfordernis schien mir eine möglichst gleichmäßige Behandlung des Stoffes, sowohl für die einzelnen Glieder des europäischen Staatensystems wie für die einzelnen Zeitabschnitte. Es mußte der Versuchung widerstanden werden, stofflich anziehendere Perioden auf Kosten anderer zu bevorzugen. Hier eine mittlere Linie einzuhalten, war nicht immer leicht. Ich bin mir bewußt, daß manche Leser meine Darstellung zu knapp und zu gedrungen anmuten wird. Aber eine kurze, straffe Schilderung dünkte mich das kleinere Übel gegenüber einer allzu ausführlichen, die sich in einer so kämpf-, problem- und gestaltenreichen Epoche, wie es das Zeitalter der Gegenreformation nun einmal ist, leicht ins Weitschweifende und Uferlose verlieren kann. Die innere und Geistesgeschichte des Zeitalters ist nur so weit berücksichtigt worden, als sie die politische Entwicklung des europäischen Staatensystems unmittelbar und wesentlich beeinflußt haben. Bei der überragenden Bedeutung, die dem konfessionellen Gegensatz für das XVI. und beginnende XVII. Jahrhundert zukommt, war es unerläßlich, die einander bekämpfenden religiösen Parteien, ihre Ideale und Ziele im Eingangskapitel kurz zu charakterisieren. Bei der Drucklegung haben mich einzelne Mitglieder des Historischen Seminars der Universität Frankfurt freundlichst unterstützt. Besonderen Dank schulde ich Herrn Dr. phil. Hans Meyer, der die Korrekturen mitgelesen hat, sowie den Herren Dr. phil. Friedrich Knopp und stud. phil. Heinrich Braun für die mühevolle Anfertigung des Registers. F r a n k f u r t a. M. im April 1928. "Walter Platzhoff.

Inhalt. Einleitung. § 1. Inhalt und Gliederung des Stoffes 5 2. Der Begriff „Gegenreformation" Abschnitt I. D i e K o n s t e l l a t i o n u n d d i e G l i e d e r d e s e u r o p ä i s c h e n S t a a t e n s y s t e m s u m 1559 1. Kapitel. Der konfessionelle Gegensatz 5 3. Der Jesuitenorden § 4. Das Papsttum und das Tridentinum § 5. Der Calvinismus § 6. Art und Ziel des konfessionellen Kampfes § 7. Das Luthertum und die Sekten 2. Kapitel. Die politischen Gegensätze und die Glieder des europäischen Staatensystems $ 8. Die politischen Gegensätze und die internationalen Beziehungen . § 9. Die spanische Monarchie §10. Die spanischen Nebenlande in Italien und die Niederlande . . . §11. Frankreich §12. England und Schottland §13. Das Deutsche Reich §14. Skandinavien §15. Das Baltikum, Polen §16. Rußland, die Türkei §17. Italien §18. Die Schweiz. Portugal Abschnitt II. G e s c h i c h t e d e s e u r o p ä i s c h e n S t a a t e n s y s t e m s v o n 1559 bis zum Beginn des 3 0 j ä h r i g e n Krieges 1. Kapitel. 1559—1572 §19. Der Ausbruch der Religionskriege in Frankreich § 20. Die Zusammenkunft von Bayonne und der Ausbruch des zweiten Hugenottenkrieges §21. Elisabeth von England und Maria Stuart bis 1568 § 22. Die Entstehung des niederländischen Aufstandes § 23. Alba in den Niederlanden § 24. Deutschland und die westeuropäischen Kämpfe §25. Die Zuspitzung in Westeuropa 1568—1570 §26. Die Bartholomäusnacht § 27. Die türkische Expansion in Ungarn und im Mittelmeer § 28. Der Kampf um Livland und der 7jährige Nordische Krieg . . . 2. Kapitel. 1572—1584 § 29. Die Folgen der Bartholomäusnacht § 30. Die polnische Königswahl Heinrichs von Anjou § 31. Die polnische Königswahl von 1575 § 32. Der Thronwechsel in Frankreich und der niederländische Freiheitskampf bis zur Genter Pazifikation § 33. Der Beginn der Gegenreformation in Deutschland § 34. Die Statthalterschaft Don Juans in den Niederlanden

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Inhalt.

§ 35. Der Kölner Pazifikationstag, der Friede von Arras und die Utrechter Union $ 36. Die Erwerbung Portugals durch Philipp II § 37. Anjou in den Niederlanden. Die Haltung Englands § 38. Der Kölner Krieg. Der Tod Anjous und die Ermordung Oraniens § 39. König Stephan Bathory von Polen und der Ausgang des Kampfes um Livland 3. Kapitel. 1584—1598 S 40. Die Liga in Frankreich §41. Der englisch-niederländische Vertrag von 1585. Leicester in den Niederlanden § 42. Der Ausbruch des englisch-spanischen Krieges und die Hinrichtung Maria Stuarts § 43. Die Armadaschlachten von 1588 §44. Der Ouisenmord und der Ausgang Heinrichs III. von Frankreich §45. Heinrich IV., Spanien und die Liga $ 46. Der Übertritt und die Anerkennung Heinrichs IV § 47. Der Friede von Vervins und das Edikt von Nantes §48. Die Abtrennung der südlichen Niederlande und das Ende Philipps II. 149. Die russischen Thronwirren nach dem Tode Iwans IV. Die Königswahl in Polen 1587 §50. Sigismund III. von Polen und Schweden. Boris Godunow in Rußland §51. Der Türkenkrieg und die Wirren in Siebenbürgen (1593—1598) . 4. Kapitel. 1598—1618 §52. Karl IX. von Schweden. Der falsche Demetrius § 53. Der Kalmarkrieg und die Anfänge Qustav Adolfs §54. Michael der Tapfere und der Ausgang des Türkenkrieges. . . . § 55. Die Wirren in den österreichischen Erblanden § 56. Die Zuspitzung der Gegensätze im Deutschen Reich. Union und Liga §57. Philipp III. von Spanien und Heinrich IV § 58. Der Ausgang der Königin Elisabeth, der Friede mit Spanien und der Waffenstillstand in den Niederlanden § 59. Der jülich-klevische Erbfolgestreit und das Ende Heinrichs IV. und Rudolfs II § 60. Der Vertrag von Xanten. Die siebenbürgischen Kämpfe . . . . §61. Der Ursprung des 30jährigen Krieges Abschnitt III. G e s c h i c h t e des e u r o p ä i s c h e n S t a a t e n s y s t e m s von 1618 bis 1660 1. Kapitel. 1618—1635 § 62. Der Charakter des 30jährigen Krieges § 63. Der Böhmische Krieg und die Restauration in den österreichischen Erblanden § 64. Der Pfälzische Krieg § 65. Der Wiederausbruch des Niederländischen Krieges und die Veltliner Wirren §66. Antihabsburgische Koalitionsversuche. Das Eingreifen Christians IV. von Dänemark §67. Der Dänische Krieg und der Friede von Lübeck § 68. Der Mantuanische Erbfolgekrieg, das Restitutionsedikt und der Kurfürstentag zu Regensburg § 69. Gustav Adolfs Zug nach Deutschland § 70. Von Breitenfeld nach Lützen

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Inhalt. $71. Der Heilbronner Bund und die Katastrophe Waliensteins . . . $ 72. Die Schlacht von Nördlingen. Der Prager Friede 2. Kapitel. 1635—1648 $ 73. Der Eintritt Frankreichs in den Krieg $ 74. Die Jahre des Gleichgewichtes (1635—1639). Bernhard von Weimar § 75. Der beginnende Zusammenbruch Spaniens und die ersten Schritte zum Frieden (1640—1642) § 76. Die letzten Kriegsjahre § 77. Der Westfälische Friede 3. Kapitel. 1648—1660 $ 78. Die englische Revolution $ 79. Das Protektorat Oliver Cromwells und der englisch-holländische Krieg § 80. Der Ausgang des französisch-spanischen Krieges. Der Pyrenäische Friede $ 81. Das Deutsche Reich nach dem Westfälischen Frieden, die Kaiserwahl von 1658 und der Rheinbund $ 82. Entstehung und Ausbruch des Nordischen Krieges § 83. Die Koalition gegen Schweden und der Friede von Oliva . . . . $84. Das europäische Staatensystem im Jahre 1660

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Allgemeine Literaturangaben. Vorbemerkung. Eine so erschöpfende Bibliographie, wie sie M. Immich in seiner Geschichte des europäischen Staatensystems von 1660—1789 in mustergültiger Weise gegeben hat, verbot sich schon aus Rücksicht auf den ungleich beschnitteneren Raum. Ich mußte mich darauf beschränken — ähnlich wie es A. Wahl und E. Fueter in diesem Handbuch getan haben —, aus der ungeheuer umfangreichen Literatur über die Zeit von 1559—1660 eine knappe Auswahl der wichtigsten Werke zu bringen, wobei naturgemäß dem subjektiven Ermessen ein gewisser Spielraum gelassen wird. Auf Vollständigkeit können die nachstehenden Angaben um so weniger Anspruch machen, da einer Heranziehung und Benutzung der ausländischen Literatur die allgemeinen Verhältnisse der Nachkriegszeit immer wieder erschwerend in den Weg traten. Die völlige Überwindung dieser Schwierigkeiten war zumal für denjenigen, dem an seiner Arbeitsstätte keine große Bibliothek dauernd zur Verfügung stand, schlechterdings unmöglich. Da das Manuskript am 1. August 1927 abgeschlossen wurde, konnte die seitdem erschienene Literatur, namentlich die ausländische, nur noch zum Teil während der Drucklegung berücksichtigt werden. In die nachfolgende Übersicht sind grundsätzlich die wichtigsten allgemeinen Werke über die ganze Periode aufgenommen sowie diejenigen, die die Anfänge oder größere Teile von ihr behandeln. Dem dritten Abschnitt ist für die Zeit von 1618—1660 eine kürzere Übersicht vorausgeschickt. Um das Verzeichnis nicht allzusehr anschwellen zu lassen, sind Einzelarbeiten tunlichst den einzelnen Paragraphen zugeteilt. Für alles Nähere, besonders für die ältere Literatur, muß auf die angeführten Quellenkunden und Bibliographien verwiesen werden.

Bibliographien. Zur allgemeinen Geschichte: Die bekannten Sammlungen von P. Herre, H. Stein, Ch. V. Langlois sowie die Jahresberichte der Geschichtswissenschaft. Für Deutschland: Dahlmann-Waitz*; Bibliographie zur Deutschen Geschichte in der Histor. Vierteljahrschrift; Jahresberichte der Deutschen Geschichte (seit 1918). Jahresberichte für Deutsche Geschichte I. 1925 (Leipzig 1927). Für die Schweiz: H. Barth, Bibliographie der Schweizer. Geschichte, 3 Bde., Basel 1914/15. Für die Niederlande: H. Pirenne, Bibliographie de l'hist. de Belgique*, Brüssel und Gent 1902. Für England: S. R. Gardiner and J. Bass Mullinger, Introduction to the study of English History", London 1894; dazu jetzt The bibliography of modern British history (im Erscheinen begriffen und mir nicht mehr zugänglich). Für Frankreich: Neben dem älteren Werk von G. Monod die einschlägigen Abteilungen von „Les Sources de l'histoire de France": Le 16. siècle, von H. Hauser (4 Bde., Paris 1906—15), Le 17. siècle von E. Bourgeois et L. André (5 Bde., ebd. 1913—26). Für Italien: Neben dem älteren Werk von C. Lozzi, E. Calvi, Biblioteca di bibliografia storica italiana (Rom 1903—07). Für Spanien: B. Sánchez Alonso, Fuentes de la historia Española, Madrid 1919, sowie die kürzere Sammlung von R. Ballester, Bibliografia de la historia de España, Barcelona 1921. Für Schweden: K. Setterwall, Svensk hist. bibliografi, Stockholm 1907. Für Dänemark: B. Erichsen og A. Krarup, Dansk historisk bibliografi I. Kopenhagen 1919/20. Für die tschechische Geschichte: C. Zibrt, Bibliografie deské historie, 5 Bde., Prag. 1900/11. Für Polen: L. Finkel, Bibliografia historyi polskiej, 4 Bde., Krakau 1901—14. Für Rußland : K. Bestuschew, Quellen und Literatur zur russ. Geschichte, dtsch. Übers, von Th. Schiemann, Mitau 1876. — Ausführliche bibliographische Hinweise bieten die Cambridge Modern History ; Lavisse-Rambaud, Histoire générale; L. v. Pastor, Geschichte der Päpste; K. Müller, Kirchengeschichte; Gebhardts Handbuch der deutschen Geschichte*; E. Lavisse, Histoire de France u. a. — Für die Kirchengeschichte ist zu verweisen auf HerzogHauck, Realenzyklopädie®; Wetzer u. Weite's Kirchenlexikon* und „Die Religion in Geschichte und Gegenwart".

Quellen und Literatur. Europäische Geschichte. J. Du Mont, Corps universel diplomatique du droit des gens, IV—VI, u. Suppléments, Amsterdam u. Haag, 1726ff. J. A. de Thou (Thuanus), Historia sui temporis, vervollst. Ausg., 7 Bde., London 1733. Literae procerum Europae ab a. 1552 usque ad a. 1712, ed. J. Ch. Lünig, 3 Bde., Leipzig 1712. Le Relazioni degli ambasciatori Veneti al senato durante il secolo XVI., ed. E. Albóri, 14 Bde. u. App. Florenz, 1839ff. N. Barozzi u. G. Berchet, Relazioni degli stati Europei al senato degli ambasciatori Veneti nel secolo XVII., 10 Bde., Venedig 1856ff. Arcana saeculi XVI. : H über ti Langueti epistolae secretae ad principem suum Augustum Saxoniae ducem, ed. J. P. Ludovicus, 2. T., Halle 1699; vgl. auch die unter den einzelnen Ländern angeführten Gesandtschaftsberichte. Von Rankes Werken kommen Die Römischen Päpste, die Französische und die Englische Geschichte, Die Osmanen und die Spanische Monarchie, Zur Deutschen Geschichte vom Religionsfrieden bis zum 30jährigen Krieg (S.W. 7) und die Geschichte Wallensteins in Betracht. The Cambridge Modern History III: The Wars of Religion, IV: The Thirty Years' War, Cambridge 1907. Lavisse-Rambaud, Histoire générale du 4. siècle à nos jours, V: Les guerres de Religion, VI:

Quellen und Literatur.

XIII

Louis XIV, Paris 1895. Th. Lindner, Weltgeschichte V, VI, Stuttgart 1907/09. L. v. Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters VII—XII, Freiburg 1920/27. E. Gothein, Staat und Gesellschaft des Zeitalters der Gegenreformation (Hinnebergs Kultur der Gegenwart II, V, 1), Berlin-Leipzig 1908. M. Ritter (s. unter Deutsches Reich). M. Philippson, Westeuropa im Zeitalter Philipps II., Elisabeths u. Heinrichs IV., Berlin 1882. K. Käser, Das Zeitalter der Reformation u. Gegenreformation (Weltgeschichte, hrsg. v. L. M. Hartmann VI, 1), StuttgartGotha 1922. W. Windelband, Die auswärtige Politik der Großmächte in der Neuzeit', Stuttgart 1926. Eine Reihe der führenden Persönlichkeiten dieses Zeitalters ist in den „Meistern der Politik" I I ' (Stuttgart 1923) behandelt. Kirchengeschichten: Von protestantischer Seite: K. Müller 112, Tübingen 1919, Möller-Kawerau III", ebd. 1907. H. Hermelink in Krügers Handbuch III, ebd. 1911. Katholischerseits: J. v. Hergenröther III', hrsg. v. J. P. Kirsch, Freiburg 1925. A. Ehrhard, Katholisches Christentum u. Kirche Westeuropas in der Neuzeit* (Kultur der Gegenwart I, IV., 1), Berlin-Leipzig 1909. Handels- und Kolonialgeschichten: A. Beer, Allgemeine Geschichte des Welthandels II, Wien 1862. A. Zimmermann, Die europäischen Kolonien, 5 Bde., Berlin 1896ff. G. Roloff, Geschichte der europäischen Kolonisation. Heilbronn, 1913. A. Rein, Der Kampf Westeuropas um Nordamerika im 15. u. 16. Jahrhundert, Stuttgart 1925. Baltische Lande. Quellen zur Geschichte des Untergangs livländischer Selbständigkeit, hrsg. v. C. Schirren. (Arch. f. d. Gesch. Liv-, Esth- u. Kurlands. N. F. 1—11.) Reval 1861ff. Briefe und Urkunden zur Geschichte Livlands 1558—1562, hrsg. v. F. Bienemann, 5 Bde., Riga 1865ff. Akten und Briefe zur Geschichte der baltischen Frage im 16. und 17. Jahrhundert, hrsg. v. G. W. Forsten, 2 Bde., Petersburg 1889/93 (russisch). — An Darstellungen sind neben dem älteren Werk von Th. Schiemann, Rußland, Polen und Livland bis ins 17. Jahrhundert, 2 Bde., Berlin 1886/87, besonders die Arbeiten von E. Seraphim zu nennen: Geschichte Liv-, Esth- und Kurlands von der „Aufsegelung" des Landes bis zur Einverleibung in das Russische Reich, 2 Bde. 1 , Reval 1897—1903, Geschichte von Livland I, Gotha 1905. Deutsches Reich. M. C. Lundorp, Continuatio Sleidani, 3.T. 2. Aufl., Frankfurt 1619ff. Ch. Lehenmann (De pace religionis acta publica) suppletus, ebd. 1709Í. Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken, Abt. II (1560—1572), III (1572—1585), IV (17. Jahrh.); 1585—1590, hrsg. v. d. Görres-Gesellsch. Correspondencia de los principes de Alemania con Felipe II. in Colección de documentos inéditos para la historia de España. Bd. 98, 101, 103, 110, 111. Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe, bearb. v. G. Turba, III, Wien 1896. Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich, hrsg. v. J.Fiedler, I,Wien 1870. Korrespondenzen österreichischer Herrscher: Die Korrespondenz Maximilians II., 2 Bde. (bis 1567), bearb. v. V. Bibl, Wien 1916—1921. Briefe Friedrichs des Frommen, bearb. v. A. Kluckhohn, 2 Bde., Braunschweig 1868/72. Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir, bearb. v. Fr. v. Bezold, 3 Bde., München 1882ff. Beiträge zur Geschichte Herzog Albrechts V. und des Landsberger Bundes (1546—1598), hrsg. v. W. Goetz, München 1898. Briefe und Akten zur Geschichte des 30jährigen Krieges, 11 Bde., ebd. 1870ff. Neue Folge: Die Politik Maximilians I. von Bayern II, 1, 2, bearb. v. W. Goetz, Leipzig 1908/18. — Die beste Darstellung ist M. Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des 30jährigen Krieges, 3 Bde., Stuttgart 1889—1908; für die Zeit nach 1648: B. Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen I, Berlin 1892. H. v. ZwiedineckSüdenhorst, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gründung des Preußischen Königtums I, Stuttgart 1887. Daneben das Handbuch von G. Mentz, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, der Gegenreformation und des 30jährigen Krieges,

XIV

Quellen und Literatur.

Tübingen 1913. F. Härtung, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart', Leipzig 1922. Von Territorialgeschichten sind vor allem zu nennen: Für Bayern: S. Riezler und M. Doeberl; für Brandenburg: J.G . Droysen, R. Koser, O. Hintze und A. Waddington; für Braunschweig: 0 . v. Heinemann; für Mecklenburg: O. Vitense; für Österreich: A. Huber und O. Redlich sowie K. und M. Uhlirz, Handbuch der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn I, Graz 1927 ; für Pommern: M. Wehrmann; für das Elsaß: R. Reuß, R. Wackernagel, M. Spahn und K. Stählin. — Für Lothringen neben dem älteren Werk von H. Derichsweiler jetzt R. Parisot, Histoire de Lorraine, 4 Bde., Paris 1919ff. E n g l a n d , S c h o t t l a n d und I r l a n d . E n g l a n d : Calendar of State papers mit den angeschlossenen Serien Scotland, Ireland, Spain, Venice, Rome, London 1856ff. W.Camden, Annalesrerum Anglicarum et Hibernicarum regnante Elisabeta, London 1615/25. Collection des mémoires relatifs à la révolution d'Angleterre, publ. par G. Guizot, 26 Bde., Paris 1823ff. D. Digges, The compleat ambassador, Letters of negotiation of Sir Francis Walsingham, London 1655. Relations politiques des Pays-Bas et de l'Angleterre sous le règne de Philipp II, publ. par Kervyn de Lettenhove, 11 Bde., Brüssel 1882ff. Correspondance diplomatique de La Mothe-Fénélon, publ. par A. Teulet, 7 Bde., Paris 1840. — Darstellungen: Neben dem älteren Werk von J. A. Froude die Political History of England ed. by W. Hunt and R. L. Poole: Bd. VI (1547—1603) by A. F. Polland, Bd. VII (1603—1660) by F. C. Montague, London 1915 bzw. 1907. A History of England in seven Volumes ed. by C. Oman: Bd. IV: England under the Tudors, by A. D. Innes, Bd. V: England under the Stuarts, by G. C. Trevelyan, London 1918/20; E. P. Cheyney, A History of England from the defeat of the Ajrmada to the death of Elizabeth, 2 Bde., London-New-York 1914—1926. Für die Zeit der Stuarts, der Revolution und des Protektorates : Earl of Clarendon, The History of the rebellion and the civil wars, Oxford 1702. A. Stern, Geschichte der Revolution in England 1 , Berlin 1898, und besonders die verschiedenen Arbeiten von S. R. Gardiner. — J. Hatschek, Englische Verfassungsgeschichte. München und Berlin 1913. — Biographien: Königin Elisabeth: E. A. Beesly (London 1903), E. Mareks (2. A., Bielefeld-Leipzig, 1926), dazu: Conyers Read, Good Queen Bess (Americ. hist. rev. 31). — Burghley: M. S. Hume (London 1898). —Walsingham: K. Stählin (Bd. I, Heidelberg 1908), Conyers Read (3 Bde., Cambridge (Mss.) 1925). — Ferner J. S. Corbett, Drake and the Tudor Navy, 2 Bde., London 1898; J. Kretzschmar, Die Invasionsprojekte der katholischen Mächte gegen England zur Zeit Elisabeths, Leipzig 1892. J. S. Corbett, England in the Mediterranean, London 1904. W. H. Frere, The English Church in the Reigns of Elizabeth and James I., London 1904. A. O. Meyer, England und die katholische Kirche unter Elisabeth, Rom 1911 ; J. H. Pollen, The English Catholics in the Reign of Queen Elizabeth (1558—1580), London 1920. P. Le chat, Les Réfugiés anglais dans les Pays-Bas Espagnols durant le règne d'Elisabeth (1558—1603), Roulers 1914. S c h o t t l a n d : G.Buchanan, De Maria Scotorum regina. Relations politiques de la France et de l'Espagne avec l'Ecosse au 16. siècle, publ. par A. Teulet, 5 Bde., Bordeaux-Parisl862. Lettres, instructions et mémoires de Marie Stuart, publ. par A. Labanoff, 7 Bde., London 1844. Darstellungen: A. Lang, History of Scotland, Bd. II, III, Edinburg 1902 ff. P. H. Brown, History of Scotland, Bd. II, Cambridge 1902; W. L. Mathieson, Politics and religion, 2 Bde., Glasgow 1902. Zu Maria Stuart: J. Scott, Bibliography of Works relating to Mary Queen of Scots, 1544—1700 in Edinburgh Bibliographical Soc. 1896; die Arbeiten von M. Mignet (2. A., Paris 1854), J. Hosack (Edinburg 1870ff.), J. Gaedeke (Heidelberg 1879), Kervyn de Lettenhove (Paris 1889), M. Philippson (Paris 1891 f.), T. F. Henderson (London 1905), sowie A. Lang, The mystery of Mary Stuart, London 1904; M. A. S. Hume, The love affairs of Mary Queen of Scots, ebd. 1903.

Quellen und Literatur.

XV

I r l a n d : R. Bagwell, Ireland under the Tudors, 3 Bde., London 1885ff.; ders., Ireland under the Stuarts and during the Interregnum, 2 Bde., New-York 1909; J. P. Mahaffy, An Epoch in Irish History (1591—1660), London 1903; E. Hull, A History of Ireland and her people to the close of the Tudor period, ebd. 1927. Frankreich. A. C. Davila, Storia delle guerre civili, zuerst 1630. Briefe und diplomatische Korrespondenzen: Besonders Lettres de Cathérine de Médicis (9 Bde., Paris 1880ff.); Recueil des lettres missives de Henri IV (9 Bde., ebd. 1843ff.); Lettres, instructions diplomatiques et papiers d'état du cardinal de Richelieu (8 Bde., ebd. 1853ff.) ; E. Griselle, Louis XIII et Richelieu, Lettres et pièces diplomatiques, ebd. 1911; Cardinal Mazarin, Lettres à la reine (ebd., 1836); Lettres pendant son ministère (4 Bde., ebd. 1872ff.); Négociations diplomatiques de la France avec la Toscane, pubi, par A. Desjardins (6 Bde., ebd. 1859ff.); Négociations de la France dans le Levant, pubi, par E. Charrière (4 Bde., ebd. 1848ff.); Correspondance diplomatique de La-Mothe (s. unter England). — Aus der umfangreichen Memoirenliteratur sind vor allem zu nennen: Duc de Guise, Prince de Condé, M. de Castelnau, La Huguerye, Blaise de Monluc, Brantôme, Sully, Richelieu, Aubery, Siri, Rohan, Retz u. a. — Darstellungen: Histoire de France, pubi, par E. Lavisse, VI 1 (1559—1598), VI 2 (1598—1643) par H. Mariéjol, VII 1 (1643—1685) par E. Lavisse, Paris 1904/06; R. Holtzmann, Französische Verfassungsgeschichte, München u. Berlin 1910; Duc d'Aumale, Histoire des princes de Condé, 8 Bde., Paris 1869ff.; H. Forneron, Les ducs de Guise, 2 Bde.*, ebd. 1893; J. W. Thompson, The Wars of Religion in France, London 1909; F. Rocquain, La France et Rome pendant les guerres de religion, Paris 1924. J.Viénot, Histoire de la Réforme française des origines à l'Edit de Nantes, ebd. 1926. Zu Katharina von Medici: die Biographien von E. Albèri (Florenz 1838), H. Mariéjol (3. éd. Paris 1922), P. van Dyke (New-York 1923). Zu Coligny: J. Delaborde (Paris 1879/82), E. Mareks (I 1, Stuttgart 1892, u. in „Männer u. Zeiten" I ' , Leipzig 1918), A. W. Whitehead (London 1906). A. Poirson, Histoire du règne de Henri IV, 4 Bde.*, Paris 1866; N. Aymès, La France de Louis XIII, ebd. 1909; B. Zeller, Louis XIII, Marie de Médicis, Richelieu ministre, ebd. 1899; G. d'Avenel, Richelieu et la monarchie absolue, 4 Bde.', ebd. 1895; G. Hanotaux, Histoire du cardinal de Richelieu, 2 Bde., ebd. 1893/96; W. Andreas, Richelieu (in „Meister der Politik"', II) ; E. Roca, Le règne de Richelieu, Paris 1906; G. Fagniez, Le Père Joseph et Richelieu, 2 Bde., ebd. 1894; A. Chéruel, Histoire de France pendant la minorité de Louis XIV, 4 Bde., ebd. 1879/80; ders., Histoire de France sous le ministère de Mazarin, 3 Bde., ebd. 1882. Italien. L. v. Pastor, Geschichte der Päpste; A. Cosci, L'Italia durante le preponderanze straniere, Mailand 1881. Für den Kirchenstaat: M. Brosch, Geschichte des Kirchenstaates, 2 Bde., Gotha 1880—1882 ; P. Herre, Papsttum und Papstwahl im Zeitalter Philipps II., Leipzig 1907; Baron de Hübner Sixte-Quint 1 , 2 Bde., Paris 1883. Für Savoyen: Neben den allgemeinen Darstellungen von E. Ricotti und D. Carutti besonders J. Raulich, Storia di Carlo Emanuele I. Duca di Savoia, 2 Bde., Mailand 1896—1902; L. Cramer, La Seigneurie de Genève et la maison de Savoie, 2 Bde., Genf 1912. Für Toscana: Die Werke von A. Reumont und F. T. Perrens. Für Venedig: Neben der Geschichte von S. Romanin H. v. Zwiedineck-Südenhorst, Die Politik der Republik Venedig während des 30 jährigen Krieges, 2 Bde., Stuttgart 1882—1885. N i e d e r l a n d e l ). Erzählende Quellen: Die Werke von E. van Meteren, P. Bor, E. van Reyd, F. Strada, L. van Aitzema. — N. Japiske, Resolutien der Staten Generaal van 1576 1

) Vgl. auch die Literatur zu Spanien.

XVI

Quellen und Literatur.

tot 1609 (Rijksgeschiedkundige Publicatien vols 26, 33, 41, 43, 47, 51, 55, 57, 62, Haag 1915ff.). Briefe und diplomatische Korrespondenzen: Philipps II., Granvellas, Margaretas von Parma, Alexander Farneses, des Hauses Nassau-Oranien, Wilhelms von Oranien, Ludwigs von Nassau und anderer; neben diesen älteren Publikationen jetzt noch: Correspondance française de Marguerite d'Autriche, Duchesse de Parme avec Philippe II, éd. par J. S. Theissen, I (1565—1567), Utrecht 1925; Relazioni Veneziane, Venetiaansche Berichten over de vereenigde Nederlanden 1600—1795, hrsg. v. P. J. Blok, Haag 1910; H. Lonchay et J. Cuvelier, Correspondance de la cour d'Espagne sur les affaires des Pays-Bas I, Brüssel 1923; Correspondance d'Ottavio Mirto Frangipani, premier Nonce de Flandre (1596—1606), publ. par L. van der Essen, I, Rom 1924; Relations politiques des Pays-Bas et de l'Angleterre (s. unter England) ; P. L. Muller et Diegerick, Documents concernant les relations entre le Duc d'Anjou et les Pays-Bas, 5 Bde., Utrecht 1889ff. — Darstellungen: Neben den älterenArbeiten von J. Wagenaar, J. L. Motley, Kervyn de Lettenhove, K. Th.Wenzelburger, P. L. Muller jetzt die beiden Parallelwerke von P. J. Blok, Geschiedenis van het Nederlandsche Volk, Bd. III—V (dt. Übers, von O. G. Houtruw, Gotha 1907/12), und H. Pirenne, Histoire de Belgique, Bd. IV (dt. Übers, von F. Arnheim, ebd. 1915); E. Gossart, L'établissement du régime espagnol dans les Pays-Bas et l'Insurrection, Brüssel 1905; F. Rachfahl, Wilhelm von Oranien (unvollendet, I—III), Halle 1906/24; P. J. Blok, Willem de Eerste Prins van Oranje, 2 Bde., Amsterdam 1919/20; A. Elkan, Philipp Marnix von St. Aldegonde, I, Leipzig 1910; F. Rachfahl, Margarethe von Parma, Statthalterin der Niederlande, München 1898; H. F. M. Huybers, Don Juan van Oostenrijk, landvoogd der Nederlanden, 2 Bde., Utrecht-Amsterdam 1913/14; P. Fea, Alessandro Farnese, Duca di Parma, Turin 1886. Über Oldenbarnevelt: Die Arbeiten von J. L. Motley, G. Groen van Prinsterer und P. L. Muller. P. J. Blok, Frederik Hendrik, Prins van Oranje, Amsterdam 1924; A. Waddington, La République des Provinces-Unies, la France et les Pays-Bas Espagnols 1630—50, 2 Bde., Paris 1895/97. Polen. Acta historica res gestas Poloniae illustrantia ab a. 1507 ad a. 1795, 12 Bde., Krakau 1878ff. ; R. Heidenstein, Rerum Polonicarum ab excessu Sigismundi Augusti libri XII, Frankfurt 1672; Th. Schiemann (s. unter Baltische Lande); E. Zivier, Neuere Geschichte Polens, Bd. I: Die zwei letzten Jagellonen, Gotha 1915; R. N. Bain, Slavonic Europe, A political history of Poland and Russia from 1477 to 1796, Cambridge 1908; E. Hanisch, Geschichte Polens, Bonn 1923 ; K. Völker, Der Protestantismus in Polen, Leipzig 1910. P. Fox, The Reformation in Poland, Baltimore 1924. Rußland. Neben den älteren Werken von Th. Schiemann, A. Rambaud und A. Brückner jetzt K. Stählin, Geschichte Rußlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. I : Bis auf Peter den Großen, Stuttgart 1923; W. Kliutschewskij, Geschichte Rußlands, dt. Übers, von F. Braun u. R. v. Walter, Bd. II, III, ebd. 1925; H. Übersberger, Österreich und Rußland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, I, Wien 1906; ders., Rußlands Orientpolitik, I, Stuttgart 1913. Schweiz. E. Rott, Histoire de la Représentation diplomatique de la France auprès des Cantons Suisses, de leurs alliés et de leurs confédérés, Bd. II—VI, Paris 1902 ff. ; Nuntiaturberichte aus der Schweiz seit dem Concil von Trient, Abt. I, bearb. v. F. Steffens u. H. Reinhardt, Solothurn 1906; K. Dändliker, Geschichte der Schweiz, II', III 3 , Zürich 1902/03; J. Dierauer, Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft, III u. IV, Gotha 1907—12; E. Gagliardi, Geschichte der Schweiz von den Anfängen bis auf die Gegenwart, II, Zürich 1920; A. Ph. v. Segesser, Ludwig Pfyffer und seine Zeit, 4 Bde., Bern 1880—82; L. Cramer, La Seigneurie de Genève et la Savoie, 2 Bde., Genf 1912.

Quellen und Literatur.

XVII

Skandinavien. Handlingar rörande Skandinaviens Historia, 41 Bde., Stockholm 1816ff.; Historiska Handlingar, 22 Bde., ebd. 1861 ff.; R. N. Bain, Scandinavia, A History of Denmark, Norway and Sweden 1513—1900, Cambridge 1905. D ä n e m a r k : L. Laursen, Danmark-Norges Tractater 1523—1750, 7 Bde., Kopenhagen 1907ff.; Regesta diplomatica historiae Danicae, ebd. 1847ff.; P. H. Resen, Kong Frederichs den Andens Krenicke, ebd. 1680; Kong Christian den Fjerdes egenhaendige Breve, udg. ved C. F. Bricka og J. A. Fridericia, ebd. 1878ff.; Aktstykker og Oplysninger til Rigsraadets og Stœnderm0dèrnes Historie i Kristian IV's Tid, udg. ved K. Erslev, ebd.l883ff.; Danmarks Riges Historie, III, IV, ebd. 1896ff.; N. Slange-Gram, Kong Christian den Fierdes Historie (ebd. 1749), dt. Übers, v. J. H. Schlegel, Kopenhagen u. Leipzig 1757/71; D. Schäfer, Geschichte von Dänemark, V, Gotha 1902 (mit ausführlichem Literaturverzeichnis); A. Larsen, Kalmar krigen, Kopenhagen 1889; ders., Kejserkrigen, ebd. 1896; J. A. Fridericia, Danmarks ydre politiske Historie i Tiden fra Freden i Lybek til Freden i Kjebenhavn, ebd. 1876 ff. S c h w e d e n : Sveriges traktater med främmande magter, utg. af O. S. Rydberg, Bd. IVff. Stockholm 1885ff.; Handlingar rörande Sveriges historia: Serie I I : Svenska Riksdagsakter, Serie III : SvenskaRiksrâdets Protokoll, ebd. 1878ff. ; Konung Gustaf II. Adolfs skrifter, utg. af C. G. Styffe, Stockholm 1861; Sammlung ungedruckten Briefwechsels und Staatsschriften . . . König Gustav Adolphs . . . und . . . des Reichskanzlers Oxenstierna, hrsg. v. F. K. v. Moser (Patriot. Arch. f. Deutschld. 5/6); Schriftstücke von Gustav Adolf, zumeist an evangel. Fürsten Deutschlands, hrsg. v. G. Droysen, Stockholm 1877; Rikskansleren Axel Oxenstiernas skrifter och brefvexling, ebd. 1888ff. ; Sveriges och Hollandsdiplomatiska förbindelser 1621—1631, utg. af M. G. Schybergson, Helsingfors 1881; E. G. Geijer u. F. F. Carlson, Geschichte Schwedens, II—IV, Hamburg u. Gotha 1834—55; M. G. Schybergson, Finlands historia, dtsch. Bearb. v. F. Arnheim, Gotha 1896; A. Theiner, Schweden und seine Stellung zum Hlg. Stuhl unter Johann III., Sigismund III. und Karl IX., 2 Bde., Augsburg 1838/39; H. Biaudet, Le St. Siège et la Suède durant la seconde moitié du XVI. siècle, 2 Bde., Paris 1906ff. Zu Gustav Adolf: Neben den älteren Werken von A. Cronholm, G. Droysen, L. Stavenow, H. Forssell, O. W. Alund jetzt J. Paul, Gustaf Adolf, Bd. I, Leipzig 1927: und die während der Drucklegung erschienenen Werke: G.Wittrock, Gustav II. Adolf, Stockholm 1927; L. Tingsten, Gustav II. Adolfs politik och krigsföring i Tyskland, ebd. 1927; ferner M. Lenz in der Realenzyklopädie, Bd. 7 und H. Schulz in „Meister der Politik", I I ' ; N. Ahnlund, Gustaf Adolf införTyska kriget, Stockholm 1918; E. Falk, Sverige och Frankrike 1632—1634, Upsala 1911. Spanien und Portugal1). S p a n i e n : Colección de documentos inéditos parala historia de España, 112 Bde., Madrid 1842ff.; Nueva colección de documentos etc., ebd. 1892ff.; Papiers d'état du Cardinal de Granvelle, pubi, par Ch. Weiss, 9 Bde., Paris 1841 ff. : Correspondance du Cardinal de Granvelle, pubi, par E. Poullet et Ch. Piot, 12 Bde., Brüssel 1877ff.; K. de Hinojosa, Los despachos de la diplomacia pontificia en España, Madrid 1896; L. Serrano, Correspondencia diplomatica entre España y la Santa Sede durante el Pontificado de S. Pio V., 4 Bde., Rom 1914; M. Lafuente, Historia general de España 2 , B d . V I I I f f . , Barcelona 1888ff.; R. Altamira y Crevea, Historia de España y de la civilización española, 4 Bde., ebd. 1900ff. ; A. Morel-Fatio, L'Espagne au 16. et 17. siècle, Paris 1878; H. Ch. Lea, A history of the Inquisition of Spain, 4 Bde., New-York 1906/07; ders., The Moriscos of Spain, Philadelphia 1901 ; P. Herre, Papsttum und Papstwahl im Zeitalter Philipps II., Leipzig 1907; K. Häbler, Die wirtschaftliche Blüte Spaniens und ihr Verfall, Berlin 1888. Zu Philipp II.: Die *) Vgl. auch die Literatur zu den Niederlanden.

XVIII

Quellen und Literatur.

älteren Arbeiten von L. Cabrera de Cordoba, W. Prescott, H. Forneron, M. A. S. Hume sowie E. Mareks, Philipp II. von Spanien (jetzt in „Meister der Politik", II'), C Bratli, Filip II. ai Spanien, Kopenhagen 1909, franz. Ausg. Paris 1912; M. Mignet, Antoine Perez et Philippe II», Paris 1881 ; M. Philippson, Heinrich IV. und Philipp III., 3 Bde., Berlin 1870/76; A. Canovas del Castillo, Estudios del reinado de Felipe IV., 2 Bde., Madrid 1888/89. P o r t u g a l : H. Schäfer, Geschichte von Portugal, III, IV, Hamburg 1850/52; O. Martins, Historia de Portugal 4 , 2 Bde., Lissabon 1901. Türkei. Négociations de la France dans le Levant (s. unter Frankreich) ; A. G. Busbequii Legationis Turcicae epistolae quatuor, Paris 1589. — Neben den älteren Darstellungen von J. v. Hammer und J. W. Zinkeisen die neuere von N. Jorga, Geschichte des Osmanischen Reiches, III, IV, Gotha 1910/11 ; F. Babinger, Sulejman in „Meister der Politik", II«. Ungarn, Siebenbürgen, Moldau, Walachai. U n g a r n : Monumenta Hungariae histórica, Pest 1857ff. Neben den allgemeinen Geschichten von S. Katona und J. Graf Mailáth: F. Salamon, Ungarn im Zeitalter der Türkenherrschaft, dt. Übers, v. G. Jurany, Leipzig 1887; A. Lefaivre, Les Magyars pendant la domination ottomane en Hongrie, Paris 1902; J. Szekfü, Der Staat Ungarn, Stuttgart-Berlin 1918. S i e b e n b ü r g e n : Fontes rerum Transsylvanicarum, hrsg. v. A. v. Veress, 4 Bde., Budapest 1911/14; J . Hudita, Histoire des négociations diplomatiques entre la France et la Transsylvanie au 17e siècle, Paris 1927 ; G. Müller, Die Türkenherrschaft in Siebenbürgen, Hermannstadt 1923. D o n a u f ü r s t e n t ü m e r : A. D. Xénopol, Histoire des Roumains de la Dacie Trajane, 2 Bde., Paris 1896; N. Jorga, Geschichte des rumänischen Volkes, II, Gotha 1905.

Einleitung. § 1. Inhalt und Gliederung des Stoffes. Das Jahr 1559 bezeichnet einen Wendepunkt in der Geschichte des europäischen Staatensystems. Der Augsburger Religionsfriede von 1555, mit dem das Zeitalter der Reformation gewöhnlich abgeschlossen wird, bildet bloß für die deutsche, nicht für die internationale Geschichte einen Einschnitt. Denn das universale Ringen der beiden Konfessionen wird dadurch nur wenig berührt. Erst nach 1559 tritt es durch den Vorstoß der katholischen Restauration und des Calvinismus in seinen Zenit; erst jetzt wird der Protestantismus für die Weltstellung der alten Kirche vollends lebensgefährlich. Mit den Hugenottenkämpfen und dem niederländischen Aufstand beginnt das eigentliche Zeitalter der Religionskriege. Sie setzen in Westeuropa ein, aber bald darauf schreitet der Katholizismus auch im Norden und Osten zum Angriff auf die neue Lehre, während in Mitteleuropa der Waffenstillstand zunächst gewahrt bleibt. Auch für die andere beherrschende Frage des XVI. Jahrhunderts, die Auseinandersetzung zwischen Habsburg und Frankreich, hebt nicht 1555, sondern 1559 mit dem Frieden von CateauCambrösis eine neue Epoche an. Der lange Kampf um Italien ist dadurch für mehr als ein Jahrhundert zugunsten Habsburgs entschieden. Mit der kurz zuvor erfolgten Abdankung Kaiser Karls V. wird sein Universalreich endgültig geteilt, und das Haus Habsburg spaltet sich unwiderruflich in eine spanische und eine österreichische Linie. Unbestritten hat jene das Übergewicht, wie der allerchristlichste König wird auch der Träger der Kaiserkrone von dem katholischen König an Macht und Ansehen weit überragt. Philipp II. drückt der europäischen Politik auf vier Jahrzehnte den Stempel seiner Persönlichkeit auf. Gleichzeitig bahnt sich mit dem Tod Papst Pauls IV. und der Wahl Pius' IV. (1559) der Bund zwischen Rom und Madrid und damit das eigentliche System der Gegenreformation an. Durch den Vertrag von Cateau-Cambresis scheint Frankreich sich ihm anschließen zu wollen, wird aber wenige Monate später durch den jähen Tod Heinrichs II. in schwere innere Kämpfe gestürzt, in denen nicht nur um seine politische, sondern auch um seine konfessionelle Zukunft gerungen wird. Um dieselbe Zeit gelangt in England mit der Thronbesteigung der Königin Elisabeth der Protestantismus endgültig zum Siege, in dem evangelischen Inselstaat wächst der spanischen Monarchie der gefährlichste Gegner heran. Der Gegensatz zwischen Elisabeth und Maria Stuart P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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Einleitung.

leitet auch in der alten Feindschaft der Nachbarstaaten England und Schottland eine neue Phase ein. Nicht minder bedeutungsvolle Verschiebungen vollziehen sich in Nord- und Osteuropa. Mit dem Russeneinfall in Livland (1558) und den Thronwechseln in Dänemark (1559) und Schweden (1560) beginnt das säkulare Ringen um die baltischen Lande und um das Dominium maris Baltici. Es ist eine seltsame Fügung des Schicksals, daß um 1559 die Herrscher fast aller größeren Staaten ins Grab sinken, schon dadurch wird für neue Männer und frische Kräfte Raum. Ihren Abschluß findet die Epoche 1659/60. Den Religionskriegen setzt zwar schon der Westfälische Friede ein Ziel, aber über den mit ihnen eng verbundenen spanisch-französischen Antagonismus fällt erst mit dem Pyrenäenfrieden die Entscheidung. Gleich darauf bereiten die Friedensschlüsse von Oliva und Kopenhagen dem Nordischen Krieg und der Expansion Schwedens ein Ende, in England kehrt durch die Restauration von 1660 das alte Königshaus zurück. Mit dem Tode Mazarins und der Selbstherrschaft Ludwigs XIV. hebt eine neue Epoche der europäischen Staatengeschichte an: das Zeitalter des Absolutismus. Innerhalb des zu behandelnden Zeitraums bildet der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1618 den herkömmlichen Einschnitt. Denn in ihm wird nicht nur der kirchliche und politische Entscheidungskampf in Deutschland ausgetragen, auch die anderen politischen und konfessionellen Gegensätze, die sich im XVI. Jahrhundert in dem europäischen Staatensystem aufgehäuft und keine Lösung gefunden hatten, kommen jetzt zur allgemeinen Entladung. Nach und nach werden fast sämtliche Staaten des Kontinents in das große Völkerringen verwickelt. Während vor 1618 die west-, mittel- und osteuropäischen Kämpfe nur lose miteinander verknüpft oder nebeneinander hergelaufen waren, berühren und durchdringen sie sich in dem Dreißigjährigen Kriege auch innerlich. § 2. Der Begriff Gegenreformation. Das Wort „ G e g e n r e f o r m a t i o n " , mit dem die Periode von 1559 bis 1618 meist bezeichnet wird, ist nicht, wie man wohl gemeint hat, dem Wort contrerevolution nachgebildet, sondern bereits im XVIII. Jahrhundert in Deutschland, besonders von Johann Stephan Pütter geprägt worden. Sprach man anfangs nur von einzelnen Gegenreformationen, d. h. gewaltsamen Rekatholisierungsversuchen in den Territorien, so findet sich der Begriff von einem „Zeitalter der Gegenreformation" zuerst am Schluß von Rankes Deutscher Geschichte und hat sich im XIX. Jahrhundert langsam eingebürgert. Freilich nur in Deutschland und hier bloß in der protestantischen Geschichtschreibung, auf katholischer Seite redet man in der Regel von dem Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration. Während Ranke und seine Schule den politischen und kirchenpolitischen Gesichtspunkt in den Vor-

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Einleitung.

dergrund rückten 1 ), wird neuerdings mehr das allgemein geistige Moment betont. So definiert Gothein 2 ) die Gegenreformation als einen „Rückschlag" des Katholizismus „gegen die große kulturelle und religiöse Umwandlung der Renaissance und Reformation" und stempelt diese „religiöse Bewegung" zum „maßgebenden Ereignis" der ganzen Epoche. Diese Auffassung ist jedoch nur bedingt richtig. Sie trifft nicht für alle Staaten zu und erschöpft den Inhalt des Zeitalters keineswegs. Zwei große Offensiven platzen in ihm aufeinander, gleichzeitig gehen der durch das Tridentinum geeinte und gestärkte Katholizismus und der Calvinismus zum Angriff über. Beide verfolgen neben und mit dem konfessionellen ein politisches Ziel: Während die alte Kirche ihre in Frage gestellte Alleinherrschaft wiedergewinnen will, sucht der Calvinismus die Welt für seine Lehre zu erobern. Einer seiner bekanntesten Vorkämpfer, der Engländer Philip Sidney, sieht für den Staatsmann den weisesten und besten Weg darin, Politik und Religion nie voneinander zu trennen. 3 ) Das konfessionelle Ringen durchdringt die internationale Politik und zieht die Machtkämpfe der Staaten in seine Kreise. Aber sie behaupten doch ihr Eigenrecht und ihre besondere Bedeutung, zumal der große habsburgisch-französische Gegensatz, der sich auf die Dauer stärker erweist als die Glaubensverwandtschaft. Es ist, wie Ranke es einmal ausgedrückt hat 4 ): „Der Charakter des X V I . Jahrhunderts besteht in der Vermischung politischer und religiöser Interessen." L i t e r a t u r . A. E l k a n , Entstehung und Entwicklung des Begriffs Gegenreformation. (Histor. Zeitschr. Bd. 112.) G . W o l f in Gebhardts Handbuch der Deutschen Geschichte II* (Stuttgart 1923), § 15 A, und die Bemerkungen von O. S c h e e l in der Zeitschr. für Kirchengeschichte 43 (1924), S. 283f. ') W . M a u r e n b r e c h e r (KarlV. und die deutschen Protestanten 1545—55 [1865], S. V) sah in der Gegenreformation „die von katholischer Seite erhobene Offensive auf die protestantischen Länder". ') Staat und Gesellschaft des Zeitalters der Gegenreformation, S. 137. ») Sir Fulke G r e v i l l e ' s Life of Sir Philip Sidney (London 1907), S. 35. 4 ) Sämtliche Werke X I I 1 , S. 115. Neuerdings hat H. B a r o n (Calvins Staatsanschauung und das konfessionelle Zeitalter (München 1924) die Bezeichnung „konfessionelles Zeitalter" in Vorschlag gebracht.



ABSCHNITT I.

Die Konstellation und die Glieder des europäischen Staatensystems um 1559. 1. K a p i t e l .

Der konfessionelle Gegensatz. § 3. Der Jesuitenorden. Die deutsche Reformation hatte den Bau der römischen Kirche im Innern und nach außen schwer erschüttert. Zu dem Abfall in Deutschland, England, Skandinavien und der Schweiz und den evangelischen Strömungen in den meisten anderen Ländern gesellte sich eine weitgehende Auflösung und Zersetzung im Innern. Das alte Verlangen nach einer Reform der Kirche an Haupt und Gliedern war immer lauter und unabweisbarer geworden. Karl V. hatte sich eine kaiserliche Reformation zum Ziele gesetzt und der Kurie schließlich die Einberufung eines allgemeinen Konzils abgezwungen. Aber wegen des scharfen Gegensatzes zwischen den beiden obersten Gewalten der Christenheit und wegen der weltlichen Politik der Renaissancepäpste war es wiederholt ohne Abschluß seiner Arbeit vertagt worden. Innerhalb der Kirche selbst waren es vor allem die neuen Ordensgründungen, die auf eine Reform drangen und zunächst in ihrem Schoß durchführten. Unter ihnen gebührt den J e s u i t e n die erste Stelle, die sich geradezu zu einer Großmacht der Gegenreformation emporschwangen. Der Orden Loyolas ist nicht zur Bekämpfung des Protestantismus begründet worden. Die anfängliche Absicht des Stifters ging vielmehr auf eine Genossenschaft für die innere und äußere Mission, und bekanntlich hat sich die Societas Jesu der Heidenmission auch späterhin in großzügiger Weise gewidmet und in Asien, Afrika und namentlich in Südamerika bedeutende Erfolge errungen. Zu einem Kriegsorden gegen die neue Lehre hat sie sich erst allmählich unter äußerer Einwirkung ausgewachsen, jedoch ohne daß ihr damit ein wesensfremdes Ziel aufgenötigt worden wäre. Die Feindschaft gegen die Ketzerei und der Gegensatz zum Luthertum waren ihr geradezu angeboren, ohne Bedenken hat Loyola seine Truppe zur Bekehrung und Ausrottung der Abtrünnigen zur Verfügung gestellt. Wie er selbst eine auf das Praktische gerichtete Natur war, so war seine compañía ein ausgesprochener

Der konfessionelle Gegensatz.

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„Orden der Tat", und darin lag ihre werbende Kraft. Von der Weltflucht der älteren Orden steckte nichts in ihr. Im Gegensatz zu dem mittelalterlichen Mönchtum waren Kontemplation, Askese und Mystik nicht nur Selbstzweck, sondern berechnet auf die planmäßige Bändigung der Leidenschaften, die Abtötung des eigenen Willens und seine völlige Unterwerfung unter eine höhere Einsicht. Hier wurzelt die Forderung des unbedingten Gehorsams gegen die Oberen — „perinde ac si cadaver essent" — und des Verzichtes auf das eigene Urteil. Den Weg dazu weisen die mit feinster psychologischer Kunst ausgebildeten exercitia spiritualia, sie sind dazu bestimmt, Selbsttätigkeit und Entschlußfähigkeit nicht auszuschalten, sondern zu lenken, zu überwachen und innerlich stets aufs neue aufzufrischen zum Wirken in der Welt im Dienst der Kirche. Auf die Tat waren wie der Geist, so auch Aufbau und Organisation des Ordens zugeschnitten: die Erziehimg seiner Mitglieder, die unerbittlich strenge Disziplin, die zentralistische Verfassung und die faktische Autokratie des Ordensgenerals. Treffend weist Gothein darauf hin, daß gerade dieser absolutistische Zug die Jesuiten zum Orden der Neuzeit stempelt. In der soldatischen Organisation spiegelt sich die militärische Vergangenheit des Stifters wieder. Innerhalb der Kirche stieß die Neugründung, die sich der überkommenen Verfassung nicht ganz leicht einordnen ließ, sofort auf Mißtrauen und versteckte Feindschaft. Wenn sie trotzdem 1540 die päpstliche Bestätigung 'erhielt, so war das wesentlich ihrem vierten Gelübde, der unbedingten Dienstbereitschaft gegen den Papst zuzuschreiben. Dadurch wurden die Jesuiten für die Kurie zu einer stets schlagfertigen, bald unentbehrlichen Elitetruppe. In Rom, wo der General seinen Sitz hatte, liefen alle Fäden zusammen. Hier nahm er die Befehle des Papstes entgegen und gab sie durch seine Organe nach allen Richtungen der Welt weiter, von hier umspann ein kunstvolles Netz von offizieller Berichterstattung und geheimen Anzeigen den ganzen Orden. Seine Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit ermöglichten seine Verwendung auf den verschiedensten Gebieten. Seine Jünger waren an keinen Ort und an keine bestimmte Aufgabe gebunden, nach einem Lieblingswort Loyolas sollten sie „allen alles sein, um alle zu gewinnen". Die wichtigsten und wirksamsten Mittel dazu waren Predigt, Unterricht und Beichte. Damit führten sie Abgefallene, Wankende und Gleichgültige in die Kirche zurück und zogen ein neuea Geschlecht in ihrem Geiste heran; als Beichtväter und Prinzenerzieher erlangten sie einen steigenden Einfluß auf die Höfe und die große Politik. In der Bearbeitung des niederen Volkes traten den aristokratischen Jesuiten die aus den Minoriten hervorgegangenen Kapuziner zur Seite. Dadurch, daß die Jünger Loyalas vermöge päpstlicher Privilegien von allen geistlichen und weltlichen Behörden unabhängig waren, bildeten sie sozusagen einen eigenen Staat mit eigenem Recht. Obschon sie diese Internationalität in nationalen Staaten wie Frankreich oder Spanien auf die Dauer nicht aufrechtzuerhalten vermochten, konnten sie in allen Staaten Eingang finden

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Die Konstellation und die Glieder des europ. Staatensystems um 1559.

und sich allen einfügen. Dem Staat als solchem und der Staatsform standen die Jesuiten gänzlich indifferent gegenüber. Je nachdem es die Interessen des Ordens und der Kirche erforderten, konnten sie bald als Verfechter der Volkssouveränität und des Tyrannenmordes, bald als Verteidiger der Fürstengewalt und der Mordbefugnis der Obrigkeit auftreten. Es liegt auf der Hand, daß sie zur inneren Befestigung und äußeren Erhebung der Kirche ein hervorragend geeignetes Werkzeug waren. Auf dem 1562 wieder eröffneten Konzil fiel ihnen von selbst eine leitende und entscheidende Rolle zu. L i t e r a t u r . Hauptquellensammlung: Monumenta Histórica Societatis Jesu. Madrid 1894ff.; weitere Quellen- und Literaturangaben bei M. H e i m b u c h e r , Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche. Bd. III*. Paderborn 1908. Ch. G e n e l l i S.J., Leben des HIg. Ignatius von Loyola, neu herausgeg. von V. Kolb. Wien 1894. E. G o t h e i n , Ignatius von Loyola und die Gegenreformation. Halle 1895; und „Loyola" in „Meister der Politik"» Bd. II. Stuttgart 1923. H. B o e h m e r , Studien zur Geschichte der Gesellschaft Jesu. Bd. I. Loyola. Bonn 1914; und Die Jesuiten. Eine historische Skizze 4 . Leipzig 1921. B . D u h r , Jesuitenfabeln* Freiburg 1904.

§ 4. Das Papsttum und das Tridentinum. Die Vorbedingung zu einem gedeihlichen Ausgang d e s T r i d e n t i n e r K o n z i l s bildete der 1559 erfolgte Umschwung in der Haltung des Papsttums. Durch den unglücklichen Krieg gegen Philipp II. war das alte Streben, den Kirchenstaat zu einer politischen Großmacht und zum Führer eines von Spanien und Frankreich unabhängigen Italiens zu erheben, endgültig gescheitert. Nur im engen Anschluß an die spanische Monarchie, die einzige zuverlässige Trägerin des altkirchlichen Geistes, war die Behauptung und Stärkung der päpstlichen Stellung, war die Abwehr der mit dem Calvinismus unheimlich vordringenden neuen Lehre noch möglich. Wie vor einem Menschenalter das Luthertum, so war jetzt Rom auf die Verbindung mit dem Fürstentum angewiesen. Es war ein schwerer, aber notwendiger Verzicht auf ein traditionell gewordenes politisches Ziel. Denn nach der Ausschaltung Frankreichs aus Italien, nach dem Augsburger Religionsfrieden und dem Thronwechsel in England blieb der Kurie keine Wahl. Das innere Korrelat dazu war die Beseitigung der politischen Nepotenwirtschaft, die unter dem Pontifikat Pauls IV. Carafa einen ihrer schlimmsten Auswüchse erlebt hatte. Das Papsttum wandte sich jetzt seinen geistlichen Aufgaben zu. Auch auf die Verhandlungen und Beschlüsse des Konzils haben die internationale Politik und die Sonderinteressen der katholischen Mächte entscheidend eingewirkt. Geschickt wußte die Kurie sie für sich auszunutzen und durch die Entsendung Morones eine Verständigung mit dem Kaiser anzubahnen. Ein Ausgleich mit den Neuerern, wie ihn Ferdinand I. ursprünglich gewünscht hatte, war bei der scharfen Zuspitzung der Gegensätze nicht mehr möglich; in richtiger Erkenntnis der Sachlage lehnten die Protestanten eine Beschickung des Konzils ab. Das Ergebnis

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der Beratungen war die Beseitigung einer ganzen Reihe von Mißständen in den sogenannten Reformdekreten, die Festlegung des katholischen Dogmas auf Grund von Schrift und Tradition und die schroffe Abgrenzung gegen den Protestantismus. Sie drückt dem Tridentinum den Stempel auf und verhalf dem Papsttum zur Festigung seiner von den Konzilien des XV. Jahrhunderte bestrittenen Superiorität. Der besonders von den Spaniern und Franzosen vertretenen episkopalistischen Richtung wurde die Kurie mit Hilfe der Jesuiten Herr. Nicht nur, daß die Versammlung dem Papst ihre Beschlüsse zur Bestätigung unterbreitete, er hat sie nachträglich eigenmächtig erweitert. Mehrere Staaten, zumal Frankreich und Deutschland, wollten sie freilich zunächst aus Rücksicht auf ihre evangelische Bevölkerung nicht oder nur teilweise anerkennen ; ebenso erhob sich unter den Bischöfen eine mehr oder minder starke Opposition. So folgte auf das Tridentinum der Kampf um die Durchsetzung seiner Beschlüsse. Ihr sowie der Neuorganisation und Zusammenfassung der Kirche galt die Tätigkeit des Papsttums in der nachtridentinischen Zeit, namentlich PiusV. (1566—1572) und Gregor X I I I . (1572—1585) haben sich dieser Aufgabe mit Erfolg gewidmet. War die Inquisition bereits 1542 nach spanischem Vorbild erneuert und umgestaltet, 1559 von Paul IV. der vom Konzil reformierte Index librorum prohibitorum geschaffen worden, so bilden die Einführung der Professio fidei Tridentinae (1564), die alle Kandidaten der kirchlichen Ämter zu beschwören hatten, des catechismus Romanus (1566), des einheitlichen breviarium und missale (1568/70) sowie die Vulgata-Edition (1590/92) die weiteren Etappen auf dieser Bahn. Um die Ausführung dieser Bestimmungen zu überwachen, wurden die seit dem XV. Jahrhundert bestehenden Nuntiaturen ausgebaut und immer mehr aus gelegentlichen in ständige umgewandelt. Zugleich dienten diese Maßnahmen der Bekämpfung des Protestantismus, wofür jetzt auch Einnahmen aus dem Kirchenstaat verwandt wurden. Ihre schroffste Form erhielt diese Tendenz in der von Pius V. erneuerten Bulle „in coena domini", deren Veröffentlichung sogar Philipp II. in seinen Landen verbot. Von der Defensive schritt Rom allmählich zur Offensive fort, und seine tatkräftigsten Helfer waren auch hierin die Jesuiten. L i t e r a t u r . Wichtigste Quellensammlung: Concilium Tridentinum. Ed. Societas Goerresiana. Freiburg 1901 ff. Die römische Kurie und das Konzil von Trient unter Pius IV. Aktenstücke zur Geschichte des Konzils von Trient. Herausgegeben von I. S u s t a . 4 Bde. Wien 1904ff. — P. S a r p i , Historia del Concilio Tridentino. London 1619. Sf. P a l l a v i c i n i , Istoria del Concilio di Trento. Rom 1656. G . W o l f , Die Literatur über das Konzil von Trient bis 1800 — in Deutsche Geschichtsblätter XVIII —. L. P a s t o r , Geschichte der Päpste. Bd. IVff. St. E h s e s , Die letzte Berufung des Trienter Konzils durch Pius IV. in der Festschrift für Georg v. Hertling. Kempten 1913. O. C o n s t a n t , La légation du cardinal Morone près l'empereur et le concile de Trente, Paris 1922. A. P i e p e r , Zur Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen. Freiburg 1894. P. H e r r e , Papsttum und Papstwahl im Zeitalter Philipps II. Leipzig 1907.

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§ 6. Der Calvinismus. Es war für die römische Kirche aber auch höchste Zeit zur Sammlung der Kräfte, denn neben dem Luthertum erhob jetzt ein neuer Gegner sein Haupt: der Calvinismus. Man hat ihn mit Recht „die romanische Fassung der Reformation" genannt, wie er gani von der Persönlichkeit seines Begründers bestimmt ist, so spiegelt Bich auch dessen französische und juristische Herkunft in ihm wieder. Der Calvinismus war für die alte Kirche viel gefährlicher als das Luthertum. Nicht nur weil in ihm der Gegensatz zu Rom konsequenter und schroffer zum Ausdruck kam, der Geist, der ihn erfüllte, die Organisation und straffe Zucht machten die Schöpfung Johann Calvins von vornherein zu einer Kampfeskirche. Zweifellos besteht zwischen ihm und Loyola eine gewisse Wesensverwandtschaft. Wie der Spanier war auch der Franzose eine ausgesprochene Willensnatur, auch ihn drängte es zum Wirken in der Welt zur Ehre Gottes. Die Ehre und Souveränität Gottes, die Vorstellung von dem absoluten Gotteskönigtum ist der Kernsatz von Calvins Theologie und Staatsauffassung. Der schrankenlose Macht- und Herrscherwille Gottes äußert sich in seiner unbegreiflichen Gnadenwahl, in der Prädestination. Der Gläubige soll sich nicht damit begnügen, sich im Leben als Christ zu bewähren, sondern jeder einzelne hat an seinem Teil dazu beizutragen, daß Gottes Ehre und Herrschaft in der Welt sich durchsetzen. „Christus will nicht, daß wir wähnen, er Bei gekommen, Frieden zu senden auf Erden, sondern das Schwert", war die Losung. Auch die Calvinisten fühlten sich mit starkem alttestamentlichen Einschlag als militia Christi und wollten sich im Kriegsdienst als solche erproben. Daraus erklären sich ihre bis aufs höchste gespannte Aktivität, ihre fatalistische Kampfesglut und ihre unversöhnliche Härte. Das gesamte weltliche Leben seiner Bekenner sucht der Calvinismus zu durchdringen; alles, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft will er in stürmischem Eroberungsdrang zur Ehre Gottes in seine religiösen Zwecke einordnen. Anders als der deutsche Reformator war der Franzose ein wirklicher Politiker und hat diesen Wesenszug auch seiner Kirche aufgeprägt, auch die Politik galt ihm als Betätigungsfeld für den Christen. Sein Staatsideal war die Theokratie, die civitas Dei auf Erden, die er in Genf zu verwirklichen suchte. Die Lehre von der ausschließlichen Souveränität Gottes machte ihn zum Gegner jeder unbeschränkten weltlichen Herrschergewalt, also des Absolutismus, aber im Grunde auch der demokratischen Volkssouveränität. Gegen Ubergriffe der rechtmäßigen Obrigkeit schreibt Calvin wie Luther den einzelnen Untertanen den leidenden Gehorsam vor, nur innerhalb der religiösen Sphäre dürfen sie passive Resistenz leisten, das Recht zum aktiven Widerstand steht dagegen lediglich den verfassungsmäßig dazu befugten Organen, den Ständen, zu. Calvins Anhänger sind freilich später weiter gegangen. Als sie in Frankreich, Schottland und den Niederlanden sich nur im Kampfe gegen die Krone ihr Daseinsrecht

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erstreiten konnten, haben sie unter dem Druck der Verfolgung die Theorie von der Volkssouveränität immer mehr als Waffe herangezogen und namentlich nach der Bartholomäusnacht die Strafgewalt des Volkes gegenüber dem Fürsten und die Berechtigung des Tyrannenmordes gelehrt. Denn wie die Jünger Loyolas schreckten auch die Calvinisten im Kampf vor keinem Mittel zurück. Von vornherein betrachtete Calvin nicht nur sein Genf, sondern ganz Europa als sein Wirkungsfeld, über alle Länder warf er das Netz einer internationalen Propaganda aus. Schon durch seine Lage an der Scheide zweier Kulturen war Genf das denkbar günstigste Ausfalltor in die Schweiz, nach Deutschland und besonders in .die romanische Welt. In Frankreich dehnte sich der Calvinismus seit 1546 immer mehr aus und verdrängte das Luthertum völlig. Gleichzeitig faßte er in den spanischen Niederlanden Fuß, auch in England und Schottland drang er vor. Ähnlich wie der Jesuitenorden wußte er sich überall dem fremden Boden anzupassen, ohne sein eigenes Wesen aufzugeben. Durch den Eroberungsdrang, der ihn erfüllte, durch den Willen, sich nicht in die bestehenden Verhältnisse zu schicken, sondern sie zu meistern und umzuwandeln, besaß er eine ganz andere Aktions- und Stoßkraft als das konservative, kompromißbereite Luthertum und eignete sich besonders für diejenigen Gemeinden, die sich gegen die eigene Obrigkeit das Daseinsrecht erkämpfen mußten, die sogenannten Kirchen unter dem Kreuz. L i t e r a t u r . Johannis Calvini Opera ed. G. Baum, E. Cunitz, E. Reuß. Braunschweig 1863ff. (Corpus Reformatorum.) F. W. K a m p s c h u l t e , J.Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf. 2 Bde. Leipzig 1869/99. E. D o u m e r g u e , J. Calvin. Les horames et les choses de son temps. 4 Bde. Lausanne 1899ff. E. Mareks, Gaspard von Coligny I. (Stuttgart 1892.) H. v. S c h u b e r t , Calvin in „Meister der Politik"*. Bd. II. G. Beyerhaus, Studien zur Staatsanschauung Calvins. Berlin 1910. H. Baron, Calvins Staatsanschauung und das konfessionelle Zeitalter. Manchen 1924. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, jetzt in „Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie". Bd. I. Tübingen 1920. F. R a c h f a h l , Calvinismus und Kapitalismus. (Internat. Wochenschrift 1909.)

§ 6. Art und Ziel des konfessionellen Kampfes. In denselben Jahren, in denen Calvin sein Lebenswerk vollendete, setzte die alte Kirche zum Gegenstoß ein; nach den beherrschenden Ideen und Zielen mußte es ein Ringen auf Leben und Tod sein. Beide wollten die Welt für sich erobern und das andere Bekenntnis vom Erdboden auslöschen. Der Gedanke an Toleranz lag beiden gleich fern. Wie Papst KlemensVIII. einmal von „Hirngespinsten von Gewissensfreiheit" sprach, der Nuntius Ferreri sie 1606 ein „ G i f t " nannte, so bezeichnete Calvins Nachfolger in Genf, Theodor Beza, die Auffassung, daß jeder nach seiner Weise selig werden könne, als ein „mohamedanisches Dogma". Nur da, wo man in der Minorität war, beanspruchte man für sich die Duldung, erblickte aber darin bloß die erste Etappe zur Erringung der Alleinherrschaft. Wo die Duldung gewährt wurde, war

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es lediglich ein Notbehelf, denn die von der Renaissance schon vertretene Toleranzidee konnte auf diesem heißen Boden nicht gedeihen. Erst als sich herausstellte, daß keine Konfession die andere niederzwingen konnte und das endlose Blutvergießen Staat und Gesellschaft mit dem gänzlichen Ruin bedrohte, kam der Toleranzgedanke zur Geltung, aber nicht aus theologischen, sondern aus politischen Erwägungen heraus, aus Erschöpfung sowie aus der Rücksicht auf die salus publica und das „Interesse" der Staaten. Gerade die Glaubenskriege haben die Notwendigkeit der Toleranz am zwingendsten erhärtet und zu ihrem schließlichen Siege entscheidend beigetragen. In diesem gigantischen Ringen betrachteten sich die Bekenner derselben Religion als natürliche Bundesgenossen. „Freund und Feind schieden sich ehemals nach den Grenzen der Landschaften und Königreiche . . . Heute muß es heißen: Katholiken und Ketzer. Ein katholischer Fürst muß zu Freunden haben alle Katholiken in allen Ländern, ebenso wie die ketzerischen alle Ketzer, seien es ihre Vasallen oder die anderer, zu Freunden und Untertanen haben." So schrieb 1565 ein katholischer Heißsporn aus dem Kreise des Herzogs von Alba 1 ). Der aus der Reformationszeit überkommene Gedanke konfessioneller Sonderbündnisse drängte sich durch die Zuspitzung der Gegensätze beiden Parteien noch mehr auf. Katholiken wie Protestanten fanden kein Arg darin, zu ihrer Behauptung und Ausdehnung innerhalb eines Staates die Hilfe des glaubensverwandten Auslandes anzurufen. Die territorialen Auseinandersetzungen nahmen dadurch vielfach internationalen Charakter an. Schon die immer wieder auftauchende, aber nicht immer begründete Furcht vor papistischen oder evangelischen „Ausrottungsbündnissen" hat in der Politik des XVI. und XVII. Jahrhunderts eine Rolle gespielt. Wenn die Versuche zu weltumspannenden religiösen Allianzen stets aufs neue scheiterten, wenn es nicht zu e i n e m großen Religionskriege kam, wie es manche Radikale im katholischen und calvinistischen Lager gern gesehen hätten, so lag das einmal an den politischen und nationalen Gegensätzen, die auch durch die Glaubensgemeinschaft nicht überbrückt wurden, und sodann an der inneren Spaltung des Protestantismus. Sie gab dem Katholizismus in diesem Kampf von Anfang an einen großen, nicht einzuholenden Vorsprung vor dem Gegner. § 7. Das Luthertum und die Sekten. Das Luthertum war um die Mitte des Jahrhunderts zu einem gewissen Abschluß seiner Entwicklung gelangt. Zwar eroberte es in Deutschland nach dem Augsburger Religionsfrieden noch eine Reihe von Territorien, aber in Europa blieb seine Expansion auf Norden und Nordosten beschränkt. In den romanischen Ländern konnte dieses Erzeugnis deutschen Geistes keinen wirklichen Boden gewinnen und *) E. M a r e k s , Die Zusammenkunft von Bayonne. S. 14 A,.

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wurde, wo es eingedrungen war, schnell von dem Calvinismus verdrängt oder aufgesogen. Auch in Westdeutschland fand es an der von Straßburg, Genf und den Niederlanden einströmenden reformierten Lehre einen unbequemen Nebenbuhler, wodurch der von vornherein vorhandene, dogmatisch begründete Gegensatz zwischen den beiden evangelischen Kirchen noch verschärft wurde. Das Luthertum selbst schwächte seine Stoßkraft durch den heftigen Streit, der in seinem Schoß um die „echte" und „reine Lehre" Luthers entbrannte, und der allmählich zu einer Auflösung in mehrere Gruppen führte. Der orthodoxe Flügel schloß sich immer mehr gegen die Calvinisten und gegen die Andersdenkenden im eigenen Lager ab, erstarrte und gab sich einem gottseligen Stillesitzen und einer Tatenscheu hin, die Luther selbst völlig ferngelegen hatte 1 ). Freilich ist diese Entwicklung auch in der allgemeinen Erschöpfung und in dem deutschen Partikularismus begründet. In den großen konfessionellen Auseinandersetzungen tritt das Luthertum, das von vornherein eine ausschließlich religiöse Bewegung war, vor dem Calvinismus in den Hintergrund und überläßt diesem die Führung in dem Daseinskampf des Protestantismus gegen Rom. Es iBt bezeichnend, daß die Protagonisten auf evangelischer Seite mit einziger Ausnahme Gustav Adolfs calvinistischer Herkunft sind. Mochte man sich auch dem Katholizismus gegenüber als Brüder betrachten, die dogmatischen Gegensätze und Hetzereien, das Pharisäertum der Calvinisten und die Engherzigkeit der deutschen Lutheraner ließen ein wirkliches Zusammengehörigkeitsgefühl und ein enges Zusammenhalten nicht aufkommen. Neben den festen Gebilden der lutherischen und calvinischen Kirche sind die Reste des Zwinglianismus in der Eidgenossenschaft, die verschiedenen Spielarten des Täufertums für die Geschichte des europäischen Staatensystems im XVI. Jahrhundert kaum von Bedeutung, erst in der englischen Revolution greifen sie entscheidend in die politischen Kämpfe ein. So gewiß diese Vielgestaltigkeit des Protestantismus ein Beweis für seinen inneren Reichtum ist, politisch angesehen war sie für ihn ein Verhängnis. Denn sie machte die Bildung einer evangelischen Einheitsfront gegenüber der innerlich geschlossenen und einheitlich geführten alten Kirche von vornherein unmöglich. ') Darauf hat vor allem K. H o l l hingewiesen in seinen Gesammelten Aufsätzen zur Kirchengeschichte I: Luther*. Tübingen 1923.

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Die politischen Gegensätze und die Glieder des europäischen Staatensystems. § 8. Die politischen Gegensätze und die internationalen Beziehungen. Neben dem religiösen Ringen und sich mit ihm verflechtend erfüllen drei große politische Gegensätze das Zeitalter derGegenreformation: Im Nordosten der Streit um die Ostseeherrschaft, hervorgerufen durch das Emporkommen Schwedens, das Vordringen Rußlands und den Niedergang Polens, im Süden und Südosten der uralte Antagonismus zwischen Orient und Okzident, zwischen Christentum und Islam, der durch die osmanische Expansion nach Ungarn und dem westlichen Mittelmeer in Atem gehalten wird, und sie beide durchdringend der weltumspannende, weltzerteilende Gegensatz zwischen Habsburg und Frankreich. Er hatte sich im X V . Jahrhundert an dem Kampf um das burgundische Erbe und um Italien entzündet und zog nach dem beispiellosen Aufstieg des Hauses Österreich allmählich ganz Europa in seine Kreise. Karl V., der Enkel und Nachfolger der habsburgischen Kaiser, der katholischen Könige Spaniens und der Herzoge von Burgund hatte, gestützt auf seinen unermeßlichen Hausbesitz, das mittelalterliche Kaisertum in seiner Vollgewalt wiederherstellen wollen. Seine Politik war universal in ihren Zielen, aber rein dynastisch bedingt. Nicht das Interesse der Staaten und Völker, sondern das Streben nach Vergrößerung der Hausmacht und Erhöhung des Ansehens war die treibende Kraft in dieser ersten Erscheinungsform des neuzeitlichen Imperialismus. Geographische oder sprachliche Grenzen wurden nicht beachtet, man raffte zusammen, was die Gelegenheit bot. Ad majorem gloriam des Herrscherhauses werden Länder unter einem Zepter vereinigt, die räumlich weit voneinander getrennt liegen, die jedes organischen Zusammenhangs entbehren und keine gemeinsamen, oft sogar direkt widerstreitende Interessen haben. Eine so schrankenlose Eroberungspolitik haben indes nicht nur die Habsburger getrieben, die ganze Politik des X V I . Jahrhunderts trägt ein dynastisches Gepräge. Die Rivalen des Hauses Österreich, die Valois-Bourbons auf dem französischen Königsthron ließen sich von dem gleichen Streben leiten, nur daß ihnen zunächst der Erfolg versagt blieb. Auch ihnen schwebte als höchste Zukunftsperspektive die Hegemonie über Europa oder, wie man sich damals ausdrückte, die „Europäische Monarchie" vor, zu deren Verwirklichung sie immer wieder nach der Kaiserkrone getrachtet haben. Und dieselbe theokratisch-universalistische Idee, wie sie Karl V. vertrat, erfüllte die großen Sultane seiner Zeit, Selim I. und Sulejman I I . ; wollten sie doch mit der Offensive gegen das christliche Abendland die Weltherrschaft des Halbmonds aufrichten. Gegen diesen immer weiter ausgreifenden dynastischen Imperialismus erhoben sich bereits im X V I . Jahrhundert die Regungen eines er-

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wachenden Nationalgefühls. Sie sind gewiß nicht zu überschätzen, aber auch nicht zu übersehen. Bei der Lösung Schwedens aus der Skandinavischen Union, bei dem Abfall der Niederlande und in dem England der Elisabeth haben sie eine entscheidende Rolle gespielt. In Frankreich deckten sich in dem Kampf gegen Habsburg dynastisches Interesse und Nationalgefühl. Seitdem die spanische Linie des Erzhauses aus der burgundischen Erbschaft die Freigrafschaft und die Niederlande behauptet hatte, war der Kapetingerstaat nicht nur im Süden, sondern auch in Süd- und Nordost von ihr eingeschlossen. Solange diese Einkreisung bestand, konnte er sich nicht frei regen. Die Kriege Franz' I. gegen Karl V. hatten jedoch den Beweis erbracht, daß Frankreich allein den Ring nicht zu sprengen vermochte. Um sich der Übermacht des Kaisers zu erwehren, benötigte es Bundesgenossen, und diese trieb ihm Karl selbst durch seine imperialistische Politik auf allen Seiten zu. So wurde der allerchristlichste König das Haupt der „Europäischen Opposition" gegen das Haus Österreich und ist es für Jahrhunderte geblieben. In der Wahl seiner Alliierten ließ er sich damals wie später nur von seinem Interesse leiten, schon Franz I. hat sich mit Protestanten und Türken verbündet. Das konfessionelle Moment trat vor dem Gebot der Selbsterhaltung zurück, aber auch das christliche Gemeinschaftsgefühl gegenüber dem Islam wurde durch diese Bündnispolitik erschüttert. Obwohl die Türkengefahr für das Abendland keineswegs beseitigt war und das Papsttum die christlichen Herrscher stets aufs neue zu einer allgemeinen Türkenliga aufrief, ist es zu einem Zusammenschluß des Abendlandes gegen den Halbmond nicht mehr gekommen. In dem säkularen Ringen zwischen Habsburg und Valois hat sich auch das Schlagwort oder, richtiger gesagt, die Theorie von dem europäischen Gleichgewicht ausgebildet. Die Gleichgewichtsidee war im XV. Jahrhundert in der italienischen Staatenwelt entstanden, wird aber jetzt allmählich auf Gesamteuropa ausgedehnt und auf das Verhältnis der großen Mächte angewandt. Die spanische Universalmonarchie wird von ihren Gegnern als eine Bedrohung der ganzen Christenheit hingestellt. Während die französischen Könige sich als die Vorkämpfer der „gemeinen Freiheit Europas" betrachteten und den Gleichgewichtsgedanken für ihre Ziele verwerteten, wollten die anderen Staaten weder ein spanisches noch ein französisches Ubergewicht. Um 1550 weisen die venezianischen Relationen wiederholt darauf hin, daß es die Aufgabe der kleineren Staaten sei, zwischen Habsburg und Frankreich zu „balancieren". Vor allem England glaubte sich hierzu berufen und fühlte sich bereits unter Heinrich VIII. als „Zünglein an der Wage". Als gegen Ende des Jahrhunderts der spanische Imperialismus einen neuen Anlauf zur Unterwerfung Europas unternimmt, tritt die Gleichgewichtsforderung auch in Flugschriften immer mehr hervor. Die wachsende Verflechtung der europäischen Politik machte einen dauernden und fest geregelten diplomatischen Verkehr zwischen den einzelnen Staaten unentbehrlich. Die im XV. Jahrhundert in Italien

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begründeten ständigen Gesandtschaften werden jetzt zu einer internationalen Einrichtung, deren zumal die Großmächte je länger desto weniger entraten konnten. Zu ihrer Information unterhielten sie neben den offiziellen Vertretern eine Anzahl von meist ausländischen Geheimagenten und Berichterstattern, und die kleineren Staaten mußten sich wegen ihrer Geldknappheit überhaupt mit solchen begnügen. Unter diesen Agenten befinden sich neben zweifelhaften oder bestechlichen Subjekten auch Kaufleute, Gelehrte und angesehene Politiker, wie z. B. Hubert Languet, die sich auch als Publizisten betätigten und als die ersten Zeitungsschreiber anzusprechen sind. Zunächst zwar überwogen die tendenziös abgefaßten oder völlig erfundenen „neuen Zeitungen", die in dieser schwülen Atmosphäre das allgemeine Mißtrauen verstärkten und die internationalen Beziehungen nur zu oft vergifteten. Der tiefste gegenseitige Argwohn war allerdings geboten in einer Zeit, in der der politische Meuchelmord zu den üblichen Mitteln der Politik gehörte. Die ebenfalls aus Italien stammende Theorie von der Mordbefugnis der Obrigkeit hatte sich im XVI. Jahrhundert über ganz Europa verbreitet. Allgemein galt es als ein erlaubtes Notrecht des Herrschers, sich gefährlicher Untertanen und auswärtiger Gegner durch Dolch oder Gift zu entledigen; in seiner Anwendung schritt man bis zum öffentlichen Justizmord oder der geheimen Hinrichtung. Der konfessionelle Gegensatz bildete den günstigsten Nährboden für eine solche Praxis, denn die alttestamentliche Vorstellung, daß die Beseitigung von Ketzern und Abtrünnigen ein Gott wohlgefälliges Werk, unter Umständen sogar eine heilige Pflicht sei, lebte im calvinistischen wie im katholischen Lager wieder auf. Politisch wurzelte das Mordrecht in der namentlich von Machiavelli ausgebildeten Lehre von dem Interesse der Staaten, von der Allgewalt der Staatsräson, vor der alle anderen, auch sittliche und religiöse Rücksichten zurückzutreten haben. Auf eine knappe Formel bringt Gabriel Naudé 1639 in seinen Considérations politiques sur les coups d'état diese Anschauung mit der Definition: „Excessus juris communis propter bonnum commune." Diese StaatsauffasBung und Staatspraxis, die schon damals als machiavellistisch bezeichnet und verurteilt wurden, stehen in engem Zusammenhang mit dem Absolutismus, der von dem Franzosen Jean Bodin theoretisch begründet, im XVI. Jahrhundert seinen Siegeszug durch Europa antritt. Freilich nicht ohne Widerstand und ohne Rückschläge. Denn die alten ständischen und feudalen Gewalten waren noch keineswegs gebrochen, sie erlebten vielmehr durch das Vordringen der Reformation und durch die konfessionellen Kämpfe eine gewisse Renaissance. In den calvinistischen „Kirchen unter dem Kreuz" wurde die uralte Anschauung von dem Widerstandsrecht des Volkes gegen eine ihre Kompetenzen überschreitende Obrigkeit von John Knox und den französischen und niederländischen Monarchomachen bis zu ihren äußersten Konsequenzen, bis zum Königsmord entwickelt, und zu derselben Waffe griffen die Katholiken, wenn sie sich in der Opposition gegen die Staatsgewalt be-

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fanden. Die Verquickung von religiösen und politischen Momenten kennzeichnet auch die innerpolitische Entwicklung des XVI. Jahrhunderts. L i t e r a t u r . E. K a e b e r , Die Idee des europäischen Gleichgewichts in der publizistischen Literatur vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1907. F. v. B e z o l d , Staat und Gesellschaft des Reformationszeitalters in Hinnebergs Kultur der Gegenwart. II, VI. W. P l a t z h o f f , Die Gesandtschaftsberichte Hubert Languets. Hist. Zeitschr. 113. P . R o t h , Die neuen Zeitungen in Deutschland im XV. und XVI. Jahrhundert. Leipzig 1914. W. P l a t z h o f f , Die Theorie von der Mordbefugnis der Obrigkeit im XVI. Jahrhundert. Berlin 1906. F. Mein e c k e , Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte. München und Berlin 1924. L. C a r d a u n s , Die Lehre vom Widerstandsrecht des Volks gegen die rechtmäßige Obrigkeit im Luthertum und im Calvinismus. Diss. Bonn 1903. I. S c h l o s s e r , Die Lehre vom Widerstandsrecht der Untertanen gegen die legitime Fürstengewalt bei den Katholiken des XVI. Jahrhunderts. Diss. Bonn 1914. K. W o l z e n d o r f f , Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt. Breslau 1916.

§ 9. Die spanische Monarchie. Die Thronentsagung Kaiser Karls V. hatte die habsburgische Universalmonarchie gespalten. Zwar bildeten die deutschen Besitzungen des Hauses Österreich schon vorher ein selbständiges Staatswesen unter seinem Bruder Ferdinand, aber auf der Höhe seiner Macht, nach dem Schmalkaldischen Krieg, hatte Karl die Einheit auch für die Zukunft zu sichern und seinem Sohn Philipp die Nachfolge im Kaisertum zuzuwenden gesucht. In dem Kampf gegen die Fürstenrevolution und ihren französischen Bundesgenossen hatte dieser Plan und seine ganze imperialistische Politik Schiffbruch erlitten, unmittelbar danach hatte sich der Frühgealterte schrittweise aller seiner Kronen entäußert. Kurz nach seinem Hinscheiden (21. September 1558) war auch die Hoffnung auf eine Einfügung Englands in das spanische Weltreich durch den kinderlosen Tod der Königin Maria, der Gemahlin Philipps, zunichte geworden. Philipp II. sah sich auf Spanien und seine Nebenlande beschränkt, war aber damit auch von manchen Lasten seines Vaters befreit. Noch immer verfügte er über einen unermeßlichen Besitz. Mit dem Doppelreich Kastilien-Aragon waren die Niederlande, die Freigrafschaft Burgund, Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien verbunden, dazu kamen die sich ständig ausdehnenden Kolonien in Mittel- und Südamerika. Aber aus dieser Länderzusammenschweißung erwuchsen für den Herrscher die schwersten Aufgaben. Nicht nur, daß die einzelnen Teile ohne territorialen oder inneren Zusammenhang und ganz verschiedenartig waren, der Riesenumfang seines Reiches zog Philipp II. in fast alle Fragen und Kämpfe der europäischen und Weltpolitik hinein. Der Gegensatz zu Frankreich war durch den Frieden von 1559 nur überbrückt, nicht ausgetragen, und ebensowenig war die Offensive des Islams zum Stillstand gebracht. Auf der Apenninenhalbinsel behauptete Spanien

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jetzt unbestritten die Hegemonie, aber die fortwährenden inneren Händel erheischten eine ständige Bereitschaft. Durch die Niederlande war der katholische König auch am Niederrhein, an Nord- und Ostsee interessiert, zumal dieser Provinzen wegen konnte er dem Vordringen des neuen Glaubens in Deutschland, England und Frankreich nicht gleichgültig zuschauen. An dieser Vielseitigkeit und Zwiespältigkeit seiner Aufgaben war Karl V. trotz aller Einzelerfolge schließlich gescheitert, und sein Sohn war ihm als Staatsmann nicht ebenbürtig. Zwar hatte er vom Vater das Pflichtgefühl, den Ehrgeiz und die Zähigkeit geerbt, indes was ihm vor allem fehlte, waren Schwung und Entschlußfähigkeit. Eine bleierne Schwere lastete auf ihm und seinem Regierungssystem. Mittelbegabt, aber arbeitsam und voll königlichen Selbstbewußtseins, wollte er alles selbst entscheiden. Aus Pflichtgefühl war er Autokrat, Pflichtgefühl und Hang zur Einsamkeit trieben ihn in die Stille seines Kabinetts im Eskurial. Wie er Spanien seit 1559 nicht mehr verließ, so bildete er die Kabinettsregierung in einer einzigartigen Weise aus. Er war ein Pedant und Doktrinär und doch bis zu einem gewissen Grade Idealist. Denn ihn beherrschte eine Idee: seinen Titel „katholischer König" in die Wirklichkeit umzusetzen, den Protestantismus auszurotten und sein Spanien zur Vormacht des kirchlich geeinten Europa zu machen. Was er 1563 dem Papst versprechen ließ: er werde, wo es der Dienst Gottes und seiner Kirche, die Autorität und Erhaltung des Heiligen Stuhles und Seiner Heiligkeit erheische, seine Person, Reiche, Herrschaften und Staaten dafür einsetzen . . das hat er gehalten. Aus innerster Überzeugung stellte er seine Macht in den Dienst der Gegenreformation. Das Eintreten für die römische Kirche war ihm aber nicht Selbstzweck, sondern vom habsburgischen und spanischen Interesse diktiert; politische und religiöse Gesichtspunkte sind bei ihm zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen. Diesem Programm hat er alles andere untergeordnet, zu seiner Durchführung waren ihm alle, auch sittlich verwerfliche Mittel recht. In der Politik war er, der gläubige Christ, ein vollendeter Machiavellist, der auch vor dem Meuchelmord nicht zurückschreckte. Vor dem Gebot der Staatsräson, die er in seinem Willen verkörpert sah, verstummten die menschlichen und sogar die väterlichen Gefühle in seiner BruBt. Die alte Anklage auf Tötung seines Sohnes Don Carlos läßt sich zwar nicht aufrechterhalten, ebensowenig wie die neuerdings wieder versuchte Idealisierung des Infanten 1 ). Mit *) Herre, Papsttum und Papstwahl. S. 74. •) Die von V. Bibl, Der Tod des Don Carlos, Wien 1918 (vgl. auch Histor. Blätter 1), erneut aufgestellte These, daß der begabte und tatendurstige Infant das Opfer seines neidischen und grausamen Vaters geworden sei und sein Fall das typische Beispiel einer liberalen Kronprinzentragödie biete, ist durch F. R a c h f a h l s abschließende Untersuchung Don Carlos, Freiburg 1921, widerlegt worden. Sie kommt aufgrund der freilich lückenhaften Quellen zu dem Ergebnis, daß Carlos von Jugend auf krankhaft, körperlich wie geistig abnorm war und deshalb dem König schon früh zur Thronfolge ungeeignet erschien. Wegen seines kopflosen, aber gefährlichen

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den großen religiös-politischen Gegensätzen und dem niederländischen Aufstand hat sein tragisches Ende nichts zu tun. Daß seine katholische Weltpolitik die Kräfte seines Landes zu sehr anspannte und den eigenen Aufgaben entzog, ist dem König nicht bewußt geworden, um so weniger, da sie völlig den Wünschen seines Kernvolkes, Kastiliens, entsprach. Wie er selbst in seinem Wesen Spanier war, so trägt auch sein Imperialismus zugleich einen nationalspanischen Charakter. In Kastilien loderte noch der Geist der jahrhundertelangen Maurenkriege, der Adel dürstete förmlich danach, den alten Ruhm spanischer Rechtgläubigkeit und spanischer Kriegstüchtigkeit in aller Welt zu bewähren und zu mehren. Er ging ganz im Königsdienst auf, aus ihm rekrutierten sich die Staatsmänner, Feldherren und Offiziere. Anders als in der aragonesischen Reichshälfte, wo die Feudalitfit ihre Klassenherrschaft bis zu ihrer gewaltsamen Niederwerfung (1591) behauptete, war in Kastilien die Krongewalt durch die Cortes wenig beschnitten. Willig hat das Volk die vom König verlangten Opfer an Blut und Gut gebracht. Wie er unter der Bürde der auf sich genommenen Pflichten schließlich zusammengebrochen ist, so hat sich die Nation in seinem Dienst verblutet und wirtschaftlich ruiniert. Die altadelige Auffassung, daß das Waffenhandwerk die einzige geziemende Tätigkeit sei, drang allmählich auch in das Volk. Die den Spaniern angeborene Geringschätzung der Arbeit wurde noch gesteigert durch die Erschließung Amerikas und die von hier ins Mutterland strömenden Schätze. Mit ihnen und nicht mit den eigenen finanziellen Kräften hat Philipp II. seine Kriege geführt, auf dem Besitz der Minen von Potosi beruhte, wie schon Ranke hervorgehoben hat, die spanische Weltstellung. Das Ausbleiben der Silberflotte rief jedesmal schwere innen- und außenpolitische Krisen hervor, so daß ein auswärtiger Feind durch Störung des überseeischen Verkehrs die Monarchie empfindlich treffen konnte. Allerdings vermochten auch die amerikanischen Millionen die riesenhaft anschwellenden Ausgaben auf die Dauer nicht zu decken, die von Karl V. hinterlassene Schuldenmenge nahm immer mehr zu. Der Ackerbau und das Gewerbe wurden unerträglich belastet, ein rein fiskalisches und in seinen Maßnahmen verkehrtes Steuersystem zerstörte den wirtschaftlichen Aufschwung und unterband jede Gesundung. So fehlte der Monarchie das wirtschaftliche Rückgrat, mehrmals brach unter Philipp II. der offene Staatsbankerott aus. Die Bevölkerungszahl sank allmählich, die Fläche des unbebauten Bodens vergrößerte sich, die Bodenschätze waren ausländischen Geldgebern ausgeliefert, die Industrie konnte weder den heimischen noch den überseeischen Markt versorgen. Die blutige Verfolgung der christiFluchtplans wurde er Anfang 1568 in Haft genommen, in der er am 24. Juli 1568 an einem selbstverschuldeten Darmleiden, 23jährig, starb, ohne daß Philipp, der seinen Tod als Erleichterung begrüßte, sein Los irgendwie gemildert hätte.—Der medizinischen Seite der Frage geht die ungedruckte Berliner Dissertation von H. Utpott, Das geistige Bild des Don Carlos (1926) nach. P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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anisierten Mauren-Nachkommen, der sogenannten Moriskos, und die Judenaustreibungen raubten dem Wirtschaftsleben die tätigsten Kräfte. Aus den Kolonien zog es keinen dauernden Vorteil, da ihre Produkte, die Edelmetalle und Rohstoffe, zur Schuldenverzinsung, Truppenbesoldung und zu den unentbehrlichen Ankäufen im Ausland verwandt wurden. Für den ozeanischen Verkehr sank Spanien nach und nach zu einem bloßen Durchgangsland herab. Mit den 70 er Jahren setzt der wirtschaftliche Verfall ein, der je länger desto mehr auf die Außenpolitik zurückwirkte und den Krebsschaden von Philipps II. Regierung bildete. § 10. Die spanischen Nebenlande in Italien and die Niederlande. In diesen Niedergang wurden auch die Nebenlande hineingerissen. Sie wurden ausschließlich vom spanischen Gesichtspunkt betrachtet und im spanischen Interesse regiert, waren sie doch für die spanische Hegemonie in Europa nicht zu missen. Der Besitz Mailands sicherte die Herrschaft über Norditalien und die Verbindung mit den österreichischen Erblanden, aber auch vom finanziellen Standpunkt aus, wegen seiner blühenden Industrie und seines Reichtums, war das Herzogtum höchst wertvoll. Sizilien war als Kornkammer für das getreidearme Spanien geradezu lebensnotwendig, zusammen mit Neapel und Sardinien bot es den günstigsten Flottenstützpunkt gegen die nordafrikanischen Barbaresken und die Türken und gewährleistete die spanische Suprematie im westlichen Mittelmeer. Zu ernstlichen Konflikten mit den Ständen kam es nur in dem unbotmäßigen Sizilien, der städtische Adel Mailands ging ganz im ritterlichen Leben auf, und die neapolitanischen Barone wurden durch das strenge Regiment der spanischen Vizekönige niedergehalten. Viel schwieriger waren die Verhältnisse in den N i e d e r l a n d e n . Den Hauptteil hatten die Habsburger aus der burgundischen Erbschaft erworben, Karl V. hatte Groningen, Friesland, Geldern, Utrecht, Tournai und in verhüllter Form das Bistum Cambrai und das Gebiet von Cambrdsis hinzugefügt. Der Vielheit der Lande entsprachen die Buntscheckigkeit und Zersplitterung im Innern. Die Niederlande bildeten nach Rachfahls treffender Charakteristik weder eine innere noch eine äußere Einheit, sie waren ein Staatenkonglomerat. Zwar hatte Karl V. die von den burgundischen Herzogen begonnene Zentralisierung der Verwaltung zu einem gewissen Abschluß gebracht und die Landschaften der Krone gegenüber zu Provinzen herabgedrückt. Die 11 ProvinzialBtatthalter wurden von dem Herrscher ernannt und unterstanden seinem Vertreter, dem Generalstatthalter, der vier Zentralbehörden, den Staatsrat, den Geheimen Rat, den Finanzrat und als höchstes Gericht den Großen Rat zu Mecheln zur Seite hatte. Jedoch diese Zentralisation bestand nur der Krone gegenüber, innerhalb der Provinzen hatte jede Landschaft ihre eigene landständische Verfassung. Die ständischen

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Körperschaften waren in den einzelnen Landschaften verschieden zusammengesetzt und bei allen Verhandlungen mit den Statthaltern an die einzuholenden Instruktionen ihrer Auftraggeber gebunden. Ihr Hauptrecht war die Steuerbewilligung, die bei der chronischen Geldnot der Habsburger zu einer immer wichtigeren Verteidigungswaffe der ständischen Autonomie wurde. Zur Vereinfachung der Steuerbewilligung hatten bereits die burgundischen Herzoge Delegierte der Provinzialstaaten zu einer Gesamtversammlung einberufen. Diese sogenannten Generalstaaten wuchsen sich im XVI. Jahrhundert zu einer verfassungsmäßigen Einrichtung aus, in der indes von den „17 Provinzen" nur dreizehn vertreten waren 1 ), und die die Sonderrechte und Freiheiten der einzelnen Landstände nicht beschnitt. Die Generalstaaten nahmen allmählich den Charakter einer ständischen Zentralgewalt an zur Wahrung und Ausübung der ständischen Rechte gegenüber der Krone. Zwei zentralisierende Bestrebungen, die der Regierung und des Landes, prallten aufeinander. Die Stoßkraft der ständischen Tendenzen wurde jedoch gelähmt durch die Gegensätze zwischen den einzelnen Landschaften und die nicht minder schroffen innerhalb der Bevölkerung. Den Niederdeutschen standen die Wallonen, den Binnen- die Seelandschaften gegenüber, den agrarischen Gebieten die großen Industrie- und Handelsstädte, dem Adel die Bauern und beiden das Bürgertum, dem städtischen Patriziat die Zünfte und die niedersten Schichten. Die führenden Klassen waren der Adel, geschieden in die großen Herren (Seigneurs) und die Masse des Kleinadels, sowie das Bürgertum. Da der Wohlstand des Landes, das sich selbst nicht versorgen konnte, von Handel und Gewerbe abhing, wuchs der Einfluß der Städte nicht nur im Wirtschafts- und Geistesleben, sondern auch in der Politik; auch seine alte militärische Organisation hatte sich das Bürgertum bewahrt. Das gefährlichste Zersetzungsmoment bildete auch hier die konfessionelle Spaltung. Schon in den Anfangsjahren der Reformation war die neue Lehre in die Niederlande eingedrungen, wo ihr der Humanismus und die Brüder vom gemeinsamen Leben vorgearbeitet hatten. Die blutige Verfolgung Karls V. hatte ihr nicht Einheit gebieten können, vielmehr eine steigende Zahl von Anhängern zugeführt. Neben dem Luthertum gewann das ebenfalls aus Deutschland kommende Täufertum immer mehr an Boden, namentlich unter den niederen Volksklassen in Holland und Friesland, seit dem fünften Jahrzehnt trat dann als stärkstes Ferment von Genf, Frankreich und Straßburg aus der Calvinismus hinzu. Er hatte seinen Mittelpunkt in den südlichen und wallonischen Provinzen, deren reger Handelsverkehr sie trotz aller Überwachung in dauernder Fühlung mit den französischen, deutschen ') Nämlich Brabant, Flandern, Artois, Hennegau, Holland, Seeland, Utrecht, Namur, Mecheln, Lille, Tournai, Tournaisis, Valenciennes; nicht dazu gehörten Luxemburg und Limburg mit den Ländern „über der Maas", Friesland, Groningen und Overyssel. 2*

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und Schweizer Glaubensgenossen hielt. Unter Calvins persönlichem Einfluß setzte schon bald nach Genfer Muster die Bildung förmlicher Gemeinden ein, die sich in den 60er Jahren im geheimen zu Synoden zusammenschlössen. Ihnen gegenüber erwies sich die Inquisition, die allerdings nicht planmäßig und durchgreifend gehandhabt wurde, als eine stumpfe Waffe. Zwar blieb die Mehrheit des Volkes der alten Kirche treu, aber auch unter ihr erhob sich in Anlehnung an die Ideen des Erasmus eine wachsende Opposition gegen das Staatskirchentum und die Inquisition der Krone. Daß diese jede kirchliche Reform schroff verweigerte, rief auch in altgläubigen Kreisen Erbitterung hervor. So waren genug Konfliktstoffe zwischen Herrscher und Volk gegeben. Unter Karl V., den die Niederländer trotz seiner ständigen Abwesenheit als einen der ihrigen betrachtet hatten, waren sie noch nicht zur Entladung gekommen, obwohl ihm seine Universalpolitik die nördlichen Provinzen mehr und mehr entfremdete 1 ). Mit der Übernahme der Regierung durch Philipp II. war der Zusammenstoß unabwendbar. Nicht nur sein spanisches Wesen, sondern sein gesamtes politisches und kirchliches System mußte den Niederländern unerträglich sein. § 11. Frankreich. Das Jahr 1559 ist für Frankreich geradezu ein Schicksalsjahr geworden. In dem Frieden von Cateau-Cambr£sis hatten die Valois auf ihre eigentlichen Kriegsziele, ihre italienischen Ansprüche und die Befreiung aus der spanischen Umklammerung verzichten, das seit 1536 okkupierte Savoyen herausgeben müssen und damit eine unverhüllte Niederlage erlitten, die auch durch den Wiedergewinn von Calais und die Behauptung von Metz, Toul und Verdun — so wichtig diese Erwerbungen an sich waren — nicht ausgeglichen wurde. Weder zu Lande noch zur See hatte sich Frankreich dem Rivalen gewachsen gezeigt, und die innere Erschöpfung und Verschuldung machten eine Wiederaufnahme des Kampfes zunächst unmöglich. Die durch die Vermählung des eben verwitweten Philipp II. mit Heinrichs II. Tochter Elisabeth besiegelte Annäherung an den katholischen König deutete vielmehr auf eine Neuorientierung der gesamten Politik. Auch im Innern war der Niedergang unverkennbar. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts war das Kapetingerreich das geschlossenste unter den Großstaaten gewesen, alle Macht war in der Hand des Königs vereint. War es doch die Krone, die im Lauf einer jahrhundertelangen Entwicklung Frankreich innerlich geeint und zu einer Großmacht erhoben hatte. Gestützt auf Heer, Beamtentum, Gericht und Kirche hatte Franz I. fast absolut regiert, so daß ihn ein geflügeltes Wort den „König der Tiere" nannte, und die Kronjuristen hatten gewetteifert, auch in der Theorie seine Gewalt *) Bereits 1523 klagten die Holländer, Holland gelte nur ,,als Bastard und abgeschnittenes Glied" in der burgundischen Länderfamilie; vgl. R. H ä p k e , Die Regierung Karls V. und der europäische Norden (Lübeck 1914), S. 369.

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aller Schranken freizusprechen. Jedoch der Rückschlag konnte nicht ausbleiben, vor allem deshalb, weil bei dem Fehlen eines festen Staatsrechts die Macht der Krone ganz auf die Persönlichkeit ihres jeweiligen Trägers gestellt war. Der alte Feind und Nebenbuhler der Königsgewalt, der Adel, war in seiner Widerstandskraft noch keineswegs gebrochen, sondern nur durch einen starken Herrscherwillen in Zaum gehalten. Wie in ihm lebten auch im Bürgertum die alten ständischen Tendenzen fort, sogar innerhalb des Beamtentums gab es einen Herd der Opposition gegen den Absolutismus in den obersten Gerichtshöfen, den Parlamenten und zumal in dem höchsten, dem Pariser Parlament. Von strengem Korporationsgeist erfüllt, leitete diese noblesse de robe aus ihrer Befugnis, die königlichen Ordonnanzen zu registrieren, das Recht der Prüfung ab. Alle diese Sondergewalten hatten sich Franz I. gefügt, jedoch nur widerwillig, und schon unter seinem Nachfolger Heinrich II. wagten sie sich wieder hervor. Denn der bestimmende Einfluß am Hof lag nicht mehr bei ihm, sondern bei den großen Adelsfamilien der Montmorency und Guisen, deren Rivalität das Land spaltete und der Außenpolitik die Stetigkeit nahm. Als Heinrichs II. plötzlicher Tod (10. Juli 1559) seinen ältesten, erst fünfzehnjährigen Sohn Franz II. zum König machte, war die Krongewalt und damit der Staat dem Ehrgeiz und Parteikampf der Großen ausgeliefert. Die Wunschhefte des Adels von 1560 verlangten nichts Geringeres als die Wiedereinsetzung des Adels in Gericht und Verwaltung sowie die Mitregierung der Reichsstände, also die Restauration des alten Ständestaats und die Beseitigung des Absolutismus. Schwere innere Erschütterungen kündeten sich damit an, und das Wiedererwachen des feudalen Geistes wurde noch verstärkt durch den konfessionellen Gegensatz. Der Calvinismus hatte durch eine planmäßige Agitation in den letzten Jahren immer mehr Boden gewonnen. 1555 setzte zuerst in Paris die Gemeindebildung nach dem Muster von Genf ein, 1559 t r a t in der Hauptstadt eine Synode zusammen, die unter Mitwirkung Calvins dem französischen Protestantismus sein Glaubensbekenntnis und seine Kirchenordnung gab. Anhänger fand er in allen Landschaften und in allen Schichten der Bevölkerung, eine territoriale Sonderung der Konfessionen wie in Deutschland war in dem französischen Einheitsstaat nicht möglich. Von vornherein war das Bestreben des Calvinismus darauf gerichtet, ganz Frankreich zu erobern. Wenn er anfangs für sich nur die Toleranz verlangte, so geschah es in der Erwartung, auf diesem Wege mit der Zeit zur Alleinherrschaft zu gelangen. Die Mehrheit der Nation stand allerdings der neuen Lehre von vornherein mißtrauisch ablehnend gegenüber, da die alte Kirche trotz aller Mißstände und Klagen zu fest verwurzelt war. Ob der Calvinismus sich durchsetzen würde, war sehr fraglich und hing in diesem Königsstaat im letzten Grunde von der Haltung der Krone ab. Nur sie konnte die Evangelisierung Frankreichs in gesetzmäßigen Bahnen durchführen. Es kam also für die Calvinisten alles darauf an, das Königtum für sich zu gewinnen. Die

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Aussichten waren freilich nicht günstig, denn der streng katholische Heinrich II. fühlte sich als Beschützer der römischen Kirche und hatte die Scheiterhaufen auflodern lassen. Nach dem Frieden mit Spanien gedachte er seine ganze Kraft auf die Ketzerausrottung zu verwenden, da wurde er im Turnier tödlich verletzt. Der unerwartete Thronwechsel ließ auch in kirchlicher Hinsicht alle Möglichkeiten offen. § 12. England und Schottland. Auch in E n g l a n d war die konfessionelle Frage 1558 noch nicht entschieden. Die landläufige Ansicht, daß schon Heinrich VIII. die Reformation eingeführt habe, hält einer ernstlichen Prüfung nicht stand. Er hatte nur den Bruch mit Rom vollzogen, den königlichen Supremat aufgerichtet und die Klöster aufgehoben. Der Protestantismus wurde erst unter der Regierung seines Sohnes Eduard VI. (1547—1553) eingeführt, um dann, noch ehe er Wurzeln geschlagen, von Maria der Katholischen (1553—1558) mit höchster Grausamkeit wieder beseitigt zu werden. In dem Volke, dem in kurzer Zeit zweimal ein Bekenntniswechsel aufgenötigt war, gab es nach Marias frühem Tod weder für die eine noch für die andere Konfession eine ausgesprochene klare Mehrheit, auch hier kam alles auf die Krone an. Denn trotz der parlamentarischen Verfassung hatte sich unter den Tudors ein „praktischer Absolutismus" durchgesetzt, die Selbstherrscher fanden keinen Widerstand, solange sie die parlamentarischen Formen wahrten und den im Volk vorwiegenden Strömungen Rechnung trugen. Gerade hierin zeigte sich Marias Nachfolgerin E l i s a b e t h als Meisterin. Sie besaß die Herrschergabe, das Selbstgefühl, die Klugheit und Tatkraft der Tudors, gepaart mit weiblicher Verschlagenheit und Verstellungskunst. Einen äußerst glücklichen Griff tat sie in der Wahl ihres ersten Beraters. Sir William Cecil, der spätere Lord Burghley, ergänzte sie durch Fleiß, Vorsicht und nüchternen Wirklichkeitssinn aufs beste. Die letzten Entscheidungen traf sie jedoch selbst und ließ sich von niemanden beherrschen. Geflissentlich entnahm sie ihre Ratgeber verschiedenen Richtungen. Neben Cecil stellte sie 1573 in Francis Walsingham einen leidenschaftlichen Vorkämpfer protestantischer Weltpolitik, und beiden stand ihr Günstling Leicester gegenüber. In konfessioneller Hinsicht war der Königin trotz ihrer persönlichen Indifferenz die Bahn vorgezeichnet. Die Tochter Anne Boleyns verkörperte in ihrer Person das antirömische und antispanische System. Sie fühlte sich ganz als Engländerin und begegnete darin den Wünschen ihres Volkes. Denn die Regierung Marias mit ihrer Abhängigkeit von Spanien war als Fremdherrschaft empfunden worden, die katholische Reaktion erschien als ein Glied in ihrer Kette; im Innern und nach außen hatte die Königin nur Mißerfolge aufzuweisen gehabt. So bedeutete die Wiederherstellung der Staatskirche Heinrichs VIII. durch Elisabeth eine Lösung aus den spanischen Banden, eine nationale Tat und wurde von der Mehrheit der Nation als solche aufgefaßt.

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Gleichzeitig machte Elisabeth den mit den religiösen Kämpfen verflochtenen wirtschaftlich-sozialen Wirren ein Ende, indem sie der von den Grundherren betriebenen Aufsaugung des bäuerlichen Besitzes steuerte. England war im XVI. Jahrhundert noch ein agrarischer Staat, indes unter dem Schutz der Krone blühten Industrie und Gewerbe verheißungsvoll auf. Schon drängte der Unternehmungsgeist der einzelnen über die Grenzen und Meere hinaus. An der Entdeckung der Neuen Welt haben sich die Engländer erst auf den Spuren der Portugiesen und Spanier und ohne größere Erfolge beteiligt. 1554 fand Richard Chancellor auf der Suche nach einer nördlichen Durchfahrt nach China und Indien die Dwinamündung und damit den Seeweg nach Rußland, auf dem sich ein steigender Handelsverkehr entwickelte. Bereits seit der Jahrhundertwende hatten sich die Londoner Tuchhändler zu der Gesellschaft der „abenteuernden Kaufleute" (Merchant Adventurers) zusammengeschlossen, um den Kontinent ihrem Export zu erobern und unbekannte Gebiete auszubeuten. Nach und nach bildeten sich eine moskowitische, ostseeländische1), türkisch-levantinische und andere Kompanien, in denen der einzelne auf eigene Kosten aber unter Kontrolle der Gesellschaft arbeitete. Immer stärker machte sich das Bestreben geltend, den heimischen Handel auf eigene Füße zu stellen und von fremder Vormundschaft zu befreien. Schon unter Heinrich VII. hatte der Kampf gegen die Hanse eingesetzt, Heinrich VIII. begann mit dem planmäßigen Bau einer Flotte. Freilich wurden diese vorwärtsdrängenden Kräfte gelähmt durch die internationale Lage Englands, die bei Elisabeths Thronbesteigung alles andere als gefahrlos war. Das England des XVI. Jahrhunderts war ja noch kein reiner Inselstaat, an seiner Nordgrenze hatte es in Schottland einen unversöhnlichen Gegner. Die traditionelle Verbindung zwischen ihm und dem alten Feinde jenseits des Kanals, Frankreich, war durch die Heirat Jakobs V. mit Maria Guise und die Vermählung ihrer Tochter Maria Stuart mit dem Dauphin Franz von Frankreich fester geknüpft worden. Dazu kam, daß Maria Stuart in Elisabeth einen Bastard sah und sich, die Urenkelin Heinrichs VII.*), als rechtmäßige Erbin Marias der Katholischen betrachtete. Sogleich nach deren Tode nahm sie mit ihrem Gatten, dem sie im Ehevertrag ihr Erbland zugesprochen hatte, den englischen Königstitel an. Mit dem persönlichen Gegensatz zwischen den beiden Herrscherinnen verquickte sich der Antagonismus zwischen den Nachbarländern. Dieser französisch-schottischen Umfassung gegenüber war England bei seinem kleinen Heere so gut wie wehrlos und sah sich schon dadurch auf den Nebenbuhler Frankreichs, auf Philipp II., angewiesen. Und hier traf sich Elisabeths Interesse mit dem des Habs') Über die Bedeutung des englischen Ostseehandels vgl. jetzt wohl überschätzend E. V o l k m a n n , Der Grundstein britischer Weltmacht. Geschichtliche und handelspolitische Studie über die Beziehungen zwischen Altpreußen und England bis auf König Jakob I. Würzburg 1923. J ) Vgl. die Stammtafel S. 135.

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burgers. Denn er konnte einen Machtzuwachs Frankreichs durch die Verbindung mit den angelsächsischen Staaten nicht zulassen und mußte alles aufbieten, England auf seiner Seite zu halten. Die politische Interessengemeinschaft erwies sich stärker als der konfessionelle Gegensatz zwischen dem katholischen König und der protestantischen Königin. So gebot ihr die heikle Lage eine behutsame und kühl rechnende Taktik. Darum lehnte sie die spanischen Annäherungsversuche nicht ab, sondern behandelte sie dilatorisch. Anderseits wurde das Verhältnis zu Frankreich dadurch bereinigt, daß sie in dem Frieden von Cateau-Cambr6sis, wenn auch verklausuliert, auf den alten Zankapfel, den auf die Dauer unhaltbaren Brückenkopf von Calais verzichtete. Damit zog sich England, mit seiner mittelalterlichen Politik brechend, ganz auf die Insel zurück. Gegen Maria Stuart bot sich Elisabeth ein Bundesgenosse in der schottischen Opposition. Die ganze Geschichte S c h o t t l a n d s ist ja erfüllt von dem Kampf des Königtums mit den Großen, die nicht nur die Herrschaft über ihre Untertanen behaupteten, sondern auch die Kirche unter ihre Botmäßigkeit zu bringen suchten. Schon Heinrich VIII. hatte sie unter der Hand unterstützt und durch Geld und Agitation eine englische Partei unter dem Adel begründet. Nach dem frühen Tode Jakobs V. (1542) und der Thronbesteigung seiner unmündigen Tochter Maria spitzten sich die Gegensätze noch mehr zu. Die Übernahme der Regentschaft durch die Königin-Mutter Maria Guise (1554), ihre enge Anlehnung an Frankreich und die Verlobung der jungen Königin mit dem Dauphin riefen auch das Nationalgefühl gegen sie in die Schranken; nicht zu Unrecht befürchteten die Schotten den Verlust ihrer alten Freiheiten und die Degradierung ihres Landes zu einer französischen Dependenz. Eine weitere Verschärfung erfuhr das Ringen durch das Eindringen der Reformation, zuerst des Luthertums und dann des Calvinismus, der in dem nüchternen und ernsten Volk schnell Fuß faßte. Während Jakob V. die Protestanten verfolgt hatte, mußte die Regentin aus innen- und außenpolitischen Gründen, namentlich wegen ihres Gegensatzes zu Maria der Katholischen und Philipp II. auf die evangelische Partei Rücksicht nehmen. Deshalb gewährte sie evangelischen Flüchtlingen aus England Aufnahme und sah der Ausbreitung der neuen Lehre ruhig zu. In John Knox gewann diese einen Führer, der sich in Genf mit calvinistischer Frömmigkeit und Organisation durchdrungen hatte und weit schroffer als Calvin ganz in alttestamentlichen Vorstellungen lebte. In unermüdlicher Arbeit hat er, zeitweilig von Genf aus, die schottische Kirche begründet und ihre Mitglieder auch innerlich mit dem Geist des Calvinismus erfüllt. Unter seinem Einfluß beschworen die evangelischen Barone 1557 in Edinburg einen „Covenant", einen feierlichen Bund zum Schutz des Wortes Gottes und zur Aufrichtung und Verteidigung seiner Gemeinde. Die Beschlüsse wurden sofort durchgeführt und die Reformation des Landes nach Genfer Vorbild eingeleitet. Da schritt 1559 die Regentin, durch den englischen Thronwechsel der

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bisherigen Rücksichten ledig, ein und verbannte alle Prediger. Die Antwort war ein Bildersturm, der sich von Perth aus über das ganze Land ausdehnte. Der protestantische Adel griff zur Selbsthilfe: er erklärte die Regentin für abgesetzt, richtete einen Regentschaftsrat ein und rief die Hilfe Elisabeths an. Wie Maria Stuart auf Grund ihres Kronanspruches eine katholische Union der beiden britannischen Reiche herbeiführen wollte, so eröffnete sich für die Tudor die Möglichkeit, durch die Verbindung mit der schottischen Protestanten- und Unabhängigkeitspartei das kleinere Nachbarland unter englischen Einfluß zu bringen. § 13. Das Deutsche Reich. Neben den westeuropäischen Staaten zählte das D e u t s c h e R e i c h nicht mehr als Großmacht. Nach dem Siege des Partikularismus über Karl V. entsagte sein Bruder und Nachfolger, Kaiser Ferdinand I., allen imperialistischen Tendenzen, er begnügte sich mit den ihm verbliebenen Rechten und widmete sich ganz seinen österreichischen Erblanden. Der Versuch, durch eine großzügige Reichsreform der drohenden Auflösung vorzubeugen, war durch den Gegensatz zwischen Kaiser und Ständen vereitelt worden. Die einzigen Ergebnisse waren der ewige Landfriede und die auf ihm beruhende Reichsexekutionsordnung von 1555 sowie das Reichskammergericht, dem freilich der allein vom Kaiser abhängige Reichshofrat konkurrierend gegenüberstand. Das Reich verfügte weder über feste Einnahmen noch über ein eigenes Heer, so daß es außer stände war, seine bedrohten Grenzmarken zu schützen und festzuhalten. Frankreich hatte sich seine Unterstützung der Fürstenrevolution von 1552 mit dem Reichsvikariat über die Städte Metz, Toul und Verdun bezahlen lassen, wogegen das Reich nur wirkungslose papierne Proteste aufbrachte. Schon vorher, 1548, hatte Karl V. durch den Burgundischen Vertrag die Niederlande faktisch vom Reiche losgelöst, und im Süden war die Abtrennung der Eidgenossenschaft eine unwiderrufliche Tatsache. Die Ohnmacht des Reiches war auch der entscheidende Grund zum Niedergang der Hanse, die sich ohne einen Rückhalt der Gegnerschaft der erstarkten skandinavischen Reiche und Englands sowie der aufstrebenden niederländischen Konkurrenz nicht erwehren konnte. Vom See- und Kolonialverkehr wurde Deutschland mehr und mehr ausgeschaltet, die Herrschaft über den eigenen Handel ging zusehends verloren. Auf eine Zeit wirtschaftlicher Blüte folgte seit der Mitte des Jahrhunderts eine Periode des Stillstandes und Abstieges. Gewiß sind darauf die allgemeine Wirtschaftskrisis, die sogenannte Preisrevolution, der Zusammenbruch der oberdeutschen Kaufhäuser und Handelsgesellschaften und das Erlahmen des Unternehmungsgeistes von Einfluß gewesen, aber einen großen Teil der Schuld tragen auch hieran die Machtlosigkeit und Zersplitterung des Reiches. Es war kein einheitliches Wirtschaftsgebiet, sondern zerfiel in eine Unzahl von kleinen und kleinsten Gebilden, die sich gegenseitig bekämpften und den Wettbewerb

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mit dem Auslande nicht aufnehmen konnten. Zumal die Reichsstädte sanken, von ihren fürstlichen Nachbarn bedrängt und eingeengt, immer tiefer hinab und vermochten nicht einmal den Anspruch auf Gleichberechtigung auf den Reichstagen durchzusetzen. Das Reich löste sich mehr und mehr in eine Fürstenrepublik auf, aber unter den Territorialherren verfügten bloß die größeren über die Kraft, ihr Gebiet innerlich zu konsolidieren und zu einem geschlossenen Staatswesen auszugestalten. Schon damals trachteten sie nach der völligen Souveränität. Österreich wuchs durch die Verbindung mit Böhmen und Ungarn aus dem Reiche heraus. Es hatte mit dieser Erbschaft einen erheblichen Machtzuwachs erfahren, der freilich durch die fortgesetzten türkischen Angriffe auf Ungarn bedenklich in Frage gestellt wurde. Im deutschen Süden besaßen die Habsburger einen Rivalen in den bayerischen Wittelsbachern, die durch die Einführung der Unteilbarkeit und Primogenitur ihre Position wesentlich gestärkt hatten, während die vielverzweigten Pfälzer durch unaufhörliche Teilungen ihre Macht noch mehr verzettelten. Dieselbe verhängnisvolle Bahn schlug Hessen 1567 nach dem Tode Landgraf Philipps ein. In Norddeutschland hatte Moritz von Sachsen der albertinischen Linie des Wettinerhauses den vorwaltenden Einfluß errungen, den sein Bruder Kurfürst August (1553—1586) durch eine vorsichtige Politik zu behaupten und zu mehren verstand. Die norddeutschen Dynastien, Brandenburg nicht ausgenommen, waren mehr oder minder von ihm abhängig. Nach dem Vorgang Österreichs bildeten sich in den Einzelstaaten allmählich selbständige Zentralbehörden aus, indes eine einheitliche Staatsgewalt gab es auch in den größeren Territorien nicht. Das Fürstentum hatte es nicht vermocht, alle Hoheitsrechte in seiner Hand zusammenzufassen, sondern teilte sich darin mit den Landständen, die auf Grund ihres Steuerbewilligungsrechtes vielfach einen förmlichen „Kondominat" erlangten. Die meisten Fürsten fanden sich hiermit ab und lebten in gutem Einvernehmen mit ihren Ständen; beide waren auf die Erhaltung der bestehenden Zustände bedacht. In den kleinen Verhältnissen verengte sich der Gesichtskreis immer mehr. Von einer Machtpolitik, wie sie nicht nur die großen westeuropäischen, sondern auch die kleinen italienischen Staaten in dieser Zeit betrieben, war hier nicht die Rede. Dazu trug auch die chronische Finanznot bei, die weder eine nennenswerte Streitmacht noch diplomatische Vertretungen im Ausland gestattete. Sie trieb die geldarmen und geldgierigen Fürsten dazu, sich wetteifernd um Jahrgelder und Pfründen auswärtiger Mächte zu bewerben. Das alte unselige Pensionswesen erreichte im XVI. Jahrhundert seinen Gipfelpunkt, wodurch dem fremden, namentlich dem spanischen und französischen Einfluß Tor und Tür offenstanden. Die Großmannssucht mancher deutscher Kleinfürsten fand im Dienst des katholischen oder allerchristlichsten Königs ihre Befriedigung, dem Landsknechtstum der deutschen Söldner entsprach ein noch beschämenderes Reislaufen der Herren.

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Ihre spezifische Gestalt erhielten aber die deutschen Zustände durch die kirchliche Spaltung. Während Frankreich und England um ihre konfessionelle Zukunft rangen, Spanien der alten Kirche erhalten blieb, hatte im Reich der Augsburger Religionsfriede von 1555 das friedliche Nebeneinander der beiden Bekenntnisse festgelegt. Religionsfreiheit im modernen Sinne des Wortes war freilich damit nicht gewährt, nur die Reichsstände erhielten das Recht, sich für die alte Kirche oder die Augsburger Konfession zu entscheiden, während die Untertanen nach dem Grundsatz: „Cuius regio, eius religio" ihrem Landesherrn folgen oder auswandern mußten. Damit war die konfessionelle Geschlossenheit der Territorien entschieden und die Macht des Fürstentums ungeheuer verstärkt, zugleich aber der Charakter des Reiches verändert, denn die enge Verbindung von Kaiser und Reich mit dem Papsttum und der Kirche war gelöst. Allerdings krankte der Religionsfriede an so wesentlichen Halbheiten, daß sein Bestand von vornherein zweifelhaft erscheinen mußte. Nicht nur daß alle nichtlutherischen Bekenner der neuen Lehre, also Zwinglianer, Calvinisten und Täufer ausdrücklich von ihm ausgeschlossen waren, die wichtigste und am heftigsten umstrittene Frage der geistlichen Fürstentümer hatte in dem sogenannten geistlichen Vorbehalt keine allgemein anerkannte Erledigung gefunden. Die Bestimmung, daß ein zum Protestantismus übertretender geistlicher Fürst nicht nur seiner kirchlichen Würden, sondern auch aller damit verbundenen Besitzungen und Güter verlustig gehen solle, begünstigte so einseitig die altkirchliche Partei, daß selbst die kompromißbereiten Lutheraner sie nicht mit ihrer Unterschrift deckten, ohne indes ihre Aufnahme in den Text des Friedens zu verhindern. Einem weiteren Vordringen der neuen Lehre waren damit reichsgesetzliche Schranken gezogen. Die evangelische Gegenforderung, daß dann mindestens den schon länger zur Augsburger Konfession gehörigen Einwohnern geistlicher Gebiete Duldung gewährt werden müsse, wurde infolge des katholischen Einspruches nicht in den Reichsabschied aufgenommen, sondern bloß in Gestalt einer besonderen königlichen Deklaration erfüllt, auf die das Reichskammergericht nicht verpflichtet wurde. Schon darin lag ein Keim zu neuen Konflikten. Zudem war der Religionsfriede nicht als definitiv, sondern nur als ein Provisorium bis zu einem endlichen Vergleich gedacht, so daß beide Parteien ihre letzten Ziele nicht aufgaben. Er war nichts anderes als ein durch Erschöpfung und momentanes Gleichgewicht erzwungener Waffenstillstand. Ob und wie lange er gewahrt blieb, das hing von der Entwicklung in beiden Lagern und von dem Verlauf des universalen konfessionellen Ringens ab. Denn wenn es zu der großen Abrechnung kam, wenn die katholische Restauration zur Wiedereroberung der verlorenen Gebiete schritt, war nicht anzunehmen, daß sie Deutschland als den Herd der ganzen Abfallsbewegung verschonen würde, und anderseits war das Reich bei seiner Ohnmacht und Zerrissenheit, selbst wenn es wollte, nicht fähig, ein Ubergreifen des Kampfes auf seinen Boden zu verhindern.

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§ 14. Skandinavien. Die skandinavischen Staaten, Däne mark-Norwegen und das von Gustav Wasa neubegründete Königreich Schweden waren bereits in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts von dem Protestantismus erobert worden. Zwar hatten ihn die Restaurationspläne des 1523 gestürzten letzten Unionskönigs Christian II. und dessen Hoffnungen auf die Unterstützung Karls V. lange Zeit bedroht, erst sein Tod in der Gefangenschaft (1559) beseitigte diese Gefahr ganz. Kurz zuvor war in Kopenhagen Friedrich II. seinem Vater Christian III. auf dem Thron gefolgt. Er war ein überzeugter Lutheraner und stand in engem Einvernehmen mit seinem Schwager August von Sachsen. In SchleswigHolstein war die Macht des Königshauses dadurch geschwächt worden, daß sich Christian III. 1544 mit seinen Brüdern in die Herzogtümer geteilt hatte. Im Bunde mit seinen Oheimen machte Friedrich II. 1559 der Selbständigkeit der kleinen Dithmarschen Bauernrepublik im Westen Holsteins durch einen blutigen Krieg endgültig den Garaus. Bald darauf gelang es ihm, die Bistümer Lübeck und Verden mit einem von ihm abhängigen Regenten zu besetzen; darüber hinaus richtete er seine Augen auch auf die anderen niedersächsischen Stifter. Allerdings war er dadurch gehemmt, daß er in seinem eigenen Lande nicht unumschränkt über die Macht verfügte. Er teilte sie mit dem Reichsrat, der nach dem Ausscheiden der Prälaten im Alleinbesitz des Adels war. Norwegen war ähnlich wie Island zu einer dänischen Provinz herabgesunken. Anders lagen die Dinge in S c h w e d e n , wo Gustav Wasa vor edlem durch die Einführung der Reformation die Krone zum ausschlaggebenden Faktor erhoben hatte. Gegen den Adel, der durch das Stockholmer Blutbad seiner Führer beraubt worden war, stützte er sich auf das Bauerntum, das wie die Bürger Sitz und Stimme auf dem Reichstag behielt. Durch die Bildung eines ständigen Söldnerheeres, zu dem im Kriegsfall das adlige, städtische und bäuerliche Aufgebot hinzutrat, schuf er seinem Staat eine Wehrmacht. Zugleich legte er durch den Bau einer Kriegsflotte, durch systematische Ausnutzung der Bodenschätze und eine weitblickende Handelspolitik die Grundlagen zu einem wirtschaftlichen Aufschwung Schwedens. Freilich gefährdete Gustav I. sein Lebenswerk selbst, dadurch daß er seine jüngeren Söhne mit großen Herzogtümern ausstattete und ihnen somit eine bedenkliche Selbständigkeit gegenüber der Krone verlieh. Auf sich allein gestellt, waren beide nordischen Staaten zu schwach, um maßgebend in die europäische Politik eingreifen zu können. Nur durch Zusammengehen hätten sie hier einen Einfluß auszuüben vermocht, wozu ihnen die inneren Wirren in den Nachbarländern eine günstige Gelegenheit boten. Indes zu einer solchen Kooperation ließ es der Gegensatz zwischen ihnen nicht kommen. Die dänischen Könige hatten das Trachten nach der Wiederherstellung der Skandinavischen Union unter

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ihrem Zepter keineswegs aufgegeben, was sich nach außen in dem kleinlichen Wappenstreit dokumentierte. Noch besaßen sie die schwedischen Südprovinzen und sperrten dadurch den Nachbarn von der Hauptader des nordosteuropäischen Verkehrs, von dem Sund, ab; Schweden war noch nicht Herr im eigenen Hause. Neue Reibungsflächen führte die Entwicklung im Baltikum herbei, die den ganzen Nordosten in ihre Kreise zog. § 15. Das Baltikum und Polen. Man hat L i v l a n d , — worunter im XVI. Jahrhundert das ganze Gebiet von der Memelmündung bis zum Peipussee, also Kurland, Livland und Estland zu verstehen ist —, das „Schicksalsland des europäischen Ostens" genannt. Bereits im XIII. Jahrhundert hatten Dänemark, Litauen und Rußland nach seinem Besitz getrachtet. Sieger war schließlich der Schwertbrüderorden geblieben, der sich bald mit dem Deutschen Orden verschmolz. Von vornherein war freilich seine Herrschaft dadurch gefährdet, daß es ihm nicht gelang, Litauen zu kolonisieren und sich anzugliedern. Unter kraftvollen Fürsten behauptete es seine Unabhängigkeit und wurde 1386 durch die Heirat des Großfürsten Jagiello mit der polnischen Erbtochter mit Polen vereinigt. Zudem war das Deutschtum in Livland von Anfang an auf den Adel und die Städte beschränkt, zwischen der dünnen deutschen Herrenschicht und der Masse der unterworfenen Eingeborenen gähnte eine tiefe Kluft. Dazu gesellte sich der Hader zwischen dem Orden und dem Erzbischof von Riga, die beide nach der Alleinherrschaft strebten; zwischen ihnen standen fast unabhängig die Ritterschaft und die drei Handelsstädte Dorpat, Reval und Riga. Ein einheitliches Staatswesen hatte sich hier nicht bilden können, das Baltikum zerfiel in eine Reihe von verschiedenartigen, zentrifugalen und meist verfeindeten Gebieten. Der Niedergang des Deutschen Ordens, die Beugung Ostpreußens unter das polnische Joch und das Vordringen der Reformation hatten die Lage noch mehr verschärft, an den Grenzen war in dem Moskowiterreich ein neuer gefährlicher Feind erwachsen. Zu der unerläßlichen Zusammenfassung aller inneren Kräfte war das Land nicht imstande, die friedliche Umwandlung in einen weltlichen Staat wie in Ostpreußen war wegen der inneren Zerrissenheit unmöglich. Von dem Deutschen Reich, zu dem es rechtlich gehörte, war es räumlich abgetrennt und stand kein Eingreifen zu erwarten. Dagegen riefen die einander befehdenden Parteien wechselseitig die Einmischung der umliegenden Mächte an, wodurch der Untergang noch beschleunigt wurde. Es fragte sich nur, welchem seiner Nachbarn das Baltikum zur Beute fallen werde. In der p o l n i s c h e n Tradition wird die erste Hälfte des XVI. Jahrhunderts gewöhnlich als das goldene Zeitalter des Königreichs gepriesen. In den Städten und auf den Adelsgütern herrschte ein stattlicher Wohlstand; mit der italienischen Kultur hatte auch der Humanismus seinen Einzug gehalten. Polen erstreckte sich von den Karpathen im Süd-

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westen bis zur Düna im Nordosten und umfaßte neben den polnischen Kernlanden das Großfürstentum Litauen mit den von seinen Herrschern eroberten westrussischen Gebieten bis hinunter nach Kiew. An der Ostsee besaß Polen in Danzig den wertvollsten Hafen- und Handelsplatz Nordeuropas, dazu als Vasallenstaat das Herzogtum Preußen. Indes von der im XV. Jahrhundert eingenommenen Höhe sank es schon langsam herab. Der Vorstoß zum Schwarzen Meer, von dem es durch die Tataren abgeschnitten war, war fehlgeschlagen. Polen sah sich vielmehr an seiner eigenen Grenze durch die fortwährenden Angriffe der Tataren und Russen bedroht und wußte sich ihrer bei dem Verfall seines Heeres nur durch unrühmliche Waffenstillstände mit dem Moskowiter zu erwehren. Auch im Innern mehrten sich die Zeichen des Niederganges, dem die unbedeutenden Jagellonen Sigismund I. (1506—1548) und Sigismund II. August (1548—1572) nicht zu steuern vermochten. Ähnlich wie in Deutschland erlangten mit dem Adel die zentrifugalen Kräfte das Ubergewicht, nur daß es hier der niedere Adel, die Schlachta, war, der im Kampf gegen die Magnaten emporgekommen war. Aus egoistischen Gründen hintertrieb die Schlachta jede Reform und die Sanierung der Finanzen, auf den Reichstagen gab sie in der Landbotenkammer gegenüber Krone und Senat den Ausschlag. Schon war der Monarchie die Axt an die Wurzel gelegt. Denn das alte Königswahlrecht war 1530 ausdrücklich dahin interpretiert worden, daß bei künftigen Thronerledigungen ein allgemeiner Wahlreichstag zusammentreten müsse. Völkisch und konfessionell bildete das Reich keine Einheit. Litauen war mit Polen nur durch Personalunion verbunden und behauptete trotz aller Unionsbestrebungen seine Selbständigkeit. Im Norden und Westen saßen Deutsche, im östlichen Litauen Russen, die sich zu der griechisch-orthodoxen Kirche bekannten. Die Reformation hatte zuerst in den preußischen Städten und dann unter dem Adel Fuß gefaßt, obwohl ihre Stoßkraft durch die innere Spaltung und die hier besonders häufige Sektenbildung litt. Vergebens suchten die Bischöfe die Bewegung zu unterdrücken, unter Sigismund II. schritt der Adel zum Angriff gegen die Hierarchie und die geistliche Gerichtsbarkeit, ohne jedoch bei der Ohnmacht und Haltlosigkeit der Krone ein Nationalkonzil oder eine Entscheidung durchsetzen zu können. Freilich bestimmten ihn weniger religiöse Motive als selbstische Standesinteressen, was der evangelischen Sache nicht zum Vorteil diente. Gleichzeitig erstand dem Katholizismus ein energischer Vorkämpfer in dem Bischof von Ermland, Kardinal Hosius, der die Kräfte des Widerstandes sammelte und die Jesuiten ins Land einführte. Mit ihnen begann seit 1565 in Polen die Gegenreformation. § 16. Bußland. Die Türkei. R u ß l a n d war Jahrhunderte hindurch vom Abendland so gut wie abgeschnitten gewesen und hier völlig unbekannt; noch in Sebastian Münsters Kosmographie von 1550 ist „Moßcoviten" an der Ostsee zu

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finden. Erst im XV. Jahrhundert hatten die Kurie und die Habsburger diplomatische Beziehungen mit dem Großfürsten von Moskau angeknüpft und ihm dadurch das „Bürgerrecht" in der europäischen Staatengesellschaft verschafft. Damals war das unter ihm geeinigte Rußland schon zu einer Macht im Osten geworden. Ohne Schwertstreich wurde das Tatarenjoch abgeschüttelt. Mit der Eroberung Nowgorods (1479) hatte Iwan III. die Ostsee, wenn auch nur in einem schmalen Streifen, erreicht, gegenüber dem livländischen Narva erbaute er die Feste Iwangorod. Schon er hatte weitergehend Livland zu erobern versucht, war aber von dem Ordensmeister Walter von Plettenberg 1501/02 geschlagen worden. Indes weder diese Niederlage noch die 50jährige Waffenstillstandsperiode hatte die moskowitischen Expansionsgelüste ausgetilgt. Sie wurden noch gefährlicher, als Iwan IV. (1533—1584) die letzten Tatarenreiche auf russischem Boden, Kasan und Astrachan, 1552/56 unterworfen und damit den Rücken frei hatte. Erst jetzt erhielt der bei seiner Krönung angenommene Titel „Zar und Selbstherrscher von ganz Rußland" seine innere Berechtigung. Obwohl diese folgenreichen Umwälzungen im Abendland kaum beachtet wurden, gab man sich dort über die Macht des Zaren übertriebenen Vorstellungen hin. Tatsächlich war diese im Innern noch nicht unumschränkt, sondern durch den Hofadel der Bojaren beschnitten. Iwan IV. hat ihn mit unerhörter Grausamkeit unschädlich gemacht, aber nur für die Dauer seiner Herrschaft. Dadurch, daß er 1565 einen großen Teil des Landes als „Opritschnina" unter seine ausschließliche Verfügung stellte, schuf er sich eine materielle und militärische Grundlage für seine Autokratie. Geflissentlich suchte er Handwerker, Kaufleute und Ingenieure aus Europa in sein Reich zu locken, um durch sie die kriegstechnischen Errungenschaften des Okzidents hier einzuführen. Der Herzog von Alba hatte ganz recht, wenn er 1571 den deutschen Reichstag vor der Ausfuhr von Kanonen und Kriegsgerät nach Rußland warnte: denn wenn das Zarenreich sich die militärischen Hilfsmittel Europas aneigne, werde es dereinst als ein furchtbarer Gegner nicht allein des Reiches, sondern des ganzen Abendlandes erstehen 1 ). Weit mehr als das Vordringen des Moskowiters beschäftigte die europäischen Staatsmänner der alte Feind der Christenheit, der Türke. Das O s m a n e n r e i c h hatte um die Mitte des Jahrhunderts den Gipfel seiner Macht erreicht. Im Osten hatte es Mesopotamien und Ägypten erobert, im Westen erstreckte es sich bis an die Raab und an die Grenzen Steiermarks. Nur durch Zahlung eines jährlichen „Ehrengeschenkes", d. h. eines Tributes, konnte sich Kaiser Ferdinand I. vor weiteren Einbrüchen schützen, das Fürstentum Siebenbürgen war trotz seiner äußeren Selbständigkeit ein türkischer Vasallenstaat. Schranken schien es für die osmanische Expansion nicht zu geben. Da der Appell an den Kreuzzugsgedanken wirkungslos verhallte, versuchte man andere Mächte J. J a n s s e n , Geschichte des deutschen Volkes IV1*, S. 313 A,.

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als Sturmbock gegen den Islam zu benutzen. Indes der von Karl V. aufgegriffene und von Maximilian II. wieder aufgenommene Gedanke an ein Zusammengehen mit dem von der Pforte hart bedrängten Persien führte ebensowenig zum Ziel wie die wiederholt erneuerten Bemühungen, den Moskowiter einzufangen und vorzuspannen. Zwischen ihm und dem Sultan bestand damals noch kein Gegensatz, sondern eher eine gewisse Interessengemeinschaft gegen die Tataren. Der Gedanke an Konstantinopel und den Balkan lag dem Zaren völlig fern. Im Abendland wurden die Erfolge der Osmanen nicht allein ihrer militärischen Kraft, sondern auch ihren innerpolitischen Einrichtungen zugeschrieben; die alte Türkenbewunderung hielt noch an. Indes ihre Machtstellung beruhte in erster Linie auf der Person des Großherrn. Er war nach Rankes treffender Charakteristik „für diesen so eigentümlich gegliederten Leib die Seele, der Ursprung jeder Bewegung", alles kam darauf an, daß er kriegerisch gesinnt war. Sulejman II. ( 1 5 2 0 — 1 5 6 6 ) tat den höchsten Ansprüchen Genüge, aber schon unter ihm kündigte sich der innere Verfall an. Die Stoßkraft des Heeres wurde gemindert, als der Kerntruppe, den Janitscharen, das bisher verbotene Heiraten allmählich erlaubt wurde. Noch verhängnisvoller war es, daß Sulejman unter dem Einfluß seiner Lieblingsfrau Roxolane seinen ihm ähnlichen, vielversprechenden Erben töten ließ und ihren trägen und unkriegerischen Sohn Selim zu seinem Nachfolger bestimmte. § 17. Italien. Das Schicksal Italiens war durch den Frieden von Cateau-Cambresis auf Jahrhunderte besiegelt, es verfiel der spanischen Fremdherrschaft. Philipp II. besaß die strategisch wichtigsten Punkte der Halbinsel, den Kleinstaaten war nur geringe oder gar keine Bewegungsfreiheit gelassen. Sie konnten um so weniger gegen den Stachel lecken, da die festgewurzelte gegenseitige Feindschaft jeden Zusammenschluß unterband. Da auch Spanien nicht das ganze Land unter seinem Zepter zusammenzufassen vermochte, war der Traum eines einigen Italiens seiner Erfüllung ferner gerückt als je. Unter den fortwährenden Kriegen hatte das Land schwer gelitten, allmählich machte sich auch die Verlegung der großen Verkehrsstraßen vom Mittelmeer in den Atlantischen Ozean für seinen Handel fühlbar. In den einzelnen Staaten hatte fast überall die Fürstengewalt über die Demokratie obgesiegt, neben Venedig und Genua behauptete sich als Republik lediglich das kleine Lucca, aber auch in diesen Stadtstaaten wurde die Verfassung in aristokratischem Sinn umgestaltet. Die Tyrannendynastien hatten ihren ungesetzlichen Charakter abgestreift und sich zu legitimen Gewaltherren entwickelt. Den ersten Platz in dem italienischen Staatengewirr nahm noch immer die Republik V e n e d i g ein. Zwar war die Hegemonie in Mittelmeer und Levante durch die Festsetzung der Türken in Konstantinopel verloren und von dem alten Kolonialreich nur noch Zypern, Kreta und

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einige Inseln im Jonischen und Ägäischen Meere übrig. Auf einen Zusammenstoß mit dem Sultan konnte es die Stadt trotz ihrer maritimen Machtstellung nicht ankommen lassen, da sie für die Getreidezufuhr auf den Balkan und Südrußland angewiesen und somit wirtschaftlich von der Pforte abhängig war. Deshalb erstrebte sie ängstlich ein friedliches Verhältnis zur Türkei, ohne aber nach französischem Vorbild ein Bündnis mit ihr einzugehen. Dadurch sicherte sie das Fortblühen des regen Handels mit dem Osmanenreich und mit dem fernen Osten, für den Aleppo den wichtigsten Stützpunkt abgab. Das Schwergewicht der politischen Stellung Venedigs lag im XVI. Jahrhundert in der Adria, die geradezu ein venezianisches Meer bildete, und in der Terra ferma, die den Verkehr mit Oberdeutschland und Österreich vermittelte. Jedoch auch hier konnte die Republik von S. Marco sich keine expansive Politik mehr gestatten, denn nach dem endgültigen Anfall Mailands an Spanien und bei dessen dynastischer Verbindung mit Österreich war sie auf drei Seiten von Habsburg umklammert. Obgleich sie hierdurch und durch den alten Gegensatz zu Österreich in das antihabsburgische Lager gedrängt wurde, hütete sie sich wohlweislich, durch eine offensive Politik ihre Existenz und Wirtschaftsblüte aufs Spiel zu setzen. Der Leiter des Staates war noch immer der Rat der Zehn, dessen Allmacht erst 1582 nach dem unglücklichen Türkenkrieg eingeschränkt wurde. Stand schon Venedig in der großen Politik beiseite, so galt das noch mehr von seiner einstigen Nebenbuhlerin G e n u a . Freilich hatte auch sie ihre Flottenmacht behalten und mit Korsika einen Stützpunkt im Mittelmeer, mit Chios einen Rest des ehemaligen Kolonialreiches behauptet, aber eine selbständige Politik konnte sie sich noch weniger leisten als Venedig, da sie infolge ihrer geographischen Lage von dem Herrn von Mailand abhängig war. So segelte Genua nach 1559 völlig im spanischen Fahrwasser. Da Philipp II. sich mit dieser faktischen Herrschaft begnügte und die nominelle Unabhängigkeit nicht antastete, konnte sich die Stadt ungestört ihren wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen widmen. Auch dem Herzogtum S a v o y e n war durch seine geographische Lage seine Haltung vorgezeichnet. „Rittlings auf den Alpen sitzend" beherrschte es die Pässe zwischen Frankreich und Oberitalien. Aber das kleine, arme und unfruchtbare Land konnte, eingekeilt zwischen die beiden Großmächte und dazu von der Eidgenossenschaft bedroht, sich nicht selbst die Bahnen seiner Politik vorschreiben, sondern mußte zwischen den gefährlichen Nachbarn lavieren und sich dem mächtigeren anschließen. In den französisch-spanischen Kriegen war es über zwei Jahrzehnte von den Franzosen besetzt gewesen, als Feldherr Philipps II. hatte Herzog Emanuel Philibert (1553—1580) im Frieden von CateauCambresis sein Erbe wieder erhalten und um Asti vergrößert. Durch die Verträge von Lausanne (1564) und Thonon (1569) gewann er auch das von Bern und Wallis eroberte Südufer des Genfer Sees sowie die Herrschaft Gex zurück. Im Innern führte er, gestützt auf ein schlagP l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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fertiges Heer und geordnete Finanzen, ein absolutes Regiment ein und stärkte dadurch auch die internationale Geltung des Herzogtums. Der Verzicht der Kurie auf eine aktive weltliche Politik hatte den K i r c h e n s t a a t aus den internationalen Kämpfen ausgeschaltet, nach den unaufhörlichen Erschütterungen brach jetzt für ihn eine Zeit des äußeren Friedens an. Zudem war er ja durch die Personalunion mit dem Papsttum in seinem Bestand ganz anders geschützt als die übrigen italienischen Territorien und wenn auch nicht vor Grenzverlusten, so doch vor völliger Eroberung bewahrt. Im Innern kehrte freilich in diesem „letzten Bollwerk des Feudaldespotismus" noch keine Ruhe ein, auch die Renaissancepäpste hatten der unbotmäßigen Großen nicht Herr werden können. Sogar das harte Regiment Sixtus' V. (1585—1590) hat die Selbstherrlichkeit des Adels nur vorübergehend gebrochen, und sein mit allen Mitteln geführter Vernichtungsfeldzug gegen die Banditen konnte auch diese furchtbare Plage des Landes nicht dauernd ausrotten. Die Nepotenpolitik in der ersten Hälfte des Jahrhunderts hatte das Patrimonium Petri verkleinert und die Bildung unabhängiger Fürstentümer zur Folge gehabt. Parma und Piacenza verblieben dem Hause Farnese, Ferrara fiel erst 1598 nach dem Aussterben der Este, Urbino, das die Rovere behauptet hatten, sogar erst 1631 als erledigte Lehen an den Kirchenstaat zurück. Unter den Nepotenstaaten kam dem Herzogtum T o s k a n a die größte Bedeutung zu. In den florentinischen Parteikämpfen und den Kriegen zwischen Kaiser und Papst hatte das Haus Medici durch seinen Anschluß an Habsburg schließlich die Oberhand behalten. Cosimo I. (1537—1574) wandelte den zerklüfteten Freistaat in ein wohlgeordnetes, autokratisch regiertes Fürstentum um und setzte 1569 bei der Kurie seine Erhebung zum Großherzog durch. Auch die Medici büßten, nachdem sie zur legitimen Dynastie geworden waren, allmählich den Tatendrang und Unternehmungsgeist ihrer Vorfahren ein. Mit dem Niedergang deB Bankgeschäftes und Handels sank die wirtschaftliche Blüte des Staates. Der alte Nebenbuhler von Florenz, die Stadt Siena, war 1555 unterworfen und dem Herzogtum einverleibt worden. Aber Herr im eigenen Hause war Cosimo nicht, durch den Besitz der Küstenplätze, des sogenannten Stato dei Presidii, hielt ihn Philipp II. unter spanischem Druck. § 18. Die Schweiz. Portugal. Der Schweiz kam in dem europäischen Staatensystem nur als Truppenwerbung- und Durchzugsland eine Bedeutung zu. Eine selbständige aktive Politik war durch die schwerfällige und lockere Organisation der Eidgenossenschaft, dieses Staatenkonglomerates von 13 Kantonen, zugewandten Orten und Untertanenlanden sowie durch das Fehlen einer wirklichen Zentralgewalt ausgeschlossen. Zu den vielen inneren Gegensätzen fügte die konfessionelle Spaltung, die von Zwingli in Zürich eingeführt, durch Calvins Werk in Genf unwiderruflich ge-

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macht worden war, den tiefsten und unüberbrückbaren hinzu. Die katholischen Kantone außer Freiburg gingen 1560 ein ewiges Bündnis mit Savoyen ein und sahen untätig zu, wie Bern und Wallis 1564/69 das Südufer des Genfer Sees an den Herzog verloren; Genf wurde dadurch zu einer völlig von Savoyen eingeschlossenen Enklave. In den universalen religiösen Auseinandersetzungen fochten die Schweizer auf beiden Seiten und gegeneinander, die alten unausrottbaren Gewohnheiten des Reislaufens und Pensionnehmens erhielten durch den konfessionellen Gegensatz einen neuen Impuls. Wetteifernd bemühten sich Spanien und Frankreich um die Militärkraft des Landes. Wie Philipp II. 1557 die habsburgisch-schweizerische Erbeinigung von 1511 erneuerte, so bestätigten 1564 die Kantone mit Ausnahme von Zürich und Bern den alten Vertrag mit Frankreich. Eine ganz geringe Rolle spielte auch P o r t u g a l . Das kleine Land war völlig durch seine Kolonialpolitik absorbiert. Sein überseeisches Reich umfaßte Brasilien, die afrikanischen Besitzungen, Ceylon, Vorderindien und den Indischen Ozean; um 1550 erlangte es seine größte Ausdehnung. Lissabon war der Stapelplatz für den indischen und amerikanischen Handel. Die Einnahmen daraus flössen indes ähnlich wie in Spanien nicht dem Lande, sondern infolge des Handelsmonopols der Krone zu, und auch hier drängten sich wegen der wirtschaftlichen Rückständigkeit die Fremden immer mehr in den Handel ein. In der auswärtigen Politik stand das Verhältnis zu Spanien im Vordergrund. Trotz der engen, stets erneuerten dynastischen Verbindung war der traditionelle Gegensatz, das Mißtrauen des Kleinen gegen den Großen nach wie vor lebendig und bot den europäischen Widersachern Philipps II. eine erwünschte Handhabe, hier Beziehungen anzuknüpfen und ihn im Rücken zu bedrohen.

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ABSCHNITT II.

Geschichte des europäischen Staatensystems von 1559 bis zum Beginn des 30jährigen Krieges. 1. K a p i t e l . 1559—1572. § 19. Der Ausbrach der Religionskriege in Frankreich. Der jähe Thronwechsel in Frankreich ist nicht allein für die französische, sondern für die gesamteuropäische Geschichte des XVI. Jahrhunderts von weittragender Bedeutung. Für mehr als ein Menschenalter versinkt das Königreich in innere Wirren, Bürgerkriege und schließlich in völlige Anarchie, so daß es aus der internationalen Politik als ausschlaggebender Faktor mehr und mehr ausscheidet. Heinrichs II. Nachfolger Franz II., ein körperlich und geistig unreifer Knabe, war gänzlich unfähig, selbst das Staatssteuer zu führen. Auf Grund der rechtlich allerdings zweifelhaften Behauptung, daß er nicht mündig sei, erhoben die Prinzen von Geblüt, der schwächliche Anton von Bourbon, durch seine Gemahlin Jeanne d'Albret König von Navarra, und sein tatkräftigerer Bruder Ludwig von Gondö Anspruch auf Teilnahme an der Regierung. Aber sie wurden zurückgedrängt durch die Oheime der jungen Königin Maria Stuart, die Guisen, denen der willenlose Herrscher sofort die Macht übertrug. Sie entstammten einer Nebenlinie des Hauses Lothringen. Der ältere von ihnen, Herzog Franz, hatte sich durch die Verteidigung von Metz und die Eroberung von Calais als Feldherr erprobt, der staatsmännische Kopf war sein Bruder, der Kardinal Karl von Lothringen. Schon unter Heinrich II. die anerkannten Führer der extremen Katholiken, nutzten sie jetzt ihre Allgewalt skrupellos für ihre egoistischen und für die katholischen Interessen aus. Sie ließen es zu, daß sich in Paris und anderen Städten der Pöbel gegen die Protestanten erhob. Indes ihr hartes Willkürregiment wurde im ganzen Lande, zumal von dem Adel als Usurpation und lothringische Fremdherrschaft empfunden und trieb alle ihre Gegner an die Seite der Prinzen von Geblüt. Diese standen schon länger dem Calvinismus nahe und traten 1560 offen zu ihm über. Jetzt waren die Häupter der politischen Parteien zugleich die Führer in den beiden kirchlichen Lagern. Es konnte nicht ausbleiben, daß sich der konfessionelle Kampf mehr und mehr mit den Interessen der Adelsfaktionen und dem innerpolitischen Ringen zwischen Königtum und Großen verquickte. Der Calvinismus, der

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bisher nur Bekenntnis gewesen war, wurde allmählich zu einer Partei, die sich auf den Adel und die städtischen Gemeinden stützte und bei den übrigen Unzufriedenen Anlehnung und Beistand suchte. Damit beginnt die für den französischen Protestantismus so folgenschwere Verflechtung von Politik und Religion. Der Gegensatz zu den Machthabern nötigte die Reformierten, sich ihr Daseinsrecht nicht nur mit geistlichen, sondern auch mit politischen Waffen zu erstreiten und einen Rechtsboden für ihre Existenz und ihre Forderungen zu suchen. Sie fanden ihn in den ständischen Ideen, die ja zu Calvins Anschauungen in einer „gewissen Wahlverwandtschaft" standen. Gegenüber der Tyrannei der Guisen beriefen sie sich auf die „Grundrechte" der Krone Frankreich und verlangten die Einberufung der Reichsstände. Die erste Erhebung der politischen und religiösen Opposition in der Verschwörung von Amboise im März 15601) wurde niedergeschlagen, ohne daß das furchtbare Strafgericht der Guisen die Ruhe wieder herstellen konnte. In diesen Kämpfen bürgerte sich für die Evangelischen der Name Hugenotten ein, der wohl auf die Genfer Partei der „Eidgenossen" (eiguenotz) zurückgeht und mit dem Namen ihres Führers, des Genfer Bürgermeisters Hugues, vermischt sein soll2). Beide Lager sahen sich nach auswärtigen Bundesgenossen um. Während die Hugenotten ihr Augenmerk auf England und die deutschen Protestanten richteten, riefen die Guisen Philipp II. an. Freilich erregten sie gleichzeitig sein Mißtrauen dadurch, daß sie in dem schottischen Bürgerkrieg ihrer Schwester Truppenhilfe gegen die Barone sandten und den Gewinn der englischen Königskrone für Maria Stuart und Franz II. betrieben. Indes schwerer als diese Rücksichten wog für den katholischen König die Besorgnis vor einer Protestantisierung Frankreichs und vor Antons von Bourbon Gelüsten auf den spanischen Teil von Navarra. So wuchs sich die innerfranzösische Entwicklung und der Gegensatz zwischen den Häusern Bourbon und Guise schon jetzt zu einer internationalen Frage aus. Nachdem ein Anschlag der Bourbonen im Sommer 1560 mit der Verhaftung Condös geendet hatte, erwartete man allgemein einen Staatsstreich der Guisen und die völlige Vernichtung der Hugenotten. Da trat wie 1559 der Tod dazwischen, am 5. Dezember 1560 sank Franz II. kinderlos ins Grab, die Personalunion zwischen Frankreich und Schottland war gelöst. Für seinen minderjährigen Bruder Karl IX. riß in Ermangelung eines festen Regentschaftsgesetzes seine Mutter, Heinrichs II. Witwe Katharina von Medici, die Regierung an sich. Von einer schrankenlosen Herrschsucht erfüllt, hatte sie schon längst nach der Macht getrachtet und wollte sie jetzt mit niemand teilen. Dafür waren dieser Tochter *) Die vielerörterte Frage nach der Stellung der Genfer zu der Verschwörung beantwortet die gründliche Untersuchung von H. Naef (s. S. 39) abschließend dahin, daß Calvin von dem Vorhaben wußte, es mißbilligte, aber nicht verhinderte, während Beza es wenigstens in den Aufängen ermutigte. ! ) E. T a p p o l e t , Zur Etymologie von Huguenot. (Anz. f. Schweiz. Gesch. 47.)

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der italienischen Renaissance alle Mittel recht; mit einer „inneren Zweizüngigkeit" verband sie nach Rankes feiner Charakteristik die „furchtsame Besonnenheit, die unerschöpfliche Versatilität eines weiblichen Geistes, der in allem seine eigene Sache sieht." Religiös völlig indifferent, hatte sie kein Verständnis für die Tiefe und Kraft religiöser Uberzeugungen und Leidenschaften und erblickte in den Konfessionen nur Figuren auf ihrem politischen Schachbrett. Ganz richtig erkannte sie, daß in ihrem und der Krone Interesse keine der inneren Faktionen das Übergewicht erlangen dürfe. Um sie in Schach zu halten, suchte sie sie gegeneinander auszuspielen und sich zwischen ihnen hindurchzuwinden. Deshalb war sie stets geneigt, sich mit der jeweils schwächeren Partei gegen die stärkere zu verbinden. Aus persönlichen und aus politischen Gründen trat sie, unterstützt von ihrem Kanzler L'Hôpital, für Toleranz ein, in der Uberzeugung, nur auf diesem Wege das Land beruhigen und über den Parteien regieren zu können. Nachdem die Versammlung der Generalstände (Ende 1560) und ein Religionsgespräch zu Poissy (September 1561) ergebnislos verlaufen waren, erließ die Königin am 17. Januar 1562 das Edikt von St. Germain, das als eine Art „Interim" bis zur Entscheidung durch das Konzil den Hugenotten eine beschränkte Duldung und damit eine erste staatliche Anerkennung brachte. Die Lage war für die Hugenotten nicht ungünstig. Der Calvinismus hatte seit 1560 einen ungeheuren Aufschwung genommen, besonders im Süden und Westen des Landes. Ende 1561 umfaßte er über 2000 organisierte Gemeinden, und jetzt erstand ihm auch ein genialer Führer in Gaspard von Coligny. Dieser Sprößling einer alten Adelsfamilie, dem früh das Kronamt eines Admirais von Frankreich verliehen worden war, war mit der Eroberung von St. Quentin 1557 in spanische Gefangenschaft gefallen und während seiner Haft in schwerem inneren Ringen langsam zum Protestanten geworden. Erst 1560 schritt er zum offenen Bekenntnis fort. Auch er besaß Ehrgeiz, aber dieser trug nicht, wie bei Katharina, ein persönliches Gepräge, sondern es war nach dem Urteil seines Biographen Erich Mareks der „Ehrgeiz seiner Sache". Er war überzeugter Calvinist, jedoch ebensosehr Franzose, und wollte daB nationale mit dem hugenottischen Interesse vereinen. Sein letztes Ziel, für das er alle Kräfte, ja sein Leben einsetzte, war die Protestantisierung Frankreichs. Mit dem Januaredikt schien die erste Etappe dazu erreicht. So faßten es auch die Altgläubigen auf. Trotz aller persönlichen Gegensätze untereinander hatten bereits im April 1561 Franz von Guise, der Connétable Montmorency und der Marschall St. André das Triumvirat zur Rettung des Katholizismus abgeschlossen und bei Philipp II. einen Rückhalt gefunden. Schon der erste Erfolg der Hugenotten rief nicht nur den französischen, sondern den europäischen Katholizismus gegen sie in die Schranken. Durch trügerische Versprechungen auf SpanischNavarra ließ sich König Anton zur Rückkehr in die römische Kirche bewegen. Die allgemeine Spannung kam zur Entladung, als am 1. März 1562 Franz von Guise in Vassy in der Champagne unter den zum Gottes-

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dienst versammelten Hugenotten ein Blutbad anrichtete und sich bald darauf durch einen Handstreich des Königs und seiner Mutter bemächtigte. Die Krone deckte den Friedensbruch, was die Hugenotten mit der bewaffneten Erhebung beantworteten. Adel und Städte schlössen ein förmliches Bündnis. Sie stützten sich dabei auf das ja auch von Calvin vertretene Widerstandsrecht, suchten aber auch jetzt noch einen offenen und unheilbaren Bruch mit dem Königtum zu vermeiden. Zu diesem Zweck stellten sie die Behauptung auf, daß sie nicht gegen, sondern für den Thron zu den Waffen griffen, um ihn aus der Gewalt des katholischen Adels zu befreien. Von vornherein nahm der Kampf in beiden Lagern die grausamsten Formen an, den Schlachten, Plünderungen und Bilderstürmen trat der Meuchelmord zur Seite. Da die Katholiken von Spanien, dem Papst und Savoyen 1 ) Beistand erhielten, eröffneten auch die Hugenotten eine eigene auswärtige Politik, freilich mit fragwürdigem Erfolg. Von den deutschen Fürsten rafften sich nur die südwestlichen nach langen Beratungen zu einem bescheidenen Darlehen auf, und Elisabeth von England knüpfte ihren Beistand an die Bedingung der Rückgabe von Galais. In Überschreitung seiner Instruktionen lieferte ihr der hugenottische Unterhändler in dem Vertrag von Hampton-Court (20. September 1562) ohne Wissen Condés und Colignys als Pfand für Calais die Stadt Le Havre aus. Der Bürgerkrieg nahm einen wechselvollen Verlauf. Die anfänglichen Verluste der Hugenotten und ihre Niederlage in der Schlacht von Dreux (19. Dezember 1562), wo Condé in Gefangenschaft geriet, wurden ausgeglichen, als Coligny die alleinige Führung übernahm. Er war kein Stürmer und Draufgänger, sondern vorsichtig abwägend in Tat und Entschluß. Es kam ihm zustatten, daß von den Häuptern der Gegenpartei Anton von Navarra und St. André gefallen waren. Die Ermordung Franz von Guises durch den hugenottischen Edelmann Poltrot (18./24. Februar 1563), die von dem Admiral nicht veranlaßt war, aber als das „größte Glück" Frankreichs gepriesen wurde, steigerte den konfessionellen Kampf zu einer religiösen Blutrache, machte indes für den Augenblick die Bahn zum Frieden frei. Von der Vormundschaft Guises befreit, kehrte die Königin zu ihrer vermittelnden Haltung zurück. Das Edikt von Amboise vom 19. März 1563 beendete den ersten Hugenottenkrieg. Es gewährte allen Calvinisten Gewissensfreiheit, eine mannigfach abgestufte Religionsausübung aber nur dem Adel und einigen Städten. Ganz ausgeschlossen blieb der evangelische Kult von der Hauptstadt Paris, die sich allmählich zum Zentrum einer fanatischen Hugenottenfeindschaft auswuchs. L i t e r a t u r . H . N a e f , La conjuration d'Amboise et Genève. Genève 1922. L. R o m i e r , La conjuration d'Amboise. Paris 1923. Ders., Catholiques et Huguenots à lacourde Charles IX, ebd. 1924 (vom antihugenottischen Standpunkt). E. M a r e k s Coligny und die Ermordung Franz von Guises. (Hist. Zeitschr. 62.) ') Die savoyische Hilfe mußte Katharina mit einem für Frankreich ungünstigen Gebietsaustausch in Oberitalien bezahlen.

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§ 20. Die Zusammenkunft von Bayonne und der Ausbruch des zweiten Hugenottenkrieges. Der Friede war in erster Linie Katharinas Werk und verschaffte ihr wieder das Übergewicht im Staat, woran auch die Großjährigkeitserklärung Karls IX. nichts änderte. Um es für die Dauer zu sichern, nahm die Königin ihre alte Schaukelpolitik wieder auf, aber nicht nur zwischen den inneren Faktionen, sondern auch zwischen den europäischen Mächten. Zur Aufrechterhaltung des Friedens nach innen und außen erstrebte sie gute Beziehungen und freie Hand nach allen Seiten. Einen unbestreitbaren Erfolg bedeutete der Friede mit England, der am 11. April 1564 in Troyes zustande kam. Nachdem Le Havre schon im Vorjahr von den Franzosen zurückerobert war, verzichtete Elisabeth, die wegen des Gegensatzes zu Maria Stuart den Krieg beenden wollte, gegen eine Geldentschädigung endgültig auf Calais. In der gegenseitigen Verpflichtung zur Neutralität bei einem Angriff von dritter Seite lag für England eine gewisse Deckung gegen Schottland. Gleichzeitig näherte sich die Mediceerin den deutschen Protestanten, um diese alten Freunde der Krone Frankreich nicht für immer an die Hugenotten zu verlieren. Sie war keineswegs gesonnen, die traditionelle antihabsburgische Politik im Reiche aufzugeben, bis zu dem Gewinn der Kaiserkrone für einen ihrer Söhne verstieg sich ihr mütterlicher Ehrgeiz1). Dazu kam, daß sie damals allen Ernstes eine deutsche Offensive zum Wiedergewinn von Metz, Toul und Verdun besorgte, und tatsächlich trug sich Kaiser Maximilian II. mit dem Gedanken, die innerfranzösischen Wirren hierfür auszunutzen. Um dieser Absicht die Spitze abzubrechen, suchte die Königin auch zu den deutschen Habsburgern ein näheres Verhältnis zu gewinnen, das durch eine österreichische Heirat Karls IX. besiegelt werden sollte. Die 1562 eingeleiteten Verhandlungen hierüber führten jedoch erst 1570 zum Ziel. Am heikelsten waren die Beziehungen zu Philipp II. Von ihm hatte Katharina das meiste zu befürchten, aber seine Freundschaft sicherte sie auch am besten gegen alle inneren und äußeren Gefahren, zumal gegen Spanien sejbst und die von hier drohende Mediatisierung. Aus diesen Erwägungen betrieb sie seit 1561 eine Zusammenkunft mit ihrem Schwiegersohn, auf der alle Streitfragen beglichen und namentlich ihr Herzenswunsch, die Verheiratung ihrer ledigen Kinder, erfüllt werden sollten. Philipp sträubte sich lange gegen den Plan. Aus Rücksicht auf die religiöse Lage in Frankreich und ihre Rückwirkung auf die Niederlande entschloß er sich endlich, zwar nicht selbst zu erscheinen, aber statt seiner seine Gemahlin mit dem Herzog von Alba zu entsenden. Die Begegnung fand vom 14. Juni bis 2. Juli 1565 in Bayonne statt. Bei dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den beiden *) Über eine dahingehende Sondierung 1565 in Hessen vgl. W. P l a t z h o f f , Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 3ff.

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Mächten, bei Katharinas Vorsatz, sich nicht zu binden oder gar in spanische Abhängigkeit zu begeben, konnten die Verhandlungen zu keinen festen Abmachungen führen. Ein vertragsmäßiges Bündnis gegen die Ketzer und deren Vernichtung, die Spanien verlangte, lehnte Katharina ab, zumal da ihre Ehevorschläge keine Gegenliebe fanden. Wenn sie schließlich nicht ohne Vorbehalte und erst für einen späteren Zeitpunkt die Annahme der Tridentiner Konzilsbeschlüsse und die Aufbebung des EdikteB von Amboise zusagte, so tat sie es nur, um einen offenen Bruch zu vermeiden und sich Philipps versichert zu halten. Ernstgemeint waren die Verheißungen nicht. Das Mißtrauen auf beiden Seiten blieb und wurde noch gesteigert, als die Spanier im Oktober eine hugenottische Ansiedlung in Florida zerstörten und jede Genugtuung für das Blutbad verweigerten. In Europa rief die Zusammenkunft großes Aufsehen und bei den Protestanten den schlimmsten Verdacht hervor, den alle Beruhigungsversuche der beiden Regierungen nicht zerstreuen konnten. Zumal die Hugenotten, die von den spanischen Anträgen Kenntnis erlangt hatten, glaubten an den Abschluß eines katholischen Ausrottungsbündnisses und wurden hierin durch die Ereignisse der nächsten Jahre nur bestärkt. In Frankreich hing der Friede nach wie vor an einem Haar, 1566 brach in den Niederlanden der offene Aufstand aus. Als 1567 der Herzog von Alba mit Heeresmacht von Mailand längs der französischen Grenze nach Flandern rückte, als die erschreckte Königin zum Schutz ihres Landes Schweizer Regimenter anwarb, sie aber nach dem Abmarsch Albas nicht entließ, sondern ins Innere zog, als dann die Nachricht von der Verhaftung Egmonts kam, da meinten die Hugenotten die Frucht der „Liga von Bayonne" vor sich zu sehen und nicht warten zu dürfen, bis sich das Verderben über ihren Häuptern entlud. Sie entschlossen sich, das Prävenire zu spielen und, wie es Guise 1562 getan, den König in ihre Gewalt zu bringen. Jedoch der Anschlag von Meaux (September 1567) mißglückte und war das Signal zum zweiten Bürgerkrieg. Nicht so sehr die innerfranzösische Lage als die gesamteuropäische Konstellation hat ihn in diesem Zeitpunkt heraufbeschworen. L i t e r a t u r . E. M a r e k s , Die Zusammenkunft von Bayonne. Straßburg 1889. B. H i l l i g e r , Katharina von Medici und die Zusammenkunft zu Bayonne (1565). (Histor. Taschenbuch 6. Folge, Bd. 11.) G. Z e l l e r , La réunion de Metz à la France 1552—1648. Bd. II: La protection, Paris 1926.

§ 21. Elisabeth von England und Maria Stuart bis 1568. Im Gegensatz zu Frankreich verlief die religiöse Entwicklung in England zunächst ohne schwere Erschütterungen. Die Königin und die Mehrheit des Volkes waren darin einig, einen abermaligen konfessionellen Streit zu verhüten, durch eine vermittelnde Lösung die beiden Parteien zu versöhnen und die gesunkene Staatsgewalt sowie Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Elisabeths erstes Parlament hob die katholische Gesetzgebung Marias der Katholischen auf und erneuerte den könig-

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liehen Supremat, indes ohne den Cäsaropapismus Heinrichs VIII. In der Uniformitfttsakte von 1559 wurde die Liturgie Eduards VI. mit einigen Streichungen wieder eingeführt, die 39 Artikel von 1563 gaben dann der anglikanischen Kirche ihr Glaubensbekenntnis, das 1571 vom Parlament zum Gesetz erhoben wurde. Im Ritus dem Katholizismus nahestehend, dogmatisch gemäßigt calvinistisch, stellt sie einen Sondertypus der Reformation dar. England hatte jetzt seine nationale Kirche, ein Moment, das zu der starken Ausprägung des englischen Nationalbewußtseins und der Vorstellung vom auserwählten Volke1) wesentlich beigetragen hat. Bei der Durchführung der Beschlüsse wurden unnötige Schärfen vermieden, wenn auch die Bekleidung aller Ämter und Kronlehen sowie der Zutritt zum Parlament an die Ablegung des Supremateides geknüpft war. Deshalb stieß die Reform auf nur geringen Widerstand; „in sechs Monaten", klagte der spanische Gesandte, „hat die Ketzerei den verlorenen Boden wiedergewonnen"4). Nicht nur für England, sondern für die ganze Welt ist diese kirchliche Neugestaltung von ungeheurer Bedeutung geworden. Bei der Umklammerung Englands durch Frankreich-Schottland und der noch unsicheren Lage im Innern hätte ein Zusammengehen der katholischen Mächte sie verhindern können, aber davor bewahrten die Königin der spanisch-französische Gegensatz, die Fesselung Frankreichs durch die inneren Unruhen und die Haltung Philipps II. So paradox es klingt, man hat ihn den „ungewollten Bundesgenossen der englischen Reformation" nennen können 3 ). Er brauchte England als Gegengewicht gegen Frankreich und zur Sicherung der Seeverbindung mit den Niederlanden. Darum hatte er sich nach dem Tode Marias um Elisabeths Hand beworben und gab trotz ihrer Ablehnung die Bemühungen, sie als Verbündeten auf seine Seite zu ziehen, nicht auf. Er riet ihr die Unterstützung der aufständischen schottischen Barone an, er war es, der sie 1560 und während des Tridentinums vor dem päpstlichen Bann bewahrte, der damals noch zu einer ernstlichen Gefahr für sie werden konnte. Rom willfahrte seinen Vorstellungen, in der Hoffnung, die Tudor doch noch zu gewinnen. Als bestes Mittel hierzu erschien die Vermählung der Königin mit einem katholischen Prinzen, in deren großer Zahl bald der jüngste Sohn Kaiser Ferdinands, Erzherzog Karl, an die erste Stelle rückte. Die Königin Elisabeth ist wohl die meistumworbene Frau in der Geschichte, bis in ihr Alter ist sie mit Anträgen förmlich überschüttet worden, und die Frage ihrer Verheiratung hat die öffentliche Meinung Englands und die europäische Diplomatie jahrzehntelang beschäftigt. So verständlich und berechtigt das Drängen des Parlamentes auf die ') Daß diese nicht erst aus dem Puritanismus stammt, betont K. Holl, Luther S. 497 f. •) Bericht vom 12. Juli 1559 bei Kervyn de L e t t e n h o v e , Relations politiques des Pays-Bas et de l'Angleterre, 1, S. 559. *) A. O. Meyer, England und die katholische Kirche I, S. 28; vgl. dazu auch Calendar of State Papers. Rome I.

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Sicherung der Thronfolge war, die Verbindung mit einem ausländischen Fürsten, zumal mit einem Habsburger oder Valois,schloß, wie das Beispiel Marias bewies, schwere Gefahren für die Selbständigkeit Englands in sich, und die Ehe mit einem britischen Großen konnte für die inneren Verhältnisse üble Folgen haben. Aus politischen und persönlichen Gründen hat Elisabeth im Ernste nicht an eine Vermählung gedacht 1 ). Das hat sie aber nicht gehindert, die Frage stets offen zu lassen, Hoffnungen zu erwecken und hinzuhalten und die zahllosen Werbungen mit einer unübertrefflichen Meisterschaft für die Interessen Englands auszunutzen. Die Heiratsverhandlungen bilden ein Hauptmittel ihrer Diplomatie. Alle die Aufgaben, vor die sie sich gestellt sah, die kirchlichen wie die politischen, fanden ihren Brennpunkt in dem Verhältnis zu Maria Stuart. In Schottland tobte seit 1559 der Bürgerkrieg. Gegen die aufständischen Barone hatte die Regentin französische Hilfe erhalten, Elisabeth schwankte aus Furcht vor Frankreich lange, jenen die erbetene Unterstützung zu gewähren, und verstand sich erst im letzten Augenblick dazu. Ihre Flotte zwang die Franzosen zum Rückzug, ihre Truppen belagerten mit den Empörern den französischen Stützpunkt Leith. Nach dem Tode der Regentin (10. Juni 1560) kapitulierte die schottische Regierung: In dem Vertrag von Edinburg (6. Juli 1560) erkannte.sie Elisabeths Thronrecht in England an, die Franzosen mußten das Land räumen, die Regelung der religiösen Frage wurde dem Parlament überlassen. Dieses billigte die von Knox entworfene Confessio Scoticana und schaffte das päpstliche Kirchenregiment sowie die geistliche Gerichtsbarkeit ab. Damit hatte der Calvinismus gesiegt, und politisch war Schottland unter englische Vormundschaft gestellt. Das änderte sich, als nach dem Tod Franz' II. die noch nicht 19jährige Maria Stuart im August 1561 in ihr Reich zurückkehrte. Sie hatte den Edinburger Vertrag nicht ratifiziert und wußte sich durch kluges Auftreten und persönlichen Liebreiz rasch Sympathien und Autorität zu verschaffen. Von ihr begünstigt, drang das katholische Bekenntnis langsam wieder vor. Zur Festigung ihrer Stellung im Innern und nach außen strebte sie nach einer Heirat mit einem mächtigen katholischen Fürsten. Aber der Gedanke einer Verbindung mit Don Carlos, von der sie die spanische Unterstützung zur Eroberung Englands erhoffte, wurde von Philipp II. abgelehnt. Nach dem Scheitern anderer Projekte reichte sie im Juli 1565 ihrem Vetter Heinrich Darnley die Hand, sowohl aus Neigung wie aus politischer Berechnung. Denn daß auch er mütterlicherseits von Heinrich VII. abstammte, verstärkte die Ansprüche auf den englischen Thron, und Darnleys Beziehungen zu dem altgläubigen Adel in Nordengland machten das Königspaar zum Haupt der britischen Katholiken. Nachdem Maria einen Aufstand der kalvinistischen Großen unter 1 ) Ob dabei auch physische Gründe mitspielten, wie sonst gut unterrichtete Zeitgenossen behaupteten (z. B. L a n g u e t , Arcana saeculi XVI. I 206, III 301), ist nicht erwiesen.

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Führung ihres Halbbruders Murray niedergeworfen hatte, schritt sie offen zur Restauration der Königsmacht und der alten Kirche. Gleichzeitig arbeitete ihr Sekretär und politischer Berater, der Piemontese David Riccio, für ein Bündnis mit Spanien und der Kurie. Die Gefahr für Elisabeth und den englischen Protestantismus schwoll immer höher an, und die Zusammenkunft von Bayonne ließ sie noch größer erscheinen, als sie wirklich war. Indes ehe die Tudor sich zu einem Eingreifen entschließen konnte, trat in Schottland eine jähe Wendung ein. Der durch Riccio von der Macht ausgeschlossene und auf ihn eifersüchtige Darnley1) verband sich mit den Adeligen gegen ihn, vor den Augen Marias wurde der Italiener am 9. März 1566 erdolcht. Hierdurch war die Aussicht auf eine katholische Liga gegen Elisabeth zerstört und Marias Alleinherrschaft gebrochen. Die nach England geflüchteten oder verbannten schottischen Barone kehrten zurück, es kam zu einer Verständigung und scheinbaren Aussöhnung des königlichen Paares, dem im Juni ein Erbe, der spätere Jakob VI., geboren wurde. Jedoch die bis zur Siedehitze entzündeten persönlichen und politischen Gegensätze entluden Bich schon bald in einer neuen Bluttat, der Ermordung Darnleys am 10. Februar 1567. Maria, die seinen Tod gewünscht und wahrscheinlich auch um die Verschwörung gewußt hatte, ließ sich einige Wochen später von seinem Mörder, dem protestantischen Grafen Bothwell, entführen und mit ihm trauen 2 ). Damit grub sie sich selbst das Grab. Der Adel erhob sich, nach einem vergeblichen Versuch zur Gegenwehr wurde sie gefangen gesetzt und zur Abdankung zugunsten ihres Sohnes gezwungen, für den Murray die Regentschaft übernahm. Im folgenden Jahre gelang es ihr zu entweichen und noch einmal ein Heer zu sammeln. Jedoch bei Langside wurde sie im Mai 1568 geschlagen; fliehend rettete sie sich nach England und rief Elisabeths Schutz und ') Die Berechtigung von Darnleys Anklage gegen Marias eheliche Treue ist nicht erwiesen; ein Liebesverhältnis zwischen ihr und Riccio hat wohl kaum bestanden. *) Die Frage nach Marias Schuld an der Ermordung Darnleys ist eng verknüpft mit der vielumstrittenen Kontroverse über die Echtheit der sog. Kassettenbriefe, d. h. der Schreiben, die Maria vor und nach der Tat an Bothwell gerichtet haben soll. Nachdem H. B r e ß l a u , Die Kassettenbriefe der Königin Maria Stuart (Histor. Taschenbuch VI 1) die Echtheit der meisten Briefe auf diplomatisch-kritischem Wege festgestellt hatte, suchten später andere Forscher, besonders F. T. H e n d e r s o n und H. R i e ß , Die Lösung des Maria Stuart-Problems (Histor. Zeitschr. Bd. 110) die völlige Echtheit nachzuweisen. Eine restlose Klärung aller Einzelfragen wird wohl kaum möglich sein. Aber auch dann wäre über Marias Schuld oder Unschuld das letzte Wort noch nicht gesagt. Die neueste englische Literatur sucht nach dem Vorgang von A. L a n g , The Mystery of Mary Stuart (London 1904) die Schuldfrage auf psychologischem Wege zu lösen, wodurch manche Darstellungen einen romanhaften Charakter erhalten haben. Die völlige Schuldlosigkeit Marias, an die auch die katholischen Zeitgenossen nicht geglaubt haben, läßt sich wissenschaftlich nicht belegen; strittig bleibt nur das Maß von Schuld. Über die Haltung der Kurie vgl. J. H. P o l l e n , Papal Negotiations with Mary Queen of Scots during her Reign in Scotland 1561—1567. (Public, of the Scottish Hist. Society Bd. 37.)

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Beistand an. In Schottland wurde jetzt der Katholizismus völlig beseitigt und die reformierte Kirche gesetzlich zur Staatskirche erhoben. Elisabeth geriet durch Marias Flucht in eine äußerst schwierige Lage. So unsympathisch ihr der schottische Calvinismus und die Volkserhebung waren, sie hätte Selbstmord verübt, wenn sie Marias Bitten Folge leistete. Deren Restitution widersprach ihren eigenen Interessen ebensosehr wie ein freier Aufenthalt in England, wo die katholischen Kreise immer offener für die Stuart Partei ergriffen, und nicht minder gefährlich war es, wenn sich Maria, wie sie wünschte, nach Frankreich begab und die alte schottisch-französische Allianz erneuerte. So fanden die englischen Staatsleiter, obwohl sie im einzelnen unter sich nicht einig waren, keinen anderen Ausweg, als Maria in Haft zu belassen, von der schottischen Grenze in das Innere des Landes zu bringen und Verhandlungen zwischen ihr und den Schotten einzuleiten. Sie nahmen schon bald den Charakter eines Prozesses an, in dessen Mittelpunkt die Schuld Marias an Darnleys Tod stand, und zogen sich ohne Abschluß jahrelang hin. Juristisch war die britische Regierung zu diesem Verfahren zweifellos nicht befugt, auch stempelte sie die Schottenkönigin dadurch zur Märtyrerin und wandte ihr die verlorenen Sympathien der katholischen Welt wieder zu. Gewiß hatte sie mit Maria ein Pfand gegen alle römischen Unternehmungen in Händen, aber zugleich einen Todfeind im eigenen Land, mit dem alle inneren und äußeren Gegner Elisabeths Fühlung suchten. Hatte England in dem universalen Gegensatz zwischen Katholizismus und Calvinismus sich bisher abwartend neutral verhalten, mit der Gefangensetzung Marias, die zeitlich mit dem Hugenottenkrieg und Albas Schreckensregiment in den Niederlanden zusammenfiel, hatte es unzweideutig Stellung genommen. Literatur. Geschichte.

Vgl. die obengenannten Werke zur englischen und schottischen

§ 22. Die Entstehung des niederländischen Anfstandes. In seinen ersten Regierungsjahren hatte Philipp I I . unter dem Druck des Krieges mit Frankreich der ständischen Partei in den Niederlanden Zugeständnisse machen müssen. Als der Krieg siegreich beendet war und der König sich 1559 zur Abreise nach Spanien anschickte, kehrte er zu dem absolutistischen System zurück. E r wollte die Verfassung nicht förmlich umstoßen, aber die Generalstände zu einer bloßen „Steuerbewilligungsmaschine" herabdrücken. Die Generalstatthalterschaft übertrug er seiner Halbschwester, der Herzogin Margareta von Parma, Gemahlin Ottavio Farneses. Als legitimierter Bastard Karls V. gehörte sie zwar zur königlichen Familie, war aber in ihren dynastischen Interessen in Italien gänzlich von dem Wohlwollen ihres Bruders abhängig. Sie war schwach und unselbständig, ohne politische Erfahrung und zumal der schwierigen niederländischen Verhältnisse völlig unkundig und deshalb von vornherein auf den Mann angewiesen, den der König

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als eigentlichen Regenten zurückließ: Anton Perrenot von Granvella, Bischof von Arras, seit 1560/61 Erzbischof von Mecheln und Kardinal. Er war ein in der Schule Karls V. ausgebildeter und erprobter Staatsmann, den der Kaiser bei seiner Abdankung seinem Sohn warm empfohlen hatte. Unter dem neuen Regime war er von den spanischen Günstlingen Philipps zurückgedrängt worden. Wenn der König ihm jetzt die niederländischen Angelegenheiten anvertraute, so tat er es, weil er seine Unentbehrlichkeit erkannt hatte, trotzdem ihre Anschauungen sich nicht in allem deckten. Denn gemäß den Traditionen Karls V. trat Granvella für die religiöse Einheit und politische Zentralisation der Niederlande ein, aber unter Wahrung einer gewissen Autonomie, die er für nötig hielt, um die Provinzen nicht zur Empörung zu treiben. Wie der König selbst ihm schrieb, hatte er „die oberste Direktive sowohl in den Angelegenheiten des Staates als auch der Religion". Zusammen mit dem von ihm abhängigen Präsidenten des Geheimen Rates Viglius und dem unbedingt königstreuen Baron Berlaymont hatte er die Regentin in allen Fragen der Ämterbesetzung zu beraten. Die drei Männer erhoben sich damit über die anderen Mitglieder des Staatsrates, dem auch drei niederländische Große angehörten: Wilhelm von Oranien, Graf Lamoral von Egmont, Statthalter von Flandern und Artois, und seit 1561 Graf Philipp von Hoorne. Unter ihnen war Oranien der bedeutendste. Der deutsche Fürstensohn war als Erbe seines Vetters Renatus, des Herren der niederländischen Besitzungen des Hauses Nassau und Fürsten von Orange, am Brüsseler Hof aufgewachsen und schnell zu den höchsten Würden emporgestiegen; im französischen Krieg hatte er sich als Truppenführer ausgezeichnet und später an den Friedensverhandlungen teilgenommen. Er war Vasall des Königs und Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht, aber zugleich deutscher Reichsfürst. Ihm ist es zuzuschreiben, daß die Generalstände bereits 1557 eine Revision des Burgundischen Vertrages von 1548 und einen engeren Anschluß an das Deutsche Reich forderten. Die Persönlichkeit und Politik Philipps II. flößten ihm von Anfang an Abneigung ein. Oranien war ein überzeugter Verfechter der ständischen Tendenzen, die ihm schon durch seine Herkunft nahelagen, und die königliche Reaktion brachte den grundsätzlichen Gegensatz der Anschauungen allmählich zum Ausbruch. Durch seine zweite Ehe mit der evangelischen Anna von Sachsen und die Unsicherheit, in die er sich damit brachte, wurde er, der im Vaterhaus bis zum zwölften Jahre lutherisch, dann in Brüssel katholisch erzogen war, ins protestantische Lager gedrängt und damit auch in religiöser Hinsicht zu einem Gegner des katholischen Königs. Innerlich stand er über den Konfessionen, und die Toleranzidee, für die er sich einsetzte, entsprang seinem eigensten Wesen. Seine Beziehungen zu den evangelischen deutschen Fürsten, namentlich zu Sachsen und Hessen, gestalteten sich immer enger, und er verwertete sie gegen Philipp II. Der Kampf zwischen dem König und den von Oranien geführten

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Ständen ist nicht über die religiöse, sondern über die ständische Frage entbrannt. Nachdem die Regierung 1560 mit der Entfernung des spanischen Kriegsvolkes, von der die Stände die Steuerbewilligung abhängig machten, eine erste Niederlage erlitten hatte, setzte der Streit um die neue Bistumseinteilung um so heftiger ein. Um die Niederlande aus dem Verband französischer und deutscher Diözesen zu lösen, um durch eine Verkleinerung der Bistümer die Unabhängigkeit der Bischöfe gegenüber der Krone zu beschneiden und sie der Inquisition gefügiger zu machen, hatte bereits Karl V. eine Neuordnung geplant und Philipp II. sie 1559 bei der Kurie durchgesetzt. Es war zugleich ein politischer Schachzug, denn durch die Inkorporation von Klöstern in die zu errichtenden Bistümer sollten diese ein Aussteuer und ihre Inhaber zugleich das bisher den Äbten zustehende Recht auf Sitz und Stimme in den Provinzialständen erhalten, wodurch hier der königliche Einfluß verstärkt wurde. Wegen dieses staatskirchlichen und antiständischen Charakters der Vorlage erhoben die Stände Protest, und in ihrer finanziellen Notlage verzichtete die Regierung 1564 auf die Inkorporation, nur die neue Diözeseneinteilung mit einigen Abänderungen trat in Kraft. Der Widerstand hatte auf das ganze Volk übergegriffen. Hier galt die Neuordnung als ein Machtzuwachs der Hierarchie, als gleichbedeutend mit der Einführung der spanischen Inquisition, die auch die katholischen Schichten ablehnten. Die Bewegung kam dem Protestantismus zustatten, der gerade in diesen Jahren erhebliche Fortschritte machte, namentlich in den großen Städten und den nördlichen, zu Oraniens Statthalterschaft gehörigen Provinzen. Die Religionswirren in Frankreich wirkten natürlich auf die benachbarten Niederlande zurück. Philipps Vorhaben, den Guisen im ersten Hugenottenkrieg auch von hier ein Hilfskorps zu senden, scheiterte an dem einhelligen Widerspruch des Staatsrates. Während Granvella und seine Anhänger den Geldmangel ins Feld führten, bekämpften Oranien und seine Freunde den Plan mit dem Hinweis, daß eine solche Einmischung die für die Provinzen notwendige Freundschaft mit dem Deutschen Reich gefährden und Repressalien der evangelischen Fürsten herausfordern werde. Wie überall, so bestärkte besonders in den Niederlanden Philipps Haltung den alten Verdacht eines katholischen Ausrottungsbündnisses gegen die neue Lehre und bewirkte eine Annäherung zwischen der Opposition und den Hugenottenführern. Der Gegensatz zwischen Oranien und Granvella verschärfte sich zusehends. Schon 1561 hatte sich der Prinz gemeinsam mit Egmont beim König über den Kardinal und ihre Verdrängung von den Staatsgeschäften beschwert, aber der in den folgenden Jahren erneuerte Vorstoß gelang erst, als die Generalstatthalterin, die auf Granvella eifersüchtig war und sich — zu Unrecht — von ihm in ihren italienischen Interessen geschädigt glaubte, ebenfalls seine Entfernung betrieb. Anfang 1564 gab Philipp nach und rief den Kardinal ab. Seine Erwartung, dadurch beruhigend zu wirken, ein Zusammenarbeiten der Regentin mit den

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Großen zu ermöglichen und die Stände zur Steuerbewilligung zu bewegen, erfüllte sich indes nicht. Denn Oraniens Kampf galt nicht Granvella persönlich, sondern dem von ihm verkörperten politischen und kirchenpolitischen System. An seine Stelle wollte Wilhelm die Toleranz und die Stärkung des Ständetunis setzen, weil er nur darin eine Gewähr für die friedliche Entwicklung des Landes und einen Ausweg aus seiner eigenen unhaltbar gewordenen Lage erblickte. Und das konnte und wollte der König niemals zugeben. Der Gegensatz kulminierte jetzt in der religiösen Frage und erhielt dadurch seine innere Schwung- und Stoßkraft. Als die Regierung das Vordringen und öffentliche Auftreten des Calvinismus mit einer strengen Anwendung der Ketzergesetze, mit der Inquisition und Bluturteilen beantwortete, und die Erbitterung im Lande von Tag zu Tag stieg, forderten die drei Großen im Staatsrat die Einberufung der Generalstände, um die Religionsedikte zu mildern und den inneren Frieden wiederherzustellen — ein Verlangen, das vom Volke stürmisch aufgegriffen wurde. Auch die Regentin sah keinen anderen Ausweg und sandte im Januar 1565 den Grafen Egmont nach Spanien, um dem König die unhaltbare Lage vorzustellen und entweder sein persönliches Erscheinen oder Maßnahmen zur Beseitigung der „Hauptmißstände in Religion, Justiz und Verwaltung" zu erbitten. Aber Philipp verweigerte alle Reformen und befahl die peinliche Handhabung der Gesetze und die Durchführung der Tridentiner Beschlüsse; die Generalstände dürften nicht eher zusammentreten, als bis die Religionsfragen in einen sicheren Stand gebracht seien. Der auf Oraniens Betreiben veröffentlichte Erlaß wirkte wie ein Peitschenhieb, Protestanten und Katholiken erblickten darin den Beweis, daß der König die verabscheute spanische Inquisition einführen wolle. An die Spitze der Bewegung trat der mittlere und niedere Adel unter Führung des Grafen von Brederode, des in Genf erzogenen Philipp Marnix von St. Aldegonde und des Grafen Ludwig von Nassau, der mit seinem Bruder Wilhelm von Oranien in engster Fühlung stand. Anfang Dezember 1565 schlössen etwa 20 calvinistische Edelleute einen förmlichen Bund zur Abwehr der Inquisition, der Religionsedikte und der Tridentiner Dekrete und sagten sich dazu gegenseitige Hilfe zu. Von vornherein hatten sie den Beitritt katholischer Standesgenossen ins Auge gefaßt und ihr Programm darauf eingerichtet, und bald schloß sich ihnen eine große Anzahl an, getrieben von der Empörung über das politische und religiöse spanische System. Die politische und religiöse Opposition gegen die Krone hatte sich, wenn auch von verschiedenen Ausgangspunkten aus, vereinigt, ihre Ziele stimmten freilich nicht überein, worin von vornherein ein bedenkliches Schwächemoment lag. Im April 1566 überreichten die Edelleute der Regentin eine Massenpetition, in der sie die Abschaffung der Edikte, die Einberufung der Generalstände zur Beratung neuer Religionsgesetze und für die Zwischenzeit die Suspendierung der Inquisition verlangten. Bei dem Aufzuge des Adelsbundes soll aus der Umgebung der Herzogin spöttisch das Wort „gueux" (Bettler)

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gefallen sein, woraus er selbst den Ehrennamen Geusen machte. Die erschreckte Regentin erklärte sich bereit, die religiösen Wünsche bei ihrem Bruder zu befürworten und bis zu seiner Entscheidung die Edikte milder zu handhaben. Wie stets, wich Philipp einer klaren Willensäußerung lange aus. Endlich willigte er, allerdings mit Vorbehalt, in die Aufhebung der Inquisition, gab aber sofort eine notarielle Erklärung ab, daß er sich durch diese ihm abgepreßte Zusage nicht gebunden fühle. Der Verzug, die allgemeine Ungewißheit und Erregung spornten die Calvinisten zur Tat an. Durch zurückströmende Exulanten verstärkt, schritten sie zu Massenversammlungen und einer leidenschaftlichen Propaganda für die freie Religionsübung. Im Hochsommer 1566 machte sich die aufgepeitschte Erbitterung in einem furchtbaren Bildersturm Luft, der, von Westflandern ausgehend, über die nördlichen Provinzen brauste und trotz aller Ausschreitungen des Pöbels einen religiösen Grundcharakter trug. Unter seinem Eindruck gab Margareta, die der Situation nicht gewachsen war, einer zweiten Petition des Adelsbundes auf freie Religionsübung in dem Akkord vom 23/25. August 1566 bis auf weiteres, wenn auch mit örtlichen Beschränkungen statt. Dieses Zugeständnis bildet den Höhe-, aber zugleich den Wendepunkt in der ersten Phase des niederländischen Aufstandes. Der Bildersturm raubte den Calvinisten die Sympathien der katholischen Mehrheit sowie der Lutheraner und sprengte das Bündnis mit dem altgläubigen Adel. Die Regentin säumte nicht, aus dieser Isolierung des Calvinismus Vorteil zu ziehen. Von Anfang an hatte sie den Akkord als ein erzwungenes Provisorium betrachtet, an das der König nicht gebunden war, und zu dessen Widerruf sie ihn aufforderte. Bestärkt von den katholischen Großen, rückte sie von Oranien und seinen Freunden ab, leitete eine katholische Reaktion ein und begann, aus Madrid mit Zuschüssen versehen, mit Rüstungen. Da die Gegner gespalten und ohne Geld oder Truppen waren, wurde der Widerstand der reformierten Städte in kurzer Zeit mit Waffengewalt niedergeworfen und die Ruhe wiederhergestellt. Oraniens kühner Plan, durch einen Staatsstreich die Regentin zu stürzen und gemeinsam mit Egmont und Hoorne die Herrschaft zu ergreifen, war an Egmonts Einspruch gescheitert. Er, der dem alten Glauben treu und dem Adelsbund ferngeblieben war, konnte sich zum aktiven Widerstand gegen den König nicht entschließen. Die Kluft zwischen ihm und Oranien erweiterte sich durch dessen Annäherung an das Luthertum noch mehr. Oraniens letzte Hoffnung war der Protestantismus. Aber die Beziehungen zu den Hugenotten waren noch recht locker, und die deutschen Fürsten, die er um Unterstützung bat, wollten lediglich für ihre eigenen Glaubensgenossen, die Lutheraner, eintreten, und auch das nur in Gestalt einer Fürbitte bei dem König. So stand Wilhelm ganz allein. Angesichts des Anmarsches Albas blieb ihm, wenn er nicht nutzlos sein Leben aufs Spiel setzen wollte, nichts anderes übrig, als sich im April 1567 P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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nach Deutschland in sein Stammland in Sicherheit zu bringen und von hier aus den Kampf gegen Philipp II. zu organisieren. L i t e r a t u r . Neben R a c h f a h l s Wilhelm von Oranien vgl. M. R i t t e r , Über die Anfänge des niederländischen Aufstandes. (Histor. Zeitschr. 58.) E. M a r x , Studien zur Geschichte des niederländischen Aufstandes. Leipzigl902. F. R a c h f a h l , Margaretha von Parma, Statthalterin der Niederlande 1559 bis 1567. München 1898.

§ 23. Alba in den Niederlanden. Am 1. Dezember 1566 hatte König Philipp dem Herzog von Alba den Oberbefehl über die in den Niederlanden befindlichen Streitkräfte sowie über die dorthin zu führende Armee übertragen, im April 1567 brach er von Madrid auf. Um ihm den Weg zu sichern, ließ der König geflissentlich verbreiten, er selbst werde in die Provinzen reisen, aber ernstlich dachte er nicht daran. Hierzu fehlte ihm der Mut, und die Vollstreckung des geplanten Strafgerichtes schien mit seiner Würde nicht vereinbar. Dazu war Alba, von dessen Entsendung schon 1563 gesprochen worden war, der geeignetste Mann: ein bewährter Feldherr, ein in allen Künsten der Verstellung bewanderter Diplomat und zugleich ein treuer Diener seines Herren, der keinen höheren Ehrgeiz kannte, als dessen Befehle auszuführen und die Alleinherrschaft des katholischen Königs und der römischen Kirche aufzurichten. Er sollte und wollte nicht dauernd als Statthalter in den Niederlanden bleiben, sondern diese mit raschen Schlägen seinem Herrscher unterwerfen, der ständischen Verfassung den Garaus machen und jede Art von Ketzerei, die Philipp als „die Quelle und den Nährstoff des Aufruhrs" bezeichnete, ausrotten. Daß mit solchen, der spanischen Praxis entnommenen Methoden die Provinzen nicht bei Spanien zu halten waren, sah weder der König noch sein General. Ausdrücklich wurde dieser angewiesen, die schuldigen oder verdächtigen Großen sofort nach seiner Ankunft zu verhaften und exemplarisch zu bestrafen, aus dem Volk eine Anzahl der Schuldigsten zu demselben Zweck herauszugreifen, die Privilegien der Stände zu beschneiden und möglichst große Summen aus dem Lande herauszupressen. Hierzu erhielt er die weitestgehenden Vollmachten, BO daß für die Regentin neben ihm kein Platz blieb. Das erkannte Margareta, die zwar selbst die Ernennung eines obersten Feldherren angeregt, aber gegen AlbaB Wahl von vornherein protestiert hatte, und erbat tiefgekränkt ihren Abschied. Nachdem Alba im August 1567 mit nicht viel mehr als 10000 Mann, meist spanischen Kerntruppen, in Brüssel angelangt war, eröffnete er sofort ein wahres Schreckensregiment. Die ersten entscheidenden Maßregeln waren die Verhaftung Egmonts und Hoornes sowie die Einsetzung eines Ausnahmegerichtes, des „Rates der Unruhen", der auf seinen Befehl eine unerhörte Blutjustiz ausübte 1 ). Von ihm und der ') Gegen die auch von F. R a c h f a h l vertretene herkömmliche Auffassung von dem „Henker" Alba hat neuerdings R. Häpke (Histor. Zeitschr. 136, S. 149ff.) Bedenken erhoben. Ob sich, wie er meint, die Strafverfolgungen Albas im einzelnen

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gleichzeitig waltenden Inquisition wurden Tausende wegen Majestätsverbrechens und Häresie zum Tode und mehr noch zur Verbannung und Vermögenseinziehung verurteilt1). Am 5. Juni 1568 bestiegen Egmont und Hoorne wegen Hochverrats das Schafott, während gegen Oranien und seine geflüchteten Genossen nur der Bann und die Güterkonfiskation ausgesprochen werden konnten. Zunächst erreichte der Herzog seinen Zweck. Jeder Widerstand wurde blutig unterdrückt. Mit der Inquisition führte er die Bistumseinteilung in vollem Umfang sowie neue Steuern ein, zur militärischen Beherrschung deB Landes legte er in den wichtigeren Städten Zitadellen an. Es schien nicht viel zu fehlen, daß die Niederlande ihrer sämtlichen Rechte und Freiheiten beraubt und als ein einheitliches, willenloses Glied der spanischen Universalmonarchie einverleibt wurden, womit auch ihr Wohlstand und ihre wirtschaftliche Blüte zerstört worden wären. Eben deshalb mußten sich aber alle selbständigen und lebensfähigen Elemente gegen Albas Schreckensherrschaft auflehnen. Sein brutales Vorgehen, der Justizmord an dem populären Egmont und an Hoorne sowie das furchtbare Hausen Beiner Soldateska peitschten die Opposition förmlich auf. Ihren Herd bildeten die Calvinisten in den nördlichen Provinzen, aus ihren Schlupfwinkeln in Westflandern schritten sie bereitB 1567 zum Bandenkrieg. Auf sich allein gestellt, hätten diese „Buschgeusen" der spanischen Übermacht auf die Dauer nicht trotzen können, aber sie fanden Hilfe bei ihren nach Frankreich, England und Deutschland entkommenen Glaubensbrüdern und namentlich bei dem Prinzen von Oranien. In Dillenburg und Wesel warb er, unterstützt von Marnix und anderen geflohenen Edelleuten, deutsche Söldner an und nahm seine alten Bemühungen um eine Verbindung mit den ausländischen Religionsverwandten wieder auf, um Alba entgegentreten zu können. Er war überzeugt, daß der europäische Protestantismus um seiner selbst willen der Entwicklung in den Niederlanden nicht untätig zusehen konnte; mußte doch ein völliger Sieg Albas die gegenreformatorischen Tendenzen überall verstärken. Von den deutschen Fürsten mit Ausnahme von Kurpfalz erhielt er freilich auf seine Bitten um Beistand bloß leere Vertröstungen. Mehr als sie wurden die Hugenotten und auch England durch die Ereignisse in Flandern berührt. Denn eine Vernichtung der politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit der Provinzen widersprach den britischen Handelsinteressen, eine Festsetzung Spaniens in Antwerpen gefährdete sie an einem ihrer empfindlichsten Punkte. So verflechten sich seit 1568 die Kämpfe in den Niederlanden, in Frankreich und in England allmählich auch innerlich. genau nachprüfen lassen, erscheint bei der Lückenhaftigkeit des Materials (vgl. H. P i r e n n e , Geschichte Belgiens IV, S. 13 A,) zweifelhaft. ') Die früheren Angaben von 6—18000 Todesurteilen sind sicherlich übertrieben. J. M e y h o f f e r , Le martyrologe Protestant des Pays-Bas (Nessonvaux 1907) hat die Zahl der Opfer auf 6—8000 geschätzt, was auch P i r e n n e a. a. O. annimmt. Eine genaue Berechnung ist, wie Pirenne darlegt, unmöglich. 4*

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§ 24. Deutschland and die westeuropäischen Kämpfe. Die Zuspitzung der europäischen Lage und die Kämpfe in den Niederlanden, die dem Buchstaben nach noch immer zum Deutschen Reich gehörten, konnten auch Deutschland nicht unberührt lassen. Die allgemeine Abspannung sowie die Friedensliebe Kaiser Ferdinands I. und der führenden Reichsfürsten verhinderten ein Übergreifen der Religionskriege auf das Reich, unterbanden aber auch im Verein mit dem unüberwindlichen Mißtrauen zwischen den beiden Religionsparteien jede energische Außenpolitik. Maximilian II., der ohne ernstliche Schwierigkeiten 1562 zum römischen König gewählt worden war und 1564 seinem Vater als Kaiser folgte, machte zwar einen Anlauf zur Stärkung der kaiserlichen Gewalt, der Wehrkraft und der Geltung Deutschlands, den jedoch seine Unbeständigkeit, seine schwankende religiöse Haltung 1 ) und vor allem seine Ohnmacht von vornherein zum Scheitern verurteilten. Sein Vorstoß gegen den verhaßten Calvinismus, der Gedanke an eine Ausschließung des Kurfürsten von der Pfalz aus dem Religionsfrieden, auf dem Reichstag von 1566 wurde von den Lutheranern abgeschlagen, verschärfte indes die konfessionelle Spannung noch mehr. Zu einer wirklichen Bedrohung des Friedens im Reich wuchsen sich die Grumbachschen Händel aus. Sie wurzelten in dem alten Gegensatz zwischen der ernestinischen und albertinischen Linie des Wettinerhauses. Auf Anstiftung des fränkischen Ritters Wilhelm von Grumbach trug sich Herzog Johann Friedrich der Mittlere von Sachsen, der Sohn des ehemaligen Kurfürsten, mit der Absicht, seinem Vetter August die Kur und die Kurlande wieder zu entreißen. Sowohl der Ritter wie sein fürstlicher Patron waren Pensionäre der Krone Frankreich und suchten ihre abenteuerlichen Pläne durch Verbindung mit lothringisch-schwedischen Machinationen gegen das dem Albertiner verschwägerte dänische Königshaus durchzusetzen und einen allgemeinen Brand zu entzünden. Die Ächtung des Herzogs, die Einnahme seiner Hauptstadt Gotha und Grumbachs Hinrichtung machten im Frühjahr 1567 dem wahnwitzigen 1 ) Er hatte starke lutherische Neigungen und sie vor seinem Regierungsantritt auch öffentlich bekundet. Um nicht von der Thronfolge ausgeschlossen zu werden, blieb er äußerlich Katholik, sowohl aus Charakterschwäche wie auch deshalb, weil er von den evangelischen Fürsten keine Unterstützung zu erwarten hatte. Er wollte es mit keiner Partei verderben und nahm einen vermittelnden Standpunkt ein. Wie er der alten Kirche seinen Schutz gewährte, so ließ er anderseits dem Luthertum freien Lauf. Da er sein eigentliches Ziel, eine Wiedervereinigung des Luthertums mit der katholischen Kirche als unausführbar erkannte, trat er wenigstens für ein friedliches Nebeneinander ein. Während O . H . H o p f e n (Kaiser Maximilian II. und der KompromiQkatholizismus, München 1895) in Anlehnung an S t i e v e einen „Kompromißkatholizismus'* bei ihm annimmt, führt V. B i b l (Zur Frage der religiösen Haltung Maximilians Tl. im Archiv für österr. Geschichte Bd. 106) seine religiöse Stellung auf erasmische Anschauungen zurück. Zu seiner Haltung bis 1564 vgl. R. H o l t z m a n n , Kaiser Maximilian II. bis zu seiner Thronbesteigung (Berlin 1903). — Uber die auf Ferdinand 1. zurückgehenden Versuche, die Kreisverfassung zu einem Organ der kaiserlichen Machtstellung umzugestalten vgl. neuerdings C. E r d m a n n in der Histor. Vierteljahrsschr. 24.

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Treiben ein Ende. Unter diesen Umständen und angesichts der westeuropäischen Kämpfe fanden die Gerüchte von konfessionellen Ausrottungsbündnissen in Deutschland einen besonders günstigen Nährboden. Sie enthielten insofern einen wahren Kern, als wirklich in beiden Lagern Neigungen und Bestrebungen zu religiös-politischen Allianzen vorhanden waren. Die von Rom wiederholt angeregte Koalition der katholischen Mächte blieb wegen des spanisch-französischen Gegensatzes eine Schimäre, aber die spanischen Staatsmänner lehnten sie auch deshalb ab, weil sie davon einen umfassenden protestantischen Gegenbund befürchteten. Ein solcher, wie er 1569 den evangelischen deutseben Fürsten auch englischerseits vorgeschlagen wurde, war bei ihrer Zwiespältigkeit und Schwerfälligkeit von Anfang an aussichtslos, nicht einmal untereinander vermochten sie sich zusammenzuschließen. Nicht anders war es bei ihren altgläubigen Standesgenossen. Die bayerischen Bestrebungen, den ursprünglich auf Süddeutschland beschränkten Landsberger Bund zu einem allgemeinen konservativen Schutzbündnis auszugestalten, hatten ebensowenig Erfolg wie die hiermit verflochtenen Bemühungen Albas um die Begründung eines festen katholischen Blockes von Bayern über das Rheintal bis zu den Niederlanden. Sie scheiterten an der Uneinigkeit der Fürsten und an dem Widerstreben Maximilians II., der seinen stets argwöhnisch betrachteten spanischen Vetter im Reich nicht übermächtig werden lassen wollte. Anderseits bestimmten ihn seine dynastischen Interessen und die Hoffnung auf eine Beerbimg der spanischen Habsburgerlinie, gute Beziehungen zu Philipp aufrechtzuerhalten. Deshalb hatte er bereits 1563 seine beiden ältesten Söhne zur Erziehung nach Madrid geschickt; als 1568 Philipps französische Gemahlin starb, wurde seine vierte Ehe mit der ältesten Kaisertochter vereinbart. Diesen dynastischen Berechnungen zuliebe griff Maximilian auch nicht nachdrücklich in die niederländischen Wirren ein, obwohl nicht nur die protestantischen, sondern auch die katholischen Reichsstände einen solchen Schritt wünschten. Er nahm es ruhig hin, daß der König seine Vermittlungsangebote 1566 und 1568 schroff zurückwies. Durch diese schwächliche Halbheit minderte er den zweifelhaften Anspruch des Reiches auf Gehör in der flandrischen Frage, und die fortwährenden Truppenwerbungen und Durchzüge, gegen die sich alle Maßnahmen der Reichs- und Kreistage alB nutzlos erwiesen, wurden zu einer harten Geißel für die betroffenen Gebiete. Der einzige Fürst, der sich wirklich in die westeuropäischen Kämpfe einmischte, war Kurfürst Friedrich der Fromme von der Pfalz (1559 bis 1576). Mit seinem Übertritt zum Calvinismus war auch der Geist calvinistischer Weltpolitik am Heidelberger Hofe eingezogen, und schon durch die geographische Lage war der Pfälzer weit mehr durch die Geschehnisse im Westen berührt und bedroht als die weit vom Schuß sitzenden mittel- und norddeutschen Herren. Im Gegensatz zu den Lutheranern gab er sich über die dem deutschen Protestantismus drohenden Gefahren keinen Täuschungen hin, aber zu einem selbständigen

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und erfolgreichen Auftreten reichten die Kräfte und Mittel des isolierten Kleinfürsten nicht aus. Unter dem Einfluß seines zweiten Sohnes Johann Kasimir nahm die pfälzische Politik einen unsteten und abenteuerlichen Charakter an. Im Dezember 1567 zog Johann Kasimir mit ungefähr 10000 Mann den Hugenotten zu Hilfe. Obwohl er keine Erfolge errang, glich sein Erscheinen das Übergewicht der katholischen Waffen aus und verstärkte die Friedenssehnsucht der Königin, so daß sie in dem Frieden von Longjumeau (23. März 1568) das Edikt von Amboise ohne Einschränkung wiederherstellte. Literatur. W. Goetz, Maximilians II. Wahl zum römischen König. Würzburg 1891. Nuntiaturberichte aus Deutschland II (1560—1572) Bd. V, bearbeitet von J. P. Dengel. Wien und Leipzig 1926. F. O r t l o f f , Geschichte der Grumbachischen Händel. 4 Bde. Jena 1868/70.

§ 25. Die Zuspitzung in Westeuropa 1668—1570. 1568 eröffnete Oranien von Deutschland aus den Kampf gegen Alba, der sich zu einem 80jährigen Ringen auswachsen sollte. Im April schickte er die von ihm geworbenen Truppen in zwei Haufen über die Grenze. Der erste wurde von den Spaniern auf Jülicher Gebiet zurückgeworfen und hier aufgerieben, der zweite unter Ludwig von Nassau drang von Ostfriesland zunächst siegreich bis Groningen vor, wurde aber am 21. Juli von Alba bei Jemgum auf ostfriesischem Boden vernichtet. Zur Abschreckung war kurz zuvor in Brüssel das Todesurteil an Egmont und Hoorne vollstreckt worden. Jedoch Oranien ließ sich nicht so schnell entmutigen; an der Spitze eines bunt zusammengewürfelten Heeres von etwa 30000 Mann rückte er selbst im September in die Niederlande ein. In seinem Manifest erklärte er sich zum Vorkämpfer „der Freiheit des Vaterlandes" und rief die Niederländer nach dem Vorbild der Hugenotten nicht gegen ihren rechtmäßigen Herrscher, sondern gegen den Mißbrauch seiner Gewalt durch die landfremden Spanier auf. Als Bein Ziel bezeichnete er die Vertreibung Albas und den Zusammentritt der Generalstände. Da Alba, der ihm an Truppenzahl nicht gewachsen war, es auf eine Schlacht nicht ankommen lassen wollte, gelang es Wilhelm, bis nach Brabant vorzustoßen. Aber die Erhebung in den Provinzen, auf die er gerechnet hatte, blieb aus, er hatte keine Operationsbasis, und die Zersetzung Beines Heeres sowie die überlegene Feldherrnkunst Albas zwangen ihn schon bald zum Rückzug. Der Versuch, von Deutschland aus die Rückkehr nach den Niederlanden zu erkämpfen und Alba zu stürzen, war gescheitert. Um seine Armee für die Sache des Protestantismus nutzbar zu machen, wandte er sich im November 1568 mit ihren Trümmern nach Frankreich. Hier war im September der Krieg aufs neue entbrannt. Während das Hugenottentum durch seine Entwicklung zur politischen Partei, durch die unaufhörlichen Kämpfe und das Einreißen von Zucht- und Sittenlosigkeit seine religiöse Stoßkraft mehr und mehr einbüßte, waren dem Katholizismus durch die Reformtätigkeit der Jesuiten neue äußere

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und innere Kräfte zugeführt worden. Der Friedensbruch der Hugenotten im Jahre 1567 hatte ihnen in der öffentlichen Meinung wie am Hofe starken Abbruch getan. Die katholische Partei, deren Führung jetzt Karls IX. Bruder Heinrich von Anjou übernahm, setzte im Frühjahr 1568 die Entfernung L'Höpitals, im September die Aufhebung des Friedensediktes durch. Wiederum erhielt sie von Spanien, aus Italien und jetzt auch von Alba und dem Papste Truppenhilfe. Der Kardinal von Lothringen faßte schon damals eine Verschmelzung von Frankreich und Spanien ins Auge. Um sich, seinem Hause und seiner Sache den Schutz Philipps II. zu sichern, schlug er für den Fall, daß Karl IX. und seine Brüder kinderlos sterben sollten, die Ausschließung der Bourbonen vom Thron und die Übertragung der französischen Krone an den katholischen König auf Grund des Erbrechtes seiner Gemahlin vor. Gegenüber dieser Koalition sahen sich die Hugenotten auf die Unterstützung Oraniens und den Zuzug eines deutschen Hilfsheeres unter Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken beschränkt. England hielt sich noch zurück. Weder durch die Bitten der Hugenotten und Oraniens noch durch die Kriegspartei im eigenen Lande, die an einen Wiedergewinn von Galais dachte, ließ sich Cecil aus seiner klugen Neutralitätspolitik drängen. Aber die Beziehungen zwischen England und Spanien spitzten sich unverkennbar zu. Seit 1564 befanden sich die beiden Staaten in einem Handelskrieg. Dadurch, daß die Merchant Adventurers 1569 ihren Stapelplatz auf dem Kontinent von Antwerpen nach Hamburg verlegten 1 ), wurde nicht nur der Stadt Antwerpen, sondern den ganzen spanischen Niederlanden ein schwerer wirtschaftlicher Schaden zugefügt. Die Meergeusen, d. h. die flüchtigen niederländischen Seefahrer, wurden in England mit Raubschiffen ausgerüstet und fanden vor der spanischen Verfolgung in den britischen Häfen eine Zuflucht. Die Überfälle englischer Seeräuber auf die spanischen Kolonien und die Silberflotten mehrten sich, Ende 1568 wurden spanische Schiffe mit Goldsendungen für Alba abgefangen und die Ladung in den Tower gebracht. Philipps Beschwerden und Repressalien fruchteten nichts, anderseits ließ es sich die Königin gefallen, daß ihr Gesandter als Ketzer aus Spanien ausgewiesen wurde; von einem Bruch hielt beide das große Risiko ab. Vor allem der Gegensatz zu Maria Stuart trieb Elisabeth, ob sie wollte oder nicht, immer mehr in das antispanische Lager. Im Oktober 1569, kurz nach der Niederlage der Hugenotten bei Moncontour, unternahm der katholische und konservative Adel Nordenglands, geführt von dem Herzog von Norfolk, einen gewaltsamen Versuch zum Sturz der Regierung und zu Marias Befreiung, der schnell niedergeworfen und blutig gerächt wurde. Philipp II., der ebenso wie die Kurie in den Plan eingeweiht 1 ) Ursprünglich war unternommener Versuch Handelsverbotes; vgl. B. XVI. Jahrhundert. Berlin

Emden in Aussicht genommen worden, aber ein 1564 schlug fehl, namentlich wegen des niederländischen H a g e d o r n , Ostfrieslands Handel und Schiffahrt im 1910.

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war, hielt in seiner Zauderpolitik den Zeitpunkt zum aktiven Eingreifen noch nicht für gekommen. Der Papst dagegen befahl die Eröffnung des Prozesses gegen Elisabeth. Am 25. Februar 1571 schleuderte er den Bannstrahl „gegen die angemaßte Königin von England und ihren ketzerischen Anhang" und entband ihre Untertanen vom Gehorsam. Dem Habsburger, der nicht befragt wurde, war diese Kriegserklärung äußerst unerwünscht, ausdrücklich ließ er der Verfemten sagen, keine Erklärung des Papstes habe ihm so mißfallen wie diese. Maximilian II. bemühte sich sogar in Rom um den Widerruf der Bulle, natürlich vergebens. Für die innerenglische Entwicklung hatte diese „höchste Kraftanstrengung der Gegenreformation" 1 ) die Wirkung, daß das katholische Bekenntnis fortan als staatsgefährlich betrachtet und die seit 1568 begonnene Katholikenverfolgung aus politischen Gründen zum System erhoben wurde. In der internationalen Politik dagegen erwies sich die Bannbulle als ein völliger Fehlschlag. Kein katholischer Staat brach die Beziehungen zu Elisabeth ab, und die von dem Nuntius in Madrid befürwortete Anregung, den Bann in Form einer Kontinentalsperre zu vollstrecken, lehnte Philipp mit Recht als unausführbar ab. Indes bald darauf beteiligte er sich mit dem Papst an der von dem Florentiner Ridolfi angezettelten Verschwörung gegen die Königin, die Elisabeth lebend oder tot in die Hände bekommen wollte aber rechtzeitig entdeckt wurde. Ob und wann dieser versteckte Kampf zum offenen Ringen führen würde, hing sowohl von den beiderseitigen Kräften wie von der europäischen Konstellation ab. Der Bürgerkrieg in Frankreich war zunächst für die Protestanten sehr ungünstig verlaufen. Sie erlitten im Felde empfindliche Niederlagen (bei Jarnac 13. März, bei Moncontour 3. Oktober 1569), und Oranien mußte Anfang 1569 vor der Wut seiner unbezahlten Truppen nach Deutschland zurückkehren. Anderseits war Alba durch die Meergeusen, die Hugenotten und die Pfälzer von Spanien und Italien abgeschnitten und in größter Geldnot. Die Hauptbasis der Hugenotten, La Rochelle, wurde vom Meer aus von englischen und niederländischen Seeräubern unterstützt und blieb darum unbezwingbar. Colignys geschickte Kriegführung machte eine völlige Niederwerfung der Hugenotten unmöglich, dazu kam, daß der alte Gegensatz zwischen Katharina und den Guisen nach ihren Anfangssiegen wieder hell entfacht war. Aus persönlichen, politischen und militärischen Gründen entschloß sich die Königin zum Einlenken : Am 8. August 1570 wurde, ungeachtet des päpstlichen Einspruches, durch das Edikt von St. Germain der innere Friede wiederhergestellt und den Hugenotten als Unterpfand vier Sicherheitsplätze, La Rochelle, Montauban, La Charité und Cognac eingeräumt. >) Cambridge Modern History III, S. 282. Wie A. O. Meyer, England und die katholische Kirche, S. 243, darlegt, hat Pius V. seinen Schritt anscheinend nachträglich bedauert.

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§ 26. Die Bartholomäusnacht. Ein jäher Umschwung der französischen Politik folgte. Von jeher hatte die Mediceerin in ihrer Außenpolitik zwischen den zwei Polen, dem katholischen Kurs im Anschluß an Philipp II. und der antispanischen Richtung mit Anlehnung an England und die deutschen Protestanten hin- und hergeschwankt. Bereits vor dem zweiten Religionskrieg, Anfang 1567, hatte sie den evangelischen Reichsfürsten ein Bündnis angeboten und noch früher eine Verbindung mit England durch die Vermählung ihres Lieblingssohnes Heinrich von Anjou mit Elisabeth ins Auge gefaßt. Wie jeder Vergleich mit den Hugenotten hatte auch das Edikt von St. Germain den katholischen König gereizt, während Katharinas alte Besorgnisse vor einer Ubermacht Spaniens durch die Verhandlungen über eine Türkenliga neue Nahrung erhielten. Daß Philipp II. jetzt die für Karl IX. ausersehene Kaisertochter heiratete und dieser sich mit ihrer jüngeren Schwester begnügen mußte, empfand die Königin als persönliche und politische Kränkung. Diese Stimmung wußten die Hugenottenführer auszunutzen. Coligny glaubte den Zeitpunkt gekommen, um seine Lebensaufgabe, das Königtum und Frankreich für den Protestantismus zu gewinnen, endlich zu erfüllen. Hierzu schlug er einen scheinbaren Umweg, den über die Außenpolitik, ein. Und doch war es nach Lage der Dinge der einzig mögliche Weg. Denn wie konnte das Hugenottentum die kirchliche Gleich- oder gar die Alleinberechtigung in Frankreich erkämpfen, solange das Land von dem Spanien Philipps II. eingeschlossen war? Nicht die französischen Katholiken, sondern der katholische König war für Coligny und seine Sache der gefährlichste Gegner. Er war es, der jenen immer wieder den Rücken gesteift, Beistand gewährt und damit die Führung der Bürgerkriege erst ermöglicht hatte. Das nationale und das hugenottische Interesse flössen in dem Gegensatz zu Philipp II. in ein Bett zusammen, beide erheischten die Sprengung der spanisch-habsburgischen Einkreisung. Erst wenn sie erreicht war, konnte Frankreich an seinen Grenzen, der Protestantismus im Lande sich frei regen und beide ihren Expansionsdrang betätigen. Unter diesem Gesichtswinkel hatte der Admiral die Bürgerkriege von Anfang an betrachtet und schon in den 60er Jahren einen Versuch gemacht, die spanische Vorherrschaft nicht nur in Europa, sondern auch in der Neuen Welt zu erschüttern durch die Ansiedlung von Hugenotten in Brasilien und Florida. Aber das Fehlen einer französischen Seemacht hatte diesen ersten kolonialen Vorstoß schnell zum Scheitern gebracht, die französischen Niederlassungen waren 1565/68 den Spaniern und Portugiesen zum Opfer gefallen. Jetzt, nach dem Frieden von St. Germain, richtete Coligny alle seine Anstrengungen darauf, das protestantische und das national-französische Bedürfnis zu vereinigen und Frankreich an die Spitze des antispanischen Europa zu stellen. Der flandrische Aufstand bot eine unvergleichliche Gelegenheit dazu. Mehr als je war der Admiral davon durchdrungen, daß

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der innere Friede nur durch eine Ablenkung der Gärung nach außen gewahrt werden könne. Daß die Kräfte der Hugenotten und Frankreichs allein zu einem Unternehmen gegen Spanien nicht ausreichten, hatte er sich nie verhehlt und war darum stets für ein Zusammengehen mit dem evangelischen Ausland eingetreten. Gelang es einen antispanischen Block zustande zu bringen, und kam es dann wirklich zu einem Entscheidungskampf mit König Philipp, so war die französische Außenpolitik in das Fahrwasser des Protestantismus gedrängt, die Stellung des Hugenottentums gewaltig gestärkt und sein Endsieg wesentlich erleichtert. Die Aussichten in Europa schienen günstiger als je zuvor. Oranien und seine Freunde suchten die französische Allianz förmlich, die englische Regierung ging auf die Eheverhandlungen ein, um daran einen Rückhalt gegen die von Maria Stuart und Spanien drohenden Gefahren zu haben, in Deutschland erstrebte sogar der konservative Kursachse in seinem Gegensatz zu den Ernestinern eine Anlehnung an die Valois, und in Italien knüpfte Cosimo Medici, der durch seine vom Papst vollzogene Erhebung zum Großherzog von Toskana (1569) mit den Habsburgern zerfallen war, mit Frankreich an. Im Januar 1571 sprach Karl IX. zu den Hugenottenführern von der Notwendigkeit, als Gegengewicht gegen die päpstlich-spanische Türkenliga ein Bündnis mit England und den deutschen Protestanten abzuschließen. Mit dem neuernannten britischen Gesandten Francis Walsingham kam ein überzeugter Verfechter dieser Politik an den Hof, und im Mai gingen förmliche Anträge an die deutschen Fürsten ab. Gleichzeitig betrieb Katharina die Heirat ihrer jüngsten Tochter Margarete mit dem Sohne Antons von Bourbon und Jeanne d'Albrets, dem calvinistischen König Heinrich von Navarra, wenn auch mit dem Hintergedanken, dadurch die Hugenotten zu spalten. Im Juli 1571 hatte Ludwig von Nassau geheime Zusammenkünfte mit Karl IX., in denen er ihn durch Verheißung territorialer Vergrößerung zum Eingreifen in den Kampf gegen Alba hinzureißen suchte. Katharina wußte er zu ködern dadurch, daß er ihr als Preis eines niederländischen Feldzuges den Gewinn der Kaiserkrone für einen ihrer Söhne in Aussicht stellte. Eben jetzt tat sie die ersten tastenden Schritte, ihrem Hause das Erbe der erlöschenden Jagellonendynastie zu verschaffen. Gelang das Vorhaben und ebenso die Brautwerbung in London, so war der Traum einer französischen Universalmonarchie seiner Verwirklichung näher gerückt. Die unerläßliche Voraussetzung aller dieser Entwürfe war, wie die Räte des Königs immer wieder betonten, die Allianz mit England und den deutschen Fürsten. Die britischen Staatslenker vermieden freilich jetzt wie stets eine feste Bindung, bereits im April hatten sie die Beteiligung an dem flandrischen Unternehmen abgelehnt. Auch Katharina war weit davon entfernt, unwiderrufliche Zusagen zu geben. Aber als Coligny im September 1571 am Hof erschien und schnell einen beherrschenden Einfluß auf den unselbständigen Monarchen erlangte, kam die französische

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Politik immer mehr in die protestantisch-antispanische Richtung. Die Heirat Margaretes mit Navarra wurde abgemacht, zu Wasser und zu Lande eifrig gerüstet. Am 19. April 1572 wurde zwischen Karl IX. und Elisabeth der Vertrag von Blois unterzeichnet, in dem sie sich auf Lebenszeit gegenseitigen Beistand gegen einen Angriff, handelspolitisches Zusammengehen und eine gemeinsame Regelung der schottischen Wirren zusicherten. Damit war England von der Gefahr einer französischschottischen Koalition befreit und zugleich unzweideutig von Spanien abgeschwenkt, indes zu einem Kriegsbündnis gegen Philipp II., wie es die Hugenotten, die Nassauer und Walsingham erstrebten, wollte sich Elisabeth nicht verstehen. Kurz zuvor, am 1. März, hatte sie den Seegeusen die Räumung der englischen Häfen befohlen, aber unter stillschweigender Duldung der Hafenbehörden blieben sie bis zum Ende des Monats und bemächtigten sich am 1. April durch einen kühnen Handstreich des holländischen Hafens Den Briel (Brielle) in der Maßmündung. Die benachbarten Orte öffneten ihnen die Tore, allen voran Vlissingen, der Schlüssel zu Antwerpen. Ein spanischer Versuch zur Wiedereroberung schlug fehl, da die Aufständischen sofort aus England und Frankreich Verstärkungen erhielten. Die französischen Grenztruppen wurden mobilisiert, die französische Flotte lag zum Auslaufen an der Westküste bereit. Am 19. Mai brach Ludwig von Nassau mit einem hugenottischen Heer von Paris auf und nahm am 23. Valenciennes, tags darauf Möns. Freilich wurde Valenciennes schon nach wenigen Tagen von den Spaniern zurückerobert und Ludwigs Armee in Möns eingeschlossen, was die hochgespannten Hoffnungen Colignys und seiner Freunde dämpfte. In England regte sich jetzt die Besorgnis vor einer französischen Suprematie über die Niederlande, die für die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Inselreiches ungleich bedrohlicher war als die spanische Herrschaft. Anfang Juni erklärte ein britischer Abgesandter dem Admiral, England könne es nicht zulassen, daß Frankreich die flandrischen Gebiete an sich reiße. Der Plan der Anjou-Heirat war an der Religionsfrage gescheitert, so daß Katharina nunmehr ihren jüngsten 17jährigen Sohn Franz von Alengon der 39jährigen Tudor als Gemahl vorschlug. Die Bündnisverhandlungen in Deutschland hatten ein kümmerliches Ergebnis gezeitigt, wirklich bereit waren wiederum nur die Pfälzer, die lutherischen Fürsten lehnten ab oder stellten unannehmbare Bedingungen. Während so Coligny von außen keine Unterstützung zu erwarten hatte, boten seine Gegner am Hof im Zusammenwirken mit den katholischen Mächten alles auf, um ihn und seine Politik zu Fall zu bringen und den Krieg zu verhindern, den auch Katharina von Anfang an nicht wollte. Den Todesstoß erhielt die hugenottische Sache, als am 17. Juli 1572 ein französisches Hilfskorps für Ludwig von Nassau unter Genlis von Albas Sohn unweit Möns bei St. Ghislain aufgerieben wurde. Damit war die spanische Übermacht in den Niederlanden wiederhergestellt, die englischen Schiffe zogen sich von Vlissingen zurück. Am 9. August

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verwarf der französische Staatsrat jede Unterstützung der Niederländer. Vergebens suchte Coligny den Krieg gegen Spanien doch noch durchzusetzen und seinen Einfluß auf Karl IX. zu behaupten, er fachte dadurch nur Katharinas alte Eifersucht zu hellster Lohe an. Sie sah sich von ihm in ihrer Alleinherrschaft bedroht, um die Macht im Staat nicht zu verlieren, griff sie zum Meuchelmord. Aber der Schuß, den sie am 22. August auf den Admiral abfeuern ließ, ging wider Erwarten fehl, er wurde bloß verwundet, nicht getötet und behielt das Vertrauen des Königs. Drohend forderten die Hugenotten, die sich zur Hochzeit Navarras in großer Anzahl in Paris eingefunden hatten, Genugtuung und Bestrafung des Täters, die Gärung in der Hauptstadt schwoll gefährlich an, da sah die Mediceerin keinen anderen Ausweg, als alles auf e i n e Karte zu setzen und mit Coligny seine ganze Partei zu vernichten. Sie verband sich mit dem Fanatismus der Pariser Bevölkerung und dem Rachedurst der Guisen zu der grauenhaften Massenschlächterei der Bartholomäusnacht (23./24. August 1572), der mit Coligny Tausende seiner Glaubensgenossen zuerst in Paris, dann im ganzen Land zum Opfer fielen1). Die alte von den Zeitgenossen übernommene Anschauung, daß die Bluthochzeit die Ausführung eines längst, vielleicht in Bayonne gefaßten, mit allen Künsten der Verstellung vorbereiteten Planes gewesen sei, ist durch die neuere Forschung widerlegt. Gewiß hat Katharina schon früher mit dem Gedanken einer meuchlerischen Lösung des inneren Konfliktes gespielt, aber zum festen Entschluß wurde er erst nach dem mißglückten Attentat auf den Admiral. Die Motive zu ihrer Tat sind rein persönlich-politischer Natur. Der Papst und Philipp II. haben keinen Anteil daran gehabt, so sehr sie auch die Vernichtung der Hugenotten wünschten und priesen*). Dagegen fand die Königin einen Bundesgenossen in den konfessionellen Leidenschaften der katholischen Massen, deren Mitwirkung dem Morden erst die entsetzliche Ausdehnung auch in den Provinzen gab. Die Bartholomäusnacht ist die furchtbarste Ausgeburt des religiösen Fanatismus, die die neuere Geschichte kennt. Jedoch war es nicht nur die Konfession, die die Hugenotten von der Mehrheit ihrer Landsleute schied. Gegen ihre Absonderung von der nationalen Lebensart, gegen die eigene politisch-militärische Organisation, die sie sich geschaffen und der Friede von 1570 sanktioniert hatte, bäumte sich der im französischen Volkscharakter verwurzelte Zug zur Einheit auf. Insofern war die Glaubenstrennung zugleich ein Problem der Geschlossenheit und der Macht des Staates. Ob eine Protestantisierung Frankreichs nach 1570 noch möglich und Colignys Programm durchführbar war, muß ') Die genauen Zahlen stehen auch hier nicht fest. Nach der niedrigsten Schätzung kamen in Paris 2—3000, in den Provinzen 12—20000 Hugenotten um. ') Die neuerdings von L. R o m i e r (Revue du Seizième Siècle I.) und H i r s c h a u e r aufgeworfene Frage, ob der Plan des Massenmordes schon vor dem August 1572 von den Guisen gefaßt und der Kurie mitgeteilt worden ist, ist noch nicht endgültig geklärt.

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doch sehr fraglich erscheinen. Selbst wenn es ihm gelungen wäre, Katharina auszuschalten und den König dauernd unter seinem Einfluß zu halten, hätte dieser bei der Schwäche der Krone seinem Lande keine von der Mehrheit verworfene Politik und Konfession aufzwingen können. Literatur. H. Baumgarten, Vor der Bartholomäusnacht. Straßburg 1882. W. P l a t z h o f f , Frankreich und die deutschen Protestanten 1570—1573. Mönchen 1912. A. Ph. v. Segesser, Ludwig Pfyffer. V. Bibl, Die Erhebung Herzog Cosimos von Medici zum Großherzog von Toskana und die kaiserliche Anerkennung 1569—1576. (Arch. f. österr. Gesch. 103.) C. Hirschauer, La politique de saint Pie V. en France 1566—1572, Paris 1922. W. P l a t z h o f f , Die Bartholomäusnacht (PreuB. Jahrb. 150), Die Bartholomäusnacht im Lichte der Jahrhunderte („Vergangenheit und Gegenwart 1912").

§ 27. Die türkische Expansion in Ungarn and im Mittelmeer. Gleichzeitig und nicht ohne Zusammenhang mit den westeuropäischen Kämpfen entzündete sich im Osten und Süden der Krieg gegen den Islam aufs neue. Ebensowenig wie der Franzosen und Lutheraner war Karl V. der Türken Herr geworden und hatte den Austrag des großen Ringens sowohl Beinem Sohn als seinem Bruder hinterlassen. Der 8jährige Friede, den Ferdinand I. 1562 mit den Osmanen abschloß, legte ihm schwere Opfer auf. Neben der schimpflichen Tributzahlung mußte er dem Sultan Temesvar und das Land südlich der Maros abtreten und seinen Ansprüchen auf Siebenbürgen feierlich entsagen. Aber der Vertrag dauerte nicht einmal die vorgesehene Frist. Den österreichischen Thronwechsel von 1564 benutzte Fürst Johann II. Zapolya von Siebenbürgen, um seine Herrschaft über Nordungarn auszudehnen. Wie stets hatte er sich dabei der Unterstützung seineB türkischen Lehnsherren zu erfreuen; als dieser von dem siegreichen kaiserlichen Heer den bedingungslosen Rückzug aus den eroberten Gebieten verlangte, brach der Krieg wieder aus. Auf dem Augsburger Reichstag von 1566 setzte Maximilian II. bei den Reichsständen eine ungewöhnlich hohe Türkenhilfe durch, auch Spanien und die italienischen Fürsten steuerten Truppen oder Geld bei. Trotzdem war die kaiserliche Armee zu einer Offensive nicht imstande und blieb untätig, als der 75jährige Sulejman sich vor der von Zriny heldenmütig verteidigten Feste Sziget festrannte und drei Tage vor ihrer Erstürmung plötzlich starb (5./6. September 1566). Auf die Friedensanträge seines Sohnes Selim II. ging Maximilian bereitwillig ein. Im Februar 1568 wurde in Adrianopel unter Aufrechterhaltung des Tributes und mit einigen Gebietsverschiebungen zuungunsten Österreichs ein neuer Waffenstillstand auf 8 Jahre vereinbart, der wiederholt verlängert wurde. Länger und erbitterter wurde zur See gefochten. Gegen die unaufhörlichen Raubzüge der maurischen Freibeuter, denen die türkische Flotte zu Hilfe kam, war 1559 von Philipp II., dem Papst, Florenz, Genua und dem Johanniterorden eine christliche Armada unter dem Oberbefehl Andrea Dorias ausgerüstet worden. Sie wurde im Mai 1560 bei dem Versuch, die kleine, aber strategisch wichtige Insel Dscherbe an der nord-

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afrikanischen Küste zurückzuerobern, von den Türken überrascht und nahezu vernichtet. Durch den Sieg ermutigt, unternahm Sulejman im Mai 1565 einen großen Vorstoß, um die Insel Malta, den Schlüssel zum westlichen Mittelmeer in seine Hand zu bringen. Der Johanniterorden, dem Karl V. das Eiland geschenkt hatte, setzte unter seinem Hochmeister La Valette, vom Papst und den italienischen Fürsten unterstützt, der Belagerung monatelang einen tapferen Widerstand entgegen. Als im September die verheißene spanische Hilfsflotte endlich erschien, gaben die durch Verluste und Krankheiten stark dezimierten Osmanen das Unternehmen auf. Um die Niederlage auszuwetzen, entrissen sie 1566 den Genuesen durch einen Überfall die Insel Chios. Zugleich richtete Sulejman sein Augenmerk auf das letzte christliche Bollwerk im östlichen Mittelmeer, auf das den Venetianern gehörende Zypern. Hinter seinem Angebot an den Herzog von Savoyen von 1564, ihm in einem gemeinsamen Krieg die Insel zu erobern, verbarg sich nur die eigene Absicht. Selim II. griff den Plan seines Vaters wieder auf, unter dem Einfluß seines Hofjuden Jussuf Nassi, der zu dem ihm schon verliehenen Naxos auch mit Zypern belehnt zu werden hoffte. Vergebens suchte der Großvezier Sokoli den Ehrgeiz des Sultans auf Spanien zu lenken und ihn zur Unterstützung der aufständischen Moriskos zu bestimmen. Eröffnete sich hier die Aussicht, durch ein gemeinsames Vorgehen mit den Mauren in Granada und Nordafrika den gefährlichsten Feind des Islams zu treffen und die Herrschaft des Halbmondes auch im westlichen Mittelmeer aufzurichten, so war der Angriff auf Zypern nicht so vielversprechend, aber auch mit keinem großen Risiko verknüpft, zumal als 1569 die Kunde von dem Brand des venezianischen Arsenals und von einer Mißernte in Italien einlief. Anfang 1570 wurden das Eigentum und die Handelsschiffe der Republik in Konstantinopel beschlagnahmt und gleichzeitig die sofortige Abtretung der Insel gefordert. Der Senat lehnte das Ultimatum ab und entschied sich für den Krieg. Beide Teile sahen sich nach Bundesgenossen um. Sokoli suchte den alten Freund der Pforte, Frankreich gegen Spanien mobil zu machen. Wenn er in diesem Zusammenhang die Bewerbung Heinrichs von Anjou um die polnische Krone und die Heirat Margaretes von Valois mit dem Fürsten von Siebenbürgen anregte, so zielte er damit auf einen umfassenden westosteuropäischen Block gegen Habsburg. Karl IX. aber konnte schon wegen der innerpolitischen Lage auf so weitausschauende Projekte nicht eingehen, er verweigerte dem türkischen Gesandten die Einreise. Die Venetianer dagegen fanden einen energischen Vertreter ihrer Hilfsgesuche in Papst Pius V., der mit leidenschaftlicher Glut in dem Kreuzzuggedanken lebte und jetzt seinen Lieblingsplan einer allgemeinen christlichen Liga gegen den Unglauben zu verwirklichen hoffte. Er erstrebte eine Generaloffensive gegen den Islam, mit dem Flottenangriff Südeuropas sollte ein Landkrieg der germanischen und slawischen Staaten Hand in Hand gehen. Überall hat er dafür geworben, ohne die

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UnauBführbarkeit seines Vorhabens zu erkennen. Wie Rußland und Polen, lehnten auch der Kaiser, Frankreich und Portugal ab. Sogar die Venetianer wünschten kein Angriffsbündnis gegen die Pforte, sondern lediglich militärische Unterstützung zur Behauptung Zyperns, wofür nach Lage der Dinge neben dem Papst nur Spanien in Betracht kam. Die spanischen Staatsmänner waren nicht abgeneigt. Denn sosehr sie Venedig mißtrauten und durch eine plötzliche Verständigung der Republik mit dem Sultan überrascht zu werden befürchteten, so wußten sie doch anderseits, daß sie allein einer türkischen Offensive im Mittelmeer und in Nordafrika nicht gewachsen waren und eine Niederwerfung S. Marcos auch für sie schwere Gefahren in sich schloß. Indes verlangten sie den Oberbefehl, die Ausdehnung des casus foederis auf Nordafrika und päpstliche Zugeständnisse in der Besteuerung des spanischen Klerus und in dem Verkauf geistlicher Privilegien, der sog. cruzada. Nach langem Verhandeln und Feilschen kam am 20. Mai 1571 der Dreibund zwischen dem Papst, Spanien und Venedig unter diesen Bedingungen zustande. Inzwischen war der größte Teil Zyperns schon gefallen und die türkische Flotte in die Adria vorgedrungen. Es dauerte noch bis zum September 1571, bis die christliche Armada unter Philipps Halbbruder Don Juan d'Austria, dem der Papst die heilige Fahne des Kreuzzugs verlieh, von Messina in See stach. Am 7. Oktober 1571 traf sie bei Lepanto bei der Inselgruppe der Curzolaren auf die Osmanen, zwang sie zur Schlacht und brachte ihnen nach heißem Kampf eine völlige Niederlage bei. Damit war ihnen der Nimbus der Unbesieglichkeit genommen, während der spanische Stolz ins Unermeßliche stieg. Vom Tage von Lepanto datiert der Niedergang der türkischen Seemacht. Hierauf beschränkt sich aber die Bedeutung der Schlacht. Über die Frage der Mittelmeerherrschaft hat sie nicht entschieden, da die Uneinigkeit der Verbündeten eine Ausnutzung des Sieges vereitelte. Die von den Venetianern verlangte Rückeroberung Zyperns lehnte König Philipp ab und forderte statt dessen einen Angriff auf die nordafrikanischen Barbaresken. Der Zerfall der Liga wurde noch beschleunigt durch den Tod ihres geistigen Führers Pius V. (1. Mai 1572). Bereits 1572 erschienen die Türken wieder in der Adria, und die Alliierten ließen sie vor einem neuen Zusammenstoß entkommen. Die Venetianer, die keine Aussicht auf den Wiedergewinn Zyperns sahen und sich den Sultan nicht dauernd verfeinden wollten, schlössen am 7. März 1573 mit ihm einen Sonderfrieden, in dem sie die Insel abtraten und eine Kriegsentschädigung zahlten. Damit war Spanien isoliert, und der Krieg beschränkte sich nun auf Nordafrika. 1573 eroberte Don Juan Tunis, das aber im folgenden Jahr mit dem Hafen Goletta wieder verlorenging. Seitdem wurde der Kampf nur noch zum Schein geführt, da Spanien durch die niederländischen Wirren gelähmt war und die türkische Politik sich nach Osten gegen Persien wandte. Nach langen Verhandlungen wurde 1580 ein Waffenstillstand abgeschlossen. Er bedeutete ein Zurückweichen Philipps II. insofern, als er auf eines seiner Ziele, die Verdrängung

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der Ungläubigen aus dem westlichen Mittelmeer, verzichtete. Aus Nordafrika waren sie nicht mehr zu vertreiben. L i t e r a t u r . E. W e r t h e i m e r , Zur Geschichte des Türkenkrieges Maximilians II. (Arch. f. österr. Gesch. 53.) P. Herre, Europäische Politik im cyprischen Krieg 1570—1573. Bd. I. Vorgeschichte und Vorverhandlungen. Leipzig 1902. C. Manf r o n i , La lega cristiana nel 1572. Rom 1893. L. Serrano, La liga de Lepanto entre España, Venecia y la S. Sede 1570—1573. 2 Bde. Madrid 1918/20.

§ 28. Der Kampf am Livland and der Nordische 7jährige Krieg. Neben dem heißen konfessionellen Ringen in Westeuropa und der Abwehr der osmanischen Expansion in Ungarn und der Adria liefen nicht minder schwere Kämpfe im Nordosten. Daß sie sich nicht miteinander verquickten, ist für die Entwicklung an allen drei Stellen von wesentlicher Bedeutung geworden und zugleich ein schlagender Beweis dafür, daß von einer den ganzen Erdteil umfassenden internationalen Politik noch nicht geredet werden kann. Zwischen den beiden Schauplätzen in Ost und West lag, von den kriegerischen Auseinandersetzungen berührt aber nicht in sie hineingezogen, das Deutsche Reich. Der Kampf drehte sich in erster Linie um seine Außenposten, um die Niederlande und das Baltikum. Beide riefen seine Hilfe an, aber beiden versagte es sich und begnügte sich mit kläglichen Vermittlungsversuchen, hinter denen keine Macht stand, und die deshalb von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilt waren. Der russische Einfall vom Januar 1558 traf, obwohl längst erwartet, Livland im Innern zerklüftet und nach außen wehrlos. Ohne auf ernstlichen Widerstand zu stoßen, überschwemmten und verheerten die Moskowiter das ganze Land; im Mai fiel das wichtige Narva, im Juli kapitulierte Dorpat schmählich. Die Kunde hiervon rief in den Nachbarländern, zumal in Deutschland, großen Eindruck hervor, damals ist zuerst die russische Gefahr am europäischen Horizont aufgetaucht 1 ). Aber begegnet wurde ihr nicht. Der zuerst um Beistand angegangene deutsche Reichstag bewilligte den Livländern eine Geldunterstützung, die indes niemals ausbezahlt wurde. Ebenso auf dem Papier blieb das 1560 an die Hansestädte erlassene Verbot der Waffeneinfuhr nach Rußland, da diese, namentlich Lübeck, auf die einträgliche Narvafahrt nicht verzichten wollten. Ferdinand I. gab die livländischen Hilfsgesuche an Spanien, England, Polen und die skandinavischen Staaten weiter mit der bezeichnenden Begründung, daß Kaiser und Reich zu entlegen seien. Nicht mehr Glück hatten die Livländer bei den anderen angerufenen Fürsten. Die Zerrissenheit des Baltikums prägte sich darin aus, daß die verschiedenen Parteien gleichzeitig und gegeneinander mit *) Vgl. hierüber P l a t z h o f f , Das erste Auftauchen Rußlands und der russischen Gefahr in der europäischen Politik. (Hist. Zeitschrift 115.) Languet weissagte damals: „Wenn ein Reich in Europa wachsen muß, so wird es dieses sein", und Kurfürst August von Sachsen meinte, die von Rußland drohende Gefahr sei eine allgemein europäische, die sich in Zukunft zu derselben Größe auswachsen werde wie die türkische.

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Polen, Schweden und Dänemark anknüpften. Aber König Friedrich II. war im Sommer 1559 mit der Unterwerfung der Dithmarschen beschäftigt, und der greise Gustav Wasa wollte einen neuen Krieg mit Rußland vermeiden. Ihre Ablehnung verschaffte der von dem Erzbischof von Riga und dem Ordenskoadjutor Gotthard Kettler geführten polnischen Partei das Übergewicht, das mit Kettlers Wahl zum Meister noch stieg. Der polnische Adel hatte zwar an der baltischen Frage kein Interesse, um so mehr Litauen, das hier sein bestes Absatzgebiet besaß, und dessen Grenze gegen Rußland nach einer Eroberung Livlands durch den Zaren unhaltbar wurde. Durch den Vertrag vom 31. August bzw. 15. September 1559 begaben sich der Orden und der Erzbischof unter die Schutzherrschaft des Königs Sigismund August. Der Preis, den sie zahlen mußten, war die pfandweise Überlassung weiter Strecken des Landes, ohne dafür mehr als zunächst nur diplomatische Hilfe gegen Moskau zu erlangen. 1560 eroberten die Moskowiter Marienburg und drangen bis nach Kurland vor, im August wurde das Ordensheer bei Ermes vernichtend geschlagen und die stärkste Ordensburg Fellin genommen. Dazu setzte sich ein weiterer Prätendent im Lande fest. Um seinen jüngeren Bruder Magnus auszustatten und sich nicht mit ihm in den schleswig-holsteinschen Hausbesitz teilen zu müssen, hatte König Friedrich II. von Dänemark Ende September 1559 dem Bischof von ösel sein Stift abgekauft. Im April 1560 landete der noch nicht 20jährige Herzog auf der Insel und erwarb sich, ebenfalls durch Kauf, dazu das Bistum Reval. Der Versuch, hier eine dänische Sekundogenitur zu schaffen, trieb jetzt auch Schweden aus seiner Reserve. Gustav Wasas zweiter Sohn, Herzog Johann von Finnland, trachtete schon länger nach Estland und hatte bereits 1558 vergeblich Reval an sich zu reißen versucht. Sein älterer Bruder Erich XIV., der dem Vater am 29. September 1560 auf dem Thron folgte, erkannte die Gefahr, die seinem Reiche drohte, wenn es von dem alten Gegner Dänemark nicht nur von Westen und Süden, sondern auch am finnischen Meerbusen umklammert wurde. Sein Ehrgeiz und Tatendrang steckte sich das Ziel, nicht, wie man geglaubt hat, die Ostseeherrschaft, aber einen Anteil an der livländischen Beute, in erster Linie den wichtigen Brückenkopf Reval, zu erringen 1 ). Im Juni 1561 brachte er durch Versprechungen und Bestechungen die Stadt Reval und den nördlichen Teil von Estland — die Ritterschaften von Harrien, Wirland und Jerwen — zur Huldigung. Dadurch war Kettlers Plan, ganz Livland unter polnischem Protektorat zu behaupten, vereitelt, und militärische Unterstützung machte Sigismund August von 1 ) Die hohe Auffassung von dem weitblickenden und genialen Politiker Erich, die vor allem J. G. und G. D r o y s e n sowie F. A r n h e i m (König Erich XIV. als Politiker, Histor. Zeitschr. 64) vertreten haben, ist von der neueren schwedischen Forschung und in Deutschland von D. S c h ä f e r und J. P a u l abgelehnt worden. In seiner späteren Regierungszeit bewies Erich jedenfalls eine völlige politische Unfähigkeit.

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einer völligen „Subjektion" abhängig. Die Folge war ein neuer Vertrag mit dem Jagelionen vom 28. November 1561, durch den sich Livland dem König von Polen und Großfürsten von Litauen unterwarf; falls der polnische Reichstag Widerspruch erhebe, sollte es Litauen einverleibt werden. Kurland und Semgallen mit der Hauptstadt Mitau wurde als erbliches weltliches Herzogtum für Kettler unter polnischer Lehnshoheit ausgeschieden. In dem „Privilegium Sigismundi Augusti" bestätigte der Jagellone dem Lande alle Rechte und Freiheiten, die deutsche Verwaltung und Amtssprache sowie die Augsburger Konfession. So war das Baltikum unter seine Nachbarn aufgeteilt, aber keiner gönnte dem anderen seine Beute. Der Kampf hierum machte sie blind gegenüber der allen gemeinsamen russischen Gefahr und führte zu ganz unnatürlichen Gruppierungen, aus denen der Moskowiter den Nutzen zog. Zwischen ihm und PolenLitauen war schon 1561 der Krieg ausgebrochen. Nachdem Verhandlungen über eine polnische Heirat des Zaren gescheitert waren und nach der Unterwerfung Livlands unter Sigismund August dehnte Iwan seine Invasionen auf die ganze russisch-litauische Grenze aus und eroberte 1563 die Dünafestung Polozk. Dänemark und Schweden dagegen erstrebten zur Sicherung ihrer Erwerbungen eine Verständigung mit dem Zaren. Friedrich II. schloß 1562 einen Freundschaftsvertrag mit ihm, in dem sie sich gegenseitige Neutralität bei einem polnischen oder schwedischen Angriff zusagten und der Zar den dänischen Besitz in Livland anerkannte. Erich XIV. sah seine Bemühungen um die russische Freundschaft durch seinen Bruder Johann von Finnland durchkreuzt. Nach Vergrößerung und völliger Unabhängigkeit seines Herzogtums trachtend, näherte sich dieser Polen. 1562 vermählte er sich mit Sigismund Augusts Schwester Katharina und ließ sich von seinem Schwager die Pfandherrschaft über sieben livländische Schlösser übertragen. Der über diese Eigenmächtigkeit erzürnte König lud ihn zur Verantwortung nach Stockholm. Als er nicht erschien, wurde er von einem königlichen Gericht zum Tode verurteilt, in seiner Hauptstadt Äbo belagert und nach deren Fall in Schweden eingekerkert (1563). Seine livländischen Erwerbungen wurden Schweden einverleibt. Schon vorher, 1561, war Erich einen 20jährigen Waffenstillstand mit dem Zaren eingegangen. Ein festes Bündnis ist daraus nicht erwachsen1), der Wasa erreichte nur, daß das Moskowiterreich seinen Feinden nicht beitrat, aber auch dieser halbe Erfolg war für ihn im Hinblick auf das Verhältnis zu Dänemark von nicht geringem Wert. Denn der alte Gegensatz zwischen den skandinavischen Staaten war durch die Nebenbuhlerschaft in Livland noch verschärft. Nach ergebnislosen Verhandlungen kam es 1563 zum offenen Krieg, wobei Erich Beinen Gegner in die Rolle des Angreifers zu drängen wußte. Durch das Verbot der Narvafahrt trieb er aber Lübeck auf die dänische Seite, auch x ) Das hat gegenüber anders lautenden Behauptungen D. S c h ä f e r , Geschichte von Dänemark V, S. 100 A„ nachgewiesen; vgl. auch J. P a u l , Lübeck und die Wasa S. 69.

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Polen schloß 1563 ein Bündnis mit Friedrich II. Der Kampf zog sich 7 Jahre ohne eine wirkliche Entscheidung zu Wasser und zu Lande hin. Eine völlige Abschließung Schwedens von Mittel- und Westeuropa, die es bei seinem Mangel an Lebensmitteln und Kriegsmaterial auf die Knie zwingen mußte, mißlang den Verbündeten. Während Spanien der Selbstzerfleischung des protestantischen Nordens schadenfroh zusah, bemühten sich Frankreich, der Kaiser und die evangelischen Reichsfürsten wiederholt, aber vergeblich um eine Vermittlung. Erst die zunehmende Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten und der Staatsstreich in Schweden ebneten den Weg zum Frieden. Erich XIV. war dem offenen Wahnsinn verfallen, nach dem Sturenmord (1567) schloß sich der Adel mit seinen Brüdern gegen ihn zusammen. Im September 1568 mußte er sich ihnen ergeben und mit seinem Bruder Johann die Rollen tauschen. Dieser bestieg als Johann III. den Thron, Erich wurde festgesetzt und nach jahrelanger Gefangenschaft 1577 von seinem Kerkermeister auf Grund früher ausgestellter Vollmachten vergiftet. Damit war das schwedisch-russische Verhältnis zerrissen. König Johann III., dessen Gemahlin Iwan für sich verlangte und Erich ihm im Notfälle hatte ausliefern wollen, näherte sich sofort seinem polnischen Schwager. Nachdem 1570 ein dreijähriger Waffenstillstand zwischen Polen und Rußland unterzeichnet war, schloß sich Sigismund August den deutschen Vermittlungsversuchen nachdrücklich an. Sie wurden erleichtert durch ein tolles Unternehmen des haltlosen Herzogs Magnus, der zum Zaren übergegangen und von ihm zum König von Livland unter russischer Oberhoheit erhoben worden war. Diesem Umstände und den sich kreuzenden Ansprüchen auf die baltischen Lande war es zuzuschreiben, daß auf dem in Stettin unter kaiserlicher Leitung zusammengetretenen Kongreß Dänemark und Schweden die Lehnshoheit des Reiches über Livland anerkannten. Schweden mußte sich verpflichten, seine Eroberungen in Livland gegen Ersatz der Kriegs- und Verteidigungskosten dem Kaiser zur Verfügung zu stellen, wozu es jedoch nie gekommen ist. Auf dieser Basis wurde am 13. Dezember 1570 in Stettin der Friede unterzeichnet. Im Norden wurde der Status quo ante wiederhergestellt, Schweden konnte seine Ansprüche auf dänisches Gebiet nicht durchsetzen, mußte vielmehr die von den Dänen genommene Festung Elfsborg mit 150000 Talern auslösen und auch Lübeck eine Entschädigungssumme zahlen. Der Kampf um das Baltikum war damit keineswegs entschieden. Die deutsche Oberhoheit blieb auf dem Papier, zumal da Polen ausdrücklich dagegen Protest einlegte. Die Russen blieben plündernd im Lande, nur mit Mühe konnten die Schweden ihren Stützpunkt Reval vor ihren Angriffen behaupten. Herzog Magnus mußte sich nach ösel zurückziehen. Die Einäscherung Moskaus durch einen gelungenen Überfall der Krimtataren (1571) hatte außer der Erneuerung der russischen Tributvörpflichtung keine Folgen. Dagegen warf eine andere heraufziehende Krisis ihre Schatten voraus: das Jagellonenhaus stand nur noch 5«

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auf den zwei Augen des kinderlosen Sigismund August. Mit Rücksicht hierauf hatten der König und die Schlachta den alten Gedanken einer völligen Verschmelzung Litauens mit Polen seit 1563 mit größerem Eifer wiederaufgenommen, da die Thronerledigung die Möglichkeit einer eigenen Großfürstenwahl in Litauen und damit der Trennung in gefährliche Nähe rückte. Die Litauer sträubten sich nach wie vor gegen die Aufgabe ihrer Selbständigkeit, nur der Russenkrieg und die polnische Drohung, ihnen vor Vollzug der Union keine Hilfe zu leisten, bestimmten sie 1569 zur Beschickung des Unionsreichstages in Lublin. Als ihnen hier die Vereinigung aufgezwungen werden sollte, verließen sie den Reichstag und fügten sich erst, nachdem der König die Einverleibung der größten und bedeutendsten litauischen Palatinate Wolhynien, Podlesien und Kiew in das polnische Reich ausgesprochen hatte. Am 1. Juli 1569 beschworen sie den von den Polen aufgesetzten Unionsvertrag, der Litauen dem polnischen Staat inkorporierte. Schon vorher, im März 1569, war die alte Selbständigkeit der westpreußischen Städte aufgehoben worden, auch die preußischen Landstände wurden dem polnischen Reichstage eingegliedert. In der Thronfrage geschah dagegen nichts, nicht einmal die Modalitäten einer Neuwahl wurden festgesetzt. Als Sigismund August am 7. Juli 1572 starb, entbrannte der Kampf um seine Nachfolge, womit die gesamte östliche Frage in ein neues Stadium trat. Literatur. C. Schirren, Quellen zur Geschichte des Untergangs livländ. Selbständigkeit. (Arch. f. d. Gesch. Liv-, Est- u. Kurlands N. F. 1—11.) E. Reimann, Das Verhalten des Reiches gegen Livland in den Jahren 1559—1561. (Histor. Zeitschr. 35.) A. Dreyer, Die lübisch-livländischen Beziehungen zur Zeit des Unterganges livländischer Selbständigkeit 1551—1563. (Veröffentl. zur Gesch. d. Freien u. Hansestadt Lübeck 1,2.) Lübeckl912. J. P a u l , Lübeckunddie Wasa iml6. Jahrhundert. (Veröffentl. zur Gesch. d. Freien u. Hansestadt Lübeck V, 1.) Lübeck 1920. Die Literatur über den 7jährigen Nordischen Krieg verzeichnet D. S c h ä f e r , Geschichte Dänemarks V, S. 47 A. F. W. Froebe, Kurfürst August von Sachsen und sein Verhältnis zu Dänemark bis zum Frieden von Stettin 1570. Diss. Leipzig 1912.

2. K a p i t e l . 1572—1584. § 29. Die Folgen der Bartholomäusnacht. Die Bartholomäusnacht, „die große, weithin alles beherrschende Tatsache dieser Jahre", hat nicht allein die innerfranzösische Entwicklung, sondern die gesamte europäische Politik tiefgreifend beeinflußt. Für das Hugenottentum und den gesamten Protestantismus bedeutete sie einen furchtbaren Schlag. Die Hoffnung, Frankreich zu erobern und damit auch in der romanischen Welt festen Fuß zu fassen, war für immer zunichte gemacht, das Hugenottentum unwiderruflich „zu dem Schicksal einer Minorität" verurteilt. Der offene Kampf gegen die Krone, den es bisher geflissentlich vermieden hatte, war ihm jetzt aufgezwungen worden. Es wurde nun völlig zur politischen Partei, organi-

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sierte sich als Staat im Staate und verband sich mit allen Gegnern des Königtums, zumal mit der alten ständischen Opposition. Erst jetzt erhielt diese durch die hugenottische Publizistik ein scharf umrisseneB Programm. Unter dem Eindruck des vom Thron befohlenen Massengemetzels schritten die sogenannten „Monarchomachen" vom Angriff auf die augenblicklichen Machthaber zum Angriff auf die absolute Monarchie überhaupt fort. Mit Benutzung biblischer und antiker Elemente, mittelalterlicher Anschauungen und Theorien bauen sie die Forderung auf ständische Beschränkung des Königtums zur Lehre von der Volkssouveränität, dem Herrschaftsvertrag, dem Widerstandsrecht und dem Tyrannenmord aus1). Sofort flammte der Bürgerkrieg wieder auf, und die Friedensschlüsse der nächsten Jahre bezeichnen lediglich Atempausen in dieser Selbstzerfleischung Frankreichs. Die monarchische Zentralgewalt sank allmählich zu einem Schatten herab, Zerfall und Zersetzung griffen immer weiter um sich. Ebenso unheilvoll waren die außenpolitischen Folgen der Bluthochzeit, die Katharina bei ihrem Entschluß gar nicht in Rechnung gezogen hatte. Ihre wiederholten Erklärungen, die Bartholomäusnacht könne und solle an den Beziehungen zum Ausland nichts ändern, waren aufrichtig gemeint, denn die Königin mußte an den Richtlinien von Colignys Politik festhalten, wofern sie sich nicht von den Guisen und Philipp II. ins Schlepptau nehmen lassen wollte. Diese boten alles dazu auf. Wenn im Oktober der katholische König den Marquis Ayamonte und ungefähr gleichzeitig der Papst den Kardinallegaten Orsini zu Karl IX. entsandten, so sollten sie ihn nicht nur zum Eintritt in die Türkenliga und zur Durchführung der Tridentiner Dekrete, sondern mehr noch zur Abkehr von den evangelischen und zum Anschluß an die katholischen Staaten bestimmen. Trotz ihres Scheiterns hatte die Mission den Erfolg, die Valois bei den Protestanten noch mehr zu diskreditieren und den Verdacht von der Prämeditation der Bluthochzeit zu verstärken. Denn auf evangelischer Seite stand diese Auffassung ungeachtet aller Pariser Ableugnungen unumstößlich fest, selbst ein von konfessionellen Vorurteilen so freier Mann wie Oranien teilte sie zunächst wenigstens. Die deutschen Fürsten brachen die Verhandlungen über ein Bündnis ab. Der ausschlaggebende unter ihnen, Kurfürst August, wandte Frankreich völlig den Rücken und schloß sich seit seiner Wiener Reise vom Februar 1573 aufs engste an Habsburg an, wozu der polnische Thronkampf wesentlich beitrug. Auch in England hatten die Pariser Ereignisse große Erregung hervorgerufen. Die öffentliche Meinung erklärte die französische Allianz für nichtig und verlangte wegen der katholischen Erhebungen und Verschwörungen im eigenen Lande stürmisch die Hinrichtung Maria Stuarts. Die wichtigsten Schriften sind: F. H o t m a n n s Francogallia (1573), Le Réveille-Matin des François et de leurs voisins (1574) und die Vindiciae contra tyrannos (1574, gedruckt 1579); die Verfasser der letztgenannten Schriften stehen nicht sicher fest.

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Die Besorgnisse waren auch insofern begründet, als tatsächlich Ende 1572 in Rom und Madrid eine katholische Koalition zur Befreiung der Schottenkönigin und zur Rekatholisierung Englands erwogen wurde. Die britische Regierung glaubte dieser Gefahr am besten durch eine abermalige Annäherung an Spanien vorbeugen zu können, um so mehr, da auch wirtschaftliche Gründe, die allgemeine Teuerung und der Absatzmangel des Woll- und Tuchexportes dafür sprachen. Ende 1572 nahm Burghley die bereits früher angesponnenen Verhandlungen über eine Erneuerung des alten Handelsvertrages auf, und die Spanier gingen wegen der Lage in Flandern darauf ein. Hier hatte nach der Niederlage von Genlis und der Bluthochzeit Wilhelm von Oranien die eingeleitete Entsetzung von Möns aufgegeben und die Stadt ihrem Schicksal überlassen, aber er zog sich nicht wie früher nach Deutschland, sondern nach Holland zu den Geusen zurück, um im Bunde mit ihnen den Kampf gegen Alba fortzusetzen. Auf dem schmalen Landstreifen zwischen Nord- und Zuidersee gewann er eine uneinnehmbare Basis für weitere Vorstöße und eine sichere Verbindung mit den Hugenotten in La Rochelle und mit England. Um ihn dieser Stütze zu berauben, drang vor allem Alba in Madrid auf ein Abkommen mit Elisabeth. „Ew. Majestät darf gar keinen Zweifel hegen, daß der eigentliche Herd der niederländischen Unruhen in England zu suchen ist", schrieb er seinem Herrn 1 ). Am 5. April 1573 wurde der Vertrag abgeschlossen und der seit 1568 unterbundene Handelsverkehr zwischen England und Spanien zunächst auf zwei Jahre wieder aufgenommen. Burghley betrachtete das Abkommen als Vorstufe zu einer gänzlichen Befriedigung der Niederlande, jedoch seine darauf gerichteten Bemühungen scheiterten an dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Oranien und den Spaniern und deren Abneigung gegen eine britische Vermittlung. Um so weniger schwenkte das Londoner Kabinett völlig ins spanische Lager, sondern setzte in den Niederlanden und in Frankreich das alte Doppelspiel fort. Die größere Sicherheit gegenüber Spanien ermöglichte ihm indessen ein energischeres Eingreifen in die unaufhörlichen schottischen Wirren. Der Gedanke, Maria Stuart ihren schottischen Feinden auszuliefern, wurde schnell wieder fallen gelassen, da diese die Königin nur dann hinrichten wollten, wenn Elisabeth die Verantwortung übernehme, wozu sie sich unter keinen Umständen verstehen wollte. Nur nach langem Zögern ließ sie sich zu einer Unterstützung der Regentschaft herbei. Die Bartholomäusnacht hatte Marias Sache Eintrag getan und ihre Partei in Schottland gelichtet. Ihr letzter Stützpunkt, das feste Schloß von Edinburg, wurde im Mai 1573 von dem zum Regenten 2 ) gewählten Grafen Morton mit englischer Truppenhilfe erobert. Unter seinem strengen, aber kraftvollen Regiment blühte das zerrüttete Land langsam wieder auf. 13. Oktober 1572. vgl. S t ä h l i n S. 568f. ») Murray war Anfang 1570 ermordet worden, dasselbe Schicksal traf seinen Nachfolger Lennox; der dritte Regent Mar starb 1572 eines natürlichen Todes.

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In Frankreich wurde die englisch-spanische Annäherung mit großer Besorgnis verfolgt. Seit der glimpflichen Kapitulation von Möns (21. September 1572) wollte das Gerücht von einem bevorstehenden Ausgleich in Flandern nicht verstummen, auch das Schreckgespenst einer österreichischen Heirat der Königin Elisabeth tauchte wieder auf und fand in Paris Glauben. Katharina, die sich schon auf allen Seiten von Philipp II. „wie in einer Schachtel" eingeschlossen sah, nahm darum Anfang 1573 mit Unterstützung der nassauischen Brüder ihr Werben um die deutschen Protestanten mit erhöhtem Eifer wieder auf und stieß wenigstens bei Pfalzgraf Johann Kasimir auf Gegenliebe. Die günstigste Gelegenheit, dem habsburgischen Vordringen einen Riegel vorzuschieben und daB durch die Bartholomäusnacht stark erschütterte Prestige der Valois wiederherzustellen, schien sich ihr in Polen zu eröffnen. Damit greift der französisch-habsburgische Gegensatz zum ersten Male offen nach Osteuropa über und findet hier für kurze Zeit seinen eigentlichen Brennpunkt. Die sonst getrennte Entwicklung in Ost und West fließt 1573 in dem polnischen Wahlkampf zusammen. L i t e r a t u r . P l a t z h o f f vgl. $26. O. W e i l l , Les théories sur le pouvoir royal en France pendant les guerres de religion, Paris 1891. A. E l k a n , Die Publizistik der Bartholomäusnacht und Mornays „Vindiciae contra tyrannos", Heidelberg 1905, sowie die oben (S. 15) genannte Arbeit von L. Cardauns.

§ 30. Die polnische Königswahl Heinrichs von Anjou. Die Königswahl von 1573 zeigte den Verfall des Piastenreiches iii grellster Beleuchtung. Schon die Einberufung des Wahlreichstages führte zu heftigen Kämpfen, die sich mit dem konfessionellen Gegensatz verquickten. Während die Protestanten die Erhebung eines Glaubensgenossen durchzusetzen suchten, gab es im katholischen Lager einflußreiche Verfechter des Gedankens einer polnischen Nationalkirche. Beides wußte der Kardinallegat Commendone geschickt zu hintertreiben. Es gelang ihm, die Katholiken zu einigen und die protestantische Partei zu sprengen. Die Wahl eines Polen war bei dem inneren Zwiespalt von vornherein ausgeschlossen, und aus der großen Zahl der auswärtigen Kandidaten kamen nur drei ernstlich in Frage : der Russe, der Österreicher und der Franzose. Iwan IV. hatte sich selbst nicht beworben, aber zumal in Litauen Anhänger, die von seiner Wahl ein Ende des unglücklichen Krieges erhofften. Jedoch schon wegen seines autokratischen Regiments war er für die Schlachta unannehmbar, und er selbst tat keinen Schritt für seine Wahl, sondern empfahl aus freiem Antrieb, ohne von Wien beeinflußt zu sein, den Österreicher. Das Haus Habsburg hatte längst sein Augenmerk auf die polnische Krone gerichtet. Die Behauptung, Ferdinand I. habe darum seine in erster Ehe kinderlos gebliebene Tochter Katharina mit Sigismund August vermählt, ist durch die Forschung widerlegt1), gerade diese unglückliche Ehe machte *) Vgl. besonders Übersberger, Österreich und Rußland 8. 373f.

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den Jagelionen zum unversöhnlichen Feind des Erzhauses. Auch im Lande hatte es viele Gegner, weil man in ihm den Vertreter des verhaßten Deutschtums erblickte; unter einem österreichischen König fürchtete man wie Böhmen und Ungarn zu einem Nebenlande des Habsburgerreiches degradiert und in die Türkenkriege verwickelt zu werden. Trotzdem stellte der Kaiser sofort die Kandidatur seines zweiten Sohnes Ernst auf, nicht nur aus dynastischem Ehrgeiz, sondern ebensosehr aus politischen Gründen. Denn empfahl sich ein gutes Verhältnis zu Polen schon im Hinblick auf die Pforte und Siebenbürgen, so beschwor die Wahl eines Gegners, der sich mit jenen verbünden konnte, für den deutschen Osten unabsehbare Gefahren herauf. Mit diesen Argumenten erlangte Maximilian auch die diplomatische Unterstützung der Kurfürsten, die durch eine eigene Gesandtschaft nach Warschau den Erzherzog empfahlen. Indes die Ungeschicklichkeit seiner Agenten verdarb die österreichischen Aussichten vollends und trieb sogar die habsburgisch gesinnten Senatoren in das französische Lager. Auch Gregor XIII. trat nach der Bartholomäusnacht für den Valois ein. Katharina von Medici hatte schon 1571 jene Anregung Sokolis1) aufgegriffen in der Hoffnung, hier in Polen ihrem Lieblingssohn Heinrich von Anjou die so lange ersehnte und erstrebte Königskrone zu gewinnen. Ernstlich betrieb sie den Plan aber erst, als die englische Heirat Anjous scheiterte und die österreichischen Bemühungen ein weiteres Wachstum Habsburgs befürchten ließen. Sie suchte den Beistand der deutschen Protestanten und des Papstes zu erlangen und sandte auf die Kunde von Sigismund Augusts Tod kurz vor der Bartholomäusnacht den Bischof von Valence, Jean de Monluc, als offiziellen Botschafter nach Polen. Die Bluthochzeit versetzte freilich auch hier der französischen Sache einen schweren Stoß, war indes anderseits ein Ansporn für die Königin und ihre Getreuen, nun erst recht einen großen außenpolitischen Erfolg zu erringen. Die Abneigung der Schlachta gegen Österreich, die Hoffnung, durch Frankreich, den alten Verbündeten der Pforte, den Beistand des Sultans und außerdem Gelder zu erhalten, und vor allem die wahrhaft glänzende Taktik Monlucs, der die österreichischen Fehler auszuschlachten und durch Geld und Versprechungen alle Parteien zu ködern wußte, verschafften Anjou den Sieg. Am 9. Mai 1573 wurde er mit erdrückender Mehrheit zum König gewählt. Allerdings war seine Erhebung an die Anerkennung einer Wahlkapitulation, der später sogenannten „Articuli Henriciani", geknüpft. Sie stellten den Herrscher in allen wichtigen Fragen unter die Vormundschaft des Senates und des Reichstages, beseitigten die Erblichkeit der Krone sowie jeden Einfluß des Königs auf die Wahl seines Nachfolgers und entbanden seine Untertanen vom Gehorsam, wenn er die Artikel, die Gesetze und Freiheiten der Nation verletzte. Damit war der polnische Herrscher lediglich der Scheinkönig einer Adelsrepublik und nicht bloß Siehe oben S. 62. Eine frühere Anregung Sigismund Augusts hatte sie 1566/67 dilatorisch behandelt.

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seiner Autorität, sondern aller staatlichen Ordnung und Entwicklungsmöglichkeit das Grab gegraben. In kirchlicher Hinsicht mußte der neue König dem Adel das Recht der Religionswahl für sich und seine Untertanen zugestehen. Für die französische Diplomatie bedeutete die Wahl einen unbestreitbaren Triumph. Sie hatte in Osteuropa eine Position erworben, die sich von der Ostsee bis zu der befreundeten Türkei erstreckte und das Haus Habsburg im Rücken umfaßte. Unter diesem Eindruck gab sich Katharina im Sommer 1573 nach dem Friedensschluß mit den Hugenotten (6. Juli) ihren imperialistischen Träumen aufs neue hin. Mit den deutschen Fürsten verhandelte sie jetzt offen über ein Bündnis und die Kaiserwahl eines ihrer Söhne. Um die einflußreichen Nassauer dafür einzulangen, gewährte sie ihnen im geheimen eine Geldhilfe gegen Spanien. Jedoch es erwies sich schon bald, daß die polnische Königswahl nur ein Augenblickserfolg war, den das von Bürgerkriegen zerrissene, an seinen eigenen Grenzen von Spanien bedrohte Frankreich weder ausnutzen noch behaupten konnte. Die deutschen Protestanten lehnten die Anträge der Valois ab, Kursachsen wurde dadurch noch enger an die Seite Habsburgs und zur Beschleunigung der Nachfolgefrage im Reich getrieben. Im Oktober 1575 wurde der älteste Kaisersohn Rudolf einstimmig zum römischen König gewählt. Schon die Frage, wie Anjou nach Polen gelangen solle, bereitete in Paris große Schwierigkeiten. Nach langem Hin und Her entschloß er, der die Piastenkrone nur widerwillig annahm, sich zur Reise durch Deutschland, erst im Februar 1574 traf er in Krakau ein. Für die osteuropäische Geschichte entbehrt sein Königtum jeglicher Bedeutung. Denn auf die Kunde von dem Tode seines söhnelosen Bruders Karl IX. (30. Mai 1574) verließ er bereits im Juli 1574 in nächtlicher Flucht Polen, um den ihm zugefallenen Thron seiner Väter zu besteigen. Literatur. Mémoires de Jean Choisnin. (Nouvelle collect, des mémoires sur l'hist. de France XI. Paris 1881). R. H e i d e n s t e i n , Rerum Polonicarum ab excessu Sigismundi Augusti libri XII. Frankfurt 1672. D u c de N o a i l l e s , Henri de Valois et la Pologne en 1572. 3 Bde. Paris 1867. W. S o b i e s k i , Polskaa Hugonoci po Nocy sw. Bartlomieja. Krakau 1910. (Vgl. Anzeiger d. Akad. d. Wissensch, in Krakau, Phil.-Hist. Klasse 1909.) P. de C e n i v a l , La politique du St. Siège et l'élection de Pologne 1572—1573. (Mélanges d'archéologie et d'histoire 36.)

§ 31. Die polnische Königswahl von 1575. Die Flucht Heinrichs machte eine neue Königswahl nötig, die aber diesmal Westeuropa nicht in ihre Kreise zog. Da der Valois weder abgesetzt war noch abgedankt hatte, verzögerte sich wegen formaler Schwierigkeiten der Zusammentritt des Wahlreichstages bis in den November 1575. Die Österreicher nutzten die für sie günstige Lage nicht aus, sondern ließen es auch jetzt wieder an Tatkraft fehlen und konnten sich lange nicht über die Person ihres Kandidaten einigen, — neben Erzherzog Ernst bewarb sich auch Ferdinand von Tirol —, so

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daß ihre Anhänger schließlich den Kaiser selbst auf den Schild erhoben. Iwan IV., der diesmal über eine ansehnliche Partei unter der Schlachta verfügte, beraubte sich durch sein Zaudern und die Unbestimmtheit seiner Politik aller Aussichten. Unter diesen Umständen gewann eine dritte Kandidatur, die des Fürsten Stephan Bathory von Siebenbürgen, immer mehr an Boden, zumal nachdem die Pforte Anfang 1575 erklärt hatte, daß sie seine Wahl wünsche und die Erhebung des Habsburgers oder Russen mit dem Krieg beantworten werde. Im Dezember 1575 kam es zu einer Doppelwahl. Die Senatspartei erkor den Kaiser, die Schlachta Stephan Bathory unter der Bedingung, daß er Anna Jagellonica, die ältliche Schwester Sigismund Augusts, heirate. Während der Siebenbürge sofort zugriff, im Lande erschien und die ihm aufgezwungene Gemahlin ehelichte, nahm Maximilian, dessen Energie durch schwere Krankheit vollends gelähmt war, erst im März 1576 die Wahl an und machte alle weiteren Schritte von der Unterstützung des Reiches abhängig. Denn wenn er die Krone wirklich erringen wollte, mußte er auf einen Kampf nicht nur mit Bathory, sondern auch mit den Türken gerüstet sein. Mit Rücksicht auf die Unsicherheit des Waffenstillstandes forderte er von dem Regensburger Reichstag eine ständige Türkenhilfe, wobei ihm der Gedanke an ein großes europäisches Bündnis gegen die Osmanen vorschwebte. Aber hiervon wollten die Reichsstände nichts wissen, sie beschränkten sich auf die Bewilligung einer verhältnismäßig hohen Beisteuer zur Sicherung seiner Grenze. Ebenso wiesen sie eine Einmischung in die polnische Frage ab, so daß der Kaiser seinen Anspruch nicht durchfechten konnte. Der von einer russischen Gesandtschaft überbrachte Antrag auf ein moskowitisch-österreichisches Bündnis und eine Aufteilung Polens wurde überhaupt nicht ernstlich in Erwägung gezogen. Auf die Hilfsgesuche der Livländer, die seit Anfang 1575 durch einen neuen Russeneinfall gepeinigt waren, entschloß man sich nur zur Abfertigung einer ReichsgesandtBchaft an den Zaren, die indes wegen der Kosten nicht zustande kam. Vor einem förmlichen Verzicht auf die Piastenkrone bewahrte Maximilian II. der Tod (12. Oktober 1576). Damit war Bathory, der bereits am 1. Mai gekrönt worden war, Herr in Polen. Am längsten widerstrebten ihm die zu Habsburg haltenden Städte Danzig, Thorn und Elbing, von denen Danzig ihm erst 1577 nach langer Belagerung die Tore öffnete und gegen Anerkennung seiner alten Privilegien sowie freier Religionsübung huldigte 1 ). Literatur. Warschau 1866.

S. H ü p p e , De Poloniae post Henricum interregno 1575/76.

§ 32. Der Thronwechsel in Frankreich und der niederländische Freiheitskampf bis zur Genter Pazilikation. Der Thronwechsel in Frankreich schuf keine Änderung der Lage. König Heinrich III. war zwar begabter und der Mutter gegenüber selb') Hierüber vgl. R. J a c o b i , Thorn, Elbing, Danzig und die polnischen Königswahlen 1573/75. (Mitteilg. des Copernicus-Vereins 15.)

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ständiger als sein Bruder, aber ein frivoler Genußmensch, der sich schon bald einer schamlosen Günstlingswirtschaft hingab. Es kennzeichnet ihn, daß er auf der Rückreise von Polen Stücke des französischen Besitzes in Piémont an den verwandten Herzog von Savoyen verschenkte. Die inneren Kämpfe nahmen jetzt eine neue Gestalt an. Zwischen Katholiken und Hugenotten hatte sich eine dritte Partei, die der „Unzufriedenen" oder „Politiker", gebildet, die aus Anhängern der verschiedensten religiösen Anschauungen bestand und durch die Erbitterung über die „italienische Gynäkokratie" am Hof zusammengehalten wurde. Ähnlich wie es L'Hôpital versucht hatte, wollten diese Männer durch einen Ausgleich der Konfessionen den inneren Frieden wiederherstellen, um Staat und Gesellschaft vor der völligen Auflösung zu bewahren und sie von dem kirchlichen Übergewicht und fremden Einfluß zu befreien. Zu diesem Kreise gehörte auch Jean Bodin, der 1576 die erste Ausgabe seines Werkes über den Staat veröffentlichte mit der Tendenz, wie Meinecke sagt, „den Staat sich selbst zurückzugeben". In religiöser Beziehung haben die Politiker trotz aller Selbstsucht und Indifferenz das Verdienst, als erste nach der furchtbaren Entladung des Fanatismus für die Toleranz eingetreten zu sein. Zu ihrem Haupt warf sich Katharinas jüngster Sohn Franz von Alençon auf, der als erster Prinz von Geblüt nach einer unabhängigen Stellung trachtete. Das katholischabsolutistische Regiment Heinrichs III. führte Anfang 1575 zu einem Bündnis zwischen Politikern und Hugenotten und zum neuen Bürgerkrieg. Da die vereinigten Parteien durch einen abermaligen Hilfszug Johann Kasimirs militärische Verstärkung erlangten, mußte der König in dem Frieden von Beaulieu (6. Mai 1576) ihre Forderungen erfüllen. Das Edikt bewilligte den Hugenotten freie Religionsübung im ganzen Lande außer in Paris. Franz von Alençon erhielt eine mit der königliche Autorität kaum noch verträgliche Ausstattung, seitdem nannte er sich Herzog von Anjou. Um so mehr bemühten sich Heinrich und Katharina, ihn durch Verheiratung mit der Königin Elisabeth außer Landes zu bringen. Diese ging zum Schein darauf ein, mit meisterhafter Koketterie benutzte sie ein Jahrzehnt hindurch das Projekt, um die französischen Parteien sowie Frankreich und Spanien gegeneinander zu verhetzen und ein Zusammengehen der beiden Mächte zu hintertreiben. Der Schwerpunkt des religiösen Ringens rückte immer mehr in die Niederlande, wo mit dem Rückzug Oraniens nach Norden der eigentliche Freiheitskampf beginnt. Wenn ihn Holland und Seeland als königlichen Statthalter anerkannten und „in Abwesenheit des Königs" mit dem Oberbefehl zu Wasser und zu Lande betrauten, so war das nur eine Fiktion. Tatsächlich übte er zusammen mit den Ständen beider Provinzen die Herrschaft aus, wofür die hugenottischen Theorien von der Volkssouveränität und dem Widerstandsrecht den Rechtsboden abgaben. Jedoch gedachte Wilhelm die Erhebung nicht auf den Norden zu beschränken, sein Ziel war die Befreiung der gesamten Niederlande und ihre Zusammenfassung zu einer „Allgemeinheit" (généralité). Da

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hierzu die religiöse Toleranz eine notwendige Vorbedingung bildete, hielt er trotz seines Anschlusses an den Calvinismus, den er 1573 aus politischen Erwägungen vollzog, an seinem alten Grundsatz der Duldung fest. Aber wie er damit seiner Zeit vorauseilte, so konnte er sein Programm gegen die Calvinisten, die nach der Alleinherrschaft trachteten, nicht durchsetzen. Die holländisch-seeländische Bundesverfassung von 1576 gewährte nur ihnen den öffentlichen Gottesdienst, den anderen Bekenntnissen lediglich Gewissensfreiheit. Ein Ausgleich mit Philipp II. war weder auf politischem noch auf religiösem Gebiete möglich. Bereits 1575/76 erwogen die holländischen und seeländischen Staaten seine Absetzung und eröffneten Verhandlungen mit Elisabeth und Anjou über die Übernahme der Regierung, die indes ergebnislos verliefen. Trotz seiner Übermacht hatte Alba des Aufstandes nicht mehr Herr werden können, da er jetzt nicht, wie bisher, Einfälle abzuwehren, sondern den organisierten, durch hugenottische und wallonische Flüchtlinge verstärkten Widerstand zweier Provinzen zu brechen hatte. Auch unter den Katholiken erweckte sein hartes Regiment, zumal die Forderung des Zehnten und die ZuchtloBigkeit seiner unbezahlten Söldner einen wachsenden Groll. Sogar in Madrid konnte man sich sein Fiasko nicht mehr verhehlen. Ende 1573 berief ihn Philipp ab und ersetzte ihn durch den bisherigen Statthalter von Mailand, Don Luis de Requesens. Er war mehr Diplomat als Feldherr und empfahl sofort einen königlichen Gnadenerlaß mit Aufhebung des Rates der Unruhen und des zehnten Pfennigs. Aber als sich der König im März 1574 dazu entschloß, wurde das Zugeständnis im Lande als ungenügend aufgefaßt und die Unzufriedenheit noch gesteigert. Die von Requesens einberufenen Generalstände forderten in einem Gegenmanifest die Wiederherstellung der alten Privilegien und die Entfernung des spanischen Kriegsvolks, dessen Erpressungen und Plünderungen immer grauenhaftere Formen annahmen. Wegen der Meutereien im Heer konnten der Sieg über die von Ludwig von Nassau aus Deutschland herangeführten Truppen in den Torfmooren von Mook (14. April 1574), wo mit ihm sein Bruder Heinrich und der junge Pfalzgraf Christoph fielen, sowie die Eroberung einzelner Plätze nicht ausgenutzt werden. Inmitten dieser Schwierigkeiten erlag Requesens am 5. März 1576 einem plötzlichen Tod, ohne daß ein Nachfolger ernannt war. Die vorläufige Regierung ging an den autoritätund machtlosen Staatsrat über. Angesichts der einreißenden Anarchie griffen die Stände zur Selbsthilfe und stellten nach dem Beispiel von Brabant eigene Bürgertruppen gegen die meuternden spanischen Söldner auf. Oranien benutzte die günstige Gelegenheit, den Kriegsschauplatz in den Süden zu verlegen und die bisher gehorsamen Provinzen mit allen Mitteln auf seine Seite herüberzuziehen. Im Oktober 1576 traten Abgeordnete von Holland und Seeland mit den Generalstaaten zusammen und unterzeichneten unter dem Eindruck der Plünderung Antwerpens, der berüchtigten „spanischen Furie von Antwerpen", am 8. November 1576 einen „Friedens-, Eintrachts- und Freundschaftsbund", die söge-

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nannte Genter Pazifikation. Sie verpflichteten sich zu gegenseitigem Beistand gegen ihre Feinde und namentlich zur Vertreibung der spanischen Soldaten. Nach der Befriedigung des Landes sollen die Generalstaaten aller Provinzen die Neuordnung des Landes und besonders die religiöse Frage entscheiden und bis dahin der konfessionelle Status quo gewahrt bleiben. Den Bruch mit Philipp II. konnte der Prinz bei den Generalstaaten nicht durchsetzen, aber für den Augenblick war die „Allgemeinheit" gegen Spanien geeint. Indes bloß für den Augenblick. Denn der Genter Vertrag war nur ein Bündnis und ein vorläufiges Abkommen, das von vornherein geringe Aussicht auf Bestand gewährte. Der religiöse Gegensatz war vor der gemeinsamen Erbitterung über die spanische Tyrannei zurückgetreten, aber keineswegs beigelegt. Hier bot sich für eine geschickte spanische Politik die Handhabe, den von Oranien zusammengebrachten Bund zu sprengen und ihm wenigstens die katholischen Provinzen wieder abspenstig zu machen. Literatur. M. R i t t e r , Wilhelm von Oranien und die Genter Pazifikation 1576. (Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswiss. 3.)

§ 33. Der Beginn der Gegenreformation in Deutschland. Während so die konfessionelle Spaltung eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang des niederländischen Freiheitskampfes erlangte, erfuhr sie gleichzeitig in Deutschland eine wesentliche Verschärfung durch das Einsetzen der Gegenreformation. Die beiden ersten Jahrzehnte nach dem Augsburger Religionsfrieden hatten den Protestantismus in stetigem siegreichem Vordringen gesehen. Um 1570 hatte er seine größte Ausdehnung erreicht, die venezianischen Gesandten schätzten die Zahl seiner Anhänger, wohl etwas zu hoch, auf sieben bis neun Zehntel der Gesamtbevölkerung. Von den größeren weltlichen Territorien standen nur noch die österreichischen Erblande, Bayern, Jülich-Kleve und Lothringen zur alten Kirche, aber auch sie waren stark mit Protestanten durchsetzt. In Norddeutschland gab es keine katholische Dynastie mehr. Drei Kurfürsten und die Mehrzahl der weltlichen Fürsten bekannten sich zu dem neuen Glauben, von den Reichsstädten waren gerade die bedeutendsten außer Köln und Aachen evangelisch. Der geistliche Vorbehalt des Augsburger Friedens hatte die norddeutschen Stifter nicht retten können. Mit einziger Ausnahme von Hildesheim gelangten sie kampflos in die Hände evangelischer Administratoren und sanken zu Sekundogenituren der benachbarten Fürstenhäuser herab, ohne daß die katholischen Reichsstände diese Umgehung der reservatio ecclesiastica hatten hindern können. Selbst in den katholisch gebliebenen Bistümern hatte der Protestantismus im Adel, in den Städten und stellenweise auch im Domkapitel Eingang gefunden. Die Bischöfe waren überwiegend weltlich gerichtete Männer, die großenteils den Eid auf die Tridentiner Beschlüsse verweigerten. Wie sie war auch der niedere Klerus von dem tridentinischen Geist kaum berührt, die Masse des Volks stumpf und kirchlichen Reformen abhold. Die katholischen Lehr-

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anstalten verödeten immer mehr, so daß der kirchliche Nachwuchs bedrohlich zusammenschrumpfte. Die Protestantisierung ganz Deutschlands schien, wie auch die venezianischen Beobachter urteilten, nicht ausgeschlossen. Der Rückschlag hiergegen und die Sammlung der katholischen Kräfte ist nicht von Deutschland, sondern von Rom aus erfolgt. Lange hatte das Papsttum die Dinge laufen lassen und sich um die deutschen Verhältnisse kaum gekümmert. Noch im Jahre 1572 bezeichnet eine römische Denkschrift als die beiden einzigen Interessen der Kurie in Deutschland die Türkenliga und die Toskanische Titelfrage 1 ). Erst Papst Gregor XIII. erkannte die hier liegenden Gefahren und Aufgaben und leitete planmäßig die Gegenreformation ein. Er setzte sich zunächst die Behauptung der katholisch gebliebenen Gebiete zum Ziele, erst danach wollte er von der Defensive zur Offensive schreiten. Während der dreizehn Jahre seines Pontifikates von 1572—1585 hat Deutschland geradezu „im Vordergrund der Interessen des Vatikans" gestanden. Auf die Wiederbelebung der Congregatio Germanica, die innerhalb des Kardinalskollegs die deutschen Angelegenheiten zu bearbeiten hatte, folgte die Neubegründung des Collegium Germanicum in Rom zur Ausbildung junger deutscher Theologen und als wichtigste Maßnahme die Errichtung mehrerer Nuntiaturen im Reich. Zu dem bisher einzigen ordentlichen päpstlichen Vertreter in Wien traten jetzt ständige Nuntien in Steiermark, Ober- und Niederdeutschland, von denen dieser 1584 seinen Sitz in Köln nahm. Sie hatten die deutsche Kirche und die geistlichen Wahlen zu überwachen, die Bischöfe zur Durchführung der Tridentiner Beschlüsse zu bestimmen und vor allem die weltlichen katholischen Fürsten in ein engeres Verhältnis zu Rom zu bringen, um dadurch den verlorenen Einfluß auf die deutschen Territorien wieder zu gewinnen. Ihre wichtigsten Stützen hierbei waren die Herzoge von Bayern, Albrecht V. (1550—1579) und Wilhelm V. (1579—1597), sowie die Brüder Maximilians II., Erzherzog Ferdinand von Tirol und Karl von Steiermark. Der frühe Tod Maximilians II. machte auch das Kaisertum dem römischen Einfluß wieder zugänglich. Denn in seinem Sohn Rudolf II. folgte ihm ein Zögling König Philipps II., von dem der päpstliche Legat im Augenblick seiner Thronbesteigung urteilte: „Er ist ganz katholisch und ganz fromm"'). Hand in Hand mit den Nuntien arbeiteten die Jesuiten, die, anfangs in Deutschland nicht freudig aufgenommen, immer mehr Niederlassungen begründeten. Sie wurden auch hier die Vorkämpfer der Gegenreformation und hatten schnell wachsende Erfolge aufzuweisen. Die Lage war für Rom um so günstiger, als die Erstarrung und Zerklüftung des deutschen Protestantismus ständig zunahmen. Der Zwiespalt zwischen Luthertum und Calvinismus, der sich politisch in dem l

) Nuntiaturberichte 1572—1585 I, S. XXIII A2. «) Nuntiaturberichte 1572—1585 II, S. 192.

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Gegensatz zwischen Kursachsen und Kurpfalz auswirkte, wurde durch den Sturz der sogenannten Kryptocalvinisten in Sachsen (1574) noch verschärft. Dazu gesellte sich der Riß innerhalb des Luthertums selbst. Durch die Konkordienformel von 1577 schlössen sich die Orthodoxen schroff gegen alle anderen ab. Tatenlos sahen sie der römischen Propaganda und den Fortschritten der Gegenreformation zu, in der kurzsichtigen Auffassung, durch striktes Festhalten an dem Augsburger Religionsfrieden alle Gefahren bannen zu können. Das Vorspiel bildete die Ausrottung des Protestantismus in Bayern durch Albrecht V., der während seiner Vormundschaft über den Markgrafen Philipp II. von Baden-Baden 1570/71 auch hier die Alleinherrschaft des Katholizismus wiederherstellte. 1573 begann die Gegenreformation in der Reichsabtei Fulda, wo Abt Balthasar von Dermbach gegen die evangelische Ritter- und Bürgerschaft vorging. 1574 folgte der Erzbischof von Mainz auf dem Eichsfeld diesem Beispiel. Die Protestanten erblickten darin einen Verstoß gegen die Ferdinandeische Deklaration. Deshalb forderten die evangelischen Kurfürsten 1575 bei der Königswahl Rudolfs II. ihre ausdrückliche Bestätigung, drangen aber hiermit nicht durch, da die geistlichen Fürsten die Verbindlichkeit der Deklaration bestritten und August von Sachsen es nicht zum Bruch mit ihnen kommen lassen wollte. Von größerer Bedeutung für das konfessionelle Ringen war der geistliche Vorbehalt, der dem erstarkten Katholizismus eine reichsgesetzliche Waffe zur Erhaltung der bedrohten und zum Wiedergewinn der verlorenen Stifter bot. Auf ihm beruhte die letzte große Stellung der alten Kirche im deutschen Nordwesten, die rheinisch-westfälischen Bistümer, die durch die Lande des katholischen Herzogs von Jülich-Kleve und durch die Reichsstädte Aachen und Köln zusammengehalten wurden. Aber auch diese Position war bereits von dem Protestantismus umspült, wie schon vorher in den vereinigten Herzogtümern fanden 1574 die Evangelischen in dem Aachener Stadtrat Eingang. Die Behauptung dieses Blockes war zumal wegen seiner Lage an den Grenzen der Niederlande für die Katholiken eine ebensolche Lebensfrage wie für die Protestanten seine Eroberung. Die Führung im evangelischen Lager hatte neben den Pfälzern der Wetterauer Grafenverband, der für seine jüngeren Söhne auf die Versorgung in den rheinischen Kapiteln angewiesen war, sich den Zutritt zu ihnen nicht sperren lassen und den geistlichen Vorbehalt durch eine allgemeine Freistellung des Bekenntnisses ersetzen wollte. Sie sollte in Kurköln beginnen, wo der Erzbischof Salentin von Isenburg (1567 bis 1577) sich offenkundig mit Abdankungsabsichten trug. Gelang der Vorstoß, so war in das katholische System Bresche geschossen und zugleich der Kampf um das geistliche Fürstentum überhaupt eröffnet. Mit Köln errangen die Protestanten die Mehrheit im Kurfürstenkolleg, so daß ein evangelisches Kaisertum denkbar wurde. Von der Lösung der Kölner Frage hing für das konfessionelle Ringen nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Linie unendlich viel ab.

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In klarer Erkenntnis dessen, und zugleich um die reichen Stifter seinem Hause zu verschaffen, bemühte sich Albrecht von Bayern schon länger für die Nachfolge seines Sohnes Ernst, eifrig unterstützt von der Kurie und ihren Nuntien; 1573 glückte als erste Etappe die Erhebung Emsts zum Bischof von Hildesheim. Aber nach dem 1577 erfolgten Verzicht Salentins von Köln erlitt die bayerisch-römische Politik bei der Neuwahl eine empfindliche Niederlage, Ernst blieb um 2 Stimmen in der Minderheit. Sein glücklicher Nebenbuhler Gebhard Truchseß von Waldburg war zwar ebenfalls Katholik und wurde auch vom Papst bestätigt, aber gegenüber der bayerischen Partei stützte er sich auf die Wetterauer. Der Ausbruch des offenen Kampfes war damit nur hinausgeschoben, und schon jetzt verflocht er sich mit dem spanisch-niederländischen Gegensatz. Der Führer der Wetterauer war Oraniens Bruder Graf Johann VI. von Nassau, der 1578 auf dessen Betreiben zum Statthalter von Geldern gewählt wurde und ein Bündnis der Wetterauer mit den nördlichen Provinzen, mit England und den Schweizern zustande zu bringen suchte. Für den Freiheitskampf der Niederländer war eine evangelische Flanken- und Rückendeckung am Niederrhein von höchstem Wert. Aber eben deshalb und mit Rücksicht auf eine gesicherte Landverbindung zwischen Flandern und der Freigrafschaft konnte und wollte Spanien eine Protestantisierung der rheinischen Stifter nicht zulassen. Darum hatte schon Alba in den kirchenpolitischen Kämpfen in Jülich-Kleve-Berg die katholische Partei nachdrücklich unterstützt und die bayerische Bewerbung um Köln nach Kräften befördert. Und seine Nachfolger hielten an dieser Politik fest. Literatur. H. Moritz, Die Wahl Rudolfs II., der Reichstag zu Regensburg (1576) und die Freistellungsbewegung. Marburg 1895. J . H a n s e n , Einleitung zu Nuntiaturberichten. Abt. III. (1572—1585) Bd. I. M. Lossen, Der Kölnische Krieg. Bd. I. Vorgeschichte. Gotha 1882. H. Rörig, Beiträge zur Politik des Grafen Johann VI. des Älteren von Nassau-Dillenburg. Bonner Diss. Köln 1916. Sonstige Einzelnachweise bei D a h l m a n n - W a i t z .

§ 34. Die Statthalterschaft Don Juans in den Niederlanden. Gerade in den Tagen der Genter Pazifikation war Requesens' Nachfolger, Don Juan d'Austria, in Flandern eingetroffen. Nur der Not gehorchend, hatte Philipp seinen ehrgeizigen, mit dem Siegeslorbeer von Lepanto geschmückten Halbbruder zum Statthalter ernannt, und dieser knüpfte die Annahme des Postens an zwei Bedingungen. Er behielt den Oberbefehl über die spanische Flotte und erlangte die königliche Erlaubnis, nach Befriedung der Niederlande seine Waffen gegen England zu kehren, Elisabeth zu stürzen und als Gemahl der befreiten Maria Stuart den englischen Königsthron zu besteigen1). Für die ihm zugedachte Rolle des Friedensstifters war der stürmische Kriegsmann völlig ungeeignet. Denn jetzt endlich war Philipp, von der Erfolglosig') Philipp II. machte freilich den Vorbehalt, daß vor dem Unternehmen die Neutralität Frankreichs sichergestellt sein müsse.

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keit des bisherigen Regimes überzeugt, zu allen Zugeständnissen bereit, die sich mit der Aufrechterhaltung der königlichen Autorität und der Alleinherrschaft der römischen Kirche vereinigen ließen. Um diesen Preis bestätigte sein Statthalter in dem Ewigen Edikt vom 12. Februar 1577 die Genter Pazifikation und die Privilegien der Provinzen und GeneralBtände und versprach den Abzug der spanischen Truppen, und zwar auf dem Landweg, wodurch ihre Verwendung gegen England vereitelt wurde. Dagegen verpflichteten sich die Stände zum Gehorsam gegen den König und die katholische Religion und zur Entlassung ihrer selbstgeworbenen Streitkräfte. Indes ebensowenig wie der Genter Friede konnte das Ewige Edikt von Dauer sein. Die konfessionelle Frage machte von vornherein jeden modus vivendi zwischen dem König und den Calvinisten unmöglich. Oranien und seine Freunde hatten alles zur Verhinderung des Ausgleichs getan und nach seinem Abschluß mit den Ständen von Holland und Seeland Einspruch erhoben. Sie unterhandelten nach wie vor mit Anjou, der sich gerne in den Niederlanden ein selbständiges Fürstentum begründen wollte, aber zunächst durch einen neuen Hugenottenkrieg gefesselt war. In innerem Zusammenhang mit den Ereignissen in Deutschland und Flandern hatten sich die französischen Katholiken 1576 zur Liga von Pöronne vereinigt, um die Alleinberechtigung ihres Glaubens und die Unterstellung der Königsgewalt unter die Kontrolle der Reichsstände durchzusetzen. In dem Frieden von Poitiers (17. September 1577) erreichten sie eine nicht unerhebliche Beschneidung der letzten Konzessionen an die Hugenotten, die im wesentlichen auf die Bestimmungen von Amboise zurückgeschraubt wurden. Auch Don Juan war mit dem Ewigen Edikt unzufrieden, da es seine englischen Pläne durchkreuzte und ihm die militärischen Streitkräfte nahm. Um sich eine feste Position zu sichern und Oraniens Widerstand zu brechen, bemächtigte er sich am 24. Juli 1577 durch einen Handstreich der Zitadelle von Namur, ohne zu bedenken, daß er damit sich selbst ins Unrecht setzte und Oranien in die Hände arbeitete. Dieser wurde von den Generalstaaten nach Brüssel gerufen und erhielt allerdings gegen den Willen des Adels und der Prälaten zu seinen bisherigen Statthalterschaften das Amt des „Ruwaert" von Brabant. Die Genter Pazifikation wurde erneuert und fester gefügt, Don Juan wegen Bruchs des Ewigen Ediktes von den Generalständen zum Landesfeind erklärt und der König um seine Abberufung und die Entsendung eines „ehelichen prinzlichen Abkömmlings des österreichischen Fürstenhauses" gebeten. Ein solcher stand schon bereit in der Person des Erzherzogs Matthias, des dritten Sohnes Maximilians II. Den Gedanken, durch die Statthalterschaft eines Erzherzogs die Niederlande zu beruhigen und für das Haus Habsburg zu retten, hatten nicht nur Maximilian und die deutschen Kurfürsten, sondern zeitweise auch spanische Staatsmänner vertreten, und der Reichstag von 1576 hatte auf Bitten der Aufständischen eine neue, freilich aussichtslose Vermittlung beschlossen. Den AbgeP l a t z h o i f , Europ. Staatensystem.

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ordneten der Generalstände hatte in Regensburg der ehrgeizige Matthias seine Dienste angeboten. Darauf griffen jetzt die katholischen Adligen und die Prälaten zurück und forderten ihn auf, im Namen Philipps II. die Regierung zu übernehmen. Er kam dem Ruf im Oktober 1577 im tiefsten Geheimnis nach. War das ganze ein Schachzug der katholischen Mittelpartei gegen Oranien, so wußte dieser, gestützt auf seinen großen Anhang, den Streich geschickt zu parieren. Um einen Bruch mit den Katholiken zu verhüten, erkannte er den Erzherzog als Regenten an, aber die Leitung der Staatsgeschäfte wurde ihm selbst als Generalleutnant des Regenten und dem von den Generalstaaten gebildeten Staatsrat übertragen, so daß Matthias von vornherein zu einer Scheinrolle verurteilt war. Inzwischen hatte der offene Kampf gegen Don Juan begonnen. Der Sieg, den er mit den zurückgerufenen spanischen Truppen am 31. Januar 1578 bei Gembloux über die staatische Armee erfocht, entfesselte in den Städten der nördlichen Provinzen Erhebungen der unteren Stände, die sich ebenso gegen Spanien und den Katholizismus wie gegen den Adel und die Geschlechter richteten und sich in Plünderungen und Bilderstürmen entluden. Gleichzeitig bemühte sich Oranien aufs neue um auswärtige Hilfe. Die Königin von England lehnte nach wie vor ein offenes Eingreifen ab; aber um nicht Anjou das Spiel zu überlassen, verstand sie sich zu einem Darlehen unter der Bedingung, daß die Staaten hiermit den Pfalzgrafen Johann Kasimir in ihre Dienste nähmen. Er erschien im Sommer 1578 mit 12000 Mann, beschwor jedoch durch seine ehrgeizigen Absichten schon bald Mißtrauen und Konflikte herauf, so daß er das Kommando niederlegte und Anfang 1579 wieder verschwand. Ebenso wirkungslos war die französische Unterstützung. Franz von Anjou wurde jetzt auch von den Katholiken umworben, indes wie Matthias erlag auch er der Diplomatie Oraniens. In dem Vertrag vom 13. August 1578 erkannten ihn die Generalstände als „Verteidiger der Freiheit der Niederlande" an, aber ohne ihm Einfluß auf die Regierung einzuräumen, und versprachen, bei einem etwaigen späteren Herrscherwechsel ihm vor jedem anderen Fürsten den Vorrang zu geben. In einem Geheimabkommen mit Oranien mußte er sich verpflichten, nichts gegen das reformierte Bekenntnis zu unternehmen. Nach einem wenig glücklichen Kriegszug zog er sich bereits im Januar 1579 nach Frankreich zurück. L i t e r a t u r . H.F.M. H u y b e r s , Don Juan vanOostenrijk, landvoogt der Nederlanden. 2 Bde. Utrecht 1913/14. J. C. H. de P a t e r , De Raad van State nevens Matthias 1578—1581. 's Gravenhage 1917.

§ 35. Der Kölner Pazilikationstag, der Friede von Arras und die Utrechter Union. Die Einmischung Anjous zeitigte über die Niederlande hinausreichende Folgen. Am Kaiserhof verstärkte sie die alte Besorgnis vor einem Anschluß der Provinzen an Frankreich und den Wunsch einer österreichischen Statthalterschaft. Im Einverständnis mit den Reichs-

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ständen richtete Rudolf II. an Philipp II. das Ersuchen, ihm die Vermittlung zu übertragen. Gleichzeitig bemühte sich die Kurie um eine friedliche Lösung. Gregor XIII., der sich mit dem Gedanken eines Kreuzzuges gegen England trug, hielt die Beruhigung der Niederlande für die unerläßliche Vorbedingung dieses Unternehmens und befürchtete von Anjous Eingreifen einen spanisch-französischen Krieg. Aber während der Kaiser seinen Bruder Matthias von Madrid bestätigt wissen wollte, wünschte der Papst dessen Entfernung und die Schiedsrichterrolle nicht dem Kaiser, sondern sich selbst zugewandt zu sehen. Unter dem Druck der Lage und weil er dem streng kirchlichen Rudolf mehr traute als dessen Vater, nahm Philipp im Juli 1578 das bisher immer abgelehnte Wiener Anerbieten an, allerdings unter gewissen Bedingungen. Nach dem Bruch des Ewigen Ediktes, den er den Aufständischen zuschob, glaubte er sich an die Genter Pazifikation nicht mehr gebunden, sondern verlangte jetzt die Anerkennung der katholischen Kirche und der königlichen Autorität, so wie es unter Karl V. gewesen war. Wenn die Niederländer nicht dazu zu bringen seien, so wollte er nach seinen eigenen Worten „ihr Land so verwüsten, daß weder die Einheimischen darin wohnen könnten noch irgend jemand sonst das Verlangen danach trage" 1 ). Infolgedessen war das Friedenswerk von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn die Generalstaaten lehnten die spanischen Bedingungen unzweideutig ab und nahmen die kaiserliche Vermittlung nur mit der ausdrücklichen Erklärung an, daß sie sich bei der Ungewißheit der Lage vorläufig nicht binden könnten. Unter so trüben Auspizien trat nach langen Vorverhandlungen der Pazifikationstag im Mai 1579 in Köln zusammen. Inzwischen hatte sich die Lage in den Niederlanden von Grund aus geändert. Don Juan war am 1. Oktober 1578, erst 31jährig, seinen Aufregungen und Anstrengungen erlegen, an seine Stelle trat der Herzog von Parma, Alessandro Farnese, der Sohn Margaretas, deren Wiederberufung der König zuerst ins Auge gefaßt hatte. Farnese unterschied sich von seinem Vorgänger dadurch, daß er nicht nur Soldat, sondern auch Diplomat war. Er erkannte die Vorteile, die ihm die konfessionelle Spaltung in den Landen bot, und gedachte sie nach dem Grundsatz divide et impera auszunutzen. Das gewaltsame Vorgehen der Calvinisten hatte in den wallonischen Provinzen eine katholisch-aristokratische Reaktion veranlaßt und unter den Geistlichen, den Standesherren und dem reichen Bürgertum eine neue Partei der „Malkontenten" ins Leben gerufen. Um sich der siegreich vordringenden protestantischen und demokratischen Bewegung zu erwehren, machte sie sich mit dem Gedanken einer Aussöhnung mit dem König vertraut, den Farnese wirksam zu fördern wußte. Wenn sich auch politische und konfessionelle Momente miteinander verquickten, das entscheidende war der religiöse GegenInstruktion für Mendoza bei Kervyn de Lettenhove, Relations politiques X, S. 298. 6«

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satz, er hat im letzten Grunde die Trennung der Niederlande verursacht. Aus religiösen Motiven bekämpften die katholischen Wallonen Oraniens Toleranzpolitik und den von ihm vermittelten Religionsfrieden von 1578, weil sie davon eine Verstärkung des Calvinismus voraussahen. Seit dem November 1578 waren sie entschlossen, sich von den Generalstaaten loszusagen, seitdem verhandelten die Provinzen Artois, Hennegau und Lille-Douay-Orchie8 über einen Sonderbund zum Schutz der katholischen Konfession. Am 6. Januar 1579 schlössen sie zu diesem Zweck die Union von Arras ab und am 17. Mai am gleichen Ort den Frieden mit Spanien. Gegen die Bestätigung der Genter Pazifikation, des Ewigen Ediktes und ihrer alten Privilegien traten sie unter die Herrschaft des katholischen Königs zurück; Statthalter sollte in Zukunft ein Prinz aus königlichem Geblüt sein. In dem politischen Kampf trug also die ständische Opposition den Sieg über Philipp II. davon, er mußte ihre alten Forderungen anerkennen, aber um diesen Preis setzte er seine Grundforderungen, die Alleinherrschaft des katholischen Glaubens und die Wahrung seiner Oberhoheit durch. Der Vertrag, dem sich bald darauf Valenciennes und eine Anzahl der südflandrischen und brabantischen Städte anschlössen, bedeutete die endgültige Zerreißung der Niederlande. Die Antwort der nördlichen Provinzen auf den Bund von Arras war die Utrechter Union, zu der sich am 23. Januar 1579 HollandSeeland mit Utrecht, Geldern und den Groninger Ommelanden verbanden und der nachträglich Friesland und Overyssel beitraten. Man hat die Union mit Recht die „Geburtsurkunde der niederländischen Republik" genannt, trotzdem sie selbst keinen neuen Staat begründen wollte und sollte. Sie richtete eine untrennbare Einigung der sieben Provinzen für ewige Zeiten auf zum Zweck gegenseitiger Verteidigung gegen jede fremde Gewalt und des Schutzes der alten Landesrechte und der Genter Pazifikation. In der religiösen Frage wurde Holland und Seeland die Herrschaft des Calvinismus verbürgt, den übrigen Provinzen volle Freiheit gelassen und Toleranz empfohlen. Während die Wallonen sich von den Generalstaaten losgelöst hatten, betrachtete sich die Utrechter Union als eine engere Gruppe in der Allgemeinheit, an der Oranien noch immer festhielt 1 ). Die definitive Absage an den spanischen König wurde noch vermieden, war indes nur eine Frage der Zeit. Das bewies der Kölner Kongreß. Weder Philipp II. noch Oranien wollten es zu einem wirklichen Ausgleich kommen lassen, und der Herzog von Parma tat ein übriges, indem er den von Kaiser und Papst gewünschten Waffenstillstand nicht gewährte, vielmehr während der Tagung die Festung Maastricht belagerte und am 29. Juni eroberte. Die Verhandlungen schleppten sich bis in den November resultatlos hin, sie scheiterten wiederum an der religiösen Frage, in der der König kein Zugeständnis machen wollte, ') Darum stand er der Utrechter Union mit Bedenken gegenüber; vgl. P. J. B l o k , Oranje en de Unie van Utrecht in Bijdragen voor Vaderlandsche Geschiedeais VII (1920).

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obwohl sogar der päpstliche Vertreter anerkennen mußte, daß ohne Gewährung konfessioneller Freiheit kein Friede möglich sei und ohne Frieden die katholische Kirche den größten Gefahren ausgesetzt bleibe. Das Kölner Fiasko verschärfte den Kampf in den Niederlanden noch. Vor dem aufgepeitschten Fanatismus beider Bekenntnisse mußte Oraniens Toleranzpolitik weichen. Um ihn, „den alleinigen Leiter, Urheber und Anstifter der Unruhen" unschädlich zu machen, erklärte ihn Philipp II. auf den Rat des 1579 nach Madrid berufenen Granvella am 15. Juni 1580 auf Grund der Mordrechtstheorie als „einen Feind des Menschengeschlechts" förmlich in die Acht und setzte auf seinen Kopf eine Belohnung von 25000 Goldtalern aus. Der Prinz antwortete mit seiner berühmten Apologie, in der er die gegen ihn erhobenen Anklagen durch noch giftigere gegen den König überbot und die Volkssouveränität proklamierte. Gestützt auf die monarchomachischen Doktrinen, die namentlich durch die 1579 gedruckten „Vindiciae contra tyrannos" in den Niederlanden verbreitet wurden, überwand er allmählich den Widerstand der Generalstaaten gegen den völligen Bruch mit dem angestammten Herrscher. Da er dafür der militärischen Hilfe des Auslandes nicht entbehren und sie nach Lage der Dinge nur von Anjou erhoffen konnte, ging er jetzt auf dessen ehrgeizige Pläne ein. In dem Vertrag vom 19. September 1580 wurde der Herzog von den Generalständen als Erbfürst anerkannt. Aber es war bloß eine Scheinsouveränität, die Bie ihm übertrugen, die tatsächliche Macht blieb bei ihnen. Zudem mußte sich Franz verpflichten, den Provinzen die Unterstützung seines Bruders Heinrich III. zu verschaffen und nach seinem eigenen Regierungsantritt in Frankreich ein ewiges Bündnis abzuschließen. Das Versprechen war nicht aufrichtig gemeint, denn gleichzeitig ließ er seine Mutter in Madrid über seine Heirat mit einer Tochter Philipps II. verhandeln. Umgekehrt war für Oranien der Vertrag lediglich ein Mittel zur Erreichung der völligen Unabhängigkeit. Granvella hatte nicht unrecht, wenn er das Abkommen eine Farce nannte. Gänzlich an die Wand gedrückt war der erbärmliche Matthias, der sich im Herbst 1581 aus dem Staube machte. Die letzte Konsequenz zog die Utrechter Union in dem Manifest vom Haag (26. Juli 1581), das die förmliche Absetzung Philipps II. aussprach und sie mit der Lehre von dem Widerstandsrecht und mit der „Verletzung der Gewohnheitsrechte und Gesetze des Landes" begründete. L i t e r a t u r . J. H a n s e n , Der Niederländische Pazifikationstag zu Köln 1579. (Westdt. Zeitschr. 13.)

§ 36. Die Erwerbung Portugals durch Philipp II. In denselben Jahren, in denen Philipp II. die nördlichen Provinzen verlor, vergrößerte er sein Universalreich durch die Erwerbung Portugals. Schon längst von Kastilien gewünscht und erstrebt, gelang sie jetzt durch ein unvorhergesehenes Ereignis. Der junge König Sebastian unternahm 1578 mit unzulänglichen Kräften einen Kreuzzug gegen die

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Mauren in Nordafrika, auf dem er in dem Gefecht von Alkassar (4. August 1578) geschlagen und getötet wurde. Wie 1526 der Tag von Mohacz, so entschied diese Schlacht nach Rankes Urteil nicht nur über eine Dynastie, sondern über die Unabhängigkeit eines Reiches. Aus dem Mannesstamm des portugiesischen Königshauses lebte nur noch Sebastians Großoheim, der alte unverheiratete Kardinal-Infant Heinrich, der ihm auf dem Thron folgte, aber schon am 31. Januar 1580 starb, ohne die Sukzessionsfrage erledigt zu haben. Auf Grund des weiblichen Erbrechtes beanspruchte Philipp II., dessen Mutter die älteste Schwester Heinrichs gewesen war 1 ), die Nachfolge. Indes sie wurde ihm streitig gemacht durch einen illegitimen Sprößling der Dynastie, Dom Antonio, Prior von Crato, und die mit dem Herzog von Braganza vermählte Prinzessin Katharina. Vor allem aber lehnte sich das Selbständigkeitsgefühl des portugiesischen Volkes gegen eine Vereinigung mit Spanien auf. Die Intervention des Papstes sowie den Vermittlungsvorschlag, die portugiesische Krone seinem jüngeren Sohne zu überlassen, wies der König zurück und beeilte sich, eine vollendete Tatsache zu schaffen. Durch die sofortige Entsendung Albas mit einem Heere wurde der Widerstand im Lande gebrochen und Philipp anerkannt, aber Portugal nicht dem spanischen Reiche einverleibt, sondern nur in Personalunion mit ihm verbunden. Die Verwaltung übertrug der König seinem Neffen, dem Erzherzog Albert. Damit war der paniberische Gedanke verwirklicht. Die ganze Halbinsel, beide Indien, die Gold- wie die Gewürzländer gehorchten dem katholischen König, er verfügte über die Flotten beider Reiche. Wurde er durch diesen Erfolg in seinen universalen Plänen noch bestärkt, so mußten seine Gegner dadurch erst recht zur Abwehr seiner Hegemonie angetrieben werden. Heinrich III. von Frankreich dachte einen Augenblick an die Bildung einer großen Koalition mit England, den deutschen Protestanten und der Republik Venedig. Er wie die Königin Elisabeth gewährten dem aus Portugal geflüchteten Prätendenten Dom Antonio im geheimen Unterstützung. Aber in den Seekämpfen bei den Azoren wurden dessen Geschwader 1582/83 von dem spanischen Admiral Santa Cruz vernichtet. Noch von der Walstatt schrieb der Sieger seinem Herrn, nun möge er seine Waffen gegen England richten. *)

Emanuel I., König von Portugal 1495—1521

Johann III. 1521—1557 Isabella Gem.: Johanna von Spanien Gem. Karls V. Johann tl554 Sebastian 1557—1578

Maria

Philipp II. • Don Carlos 11568

Ludwig Heinrich Eduard I 1578—1580 I Dom Antonio Katharina (illegitim) Gem.: Johannv.Braganza f 1595 | Theodosius Johann IV. 1640—1656 König von Portugal

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L i t e r a t u r . J. S u a r e z - I n c l á n , Guerra de anexión en Portugal durante el reinado de Don Felipe II. 2 Bde. Madrid 1897/98. P. D u r a n d - L a p i e , Dom Antoine de Portugal 1580—95. (Revue d'hist. diplomatique 18/19.)

§ 37. Anjou in den Niederlanden. Die Haltung Englands. Die unmittelbare Rückwirkung der Erwerbung Portugals auf den niederländischen Krieg war für Spanien insofern nicht günstig, als der König dem Herzog von Parma fürs erste keine genügenden Geldmittel senden konnte. Darum vermochte dieser, der nach dem Fall Maastrichts die nördlichen Provinzen auch von Südosten bedrohte und im Februar 1580 Courtrai eroberte, seine Siege nicht durchschlagend auszunutzen. Um Anjou den Weg zu versperren, begann er mit der Belagerung Cambrais, brach sie aber ab, als der Valois, der Ende 1580 in Frankreich nach einem neuen unentschiedenen Bürgerkrieg den Frieden von Fleix vermittelt hatte, 1581 mit einem Heere heranrückte. Jedoch auch nach der Einnahme Cambrais war Franz nur mit halbem Herzen bei der Sache. Da ihm sein Bruder die versprochenen Subsidien nicht auszahlte, wich er mit seinen zuchtlosen Söldnern bald wieder zurück und begab sich nach England, einer Einladung der Königin folgend, auf deren Hand er noch immer hoffte. Elisabeth war nach wie vor in der Reserve geblieben und hielt den beiden westeuropäischen Mächten gegenüber an ihrer Schaukelpolitik fest. Der britische Handel blühte auf Kosten der Kriegführenden empor, die Flotte wurde reorganisiert und vermehrt, so daß sie einem Angriff gewachsen war. Den Brand in den Niederlanden schürte die Tudor geflissentlich, aber die ihr von Oranien wiederholt angebotene Souveränität lehnte sie ab. Sie wollte Philipp II. nicht provozieren. Die diplomatischen Beziehungen zu Spanien waren nie ganz abgebrochen. 1578 sandte der König nach sechs Jahren wieder einen ständigen Botschafter, Bernardino Mendoza, nach London, ohne daß Elisabeth seinem Beispiel folgte. Um seine ganze Kraft für die Bezwingung der Niederlande einsetzen zu können, bedurfte Philipp dringend des Friedens mit England. Deshalb wies er alle Invasionsvorschläge zurück. Ihr leidenschaftlichster Anwalt war Papst Gregor XIII., der sein Lebenswerk mit der Wiedergewinnung des Inselreiches krönen wollte. Um sie vorzubereiten, bestätigte er 1579 das aus einem Pilgerhaus hervorgegangene Collegium Anglicum in Rom und übertrug den Jesuiten die Leitung. In demselben Sinne wirkte seit 1568 das von dem Engländer William Allen begründete Seminar von Douai, das 1578 nach Reims verlegt wurde. Hier wie in Rom wurde ein neues englisches Priestergeschlecht für die Mission und die Ketzerbekämpfung ausgebildet. Nach dem Fehlschlagen der auf Don Juan gesetzten Hoffnungen schien sich der Kurie ein günstiges Angriffsfeld in Irland zu bieten, wo der alte nationale Haß gegen England durch den konfessionellen Gegensatz noch verstärkt worden war. Indes eine von Gregor mit Truppen unterstützte Erhebung wurde 1579 von der britischen Regierung mit leichter

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Mühe niedergeworfen und hatte das für Rom sehr unerwünschte Ergebnis, daß die Katholikenverfolgung in England eine wesentliche Verschärfung erfuhr. Gleichzeitig gärte es in Schottland. Hier hatte der junge Jakob VI. 1578 die Regierung übernommen, geriet aber schon bald unter den beherrschenden Einfluß seines in Frankreich erzogenen Vetters Aubigny, der mit den Guisen in engstem Einvernehmen stand. Nachdem der zum Herzog von Lennox erhobene Günstling den Protestantenführer und früheren Regenten Morton aufs Schafott gebracht hatte (1581), trug er sich mit dem Plan, den König zur katholischen Kirche zurückzuführen und eine Spanien, Frankreich und den Papst umfassende Koalition gegen Elisabeth ins Leben zu rufen. Angesichts dieser Gefahren hielt es die Königin für geboten, Anjou neue Hoffnungen zu erwecken, um ihn gegen die Guisen und die katholischen Mächte auszuspielen und zugleich seine Festsetzung in den Niederlanden zu verhüten. Sie ging jetzt so weit, daß sie sich im November 1581 förmlich mit ihrem „Prinzen Frosch" verlobte, machte aber die Heirat von dem vorherigen Abschluß eines Bündnisses mit Frankreich abhängig. Heinrichs III. Weigerung bot ihr einen bequemen Vorwand, die Vermählung, an die sie ernstlich wohl nicht dachte, wiederum hinauszuschieben. Als der Herzog nach einigen Monaten enttäuscht in die Niederlande zurückkehrte, hatte sich die Lage in den Provinzen für ihn weiter verschlechtert. Bereits 1580 war der Statthalter von Groningen und Friesland von den Generalstaaten abgefallen und hatte die Stadt Groningen den Spaniern ausgeliefert. Im November 1581 eroberte Farnese Tournai, den letzten wallonischen Platz, der dem König trotzte. Durch die milderen Bedingungen, die er von nun an den bezwungenen Städten gewährte, errang er auch moralische Erfolge. Nachdem der Versuch Philipps II., die Zivilverwaltung von dem militärischen Oberbefehl zu trennen und jene der alten Herzogin Margareta zu übertragen, gescheitert war, erhielt Alessandro Ende 1581 in aller Form die Regentschaft im Widerspruch zu den Bestimmungen des Friedens von Arras. Auf der anderen Seite vertieften die autokratischen Gelüste Anjous sowie das Ausbleiben der französischen Hilfe das von Anfang an vorhandene Mißtrauen der Generalstaaten gegen den katholischen Prinzen. Nach einem fehlgeschlagenen Gewaltstreich auf Antwerpen und Dendermonde zog er sich im Frühjahr 1583 nach Dünkirchen und später nach Cambrai zurück, von wo er aufs neue landesverräterische Verhandlungen mit Philipp II. anknüpfte. L i t e r a t u r . C o n y e r s R e a d , Despatches of Castelnau de la Mauvissifere 1577—1581. (American Hist. Review 31.) Über die katholische Mission in England: T. F. K n o x , The Letters and Memorials of William Cardinal Allen, London 1882, und jetzt die oben angeführten Werke von A. 0 . M e y e r und P o l l e n .

§ 38. Der Kölner Krieg. Der Tod Anjoas and die Ermordung Oraniens. Während Farnese die spanische Stellung in den Niederlanden festigte, kam in den anstoßenden deutschen Gebieten die längst drohende

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Krisis zur Entladung. Den Auftakt bildete der Magdeburger Sessionsstreit auf dem Augsburger Reichstag von 1582. Der im Erzbistum Magdeburg 1566 zum Administrator gewählte Brandenburger Joachim Friedrich hatte bisher weder die kaiserlichen Lehnsindulte noch die Anerkennung von Sitz und Stimme auf den Reichstagen erlangen können. Als er die Session jetzt erzwingen wollte, stieß er auf den entschlossenen Widerstand der katholischen Stände und auf die Lauheit Kursachsens, so daß er den Reichstag verließ und die Entscheidung vertagte. Gleichzeitig stand die ebenfalls nicht ganz geklärte und umstrittene Frage des Reformationsrechts der Reichsstädte zur Debatte. Auf das Verlangen der Aachener Protestanten nach freier Religionsausübung hatte der städtische Rat 1580 eine ausweichende Antwort erteilt, ohne sein jus reformandi in Zweifel zu ziehen. Rudolf II. forderte auf Drängen der katholischen Nachbarfürsten den Ausschluß der Evangelischen aus dem Rat, mußte jedoch wegen des Einspruches der protestantischen Reichsstädte die Sache vor den Reichstag bringen und hier der Einsetzung eines paritätischen Schiedsgerichtes zustimmen. Eigenmächtig sperrten der Jülicher Herzog und der Bischof von Lüttich der Stadt den Verkehr, und Farnese unterstützte sie durch Vorschieben seiner Truppen auf Aachener Gebiet. Wuchs sich schon der Streit um Aachen zu einer Machtfrage aus, über die nicht allein Kaiser und Reich, sondern auch die Nachbarn entschieden, so gilt das erst recht von dem Kölner Krieg. Erzbischof Gebhard Truchseß war eine völlig weltlich gerichtete Natur. Von einer starken Leidenschaft für die Stiftsdame Gräfin Agnes von Mansfeld ergriffen, trug er sich mit dem Plan, sie zu heiraten und die Jionfession zu wechseln. Seine ursprüngliche Absicht, dann auf sein Amt und seine Würden zu verzichten, wußten ihm seine protestantischen Berater, Johann von Nassau und der Graf von Mörs, Adolf von Neuenahr, auszureden. Weihnachten 1582 kündigte er in einer öffentlichen Erklärung seinen Übertritt an und gab das evangelische Bekenntnis im Erzstift frei, bald darauf feierte er seine Hochzeit. Der politisch gar nicht vorbereitete Schritt mußte scheitern. In seinem eigenen Territorium konnte Gebhard nur auf eine Minorität im Domkapitel und auf dem Landtag sowie auf die zahlreicheren protestantischen Elemente im Herzogtum Westfalen rechnen. Von auswärtigen Bundesgenossen war, abgesehen von den schwachen Wetterauer Grafen, lediglich der unzuverlässige Johann Kasimir gewonnen, da die Generalstaaten wegen ihrer eigenen Bedrängnis zunächst keine Unterstützung senden konnten. Die größeren evangelischen Reichsstände, in erster Linie Kursachsen und Brandenburg, waren erst kurz vorher in Gebhards Plan eingeweiht worden. Gemäß ihrer konservativen Politik verurteilten sie diesen Bruch des Religionsfriedens und ließen sich nur zu aussichtslosen Vermittlungsversuchen herbei. Die Katholiken dagegen, die Gebhards Vorhaben gewittert hatten, waren sofort gerüstet. Es zeigte sich jetzt, wie entscheidend die Verbindung mit Spanien und mit dem dynastischen

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Interesse des Hauses Wittelsbach war. Der Papst setzte Gebhard ab, das Domkapitel stellte Truppen auf, die sich mit den von Parma gesandten Streitkräften verbanden. Vor ihrer Übermacht mußte sich Gebhard Anfang 1583 in seine westfälischen Gebiete zurückziehen, wo er die Reformation einführte. Im Mai 1583 wurde Ernst von Bayern, der inzwischen zu Hildesheim auch noch das Bistum Lüttich erlangt hatte, einstimmig zum Erzbischof gewählt und den evangelischen Domherren ihre Würde abgesprochen. Herzog Wilhelm von Bayern schickte seinem Bruder ein Hilfskorps, so daß dieser insgesamt etwa über 9000 Mann verfügte. Gebhards Anhänger, die sich auf die festen Plätze Bonn, Bedburg und Rheinberg stützten, waren inzwischen durch Johann Kasimirs 7000 bis 8000 Streiter verstärkt worden. Zum erstenmal nach 1555 nahm der Konflikt zwischen den Religionsparteien in Deutschland den Charakter eines Krieges an. Er spielte sich anfangs in zwecklosen Hin- und Herzügen und in einer furchtbaren Plünderung des Landes ab. Erst als der Pfalzgraf auf die Kunde von dem Tode seines Bruders Kurfürst Ludwig im Oktober abrückte, brachte die bayerische Armee das Oberstift und 1584 Bedburg in ihre Gewalt. Vor ihrem Vordringen flüchtete Gebhard, der auch in Westfalen immer mehr an Boden verlor, in die Niederlande. In allen kölnischen Gebieten wurde der Protestantismus wieder ausgerottet. So hatte der Katholizismus auf der ganzen Linie gesiegt, Kurköln, die Majorität im Kurkollegium und der geistliche Vorbehalt waren behauptet. Nach längeren Verhandlungen wurde Ernst 1584/85 von den Kurfürsten anerkannt. Dadurch, daß er jetzt auch noch das Bistum Münster erwarb, war im deutschen Nordwesten der katholische Block gesichert und zugleich auf nahezu zwei Jahrhunderte eine bayerische Sekundogenitur begründet. Es konnte nicht ausbleiben, daß dieser große Erfolg die Gegenreformation in ganz Deutschland anspornte. Wie die benachbarten Stifter Münster und Paderborn wurden auch Würzburg, Bamberg und Salzburg von dem Protestantismus gesäubert. Der Bischof von Würzburg, Julius Echter von Mespelbrunn (1573—1617) machte in wenigen Jahren sein Stift geradezu „zum Musterland des deutschen Katholizismus". Der Kölner Krieg war freilich mit der Vertreibung Gebhards nicht beendet. Er zog sich zwischen seinen Anhängern und KurfürstErnst noch jahrelang hin und verquickte sich immer mehr mit dem niederländischen Freiheitskampf. In der Feste Rheinberg, die die Rheinübergänge beherrschte und darum auch für die Spanier und Holländer von großem Werte war, behauptete sich der Graf von Neuenahr, dem die Generalstaaten 1585 die Statthalterschaft des angrenzenden Geldern übertrugen. In den Niederlanden drang Farnese, der aus Spanien und Italien Verstärkungen herangezogen hatte, in einem systematischen Belagerungskrieg immer weiter vor. 1584 gestaltete sich infolge von Ermüdung und Friedenssehnsucht die Lage für die Aufständischen höchst kritisch,

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nach Dünkirchen, Ypern und Brügge mußte sich auch Gent den Spaniern ergeben. Um von Frankreich wirksame Hilfe zu erhalten, verpflichteten sich die nach Holland geflüchteten Reste der Generalstaaten in einem neuen Vertrag mit Anjou (25. April 1584) im Falle seines kinderlosen Todes Heinrich III. als Herrscher anzuerkennen, gleichzeitig bereiteten Holland und Seeland die Erhebung Oraniens zum souveränen Grafen vor. Bald darauf, am 10. Juni 1584, starb Anjou an der Schwindsucht. Sein Tod riß in den Niederlanden keine Lücke, aber einen Monat später, am 10. Juli, erlag der Lenker ihrer Geschicke, Wilhelm von Oranien, dem Pistolenschuß Balthasar Gerards. Seit seiner Ächtung hatten die spanischen Staatsmänner wiederholt mit Meuchelmördern verhandelt, die auf ihn unternommenen Attentate waren indes bisher fehlgegangen. Gerard war ein religiöser Fanatiker, der sich nach der Tat rühmte, „gleich David habe er Goliath erschlagen". Für die nördlichen Provinzen bedeutete die Ermordung Oraniens einen unersetzlichen Verlust, jedoch erwies sich das von ihm begründete Staatswesen schon als so lebensfähig, daß es auch ohne ihn weiterbestehen konnte. Natürlich feuerte sein Hinscheiden die spanischen Hoffnungen auf eine gänzliche Unterwerfung noch mehr an. Aber welthistorisch betrachtet, zeitigte der Tod des mit ihm gar nicht zu vergleichenden Valois viel weitertragende Folgen: er machte bei der Kinderlosigkeit Heinrichs III. den hugenottischen Heinrich von Navarra zum französischen Thronerben und eröffnete damit den letzten und heißesten Akt im Ringen um die Zukunft des Kapetingerstaates und ganz Westeuropas. Literatur. R . R e u t e r , Der Kampf um die Reichsstandschaft der Städte auf dem Augsburger Reichstag 1582. (Schwab. Geschichtsquellen u. Forschgen. 3.) München 1919. M. L o s s e n , Der Kölner Krieg. B. Z i e r e n b e r g , Pfalzgraf Johann Casimir und seine Beziehungen zum Kölnischen Krieg. Diss. Münster 1918. M. Gac h a r d , L'Assassinat de Guillaume le Taciturne. (Bulletin de l'Acad. Royale de Belgique 23.)

§ 39. König Stephan Bathory von Polen and der Ausgang des Kampfes um Livland. Die Erhebung Stephan Bathorys zum König von Polen hat die gesamte osteuropäische Entwicklung tiefgreifend beeinflußt. Es zeigte sich jetzt, wieviel selbst in der zerrütteten Adelsrepublik eine starke Persönlichkeit vermochte. Der Ruf eines tüchtigen Feldherrn war Stephan schon von Siebenbürgen vorausgegangen, in den größeren Verhältnissen seines neuen Reiches bewährte er sich auch als hervorragender Staatsmann und Diplomat. Er erkannte, daß nur ein glückliches auswärtiges Unternehmen ihm selbst einen festen Boden im Lande verschaffen und den inneren Zwiespalt überbrücken konnte. Noch immer hauste der Moskowiter in Livland und hatte gerade die polnischen Thronwirren und die Belagerung Danzigs zu einem neuen Vorstoß benutzt, um sich fast des ganzen Landes zu bemächtigen. Wurde er nicht in seine alten

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Grenzen zurückgeworfen, so drohte bei der inneren Schwäche des Piastenreiches eine völlige Überflutung durch den Erbfeind. Schon stand nicht nur Livland, sondern Polens Existenz auf dem Spiel, und da es das Bollwerk Europas gegen das halbasiatische Zarenreich war, entschied der Ausgang des Kampfes auch über die Zukunft des Abendlandes. Bathory wußte den polnischen Reichstag zu einer ausreichenden Steuerbewilligung zu bestimmen, durch die Einstellung deutscher und ungarischer Infanterie und Artillerie sowie durch die Neuorganisation der ukrainischen Kosaken verlieh er seinem Heere die Überlegenheit über die russischen Reiterhorden. Nachdem er sich durch ein Bündnis mit Schweden gedeckt hatte, rückte er 1578 in Livland ein und brachte den Russen bei Wenden eine völlige Niederlage bei. Da der Zar seitdem jedem Zusammenstoß auswich, eroberte der König in drei Feldzügen das 1563 verlorene Polozk und mit Velikije Luki eine Einfallspforte nach Rußland, 1581 standen seine Truppen vor Pleskau. Gleichzeitig hatte auch Schweden die Offensive ergriffen. Die ihm im Stettiner Frieden zugesagte Entschädigung war vom Reich nicht bezahlt worden, so daß Johann III. 1577 den deutschen Anspruch auf das dominium directum über Livland für erloschen und Reval mit den übrigen von ihm besetzten Strichen als schwedischen Besitz erklärte. Sein Feldherr Pontus de la Gardie entriß den Russen 1580/81 ganz Estland mit Narva und schnitt sie von dem Finnischen Meerbusen ab. In dieser Notlage wandte sich Iwan IV. an Kaiser und Papst, um sie zu einer Intervention zu veranlassen und so wenigstens Bathorys auf diplomatischem Wege Herr zu werden. Er wußte, daß man sich im Abendland noch immer mit der grundlosen Hoffnung auf eine kirchliche Wiedervereinigung und seinen Eintritt in den Türkenkrieg trug. Obwohl er nicht im entferntesten an ein Eingreifen gegen die Osmanen dachte, stellte er es so hin, als ob er durch Polen vom Kampf gegen die Ungläubigen abgehalten werde. Während Rudolf II. jede Einmischung ablehnte, entsandte Gregor XIII. den Jesuiten Possevino nach Rußland, um mit dem Frieden die kirchliche Union zustande zu bringen. Sein Werk war der zehnjährige Waffenstillstand von Jam Zapolski vom 15. Januar 1582, in dem der Zar Livland und Polozk entsagte, Bathory auf die genommenen russischen Plätze und das Bündnis mit Schweden verzichtete. Der im August 1583 an der Pljussa bei Narva abgeschlossene Vertrag mit Johann III. legte dem Moskowiter auch den Verlust von Estland, Narva, Iwangorod, Koporje, Jamburg und dem finnischen Kexholm auf. Damit war der 25jährige Kampf um Livland zuungunsten Rußlands beendet. Iwan IV. hatte alle seine Eroberungen herausgeben müssen und sah sich an der Ostsee auf einen kleinen Streifen an der Narvamündung beschränkt und vom Verkehr mit Westeuropa so gut wie abgeschnitten. Das Baltikum war zwischen Schweden und Polen aufgeteilt, den Dänen blieb nur die Insel ösel 1 ). In kirchlicher Beziehung Nach dem Tode des Herzogs Magnus (1583) trat Friedrich II. die Ansprüche auf das Bistum Kurland gegen eine Geldzahlung 1585 an Polen ab.

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bedeutete Possevinos Mission einen völligen FehlBchlag. Der Zar wies eine Einigung mit der Kurie ab, auch die Duldung der römischen Konfession gestand er nicht zu. In Polen dagegen drang jetzt die unter Sigismund August begonnene Gegenreformation durch die Tätigkeit der Jesuiten völlig durch, eifrig gefördert von Bathory, der in der Kirche den gegebenen Bundesgenossen des Königtums erblickte und die religiöse Uniformität als ein nationales Erfordernis ansah. Possevinos Bemühungen um die Union mit der orthodoxen Kirche fanden als im polnischen Interesse liegend seine lebhafte Unterstützung. Stephans Ziel war, Polen zu der führenden katholischen Großmacht des Ostens zu erheben, nicht nur gegen Rußland, sondern ebensosehr gegen Österreich, zu dem er schon als Fürst von Siebenbürgen in schroffem Gegensatz gestanden hatte. Der alte, von den Jagelionen vorübergehend verwirklichte Gedanke einer Verbindung Ungarns mit Polen schwebte ihm vor, und er konnte dabei auf die mit der habsburgischen Herrschaft Unzufriedenen in Ungarn und auf die Türken rechnen. Die Beziehungen zu Wien spitzten sich wegen seines Anspruches auf zwei ungarische Grenzplätze 1582 so zu, daß der offene Bruch drohte, da lenkte Bathory infolge der Opposition des polnischen Reichstages und der Intervention Possevinos noch einmal ein. Das plötzliche Hinscheiden Iwans IV. (18. März 1584) richtete dann seine Aufmerksamkeit wieder ganz auf Rußland, wo sich ihm ungeahnte Aussichten eröffneten. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß in demselben Jahre 1584 der Tod in West- und Osteuropa eine völlige Änderung der Lage herbeiführte. L i t e r a t u r . H. Ü b e r s b e r g e r , Österreich und Rußland I. P . P i e r l i n g , Bathory et Possevino, Paris 1887, und La Russie et le St. Siège. Bd. I u. II. Paris 1896/97. Monumenta Poloniae Vaticana IV.: J. A. Caligarii epi.°tolae et acta 1578—1581, Krakau 1915.

3. K a p i t e l . 1584-1598. § 40. Die Liga in Frankreich. Das Jahr 1584 sah den Katholizismus auf den wichtigsten Schauplätzen des konfessionellen Ringens in siegreichem Vordringen, mit einziger Ausnahme Englands. In Deutschland war der evangelische Ansturm gegen den geistlichen Vorbehalt abgeschlagen und mit der Rückeroberung der verlorenen Gebiete begonnen, der niederländische Aufstand schien nach dem Hinscheiden Oraniens in den letzten Zügen zu liegen. In Schottland hatte zwar der protestantische Adel 1582 den jungen König wieder in seine Gewalt gebracht und die Ausweisung von Lennox erzwungen, aber schon im folgenden Jahre befreite sich Jakob VI. aus der Gefangenschaft und umgab sich aufs neue mit englandfeindlichen Beratern, die im Einvernehmen mit Maria Stuart, Allen, Gregor XIII. und den Guisen auf den Krieg gegen Elisabeth drängten. In Polen machte

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die Gegenreformation stetige Fortschritte. König Johann III. von Schweden ließ unter dem Einfluß seiner jagellonischen Gemahlin seinen Thronerben Sigismund im katholischen Glauben erziehen, öffnete Jesuiten sein Land und verhandelte 1577/79 unter Vermittlung Possevinos mit der Kurie über eine Wiedervereinigung der schwedischen Kirche mit Rom. Aber dieser Siegeslauf wurde gehemmt durch den Tod Anjous und den Übergang der französischen Erbfolge auf Heinrich von Navarra. Das Ereignis löste in Frankreich die letzten Bande des Zusammenhalts. Schon längst war der katholische Adel unter Führung Heinrich Guises, des ältesten Sohnes des „großen Herzogs" Franz, über die Zugeständnisse an die Hugenotten, über die Mißwirtschaft und Verschwendung am Hofe Heinrichs III. empört. Auch er berief sich, wie vor ihm die Hugenotten, auf die ständischen Theorien und das Widerstandsrecht. Einem evangelischen Herrscher wollte er sich keinenfalls unterordnen, statt Navarras wurde von den katholischen Großen sein 64jähriger Oheim, der Kardinal Karl von Bourbon, als Thronfolger aufgestellt. Die „Liga" von 1576, die sich damals nicht hatte durchsetzen können 1 ), trat wieder in Erscheinung, aber sie sollte sich nicht auf Frankreich beschränken, sondern zu einem internationalen Bund gegen den Protestantismus ausgebaut werden. Philipp II. hatte das bereits 1581 angeregt. Denn ein protestantisches Königtum in Frankreich bedeutete auch für sein Reich und namentlich für die Niederlande eine tödliche Gefahr, zudem bot sich ihm jetzt die Gelegenheit, den Valois die Einmischung in den flandrischen Krieg zu vergelten. Am 31. Dezember 1584 wurde das Bündnis zwischen dem Habsburger, den Guisen und dem Kardinal Bourbon im Schlosse Joinville unterzeichnet. Sein Zweck war die Erhaltung der katholischen Religion, die Ausrottung des Protestantismus in Frankreich und den Niederlanden sowie der Ausschluß der ketzerischen Prinzen von Geblüt von der Sukzession. Philipp II. verhieß beträchtliche Subsidien und erhielt dafür Unterstützung in Flandern, die Rückgabe von Cambrai und die Abtretung von Niedernavarra und Bearn zugesagt. Auch jetzt vergaß also der katholische König neben der Religion die besonderen spanischen Interessen nicht. Die Frage, wer nach dem kinderlosen Kardinal Bourbon den Thron besteigen sollte, wurde offengelassen. Heinrich Guise, der sein Haus auf Karl den Großen zurückführte, trachtete selbst nach der Krone, wagte aber damit noch nicht offen hervorzutreten. Denn ob Philipp einwilligen werde, war von vornherein sehr zweifelhaft. Zu diesem aristokratischen Bund gesellte sich Anfang 1585 ein demokratischer, die von Priestern und Bürgern abgeschlossene Pariser Liga, die sich schnell über die anderen Städte, namentlich über Nord- und Mittelfrankreich verbreitete. Sie gab sich einem wachsenden konfessionellen Fanatismus und politischen Radikalismus hin. Vereint erließen ») s. oben S. 81

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Adel und Städte am 30. März 1585 das Manifest von Péronne, in dem sie die Wiedereinsetzung der katholischen Kirche und des Adels in ihre alten Rechte, die Entfernung der Günstlinge, Verminderung der Steuern und regelmässige Einberufung der Generalstände forderten. Heinrich III. sah sich einer übermächtigen Koalition seiner Untertanen und Spaniens gegenüber, der auch die katholischen Schweizer Kantone unter ihrem Führer Ludwig Pfyffer beitraten 1 ). Der Valois hatte anfangs eine Stellung zwischen den Parteien einzunehmen gesucht, aber als die Liga im Frühjahr 1585 zu den Waffen griff und er weder Truppen noch Geld zur Verfügung hatte, unterwarf er sich. In dem Edikt von Nemours (18. Juli 1585) widerrief er alle früheren Konzessionen an die Hugenotten und ließ ihnen nur die Wahl zwischen Übertritt oder Auswanderung. In dem Punkt der Thronfolge gab er freilich nicht ganz nach, denn er schloß Heinrich von Navarra nicht unbedingt, sondern bloß solange er Calvinist blieb, von der Sukzession aus. Hier lag der Keim zu neuen Verwicklungen mit der Liga. Auch von Gregor XIII. konnte sie keine unzweideutige Parteinahme erlangen, erst sein im April gewählter Nachfolger Sixtus V. erließ, von den Guisen und Spaniern gedrängt, nach längerem Schwanken am 9. September 1585 die Bulle, die die Bourbonen als rückfällige Ketzer aller Kronansprüche für verlustig erklärte. Navarra und seine geächteten Glaubensgenossen nahmen den Fehdehandschuh auf und suchten gegen die katholische Liga einen evangelischen Gegenbund zustande zu bringen. Jedoch die Niederländer vermochten ihm in ihrer Not keine große Unterstützung zu gewähren, die Königin Elisabeth ließ sich nur zu Subsidien zwecks Anwerbung deutscher Söldner herbei, und von den deutschen Protestanten, die zwecks Wiederherstellung des Friedens 1586 eine aussichtslose und schnöde abgefertigte Gesandtschaft an Heinrich III. richteten, schickte lediglich Johann Kasimir, jetzt Regent der Kurpfalz, 1587 ein Hilfsheer unter dem Burggrafen Fabian von Dohna. Trotz seiner geringen Tauglichkeit fesselte es von den drei Armeen des Königs und der Liga zwei, so daß Navarra die dritte am 20. Oktober bei Coutras schlagen konnte. Einen Monat später wurden indes die deutschen Truppen bei d'Auneau von Guise fast aufgerieben, und die von Navarra angeworbenen evangelischen Schweizer kehrten meuternd in ihre Heimat zurück. Literatur. K. S t ä h l i n , Der Kampf um Schottland und die Gesandtschaftsreise Sir Francis Walsinghams im Jahre 1583. (Leipziger Stud. a. d. Gebiet d. Gesch. IX 1.) Leipzig 1902. Histoire de la Ligue, Oeuvre inédit d'un contemporain, publ. par Ch. Valois, Bd. 1, 1574—1589. Paris 1914. P. R o b i q u e t , Histoire municipale de Paris. Bd. II: Paris et la Ligue. Paris 1886. H. de l ' E p i n o i s , La Ligue et les Papes. Paris 1886. L. A n q u e z , Henri IV. et l'Allemagne, d'après les mémoires et la correspondance de J. Bongars. Paris 1887. Ph. H i l t e b r a n d t , Heinrich IV. von Navarra und Deutschland 1585—86. Diss. Berlin 1903. ') 1587 schlössen sie mit Spanien ein Bündnis ab, das 1589 von Philipp II. ratifiziert wurde.

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§ 41. Der englisch-niederländische Vertrag von 1585. Leicester in den Niederlanden. Die Bildung und Erfolge der Liga verschlechterten auch die Aussichten des niederländischen Freiheitskampfes. Nach der Ermordung Oraniens hatten die Generalstaaten der nördlichen Provinzen, in erster Linie die von Holland, die Leitung ergriffen. Sie waren zwar zur Fortsetzung des Krieges entschlossen, aber es fehlten ihnen die finanziellen wie die militärischen Mittel. So konnte Farnese seinen Feldherrnruhm 1585 mit der Eroberung von Brüssel, Mecheln und Antwerpen krönen. Wie Flandern hatte er nun auch Brabant dem König bis auf wenige Plätze zurückgewonnen. Wenngleich ihm die Scheidemündung durch das seeländische Vlissingen gesperrt blieb und der Mangel an Schiffen die Kriegführung erschwerte, zu Lande hatte er jetzt das Zentrum und letzte Bollwerk des Widerstandes, die Provinzen Holland, Seeland und Utrecht auf allen Seiten umfaßt. Ohne Hilfe von auswärts mußten die Niederländer seiner Übermacht auf die Dauer erliegen, zumal da sich die ständische Zentralregierung von Anfang an als äußerst schwach erwies. Nach Anjous Tode hatten die Generalstaaten ihr Angebot an Heinrich III., die Herrschaft zu übernehmen und so eine niederländischfranzösische Personalunion zu begründen, wiederholt, was ihnen durch die Thronfolge Heinrichs von Navarra erleichtert wurde, aber der König lehnte ab. Dagegen fanden sie Gehör in England, das sich durch die Ereignisse in Frankreich und durch die Einnahme Antwerpens selbst bedroht sah. Die ihr angetragene Souveränität schlug Elisabeth auch jetzt wieder aus, um Spanien nicht zum Äußersten zu reizen. Indes verstand sie sich zu einer Truppen- und Geldhilfe, für die sie im Vertrag von Westminster (August 1585) eine gewisse Kontrolle der Verwaltung und als Pfand für ihre Kosten die Plätze Vlissingen, Brielle und Rammekens erlangte. Die Führung ihrer Streitkräfte übertrug sie ihrem Günstling Robert Dudley, Grafen von Leicester. Um seine Autorität zu stärken, und um sein Verhältnis zu den Generalstaaten zu klären, erkannten sie ihn Anfang 1586 als Generalstatthalter an. Daß die Königin diesen Schritt nicht gerne sah und erst spät billigte, minderte das von vornherein geringe Vertrauen in die englische Bundestreue. Holland und Seeland hatten noch vorher Oraniens ältesten Sohn, den Grafen Moritz von Nassau, trotz seiner Jugend zu ihrem Statthalter erkoren. Der Höfling Leicester war seiner heiklen Aufgabe weder politisch noch militärisch gewachsen. Die unausbleiblichen Reibungen mit der ständischen Regierung spitzten sich in den zwei Jahren seiner Wirksamkeit so zu, daß er den Versuch machte, die Generalstaaten durch ein Bündnis mit den Calvinisten und Demokraten zu stürzen. Die Kaufleute entfremdete er sich durch das Verbot, mit Spanien Handel zu treiben, und durch seine Begünstigung der englischen Konkurrenz, und im Felde vermochte er das Vordringen Parmas nicht zu hemmen. Nach der Eroberung der Maasfestungen Grave und Venlo zog der Herzog 1586 auf die Hilfsgesuche des Kurfürsten Ernst in das kurkölnische Gebiet,

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um Adolf von Neuenahr zu vertreiben und die Niederländer von ihren deutschen Bundesgenossen zu trennen. Daß er sich hier mit der Einnahme von Neuß (27. Juli) und der Belagerung von Rheinberg aufhielt, bedeutete für die Niederländer gewiß eine Erleichterung, die Moritz geschickt ausnutzte, aber mit der Besetzung der Rhein- und Maaslinie hatte der Herzog auch seine Operationsbasis gegen Holland und Seeland verbreitert. Das klägliche Versagen Leicesters rief in den Provinzen eine steigende Erbitterung wach. Da er von London nur unzulänglich unterstützt wurde, legte er Ende 1587 die Statthalterschaft nieder und kehrte nach England zurück. Kurz zuvor, Anfang August 1587, hatten die Spanier den von der englischen Besatzung tapfer verteidigten Hafen Sluis an der Scheidemündung erobert und damit einen Stützpunkt gewonnen, nicht nur für den geplanten Angriff auf Vlissingen, sondern auch für das jetzt beginnende Unternehmen Philipps II. gegen England. § 42. Der Ausbrach des englisch-spanischen Krieges and die Hinrichtung Maria Stuarts. Die Auseinandersetzung zwischen England und Spanien war im Grunde genommen seit Elisabeths Bruch mit Rom unvermeidlich. Bereits 1559 hatte ihr Philipp II. mit seiner Einmischung gedroht und in Rom den Wunsch angemeldet, selbst mit dem Inselreich belehnt zu werden. Der Antagonismus zu Frankreich, der Aufstand der Niederlande und alle die anderen Aufgaben, die er sich aufbürdete, hatten ihn ein Vierteljahrhundert abgehalten, sein Wort wahr zu machen, während England die Friedensjahre benutzte, um sich wirtschaftlich und maritim für den Entscheidungskampf zu rüsten. Seit 1584 trieb der Gegensatz zur Entladung, er durchdrang Politik und Wirtschaft, Religion und Kultur und umspannte die ganze Welt. Während auf dem Kontinent die katholische Restauration den Angriff des Protestantismus zum Stehen gebracht hatte und überall selbst Boden gewann, mußte sie vor den britischen Grenzen haltmachen. England stand der Gegenreformation als gefährlichster Feind im Wege, erst mit seiner Niederwerfung waren Philipps II. kirchliche und politische Ziele erreicht. Die Bannbulle gegen Elisabeth hatte trotz ihrer praktischen Erfolglosigkeit die letzten Absichten Roms enthüllt, die Mordanschläge gegen die Königin, die Umtriebe ihrer Gegner und die Invasionspläne ließen über den Ernst der Lage keinen Zweifel aufkommen. Die Missionspriester, die in wachsender Anzahl aus den festländischen Seminarien herüberkamen, galten der Regierung als Sendlinge Roms, sie wurden seit 1585 auf Grund von Ausnahmegesetzen als Verräter mit dem Tode bedroht und bestraft. Die blutige Verfolgung schürte den Haß der katholischen Welt ebensosehr wie die römische Propaganda die anglikanische Kirche festigte und das englische Volk um seine Herrscherin zusammenschloß. Den Verschwörungen gegen sie stand auch die große Mehrzahl ihrer katholischen Untertanen fern. Die Anschläge wurden fast alle rechtzeitig aufgedeckt und zugleich die Fäden P l a t z b o f f , Europ. Staatensystem.

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bloßgelegt, die zu der gefangenen Schottenkönigin, nach Rom und Madrid liefen. Wie Philipp II. billigte auch Gregor XIII. grundsätzlich die Beseitigung „des schuldigen Weibes von England" 1 ). 1583 entwarf er eine neue, dann nicht vollzogene Bulle gegen die „ Jesabel" des Nordens und drängte auf ihre Vollstreckung durch eine Invasion. Jedoch der Mann, auf den es dabei ankam, Philipp II., versagte sich ihm, da er die Zeit noch nicht für gekommen erachtete. Auf den spanischen König setzten alle Widersacher Elisabeths ihre Hoffnungen, sein Londoner Botschafter Mendoza stand, wenn auch in Überschreitung seiner Instruktion, mit ihnen im geheimen Einvernehmen. Jedoch England beschränkte sich nicht auf die Defensive, es holte auch seinerseits zum Angriff gegen den katholischen König und sein System aus. Die englischen Kaufleute nisteten sich allmählich auf dem spanischen Markt ein, und die „Merchant Adventurers" richteten ihre kühnen Raubfahrten immer mehr auf die spanischen Kolonien und Silberflotten. Der berühmteste unter den Piraten, Francis Drake, kehrte 1580 von seiner dreijährigen Weltumseglung mit unermeßlicher, meist auf Spaniens Kosten gemachter Beute heim, von Königin und Volk wie ein Held geehrt. Der Hof von Madrid erhielt trotz aller Vorstellungen keine Genugtuung, England war nicht gewillt, den iberischen, jetzt in der Person Philipps II. verkörperten Anspruch auf die Alleinherrschaft in der Neuen Welt anzuerkennen 8 ). An den beiden äußersten Flanken des spanischen Weltreiches, in den Niederlanden und in Westindien setzte die englische Offensive ein. Sie durfte aber auch nicht länger hinausgeschoben werden. England mußte dazu schreiten, ehe die Liga in Frankreich vollständig gesiegt, ehe Parma zu der flandrischen auch die holländische Küste erobert und die Niederlande ganz bezwungen hatte. Deshalb drängte neben Walsingham, der seit 1573 Staatssekretär war, und neben Leicester jetzt auch der bedächtige Burghley zum Krieg, aber ebenso wie ihr Gegner konnte die Königin den entscheidenden Entschluß nur schwer finden. Im Januar 1584 wurde Mendoza wegen seiner Verbindung mit Maria Stuart und Gefährdung des inneren Friedens ausgewiesen, seine Antwort war die Kriegserklärung, zu der er indes nicht bevollmächtigt war. Aber im Mai 1585 bot Philipp selbst durch Beschlagnahme englischer Kornschiffe in den spanischen Häfen den Anlaß zum offenen Bruch. Während Drake die spanischen und portugiesischen Küsten brandschatzte und die spanischen Ansiedlungen auf Kap Verde, in Westindien und Florida zerstörte, lieferten im Juli 1586 fünf englische Kauf1 ) Die Argumentation A. O. M e y e r s , S. 228ff., daß die Ermordung Elisabeths zur Zeit Gregors XIII. „ein dauernd festgehaltenes Ziel der päpstlichen Politik" gewesen ist, scheint mir durch die Einwände P a s t o r s (Geschichte der Päpste IX, S. 323 Aj) nicht widerlegt. 2 ) Über die prinzipielle Seite dieses Flibustiertums vgl. jetzt A. R e i n , Die Bedeutung der überseeischen Ausdehnung für das europäische Staatensystem (Histor. Zeitschr. 137).

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fahrer der fast dreifach überlegenen spanischen Flotte bei der Insel Pantelleria, zwischen Sizilien und Tunis, ein siegreiches Gefecht. Auch die Entsendung Leicesters in die Niederlande und die Unterstützung Heinrichs von Navarra gehören in diesen Zusammenhang. Gleichzeitig zwang Elisabeth den Schottenkönig durch Unterstützung seiner inneren Gegner zur Abkehr von ihren Feinden und kettete ihn durch einen Pensionsvertrag an sich. Walsinghams Bemühungen, die Türken zu einem Angriff auf Spanien zu bestimmen, blieben dagegen erfolglos. Noch aber saß in England selbst die gefährlichste Widersacherin, Maria Stuart, auf deren Befreiung und Thronerhebung alle Verschwörungen und Invasionspläne zielten. Marias Anteil daran ist gewiß, auch ihre Kenntnis des Babingtonkomplotts von 1586 kann nicht mehr angezweifelt werden. Da darauf die Todesstrafe stand, hatte jetzt Walsingham die lange gesuchte Handhabe zu ihrer Vernichtung. Durch eine skrupellose Taktik zog er das Netz über ihr zusammen. Der Prozeß gegen sie endete mit dem Todesurteil, die öffentliche Meipung und das Parlament verlangten die Vollstreckung des Spruches. König Jakob von Schottland, auf dessen Haltung wegen des bevorstehenden Krieges mit Spanien viel ankam, tat nichts zur Rettung seiner Mutter, aus Furcht, dadurch Beinen englischen Kronanspruch zu gefährden. Elisabeth zögerte lange mit der Unterzeichnung und hätte die heimliche Beseitigung der Verurteilten lieber gesehen. Als sie sich endlich entschlossen hatte, gab sie geflissentlich den Befehl zur Ausführung nicht, so daß Burghley und der Geheime Rat aus Furcht vor neuem Schwanken sie auf eigene Faust anordneten. Am 8. Februar 1587 endete Maria Stuart in Fotheringhay auf dem Blutgerüst. Rechtlich war die Hinrichtung einer souveränen Fürstin anfechtbar, aber politisch war sie eine Notwendigkeit. Die gefangene Schottenkönigin war zum Parteihaupt der revolutionären Elemente in England und zum Thronanwärter der Gegenreformation geworden, erst ihr Tod konnte die Sicherheit der Königin und den Frieden des Landes gewährleisten. Literatur. E. P e a r s , The Spanish Armada and the Ottoman Porte. (Engl. Hist. Rev. 8.) I. H. P o l l e n , Mary Queen of Scots and the Babington Plot. (Publ. of the Scotish Hist. Soc. 111,3.) Edinburg 1922. Trial of Mary Qu«en of S c o t s , ed. by A. F. Steuart, ebd. 1923. King James's Secret,. Negotiations between Elizabeth and James VI., relating to the execution of Mary Queen of Scots, ed. by R. S. R a i t and A. J. C a m e r o n , London 1927.

§ 43. Die Armadaschlachten von 1588. Für die englischen Katholiken wie für die äußeren Gegner Elisabeths bedeutete Marias Hinrichtung einen schweren Schlag. Jene verloren ihr Parteihaupt und ihre Thronanwärterin, diesen war ihr Vorwand zu einer Invasion genommen. Philipp II. zögerte nun nicht mehr länger. Um Maria, die ihn unter Umgehung ihres Sohnes zum Erben ihrer britischen Kronansprüche eingesetzt hatte, zu rächen, nahm er jetzt den Entscheidungskampf auf. Wie einst durch seine Heirat mit Maria der 7*

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Katholischen, so sollte nunmehr mit den Waffen England dem spanischhabsburgischen Universalreich eingefügt werden, nur darüber war er sich noch nicht klar, ob er selbst die englische Krone tragen oder sie seiner ältesten, mit einem Erzherzog zu vermählenden Tochter überlassen wollte. Die ungeheuren Schwierigkeiten des Unternehmens wurden von den spanischen Fachmännern nicht unterschätzt. Alba hatte gewarnt, der König von Spanien könne mit jedem Fürsten der Welt Krieg führen, wenn er nur Frieden mit England halte 1 ), und die Zusammenstöße mit den britischen Seefahrern bestätigten das Urteil. Im April 1587 überfiel Francis Drake den Kriegshafen Cadiz, versenkte und verbrannte dort eine große Anzahl Schiffe. Jedoch der König hörte auf Mendoza und andere Heißsporne, die ihm die Widerstandskraft Englands als sehr gering hinstellten und von einer sofortigen Massenerhebung der englischen Katholiken fabelten. Auch der Herzog von Parma widerriet die Expedition, da er ihre Gefahren richtig erkannte. Die Ausgleichsverhandlungen mit London, die er mit Billigung Philipps II. anknüpfte, waren freilich bloß zur Irreführung der englischen Regierung bestimmt. Seit 1586 wurde in den spanischen und flandrischen Häfen gerüstet und die Kurie um ein Bündnis angegangen. Indes Sixtus V. beurteilte die spanische wie die englische Leistungsfähigkeit anders als sein Vorgänger und war nicht gewillt, sich zum Werkzeug habsburgischer Weltherrschaftsgelüste herzugeben. Der folgenreiche Umschwung in der Haltung des Papsttums zu Spanien macht sich hier schon bemerkbar. Sixtus versprach zwar Subsidien, aber wollte sie erst nach der Landung in England auszahlen, und den bereits vor einem Menschenalter erhobenen und von den früheren Päpsten zugestandenen Anspruch Philipps auf die Belehnung mit England wies er zurück. In dem am 29. Juli 1587 abgeschlossenen Vertrag verpflichtete er sich nur, einen von dem König bezeichneten, der Kurie genehmen treuen Katholiken zu belehnen, womit er sich freie Hand wahrte. Ebensowenig erließ er eine neue Bannbulle, sondern bloß ein Manifest, in dem die Bulle Pius' V. erneuert und ihre bevorstehende Vollstreckung angekündigt wurde. Mit dieser etwas fragwürdigen Unterstützung Roms mußte sich der König begnügen, ohne daß ihm ein anderer Bundesgenosse zur Seite trat. Erst Ende Mai 1588 lief die Armada, deren Königsstandarte die Worte der Bannbulle gegen Luther: „Essurge Domine" trug, von Lissabon aus. Ihre Größe ist früher überschätzt worden, sie zählte etwa 130 Schiffe mit annähernd 25000 Mann Besatzung und 2500 Geschützen. Trotzdem sie auf den Fernkampf eingerichtet war, erhielt ihr Führer, der unerfahrene Admiral Medina Sidonia, die Anweisung, an die feindliche Flotte heranzufahren und sie im Nahkampf zu entern. Wegen der Seeuntüchtigkeit des Geschwaders wollte der Admiral schon in den ersten Wochen umkehren und setzte erst auf ausdrücklichen Befehl des Königs ') Zitiert in einem venezianischen Bericht vom 16. Juli 1587, Calendar of State Papers, Venetian VIII, S. 296.

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die Fahrt in den Kanal fort. Nach dem Kriegspl^n hatte er bis zur Themsemündung vorzudringen und dort den Transport der bei Dünkirchen versammelten Armee Parmas zu decken. Er wurde von der britischen Flotte unter Lord Howard und Drake schon lange erwartet. Ihr Wunsch, dem Feind entgegenzufahren, war durch das Wetter und Elisabeths Bedenken vereitelt worden. Das englische Volk wußte, daß es sich um seine Existenz handelte, und war entschlossen, alles an alles zu setzen. Mutvoll feuerte die Königin selbst ihre Truppen an, auch die englischen Katholiken zeigten sich durchaus loyal. Die Holländer unterstützten den Bundesgenossen dadurch, daß sie Parma die Häfen blockierten und ihm die Zufuhr abschnitten. Da die britischen Streitkräfte der Armada an größeren Schiffen ungefähr gewachsen, an kleinen und an Feuerkraft der Artillerie überlegen waren, war der Ausgang kaum zweifelhaft. Die Kanalschlachten vom 31. Juli bis zum 8. August 1588 mit dem Entscheidungskampf auf der Höhe von Gravelingen wurden nicht, wie die Legende behauptet, durch den Sturm, sondern durch die größere Schnelligkeit, Beweglichkeit und Treffsicherheit der Briten sowie durch ihre bessere maritime Schulung entschieden. Der Wind zerschellte die spanischen Kolosse nicht, bewahrte vielmehr ihre kläglichen Überreste auf der Flucht vor der völligen Vernichtung. Auf beiden Seiten wurde das Ereignis als ein Gottesgericht betrachtet. Der kastilische Stolz wollte freilich die Niederlage nicht alB endgültig hinnehmen. Wie der König sie mit heroischer Würde trug und die Cortes die Mittel zur Fortführung des Kampfes bewilligten, so raffte sich auch die Nation zu neuen Leistungen auf. Die Grundlagen der spanischen Machtstellung in Europa waren ja noch nicht tödlich getroffen, noch war Philipp der mächtigste Monarch der Welt. Aber seine Kräfte begannen zu erlahmen, das Ansehen Spaniens hatte eine schwere Einbuße erlitten, und das maritime Ubergewicht war unwiederbringlich verloren. England hatte nicht allein seine staatliche und kirchliche Unabhängigkeit gerettet, sondern zugleich die Übermacht der Gegenreformation in Westeuropa gebrochen. Ein Sieg Philipps II. würde den Niederlanden den Todesstoß versetzt und in Frankreich die Liga zum Triumph geführt haben. Die universalhistorischen Folgen der Armadaschlachten hat Ranke nicht überschätzt, wenn er von ihnen sagt: „Die Geschicke der Menschheit lagen auf der Wagschale." L i t e r a t u r . C. F. D u r o , La Armada Invencible, Madrid 1884/85, und Armada Española, Bd. II u. III, ebd. 1896/97. State Papers relating to the Defeat of the Spanish Armada, ed. by J. K. Laughton. 2 Bde. London 1895/97. J. S. C o r b e t t , Drake and the Tudor Navy. 2 Bde., ebd. 1898. W. F. T i l t o n , Die Katastrophe der spanischen Armada. Diss. Freiburg 1894.

§ 44. Der Guisenmord und der Ausgang Heinrichs III. von Frankreich. Während in der Nordsee die Würfel fielen, hatte sich die Lage in Frankreich noch mehr verschärft. „Der Krieg der drei Heinriche" zog

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sich zwar ohne eine wirkliche Entscheidung hin, aber im Volk und namentlich in Paris schwoll die Gärung immer gefährlicher an. Die Liga ließ ihre Anhänger einen neuen Eid schwören, dem König gehorsam zu sein, solange er sich katholisch zeige und die Ketzer nicht begünstige. Daß er das geschlagene deutsche Hilfsheer der völligen Vernichtung entrinnen ließ und einen Rest von Selbständigkeit zu behaupten suchte, verstärkte den Argwohn gegen ihn. Die Hinrichtung Maria Stuarts und die spanischen Rüstungen peitschten den Fanatismus und die Leidenschaften der Massen noch mehr auf. Ein Verwandter der Guisen, der Herzog von Aumale, bemächtigte sich der festen Plätze in der Picardie, um hier der Armada einen Stützpunkt zu bieten. Heinrich Guise erschien Anfang Mai 1588 gegen den Willen des Königs in Paris, von der Bevölkerung jubelnd begrüßt, so daß sich der Valois auch persönlich bedroht glaubte. Als er zu seinem Schutze Garde- und Schweizertruppen in Paris einrücken ließ, kam es am 12. Mai zu offenem Aufruhr. Vor der bewaffneten Bürgerschaft und ihren Barrikaden mußte der König aus seiner Hauptstadt entweichen und in einem neuen Edikt alle Forderungen der Liga erfüllen und für die Revolution Amnestie gewähren. Es war die völlige Kapitulation. Heinrich Guise erhielt mit dem Titel eines Generalleutnants die Verfügung über die militärischen Streitkräfte des Königtums. Die Wahlen zu den Generalständen brachten der Liga eine gewaltige Mehrheit. Als sie im Oktober 1588 in Blois zusammentraten, sah sich der König einer Einheitsfront der drei Stände gegenüber, die alle Steuerbewilligungen von der Fortsetzung des Krieges gegen Navarra und von Garantien gegen den Absolutismus abhängig machte. Es kennzeichnet die innere Verworrenheit und außenpolitische Ohnmacht, daß ein kleiner Nachbar der Herzog Karl Emanuel von Savoyen, im Einverständnis mit dem Papst den letzten französischen Besitz in Oberitalien, die Markgrafschaft Saluzzo zu besetzen wagte, ohne daß der König und die Stände sich über ein Einschreiten einigen konnten. In einer letzten Aufwallung königlichen Selbstgefühls entschloß sich Heinrich III., ähnlich wie seine Mutter es 1572 versucht hatte, durch e i n e n großen Schlag das ihm aufgezwungene Joch abzuschütteln und die Autorität der Krone wiederherzustellen. Am 23. Dezember 1588 wurde auf seinen Befehl im Königsschloß von Blois Heinrich Guise, tags darauf dessen Bruder, der Kardinal von Guise, meuchlings ermordet, den Kardinal von Bourbon mit anderen Führern der Liga ließ er gefangennehmen. Jedoch abermals verfehlte dieser Verzweiflungsschritt die erhoffte Wirkung. Die Liga entfaltete jetzt offen das revolutionäre Banner, und die Sorbonne erklärte das Volk von seinen Eiden entbunden. In Paris bildete sich aus Mitgliedern des Adels, der Geistlichkeit und der Bürgerschaft eine neue Regierung, der sogenannte Generalrat der Union, an seine Spitze trat der überlebende jüngste Bruder der Guisen, Karl von Mayenne, als Generalstatthalter des Königreiches. Die meisten Städte und Provinzen erkannten ihn an, bloß ein kleiner Teil des

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Landes hielt noch zu dem König. Es blieb ihm nun nichts anderes übrig, als sich Heinrich von Navarra in die Arme zu werfen. Am 3. April 1589 schloß er mit ihm einen Vertrag, in dem er den Hugenotten einen neuen Frieden bewilligte, dagegen versprach der Bourbone die Stellung der katholischen Kirche nicht anzutasten. Vereint zogen die Könige über die Loire gegen Paris. Hier hatte Mayenne nur unzureichende Streitkräfte zur Verfügung, da Spanien nach der Armada-Niederlage keine sofortige Unterstützung gewähren konnte und Sixtus V. den erbetenen Beistand ablehnte. Erst nach längerem Zögern kam der Papst den ligistischen und spanischen Wünschen so weit entgegen, daß er den Valois in einem Monitorium wegen der Ermordung des Kardinals unter Androhung der Exkommunikation vor sein Gericht zitierte. Da brachte eine neue Bluttat eine unerwartete Wendung. In der Siedehitze der Hauptstadt fand sich ein Fanatiker, der die monarchomachischen Lehren der Liga in die Tat umsetzte: am 1. August 1589 wurde Heinrich III. in seinem Feldlager von dem Dominikaner Jacques Clément erstochen. Sterbend hatte er Navarra als seinen Erben anerkannt, der sofort als Heinrich IV. den Titel eines Königs von Frankreich annahm und in seinem Manifest die Aufrechterhaltung der katholischen Religion und die Einberufung eines Konzils zur Schlichtung des konfessionellen Streites verhieß. Trotzdem vermochte er, der Hugenotte, nicht alle bisher königstreuen katholischen Elemente an seiner Seite zu halten, so daß er die Belagerung von Paris aufgeben und sich mit dem ihm treugebliebenen Rest seiner Truppen in die Normandie zurückziehen mußte. In der befreiten Hauptstadt wurde der Kardinal von Bourbon als Karl X. zum König ausgerufen. Da er sich in der Gefangenschaft Heinrichs IV. befand, übernahm Mayenne für ihn die Regierung. Seine eigenen Hoffnungen auf den Thron stellte er zunächst aus Rücksicht auf Philipp II. zurück. L i t e r a t u r . Vgl. zu § 4 0 ; ferner: E. F r é m y , La médiation de l'Abbé de Feuillants entre la Ligue et Henri III 1588/89. (Rev. d'hist. diplomatique 6.) H. B r o w n , The assassination of the Guises as described by the Venetian Ambassador. (Engl. Hist. Review 10.)

§ 45. Heinrich IV., Spanien und die Liga bis 1592. Durch den Tod Heinrichs III. verschob sich der Brennpunkt des großen westeuropäischen Ringens wieder nach Frankreich. Daß eine Protestantisierung nicht mehr möglich und die Krone des allerchristlichsten Königs eng mit dem Katholizismus verknüpft war, verkannte Heinrich IV. nicht und wies darum von Anfang an den Gedanken eines späteren Ubertritts nicht unbedingt von sich. Jedoch wollte er seine Anerkennung nicht hiervon abhängig machen, sondern verlangte sie auf Grund seines unbestreitbaren Erbrechtes, das der Konfession nicht untergeordnet werden dürfe. Er faßte sein Königtum als eine nationale Angelegenheit auf. Denn wie Karl X. war jeder andere Kandidat der Liga auf die spanische Unterstützung angewiesen und nichts anderes

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als ein Titularkönig von Philipps II. Gnaden. Ein Protektorat des Habsburgers über Frankreich würde die Niederlage der Armada wettgemacht haben. Es war darum nur konsequent, wenn Philipp jetzt neben der Liga seine eigenen Kräfte aufbot, um das Königtum Heinrichs im Keime zu ersticken. Ebenso trieb aber alle seine Gegner, zumal Engländer und Niederländer, das wohlverstandene eigene Interesse an die Seite des Bourbonen. Nach Holland und den britischen Inseln wurde jetzt Frankreich zur Hauptabwehrfront gegen den spanischen Universalismus. Mit seiner persönlichen Sache verfocht Heinrich IV. zugleich Frankreichs und Europas Sache. Deshalb ließ sich auch Papst Sixtus V. von Spanien und der Liga zu keinem Eingreifen gegen den Ketzerkönig hinreißen 1 ), er hoffte auf dessen Bekehrung und ein geeintes katholisches Frankreich als Gegengewicht gegen die schwer auf der Kurie lastende Übermacht Philipps II. Durch und durch Soldat, was seit Franz I. kein französischer Herrscher mehr gewesen war, kämpfte Heinrich IV. in den Gefechten von Arques (September 1589) so glücklich gegen Mayenne, daß er noch Ende des Jahres einen neuen Vorstoß auf Paris und die Loire machen konnte. Zur Unterstützung Mayennes mußte der Herzog von Parma Anfang 1590 1700 Mann nach Frankreich entsenden, was er um so widerwilliger tat, da er soeben durch die Einnahme von Geertruidenberg und Rheinberg die Aussichten auf die Niederwerfung Hollands und Seelands bedeutend verbessert hatte. Abermals wurde die Unterwerfung der Niederländer der imperialistischen Politik Philipps II. zum Opfer gebracht. Indes bei Jvry schlug Heinrich IV. am 14. März 1590 das 8panisch-ligisti8che Heer aufs Haupt. Der Versuch, Paris schnell zu besetzen, führte nicht zum Ziel, so daß er es vorzog, die Stadt systematisch einzuschließen und zu belagern. Ihre Aushungerung verhütete König Philipp, der den Herzog von Parma selbst mit dem größten Teil seines Heeres zum Entsatz heranbeorderte. Ohne sich auf eine Feldschlacht einzulassen, zwang Farnese durch geschicktes Manövrieren den König im Herbst zum Abzug. Seine Abwesenheit benutzte Moritz von Oranien, seit 1590 auch Statthalter von Utrecht und OveryBsel, zur Wiederaufnahme der Offensive. Nachdem er Anfang 1590 Breda überrumpelt hatte, ging er daran, den Spaniern Geldern und Friesland zu entreißen. 1591 bezwang er Nymwegen und sperrte ihnen durch die Eroberung von Zütphen und Deventer die Ysselübergänge. Während der Belagerung von Paris war durch den Tod des Ligakönigs Karl X. (8. Mai 1590) die nur vertagte Kronfrage akut geworden. Offen trat jetzt Philipp II. mit dem schon früher geäußerten Verlangen hervor, das Thronrecht seiner Tochter Klara Isabella Eugenie, die durch ihre Mutter Elisabeth von Valois die älteste Enkelin Heinrichs II. war, anzuerkennen und ihm die Auswahl ihres Gatten zu überlassen. Als Über den scharfen Konflikt, in den er deswegen mit Philipp II. geriet, und die spanische Drohung, sich vom Gehorsam gegen den Heiligen Stuhl loszusagen vgl. jetzt ausführlich P a s t o r , Geschichte der Päpste X, S. 236ff.

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solchen nannte er zunächst einen französischen oder lothringischen Prinzen, aber neben und vor ihnen faßte er einen deutschen Habsburger ins Auge. Damit durchkreuzte er nicht nur Mayennes ehrgeizige Absichten, sondern verletzte das Nationalgefühl derjenigen ligistischen Großen, die sich wohl ein spanisches Protektorat, aber keine spanische Herrschaft gefallen lassen wollten. Besonders augenfällig hat Philipp II. hier den Beweis erbracht, daß er kein Staatsmann war, daß er ohne Blick für das Mögliche den Bogen überspannte. Durch das Schwergewicht seiner Macht und eine geschickte Diplomatie hätte er Frankreich in die Abhängigkeit von Spanien und seine Tochter auf den französischen Thron bringen können, aber eine Einfügung des Kapetingerstaates in das habsburgische Universalreich war auch für die Liga unannehmbar. Wiederum stellte er das dynastische Interesse höher als das spanische. Es kam ihm zustatten, daß nach dem Tode Sixtus V. (27. August 1590) und dem zwölftägigen Pontifikate Urbans V I I . in dessen Nachfolger Gregor X I V . abermals ein gefügiges Werkzeug Spaniens auf dem Stuhle Petri saß. Gregor erneuerte im Frühjahr 1591 die Exkommunikation Heinrichs und forderte dessen Untertanen unter Androhung schwerster Strafen auf, sich von ihm zu trennen. Indes die spanischen Habsburger waren nicht die einzigen Anwärter auf den französischen Thron. Ihr gefährlichster Rivale, daB Haus Lothringen, tat sich selbst dadurch Abbruch, daß neben Mayenne und dem Sohne Heinrich Guises der mit der jüngeren Tochter Heinrichs II. verheiratete Herzog Karl I I I . von Lothringen für seinen Sohn nach der Krone trachtete. Auch Karl Emanuel von Savoyen erhob als Enkel Franz' I. Ansprüche und wollte das mittelalterliche Königreich Arles unter seinem Zepter wiederherstellen. 1590 fiel er in die Provence ein und wurde von den Ständen zu ihrem Protektor gewählt; mit der Eroberung Marseilles öffnete er sich 1591 die Seeverbindung mit Spanien. Es hatte den Anschein, als ob der Kapetingerstaat sich in seine Bestandteile auflösen und zur Beute der Nachbarn werden sollte. Paris hatte seit Anfang 1591 eine spanische Garnison, auch in der Bretagne, die Philipp I I . als alten Besitz des Hauses Valois vorweg für seine Tochter forderte, setzten sich seine Truppen fest. Die Armeen aller Länder gaben sich in Frankreich ein Stelldichein. Im Sommer 1591 traf für die Liga ein päpstliches Hilfsheer ein, gleichzeitig sandten Elisabeth von England und die deutschen Protestanten Heinrich IV. Kriegsvölker. Die 15000 Deutschen befehligte der junge Fürst Christian von Anhalt. Mit diesen Verstärkungen wandte sich Heinrich im Herbst gegen Rouen, um mit dessen Einnahme die Eroberung der Normandie und Nordfrankreichs zu vollenden. Der Plan wurde aber im letzten Augenblick vereitelt durch den Herzog von Parma, der mit spanisch-ligistischen Truppen die Stadt im Februar 1592 entsetzte. Als er sich im Spätherbst zu einem neuen Einfall nach Frankreich rüstete, erlag er am 3. Dezember in Arras den Folgen einer im Vorjahr erlittenen Verwundung, gerade in dem Augenblick, wo Philipp

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ihn wegen seiner unbequemen Selbständigkeit und seiner Mißerfolge in Frankreich von seinem niederländischen Posten abberufen wollte. Durch seinen Tod war die Aussicht auf eine militärische Bezwingung des Bourbonen beträchtlich gemindert, wenn nicht ganz geschwunden. Da auch Heinrich IV. mit seinen geringen Mitteln zu großen Operationen nicht mehr imstande war, artete das Bingen zu Kleinkriegen in den einzelnen Provinzen aus. Literatur. P. R o b i q u e t , Histoire municipale de Paris. T.III: Règne de Henri IV. Paris 1904.

§ 46. Der Übertritt and die Anerkennung Heinrichs IY. Nach dem Hinscheiden des Herzogs von Parma traten die Gegensätze innerhalb der Liga unverhüllt hervor. Während ihr radikaler Flügel in Paris ein Schreckensregiment eröffnete, waren Adel und höheres Bürgertum nach wie vor monarchisch-konservativ gesinnt. Unter den gemäßigten Ligisten lebte die Partei der Politiker wieder auf, die zwar nur einen katholischen, aber ebenso nur einen nationalen König anerkennen wollte und deshalb vor Verhandlungen mit Heinrich IV. über seinen Glaubenswechsel nicht zurückschreckte. Die Politik Philipps II. sowie die allgemeine Kriegsmüdigkeit führten ihnen immer neue Anhänger zu. Zur Regelung der Thronfrage hatte Mayenne die Generalstände einberufen, die sich unter dem Protest Heinrichs IV. im Januar 1593 in Paris versammelten. Philipp II., der sich durch einen eigenen Gesandten vertreten ließ, verstärkte den Druck auf sie dadurch, daß ein noch von Parma bereitgestelltes Heer im März Noyon eroberte. Die von vornherein nicht spanierfreundliche Stimmung der Stände wurde noch mehr aufgebracht, als der König jetzt offen den Erzherzog Ernst, dem er die erledigte niederländische Statthalterschaft übertrug, als künftigen Gemahl der Infantin bezeichnete. Vergebens suchte er den französischen Ehrgeiz durch die Aussicht auf eine Vereinigung der Niederlande mit Frankreich zu ködern, und ebensowenig verfing die Perspektive, nach dem Tod des unverheirateten Rudolf II. werde der Erzherzog die Kaiserkrone erlangen und damit das Reich Karls des Großen erneuern. Vor dem Widerstand Mayennes und der Generalstände, die sich vor allem auf das salische Gesetz beriefen, wich Philipp so weit zurück, daß er einen Schwiegersohn aus dem Hause Guise oder Lothringen zu wählen verhieß. Indes es war zu spät. Während der Tagung waren Abgeordnete der Generalstände in Suresnes mit den Royalisten zusammengekommen und hatten einen vom Volk freudig begrüßten Waffenstillstand vereinbart. In den Besprechungen kündete im Mai der Erzbischof von Bourges den bevorstehenden Ubertritt Heinrichs IV. an. Er hatte sich dazu entschlossen in der Überzeugung, daß er seine Anerkennung mit den Waffen nicht erzwingen konnte, daß eine Fortsetzung des Krieges Frankreich völlig zugrunde richten mußte, und daß nur ein katholischer König imstande war, das Land innerlich zu einen und mit Aussicht auf Erfolg gegen

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die habsburgischen Einverleibungsgelüste aufzubieten. Die Pariser Verhandlungen über einen spanisch-ligistischen Ausgleich bestärkten ihn darin noch. Gerade jetzt, wo durch Parmas Tod die militärische Stoßkraft Spaniens geschwächt, die Liga gespalten war und ihr Gegensatz zu Philipp II. kulminierte, war der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt, der ihm zwar schwer fiel, aber nicht unerträglich war. Am 25. Juli 1593 kehrte der Bourbone in St. Denis in den Schoß der römischen Kirche zurück. Damit hatte er seinen Gegnern die stärkste Waffe aus der Hand geschlagen. Schon vorher hatte das Pariser Parlament Mayenne ermahnt, die Krone nicht unter dem Vorwand der Religion in fremde Hände fallen zu lassen, jetzt erklärten sich die Generalstände zur Königswahl außerstande und lösten sich auf. Da die Liga Heinrich trotzdem die Anerkennung versagte, verweigerte er die Verlängerung des Waffenstillstandes. Eine Reihe Provinzen ging kampflos zu ihm über, so daß er sich am 27. Februar 1594 in Ghartres krönen lassen konnte. Auch die Hauptstadt, wo das revolutionäre Regiment abgewirtschaftet hatte, öffnete ihm die Tore (22. März 1594), die spanische Besatzung rückte unter seinen Augen ab. Parlament und Sorbonne erkannten ihn an. Durch eine allgemeine Amnestie und weitgehende Milde wußte er sich schnell Sympathien zu verschaffen. Er fühlte sich ganz als Vertreter des Staates, in der Erkenntnis, daß sowohl sein eigenes Interesse wie das der Krone eine Stellung über den Parteien erforderte. Im November schloß der Herzog von Lothringen mit ihm Frieden, auch der Sohn Heinrich Guises, der selbst als Thronanwärter in Frage gekommen war, erkannte ihn an und lieferte ihm die bisher versperrte Krönungsstadt Reims aus. Innerhalb eines Jahres war über die Hälfte der ligistischen Provinzen und Städte gewonnen. Um die noch Widerstrebenden herüberzuziehen, bedurfte Heinrich IV. der Aussöhnung mit dem Papsttum, das noch im Lager seiner Feinde stand und durch seine Autorität ihre Position stärkte. Sofort nach seinem Übertritt hatte er mit Rom angeknüpft und um die Lösung vom Bann nachgesucht. Die Kurie überlegte lange, endlich gaben politische Erwägungen den Ausschlag. Stärker als das Mißtrauen gegen den Böarner und der Widerstand Spaniens und der Liga war die Besorgnis vor der Errichtung einer gallikanischen Kirche und der Wunsch, das Papsttum und Italien von der Bevormundung Philipps II. zu befreien. Daß dies nur in Anlehnung an Frankreich möglich war, erkannte Klemens VIII. (1592—1605) ebenso wie vor ihm Sixtus V. Seinen Gedanken, die Absolutionsverhandlungen mit einer Friedensvermittlung zwischen Spanien und Frankreich zu verbinden, lehnte der König mit der Begründung ab, er könne eine innerfranzösische Angelegenheit nicht der Kontrolle eines fremden Fürsten unterwerfen. In die Forderungen Bearn den Katholizismus wiederherzustellen, die Tridentiner Beschlüsse durchzuführen und die Beamtenposten vorzugsweise an Katholiken zu verleihen, willigte er ein mit der Klausel, daß die öffentliche Ruhe dadurch nicht gestört werden dürfe, wodurch die Mög-

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lichkeit zu einem Frieden mit den Hugenotten offengelassen wurde. Unter diesen Bedingungen erhielt Heinrich am 17. September 1595 die päpstliche Absolution 1 ). L i t e r a t u r . Procès verbaux des États-généraux de 1593, publ. par A. Bernard. Paris 1842. E. S t ä h e l i n , Der Übertritt König Heinrichs IV. von Frankreich zur römisch-katholischen Kirche. Basel 1856. L. v. P a s t o r , Geschichte der Päpste. Bd. XI. Y . M a r t i n , La reprise des relations diplomatiques entre la France et le St. Siège en 1595. Paris 1922.

§ 47. Der Friede von Vervins und das Edikt von Nantes. Erst nachdem Heinrich IV. den größten Teil seines Reiches wirklich erworben und sich mit der Kurie ausgesöhnt hatte, konnte er sich gegen Spanien wenden, das französische Nationalgefühl gegen den Erbfeind aufrufen und dessen Heere allmählich vom französischen Boden vertreiben. Noch vor seiner Absolution, am 17. Januar 1595, hatte er Philipp II. förmlich den Krieg erklärt. Der Religionskrieg verwandelte sich in einen nationalen und verknüpfte sich mit den Kämpfen Englands und der Niederlande gegen den katholischen König. Denn die Armadaschlachten bildeten zwar den Gipfelpunkt, aber nicht das Ende des spanisch-englischen Ringens. Während Philipp sich zu einem neuen Schlage rüstete, erlangten im Rat Elisabeths die Verfechter einer protestantischen Eroberungspolitik, Walsingham, Drake, Walter Ralegh und als Vertreter der jüngeren Generation Leicesters Stiefsohn Lord Robert Essex größeren Einfluß. Gleichzeitig und in ursächlichem Zusammenhang mit den Ereignissen von 1588 griff, von der Marine ausgehend, der puritanische Geist im britischen Volke um sich. Im Gegensatz zu der vorsichtigen Selbstbeschränkung Burghleys und der Opportunitätspolitik Elisabeths verlangten diese Männer eine umfassende Offensive zur völligen Zertrümmerung der spanischen Macht, die sie am leichtesten in Portugal treffen zu können glaubten. Bereits 1580 hatte der britische Gesandte in Paris, Sir Henry Cobham, den Wunsch ausgesprochen, daß Philipp hier sein zweites Flandern finden würde 8 ). Indes die Expedition, die 1589 unter der Führung Drakes dorthin ging, scheiterte. Wohl gelang es Coruna zu plündern und Truppen zu landen, aber vor der von Erzherzog Albert verteidigten Hauptstadt Lissabon mußten sie zurückweichen, zumal da die Hoffnung, gemeinsam mit Dom Antonio einen Volksaufstand zu entfachen, trog. Nicht mehr Erfolg hatten in den nächsten Jahren Unternehmungen gegen die Azoren und kanadischen Inseln. Nachdem dabei ein Schiff, die „Revenge", eingebüßt war, kehrte die Königin nach Walsinghams Tod ') Es fand keine Wiedereinsetzung statt, die frühere Absetzung wurde also ignoriert; die in St. Denis von den französischen Bischöfen bereits erteilte Absolution wurde für ungültig erklärt, wodurch der Papst einen Triumph über den gallikanischen Geist errang. •) Calendar of State Papers, Foreign Series, 1579/80. S. 188.

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(April 1590) zu ihrer alten Behutsamkeit zurück und beschränkte Bich auf den gefahrloseren und einträglicheren Kaperkrieg 1 ). Daß Spanien seine Revanchepläne trotz der Flottenreorganisation nicht verwirklichen konnte — 1595 machte es einen Vorstoß auf die Küste von Cornwall —, war in erster Linie seiner Bindung in Frankreich und den Niederlanden zuzuschreiben. Der Gedanke, die sieben Provinzen einem auswärtigen Fürsten als Protektor zu unterstellen, war nach den mißglückten Versuchen mit Anjou und Leicester definitiv aufgegeben worden. Der Ratspensionarius von Holland, Johann Oldenbarnevelt, baute die Souveränität der Generalstaaten und das aristokratische Regierungssystem aus und verschaffte zugleich seiner Heimatprovinz das unbestreitbare Übergewicht in der Union. Neben ihm stand als militärischer Führer Moritz von Oranien, der durch Verkleinerung der Cadres und regelmäßige Besoldung, durch die Einführung methodischen Exerzierens und strenger Manneszucht ein stets aktionsfähiges, leicht bewegliches Heer schuf, es mit Muskete und Spaten bewaffnete und mit einer vorzüglichen Artillerie und einem Geniekorps versah. Hiermit dehnte er seine Anfangserfolge immer weiter aus. 1593 entriß er den Spaniern Geertruidenberg wieder, im folgenden Jahr fiel das lange belagerte Groningen, wodurch der Boden der sieben Provinzen von den Spaniern gesäubert war. Bis zum Eintreffen des Erzherzogs Ernst lag die Regierung der südlichen Niederlande, wenn auch nicht dem Namen nach, so doch tatsächlich in den Händen des Grafen Fuentes, eines hervorragenden Kriegsmannes, der in der Verwaltung zu den Grundsätzen seines Verwandten Alba und Don Juans zurückkehrte. Die Erbitterung der Bevölkerung wurde durch Meutereien in der unbezahlten spanischen Armee noch gesteigert und äußerte sich so heftig, daß Ernst nach seiner Ankunft sogleich Verhandlungen über einen Ausgleich mit dem Norden eröffnete, wo er indes eine schroffe Ablehnung erfuhr. Sein früher Tod im Februar 1595 und ein abermaliges Zwischenregiment Fuentes erhöhten die Spannung noch. Die Gefahr, daß sich ein nach Luxemburg eingefallenes französisches Heer bei Huy mit Moritz' Truppen vereinigen würde, wurde durch Zurückdrängen der Franzosen abgewandt. Fuentes brachte mit einer spanischen Geldsendung sein Heer wieder soweit instand, daß er im Sommer 1595 in die Picardie vorstoßen konnte. Er bezwang die Grenzfeste Le Catelet, nach einem Sieg bei Doullens (24. Juli) mußte ihm auch diese Stadt sowie das 1581 an Anjou verlorene Cambrai die Tore öffnen. Im Februar 1596 erschien der neue Statthalter, Erzherzog Albert, der jüngste Bruder des Kaisers. In Spanien erzogen, stand er Philipp II. besonders nahe. Obwohl er ursprünglich für den geistlichen Beruf bestimmt, Erzbischof von Toledo und seit 1577 Kardinal war, hatte ihn der König zum Vizekönig von Portugal ernannt und nach Emsts Tod zum Gemahl seiner Lieblingstochter ausersehen; er wünschte auch seine Wahl zu Rudolfs Nachfolger im Reich. Die Lage Die Venetianer schätzten, wohl zu hoch, die spanischen Verluste von 1590 bis 1593 auf 800 Fahrzeuge. ( A l b 6 r i , Relazioni degli ambasciatori Veneti I, V. 412.)

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in den Niederlanden und der Staatsbankerott in Spanien zwangen den Erzherzog, die Friedensbemühungen seines Bruders wieder aufzunehmen, aber mit demselben Mißerfolg. Glücklicher war er im Felde, wo ihm 1596 die Einnahme von Calais, Ardres und Hülst gelang. Die spanischen Siege in Nordfrankreich riefen Heinrich IV. auf diesen Schauplatz. Er hatte inzwischen die Unterwerfung der Provinzen fortgesetzt und durch den Sieg von Fontaine-Française (5. Juni 1595) die Spanier aus der Bourgogne vertrieben. Die Liga befand sich, nachdem ihr Haupt Mayenne sich 1595 unterworfen hatte, in völliger Auflösung, ihre letzten Anhänger sanken zu Straßenräubern herab. Aber durch seinen Übertritt hatte sich der Bourbone England und Holland entfremdet. Erst die Festsetzung der Spanier in Calais und die Besorgnis vor einem Vorstoß über den Kanal stimmten die Königin Elisabeth seinen Allianzvorschlägen geneigter. Im Mai 1596 wurde ein Offensiv- und Defensivbündnis unterzeichnet. Die britischen Versuche, hierbei die Abtretung von Calais zu erlangen, hatte der König abgewiesen, dafür beschränkte die Tudor ihre Hilfeleistung auf 2000 Mann, die zudem bloß an der Küste und in der Picardie verwandt werden durften. Ausdrücklich mußte sich Heinrich verpflichten, keinen Sonderfrieden mit Spanien einzugehen. Die Generalstaaten traten dem Bündnis als Gleichberechtigte bei. Zum ersten Male seit 1559 kam eine interkonfessionelle Koalition gegen Habsburg zusammen, die Politik Colignys und Wilhelms von Oranien fand jetzt ihre Verwirklichung. Die Gemeinsamkeit der politischen Interessen überwand den religiösen Gegensatz. Um die Spanier von dem befürchteten Angriff auf das Inselreich abzuhalten, entsandte Elisabeth 1596 wiederum eine durch holländische Schiffe verstärkte Flotte nach Cadiz, die das im Hafen liegende spanische Geschwader zerstörte. 1597 lief zum letzten Male eine spanische Armada gegen England aus, sie wurde indes ebenso wie die von Essex geführte Abwehrflotte vom Sturm auseinandergetrieben. Zu Lande spielte sich der Krieg in Belagerungen von festen Plätzen ab. Während Moritz von Oranien sich 1597 Rheinbergs, Oldenzaals und Lingens bemächtigte, nahm Heinrich IV. den Spaniern La Fère und das kurz zuvor überrumpelte Amiens wieder ab. Jedoch diese Art der Kriegführung erschöpfte die zermürbten Kräfte Spaniens und Frankreichs vollends. Philipp II. konnte sich der Einsicht nicht länger verschließen, daß der Kampf gegen drei Feinde die Kräfte seines Landes überstieg. Er stand am Ende seines Lebens und wollte seinem jugendlichen Sohn die schwerste Last abnehmen. Darum ging er nach dem Fall von Amiens auf die schon früher angebotene päpstliche Friedensvermittlung ein. Denn im Hinblick auf die Türkengefahr sowie im allgemeinen Interesse der Kirche wünschte Klemens VIII. den Ausgleich der beiden katholischen Mächte dringend. In dem Vertrag von Vervins (2. Mai 1598) erkannte der katholische König Heinrich IV. an und gab ihm alle Eroberungen heraus. Damit war der status quo von 1559 wiederhergestellt und die nationale Unabhängigkeit Frankreichs behauptet. Die Politik

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Philipps II. hatte auch hier Schiffbruch erlitten. Beide Teile bemühten sich, ihre Bundesgenossen in den Frieden einzubeziehen. Aber der französisch-savoyische Streit über Saluzzo war nicht leicht beizulegen und wurde deshalb einem päpstlichen Schiedsspruch überlassen, und England wie Holland, denen gegenüber Heinrich seine Verpflichtung von 1596 gebrochen hatte, lehnten den Beitritt ab. Wenige Tage zuvor, am 30. April 1598, hatte Heinrich IV. durch das Edikt von Nantes auch den inneren Frieden seines Landes zum Abschluß gebracht. Die Verhandlungen mit den immer noch mächtigen Hugenotten waren mit großen Schwierigkeiten verknüpft, zu deren Uberwindung der spanische Einbruch in Nordfrankreich wesentlich beitrug. Das Edikt von Nantes war ein Kompromiß zwischen den widerstreitenden Verpflichtungen, die der König gegenüber der katholischen Mehrheit seines Volkes und seinen ehemaligen Glaubensgenossen hatte, und mit allen Mängeln eines Kompromisses behaftet. Der Katholizismus blieb Staatsreligion, aber den Bekennern der „angeblich reformierten Religion" (de la religion prétendue réformée), wie die Hugenotten fortan offiziell hießen, wurde die Gewissensfreiheit, eine örtlich beschränkte Kultusausübung und der Zutritt zu allen Staatsämtern verbürgt. Sie erhielten gemischte Gerichtshöfe und behaupteten ihre Konsistorien und Synoden, sogar ihre Sicherheitsplätze wurden ihnen auf acht Jahre belassen. Obwohl sie mit ihren 1 y4 Millionen Seelen nur etwa ein Zwölftel der Gesamtbevölkerung ausmachten, erlangten sie die staatliche Anerkennung und eine weitgehende Toleranz, im Westen und Süden des Reiches bewahrten sie einen Rest ihrer politischen Sonderorganisation. Gerade hierin lag jedoch die größte Gefahr für den Bestand des Ediktes. Denn weder die Krone noch das starke Einheitsgefühl der Nation konnten auf die Dauer einen solchen Staat im Staate dulden. Es ist bezeichnend, daß die Parlamente sich lange gegen die Registrierung des Ediktes sträubten. Heinrich IV. selbst sah in dem Edikt nur einen Waffenstillstand und gab die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der beiden Kirchen nicht auf. L i t e r a t u r . R. F r u i n , Tien jaren uit den tachtig jarigen oorlog (1588—1598)*. Haag 1899. E. G o s s a r t , La domination espagnole dans les Pays-Bas à la fin du règne de Philippe II. Brüssel 1906. J. B. B l a c k , Elizabeth and Henry IV. Oxford 1914. E. B e n o i t , Histoire de l'Édit de Nantes. 5 Bde. Delft 1693/95. J. F a u r e y , Henri IV. et l'Édit de Nantes, Thèse Bordeaux. 1903.

§ 48. Die Abtretung der südlichen Niederlande und das Ende Philipps II. Der spanisch-französische Friedensschluß war beschleunigt worden durch Philipps Wunsch, vor seinem herannahenden Ende die niederländische Frage zu regeln. Die Unterwerfung des Nordens war durch Moritz' Siege wieder in weite Ferne gerückt, aber wenigstens die südlichen Lande wollte er seinem Hause dauernd sichern, dadurch daß er sie von den übrigen Teilen seiner Monarchie abtrennte und sie seiner ältesten Tochter Isabella und ihrem künftigen Gemahl Erzherzog Albert

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überließ. Schon Karl V. hatte in seinen Kämpfen mit Franz I. vorübergehend die Errichtung einer weiblichen Sekundogenitur in den Niederlanden ins Auge gefaßt. Während des Freiheitskampfes war der Gedanke wiederholt aufgetaucht, um auf diese Weise die gesamten Provinzen den Habsburgern zu erhalten. Als Philipp ihn jetzt in die Tat umsetzte, war es dazu zu spät, die Zustimmung der Union ausgeschlossen. Aber auch im treugebliebenen Süden fand diese Lösung keinen ungeteilten Beifall. Zu der Besorgnis, ohne den spanischen Rückhalt sich des Nordens und Frankreichs nicht erwehren zu können, gesellte sich die größere Furcht, diese Änderung werde den sehnlichst gewünschten Frieden mit der Union gefährden, wenn nicht vereiteln. Daß Philipp sich nur vom dynastischen und spanischen Interesse leiten ließ, beweisen die Bedingungen, unter denen er am 6. Mai 1598 die Lande der Infantin und dem Erzherzog abtrat. Im Falle ihrer Kinderlosigkeit sollten die Territorien schon nach dem Tode des Erststerbenden an Spanien zurückfallen, eine etwaige Tochter des erzherzoglichen Paares durfte nur den König von Spanien oder dessen Sohn heiraten, die Vermählung etwaiger Söhne unterlag der Genehmigung der spanischen Krone. Für das Verbleiben der Regenten und der Lande in der römischen Kirche und die Fortsetzung der Ketzerverfolgungen sorgten scharf umrissene, bindende Verpflichtungen. Der Verzicht des Königs auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten wurde illusorisch gemacht dadurch, daß er sich das Besatzungsrecht in den wichtigsten Plätzen und die Ernennung der Militärgouverneure vorbehielt. Von dem spanischen Handel mit West- und Ostindien waren die Lande ausdrücklich ausgeschlossen. Ihre Selbständigkeit war also lediglich eine scheinbare. Nach wie vor unterstanden sie spanischer Vormundschaft, ohne alle Vorteile aus diesem Verhältnisse zu genießen. Das einzige innere Band, das sie an die Monarchie fesselte, war die Konfession, und sie erwies sich stärker als alle Gegensätze. Wenige Monate später, am 13. September 1598, verschied Philipp II., 71 Jahre alt. Er war sich selber treu geblieben und hatte nur unter dem äußeren Zwang auf die Durchsetzung seines Programms verzichtet. Er hatte das Vordringen der neuen Lehre wohl gewaltig eindämmen, aber sie selbst nicht ausrotten können, nicht einmal in den ererbten Niederlanden. Ihr nördlicher Teil war bei seinem Tode verloren. Weder Frankreich noch England hatte er seinem habsburgisch-spanischen Imperium einzufügen vermocht, vielmehr gerade durch sein Eingreifen ihre nationale Erstarkung und Kampfstellung gegen Spanien gefördert. Auch die Kurie, die er solange beherrschte, hatte sich schließlich von seinem Einfluß emanzipiert, trotzdem er in den letzten Jahren den früher abgelehnten Druck auf die Papstwahlen ausgeübt hatte. Noch war Spanien die erste Macht Europas und der Welt, aber zu den äußeren Feinden gesellte sich nicht minder bedrohlich der unaufhaltsame Niedergang, die innere Erschöpfung und Entvölkerung des Landes, die er selbst durch seine unaufhörlichen Kriege in erster Linie verschuldet hat.

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L i t e r a t u r . G. T u r b a , Beiträge zur Geschichte der Habsburger aus den letzten Jahren des spanischen Königs Philipp II. (Arch. f. österr. Gesch. 86, 2.) H . L o n c h a y , Philippell, et le manage des archiducs Albert et Isabelle. (Bull, de l'Acad. Royale de Belgique. Classe des Lettres 1910.)

§ 49. Die russischen Thronwirren nach dem Tode Iwans IV. und die Königs wähl in Polen 1587. So wenig Berührung die Geschehnisse in West- und Osteuropa miteinander hatten, so weisen sie doch in den Jahren von 1572 bis 1598 eine gemeinsame Grundlinie auf. Auf beiden Schauplätzen setzt die Gegenreformation zur Generaloffensive gegen den Protestantismus ein. Die Rolle der spanischen Monarchie übernimmt im Osten, wenn auch mit unzureichenden Kräften, in viel geringerem Umfang und mit viel größerem Mißerfolg das „Hispanien des Ostens", wie ein Zeitgenosse sich ausdrückte, Polen. Wenn Philipp II. Frankreich und England aufzusaugen strebte, so trachteten die Träger der Piastenkrone nach der Unterwerfung Schwedens und Rußlands. Der Tod Iwans IV. rief in Rußland wegen des Fehlens eines festen Erbfolgerechtes Thronstreitigkeiten hervor. Von seinen beiden hinterlassenen Söhnen war der ältere, aus der Ehe mit Anastasia Romanowna stammende Feodor körperlich und geistig minderwertig, während der jüngere, Dmitrij, erst ein Jahr zählte. Er wurde mit seiner Mutter von den Bojaren in das Innere des Reiches abgeschoben, für den schwachsinnigen Zaren Feodor riß dessen Schwager Boris Godunow die Regierung an sich. Diese Wendung der Dinge eröffnete Stephan Bathory die lockende Aussicht, Rußland zu erobern und die Zarenkrone mit der polnischen auf seinem Haupte zu vereinigen. Infolge des Widerstandes des polnischen Reichstages mußte er sich zunächst auf Verhandlungen mit den Moskowitern einlassen. Seine Forderung, vertragsmäßig die Union zwischen beiden Reichen festzulegen, war, wie er wohl wußte, für die Bojaren unannehmbar und lediglich als Anlaß zum offenen Bruch gestellt. Seine nicht geheim gebliebenen Bemühungen riefen indes auch die Österreicher auf den Plan, aber man konnte sich am Kaiserhof nicht einigen, ob Erzherzog Matthias oder sein jüngerer Bruder Maximilian, die beide in Moskau die schon so lange begehrte Krone erwerben wollten, den Russen vorzuschlagen seien. Dieser herkömmliche „Bruderzwist im Hause Habsburg" und die Entschlußlosigkeit Rudolfs II. gaben dem Polen die Vorhand. Durch die Vorspiegelung, daß Rußland sonst den Türken anheimfallen werde, hatte König Stephan die päpstliche Unterstützung gewonnen, da raffte ihn mitten in seinen Vorbereitungen am 12. Dezember 1586 der Tod hinweg. Die traditionellen Gegensätze bei der Neuwahl spitzten sich dieses Mal so zu, daß die Parteien bewaffnet zu dem Wahltage erschienen und es sofort zum Blutvergießen kam. Obwohl die Lage in Rußland für die Österreicher einen neuen Ansporn zur Erlangung der Piastenkrone bildete, traten sie trotz der üblen Erfahrungen von 1575 wiederum P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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nicht geschlossen für einen Kandidaten ein. Nicht weniger als vier Erzherzoge traten als Bewerber auf: neben den drei Kaiserbrüdern Ernst, Matthias und Maximilian noch ihr alter Oheim Ferdinand von Tirol, wodurch auch die habsburgische Partei im Lande gespalten wurde. Die Litauer wünschten die Erhebung des Zaren und waren bereit, ihn unter Zerreißung der Lubliner Union als ihren Großfürsten anzuerkennen. Aber die Verhandlungen scheiterten an der Religionsfrage und der russischen Weigerung, Litauen im Notfall gegen Polen Hilfe zu leisten. Am aussichtsreichsten war bei dieser Lage die Kandidatur des schwedischen Thronfolgers Sigismund, des katholischen Sohnes einer Jagellonin. Für ihn arbeitete namentlich seine Tante, die Königinwitwe Anna, mit ihrem Einfluß und mit ihrem Geld, eifrig unterstützt von den Jesuiten, die von seiner Wahl die Katholisierung Schwedens erhofften. Die Aussicht auf die Vereinigung Polens mit Schweden und den Gewinn der Ostseeherrschaft führte ihm Stimmen zu und trieb schließlich denvielvermögendenMitarbeiterStephanBathorys, den Großkanzler und Kongreßfeldherrn Johann Zamojski, auf seine Seite. Abermals endete der Kampf mit einer Doppelwahl: Am 19. August 1587 wurde von der schwedischen Partei Sigismund, am 22. von der österreichischen Erzherzog Maximilian erkoren. Die Litauer hielten sich der Wahl fern und erhoben gegen beide Protest. Während Zamojski die Krönungsstadt Krakau besetzte, rückte Maximilian mit ganz ungenügenden Streitkräften zur Eroberung seines Reiches heran. Nachdem er bei einem Angriff auf Krakau geschlagen und zur Rückkehr nach Schlesien genötigt war, verfolgte ihn Zamojski über die schlesische Grenze und nahm ihn auf österreichischem Boden in einem Gefecht bei Pitschen (24. Januar 1588) gefangen. Es war ein Schimpf für Habsburg, der den immer schon schwermütigen Rudolf II. noch mehr verdüsterte. Da er aber zu einem Krieg nicht gerüstet war, steckte er die Beleidigung ein und eröffnete Verhandlungen mit den Polen. Sie verlangten noch vor der Freilassung Maximilians einen feierlichen Verzicht des gesamten Erzhauses und der Stände der Erblande auf alle Thronansprüche und setzten ihre Forderung in dem Beuthener Vertrag vom 9. März 1589 durch. Dazu mußten sich der Kaiser und die Erzherzoge verpflichten, dem Zaren gegen Polen oder Schweden keinen Beistand zu leisten. Maximilian selbst entzog sich nach seiner Befreiung dem Schwur, was die habsburgisch-polnischen Beziehungen aufs neue verschärfte; erst 1598 vermochte ihn sein kaiserlicher Bruder zur Ablegung des Eides zu bestimmen. In Schweden hatte die Wahl des Thronfolgers die Besorgnis erweckt, daß er nach dem Tode Johanns III. das Land zu einem Anhängsel Polens herabdrücken und mit polnischer Hilfe der Gegenreformation auch hier zum Siege verhelfen werde. Deshalb wurden in den Kalmarischen Statuten vom 7. September 1587 die Selbständigkeit und Unabhängigkeit Schwedens, die Privilegien des Adels und der Bestand der schwedischen Kirche nochmals verbrieft sowie ein festes

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Bündnis mit Polen gegen Rußland aufgerichtet. Auch Sigismund selbst hegte wie sein Vater jetzt Bedenken gegen die Annahme der Piastenkrone. Die katholisierenden Neigungen Johanns, seine 1576 eingeführte, auf dem tridentinischen Missale beruhende Liturgie, sowie das Auftauchen der Jesuiten hatten eine Opposition im Lande großgezogen, die sich um den streng evangelischen jüngsten Bruder des Königs, Herzog Karl von Södermanland, scharte. Es stand zu befürchten, daß er, gestützt auf die nationale Partei, dereinst seinem katholischen Neffen die Krone entreißen würde. Dazu kam, daß die Pacta conventa von 1573, die Sigismund vor seiner polnischen Krönung zu beschwören hatte, die ausdrückliche Verpflichtung enthielten, ganz Livland, also auch den schwedischen Anteil, mit Polen zu vereinigen1). Auf das Drängen der Jesuiten entschloß er sich endlich zur Reise nach Polen, stieg aber in Danzig nicht eher ans Land, als bis ihm die Polen zugesagt hatten, daß diese Bestimmung zu Lebzeiten seines Vaters keine Anwendung auf Estland finden sollte. Am 27. Dezember 1587 wurde er in Krakau gekrönt. L i t e r a t u r . E. S i e n i a w s k i , Das Interregnum und die Königswahl in Polen vom Jahre 1587. Breslau 1869. J. S c h w e i z e r , Antonio Possevino S. J. und die polnische Sukzessionsfrage 1587. (Rom. Quartalsschr. 23.) H. B i a u d e t , Sixte V. et la candidature de Sigismond de Suède au trône de Pologne en 1587. Helsingfors 1910. Nuntiaturberichte aus Deutschland 1585 (1584) —1590, II. Abt. 2. Hälfte. J. H i r n , Die Renuntiation des Deutschmeisters Maximilian auf Polen usw. (Mitt. d. österr. Inst. Ergzbd. 4.) Aus der mir nicht zugänglichen schwedischen Literatur besonders: K. H i l d e b r a n d , Johan III. och Europas katolska machter, Upsalal898: H . A l m q u i s t , Den politiska krisen och konungavalet i Polen är 1587, Göteborg 1916.

§50. Sigismund HI. von Polen nnd Schweden. Boria Godunow in Rußland. Sigismund III. erwies sich in Polen als echter Jesuitenzögling, für den die Gegenreformation Selbstzweck war. Seine brutale Härte in der Protestanten- und Orthodoxenverfolgung löste neue Wirren im Reiche aus. Der Versuch, die 1595 auf Grund des Florentiner Dekrets beschlossene und von Papst Klemens VIII. vollzogene Union der ruthenischen und römischen Kirche gewaltsam durchzuführen, scheiterte und vertiefte den Gegensatz zu Rußland noch mehr. Zudem geriet der selbstbewußte und nach der Alleinherrschaft trachtende König sofort in einen heftigen Konflikt mit dem allmächtigen Kanzler Zamojski. Dessen aus egoistischen Beweggründen entsprungenen, aber für Polens Zukunft rettenden Gedanken, die Einstimmigkeit auf den Reichstagen durch die Stimmenmehrheit zu ersetzen, brachte Sigismund mit seinen Anhängern auf dem Reichstag von 1589 zu Fall. Die unaufhörlichen Reibungen verleideten ihm sein Reich schnell, so daß er im Einverständnis mit seinem Vater an die Rückkehr nach Schweden dachte und mit den Habsburgern über seinen Verzicht zugunsten des ErzGegen den ausdrücklichen Befehl Johanns hatte sein Gesandter auf dem Wahltag, um die Erhebung Sigismunds zu sichern, ein halbes Versprechen hierüber abgegeben. 8«

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herzogs Ernst und seine Verheiratung mit Karls von Steiermark Tochter Anna verhandelte. Die Vermählung fand im Mai 1592 statt. Schon längst hatten sich die Kurie und Philipp II. um einen Ausgleich der beiden katholischen Mächte in Osteuropa bemüht, und die Gefahr eines neuen Türkenkrieges verlieh ihren Mahnungen größeren Nachdruck. Durch diese Familienverbindung wurde der österreichisch-spanischpolnische Block geschaffen, der in der Geschichte des XVII. Jahrhunderts so bedeutungsvoll wurde. Die geplante Abdankung Sigismunds wurde noch im letzten Augenblick vereitelt durch eine „herostratische Tat" des Erzherzogs Maximilian, der seinem Bruder Ernst die Krone nicht gönnte und in einem offenen Brief den Polen das Vorhaben ihres Herrschers enthüllte. Auf dem sogenannten Warschauer Inquisitionsreichstag (September 1592) mußte er sich gegen Zamojskis Anklagen rechtfertigen und versprechen, das Land nicht ohne Einwilligung des Reichstages zu verlassen. Das Königtum erfuhr damit eine weitere Schwächung, die Freiheit der Königswahl wurde erneut festgelegt. Bald darauf, am 17. November 1592, starb Johann III. von Schweden. Für den in Polen weilenden Nachfolger übernahm Karl von Södermanland die Regierung und benutzte die Abwesenheit des Königs, um gemeinsam mit der Geistlichkeit auf einer Synode von Upsala die Liturgie Johanns sowie alle anderen kirchlichen Änderungen aufzuheben und die Alleinherrschaft des Luthertums wiederherzustellen. Als Sigismund im Herbst 1593 mit Zustimmung des polnischen Reichstages und in Begleitung der Jesuiten und eines päpstlichen Nuntius in sein Erbreich kam, konnte er seine Krönung nur durch einen feierlichen Eid auf diese Beschlüsse durchsetzen, den er freilich auf Rat des Nuntius in einem schriftlichen Protest für erzwungen und darum für unverbindlich erklärte. Infolgedessen ließ er sich von seinen Katholisierungsplänen nicht abhalten und richtete vor seiner Abreise katholischen Gottesdienst und katholische Schulen ein. Gegen seinen Oheim spielte er den Adel aus, dem er entscheidenden Anteil an der Regierung gewährte. Die Personalunion mit Polen schien auch in Schweden die Adelsherrschaft begründen zu sollen, sie wuchs sich zu einer Gefahr aus, nicht nur für den Protestantismus, sondern auch für die Monarchie und die nationale Unabhängigkeit. Ihr Retter wurde der tatkräftige und rücksichtslose Herzog Karl, mit dem Beistand der Bauern. Gegen den Willen des Königs berief er 1595 einen Reichstag nach Söderköping und ließ sich von ihm als alleinigen Reichsverweser anerkennen. Alle Appellationen nach Polen wurden verboten, Sigismunds Befehle an die Bestätigung der schwedischen Regierung geknüpft, der katholische Gottesdienst beseitigt und die Priester ausgewiesen. Es war der erste Schritt zur Absetzung des Königs. Aber er war nicht gewillt zu kapitulieren, sondern hob die Beschlüsse auf, entzog dem Herzog die Regierung und übertrug sie dem adligen Reichsrat. Indes ein neuer Reichstag von 1597 annullierte diese Anordnungen, und der zu spät unternommene und zaudernd durch-

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geführte Versuch Sigismunds, sein Stammland durch einen Kriegszug zu unterwerfen, endete nach anfänglichen Erfolgen mit seiner Niederlage bei Stängebro (25. September 1598). Nachdem der König einen neuen Vertrag gebrochen hatte, kündigte ihm der Reichstag 1599 den Gehorsam, behielt aber seinem ältesten Sohne Wladislaw die Thronfolge vor, wenn er binnen eines halben Jahres zur evangelischen Erziehung nach Schweden geschickt würde. Der Herzog von Södermanland wurde zum „regierenden Erbfürsten" des Reiches erklärt. Sigismunds Partei wurde blutig ausgerottet, das zu ihm haltende Finnland mit Waffengewalt unterworfen. Diese Wirren benutzten die Russen, um durch einen Einfall nach Estland die 1583 verlorenen Gebiete wiederzugewinnen, und das zerklüftete Schweden war nicht fähig, ihnen Einhalt zu gebieten. Nachdem 1593 ein Waffenstillstand vereinbart war, kam es im Mai 1595 unter kaiserlicher Vermittlung zu dem Frieden von Teusina, in dem Schweden von seinen Eroberungen im Baltikum die Landschaft Kexholm preisgab. Im Zarenreich stärkte dieser Erfolg sowie der 1591 abgeschlossene 12jährige Waffenstillstand mit Polen die Stellung des Diktators Godunow. 1589 hatte er durch Erhebung des Metropoliten von Moskau zum Patriarchen die russische Kirche aus der bisherigen Abhängigkeit vom Patriarchat in Konstantinopel gelöst und selbständig gemacht. Wie Iwan IV. wußte auch er die Beziehungen zum Abendland für seine Zwecke zu verwerten. Um eine Stütze für seine Absichten auf die Krone und einen Rückhalt gegen seine inneren und äußeren Feinde zu erlangen, näherte er sich dem Kaiser und machte ihm Aussichten auf seine Hilfe gegen die Türken. Darüber entwickelte sich ein regerer diplomatischer Verkehr, der in Moskau seinem Ansehen zustatten kam. Umgekehrt spielten seine Gegner mit dem Gedanken, zu seiner Verdrängung einem Habsburger die Thronfolge zuzuwenden1). Am 17. Januar 1598 erlosch mit dem Tode Feodors das Haus Rurik, denn sein Stiefbruder Dmitrij war 1591 ermordet worden, von wem, ist nie ganz aufgeklärt worden2). Da die Zarinwitwe die ihr angebotene Krone ausschlug und ins Kloster ging, setzte Godunow nach längerem Interregnum seine Wahl zum Zaren durch. Aber von vornherein standen dem Emporkömmling die Bojaren feindlich gegenüber, an ihrer Spitze die Romanows, die wegen ihrer Verwandtschaft mit den Ruriks ein besseres Anrecht auf den Thron zu haben glaubten. L i t e r a t u r . E. S i e n i a w s k i , Die Regierung Sigismunds III. in Polen. 2 Teile Programm. Schrimm 1870/74. S v e n T u n b e r g , Sigismund och Sverige 1597/98. Upsala 1917. J. P a u l , Gustaf Adolf. Bd. I. ') Diese österreichisch-russischen Verhandlungen sind von H. Ü b e r s b e r g e r , Österreich und Rußland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, Band I aufgedeckt worden. *) Die herrschende Meinung, daß Godunow der Urheber der Tat sei, wird von S t ä h l i n , Geschichte Rußlands I S. 316 angezweifelt, er vermutet Wassilij Schujskij als den Anstifter. K l i u t s c h e w s k i j (Geschichte Rußlands III S. 24) hält dagegen eine Mitwisserschaft Godunows für wahrscheinlich.

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§ 51. Der Türkenkrieg und die Wirren in Siebenbürgen (1693—1598). Die Erschütterungen in Osteuropa wurden noch vermehrt durch einen neuen Türkeneinbruch. Ungeachtet des seit 1568 zwischen Kaiser und Sultan herrschenden Friedens hatte der Kleinkrieg an den Grenzen niemals aufgehört, zumal die bosnischen Begs unternahmen immer wieder Einfälle in die Lande des Erzherzogs Karl von Steiermark. Zu ihrer Abwehr hatte schon Kaiser Ferdinand I. die wichtigsten Grenzplätze befestigt, Besatzungen hineingelegt und die aus den türkischen Gebieten vertriebenen Christen hier angesiedelt. Diese sogenannte Militärgrenze war von Erzherzog Karl weiter ausgebaut worden, reizte die Türken aber erst recht zu Angriffen. Denn die Pforte hatte ihr Ziel, ganz Ungarn zu erobern, keineswegs aufgegeben, sondern es nur vorerst hinter die Erwerbung Zyperns und den 1578 ausgebrochenen Krieg mit Persien zurückgestellt. Die Wechselwirkung zwischen den Geschehnissen im Orient und Okzident tritt hierin einmal augenfällig zutage. Nachdem mit Persien 1590 ein vorteilhafter Friede erreicht war, drängte die Kriegspartei in Konstantinopel zu einem neuen Feldzug gegen Ungarn. Als im Juni 1593 der Pascha von Bosnien bei einem Angriff auf die Schanze Sziszek eine schwere Niederlage erlitt, bestimmte der von den Truppen eingesetzte Großvezier Sinan den Sultan zur Kriegserklärung an Rudolf II., trotzdem dieser soeben die Verlängerung des Waffenstillstandes erkauft hatte. Von Belgrad aus über Donau und Drau vorrückend, eroberten die Osmanen noch im Herbst 1593 Vessprim und Palota. Die Furcht vor ihrem weiteren Vordringen und das Bedürfnis einer Unterstützung durch das Reich bewogen den Kaiser zu der Einberufung des Reichstages, der er 12 Jahre aus dem Weg gegangen war. Obwohl er die Verhandlungen auf die Türkenhilfe beschränken wollte, brachte auf dem im Juni 1594 eröffneten Regensburger Reichstag die von Kurpfalz geführte evangelische Aktionspartei ihre konfessionellen und innerpolitischen Beschwerden und Forderungen vor. Gegen den von Sachsen sekundierten Widerstand der Katholiken drang sie jedoch damit nicht durch, die Majorität bewilligte dem Kaiser eine erhebliche Beisteuer. Auch der Papst, Philipp II. und einige italienische Staaten zahlten ihm Subsidien, Klemens VIII. schickte sogar Truppen. Aber der Gedanke eines allgemeinen Kreuzzuges, den Rudolf im Verein mit dem Papst betrieb, blieb wiederum ein Traum. Westeuropa war mit seinen eigenen Kriegen beschäftigt, Venedig lehnte nach wie vor ab, Polen war 1592 einen Vertrag mit der Pforte eingegangen und über die Hartnäckigkeit Erzherzog Maximilians erbittert, der noch immer den Eid auf den Beuthener Vertrag verweigerte, Boris Godunow machte nur schöne Worte. Dagegen fand Rudolf Helfer in dem Fürsten Siegmund Bathory von Siebenbürgen, dem Neffen König Stephans von Polen, sowie in den gegen Konstantinopel immer aufsässigen Fürsten der Moldau und Walachei. Ihnen hatte es Österreich zu danken, daß die Türken nach der Eroberung von Raab (1594) zu-

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nächst von Ungarn abgelenkt wurden. Indes die Niederlagen, die ihnen der Woiwode der Walachei, Michael der Tapfere, beibrachte, suchteD sie dann doch in Ungarn wieder wettzumachen, wo die Kaiserlichen 1595 Gran genommen hatten. Mit der Feste Erlau gewannen die Osmanen 1596 ein Ausfallstor gegen Mähren, das kaiserliche Heer unter Erzherzog Maximilian, das zu spät zur Rettung Erlaus heranzog, wurde von ihnen in der Keresztes-Ebene östlich der Stadt geschlagen (23. bis 26. Oktober 1596). Die nächsten Kriegsjahre verliefen für die Türken weniger günstig. 1598 gelang den Österreichern die Wiedereroberung von Raab und schon vorher, Ende 1597, hatte Siegmund Bathory, der ewigen Wirren in Siebenbürgen müde, sein Land dem Kaiser gegen eine Jahresrente und die schlesischen Herzogtümer Ratibor und Oppeln abgetreten. Freilich bereute er seinen Entschluß bald. Unstet wie er war, wollte er seinen Thron wieder erlangen oder ihn seinem Vetter, dem Kardinal Andreas Bathory, übertragen. Damit stürzte er das Land in unübersehbare Kämpfe, 1599 eroberte es Michael der Tapfere. Der Türkenkrieg zog sich unterdessen ohne Entscheidungen hin. Literatur. A. H. L o e b l , Zur Geschichte des Türkenkrieges von 1593—1606. 2 Teile. Prag 1899/04.

4. K a p i t e l . 1598—1618. § 52. Karl IX. von Schweden. Der falsche Demetrios. Für den ganzen Nordosten Europas führte die Jahrhundertwende eine Periode langer, schwerer Kriege herauf. Der schwedisch-polnische Gegensatz erreichte jetzt durch das konfessionelle Ringen seinen Höhepunkt. König Sigismund von Polen hatte der Hoffnung, sein Stammland wiederzugewinnen, nicht entsagt. Um hierfür die polnische Hilfe zu erlangen, trat er 1600 gemäß den Pacta conventa Estland an Polen ab. Daraufhin rückte Karl von Södermanland, der soeben in Estland seine Anerkennung erwirkt hatte, in Polnisch-Livland ein und nahm es bis auf Riga und Dünamünde in Besitz. In dem jetzt offen ausbrechenden schwedisch-polnischen Krieg war das Schlachtenglück den Polen hold, sie drängten den Feind zurück und behaupteten durch den Sieg bei Kirchholm (17. September 1605) ganz Livland. Während aber in Polen der Gegensatz zwischen König und Adelspartei sich aufs neue zuspitzte und schon an eine Absetzung Sigismunds gedacht wurde, waren in Schweden endlich klare Verhältnisse geschaffen dadurch, daß Karl nach dem Verzicht von Johanns III. jüngerem Sohn Herzog Johann 1604 die bisher abgelehnte Königswürde annahm und sein ältester Sohn Gustav Adolf als Kronprinz anerkannt wurde. Fortan sollte der schwedische Herrscher stets Lutheraner sein, nicht außerhalb des Landes residieren und kein fremdes Reich in Personalunion mit Schweden vereinigen dürfen. Karl IX. war der echte Sohn Gustav Wasas und hatte seine staatsmännischen Fähigkeiten in dem Kampf mit seinem Neffen

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erwiesen. Wie sein Vater, ließ auch er sich die Hebung der wirtschaftlichen Kräfte seines Landes, namentlich des Bergbaus, besonders angelegen sein. Zur Belebung des Handels gründete er auf der Insel Hisingen gegenüber der Festung Elfsborg die Hafenstadt Göteborg und siedelte dort holländische Kaufleute an. Unter seiner persönlichen Führung nahm der Krieg gegen Polen jetzt einen günstigeren Verlauf. Zudem trat er für beide Teile zurück hinter der Entwicklung in Rußland. Das autokratische Regiment Boris Godunows und das Spitzelsystem, dessen er sich bediente, hatten die Feindschaft der Bojaren gegen ihn noch gesteigert, Mißernten und Hungersnot riefen auch im Volke eine wachsende Erbitterung hervor. Vergebens suchte er seiner Dynastie durch eine Verschwägerung mit den Österreichern einen Halt zu verschaffen, sie lehnten die zweifelhafte Ehre ab. Da trat 1603 in Litauen ein Abenteurer auf, der sich für den zweiten Sohn Iwans IV., den ermordeten Dimitrij ausgab und selbst felsenfest an seine fürstliche Abstammung glaubte. Das Dunkel, das über seiner Herkunft und Persönlichkeit lagert, wird wohl nie ganz aufgehellt werden können. Ebenso ungewiß ist, wie und von wem er angestiftet war, die Wahrscheinlichkeit spricht jedoch dafür, daß der Plan aus den Kreisen der Bojaren stammte. Unter dem unruhigen polnischen und litauischen Adel fand er rasch Anhänger, der Palatin von Sandomir verlobte ihm seine Tochter, auch mit Sigismund III., dem päpstlichen Nuntius und den Jesuiten knüpfte er Beziehungen an. Sie sahen in ihm, der sich 1604 in die römische Kirche aufnehmen ließ, ein geeignetes Werkzeug zur Ausbreitung des Katholizismus in Rußland und ließen sich von ihm die Durchführung der kirchlichen Union versprechen. Der König t r a t zwar nicht offen für ihn ein, begünstigte aber unter der Hand sein Unternehmen, schon um seinen Adel zu beschäftigen. Mit polnischen Truppen und Dnjepr-Kosaken brach der „Falsche Demetrius" im Oktober 1604 in Rußland ein, die allgemeine Unzufriedenheit sowie die Hingabe an die alte Dynastie öffneten ihm den Weg nach Moskau. Zar Boris vermochte dem Massenabfall nicht zu steuern, nur sein plötzlicher Tod (13. April 1605) bewahrte ihn vor dem äußersten. Im Juni 1605 hielt Pseudo-Demetrius seinen Einzug in Moskau und wurde bald darauf zum Zaren gekrönt. Indes wegen der allgemeinen Gärung und seiner Begünstigung der Polen konnte er sich nicht lange behaupten. Mit seiner Lebensführung und dem phantastischen Projekt eines Kreuzzuges gegen die Türken verstieß er gegen die moskowitische Tradition, schon nach Jahresfrist, im Mai 1606, fiel er einem Aufstand zum Opfer. Das Haupt der Verschwörer, Wassilij Schujskij, wurde zum Zaren ausgerufen, fand aber keine allgemeine Anerkennung. Von Polen unterstützt, erhob sich gegen ihn ein zweiter Falscher Demetrius, der sogenannte „Schelm von Tuschino", polnische und einheimische Bandenführer rissen Teile des Reiches an sich. Mit dem Streit um die Krone, in dem im ganzen 14 angebliche Söhne oder Enkel Iwans IV. auftauchten,

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verquickten sich der Kampf der Adetaparteien und eine soziale Revolution der Bauern und Kosaken. Der ohnmächtige Zar warf sich Karl IX. in die Arme, der ihm gegen Abtretung von Kexholm 1609 ein Hilfskorps sandte. Dieses Bündnis rief auch Sigismund III. in die Schranken. Er erklärte Schujskij förmlich den Krieg und rückte gegen Smolensk, das er jedoch erst nach langer Belagerung 1611 erstürmen konnte. Ein zweites polnisches Heer erzwang sich 1610 den Einzug in Moskau, wo Schujskij entthront wurde. Ein Teil der Bojaren proklamierte Sigismunds ältesten Sohn Wladislaw zum Zaren, aber der König verlangte die Krone für sich, um hier einen Ersatz für das verlorene Schweden zu gewinnen und Rußland in den Schoß der römischen Kirche zu führen. Eine völlige Anarchie trat ein. Während die Polen den Westen und Moskau besetzt hielten, ergab sich Nowgorod den Schweden, erkannte Karl IX. als Protektor an und verhieß einen seiner Söhne, Gustav Adolf oder Karl Philipp, zum Zaren zu wählen. Die englischen Kaufleute in Rußland unterbreiteten ihrem König ein Projekt, die nördlichen, für den britischen Handel wichtigen Striche zum englischen Schutzgebiet zu machen. Da wurde die gänzliche Auflösung des Reiches durch eine national-religiöse Erhebung des russischen Volkes abgewandt. Sie ging von den Städten, zumal von Nishnij-Nowgorod aus, und steckte sich das Ziel, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und einen allgemein anerkannten Zaren einzusetzen. Um die Polen zu vertreiben und den Plünderungen der Kosaken ein Ende zu bereiten, wurden Landwehren gebildet. Nachdem im März 1611 die polnische Garnison von Moskau auf den Kreml zurückgeworfen war, wurde im Oktober 1612 die Hauptstadt völlig befreit; ein Vormarsch König Sigismunds kam zu spät. Im Januar 1613 schritt eine aus allen Teilen und von allen Ständen des Landes beschickte Reichsversammlung in Moskau zur Zarenwahl. Während die Bojaren für den schwedischen Prinzen Karl Philipp eintraten, forderten die Kosaken einen einheimischen Herrscher und setzten mit der Mehrheit ihren Standpunkt durch. Am 23. Februar 1613 wurde der 16jährige Michail Feodorowitsch Romanow einhellig erkoren, der sich dem Volk durch seine Verwandtschaft mit den Ruriks, den Bojaren durch seine Jugend und Unerfahrenheit empfahl. Damit war die „Zeit der Wirren", wie das Jahrzehnt von 1603—1613 in der russischen Tradition heißt, beendet und zugleich der von Polen geführte Vorstoß der Gegenreformation hier wie in Schweden abgeschlagen. L i t e r a t u r . Die ältere Literatur ist durch die Werke von S t ä h l i n und K l i u t s c h e w s k i j größtenteils überholt. An Einzelarbeiten vgl. E. è i e p k i n , Wer war Pseudo-Demetrius? (Arch. f. slaw. Philologie 20—22.) H. S k r i b a n o w i t z , PseudoDemetrius I. Diss. Berlin 1913. P. P i e r l i n g , Rome et Demetrius. Paris 1878. H . A l m q u i s t , Sverige och Ryssland 1595—1611. Upsala 1907. J. L u b i m e n k o , Les relations diplomatiques de l'Angleterre avec la Russie au X V I I e siècle. (Rev. histor. 153.) H . A l m q u i s t , Die Zarenwahl des Jahres 1613. (Zeitschr. f. osteurop. Geschichte 3.)

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§ 53. Der Kalmarkrieg und die Anfänge Gustav Adolfs. Schweden war unterdessen durch einen neuen Krieg mit Dänemark gefesselt. Der Stettiner Friede hatte den Gegensatz der beiden Kronen nicht ausgleichen können. König Friedrich II. von Dänemark hatte zwar seitdem bis zu seinem Tod (1588) in allen europäischen Kämpfen strikte Neutralität beobachtet, aber sein junger, ehrgeiziger Sohn Christian IV., der 1596 großjährig erklärt worden war, nahm die dänische Großmachtspolitik wieder auf. Er wollte den Nachbarn zu seiner früheren Ohnmacht herabdrücken, wenn nicht Dänemark unterordnen und so seinem Staat die Herrschaft über die Ostsee sichern. An Anlässen zu einem neuen Bruch fehlte es nicht. Während Christian das schwedische Wappen in sein dänisches einfügte, den Sund zoll steigerte und die Gründung Göteborgs als eine Beeinträchtigung seiner Rechte und Einkünfte ansah, hatte Karl IX. in dem Vertrag vonTeusina 1 ) entgegen den Bestimmungen des Stettiner Friedens die Ausschließung Dänemarks von der Narvafahrt durchgesetzt und suchte durch die Unterwerfung der Lappen im Norden Norwegens einen Zugang zu den nördlichen Gewässern zu erlangen. Obwohl der dänische Reichsrat einem abermaligen Waffengang ebenso abgeneigt war wie die schwedischen Stände und Sigismund III. ein Bündnis ablehnte, erklärte Christian nach gescheiterten Vermittlungsversuchen am 4. April 1611 den Krieg. Gleichzeitig zu Wasser und zu Lande vorgehend, eroberte er im ersten Feldzug das stark befestigte Kalmar — die Kämpfe hierum haben dem Kriege den Namen gegeben — sowie die benachbarte Insel öland. Während er diese bald wieder verlor, bemächtigte er sich im Mai 1612 des einzigen schwedischen Stützpunktes am Kattegat, Elfsborgs. Aber weil der Krieg von vornherein mehr ein Privatunternehmen des Königs als eine Sache des Reiches war, fehlte die zu einem durchschlagenErfolg nötige Kraftentfaltung, zumal da sich die junge schwedische Einheit nicht so leicht erschüttern ließ, wie Christian geglaubt hatte. Karl IX. war am 30. Oktober 1611 gestorben, sein nicht ganz 17jähriger Sohn Gustav Adolf*), der die Erschöpfung und Gefährdung seines Landes erkannte, zeigte sich sofort zu einem Vergleich bereit. Die Vermittlung übernahmen Christians Schwager Jakob I. von England und die in ihrem Ostseehandel schwer geschädigten Niederlande. In dem Frieden von Ulfsbäk (oder Knäröd) vom 20. Januar 1613 gaben beide Teile ihre Eroberungen heraus und sicherten sich gegenseitig Zollfreiheit zu. Aber dafür mußte Gustav Adolf allen Rechten auf die Lappen entsagen und dem Dänen Elfsborg als Pfand für die zu zahlenden Kriegskosten überlassen. Schweden war gedemütigt, aber nicht überwunden, die Kluft zwischen den beiden Staaten hatte sich durch den Krieg noch mehr erweitert. Gleichzeitig hatte sich Christian IV. >) S. oben S. 117. *) Auf Rat seines Vaters übernahm er die Regierung erst nach einem abermaligen Verzicht des Herzogs Johann (s. oben S. 119).

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die Hansestädte, die in den ersten nordischen Kämpfen mehr zu Dänemark als zu Schweden geneigt hatten, durch die Aufhebung der Sundzollfreiheit und durch Handelsverbote völlig entfremdet. Der Vertrag, den Lübeck im Mai 1613 „zum Schutz von Handel und Schiffahrt in der Nord- und Ostsee" mit den Niederlanden abschloß, und dem 1616 die übrigen Hansestädte beitraten, war in erster Linie gegen Dänemark gerichtet. Noch deutlicher wurde die Spitze, als im April 1614 auch ein schwedisch-holländisches Bündnis zustande kam. Erst nach dem Frieden mit Dänemark konnte sich Gustav Adolf gegen die Russen wenden, die die schwedische Stellung in Nowgorod und am Peipussee ernstlich bedrohten. Indes sein Angriff auf Pleskau schlug fehl und bewies die Aussichtslosigkeit weiterer Kämpfe. Denn der König erstrebte keine Eroberung russischen Gebietes, sondern die Sicherung seiner Ostseestellung. Nach langen Verhandlungen verstand sich der Zar in dem wiederum von England und den Niederlanden vermittelten Frieden von Stolbowa (südlich Ladoga, 27. Februar 1617) zur Abtretung von Kexholm, Ingermanland und Karelien gegen Rückgabe von Nowgorod und Anerkennung seiner Krone. Damit hatte Schweden seine größte Ausdehnung im Südosten gewonnen und die Moskowiter von der Ostsee abgeschnitten. Ohne Überhebung konnte der König auf dem nächsten Reichstag erklären, daß es ihnen fortan schwer fallen werde, „über den Bach zu springen". Sie hatten nachgegeben, da sie noch immer von den Polen hart bedrängt wurden. Diese hatten auch nach der Erhebung der Romanows die Hoffnung auf eine Eroberung Rußlands nicht aufgegeben und die russischen Angriffe auf Smolensk abgeschlagen. Vergebens suchte die neue zarische Regierung in Wien und Konstantinopel Hilfe zu erlangen. 1618 rückte der „Zar" Wladislaw noch einmal bis Moskau vor, vermochte aber die Stadt nicht zu erstürmen. Das Herannahen des Winters, die Zuchtlosigkeit im Heer und der Einspruch des polnischen Reichstages gegen einen längeren Krieg bewogen ihn zu Verhandlungen. Da ein endgültiger Friede nicht zu erzielen war, begnügte man sich mit einem Waffenstillstand, der am 24. Dezember 1618 in dem Dorfe Deulino auf 14% Jahre, also bis 1632, abgeschlossen wurde. Wladislaw verzichtete auf den Zarenthron, behielt aber Smolensk und Sewerien. Gewiß war Rußland jetzt vom Dnjepr abgedrängt, indes zugleich für Polen jede Aussicht auf die Hegemonie über die slawische Welt geschwunden. Polen und Schweden hatten sich noch zu Lebzeiten Karls IX. 1611 auf einen Waffenstillstand geeinigt, nachdem Sigismund III. die günstige Gelegenheit zu einem Eingreifen in den Kalmarkrieg nicht benutzt hatte. Die Waffenruhe wurde bis 1621 wiederholt verlängert und nur 1617/18 durch Feindseligkeiten unterbrochen, in denen Gustav Adolf Pernau eroberte. Die Versuche, den Stillstand in einen definitiven Frieden umzuwandeln, scheiterten an Sigismunds Weigerung, auf die schwedische Krone zu verzichten, und an dem Widerstreit der Interessen in Livland.

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So hatte der junge Schwedenkönig Bein Land aus der Bedrängnis, in der es ihm sein Vater hinterlassen, glücklich herausgeführt und die schwere Probe auf sein politisches und militärisches Können glänzend bestanden. Er hatte die überkommene Stellung Schwedens nicht nur behauptet, sondern gefestigt und ausgebaut. Mit sicherem Blick für das Erreichbare und für die Grenzen seiner Macht hatte er den ungünstigen Frieden mit Dänemark abgeschlossen. Durch die größten Anstrengungen und die Einschmelzung des königlichen Silbers gelang es ihm, Elfsborg binnen sechs Jahren aus der dänischen Pfandschaft zu lösen. Dem Adel, der dem „Bauernkönig" Karl IX. immer feindlich gegenübergestanden hatte, reichte er die Hand zur Versöhnung und kettete ihn dadurch an die Krone. Die Reichstagsordnung von 1617 und eine durchgreifende Verwaltungsreform stellten die innere Einheit des Landes wieder her. Das Ziel, das Gustav Adolf von Anfang an vorschwebte, war die Herrschaft über die Ostsee. Um sie zu erringen, suchte er durch eine weitschauende Wirtschaftspolitik die geringen Mittel seines Reiches zu steigern und erhob sein Bauernheer durch eine umfassende Neuorganisation zur bestbewaffneten und geschultesten Armee seiner Zeit. Denn die Verwirklichung seines Vorhabens war noch erschwert worden, seitdem sich die Annäherung zwischen Österreich und Polen im März 1613 zu einem festen Bündnis ausgewachsen hatte, in dem Gustav Adolf den Keim zu einer großen katholischen Liga erblickte. Wenn schon sein Vater die Generalstaaten auf die Interessengemeinschaft gegen die „papistische Superstition und spanische Ambition" hingewiesen hatte, so drang der Sohn immer wieder auf einen Zusammenschluß der protestantischen Mächte zur Abwehr der als sicher angenommenen katholischen Offensive. Der erste Schritt dazu war die Defensivallianz, die er 1614 auf 15 Jahre mit Holland einging 1 ). Durch das habsburgisch-polnische und das schwedisch-niederländische Bündnis verstrickte sich der Kampf um die Ostsee mit den universalen politischen und religiösen Gegensätzen. L i t e r a t u r . D. S c h ä f e r , Geschichte von Dänemark V (mit Literaturnachweisen). J. P a u l , Gustaf Adolf Bd. I. E . W i e s e , Die Politik dar Niederländer während des Kalmarkrieges (1611—1613) und ihr Bündnis mit Schweden (1614) und den Hansestädten (1616). Heidelberg 1903.

§ 64. Michael der Tapfere and der Ausgang des Türkenkrieges. Große Krisen und Umwälzungen im europäischen Staatensystem geben immer dem Expansionsdrang ungesättigter Völker und dem Ehrgeiz einzelner Persönlichkeiten Ansporn und Handhaben. Die Überflutung Rußlands durch seine Nachbarn und den türkisch-österreichischen Krieg benutzte Michael der Tapfere, um zu Siebenbürgen 1600 auch noch die Moldau zu erobern. Die Länder rumänischer Zunge waren damit für den Augenblick unter einem Herrscher vereinigt. Aber ») Siehe oben S. 123.

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die Begründung eines Einheitsstaates hat Michael nicht erstrebt und eilte auch seiner Zeit voraus. Denn ein rumänisches Nationalgefühl, von dem das neue Reich getragen werden konnte, war ebensowenig vorhanden wie eine fest organisierte Armee, und auch die unerläßliche außenpolitische Vorbedingung, die Abschüttelung des türkischen Joches, war nicht erfüllt. Das walachische Element in Siebenbürgen, die geknechteten Hirten und Bauern boten dem Fürsten keine Stütze, und der ungarische Adel sowie die Sachsen sahen in ihm den walachischen Feind. Obwohl er sich zur Anerkennung der kaiserlichen Lehnshoheit bereit erklärte, verstärkten seine Forderungen und sein Auftreten das von Anfang an bestehende österreichische Mißtrauen. Während im Lande selbst der Abfall einsetzte, wurde er im Herbst 1600 von dem kaiserlichen General Basta geschlagen, gleichzeitig drangen die Polen in die Moldau ein und entrissen ihm auch die Walachei. Gegen Siegmund Bathory, der im Februar 1601 von dem siebenbürgischen Landtag erneut zum Fürsten gewählt wurde, vereinigte sich Michael wieder mit den Kaiserlichen, geriet aber nach dem gemeinsamen Sieg mit Basta in Streit und wurde auf dessen Befehl im August 1601 ermordet. Mit seinem Tod fielen die von ihm zusammengebrachten Lande völlig auseinander. 1602 wurde Siebenbürgen von Basta dem Erzhause unterworfen, Siegmund Bathory verzichtete aufs neue, aber jetzt endgültig und erhielt dafür statt der schlesischen Herzogtümer die böhmische Herrschaft Libochowitz, wo er 1612 starb. Trotzdem die habsburgische Festsetzung in Siebenbürgen die türkische Herrschaft über Ungarn in der Flanke bedrohte, nahm die Pforte die Wendung zunächst hin. Sie war durch den Verfall im Innern, durch einen Aufstand in Kleinasien und den bevorstehenden Angriff Persiens gelähmt, bereits 1597 hatte der Schah Abbas der Große dem Kaiser ein Zusammengehen gegen den Sultan angeboten. Der Krieg in Ungarn beschränkte sich auf die Belagerung und Eroberung von festen Plätzen, — 1600 verloren die Kaiserlichen Kanisza —, bis er aus Siebenbürgen wieder angefacht wurde. Hier warf sich 1604 Stephan Bocskay, bisher ein Anhänger Habsburgs, zum Führer der antiösterreichischen Partei auf, und das demoralisierte kaiserliche Heer wich vor ihm und seinen Haufen aus dem Lande zurück. Er erhielt Unterstützung von den Osmanen und aus Ungarn, wo Rudolf II. durch sein absolutistischkatholisches Regiment Adel und Städte gegen sich aufgebracht hatte. Im April 1605 wurde Bocskay zum Fürsten von Ungarn und Siebenbürgen gewählt und vom Sultan anerkannt. Vereint trieben Türken, Siebenbürgen und Ungarn die kaiserlichen Truppen bis an die österreichischen Grenzen und plünderten das östliche Mähren. Auf Drängen der Erzherzoge bevollmächtigte Rudolf II. seinen Bruder Matthias zu Verhandlungen, die durch die Gegensätze unter seinen Feinden erleichtert wurden. Im Wiener Frieden vom 23. Juni .1606 mußte er den Ungarn die Wahrung ihrer Sonderrechte und der ständischen Verfassung sowie für Adel, Städte und königliche Marktflecken freie Religionsübung

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zugestehen; Siebenbürgen mit einigen anstoßenden Gebietsstreifen wurde Bocskay überlassen. Mit der Pforte kam es am 11. November 1606 zu dem 20jährigen Waffenstillstand von Zsitva-Torok. Zum ersten Male erkannte hierin der Sultan den Kaiser als gleichberechtigt an, der jährliche Tribut wurde durch eine einmalige Zahlung von 200000 Gulden abgelöst. Für die Grenzfestsetzung wurde der augenblickliche Besitzstand zugrunde gelegt, so daß die Kaiserlichen Erlau, Kanisza und auch Gran einbüßten. Da beide Teile ihren Anspruch auf die Oberhoheit über Siebenbürgen aufrechterhielten, war dieser gefährliche Zankapfel nicht beseitigt. Trotzdem bedeutete der Vertrag gegenüber dem bisherigen demütigenden und unsicheren Zustand für die Habsburger eine Besserung, die sie allerdings nicht der eigenen Kraft, sondern der Schwäche der Pforte und dem 1604 wirklich ausgebrochenen Perserkrieg, also der Einwirkung des Orients, zu verdanken hatten. Sie hatten jetzt den Rücken frei, um sich den bedrohlich zugespitzten Verhältnissen in den Erblanden und im Reich zuzuwenden. L i t e r a t u r . W. St. T e u t s c h l a e n d e r , Michael der Tapfere. WieD 1879. N. J o r g a , Geschichte des rumänischen Volkes. Bd. II. (Gotha 1905.) G6za L e n c z , Der Aufstand Bocskays und der Wiener Friede. Eine kirchenhistorische Studie. Debrezen 1917.

§ 55. Die Wirren in den österreichischen Erblanden. Die von Ferdinand I. angeordnete und nach seinem Tod durchgeführte Erbteilung hatte die habsburgischen Lande in drei Gruppen gespalten. Die Hauptlinie behielt nur Nieder- und Oberösterreich mit den Ländern der böhmischen und ungarischen Krone, Tirol und Vorderösterreich fielen an Erzherzog Ferdinand 1 ), Innerösterreich, d. h. Steiermark, Kärnten, Krain und Görz an den jüngsten Sohn, Erzherzog Karl. Damit war die Einheit des Territoriums, wenn auch nicht formell, so doch tatsächlich zerrissen und zugleich die Ansätze zur Zentralisierung zerstört. In gleicher Richtung wirkte das Eindringen des Protestantismus, der unter Adel und Bürgertum immer mehr Anhänger fand. Maximilian II. hatte ihm nicht nur Bewegungsfreiheit gewährt, sondern in Österreich dem Adel das Recht der Religionsübung, wenn auch in unklaren Bestimmungen, gelassen, und in Böhmen den evangelischen Adeligen und Städten den landesherrlichen Schutz versprochen, während seine Brüder in ihren Gebieten mit Hilfe der Jesuiten den Kampf gegen die neue Lehre aufnahmen. Mit der Thronbesteigung Rudolfs II. setzte auch in den Hauptlanden die Gegenreformation ein, die unter der Leitung des Prälaten Melchior Klesl den Protestantismus ständig zurückdrängte und die Herrschaft der alten Kirche wiederherstellte. ') Als er 1595, ohne erbberechtigte Söhne zu hinterlassen, starb, kam sein Gebiet nach mehrjährigem Interregnum unter die Verwaltung von Erzherzog Maximilian, dessen Nachfolger 1618 Erzherzog Leopold wurde. Vgl. J. H i r n , Tirols Erbteilung und Zwischenreich 1595—1602. (Archiv für österr. Gesch. 98.) — Zum ganzen siehe die Stammtafel auf S. 147.

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Jedoch stieß sie auf den heftigen Widerstand der evangelischen Landstände, die wie in Frankreich und den Niederlanden mit ihrem Glauben zugleich ihre politischen Rechte verteidigten und mit dem Steuerbewilligungsrecht über eine Waffe gegen den Herrscher verfügten. In Oberösterreich entfesselte die Vertreibung der evangelischen Prediger zusammen mit der wirtschaftlichen Not 1595 einen Bauernaufstand, der erst nach zwei Jahren niedergeworfen wurde, in Ungarn drohte 1605 der Abfall. Die Lage wurde noch verworrener durch die Zwistigkeiten im Habsburgerhaus und die immer deutlicher zutage tretende Regierungsunfähigkeit Rudolfs II. Er war hochbegabt, scharfblickend und herrisch, aber schwerfällig und energielos. Seine Melancholie und Menschenscheu wuchsen sich durch die inneren und äußeren Schwierigkeiten, durch seine Ausschweifungen und das von ihm selbst verschuldete Scheitern seines spanischen Heiratsprojektes allmählich zu Halluzinationen und Geistesstörungen aus 1 ), 1594 zog er sich völlig auf seine Burg in Prag zurück. Um so dringender war die Regelung der Nachfolge sowohl in den Erblanden wie im Reich. Bereits 1581 hatten die Erzherzoge mit den Kurfürsten von Mainz und Sachsen darüber verhandelt, aber ihrem von Spanien und der Kurie unterstützten Drängen setzte der Kaiser einen hartnäckigen, bis zu Zwangsvorstellungen gesteigerten Widerstand entgegen. Trotzdem der Zusammenbruch in Ungarn die Notwendigkeit einer Regentschaft zwingend erwies, scheuten die unter sich nicht einigen Erzherzoge wie die Kurfürsten vor durchgreifenden Maßnahmen zurück. Erst als Rudolf in seinem Argwohn gegen seinen Bruder Matthias die Ausführung des Friedens mit Ungarn und Türken zu hintertreiben suchte und darüber in Ungarn eine neue Empörung ausbrach, berief Matthias Anfang 1608 die ober- und niederösterreichischen Stände und dann gemeinsam mit ihren Ausschüssen den ungarischen Reichstag, um sich mit ihnen über die unhaltbare Lage zu verständigen. In der Preßburger Bundesurkunde verpflichteten sich der Erzherzog und die drei Kronlande, die Friedensschlüsse von 1606 bis aufs äußerste zu verteidigen. Als der Kaiser die Auflösung des Bundes befahl, schritt Matthias, der sich auch die spanische und päpstliche Unterstützung verschafft hatte, zum offenen Widerstand. Mit Hilfe der Stände sammelte er ein Heer und marschierte über Mähren, das sich ihm anschloß, nach Böhmen. Die Hoffnung, die böhmischen Stände zu gewinnen, schlug fehl. Aus Partikularismus, um dem Königreich eine selbständige Stellung zu wahren, scharten sie sich um Rudolf und bewilligten ihm Steuern und Truppen. Da es beide Habsburger wie ') F. S t i e v e bezeichnet „die Geschichte der Geisteskrankheit Rudolfs und ihres wachsenden Einflusses" als „den Schlüssel zur Geschichte seiner Regierung". E. M a r e k s (Philipp II. von Spanien) nennt ihn „die Karikatur Philipps". Vgl. auch A. O. M e y e r in Nuntiaturberichten aus Deutschland, IV. Abt., Die Prager Nuntiatur des G. St. Ferrreri und Die Wiener Nuntiatur des G. Serra (1603—1606) S. LXIIIff.

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die Stände nicht zu einem offenen Bruderkrieg kommen lassen wollten, wurde im Juni 1608 ein Vergleich getroffen. Der Kaiser trat dem Erzherzog Ungarn, Österreich und Mähren ab und behielt nur Böhmen mit Schlesien und den Lausitzen, erkannte aber auch hier Matthias als seinen Nachfolger an. Beide mußten die Hilfe der protestantischen Stände mit Konzessionen bezahlen. Noch vor dem Abzug aus Böhmen schlössen sich die österreichischen und ungarischen Stände zu gegenseitigem Schutz der Gewissensfreiheit und Religionsübung zusammen. In Ungarn, wo auf Grund des Wiener Vertrages jetzt zur Vertretung des Königs ein Palatin gewählt wurde, erweiterte Matthias vor seiner Krönung die Bestimmungen des Wiener Friedens zugunsten der Protestanten. In den österreichischen Landen erreichten sie Religionsfreiheit für den Adel und, allerdings verklausuliert, auch für die Städte. Die Böhmen erlangten von Rudolf in dem Majestätsbrief vom 9. Juli 1609 Gewissensfreiheit für alle Bewohner des Königreiches, freie Religionsübung für die evangelischen Adeligen und königlichen Städte samt ihren Untertanen und dazu die Einsetzung eines Ausschusses der evangelischen Stände, der sogenannten Defensoren, die das gesamte Kirchenwesen zu leiten und im Notfall eine allgemeine Protestantentagung einzuberufen hatten. Damit hatten die ständischen Gewalten noch einmal über den Landesherrn gesiegt. L i t e r a t u r . A. G i n d e l y , Rudolf II. und seine Zeit, 1600—1612. 2 Bde.» Prag 1868. F. S t i e v e , Rudolf II., Deutscher Kaiser. (Allgem. Dt. Biogr. 29, auch in seinen Abhandlungen, Vorträgen und Reden. Leipzig 1900.) Ders., Die Verhandlungen über die Nachfolge Kaiser Rudolfs II. in den Jahren 1581—1602. (Abhandlungen d. Bayer. Akad. d. Wiss. 15.) R . M a y e r , Kaiser Rudolf II. und die Nachfolgefrage, Programm Brüx 1907/09. A. G i n d e l y , Geschichte der Erteilung des Böhmischen Majestätsbriefes von 1609. Prag 1858. — Zum einzelnen vgl. D a h l m a n n - W a i t z und die Literaturangaben in G e b h a r d t s Handbuch II*; zu den dort angeführten Arbeiten über die Gegenreformation in den Erblanden vgl. noch V. B i b l , Die Religionsreformation Kaiser Rudolfs II. in Oberösterreich. (Arch. f. österr. Gesch. 109.) Die anwachsende tschechische Literatur über die böhmische Geschichte dieser Zeit war mir nicht zugänglich.

§ 66. Die Zuspitzung der Gegensätze im Deutschen Reich. Union und Liga. Die Wirren am Kaiserhof beeinflußten die Lage im Reich, zumal da durch den Türkenkrieg die Beziehungen zu den Erblanden enger geworden waren. Die Gegensätze, die hier zum Austrag drängten, spalteten auch das Reich, und die Wechselwirkung, die mit Notwendigkeit eintrat, verschärfte den Kampf auf beiden Schauplätzen. Der Streit um Aachen hatte mit dem Siege der Katholiken geendet. Gegen das 1593 endlich ergangene kaiserliche Urteil, daß alle Neuerungen zu beseitigen seien, hatte der Rat an den besser zu unterrichtenden Kaiser und den Reichstag appelliert. Auf spanisches Drängen verhängte Rudolf II. 1598 die Acht über die widerspenstige Stadt und beauftragte Köln, Trier, Jülich und den Erzherzog Albert mit ihrer

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Vollstreckung. Vor ihren Truppen brach der Mut der Bürgerschaft zusammen. Die unter Leitung kaiserlicher Kommissare abgehaltenen Neuwahlen ergaben einen rein katholischen Rat, das katholische Bekenntnis erhielt die Alleinherrschaft 1 ). Dieser Ausgang stand im Zusammenhang mit dem noch immer nicht erloschenen, von den Niederlanden aus genährten Kölner Krieg. Noch vor der Eroberung Rheinbergs durch die Spanier (1590) hatte ihr Gegner, der wegen seiner Verwegenheit berüchtigte Oberst Schenk von Nydeggen auf einer Rheininsel an der klevisch-geldrischen Grenze die Schenkenschanze errichtet und damit den Generalstaaten einen neuen Stützpunkt für die Bekämpfung Spaniens und für Raubzüge ins Kölner Gebiet geschaffen. Beide Mächte schienen sich dauernd am Rhein festsetzen zu wollen. Adolf von Neuenahrs Witwe (gest. 1600) vermachte die Grafschaft Mörs testamentarisch dem HauBe Oranien, die kurkölnischen Städte Bonn, Neuß und Rheinberg erhielten spanische Besatzungen, ohne daß das Reich gegen die fortwährende Drangsalierung und die Neutralitätsbrüche etwas auszurichten vermochte. Bereits 1578 hatte die kaiserliche Proposition für den Wormser Deputationstag geklagt, daß alle Kommerzien auf dem Rhein aufgehört hätten. Eine ähnliche Verwicklung mit dem Ausland drohte gleichzeitig im Südwesten durch den Straßburger Kapitelstreit. In Straßburg, wo, wie in Köln, das Domkapitel in eine katholische und evangelische Partei zerfiel und seit 1583 zwischen dieser und dem Bischof Johann von Manderscheid gekämpft wurde, kam es 1592 nach dessen Tode zu einer Doppelwahl: die Protestanten erhoben den Markgrafen Johann Georg von Brandenburg, die Katholiken den Bischof von Metz, Kardinal Karl von Lothringen. Nach kurzem Waffengang zwischen den Lothringern und dem aus Frankreich zurückkehrenden Fürsten Christian von Anhalt vermittelte der Kaiser 1593 einen Waffenstillstand, der eine vorläufige Teilung des Stiftes auf Grund des Besitzstandes verfügte. Der Friedensschluß zwischen Heinrich IV. und dem Hause Lothringen zerstörte die protestantischen Hoffnungen auf französische Hilfe und machte für den Bischof von Metz frische Kräfte frei. 1598 sicherte er sich auch die kaiserliche Unterstützung dadurch, daß er den Erzherzog Leopold aus der steierischen Linie zu seinem Koadjutor annahm; im Jahre darauf erlangte er die förmliche Belehnung mit dem Stift. Die Gegenwehr der protestantischen Domherren und der zu ihnen haltenden Stadt Straßburg war von vornherein aussichtslos, da der Vater Johann Georgs, Kurfürst Joachim Friedrich, es nicht zum äußersten kommen lassen wollte. Gegen eine Geldentschädigung verzichtete der Hohenzoller 1604 auf alle Ansprüche. Im Kampf um das geistliche Fürstentum hatte der Protestantismus eine zweite Niederlage erlitten, während die katholische Restauration im Reiche fortschritt und in den Stiftern planmäßig alle evan') Einen letzten Aufstand der Protestanten, der 1611 im Zusammenhang mit den jülich-klevischen Wirren unternommen wurde, schlug Spinola im Auftrag des Kaisers Matthias 1614/16 nieder. Siehe unten S. 144. P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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gelischen Elemente entfernte. Den noch immer unentschiedenen Magdeburger Sessionsstreit wagte man in Berlin unter diesen Umständen nicht durchzufechten. Es zeigte sich jetzt, welchen Vorteil der Katholizismus daraus zog, daß er das Kaisertum, die Organe des Reiches und den Buchstaben der Reichsgesetze auf seiner Seite hatte. Nur im Kampfe gegen sie konnten die Protestanten ihren Besitzstand behaupten. Deshalb suchten die Pfälzer und ihre Freunde, die sich zu der Gruppe der „Korespondierenden" zusammengeschlossen hatten, die Reichsverfassung lahmzulegen. Die mit dem Reichskammergericht konkurrierende Gerichtsbarkeit des kaiserlichen Reichshofrates lehnten die Protestanten ab, aber durch die Magdeburger Sessionsfrage waren seit 1588 auch die Visitationen des Reichskammergerichtes ins Stocken geraten. Als sie 1594 von der Reichstagsmehrheit dem Deputationstag übertragen wurden und dieser die durch den Vierklosterstreit 1 ) aufgeworfene Frage, ob ein evangelischer Landesherr landsässige Klöster einziehen dürfe, verneinen wollte, sprengten die Pfälzer mit Brandenburg und Wolfenbüttel den Ausschußtag von 1601. Damit war die Justizverfassung des Reiches zusammengebrochen. Die dem Religionsfrieden widersprechende Exekution des Herzogs Maximilian von Bayern gegen die überwiegend protestantische Reichsstadt Donauwörth (1607) rief auch die konservativen evangelischen Stände in die Schranken. Auf dem Regensburger Reichstag von 1608 machten alle Protestanten auf kursächsische Anregung die Bewilligung der vom Kaiser geforderten Türkenhilfe von der ausdrücklichen Bestätigung des Religionsfriedens abhängig. Die Katholiken waren dazu bereit, verlangten aber einen Zusatz, daß alle nach 1555 eigenmächtig angeeigneten Güter zu restituieren seien. Während hierüber noch verhandelt wurde, verließen Ende April die Pfälzer mit Kurbrandenburg und mehreren kleinen Fürsten unter Protest den Reichstag. Wie 1601 der Deputationstag, ging jetzt der Reichstag ohne Abschied auseinander. In die Reichseinheit war Bresche geschossen, Deutschland zerfiel in die konfessionellen Parteien. Diese Ereignisse verhalfen in beiden Lagern den längst vorhandenen Bestrebungen nach konfessionellen Sgnderbündnissen zum Siege. Ein Zusammenschluß aller Protestanten kam wegen der inneren Gegensätze nach wie vor nicht in Frage, nachdem die Hoffnungen auf einen Systemwechsel in Sachsen, die sich 1586 nach dem Tode Kurfürst Augusts eröffnet hatten, mit dem frühen Hinscheiden seines Sohnes Christian I. (gest. 1591) wieder verflogen waren. In Süddeutschland dagegen, das dem katholischen Druck weit stärker ausgesetzt war, überbrückte er jetzt die Kluft zwischen Lutheranern und Calvinisten. Im Mai 1608 schlössen sich auf Betreiben des Leiters der pfälzischen Politik, des ') Es handelte sich dabei um die Klagen des Klosters Christgarten gegen den Grafen Ludwig von öttingen, des Klosters Frauenalb gegen den Markgrafen von Baden-Durlach und den Grafen von Eberstein, des Margaretenklosters in Straßburg gegen die Reichsstadt und des Karmeliterklosters in Hirschhorn gegen die dortigen Reichsritter.

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Fürsten Christian von Anhalt, in dem ansbachischen Dorf Ahausen Kurpfalz, Württemberg, Baden, Ansbach, Pfalz-Neuburg und Kulmbach zu der „Union" zusammen zum gegenseitigen Schutz und zur Verteidigung ihrer Rechte. Die Dauer des Bundes wurde auf zehn Jahre festgesetzt, das Direktorium dem Kurfürsten von der Pfalz übertragen. Nach und nach traten einige kleinere Herren und Städte bei, 1610 auch Brandenburg und Hessen-Kassel. Kursachsen und seine Parteigänger blieben fern, womit die alte Spaltung des deutschen Protestantismus besiegelt war. Sogleich knüpfte die Union mit dem Ausland, mit Frankreich, England und Holland an, ohne daß es zu festen Verträgen kam. Die Verhandlungen über ein katholisches Bündnis, das seit 1603 von den geistlichen Kurfürsten erstrebt und auch vom Papst gewünscht wurde, gelangten nicht so schnell zum Abschluß. Die Leitung hatte hier Maximilian von Bayern, der 1598 seinem Vater Wilhelm V. auf dem Thron gefolgt war und mit einer jesuitisch geschulten Glaubenstreue eine hervorragende politische Begabung und einen starken dynastischen Ehrgeiz verband. Im Juli 1609 vereinigte er sich mit den süddeutschen Bischöfen zu der später sogenannten Liga, die sich im folgenden Jahre durch den Beitritt der geistlichen Kurfürsten und der meisten katholischen Stände mit Ausnahme Österreichs und Salzburgs zu einem allgemeinen katholischen Bunde erweiterte. Als Zweck der Liga wurde neben der Abwehr von Angriffen der Schutz der katholischen Religion bezeichnet. Daß sie der Gegenschlag gegen die Union war, erhellt schon daraus, daß sie auf neun Jahre, also bis zum Ablauf der Union befristet wurde. Die spanische Regierung, die bei der Begründung Pate gestanden hatte, versprach für den Notfall ihre Hilfe. Sie sah in der Liga den geeigneten Rückhalt für ihre eigene Politik im Reich und für den deutschen Zweig des Hauses Habsburg. Die Gefahr eines kriegerischen Zusammenstoßes in Deutschland war damit noch näher gerückt. Es waren nicht so sehr einzelne kampflustige Persönlichkeiten, die dazu trieben, als die Unversöhnlichkeit der Gegensätze, die sich zu einer Machtfrage ausgewachsen hatten, und die Einmischung des Auslandes. Literatur. A. Meister, Der Straßburger Kapitelstreit 1583—1592. Straßburg 1899. F. S t i e v e , Der Ursprung des 30jährigen Krieges 1607—1619, I. Der Kampf um Donauwörth. München 1875. M . R i t t e r , Geschichte der Deutschen Union. 2 Bde. (—1608). Schaifhausen 1867/73.

§ 57. Philipp m . von Spanien and Heinrich IV. In Westeuropa ging nach dem Tode Philipps II. der vorwaltende Einfluß zusehends an Frankreich über. Philipps Sohn, der jugendliche, aber schwache, bigotte und träge Philipp III. (1598—1621) überließ die Regierungsgeschäfte seinem Vertrauten, dem Herzog von Lerma. Nach der Selbstherrschaft Karls V. und Philipps II. beginnt jetzt am Madrider Hof ein Günstlingsregiment, und die Verschwendung des Ministers tat das letzte, um die wirtschaftlichen Kräfte zu zerstören. 9*

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Heinrich IV. benutzte den für ihn dringend nötigen Frieden, um sein Land zu beruhigen, die ungeheuren Schäden einer 40jährigen Kriegszeit zu heilen und vor allem die gänzlich ruinierten Finanzen in Ordnung zu bringen. Der musterhaften Verwaltung seines Mitarbeiters Maximilian von Béthune, späteren Herzogs von Sully, gelang durch Reformen aller Art nicht nur eine weitgehende Schuldentilgung sondern auch die Ansammlung eines Staatsschatzes. Erst hierdurch und durch die Heeresreorganisation wurde Frankreich wieder ein entscheidender Faktor in der europäischen Politik. Der dem König in Sullys Memoiren zugeschriebene „große Plan" der Begründung einer das Abendland umfassenden „christlichen Republik" ist längst als Erfindung und Fälschung aufgedeckt worden, und der Gedanke an die Kaiserkrone hat ihn wohl gelegentlich gelockt1), aber keinen integrierenden Bestandteil seiner Politik gebildet. Der kühle Realpolitiker jagte keinen Utopien nach, sondern trieb eine national-französische Interessenpolitik. Sein Ziel war die Zusammenfassung der nationalen Kräfte und die Zurückdrängung Spaniens, das den Kapetingerstaat noch immer von drei Seiten umklammerte und auch unter Philipp III. das Streben nach der Universalmonarchie nicht aufgab. Sully hat es 1606 einmal offen ausgesprochen: Solange Flandern den Spaniern gehöre, werde ein wirklicher Friede nie zu erreichen sein*). Daß sie die Position freiwillig nicht räumen würden, konnte sich der Bourbone trotz aller Verständigungsversuche nicht verhehlen, eiber auch darüber war er sich klar, daß er selbst den mühsam erstrittenen Frieden zunächst aufrechterhalten mußte und den Entscheidungskampf gegen den Erbfeind wenigstens vorläufig nicht aufnehmen konnte. Um so mehr suchte er Spanien mit diplomatischen Waffen in die Enge zu treiben und zu isolieren. Wie er den Generalstaaten trotz des Friedens von Vervins die Subsidien weiter zahlte, so unterstützte er alle Feinde Habsburgs und suchte sie ohne Rücksicht auf die Konfession um sich zu scharen. Um den Herzog von Savoyen, der in der Hoffnung auf spanische Hilfe die 1588 besetzte Markgrafschaft Saluzzo nicht herausgeben wollte, zum Frieden zu zwingen, griff er 1600 nochmals zu den Waffen und eroberte in kurzer Zeit einen Teil Savoyens. In dem Vertrag von Lyon (17. Januar 1601) beließ er ihm den letzten französischen Posten in Italien, Saluzzo, gegen Abtretung der für Frankreich wichtigeren Rhonelandschaften Bresse, Bugey, Valromey und Gex. Dadurch war das Herzogtum wieder ein Stück aus Frankreich hinausgedrängt und dessen Grenze bis an die Tore von Genf vorgeschoben. Beide Rhoneufer waren jetzt französisch, nur die Brücke von Gressin wurde dem Herzog unter Beschränkungen vorbehalten. ') Nachweise hierzu bei G. F. Preuß, Wilhelm III. von England und das Haus Wittelsbach I. (Breslau 1904) S. 14*, A,. Heinrich hatte sich vor allem um 1600 damit beschäftigt, als er eine Kandidatur Philipps III. oder des Erzherzogs Albert befürchtete. ') Dem päpstlichen Nuntius gegenüber vgl. H i l t e b r a n d t in Quellen und Forschungen a. italien. Archiven und Bibl. XV, S. 302.

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Hiermit blieb den Spaniern bloß e i n Rhoneübergang als Verbindung zwischen Italien, der Freigrafschaft und den Niederlanden, und auch er stand unter den französischen Kanonen. Um den Verlust von Saluzzo wettzumachen, sich für den Notfall einen Übergang über die Alpen zu sichern, und um den Spaniern die Verbindung mit den vorderösterreichischen Gebieten zu erschweren, erneuerte der König 1602 das Bündnis mit den Kantonen der Eidgenossenschaft 1 ) und ließ sich das Verfügungsrecht über die Alpenpässe garantieren. Die Spanier parierten den Hieb dadurch, daß sie 1604 in einem neuen Vertrag mit den katholischen Kantonen den Weg über den Gotthard an den Rhein für sich beschlagnahmten. Als die Graubündener 1603 eine Allianz mit Venedig abschlössen, sperrte ihnen der spanische Gouverneur von Mailand, Fuentes, die Zufuhr und legte an der Grenze des Veltlin eine die Zugangsstraßen beherrschende Festung an. Den völligen Übertritt Graubündens in das spanische Lager wußte Heinrich IV. zu verhindern, aber die Zugänge zu dem Land blieben in Fuentes' Händen. Den alten Gegensatz zwischen Savoyen und Genf, der sich durch einen Überrumpelungsversuch des Herzogs, die sogenannte Escalade, vom 21./22. Dezember 1602 bedrohlich verschärfte, glich der Bourbone durch den Frieden von St. Julien (21. Juli 1603) aus, durch den die Stadt in den Vertrag von Vervins einbezogen wurde. Auch in Italien trat er als Beschützer der kleinen Staaten auf und verhütete 1606/07 einen offenen Zusammenstoß zwischen Venedig und der Kurie. Die Beziehungen zu Spanien nahmen immer mehr die Formen eines verdeckten Krieges an, über die Unterstützung der Niederländer entbrannte ein heftiger Zollkrieg, der 1604 beigelegt wurde. Überall witterten die Spanier französische Feindseligkeiten. Als sich Philipp III. 1609 zur gewaltsamen Austreibung der von seinem Vater nicht bezwungenen Moriskos entschloß, war einer der Gründe die Furcht vor ihrer Verbindung mit Heinrich IV. Ausschlaggebend war allerdings das religiöse Motiv, indes die Glaubensreinheit Spaniens war mit dem Verlust von mehreren hunderttausend tüchtigen Arbeitskräften zu teuer bezahlt. Von diesem Schlage hat sich das spanische Wirtschaftsleben nicht mehr erholt. L i t e r a t u r . M. R i t t e r , Die Memoiren Sullys und der große Plan Heinrichs IV. (Abhandlungen d. Bayer. Akad. 11.) T h . K ü c h e l h a u s , Der Ursprung des Plans vom ewigen Frieden in den Memoiren des Herzogs von Sully. Berlin 1893. M. P h i l i p p s o n , Heinrich IV. und Philipp I I I . 3 Bde. Berlin 1870/76. E. R o t t , Henri IV, les Suisses et la Haute Italie, La Iutte pour les Alpes. 1598—1610. Paris 1882.

§ 58. Der Ausgang der Königin Elisabeth, der Friede mit Spanien und der Waffenstillstand in den Niederlanden. Unter diesen Umständen war es für Spanien eine wesentliche Erleichterung, daß der ohne große Entscheidungen sich hinziehende Krieg ') Nur Zürich hielt sich fern.

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mit England zu Ende ging. Er hatte sich mit einem neuen Aufstand in Irland verquickt. Das blutige Strafgericht, das Elisabeth nach der Empörung von 1579 ergehen ließ, die Konfiskationen und die englische Zwangsbesiedelung in Munster hatten die Erbitterung noch gesteigert. Unter Führung des in England ausgebildeten Grafen Tyrone erhob sich das Land 1594 abermals und brachte den Engländern 1598 empfindliche Niederlagen bei. Der Abfall der ganzen Insel drohte. Philipp II. verhieß Tyrone Truppenhilfe, der Papst gewährte dem „Generalkapitän der katholischen Armeen" seinen moralischen Beistand. Angesichts dieser Gefahr entsandte 1599 die Königin ihren Günstling Essex mit einem Heere nach Irland, aber anstatt die Offensive zu ergreifen, entzog er sich der ungern übernommenen Aufgabe schon bald durch den eigenmächtigen Abschluß eines unrühmlichen Vertrages mit Tyrone. Er wollte in London gegen den Sohn und Nachfolger des 1598 verstorbenen Burghley, Robert Cecil, den lohnenderen Krieg gegen Spanien betreiben. Die politischen Gegensätze unter Elisabeths Beratern verflochten sich mit den persönlichen an ihrem Hof. Zur Rechenschaft gezogen und zum Verlust seiner Ämter verurteilt, versuchte Essex zum Sturz der Minister tollkühn eine bewaffnete Erhebung, indes die erhoffte Unterstützung im Volke blieb aus. Er wurde des Majestätsverbrechens angeklagt und 1601 hingerichtet. Sein Nachfolger in Irland schlug den Aufstand glücklich nieder. Die Spanier, die eine neue Armada ausrüsteten, hatten die günstige Gelegenheit verpaßt. Als sie im Herbst 1601 Truppen in Kinsale landeten, war es zu spät, so daß sich diese nach der Niederlage eines irischen Entsatzheeres ergeben mußten. 1603 war Irland der englischen Herrschaft wieder unterworfen, und zwar weiter als von Heinrich VIII.; es war der letzte Erfolg Elisabeths. Auf allen Gebieten reiften jetzt die Früchte ihrer langen Regierung. Die Vernichtung der spanischen Flotte hatte den Weg in die Welt hinaus frei gemacht und den Expansionsdrang beflügelt. In Ost- und Westindien, in Nord- und Südamerika wurden die ersten, freilich nicht immer behaupteten Posten gewonnen. Nach dem Vorbild der Merchant Adventurers trat eine Reihe von Handelskompanien ins Leben, 1600 die zukunftsreichste von ihnen, die Ostindische Gesellschaft. Handel und Schiffahrt wuchsen von Jahr zu Jahr und wurden vom Ausland mehr und mehr unabhängig, die Gründung der Londoner Börse (1568) hatte auch den Geldbedarf auf die beimische Kapitalkraft gestellt. Bereits 1579 waren die Privilegien der deutschen Hanse aufgehoben worden. Die von der Hanse betriebene und 1597 vom Reich dekretierte Ausweisung der Merchant Adventurers aus den deutschen Häfen beantwortete Elisabeth 1598 mit der Schließung des hansischen Kontors in London, des Stahlhofes. Nur einer Frage ging die Königin ängstlich aus dem Wege: der Regelung der Thronfolge. Aber Robert Cecil hatte wie auch Essex ohne ihr Wissen mit König Jakob von Schottland verhandelt, und nach ihrem Tode (24. März 1603) gelangte die Krone ohne irgendwelche Verwicklungen

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oder Unruhen an ihn ). Von nun an waren die beiden britischen Reiche durch Personalunion zum Königreich Großbritannien verbunden. Schottland verlor seine Selbständigkeit in der internationalen Politik ganz und sank zu einem Anhängsel Englands herab. Die Aussichten auf einen Übertritt zur alten Kirche, die Jakob I. in Rom und Madrid eröffnet hatte, waren bloß ein Köder, um sich die Nachfolge zu sichern. Die Zusage, den englischen Katholiken größere Freiheiten zu gewähren, konnte er wegen des Widerstandes des Parlamentes nicht voll erfüllen. Nach der von Katholiken angezettelten, aber rechtzeitig entdeckten Pulververschwörung (4. November 1605) wurden die Strafgesetze gegen sie verschärft. Dagegen erleichterte der Thronwechsel den Ausgleich mit Spanien. Die beiderseitige Kriegsmüdigkeit führte schon im August 1604 zum Frieden auf Grund des Status quo. Beide Teile verpflichteten sich, die Feinde des anderen nicht zu unterstützen und den freien Handel, so wie er vor dem Kriege gewesen war, wiederherzustellen. Über den indischen Handel enthielt der sehr allgemein abgefaßte Vertrag nichts, da die Engländer die von Spanien verlangte ausdrückliche Ausschließung der Kolonien nicht zugestehen wollten. So ging hier der versteckte Kleinkrieg weiter. Die Madrider Regierung hatte den Frieden vor allem deshalb erstrebt, um die Hände gegen die Niederländer frei zu bekommen, zu deren Bezwingung sie gerade jetzt einen letzten Anlauf nahm. Ein Einfall des Prinzen Moritz nach Flandern im Jahre 1600 war fehlgeschlagen, und nur durch den glänzenden Sieg bei Nieuwpoort hatte er sein Heer vor der Gefangennahme gerettet. 1602 stellte ihm Philipp III. in dem Mailänder Ambrosius Spinola einen ebenbürtigen Feldherrn gegenüber. Im September 1604 brachte dieser das lange belagerte Ostende in seine Gewalt, ein Erfolg, der den kurz zuvor erlittenen Verlust von Sluis wettmachte. Im folgenden Jahre wandte er sich gegen die schwächste Seite der Generalstaaten, gegen die Yssel, wo ihm die Eroberimg von Oldenzaal und Lingen, jedoch kein weiteres Vordringen gelang, 1606 *) Die von Heinrich VIII. erlassene Thronfolgeordnung hatte nach dem Aussterben seiner eigenen Deszendenz das Erbrecht seiner jüngeren, mit dem Herzog von Suffolk vermählten Schwester und ihrer Nachkommen festgelegt. Ihr Urenkel kam aber jetzt gar nicht in Betracht, so daß Jakob VI. keinen ernstlichen Rivalen hatte. Heinrich VII. f 1509 Heinrich VIII. 11547 ' Maria Elisabeth Eduard VI. tl558 f1603 t1553

Margareta Gem. Jakobs IV. v o n Schottland | Jakob V. Gem.: Maria Guise

I

Maria Stuart Gem. Heinrich Darnleys

I

Jakob VI.

Maria Gem. Karl Brandons, Herzogs von Suffolk

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entriß er dem Oranier das vielumstrittene Rheinberg wieder. Aber zur Fortsetzung der Offensive reichten die militärischen und finanziellen Kräfte nicht aus. Die Erschöpfung der südlichen Niederlande wie der gesamten Monarchie forderte je länger desto gebieterischer den Abbruch des Kampfes, um so mehr, da der gleichzeitige Seekrieg für Spanien höchst unglücklich verlief. Der Aufstand der nördlichen Provinzen hatte ihre See- und Handelsmacht nicht vernichtet. Während die südlichen Lande durch den Krieg verarmten, wußte der Norden seine wirtschaftliche Geltung, die in erster Linie auf der Ostseefahrt beruhte, nicht allein zu behaupten, sondern sogar noch auszubauen. Die Blockierung der Scheidemündung ließ Antwerpen veröden, nach der Eroberung durch Farnese trat es vollends vor Amsterdam und den seeländischen Häfen zurück. Nicht einmal der Handel mit Spanien selbst wurde durch den Krieg unterbunden. Das Königreich war für seine Ernährung und Kriegführung auf die Zufuhr aus den Niederlanden, namentlich auf ihren Ostseehandel angewiesen, und die Generalstaaten wollten den großen Gewinn, den sie daraus zogen, nicht missen. Denn der spanische Handel vermehrte nicht nur ihren Reichtum und ihre Widerstandskraft, in seltsamer Wechselwirkung ermöglichte er ihnen auch die Ausrüstung immer neuer Armeen gegen Philipp II. Die besonders von Granvella betriebenen Handelsverbote stellten sich als undurchführbar herauB und hatten nur d e n Erfolg, die Nordniederländer zum direkten Verkehr mit den Kolonien anzuspornen. Die eigenen Siege, Spaniens maritime Ohnmacht, das englische Vorbild und die Einbeziehung Portugals in die katholische Monarchie beförderten ihren Wagemut und reizten sie erst recht dazu, den spanisch-portugiesischen Stapelplatz auszuschalten und selbst die Produkte Indiens herüberzuholen. Nachdem der Versuch, auf einem nördlichen Weg nach Indien zu gelangen, gescheitert war, erreichte 1596 eine Amsterdamer Flotte Java. Hierdurch angefeuert, wurde in den nächsten Jahren in den niederländischen Städten eine Reihe von Handelsgesellschaften begründet, die Oldenbarnevelt 1602 mit Hilfe von Moritz zu der Niederländisch-ostindischen Kompanie vereinigte. Bereits 1606 setzte sie sich im Zentrum der Gewürzländer, auf den Molukken, fest. Die schnell wachsende holländische Seemacht war der spanischen überlegen, 1607 brachte Heemskerk ihr in der Bucht von Gibraltar eine vernichtende Niederlage bei. Indes auch die Niederländer waren an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, namentlich die holländischen Stände und ihr Führer Oldenbarnevelt drangen auf den Frieden. Den letzten und stärksten Anstoß zum Verhandeln gab beiden Kriegführenden die Haltung Heinrichs IV. Während Spinolas Offensive hatte er den Niederländern die Umwandlung des bisherigen Subsidienverhältnisses in ein festes Bündnis vorgeschlagen gegen die Übertragung der Souveränität oder gegen Abtretung der Grenzfestungen und -gebiete, anderseits ließ er in Madrid über eine Familienverbindung sondieren, die seinem Hause die südlichen Provinzen verschaffen sollte. In seinem Interesse lag ein Friede, der

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die Trennung der Niederlande verbürgte, Spanien schwächte, aber zugleich die Generalstaaten auf den französischen Beistand angewiesen hielt. Nachdem 1607 eine Waffenruhe vereinbart war, begannen im Februar 1608 im Haag die Friedensverhandlungen, bei denen auch Frankreich, England, Dänemark, Brandenburg und Kurpfalz vertreten waren. Ein endgültiger Ausgleich stellte sich wegen der religiösen Frage als unmöglich heraus, da die Generalstaaten die von Madrid verlangte Glaubensfreiheit für die Katholiken unbedingt ablehnten. Zudem sträubte sich der spanische Stolz gegen eine förmliche Anerkennung der niederländischen Selbständigkeit. Um ihn zu brechen und die Provinzen auf seiner Seite festzuhalten, hatte Heinrich IV. im Januar eine Defensivallianz mit ihnen abgeschlossen, deren militärische Verpflichtungen freilich erst nach der Unterzeichnung des Friedens in Kraft treten sollten, und England folgte seinem Beispiel. Nach langem Hin und Her verfiel man auf den Ausweg, nach dem Muster der österreichisch-türkischen Verträge keinen Frieden, sondern einen langfristigen Waffenstillstand einzugehen. Moritz von Oranien drang mit seinen Bedenken wegen der militärischen Nachteile gegen die Kriegsmüdigkeit des Volkes und Oldenbarnevelts nicht durch. Am 9. April 1609 wurde der Waffenstillstand auf 12 Jahre abgeschlossen. Darin erkannten Philipp III. und Erzherzog Albert die Souveränität der Republik an, der freie Handel wurde wiederhergestellt und den Niederländern lediglich der Verkehr mit den spanischen Kolonien versperrt; über die religiöse Frage wurde nichts festgesetzt. Wenn auch noch nicht endgültig, so hatten doch tatsächlich die Niederländer ihre Unabhängigkeit erstritten. 1616 wurden durch einen Vertrag mit Jakob I. Vlissingen, Brielle und Rammekens aus dem englischen Pfandbesitz 1 ) gelöst. Im Gegensatz zu den übrigen europäischen Ländern hatte hier unter dem religiösen Antrieb das Ständetum über die nach dem Absolutismus trachtende Krone gesiegt. In den Kreis der Mächte war ein neuer protestantischer Staat getreten, der sich um seines Daseins willen jedem weiteren Vordringen Spaniens und der Gegenreformation entgegenstemmen mußte und daher für alle Feinde Habsburgs ein gegebener Bundesgenosse war. Die am 17. Juni 1609 auf die Dauer des Waffenstillstandes ausgedehnte Allianz mit Frankreich und England bildete den ersten Schritt zu einem antispanischen Zusammenschluß. L i t e r a t u r . J . R . M a r c u s , D i e handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und England in den Jahren 1576—1585. Diss. Berlin 1925. A. O. M e y e r , KlemensVIII. und Jakob I. (Quellen u. Forsch, a. italien. Arch.u.Bibl. 7.) F. R a c h f a h l , Die holländische See- und Handelsmacht vor und nach dem Ausbruch des niederländischen Aufstandes. (Studien und Versuche zur neueren Geschichte, Max Lenz gewidmet. Berlin 1910.) G. F. P r e u ß , Philipp II., die Niederländer und ihre erste Indienfahrt. (Festschrift zur Jahrhundertfeier der Universität Breslau. Breslau 1911.) A. R o d r i g u e z - V i l l a , Ambrosio Spinola. Madrid 1904. V. B r a n t s , La Belgique au XVII e siècle, Albert et Isabelle. Löwen 1910. A. P a s t u r e , La restauration religieuse aux Pays-Bas cathol. sous les archiducs Albert et Isabelle. Ebd. 1925. ») Siehe oben S. 96.

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§ 69. Der jülich-klevisehe Erbfolgestreit Das Ende Heinrichs IT. und Rudolfs II. Die im Reich und in Westeuropa aufgehäuften Konfliktstoffe drohten sich 1609 an dem jülich-klevischen Erbfolgestreit zu einem allgemeinen Brande zu entzünden. Durch eine eigentümliche Schicksalsfügung stand das bergische Haus, das 1521 die Herzogtümer Jülich, Berg und Kleve, die Grafschaften Mark und Ravensberg sowie die kleine Herrschaft Ravenstein an der Maas in seiner Hand vereinigt hatte, schon in der zweiten Generation vor dem Erlöschen1). Von den beiden Söhnen des Herzogs Wilhelm des Reichen (1539—1592) war der ältere 1575 ohne Nachkommen gestorben. Der jüngere, Johann Wilhelm, der deswegen den geistlichen Stand und das Bistum Münster aufgegeben hatte, lebte in kinderloser Ehe und litt seit 1589 an den Anzeichen von Geisteskrankheit, die schnell zu völligem Wahnsinn fortschritt. Durch Privilegien Karls V., Ferdinands I. und Maximilians II. war die Unteilbarkeit der Lande und bei dem Aussterben des Mannesstammes die weibliche Erbfolge verbrieft worden. Hierauf fußend, beanspruchte Wilhelms älteste Tochter Marie Eleonore, die mit dem Herzog Albrecht Friedrich von Preußen vermählt war, die Nachfolge. In ihrem Ehevertrag von 1572 war ihr und ihren Erben beim Erlöschen der männlichen Linie die Sukzession ausdrücklich vorbehalten worden, und demgemäß hatten ihre jüngeren Schwestern bei ihrer Heirat einen Verzicht zugunsten Marie Eleonores ausgestellt. Aber seine Rechtgültigkeit wurde schon bald von ihnen bestritten, da das ihnen bei der Unterzeichnung nicht vorgelegte kaiserliche Privileg von 1546 das Nachfolgerecht nur dem Mannesstamm einer Erbtochter zusprach und Marie Eleonores Söhne in früher Kindheit gestorben waren. Der zweite Schwiegersohn, Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg, der männliche Deszendenz besaß, folgerte daraus, daß der Erbanspruch nach Marie Eleonores Tod an seine Gemahlin und deren Söhne fallen müsse. Die Herzogin von Preußen dagegen stützte sich auf den Wortlaut ihres Heiratsvertrages, der zwischen männlichen und weiblichen Nachkommen >)

Johann III. von Jülich-Kleve-Berg 11539 Wilhelm der Reiche f 1592 I |

Karl Friedrieh f 1575

Sibylle Gem. Kurfürst Johann Friedrichs von Sachsen

Marie Eleonore Anna Gem. Gem. Albrecht Philipp Lud Friedrichs von wigs v.Pfalz Preußen Neuburg

I

Anna Gem. Johann Sigismunds von Brandenburg

I

WolfgangWilhelm

Magdalene Gem. Johanns von PfalzZweibrücken

Sibylle Gem. Karls von Burgau

Johann Wilhelm t 1609 Gem.: 1. Jakobe von Baden, 2. Antonie von Lothringen

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nicht unterschied, und fand einen tatkräftigen Anwalt ihrer Ansprüche in dem Vormund ihres ebenfalls geisteskranken Gatten, dem Markgrafen Georg Friedrich von Ansbach, der zur protestantischen Aktionspartei gehörte. 1594 vermählte sie ihre älteste Tochter Anna mit dem ältesten Enkel des Kurfürsten von Brandenburg, dem Markgrafen Johann Sigismund, womit ihre Ansprüche an die Kurlinie des Hauses Hohenzollern übergingen. Der Streit wurde noch verwickelter dadurch, daß der dritte Schwiegersohn Wilhelms des Reichen, Johann von PfalzZweibrücken, für alle Töchter das gleiche Recht forderte, und schließlich noch ein vierter Anwärter, das Haus Wettin, auftrat, das ältere, inzwischen in Vergessenheit geratene Privilegien Friedrichs III., Maximilians I. und Karls V.1) hervorholte. Der Streit, der juristisch auch heute kaum zu entscheiden ist, hatte eine über die meisten deutschen Erbzwiste weit hinausragende Bedeutung. Die vereinigten Herzogtümer waren neben der kleinen Grafschaft Mörs der einzige weltliche Staat im deutschen Nordwesten und zählten zu den größten Territorien des Reiches. Der Grundatz „cuius regio, eius religio" war hier infolge der schwankenden religiösen Haltung Wilhelms des Reichen nicht zum Siege gelangt. Wie seine Söhne katholisch, seine Töchter evangelisch waren, so standen sich in den Landen die beiden Bekenntnisse ungefähr gleich stark gegenüber. Für sie und den gesamten konfessionellen Gegensatz im Reich war es von großer Wichtigkeit, ob die Herzogtümer bei einer katholischen Dynastie bleiben oder einer evangelischen zufallen würden. Hieran war auch Spanien auf das lebhafteste interessiert. Getreu der Politik Karls V. wollte es an der Grenze der aufständischen Niederlande keinen protestantischen Einheitsstaat aufkommen lassen, der ihm die Verbindung mit dem Reich abschneiden konnte. Darum hatte Alba bereits während seiner Statthalterschaft ein wachsames Auge auf die Herzogtümer gerichtet und durch Drohungen am Düsseldorfer Hof der katholischen Partei das Übergewicht verschafft. Sämtliche Prätendenten waren indes Protestanten. Deshalb traf der Herzog von Parma schon 1589 Vorkehrungen, um den Ubergang der Lande an einen Ketzer zu verhindern, bald darauf regte die spanische Regierung in Wien die Vermählung der vierten unverheirateten Tochter Wilhelms mit einem Erzherzog an. In Erkenntnis dessen, was auf dem Spiele stand, griff Rudolf II. mit ungewohnter Entschiedenheit in den noch vor des Herzogs Tod (5. Januar 1592) einsetzenden Streit um die Vormundschaft über Johann Wilhelm ein. Nach langen wechselvollen Kämpfen zwischen den Prätendenten, Während die kaiserlichen Privilegien von 1483,1486 und 1493 dem O e s a m t hause Sachsen das Erbrecht zusprachen, hatte im Widerspruch hierzu Karl Y. 1544 dem mit der Schwester Wilhelms vermählten Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und seinen Erben — also nur der ernestinischen Linie des Wettinerhauses — die Nachfolge in den Herzogtümern nach dem Erlöschen des Mannesstammes Wilhelms des Reichen zugesichert. Die Wettiner einigten sich aber, beide Ansprüche gleichzeitig zu vertreten.

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Johann Wilhelms ehrgeiziger Gemahlin Jakobe von Baden und den Räten, in deren Verlauf Jakobe am 3. September 1597 ermordet wurde 1 ), gelangten schließlich die Räte gemeinsam mit des Herzogs zweiter Gemahlin Antonie von Lothringen in den Alleinbesitz der Regentschaft. Der Streit um die Erbschaft war bis zum Ableben Johann Wilhelms vertagt. Das Regiment der kaiserlich gesinnten Räte, die Heirat von Johann Wilhelms jüngster Schwester mit dem aus der Ehe Erzherzog Ferdinands mit Philippine Welser abstammenden Markgrafen Karl von Burgau sowie die Abtretung der südlichen Niederlande an Erzherzog Albert eröffneten die Perspektive einer Einverleibung der Herzogtümer in den habsburgischen Familienbesitz und der Bildung eines habsburgischen Blockes im Nordwesten des Reiches. Der Kaiser besaß die Möglichkeit, die Lande als erledigte Lehen einzuziehen und nach Verständigung mit Sachsen2) einem Erzherzog zu übertragen. Durch Spinolas Erfolge über die Generalstaaten und die abermalige Eroberung Rheinbergs (1606) wurde diese Gefahr noch erhöht, zugleich aber wuchs die Interessengemeinschaft zwischen den Niederländern und den Prätendenten. 1605 schloß Brandenburg zur Sicherung seiner Ansprüche ein Bündnis sowie eine Familienverbindung mit Kurpfalz und beide Fürsten einen Subsidienvertrag mit den Generalstaaten ab. Gleichzeitig knüpften die Pfälzer mit Heinrich IV. an, der im französischen Interesse eine Machterweiterung Habsburgs am Niederrhein nicht dulden konnte. Er gedachte die Jülicher Wirren zur Ausdehnung des französischen Einflusses auszunutzen und erwog sogar die Erwerbung der Lande für einen seiner jüngeren Söhne8). Anderseits bemühte sich auch der junge Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, dem seine Mutter ihr Erbrecht übertrug, um fremde Unterstützung. Rührig und betriebsam klopfte er bei den Reichsfürsten, in Wien, Madrid und Brüssel an. Je länger der Erbfall sich hinauszog, desto deutlicher wurde es bei der kläglichen militärischen und finanziellen Ohnmacht der Herzogtümer wie der Prätendenten, daß den großen Mächten ein entscheidendes Wort zufallen mußte. Die niederrheinische Frage ging in der europäischen Politik auf. Als Johann Wilhelms trauriges Leben am 25. März 1609 erlosch, ergriffen sowohl Kurfürst Johann Sigismund wie Wolfgang Wilhelm sofort formell von den Landen Besitz, aber keiner vermochte den andern zu vertreiben. Gegenüber dem Vorgehen des Kaisers, der die Regierung ') Ihr gewaltsamer Tod ist freilich nicht ganz sicher erwiesen, aber höchst wahrscheinlich, ebenso wie die Anstiftung der Tat durch den Marschall Schenkern, den Ftthrer der katholischen Räte, denen sich Jakobe nicht unterordnen wollte. *) Seit 1601 wurde mit dem sächsischen Kurfürsten über einen Ankauf seines Erbrechtes durch die Habsburger verhandelt. *) Briefe und Akten zur Geschichte des 30jährigen Krieges II, Nr. 113 A. und Berichtigung am Schluß sowie Hiltebrandt, Quellen und Forsch, a. italien. Archiven u. Bibl. 15, S. 338.

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biß auf weiteres der Herzoginwitwe und den Räten übertrug und die Anwärter zur Entscheidung über ihre Ansprüche vor den Reichshofrat lud, einigten sie sich in dem Dortmunder Vergleich vom 10. Juni 1609 auf eine gemeinsame Regierung bis zum gütlichen oder rechtlichen Ausgleich des Erbstreites. Daraufhin leisteten ihnen die Stände der Lande die bisher verweigerte Huldigung gegen Bestätigung ihrer Privilegien und gegen Gewährung der Religionsfreiheit für die drei christlichen Bekenntnisse; auch der Pfalzgraf von Zweibrücken erkannte den Vertrag an. In denselben Tagen aber übergab der Kommandant der Feste Jülich diesen wichtigen Platz mit seiner Besatzung von etwa 800 Mann den Kommissaren des Kaisers, der das Dortmunder Abkommen für nichtig erklärt hatte, und richtete hier eine kaiserliche Regierung ein. Als ihr Haupt traf im Juli der tatendurstige Erzherzog Leopold ein, nachdem er Rudolf II. gelobt hatte, mit Einsetzung seines Lebens für einen ehrenvollen Ausgang der Jülicher Sache zu kämpfen. Seinem im Namen des Kaisers erlassenen Befehl die Lande zu räumen, versagten die beiden possidierenden Fürsten den Gehorsam, so daß der kriegerische Zusammenstoß unvermeidlich schien. Während der Erzherzog von Madrid, Brüssel und der Liga nur leere Vertröstungen erhielt, eröffneten sich den Possidierenden bessere Aussichten. Die Union, der Brandenburg erst im Februar 1610 beitrat, versprach ihren Beistand unter der Bedingung, daß auch Heinrich IV. und andere beteiligte Mächte Unterstützung gewährten. Der Bourbone hatte schon im Mai geschrieben, wenn die Spanier den Ubergang der Lande an einen Freund Frankreichs verhindern wollten, so würde unzweifelhaft der Krieg wieder ausbrechen 1 ). Auf die Kunde von Leopolds Unternehmen schob er Truppen an die luxemburgische Grenze. Es sah so aus, als ob er von der versteckten zur offenen Offensive gegen Spanien fortschreiten wollte. Seit 1606 verhandelte er mit dem hochstrebenden Herzog Karl Emanuel von Savoyen über eine von diesem vorgeschlagene Allianz zur Eroberung Mailands. 1609 vereinbarte er die Heirat des savoyischen Thronfolgers mit einer seiner Töchter; am 25. April 1610 wurde in Brosolo das Kriegsbündnis gegen Spanien unterzeichnet, das aber erst im Falle kriegerischer Verwicklungen über die Jülicher Frage und nach dem Beitritt der übrigen italienischen Staaten in Kraft treten sollte. Die Flucht des Prinzen Condé und seiner von Heinrich umworbenen Gemahlin nach Brüssel und die Weigerung Philipps III., sie auszuliefern, verschärften die Beziehungen noch mehr. Der Unionstag zu Schwäbisch-Hall schloß am 12. Februar 1610 mit dem französischen Gesandten einen Vertrag zur bewaffneten Unterstützung der Possidierenden, gleichzeitig begann der König mit der Aufstellung von zwei Heeren, in der Champagne und an der mailändischen Grenze. Auch Jakob I. von England und die Generalstaaten verhießen ihre Hilfe. 1

) Négociations du Président Jeannin (Michaud, Nouvelle Collection des Mémoires relatifs à l'hist. de France XVIII.) S. 643; vgl. auch Briefe u. Akten II, Nr. 113 A.

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So hatte sich nach Kosers treffenden Worten 1 ) „das ganze nichtspanische Westeuropa mit dem deutschen Protestantismus für die Behauptung des Niederrheins gegen das Haus Österreich solidarisch erklärt". Es hatte den Anschein, als ob sich hier der längst drohende allgemeine Krieg entzünden sollte. Denn auch die Habsburger rüsteten. Mit Ermächtigung des Kaisers warb Erzherzog Leopold in seinen Bistümern Passau und Straßburg Truppen an, daraufhin ließen die oberdeutschen Mitglieder der Union, die sich selbst bedroht glaubten, ihre Streitkräfte ins Straßburger Gebiet einrücken. Die eben vervollständigte Liga nahm freilich in der Jülichschen Sache eine neutrale Haltung ein, und das erschöpfte Spanien konnte in Luxemburg höchstens 18000 Mann aufbringen. Als Heinrich am 8. Mai 1610 von der Brüsseler Regierung den Durchzug seiner Armee durch Luxemburg und Lüttich forderte, wagte der Erzherzog im Gefühl seiner Ohnmacht keine Ablehnung. Die letzte Entscheidung war damit noch nicht gefallen, noch hatte es der König in der Hand, ob er die Operationen auf die Einnahme von Jülich und die Vertreibung der Habsburger vom Niederrhein beschränken oder den allgemeinen Krieg eröffnen wollte. Bevor er den unwiderruflichen Entschluß faßte, bevor die zusagende Antwort Alberts in Paris einlief, erlag Heinrich IV. kurz vor seiner Abreise an die Grenze am 14. Mai 1610 dem Dolch Ravaillacs. Wie 1589 hatte auch jetzt die Verbindung mit den Protestanten und die Aussicht auf einen Krieg gegen Spanien die blutige Leidenschaft des konfessionellen Fanatismus und die Anschauung von der Zulässigkeit des Tyrannenmordes wachgerufen. Der jähe Tod des Bourbonen verwandelte die gesamte europäische Konstellation. Denn mit ihm sanken nicht nur seine letzten dunkel gebliebenen Pläne, sondern seine ganze antispanische Politik ins Grab. Seine Witwe Maria von Medici, die für ihren achtjährigen Sohn Ludwig XIII. die Regentschaft übernahm, wollte von einem Bruch mit Philipp III. nichts wissen und kündigte sofort das Angriffsbündnis mit Savoyen. Das Unternehmen gegen die Feste Jülich wurde allerdings ausgeführt. Vor dem Anmarsch der verbündeten Truppen verließ Erzherzog Leopold das Land, und sein Stellvertreter mußte nach einmonatiger Belagerung am 1. September kapitulieren. Der Jülicher Erbfolgestreit war zunächst zugunsten der Possidierenden entschieden, der allgemeine Zusammenstoß noch einmal verhütet oder, richtiger gesagt, hinausgeschoben. Die Kriegsgefahr im Reich war freilich noch nicht gebannt. Sie drohte jetzt von einer anderen Seite, von den Streitigkeiten im Hause Habsburg. Der Gegensatz zwischen Rudolf II. und Matthias war durch die Abmachung von 1608 nicht beigelegt. Matthias gab sich damit nicht zufrieden, sondern wollte auch die Kaiserwürde erlangen. Anderseits hatte Rudolf die Erhebung seines Bruders nicht verwunden und sich mit den Truppenwerbungen Erzherzog Leopolds instand setzen ') Geschichte der brandenburgisch-preußischen Politik I, S. 355.

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wollen, seine Herrschaft wieder aufzurichten, während der ehrgeizige Leopold selbst nach der Nachfolge in Böhmen und im Kaisertum trachtete. Nachdem er sowie die unierten Fürsten auf Grund eines Abkommens ihre Söldner aus dem Straßburger Stift zurückgezogen hatten, brach sein um Passau versammeltes unbezahltes Kriegsvolk im Dezember 1610 in Oberösterreich ein. Vor Matthias' Streitkräften mußte es aber nach Böhmen ausweichen, wo Leopold selbst den Oberbefehl übernahm und im Februar 1611 die Kleinseite von Prag besetzte. Da indes die böhmischen Stände mit Matthias zusammengingen, war Rudolfs Sache verloren. Er suchte Fühlung mit der Union und erwog sogar einen Ubertritt zum Protestantismus. Von allen verlassen, mußte er die Regierung niederlegen, am 23. Mai 1611 wurde Matthias in Prag zum König gekrönt. Bald danach, am 27. Dezember, schloß er mit Philipp III. von Spanien einen Familienpakt, der ihm sowie dem katholischen König das Schiedsrichteramt innerhalb des Gesamthauses übertrug; der Vertrag wurde von allen Erzherzogen außer von Leopold unterschrieben 1 ). Rudolf behauptete jetzt nur noch das Kaisertum. Bevor der auf den Mai 1612 einberufene Kurfürstentag zusammentrat, wurde der unglückliche Habsburger am 20. Januar 1612 durch den Tod von seinen Leiden erlöst. Diese unvorhergesehene Wendung, die allgemeine Erschöpfung und die inneren Zwistigkeiten in den beiden konfessionellen Bündnissen führten noch einmal zu einem Kompromiß, am 13. Juni 1612 wurde Matthias einstimmig zum Kaiser gewählt. Die geistlichen Kurfürsten, die ihm die religiösen Zugeständnisse in den Erblanden nicht verziehen, hatten anfangs den Erzherzog Albert wählen wollen, und auch Kursachsen dafür gewonnen, aber die Erzherzoge selbst vereitelten mit Hilfe Spaniens diesen gefährlichen Plan. L i t e r a t u r . Briefe und Akten zur Geschichte des 30jährigen Krieges. Ph. H i l t e b r a n d t , Die päpstliche Politik in der preußischen und jülich-klevischen Frage. (Quellen u. Forsch, a. italien. Arch. u. Bibl. 15.) Nuntiaturberichte aus Deutschland, 1603—06, bearb. v. A. O. Meyer. M. R i t t e r Politik und Geschichte der Union zur Zeit des Ausgangs Rudolfs II. und der Anfänge des Kaisers Matthias. (Abhdlg. d. Bayer. Akad. d. Wiss. 15.) G. T u r b a , Geschichte des Thronfolgerechtes in allen habsburgischen Ländern. Wien 1903. L. W i l z , Die Wahl des Kaisers Matthias. Leipzig 1911.

§ 60. Der Vertrag von Xanten. Die siebenbiirgischen Kämpfe. Die jülich-klevischen Lande standen seit 1609 unter dem vorläufigen Kondominium von Brandenburg und Pfalz-Neuburg, woran auch die im Sommer 1610 von Rudolf II. vollzogene Belehnung Kursachsens mit den Herzogtümern nichts änderte. Das Entgegenkommen Brandenburgs, das in dem Jüterboger Vergleich (31. März 1611) den Sachsen als dritten in die Gemeinschaft der Possidierenden aufnahm, *) Darin wurde die Kaiserwahl des Königs Matthias ins Auge gefaßt, aber zugleich die Möglichkeit offen gehalten, daß gelegentlich ein spanischer Habsburger die Kaiserkrone erlangen könne.

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blieb bedeutungslos, da der Pfalzgraf seine Zustimmung versagte, und nährte nur das von Anfang an vorhandene Mißtrauen zwischen den Rivalen. Beide sahen den Dortmunder Vertrag als ein Provisorium an und strebten nach dem Alleinbesitz der Lande. Zu diesem Zweck näherte sich Wolfgang Wilhelm der Liga, bewarb sich um die Hand von Maximilians Schwester und ließ sich durch dessen Forderung eines Glaubenswechsels nicht abschrecken. Nachdem die gleichzeitigen Verhandlungen über seine Heirat mit Johann Sigismunds Tochter gescheitert waren 1 ), vollzog er im Juli 1613 im tiefsten Geheimnis den Übertritt zum Katholizismus und vermählte sich dann mit der bayerischen Prinzessin. Bald darauf führte Johann Sigismund einen aus innerer Überzeugung langsam gereiften Entschluß aus, als er Weihnachten 1613 öffentlich vom Luthertum zum Calvinismus übertrat. Jetzt war der Bruch unvermeidlich. Der Pfalzgraf erlangte zu dem Rückhalt an der Liga die spanische Unterstützung, der Kurfürst konnte auf den Beistand Hollands rechnen. Ein Eingreifen Frankreichs war nicht mehr zu erwarten. Die Königinregentin hatte schon 1611 ein Defensivbündnis mit Spanien abgeschlossen, das durch die Verabredung einer Doppelverbindung ihrer Kinder mit dem Infanten und der Infantin noch fester geknüpft wurde; zudem wurde sie durch die wieder ausbrechenden inneren Wirren gelähmt. Als im Frühjahr 1614 die Feindseligkeiten zwischen den Fürsten eröffnet wurden, rief Wolfgang Wilhelm sofort die gern gewährte Hilfe Erzherzog Alberts an. Spinola machte zunächst in Aachen dem wieder hochgekommenen Protestantismus definitiv den Garaus und besetzte dann eine Reihe der jülichschen und bergischen Plätze sowie die klevische Rheinfeste Wesel, wogegen Moritz von Oranien in Rees und Emmerich einrückte. Es sah so aus, als ob sie trotz des Waffenstillstandes ihren alten Kampf auf deutschem Boden wiederaufnehmen wollten. Hiergegen warfen sich aber die Generalstaaten, England und Frankreich ins Mittel und erzwangen am 12. November 1614 in Xanten einen Vergleich zwischen den Possidierenden, der die Einheit der Herzogtümer grundsätzlich wahrte, aber die Verwaltung trennte. Entsprechend den Besitzverhältnissen vor ihrer Vereinigung erhielt der Brandenburger das Herzogtum Kleve, Mark, Ravensberg und Ravenstein, der Pfalzgraf das wertvollere Jülich-Berg. Trotz des abermals nur vorläufigen Charakters des Vertrages war das Trachten Habsburgs, die Lande verkappt oder offen seiner Hausmacht anzugliedern, endgültig fehlgeschlagen. Dafür hatte Brandenburg, das bald darauf (1618) auch das Herzogtum Preußen auf dem Erbwege erwarb, am Rhein und auf seinem linken Ufer Fuß gefaßt. Der Kleinkrieg der beiden Fürsten ging weiter, sowohl auf politischem wie auf konfessionellem Gebiet, und ebenso zwischen Albert und den Generalstaaten, die beide ihre Positionen im Reich nicht nur behielten, sondern ausbauten. Spanische Truppen besetzten 1616 zu Wesel auch noch Soest und Lippstadt und standen somit an ') Die Ohrfeigen-Geschichte ist eine Legende; vgl. Koser a . a . O . S. 362f.

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der Grenze des niedersächsischen Kreises. Noch mehr nach Osten dehnten die Niederländer ihre Einflußzone aus. In dem Streit des Grafen Enno III. von Ostfriesland mit seinen Ständen als Vermittler angerufen, hatten sie 1603, 1607 und 1610 nach Emden und Leerort Besatzungen gelegt. 1615 beendeten sie durch Entsendung einer Truppenabteilung den Zwist zwischen der Stadt Braunschweig und dem Herzog Friedrich Ulrich. Im Zusammenhang hiermit und mit dem Kalmarkrieg schlössen sie im Juni 1616 das Bündnis mit den Hansestädten 1 ). Während so Nordwestdeutschland unter fremde Vormundschaft geriet, spitzten sich im Südosten, in den österreichischen Erblanden, die Verhältnisse immer bedrohlicher zu. Die Zugeständnisse, die Matthias 1609 den Protestanten gemacht hatte, wurden nicht gehalten. Mit der katholischen Restauration suchte sein allmächtiger Berater Klesl die landesherrliche Gewalt auszudehnen. In Böhmen führten dieselben Bestrebungen zu heftigen Kämpfen mit der evangelischen und tschechischen Opposition, so daß diese schon an eine Abschüttelung der habsburgischen Herrschaft dachte. Zu dem inneren Streit gesellten sich neue Zwistigkeiten mit den Türken. Den Anlaß boten die unklaren Bestimmungen von Zsitva-Torok über die Grenzziehung und die unaufhörlichen Wirren in Siebenbürgen. Nach dem Tode Bocskays (1606) war wiederum ein Kampf um den Thron ausgebrochen, in dem Gabriel Bathory, der letzte seines Geschlechtes, Sieger blieb. Zwischen dem Kaiser und dem Sultan nahm er eine zweideutige Stellung ein, so daß der Großherr, den er durch einen Einfall in die Walachei noch besonders gereizt hatte, 1613 seinen Nebenbuhler Bethlen Gabor unterstützte. Vor einem türkischen Heer mußte Gabriel nach Großwardein flüchten. Als er dann mit den Osmanen anknüpfte, ließen ihn die Kaiserlichen ermorden (27. Oktober 1613). Kurz zuvor hatten die siebenbürgischen Stände Bethlen Gabor zum Fürsten gewählt, der vom Sultan bestätigt wurde. Damit war die türkische Herrschaft über Siebenbürgen, wenn nicht ein neuer Angriff auf Ungarn in greifbare Nähe gerückt. Die kaiserlichen Hilferufe nach Madrid und Rom fanden kein Gehör, gegen die vom Reichstag beschlossene Türkenhilfe erhob die pfälzische Partei wiederum Protest, der 1614 versammelte Ausschußtag der österreichischen Erblande wollte von einem neuen Kriege nichts wissen. So blieb Matthias nichts anderes übrig, als Verhandlungen mit Bethlen Gabor einzuleiten, die dadurch erleichtert wurden, daß der schlaue und hochstrebende Fürst mit der Rolle eines türkischen Vasallen nicht zufrieden war, sondern nach einer unabhängigen Stellung zwischen Kaiser und Sultan trachtete. In dem Vertrag von Tyrnau (6. Mai 1615) erkannte ihn Matthias als Fürsten an unter Wahrung der Verbindung Siebenbürgens mit Ungarn und gab ihm einige ungarische Grenzplätze zurück. Beide sagten sich gegenseitigen Beistand gegen einen Angriff zu, im geheimen wurde über die Ausdehnung dieser Verpflichtung auch auf einen Türkenkrieg verhandelt. *) S i e h e o b e n S. 123. P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem

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Bald darauf, im Juli 1615, kam in Wien eine neue Abmachung mit der Pforte zustande, die unter Umgehung der heiklen siebenbürgischen Frage den Frieden von Zsitva-Torok auf zwanzig weitere Jahre verlängerte. § 61. Der Ursprang des 30jährigen Krieges. Das Deutsche Reich befand sich seit 1608 in völliger Auflösung. Die „Kompositionspolitik" des 1615 zum Kardinal erhobenen Klesl, d. h. das Streben, die Gegensätze hinzuhalten, durch kleine Zugeständnisse beide Parteien zu befriedigen und sie dadurch für die gemeinsamen Zwecke des Reiches zusammenzufassen, erwies sich als undurchführbar und erhöhte das Mißtrauen auf beiden Seiten. Auf dem Regensburger Reichstag von 1613 machten die Korrespondierenden ihre Teilnahme an den Verhandlungen von der Abstellung ihrer Beschwerden abhängig und legten gegen den von der Mehrheit beschlossenen Abschied förmlichen Protest ein. Damit war jede Aussicht auf eine Verständigung über die Auslegung des Religionsfriedens geschwunden. Die allgemeine Zerfahrenheit griff auch auf die Sonderbündnisse über. Sie hatten beide in der Krisis von 1609/10 versagt. Die Union erreichte zwar 1612 einen Allianzvertrag mit England, dem 1613 eine 12jährige Schutzverbindung mit den Generalstaaten folgte. In demselben Jahr vermählte Jakob I. dem jungen Pfälzer Kurfürsten Friedrich V. seine Tochter Elisabeth, aber alle Versuche, die norddeutschen Fürsten und Städte einzubeziehen, schlugen fehl. Die konservativen Lutheraner standen enger zu dem Kaiser und den Katholiken als zu ihren Glaubengenossen. Pfalz-Neuburg und Brandenburg traten aus der Union aus, nur unter großen Schwierigkeiten wurde sie 1617 auf drei Jahre, bis 1621, verlängert. Nicht minder zerrissen war die Liga. Der Gegensatz zwischen Herzog Maximilian und dem Erzbischof Schweikhard von Mainz, der im Einvernehmen mit Klesl den Bund seines konfessionellen Charakters entkleiden und neben den Österreichern auch den konservativen Protestanten den Beitritt ermöglichen wollte, führte 1616 zu ihrer Auflösung und zur Neubegründung einer verkleinerten, ganz von Bayern abhängigen Liga. Die Verwirrung wurde noch gesteigert durch die gleichzeitigen Kämpfe um die Nachfolge im Kaisertum und in den habsburgischen Erblanden, deren rechtzeitige Regelung bei der gespannten Lage dringend erforderlich war 1 ). Kaiser Matthias lebte in kinderloser Ehe, sein nächstältester Bruder Maximilian war unvermählt, der jüngste, Erzherzog Albert, gleichfalls ohne Nachkommen. Da auch Ferdinand von Tirol keine ebenbürtige männliche Deszendenz hinterlassen hatte, kam die von dem jüngsten Bruder Maximilians II. abstammende steirische Linie in Betracht. Bereits 1612 hatte Erzherzog Maximilian seine Bereitwilligkeit erklärt, zugunsten ihres Hauptes Ferdinand zu verzichten, und von Siehe Stammtafel.

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•O r^ em ce ) Im März 1634 zwang er dem widerstrebenden Kurfürsten die Ernennung zum Propst von Trier und im September auch die Proklamierung zum Koadjutor in Speyer ab. Aber wie die Kapitel nicht zugestimmt hatten, so verweigerte der Papst die Genehmigung, so daß Richelieu Ende 1634 seine aussichtslosen Bemühungen einstellte.

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sein stark geschwächtes Heer ergänzt. Gleichzeitig knüpfte er Friedensverhandlungen mit Sachsen und Brandenburg an, wozu er nach der ihm erteilten Vollmacht befugt war. Er glaubte, daß der Kaiser den Krieg ohne ausreichende Mittel nicht zum siegreichen Ende führen könne, daß mit dem Tode Gustav Adolfs der richtige Moment zum Frieden gekommen sei und dieser mit Zugeständnissen an die Protestanten erkauft werden müsse. Als letztes Ziel schwebte ihm die Vertreibung der Fremden, sowohl der Schweden wie der Spanier, vom Reichsboden vor, ein Ziel, dem trotz damit verbundener egoistischer Motive die nationale Bedeutung und Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Er wollte diesen Frieden erzwingen „ohne Respekt einiger Person"; äußerstenfalls sollte er den Fürsten und dem Kaiser von den Generalen aufgenötigt werden. Diese politischen Absichten bestimmten seinen Feldzug von 1633. In der Überzeugung, daß die Entscheidung in Mitteldeutschland zu suchen sei, wandte er sich nicht gegen die erneut in Bayern eingedrungenen Schweden, Bondern nach Schlesien gegen die Sachsen. Trotz seiner Überlegenheit unternahm er jedoch keinen entscheidenden Schlag, unterbrach vielmehr die militärischen Operationen zweimal durch einen längeren Waffenstillstand und Verhandlungen mit Arnim. Erst als sie gescheitert waren und Arnim nach Sachsen abrückte, überfiel Wallenstein die von ihm zurückgelassenen Truppen in dem Lager von Steinau, nötigte sie am 12. Oktober zur Kapitulation und unterwarf Schlesien, die Lausitzen und die angrenzenden Teile der Mark Brandenburg. Daß Ferdinand II. sein Programm gutheißen werde, war von vornherein ausgeschlossen, und des Herzogs Angebot an Sachsen, die kirchlichen und politischen Zustände von 1618 im Reiche wiederherzustellen, widersprach den Wiener Absichten völlig. Während er selbst den Kaiser durch ungenaue oder zweideutige Berichte über seine Verhandlungen irrezuführen suchte, nährten seine Gegner den gegen ihn aufkeimenden Verdacht durch Denunziationen und unbeweisbare Anklagen. Allmählich bildete sich eine förmliche Koalition gegen ihn. Der ehrgeizige Thronfolger sah sich durch ihn von dem Oberbefehl und jeder militärischen Betätigung ausgeschlossen. Die hinter ihm stehende Aktionspartei legte dem Feldherrn die versäumten Gelegenheiten, die Hofgeistlichkeit seine Preisgabe der katholischen Interessen und seine unverhohlene Abneigung gegen die Gesellschaft Jesu zur Last. Sie fanden einen Bundesgenossen in Kurfürst Maximilian, dessen nicht geschwundener alter Groll durch die Selbstherrlichkeit des Friedländers und seine Hilfsverweigerung aufs neue entfacht war. Auch die Spanier, die ihm bisher eine Stütze gegen seine Feinde gewesen waren, traten jetzt zu ihnen über. In den Niederlanden stand der Tod der Erzherzogin Isabella zu erwarten. Der zu ihrem Nachfolger bestimmte Bruder Philipps IV., der Kardinal-Infant Ferdinand, schickte sich im Frühjahr 1633 an, mit einem Heer von Mailand durch das Reich nach Flandern zu ziehen. Man trug sich in Madrid mit dem Gedanken, dauernd Truppen am Ober-

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rhein zu belassen, um dem Infanten eine gesicherte Etappenstraße zu schaffen, den Herzog von Lothringen gegen Richelieu zu unterstützen und das Elsaß gegen Schweden und Franzosen zu verteidigen1). Auf diesem Wege hoffte man die BO lang erstrebte Verschmelzimg des deutschen und niederländischen Krieges endlich zu verwirklichen. Wallenstein bekämpfte den Plan nicht nur aus Rücksicht auf Beine militärische Alleinherrschaft, sondern weil er hiervon mit Recht eine Einmischung Frankreichs und eine Gefährdung seines Friedensprogramms besorgte. Auch der Kaiser erhob anfangs Bedenken, ließ sie aber fallen, als die Spanier nur noch den Durchzug nach den Niederlanden begehrten. Ende Juli erbat er sogar die Entsendung eines spanischen Heeres, um die Festung Breisach, die Brücke zwischen Yorderösterreich und dem Elsaß, die von den Schweden belagert wurde, zu retten. Im September langte an Stelle des durch Krankheit zurückgehaltenen Infanten der Mailänder Statthalter Feria mit etwa 9000 Mann am Bodensee an, vereinigte sich mit einem bayerisch-kaiserlichen Korps und entsetzte zuerst Konstanz und am 20. Oktober Breisach. Während sein weiteres Vordringen von Horn vereitelt wurde, benutzte Bernhard von Weimar die Entblößung der Donaulinie zu einer Entlastungsoffensive gegen Bayern und bemächtigte sich durch einen kühnen Vorstoß Regensburgs (14. November). Aufdie Kunde von seinem Vorgehen brach Wallenstein seine Operationen ab und eilte quer durch Böhmen herbei, machte aber bei dem bayerischen Grenzstädtchen Furth Halt und bezog bei Pilsen die Winterquartiere. Er begründete sein Verhalten einleuchtend mit der vorgeschrittenen Jahreszeit, die den Abbruch des Feldzuges gebiete. Aber in Wien wurde es mit seinen Verhandlungen mit Arnim in Zusammenhang gebracht, als Verrat gedeutet und seinem bösen Willen die alleinige Schuld an den militärischen Fehlschlägen zugeschrieben. Seine Gegner verbanden sich zu einem Sturm auf den Kaiser, den ungehorsamen und ungetreuen Feldherrn abzusetzen. Bei seiner Allgewalt über die Armee war das indessen nur möglich, wenn es gelang, ihm die angesehensten Unterführer abspenstig zu machen. Bereits im Herbst hatte Bich der ehr- und beutegierige Octavio Piccolomini gewinnen lassen, Gallas und Aldringen folgten seinem Beispiel. Die abermalige Belastung der Erblande durch die Winterquartiere sowie Wallensteins Weigerung, entsprechend dem kaiserlichen Befehl einen Angriff auf Regensburg zu unternehmen und eine Truppenabteilung zu dem Kardinal-Infanten zu detachieren, verschärften den Konflikt noch. In einer Reihe raffiniert abgefaßter Denkschriften ward dem Kaiser von des Generalissimus Gegnern der Glaube beigebracht, daß er ihm das Heer ganz entziehen und den Feinden zuführen wolle, daß das Interesse der Kirche und des Hauses Habsburg die Entlassung des Abtrünnigen erfordere. Diesem Trommelfeuer erlag der willensschwache Monarch: Ende Dezember rang er sich zu dem Entschluß durch, dem Friedländer den Oberbefehl zu nehmen. ') Durch die Erneuerung des Onate-Vertrages (s. S. 193) erhielten diese Pläne eine erhöhte Bedeutung.

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Um dieselbe Zeit schritt dieser zum offenen Verrat fort. In einem kaum zu entwirrenden Netz vielverschlungener und widerspruchsvoller Verhandlungen hatte er schon im Frühjahr 1633 mit Thum und dieser mit den Schweden angeknüpft. Ohne WallensteinB nachweisbaren Auftrag hatte ein anderer böhmischer Exulant, Graf Wilhelm Kinsky, mit Richelieu Fühlung genommen. Angesichts der ihm nicht verborgen gebliebenen kaiserlichen Ungnade entschied sich der Herzog jetzt dazu, diese bisher getrennten Verhandlungen mit den evangelischen Kurfürsten und mit den auswärtigen Mächten zu einer Einheit zu verweben und den Frieden, den er mit dem Kaiser nicht erreichen konnte, im Bunde mit dessen Feinden zu erzwingen. Um die Jahreswende 1633/34 ließ er Sachsen und Brandenburg, Schweden und Frankreich dahingehende Eröffnungen machen, aber sie waren so vage, daß sie das allgemeine Mißtrauen gegen ihn nur verstärkten und zu keinen festen Abmachungen führten. Daß dieser Schritt mit seinem Endziel unvereinbar war, konnte er sich nicht verhehlen und trug dazu bei, seine innere Unsicherheit noch zu steigern. Seine zaudernde Halbheit und berechnete Zweideutigkeit mußten überall Argwohn erwecken und trübten ihm selbst den Blick für das Mögliche. Um wenigstens sein Heer fest in der Hand zu behalten, bewog er seine Offiziere durch die Ankündigung seines Rücktrittes zur Unterzeichnung des „Pilsener Reverses" vom 12. Januar 1634, worin sie ihm unbedingte Treue bis zum letzten Blutstropfen versprachen und er eine Kommandoentsagung von ihrer Zustimmung, d. h. der Befriedigung ihrer Geldansprüche, abhängig machte. Die vielumstrittene Klausel zugunsten des Kaisers ist wohl in den mündlichen Besprechungen verheißen, aber nicht in das Schriftstück aufgenommen worden1). Die tendenziös übertreibenden Nachrichten, die über die Pilsener Vorgänge nach Wien überbracht wurden, beseitigten hier die letzten Bedenken. In einem zunächst geheim gehaltenen Patent vom 24. Januar 1634 verfügte Ferdinand II. die Absetzung und erteilte Gallas, Piccolomini und Aldringen den Befehl, „das Haupt und die vornehmsten Mitverschworenen, wenn irgend möglich, gefangenzunehmen und nach Wien zu bringen oder als überführte Schuldige zu töten". Auch gegen Wallenstein wurde jetzt die in Deutschland wenig verbreitete Lehre von der Mordbefugnis der Obrigkeit angewandt, deren Berechtigung der frühere Obersthofmeister Gundacker von Liechtenstein in einem ausführlichen Gutachten dargelegt hatte 2 ). Nachdem ein Versuch, den Feldherrn durch einen Handstreich gefangenzunehmen, fehlgeschlagen war, erließ der Kaiser am 18. Februar 1634 das sogenannte ProskriptionBpatent. Hierin bezichtigte er Wallenstein öffentlich des Hochverrats, erklärte den Pilsener Revers für ungültig und entband Offiziere und Mannschaften von dem Gehorsam gegen den Friedländer. Um das äußerste zu vermeiden und ») Darüber vgl. jetzt Srbik S. 76, 261f. *) Veröffentlicht von O. v. Mitis in Beiträgen zur neueren Geschichte Österreichs, Heft 4 (1908), S. 103ff. Vgl. auch M e i n e c k e , Die Idee der Staatsräson, S. 162 f.

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wenigstens die Möglichkeit eines ehrenvollen Rücktrittes offenzuhalten, ließ der gewarnte Herzog am 20. Februar die ihm treugebliebenen höheren Offiziere in einem zweiten Reverse versichern, daß die Verpflichtung des ersten nicht gegen den Kaiser und die Religion gerichtet sei, und bot in Wien aufs neue seine Demission an. Aber in einem schwer verständlichen Doppelspiel, das doch nicht nur in seiner Krankheit begründet ist, forderte er gleichzeitig Arnim und Bernhard von Weimar auf, ihm zum Schutz gegen seine Widersacher Truppen an die böhmische Grenze entgegenzuschicken. Die Absicht, seine eigenen Streitkräfte in Prag zu konzentrieren, konnte er wegen des Massenabfalls in seinem Heere nicht mehr ausführen. So blieb ihm keine Wahl, als nach Eger zu ziehen, den Schweden und Sachsen entgegen. Hier ereilte ihn am 25. Februar das Geschick. Zur Vollstreckung des kaiserlichen Urteils fanden sich unter Mitwirkung Piccolominis drei Wallensteinsche Offiziere, Butler, Gordon und Lesley, bereit. Nachdem seine Getreuen bei einem Bankett niedergemacht waren, wurde der Feldherr selbst in seinem Schlafgemach von dem Hauptmann Deveroux erstochen. Die Einzelheiten der Tat sowie das Nachspiel sind erst von Srbik aufgehellt worden. Da die Papiere des Ermordeten keine direkten Beweise für den Verrat ergaben, suchte der Hof die besonders im evangelischen Deutschland gegen den Kaiser erhobenen Anklagen durch eine Reihe von Flugschriften über Wallensteins Schuld zu entkräften. Sie und namentlich das geradezu infernalische „Alberti Fridlandi perduellionis Chaos" (1644), als dessen Verfasser Srbik den Jesuiten und Hofprediger Ferdinands II., Johannes Weingartner, festgestellt hat 1 ), haben auch das Urteil der Nachwelt lange beeinflußt. Wallenstein war, wie Srbik sagt, „letzten Endes der Kaiseridee erlegen". Er war gefallen, weil er, nur General und nicht Kriegsherr, sich gegen die Erbmonarchie und gegen die beherrschende Tendenz seines Zeitalters, den konfessionellen Gedanken, erhoben hatte. Aber damit sind die Ursachen seines Unterganges noch nicht erschöpft. Er selbst besaß weder die staatsmännischen noch die rein menschlichen Eigenschaften, die zur Verwirklichung seiner Pläne erforderlich waren. Er war nach den Worten Ricarda Huchs „zu stolz, um abhängig, zu schwach, um Rebell zu sein". Deshalb hätte er sein letztes Ziel, das auch seinen Verrat „veredelte", die Wiederherstellung des Friedens in Deutschland und die Vertreibung der Fremden, selbst bei größerem diplomatischem Geschick nicht erreichen können. Wie berechtigt sein Streben nach dem Frieden auf Grund der konfessionellen Parität war, hat der Fortgang des Krieges erwiesen. Selbst seine Gegner, die ihn stürzten, haben im Prager Frieden einen Teil seines Programms durchgeführt. Literatur. Zum Heilbronner Bund das § 71 angeführte Werk von J. Kretzschmar; zum Ausgang Wallensteins neben der älteren Literatur jetzt vor allem H . v . Srbik, Wallensteins Ende. Dagegen B . D u h r S. J. in „Stimmen der Zeit" 107.

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§ 72. Die Sehlacht von Nördlingen. Der Prager Friede. Den Oberbefehl über das kaiserliche Heer übernahm jetzt König Ferdinand, dem Gallas zur Seite gestellt wurde. Entsprechend dem Wunsche Kurfürst Maximilians, wandten sie sich im Mai 1634 mit 25000 Mann nach Bayern, um die Schweden aus Süddeutschland zu vertreiben, diese von ihren Heilbronner Verbündeten zu trennen und sich mit dem aus Oberitalien anrückenden Kardinal-Infanten zu vereinigen. Zustatten kam ihnen die Feindschaft zwischen Horn und Bernhard von Weimar, die beide ihre Kräfte in getrennten Operationen zersplitterten. Nachdem Regensburg am 26. Juli von den Kaiserlichen zurückerobert war, brachte der Einfall Baners und Arnims nach Böhmen ihren Vormarsch kurze Zeit zum Stocken. Aber Mitte August nahmen sie Donauwörth und begannen mit der Belagerung Nördlingens; vor der Stadt stieß der Infant mit 15000 Mann zu ihnen. Um diesen Schlüssel zum schwäbischen Kreis nicht ebenso unrühmlich zu verlieren wie Regensburg, wagten Bernhard und Horn am 5. und 6. September trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit eine Schlacht, die nach anfänglichen Erfolgen mit der völligen Vernichtung ihres Heeres und der Gefangennahme Horns endete 1 ). Zum ersten Male seit drei Jahren hatten die Katholiken einen entscheidenden Sieg erkämpft, Oberdeutschland war damit wiedergewonnen. Während die Spanier nach den Niederlanden weiterzogen, wo Isabella am 1. Dezember 1633 verstorben war, brachte König Ferdinand bis zum Frühjahr 1635 Württemberg, die badischen Lande und den größten Teil der rechtsrheinischen Pfalz in seine Gewalt. In Württemberg und Baden wurden die kirchlichen Besitzverhältnisse auf den Stand des Restitutionsediktes zurückgeführt. Der schon längst gelockerte Heilbronner Bund löste sich auf. Die wichtigste Folge der Schlacht war, daß die nach Wallensteins Tod in Leitmeritz wiederaufgenommenen Friedensverhandlungen mit Sachsen jetzt endlich zum Abschluß gelangten. Am 24. November 1634 wurden in Pirna die Präliminarien unterzeichnet. Darin gewährte der Kaiser den evangelischen Ständen für alles seit der Landung Gustav Adolfs Vorgefallene Amnestie. Das Restitutionsedikt wurde durch die Bestimmung ersetzt, daß für die geistlichen Güter der Besitzstand vom 12. November 1627 maßgebend sein sollte; die Sachsen, die schon 1631 einen solchen Normaltermin angeregt hatten, konnten ihren Vorschlag, das Jahr 1612 dazu zu machen, nicht durchdrücken. Jedoch galt diese Bestimmung nur für die Fürsten Augsburger Konfession und bloß auf 40 Jahre, bis zu einem neuen Vergleich. Auch in Einzelheiten wurde sie *) Die Frage, wen die Hauptschuld an der Niederlage trifft, ist umstritten. Während sie früher im allgemeinen Horn zugeschrieben wurde, haben Struck und J a c o b neben und vor ihm Bernhard von Weimar verantwortlich gemacht, wogegen E. Leo, Die Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634 (Halle 1900), die alte Auffassung verteidigt hat. K r e t z s c h m a r weist überzeugend das Fehlen eines einheitlichen Oberbefehls und die Rivalität zwischen den beiden Feldherren als Hauptgrund nach.

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nicht unwesentlich zugunsten der Katholiken eingeschränkt. Der geistlicheVorbehalt blieb in Kraft und den Protestanten in den österreichischen Erblanden mit Ausnahme Schlesiens die Religionsfreiheit versagt. In der pfälzischen Frage erkannte Johann Georg die Übertragung der Kur und der rechtsrheinischen Gebiete an Maximilian von Bayern an. Für diese Zugeständnisse erlangte der Wettiner den endgültigen Besitz der Lausitzen sowie die vier magdeburgischen Ämter Jüterbog, Dahme, Burg und Querfurt; das Erzstift selbst erhielt sein Sohn August auf Lebenszeit. Beide Teile verpflichteten sich, die anderen Reichsstände für dieses Abkommen zu gewinnen. Alle SonderbUndnisse, also sowohl die Liga wie der Heilbronner Bund, wurden aufgehoben. Zur Vertreibung der Schweden und Franzosen sollte ein Reichsheer von 80000 Mann unter dem Oberbefehl des Kaisers aufgestellt werden, in dem Johann Georg wie jedem beitretenden Kurfürsten die Führung eines selbständigen Korps zugesichert wurde. Am 30. Mai 1635 wurde auf dieser Grundlage der definitive Friede in Prag geschlossen. In kurzer Zeit erklärten die übrigen Stände ihren Beitritt, Kurbrandenburg gegen das unverbindliche Versprechen des Kaisers und Sachsens, ihm in Pommern zu seinem Recht zu verhelfen. Außer den von der Amnestie ausdrücklich ausgeschlossenen Fürsten, darunter Eberhard von Württemberg und Friedrich von Baden-Durlach, hielten sich nur Landgraf Wilhelm von HesBenKassel, Bernhard von Weimar und einige Reichsstädte fern. Der Prager Friede bezeichnet den letzten Versuch zu einer innerdeutschen Lösung des Konfliktes und einen unleugbaren Erfolg des Kaisers. Er hatte zwar das Restitutionsedikt nicht aufrechterhalten können, aber sein Ubergewicht im Reich war wieder hergestellt und von den Ständen anerkannt, durch das Verbot aller Sonderbündnisse und selbständigen Rüstungen hatte er das Kriegswesen in seiner Hand zentralisiert. Seine kirchenpolitiBchen Konzessionen waren befristet, von den norddeutschen Stiftern hatte der Katholizismus außer Hildesheim die Bistümer Halberstadt, Bremen, Verden, Osnabrück und Minden gewonnen und auch Magdeburg nicht endgültig preisgegeben. Eine weitere Frucht des Friedens war die am 22. Dezember 1636 endlich geglückte römische Königswahl des ältesten Kaisersohnes. Kurze Zeit darauf, am 15. Februar 1637, ist Ferdinand II. gestorben. Es schien nicht viel zu fehlen, daß auch mit Schweden ein Ausgleich zustande kam. Die militärischen Niederlagen, der Abfall Sachsens und der Heilbronner Verbündeten sowie daB bevorstehende Ablaufen des Waffenstillstandes mit Polen riefen bei Oxenstierna und der Regentschaft ein steigendes Verlangen nach einem ehrenvollen Frieden wach. Dem Kurfürsten von Brandenburg bot der Kanzler, um ihn an sich zu fesseln, Anfang 1635 den Verzicht auf Pommern an gegen Überlassung der Stifter Magdeburg, Halberstadt und Osnabrück sowie eines pommerschen Hafens zur Sicherung der Verbindung mit Schweden. In dem sogenannten „Schönebeckschen Projekt", das er im Herbst 1635 in Dresden unterbreiten ließ, gedachte er sich sogar mit der Erstattung der Kriegs-

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kosten und bis zu deren Abzahlung mit der vorübergehenden Besetzung einiger Plätze zu begnügen. Jedoch der Kaiser wollte in seinem Siegesbewußtsein höchstens eine geringe Geldabfindung zugestehen und verlangte vor allem die sofortige Räumung des Reichsbodens, so daß Oxenstierna die Verhandlungen abbrach. Er konnte es um so leichter tun, als jetzt endlich Frankreich offen in den Krieg eintrat. L i t e r a t u r . K. J a c o b , Yon Lützen nach Nördlingen. Straßburg 1904. W. S t r u c k , Die Schlacht bei Nördlingen. Stralsund 1893. K. G. Heibig, Der Prager Friede. (Hist. Taschenbuch III, 9.)

2. K a p i t e l . 1635—1648. % 73. Der Eintritt Frankreichs in den Krieg. Ohne das Eingreifen Frankreichs wäre der Krieg nach dem Prager Frieden bald erloschen. Allein auf sich und die wenigen deutschen Fürsten angewiesen, hätte Schweden ihn nicht fortsetzen können. Auch die Niederlande wären dann zum Paktieren mit der habsburgischen Übermacht gezwungen worden, zumal da Ferdinand II. in einem Geheimvertrag vom 31. Oktober 1634 ausdrücklich Spaniens Anrecht auf die Reichshilfe anerkannt hatte. Der habsburgische Endsieg und damit die Hegemonie des Hauses Österreich über Europa waren näher gerückt denn je. Diese für Frankreich höchst gefährliche Aussicht, die Furcht vor einem Sonderfrieden der Schweden und Holländer und vor der eigenen Isolierung waren für Richelieu entscheidend. Er mußte es sich eingestehen, daß der „verdeckte Krieg" gegen Habsburg nicht zum Ziele führte, daß Frankreich nicht allein seine diplomatischen Künste und Subsidien, sondern seine eigenen Kräfte in die Wagschale werfen mußte, wenn es sich nicht ganz vereinsamt dem von Olivarez betriebenen Angriff der habsburgischen Mächte aussetzen wollte1). Vor dieser Erkenntnis traten auch die Bedenken zurück, die der Kardinal aus innerpolitischen Gründen, wegen der Parteiungen im Lande, der schlechten Finanzlage und der mangelhaften Beschaffenheit des Heeres, noch immer gegen den Appell an die Waffen hegte. Obgleich er den Krieg als einen Defensivkrieg zur Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichtes gegen Habsburg betrachtete, hat er dennoch damit Eroberungsabsichten verfolgt. Von Anfang an hatte er danach gestrebt, das Herzogtum Lothringen, das altumstrittene Grenzland und zugleich die Brücke zu den Bistümern Metz, Toul und Verdun, in den französischen Machtbereich einzubeziehen. Dadurch, daß Karl IV. nicht nur zu den Habsburgern, sondern auch zu Richelieus gefährlichstem inneren Widersacher, Ludwigs XIII. Bruder Gaston von Orléans, in engen Beziehungen stand, wurde der Kardinal in seinem Vorsatz noch bestärkt. Als der Herzog 1

) In diesen Zusammenhang gehören auch die oben S. 184 erwähnten Verhandlungen über eine spanisch-englische Allianz.

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das Abkommen von Vic1) nicht einhielt, vielmehr durch die Vermählung seiner Schwester mit Gaston förmlich zum „Bindeglied" der inneren und äußeren Gegner wurde, ließ Richelieu sein Land besetzen und brachte es durch die Verträge von Liverdun und Charmes (26. Juni 1632 bzw. 20. Sept. 1633) unter Beine Botmäßigkeit. Er war entschlossen, es nicht mehr aus der Hand zu geben. In den Verhandlungen über die Grundlagen eines allgemeinen Friedens, die unter päpstlicher Vermittlung von 1632—1634 stattfanden, war eine seiner Bedingungen die Aufrechterhaltung der französischen Machtstellung in Lothringen. Als Karl Anfang 1634 zugunsten seineB Bruders Nikolas Franz abdankte und als General in kaiserliche Dienste trat, wurden ihm im September durch Gerichtsurteil wegen Majestätsverbrechens seine französischen Lehen abgesprochen und das Herzogtum vom König eingezogen; gleichzeitig wurde Gastons Ehe für ungültig erklärt. Aber weder das lothringische Volk noch die Mächte erkannten diese Annexion an. Während also die Herrschaft über Lothringen für Richelieu eine conditio sine qua non des Friedensschlusses war, hat er sich, wie W. Mommsen nachgewiesen hat, auf die Erwerbung des Elsaß nicht starr und unwiderruflich festgelegt, ohne daß man aber seine dahin gehenden Pläne nur als „Zukunftshoffnungen" ansprechen kann 2 ). Schon in dem Programm von 1629 ist der Gewinn der Oberrheinlinie als scharf umrissene Aufgabe vorgezeichnet, in den Denkschriften der nächsten Jahre kehrt der Gedanke daran immer wieder8). In dem Projekt einer Aufteilung der österreichischen Lande, das der Kardinal im September 1634, vor der Nachricht von der Schlacht bei Nördlingen, erwog, war der österreichische Besitz im Elsaß mit Breisach für Frankreich vorbehalten. Auch jetzt machte er seinen Eintritt in den Krieg von der Überlassung der schwedischen Eroberungen im Elsaß abhängig. Nachdem Ende 1633 die württembergische Grafschaft Mömpelgard sowie die Hanauischen Plätze im Unterelsaß dem französischen Schutz unterstellt und von französischen Truppen besetzt worden waren, erfuhren Anfang 1634 die Städte Hagenau und Zabern sowie das Bistum Basel dasselbe Schicksal. Gleichzeitig benutzte Richelieu die Bedrängnis der Schweden und Heilbronner, um sie zur Auslieferung Philippsburgs zu nötigen (26. August 1634). Nach Nördlingen wurde auch Mannheim den Franzosen übergeben und Heidelberg von ihnen zweimal gegen die Kaiserlichen entsetzt. In den Verträgen vom 9. Oktober bzw. 1. November 1634 räumten ihnen die schwedischen und Heilbronner Unterhändler für den Fall des offenen Krieges alle in schwedischer Gewalt befindlichen elsässischen Plätze ein, so daß bis auf Straßburg fast das ganze Land in ihrer Hand war. Richelieus Gegenleistung bestand in dem Versprechen, im Falle ») Siehe S. 193. *) Gegenüber dieser These Mommsens halte ich an meiner in der Hist. Zeitschr. 130, S. lOOff., begründeten Auffassung fest; vgl. auch Fagniez II, S. 327f. und neuerdings Ch. P f i s t e r in der Revue hist. 150. ') Vgl. besonders Mémoires II, 437, 482.

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des Bruches mit Habsburg ein Hilfskorps aus deutschen Truppen unter einem General der Verbündeten zu unterhalten, indes ob, wann und wie er den Krieg eröffnen werde, blieb ihm völlig anheimgestellt. Freilich war ihm in allen diesen Verträgen das Besatzungsrecht nur für die Dauer des Krieges, bis zum Abschluß des allgemeinen, auch Frankreich einbegreifenden Friedens übertragen, und unter seine festen Kriegsziele hat der kühle Rechner die Annexionen am Oberrhein 1635 noch nicht aufgenommen. Aber ebensowenig hat er den Gedanken daran fallen lassen, und in der Publizistik, die er für sich arbeiten ließ, kamen noch viel weitergehende Expansionsgelüste zur Sprache 1 ). Jedenfalls war er gewillt, eine Festsetzung der Spanier im Elsaß, wie sie der Onatevertrag stipulierte, nicht zu dulden1) und, wenn irgend möglich, auch eine Rückgabe an den Kaiser zu verhindern. Den gefährlichsten Gegner erblickte er in Spanien, das auch seinerseits den Krieg wollte und unermüdlich, aber vergebens den Wiener Hof mitzureißen suchte. Richelieu gedachte den Hauptstoß gegen die empfindlichste Stelle der spanischen Monarchie, gegen Flandern, zu richten, wo unzufriedene Große schon 1631 mit ihm Fühlung gesucht hatten. Um die Generalstaaten von den ernstlich betriebenen Ausgleichsverhandlungen mit der Brüsseler Regierung abzubringen, hatte er am 15. April 1634 ein neues Subsidienabkommen mit ihnen abgeschlossen. Am 8. Februar 1635 wurde es in ein förmliches Offensiv- und Defensivbündnis umgewandelt zur Befreiung der südlichen Provinzen. Sie sollten, wenn sie selbst dazu mitwirken wollten, zu einem selbständigen Pufferstaat gemacht werden, andernfalls wurde die von den Holländern vorgeschlagene, von Richelieu nicht gewünschte Aufteilung unter Frankreich und Holland in Aussicht genommen. Die Versuche, England in die antispanische Koalition einzubeziehen, schlugen fehl. Gleichzeitig bemühte sich Richelieu, die norditalienischen Staaten zu einer Liga gegen Spanien zusammenzufassen; am 11. Juli kam sie in dem Vertrag von Rivoli mit Savoyen, Mantua und Parma zustande. Um den Spaniern die Verbindung zwischen Deutschland und Mailand zu sperren, besetzte der Herzog von Rohan im Sommer 1635 die strategisch wichtigen Plätze Graubündens. Nach diesen Vorbereitungen ließ der Kardinal am 19. Mai 1635 in Brüssel die förmliche Kriegserklärung überreichen, die den kurz zuvor erfolgten spanischen Überfall auf Trier und die Gefangensetzung Söterns zum Vorwand nahm. Dem offenen Bruch mit dem Kaiser wollte Richelieu solange als möglich aus dem Wege gehen, aber sich auch hierfür rechtzeitig Bundesgenossen sichern. Die Aussicht auf einen schwedischen Sonderfrieden war ') Namentlich in der Richelieu gewidmeten Abhandlung des königlichen Advokaten J a c q u e s de C a s s a n , „La recherche des droicts du Roy et de la Couronne de France" . . . (1632), die das gesamte Regnum Francorum für Frankreich forderte. •) Nach R. R e u ß , L'Alsace au 17« siècle (Paris 1897/98) I, S. 50 A. 3, hatte der französische Gesandte in Wien, Baugy, schon im April 1617 von den Geheimverhandlungen Wind bekommen und darüber am 29. April an Richelieu berichtet.

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noch gestiegen dadurch, daß der Waffenstillstand mit Polen 1635 zu Ende ging und auch Christian IV. Anstalten machte, sich mit dem Piastenreich gegen Schweden zu verbinden. Während Oxenstierna die dänische Gefahr durch die Überlassung des Erzbistums Bremen an einen Sohn des Königs abwandte, setzte die französische Diplomatie mit holländischer und englischer Unterstützung die Erneuerung des Waffenstillstandes auf 26 Jahre durch. Allerdings mußte Schweden in dem Vertrag von Stuhmsdorf (12. September 1635) die von Gustav Adolf eroberten preußischen Küstenplätze an Polen und den Brandenburger Kurfürsten herausgeben. Zugleich suchte der Kardinal Polen von Osterreich zu trennen, indem er dem König Wladislaw IV., der soeben (1632/34) einen russischen Angriff siegreich abgewehrt hatte, Hoffnungen auf Schlesien machte. Aber der Wasa wurde ebenso von Habsburg bearbeitet. Schwierig gestalteten sich auch die schwedisch-französischen Verhandlungen, da Richelieu sich nicht zum Krieg gegen den Kaiser verpflichten, Oxenstierna ihm nicht das linke Rheinufer ganz ausliefern wollte und darum die Ratifikation der Abkommen von 1634 verweigerte. Bei einer persönlichen Begegnung wurde in Compiögne am 28. April 1635 ein neuer Vertrag unterzeichnet, in dem Schweden gegen das Versprechen, keinen Separatfrieden einzugehen, Benfeld im Elsaß sowie die Stifter Worms und Mainz behielt. Aber auch diese Abmachung trat, weil die vorbehaltene Bestätigung der Königin Christine nicht erteilt wurde, formell nicht in Kraft. Im Reich waren nach dem Prager Frieden kaum Alliierte für Frankreich zu finden. Das Verhältnis zu Bayern war seit 1631 erkaltet, und die Auflösung der Liga hatte Maximilians Machtstellung stark beeinträchtigt. Von den noch unter Waffen stehenden Fürsten gewann Richelieu den Landgrafen Wilhelm von Hessen am 21. Oktober 1636 für ein Abkommen, das ihm gegen französische Zahlungen die Aufstellung von 10000 Mann auferlegte und einen Friedensschluß ohne Zustimmung des Königs untersagte. Wichtiger und folgenreicher war der vielerörterte Vertrag mit Bernhard von Weimar. Er hatte sich nach der Nördlinger Schlacht mit den Überresten seiner Armee an den Oberrhein zurückgezogen und wurde seitdem von Paris umworben. Der Kardinal trug ihm die Führung des den Heilbronnern versprochenen Hilfskorps an und hielt auch nach dem Zusammenbrechen des Bundes an dieser Fiktion fest, um sie für dessen erstrebte Wiederbelebung verwerten zu können. Die Verhandlungen mit Bernhard zogen sich monatelang ergebnislos hin, bis die Verschlechterung der Lage und die Unentbehrlichkeit des Generals Richelieu zur Nachgiebigkeit bestimmten. Der am 27. Oktober 1635 in St. Germain unterzeichnete Vertrag bewilligte dem Herzog jährlich vier Millionen Livres für ein Heer von 18000 Mann, das er „unter der Autorität des Königs" kommandieren sollte. Zum Lohn überläßt ihm Ludwig XIII. die „Landgrafschaft Elsaß" einschließlich der Landvogtei Hagenau mit allen dem Hause Österreich zustehenden Rechten unter der einzigen Einschränkung, daß er dort die katholische Religion schütze. Für den Friedensschluß verspricht der König ihn

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im Besitz des Elsaß und der ihm von Schweden gemachten Schenkungen, — d. h. vor allem des ihm 1633 von Oxenstierna übertragenen „Herzogtums Franken" —, zu belassen oder ihm eine entsprechende und ihm zusagende Entschädigung zu verschaffen. Vnter der Landgrafschaft Elsaß, die es gar nicht gab, verstand man die österreichischen Besitzungen und Rechte im Elsaß. Diese Übertragung des Landes an einen von Frankreich abhängigen Fürsten war eine Lösung der elsässischen Frage, mit der Richelieu sich zunächst abfinden konnte, zumal da die endgültige Entscheidung ausdrücklich dem Friedensschluß vorbehalten wurde und das Verbleiben französischer Garnisonen in den festen Plätzen dem Kardinal eine Hand im Spiele und nötigenfalls eine Hintertür offen ließ. Literatur. W. M o m m s e n , Richelieu, Elsaß und Lothringen. G. F a g n i e z , Le père Joseph et Richelieu. Bd. II. L. B a t t i t o i , Richelieu et la question d'Alsace. (Rev. histor. 138.) A. D e g e r t , Le mariage de Gaston d'Orléans et de Marguerite de Lorraine (ebd. 143). A. S z e l a g o w s k i , s. §67. Über die spanische Kriegspolitik H.Güntera.a.O., über die päpstlichen Vermittlungsversuche A.Leman, UrbainVI 11. et la rivalité de la France et de la maison d'Autriche de 1631 à 1635. Lille 1920.

§ 74. Die Jahre des Gleichgewichtes zwischen den Parteien (1636—1639). Bernhard von Weimar. Die militärische Lage wurde durch den Eintritt Frankreichs zunächst nicht verändert, denn seine Waffen kämpften auf allen Schauplätzen unglücklich. Am Rhein wurden 1635 der größte Teil des Elsasses und Kurtriers, Philippsburg und die Flußübergänge von den Kaiserlichen erobert, 1636 fiel auch Koblenz. Ein Angriff auf Mailand scheiterte, während an der provençalischen Küste sich die Spanier festsetzten. Der gemeinsam mit den Holländern unternommene Einfall in die spanischen Niederlande kam nach Anfangserfolgen vor Brüssel zum Stehen. Die erwartete Erhebung der Bevölkerung blieb aus. Ihr durch das Plündern gesteigerter Widerstand, die geschickte, einer Schlacht ausweichende Taktik des Kardinal-Infanten und das Versagen des französischen Heeres zwangen die Verbündeten schon bald zum Rückzug. Hierdurch ermutigt, schritt Don Ferdinand 1636 seinerseits zur Offensive. Durch ein kaiserliches Korps unter Piccolomini verstärkt, brach er in die Picardie ein und drang bis Corbie vor. Bayerische Reiter unter dem verwegenen Johann von Werth streiften bis ins Oisetal, so daß die Regierung schon für Paris fürchtete und eilig Truppen von allen Seiten heranzog. Dadurch gelang es ihr, den Feind an die Grenze zurückzuwerfen, jedoch der eigene Vorstoß gegen Mailand mißlang gänzlich und an den Pyrenäen eroberten die Spanier St. Jean-de-Luz. Auch der Feldzug von 1637 brachte keinen Wandel. Zwar wurden die Spanier über die Pyrenäen und von der KüBte der Provence abgedrängt und ihnen einige niederländische Plätze entrissen, aber diesen lokalen Erfolgen standen ein neuer Fehlschlag in Oberitalien, die Einnahme des Ehrenbreitstein durch Johann von Werth (26. Juni) und die durch eine Erhebung der Bündner erzwungene Räumung des Veltlin gegenüber.

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Im ganzen hatten die habsburgischen Waffen das Übergewicht, die von Richelieu immer besorgte Kriegsunbrauchbarkeit der französischen Truppen und Führer war namentlich in der Offensive offenkundig erwiesen. Auch die politische Lage hatte sich für ihn ungünstiger gestaltet. Am 18. September 1636 hatte der Kaiser an Frankreich den Krieg erklärt. Der in Regensburg versammelte Kurfürstentag t r a t dem zwar nicht förmlich bei, verlangte aber die Räumung des Elsaß, Lothringens und der drei Bistümer. Die römische Königswahl Ferdinands III. konnte der Kardinal trotz päpstlicher Unterstützung nicht verhindern; daß sein Parteigänger Sötern wegen Hochverrats in Wien interniert und von der Wahlhandlung ausgeschlossen wurde, unterstrich die diplomatische Niederlage noch mehr. Der Tod der verbündeten Herzoge von Mantua und Savoyen (September bzw. Oktober 1637) und die für ihre minderjährigen Nachfolger eingesetzten Regentschaften schufen auch in Oberitalien unsichere Verhältnisse. Der Versuch, den Fürsten von Siebenbürgen zu einem Einbruch in die Erblande zu bewegen, blieb wegen dessen hoher Forderungen zunächst erfolglos. In Polen lief der Kaiser seinem Gegner den Rang ab und kettete im März 1637 Wladislaw IV. durch eine neue Familienverbindung und ein Bündnis an sich, das sich freilich wegen der inneren Schwäche des Piastenreiches und seines Gegensatzes zu Rußland kaum auswirkte 1 ). Vor allem aber waren die französisch-schwedischen Beziehungen so gespannt, daß von einem militärischen oder politischen Zusammengehen gar keine Rede war. Wegen der Ratifikationsschwierigkeiten, die von Stockholm immer wieder gemacht wurden, stellte Richelieu die Zahlung der Subsidien ein. Nach Nördlingen und Prag hatte Schweden nur noch ein Heer auf deutschem Boden, das von einem der tüchtigsten Schüler Gustav Adolfs, dem wagemutigen General Baner, befehligt wurde. Vor den vereinigten Kaiserlichen und Sachsen hatte er 1636 trotz einzelner Erfolge Mitteldeutschland aufgeben und sich bis nach Mecklenburg zurückziehen müssen, gleichzeitig unterwarfen die kaiserlichen Waffen Westfalen und Hessen. Erst Baners glänzender Sieg bei Wittstock (4. Oktober 1636) stellte das Gleichgewicht wieder her und ermöglichte ihm eine Offensive nach Thüringen und die Einnahme von Erfurt. Vor der feindlichen Ubermacht mußte er jedoch im Sommer 1637 wiederum ausweichen, diesmal nach Pommern, wo am 20. März der letzte Greifenherzog verschieden und damit die Erbfrage akut geworden war. Bei dieser Lage der Dinge wurden die seit 1635 nie ganz abgebrochenen Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden ernstlicher aufgenommen. Sowohl Papst Urban VIII. wie der Dänenkönig bemühten sich um eine Vermittlung. Die Schweden und Holländer waren längst kriegsmüde, in Stockholm wollte man sich mit einer Geldentschädigung zur Bezahlung der Soldateska und mit einer Hypothek *) Über die Zukunftsaussichten, die dem Polenkönig darin bei einem Erlöschen des Habsburgerhauses auf österreichische Gebiete eröffnet wurden, vgl. S z e l a g o w s k i a. a. O.

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an der Ostseeküste begnügen. Richelieu schreckte vor einem langen Waffengang zurück, und auch Kaiser Ferdinand I I I . , der nicht BO wie sein Vater unter jesuitischem Einfluß stand, wünschte im Hinblick auf die erschöpften österreichischen Finanzen ein Ende herbei. Für das Jahr 1637 wurde ein Friedenskongreß in Köln vereinbart, der jedoch nicht zusammentrat. Hinter dem Streit um die Pässe verbargen sich die Abneigung der Habsburger, die Holländer und die geächteten deutschen Fürsten als gleichberechtigte Vertragsschließende anzuerkennen, sowie die sachlichen Gegensätze, zumal in der pommerschen und lothringischen Frage. Denn während Richelieu die Rückgabe des Elsaß zusicherte, wollte er in Lothringen und den Bistümern zwar Konzessionen machen, aber den französischen Einfluß gewahrt wissen. Den von ihm angebotenen langfristigen Waffenstillstand, während dessen jeder Teil seine Eroberungen behalten sollte, lehnte Spanien ab. Darum ging der Krieg weiter. Und 1638 setzte auf einem Schauplatz ein Umschwung ein, am Oberrhein durch Bernhard von Weimar. Das Ausbleiben der französischen Subsidien hatte ihn anfangs im Elsaß zur Defensive genötigt. 1636 glückte ihm die Eroberung von Zabern, 1637 überschritt er nach einem Einfall in die Freigrafschaft und einem Sieg Uber den Herzog von Lothringen bei Gray an der Saöne im August bei Rheinau den Rhein. E r legte auf dem rechten Ufer einen Brückenkopf an, mußte aber gegen die Angriffe Werths seine schwachen Kräfte im HerbBt in das Bistum Basel zurücknehmen. Ende Januar 1638 setzte er bei Säckingen aufs neue über den Fluß und belagerte Rheinfelden. Nachdem er vor einem kaiserlichen Entsatzheer unter Savelli und Werth zunächst zurückgewichen war, fügte er ihm am 3. März bei Rheinfelden eine vernichtende Niederlage zu, die die feindlichen Führer in Gefangenschaft brachte. Nach der Kapitulation der Stadt marschierte er rheinabwärts, bemächtigte sich Freiburgs (11. April) und wandte sich gegen Breisach. Zur Rettung dieser wichtigsten Festung Südwestdeutschlands, die den Oberrhein wie die Verbindung mit dem Elsaß und der Freigrafschaft beherrschte, rückte eine kaiserlich-bayerische Armee heran. Durch französische Truppen verstärkt, schlug Bernhard sie am 9. August bei Wittenweier und krönte nach der Abwehr mehrerer Entsatzversuche seine Erfolge am 17. Dezember 1638 mit der Einnahme Breisachs. Sein Siegeszug machte auch den Schweden Luft. Nach langen Verhandlungen war im März 1638 in Hamburg das alte französisch-schwedische Bündnis in aller Form erneuert worden, zunächst auf drei Jahre; erst im Juni 1641 wurde es auf die ganze Dauer des Krieges ausgedehnt. Die beiden Mächte verpflichteten sich, den Krieg gemeinsam zu führen und gemeinsam zu beenden und vereinbarten einen konzentrischen Angriff auf die kaiserlichen Erblande von Sachsen und Oberdeutschland aus. Demgemäß führte Baner, der 1638 die Kaiserlichen unter Gallas aus Vorpommern und Mecklenburg vertrieben hatte, Anfang 1639 sein durch Nachschub aus Schweden aufgefrischtes Heer durch die Altmark nach Sachsen, errang am 14. April bei Chemnitz einen vollstänP l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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digen Sieg über die kaiserlich-sächsische Armee und drang dann in Böhmen bis vor die Tore von Prag vor. Die Offensive Bernhards ließ auf Bich warten, da der Herzog durch Auseinandersetzungen mit Richelieu gelähmt war. Als er im Sommer aus der Freigrafschaft, wohin er seine Truppen nach der Eroberung Breisachs geführt hatte, auf das rechte Rheinufer zurückkehrte, erlag er am 18. Juli 1639 einem schleichenden Fieber, nicht ganz 35 Jahre alt. Mit ihm sank einer der kraftvollsten und bedeutendsten Heerführer des 30jährigen Krieges ins Grab, dem das Eintreten für die Freiheit des Protestantismus und die deutsche Libertät eine Herzensangelegenheit war, und der mit seinen militärischen Fähigkeiten politische Begabung verband. Wie Gustav Adolf und Wallenstein war er gestorben, ehe er seine letzten Ziele erreicht hatte. Er wollte das Elsaß mit dem Bistum Basel und den von ihm eroberten rechtsrheinischen Gebieten zu einem Fürstentum innerhalb des Deutschen Reiches zusammenfassen. Dieses Trachten, die Selbständigkeit des Herzogs, seine engen Beziehungen zu Schweden sowie die Angebote, die ihm von Habsburg gemacht wurden, hatten das Mißtrauen des Kardinals noch verstärkt. Er war nicht gesonnen, sich das Verfügungsrecht über die von französischen Truppen besetzten elsässischen Plätze und über Bernhards Eroberungen entwinden zu lassen. Die Verhandlungen hierüber waren bei Bernhards Tode noch nicht abgeschlossen, aber auch nicht abgebrochen. Das unerwartete Ereignis war für die französische Regierung insofern ein Verlust, als es sie eines sieggekrönten Feldherrn beraubte, aber es befreite sie andererseits von einem gefährlichen Rivalen am Oberrhein und brachte seine Eroberungen unter die französische Botmäßigkeit. Denn seine Brüder, denen er die Landschaften testamentarisch vermachte, waren nicht in der Lage, das Erbe anzutreten. Durch Verträge mit Bernhards Obersten sicherte sich Richelieu auch die herrenlos gewordene kampferprobte Armee. Auf den Hauptkriegsschauplätzen gegen Spanien, in Oberitalien, Lothringen, Flandern und an den Pyrenäen waren die Franzosen 1638/39 wiederum nicht glücklich. In Luxemburg wurden sie am 7. Juni 1639 von Piccolomini bei Diedenhofen geschlagen. Der „ewige Friede" zwischen Spanien und den drei rhätischen Bünden vom 3. September 1639 gewährte dem katholischen König die freie Benutzung der Alpenpässe1). Die antispanische Koalition in Italien war durch das Abschwenken Parmas und Mantuas zerfallen. In Savoyen hatte Richelieu zwar die HerzoginRegentin Christine, eine Schwester Ludwigs XIII., an seine Seite gezwungen, aber ihre Schwäger, der Prinz Thomas und der Kardinal Moritz von Savoyen, die ihre Vormundschaft über ihren Sohn nicht anerkannten, verbündeten sich mit Philipp IV. und bemächtigten sich 1639 des größten Teils des Landes mit Turin und Nizza. Nur durch schleunige Heranziehung von Verstärkungen konnte Richelieu die letzten französischen *) 1641 willigte auch Österreich in die Aufhebung des Vertrages von 1622 (s. oben S. 170) und trat die darin erworbenen Hoheitsrechte 1649/52 gegen eine Geldentschädigung ab.

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Positionen im Herzogtum behaupten. Die Niederländer hatten nach der Eroberung von Breda (10. Oktober 1637) keinen Erfolg zu Lande aufzuweisen, ein Vorstoß auf Antwerpen wurde im Juni 1638 von dem Kardinal-Infanten bei Calloo blutig abgeschlagen. Zur See erfocht Admiral Tromp am 21. Oktober 1639 an der Südküste Englands, bei Downs, einen glänzenden Sieg über die feindliche Flotte, der die spanische Flagge für Jahrzehnte aus dem Kanal vertrieb. Indes der holländische Kriegswille wurde dadurch nicht gestärkt, vielmehr gewannen die spanischen Anknüpfungsversuche bei der Friedenspartei unter den Kaufleuten zusehends an Boden. Auch zwischen Frankreich und den Habsburgern wurde weiterverhandelt, jedoch ohne Ergebnis. Richelieu wollte trotz der militärischen Mißerfolge und der Erschöpfung des Landes zumal in der lothringischen Frage nicht nachgeben, und in Madrid war die Hoffnung auf den. Endsieg noch nicht erschüttert. L i t e r a t u r . W. M o m m s e n a . a . O . Über Bernhard von Weimar vgl. auch Q. D r o y s e n , Bernhard von Weimar. 2 Bde., Leipzig 1885, und Vic. de N o a i l l e s , Episodes de la guerre de Trente ans. 3 Bde., Paris 1908/13. — G. de Mun, Richelieu et la maison de Savoie. Paris 1907. G. B j ö r l i n , Johan Baner. 3 Bde. Stockholm 1908/10. E . S a m u e l , Johann Baner als Ermattungsstratege in den FeldzUgen 1634—1639. Diss. Gießen 1921.

§ 75. Der beginnende Zusammenbruch Spaniens und die ersten Schritte zum Frieden (1640—1642). Hatten sich die Parteien 1639 ungefähr das Gleichgewicht gehalten, so erlangen mit dem Jahre 1640 die Gegner Habsburgs allmählich die Oberhand. Auf dem deutschen Kriegsschauplatz vermochten sie freilich noch keinen entscheidenden Erfolg zu erkämpfen. Zwar hatte im Dezember 1639 ein französisches, meist aus Bernhards Truppen bestehendes Heer unter dem Herzog von Longueville den Rhein überschritten, in der Wetterau die Winterquartiere bezogen und die Witwe des 1637 verstorbenen Landgrafen Wilhelm V., Amalie Elisabeth, zum Abschluß eines neuen Bündnisses bestimmt, aber Baner wurde Anfang 1640 von Erzherzog Leopold Wilhelm und dem auB Flandern herbeigerufenen Piccolomini wieder aus Böhmen herausgedrängt. Im Mai vereinigten sich — zum ersten Male — die Schweden bei Erfurt mit den französisch-hessischen Streitkräften; auch der Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg trat ihnen bei. Indes Piccolomini und der bayerische General Mercy operierten so geschickt, daß die Verbündeten keine Schlacht wagten, sich schließlich wieder trennten und Baner bis ins Braunschweiger Land zurückgehen mußte. In den Niederlanden hingegen zwang der Abmarsch Piccolominis den Kardinal-Infanten in die Verteidigung. Er konnte es nicht verhindern, daß die Franzosen am 9. August 1640 das lange belagerte Arras und damit den Schlüsselpunkt des Artois gewannen. Schon vorher hatte in Savoyen der Graf Harcourt Casale entsetzt, im September entriß er den Spaniern auch die Hauptstadt Turin. Zu einer immer wirksameren Waffe wuchs sich die von Richelieu geschaffene 14*

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und sorgsam ausgebildete französische Flotte aus. Sie erschütterte die spanische Herrschaft über das westliche Mittelmeer und fügte ihrem Handel durch den Kaperkrieg empfindliche Verluste zu. Die entscheidende Wendung des Krieges kam jedoch aus dem Innern der spanischen Monarchie. Olivarez' Expansionspolitik und der hierdurch bedingte harte Steuerdruck hatten in allen Provinzen eine Bteigende Unzufriedenheit erweckt, die größte in den aragonesischen Ländern, die noch dazu von seinen Zentralisierungsabsichten eine Aufhebung ihrer Sonderstellung und Privilegien befürchteten. Als zur Abwehr der französischen Angriffe an den Pyrenäen kastilische Truppen nach Katalonien gelegt wurden und die Einwohner drangsalierten, entlud sich im Juni 1640 die Erregung in der Hauptstadt Barcelona in einem offenen Aufstand, der raBch auf das ganze Land übergriff. Dadurch, daß Olivarez jedes Entgegenkommen ablehnte, vielmehr alle verfügbaren Truppen zur Unterwerfung des Aufruhrs heranzog, feuerte er ihn noch mehr an und trieb die Empörer in die Arme Richelieus. So unerbittlich der Kardinal in Frankreich alle provinzialen Selbständigkeitsgelüste gebrochen hatte, so bereitwillig unterstützte er in Spanien wie im Deutschen Reich die zentrifugalen Strömungen. In dem Bündnisvertrag vom 16. Dezember versprach er den Kataloniern Hilfe zum Schutz ihrer Freiheiten. Daraufhin erklärten die katalonischen Cortes am 23. Januar 1641 Philipp IV. für abgesetzt und unterstellten sich dem Protektorat Ludwigs XIII. Mit französischem Beistand wurde das kastilische Heer auf Tarragona zurückgeworfen. Die Erhebung blieb auf Katalonien beschränkt, aber sie verstärkte überall den Haß gegen den allmächtigen Minister und gab auch den letzten Anstoß zu dem Abfall Portugals. Obwohl die katholischen Könige sich hier mit der Personalunion begnügten, konnten die Portugiesen den Verlust ihrer Unabhängigkeit nicht verschmerzen. Ihre Erbitterung wuchs, als sie in steigendem Maße zu den Lasten des ihre Interessen gar nicht berührenden Krieges herangezogen wurden und in der Ubersee geradezu seine KoBten bezahlen mußten. Denn die Holländer drangen nicht nur in Ostindien immer weiter vor, auch die westindischen Stationen Portugals und der größte Teil Brasiliens wurde von ihnen erobert und unter der Statthalterschaft des tatkräftigen Grafen Johann Moritz von Nassau-Siegen (1637/44) zu einem niederländischen Kolonialreich ausgebaut. In dem Herzog Johann von Braganza lebte noch ein Abkömmling des alten portugiesischen Herrscherhauses 1 ), der, selbst ohne Ehrgeiz, von seiner ebenso tatkräftigen wie machtsüchtigen Gemahlin angespornt wurde. Auf Betreiben des Adels wurde er am 1. Dezember 1640 in Lissabon als Johann IV. zum König ausgerufen und von den Cortes anerkannt, die überseeischen Besitzungen mit Ausnahme Ceutas folgten dem Mutterland. Da die Spanier bloß wenige Besatzungen im Lande hatten, vollzog sich die Revolution kampflos und fast ohne >) Siehe Stammtafel S. 86.

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Blutvergießen. Auch hier hatte Richelieu seine Hand im Spiele. Bereits 1635 hatten sich die Portugiesen an ihn gewandt, jetzt verhieß er dem neuen König die Hilfe der französischen Flotte, aber eine feste Bindung für die Erhaltung der Unabhängigkeit Portugals wollte er nicht eingehen. In dem Vertrag vom 1. Juni 1641 beschränkte er sich auf allgemeine Versprechungen, während Johann IV. sich verpflichten mußte, ohne Zustimmung Frankreichs keinen Frieden mit Spanien zu schließen. Ein Bündnis zwischen Portugal und Holland war wegen der kolonialen Gegensätze nicht möglich, unter Richelieus Vermittlung wurde im Juni 1641 wenigstens ein lOjähriger Waffenstillstand auf Grund des Status quo unterzeichnet. 1 ) Zu einer Offensive waren die Portugiesen ebensowenig imstande wie die Spanier zu ihrer Unterwerfung. Aber der Abfall Portugals und der Aufstand in Katalonien zehrten nicht allein an den Bpanischen Finanzen, auf die Dauer brachten sie die innere Widerstandskraft der Monarchie zum Ermatten. In dem auswärtigen Kriege wirkte sich diese Lähmung erst allmählich aus. 1641 wurde die Lage für Richelieu noch einmal sehr kritisch, als sich eine neue Verschwörung der Großen gegen ihn bildete und ihr Führer, ein Prinz von Geblüt, der Graf von Soissons, mit den Spaniern gemeinsame Sache machte. Der ihm zu Hilfe geschickte kaiserliche General Lamboy fügte den königlichen Truppen am 6. Juli bei La Marföe unweit Sedan eine Niederlage zu, die indes durch den Tod des Grafen von Soissons sofort ausgeglichen wurde. Während die Erhebung zusammenbrach, drang ein französisches Heer in Flandern vor. Der aus Innerdeutschland herbeigerufene General Gu6briant besiegte Lamboy am 17. Januar 1642 bei Kempen und bemächtigte sich des Herzogtums Jülich mit den angrenzenden kurkölnischen und westfälischen Gebieten. Der Feldzug von 1642 brachte dann allerdings im Norden einen Rückschlag durch die Niederlage, die die Franzosen von dem Nachfolger deB im November 1641 gestorbenen Kardinal-Infanten, Don Francisco de Melo, bei Honnecourt erlitten (26. Mai), aber er wurde aufgewogen durch die gleichzeitigen Erfolge an den Pyrenäen und in Oberitalien. In Katalonien blieben die Spanier durch die französischen Waffen auf Tarragona beschränkt, mit der Einnahme des lange belagerten Perpignan (9. September 1642) vollendete Richelieu die Eroberung von Roussillon. Die Konflikte mit Savoyen wurden durch den Vertrag vom 14. Juni endgültig beigelegt, dem auch Prinz Thomas und der Kardinal von Savoyen beitraten. Darin verpflichtete sich Richelieu zur Räumung der von ihm besetzten Plätze, sobald die Spanier ein gleiches tun würden. An der Spitze französischer Streitkräfte brach Prinz Thomas in Mailand ein. In Deutschland hatten die Schweden, deren Führer den kaiserlichen Generalen weit überlegen waren, die Initiative wieder an sich gerissen. Noch im Dezember 1640 war Baner nach Süddeutschland aufgebrochen *) Auch zwischen England und Portugal wurde am 29. Januar 1642 ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen.

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und hatte sich unterwegs mit den von Guebriant geführten französischweimarschen Truppen vereinigt. Seinen kühnen Plan, Regensburg und den dort versammelten Reichstag zu überrumpeln, machten die kaiserlichen Verteidigungsmaßnahmen sowie plötzlich einsetzendes Tauwetter zunichte. Da die Verbündeten sich wegen ihrer Zwistigkeiten schon bald wieder trennten, konnten Erzherzog Leopold Wilhelm und Piccolomini die Schweden unter schweren Verlusten aus der Oberpfalz bis ins Bistum Halberstadt zurücktreiben, wo Baner am 20. Mai 1641 seinen Strapazen und Ausschweifungen erlag. Bis zur Ankunft seines Nachfolgers Lennart Torstenson übernahm Guebriant das Kommando, vermochte aber die Einnahme Braunschweigs durch die Österreicher und einen Neutralitätsvertrag der Herzoge mit dem Kaiser (16. Januar bzw. 19. April 1642) nicht zu verhindern. Nachdem Torstenson mit frischen Mannschaften aus Schweden angelangt war und das in der Auflösung befindliche Heer reorganisiert hatte, wandte er sich, um den Hauptgegner zu treffen, im Frühjahr 1642 gegen die österreichischen Erblande. Uber Schlesien stieß er bis nach Mähren vor und eroberte am 14. Juni Olmütz. Vor den überlegenen kaiserlichen Streitkräften ging er nach Schlesien und der Lausitz zurück und begann nach der Entsetzung Glogaus die Belagerung von Leipzig. Um die Stadt zu retten und Torstensons Vereinigung mit den vom Niederrhein anrückenden Franzosen zu verhüten, griffen ihn der Erzherzog und Piccolomini am 2. November an, erlitten aber auf der Walstatt von Breitenfeld eine vernichtende Niederlage. Anfang Dezember mußte Leipzig kapitulieren und blieb bis zum Schluß des Krieges in Händen der Schweden. Ihre Erfolge und mehr noch das durch die unaufhörlichen Kriegszüge, Kontributionen, Plünderungen und Seuchen ständig zunehmende Elend in Deutschland mußten die allgemeine Friedenssehnsucht noch verstärken. Der 1640 auf den Thron gelangte junge Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dessen märkische Lande fast ganz von den Schweden besetzt waren, hatte schon 1641 mit ihnen eine tatsächliche Waffenruhe vereinbart und seine unbrauchbare und unbotmäßige Armee aufgelöst. Zum Führer der Friedenspartei im Reiche warf sich Maximilian von Bayern auf. Er erkannte, daß ein katholischer Endsieg nicht mehr zu erkämpfen war, und erblickte das Haupthindernis des Friedens in der spanischen Politik und ihrem Einfluß auf den Kaiserhof. Auf päpstliche Anregung knüpfte er Anfang 1640 zu Einsiedeln in der Schweiz direkte Verhandlungen mit Frankreich an, die jedoch daran scheiterten, daß er die von Richelieu verlangte Trennung vom Kaiser nicht zusagen wollte. Ungefähr gleichzeitig, im Februar, trat auf sein Drängen in Nürnberg ein Kurfürstentag zur Beratung der Friedensfrage zusammen. Er beschloß die Einberufung des Reichstages, — des ersten seit 1613 —, der am 23. September 1640 von Ferdinand III. in Regensburg eröffnet wurde. Obwohl er dem Kaiser zum Unterhalt des Reichsheeres 120 Römermonate bewilligte, sprach er den dringenden Wunsch nach einem baldigen Frieden aus und schlug die Umwandlung

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des rein kaiserlichen HeereB in ein Reichsheer vor. Die Mehrheit stimmte dem protestantischen Antrag auf eine AmneBtierung aller Reichsstände zu, auch die RestitutionBfrage wurde in Angriff genommen und bloß die heikle pfälzische Sache Sonderverhandlungen vorbehalten. Die Beilegung der Religionsbeschwerden sowie die Justizreform übertrug der ReichBabschied vom 10. Oktober 1641 einem DeputationBtag. Damit hatte die aus Anhängern beider Konfessionen bestehende FriedenBpartei über den Kaiser und Spanien gesiegt1). Aber die Generalamnestie blieb zunächst auf dem Papier, da Hessen-Kassel und anfangs auch Braunschweig sich nicht von Frankreich und Schweden lösen wollten, und der Beschluß, mit den beiden fremden Mächten gleichzeitig, aber getrennt zu verhandeln, wurde durch die Erneuerung des franko-schwedischen Bündnisses (30. Juni 1641)*) durchkreuzt. In dem mit beiden Kronen abgeschlossenen Präliminarvertrag von Hamburg (25. Dezember 1641) mußte der Kaiser einwilligen, daß die im März 1642 zu eröffnenden Friedensverhandlungen zwar an verschiedenen Orten — mit Schweden in Osnabrück, mit Frankreich in Münster — geführt werden, aber als eine Einheit gelten sollten. Und noch in einem zweiten Punkte setzten die Verbündeten ihren Willen durch. Von dem formal berechtigten Standpunkt ausgehend, daß sie bloß mit dem Haupt des Hauses Österreich und mit seinen Anhängern, aber nicht mit dem Reich im Krieg begriffen seien, erreichten sie, daß der Friede nicht im Namen von Kaiser und Reich, sondern mit den betreffenden Reichsständen geschlossen werden sollte. Daß beide Staaten Landabtretungen fordern würden, war nicht mehr zu bezweifeln. Zu der Überlassung eines Teiles von Pommern an Schweden waren sowohl der Kaiser wie die Majorität der Reichsstände bereit, aber die dann unvermeidliche anderweitige Entschädigung Brandenburgs schuf neue Schwierigkeiten. Richelieu seinerseits legte sich auch jetzt noch nicht endgültig fest. Jedoch nach den diplomatischen und militärischen Erfolgen seit 1640 war er entschlossen, außer Pignerolo und Lothringen auch seine Eroberungen in Roussillon, in Flandern, der Freigrafschaft und im Elsaß sowie Breisach zu behalten. Da, wie er wohl wußte, die Habsburger zu solchen Konzessionen noch nicht mürbe genug waren, wollte er den Krieg biB zu ihrer völligen Niederwerfung fortsetzen und ohne Einbeziehung Spaniens keinen Frieden eingehen. Dadurch wurde Ferdinand III. noch enger an die Seite des katholischen Königs getrieben. Unter diesen Umständen wurde der Zusammentritt des Doppelkongresses immer weiter hinausgeschoben und die Entscheidung wiederum den Waffen überlassen. Literatur. W. L a n g e n b e c k , Die Politik des Hauses Braunschweig-Lüneburg in den Jahren 1640 und 1641. (Quellen u. Darstellungen zur Qesch. Nieder*) Über die hiermit in Zusammenhang stehenden Ansätze der Stände, sich innerhalb der Kreisverfassung zu „Defensionen" zusammenzuschließen vgl. F. Härt u n g , Deutsche Verfassungsgeschichte1, S. 21 f. *) Siehe S. 209.

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Sachsens 18.) Hannover 1904. B. D u d i k , Die Schweden in Böhmen und Mähren 1640—50. Wîenl879. v. K a l t e n b o r n , LennartTorstensohn. (Jahrb. f.d. Deutsche Armee u. Marine 50/51.) E. P r e s t a g e , The Diplomatie Relations of Portugal with France, England and Holland from 1640 to 1688. Watford 1925.

§ 76. Die letzten Kriegsjahre (1643—1648). Durch ein merkwürdiges Zusammentreffen traten um die Jahreswende 1642/43 die führenden Staatsmänner in beiden Lagern, Richelieu und Olivarez, bald nacheinander vom Schauplatz ab. Der Tod Richelieus am 4. Dezember 1642, dem sein König am 14. Mai 1643 ins Grab folgte, übte auf den Krieg keinen Einfluß aus, da der von ihm empfohlene neue Prinzipalminister Kardinal Mazarin und die Mutter des minderjährigen Ludwig XIV., die Regentin Anna von Österreich, an den Grundlinien seiner Politik festhielten. Dagegen bedeutete der Sturz seines Gegners Olivarez im Januar 1643 einen Systemwechsel in Spanien. Auch Philipp IV. konnte sich den Vorstellungen nicht länger verschließen, daß die imperialistische und zentralistische Politik seines Günstlings völlig Schiffbruch erlitten hatte und den Staat unaufhaltsam zugrunde richten mußte. Um die von innen wie von außen bedrohte Monarchie zu erhalten, mußte sich Olivarez' Nachfolger, Don Luis de Haro, auf die Defensive beschränken. Eine Unterstützung des Kaisers im Reich war ebenso unmöglich wie die Unterwerfung der nördlichen Niederlande. Die tödliche Erkrankung Ludwigs XIII. und die Hoffnung auf innerfranzösische Wirren bestimmten den Statthalter Melo im Frühjahr 1643 zu einem letzten Einfall nach Nordfrankreich. Aber vor der Grenzfeste Rocroi griff ihn der Herzog Ludwig von Enghien — der spätere große Cond6 — am 19. Mai an und bewies durch seinen glänzenden Sieg die Überlegenheit der in den letzten Jahren umgebildeten französischen Armee über das spanische Fußvolk und dessen alte Schlachtordnung. Er wandte Bich dann gegen die Mosel und bemächtigte Bich Anfang August Diedenhofens und Siercks. Die Einnahme von Diedenhofen pries Mazarin öffentlich alB erste Erweiterung der Grenzen. Diese Erfolge ermöglichten die Entsendung von Verstärkungen nach Deutschland, wo Gu6briants Vorstöße gegen Rayern zweimal von dem bayerischen Feldzeugmeister Mercy abgeschlagen und die Franzosen über den Rhein zurückgeworfen worden waren. Bei einem neuen Vormarsch nach Schwaben wurde Gu6briant bei der Belagerung von Rottweil tödlich verwundet und sein Heer wenige Tage später, am 24. November 1643, bei Tuttlingen von Mercy aufgerieben. Torstenson war im Winter 1642/43 von den Kaiserlichen in der Lausitz festgehalten worden. Als er im Sommer 1643 über Prag in Mähren eingebrochen war, erhielt er im HerbBt von seiner Regierung den Befehl zum Angriff auf Dänemark 1 ). Der Gegensatz zwischen den Nachbarreichen war durch die Bchwe*) Der Befehl war am 25. Mai von Stockholm ergangen, kam aber erst Ende September in Torstensons Hände.

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dischen Siege in Deutschland, durch die endlosen Streitigkeiten über den Sundzoll und Christians IV. Einmischung in die Konflikte zwischen dem schwedischen Reichsrat und der Königin-Witwe noch verschärft worden. Es blieb in Stockholm nicht verborgen, daß der Dänenkönig sich seit 1641 um eine Verbindung mit Rußland gegen Schweden bemühte. Diese Umtriebe und die von Christian beanspruchte Vermittlerrolle in den Osnabrücker Friedensverhandlungen bestärkten Oxenstierna in seiner alten Überzeugung, daß Dänemark der unversöhnliche Erbfeind seines Landes sei und zu Boden geworfen werden müsse. Auf seine Vorstellungen beschloß der Reichstag am 16. November 1643 den Krieg. Der Zeitpunkt war insofern günstig gewählt, als Christian IV. nicht gerüstet und ohne Bundesgenossen war, wogegen Schweden von den Generalstaaten zwar nicht offiziell, aber tatsächlich durch Materiallieferung und Schiffe unterstützt wurde. Mitte Dezember rückte Torstenson in Holstein ein und stand im Januar 1644 in Jütland, im Februar fiel ein zweites schwedisches Heer unter Horn in Schonen ein. Auch zur See zeigte sich Schweden allmählich überlegen, am 13. Oktober wurde die dänische Flotte bei Fehmarn nahezu vernichtet. Die erhoffte Entlastung durch die Kaiserlichen blieb aus. Gallas erschien erst im Juli in Holstein, wich aber einer Schlacht aus und marschierte, als Torstenson im August an ihm vorbei ins Reich abzog, hinter ihm her. Das Jahr 1645 brachte den Dänen weitere Niederlagen. Bornholm, fast die ganzen Elbherzogtümer sowie das Erzstift Bremen gingen an die Schweden verloren, die Generalstaaten ergriffen offen Partei und entsandten ein Geschwader in den Sund, das im Juni die Meerenge besetzte. Angesichts der hoffnungslosen militärischen Lage drang der dänische Reichsrat auf den Frieden, der unter französischer Vermittlung am 13. AuguBt 1645 in Brömsebro zustande kam. Hierin mußte Dänemark dem Nachbarn die uneingeschränkte Sundzollfreiheit einräumen, die Inseln Gotland und ösel sowie die norwegischen Lande Jemtland und Herjedalen abtreten und Hailand auf dreißig Jahre verpfänden; auch Bremen blieb in schwedischer Gewalt. Damit hatte Dänemark seine Vormachtstellung im Norden endgültig eingebüßt, und Schweden konnte seine Kräfte auf die Beendigung des deutschen Krieges konzentrieren. In glücklichen Kämpfen mit Gallas war Torstenson Anfang 1645 aufs neue in Böhmen eingedrungen mit der ausgesprochenen Absicht, „den Kaiser im Herzen anzugreifen und ihn zum Frieden zu zwingen". Bei Jankau trug er am 6. und 7. März einen vollständigen Sieg über den Grafen Hatzfeld davon und stieß dann durch Mähren bis Krems an der Donau vor. Die Gefahr war für Ferdinand III. um so größer, da sich inzwischen Siebenbürgen gegen ihn erhoben hatte. Hier hatte sich nach dem Tode Bethlen Gabors und den üblichen Thronwirren 1630 Georg Rakoczy der Herrschaft bemächtigt. Obwohl er sich 1631 gegen die kaiserliche Anerkennung zur Wahrung des Friedens verpflichtet hatte, stand er, in den Bahnen seines Vorgängers wandelnd, schon länger mit den Feinden Österreichs in

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Verbindung1). Nachdem er im November 1643 ein förmliches Bündnis mit Frankreich und Schweden unterzeichnet hatte, fiel er Anfang 1644 mit Zustimmimg der Pforte in Oberungarn ein, wo sich ihm die unterdrückten Protestanten anschlössen. Vor den durch Torstensons Abmarsch nach Holstein freigewordenen kaiserlichen Streitkräften zog er sich indes schon bald bis zur Theiß zurück und eröffnete Friedensverhandlungen. Nach der Schlacht bei Jankau und einem neuen Vertrag mit Frankreich drang er 1645 abermals vor, aber die geplante Kooperation mit den Schweden vereitelte Ferdinand III. dadurch, daß er den Sultan, der 1642 den Waffenstillstand mit ihm auf 20 Jahre verlängert hatte, zu einem Druck auf den Fürsten bestimmte. Auf die Drohungen der Pforte schloß dieser am 8. August 1645 mit dem Kaiser den Frieden von Wien und gewann außer einigen Burgen die sieben imgarischen Komitate, die einst Bethlen Gabor besessen hatte. Torstenson hatte sich inzwischen mit der Belagerung von Brünn aufgehalten, von Rakoczy im Stich gelassen und von zwei kaiserlichen Heeren bedroht, mußte er sie im August 1645 abbrechen. Nachdem er die Kaiserlichen nochmals über die Donau zurückgeworfen hatte, ging er nach Nordböhmen zurück und schuf sich hier besonders durch die Einnahme von Leitmeritz eine feste Angriffsbasis gegen die Erblande. Sie wurde noch verstärkt dadurch, daß der Kurfürst von Sachsen am 6. September einen Waffenstillstand mit den Schweden abschloß, der ihnen das Durchzugsrecht durch sein Land und die Besetzung von Leipzig verbürgte. Im Westen hatte nach dem Tode Gu6briants Ende 1643 der erst 32jährige Henri de la Tour d'Auvergne, Vicomte de Turenne, der sich unter Herzog Bernhard die militärischen Sporen verdient hatte, den Oberbefehl übernommen. Mit seinen geschwächten Truppen konnte er es nicht verhindern, daß Mercy am 28. Juli 1644 Freiburg im Breisgau eroberte. Obgleich Enghien aus Lothringen Verstärkungen heranführte, wies der bayerische Feldherr die Angriffe auf seine Stellungen bei der Stadt in den Gefechten vom 3. bis 5. August blutig ab, mußte aber dann, um nicht von Schwaben abgeschnitten zu werden, über den Schwarzwald zurückgehen. Enghien verfolgte ihn nicht, sondern sicherte sich durch die Besetzung von Landau, Speyer, Philippsburg, Worms, Mainz und Kreuznach die Herrschaft über die Rheinlinie. Im Frühjahr 1645 gleichzeitig mit Torstensons Vorstoß gegen die Erblande rückte Turenne gegen Bayern vor. Er bemächtigte Bich Rothenburgs an der Tauber, wurde aber am 5. Mai von Mercy bei MergentheimHerbsthausen geschlagen. Damit war Bayern vor der Invasion bewahrt und eine Verbindung der Schweden und Franzosen verhütet. Mit den Resten seiner Armee zog sich Turenne nach Hessen zurück. Nachdem er sich durch hessische und schwedische Truppen verstärkt und in Heidelberg wiederum mit Enghien vereinigt hatte, drangen die beiden Generale erneut gegen Bayern vor und griffen Mercy am 3. August bei Alerheim, östlich von Nördlingen, an. Der Kampf blieb unentschieden, ') Siehe oben S. 208.

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aber die Bayern verloren ihren genialen Führer und räumten das Schlachtfeld. Jedoch auch die Franzosen hatten so große Verluste erlitten, daß sie die Offensive einstellen mußten. Nach der vergeblichen Belagerung von Heilbronn wurde Turenne von den kaiserlich-bayerischen Truppen unter die Mauern von Philippsburg zurückgedrängt. Er wandte sich nach dem Mittelrhein, wo er den vom Kaiser freigelassenen Trierer Kurfürsten in seine Lande zurückführte. Trotz dieser Kämpfe waren die Brücken zwischen Paris und München nicht ganz abgebrochen. Im März 1645 hatte Maximilian seinen Beichtvater, den Jesuiten Vervaux, nach Frankreich entsandt mit dem Ersuchen um den französischen Schutz und einen Waffenstillstand. Diesen lehnte Mazarin ab, ließ aber durch seinen Vertreter auf dem Friedenskongreß in Münster den Schutz der bayerischen Interessen in Aussicht stellen für den Fall, daß der Kurfürst in Wien die französischen Ansprüche auf die Landgrafschaft Elsaß, auf Breisach und Philippsburg befürworte. Nach der Schlacht von Alerheim verstand sich der Wittelsbacher dazu, brach aber nach dem Rückzug Turennes die Verhandlungen über den Waffenstillstand wieder ab. Ende Dezember schickte er dem Kaiser auf dessen Bitten Hilfstruppen gegen die Schweden, mit denen Erzherzog Leopold Wilhelm Anfang 1646 den Nachfolger des erkrankten Torstenson, Karl Gustav Wrangel, zur Räumung Böhmens nötigte. Wrangel ging zunächst bis zur Weser zurück und verband sich im August in Fritzlar mit Turenne, der am 15. Juli bei Wesel den Rhein überschritten hatte. Damit war die französisch-schwedische Vereinigung zu gemeinsamer Aktion, die bisher immer wieder an militärischen Gründen und dem gegenseitigen Mißtrauen gescheitert war, endlich erreicht. Der Erzherzog, der den Schweden bis nach Hessen gefolgt war, ließ die Verbündeten ungestört durch Franken nach Bayern ziehen; kampflos überschritten sie im September die Donau. Der erwartete Angriff auf München unterblieb, sie wandten sich vielmehr gegen AugBburg, das der Erzherzog noch rechtzeitig entsetzen konnte (12. Oktober 1646). Sein Versuch, dem Feinde durch einen Zug in den Allgäu die Zufuhr abzuschneiden, schlug fehl, plündernd ergossen sich die alliierten Truppen über das ganze westliche Bayern von der Isar bis nach Vorarlberg hinein. Die Verwüstung seines Landes, die Erschöpfung seiner Finanzen und die Unfähigkeit der kaiserlichen Kriegführung, die das Kurfürstentum seinem Schicksal überließ, bestimmten Maximilian, seine alte Drohung mit einem Sonderabkommen jetzt wahrzumachen. In dem Ulmer Vertrag vom 14. März 1647 wurde zwischen ihm und Frankreich-Schweden ein Waffenstillstand auf sechs Monate oder bis zum allgemeinen Frieden vereinbart, der die altbayerischen Lande von Einquartierungen und Durchzügen befreite. Maximilians Bruder, Kurfürst Ferdinand von Köln, wurde in den Vertrag einbezogen, bald darauf, im Mai 1647, schloß auch der Erzbischof von Mainz für seine rechtsrheinischen Gebiete einen Waffenstillstand mit Turenne ab. Jetzt war Ferdinand III. im Reich vollkommen isoliert. Sein Ver-

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such, die bayerische Armee als einen Teil des Reichsheeres zu sich herüberzuziehen, führte zu der rechtzeitig entdeckten und vereitelten Meuterei Johanns von Werth 1 ). Indes die Abberufung Turennes in die Niederlande (Mai 1647), Mißerfolge der Schweden in Böhmen und ein jäher Umschwung der bayerischen Politik retteten den Kaiser noch einmal. Der Kurfürst war den Vertrag von Ulm eingegangen in der Hoffnung, dadurch den allgemeinen Frieden zu beschleunigen, Frankreich von Schweden zu trennen und durch ein Schutzbündnis mit Frankreich für sich Deckung nach allen Seiten zu erlangen. Als er die Aussichtslosigkeit dieser Bemühungen erkannte und die Hofburg Anstalten machte, ihn in der pfälzischen Frage im Stich zu lassen, schloß er sich in dem Passauer Abkommen vom 2. September 1647 wieder an den Kaiser an und sagte den Schweden die Waffenruhe auf. Mit Frankreich wollte er sie aufrechterhalten, aber Mazarin ging nicht darauf ein, sondern kündigte sie auf schwedischen Druck seinerseits. Die kaiserlich-bayerischen Truppen zwangen Wrangel Ende des Jahres noch einmal nach Norddeutschland zurück. Jedoch schon Anfang 1648 brach er wieder nach Franken vor und vereinigte sich hier im März mit Turenne, ohne daß die feindlichen Führer es verhindern konnten. Unter furchtbaren Verwüstungen drangen die Verbündeten über die Donau und nach dem Sieg bei Zusmarshausen (17. Mai) über den Lech bis zum Inn vor, bis ihnen Piccolomini im Juli Einhalt gebot und sie langsam hinter den Lech zurückdrängte. Eine zweite schwedische Armee unter dem General Königsmark war gleichzeitig durch die Oberpfalz in Böhmen eingefallen und hatte am 26. Juli die Kleinseite von Prag mit dem Hradschin überrumpelt. Den Versuchen, die ganze Stadt zu erobern, leisteten Besatzung wie Bürgerschaft verzweifelten Widerstand, bis die Nachricht von dem Friedensschluß der Belagerung ein Ende bereitete. Ebenso erbittert und wechselvoll wurde auf den außerdeutschen Schauplätzen gerungen. In den Niederlanden waren die Verbündeten seit 1643 im ständigen Vordringen, das durch die Abberufung Melos (September 1644) noch erleichtert wurde. Während die Holländer auf dem unteren linken Scheideufer Boden gewannen, durch die Eroberung von Hülst das Mündungsgebiet an sich brachten und Gent bedrohten, nahmen die Franzosen 1644 Gravelingen, im folgenden Jahre eine Reihe der flandrischen Festungen, wie Mardijk, Comines, Ypern, B6thune. 1646 fiel auch Courtrai und mit Hilfe der holländischen Flotte Dünkirchen. Abweichend von Richelieus Politik, dachte Mazarin an eine Einverleibung der südlichen Niederlande, gegebenenfalls im Austausch gegen Katalonien. Aber wie sich hier die Spanier in Tarragona behaupteten und 1643 den Franzosen Lerida wieder entrissen, so verstärkten Mazarins Absichten das Mißtrauen und die Friedenswünsche der Generalstaaten. Ihre Kriegsmüdigkeit, die Krankheit und der Tod des Prinzen Friedrich Heinrich (14. März 1647) sowie die Ernennung des Erzherzogs Leopold l ) Hierüber vgl. 8. R i e z l e r , Die Meuterei Johanns von Werth. schr. 82.)

(Hist. Zeit-

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Wilhelm zum spanischen Statthalter brachten 1647 die französische Offensive zum Stillstand und einen Teil der eroberten Plätze wieder in spanische Gewalt. Auch in seinem Heimatland Italien ging Mazarin über die von Richelieu gesteckten Ziele hinaus. Bei der Papstwahl nach dem Ableben Urbans VIII. (gest. 29. Juli 1644) hatte er freilich eine Niederlage erlitten, da mit Innozenz X. sein persönlicher Gegner und ein Anhänger Habsburgs die Tiara erlangte. Aber ein glücklicher französischer Flottenvorstoß im HerbBt 1646, die Besetzung von Portolongone auf Elba und Piombino an der toskanischen Küste machten den PapBt sowie die mittelitalienischen Fürsten gefügiger und verschafften Frankreich eine Angriffsbasis gegen Mailand und Neapel, so daß der Kardinal schon die Verdrängung Spaniens von der Halbinsel ins Auge faßte: In Neapel brach wegen des harten spanischen Steuerdruckes im Juli 1647 ein Aufstand aus unter Führung deB 24jährigen Fischhändlers Masaniello (Tommaso Aniello). Nachdem er in den Kämpfen mit der Regierung ermordet worden war, riefen die Aufrührer einen französischen Großen, den Herzog Heinrich V. von Guise, an die Spitze der neuen Republik. War schon diese Wahl Mazarin unerwünscht, so entsprach auch der Verlauf der Bewegung seinen Hoffnungen nicht. Da sie nur von den niederen Schichten der Bevölkerung getragen wurde, trieb sie den neapolitanischen Adel an die Seite des katholischen Königs. Bei diesen Gegensätzen richtete die Pariser Diplomatie ebensowenig aus wie die französische Flotte. In kurzer Zeit wurde die Empörung blutig unterdrückt, Guise gefangen gesetzt und im Februar 1648 die Herrschaft Philipps IV. wieder hergestellt. Auch hier erwies sich Spanien in der Defensive widerstandsfähiger, als Mazarin erwartet hatte, ein Moment, das auf die gleichzeitigen Friedensverhandlungen erschwerend einwirkte. Literatur. J. H e i l m a n n , Die Feldzüge der Bayern in den Jahren 1643, 44 und 45. Leipzig-MeiBen 1851. P. Qantzer, Torstensons Einfall und Feldzug in Böhmen 1645 bis zur Schlacht bei Jankau. Prag 1904. H. Frhr. v. E g l o t t s t e i n , Bayerns Friedenspolitik vom Jahre 1645—47. Leipzig 1898.

§ 77. Der Westfälische Friede. Der auf dem Regensburger Reichstag festgesetzte Deputationstag war erst am 21. Februar 1643 in Frankfurt eröffnet worden. Obwohl ihm vom Kaiser nur die Justizreform und die Religionsbeschwerden zur Beratung zugewiesen worden waren, wurde auch die Friedensfrage und die Zuziehung des Reiches zu dem Friedenskongreß erörtert. Während die Kurfürsten unter Führung Maximilians von Bayern gemäß dem Reichsabschied von 1641 die Teilnahme auf das Kurfürstenkolleg beschränkt sehen wollten, verlangten die Fürsten und Städte beider Konfessionen die Zulassung aller Stände. Sie fanden Unterstützung bei den fremden Mächten, bei Frankreich und Schweden, die dadurch einen Einfluß auf die Regelung der innerdeutschen Angelegenheiten zu erringen hofften. Ihrem vereinten Druck gab der Kaiser nach der Niederlage von Jankau nach und lud am 29. August 1645 alle stimmberechtigten Stände zu

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dem westfälischen Friedenskongreß ein, wobei es den einzelnen überlassen blieb, ob sie in Münster oder Osnabrück erscheinen wollten. Hier hatten die Beratungen nach mehrfachen Verschiebungen im Dezember 1644 endlich begonnen. Da der allgemeine Friede erreicht werden sollte, waren neben den am deutschen Krieg Beteiligten auch Spanien, die Generalstaaten, Portugal, Savoyen, Toskana, Mantua und die Eidgenossenschaft vertreten. Hinzu kamen als Vermittler der päpstliche Nuntius Fabio Chigi und der Venetianer Contarini, wogegen der dänischen Vermittlerrolle durch den unglücklichen Krieg mit Schweden ein Ende bereitet war. So wuchs sich die Versammlung zu einem großen europäischen Kongreß aus, auf dem nur England, Dänemark, Polen, Rußland und Siebenbürgen fehlten. Während diese Mächte aber in den Frieden eingeschlossen wurden, blieb die Türkei völlig ausgeschaltet. Die französischen Bevollmächtigten waren der Herzog von Longueville, Richelieus Unterhändler d'Avaux sowie der Vertrauensmann Mazarins Abel Servien. Schweden war durch Johann Oxenstierna, den Sohn des Kanzlers, und Adler Salvius vertreten. Die Führung der kaiserlichen Gesandtschaft übernahm Ende 1645 Ferdinands III. gewandter und kluger Obersthofmeister Graf Maximilian Trautmannsdorff, der schon längst für die Beendigung des Krieges eingetreten war. Unter den Delegierten der Reichsstände ragten der schroff katholische Osnabrücker Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg, sein Gesinnungsgenosse, der Benediktiner Adam Adami, der brandenburgische Vertreter Graf Johann von Sayn-Wittgenstein und als juristische Autorität der Braunschweiger Jakob Lampadius hervor. Die Verhandlungen nahmen zunächst einen äußerst schleppenden Verlauf. Die Größe und räumliche Trennung des Kongresses, der Umfang seiner Aufgaben, die unausbleiblichen Etikettestreitigkeiten sowie die sachlichen und persönlichen Gegensätze — auch innerhalb der einzelnen Missionen — führten immer wieder zu Stockungen. Dazu kam, daß man auf beiden Seiten von den gleichzeitigen kriegerischen Aktionen einen Umschwung erhoffte und deshalb geflissentlich dilatorisch vorging. Zuerst und losgelöst von den deutschen Fragen wurde der F r i e d e z w i s c h e n S p a n i e n u n d H o l l a n d erreicht. Die Madrider Regierung hatte die Hoffnung auf eine Wiedererwerbung der nördlichen Provinzen längst aufgegeben und ihre alten Bemühungen um einen Sonderfrieden seit 1645 verdoppelt. Je gesicherter die Lage der Generalstaaten durch ihre militärischen Erfolge geworden war, um so mehr wuchs auch hier die Friedenspartei, deren Einfluß durch die Erkrankung Friedrich Heinrichs und die portugiesischen Erhebungen in Brasilien noch gesteigert wurde. Die größte Schwierigkeit bestand in der Frankreich gegenüber eingegangenen Verpflichtung, keinen Separatfrieden zu schließen. Daß sich die Niederländer darüber hinwegsetzten, dazu trug neben der Kriegsmüdigkeit Mazarin selbst durch seine Annexionsgelüste wesentlich bei. Denn darüber konnte kein Zweifel obwalten, daß für die nördlichen Provinzen das mächtige Frankreich ein viel gefährlicherer Nachbar war als

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das entfernte und geschwächte Spanien, und daß unter der veränderten Konstellation die spanischen Niederlande für die Generalstaaten ein treffliches Glacis gegen den französischen Ausdehnungsdrang bildeten. Unter der Vermittlung des Nuntius, der im Interesse der Kurie ein Übergewicht Frankreichs zu verhüten strebte, schritten die 1646 in Münster begonnenen Verhandlungen schneller fort, so daß die Präliminarien im Januar 1647 zustande kamen. Mazarins Gegenbemühungen im Haag vermochten den endgültigen Abschluß noch zu verzögern, aber nicht mehr zu verhindern; am 30. Januar 1648 wurde der Friedensvertrag in Münster unterzeichnet. Darin erkannte der katholische König die Freiheit und Souveränität der Vereinigten Provinzen auf ewige Zeiten an und verzichtete für sich und seine Nachfolger auf alle Ansprüche. Die Generalstaaten behaupteten die in ihrem Besitz befindllichen Eroberungen Moritz1 und Friedrich Heinrichs, darunter die Scheldemttndung, sowie Bergen op Zoom, Breda, Maastricht und Herzogenbusch. Diese sogenannten „Generalitätslande" arrondierten und sicherten ihr Gebiet im Süden und Südosten. Die Scheidemündung wurde geschlossen und dadurch Amsterdam von der Konkurrenz Antwerpens befreit. Die südlichen Niederlande sanken nach einem Worte Pirennes zu einem „Körper ohne Seele, zu einem Beratungsstoff bei Verträgen, zu einer Barriere, einem Schlachtfeld" herab. In West- und Ostindien sollte der Status quo erhalten, in Europa der Handelsverkehr wiederhergestellt werden. Nach 80jährigem Freiheitskampf hatten die nördlichen Niederlande jetzt endgültig ihre Unabhängigkeit erstritten und sich zugleich durch ihre wirtschaftlichen und militärischen Leistungen zu einer Großmachtstellung erhoben, die freilich über ihre tatsächlichen Kräfte hinausging und darum nicht dauernd behauptet werden konnte. Die den Spaniern in den Verhandlungen abgerungene Klausel, daß der Friede erst in Kraft treten solle, wenn auch zwischen ihnen und Frankreich ein Ausgleich erzielt sei, blieb auf dem Papier. Damit wurden die Generalstaaten ihrem französischen Verbündeten gegenüber vertragsbrüchig und erwiesen ihrem bisherigen Gegner einen großen Dienst. Denn der Münstersche Friede bestärkte Philipp IV. in seinem Widerstand gegen MazarinB Forderungen, der zu Richelieus Bedingungen noch die spanischen Niederlande, sei es im Austausch gegen Katalonien und Roussillon oder als Mitgift für die mit Ludwig XIV. zu vermählende Tochter Philipps IV., verlangte. Angesichts der spanischen Hartnäckigkeit hatte sich aber auch Mazarin zu einer Änderung seiner Taktik entschlossen. Unter Verzicht auf den früher erstrebten Gesamtabschluß mit dem Hause Habsburg suchte er jetzt mit dem Kaiser allein zu einer Verständigung zu gelangen und so seinerseits Spanien zu isolieren. Gemäß dem immer wieder betonten Grundsatz, „daß Frankreich nur mit Österreich und nicht mit dem Reich im Krieg sei", und um die Freundschaft mit den Fürsten nicht zu gefährden, richteten sich die f r a n z ö s i s c h e n E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r ü c h e von vornherein auf österreichische Lande. Seit dem Beginn der Verhandlungen standen neben der

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als selbstverständlich betrachteten Erwerbung der lothringischen Bistümer das Elsaß und Breisach im Vordergrund. Als die Gesandten in Münster von den Bayern, denen sie ihre Bedingungen mitteilten, erfuhren, daß das Elsaß nicht nur österreichische, sondern auch reichsständische Gebiete umfaßte, beschränkten sie ihre Forderung im August 1645 auf die österreichischen Besitzungen und Hoheitsrechte, dehnten sie aber vom Elsaß auf den Breisgau aus. In der Erkenntnis, daß eine so große rechtsrheinische Abtretung unerrreichbar sein würde, setzte Mazarin am 22. November 1645 das Programm auf das Ober- und Unterelsaß, — worunter er das österreichische Elsaß verstand —, mit Breisach und Philippsburg fest, so daß von nichtösterreichischem Besitz bloß die speyerische Festung Philippsburg begehrt wurde. Auf dieser Grundlage wurden im Januar 1646 die Verhandlungen mit Trautmannsdorff aufgenommen. Denn wenn die französischen Bevollmächtigten hierin zuerst auch noch den Breisgau und die vier österreichischen Waldstädte Säckingen, Rheinfelden, Laufenburg und Waldshut verlangten, so war das mehr als diplomatisches Pressionsmittel gedacht. TrautmannBdorffs Versuch, durch eine Verständigung mit Schweden und den Protestanten Frankreich zu isolieren und seine Forderungen herabzudrücken, scheiterte an der Haltung Kurfürst Maximilians. Um den Frieden zustande zu bringen und Mazarins Unterstützung in der pfälzischen Frage zu erlangen, setzte der Wittelsbacher Bich energisch für die französischen Ansprüche ein. Seinen Vorstellungen und Drohungen in Wien war es vor allem zuzuschreiben, daß der Kaiser am 2. März 1646 Beinen Vertreter in Münster zum schrittweisen Verzicht auf das Elsaß anwies. Erleichtert wurde ihm das Entgegenkommen dadurch, daß die vorderösterreichischen Lande nicht ihm, sondern der von Erzherzog Leopold begründeten Nebenlinie gehörten und der Besitz im Elsaß bereits von Ferdinand II. in den Geheimabmachungen mit Spanien geopfert worden war. Uber die Einzelheiten, insbesondere über Breisach und die elsässischen Reichsstände, wurde noch lange verhandelt, bis nach der Vereinigung Wrangeis und Turennes 1 ) am 13. September 1646 der Präliminarvertrag über die französische Entschädigung unterfertigt wurde. Darin traten Kaiser und Reich, — denn die Franzosen verlangten die Sanktionierung durch daß Reich —, ab: Breisach, die Landgrafschaft Ober- und Unterelsaß, den Sundgau, die Landvogtei der zehn Reichsstädte mit allen hierzu gehörigen Dörfern und Rechten; jedoch sollte der allerchristlichste König gehalten sein, die reichsunmittelbaren Stände in beiden Elsaß in ihren Freiheiten zu belassen, ohne daß dadurch seine Souveränität geschmälert werden solle. Sinn und Tragweite dieser Bestimmungen sind in der historischen Literatur lange umstritten gewesen, da die staatsrechtlichen Verhältnisse im Elsaß vor 1648 sehr verwickelt und wenig geklärt waren. Namentlich durch A. Overmanns Forschung 2 ) ist jetzt erwiesen, daß ») Siehe oben S. 219. ') Neben O v e r m a n n ist besonders K. J a k o b und zusammenfassend A. S c h u l t e , Frankreich und das linke Rheinufer* (Stuttgart-Berlin 1918) zu nenneD.

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die Landgrafschaft Oberelsaß fast das ganze Oberelsaß umfaßte, — viel mehr, als man deutscherseits früher geglaubt hatte —, daß die Landgrafschaft Unterelsaß dagegen keinen territorialen Besitz in sich schloß, sondern einen leeren Titel mit zwei bedeutungslosen Ehrenrechten darstellte, der zudem schon längst an den Bischof von Straßburg verkauft war. Wenn trotzdem die irreführende Bezeichnung in den Präliminarund Friedensvertrag aufgenommen wurde, so trifft die Schuld daran die Österreicher, die die französischen Gesandten über die tatsächliche Lage nicht aufklärten, aus Furcht vor weitergehenden Forderungen an daB Erzhaus. Dadurch mußten die Franzosen in ihrer von Anfang an vorhandenen Überschätzung der österreichischen Besitzungen und Rechte im Elsaß noch bestärkt werden. Auf diese falsche Auffassung ist auch der Zusatz über die elsässischen Reichsstände zurückzuführen, durch den sich die Franzosen die vermeintlichen österreichischen Rechte über sie in vollem Umfang sichern wollten. Vergebens forderten die elsässischen und die gesamten Reichsstände eine klare, jeden Irrtum ausschließende Definition der Abtretung. Aus der Besorgnis vor weiteren Verlusten an ihrem Hausgut lehnten die Österreicher mit den Franzosen eine Änderung ab, so daß die Bestimmungen unberichtigt in den endgültigen Friedensvertrag übernommen wurden. Jedenfalls haben die Franzosen während der Münsterschen Verhandlungen an der Anschauung festgehalten, daß, wie es in einer Denkschrift Serviens vom 24. August 1648 heißt, sie „mit Recht nur das beanspruchen könnten, was bisher dem Hause Österreich gehört hat, das ja keine Oberhoheit über die elsässischen Reichsstände besessen hat". Später aber haben sie die unklare und ungenaue Formulierung des Vertrages als willkommene Handhabe für die Reunionspolitik benutzt. Ursprünglich hatten sie wie die Kaiserlichen die Absicht gehabt, die abzutretenden Gebiete im Reichsverband zu belassen, wozu auch die Stände, besonders die Katholiken, sehr geneigt waren. Das gewährte dem König den Vorteil, daß er als Reichsstand einen dauernden, legalen Einfluß auf alle Reichsangelegenheiten, namentlich auch auf die KaiBerwahl ausüben konnte. Eben deswegen zogen aber die Wiener Staatsmänner ihr Angebot bald zurück und setzten die völlige LoslöBung vom Reiche durch. Mazarin gab sich damit zufrieden, da ihm ein Sitz im Reichsfürstenrat der Würde seines Monarchen nicht zu entsprechen schien. Damit stand Frankreich am Rhein. Jedoch gleich das erste Mal, als es ihn erreichte, strafte es selbst die Theorie von der „natürlichen Grenze" Lügen durch die Forderung von Brückenköpfen auf dem rechten Ufer. Mit der Annexion von Breisach und dem Besatzungsrecht in Philippsburg erlangte es zwei Ausfalltore nach Deutschland, die nach den Bestimmungen des Friedensvertrages durch keine Befestigungen unterbrochen werden durften. Die definitive Abtretung der drei Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun, unter deren Zubehör Moyenvic ausdrücklich genannt wurde, stieß auf keinen ernsthaften Widerstand, dagegen konnte über die Frage, ob auch die bischöflichen Lehen an FrankP l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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reich fallen sollten oder nicht, keine Einigung erzielt werden. Absichtlich wurde in den Präliminarien eine zweideutige Fassung — „Episcopatuum districtus" statt „dioecesis"— gewählt, die beide Auslegungen ermöglichte. Sie ist auch in dem FriedensinBtrument nach langen Kämpfen beibehalten worden, da die Franzosen die Ausschließung der geistlichen Lehen nicht zugeben wollten, die förmliche Abtretung aber weder bei den Kaiserlichen noch bei den Reichsständen durchsetzen konnten. Mühelos erreichten Bie die Zustimmung zu der Annexion von Pignerolo, während für die übrigen italienischen Angelegenheiten der Friede von Cherasco bestätigt wurde. Die lothringische Frage wurde dagegen nicht gelöst. Über die vom Kaiser verlangte Restitution Karls IV. lehnte Mazarin Verhandlungen ab. Er wollte den Herzog wie Spanien von dem Frieden ausschließen und für den Fortgang des Krieges mit ihnen die Neutralität des Reiches zugesichert wissen. Gegen diese Preisgabe seines Verbündeten sträubte sich Ferdinand III. aufs heftigste, so daß im Sommer 1648 das ganze Friedenswerk zu scheitern drohte. Dazu wollte es indes die fürstliche Mittelpartei, geführt von Bayern, Mainz, Brandenburg und Sachsen, nicht kommen lassen. Ihr Druck und die Furcht vor einem weiteren Vordringen der Schweden in Böhmen bewogen den Kaiser schließlich, den von den Ständen mit Servien und Salvius vereinbarten Artikeln zuzustimmen. Darin wurde festgesetzt, daß der burgundische Kreis, d. h. die spanischen Niederlande, ein Glied des Reiches bleiben und nach Beendigung des französisch-Bpanischen Krieges in den Frieden einbegriffen werden sollte. Die Entscheidung über Lothringen wurde späteren Verhandlungen vorbehalten und durch die allgemeine Bestimmung, daß der Kaiser und die Stände wie der französische König den Feinden des anderen Teiles keinen Beistand leisten dürften, Spanien der österreichischen Hilfe beraubt. Damit hatte Mazarin den ihm durch den holländischen Sonderfrieden zugefügten Schlag pariert. Ebenso schwierig verliefen die Verhandlungen mit der anderen auswärtigen Macht, mit S c h w e d e n , nur daß hier nicht der Kaiser, sondern der Kurfürst von Brandenburg die Gegenpartei war. In ihrer ersten Erklärung vom 7. Januar 1646 hatten die Schweden ein kaum ernstgemeintes Maximalprogramm vorgelegt und ganz Pommern einschließlich des Bistums Kammin, Schlesien, die mecklenburgischen Häfen Wismar und Warnemünde sowie die Stifter Bremen und Verden verlangt. Mit der Forderung Schlesiens erreichten sie ihren Zweck insofern, als der Kaiser, um seine Erblande vor einem weiteren Verlust zu bewahren, in der pommerschen Frage weit entgegen kam. Er ließ Trautmannsdorff sofort Vorpommern und Wismar anbieten, im Mai erklärte er sich, wenn auch nur bedingungsweise, zur Überlassung des ganzen Herzogtums nebst Bremen und Verden bereit. Demgegenüber hielt Kurfürst Friedrich Wilhelm starr an seinem Rechtsanspruch fest. Da er aber nirgends aktive Unterstützung fand, willigte er schließlich, um wenigstens einen Teil Pommerns zu retten, gegen anderweitige Entschädi-

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gungen in eine Teilung ein. Denselben AuBweg hatten auch die schwedische Regierung und die französische Diplomatie ins Auge gefaßt. Denn in Stockholm wollte man sich den tatkraftigsten protestantischen Reichsfürsten, der eben jetzt mit der Aufstellung einer neuen Armee begann, nicht völlig zum Feinde machen, und die Pariser Staatsmänner erblickten in ihm schon einen Bundesgenossen gegen das Haus Österreich. Über die Teilungslinie, zumal über Stettin und die Odermündung, wurde noch lange und z&he gerungen, bis der Kurfürst, um nicht vom Frieden ausgeschlossen zu werden, im Januar 1647 nachgab. Die von d'Avaux vermittelten Vereinbarungen vom Februar 1647 gaben Schweden den Löwenanteil, nämlich Vorpommern mit Rügen, die Odermündungen, Stettin, und auf dem rechten Ufer die Städte Gollnow und Damm sowie einen noch abzumessenden Landstreifen. Der Kurfürst erhielt Hinterpommern und als Entschädigung die Stifter Kammin, Halberstadt, Minden sowie die Anwartschaft auf das Erzbistum Magdeburg, das dem sächsischen Administrator bis zu seinem — erst 1680 erfolgten — Tode belassen wurde1). Dazu erlangte Schweden Wismar und die in Herzogtümer umgewandelten Stifter Bremen und Verden und trat für alle seine deutschen Erwerbungen mit Sitz und Stimme in den Reichstag ein. Zu einem letzten heftigen Kampf führte die schwedische Forderung einer Geldentschädigung für die aus eigenen Kräften nicht zu bewerkstelligende Auslöhnung und Abdankung des schwedischen Heeres. Gegen den zuerst verlangten Betrag von 20 Millionen Talern setzten sich mit dem Kaiser die Reichsstände beider Konfessionen zur Wehr und erlangten nach langem Feilschen im Juni/Juli 1648 eine Ermäßigung auf 5 Millionen, womit der Friede mit der nordischen Macht endlich erreicht war. Durch die Abtretungen an sie hatte Deutschland die Oder- und Wesermündung verloren. Das im Westfälischen Frieden festgelegte Ausscheiden der Schweizer Eidgenossenschaft aus dem Reichsverband, das sich faktisch längst vollzogen hatte, sowie die Anerkennung der Selbständigkeit Hollands1) beraubten das Reich auch des Quell- und Mündungsgebietes seines Hauptstromes. Auch in den i n n e r d e u t s c h e n F r a g e n , die ja eng mit dem Ausgleich mit den Fremden verknüpft waren, sprachen diese ein entscheidendes Wort. Die allgemeine Amnestie wurde bis zum Beginn des Krieges ausgedehnt und das Jahr 1618 zur Norm für den weltlichen Besitzstand erhoben. In einzelnen Fällen waren allerdings Ausnahmebestimmungen unvermeidlich, besonders in der pfälzischen Sache. Denn der von Schweden begehrten Wiedereinsetzung der Erben des Winterkönigs in dessen Gebiete und Rechte leistete Kurfürst Maximilian einen unbeugsamen Widerstand. Er hatte hierbei die Unterstützung des KaiserB, ') Die Kaiserlichen hatten dem Kurfürsten ursprünglich nur Halberstadt zugestehen wollen. *) Ein förmlicher Verzicht des Reiches auf die Zugehörigkeit Hollands ist, wie F. R ä c h f a h l , Die Trennung der Niederlande vom Reich (Westdeutsche Zeitschr. 19, S.116) betont hat, freilich nie geleistet worden. 15*

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der sonst ein Wiederaufleben von Maximilians Schuldforderung und Ansprüchen auf ein österreichisches Erbland befürchtete, der altgläubigen Reichsstände, die eine sichere katholische Majorität im Kurkollegium wünschten, und nicht zuletzt Frankreichs. So kam es schließlich zu einem bereits früher von England vorgeschlagenen Kompromiß. Der Bayer behauptete den erblichen Besitz der pfälzischen Kurwürde sowie der Oberpfalz mit der Grafschaft Cham, der älteste Sohn Friedrichs V., Karl Ludwig, erhielt die Rheinpfalz mit Ausnahme der bei Mainz verbleibenden Ämter an der Bergstraße 1 ) zurück und dazu eine neu errichtete achte Kur. Während Markgraf Friedrich von Baden-Durlach, der Sohn Georg Friedrichs, auf die ihm 1622 durch Reichshofraturteil aberkannte obere Markgrafschaft Baden definitiv verzichten mußte, gewann der Herzog Eberhard III. von Württemberg, den der Kaiser ebenfalls aus dem Prager Frieden ausgeschlossen und bei der Begnadigung 1637/38 zur Preisgabe wertvoller Gebietsteile gezwungen hatte, seinen ganzen Besitz wieder. Für Hessen-Kassel setzten seine Verbündeten Schweden und Frankreich neben einer Geldentschädigung die Erwerbung der Abtei Hersfeld und einiger Schaumburgischen Ämter durch; außerdem mußte der Darmstädter Landgraf dem Vetter einen Teil der Marburger Erbschaft ausliefern1). Die Herzoge von Mecklenburg wurden für den Verlust von Wismar durch die Bistümer Schwerin und Ratzeburg schadlos gehalten. Bei der Neuordnung der Gebietsverhältnisse waren somit in weitgehendem Maße geistliche Territorien säkularisiert worden. Der im Prager Frieden für die geistlichen Güter festgesetzte Normaltermin wurde auf den 1. Januar 1624 zurückdatiert und endgültig gemacht. Damit hatte der Protestantismus seine Kernlande und den größeren Teil der norddeutschen Stifter gerettet. Eine Ausnahmebestimmung wurde zugunsten des Weifenhauses getroffen, derart daß in dem den Katholiken zukommenden Bistum Osnabrück in Zukunft immer ein katholischer Inhaber mit einem Prinzen der braunschweig-lüneburgischen Linie alternieren Bollte. Der Augsburger Religionsfriede wie der Passauer Vertrag wurde ausdrücklich bestätigt, der geistliche Vorbehalt auf die evangelisch gewordenen Stifter ausgedehnt und ihren Inhabern Sitz und Stimme auf den Reichstagen zuerkannt. Das landesherrliche Reformationsrecht blieb in Kraft, wurde aber dem Normaljahr untergeordnet und seiner größten Härten entkleidet. Nur auf die österreichischen Erblande fanden diese Beschränkungen keine Anwendung, lediglich in den schlesischen Erbfürstentümern und dem niederösterreichischen Adel gegenüber verzichtete der Kaiser, einem schwedischen Druck nachgebend, auf die volle Durchführung des Reformationsrechtes 3 ). Die 1555 vom Religionsfrieden ausgeschlossenen Reformierten wurden jetzt Siehe S. 166. ») Siehe S. 159, 165. *) Den Herzogtümern Liegnitz-Brieg-Wohlau und Oels-Münsterberg sowie der Stadt Breslau war schon im Prager Frieden die Religionsfreiheit bedingt zugesagt worden.

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in ihn einbegriffen und damit als völlig gleichberechtigt anerkannt. Um eine Überstimmuug der einen Religionspartei durch die andere auf den Reichstagen für immer unmöglich zu machen, sollte bei allen Fragen, die unmittelbar oder mittelbar die Religion berührten, eine „itio in partes" stattfinden und zwischen diesen nur eine gütliche Vereinbarung zulässig sein; für die Deputationstage und das Reichskammergericht wurde eine paritätische Besetzung vorgesehen. Auch der kirchliche Ausgleich war erst nach schweren Kämpfen erzielt worden. Zumal die imversöhnlichen katholischen „Extremisten" boten, unterstützt von dem päpstlichen Nuntius und den Jesuiten, alles auf, ihn zu Fall zu bringen, und in einer heftigen literarischen Polemik hatte sich während der Verhandlungen noch einmal die ganze Schärfe und Leidenschaftlichkeit des konfessionellen Gegensatzes entladen. Zur Überwindung der Schwierigkeiten hatte auch hierin die fürstliche Mittelpartei entscheidend beigetragen. In dem Streit über die innere Ordnung des Reiches setzten die Stände mit Unterstützung der beiden Fremdmächte ihre Ansprüche durch. Daß den Reichsstädten das votum decisivum und damit die volle Gleichberechtigung mit den übrigen Reichsständen zuerkannt wurde, hatte bei ihrem Niedergang keine große praktische Bedeutung. Aber wie der Krieg sich nicht zuletzt gegen den kaiserlichen Absolutismus gerichtet hatte, bo mußte sich der Kaiser einschneidende Beschränkungen seiner Gewalt gefallen lassen. Die französisch-schwedische Forderung, die Vornahme einer römischen Königswahl zu Lebzeiten des Kaisers reichsgesetzlich zu verbieten oder wenigstens den Nachfolger einem anderen Hause zu entnehmen, drang nicht durch, da auch die Kurfürsten einen solchen Eingriff in ihre Rechte abwiesen. War Ferdinand III. schon durch Beine Wahlkapitulation in der Verhängung der Reichsacht, in der Verwendung von Truppen außerhalb des Reiches und bei Friedensverhandlungen von der Einwilligung der Kurfürsten abhängig, so wurde der Kaiser jetzt für die Gesetzgebung, die Kriegserklärung und Kriegführung, für Truppenaufstellung und Befestigungsanlage, für den Abschluß von Bündnis- und Friedensverträgen an den Reichstag gebunden. Die näheren Bestimmungen, die dringend notwendige Reform der Reichsjustiz, -polizei und -matrikel sowie die Frage einer reichsgesetzlichen Wahlk'apitulation wurden dem nächsten Reichstag überwiesen. Am stärksten kam der Sieg der Stände über den Kaiser darin zum Ausdruck, daß ihnen das „jus territoriale", das „droit de souverainite" über ihre Untertanen unbeschränkt zugebilligt und dazu das Bündnisrecht untereinander und mit dem Ausland gewährt wurde, wenn auch mit der Klausel, daß sich die Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich richten dürften. Dementsprechend wurde in den Abmachungen mit Frankreich ausdrücklich festgelegt, daß sich die Verpflichtung zur Neutralität in künftigen französisch-spanischen Kriegen nur auf das Reich als Ganzes beziehen, den einzelnen Ständen aber freigestellt sein sollte, „dem einen oder anderen außerhalb der Reichsgrenzen Beistand zu leisten, jedoch nur nach Maß-

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gäbe der Reichsgesetze" Als einziges Entgelt für die Beschneidungen seiner Macht erlangte der Kaiser die Gleichstellung des von ihm abhängigen Reichshofrates mit dem Reichskammergericht. Am 24. Oktober wurden die beiden Friedensschlüsse in ihrer endgültigen Fassung unterzeichnet. Es war ein Erschöpfungsfriede, den die allgemeine Kriegsmüdigkeit erzwungen hatte. Von den zur Entscheidung stehenden innerdeutschen Fragen hat er nur die eine, die religiöse, gelöst, und zwar in der Richtung, die schon der Augsburger Religionsfriede eingeschlagen hatte. Durch dessen Bestätigung und Erweiterung, durch die Beseitigung seiner Unklarheiten war jetzt das Prinzip der Parität zwischen den großen christlichen Bekenntnissen, wie es im Friedensvertrage heißt, „bis zur Religionsvereinigung" festgelegt und das Zeitalter der Religionskriege abgeschlossen. Denn die Fortdauer des konfessionellen Kleinkampfes sowie der Protest der Kurie, den Innozenz X. in der Bulle „Zelo domus Dei" vom 20. November 1648 gegen den Frieden erhob, konnten dieses Ergebnis nicht mehr in Frage stellen. Auf dem anderen umstrittenen Gebiet, dem verfassungspolitischen, hat der Westfälische Friede dagegen bloß eingerissen, nicht aufgebaut. Die Zentralgewalt war fast zu einem Schatten herabgedrückt, das Reich zerfiel in ein Gewirr von selbständigen und beinahe unabhängigen Einzelstaaten; es wurde geradezu zu einem staatsrechtlichen „Monstrum". Und zu dieser Zersplitterung und Zersetzung gesellte sich eine weitgehende Verwüstung und Verarmung. Ein volles Menschenalter hindurch hatten sich die Söldnerheere aus aller Herren Länder in Deutschland ein Stelldichein gegeben. Wenngleich die zeitgenössischen Schauerberichte vielfach übertrieben sind und nicht alle Gegenden gleich schwer heimgesucht waren, so hat doch der Krieg den bereits im XVI. Jahrhundert beginnenden wirtschaftlichen Niedergang des Reiches beschleunigt und besiegelt. Besonders verhängnisvoll hat darauf auch die Ausschaltung Deutschlands von dem Seeverkehr eingewirkt. Wie der Krieg durch das Eingreifen der fremden Mächte entschieden worden war, so trügen sie den Siegespreis davon. Beide hatten sich auf deutschem Boden festgesetzt. Schweden war durch seine deutschen Erwerbungen zur Großmacht des Nordens geworden, Frankreich hat^e am Oberrhein eine Flankenstellung gewonnen, von der aus es Süddeutschland in Schach hielt. Dadurch daß der innerdeutsche Ausgleich in einem internationalen Vertrag zustande gekommen und niedergelegt war, waren die beiden Kronen Garanten des Friedens und der durch ihn geschaffenen Verhältnisse im Reich. Deutschland war damit unter die Kontrolle des Auslandes gestellt und zu einem Objekt der europäischen Politik herabgesunken. Literatur. Vgl. D a h l m a n n - W a i t z . Eine neuere Gesamtdarstellung des Westtälischen Friedens fehlt. Die brauchbarste Übersicht ist noch immer J. 8. P ü t t e r s „Geist des Westphälischen Friedens" (Göttingen 1795) und daneben K.Th. H e i g e l , Das Westfälische Friedenswerk von 1643—1648. (Zeitschr. f. Gesch. u.

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Politik 5.) Über die Abtretungen an Frankreich: K. J a c o b , Die Erwerbung des Elsaß durch Frankreich im Westfäl. Frieden, Straßburg 1897 (mit Übersicht über die ältere Literatur), sowie A. O v e r m a n n , Die Abtretung des Elsaß an Frankreich im Westfäl. Frieden, Karlsruhe 1905 (auch in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins N. F. 19/20). O. B a r d o t , Les acquisitions de la France en Alsace en 1648. (Annales de l'université de Grenoble 12.) Die a l t e n T e r r i t o r i e n des E l s a ß nach dem Stande vom 1. I. 1648 in Statist. Mitteilungen über Elsaß-Lothringen, Straßburg 1896. — C. T. O d h n e r , Die Politik Schwedens im Westfäl. Friedenskongreß und die Gründung der Schwed. Herrschaft in Deutschland. Deutsche Übersetzung von E. P e t e r s o n , Gotha 1877. H . F i s c h e r , Beiträge zur Kenntnis der Päpstlichen Politik während der Westfäl. Friedensverhandlungen. Diss. Bern 1913.L. S t e i n b e r g e r , Die Jesuiten und die Friedensfrage 1635—1650, (Studien a. d. Gebiet d. Gesch. V. 2—3) Freiburg 1906.

3. K a p i t e l .

1648—1660. Mit dem Westfälischen Frieden war die schwerste Erschütterung des europäischen Staatensystems behoben, aber der allgemeine Frieden noch nicht hergestellt.. Das französisch-spanische Ringen ging weiter, es trat jetzt mit der Isolierung der beiden Gegner in seine entscheidende Phase ein und hielt ganz Westeuropa in Atem. Im Norden konnte der Antagonismus zwischen Schweden und Polen, der in dem Vertrag von Stuhmsdorf nur provisorisch beglichen war, jederzeit einen bewaffneten Zusammenstoß hervorrufen, und der Südosten war seit 1645 von einem neuen Konflikt zwischen der Türkei und Venedig erfüllt. Nachdem die Pforte den langen Krieg mit Persien im Mai 1639 durch den Frieden von Sehab beendet und damit ihre Handlungsfreiheit in Europa wiedererlangt hatte, benutzte sie diese zunächst zur Rückeroberung des 1637 von den Kosaken genommenen Asow. Obgleich die fünfjährige Belagerung den Zerfall des einst so gefürchteten osmanischen Heeres offenbarte, setzte nach dem Abzug der Kosaken (1642) die Kriegspartei bei dem schwachen Sultan Ibrahim I. einen Angriff auf Kreta durch. Die Erwerbung dieses „äußersten und letzten Bollwerkes der christlichen Welt" gehörte zu den traditionellen Zielen der türkischen Außenpolitik, und der ewige Kleinkrieg in der Adria und an der bosnisch-dalmatinischen Grenze hielt die alte Spannung mit Venedig wach. Daß Malteser Piraten, die 1644 ein türkisches Geschwader überfallen hatten, auf Kreta Zuflucht fanden, bot der Pforte einen willkommenen Vorwand zum Bruch mit S. Marco.. 1645 landete eine Armee auf der Insel, bemächtigte sich der Feste Kanea und begann die Einschließung der Hauptstadt Kandia. Mit besonderem Nachdruck wurde indessen der Kampf von keiner Seite geführt. Wie die Pforte ihre Hoffnung auch auf die Isolierung der Republik und die europäische Konstellation gesetzt hatte, so suchte Venedig die Unterstützung der Christenheit zu erlangen. Das Schicksal der Insel hing also nicht allein von den Waffen, sondern ebensosehr von der Haltung der Mächte ab. Und in deren vorderste Reihe trat jetzt England wieder ein.

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§ 78. Die englische Revolution. Es ist für den Verlauf und Ausgang des 30jährigen Krieges von großer Bedeutung gewesen, daß England, durch innere Wirren gelähmt, seit 1630 nahezu ganz aus der europäischen Politik ausschied. Es griff nicht in daB Ringen um die Niederlande ein, das doch die britischen Interessen aufs engste berührte, und gewährte durch seine Neutralität den französischen Staatslenkern die Rückendeckung, die ihnen den Eintritt in den Krieg gegen Habsburg und den Sieg erst ermöglichte. Umgekehrt hatte es England neben seiner insularen Lage dem festländischen Krieg zu verdanken, daß der Streit zwischen Königtum und Parlament eine rein innerpolitische Angelegenheit blieb und keine der Mächte sich darin einmischte. Zu derselben Zeit, wo Richelieu in Frankreich den Absolutismus vollendete und damit dem Kontinent ein Vorbild gab, zerschellte auf den britischen Inseln die gleichgerichtete Politik der Stuarts an dem Widerstand des Volkes. Zu dem Ausbruch des Kampfes hatte die Außenpolitik entscheidend beigetragen. Denn die Auflehnung des Parlamentes gegen die ohne seine Bewilligung von der Krone erhobenen Steuern wurde dadurch noch verstärkt, daß die auswärtige Politik der Stuarts, ihre Annäherung an die katholischen Mächte sowie die schwächliche Haltung in der pfälzischen Frage, der Stimmung und dem Selbstbewußtsein des Volkes völlig widersprach. Der Beginn der Zwistigkeiten reicht in die Regierung Jakobs I. zurück, eine wesentliche Verschärfung erfuhren sie unter seinem ebenso autokratischen, aber dazu noch unzuverlässigen und innerlich unwahren Sohn Karl I. Beide Teile steigerten ihre Ansprüche. Nach dreimaliger Auflösung des Parlamentes regierte der König 11 Jahre lang, von 1629—1640, ohne Volksvertretung. Beraten von Thomas Wentworth, dem späteren Earl of Strafford, und dem Erzbischof von Canterbury William Laud, wollte er in Staat und Kirche die königliche Alleinherrschaft aufrichten; sein letztes Ziel in konfessioneller Hinsicht war die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen. Um die Krone vom Parlament unabhängig zu machen, dehnte er die Steuern willkürlich aus und begann mit der eigenmächtigen Aushebung von Landtruppen. Der Versuch, auch in Schottland den königlichen Supremat und die bischöfliche Kirchenverfassung einzuführen, entfachte hier im Sommer 1637 den offenen Aufstand. Adel, Geistlichkeit und Bürger beschworen im Februar 1638 einen Covenant zur Beseitigung der Tyrannei der Krone sowie der kirchlichen Neuerungen. Hätte Karl die Empörung niederwerfen können, so wäre es auch in England um das Parlament geschehen gewesen, aber sein Feldzug gegen die Schotten endete 1639 mit einem unrühmlichen und unhaltbaren Vergleich. Um die Mittel zur Fortführung des Krieges zu erlangen, mußte der König 1640 das englische Parlament einberufen, zuerst das „kurze Parlament" (April/Mai) und nach dessen baldiger Auflösung im November das sogenannte „lange Parlament". Hier kam der gesamte Zündstoff, der sich auf dem politischen wie dem kirchenpolitischen Gebiet aufgehäuft

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hatte, zur Entladung. Die politische und religiöse Opposition verbanden sich, und dieser Koalition war das militärisch wie finanziell ohnmächtige Königtum nicht gewachsen. Die feige Schwächlichkeit, mit der Karl seine Berater Strafford und Laud der widerrechtlichen Verurteilung durch das Unterhaus und dem Henkerbeil preisgab, verstärkten die Position und die Ansprüche des Parlamentes. In der „großen Remonstranz" vom November 1641 faßte es die Verstöße des Königs und die eigenen Forderungen zusammen. Der staatsrechtliche Streit wuchs sich zu einer Machtfrage aus, und immer mehr wich der entschlußund haltlose Herrscher vor dem Streben des Parlamentes nach der Allgewalt zurück. Eine weitere Zuspitzung des Konfliktes brachte der im Oktober 1641 entflammte irische Aufstand, der mit der Massenermordung evangelischer Ansiedler eröffnet und in England Karls Politik zur Last gelegt wurde. Sein Versuch, die Führer des Unterhauses durch einen Handstreich zu verhaften, mißglückte und entfesselte 1642 den Bürgerkrieg. Während das Parlament sich in erster Linie auf die Hauptstadt London und daneben auf den Osten, also die reichsten und puritanisch gesinnten Gebiete des Landes stützte, hielten der Westen sowie die Mehrheit der Lords, aber auch ein Drittel des Unterhauses zum König. Militärisch waren seine „Kavaliere" den ungeschulten ParlamentBmilizen zunächst überlegen, so daß das Parlament den Beistand der Schotten durch den Covenant von 1643 erkaufen mußte, der dem schottischen Presbyterianertum auch in England die Oberhand verschaffte. Der schottische Einfluß wurde indes zurückgedrängt, als das Mitglied des Unterhauses Oliver Cromwell das Parlamentsheer nach schwedischem Vorbild umgestaltete und ihm in seinen straff organisierten, vortrefflich ausgebildeten Reiterscharen die bisher fehlende Angriffstruppe zuführte. Mit seinen „Ironsides" entschied er die Schlachten von Marston-Moor (2. Juli 1644) und Naseby (14. Juni 1645) für das Parlament; der König flüchtete im Mai 1646 zu den Schotten. In dem siegreichen Heer kamen neue, für die englische Entwicklung bedeutungsvollste Kräfte zur Herrschaft : die Independenten oder, wie sie sich selbst nannten, die Kongregationalisten. Sie lehnten jede kirchliche Organisation und jeden Zwang in Glaubenssachen ab, gründeten vielmehr im religiösen wie im bürgerlichen Leben alles auf die Freiheit und Verantwortung des Einzelmenschen. Politisch huldigten sie demokratisch-monarchomachischen Anschauungen, als Verfechter der Volkssouveränität waren sie Gegner des Königtums von Gottesgnaden. Dadurch gerieten sie in Gegensatz sowohl zu dem aristokratisch-presbyterianisch gerichteten Parlament wie zu den Schotten, von denen sie überdies der alte nationale Antagonismus trennte. Ausgetragen wurden die Gegensätze in dem Kampf um die Person des Königs, der im Januar 1647 von den Schotten dem englischen Parlament ausgeliefert wurde. Auch hier entschied die bewaffnete Macht. Sie widersetzte sich dem Auflösungsbefehl des Parlamentes und wurde rein independentisch. Cromwell wußte die Gegner

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zu spalten und einzeln niederzuwerfen. Nachdem er die nach Lancashire eingedrungenen Schotten am 17. August 1648 bei Preston geschlagen und einen Siegeseinzug in Edinburg gehalten hatte, wurde auf Verlangen der Armee das Parlament von allen königstreuen Elementen gesäubert. Das „Rumpfparlament" machte dann dem König als „Tyrannen, Verräter, Mörder und Feind des Gemeinwesens" den Prozeß. Am 30. Januar 1649 wurde Karl I. hingerichtet. Im Unglück bewies er Größe und starb wie ein Held. Wenige Tage darauf wurde England zur Republik erklärt, das Oberhaus abgeschafft und die Leitung der Geschäfte einem 41 köpfigen Staatsrat übertragen. Erst jetzt konnte die neue Regierung der Revolution in Irland entgegentreten. Die irischen Nationalisten, die im Bunde mit dem päpstlichen Nuntius Rinuccini eine gänzliche Losreißung von England erstrebten, hatten sich zwar nicht durchsetzen können. Aber als der königliche Statthalter ein unabhängiges irisches Parlament und freie Religionsübung für die Katholiken gewährte, als der gleichnamige Sohn Karls I. nach Irland gerufen wurde, entsandte das Parlament Cromwell mit seinem Heer auf die Insel. In Strömen von Blut schlug er 1649/50 durch die Eroberung der festen Plätze den Aufstand nieder. Die Bevölkerung wurde durch das Schwert, Hunger, Verbannung und Versklavung entsetzlich dezimiert, der Rest in dem unfruchtbaren Nordwesten des Landes zusammengepfercht, während der freigewordene Boden englischen Ansiedlern zufiel. Es war ein förmlicher Vernichtungskrieg der Rassen und Religionen, der den alten Haß der Iren gegen England noch mehr schürte. Eine ebenso große Gefahr drohte der jungen englischen Republik von Schottland, wo nach Karls I. Hinrichtung Karl II. zum König proklamiert worden war. Im Sommer 1650 wurde Cromwell auch hier zum Oberbefehlshaber ernannt. Durch seine Siege bei Dunbar (3. September 1650) und Worcester (am gleichen Tage 1651) machte er der Stuartherrschaft und der Selbständigkeit des nördlichen Reiches ein Ende. So hatte das independentische Heer alle seine Feinde bezwungen. Gestützt darauf, Bprengte Cromwell am 20. April 1653 das Rumpfparlament, das sich für permanent erklären und keine Neuwahlen zulassen wollte. Das neue Parlament, das er im Einverständnis mit dem Offiziersrat der Armee aus Independenten berief, — das sogenannte Parlament der Heiligen oder nach einem seiner Mitglieder das „Barbon-Parlament" —, beschwor durch seine extremradikalen Bestrebungen ernste Gefahren für den inneren Frieden herauf, so daß es schon bald wieder aufgelöst wurde. Im Dezember 1653 übernahm Cromwell auf den Wunsch des Heeres das Amt des Lord-Protektors der englischen Republik auf Lebenszeit. Literatur. Besonders die Arbeiten von S. R. Gardiner, sowie A. Stern, Geschichte der Revolution in England1 (Berlin 1898).

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§ 79. Das Protektorat Oliver Cromwells und der englisch-holländische Krieg. Die Protektoratsverfassung schuf eine konstitutionell beschränkte Wahlmonarchie, ein Beweis, daß nicht das Königtum als solches, sondern nur der Absolutismus der Stuarts der Revolution erlegen war. Dem Protektor, der neben der Exekutive die volle Militärhoheit besaß, stand ein Staatsrat zur Seite, die gesetzgebende Gewalt ruhte bei dem Parlament, in das auch Schottland und Irland Vertreter entsandten; die drei Inselreiche waren in dem „Commonwealth" zu einem Einheitsstaat zusammengefaßt. Die alten Gegensätze waren freilich nicht geschwunden, da das Parlament immer wieder die Prinzipienfrage aufrollte und die Alleinherrschaft im Staate beanspruchte. In der zweiten Protektoratsverfassung von 1657 wurde seine Stellung gegenüber dem Staatsrat gestärkt und auch das Oberhaus wiedereingeführt. Den ihm angebotenen Königstitel lehnte Cromwell nach einigem Schwanken aus Rücksicht auf die Stimmung im Heere ab 1 ), er begnügte sich mit dem Wesen der Macht. Dafür erlangte er 1657 das Recht, selbst seinen Nachfolger zu ernennen. Mit eiserner Strenge hielt er die Ruhe und Ordnung im Lande aufrecht und unterdrückte jeden Widerstand, auch wenn er sich aus den Reihen seiner eigenen Anhänger erhob. Er war an der Spitze der Independenten hochgekommen, aber als sie in ihrer enthusiastischen Gruppe, den sogenannten Levellern, undurchführbare soziale Umwälzungen planten, hatte er sich von ihnen getrennt und sie unschädlich gemacht. Er hatte, wie er stets aufs neue beteuerte, nicht nach der obersten Gewalt im Staate gestrebt, aber als der Ruf an ihn erging, sich ihm nicht versagt, weil er darin die Stimme Gottes zu erkennen glaubte und sich der ihm gestellten Aufgabe gewachsen wußte. Er war überzeugt, das Werkzeug Gottes zu Bein, sein Ziel war die Förderung des allgemeinen Besten, so wie er es verstand. In seiner Kirchenpolitik verwirklichte der Protektor die schöpferischen Ideen des in dem Independentismus wirkenden Täufertums, die Trennung von Kirche und Staat, die Duldung verschiedener Glaubensgemeinschaften nebeneinander sowie eine Katholiken und Anglikanern gegenüber allerdings begrenzte Gewissensfreiheit. Cromwells gesamte Politik trägt ein ausgesprochen protestantisches Gepräge. Jedoch ist es nicht angängig, seine Außenpolitik ausschließlich auf den religiösen Nenner zu bringen. Gewiß hat er die Interessen des Protestantismus nie außer acht gelassen und ist in ganz Europa, soweit er es vermochte, für sie eingetreten, aber ebenso gewiß hat er ihnen die politischen Belange und Bedürfnisse seines Vaterlandes nicht untergeordnet. Auch in dieser Beziehung erwies er sich, wie Gardiner ihn charakterisiert hat, als der typische Engländer. Erst* jetzt, nach der Bändigung der Revolution, wirkte sich die innere Umwälzung außenpolitisch aus. Waren schon durch die nationale *) Uber Gedanken an einen britischen Kaisertitel vgl. A. 0. Meyer, Quellen u. Forsch, a. italien. Arch. u. Bibl. 10.

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Erhebung und die militärischen Leistungen im Bürgerkrieg der alte Machtsinn und Ausdehnungsdrang des britischen Volkes angefeuert worden, so verliehen ihnen die zur Herrschaft gelangten religiös-ethischen Ideen des Puritanismus und Independentismus eine innerliche Vertiefung und eine gewaltig gesteigerte Stoßkraft. Die bereits in der englischen Staatskirche vorhandene Vorstellung von dem auserwählten Gotteßvolke1) gewann nun ihre volle Bedeutung. Der Glaube an die himmlische Mission Englands erfüllte die ganze Nation und trieb sie hinaus in die Welt. Cromwell und schon vor seinem Protektorat das „Rumpfparlament" lenkten wieder in die Bahnen Elisabeths ein. Ganz waren sie auch unter den Stuarts nicht verlassen worden. Eine von Jakob I. privilegierte Londoner Gesellschaft hatte in Nordamerika zu Beginn des Jahrhunderts Virginia kolonisiert, die um ihres Glaubens willen ausgewanderten Puritaner, die Pilgerväter, hatten seit 1620 weiter nördlich die Neu-Englandstaaten begründet, während bedrückte Katholiken 1632 in Maryland eine Zufluchtsstätte gefunden hatten. Um dieselbe Zeit waren in West- und Ostindien die ersten festen Niederlassungen angelegt worden. Aber überall stieß man auf die Holländer, die sich gerade in der ersten Hälfte des Jahrhunderts an allen Enden der überseeischen Welt festgesetzt, die Engländer durch das Blutbad von Amboina (1623) von den Gewürzinseln verdrängt und durch NeuAmsterdam in die britischen Kolonien in Nordamerika einen Keil getrieben hatten. Drückender noch lastete auf England das wirtschaftliche Ubergewicht der Generalstaaten, die den ganzen Zwischenhandel an sich gerissen hatten. Bereits 1603 hatte Sir Walter Ralegh den König Jakob I. auf die hierin liegenden Gefahren hingewiesen und betont, daß „England durch seine Lage mehr als Holland dazu geschaffen sei, die Vorratskammer der Welt zu werden". Während des Bürgerkrieges hatten die Holländer einen neuen Vorsprung gewonnen. Ihre Gewalttätigkeiten in den Kolonien, die Verweigerung des Flaggengrußes in den englischen Gewässern, die verwandtschaftlichen Bande zwischen den Oraniern und Stuarts, — Friedrich Heinrichs Sohn Wilhelm II. war mit einer Tochter Karls I. vermählt —, sowie die Aufnahme englischer Royalisten in den Niederlanden erhöhten die Spannung. Bevor die Engländer es jedoch zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen ließen, machten sie, wie so oft in ihrer Geschichte, den Versuch, den Gegensatz durch eine Verständigung zu überbrücken. 1651 boten sie dem Rivalen ein Bündnis und eine engere politische Gemeinschaft der beiden protestantischen Republiken an. Aber die Generalstaaten lehnten ab, wozu auch die Rücksicht auf die unsichere Lage in England, den noch tobenden Krieg mit Schottland, beitrug. Gerade der Sieg von Worcester gab dann in London den letzten Anstoß zur offenen Kampfansage durch die berühmte Navigationsakte vom 9. Oktober 1651. Sie bestimmte, daß europäische Waren nur auf Schiffen >) Siehe oben S. 42.

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Englands oder des Ursprungslandes, außereuropäische lediglich auf englischen und mit Engländern bemannten Schiffen in die britischen Länder eingeführt werden dürften. Die Forderung war nicht neu, sondern eine Erweiterung und Verschärfung früherer Schiffahrtsgesetze. Obwohl die Holländer nicht genannt waren, richtete sich die Akte offenkundig gegen sie und zielte auf die Vernichtung ihres Frachthandels. Da die Generalstaaten die Grundlage ihrer Machtstellung nicht preisgeben wollten, mußten die Waffen entscheiden. Während in den Niederlanden nach dem frühen Tode Wilhelms II. (6. November 1650) der Statthalterposten nicht mehr besetzt war und infolgedessen eine einheitliche militärische Leitung fehlte, war in England sowohl der Wille wie das Instrument zum Kriege vorhanden. Denn zur Abwehr der royalistischen Freibeuter unter Führung des Pfalzgrafen Ruprecht war die unter den Stuarts zurückgegangene Flotte reformiert und vermehrt worden. In Robert Blake fand sie den genialen Organisator und Führer, der, von Cromwell unterstützt, der Neugründer der britischen Seemacht geworden ist. Der 1652 offen ausbrechende Krieg zeigte, daß sie dem Gegner überlegen war. Zwar errangen die holländischen Admirale Tromp und de Ruyter einzelne glänzende Erfolge, -— dieser drang 1653 bis in die Themsemündung vor —, aber die bessere Bewaffnung, die größere Manneszucht und Kampfesfreudigkeit der Briten sowie die schweren Schädigungen, die ihre Kaperkreuzer dem niederländischen Handel zufügten, entschieden den Krieg zu ihren Gunsten. Eine völlige Vernichtung Hollands wünschte der nunmehrige Lord-Protektor, der auch an der Navigationsakte nicht mitgewirkt hatte, keineswegs, sein Ziel war der Ausgleich mit dem glaubensverwandten Volk. Dem entsprachen die Bedingungen, die er ihm in dem Frieden von Westminster vom 5. April 1654 auferlegte. Die Generalstaaten mußten die Stuarts und deren Anhänger ausweisen, in den englischen Gewässern den Flaggengruß zugestehen und in den überseeischen Streitigkeiten Genugtuung leisten. Die Navigationsakte blieb in Kraft. Mit einer Forderung mischte sich der Sieger schroff in die innerholländischen Verhältnisse ein, er machte die Ratifizierung des Friedens von der sogenannten ReklusionBakte abhängig, die das Haus Oranien für alle Zeiten von den niederländischen Staatsämtern ausschloß. Cromwell erblickte darin eine Vorbedingung für das im Frieden vereinbarte Bündnis zwischen den beiden Ländern. Daß die Generalstaaten sich fügten, erklärt sich nicht nur aus den gleichgerichteten Wünschen der antioranischen Partei, sondern ebensosehr aus der Abhängigkeit, in die sie England gegenüber geraten waren. Der gleichzeitige Verlust Brasiliens an die Portugiesen bedeutete eine weitere Erschütterung ihrer Weltmacht. Holland hatte während des Kampfes einen Rückhalt an Dänemark besessen, das den Engländern für die Dauer des Krieges den Sund sperrte. Um gegen diese Verbindung ein Gegengewicht zu schaffen und dem britischen Handel die Ostsee zu öffnen, näherte sich Cromwell Schweden und erreichte 1654 zwar keine Allianz, aber einen Handels-

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vertrag. Nach dem Frieden mit den Niederlanden folgte ein Abkommen mit Dänemark, das den Engländern im Sund die Gleichstellung mit den Holländern gewährleistete. Damit schien sich ein Zusammenschluß der protestantischen Mächte in Europa anzubahnen. So sehr ihn der Protektor innerlich wünschte, so gewiß hat er ihn nicht zum Angelpunkt seiner Politik gemacht. Mit seinem echt englischen Wirklichkeitssinn und Blick für das Mögliche war er sich vollkommen klar darüber, daß die politischen und religiösen Interessen nicht immer zusammenfielen. Wie politische Erwägungen seine Haltung zu Holland und den skandinavischen Staaten vorschrieben, so haben sie auch sein Eingreifen in den Krieg gegen Spanien an der Seite des katholischen Frankreich bestimmt. Literatur. Zu Cromwell: Neben den Biographien von S. R. Gardiner, J. Morley (London 1900), W. Michael (Berlin 1907) jetzt noch A. O. Meyer in „Meister der Politik". »II. C. Ballhausen, Der erste englisch-holländische Seekrieg. 1652/54. Haag 1923. Über die Navigationsakte neuerdingsC.N. Clark in „History", Januar 1923. § 80. Der Ausgang des französisch-spanischen Krieges und der PyrenSische Friede. In dem französisch-spanischen Ringen, das vor dem Westfälischen Frieden für den katholischen König verloren schien, war seit 1648 ein Rückschlag eingetreten, nicht allein durch den Separatfrieden der Generalstaaten, sondern mehr noch durch eine schwere innere Krisis in Frankreich. Die von der Staatsgewalt ausgeschlossenen ständischen Elemente, die Parlamente, der Hochadel und die hohe Geistlichkeit hatten sich gegen Mazarin in der „Fronde" zusammengeschlossen und die Mißstimmung des Volkes über den langen Krieg und harten Steuerdruck zu einem Ansturm gegen den von einem Italiener geleiteten Absolutismus benutzt. Bei aller Geschmeidigkeit und diplomatischen Gewandtheit besaß Mazarin nicht die Autorität seines Vorgängers, auch fehlten ihm, dem Fremden, die innerfranzösiBchen Verbindungen Richelieus. An die Spitze der Erhebung stellte sich Frankreichs berühmtester General, Ludwig Condä, der als Prinz von Geblüt sich dem Emporkömmling nicht beugen wollte. Vier Jahre lang, von 1649—1653, tobte der offene Bürgerkrieg. Der Hof mußte die Hauptstadt, Mazarin zweimal das Land verlassen. Wie die Spanier von Anfang an ihre Hoffnungen für den Fortgang deB Krieges auf die Fronde gesetzt hatten, so trug diese keine Bedenken, den Beistand PhilippB IV. anzurufen. Im Herbst 1652 schloß Cond6 einen Vertrag mit ihm, worin er die Waffen nicht eher niederzulegen versprach, bis ein gerechter und sicherer Friede zwischen den beiden Kronen erreicht sei. Der König verpflichtete sich seinerseits, ohne Einbeziehimg des Prinzen und seiner Anhänger keinen Vergleich mit Ludwig XIV. einzugehen. Aber gerade dieses hochverräterische Bündnis mit dem Landesfeind und dazu die politische Unfähigkeit und Uneinigkeit der Empörer verhalfen dem Kardinal 1653

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zum Siege. Die letzte Auflehnung gegen die Krongewalt war damit gescheitert. Auf dem Kriegsschauplatz hatten inzwischen die Spanier das Ubergewicht erlangt. In Verbindung mit der Fronde waren sie in Nordfrankreich eingebrochen, in Italien gewannen sie Casale, die Presidios an der toskanischen Küste und Portolongone, in Katalonien Barcelona zurück. Von den von Frankreich eroberten flandrischen Küstenplätzen waren Ypern, Gravelingen, Mardijk sowie Dünkirchen verlorengegangen. 1653 nahm Condö mit spanischen Truppen Rocroi. Nachdem sein Angriff auf Arras abgeschlagen war, entsetzte er 1656 das von Turenne belagerte Valenciennes. Angesichts dieser Niederlagen und der Erschöpfung im Innern konnte sich Mazarin nicht länger verhehlen, daß er zur siegreichen Beendigung des Krieges eines Bundesgenossen bedürfe. Als solcher kam nach Lage der Dinge nur England in Frage. Von beiden Parteien umworben, hatte Cromwell mit beiden über die Bedingungen verhandelt und ein Zusammengehen mit Spanien keineswegs gänzlich von der Hand gewiesen. Indes machte er es von zwei Voraussetzungen abhängig, von der Gewährung der Gewissensfreiheit für die Engländer in den spanischen Ländern und von der Handelsfreiheit in Westindien. Als Philipp IV. beides ablehnte, sandte der Protektor Ende 1654 ohne Kriegserklärung eine Expedition nach Westindien, um hier festen Fuß zu fassen, mit den kolonialen Schätzen die Staatskassen zu füllen und England einen Teil der spanischen Spolien zu sichern. Aber der unzulänglich vorbereitete Uberfall auf den Schlüsselpunkt des spanischen Inselbesitzes, auf San Domingo, mißglückte, der einzige Erfolg war die Besetzung Jamaikas (Mai 1655). Auch in der Berechnung hatte sich Cromwell getäuscht, trotz des Unternehmens den Frieden mit Spanien in Europa wahren zu können. Die Expedition führte vielmehr zum völligen Bruch und damit zum Anschluß an Frankreich. Nachdem zunächst im Oktober 1655 ein Freundschafts- und Handelsvertrag zustande gekommen war, wurde am 23. März 1657 ein Offensivbündnis gegen Spanien unterzeichnet. Freilich mußte Mazarin einen hohen Preis zahlen. Neben der Ausweisung der Stuarts und einem Eintreten für die verfolgten protestantischen Gemeinden in Savoyen mußte er England die Überlassung von Dünkirchen und Mardijk zugestehen. Bereits in den früheren Verhandlungen mit Frankreich und Spanien hatte Cromwell die Erwerbung eines Festlandplatzes, sei es Dünkirchen oder Calais, ins Auge gefaßt. Wenn er auch damit weniger einen militärischen Brückenkopf als einen Flottenstützpunkt für den britischen Handel gegen feindliche Kaperschiffe gewinnen wollte, so bedeutete diese Expansion doch einen Rückfall in die alte, im XVI. Jahrhundert aufgegebene Kontinentalpolitik. Der Eintritt Englands entschied den Krieg. Die britische Flotte legte sich vor die spanische Küste und beherrschte das westliche Mittelmeer, so daß Philipp IV. für Neapel, der Papst für den Kirchenstaat bangte. Am 20. April 1657 vernichtete Blake ein von Westindien kom-

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mendes spanisches Geschwader im Hafen von Santa Cruz auf Teneriffa und erstritt mit diesem Sieg der britischen Marine den ersten Platz unter den Seemächten. Schon erwog Cromwell die Eroberung von Gibraltar, aber da seine Kräfte zu einem gleichzeitigen Angriff auf dieses Felsennest und auf Dünkirchen nicht ausreichten, fügte er sich den Warnungen seiner Admirale. Mit dem pyrenäischen Feinde Spaniens, mit Portugal, schloß er 1654 einen zwei Jahre später ratifizierten Freundschafts- und Handelsvertrag 1 ), der die wirtschaftliche Abhängigkeit des kleinen Staates von England anbahnte. In Flandern nahmen die französisch-englischen Truppen 1657 Mardijk, 1658 nach einer erbitterten Schlacht in den Dünen Dünkirchen, Ypern, Gravelingen, Oudenarde und eine Reihe anderer Plätze. Diese Verluste und der opferreiche Krieg mit Portugal, in dem Luis de Haro selbst im Januar 1659 vor Elvas eine schwere Niederlage erlitt, brachen den Widerstand der spanischen Monarchie. Ende 1658 bot Philipp IV. dem französischen Hof den Frieden und die Vermählung seiner ältesten Tochter Maria Theresia mit Ludwig XIV. an. Mazarin hatte sich diesen Wunsch der Königin Anna seit 1646 zu eigen gemacht, um dadurch seinem Monarchen einen Anspruch auf das Erbe des söhnelosen katholischen Königs2) zu verschaffen, 1656 hatte er sich unter dieser Bedingung zu einem Frieden ohne Annexionen bereit erklärt. Aber gerade wegen der Konsequenzen hatte sich die Madrider Regierung lange gegen die Heirat gesträubt und die Hand der Infantin den deutschen Habsburgern versprochen. Erst die völlige militärische und finanzielle Erschöpfung, das Ausbleiben der österreichischen Hilfe, die Kaiserwahl Erzherzog Leopolds sowie die Geburt eines Thronfolgers8) ließen die Bedenken zurücktreten. Wie Philipp IV. in Wien beteuern ließ, hat er nur „aus pur lauterer Not", zur Rettung der Niederlande und Neapels seine Einwilligung gegeben. Mazarin nahm den spanischen Antrag sofort an, zu einer Herausgabe aller seiner Eroberungen war er jetzt aber nicht mehr gewillt. Obwohl er, um die Hände frei zu bekommen, auf Beschleunigung der Verhandlungen drang, zogen sie sich fast ein Jahr lang hin und wurden erst in persönlichen Besprechungen zwischen ihm und de Haro auf einer Insel des Bidassoaflusses zu Ende gebracht. Am 7. November 1659 wurde hier der sogenannte Pyrenäische Friede abgeschlossen. Er besiegelte die spanische Niederlage. Philipp IV. erkannte den Westfälischen Frieden an und damit den französischen Besitz von Pignerolo und des einst von ihm selbst erstrebten österreichischen Hausgutes im Elsaß; die noch immer in Jülich stehenden spanischen Truppen mußten das Herzogtum räumen. Als Grenzscheide zwischen den beiden Königreichen wurde die Pyrenäenlinie festgesetzt. Spanien erhielt also *) Er trat an die Stelle des wegen des Bürgerkrieges unwirksam gebliebenen Vertrages von 1642. (s. o. S. 213A.) ') Der 1629 geborene Infant Balthasar Karl war am 9. Oktober 1646 gestorben. ') Philipp Prosper, geb. 28. November 1657, gest. 1. November 1661.

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Katalonien zurück, verzichtete indes auf die solange umstrittene Grafschaft Roussillon und die Cerdagne. Seinen Verbündeten, Karl IV. von Lothringen, der wegen seines zweideutigen Verhaltens seit 1654 in spanischer Haft saß, gab der katholische König preis. Zwar sollte dem Herzog der Hauptteil seines Landes zurückerstattet werden, aber Bar, Clermont, Jametz, Moyenvic und Stenay verblieben bei Frankreich, und die Festungswerke von Nancy sollten geschleift werden. Somit war das Herzogtum ganz von Frankreich abhängig. Karl IV. hat die Abmachung erst 1661 in dem Vertrag von Vincennes anerkannt, für die Belehnung mit Bar mußte er darin Ludwig XIV. neben einzelnen Plätzen eine Verbindungslinie zwischen Metz und dem Elsaß abtreten. Die französische Position an der Mosel wurde durch das bisher luxemburgische Diedenhofen verstärkt, auch Montmödy und Damvillers fielen an Frankreich. Von den spanischen Niederlanden erwarb Mazarin fast das ganze Artois, Gravelingen, Le Quesnoy und Landrecies, dazu Avesnes, Philippeville und Marienbourg als Ausgleich für die von Spanien verlangte Befriedigung des Prinzen Conde. Neben dessen Rehabilitierung setzte de Haro noch die Ausschließung Portugals vom Frieden durch. Alles in allem genommen, blieb das Erreichte hinter Mazarins Programm von 1647 zurück, denn Spanien hatte außer Katalonien seinen italienischen Besitz, die Freigrafschaft und vor allem die Masse der Niederlande behauptet. Es hatte doch in der Verteidigung eine größere Zähigkeit bewiesen, als der Kardinal geglaubt hatte, und auch die allgemeine Lage, namentlich die österreichische Kaiserwahl sowie der Nordische Krieg bestimmten ihn, seine letzten Pläne zunächst fallen zu lassen. Den Ersatz hierfür, gleichsam einen Wechsel auf die Zukunft, erblickte er in der gleichzeitig vereinbarten Heirat seines Königs. Allerdings bestand die spanische Regierung darauf, daß die Infantin in dem Ehevertrag ausdrücklich und bedingungslos allen Erbansprüchen entsagte, wie es auch die Infantin Anna 1615 bei ihrer Vermählung mit Ludwig XIII. getan hatte, und daß dieser Verzicht mit dem Heiratsvertrag in den Friedensvertrag aufgenommen wurde. Die Renunziation ist, wie die neuere Forschung festgestellt hat, auch von den spanischen Cortes 1662/63 anerkannt worden und hat damit Gesetzeskraft erhalten. Das Geschick des französischen Unterhändlers Lionne brachte aber in den Heiratsvertrag eine Klausel, die zum mindesten so ausgelegt werden konnte, als ob der Verzicht auf alle Anrechte von der tatsächlichen Auszahlung der vereinbarten Mitgift abhängig gemacht sei. Da diese Zahlung nicht geleistet wurde, erhielt Ludwig XIV. eine Handhabe zur Anfechtung. In Frankreich war der Verzicht von Anfang an als nicht unbedingt rechtsgültig angesehen worden. Mazarin hatte bereits 1646 geäußert, sobald die Infantin mit dem König verheiratet sei, könne dieser zur Sukzession in Spanien gelangen, gleichgültig, welche Renunziationen man sie ausstellen ließe. Und auch de Haro meinte, daß dadurch die Grundgesetze der spanischen Monarchie nicht aufgehoben werden könnten. So hatte Mazarin seinem jungen Herrscher eine glänzende Zukunftsperspektive eröffnet, aber P l a t z h o f f , Europ. Staatensystem.

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zugleich den Grund zu späteren Konflikten und schwerenErschütterungen des europäischen Staatensystems gelegt. Mit dem Pyrenäenfrieden war die spanische Hegemonie über Europa endgültig beseitigt. Das enge Verhältnis zwischen den beiden HabBburgerhöfen in Madrid und Wien, auf dem das Übergewicht vor allem beruht hatte, war seit dem Ausgang des 30jährigen Krieges gelockert, der spanische Plan einer Landbrücke zwischen Mailand und den Niederlanden unwiederbringlich begraben. Zwar hatte sich Frankreich noch nicht ganz aus der spanischen Umklammerung gelöst, aber mit den Erwerbungen von 1648 und 1659 die erste Bresche in dieses System geschlagen, seine Ostgrenze arrondiert und vorgeschoben und dadurch seine Hauptstadt gesichert. Freilich hatte der Kardinal den Endsieg nicht allein den eigenen Kräften und der geschickten Ausnutzung der europäischen Konstellation, sondern ebensosehr dem Eingreifen Englands zu verdanken, das im Frieden Jamaika und Dünkirchen behauptete. Unzweifelhaft hat der Protektor durch seine Waffenhilfe dem späteren Rivalen seines Landes zur Vorherrschaft auf dem Kontinent verholfen. Er war noch vor Eröffnung der Friedensverhandlungen am 3. September 1658 gestorben. Sein Tod und die Schwäche seines Sohnes und Nachfolgers Richard, die schon bald zu neuen Wirren führte, überhoben Mazarin der Rücksichtnahme auf den Verbündeten. Von England hatte er zunächst keine Störung seiner Kreise zu befürchten. Literatur. Über die spanische Heirat und die Verzichtfrage vgl. neben den älteren Werken von F. M. M i g n e t , Négociations relatives à la succession d'Espagne sous Louis XIV., 4 Bde., Paris 1835—42, und A. L e g r e l l e , La diplomatie française et la succession d'Espagne1, 6 Bde., Braine-le-Comte 1895/96, jetzt vor allem G. Turba, Die Grundlagen der Pragmatischen Sanktion II, und O. R e d l i c h , Geschichte Österreichs VI.

§ 81. Das Deutsche Reich nach dem Westfälischen Frieden, die Kaiserwahl von 1668 und der Rheinbund. Der Westfälische Friede hatte den Friedenszustand im Reich noch nicht herstellen können. Die Ausführung seiner Bestimmungen, die Abdankung des Kriegsvolkes und die Räumung Deutschlands von den fremden Heeren schleppten sich jahrelang hin, nicht allein wegen der sachlichen Schwierigkeiten und des schwerfälligen Geschäftsganges, sondern mehr noch aus Mangel an gutem Willen. Der im April 1649 in Nürnberg zusammengetretene Kongreß brachte erst am 26. Juni 1650 den „Friedensexekutionshauptrezeß" zustande, der wenigstens die wichtigsten Punkte regelte. Unentschieden blieb der schwedischbrandenburgische Streit über die Grenzziehung in Hinterpommern. Dadurch, daß er auf Schwedens Verlangen Sonderverhandlungen überwiesen wurde, mußte sich der Kurfürst der Übermacht beugen. Aber auch dann bedurfte es noch eines kaiserlichen Druckes1), für den sich Ferdinand III. erklärte, Schweden nicht vor der Räumung Hinterpommerns, zum bevorstehenden Reichstag zuzulassen.

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Friedrich Wilhelm bei der römischen Königswahl erkenntlich zeigte, um die Schweden zu dem Stettiner Rezeß vom 14. Mai 1653 zu vermögen. Der ihnen im Friedensvertrag zugesicherte Landstreifen auf dem rechten Oderufer wurde sehr weit bemessen, dazu mußte ihnen der Kurfürst die Hälfte der hinterpommerschen Seezölle überlassen. Draufhin zogen sie ihre Truppen endlich aus dem brandenburgischen Anteil zurück. Noch an einer anderen Stelle gelang ihnen eine Erweiterung ihres Machtbereiches. Bei der Abtretung des Herzogtums Bremen war die Stadt Bremen mit ihrem Territorium ausgenommen worden, aber die unklare Fassung des Artikels bot Schweden eine Handhabe, die Huldigung von der Stadt zu fordern. Als sie es verweigerte, eröffnete der königliche Statthalter 1652 Feindseligkeiten. Der tapfere Widerstand der Bürgerschaft, die Vermittlung des Kaisers und der benachbarten Reichsfürsten und nicht zuletzt der heraufziehende schwedisch-polnische Krieg führten am 8. Dezember 1654 zu dem Vergleich von Stade, kraft dessen die Stadt Bremen einen Teil ihres Landgebietes preisgeben und einen wenn auch verklausulierten Huldigungseid leisten mußte. Die Frage der Reichsunmittelbarkeit blieb nach wie vor offen. Im Westen deB Reiches kam es zunächst überhaupt nicht zu einer wirklichen Pazifikation. Der französisch-Bpanische Krieg spielte sich zum Teil auf rheinischem Boden ab, und die Gefahr einer Einbeziehung des Reiches wurde dadurch noch erhöht, daß der Kaiser, den Friedensbestimmungen zuwider, Spanien durch Truppensendungen in die Niederlande unterstützte. Karl von Lothringen und mit ihm Condé dehnten ihr Operationsgebiet auf das linke Rheinufer von Trier bis Kleve aus. Erst die Gefangensetzung des Herzogs durch den Brüsseler Statthalter machte 1654 ihren Ubergriffen ein Ende. Die Spanier ihrerseits verstanden sich erst 1652 zur Räumung der kurpfälzischen Festung Frankenthal, was das Reich mit dem förmlichen Verzicht auf die ehemalige Reichsstadt Besançon erkaufen mußte. In den niederrheinischen Plätzen blieben sie bis zum Pyrenäenfrieden, so daß hier der Friede erst 1659 eintrat. Die alte große Streitfrage der jülich-klevischen Erbfolge harrte noch immer einer definitiven Lösung und führte jetzt zu einem kriegerischen Nachspiel. Das Xantener Provisorium war wiederholt verlängert worden 1 ), zuletzt 1647, aber einer endgültigen Entscheidung war auch der Friedenskongreß aus dem Wege gegangen. Als der Pfalzgraf, gestützt auf das Normaljahr des Westfälischen Friedens, aber entgegen früheren Abmachungen mit dem Kurfürsten, eine katholische Restauration in seinem Anteil begann, machte Friedrich Wilhelm 1651 den Versuch, die jülich-bergischen Lande durch einen Handstreich an sich zu bringen. Indes dieser „Kuhkrieg bei Düsseldorf" mißglückte gänzlich, und der Kurfürst mußte froh sein, daß ein vom Kaiser vermitteltes neues Abkommen alles beim alten beließ. Die allgemeine Unsicherheit und die Ohnmacht des Reiches gegenüber diesen Friedensbrüchen riefen bei den kleineren Fürsten, die sich aus eigener Kraft nicht dagegen ») S. oben S. 169A. 16*

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schützen konnten, den alten Gedanken der organisierten Selbsthilfe wieder wach. Durch Assoziationen wollten Bie sich nicht nur gegen die äußeren Gefahren sichern, sondern zugleich auf föderativem Wege die Zusammengehörigkeit und Leistungsfähigkeit des Reiches stärken. Aber diese Schutzbündnisse, die die in erster Linie bedrohten rheinischen und niedersächsischen Fürsten schlössen — der kurrheinische Bund von 1651, die Hildesheimer und Kölner Allianz von 1652 bzw. 1654 —, zeitigten ebensowenig praktische Ergebnisse wie die vom Grafen Georg Friedrich von Waldeck betriebene brandenburgische UnionBpolitik. Denn sein Plan eines Fürstenbundes mit brandenburgischer Spitze und mit Anlehnung an Frankreich eilte seiner Zeit voraus und überstieg die tatsächlichen Kräfte des Kurstaates. Noch befördert wurden diese Konföderationsbestrebungen durch die Unfruchtbarkeit des erst 1653/54 in Regensburg versammelten Reichstages, der bloß einen Teil der ihm zugewiesenen Aufgaben, besonders die Justizreform erledigte und die Gegensätze zwischen Kaiser, Kurfürsten und Fürsten aufs deutlichste enthüllte. Kurz zuvor, am 31. Mai 1653, hatte Ferdinand III. die römische Königswahl seines gleichnamigen ältesten Sohnes durchgesetzt. Aber der frühe Tod des jungen Habsburgers (9. Juli 1654) eröffnete die Sukzessionsfrage aufs neue, und ehe sie entschieden wurde, starb Ferdinand III., erst 49 Jahre alt, am 2. April 1657. Das Interregnum dauerte über 15 Monate; wie 1519 wurde die Kaiserwahl zu einer europäischen Angelegenheit. Mazarin hatte sich entsprechend seinen Forderungen auf dem Westfälischen Friedenskongreß 1 ) seit dem Auftauchen der Nachfolgerfrage bemüht, eine Neuwahl zu Lebzeiten des Kaisers zu verhindern. Die Jugend des zweiten Kaisersohnes Leopold Ignatius, die Bedenken der Kurfürsten, der Ausbruch des Nordischen Krieges und namentlich das Hinscheiden Ferdinands III. verhalfen seiner dilatorischen Taktik zum Siege. Jetzt bot er alles auf, den Habsburgern die Krone zu entreißen, und fand hierfür bei Schweden, England und innerhalb des Kurfürstenkollegs bei Pfalz und Köln Unterstützung. So umstritten und in Einzelheiten ungeklärt seine Wahlpolitik noch ist, darüber kann kein Zweifel herrschen, daß ihr letztes Ziel nicht ein französisches Kaisertum, sondern die Ausschließung des Hauses Österreich war. Um es leichter zu erreichen, griff er mehrfach, aber ohne Nachdruck auf das alte Projekt einer französischen Reichsstandschaft zurück. Daß er schließlich unterlag, ist hauptsächlich in dem Fehlen eines geeigneten Kandidaten begründet. Der einzig ernst zu nehmende Rivale des Erzherzogs, Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern, der Sohn des 1651 verstorbenen Kurfürsten Maximilian, lehnte trotz wiederholter Einwirkungen ab und sagte seine Stimme schon im August 1657 den Österreichern im geheimen zu. Gegen den anderen von Paris empfohlenen Anwärter, den Jülicher Herzog Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg erhob Kurbrandenburg unüberwindlichen Wider») Siehe oben S. 229.

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stand. Als eventuellen Ersatzmann hatte der Kardinal seinen eigenen König ins Auge gefaßt, ohne indes den Gedanken energisch zu betreiben. Als er nach dem Fehlschlagen der beiden deutschen Kandidaturen im Sommer 1657 über eine Wahl Ludwigs XIV. vorsichtig im Reich sondieren ließ, stellte sich sofort die gänzliche Aussichtslosigkeit heraus. Noch bevor der Kurfürstentag im April 1658 in Frankfurt zusammentrat, war der Sieg des gerade 18jährigen Erzherzogs Leopold entschieden. Wenn die Wahl sich bis zum 18. Juli hinauszögerte, so lag das an den schwierigen Verhandlungen über die Wahlkapitulation. Nachdem Mazarin in der Personenfrage nicht durchgedrungen war, wollte er die Macht des neuen Kaisers möglichst eingeschränkt und die französischen Interessen sichergestellt wissen. Vor allem verlangte er Garantien dafür, daß die im Westfälischen Frieden festgelegte Neutralität von Kaiser und Reich in dem spanischen Krieg auch wirklich eingehalten werde. Seine Forderung deckte sich mit dem Streben des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn, dem Reich und zumal Westdeutschland den Frieden zu wahren und das Kaisertum unter die Vormundschaft des von ihm geleiteten Kurkollegs zu bringen. Darum war er anfangs für die auch in Wien erwogene Wahl von Ferdinands III. Bruder Leopold Wilhelm eingetreten, der als länderloser Fürst leichter dem kurfürstlichen Einfluß zu unterwerfen war als der Besitzer der österreichischen Erblande. Nachdem er sich mit der Kandidatur Leopolds abgefunden hatte, gedachte er die Vornahme der Wahl an den vorherigen Friedensschluß zwischen Frankreich und Spanien zu knüpfen, bei dem die Kurfürsten vermitteln sollten. Als auch dieser Plan sich als unausführbar erwies, bestand er darauf, dem Österreicher durch eine bindende Verpflichtung der Wahlkapitulation eine fernere Unterstützung Spaniens unmöglich zu machen. Mit Hilfe Brandenburgs setzte er in den Beratungen den sogenannten Assistenzartikel durch, der dem Erwählten sowohl für sich wie für sein Haus jede Einmischung in den Krieg der Westmächte untersagte. Um dem Habsburger die Zustimmung zu erleichtern, wurde auf brandenburgische Anregung eine Reziprozitätsklausel hinzugefügt, daß umgekehrt auch die Franzosen den Feinden des Kaisers und des deutschen Hauses Österreich keinen Beistand leisten dürften. Aber während dieser Zusatz eine leere Formel war, wurde dem Kaiser durch den Assistenzartikel eine unabhängige auswärtige Politik verboten und die Trennung der österreichischen und spanischen Linie des Hauses Habsburg vollendet. Und noch auf einem zweiten Wege wußte Mazarin die Wahlniederlage auszugleichen und den Habsburgern im Reiche Schach zu bieten, wiederum im Verein mit Johann Philipp von Mainz. Der ehrgeizige Kirchenfürst hatte sich zum Vorkämpfer des föderalistischen Gedankens aufgeworfen, um auf diese Weise die Existenz und Libertät des „dritten Deutschland" zu gewährleisten und es unter seiner Führung zu einer selbständigen Partei neben und zwischen den großen Mächten zusammenzufassen. Auf sein Betreiben hatten sich die beiden rheinischen Bünd-

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nisse 1655 zusammengetan, ihren konfessionellen Charakter abgestreift und mit der Hildesheimer Allianz Verhandlungen über eine Verschmelzung eröffnet, die jetzt in Frankfurt zum Abschluß kamen. Bei der Schwäche seiner Mitglieder konnte jedoch der Bund der Anlehnung an eine wirkliche Macht nicht entraten und hatte nur zu wählen, bei welcher, bei Österreich oder Frankreich er sie suchen wollte. Wenn Johann Philipp sich nach einigem Schwanken für Frankreich entschied, so bestimmte ihn dabei neben dem alten Mißtrauen gegen Habsburg und der traditionellen Hinneigung der Fürstenpartei zum Hause Bourbon nunmehr noch der Gedanke, ein Gegengewicht gegen das österreichische Kaisertum zu begründen. Eben deshalb griff auch Mazarin, der sich anfangs gleichgültig verhalten hatte, den Plan jetzt eifrig auf. Am 15. August 1658 schlössen in Frankfurt die Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln, der Pfalzgraf von Neuburg, der Bischof von Münster, der Landgraf von Hessen-Kassel, die Herzoge von Braunschweig-Lüneburg sowie der König von Schweden als Herzog von Bremen und Verden die rheinische Allianz1), am Tage darauf trat Ludwig XIV. „en qualité de membre de la paix" ihr bei. Es war ein Defensivbündnis auf drei Jahre zur Aufrechterhaltung des Westfälischen Friedens. Ausdrücklich verpflichteten sich die Mitglieder, kaiserlichen Truppensendungen nach den Niederlanden den Durchzug zu verweigern. Das Bundesheer wurde auf 10000 Mann angesetzt, wovon der allerchristlichste König 2400 zu stellen hatte. Damit hatte Frankreich eine Sicherung für die Beobachtung des Assistenzartikels und zugleich einen Hebel zur Ausdehnung seines Einflusses im Reich gewonnen. Denn die hochfliegenden Hoffnungen des Kurfürsten von Mainz, den unter seinem Präsidium stehenden Bund zum entscheidenden Faktor im Reich zu erheben und mit ihm das Gleichgewicht zwischen den Großmächten herzustellen, beruhten doch auf einer völligen Verkennung der realen Machtverhältnisse. Die Tatsache, daß die Fürsten vier Wochen zuvor bei der Kaiserwahl die französischen Pläne durchkreuzt hatten, mußte freilich auch die französischen Staatsmänner vor einer Überschätzung der neuen Hilfsstellung bewahren. Zur Erreichung ihres nächsten Zieles, der Isolierung und Bezwingung Spaniens, haben indes Wahlkapitulation und rheinische Allianz an ihrem Teil beigetragen. Und auch der anderen auswärtigen Macht, Schweden, leistete der Bund von 1658 Vorspann. Denn mit der Verpflichtung, Bremen und Verden gegen einen Angriff zu schützen, gewährten die Alliierten der Stockholmer Regierung eine wertvolle Rückendeckung in dem Nordischen Krieg. Literatur. Die Deutschen Geschichten von B. E r d m a n n s d ö r f f e r und H.v. Z w i e d i n e c k - S ü d e n h o r s t . S. R i e z l e r , Geschichte Baierns VII. M. Doeberl, Bayern und Frankreich, O. R e d l i c h , Geschichte Österreichs VI. Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe Leopolds I., hrsg. v. A. L e v i n s o n (Arch. f. österr. Gesch. 103 *) Trier und Münster haben die Urkunde erst etwas später unterzeichnet; das deutsche Bundesinstrument ist auf den 14., das französische auf den 15. August datiert.

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u. 106). Zur Kaiserwahl von 1658: neben den älteren Arbeiten von Arndt, H e i d e , P r i b r a m , P r e u ß jetzt noch S. F. N. Gie, Die Kandidatur Ludwigs XIV. bei der Kaiserwahl vom Jahre 1658 (Abhandlgen. zur mittl. u. neueren Gesch. 61), Berlin u. Leipzig 1916; W. P l a t z h o f f , Ludwig XIV., das Kaisertum und die europäische Krisis von 1683 (Hist. Zeitschr. 121). Zum Rheinbund: E. J o a c h i m , Die Entwicklung des Rheinbundes, Leipzig 1886, sowie G. Mentz, Johann Philipp von Schönborn, 2 Bde., Jena 1896/99.

§ 82. Entstehung und Beginn des Nordischen Krieges. Am 16. Juni 1654 hatte die Königin Christine von Schweden ihre schon lange ungern getragene Krone niedergelegt. Den Thron bestieg ihr 32j ähriger Vetter Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken als König Karl X. Er war der Sohn des mit dem Winterkönig geächteten Pfalzgrafen Johann Kasimir und der schwedischen Prinzessin Katharina, einer Schwester Gustav Adolfs. Seit seinem 20. Jahr im schwedischen Heeresdienst, war er 1648 zum Generalissimus ernannt worden und hatte Schweden auf dem Nürnberger Exekutionskongreß vertreten; der Ruf eines Kriegsfürsten ging ihm voraus. Jedoch waren es nicht allein sein Tatendurst und Ehrgeiz, die neue Erschütterungen verursachten, sondern mehr noch die wirtschaftliche Zwangslage Schwedens. Schon 1652 hatte Adler Salvius es offen ausgesprochen: „Andere Staaten fangen Krieg an, weil sie reich sind; Schweden, weil es arm ist." Das Land mit seinen geringen natürlichen Hilfsmitteln und den zerrütteten Finanzen war nicht imstande, die verhältnismäßig große, seit dem Westfälischen Frieden beschäftigungslose Armee zu ernähren, gegen ihre Verminderung sträubte sich der nationale Stolz. Die Verschleuderung der Krongüter an den Adel, die nach Gustav Adolfs Tod immer mehr eingerissen war, hatte den Staat seiner wichtigsten Einnahmequellen beraubt und zugleich die Bauernschaft in Gärung gebracht. Aus allen diesen Schwierigkeiten verhieß ein siegreiches äußeres Unternehmen den besten Ausweg. Das Ziel der schwedischen Außenpolitik, das Dominium maris Baltici, war noch nicht ganz erreicht. Die Südküste der Ostsee von der Dünabis zur Weichselmündung stand, wenigstens nominell, mittelbar oder unmittelbar unter der Oberhoheit Polens. Daß ihm 1635 in dem Stuhmsdorfer Vertrag die von Gustav Adolf besetzten preußischen Häfen zurückgegeben werden mußten, hatte nicht nur das Selbstgefühl Schwedens verletzt, sondern wegen des Verlustes der Seezölle auch seine Finanzen schwer getroffen. Alle, besonders von Frankreich betriebenen Versuche, den Waffenstillstand zwischen den beiden Ländern in einen dauernden Frieden umzuwandeln, waren gescheitert, da der Polenkönig nicht auf Livland verzichten wollte. Auf dem Lübecker Friedenskongreß von 1651/52 hatte er dazu noch eine Entschädigung für die Anerkennung der Zweibrückenschen Thronfolge in Schweden gefordert und damit die Unvermeidlichkeit eines neuen Waffengangs dargetan. Die Gelegenheit hierzu war für Schweden sehr verlockend. Denn der innere Zerfall des Piastenreichs machte unter dem schwachen König Johann Kasimir zumal seit der Einbürgerung des Liberum Veto auf den Reichstagen un-

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aufhaltsame Fortschritte, einzelne mißvergnügte Magnaten scheuten vor hochverräterischen Anknüpfungen mit dem Landesfeind nicht zurück. Dazu kam, daß Polen 1654 in einen neuen Krieg mit Rußland verwickelt wurde. Der zweite Romanow, Zar Alexeij, hatte die gegen Polen rebellierenden Saporoger Kosaken am Dnjepr und Bug unter seinen Schutz genommen, mit ihnen Smolensk, Poloczk und Witepsk erobert und war im Vormarsch auf Litauen begriffen. Wenn dadurch Polens Kräfte gefesselt waren, so bildete andererseits das russische Vordringen auch für den schwedischen Besitz im Baltikum eine Gefahr und für Karl Gustav einen weiteren Antrieb, dem Moskowiter zuvorzukommen und gegen dessen Trachten nach dem Meere die eigene Position auf dem südlichen Ostseeufer auszubauen. Den Anlaß zum Bruch bot der Einspruch des polnischen Wasa gegen die Thronbesteigung des Pfälzers in Schweden. Im Juni 1655 eröffnete dieser den Krieg mit der Eroberung von Dünaburg, im Juli rückte das schwedische Hauptheer von Hinterpommern aus in Großpolen ein. Die dortigen Magnaten leisteten keinen Widerstand, sondern erkannten in dem schmachvollen Vertrag von Uscie (25. Juli 1655) den Schwedenkönig als ihren Herren an. In einem glänzenden Siegeszug nahm er Posen, Gnesen, Kaiisch und Warschau und stand Ende September vor Krakau. Am 17. Oktober mußte die alte Krönungsstadt kapitulieren, Johann Kasimir flüchtete auf österreichischen Boden nach Schlesien, die polnische Kronarmee huldigte Karl Gustav. Da in demselben Jahr der Zar sich Wilnas, Kownos und Grodnos bemächtigte, die Kosaken Lublin besetzten, schien Polen eine Beute seiner Feinde zu werden. Karl X. erwog schon seine völlige Auflösung und Aufteilung, für Schweden faßte er Westpreußen und dazu einen breiten Landgürtel von der Warthe und Netze bis zum Niemen und zur Düna ins Auge. Die unerwarteten Erfolge des „nordischen Alexander" und der jähe Zusammenbruch Polens riefen indes die Nachbarn und die europäischen Mächte auf den Plan, die infolge ihrer eigenen Gegensätze und Erschöpfung dem Krieg bisher tatenlos zugesehen hatten. Die Niederlande bangten ebensosehr für ihren Ostseehandel wie vor einem englisch-schwedischen Zusammengehen und schickten sich an, eine Flotte in die Ostsee zu senden. Der Kaiser befürchtete ein Hinüberfluten des Krieges in seine Erblande und wurde von Johann Kasimir immer dringender um Hilfe angefleht. Auch der Zar erblickte jetzt in dem siegreichen Schwedenkönig einen viel gefährlicheren Feind als in der morschen Adelsrepublik und ließ in Wien über einen Ausgleich mit Polen und eine gemeinsame Offensive gegen Karl Gustav verhandeln. Aber bei Ferdinand III. und seinen Beratern überwog das Friedensbedürfnis alle anderen Erwägungen, auch die Angebote der polnischen Krone konnten ihn darin nicht irre machen. So beschränkte er sich auf die Sicherung seiner Grenzen und schwächliche Vermittlungsversuche; der fähigste Kopf unter den österreichischen Diplomaten, Franz von Lisola, wurde in das schwedische Hauptquartier entsandt.

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In die schwierigste Lage geriet der Besitzer von Ostpreußen, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Ihm, der sich eben damals in heftigen Kämpfen mit Beinen Ständen ein kleines stehendes Heer schuf, hatte Karl Gustav schon 1654 ein Bündnis antragen lassen. Der Kurfürst erklärte sich in den Stettiner Verhandlungen im Juli 1655 bereit, verlangte aber dafür die Souveränität über sein Herzogtum Preußen sowie eine Landvergrößerung auf Kosten Polens, und zwar in erster Linie das Bistum Ermland sowie eine „Kommunikationslinie" zwischen Preußen und der Neumark. Einen so hohen Preis wollte indeB der König dem kleinen Territorialfürsten um so weniger zahlen, da dessen Forderungen seine eigenen Pläne durchkreuzten. Den günstigen Moment zum Abschluß vor Kriegsbeginn ließen die Brandenburger ungenützt. Daß sie, um wenigstens e i n e n Rückhalt zu haben, im Juli eine Defensivallianz mit den Generalstaaten und im November eine solche mit den westpreußischen Ständen vereinbarten, verstärkte das schwedische Mißtrauen. Nachdem die Bemühungen um ein Zusammengehen mit dem Kaiser an dessen Ablehnung gescheitert waren, Bah sich Friedrich Wilhelm völlig isoliert, als Karl Gustav im November 1655 aus Polen gegen Preußen heranrückte, in wenigen Wochen Thorn und Elbing eroberte und die bisher bei Polen befindliche Oberhoheit über Ostpreußen für Schweden forderte. Um sein Herzogtum nicht ganz zu verlieren, unterwarf sich der Kurfürst. In dem demütigenden Königsberger Vertrag vom 17. Januar 1656 nahm er Ostpreußen sowie das ihm zugesagte Bistum Ermland von der Krone Schweden zu Lehen, versprach für den Fortgang des Krieges eine Lehnshilfe von 1500 Mann und räumte dem König die Benutzung seiner beiden Häfen Pillau und Memel sowie die Hälfte der Seezölle ein. Die einzige Bedingung, die er durchsetzen konnte, war die Verschiebung des Lehnseides um ein Jahr. Er dachte schon daran, die erlittene Niederlage durch ein Unternehmen am Rhein wettzumachen und ging darum im Februar 1656 ein Schutzbündnis mit Frankreich ein, da veränderte sich die Lage im Osten von Grund aus. In Polen setzte eine national-religiöse Erhebung ein, ein Beweis, daß das Land nur überrannt, aber nicht bezwungen war. Vor allem die katholische Geistlichkeit entbot das Volk gegen den protestantischen Eindringling und Unterdrücker zu den Waffen, der König wurde zurückgerufen. Wohl stürmte Karl Gustav Anfang 1656 noch einmal bis Jaroslaw vor, aber die eigenen Verluste und die nachdrängenden Polen nötigten ihn bald zum Rückzug; mit kaum 4000 Mann traf er im April in Warschau ein. Gleichzeitig brach der Moskowiter den Krieg gegen die Adelsrepublik ab und wandte sich gegen die schwedischen Ostseelande. Karl Gustav mußte sich nach Bundesgenossen umsehen. Wie er im Süden mit dem Fürsten von Siebenbürgen, Georg II. Rakoczy, in Fühlung trat, so knüpfte er mit Friedrich Wilhelm neue Verhandlungen an, um die Unterstützung der ganzen brandenburgischen Streitmacht zu erlangen. Das Marienburger Bündnis (25. Juni 1656) ließ zwar die

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schwedische Lehnshoheit über das Herzogtum Preußen bestehen, verhieß aber dem Kurfürsten für die Mitwirkung seiner gesamten Armee an dem diesjährigen Feldzug den Gewinn der vier großpolnischen Palatinate: Posen, Kaiisch, Lenczycz und Sieradz. Vereint zogen die Fürsten gegen die Polen, die am 1. Juli Warschau wiedergenommen hatten, und schlugen sie trotz ihrer großen Überzahl in der dreitägigen Schlacht von Warschau vom 28. bis 30. Juli aufs Haupt. Das junge brandenburgische Heer hatte seine Feuerprobe hervorragend bestanden. Die Hauptstadt wurde von den Verbündeten besetzt, König Johann Kasimir floh nach Lublin. So glänzend der Sieg war, die von Karl Gustav erhofften militärischen und politischen Wirkungen blieben aus. Die Alliierten trennten sich schon bald, da der Kurfürst Ostpreußen gegen einen drohenden Einfall der Polen decken mußte. Denn ihre Widerstandskraft war keineswegs gebrochen. In kurzer Zeit hatte Johann Kasimir eine neue Armee gesammelt und rüstete sich zum Marsch nach Westpreußen, um das von den Schweden belagerte Danzig zu entsetzen. Bereits vorher erschien zur Befreiung der Stadt eine holländische Flotte auf der Reede und zwang Karl Gustav zur Aufgabe der Belagerung und zu einem Handelsabkommen (11. September 1656), daB den Ostseehandel gegen Übergriffe der schwedischen Zollpolitik sicherte. Daraufhin ließen die Niederländer ihren Gedanken, Danzig zu einem selbständigen, sowohl von Schweden wie von Polen unabhängigen Staat zu machen, fallen. Die wirksamste Entlastung aber erhielt Polen durch die Russen. In drei Haufen waren sie im Sommer 1656 in Ingermanland, Estland und Livland eingedrungen und hatten überall das flache Land überschwemmt. Von den festen Plätzen wurden Dünaburg und Kockenhusen im Sturm genommen. Die vom Zaren persönlich geleitete Belagerung von Riga scheiterte freilich unter großen Verlusten, aber die Eroberung Dorpats zerschnitt die schwedische Verbindungslinie zwischen Riga und Reval und lieferte Livland der russischen Okkupation aus. Durch die Truppenabgaben in das Baltikum und die Fesselung der Brandenburger, die mit Mühe die Polen aus Ostpreußen herausdrängten, war Karl Gustav nicht imstande, dem durch Großpolen heranrückenden Polenheer entgegenzutreten. Am 15. November hielt Johann Kasimir seinen Einzug in Danzig, die Position der Schweden in Westpreußen war aufs äußerste bedroht. Auch politisch spitzte sich die Lage für sie immer mehr zu. Dänemark wartete nur auf einen günstigen Augenblick zum Losschlagen, um für Brömsebro Rache zu nehmen. Zwischen Polen und Rußland vermittelte der Kaiser am 3. November in Wilna einen förmlichen Waffenstillstand, der als erster Schritt zu einem Bündnis betrachtet wurde. Der Zar trug sich nämlich mit Hoffnungen auf die polnische Königskrone nach dem Tod deB kinderlosen Johann Kasimir. Um ihn auf ihre Seite zu ziehen, machten ihm die Polen zum Schein Aussichten auf seine von ihnen gar nicht in Erwägung gezogene Wahl. Auch Ferdinand III. ging jetzt soweit aus seiner bisherigen Zurückhaltung heraus, daß er am 1. Dezember Johann Kasimir vertragsmäßig diplomatische

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Unterstützung sowie ein Hilfskorps von 4000 Mann zusagte. Weiter wollte er sich zunächst nicht vorwagen, aus Furcht vor einem schwedischen Angriff auf die Erblande und einem Anschluß Karl Gustavs an Frankreich und England. Die Besorgnis war nicht unbegründet, denn Mazarin suchte im französischen Interesse den Krieg im Osten möglichst schnell zu beenden und den Schweden zu einer Allianz und Offensive gegen Österreich zu bestimmen. Indes der König lehnte ab in der Erkenntnis, dadurch nur die Geschäfte Frankreichs zu besorgen. Gegenüber der sich anbahnenden Koalition und dem polnischen Vordringen mußte er aber alles aufbieten, sich seinen einzigen Bundesgenossen, Brandenburg, zu erhalten. Deshalb gestand er dem Kurfürsten in einem neuen Abkommen zu Labiau am 20. November 1656 die volle Souveränität über Preußen, den souveränen Besitz von Ermland sowie gegen eine einmalige Entschädigung die ungeteilten Seezölle in den Häfen zu. Wenige Wochen später, am 6. Dezember, kam das lang erstrebte Bündnis mit Georg Rakoczy zustande, das noch einmal eine Aufteilung Polens vorsah. Anfang 1657 fiel der Fürst in Polen ein, im April vereinigte sich Karl Gustav mit seinem zusammengeschmolzenen Heer bei Sandomir mit ihm. Aber ihre Operationen waren von Anfang an durch Reibungen und militärische Unzulänglichkeit gelähmt und fanden durch das Eingreifen Dänemarks und Österreichs ein rasches Ende. Literatur. E. H a u m a n t , La guerre du nord et la paix d'Oliva, 1655—1660. F. F. Carlson, Geschichte Schwedens IV. A. F. Pribram, Franz Paul Freiherr von Lisola und die Berichte Lisolas (Arch. f. österr. Gesch. 70). Die Nuntiaturberichte des Petrus Vidoni, hrsg. v. A. L e v i n s o n (ebd. 95). B. E r d m a n n s d ö r f f e r und O. R e d l i c h (s. § 82). Zur Haltung Brandenburgs: Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg sowie die bei Dahlmann-Waitz u. a. verzeichnete Literatur.

§ 83. Die Koalition gegen Schweden und der Friede von Oliva. Seit Ende 1656 hatte König Friedrich III. von Dänemark zum Kriege gerüstet. Von den Niederländern, dem Kaiser und Spanien bearbeitet, nutzte er die wachsende Kriegsmüdigkeit des schwedischen Volkes und Karl Gustavs bedrängte Lage in Polen im Mai 1657 zur Kriegserklärung aus. Ein dänisches Heer brach von Holstein in daB Herzogtum Bremen ein, zwei andere eröffneten von Schonen und Norwegen aus den Angriff auf Schweden selbst. Vor dieser Bedrohung seines Stammlandes traten für Karl Gustav alle anderen Rücksichten in den Hintergrund; mit seinen Kerntruppen verließ er sofort Polen und stand bereits Ende Juli an der Elbe. Gleichzeitig und in ursächlichem Zusammenhang mit dem Vorgehen Dänemarks raffte sich auch Österreich aus der bisherigen Halbheit zu einer klaren Stellungnahme gegen Schweden auf. Der Tod Ferdinands III. und die Frage der Kaiserwahl sprachen dabei insoweit mit, als die Niederwerfung Schwedens das sicherste Mittel gegen die befürchtete und von Mazarin erstrebte Einmischung Karl Gustavs in den Wahlkampf war. Ausschlaggebend war indes die Besorgnis, der König werde jetzt, wo er in Polen keine Erfolge mehr erringen konnte, im Ein-

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Verständnis mit Frankreich seine Waffen gegen die Erblande kehren. Darum hatte Lisola seit dem Scheitern der Vermittlungsversuche unermüdlich zum Kriege gedrängt. Das Eingreifen Siebenbürgens sowie die Bildung einer antischwedischen Koalition erleichterten Leopold I. den Entschluß. In dem Bündnisvertrag vom 27. Mai 1657 versprach er die Entsendung von 12000 Mann nach Polen, die in erster Linie gegen Rakoczy eingesetzt werden sollten. Noch ehe sie dort eintrafen, trat der Fürst mit seinen hungernden Truppen den Rückzug an. Nachdem er am 22. Juli unter demütigenden Bedingungen den Frieden mit Polen erkauft hatte, wurden die Reste seines Heeres acht Tage darauf südlich von Tarnopol von den Tataren aufgerieben. Da er den Feldzug ohne die Erlaubnis des Sultans unternommen hatte, schritt jetzt die Pforte gegen ihn ein. In den Kämpfen mit ihr ist er am 7. Juni 1660 an einer Verwundung gestorben. Dieses Gegners überhoben, entsetzte die österreichische Hilfsarmee im August 1657 das noch von den Schweden gehaltene Krakau und rückte dann nach Westpreußen. Unterdessen hatte Lisola auch den zweiten Teil seines Programms, Brandenburgs Lösung von Schweden und Aussöhnung mit Polen, verwirklicht. In seinem eigenen Interesse konnte Friedrich Wilhelm eine völlige Niederlage Polens und eine schwedische Hegemonie über die Ostsee nicht wünschen. Deshalb hatte er schon früher eine einseitige Verständigung mit Johann Kasimir erwogen, und der Abzug der Schweden nach Holstein, der ihm die ganze Last des polnischen Krieges aufbürdete, sowie die polnisch-österreichische Allianz mußten ihn in diesem Gedanken noch bestärken. Neutralität zwischen den streitenden Parteien kam für ihn nicht in Frage, da er dann der Rache Karl Gustavs isoliert gegenüberstehen würde. Nun bot der König, unterstützt von der französischen Diplomatie, ihm für ein Beharren in dem Bündnis und für ein Zusammengehen gegen Österreich Landerwerbungen in Schlesien an, aber diese unsicheren Aussichten wurden aufgewogen, wenn er durch einen Übertritt auf die andere Seite die polnische Anerkennung seiner Souveränität in Preußen erreichen konnte. Sie machte er in den Verhandlungen mit Lisola zur conditio sine qua non und hat sie durch zähes Festhalten schließlich durchgesetzt. Am 19. September 1657 schloß er in dem Vertrag von Wehlau mit Polen Frieden und Freundschaft und verzichtete auf Ermland sowie seine Eroberungen; dafür wurde Ostpreußen aus dem polnischen Lehnsverhältnis gelöst und dem Hohenzollern für seine Waffenhilfe gegen Schweden eine Entschädigung zugesagt. Bei einer persönlichen Zusammenkunft des Kurfürstenpaares mit Johann Kasimir und seiner ihn weit überragenden Gemahlin Luise Marie von Nevers- Gonzaga wurde der Vertrag am 6. November zu Bromberg bestätigt und als Entschädigung für Brandenburg die an Hinterpommern grenzenden Ämter Lauenburg und Bütow 1 ), und mit einer Rückkaufsklausel die Starostei Draheim ') Sie waren erst 1637, nach dem Aussterben des pommerschen Herzoghauses, als eröffnete Lehen an die Krone Polen gefallen.

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und die Stadt Elbing bestimmt. Damit hatte Friedrich Wilhelm die Unabhängigkeit Ostpreußens auf vielverschlungenem Wege erreicht und Schweden seinen Bundesgenossen verloren. Karl Gustavs Bemühungen um Ersatz schlugen fehl. Er hatte sein Augenmerk in erster Linie auf England gerichtet, um gegen Dänemark und die hinter ihm stehenden Niederlande die Unterstützung einer Seemacht zu gewinnen. Cromwell war nicht abgeneigt, verlangte aber als Pfand für die erbetenen Subsidien das Herzogtum Bremen. Neben Dünkircben und Gibraltar dachte er hier an eine dritte festländische Erwerbung, die den britischen Ostsee handel schützen, Holländer und Dänen in Schach halten und ihm Einfluß auf das Reich sichern sollte. Vergebens suchte der König, der gerade auf den Besitz von Bremen sehr großes Gewicht legte, den Protektor auf Ostfriesland, Oldenburg, Nordjütland oder Pomerellen abzulenken. Als er sich schließlich im Herbst 1657 zur Bewilligung der Forderung bereit erklärte, hatte Cromwell den Krieg gegen Spanien eröffnet und wollte im Norden über eine Vermittlertätigkeit nicht hinausgehen. Auch die Verhandlungen mit Frankreich führten zu keinem Abschluß, vor allem deshalb, weil Karl Gustav sich nicht zum Werkzeug von Mazarins Politik hergeben wollte. Seine Anknüpfungsversuche in Konstantinopel wurden von der Pforte überhaupt keiner ernsthaften Antwort gewürdigt. Diese diplomatischen Mißerfolge wußte er jedoch durch glänzende militärische Taten wettzumachen. Sein erster Feldzug gegen Dänemark gehört zu den größten Leistungen der Kriegsgeschichte. Nachdem er die Dänen innerhalb von vierzehn Tagen aus dem Herzogtum Bremen vertrieben hatte, eroberte er im Herbst 1657 Holstein, Schleswig und nach der Einnahme der Festung Fredriksodde (Fridericia) ganz Jütland. Am 9. Februar 1658 setzte er über den zugefrorenen Kleinen Belt nach Fünen, schlug die hier stehende dänische Armee und drang über die Inseln Langeland, Laaland und Falster nach Seeland bis in die unmittelbare Nähe von Kopenhagen vor. Zur Rettimg seiner Hauptstadt verstand sich Friedrich III. zum sofortigen Frieden, den auch Karl Gustav im Hinblick auf seine nicht unbedenkliche militärische Lage herbeiwünschte. Er wurde am 27. Februar 1658 zu Roeskilde unterzeichnet und kostete Dänemark die schwedischen Südprovinzen Schonen, Blekinge, Halland, dazu Bohuslähn an der norwegischen Grenze, Drontheim und die Insel Bornholm. Beide Staaten entsagten den gegeneinander gerichteten Bündnissen und verpflichteten sich zur Schließung der Ostsee gegen feindliche Flotten. Die dänische Alleinherrschaft über den Sund war beseitigt, und mit Drontheim hatte Schweden auch ein Fenster nach der Nordsee errungen. Obwohl Polen schon im Juli 1657 ein Bündnis mit den Dänen geschlossen hatte und Brandenburg im Oktober gefolgt war, hatte keiner ihnen Beistand geleistet oder die Abwesenheit Karl Gustavs zu einem entscheidenden Schlage benutzt. Der Grund hierzu lag in dem Zaudern Österreichs. Ganz mit der Kaiserwahl beschäftigt., lehnten die Wiener

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Staatsmänner eine Mitwirkung bei dem von Friedrich Wilhelm verlangten Angriff auf die deutschen Besitzungen Schwedens ab, um nicht das Odium einer Verletzung des Reichsfriedens auf sich zu laden. Ohne österreichische Hilfe, allein mit dem schwachen Polen wollte auch Kurfürst Friedrich Wilhelm keine Offensive unternehmen, Darum blieb er zunächst neutral, legte den Wehlauer Vertrag rein defensiv aus und brach die Brücken zu Schweden geflissentlich nicht ab. Die wachsende Verstimmung Polens und Brandenburgs gegen die Hofburg und namentlich die Notwendigkeit, die brandenburgische Kurstimme für Leopold zu gewinnen, verhalfen schließlich der von Lisola befürworteten Berliner Forderung zum Sieg über die Wiener Friedenspartei. Am 14. Februar 1658 schlössen die österreichischen Unterhändler in Berlin, Lisola und Montecuccoli, mit dem Kurfürsten ein auf den 9. Februar zurückdatiertes Schutz- und Trutzbündnis gegen Schweden ab, dem Polen Bofort beitrat. Danach stellte Österreich 10000, Polen 7000 und Brandenburg 6000 Mann, die Entscheidung über den Beginn der Operationen wurde dem Kurfürsten überlassen und ihm das Recht eingeräumt, die wichtigsten Plätze in Schwedisch-Pommern nach ihrer Eroberung mit seinen Truppen zu besetzen. Während er den Kampf sogleich eröffnen und vor allem Vorpommern in seine Hand bringen wollte, gedachte die österreichische Diplomatie den Waffengang bis nach der Kaiserwahl hinauszuschieben. Nur unter der Voraussetzung, daß militärische Gründe hierzu einen Vorwand geben würden, hatte Leopold dem Vertrage zugestimmt. Diese Zweideutigkeit sowie der Friede von Roeskilde hielten auch den Kurfürsten von einem förmlichen Bruch mit Schweden ab. Er zögerte die Ratifikation des Bündnisvertrages mit Österreich hinaus und verhandelte mit Karl Gustav über die Wiederherstellung des allgemeinen Friedens. Völlig im Stich gelassen fühlte sich Polen, das seit dem Herbst 1657 die österreichische Hilfsarmee auf seinem von den Schweden ausgesogenen Boden zu ernähren hatte. Der Groll gegen Österreich und die Friedenssehnsucht verschafften der französischen Partei am Hofe das Oberwasser und führten ihr in der Königin und ihrem Anhang Bundesgenossen zu. Während Luise Marie 1657 die Nachfolge ihres Gatten einem Erzherzog, Leopolds jüngerem Bruder Karl Josef, zuwenden wollte, faßte sie jetzt eine französische Kandidatur ins Auge. Anfang 1658 nahm Johann Kasimir die französische Friedensvermittlung zwischen Polen und Schweden an, und nur durch seine wahrhaft glänzende Taktik wußte Lisola bindende Abmachungen solange zu verhindern, bis die Frankfurter Kaiserwahl Leopold I. Handlungsfreiheit verlieh. Gleichzeitig schweißte Karl Gustav selbst durch seinen Angriff auf Dänemark die gelockerte Koalition seiner Gegner wieder zusammen. Die Rücksicht auf sein Heer, das er in der unsicheren Lage nicht verringern, aber nur in Feindesland unterhalten konnte, gestattete ihm kein längeres Stillesitzen. Da ein neuer Feldzug gegen Polen in der Armee unpopulär war und keine Vorteile verhieß, war er hier zu einem

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Separatfrieden bereit. Auch mit dem Zaren, der 1657 in Livland keine Erfolge errungen hatte und sich durch die polnisch-österreichische Freundschaft um seine Hoffnungen auf die polnische Krone betrogen sah, schwebten seit dem Frühjahr 1658 Verhandlungen über einen Ausgleich. So dachte der König daran, den Krieg nach Deutschland zu tragen. Er wollte den Brandenburger für seinen Abfall strafen und sich dann auf die österreichischen Erblande stürzen, um auf diese Weise die feindliche Liga zu sprengen und vielleicht auch noch die Kaiserwahl im letzten Augenblick zu beeinflussen. Aber hierzu bedurfte er der Sicherheit im Norden. Der Durchführung der Roeskilder Bestimmungen und des hierin vereinbarten Bündnisses zwischen den beiden Ländern setzte indes Dänemark einen wachsenden Widerstand entgegen, angetrieben und ermutigt durch die Generaletaaten, die von einer schwedischdänischen Einigung ihre Ausschließung von der Ostsee befürchteten. Um die drohende Gefahr im Keime zu ersticken und den Nachbarn ganz unschädlich zu machen, entschied sich Karl Gustav im Juli 1658 nach der Kaiserwahl dafür, den Roeskilder Frieden als nicht in Kraft getreten zu erklären und den Krieg wieder aufzunehmen. Er war gewillt, Dänemark seiner Selbständigkeit zu berauben, die Skandinavische Union unter seinen Zepter wiederherzustellen und dann die ganze Macht des Nordens gegen Brandenburg und den Kaiser zu werfen. Am 15. August, dem Tag der Unterzeichnung des Rheinbundes, stach er von Kiel aus in See, aber nicht, wie er ursprünglich vorgehabt hatte, sofort nach Kopenhagen, sondern nach Korsör an der Westküste von Seeland. Dadurch ließ er den Dänen Zeit; als er am 21. August vor der Hauptstadt anlangte, fand er sie zur Verteidigung entschlossen und gerüstet. Während er sein Heer mit der Belagerung erschöpfte, traf eine eiligst gesandte holländische Flotte vor dem Sund ein, erzwang am 8. November nach erbitterter Gegenwehr der Schweden die Einfahrt und entsetzte Kopenhagen von der Seeseite. Inzwischen hatte auch auf dem Festland die Koalition den Angriff eröffnet. Am Kaiserhof war die Erkenntnis durchgedrungen, daß ein längeres Zögern zum Abfall Polens und zur Aufrichtung einer französisch-schwedischen Vorherrschaft über Mitteleuropa führen würde. Im September 1658 rückte Kurfürst Friedrich Wilhelm an der Spitze von 30000 Brandenburgern, Österreichern und Polen in Holstein ein1). Die schwachen schwedischen Streitkräfte in den Elbherzogtümern mußten der Überlegenheit weichen. Karl Gustavs Schwiegervater, der Herzog Friedrich von Holstein-Gottorp, der in dem Frieden von Roeskilde die Befreiung von der dänischen Lehnsherrschaft erlangt hatte, wurde zu einem Neutralitätsvertrag genötigt und auch der größte Teil von ') Über die damals veröffentlichte berühmte Flugschrift „Gedenke, daß du ein Teutscher bist" vgl. jetzt B. B l o c h m a n n im Archiv für Urkundenforschung 8. Während die Schrift von den meisten Forschern Otto von Schwerin, von E r d m a n n s d ö r f f e r Friedrich von Jena zugeschrieben wird, sucht diese Arbeit den brandenburgischen Rat Daniel Weimann als den Verfasser nachzuweisen.

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Jütland besetzt. Am 14. Dezember erstürmten die Verbündeten mit Unterstützung dänischer Kriegsschiffe die von den Schweden tapfer verteidigte Insel Alsen, gleichzeitig mußte sich Karl Gustavs stärkster Stützpunkt in Westpreußen, die Festung Thorn, einer österreichischpolnischen Belagerungsarmee ergeben. In den von Dänemark abgetretenen Provinzen erhob sich die dänisch gesinnte Bevölkerung, zwei von ihnen, Drontheim und Bornholm, rissen sich Ende 1658 von der schwedischen Herrschaft los. Nur auf dem östlichen Kriegsschauplatz hatten die Schweden Erfolge zu verzeichnen. Der General Douglas eroberte im Dezember Kurland und führte den der Neutralitätsverletzung beschuldigten Herzog Jakob gefangen nach Riga ab. Bald darauf, am 30. Dezember, wurde mit den Russen zu Waliessar bei Narva ein dreijähriger Waffenstillstand auf Grund des gegenwärtigen Besitzstandes erreicht, der Schweden wenigstens nach e i n e r Seite deckte. Unterdessen lag der König mit seinem Heer noch immer vor Kopenhagen. Sein tollkühner Plan, durch einen Generalsturm die Kapitulation und damit die Entscheidung des Feldzuges zu erzwingen (20. Februar 1659), schlug gänzlich fehl. Ein Eingreifen der holländischen Flotte würde seine Stellung unhaltbar gemacht haben, aber nachdem sie Kopenhagen verproviantiert hatte, blieb sie absichtlich untätig. Denn im Interesse des niederländischen Handels wollten es die Generalstaaten weder zu einem Bruch mit Schweden noch zu seiner Niederwerfung kommen lassen, und sie wurden in ihrer Vorsicht bestärkt durch die schwedenfreundliche Haltung Englands und Frankreichs. Im April 1659 warf ein englisches Geschwader im Sund Anker, aber nicht, wie Karl Gustav gehofft hatte, um ihm Hilfe zu bringen, sondern nur um das Gleichgewicht gegen die Holländer zu wahren. Die kleine dänische Flotte konnte wenig ausrichten, und die Koalition verfügte über keine Seemacht. So vermochte sich der König auf Seeland zu behaupten und auch die südliche Inselkette zu besetzen. An dem Mangel einer Marine scheiterten die Versuche des Kurfürsten, auf Fünen Fuß zu fassen und von hier Kopenhagen zu befreien. Vom dänischen Festland hatte er die Schweden mit der Einnahme von Fredriksodde (26. Mai 1659) ganz vertrieben. Somit waren die militärischen Operationen auf einem toten Punkte angelangt, und die Gegensätze unter den Verbündeten traten wieder schroff hervor. Die Polen hatten sich an dem Feldzug von 1658 nur in der Erwartung beteiligt, dadurch schnell zu dem dringend gewünschten Frieden zu kommen. Zu der Erbitterung gegen die Hofburg, die noch immer Truppen in Krakau und Westpreußen stehen ließ, gesellte sich nach dem schwedisch-russischen Vertrag die Furcht vor einem neuen Angriff des Zaren. Lisola, der bei der Stimmung in Warschau sogar ein polnisch-schwedisches Bündnis besorgte, empfahl seiner Regierung für diesen Fall eine Einigung mit Alexeij und eine Aufteilung Polens. Bei der Ubergabe von Thorn hatte Johann Kasimir ohne Hinzuziehung des Kaisers einen Waffenstillstand mit Schweden und die Abhaltung eines Präliminarkongresses in Thorn vereinbart. Zur Herbeiführung

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des Friedens im Norden schlössen sich im Mai 1659 Frankreich, England und Holland zu dem Haager Konzert zusammen. Aber ihre Forderung, den Roeskilder Frieden wiederherzustellen und lediglich die Bestimmung über die Sperrung des Sundes für fremde Flotten zu streichen, wurde sowohl von Friedrich III. wie von Karl Gustav abgelehnt. Zugleich suchte Mazarin Brandenburg von Österreich zu trennen. Seine Schritte zielten unverkennbar auf eine Isolierung des Kaisers und spornten darum die Wiener Staatsmänner zu erhöhtem Kriegseifer an. Wenn sie jetzt ihrerseits einen Angriff auf Pommern vorschlugen, so wollten sie damit nicht nur dem Krieg eine entscheidende Wendung geben, sondern durch die Einsetzung ihrer in Polen lagernden Truppen auch den Hauptgrund der polnischen Verstimmung beseitigen und die Adelsrepublik von einem Sonderfrieden abhalten. Gegen das Versprechen, Krakau ohne Entschädigung zu räumen, verhieß Johann Kasimir, von Lisola bearbeitet, im Juli 1659 seine Mitwirkung. Schon vorher, am 30. April, war ein förmliches Kriegsbündnis zwischen dem Kaiser und Dänemark unterzeichnet worden, das in Kopenhagen lange erstrebt, aber von Wien bisher hinausgeschoben worden war. Der Kurfürst von Brandenburg, der im Hinblick auf Frankreich gegen das pommersche Unternehmen Bedenken hegte und für die Verteilung der Beute Bedingungen stellte, wurde durch den Vormarsch der in Schlesien versammelten kaiserlichen Armee zum Anschluß gezwungen. Zweifellos bedeutete der Angriff auf Pommern eine Verletzung des Westfälischen Friedens und konnte jeden Augenblick den Einspruch Frankreichs hervorrufen. Dessen war man sich auch in Wien wohl bewußt. Wie man darum alle Bundesgenossen zur Beteiligung gedrängt hatte, so hoffte man nach der Besiegung Schwedens auch den Kampf mit Mazarin aufnehmen und auf die französisch-spanischen Friedensverhandlungen einwirken zu können. Im August 1659 brach das kaiserliche Heer unter dem Feldzeugmeister de Souches über die Neumark in Vorpommern ein und begann nach der Besetzung des schwedischen Gebietes auf dem rechten Oderufer die Einschließung Stettins. Ende September langten auch der Kurfürst und Montecuccoli von Holstein aus auf dem neuen Kriegsschauplatz an. Da die Schweden durch die Offensive völlig überrascht wurden, konnten sie nur schwachen Widerstand leisten. In kurzer Zeit wurde ihnen der größte Teil des Landes entrissen; bloß Anklam, Greifswald, Stralsund und Rügen behaupteten sie. Nach Stettin konnten sie noch rechtzeitig Verstärkungen werfen, so daß de Souches die Belagerung im November aufheben mußte. Gleichzeitig wurden die Schweden in Westpreußen auf Elbing und Marienburg zurückgedrängt und ihnen das im Vorjahr eroberte Kurland genommen. Daß Bremen und Verden unangetastet blieben, hatte der König dem Rheinbund zu verdanken. Die empfindlichste Niederlage erlitt er im Norden. Nach dem Fehlschlag des ersten Haager Konzertes hatten Holland und England in einer zweiten Intervention von Karl Gustav den Verzicht auf Drontheim verlangt. Als er sich weigerte, stellten endlich die Generalstaaten den Verbündeten ihre Flotte P l a t z h o i f , Europ. Staatensystem.

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zur Verfügung, was sie um so unbedenklicher tun konnten, da das englische Geschwader nach der Abdankung Richard Cromwells (25. Mai 1659) wieder abgesegelt war. Anfang November setzte Admiral de Ruyter brandenburgische, österreichische, polnische und dänische Truppen nach Fünen über, die Insel wurde erobert und das hier stehende schwedische Feldheer am 24. November bei Nyborg vernichtet. Es wäre ein leichtes gewesen, den noch immer vor Kopenhagen lagernden König abzufangen, jedoch soweit wollten die Generalstaaten wiederum nicht gehen, Schweden sollte nicht überwältigt, sondern nur mürbe gemacht werden. Tatsächlich war Karl Gustav jetzt zu einem allgemeinen Frieden, aber ohne Opfer bereit. Während er darüber mit den Mächten verhandelte und allerdings vergeblich die Holländer durch wirtschaftliche und territoriale Angebote zu sich herüberzuziehen suchte, bereitete er gleichzeitig einen Vorstoß auf Norwegen vor. Da griff Mazarin ein. Der Pyrenäenfrieden, der ihm endlich freie Hand gewährte und den spanischen König ausdrücklich zur Unterstützung der Vermittlung verpflichtete, wirkte Bich jetzt in Nord- und Osteuropa aus. Frankreich war hier der Schiedsrichter. Im französischen Interesse bestand der Kardinal auf der ungeschmälerten Wahrung des schwedischen Besitzes im Reiche, nicht allein, um in Schweden einen „Kettenhund" im Rücken Deutschlands zur Verfügung zu haben, sondern auch deshalb, weil eine Revision des Westfälischen Friedens im Norden leicht das ganze System von 1648 ins Wanken bringen konnte 1 ). Darum richtete sich seine Intervention in erster Linie gegen Österreich und Brandenburg, die er durch Drohungen mit einem Einmarsch ins Elsaß oder nach Kleve einzuschüchtern suchte. Am Kaiserhofe hätte es dieses Druckes nicht bedurft. Sein Kriegsziel war von Anfang an ein mehr negatives gewesen, die Verhinderung einer schwedischen Vorherrschaft in Osteuropa und einer Annäherung der schwedischen Macht an die eigenen Grenzen. Nachdem dies erreicht war und Spanien mit Frankreich Frieden geschlossen hatte, sah Leopold I. keinen Grund zur Fortführung des Kampfes, zumal da seine Kassen völlig erschöpft und die Truppen unbezahlt waren. Unter diesen Umständen mußte sich auch Kurfürst Friedrich Wilhelm fügen und seinen Hoffnungen auf die Behauptung Vorpommerns entsagen. Schon im März 1659 war der zwischen Polen und Schweden verabredete Präliminarkongreß in Thorn zusammengetreten, aber hier wie später in Warschau ergebnislos geblieben. Die Verhandlungen kamen erst in Gang, als sie Ende 1659 nach Oliva und Danzig verlegt wurden *) Der cellische Vertreter in Frankfurt schrieb am 3. Dezember 1659: , , . . . der Krön Frankreich Interesse nicht leidet, den König in Schweden unterdrücken noch aus denen im Friedensschlüsse ihm zugeeigneten Ländern vertreiben zu lassen, weil sonst das Elsaß auch wackeln dürfte." (A. J. K ö c h e r , Gesch. von Hannover und Braunschweig I, S. 289f.) Vgl. die Relation des Brandenburgers Brandt, 31. Januar 1660, in Urkunden U.Aktenstücke zur Gesch. d. Kurf. Friedr. Wilhelm Bd. IX,. S. 575 f.

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und Frankreich die Leitung übernahm. Gegen Österreich und Brandenburg setzte Mazarin durch, daß die Verhandlungen mit Dänemark von den übrigen abgetrennt wurden und dadurch Schweden die wichtigsten Errungenschaften von Roeskilde behauptete. In dem Kopenhagener Frieden vom 6. Juni 1660 erhielt Friedrich III. von seinen Landverlusten nur Drontheim und Bornholm zurück und mußte Schweden für die Insel mit den adeligen Gütern in Schonen entschädigen; die Ostsee wurde ausdrücklich allen Flotten geöffnet. Schon vorher, am 3. Mai, war in Oliva der Friede zwischen dem Kaiser, Polen, Brandenburg und Schweden unterzeichnet worden. Er stellte im wesentlichen den Status quo ante wieder her. Johann Kasimir erkannte die Thronfolge des Hauses Zweibrücken in Schweden an und verzichtete jetzt in aller Form auf den längst in schwedischem Besitz befindlichen Teil von Livland. Dafür räumten die Schweden ihre letzten Positionen in Westpreußen und willigten in die Wiedereinsetzung des Herzogs von Kurland. Kurfürst Friedrich Wilhelm erlangte die europäische Bestätigung seiner Souveränität in Ostpreußen und der Erwerbung von Lauenburg, Bütow und Draheim; Elbing dagegen enthielten ihm die Polen vor. Daß ihm auch eine Grenzberichtigung auf dem rechten Oderufer verweigert wurde, war eine weitere Enttäuschung. Aber er war doch der einzige Fürst der Koalition, der einen positiven Gewinn aus dem Kriege davontrug. Als Herzog des nicht zum Reichsverband gehörigen Preußen trat der Hohenzoller jetzt in die Reihen der europäischen Souveräne, und in einer Zeit, wo soviel deutsches Gebiet an die Fremden verlorenging, wurde hier ein altes deutsches Land dem Deutschtum völlig zurückerworben. Durch seine militärischen Leistungen hatte sich das bisher geringschätzig behandelte Kurbrandenburg zu einem Faktor in der europäischen Politik erhoben, mit dem fortan alle, auch die Großmächte, rechnen mußten. Österreichs Stellung hat durch den Nordischen Krieg keine Stärkung erfahren. Lisola betrachtete es als einen Erfolg, daß in den Friedensvertrag eine Garantie gegen einen schwedischen Einfall in die Erblande aufgenommen und die schwedische Forderung auf freie Religionsübung der österreichischen Protestanten abgewiesen wurde. Vervollständigt wurde das Friedenswerk durch den erst am 1. Juli 1661 in Kardis abgeschlossenen schwedisch-russischen Frieden, in dem der Zar seine Eroberungen in Livland und Estland herausgab. Sein Kriegsgewinn war Smolensk und die Dnjeprgebiete mit Kiew, die ihm Polen freilich erst 1667 in dem Waffenstillstand von Andrussow abtrat. Literatur.

Vgl. zu §82.

§ 84. Das europäische Staatensystem im Jahre 1660. Karl X. war während der Friedensverhandlungen am 23. Februar 1660 von einem frühen Tod dahingerafft worden. „Ein Kriegsmann ohne gleichen", wie ihn Erdmannsdörffer nennt, ist er doch auch als 17*

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Staatsmann nicht „ohne jeden dauernden Erfolg" gewesen. Gewiß sind seine letzten Pläne gescheitert und mußten scheitern, weil sie die Kräfte seines Landes überstiegen. Er hat das Dominium maris Baltici nicht ganz erringen, Polen nicht zertrümmern und die nordische Union nicht aufrichten können, aber er hat Schweden seine natürlichen Grenzen in Skandinavien für alle Zukunft erfochten, es zum Herren im eigenen Haus gemacht und den Dänen die Verfügung über den Sund entrissen. Freilich hatte er die günstigen Friedensbedingungen nicht nur den eigenen Kriegstaten, sondern mehr noch der Intervention Frankreichs zu verdanken. Sein Hinscheiden, die Einsetzung einer vormundschaftlichen Regierung für seinen erst vierjährigen Sohn Karl XI. und vor allem die völlige Erschöpfung seines Staates mußten die Abhängigkeit von dem ungleich mächtigeren und reicheren Bundesgenossen erhöhen. Polen hatte seine Machtstellung in Osteuropa endgültig eingebüßt. Sein Bestand war zwar durch die Koalition und den Frieden von Oliva noch einmal gerettet, aber bloß für den Augenblick. Der Krieg mit Rußland ging weiter, und im Innern war der Zerfall nicht mehr aufzuhalten. Wie schon während des Krieges seine Aufteilung von Beinen Gegnern und seinen Verbündeten erwogen worden war, so hat König Johann Kasimir 1662 seinem Volke das Schicksal, das sich hundert Jahre später erfüllen sollte, buchstäblich vorausgesagt 1 ). Der österreichische Einfluß, der seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Warschau vorgeherrscht hatte, war jetzt durch den französischen verdrängt. Der Verlust der polnischen Freundschaft war für den Kaiserstaat um so empfindlicher, da ein neuer Türkenkrieg drohte. Zwar war der Friede von Zsitva-Torok 1649 auf 22*4 Jahre verlängert worden, aber die Kämpfe zwischen dem Sultan und dem Fürsten von Siebenbürgen konnten jederzeit zum Zusammenstoß mit dem Erbfeinde führen. Der Krieg um Kreta hatte sich jahrelang ohne Entscheidung hingezogen, da Weiberherrschaft und unaufhörliche innere Umwälzungen die türkische Offensive lähmten. Als die Venetianer ihrerseits zum Angriff auf die Meerengen übergingen, hatten sie 1656 die türkische Flotte in den Dardanellen vernichtet und die Inseln Lemnos und Tenedos erobert. Unter dem Eindruck dieser Niederlagen ernannte der Sultan Mohammed IV. den tatkräftigen Mohammed Köprili zum Großvezir, der die schwersten inneren Schäden heilte und den alten osmanischen Kriegsgeist wieder anfachte. Schon im nächsten Jahr gewann er die beiden Inseln zurück und schritt auch in Siebenbürgen energisch ein, um die Wirren zu beenden und das Fürstentum unter türkische Botmäßigkeit zu bringen. Trotz der Gefahr, die *) „Gott gebe, daß ich ein falscher Prophet sein möge; aber wenn Ihr nicht Maßregeln trefft gegen das Unheil, welches dem Lande durch Euer weltberühmtes Recht der freien Königswahl droht, so wird die ruhmvolle Republik den benachbarten Völkern zur Beute fallen. Die Moskowiter werden Litauen nehmen, Brandenburg wird Preußen und Posen in Besitz nehmen, und Österreich wird Krakau und Polen einnehmen."... (B. v. B i l b a s s o w , Geschichte Katharinas II., Deutsch von P. v. R. I I I . Berlin 1893. S. 517.)

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hierin für die Erblande lag, hielt sich Leopold I. zurück und schenkte den Hilferufen Venedigs kein Gehör. Die Konstellation, die seine ganze Regierung beherrschen sollte, kündigte sich jetzt an. Im Osten von dem Halbmond, im Westen von Frankreich bedroht, suchte er einen Kampf nach der einen oder anderen Seite solange als möglich zu vermeiden, um nicht ein Zusammenwirken der beiden Gegner, wenn nicht gar einen Zweifrontenkrieg heraufzubeschwören. Diese Bindung des Kaisers an seiner östlichen Grenze ergänzte die Erfolge, die Frankreich mit dem Westfälischen Frieden, der Wahlkapitulation von 1658, dem Rheinbund und den Friedensschlüssen von 1659/60 über das Haus Habsburg davongetragen hatte. In dem französischen Allianzsystem war auch für den Türken Raum. Frankreichs Vorherrschaft in Europa beruhte ja nicht allein auf seiner eigenen Macht, sondern mindestens ebensosehr auf seiner föderativen Stellung, die von Franz I., Heinrich II. und Heinrich IV. angebahnt und von den beiden großen Kardinälen ausgebaut worden war. Nachdem der alte Rivale Spanien zu Boden geworfen und das österreichische Kaisertum matt gesetzt war, hatte Mazarin in Oliva auch das Kräfteverhältnis im Norden nach seinem Willen geregelt und damit die Suprematie über den Kontinent vervollständigt. Kein anderer Staat konnte Bie ihm streitig machen. England hatte die von Oliver Cromwell errungene Machtfülle mit seinem Tode schnell wieder eingebüßt. Es zeigte sich jetzt, daß das Protektorat nur auf die überragende Persönlichkeit des einen Mannes zugeschnitten war. Die Unzulänglichkeit seines Sohnes und Nachfolgers Richard und die infolgedessen neu entbrennenden Kämpfe zwischen ziviler und militärischer Gewalt bedrohten das Land abermals mit dem Bürgerkrieg und beraubten es der Aktionsfreiheit nach außen. Auch als die Wirren im Mai 1660 mit der Restauration des Königtums unter Karl II. zum Abschluß kamen, war der Staat noch auf lange hinaus durch seine inneren Angelegenheiten gefesselt und in seiner Außenpolitik von ihnen abhängig. Als Mazarin am 9. März 1661 starb und Ludwig XIV. die königliche Selbstherrschaft antrat, schien die französische Hegemonie in Europa fest gefügt. So mündet die politische Geschichte des Zeitalters der Gegenreformation, die 1559 mit dem Ubergewicht des habsburgischen Spanien begonnen hatte, 1660 in die Epoche Ludwigs XIV. ein.

Personen- und Ortsnamenregister. Aachen 77, 79, 89, .128f. Abbas der Große, Schah v. Persien (1590—1628) 125. Abo 66. Adami, Adam 222. Adolf v. Neuenahr, Graf v. Mörs 89 f. 97, 129. Adrianopel 61. Adriatisches Meer 33, 63 f. 150, 231. Afrika 4, 35. Ägäisches Meer 33. Ägypten 31. Ahausen 131. Alais, „Gnadenfrieden" von (1629) 180. Alba, Herzog von 10, 31, 40, 41, 45, 49, 50ff. 53, 54, 55f. 58f. 70, 76, 86,100, 109, 139. Albert, Erzherzog 86,108ff. 128,132,137, 140, 142 ff. 146, 148, 157, 159, 162, 167. Albertiner 26, 52. Albrecht V., Herzog v. Bayern (1550 bis 1579) 78ff. Albrecht Friedrich, Herzog v. Preußen 138, 163. Aidlingen, kaiserlicher General 198 f. Alen$on s. v. Anjou. Aleppo 33. Alerheim, Schlacht bei (1645) 218f. Alexander, Herzog v. Parma (Alessandro Farnese), spanischer Statthalter in den Niederlanden 83f. 87ff. 96, lOOf. 104 ff. 136, 139, 160. Alexeij Romanow, Zar v. Rußland (1656 bis 1669) 248, 256. Alkassar, Gefecht von (1578) 86. Allen, William 87, 93. Allgäu 219. Alpen 210. Alsen 256. Altmark, Vertrag von (1629) 187. Amalie Elisabeth, Landgräfin v. HessenKassel (1637—1648) 211. Amboina, Blutbad von (1623) 236. Amboise, Edikt von (1563) 39, 41, 54, 81. Amboise, Verschwörung von (1560) 37. Amerika 15, 17.

Amiens 110. Amsterdam 136, 223. Anastasia Romanowna, Gem. Iwans IV. 113. St. André, frz. Marschall 38, 39. Andrussow, Waffenstillstand von (1667) 259. Anhalt 190. Anjou, Franz von, früher v. Alengon 59, 75, 82, 85, 87, 91, 96, 109. Anklam 257. Anna, Gem. Johann Sigismunds v. Brandenburg 139. Anna v. Österreich, Gem. Ludwigs XIII., Regentin 216, 240f. 254. Anna v. Sachsen, zweite Gem. Wilhelms v. Oranien 46. Anna Jagellonica, Gem. Stephan Bathorys 74, 114. Anna, Gem. Sigismunds III. 116. Ansbach 131. Anton, König v. Navarra (1540—1562) 36 ff. 58. Antonie v. Lothringen, 2. Gemahlin Johann Wilhelms v. Jülich 140. Antonio, Dom, portugies. Prätendent 86, 108.

Antwerpen 51, 55, 59, 76, 88, 96, 136, 211, 223. Aragonien 17, 212. Ardres 110. Arles, Königreich 105. Armada 99ff. 104, 108, 110, 134. Arminianismus 168. Arminius (1560—1609) 167. Arnim, Hans Georg v., General 189 f. 194, 197 f. 200 f. Arques, Gefecht von (1589) 104. Arras 105, 211, 239. Arras, Friede v. (1579) 82ff. 88. Artois 46, 84, 211, 241. Asien 4. Asow 231. Asti 33. Astrachan 31. Atlantischer Ozean 32. Aubigny s. v. Lennox, Graf von.

Personen- und Ortsnamenregister. Augsburg 194, 219. Augsburger Konfession 66, 182, 201. Augsburger Reichstag (1566) 61. Augsburger Reichstag (1582) 89. Augsburger Religionsfriede (1555) 1, 6, 10, 27, 77, 182, 228, 230. August, Herzog v. Sachsen, Administrator v. Magdeburg (1638—1680) 182, 227. August, Kurfürst v. Sachsen (1553 bis 1586) 26, 28, 52, 58, 69, 79, 130. Aumale, Herzog v. 102. d'Aunau, Schlacht bei (1587) 95. d'Avaux, Graf, franz. Diplomat 222, 227. Avesnes 241. Ayamonte, Marquis 69. Azoren 86, 108. Babington 99. Baden 131, 194, 201, 228. Baden-Baden 165. Baden-Durlach 130. Balkan 32, 33. Balthasar v. Dermbach, Abt von Fulda 79. Balthasar Karl, Infant 240. Baltikum 29, 64, 65ff. 92, 117, 182, 248, 250. Bamberg 90. Baner, schwedischer Feldherr 195, 201, 208 f. 211, 213 f. Bar 241. Barbaresken 18, 63. Barbon, engl. Parlamentsmitglied 234. Barcelona 172, 212, 239. Bartholomäusnacht (1572) 9, 57 ff. 68ff. 72. Bärwalde, Vertrag zu (1631) 188, 196. Basel, Bistum 204, 209f. Basta, kaiserlicher General 125. Bathory, Andreas, Kardinal 119. Bathory, Gabriel, Fürst v. Siebenbürgen (1608—1613) 145. Bathory, Siegmund, Fürst v. Siebenbürgen (1581—1602) 118f. 125. Bathory, Stephan, König v. Polen (1575 bis 1586) 74, 91 ff. 113f. 118. Baugy, frz. Gesandter 205. Bayern 53, 77ff. 146, 157, 159f. 162, 164 ff. 174, 177, 182, 184f. 194, 197f. 201, 206f. 209, 216, 218ff. 224, 226. Bayonne, „Liga" v. 41. Bayonne, Zusammenkunft v. (1565) 40, 44, 60. B6arn 94, 107. Beaulieu, Friede v. (1576) 75. Bedburg 90.

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Begs, bosnische 118. Belgrad 118. Belt 253. Benfeld 206. Berg, Herzogtum 80, 138, 144, 243. Bergen-op-Zoom 168, 223. Bergstraße 228. Berlaymont, Baron 46. Berlin 188, 191, 254. Bern 33, 35, 169. Bernhard, Herzog v. Weimar 195f. 198, 200ff. 206f. 209f. 214, 218. Besançon 243. Bethlen Gabor, Fürst v. Siebenbürgen (1613—1629) 145, 158, 160, 164, 169, 174, 176, 217 f. Béthune 220. Beuthen, Vertrag von (1589) 114, 118. Beza, Theodor v. 9, 37. Bidassoa, Fluß in den Pyrenäen 240. Blake, Robert, engl. Admiral 237, 239. Blekinge, schwedische Provinz 253. Blois 38, 102. Blois, Vertrag v. (1572) 59. Bocskay, Stephan, Fürst v. Siebenbürgen (1602—1606) 125 f. 145. Bodensee 198. Bodin, Jean 14, 75. Bogislav XIV., Herzog v. Pommern (1627 bis 1637) 187, 208. Böhmen 26, 72, 126ff. 143, 145, 148f. 154 ff. 164, 174 f. 190, 194, 196, 198, 200 f. 210 f. 217 ff. 226. Bohuslähn, schwedische Provinz 253. Bojaren 31, 117, 120f. Boleyn, Anna, zweite Gemahlin Heinrichs VIII.v. England 22. Bonn 90, 129. Bormio, Grafschaft 169 f. Bornholm 217, 253, 256, 259. Bothwell, Gem. der Maria Stuart 44. Bourbon (Haus) 12, 37, 55, 246. Bourbon, Karl v., Kardinal 94, 102ff. Bourges 106. Bourgogne 110. Brabant 54, 76, 81, 96. Brandenburg 26,89,130 f. 137,140f. 143f. 146, 163, 165 f. 169, 173, 176f. 186, 190f. 196f. 199, 202, 215, 226, 242ff. 249f. 251 ff. 257ff. Brasilien 35, 57, 212, 222, 237. Braunsberg 187. Braunschweig 145, 211, 214f. 228, 246. Braunschweig, Kreistag in (1623) 168. Breda 104, 174, 211, 223. Brederode, Graf v. 48.

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Personen- und Ortsnamenregister.

Breisach 196, 198, 204, 209f. 215, 219, 224 f. Breisgau 156, 224. Breitenield, Schlacht bei (1631) 189f. 192. Breitenfeld, Schlacht bei (1642) 214. Bremen 173,182,202, 206, 217, 226f. 243, 246, 251, 253, 257. Breslau 160, 228. Bresse, Rhonelandschaft 132. Bretagne 105. Brieg 228. Brielle (Den Briell), niederländischer Hafen 59, 96, 137. Bromberg, Vertrag v. (1657) 252. Brömsebro, Friede v. (1645) 217, 250. Bruck, Konferenz zu (1626) 177. Brügge 91. Brulart, Léon, frz. Gesandter 184. Brünn 218. Brüssel 46, 50, 54, 81, 96,140ff. 205, 207, 243. Brüsseler Konferenz (1622) 166. Brüsseler Konferenzen (1626) 177. Buckingham, Herzog v. 174, 180. Budweis 149. Bug 248. Bugey, Rhonelandschaft 132. Bündener Pässe 183. Buquoy, österreichischer General 155, 157, 160, 164. Burg bei Magdeburg 202. Burghley 22, 55, 70, 98f. 108, 134. Burgund 12,13,15,18, 80, 133,148, 181, 209 f. 215, 241. Burgundischer Vertrag (1548) 25, 46. Buschgeusen 51. Butler, Oberst 200. Bütow, Amt 252, 259. Cadiz 100, 110, 180. Calais 20, 24, 36, 39, 40, 55, 110, 239. Calloo, Schlacht bei (1638) 211. Calvin 8, 9, 21, 34, 36, 37, 39. Calvinismus, Calvinisten 1, 3, 6, 8 f. 11,19, 21, 24, 27, 36, 38, 39, 43, 45, 48, 49, 51, 52, 53, 76, 78, 81, 83f. 96, 130, 144, 168. Cambrai, Bistum 18. Cambrai, Stadt 87, 88, 94, 109. Cambrésis 18. Carlos, Don, Sohn Philipps II. v. Spanien 16 f. 43. Carlos, Don, Sohn Philipps III. v. Spanien 148, 162. Casale 181, 183, 211, 239.

Cassan, Jacques de 205. Cateau-Cambrésis, Friede v. (1559) 1, 20, 24, 32, 33. Catelet, Le, frz. Grenzfeste 109. Cecil, William, s. v. Burghley. Cecil, Robert, engl. Minister 134. Cerdagne, Pyrenäenlandschaft 241. Ceuta 212. Cevennen 180. Ceylon 35. Cham, fränkische Grafschaft 228. Champagne 38. Chancellor, Richard, engl. Seefahrer 23. Charité, La, Hugenottenfestung 56. Charmes, Vertrag von (1633) 204. Charnacé, frz. Gesandter 188. Chartres 107. Chemnitz 209. Cherasco, Vertrag von (1631) 185, 226. Chiavenna 169. Chigi, Fabio, Nuntius 222f. 229. China 23. Chios 33, 62. Christgarten, Kloster 130. Christian I., Fürst v. Anhalt 105, 129, 131, 155, 158, 162. Christian II. König v. Dänemark (1513 bis 1523) 28. Christian III. .König v. Dänemark (1534 bis 1559) 28. Christian IV., König v. Dänemark (1588 bis 1648) 122, 154, 163, 170ff. 175ff. 187, 191, 206, 208, 217. Christian, Administrator v. Halberstadt (1617—1626) 164 f. 168f. 176. Christian I., Kurfürst v. Sachsen (1586 bis 1591) 130. Christian Wilhelm v. Brandenburg, Administrator v. Magdeburg (1626 bis 1630) 188. Christine, Tochter Heinrich IV. v. Frankreich, Herzogin v. Savoyen 210. Christine, Königin v. Schweden (1632 bis 1654) 191, 195, 206, 247. Christoph, Sohn Friedrich III. v. d. Pfalz 76. Clément, Jacques 103 . Clermont, lothr. Stadt 241. Cobham, Henry, engl. Diplomat 108. Cognac, Hugenottenfestung 56. Coligny, Gaspard v. 38, 39, 56ff. 59f. 69, 110.

Collalto, Feldherr Wallensteins 183. Comines, flandrische Festung 220. Commendone, Kardinallegat 71. Compiègne 206.

Personen- und Ortsnamenregister. Condé, Heinrich II. v. 141. Condé, Ludwig I. von 36, 37, 39. Condé, Ludwig II. •., Herzog v. Enghien, frz. Marschall 216, 218, 238f. 241, 243. Contarini, venezian. Gesandter 222. Corbie 207. Coruña 108. Cornwall 109. Cosimo I., Großherzog v. Florenz (1537 bis 1574) 34, 58. Courtrai 87, 220. Coutras, Schlacht bei (1587) 95. Cromwell, Oliver 233ÍÍ. 239f. 242, 253, 261.

Cromwell, Richard 242, 258, 261. Cruz, Santa 240. Curzolaren, Inselgruppe 63. Dahme, Amt 202. Damm, Stadt in Pommern 227. Dam villers, lothr. Stadt 241. Dänemark 2, 28, 29, 65ff. 92, 122ff. 137, 163, 173ff. 186f. 196, 206, 216Í. 222, 237f. 250f. 253ff. 257ff. Danzig 30, 74, 91, 115, 178, 187, 250, 258. Dardanellen 260. Darnley, Gem. der Maria Stuart 43 ff. Demetrius, der Falsche 120. Dendermonde, Stadt in den Niederlanden 88.

St. Denis 107. Dessauer Elbbrücke, Schlacht an der (1626) 176. Deulino, Waffenstillstand v. (1618) 123. Deutscher Orden 29, 65. Deutschland 4, 6, 9, 10, 15, 25ff. 29, 50, 51, 52ff. 58f. 64, 70, 77ff. 81, 90, 93, 128, 146, 154f. 161, 165, 167, 173, 181, 185f. 194, 199f. 210, 212f. 216, 226, 230, 242, 255. Deventer, Stadt in den Niederlanden 104. Deveroux, Hauptmann 200. Diedenhofen 216, 241. Diedenhofen, Schlacht bei (1639) 210. Dillenburg 51. Dithmarschen 28, 65. Dmitrij, Sohn Iwans IV. 113, 117, 120. Dnjepr 123, 259. Dnjepr-Kosaken 120. Dohna, Fabian v. 95. Domingo, San, spanische Besitzung 239. Dominium naris Baltici 2, 247, 260. Donau 118, 156, 158, 194, 198, 218ff. Donauwörth 130, 194, 201.

265

Dordrechter Synode (1618/19) 168. Doria, Andrea, kaiserl. Admiral 61. Dorpat 29, 64, 250. Dortmunder Vergleich (1609) 141, 144. Douai 87. Douglas, schwedischer Heerführer 256. Doullens, Schlacht v. (1595) 109. Downs, Seeschlacht bei (1639) 211. Draheim, Starostei 252, 259. Drake, Francis, engl. Seefahrer 98, lOOf. 108. Drau 118. Dresden 196, 202. Dreux, Schlacht v. (1562) 39. Drontheim 253, 256f., 259. Dscherbe, Insel in der Kleinen Syrte 61. Dudley, Robert, s. v. Leicester. Düna 30, 247 f. Dünaburg 250. Dünamünde 119. Dunbar, Schlacht bei (1650) 234. Dünkirchen 88, 91, 101, 168, 178, 220, 239f. 242, 253. Düsseldorf 139, 243. Düsseldorfer Provisionalausgleich (1624) 169. Dwina 23. Eberhard III., Herzog v. Württemberg (1628—1674) 202, 228. Eberstein, Graf v. 130. Edinbufg 70, 234. Edinburg, Covenant in (1557) 24. Edinburg, Vertrag v. (1560) 43. Eduard VI., König v. England (1547 bis 1553) 22, 42. Eggenberg, Hans Ulrich v., kaiserl. Minister 156, 177, 192. Eger 200. Egmont, Lamoral, Graf v. 41, 46 ff. 50 f. 54. Ehrenbreitstein 194, 207. Eichsfeld 79. Eidgenossenschaft s. v. Schweiz. Einsiedeln, Verhandlungen zu (1640) 214. Elba 221. Elbe 176, 251. Elbing 74, 249, 253, 257. Elfsborg, Stadt in Schweden 67,120,122, 124. Elisabeth, Königin v. England (1558 bis 1603) 1, 13, 22f. 39, 40, 41 ff. 55ff. 59, 70f. 75f. 80, 82, 87f. 93, 95ff. 105, 110, 133ff. 154, 236. Elisabeth, Gem. Friedrichs V. v. d. Pfalz 146, 157.

266

Personen- und Ortsnamenregister.

Elisabeth von Valois, Gem. Philipps II. v. Spanien 20, 53, 104. Elsaß 148, 150, 156, 165, 171, 193f. 196, 198, 204f. 207ff. 215, 219, 224f. 240f. 258. Elvas, Stadt in Portugal 240. Emanuel Philibert, Herzog v. Savoyen (1553—1580) 33, 75. Emden 55, 145. Emmerich 144. Ems 168. England l f . 4, 6, 9, 13, 15, 22 ff. 25, 27, 37, 40ff. 51, 55, 57ff. 64, 69ff. 80f. 83, 86ff. 93, 96ff. 104, 108, 110, 121, 131, 134 f. 137, 144, 146, 150f. 163, 165f. 172f. 180, 183, 203, 205f. 211, 213, 222, 228, 231ff. 236ff. 242, 244, 248, 251, 253, 256f. 261. Enno III., Graf v. Ostfriesland 145. Erasmus v. Rotterdam 20. Erfurt 208, 211. Erlau, Festung in Ungarn 119, 126. Erich XIV., König v. Schweden (1560 bis 1569) 65 ff. Ermes, Schlacht bei (1560) 65. Ermland 249, 251 f. Ernestiner 52, 58. Ernst Friedrich, Markgraf v. Baden-Durlach (1584—1604) 164. Ernst, Prinz v. Bayern, Erzbischof v. Köln 80, 90, 97. Ernst, Erzherzog v. Österreich 72, 73, 109, 114ff. Essex, Robert 108, 110, 134. Este (Haus) 34. Estland 29, 65, 92, 117, 119, 250, 259. Falkenberg, Dietrich v., schwedischer Oberhofmarschall 188 f. Falster 253. Farnese, Haus s. a. Alexander v. Parma 34. Farnese, Ottavio, Herzog v. Parma (1549 bis 1557) 45. Fehmarn 217. Fellin, Ordensfestung 65. Feodor I., Zar v. Rußland (1584—1598) 113, 117. Ferdinand I., Deutscher Kaiser (1558 bis 1564) 6, 15, 25, 31, 42, 52, 61, 64, 71, 118, 126, 138. Ferdinand II., Deutscher Kaiser (1619 bis 1637) 73, 78,114,126,140,146,148ff. 153 ff. 156 ff. 161 f. 164 ff. 174f. 177ff. 183f. 187, 191 ff. 196ff. 201, 203, 208, 224.

Ferdinand III., Deutscher Kaiser (1637 bis 1657) 174, 192, 197, 208f. 214f. 217ff. 222, 224, 226, 228f. 242, 244, 248, 250 f. Ferdinand (IV.), römischer König 244. Ferdinand, Erzbischof v. Köln (1612 bis 1650) 165, 167, 219. Ferdinand, Kardinal-Infant v. Spanien 197f. 201, 207, 211, 213. Ferdinand Maria, Kurfürst v. Bayern (1651—1679) 244. Ferdinandeische Deklaration (1555) 79, 182. Fère, La 110. Feria, Statthalter v. Mailand 198. Ferrara 34. Ferreri, Nuntius 9. Feuquières, frz. Gesandter 196. Finale, Fürstentum in Italien 148, 181. Finnischer Meerbusen 65, 92. Finnland 117. Flandern 41, 46, 51, 53, 70 f. 80 f. 94, 96, 100,108,131,135,197, 205,210f. 213, 215, 239 f. Fleix, Friede v. (1580) 87. Fleuras, Schlacht bei (1622) 168. Florentiner Dekret (1439) 115. Florenz 61. Florida 41, 57, 99. Fontainebleau, Bündnis v. (1631) 185. Fontaine-Française, Schlacht bei (1595) 110. Fotheringhay 99. Franken 190f. 194, 196, 207, 219. Frankenthal 164, 166, 243. Frankfurt a. Main 158 f. Frankfurter Deputationstag (1643) 221. Frankfurt, Kurfürstentag v. (1658) 245f. Frankfurt a. d. Oder 188. Frankreich 1, 5ff. 12f. 15, 19ff. 27, 33, 35 ff. 41 ff. 45, 51, 54 ff. 59 f. 62 f. 67 ff. 71 ff. 82 f. 88, 91, 93 ff. lOlff. 109, 112, 127, 131 f. 137, 141, 144,148,150,154 ff. 167,169ff. 177ff. 187f. 193f. 196, 198f. 202ff. 208ff. 212ff. 216, 218ff. 222ff. 226ff. 231f. 238ff. 243ff. 247, 249, 251 ff. 256ff. 260 f. Franz I., König v. Frankreich (1515 bis 1547) 13, 20, 21, 104f. 112, 154, 261. Franz II., König v. Frankreich (1559 bis 1560) 21, 36!. 43. Franz IV., Herzog v. Mantua (1612) 150. Franz Wilhelm v. Wartenberg, Bischof y. Osnabrück (1625—1661) 182, 222. Frauenalb 130.

Personen- und Ortsnamenregister. Fredriksodde (Fridericia), Festung in Jütland 253, 256. Freiburg i. Br. 209, 218. Freiburg, Schweizer Kanton 35. Freigrafschaft s. v. Burgund. Friedland, Herrschaft 175. Friedrich V., Markgraf v. Baden-Durlach (1622—1659) 202, 228. Friedrich II., König v. Dänemark (1559 bis 1588) 28, 65ff. 92, 122. Friedrich III., König v. Dänemark (1648 bis 1670) 173, 251, 253, 257. Friedrich III., Deutscher Kaiser (1440 bis 1493) 139. Friedrich III., Herzog v. Holstein-Gottorp (1616—1659) 255. Friedrich III. d. Fromme, Kurfürst v. d. Pfalz (1559—1576) 52f. Friedrich V., Kurfürst v. d. Pfalz (1610 bis 1632) 146, 154, 156f. 159f. 162ff. 167, 196, 227, 247. Friedrich Heinrich v. Oranien (1625 bis 1647) 183, 194, 220, 222 f. 236. Friedrich Wilhelm, d. Gr. Kurfürst (1640 bis 1688) 191, 214, 226f. 242f. 249f. 252 ff. 257 ff. Friedrich Ulrich, Herzog v. Braunschweig (1615—1630) 145. Friesland, niederl. Provinz 18 f. 84, 88, 104. Fritzlar 219. Fuentes, Graf v. 109, 133. Fulda, Reichsabtei 79. Fünen 253, 256, 258. Furth, bayrische Stadt 198. Gallas, kaiserlicher General 198 f. 201, 217. Gaston, Herzog v. Orléans 203 f. Gebhard, Truchseß v. Waldburg, Erzbischof v. Köln 80, 89 f. Geertruidenberg 104, 109. Geldern 18, 84, 90, 104. Gembloux, Schlacht bei (1578) 82. Genf 8f. 11,19, 21, 24, 33ff. 132f. 181. Genlis, Hugenott 59, 70. Gent 91, 220. Genter Pazifikation (1576) 77, 80f. 83f. Genua 32f. 61 f. 172. Georg, Herzog v. Braunschweig-Lüneburg (1630—1648) 211. Georg II., Landgraf v. Hessen-Darmstadt (1626—1661) 191, 228. Georg Friedrich, Markgraf v. Ansbach (1543—1603) 139.

267

Georg Friedrich, Markgraf v. Baden-Durlach (1609—1626) 164 f. 228. Georg Friedrich, Graf v. Hohenlohe 162. Georg Friedrich, Graf v. Waldeck 244. Georg Wilhelm, Kurfürst v. Brandenburg (1619—1640) 163,173,176f. 188, 202. Gerard, Balthasar, Mörder Wilhelms v. Oranien 91. St. Germain, Edikt v. (1562) 38, 56f. St. Germain, Friede v. (1570) 57. St. Germain, Vertrag v. (1635) 206. Geusen (s. v. Busch- u. Meergeusen) 70. Gex, frz. Landschaft 33, 132. St. Ghislain, Schlacht bei (1572) 59. Gibraltar 136, 240, 253. Glogau 192, 214. Gnesen 248. Godunow, Boris, Zar v. Rußland (1598 bis 1605) 113, 115, 117f. 120. Goletta, Hafen in Tunis 63. Göllersdorf, Abmachungen v. (1632) 192. Gollnow, Stadt in Pommern 227. Gonzaga, Haus 181. Gordon, Oberstleutnant 200. Görz 126. Göteborg 120, 122. Gotha 52. Gotland 217. Gotthard 133. Gran 119, 126. Granada 62. Granvella, Anton Perrenot v. 46 ff. 85, 136. Graubünden 133, 169f. 185, 205, 207. Grave, Festung i. d. Niederlanden 96. Gravelingen 101, 220, 239ff. Gray, Schlacht bei (1637) 209. Graz 148. Gregor XIII., Papst (1572—1585) 7, 72, 78, 83, 87, 92f. 95, 98. Gregor XIV., Papst (1590—1591) 105. Gregor XV., Papst (1621—1623) 165. Greifswald 257. Gressin, Stadt a. d. Rhone 132. Grodno 248. Groningen 18, 54, 88, 109. Groninger Ommelande 84. Großwardein 145. Grotius, Hugo 168. Grumbachsche Händel 52. Guebriant, frz. General 213 f. 216, 218. Guise, Franz v. 36, 38f. 41. Guise, Heinrich, Sohn des vorigen 94, 102, 105, 107. Guise, Heinrich V. v. 221.

268

Personen- und Ortsnamenregister.

Guise, Karl v., Kardinal v. Lothringen 36, 55. Guise, Karl v., Herzog v. Mayenne 102ff. 106 f. 110. Guisen 21, 36 f. 47, 49, 56, 60, 69, 88, 93, 95, 101, 106. Gustav I. Wasa, König v. Schweden (1523—1560) 28, 65, 119. Gustav II. Adolf, König v. Schweden (1611—1632) 11,121 ff. 150,163,173, 177 ff. 184ff. 206, 247f. Gyarmath, Vertrag v. (1625) 174. Haag 137, 164, 223. Haager Konzert (1659) 257. Haag, Manifest vom (1581) 85. Habsburg 1, 12f. 15, 18, 26, 31, 33f. 43, 53, 58, 62, 69, 71 ff. 81 f. 100, 107, 110, 112, 114f. 120, 125 ff. 131, 140,142 ff. 145,148f. 154f. 157f.l63f. 169 ff. 176, 179, 181, 183f. 186, 189, 193, 198, 203, 205f. 208ff. 221, 223, 232, 244ff. 261. Hagenau, Stadt 204. Hagenau, Landvogtei 148, 156, 206. Halberstadt 173, 176, 182, 202, 214, 227. Halland, schwedische Landschaft 217, 253. Hamburg 55, 191, 209. Hamburg, Präliminarvertrag v. (1641) 215. Hampton Court, Vertrag v. (1562) 39. Hanau, Grafschaft 204. Hanse 23, 25, 123, 134, 145, 179. Harcourt, frz. General 211. de Haro, Don Luis, spanischer Minister 216, 240f. Harrien, Landschaft in Estland 65. Harz 176. Hatzfeld, Graf, kaiserl. General 217. Havre, Le 39, 40. Heemskerk, holländischer Admiral 136. Heidelberg 53, 165, 204, 218. Heilbronn 219. HeilbronnerBund (1633) 195 f. 201 f. 204, 206. Heinrich VII., König v. England (1485 bis 1509) 23, 43 Heinrich VIII., König v. England (1509 bis 1547) 13, 22, 24, 42, 134. Heinrich II., König v. Frankreich (1547 bis 1559) 1, 20ff. 36f. 104,154, 261. Heinrich III., König v. Frankreich (1574 bis 1589), früher Herzog v. Anjou, König v. Polen (1573 u. 1574) 55, 57,

62, 71 ff. 74 ff. 81 ff. 85 f. 88, 91, 94 ff. 101 ff. Heinrich IV., König v. Frankreich (1589 bis 1610), früher König v. Navarra 58ff. 91, 94f. 96, 99,102ff. HOf. 129, 131 ff. 136 ff. 150, 154, 170f. 261. Heinrich, Graf v. Nassau 76. Heinrich, König v. Portugal (1578 bis 1580) 86. Hennegau 84. Henriette Marie, Gem. Karls I. v. England 172, 180. Herjedalen, Landschaft in Schweden 217. Hersfeld 182, 228. Herzogenbusch 183, 223. Hessen 26, 46, 208, 218f. Hessen-Darmstadt 159. Hessen-Kassel 131, 211, 215, 228, 246. Hildesheim 77, 202. Hildesheimer Allianz (1652) 244, 246. Hirschhorn 130. Höchst, Schlacht bei (1622) 165. Ho6 v. Hoßnegg, sächs. Hofprediger 159. Hohenzollern 139, 252. Holland (Provinz) 19, 70, 75 f. 81, 84, 91, 96 f. 104, 167. Holstein 154,163,176,178f. 217f. 251 ff. 255. Holzminden 176. Honnecourt, Schlacht bei (1642) 213. Hoorne, Graf Philipp v. 46, 49ff. 54. L'Höpital, frz. Kanzler, 38, 55, 75. Horn, schwedischer General 194 f. 198, 201, 217. Hosius, Bischof v. Ermland 30. Howard, engl. Admiral 101. Hradschin 220. Hugenotten 1, 37ff. 45, 47, 49, 51,54ff. 68ff. 73, 75, 81, 94,103,111,169,172, 180. Hugues, Genfer Bürgermeister 37. Hülst, Stadt i. d. Niederlanden 110, 220. Hussiten 161. Huy, Stadt i. d. Niederlanden 109. Hyacinth, Kapuzinerpater 165. Ibrahim I., Sultan d. Osmanen (1640 bis 1648) 231. Indien 23, 35, 86, 112, 134, 136, 167, 212, 223, 236. Indischer Ozean 35. Ingermanland 123, 250. Ingolstadt 194. Inn 220. Innozenz X., Papst (1644-1655) 221,230. Innsbruck 155.

Personen- und Ortsnamenregister. Irland 28, 87, 134, 233ff. Isabella Klara Eugenie, Iniantin v. Spanien, Gem. v. Albert v. Österreich, Erzherzogin u. Statthalterin i. d. Niederlanden 104, 111, 166f. 197, 201. Isar 219. Italien 1, 6, 12f. 15, 18ff. 32ff. 45, 55f. 58, 61 f. 90, 133, 148, 150, 161, 181, 184 f. 189, 210, 221, 239, 241. Ivry, Schlacht bei (1590) 104. Iwan III., Zar v. Rußland (1462—1505) 31. Iwan IV., Zar v. Rußland (1533—1584) 31, 66 f. 71, 74, 91 ff. 113, 117, 120. Iwangorod 31, 92. Jagellonen 58, 66 f. 72, 93. Jagiello, Großfürst v. Litauen u. König v. Polen (1381—1434) 29. Jakob, Herzog v. Kurland (1639—1682) 256. Jakob V., König v. Schottland (1513 bis 1542) 23 f. Jakob VI., König v. Schottland (1567 bis 1603) als Jakob I., König v. Großbritannien (1603—1625) 44, 88, 99, 122,134,137,141,146,151,156f. 163, 166, 172, 232, 236. Jakobe v. Baden, Gem. Johann Wilhelms v. Jülich 140. Jamaika 239, 242. Jamburg, Festung i. Ingermanland 92. Jametz, lothr. Stadt 241. Jam Zapolski, Vertrag v. (1582) 92. Jankau, Schlacht bei (1645) 217f. 221. Janitscharen 32. Jarnac, Schlacht bei (1569) 56. Jaroslaw, Stadt in Galizien 249. Java 136, 167. St. Jean-de-Luz, Stadt an den Pyrenäen 207. Jeanne d'Albret, Königin v. Navarra 36, 58. Jemgum, Schlacht v. (1568) 54. Jemtland, schwedische Landschaft 217. Jenatsch, Jürg 170. Jerwen, Landschaft in Estland 65. Jesuiten 4ff. 7, 9, 30, 78, 87, 93f. 114ff. 120, 126, 165, 197, 209, 229. Joachim Friedrich, Administrator v. Magdeburg u. Kurfürst v. Brandenburg (1598—1608) 89, 155. Johann VI., Graf v. Nassau (1580—1606) 80, 89. Johann I., Pfalzgraf v. Zweibrücken 139, 141.

269

Johann IV., König v. Portugal (1640 bis 1656), früher Herzog v. Braganza 212 f. Johann v. Sayn-Wittgenstein, brandenburg. Gesandter 222. Johann v. Manderscheid, Bischof v. Straßburg (1583—1592) 129. Johann III., König v. Schweden, früher Herzog v. Finnland (1568—1592) 65ff. 92, 94, 114ff. 119, 178. Johann Ernst, Herzog v. Weimar 176. Johann Friedrich, Herzog v. Holstein, Erzbischof v. Bremen (1596—1634) 182.

Johann Friedrich d. Mittlere, Herzog v. Sachsen (1554—1594) 52. Johann Friedrich, Kurfürst v. Sachsen (1532—1547) 129. Johann Georg v. Brandenburg, Administrator v. Straßburg u. Herzog v. Jägerndorf 129, 155, 162 f. Johann Georg I., Kurfürst v. Sachsen (1611—1656) 157,159,162,166,188f. 195, 202, 218. Johann Kasimir, Pfalzgraf 54, 71, 75, 82, 89 f. 95. Johann Kasimir, Pfalzgraf v. Zweibrükken-Klee bürg 247. Johann II. Kasimir, König v. Polen(1648 bis 1668) 248, 250, 252, 254, 256f. 259 f. Johann Moritz, Fürst v. Nassau-Siegen, GeneralgouverneurinSüdamerika212. Johann Sigismund, Kurfürst v. Brandenburg (1608—1619) 139f. 144. Johann Wilhelm, Herzog v. Jülich-Berg (1592—1609) 138 ff. Johann II. Zapolya, Fürst v. Siebenbürgen (1540—1571) 61 f. Johanniterorden 61 f. Joinville, Bündnis v. (1584) 94. Jonisches Meer 33. Joseph, Kapuzinerpater 184 f. Juan d'Austria, Don 63, 80«. 87, 109. Juden 18. Jülich 54, 77, 79f. 89, 128, 138H. 159, 168, 213, 240, 243. St. Julien, Friede v. (1603) 133. Julius Echter v. Mespelbrunn, Bischof v. Würzburg (1573—1617) 90. Jüterbog, Amt 202. Jüterboger Vergleich (1611) 143. Jütland 178f. 217, 253, 256. Kaiisch 248, 250. Kalmarkrieg (1611—1613) 122ff. 145. Kalmarische Statuten (1587) 114.

270

Personen- und Ortsnamenregister.

Kammin 226 f. Kanea, Festung auf Kreta 231. Kanisza, Festung in Ungarn 125 f. Kapuziner 5. Kardis, Friede zu (1661) 259. Karl v. Burgau, Markgraf 140. Karl IX., König v. Frankreich (1560 bis 1574) 37, 40, 55, 57ff. 62, 69, 73. Karl d. Große 94. Karl V., Deutscher Kaiser (1519—1558) 1, 4, 12, 15ff. 25, 28, 32, 45ff. 61f. 83, 112, 131, 138 f. 153 f. Karl I., König v. Großbritannien (1625 bis 1649) 172, 174, 180, 183, 232ff. 236. Karl II., König v. Großbritannien (1660 bis 1685) 234, 261. Karl III., Herzog v. Lothringen (1545 bis 1608) 105, 107. Karl IV., Herzog v. Lothringen (1624 bis 1675) 193,198, 203, 208, 226, 241,243. Karl, Kardinal v. Lothringen, Bischof v. Straßburg (1592—1607) 129. Karl IX., König v. Schweden (1604 bis 1611), vorher Herzog v. Södermanland 115ff. 119, 121 ff. Karl X., König v. Schweden, früher Karl Gustav v. Pfalz-Zweibrücken (1654 1660) 247ff. 250ff. 256, 258f. Karl XI., König v. Schweden (1660 bis 1697) 260. Karl v. Steiermark 42, 78, 116,118,126. Karl Emanuel I., Herzog v. Savoyen (1580—1630) 102,105,141,150,156f. 181, 185. Karl Josef, Erzherzog v. Österreich 254. Karl Ludwig, Kurfürst v. d. Pfalz (1648 bis 1680) 228. Karl Philipp, Sohn Karls IX. v. Schweden 121. Karelien 123. Kärnten 126. Karpathen 29. Kaschau, Stadt i. Ungarn 164. Kasan 31. Kastilien 17, 85, 212. Katalonien 212f. 220, 223, 239, 241. Katharina v. Braganza 86. Katharina v. Medici, Gem. Heinrichs II. v. Frankreich 37f. 40 f. 54, 56, 57ff. 69 ff. 72 ff. Katharina, Gem. Sigismund II. Augusts v. Polen 71. Katharina, Gem. Johanns III. v. Schweden 66 f. 94, 114. Katharina, Schwester Gustav Adolfs 247.

Kattegat 122. Kempen, Schlacht bei (1642) 213. Keresztes-Ebene, Schlacht auf der (1596) 119. Kettler, Gotthard, Ordenskoadjutor 65f. Kexholm 92, 117, 121, 123. Kiel 255. Kiew 68, 259. Kinky, Wilhelm, Graf, böhmischer Emigrant 199. Kinsale, Ort in Irland 134. Kirchholm, Schlacht bei (1605) 119. Kleinasien 125. Klemens VIII., Papst (1592—1605) 9, 107, 110, 115, 118. Klesl, Melchior, Kardinal 126,145f. 148, 155. Kleve 77, 79f. 138ff. 144, 243, 258. Knäröd, Friede v. (1613) 122. Knox, John 14, 24, 43. Koblenz 162, 207. Kockenhusen, Ort in Livland 250. Köln 77ff. 128f. 209, 213, 244, 246. Kölner Allianz (1654) 244. Kölner Krieg 88 ff. 129. Kölner Pazifikationstag (1579) 82ff. Königsberg, Vertrag v. (1656) 249. Königsmark, schwedischer General 220. Konstantinopel 32, 62,118,123,158, 253. Konstanz 198. Kopenhagen 253, 255ff. Kopenhagen, Friede v. (1660) 2, 259. Koporje, Platz i. Ingermanland 92. Köprili, Mohammed, Großvezir 260. Korsika 33. Korsör. Ort in Dänemark 255. Kowno 248. Krain 126. Krakau 73, 114f. 248, 252, 257. Kreml 121. Krempe, Festung in Holstein 179. Krems, Stadt in Österreich 217. Kreta 32, 231, 260. Kreuznach 196, 218. Krimtataren 67. Kryptocalvinisten 79. Kulmbach 131, 190. Kurland 29, 65f. 178, 256. Kurpfalz 51, 79, 118, 131, 137, 140, 145, 159, 162 ff. 166 f. 171 ff. 177, 183, 190, 201, 215, 220, 224, 228, 243f. Kurrheinischer Bund (1651) 244. Küstrin 188. Laaland 253. Labiau, Abkommen zu (1656) 251.

Personen- und Ortsnamenregister. Lamboy, kaiserl. General 213. Lamormaini, Beichtvater Ferdinands II. 182. Lampadius, Jakob, Jurist 222. Lancashire 234. Landau 218. Landrecies, Stadt i. d. Niederlanden 241. Landsberger Bund 53. Langeland 253. Langside, Gefecht bei (1568) 44. Languet, Hubert, Politiker 14. Lappen 122. Laud, William, Erzbischof v. Canterbury 232 f. Lauenburg 252, 259. Laufenburg 224. Lausanne, Vertrag v. (1564) 33. Lausitz 159f. 166,179,190,197,202, 214, 216. Lech 194, 220. Leerort, Stadt i. Ostfriesland 145. Leicester 22, 96ff. 108f. Leine 176. Leipzig 214, 218. Leipzig, Tagung in (1631) 188f. Leith, Stadt in Schottland 43. Leitmeritz 201, 218. Lemnos 260. Lenczycz, polnisches Palatinat 250. Lennox, Graf v. 88, 93. Lennox, Matthias, Regent v. Schottland 70. Leopold I., Deutscher Kaiser (1658 bis 1705) 240, 244f. 252, 254, 258, 261. Leopold, Erzherzog v. Österreich, Bruder Ferdinands II. 126, 129, 141 ff. 156, 170, 224. Leopold Wilhelm, Erzherzog v. Österreich, Sohn Ferdinands II. 182, 211, 214, 219ff. 245. Lepanto, Seeschlacht bei (1571) 63. Lerida 220. Lerma, Herzog v., spanischer Minister 131. Levante 32. Lesly, schottischer Oberst 200. Libochowitz, böhmische Herrschaft 125. Liechtenstein, Gundacker v., Obersthofmeister 199. Liegnitz, Herzogtum 228. Lille-Douay-Orchies, niederländische Provinz 84. Lingen 110, 135. Lionne, frz. Unterhändler 241. Lippstadt 144.

271

Lisola, Franz Paul v., kaiserl. Staatsmann 248, 252, 254, 256f. 259. Lissabon 35, 100, 108, 212. Litauen 29f. 65f. 68, 71, 114, 120, 248. Liverdun, Vertrag v. (1632) 204. Livland 2, 29, 31, 64 ff. 74, 91 ff. 115,119, 123,173, 178,187, 247, 250, 255, 259. Loire 103 f. London 58, 134, 233, 236. Londoner Börse (1568) 134. Longjumeau, Friede v. (1568) 54. Longueville, Herzog v. 211, 222. Lothringen 77,165,181, 203f. 208ff. 215, 218, 224, 226. Lothringen, Haus 36, 105 f. 129, 150. Loyola, Ignaz v. 4, 8 f. Lübeck, Bistum 28. Lübeck, Stadt 64, 66f. 123. Lübeck, Friede v. (1629) 175, 179, 184. Lübecker Friedenskongreß v. (1651/52) 247. Lublin 248, 250. Lubliner Union (1569) 68, 114. Lucca 32. Ludwig XIII., König v. Frankreich (1610 bis 1643) 142, 166f. 170ff. 181, 183, 188, 196, 203, 206, 212, 216, 241. Ludwig XIV., König v. Frankreich (1643 bis 1715) 2, 216, 223, 238, 240f. 244, 246, 261. Ludwig V., Landgraf v. Hessen-Darmstadt (1596—1626) 159, 165f. Ludwig, Graf v. Nassau 48, 54, 58 f. Ludwig, Graf v. öttingen 130. Ludwig VI., Kurfürst v. d. Pfalz (1576 bis 1583) 90. Luise Marie, Gem. Johanns II. Kasimir, Prinzessin v. Nevers-Gonzaga 254. Lüneburg 190. Luther 8, 11, 100. Lutheraner, Luthertum 4, 8 ff. 19, 24, 27, 49, 52 f. 60, 78, 116, 119, 130, 144, 146, 182. Lutter am Barenberge, Schlacht bei (1626) 177 f. Lüttich 89, 142. Lützen, Schlacht bei (1632) 194ff. Luxemburg 109, 142, 210, 241. Lyon, Friede v. (1601) 132. Maas 138, 194. Maastricht 84, 87, 194, 223. Macchiavelli 14. Madrid 50, 53, 56, 70, 76, 85, 131, 135, 137, 140 f. 145, 148, 150, 157, 172, 197, 211, 222, 240, 242.

272

Personen- und Ortsnamenregister.

Madrid, Friede v. (1630) 183. Madrid, Vertrag v. (1621) 169f. Magdeburg (Erzbistum) 89,176, 202, 227. Magdeburg (Stadt) 188f. Magdeburger Sessionsstreit 89, 130. Magni, Valeriano, Kapuziner 166. Magnus, Herzog v. Holstein, Bruder Friedrichs II. v. Dänemark (1570 bis 1583) 65, 67, 92. Mähren 119, 125, 127Í. 156, 160f. 164, 174, 214, 216Í. Mailand 15,18, 33, 41,133,141,148,172, 197, 205, 207, 213, 221, 242. Mailänder Artikel (1622) 170. Main 190. Mainz 127, 166, 206, 218f. 226. „Malkontenten" i. d. Niederlanden 83. Malta 62, 231. Mannheim 165, 204. Mansfeld, Agnes v., Gem. v. Gebhard Truchseß 89. Mansfeld, Ernst v. 156f. 160,164f. 168f. 174 ff. Mantua 183, 185, 205, 208, 210, 222. Mantuanischer Erbfolgekrieg (1628 bis 1630) 180, 183. Mar, Regent v. Schottland (1571—1572) 70. Marburger Erbschaft 159, 165, 228. Mardijk, flandrische Festung 220, 239 f. March 169. Marfée, La, Schlacht bei (1641) 213. Margareta, Herzogin v. Parma, Statthalterin d. Niederlande 45, 48 ff. 88. Margareta v. Valois, Gem. Heinrichs IV. v. Frankreich 58 f. 62. Margaretenkloster in StraBburg 130. Maria d. Katholische, Königin v. England (1553—1558), Gem. Philipps II. v. Spanien 15, 22 ff. 41 ff. Maria v. Medici, Gem. Heinrichs IV. v. Frankreich 142, 171, 193. Maria v. Guise, Gem. Jakobs V. v. Schottland 23 f. Maria Stuart, Königin v. Schottland (1542—1587) 1, 23f. 36f. 40ff. 55, 58, 69f. 80, 93, 97ff. Marie Eleonore, Gem. Albrecht Friedrichs v. Preußen 138. Maria Theresia v. Spanien, Gem. Ludwigs XIV. 240. Marienbourg, Festung i. d. Niederlanden 241. Marienburg 65, 257. Marienburg, Bündnis von (1656) 249. Maryland, engl. Besitzung 236.

Mark, Grafschaft 138, 144. Marnix, Philipp v., niederländischer Staatsmann 48, 51. Maros, Nebenfl. d. Theiß 61. Marsal, lothringische Festung 193. Marseille 105. Marston-Moor, Schlacht bei (1644) 233. Martinitz, kaiserl. Rat 149. Masaniello, neapolitanischer Volksführer 221.

Matthias, Deutscher Kaiser (1612—1619) 81 ff. 85, 113f. 125, 127ff. 142f. 145f. 148 f. 156ff. Mauren 61 f. Maurenkrieg 17, 85 f. Maximilian I., Herzog, später Kurfürst v. Bayern (1598—1651) 130f. 146, 148,153 ff. 157 f. 160,162,165 ff. 174f. 177, 182ff. 193f. 197, 201f. 206, 214, 219, 221, 224, 227f. 244. Maximilian I., Deutscher Kaiser (1493 bis 1519) 139. Maximilian II., Deutscher Kaiser (1564 bis 1576) 32, 40, 52 f. 56, 61, 72, 74, 126, 138, 144, 148. Maximilian, Erzherzog V.Österreich, Sohn Maximilians II. 114, 116, 118, 146, 148f. 155 f. Mazarin, Kardinal u. frz. Minister 2, 216, 219ff. 226, 238ff. 244ff. 251, 253, 257 ff. 261. Meaux, Anschlag v. (1567) 41. Mecheln 46, 96. Mecheln, Großer Rat zu 18. Mecklenburg 177, 179f. 186,189ff. 208f. 228.

Medici 34. Meergeusen 55, 59. Melo, Don Francisco de, spanischer General 213, 216, 220. Memel 29, 187, 249. Mendoza, Bernardone, spanischer Diplomat 83, 87, 98. Merchant Adventurers 23, 55, 98, 134. Mercy, bayer. General 211, 216, 218. Mergentheim, Schlacht bei (1645) 218. Mesopotamien 31. Messina 63. Metz 20, 25, 36, 40, 181, 183, 193, 203, 225, 241. Michael d. Tapfere, Woiwode 119, 124f. Michael Feodorowitsch Romanow, Zar v. Rußland (1613—1648) 121. Minden 182, 202, 227. Mingolsheim, Treffen v. (1622) 164. Mitau 66.

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Personen- und Ortsnamenregister. Mittelmeer 12, 32f. 61, 63f. 212, 239. Mohacz, Schlacht bei (1526) 86. Mohammed IV., Sultan der Osmanen (1648—1687) 260. Moldau 118, 124 f. Molukken 136. Mömpelgard 204. Monarchomachen 69, 85, 103. Moncontour, Schlacht bei (1569) 55 f. Monluc, Jean de, frz. Diplomat 72. Möns 59, 70 f. Montauban, Hugenottenfestung 56. Montecuccoli, kaiserl. General 251, 257. Montferrat, Markgrafschaft 150,181,183. Montmédy, lothr. Stadt 241. Montmorency (Haus) 21. Montmorency, Herzog v., Connétable v. Frankreich 38. Montpellier, Edikt v. (1622) 170. Monzon, Friede v. (1626) 172, 180. Mook, Schlacht bei (1574) 76. Moriskos 18, 62. Moritz, Landgraf v. Hessen-Kassel (1609 bis 1627) 157, 165, 176f. Moritz, Prinz v. Nassau-Oranien (1584 bis 1625) 96, 104, 109ff. 135ff. 144, 168, 174, 183, 223. Moritz, Herzog, später Kurfürst v. Sachsen (1541—1553) 26. Moritz, Prinz v. Savoyen, Kardinal 210, 213. Morone, päpstlicher Legat 6. Mors 129, 139. Morton, Regent v. Schottland (1557 bis 1581) 70, 88. Mosel 162, 193 f. 216, 241. Moskau 31, 67, 113, 117, 120f. 123. Moskowiter s. v. Rußland. Moyen-Vic, Ort in Lothringen 193, 225, 241. Mülhausen, Kurfürstentag zu (1627) 182. München 194, 219. Münchener Vertrag (1619) 158. Munster, Provinz in Irland 134. Münster 90, 215, 219, 222 ff. 246. Münster, Sebastian, Geograph 30. Münsterberg s. v. Oels. Murray, Regent v. Schottland (1567 bis 1570) 44, 70. Nahe 162. Nantes, Edikt v. (1598) 108, 111. Namur 81. Nancy 241. Narva (Fluß) 66, 92, 122. Narva (Stadt) 31, 64, 92, 256. P l a t z h o r r , Europ. Staatensystem.

Naseby, Schlacht bei (1645) 233. Nassau (Haus) 46, 59, 71, 73. Nassi, Jussuf, türk. Hofjude 62. Naudé, Gabriel, frz. Publizist 14. Navarra 37 f. 94, 181. Naxos 62. Neapel 15, 18, 221, 239 f. Nemours, Edikt v. (15851 95. Netze 248. Neu-Amsterdam 236. Neufchätel 181. Neumark 249, 257. Neuß 97, 129. Nevers, Karl II. v., Herzog v. Mantua (1627—1637) 181, 185. Niederlande 8f. 11, 13, 15ff. 25, 40ff. 45 ff. 50 ff. 53 ff. 59, 63 f. 70, 75, 79 ff. 87f. 94ff. 101, 104, 108ff. 120, 123f. 127, 131, 133 ff. 139ff. 144ff., 148, 154 ff. 163, 166 ff. 174 f. 179f. 183f. 187, 193f. 196ff. 201, 203, 205, 207ff. 211 f. 216f. 220, 222f. 226f. 232,236ff. 240ff. 246, 248ff. 251, 253, 255ff. Niederösterreich 126, 156 ff. 160 f. Niedersachsen 145, 173, 194, 196. Nieuwpoort, Schlacht bei (1600) 135. Nikolas Franz I., Herzog v. Lothringen (1634—1670) 204. Nikolsburg, Frieden v. (1622) 164, 169. Nishnij-Nowgorod 121. Nizza 210. Niemen 248. Nogat 178. Nordamerika 134, 236. Nordischer Krieg (1563—1570) 64ff. Nordischer Krieg (1656—1660) 241, 244, 246 ff. Norditalien 18, 33, 102, 158, 170, 174, 201, 205, 207f. 210, 213. Nördlingen 218. Nördlingen, Schlacht v. (1634) 201, 204, 206, 208. Nordsee 15, 70,101,123,178,186ff. 191, 253. Norfolk, Herzog v. 55. Normandie 105. Norwegén 28, 122, 251, 258. Nowgorod 31, 121, 123. Noyon 106. Nürnberg 194, 214, 242. Nürnberg Exekutionskongreß zu (1649) 247. Nürnberg, Kurfürstentag zu (1640) 214. Nyborg, Schlacht bei (1659) 258. Nydeggen, Schenk v., Feldoberst 129. Nymwegen 104. 18

274

Personen- und Ortsnamenregister.

Oberdeutschland 33, 201. Oberösterreich 126f. 143, 156f. 160ff. 176, 183. Oberpfalz 157, 162, 164, 166, 183, 194, 214, 220, 228. Oder 188f. 227, 243, 257. Oels-Münsterberg, Herzogtum 228. Oise 207. ö l a n d 122. Oldenbarnevelt, Johann, Ratspensionär v. Holland (1587—1619) 109, 136f. 167 f. Oldenburg 253. Oldenzaal, niederl. Stadt 110, 135, 176. Oliva, Frieden v. (1660) 2, 251, 258ff. Olivarez, Herzog v., span. Minister 167 f. 177 f. 203, 212, 216. Olmütz 214. Onate, Graf, span. Gesandter 148, 158, 162, 165 f. Onatevertrag (1617) 148f. 181, 193, 198, 205. Oppeln 119, 164, 169. Orange 46. Oranien (Haus) 129, 236. Orsini, Kardinallegat 69. Ortenau, Grafschaft 148, 156, 194. ösel 65, 67, 92, 217. Osmanisches Reich 12, 31 ff. 61 ff. 118f. 125f. 145f. 154, 218. Osnabrück 173, 202, 215, 217, 222 ff. 228.

Ossuna, Vizekönig v. Neapel (1618 bis 1621) 150. Ostende 135. Österreich s. v. Habsburg 25f. 33, 61, 93, 113, 124 f. 128, 131, 145f. 150f. 154 ff. 159,164,167 ff. 177, 182, 186f. 202, 204, 206, 208, 211, 213, 215, 217, 224, 227f. 240, 244 ff. 251 ff. 256ff. 260. Ostfriegland 54, 168, 253. Ostindien s. v. Indien. Ostindische Gesellschaft 134, 136. Ostpreußen 29, 187. Ostsee s. v. Dominium maris Baltici 15, 30 f. 65, 73, 92, 122 ff. 136, 178, 186ff. 190f. 209, 237, 247ff. 251 ff. 259. Otto v. Schwerin 255. Oudenarde, Ort i. d. Niederlanden 240. Overyssel, niederl. Provinz 84, 104. Oxenstierna, Axel, schwedischer Kanzler 187, 191, 195 f. 202 f. 206. Oxenstierna, Johann, Sohn des vorigen 222.

Paderborn 90. Palota, S t a d t in Ungarn 118. Pantelleria, Insel zw. Sizilien u. Tunis 99. Pappenheim, kaiserl. General 188f. 194. Paris 21, 36, 39, 60, 75, 102ff. 106f. 142, 165f. 207, 244. Pariser Liga (1585) 94. Parma 34, 205, 210. Passau 142 f. 182, 194. Passau, Abkommen von (1647) 220. Passauer Vertrag (1552) 182, 228. Paul IV., Papst (1555—1559) 1, 6. Paul V., P a p s t (1605—1621) 158, 165. Peipussee 29, 123. Pernau, S t a d t in Livland 123. Pironne, Liga v. (1576) 81. PSronne, Manifest v. (1585) 95. Perpignan, Festung i. Roussillon 213. Persien 63, 118, 125f. 154, 231. Perth, schottische S t a d t 25. Pfalz-Neuburg 131, 143, 146, 159, 169. Pfälzer 26, 56, 59, 129f. 163, 165. Pfyffer, Ludwig, Schweizer Söldnerführer 95. Philipp, Landgraf v. Hessen (1509 bis 1567) 26. Philipp II., König v. Spanien (1556 bis 1598) 1, 6 f . 15ff. 20, 23f. 32ff. 37f. 40 ff, 45 ff. 53, 55 ff. 59 ff. 62 f. 69, 71, 76 ff. 80, 82 ff. 94f. 97f. 104 ff. 108 ff. 116, 118, 131, 136, 148, 156, 167. Philipp III., König v. Spanien (1598 bis 1621) 131 ff. 137, 141 ff. 148, 150f. 159, 162 f. 167. Philipp IV., König v.Spanien (1621 bis 1665) 167, 172, 174, 179, 193, 197, 210, 212, 216, 221, 223, 238ff. Philipp Christoph v. Sötern, Erzbischof v. Trier, Bischof von Speyer (1623 bis 1652) 166,193,196, 205, 208, 219. Philipp Ludwig, Pfalzgraf v. Neuburg (1569—1614) 138. Philipp Prosper, Sohn Philipps IV. v. Spanien 240. Philipp Wilhelm, Herzog v. Pfalz-Neuburg (1653—1690) 244, 246. Philippsburg 194, 204, 207, 218f. 224f. PhilippeVille, niederl. S t a d t 241. Piacenza 34. Piasten 71. Picardie 102, 109, 207. Piccolomini, Octavio, kaiserl. General 198ff. 207, 210f. 214, 220. Piemont 75.

Personen- und Ortsnamenregister.

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Baab 31, 118f. Rain, Treffen bei (1632) 194. Rakoczy, Georg II., Fürst v. Siebenbürgen (1648 — 1660) 217 f. 249, 251 f. Ralegh, Walter 108, 236. 221. Rammekens, niederl. Festung 96, 137. Ratibor 119, 164, 169. Pirna 201. Ratzeburg 228. Pitschen, Gefecht bei (1588) 114. Pius IV., Papst (1559—1566) 1. Ravaillac, Mörder Heinrichs IV. v. FrankPius V., Papst (1566—1572) 7, 56, 62 f. reich 142. 100. Ravensberg 138, 144. Ravenstein 138, 144. Pleskau, Stadt in Rußland 92, 123. Plettenberg, Walter v., Ordensmeister 31. R6, Insel 180. Rees, Ort in Kleve 144. Pljussa, Vertrag an der (1583) 92. Regensburg 82, 198, 201, 208, 214. Podlesien, litauisches Palatinat 68. Poissy, Religionsgespräch zu (1561) 38. Regensburg, Fürstentag zu (1623) 165. Regensburg, Kurfürstentag zu (1630) Poitiers, Friede v. (1577) 81. Polen 12, 29 f. 62 ff. 69, 71 ff. 75, 91 ff. 180, 184 f. 187. 113 ff. 118 ff. 124 f. 150, 158,164, 173, Regensburg, Reichstag zu 1576: 74. 177ff. 186f. 193, 202, 206, 208, 222, 1594: 118. 231, 247ff. 251 ff. 256ff. 260. 1608: 130. Poloczk, Dünefestung 66, 92, 248. 1613: 146. Poltrot, Mörder Franz' v. Guise 39. 1636: 268. 1640: 214,221. Pomerellen 253. Pommern 179, 186, 188f. 191, 195f. 202, Reichenberg 175. 208 f. 215, 226 f. 242 f. 252, 254, Reims 87, 107. 257 f. Renatus, Prinz v. Oranien 46. Pontus de la Gardie, schwedischer Ge- Requesens, Don Luis de, Statthalter d. nera] 92. Niederlande (1570—1576) 76, 80. Portolongone, Ort auf Elba 221, 239. Reval 29, 65, 67, 92, 250. Portsmouth 180. Rhätien 170, 172. Portugal 35, 57, 63, 85ff. 108, 136, 154, Rhein 15, 53,129,144,150,162,166,170, 167, 212f. 222, 237, 240f. 176, 190, 193, 196f. 205ff. 210, 214, Posen 248, 250. 218 f. 225, 243, 249. Possevino, Jesuit 92 ff. Rheinau 209. Potosi, Minen von 17. Rheinbund (1658) 242, 245f. 255, 257, Prag 127, 143, 148f. 155, 157f. 160, 190, 261. 200, 210, 216, 220. Rheinberg¡90, 97, 104, 110, 129, 136, Prager Vertrag (1617) s. v. Onatevertrag. 140. Prager Friede (1635) 201 ff. 208, 228. Rheinfelden 209, 224. Preßburg 158. Rhone 132 f. Preßburger Bundesurkunde (1608) 127. Riccio, David, Sekretär der Maria Stuart Preßburger Vertrag (1626) 176. 44. Preston, Schlacht bei (1648) 234. Richelieu, Herzog v. .Armand du Plessis, Preußen, Herzogtum 30, 144, 163, 178, Kardinal u. frz. Minister 170 ff. 174, 187, 249ff. 253, 256 f. 259. 177, 180, 183f. 187 f. 193f. 196, 198, Provence 105, 207. 203ff. 220f. 223, 232. 238, 261. Pyrenäen 207, 210, 212 f. 240. Ridolfi, Florentiner Bankier 56. Pyrenäenfriede (1659) 2, 15, 238ff. 242f. Riga 29, 65, 119, 173, 250, 256. 258. Rinteln 168. Rinuccini, päpstl. Nuntius in Irland 234. St. Quentin 38. Rivoli, Vertrag von (1635) 205. Querfurt, magdeburgisches Amt 202. Rochelle, La, 56, 70, 180f. Quesnoy, Le, Stadt i. d. Niederlanden Rocroi, Stadt i. d. Niederlanden 216, 241. 239. Pignerolo, ital. Festung 183, 185, 215, 226, 240. Pillau 178, 187, 249. Pilsen 149, 198. Pilsener Reverse (1634) 199f. Piombino, italien. Fürstentum 148, 181,

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276

Personen- und Ortsnamenregister.

Roermund, Maasfestung 194. Roeskilde, Friede v. (1658) 253 ff. 257, 259. Rohan, Herzog v. 180, 185, 205. Romanow (Haus) 117, 123. Rothenburg 218. Rothenburg, Unionstag v. (1618) 155. Rottweil 216. Rouen 105. Roussillon 213, 215, 223, 241. j Rovere (ital. Fürstenhaus) 34. ! Roxolane, Mutter Selims II. 32. Rudolf II., Deutscher Kaiser (1576 bis i 1612) 73, 78f., 83, 89, 92, 106, 109, I 1 113 f. 118, 125ff. 138 ff. 143. Rügen 179, 187, 227, 257. Ruprecht, Pfalzgraf 237. Rurik (Haus) 117, 121. Rußland 12, 23, 29 ff. 33, 63 ff. 74, 92 r. 113ff. 117, 120, 123, 186, 208, 217, 222, 250, 256, 260. Ruthenische Kirche 115. Ruyter, de, holländ. Admiral 237, 258. |

Schleswig-Holstein 28. Schönebecksches Projekt (1635) 202. Schönborn, Johann Philipp v., Erzbischof v. Mainz (1647—1673) 245f. Schonen 217, 251, 253, 259. Schottland 2, 8f. 23ff. 37, 40, 42ff. 70, 88, 135, 232 ff. 236. Schwaben 194, 201, 216, 218. Schwäbisch-Hall, Unionstag zu (1610) 141. Schwarzenberg, Graf Adam v., brandenburgischer Minister 177. Schwarzes Meer 30. Schwarzwald 218. Schweden 2, 12f. 28, 65 ff. 92, 94, 113 ff. 117, 121 ff. 155, 163, 178f. 186ff. 191, 193, 195ff. 199ff. 203ff. 208ff. 214f. 217ff. 224, 226ff. 231, 237, 242ff. 246ff. 251 ff. 256ff. 260. Schweikhard, Erzbischof v. Mainz (1604 bis 1626) 146. Schweiz 4, 9, 11, 25, 33ff. 41, 80, 95, 133, 156, 222, 227. Schwerin 228. Schwertbrüderorden 29. Sachsen 46, 73, 79, 89, 118, 127, 130, Sebastian, König v. Portugal (1557 bis 140, 143, 157, 160, 163, 165f. 176, 1578) 85 f. 179,188ff. 192,194,196,199ff. 208ff. i > Sedan 213. 226. Seegeusen s. v. Meergeusen. Sachsen, Bewohner Siebenbürgens 125. Seeland 75f. 81, 84, 91, 96f. 104, 253, Sachsen-Weimar 190. 255 f. Säckingen 209, 224. Segeberg, Zusammenkunft v. (1621) 163. Sagan 178. Sehab, Friede v. (1639) 231. Salentin v. Isenburg, Erzbischof v. Köln Selim I., Sultan (1512—1520) 12. (1567—1577) 79f. Selim II., Sultan (1566—1574) 61 f. Saluzzo 102, 111, 132 f. 181. Servien, Abel, frz. Diplomat 222, 225 f. Salvius, Adler, schwed. Gesandter 222, Semgallen, Teil Kurlands 66. 226, 247. Sewerien, polnische Landschaft 123. Salzburg 90, 131. Sidney, Philip, engl. Publizist 3. Sandomir 251. Sidonia, Medina, spanischer Admiral 100. Sandomir, Palatin v. 120. Siebenbürgen 31,61,72,91,93,118 f. 125 f. Santa Cruz, span. Admiral 86. 145f. 217, 222, 252, 260. Saporoger Kosaken 248. Sarajewo 176. Siena 34. Sardinien 15, 18. Sieradz, polnisches Palatinat 250. Savelli, kaiserl. General 209. Sierck 216. Savoyen 20, 33, 35, 39, 62,111,132f. 142, Sigismund I., König v. Polen (1506-1548) 150, 169 ff. 181, 183, 205, 208, 210, 30. 213, 222, 239. Sigismund II., August, König v. Polen Schaumburg 228. (1548—1572) 30, 65ff. 71 f. 74, 93. Scheide 96f. 136, 163, 220, 223. Sigismund III., König v. Polen (1587 bis Schenkern, Marschall 140. 1632) seit 1592 König v. Schweden Schlachta 30, 68, 71 f. 74. 94, 114ff. 119ff. 123, 158, 193. Schlesien 114, 125, 128, 155Í. 158, 160, Sinan, Großvezir 118. 173,176f. 190,194,197, 202,206, 214, Sixtus V., Papst (1585—1590) 34, 95, 226, 228, 248, 252, 257. 100, 103 ff. 107. Schleswig 178 f. 253. Sizilien 15, 18, 99.

Personen- und Ortsnamenregister. Skandinavien 4, 25, 28f. 64, 66,183, 238, 255, 260. Slawata, kaiserl. Rat 149. Sluis, niederl. Hafen 97, 135. Smolensk 121, 123, 248, 259. Söderköping, Reichstag zu (1595) 116. Soest 144. Soissons, Graf v. 213. Sokoli, Großvezir 62, 72. Sorbonne 102, 107. Souches, de, kaiserl. General 257. Spandau 188. Spanien 1, 5f. 13, 15ff. 22, 27, 32 f. 35, 39ff. 44f. 48, 50f. 55ff. 59ff. 67, 70f. 73, 75, 80, 82ff. 86ff. 90f. 95ff. 103ff. 107ff. 127,129, 131,133ff. U l f . 148, 150 f. 154, 156 ff. 162 ff. 167ff. 177f. 180, 183f. 186, 192f. 197f. 201, 203, 205,207 ff. 211 ff. 215 f. 221 ff. 226,231, 238ff. 243, 245, 251, 253, 257f. 261. Speyer 218, 224. Spinola, Ambrosius, spanischer General 129, 135 f. 140, 144, 162f. 168, 174. 183, 185. Stade 177. Stade, Vertrag von (1654) 243. Stadtlohn, Schlacht bei (1623) 169. StÄngebro, Schlacht bei (1598) 117. Stato dei Presidii 34, 239. Steiermark 31, 78, 126, 129, 146, 148fr. Steinau, Lager v. 197. Stenay, lothr. Stadt 241. Stettin 257. Stettin, Friede v. (1570) 67, 92,122, 227. Stettiner Rezeß v. (1653) 243. Stettiner Verhandlungen (1655) 249. j Stockholm 66, 208, 217, 227, 246. i Stockholm, Blutbad zu (1520) 28. i Stolbowa, Friede v. (1617) 123. j Strafford, Thomas Wentworth, Earl of j 232 f. | Stralsund 179, 186f. 257. | Straßburg 11, 19, 129, 142f. 181 f. 204, 225. Straßburger Kapitelstreit (1592) 129. Stuarts 184, 232, 234 ff. 239. Stuhmsdorf, Waffenstillstand v. (1635) 206, 231, 247. Sturenmord (1567) 67. Südamerika 4, 134. Sulejman II., Sultan (1520—1566) 12, 32, 61 f. Sully, Maximilian v. B6thune, frz. Minister 132. Sund 29, 122f. 173, 179, 217, 237f. 253, 256 f. 260.

277

Sundgau 156, 224. Susa, Friede v. (1629) 180. Sziget, Festung in Ungarn 61. Sziszek, Schlacht an der Schanze v. (1593) 118. Tarnopol 252. Tarragona 212 f. 220. Tataren s. v. Krimtataren 30f. 252. Täufertum 11, 19, 27, 235. Temesvar 61. Tenedos, Insel im Ägäischen Meer 260. Teneriffa 240. Teusina, Friede v. (1595) 117, 122. Theiß 218. Themse 101, 237. Thomas, Prinz v. Savoyen 210, 213. Thonon, Vertrag v. (1569) 33. Thorn 74, 249, 256. Thorn, Präliminarkongreß (1659) 258. Thüringen 190, 208. Thum, Graf Heinrich Matthias v., böhm. Adliger 149,156,192,199. Tilly, Johann Tserklaes, Graf v., General 160, 164 f. 168 f. 172, 174ff. 184, 188 f. 194. Tirol 126, 156, 169. Torstenson, Lennart, schwedischer General 214, 216, 218f. Toskana 34, 58, 78, 222, 239. Toul 20, 25, 40, 181, 203, 225. Tournai 18, 88. Tower 55. Trarbach 196. Trautmannsdorff, Graf Maximilian v., kaiserl. Rat 222, 224, 226. Tridentinum 3, 6f. 41f. 48, 69, 77f. 108, 115. Trier 128, 194, 196, 205, 207, 219, 243, 246. Tromp, holl. Admiral 211, 237. Troyes 40. Tschechen 145, 161. Tudors 22, 42, 44. Tunis 63, 99. Turenne, Henri de la Tour d'Auvergne, Vicomte de, frz. Marschall 218ff. 22i, 239. Turin 210 f. Türkei s. v. Osmanisches Reich 13, 33, 72ff. 222, 231, 253, 260f. Türken 18,26,32,62f. 99,113,117ff. 125, 127, 145, 158, 174. Türkenkrieg 72, 92, 116, 118ff. 124, 128, 183, 260. Türkenliga 57f. 69, 78.

278

Personen- und Ortsnamenregister.

Tuttlingen, Schlacht bei (1643) 216. Tyrnau, Vertrag v. (1615) 145. Tyrone, irischer Volksführer 134. Ulfsbäk, Friede v. (1613) 122. Ulmer Vertrag (1620) 159. Ulm, Waffenstillstand v. (1647) 219f. Ungarn 12, 26, 61, 64, 72, 93, 118f. 125, 127f. 145, 148 f. 158, 160, 164, 174, 176, 218. Upsala, Synode v. (1593) 116. Urban VII., Papst (1590) 105. Urban VIII., Papst (1624—1644) 181, 184, 192, 208, 221. Urbino 34. Uscie, Vertrag v. (1655) 248. Usedom 179, 187. Uskoken, Seeräuber im Mittelmeer 150. Utrecht 18, 84, 96, 104, 167. Utrechter Union (1579) 84f. Valenciennes 59, 84, 239. Valette, La, Großmeister d. Johanniter 62.

Valois 12f. 20, 43, 58, 69, 71, 73. Valromey, Rhonelandschaft 132. Vassy, Blutbad zu (1562) 38. Velikije Luki, Ort in Rußland 92. Veltlin 133, 166, 169ff. 174, 207. Venedig32f. 62f. 86,118,133,150,160ff. 174, 181, 183, 231, 260f. Venlo, Maasfestung 96, 194. Verde, Kap 98. Verden 28, 173, 183, 202, 226f. 246, 257. Verdun 20, 25, 40, 181, 203, 225. Vervaux, Jesuit 219. Vervins, Friede v. (1598) 108 ff. 132 r. Vessprim, Ort in Ungarn 118. Vic, Vertrag v. (1632) 193, 204. Viglius, Mitglied d. niederl. Regentschaftsrats 46. Viktor Amadeus I., Herzog v. Savoyen (1630—1637) 185. Vincennes, Vertrag v. (1661) 241. Vinzenz II., Herzog v. Mantua u. Montferrat (1626—1627) 181. Virginia 236. Vlissingen 59, 96f. 137. Vorarlberg 219. Walachei 118f. 125, 145. Waldshut 224. Waliessar, Waffenstillstand v. (1658) 256. Wallenstein, Albrecht v. 174 ff. 183 f. 186 ff. 194 ff. Wallis 33, 35.

Walsingham, Francis, engl. Staatsmann 22, 58f. 98 f. 108. Warnemünde 226. Warschau 72, 248ff. Warschau, Inquisitionsreichstag zu (1592) 116. Warschau, Schlacht bei (1656) 250. Warthe 248. Wassilij Schujskij, Zar v. Rußland (160G bis 1610) 117, 120 f. Wehlau, Vertrag v. (1657) 252, 254. Weichsel 178, 247. Weimann, Daniel, brandenburg. Staatsmann 255. Weingartner, Johannes, Jesuit u. Hofprediger Ferdinands II. 200. Weißer Berg, Schlacht am (1620) 160,189. Weifen 228. Welser, Philippine, Gem. Ferdinands v. Tirol 140. Wenden, Schlacht bei (1578) 92. Werben a. d. Elbe 189. Werra 168. Werth, Johann v., bayerischer General 207, 209, 220. Wesel 51, 144, 183, 219. Weser 168, 176, 219, 227. Westfalen, Herzogtum 89f. 208, 213. Westfälischer Friede (1648) 2,155, 221 ff. 240, 243ff. 257 f. 261. Westindien 86, 98, 112, 134, 212, 223, 236, 239. Westminster, Friede v. (1654) 237. Westminster, Vertrag v. (1585) 96. Westpreußen 248. Wetterau 79, 89, 211. Wettin 26, 52, 139, 202. Wien 69, 123, 139f. 146, 155f. 160, 164, 174, 176, 178, 182, 184, 192ff. 196ff. 205, 208, 219, 224, 240, 242, 245, 248, 253, 257. Wien, Friede v. (1608) 128. Wien, Friede v. (1624) 169, 176. Wien, Friede v. (1645) 218. Wiesloch, Schlacht bei (1622) 164. Wilhelm V., Herzog v. Bayern (1579 bis 1597) 78, 90, 131, 189. Wilhelm V., Landgraf v. Hessen-Kassel (1623—1637) 177, 202, 206, 211. Wilhelm VI., Landgraf v. Hessen-Kassel (1637—1648) 228. Wilhelm d. Reiche, Herzog v. JülichKleve (1539—1592) 138 f. Wilhelm I., Prinz v. Nassau-Oranien 46ff. 51, 54ff. 58, 69f. 75ff. 81 f. 84f. 87, 91, 93, 96, 110.

Personen- und Ortsnamenregister. Wilhelm II., Prinz v. Nassau-Oranien, Statthalter d. Niederlande 236 f. Wilna 248, 250. Wimpfen 165. Wirland, Landschaft in Estland 65. Wismar 173, 226 f. Witepsk, Stadt in Litauen 248. Wittelsbacher 26, 90,159,165f. 174,182, 185, 219, 224. Wittenweier, Schlacht bei (1638) 209. Wittstock, Schlacht bei (1636) 208. Wladislaw IV., König v. Polen (1632 bis 1648) 117, 121, 123, 206, 208. Wohlau 228. Wolfenbüttel 130, 190. Wolfgang, Pfalzgraf v. Zweibrücken (1532—1569) 55. Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf, Herzog v. Neuburg u. Jülich-Berg (1614—1653) 140, 144, 165. Wolhynien 68. Worcester, Schlacht bei (1651) 234, 236. Worms 206, 218. Wormser Deputationstag (1578) 129.

279

Wrangel, schwedischer General 219 f. Württemberg 131, 190, 201. Würzburg 90, 190. Xanten, Vertrag v. (1614) 143ff. 169. Tpern 91, 220, 239 f. Yssel 104, 135. Zabern 204, 209. Zamojiski, Johann, polnischer Kanzler 114ff. Zehntgerichtsbund 170. Zriny, Verteidiger v. Sziget 61. Zsitva-Torok, Waffenstillstand v. (1606) 126, 145 f. 260. Zuidersee 70. Zürich 35, 133, 169. Zusmarshausen, Schlacht bei (1648) 220. Zütphen, Schlacht bei (1586) 104. Zweibrücken 247, 259. Zwingli 34. Zwinglianismus 11, 27. Zypern 32, 62f. 118.

Stammtafeln. Portugal ( = Spanien) . . . . England: Tudor — S t u a r t . . Jülich-Kleve-Berg Österreich

S. 86 „135 „138 „ 147

HuADdi der utteMteiüdwo u i m m ßesdstfete Herausgegeben von G. v. Below, Fr. Meinedce und A. Brackmann M i t t e 1928 w a r e n e r s c h i e n e n u n d l i e f e r b a r :

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Geschichte der neueren Historiographie. Von E. Fue ter. 2. Aufl. 646 S. 1925. Brosch. M. 20.—, in Leinen M. 22.—.

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